Encyklopädie der Rechtswissenschaft: Band 2 [6. Aufl. Reprint 2020] 9783112379264, 9783112379257


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German Pages 1184 [1188] Year 1904

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Encyklopädie der Rechtswissenschaft: Band 2 [6. Aufl. Reprint 2020]
 9783112379264, 9783112379257

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Encyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung.

Zweiter Band.

Encyklopädie

Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Begründet von

Dr. Franz von holtzendorsf. Unter Mitwirkung von

®. Nnschütz — L. von Bar — (E. Beling — h. Brunner ®. Cohn — K. (Trame — E. Dörner — G. Gierke — §. hecht p. Heilborn — E. heqmann — D. Koebner — I. Hohler £. Laß — G. Lenel — L. von Meier — L. Mitteis — I. Stranz U. Stutz - G. von Veh — §. Wachenfeld - 3. weiffenbach herausgegeben von

Dr. Josef ttohler, oröentl. Professor der Rechte in Berlin.

Sechste, der Neubearbeitung erste Auflage.

1904

Duncker & Huinblot und 3. (Buttentag, ®.m.b.h. Leipzig.

Berlin.

Alle Rechte vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis zum zweiten Band. n. Stvtlrrcht (Fortsetzung). 9. Internationale- Privatrecht, von L. Von Var 10. Zivilpro-eß- und Konkursrecht, von I. Kohler 11. Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, von EmU Dörner

1— 45 47—205 207—233

HL Strafrecht. 1. Strafrecht (mit Ausschluß des Militärstrafrechts), von F. Wachenseld 2. Strafpro-eßrecht, von Ernst Veling 3. Militärstrafrecht — Militärstrafprozeß, von JuliuS Weiffenbach

237—326 327—408 409 -446

IY. I^WenUtchVN Archt. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Deutsches StaatSrecht, von Gerhard Anschütz Das VerwaltungSrecht, von Ernst v. Meier Arbeiterversicherungsrecht, von Ludwig Latz Kirchenrecht, von Mrich Stntz Völkerrecht, von Pank Heilbor« Deutsche- Kolonialrecht, von Otto Köbner

Namen- und Sachregister

449-635 637—760 761-807 809-972 973—1074 1075—1136 1137—1184

9.

Internationales privatrecht von

Professor L. ». Aar in Göttingen.

Encyklopädie der Siechl-wiffenschaft.

der Neubearbeit. 1. Aufl.

Bd. II.

1

ÄÄ|meiie Bttenter. (Neuere Systeme des internationalen Privatrechts). Story, Cornmentaries on the conflict of laws, Boston in zahlreichen Auflagen seit 1834. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 8 (S. 1—367) 1849. v. Bar, Theorie und Praxi- deinternationalen Privatrechts, 2 Bde. 1889 (2. Ausl, des 1862 erschienenen internationalen Privat* und Strafrecht-); englische Übersetzung mit Roten über da- englische Recht von Gille-pie, Edin* bürg 1892. v. Bar, Lehrbuch des internationalen Privat- und Strafrecht- 1892. Wharton, A treatise on the conflict of laws, 2. Aufl. Philadelphia 1881. Ässer, Das internationale Privat­ recht, deutsch bearbeitet von Cohn 1880; französische (vervollständigte) Bearbeitung von Rivier Pari- 1884. Laurent, Le droit civil international, 8 8be. Brüssel, Paris 1880—1882. West­ lake, A treatise on private international law. 3. Aufl. London 1898 (deutsche Bearbeitung oon v. Holtzendorff 1884). Weiss, Traitd £tementaire de droit international privA 2. Aufl. Pari- 1889; Weiss, Traitl thdorique et pratique de droit international privA Paris 1890 ff., bis jetzt 4 Bde. Fiore, Diritto internazionale private. 3. Aufl. Turin 1888—1901. 3 Bde. Muheim, Die Prinzipien de- internationalen Privatrechts im schweizer Prioatrechte, 1887. Boguin, Conflits des lois suisses en mattere internationale et intercantonale, 1891; Meili, Die Kodifikation de- internat. Zivil- und Handelsrecht- 1891; Meili, Geschichte und System des internat. Privatrechts im Grundriß 1892; Torres Campos, Elementes de derecho internacional privado. 2. Aufl. Madrid 1893. Zettel, Handbuch de- internationalen Privat- und Strafrecht- mit Rücksicht auf die Gesetzgebungen Osterreich-Ungarns, 1893. Despagnet, Präcis de droit international privA 3. Aufl. Pari- 1898. Snrville et Arthuys, Cours 61ementaire du droit international privA 3. Aufl. Paris 1900. Dicey, A digest of the law of England with reference to the conflict of laws with notes on american cases by Basset Moore. London 1896. A.Botin» Principes du droit international privd et applications aux diverses matteres du code civil. 3 Bde. Pari- 1897. Lescoeur, La condition tegale des dtrangers et particulterement des Allemandsen France. Marburaund Pari- 1898. Reumann, Internationale- Privatrecht in Form eine- Gesetzentwurfs nebst Motiven 1896. Zitelmann, Internationales Privatrecht, Bd. 1 1897, Bd. 2. Hälste 1. 1898. varazetti, DaS internationale Privatrecht im Gesetzbuche für das Deutsche Reich, 1897. Riemeyer, DaS internationale Privat­ recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1901. Meili, Das internationale Zivil- und Handelsrecht. 2 Bde. 1902. Die Lehr- und Handbücher des Privatrechts und manche Lehr- und Handbücher deS Völker­ rechts enthalten einen daS internationale Privatrecht behandelnden (freilich oft nur sehr kurzen) Abschnitt, über das internationale Privatrecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche für das Deutsche Reich find namentlich die Kommentare zu diesem Gesetzbuch (Einführungsgesetz) einzusehen; be­ sonders eingehend und genau der Kommentar von Planck. Bd. 6 G. 21—99; zusammenfassend, übersichtlich und scharf: Reumann, Handausgabe deS Bürgerlichen Gesetzbuchs. Bd. 3 S. 1336 bis 1379 (1900). Besondere Zeitschriften: Bevue ae droit international et ue tegislation comparde. Brüffel und Paris seit 1869; Journal de droit international privö, redigiert von Clunet. Pari­ seit 1874; Zeitschrift für internationales Privat-und Strafrecht, begründet von Böhm, fortgesetzt von Riemeyer, 1891 ff.; Bivista di diritto internazionale. Napoli seit 1898. Wichtig auch die Verhandlungen des Institut de droit international, Annuaire de l’Institut d. d. i., seit 1877 er­ scheinend. — Richt sämtliche dieser Lehr- und Handbücher behandeln auch da- Prozeßrecht. Ander­ seits pflegen auch die Lehr- und Handbücher des Zivilprozesse- der Frage der Anwendung auslän­ dischen Prozeßrecht- einen Abschnitt zu widmen.

I. Begriff und Aufgabe des internationalen Hfrinatrechts. § 1. Internationales Privatrecht nennt man heutzutage den Inbegriff derjenigen Grundsätze, nach denen die Unterwerfung eines privaten Rechtsverhältnisses unter daS Recht (Gesetz) des einen oder anderen Staates sich bestimmt. Man kann eS vielleicht am richtigsten definieren als die Bestimmung der Kompetenz der Gesetzgebung

1*

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IL ZwUrecht.

(und der Organe — Gerichte, Behörden) der einzelnen Staaten für die privaten Rechtsverhältnisse. Bei Rechtsverhältnissen, die zum Auslande in keiner Beziehung stehen, ist es ohne weiteres klar, daß darauf nur unser einheimisches Recht Anwendung finden kann. Wenn aber z. B. ein Inländer mit einem Ausländer einen Kontrakt eingeht, ein Inländer im Auslande ein Rechtsgeschäft vornimmt, dort belegene Sachen veräußert, oder wenn zwei Ausländer vor einem hiesigen Gerichte einen Prozeß führen, so wird die Frage, ob und inwieweit hiesiges oder fremdes Recht (und welches ftemde Recht) der Entscheidung der dabei vorkommenden Rechtsfragen zu Grunde zu legen sei, von vornherein und abstrakt gedacht eine sehr verschiedene Beantwortung als möglich erscheinen lassen. Die Theorie des internationalen PrivatrechteS soll diese Fragen lösen. Statt vom internationalen Privatrechte sprach man früher von der Lehre der Kollision oder dem Konflikte der Statuten oder Gesetze, und in der englisch-nordamerikanischen Jurisprudenz ist dieser Ausdruck auch noch nicht völlig verdrängt worden, während die deutsche Theorie wenigstens da, wo sie dre Lehre als einzelnes Kapitel in einem Lehr­ oder Handbuche deS Privatrechts oder Prozeßrechts und nicht etwa monographisch behan­ delt, jetzt nach dem Vorgänge SavignyS von dem örtlichen Herrschaftsgebiete oder etwa auch den räumlichen oder örtlichen Grenzen der Rechtsregeln oder Rechtsnormen zu sprechen pflegt. In der Tat ist der Ausdruck „Konflikt oder Kollision der Gesetze" deshalb kein ganz geeigneter, weil er die Meinung nahelegt, als handle es sich hier um einen eifersüchtigen Kampf der Territorialgesetzgebungen, welche zur möglichsten Wahrung der Souveränitätsrechte tunlichst viele Rechtsverhältnisse jede unter ihre besondere Herr­ schaft zu ziehen bemüht sein möchten, während doch in der weitaus größeren Mehrzahl der Fälle eine genauere Untersuchung ergibt, daß die Gesetzgebungen der verschiedenen in Betracht kommenden Länder übereinstimmend nur einer von ihnen das fragliche Verhältnis zur Entscheidung überweisen. Da nun der Ausdruck „Lehre von dem räum­ lichen Herrschaftsgebiete der Rechtsnormen" nicht wohl als ein leicht verständlicher be­ zeichnet werden kann, zugleich aber eine Bearbeitung unserer Materie lediglich aus privat­ rechtlichem Gesichtspunkte unzureichend erscheint, weil eben nicht unwichtige Erwägungen über die Grenzen des Souveränitätsrechts der einzelnen Staaten nach den Normen des Völkerrechts eingreifen, so empfiehlt sich der Name „internationales Privatrecht", wohl zu unterscheiden freilich von dem Völkerrechte, welches nicht die Privatrechtsverhältniffe der einzelnen Angehörigen verschiedener Staaten, sondern die Beziehungen der Staats-gesamtheiten zueinander zum Gegenstände hat. Allerdings wird nicht selten auch in den Kompendien des Völkerrechts das internationale Privatrecht mitbehandelt, und neben dem internationalen Privatrechte ist auch von einem internationalen Strafrechte die Rede, nach welchem bestimmt wird, ob und inwieweit strafrechtlich erhebliche Handlungen der Strafgewalt des einen oder des anderen Staats anheimfallen, beziehungsweise ob und inwieweit auch strafprozessuale Akte des einen Staats in einem anderen Staate Wirk­ samkeit äußern oder dort zur Wirksamkeit gebracht werden können. Hier soll nur das Privatrecht mit Einschluß des Zivilprozeßrechts behandelt werden. Die abgesonderte Behandlung des internationalen Privat- (und beziehungsweise Straf-) Rechts empfiehlt sich deshalb in wissenschaftlicher Beziehung, weil, wenn auch aus der Natur der Rechtsnormen der Einzelstaaten die Entscheidungen der hier fraglichen Fälle wesentlich mit abzuleiten sind, doch dabei, wie bemerkt, auch allgemeine völkerrechtliche Normen zu beachten sind, welche auf dem communis consensus der Völker beruhen, und denen kein Volk, das mit dem anderen in einem geordneten und friedlichen Verkehr stehen will, sich willkürlich zu entziehen vermag. Voraussetzung eines Systems des internationalen Privatrechts ist 1. die gegen­ seitige Anerkennung der Staaten als Ordner des Rechts für einen gewissen Komplex von Menschen und Sachen, eine Anerkennung, bei der man notgedrungen von dem Prinzipe ausgehen muß, daß eine Kompetenz, die wir für unseren Staat als Ordner des Rechts in Anspruch zu nehmen haben, im gleichen Falle auch einem anderen Staate einzuräumen ist; 2. die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Ausländer auch für die

9. v. Bar, Internationale- Privatrecht.

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Rechte, die unsere Rechtsordnung gewährt. Sofern nun irgend ein friedlicher, rechtlich geschützter Verkehr zwischen den Angehörigen verschiedener Staaten besteht, fehlt es nicht an einer wenigstens teilweisen, beschränkten Anerkennung dieser beiden Voraus­ setzungen. Aber erst die prinzipielle, bewußte Anerkennung ermöglicht eine konsequente und wissenschaftliche Ausbildung des internationalen Privatrechts.

n.

Geschichte des internationaler» Hfrivatrechts.

Literatur, v. Savigny, Geschichte des römischen Recht- im Mittelalter, vd. 1. 1834. Brunner, Deutsche Recht-geschichte. Bd. 1. 1887. Karlowa, Römische Recht-geschichte, vd. 1. 1889. Lainä, Introduction au droit international priv6. Bd. 1. Pari- 1889. Mitteis, Reich-recht und BolkSrecht in den östlichen Provinzen deS römischen Kaiserreich-. 1891. Catellani, Storia del diritto internationale private e dei suoi recenti progressi. Torino 1895, und Teil 2. 1902. Meili, Über da- historische Debüt deS internationalen Privatrechts, 1899. Reumayer. Die gemeinrechtliche Entwicklung des internationalen Privat- und StraftechtS bis Bartolus. 1. Die Geltung der Stammesrechte in Italien, 1901. § 8. Auch im Altertum konnte es an Rechtsregeln über den Verkehr mit Aus­ ländern nicht fehlen. Es haben aber im Altertum die mannigfachsten Systeme der Be­ handlung von Ausländern und selbst der Behandlung. von Inländern, die in das Aus­ land sich begaben, in den verschiedenen Staaten geherrscht und oft in demselben Staate gewechselt, ja hinsichtlich der Angehörigen verschiedener Staaten in einem und demselben Staate nebeneinander bestanden. So kann man für das Altertum allgemein gültige, auch nur in den Umrissen übereinstimmende Prinzipien nicht erkennen; es hing mehr oder weniger die Behandlung der Ausländer und des Verkehres mit ihnen von wechselnden politischen Beziehungen und zeitweisen Bedürfnissen oder auch davon ab, ob eS sich um Angehörige eines völlig fremden Staates, oder um solche Ausländer handelte, die man als Genossen eines größeren nationalen Ganzen betrachtete, dessen Teil auch der eigene Staat war, wie denn in den griechischen Staaten die Unterscheidung von Griechen und Barbaren von fundamentaler Bedeutung war. Zu einer durchgreifenden Anerkennung der vollen, derjenigen der Inländer gleichen Rechtsfähigkeit der Ausländer ist das Altertum nicht gelangt, und nur zwischen dem römischen Altertum der späteren Zeit und der Gestalt, welche das internationale Privatrecht im Anfänge des Mittelalters annahm, besteht bis jetzt nachweisbarer geschichtlicher Zusammenhang. Nur von dem römischen Altertum soll daher hier die Rede sein. Von Anfang an achtete der römische Staat zwar andere Staaten als gleichberechtigte Gemeinwesen. Aber nach der Vorstellung der Römer galt das Recht der Angehörigen jedes Staates nur innerhalb der territorialen Grenzen des eigenen Staates; der Ausländer war im römischen, der Römer im ausländischen Gebiete dem strengen Rechte nach rechtlos. Wenn schon ziemlich früh Verträge mit anderen Staaten Ausnahmen machten, nach denen eine beschränkte Rechtsfähigkeit der Ausländer im römischen und der Römer im ausländischen Gebiete anerkannt wurde, so unterschied man später im römischen Rechte einen universellen und einen streng nationalen Bestandteil; die durch den universellen Bestandteil — durch das ins gentium „quod apud omnes gentes peraeque custoditur“, wie die Römer annahmen — gewährleisteten Rechte konnte der Fremde, ohne daß dabei eine Beschränkung auf Angehörige bestimmter privilegierter Staaten stattfand, erwerben, ausüben und gerichtlich verfolgen; an den Rechten, welche dem zweiten Bestandteil, dem ins civile, zugerechnet wurden, konnten nur römische Bürger teilhaben, es sei denn, daß dem Gemeinwesen, dem der Ausländer angehörte, ein Privileg beigelegt war, das commercium, welches sich auf daS Verkehrsrecht und das testamen­ tarische Erbrecht beschränkte, oder ein weitergehendes, commercium et connubium, welches bewirkte, daß ein Römer mit einer Angehörigen des privilegierten Staates eine Ehe mit allen Wirkungen der römischen Ehe, eine Römerin mit einem Angehörigen jenes Staates eine Ehe mit allen Wirkungen des ausländischen Rechtes eingehen konnte. In der Regel kamen aber Streitigkeiten unter Fremden nicht vor Gerichte, bei

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II. Zivilrecht.

denen römische Juristen tätig waren. Daraus erklärt sich die Dürftigkeit der uns vor­ liegenden Quellen im internationalen Privatrecht. Doch haben neuere Untersuchungen einige Grundsätze festgestellt, über Familienrecht entschied das Recht der Civitas, der

daS Haupt der Familie angehörte, einschließlich der Gewalt über Sklaven und deren Freilassung; in der späteren Zeit scheint über die Ehe ausschließlich das Recht des Mannes entschieden zu haben, und für Geschäftsfähigkeit und Vormundschaft galt das Recht der Heimat der Person, für das Erbrecht das Heimatrecht des Verstorbenen. Nur in den seltenen Fällen, in denen Familien- und Erbrechtsverhältniffe von Fremden als Jnzidentfragen in Betracht kamen, fand der römische Jurist Anlaß, sich mit der Anwendung auswärtigen Rechtes zu beschäftigen, und schon in der ersten Kaiserzeit begannen privatrechtliche, für das ganze Reich erlassene Gesetze das Partikularrecht einzuengen, und noch mehr mußte die Berücksichtigung anderer Rechte als des römischen sich verringern, als Kaiser Caracalla allen freien Einwohnern des römischen Reichs das römische Bürgerrecht verlieh, wodurch daS römische Privatrecht auf sie anwendbar wurde. So ist in den Rechtssammlungen Justinians überhaupt von Regeln über die Anwendung ab­ weichender Lokalrechte nicht die Rede, sondern nur von der Interpretation von Willens­ erklärungen nach dem Sprachgebrauch einzelner Gegenden oder Orte (vgl. z. B. 34 D. de R. I. 50, 7; 6 D. de evict. 21, 2).

§ 3. Mittelalter. Als germanische Stämme anfangs als Bundesgenoffen, später als Eroberer in dem Gebiete des römischen Staates sich anfiedelten, behielten die Be­ wohner der römischen Provinzen und Städte ihr bisheriges Recht, während jene ebenfalls bei ihrem Stammesrecht verblieben. So standen die verschiedenen nationalen Rechte als Stamm es rechte in den verschiedenen Staaten nebeneinander, und so kam es zu dem sogenannten System der persönlichen Rechte, einem System, das gegenwärtig da ein Analogon findet, wo Angehörige von Nationen sehr verschiedener Kultur in demselben Lande leben, wie heutzutage im englischen Indien, in Algerien. Jeder wurde beurteilt nach dem Rechte des Stammes, dem er durch Abstammung angehörte; nach diesem Rechte wurde er beerbt, veräußerte, erwarb und verpflichtete er sich, so daß bei zweiseitigen Rechtsgeschäften unter den Angehörigen verschiedener Stämme die Vorschriften jedes der betreffenden Volksrechte beobachtet werden mußten. Der Wohnsitz war dabei ohne Einfluß. Daraus entspringende Unsicherheiten suchte man bei urkundlich abgefaßten Rechtsgeschäften durch die (später sogen.) professiones iuris zu beseitigen, d. h. durch besondere Erklärungen der Parteien über das Recht, nach welchem sie lebten. Ursprünglich galt dies System nur für die innerhalb desselben Reiches vereinigten Angehörigen verschiedener Stämme und Nationalitäten; Fremde waren ursprünglich auch nach germanischem Rechte rechtlos und erlangten Rechtsschutz nur durch dem Volke angehörende Gastfreunde und in allgemeinerer Weise durch die Könige der germanischen Staaten. Aber bei Angehörigen verwandter Stämme war doch tatsächlich von Recht­ losigkeit nicht die Rede, und namentlich wurde, besonders infolge der Vereinigung sehr verschiedener Volksstämme, in dem großen Frankenreiche das System der persönlichen Rechte das allgemeine Prinzip deffen, was wir heutzutage internationales Privatrecht

nennen. Als aber nach Auflösung des großen Frankenreiches die Grenzen der einzelnen Staaten wieder stabiler wurden und die einzelnen Völker und Stämme sich wieder strenger schieden, verschwand allmählich das System der persönlichen Rechte als Ganzes. Die Aufnahme in ein bestimmtes Gemeinwesen trat an die Stelle der reinen Abstammung, und durch freie Vereinbarung wie durch einseitigen Willen eines großen Grundherrn ward das besondere innerhalb eines kleineren Gemeinwesens gellende Recht für die Personen wie für die in dem Bezirke befindlichen unbeweglichen Sachen begründet, und durch einzelne Handlungen, Kontrakte und Delikte, unterwarf man sich dem Rechte eines bestimmten Bezirkes. Dabei erlangte jedoch infolge der Ausbreitung des Lehnswesens wie gewisser Grundsätze des germanischen Privatrechts die lex rei sitae eine weit­ reichende Bedeutung. Französische Autoren überschätzen dies jedoch, wenn sie geradezu

9. v. Bar, Internationales Privatrecht.

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von einer damals herrschenden prinzipiellen Territorialität des Rechts sprechen. Die einzelnen kleineren Gemeinwesen, die innerhalb der größeren Reiche wieder eine weit­ greifende Autonomie zu erlangen pflegten, suchten dabei, ebenso wie die größeren Reiche selbst, meist in mannigfacher Weise die Rechtsfähigkeit der Fremden zu beschränken, wogegen diese, wenn sie geschickt waren und ihr heimatliches Gemeinwesen ihnen wirkungsvollen und kräftigen Schutz angedeihen lassen konnte, oft wieder weitgreifende Privilegien erlangten, so namentlich die Angehörigen der deutschen Hansa in England, Norwegen u. s. w., so daß sie selbst vor den Angehörigen dieser Staaten in deren eigenem Lande eine bevorzugte Stellung genossen. Indes war im Mittelalter nicht mehr von völliger Rechtlosigkeit der Ausländer die Rede — ein sich länger erhaltender Rest dieser Rechtlosigkeit war das sogen. Jus albinegii, das Recht des Landesherrn, den Nachlaß eines im Lande verstorbenen Fremden einzuziehen, ein Recht, das nachher in die Erhebung einer Abgabe vom Nachlasse (Gabella hereditaria) sich verwandelte —, jedenfalls nicht, sofern diese dem christlichen Glauben angehörten, ebensowenig aber von einer Territorialität des Rechts in dem Sinne, daß in den verschiedenen Territorien lediglich deren Recht auch für Ausländer zur Anwendung ge­ kommen wäre. Wenn Lehnrecht und Hörigkeit auch meist dazu führten, daß Vererbung von Grundstücken und eherechtliche Verhältnisse, sofern diese Wirkung auf Grundstücke haben sollten, nach dem Gesetze des Orts der Sache beurteilt wurden, und oft der Erwerb von Grundstücken, der längere Aufenthalt in einem Gebiete mit der vollen Unterwerfung der Person unter das Recht des Gebiets verbunden war, so war das Mittelalter doch weit entfernt von der Idee einer unbeschränkten territorialen Sou­ veränität, kraft deren man die Berücksichtigung auswärtigen Rechtes rücksichtslos hätte ausschließen können. §4. Statutentheorie (Ausgang des Mittelalters bis Ende des 18. Jahr­ hunderts). Vielmehr entwickelten italienische Juristen (Postgloffatoren), unter denen auch im internationalen Privatrechte Bartolus eine hervorragende Stelle einnimmt, nach und nach die sogenannte Statutentheorie, der wesentlich die Idee der freiwilligen Unterwerfung zu Grunde gelegt wurde. Durch Erwählung des Domizils unterwirft man sich in Ansehung der die Person betreffenden Rechtssätze den am Orte des Domizils geltenden Gesetzen (Statuta personalia); für Rechte an unbeweglichen Sachen ist das an deren Orte geltende Recht (statuta realia), für Handlungen das Recht des Orts maßgebend an welchem die Handlungen vorgenommen werden (Statuta mixta). Bei beweglichen Sachen gab die leichte und häufige Veränderung ihres Ortes, die Schwierigkeit, in erbrechtlichen Fällen auf einen zerstreuten Komplex verschiedenes Recht je nach der ört­ lichen Lage der einzelnen Gegenstände anzuwenden, Anlaß zu der Regel: „mobilia personam sequuntur“ oder „mobilia ossibus inhaerent*, d. h. das Recht der beweglichen Sachen ist abhängig von dem Rechte, welches gilt am Domizil der berechtigten Person, insbesondere in Beerbungsfällen von dem Rechte des Erblassers. So einfach indes diese Theorie erscheint, welche, im 16., 17. und 18. Jahr­ hundert namentlich von französischen und niederländischen Juristen ausgebildet, auch in Deutschland zur Geltung gelangte, so zweifelhaft und bestritten war sie in ihrer An­ wendung im einzelnen. Gesetze und Rechtssätze, welche anscheinend nur das sogenannte Personenrecht betreffen, äußern ihren Einfluß auf die Gültigkeit von Rechtshandlungen und den Erwerb von Rechten an Sachen, und wie das bekannte, nicht selten verspottete Beispiel des Bartolus schon zeigt — der je nach den Worten eines die Erbschaft betreffenden Statuts „primogenitus succedat“ oder „immobilia veniant ad primogenitum“ die Erb­ folge nach der lex domicilii, dem Gesetze des Wohnortes (hier des Erblassers), oder nach der lex rei sitae, dem am Orte der Sache geltenden Rechte, beurteilen wollte — ist eS in der großen Mehrzahl der Fälle nicht sehr schwer, einen und denselben Rechtssatz in ver­ schiedenen Wortfaffungen wiederzugeben, von denen z. B. die eine direkt von Personen, die andere von Sachen redet. Nicht selten wurde auch die Einteilung nicht von dem Gegenstände der verschiedenen Rechtssätze hergenommen, sondern von den Wirkungen

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II. Zivilrecht

derselben; ein Rechtssatz, dem eine über das Territorium des Gesetzgebers hinausreichende Wirkung beigelegt ward, heißt dann ein statutum personale, ein Rechtssatz, dessen Wirksamkeit streng auf daS Territorium des Gesetzgebers beschrankt ward, dagegen statutum reale; statuta mixta haben teilweise diese, teilweise jene Wirksamkeit, oder aber sie werden als solche bezeichnet, die die Form der Handlungen betreffen. Zuweilen wird es auch schwer, bei dem einzelnen Schriftsteller festzustellen, in welchem Sinne er sich der ftaglichen Einteilungen bedient; bei manchen kommen die Kategorien der statuta personalia, realia und mixta in diesem und jenem Sinne vor; unter statuta mixta werden auch wohl RechtSsätze verstanden, die Personen und Handlungen betreffen. Ursprünglich war man von der Voraussetzung als einer selbstverständlichen aus­ gegangen , daß die Gesetzgebung, welche man mehr als eine autonome Abweichung von dem gemeinen, durch Kaiser und Papst zusammengehaltenen Rechte des Christentums denn als eine vollkommen souveräne betrachtete, über nicht-einheimische Personen und außerhalb des Territoriums belegens Sachen, über außerhalb des Territoriums vorgenommene Handlungen Bestimmungen nicht treffen könne. Die allmählich aufiommende Idee der vollen Souveränität der Einzelstaaten ließ erkennen, daß der Gesetzgeber, wenn er wollte, seinen Gerichten die Anwendung des nicht-einheimischen Rechtes überhaupt verbieten könnte. Wenn man die Fremden nicht geradezu berauben, vielmehr mit ihnen in geordnetem Perkehr leben und sie im allgemeinen, wie es der Idee des Christentums und deS christ­ lichen Weltreiches entsprach, als rechtsfähig gleich den Einheimischen anerkennen wollte, so war allerdings eine gewisse Rücksichtnahme auf ausländisches Recht, z. B. bei Be­ urteilung eines im Auslande gemachten Rechtserwerbes, notwendig. Sie erschien aber nun als freiwillige Konzession des territorialen Gesetzgebers, als eine Folge der freund­ lichen Rücksicht, der comitas nationum, wie man sich ausdrückte. Nicht selten wurde dann diese comitas unrichtig als eine Art von Gefälligkeit gedeutet, die man mehr oder weniger willkürlich und beliebig beschränken oder aufheben könne, und so die Theorie der Anwendung ftemden territorialen Rechts gerade infolge einer an sich richtigeren und strengeren Auffassung der Souveränität der Einzelstaaten noch mehr in Verwirrung gebracht. Ungeachtet der wenig einladenden, nicht selten abschreckenden und geistlosen theoretischen Begründung und Verbrämung haben jedoch die besseren Schriftsteller der genannten drei Jahrhunderte, von denen z. B. d'ArgentrL, die Niederländer Rodenburg, Huber, Paul Voet und Johann Voet, im achtzehnten Jahrhundert die Franzosen Bouhier und Boullenois hervorzuheben sind, die Entscheidungen vieler einzelner Fragen un­ zweifelhaft richtig und auch so getroffen, daß sich eine ziemlich sichere Tradition bildete. Die Übereinstimmung, selbst in Ansehung mancher Entscheidungsgründe, erscheint noch

erheblicher, wenn man sich die Mühe gibt, zu untersuchen, welche Partikularrechte die einzelnen Schriftsteller vorzugsweise vor Augen hatten, und wenn man dabei bedenkt, daß germanische und römische Auffassung, z. B. des Erbrechts, des ehelichen Güterrechts, eine verschiedene Geltung des territorialen Rechts bedingen können. Auf dem Boden der Statutentheorie, wie wir jene Theorie kurz wohl nennen dürfen, stehen wie der Codex Maximilianeus Bavaricus von 1756 so auch das Preußische All­ gemeine Landrecht, der Code civil und das Österreichische Bürgerliche Gesetzbuch, und selbst in neuester Zeit begegnet man in der nicht-deutschen Literatur wie in den Urteilen nicht-deutscher Gerichtshöfe (namentlich auch der französischen) Ausführungen darüber, ob ein Gesetz als Personal- oder Realstatut u. s. w. zu betrachten sei. Freilich will man damit nicht sowohl die Frage entscheiden, ob der betreffende Rechtssatz über Personen oder Sachen oder Handlungen Bestimmung gebe, als vielmehr die Frage der extraterritorialen oder nicht-extraterritorialen Wirksamkeit des Rechtssatzes, und bei genauerer Untersuchung findet man, daß schließlich die Statutentheorie da, wo sie noch festgehalten wird, oft nur eine äußere Einkleidung bildet für die nach Einzelerwägungen der Zweckmäßigkeit, nach Untersuchungen über den Willen des Gesetzgebers getroffene Entscheidung, freilich auch, daß sie, wie bei dem Festhalten unklarer oder mehrdeutiger Terminologie leicht der Fall ist, nicht selten in gefährlicher Weise irreführt.

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v. Bar, Internationales Privatrecht.

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§ 5. Gegenwärtige Theorien. Schon im 18. Jahrhundert blieben einzelnen Schriftstellern die Schwächen der Statutentheorie nicht verborgen, und z. B. später versuchte Eichhorn (Einleitung in das deutsche Privatrecht. 1. Aufl. 1823) mittels des (auf einem fehlerhaften Zirkel beruhenden) Prinzips des Schutzes wohlerworbener Rechte in Ver­ bindung mit einer weitreichenden Anerkennung der Wirksamkeit der lex domicilii der Parteien wie der freiwilligen Unterwerfung der Beteiligten ein System des internationalen Privatrechts zu konstruieren. Aber erst C. G. v. Wächter erwies in einem umfangreichen, geistreichen Aufsatze (Archiv für die zivilistische Praxis, Bd. 24 u. 25. 1841/42), der zugleich an der älteren romanistischen und deutschen Literatur gründlich Kritik übte, die innere Haltlosigkeit der Statutentheorie und die zahllosen Widersprüche und Inkonsequenzen ihrer Vertreter und stellte als neues Prinzip den Satz auf, daß einerseits der über einen Rechtsstreit urteilende Richter zwar stets gebunden sei an den erklärten Willen des Gesetzgebers, dessen Organ er nur sei, daß aber anderseits Sinn und Geist der einzelnen Rechtsnorm über ihre Anwendung auf Rechtsverhältnisse, die zumAuslande in Beziehung stehen, entscheide. Wenn auch Wächter, zu einseitig von romanistischen Anschauungen ausgehend, dem germanistischen Rechtssysteme nicht gerecht wird, auch ausländische Literatur und Praxis nicht berücksichtigt, so war doch die verkehrte scholastische Methode abgestreift und der richtige Ausgangspunkt an­ gedeutet, freilich noch nicht mit genügender Klarheit und insbesondere verdunkelt und beeinträchtigt durch den von Wächter gleichzeitig aufgestellten und in sehr weitem Umfange benutzten Satz, daß im Zweifel der Richter lediglich die Gesetze seines eigenen Landes (die sogenannte lex fori) anzuwenden habe. Wächters Aufsatz erlangte nur eine wesentlich kritische, negative Bedeutung. Was er als Sinn und Geist des Gesetzes bezeichnet hatte, erschien zu unbestimmt und subjektiv, und der zuletzt angeführte irrige Satz, der dem inländische Rechte gegenüber dem ausländischen eine allzu abwehrende, fast feindliche Stellung anwies, mußte in viel­ fachen Beziehungen zu unbefriedigenden Ergebnissen führen. Dagegen hat Savigny — der weniger bedeutende Versuch, das internationale Privatrecht zu konstruiren, von Schäffner (Entwicklung des internationalen Privatrechts 1841) kann hier nicht kritisiert werden — unter Zurückweisung der von Wächter für die Anwendung der lex fori aufgestellten Präsumtion den völkerrechtlichen Hintergrund des internationalen Privatrechts, „die völkerrechtliche Gemeinschaft" hervorhebend, das inter­ nationale Privatrecht auf den Satz zu gründen unternommen, es sei für jedes Rechts­ verhältnis dasjenige Rechtsgebiet aufzusuchen, welchem dieses Rechtsverhältnis seiner eigen­ tümlichen Natur nach angehört oder unterworfen ist, oder, wie ein mehr bildlicher Ausdruck lautet, das Rechtsgebiet, in welchem das Rechtsverhältnis seinen Sitz hat. Zugleich begann Savigny, französische und englisch-nordamerikanische Literatur für das internationale Privatrecht nutzbar zu machen und einzelne Fragen genauer, als bis dahin in der deutschen Literatur der Fall war, zu erörtern. Savignys Lehre ist, was den all­ gemeinen Grundsatz betrifft, in der deutschen Literatur des internationalen Privatrechts die zweifellos herrschende geworden, hat auch im Auslande viele Anhänger gewonnen und allgemeinste Beachtung gefunden, und kein Schriftsteller, der sich in irgend umfassender Weise mit dem internationalen Privatrechte beschäftigt, wird an ihr, ohne sie zu würdigen, vorbeigehen können. Gleichwohl bedarf Savignys Lehre der Rektifikation und Vervollständigung in einigen erheblichen Beziehungen. Savigny spricht von der völkerrechtlichen Gemeinschaft, aus der die Zulassung auswärtiger Rechtsnormen als Rechtspflicht der einzelnen Staaten, wie er mit Recht sagt, und nicht etwa nur als Sache bloßer Gefälligkeit folgt. Aber die wichtige negative Seite dieser Anerkennung der völkerrechtlichen Gemeinschaft, d. h. der Souveränität der anderen Staaten in den völkerrechtlichen Grenzen, mit anderen Worten die Ableitung gewisser die Anwendung des inländischen Rechtes in wichtigen Fällen völkerrechtlich ausschließender Schranken fehlt, und selbst die positiven Folgerungen aus jener Anerkennung völkerrechtlicher Gemeinschaft sind unzureichend, und der eigent­ liche Grundsatz für die Nichtanwendung des inländischen, die Anwendung eines bestimmten

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II. Zivilrecht.

ausländischen Rechtes in den einzelnen Fällen ist mehr angedeutet als ausgesprochen. Die Natur der Sache bedeutet hier: Aufsuchen des gesetzgeberischen immanenten Zweckes der einzelnen Rechtsnormen und Beantwortung der Frage, ob dieser Zweck die Anwendung des inländischen oder etwa eines bestimmten ausländischen Rechtes verlangt. Dabei ist zugleich zu berücksichtigen die allgemeine Rechtssicherheit, die Möglichkeit eines geordneten Verkehrs mit dem Auslande — man wird z. B. nicht leicht annehmen können, der Gesetzgeber habe die Beteiligten einem Gesetze unterwerfen wollen, dessen Anwendung sie in keiner Weise vorhersehen konnten —, die im internationalen Verkehre wichtige Reziprozität und andererseits die nahe liegende Möglichkeit, daß andere Staaten bei Überspannung der Wirksamkeit unserer Gesetze zu äußerst schädlichen Gegenmaßregeln gedrängt werden, endlich und nicht zum wenigsten die etwa bewährte Tradition nicht nur der inländischen Jurisprudenz, sondern auch derjenigen Länder, deren Gesetze für die fraglichen Fälle mit den unsrigen auf gleicher oder annähernd gleicher Grundlage beruhen. Selbstverständlich muß der Richter aber der für den fraglichen Fall in der eigenen Gesetzgebung seines Landes gegebenen Vorschrift und selbst der nicht ausdrücklichen, vielmehr nur aus dem Zusammenhänge zu folgernden, stillschweigend erteilten Vorschrift dieser Gesetzgebung gehorchen. Wo dies letztere aber nicht zutrifft, müssen ähnlich wie dies bei dem ins gentium der Römer der Fall war (vgl. Karlowa, Römische Rechts­ geschichte I. S. 452) jene allgemeinen Erwägungen entscheiden (vgl. auch jetzt Planck, Kommentar zum B.G.B., Einführungsgesetz des B.G.B., allgemeine Bemerkungen zu Art. 7, 81), und nicht ist, was auch jedweder Tradition und Praxis widersprechen würde, dem Richter hier eine absolut freie Entscheidungsgewalt gegeben, wenn auch manche Unsicherheiten und Zweifel — in welcher Rechtsmaterie fehlen diese völlig ? — nicht ausgeschlossen sind. Wie aber einerseits die hervorgehobene Beziehung zum Völkerrechte nicht geleugnet werden kann, so ist es anderseits nicht möglich, wenigstens zurzeit und auf absehbare Zeit nicht möglich, auch nur die allgemeinen Umrisse oder die Grundlagen eines Systemes des internationalen Privatrechts allein aus den Normen des Völkerrechts abzuleiten. Eine andere theoretische Grundlage hat dagegen die neue italienische Literatur ge­ nommen. Seit einer berühmten Rede Mancinis (Della nazionalita come fondamento del diritto delle genti) wird mehr oder weniger von der italienischen Literatur, welche übrigens auf dem Gebiete des internationalen Rechts und insbesondere auf dem des internationalen Privatrechts in den beiden letzten Jahrzehnten sehr tätig gewesen ist und einen ehrenvollen Platz sich erobert hat, als Ausgangspunkt für die Behand­ lung des internationalen Privatrechts die Nationalität der Person betrachtet, und dieser neuenGrundauffaffung hat sich dann der belgische Jurist Laurent, zum Teil mit recht bedenklichen Argumenten und vielleicht teilweise ebenso bedenklichen Resultaten, an­ geschloffen, sie überhaupt überspannt. Auch französische Autoren, z. B. Weiß, haben Mancinis Prinzip angenommen. Das Recht der einzelnen Persönlichkeit im Auslande wird als ein Ausfluß ihrer Nationalität und somit als etwas betrachtet, was sie auch in das Ausland mitnimmt, wie das Blut, wie Laurent sagt, welches die Adern, und das Mark, welches die Knochen füllt. Aber dieser von selbst gegebenen Anwendung des heimatlichen Rechtes der Person steht das öffentliche Recht des Territoriums beschränkend gegenüber, in welchem die Person sich aufhält oder Rechte geltend machen will. Die Individuen können ihr Recht dem Rechte der Gesellschaft entgegenhalten; wenn aber etwas den Inländern untersagt ist, so muß solches Verbot jedenfalls auch für die Fremden gelten. Und ferner können sich die Parteien auch einem bestimmten territorialen Rechte unter­ werfen, soweit eben ihre freie Disposition reicht. Dies aber geschieht nicht nur aus­ drücklich, sondern auch stillschweigend, und es ist die Aufgabe des Gesetzes und des Rechtes (des Richters), diesen präsumtiven Willen der Parteien zu erforschen. Indes bei allen Gesetzen läßt sich ein öffentliches Interesse nachweisen, und gewiß nicht am wenigsten bei denjenigen Gesetzen, welche nach der Theorie Mancinis und Laurents das Individuum in das Ausland begleiten sollen, z. B. den Gesetzen, die das Familienrecht, die Geschäftsfähigkeit betreffen; denn» gerade hier handelt es sich oft

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um Rechtssätze, die als „ins publicum quod privatorum pactis mutari nequit“ an­ gesehen werden. Der Wirksamkeit des zweiten Prinzips, durch welches das erste begrenzt werden soll, läßt sich also, genau betrachtet, gerade eine bestimmte Grenze nicht anweisen, und jene Theorie ist daher in sich selbst widersprechend und ungeeignet, andere als willkür­ liche Lösungen der einzelnen Fragen des internationalen Privatrechts zu liefern. Endlich aber ist es auch unrichtig, das sogenannte dispositive Recht, das freilich dem er­ klärten Parteiwillen nachgibt, zurückzuführen auf den präsumtiven oder den stillschweigend erklärten Willen der Parteien. Das sogenannte dispositive Recht ist vielmehr — und darüber dürste die deutsche Rechtswissenschaft jetzt ziemlich einig sein — das, was nach Ansicht des Gesetzgebers im allgemeinen aus der Natur der Sache folgt, was aber die Parteien nach ihren individuellen Wünschen und Bedürfnissen ändern können. Das dritte Prinzip Laurents führt also zurück auf Savignys Prinzip der Entscheidung nach der Natur der Sache. Man darf aber den Einfluß der allgemeinen — von der neuen italienischen Schule, der übrigens keineswegs alle namhaften Autoren in Italien angehören — aufgestellten Theorie auf die wirkliche Lösung der einzelnen Fragen des internationalen Privatrechts nicht zu hoch veranschlagen. Hier werden vielmehr meist Gründe geltend gemacht, die der Natur der Sache entnommen sind, und die allgemeine Theorie bildet dann nur eine äußere Etikette für diese wahrhaft entscheidenden Gründe. Ganz unschädlich ist sie freilich nicht; sie kann irreführen. Anderseits hat die italienische Schule nicht unwesentlich dazu beigetragen, der Berücksichtigung der sogenannten Nationalität oder Staatsangehörig­ keit im internationalen Privatrechte an Stelle des früher maßgebenden Domizils in vielen Staaten den Weg zu ebnen. Im allgemeinen aber gelangt die neuere französisch-italienische Jurisprudenz zu Ergebnissen, welche von denjenigen der deutschen Wissenschaft und Praxis nicht in allzu vielen und wichtigen Punkten abweichen.

Dagegen ist ein ziemlich tiefgreifender Gegensatz vorhanden zwischen der Behandlung, des internationalen Privatrechts in der englisch-nordamerikanischen Jurisprudenz einer­ und in der Jurisprudenz des europäischen Kontinents anderseits, welcher letzteren sich übrigens auch mehrere außereuropäische Länder mehr oder weniger angeschlossen haben. Die englisch-nordamerikanische Jurisprudenz, großenteils noch beherrscht von den Traditionen des Lehnrechts, betrachtet in weit größerem Umfange das am Orte der Im­ mobilien geltende Recht als maßgebend, obwohl dies in vielfachen Beziehungen den modernen Verhältnissen nicht entspricht. Nach und nach macht aber eine größere An­ näherung an die Jurisprudenz der anderen Staaten sich bemerklich, wie dies namentlichdie Werke von West lake und Wharton zeigen. Alles in allem genommen weist die Behandlung des internationalen Privatrechts einen erfreulichen Fortschritt auf. Die französische und die italienische Literatur finfr reich an trefflichen Untersuchungen einzelner wichtiger Fragen, und die Unsicherheit ist auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts keineswegs so groß, wie eine von ver­ einzelten Schriftstellern gehegte pessimistische Auffassung glauben machen möchte. Sehr förderlich sind in dieser Beziehung gewesen die Beratungen und Beschlüsse des 1873 gegründeten Institut de droit international und für das Deutsche Reich die auch im Auslande hochangesehenen Entscheidungen des Deutschen Reichsgerichts. Auch der Weg internationaler allgemeinerer Vereinbarung über Fragen des internationalen Privatrechts ist in neuester Zeit beschritten worden (Haager Konferenzen 1893, 1894, 1896), betreffend einige Fragen des Zivilprozeßrechts, ferner des Ehe-, Vormundschafts- und Erbrechts.. Doch sind bis jetzt auf diesem Wege nur einige nicht sehr schwierige Sätze des Prozeß­ rechts in Wirksamkeit getreten. Das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reichs bezeichnet für das internationale Privatrecht insofern einen bedeutungsvollen Fort­ schritt, als darin viele Ergebnisse der neuesten Entwicklung der Wissenschaft des inter­ nationalen Privatrechts zum ersten Male eine gesetzliche Sanktion erhalten haben, wenn­ gleich (vgl. unten § 16) einige Willkürlichkeiten zu beklagen sind. Ein japanisches-

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Gesetz von 1898 hat in mehrfachen Beziehungen Grundsätze angenommen, die sich in dem E.G. zum B.G.B. finden.

Hl. Mgemeirte Grundsätze. § 6. Rechtspflicht, unter gewissen Voraussetzungen auswärtiges Recht zu berücksichtigen. Eine solche besteht der richtigen Ansicht nach; die An­ wendung auswärtigen Rechts im zivilisierten, im allgemeinen internationalen Kultur­ verkehr stehenden Staaten ist nicht Sache bloßer Gefälligkeit, der comitas nationnm in diesem Sinne, so daß man ganz willkürlich die Anwendung auswärtiger Rechtsnormen auSfchließen oder dieselbe hier und da zu einem Austauschartikel für andere internationale Gefälligkeiten machen könnte. Man muß aber genau unterscheiden die Stellung des Gesetzgebers und die Stellung des Richters. Der Richter ist nur ausführendes Organ des Gesetzgebers; er schuldet diesem unbedingten Gehorsam, und wenn daher der Gesetz­ geber in noch so verkehrter Weise die Anwendung ausländischen Rechts verbieten sollte, so würde, solange das fragliche Gesetz dauern würde, dieses Verbot doch für alle von den Gerichten dieses Staates zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten formelles Recht, jede Abweichung davon positives Unrecht sein. Absolut betrachtet kann also ein Staat, solange er souverän ist, die Anwendung fremden Rechts bei seinen Gerichten ausschließen, und daraus folgt, daß bei einem jeden Prozeß der Richter in Ansehung der Frage, ob er ausländisches Recht und welches er anzuwenden habe, zunächst an das Gesetz seines Staates gewiesen ist, daß zunächst also immer die sogen, lex fori entscheidet, und daß erst beim Schweigen dieses Gesetzes oder einer nicht ausreichenden Erklärung auf allgemeine Grundsätze gegriffen werden darf, daß daher auch eine vorsichtige (Erörterung der einzelnen Fragen des internationalen Privatrechts niemals die lex fori sowie die Möglichkeit außer acht laffen darf, daß das fragliche Rechtsverhältnis durch Zufall vor dem Richter dieses oder jenes Landes zur Beurteilung gebracht werden kann. Allein es würde sich fragen, ob die übrigen Staaten und die ausländischen Gerichte olle und jede Urteile jenes Staates, die in souveräner Nichtbeachtung ihrer Gesetze und ihres Rechts getroffen wären, zu respektieren verbunden wären. Und diese Frage wäre verneinen: ein Staat, der fremden Gesetzen alle und jede Wirksamkeit abspräche, hätte auch keinen Anspruch, daß die Urteile seiner Gerichte irgend von anderen Staaten respektiert würden; denn die Urteile der Gerichte empfangen ihre Autorität nur durch "die Autorität der Gesetze. Ein Staat also, der seinen Gerichten prinzipiell die Anwendung ausländischen Rechtes verbieten wollte, würde einerseits nicht selten seine Gerichte Urteile fällen laffen, die tatsächlich nicht zur Ausführung kommen würden, tatsächlich nicht -gelten würden — wie z. B. wenn ein Gericht des Staates A jemandem an einem im Staate B belegenen Grundstücke ein Recht zusprechen wollte, welches nach der in B geltenden Gesetzgebung juristisch unmöglich ist —, anderseits aber die allgemeine Rechts­ verwirrung organisieren; denn infolge jenes exorbitanten Verbotes würde der im Prozeffe Unterliegende natürlich nicht unterlassen, sobald er faktisch im Auslande in der Lage wäre, jenes Urteil mit allen seinen Konsequenzen als nichtig darzustellen, ja diese Nichtig­ keit möglicherweise zu einem positiven prozeffualen Angriffe auf das Vermögen des Gegners, vielleicht auch der Rechtsnachfolger desselben, zu benutzen. Und da unter Umständen vollkommene Nichtachtung des ausländischen Rechts, z. B. bei einem im Aus­ lande gemachten Erwerbe, geradezu in Beraubung fremder Staatsangehöriger ausarten könnte, so würde ein Staat, der die Anwendung ausländischen Rechts seinen Gerichten überhaupt verbieten wollte, sich selbst diplomatischen Reklamationen und völkerrechtlichen Zwangsmitteln aussetzen. Für jeden Staat also, der seinen Angehörigen einen geordneten Verkehr mit dem Auslande, Fremden mit ihrem Gute den Eintritt in sein Gebiet gestattet, ist eine gewiffe Rücksichtnahme auf ausländisches Recht unbedingte Rechtspflicht schon nach völkerrechtlichen Grundsätzen. Und diese jetzt wohl von fast allen namhaften Schriftstellern anerkannte Rechtspflicht ergibt sich auch aus einer vernünftigen Betrachtung

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des Rechts selbst, dem der jedesmal urteilende Richter untersteht. Jedes vernünftige Recht muß von der Ansicht ausgehen, daß der Prozeß nicht dazu bestimmt ist, neue Rechte zu schaffen, sondern vorhandene klarzustellen. DaS Gegenteil würde aber die Folge sein, wenn der Richter prinzipiell stets sein eigenes Gesetz, das Gesetz des Prozeßortes, anwenden wollte, an welche- die Parteien, z. B. als das fragliche Rechtsverhältnis entstand, oft gar nicht einmal denken konnten. Daraus ergibt sich dann weiter, daß das internationale Privatrecht, wie es einer­ seits freilich auf dem freundnachbarlichen Verkehr, der comitas nationum in diesem Sinne, ruht — ein sich absolut isolierender Staat, aber auch nur dieser, könnte jede Rücksichtnahme auf ausländisches Recht ausschließen —, so anderseits einen Teil des in jedem Kulturstaate wirklich geltenden Rechtes bildet, daß also verkehrte Anwendung wie verkehrte Nichtanwendung der Grundsätze des im Staate geltenden internationalen Privat­ rechts einer Verletzung einer anderen privatrechtlichen Rechtsnorm gleichsteht. Wenn also § 549 der deutschen Zivilprozeßordnung (Redaktion von 1898, früher § 511) für die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Revision, abgesehen von deren sonstigen Voraussetzungen als Regel verlangt, daß die Rechtsnorm, deren Verletzung im Wege der Revision gerügt wird, in dem Bezirke des betreffenden Oberlandesgerichts gelten müsse, so wird diesem Erfordernisse entsprochen, wenn ein Satz des internattonalen Privatrechts, wie das letztere nach dem Rechte jenes Oberlandesgerichtsbezirkes aufzufaffen ist, verletzt worden ist. Dabei ist zu bemerken, daß nach Z.P.O. § 550 (512) eine jede, auch eine erst aus dem Zusammen­ hänge zu folgernde Rechtsnorm als Gesetz im Sinne des § 549 gilt. Der Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts unterliegt also das internationale Privatrecht in sehr weitem Umfange, während der französische Kassationshof nur insofern über das von französischen Gerichten anzuwendende internationale Privatrecht urteilt, als der betreffende Satz des internationalen Privattechts auf ein Gesetz im eigentlichen Sinne zurückgeführt werden kann, eine Begrenzung, die allerdings als fließend und in gewissem Sinne arbittär zu bezeichnen ist. § 7. Anwendung ausländischer Rechtssätze von Amts wegen. Da die Grundsätze des internationalen Privatrechts einen Teil des Rechtes eines jeden Kulturstaates bilden, werden die zur Anwendung zu bringenden Sätze des ausländischen Rechtes prinzipiell vom Richter auch nicht als Tatsachen im engeren Sinne, sondern als Rechtssätze behandelt, deren Kenntnis er sich von Amts wegen verschaffen kann und, soweit es faktisch möglich ist, auch zu verschaffen verbunden ist. Nur kann man es dem Richter nicht zum Vorwurfe machen, wenn er ausländische Rechtsnormen unbeachtet läßt, wenn er etwa irrigerweise von der Voraussetzung der Übereinstimmung der ausländischen

Rechtssätze mit den inländischen für den fraglichen Fall ausgeht, und in der Natur der Sache liegt es, daß die bei der Anwendung der ausländischen Rechtsnorm für den frag­ lichen Fall interessierte Partei dem Richter die Kenntnisnahme erleichtere; daher ist eine richterliche Beweisauflage (nach der deutschen Z.P.O. ein Beweisbeschluß) in Fällen namentlich, in welchen nicht unmittelbare Einsicht eines ausländischen Gesetzbuchs oder anerkannter ausländischer Literatur die erforderliche Aufklärung verschafft, in jener Richtung allerdings üblich; sie schließt aber nie eine ergänzende Offizialtättgkeit des Richters aus, und ein Vergleich der Parteien oder eine übereinstimmende Erklärung derselben über die Annahme der Existenz oder Nichtexistenz einer ausländischen Rechtsnorm ist für den Richter nicht formell bindend, ebensowenig aber auch eine darauf bezügliche EideSdelatton. (Z.P.O. 298 [265]). Indes ist nach der deutschen Z.P.O. ein Irrtum des Richters über Inhalt oder Bedeutung eines ausländischen Rechtssatzes kein Revisionsgrund, aber nur wegen der besonderen Vorschrift des § 549 (511), nach welcher nur eine über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus, also doch auch in diesem Bezirke geltende Rechtsnorm revisibel ist. Die Zweckmäßigkeit dieser Beschränkung der Revision dürfte zweifelhaft sein.

§ 8.

Gewohnheitsrecht im internationalen Privatrecht.

Auch im

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internationalen Privatrechte kann es gewohnheitsrechtliche Normen geben, wie denn in England das internationale Privatrecht wesentlich auf der Autorität der Präzedenzfalle beruht. Inwieweit Gewohnheitsrecht auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts neben den gesetzlichen, das internationale Privatrecht betreffenden gesetzlichen Vorschriften gelten oder solchen Vorschriften gegenüber selbst derogatorische Kraft ausüben kann, ist nach den allgemeinen Vorschriften zu beurteilen, welche in jedem Lande über das Ver­ hältnis des Gewohnheitsrechtes zum Gesetzesrecht gelten. Insofern eS nun ftüher ein gemeines, über die Grenzen der einzelnen Staaten hinausreichendes Recht gab, mußte auch ein allgemeines, nicht an die Grenzen des einzelnen Staates gebundenes Gewohnheitsrecht anerkannt werden, und in der Tat beruhen wichtige, jetzt auch in die Gesetzgebung aufgenommene Sätze, namentlich der Satz „locus regit actum“ auf solchem allgemeinen Gewohnheitsrechte. Die fortdauernde Geltung desselben ist anzunehmen, insofern die Gesetzesbestimmungen und die aus ihnen zu ent­ wickelnden Konsequenzen dem Gewohnheitsrechte nicht widersprechen, das Gewohnheits­ recht also, ebenso wie ein neu entstehendes Gewohnheitsrecht, Lücken des Gesetzes auSzufüllen geeignet ist. Daneben verdient eine etwa in anderen Staaten bestehende konstante Jurisprudenz über internationale Anwendung eines Rechtssatzes, wenn in der fraglichen Materie unsere Gesetzgebung mit der des Auslandes auf den gleichen Grundlagen beruht, auch bei uns Beachtung. § 9. Provinzial-(und Lokal-)R echt innerhalb desselben Staates einer- und Gesetze auswärtiger Staaten anderseits. Die Frage, ob und inwieweit ein auswärtiges Provinzial- oder Lokalrecht desselben Staates anzuwenden sei, ist nach denselben Grundsätzen zu beurteilen, welche für die Anwendung der Gesetze auswärtiger Staaten Platz greifen. Dies folgt schon daraus, daß, wenn z. B. eine bisher dem Staate A angehörige Provinz jetzt dem Staate B angeschlossen wird, dadurch an der Geltung der Privatrechtsnormen in jener Provinz nicht das mindeste geändert wird; und wenn man bedenkt, daß einerseits Provinzen und Gebiete selbst von äußerst verschiedener Kultur unter derselben obersten Staatsgewalt vereinigt sein können — in einem Gebiete kann ja der Islam anerkannt sein, während in dem anderen das Christentum Staatsreligion ist —, und daß anderseits selbst der Unterschied von pro­ vinzieller Abhängigkeit und bloßer Personalunion selbständiger Staatsorganismen unter demselben Herrscherhaus möglicherweise im konkreten Falle sehr kontrovers sein kann, so ist die Irrigkeit der entgegengesetzten, jetzt aber wohl allgemein aufgegebenen Ansicht leicht einzusehen.

§ 10. Sogenannte zwingende oder Prohibitivgesetze. Es ist un­ richtig, mit Savigny und anderen eine Klaffe von Rechtsnormen auszuscheiden, welche absolut die Anwendung gewiffer auswärtiger Rechtsnormen ausschließen sollen, und ganz besonders unrichtig war es, wenn Savigny dahin gar alle Gesetze rechnen wollte, die auf anderen Gründen als der reinen Rechtskonsequenz zu beruhen scheinen, z. B. alle Gesetze, die auf nationalökonomischen Gründen beruhen, wonach denn, genau betrachtet, die Anwendung auswärtiger Rechtsnormen auch z. B. bei Bestimmung der Erbfolge absolut ausgeschloffen sein würde. Wenn ferner die französische Wissenschaft und Praxis die inländischen Gesetze des Ordre public oder, wie neuerdings gesagt wird, die inlän­ dischen Gesetze des Ordre public international unbedingt unter völligem Ausschluß des auswärtigen, von solchen Gesetzen abweichenden Rechtes angewendet wiffen will, so sind diese Kategorien in höchstem Grade unbestimmt. Vielmehr läßt sich von keiner auch noch so sehr selbst unseren sittlichen Anschauungen oder unserer Rechtsauffaflung widersprechenden ausländischen Rechtsnorm behaupten, daß sie nicht irgend eine auch bei uns oder vor unseren Gerichten anzuerkennende Nach- oder Nebenwirkung haben könne. So wird die Polygamie nach unseren sittlichen und Rechtsanschauungen verworfen; aber eine Erbfolge, die sich auf eine im Auslande rechtsbeständige Polygamie gründete, wäre doch auch bei

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uns anzuerkennen. Anderseits kann niemand auf Grund eines auswärtigen Gesetzes bei uns oder vor unseren Gerichten jemanden als seinen Sklaven oder Leibeigenen re­ klamieren oder etwa ein Türke auf Grund seines heimatlichen Gesetzes eine aus seinem Harem entflohene Frau, mit der er in Polygamie lebte, bei uns verfolgen. Vorkommen kann es auch, daß ein Gesetz die Feststellung eines Verhältnisses vor den einheimischen Gerichten absolut verbietet, während es die vor einem auswärtigen Gerichte erfolgte Fest­ stellung in ihren weiteren Konsequenzen auch vor inländischen Gerichten geltend zu machen gestattet. So wird z. B. der Satz des Art. 340 des französischen Zivilgesetzbuchs „la recherche de la paternite est interdite“ von der französischen Jurisprudenz dahin beschränkt, daß er die Geltendmachung eines auswärtigen Urteils, welches von einem Ausländer gegen einen Ausländer nach dem heimatlichen Rechte dieser Personen erstritten ist, vor französischen Gerichten nicht ausschließt. Eine völlig befriedigende Formulierung des hier gemeinten Satzes aber ist noch nicht gefunden. Immerhin möchte noch verhältnis­ mäßig das richtigste sein, zu sagen: unsere Rechtsordnung und unsere Gerichte dürfen nicht unmittelbar Rechtsverhältnisse und Rechtsansprüche realisieren, die nach den ein­ heimischen Gesetzen als unbedingt unzulässig zu betrachten sind. Die im Art. 30 des E.G. zum B.G.B. angenommene Formulierung: „Die Anwendung eines auswärtigen Gesetzes ist ausgeschlossen, wenn die Anwendung gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde," kann Anlaß geben, die Anwendung aus­ wärtiger Rechtsnormen in zu weitem Umfange auszuschließen; denn schließlich kann be­ hauptet werden, daß die Erreichung der Zwecke unserer Gesetze meistens dadurch in gewissem Umfange beeinträchtigt wird, daß man überhaupt in manchen Fällen statt ihrer auswärtige Gesetze bei uns anwendet. Immer bedarf es einer sorgfältigen Erwägung der Folgen einerseits der Anwendung, anderseits der Nichtanwendung der betreffenden auswärtigen Rechtssätze. Vielleicht könnte man eine derartige, auch in einer Mehrzahl anderer neuerer Gesetzgebungen sich findende Vorbehaltsklausel, die man wohl als „Sicher­ heitsventil" bezeichnet hat, und die in Wahrheit nur dazu dient, vor der allzuweit gehenden Anwendung von Schlußfolgerungen aus allgemeinen Grundsätzen und Analogien zu warnen, überhaupt streichen. Die Hauptsache ist, daß das deutsche Gesetz in richtiger Weise nicht sowohl den allgemeinen Charakter der betreffenden Rechtsnormen, als viel­ mehr die Anwendung in den gerade in Betracht kommenden Fällen für maßgebend erklärt, was allerdings noch deutlicher hervorgetreten sein würde, wenn statt des Wortes „wenn" das Wort „insoweit" im Art. 30 gebraucht worden wäre.

§ 11. Gleiche privatrechtliche Rechtsfähigkeit der Ausländer. Ungeachtet der nicht selten hervortretenden engherzigen und meist vom kurzsichtigsten Egoismus diktierten Versuche, Fremde auch in privatrechtlichen Verhältnissen gesetzlich zu benachteiligen, ist im modernen Recht der zivilisierten Staaten der Grundsatz der vollen Rechtsfähigkeit der Ausländer wenigstens als Regel geltend geworden, so daß Ausnahmen, die eine mindere Rechtsfähigkeit der Ausländer bewirken sollen, stets besonderer gesetz­ licher Bestimmung bedürfen. Anders steht es freilich — und mit gutem Grunde — auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts, d. h. insoweit politische Rechte in Frage stehen, welche jemandem irgendwie einen Anteil an der öffentlichen Macht oder einen Einfluß auf dieselbe einräumen. Familienrechte, obschon sie in einem anderen Sinne als zum ins publicum gehörig betrachtet werden können, sind hierher nicht zu rechnen, und ebenso ist einem Ausländer die Fähigkeit, Vormund zu sein, nicht abzusprechen; denn die Vor­ mundschaft ist nach richtiger Auffassung nicht eine politische, sondern eine familienrechtliche Funktion. Die Unterscheidung von droits civils, welche nur den Inländern beziehungs­ weise besonders privilegierten Ausländern zustehen sollen, nach dem französischen Gesetz­ buche (vgl. Art. 7. 11. 13) ist von der französischen Jurisprudenz selbst überwiegend jetzt als eine Verirrung erkannt worden, und man erklärt den Fremden jetzt auch in Frankreich mehr und mehr aller derjenigen Rechte fähig, die ihm nicht speziell versagt sind. Dagegen hat das italienische Gesetzbuch Art. 3 das Prinzip der Gleichstellung der Fremden mit den Inländern im Privatrecht ausdrücklich ausgesprochen. Dem E.G. zum

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B.G.B. liegt, obschon ein solcher allgemeiner Satz nicht darin enthalten ist, unzweifelhaft dasselbe Prinzip zu Grunde.

Trotz Anerkennung de- Prinzips können aber Ausnahmen für einzelne Rechte vor­ kommen, und hier und da macht sich gerade in neuester Zeit wieder stärker die Tendenz geltend, Ausländer von gewissen Rechten auszuschließen, z. B. von dem Besitze von Grundeigentum. Auf dem Gebiete des Urheberrechtes, des Patentrechtes u. s. w. (der sogenannten immateriellen Rechte) genießen häufig Ausländer nicht die volle Rechtsfähigkeit der Inländer. Auch ausländische juristische Personen, d. h. solche, die im Auslande ihren Sitz haben, sind als rechtsfähige Subjekte bei uns anzuerkennen, wenn ihre Kon­ stituierung oder ihr Bestehen nach dem am Orte ihres Sitzes geltenden Gesetzen rechts­ gültig ist. ES kann indes fraglich sein, wie weit die Rechtsfähigkeit reicht; jedenfalls so weit, daß die juristischen Personen das Recht haben, vor den Gerichten eines jeden Staates ihre Rechte zu verfolgen und zu verteidigen, und daß sie durch Briefe, Tele­ gramm oder mittels Telephons von dem Lande aus, in welchem sie ihren Sitz haben, mit Personen, die sich in anderen Ländern aufhalten, Verträge schließen können. In­ wieweit juristische Personen im Auslande z. B. Grundeigentum erwerben, Gewerbe be­ treiben oder inländische letztwiüige Zuwendungen und Schenkungen rechtsgültig annehmen können, ist nicht allgemein bestimmbar. Daraus, daß inländische juristische Personen gleichen Charakters solche Rechtsbefugniffe haben, folgt nicht unbedingt das Gleiche für ausländische juristische Personen, obschon ausländische juristische Personen nie eine um­ fassendere Rechtsfähigkeit beanspruchen können als inländische Personen gleichen Charakters (wobei übrigens der für die Beurteilung der Rechtsfähigkeit überhaupt zur Anwendung kommende Satz — vgl. unten § 16 — zu berücksichtigen ist). Rach E.G. Art. 87. 88 B.G.B. ist die Frage, inwieweit und unter welchen Voraus­ setzungen Ausländer und ausländische juristische Personen im Deutschen Reiche Grund­ eigentum erwerben können, im allgemeinen der Gesetzgebung der einzelnen Staaten über­ lassen. Jedoch besteht eine erhebliche Anzahl von internationalen Verträgen des Reiches, nach denen den Angehörigen der betreffenden Vertragsstaaten die Fähigkeit zum Erwerb von Grundeigentum gewährt wird. Diese Vertragsbestimmungen gehen selbstverständlich den Gesetzen der Einzelstaaten vor.

Das E.G. zum B.G.B. hat im Art. 10 nur eine Vorschrift über einem fremden Staate angehörende Vereine. Da inländische Vereine nicht ohne weiteres als voll­ kommen rechtsfähig gelten, mochte man die Rechtsfähigkeit auch ausländischen Vereinen nicht unmittelbar durch Gesetz erteilen; die Rechtsfähigkeit eines ausländischen Vereines muß daher, um in Gemäßheit des an ihrem Sitze geltenden Rechtes auch im Deutschen Reiche wirksam zu sein, erst vom Bundesrate anerkannt sein. Auch kann nach dem B.G.B. § 28 einem ausländischen Vereine, abgesehen von deffen Behandlung im ausländischen Rechte, die Rechtsfähigkeit (für den Bereich des Deutschen Reichs) vom Bundesrat ververliehen werden. Eine ausländischer Verein, deffen Rechtsfähigkeit vom Bundesrate nicht anerkannt ist, wird wie ein nicht-rechtsfähiger deutscher Verein behandelt, d. h. er kann vor deutschen Gerichten verklagt werden, nicht aber als Kläger auftreten; und auf den Verein finden im übrigen die Bestimmungen über die Gesellschaft Anwendung (Z.P.O. § 50 Abs. 2; B.G.B. § 54).

Es wird angenommen werden müssen, daß ausländische juristische Personen, die nicht Vereine sind, im Deutschen Reiche jedenfalls das oben bezeichnete Minimum der Rechtsfähigkeit genießen, während ein vom Deutschen Reiche völkerrechtlich anerkannter ftemder Staat auch privatrechtlich als voll rechtsfähig zu betrachten sein wird, nur daß herkömmlich der Erwerb von Grundeigentum durch einen fremden Staat die Zustimmung des Territorialstaates erfordert. Der Geschäftsbetrieb ausländischer Aktiengesellschaften wird Filialen derselben nach Staatsverträgen unter den für inländische Aktiengesellschaften bestehenden Bedingungen gestattet.

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§ 12. Voraussetzungen (Anknüpfungsmomente) der Anwendung der Rechtsnormen in internationaler Beziehung. Als solche können in Betracht kommen 1. der Aufenthaltsort einer Person, 2. der Ort einer Sache, 3. dauernde Verbindung einer Person mit einem Gebiete, welche zeitweisen Aufent­ halt in einem anderen Gebiet nicht ausschließt, a. durch Wohnsitz oder b. durch Staatsangehörigkeit (nationale im Sinne der französischen Rechts­ sprache), welche den Wohnsitz in einem anderen Gebiete nicht ausschließt, 4. Ort der Vornahme einer Handlung, 5. Zubehör einer Sache oder eines Rechts zum Besitze oder bezw. zum Eigentum oder Vermögen einer Person. Indes kann den Momenten 4. und 5. eine grundlegende Bedeutung nicht zuge­ sprochen werden. Denn um zu wiffen, welche faktischen Vorgänge eine rechtsbedeutsame Handlung bilden, muß man zuvor das anzuwendende Recht kennen. Der Ort der Vor­ nahme einer Handlung ist, genau betrachtet, der Aufenthaltsort einer oder mehrerer Per­ sonen zu einem bestimmten Zeitpunkte. Es handelt sich also hier um einen ungenauen, wenngleich bequemen Sprachgebrauch. Ebenso setzt die Beantwortung der Frage des Besitzes, des Eigentums, der Zugehörigkeit zu einem Vermögen bereits die Beantwortung einer Rechtsfrage voraus. Und gerade in Ansehung der rechtlichen Bedeutung von Hand­ lungen, der Annahme des Besitzes, des Eigentums, der Zugehörigkeit zu einem Vermögen differieren die verschiedenen Territorialrechte stark. Dagegen ist in rechtlicher Beziehung voraussetzungslos der faktische Aufenthaltsort einer Person und ebenso der Ort einer Sache. Der Wohnsitz einer Person ist zwar kein reines Faktum; es können vielmehr die Gesetzgebungen über den Wohnsitz in gewissen Beziehungen differieren, und noch mehr ist dies wohl der Fall in betreff der Staatsangehörigkeit. Aber in einer sehr großen Anzahl von Fällen werden die Gesetzgebungen verschiedener Staaten in der Bestimmung des Wohnsitzes einer Person übereinstimmen, weil dabei doch das tatsächliche Moment überwiegt, und die Staatsangehörigkeit wurzelt auch im Völkerrechte, nicht nur im territorialen Recht eines einzelnen Staates. Anderseits kann das internationale Privat­ recht, da es auch wesentlich dauernde Verhältnisse von Personen zu regeln hat, der Be­ rücksichtigung einer dauernden, gleichsam idealen, also rechtlichen Verbindung einer Person mit einem Staate (einem Territorium), nicht entraten; es muß also in gewissen Be­ ziehungen anknüpfen entweder an den Wohnsitz oder an die Staatsangehörigkeit. Im Altertum hielt man sich, wenn es sich um die Person, die Familie und das Erbrecht handelte, an die Eigenschaft der Person als Staatsbürger, an die Staats­ angehörigkeit; seit dem späteren Mittelalter trat mehr und mehr das Domizil im Sinne des römischen Rechts an die Stelle der Staatsangehörigkeit, und die meisten Schriftsteller unterschieden in den Erörterungen über internationales Privatrecht Domizil und Staats­ angehörigkeit gar nicht; höchstens kam letztere insofern in Betracht, als gewisse Abgaben nur von Eingewanderten erhoben wurden. Erst seit der ersten französischen Revolution, da wieder die Rede war von politischen Rechten der Staatsangehörigen, Rechten, die man Fremden nicht zugestehen konnte, die nicht fester als durch Wohnsitz dem Lande verbunden waren, trat die Unterscheidung wieder deutlicher hervor, und der Code civil wie das öster­ reichische Gesetzbuch von 1811 lassen schon bestimmt das sogenannte persönliche Recht der Franzosen und bezw. der Österreicher im Auslande von der Eigenschaft eines Franzosen, eines Österreichers abhängen. Auf dem europäischen Kontinente haben dann das Prinzip,

das sog. persönliche Recht der Ausländer wie der Inländer von der Staatsangehörigkeit abhängen zu lassen, eine große Anzahl bedeutender Staaten angenommen, so Belgien, die Niederlande, das Königreich Italien und nunmehr auch das Deutsche Reich (vgl. z. B. Art. 7, 13, 14, 15, 17), während bis zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs in den Gebieten des sogenannten gemeinen Rechts und des preußischen allgemeinen Land­ rechts das sogenannte persönliche Recht und auch das Familien- und Erbrecht nach dem Encyklopädie der Rechtswissenschaft.

6., der Neubearbeit. 1. Aufl.

Bd. II.

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am Wohnsitze der Person geltenden Gesetze sich bestimmten. Das Domizilprinzip gilt aber z. B. noch in Dänemark und — was besonders wichtig ist — in den Landern des englisch-nordamerikanischen Rechts. Das Domizilprinzip hat den Nachteil, daß es eine Änderung des sogenannten per­

sönlichen Rechts abhängen läßt von einem rein einseitigen, gänzlich formlosen, dem Indi­ viduum nicht immer zum deutlichen Bewußtsein gelangenden Vorgänge — denn zuweilen wird aus einem anfangs nur als einstweilig vorgestellten Aufenthalte später unmerklich ein Wohnsitz —, und daß anderseits der Staat, in welchem der Wohnsitz genommen, nicht aber auch die Staatsangehörigkeit erworben wird, wie wenigstens gegenwärtig nach den Gesetzen der meisten Staaten der Fall ist, jeden Augenblick durch Ausweisung diesem ganzen Verhältnis einseitig ein Ende machen kann. Dazu kommt, daß das Familienund Erbrecht sehr stark mit nationalen Anschauungen und Sitten verknüpft ist, die man nicht bei einer bloßen, nicht selten durch vorübergehende Lebenswendungen ver­ anlaßten Verlegung des Wohnsitzes in das Ausland ohne weiteres ablegen oder verleugnen möchte. Für das Domizilprinzip wird von Schriftstellern des englisch-amerikanischen Rechts geltend gemacht, daß das Domizil nach außen eine leichter erkennbare Tatsache und daher mit Rücksicht auf die Sicherheit des Verkehrs vorzuziehen sei. Indes ist gerade oft ein nur länger dauernder Aufenthalt von einem wirklichen Domizil schwer zu unterscheiden, und der Unsicherheit des Rechtsverkehrs läßt sich auf andere Weise begegnen. Solange aber in einem Staate sehr verschiedenartige Privatrechtsnormen gelten, hat allerdings das Staatsangehörigkeitsprinzip keinen rechten Sinn; denn innerhalb eines größeren Staatsganzen mit dem gleichen Staatsbürgerrechte und voller Freizügigkeit kann nur das Domizilprinzip gelten; die Geltung des Staatsangehörigkeitsprinzips (neben dem Domizilprinzipe) für die Angehörigen dieses Staates, sofern sie sich im Auslande aufhalten, würde nur die Schwierigkeiten vermehren und neue Verwirrungen hervorbringen. Aus diesem Grunde wird das Domizilprinzip in Staaten, die einer einheitlichen natio­ nalen Gesetzgebung noch entbehren, einstweilen noch den Vorzug verdienen und vermutlich aufrechterhalten werden. Aber auch bei Annahme des Staatsangehörigkeitsprinzips durch die Gesetzgebung verbleibt dem Wohnsitze eine Aushilfsbedeutung für den Fall, daß eine Staats­ angehörigkeit der Person nicht festgestellt werden kann (Art. 29 d. E.G. z. B.G.B.), und außerdem muß das Gesetz des Wohnsitzes der richtigen Ansicht nach im Ob­ ligationen-, im Zivilprozeß- und Konkursrechte in weitem Umfange als maßgebend angesehen werden. Für den Fall indes, daß jemand seine Staatsangehörigkeit verloren hat, ohne eine andere Staatsangehörigkeit erworben zu haben, muß der Konsequenz nach bei Annahme des Staatsangehörigkeitsprinzips die frühere Staatsangehörigkeit für das persönliche Recht (auch Familien- und Erbrecht) als maßgebend gelten. (So auch Art. 29 des E.G. z. B.G.B. Wo weder eine frühere Staatsangehörigkeit noch ein gegenwärtiger Wohnsitz fest­ zustellen ist, läßt E.G. z. B.G.B. Art. 29 den Ort des Aufenthalts zur Zeit des von der Person vorgenommenen Rechtsaktes entscheiden. Die Frage, ob eine Person staatsangehörig sei, ist für jeden Richter, insofern es sich um die Zugehörigkeit zu dem Staate des Richters handelt, unzweifelhaft ausschließlich nach dem Gesetze eben dieses Staates zu beurteilen, also für den deutschen Richter nach dem deutschen Gesetze (nach dem Reichsgesetze vom 1. Juni 1870 über den Erwerb und Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit). Das internationale Privatrecht kann einen hier etwa existierenden positiven Konflikt, wenn die betreffende Person etwa gleichzeitig nach dem Gesetze eines anderen Staates dessen Angehöriger sein würde, nicht lösen, da es sich hier um eine der Voraussetzungen für die Anwendung eines Territorialrechtes handelte. Wenn aber in einer vor einem deutschen Richter anhängigen Streitsache darüber zu entscheiden ist, ob eine Person einem von mehreren anderen Staaten angehört, so muß der richtigen Ansicht nach, falls die beiden oder mehreren fremden Gesetzgebungen für den fraglichen Fall im Ergebnisse übereinstimmen, dies Ergebnis auch für den deutschen Richter gelten, im Falle des positiven Konfliktes der betreffenden Gesetzgebungen

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aber die Person als demjenigen Staate zugehörig betrachtet werden, in welchem sie zuletzt ihren Wohnsitz errichtet hat (Prinzip der freien Auswanderung). Dieses letztere Prinzip ist, unter der Voraussetzung, daß die Person eine bestimmte längere Zeit (fünf Jahre ununterbrochen) in dem anderen Staate sich aufgehalten hat, auch angenommen in den Verträgen, welche der Norddeutsche Bund, die süddeutschen Staaten und Österreich-Ungarn in den Jahren 1868—1872 mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika abgeschloffen haben (sog. B a n c r o ft-Verträge). Der Deutsche, der das Bürgerrecht in der nordamerikanischen Union erworben und sich fünf Jahre ununterbrochen dort aufgehalten hat, gilt also auch'für den deutschen Richter als Angehöriger der Union und umgekehrt. Durchaus unrichtig würde es sein, für die Frage, ob eine Person einem fremden Staate angehöre, sofern nicht zugleich die Angehörigkeit zum Deutschen Reiche in Frage käme, die Vorschriften des deutschen Staatsangehörigkeitsgesetzes oder die Normen des E.G. z. B.G.B. (z. B. für die Frage, ob eine Legitimation stattgefunden habe, eine Ehe sei rechtsbeständig) als positives Recht zur Anwendung zu bringen. Ein mehrfaches, gleichzeitiges Untertanenverhältnis derselben Person (etwa begründet durch Vorbehalt des früheren Jndigenats bei Übertritt in einen Staatsverband) ist in

Bezug auf mehrere vollkommen souverän sich gegenüberstehende Staaten richtiger nicht als rechtlich möglich anzunehmen. Bei genauerer Untersuchung der zuweilen hierher gerechneten Fälle wird man finden, daß entweder hier nur vorliegt die Möglichkeit, in einfacher und formloser Weise in den früheren Staatsverband zurückzutreten, oder daß es sich um besondere Rechte oder Verbindlichkeiten handelt, die möglicherweise, wie z. B. die Pflicht, Steuern zu zahlen, nicht von der Staatsangehörigkeit, sondern etwa nur von dem längeren Aufenthalt in einem Staate abhängen. Jedenfalls aber ist es unmöglich, die Beurteilung des persönlichen Rechts und dessen, was aus diesem folgt, von mehrfachen und differenten Gesetzgebungen abhängen zu lassen, mag man nun das der Regel nach lediglich von dem Willen der Person abhängige Domizil oder die Natio­ nalität (Staatsangehörigkeit) als entscheidend betrachten. § 18. Die sogenannte Rückverweisung (beziehungsweise Weiter­ verweisung). Welches Gesetz ist anzuwenden, wenn das Gesetz, dem das Gericht unter­ worfen ist (die lex fori) die Entscheidung einer bestimmten Frage einem bestimmten aus­ wärtigen Rechte zuweist, in diesem letzteren Rechte aber umgekehrt sich die Bestimmung findet, daß die Entscheidung nach dem am Orte des Gerichts geltenden Gesetze oder etwa nach dem Gesetze eines dritten Landes zu erfolgen habe? Mit anderen Worten: sollen die auswärtigen Gesetze, falls sie nach Maßgabe unseres Gesetzes zur Anwendung gebracht werden, lediglich nach ihrem materiellen Inhalte in Betracht kommen (System der Ver­ neinung der Rück- beziehungsweise Weiterverweisung), oder sind dabei auch diejenigen Bestimmungen des auswärtigen Rechtes zu berücksichtigen, welche das internationale Privatrecht selbst betreffen (System der Rück- beziehungsweise Weiterverweisung)? Diese Frage ist außerordentlich bestritten, aber für die besonders wichtigen Fälle, daß eS sich um Bestimmung des persönlichen Rechtes (Geschäftsfähigkeit) wie des Familien- und Erbrechts handelt, richtiger im Sinne der Annahme der Rückverweisung zu entscheiden, wie dies auch im E.G. z. B.G.B. Art. 27 für die bezeichneten besonders, wichtigen Fälle ausdrücklich geschehen ist, wenn die betreffende Bestimmung des auswärtigen Rechtes die Entscheidung dem deutschen Rechte zuweist. (Wesentlich übereinstimmend ist auch das japanische Gesetz Art. 29). Die prinzipielle Richttgkeit dieser Ansicht ergibt sich daraus, daß die Normen des internationalen Privatrechts nur Kompetenzbestimmungen sind, eine Kompetenz aber, die das auswärtige Gesetz ablehnt, ihm nicht von unserem Gesetze beigelegt werden kann; genau betrachtet hat ja auch eine Gesetzgebung, welche z. B. die Geschäftsfähigkeit nach dem Gesetze des Domizils beurteilt, gar keine Bestimmung über die Geschäftsfähigkeit der eigenen im Auslande domizilierten Staatsangehörigen. Die entgegengesetzte Ansicht, welche die Bestimmungen der lex fori über das internationale Privatrecht als absolut geltend auffaßt, verkennt, daß gerade hieraus, weil daS Verhältnis

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der Angehörigen aller fremden Staaten zu ihrem eigenen Staate doch nicht nach Maß­ gabe des bei uns gültigen Prinzips beurteilt werden kann, für die Rechtssicherheit der Beteiligten bösartige Folgen entstehen können. So ist denn auch in der Haager internationalen Konvention über die internationale Behandlung des Erbrechts von 1894, Art. 1, die Rück­ verweisung in gewissem Umfange schließlich anerkannt worden. Eine Weiterverweisung würde z. B. in dem Falle stattfinden, wenn die lex fori das Gesetz der Staatsangehörigkeit als entscheidend bezeichnete, dieses aber z. B. das am Orte der Eheschließung geltende Gesetz für maßgebend erklärte, dieser Ort aber in einem dritten Staate belegen wäre, wie denn z. B. die Fähigkeit zur* Eheschließung nach den E.G. z. B.G.B. nach dem Gesetze der Staats­ angehörigkeit sich bestimmt, für Angehörige der nordamerikanischen Union aber, für welche das Domizilprinzip gilt, nun materiell nicht das Domizilgesetz, vielmehr das Gesetz des Orts der Eheschließung zur Anwendung kommen soll. Das E.G. z. B.G.B. sagt über die Weiterverweisung nichts. Ob sie Platz zu greifen hat, oder ob das zunächst zuständige auswärtige Gesetz materie entscheiden soll, muß davon abhängen, ob man in der Bestimmung des Art. 27 des E.G. die Anwendung eines allgemeinen Prinzips oder nur eine besondere Vorschrift zu Gunsten der Anwendung gerade des deutschen materiellen Rechtes zu erblicken hat. Das erstere dürfte das richtigere sein.

§ 14. Reziprozität und Retorsion. In internationalen Verhältnissen ist das Prinzip, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, in gewissem Umfange unverkennbar berechtigt und zweckmäßig. Handelt es sich um eine besonders günstige Behandlung, die man nach allgemeinen Grundsätzen nicht fordern könnte, so nennt man diese Vergeltung Reziprozität; handelt es sich um eine ungünstige Behandlung, die demjenigen widerspricht, was wir entweder nach allgemeinen international geltenden Grundsätzen, oder nach Maß­ gabe der speziell bei uns geltenden Gesetze oder Maximen für recht oder billig halten, so nennt man die Vergeltung Retorsion. Doch kann von Retorsion nur die Rede sein, wenn Angehörige unseres Landes oder Fremde als solche in dem auswärtigen Staate eine nachteilige Behandlung erfahren, nicht, wenn eine unserer Ansicht nach fehlerhafte oder unbillige Rechtsnorm in dem auswärtigen Staate in derselben Weise gegen Angehörige dieses Staates wie gegen Ausländer angewendet wird. Retorsion kann nur durch die Gesetzgebung angeordnet werden, sofern nicht die Gesetzgebung den Gerichten oder anderen Behörden dazu eine besondere Ermächtigung erteilt. Art. 31 des E.G. z. B.G.G. bestimmt dementsprechend: „Unter Zustimmung des Bundesrats kann durch Anordnung des Reichskanzlers bestimmt werden, daß gegen einen ausländischen Staat sowie dessen Angehörige und ihre Rechtsnachfolger ein Vergeltungsrecht zur Anwendung gebracht wird." (Vgl. auch K.O. § 5.) Der Grundsatz der (vom Richter zu beurteilenden) Rezi­ prozität ist angewendet bei der Anerkennung und Vollstreckung auswärtiger richterlicher Urteile (Z.P.O. 328, Nr. 5, 728). Die Frage, ob im Auslande Gegenseitigkeit beobachtet werde („verbürgt" sei, Z.P.O. 328, 5), gibt oft zu Zweifeln und Streitigkeiten Anlaß. Es würde unrichtig sein und zu Rückschritten in der Kultur führen, wollte man der Regel nach die Anwendung der an sich für richtig befundenen Grundsätze des inter­ nationalen Privatrechts von der Beobachtung der Reziprozität in anderen Staaten ab­ hängen lassen. § 15. Die Regel: locus regit actum. Diese Regel bedeutet, daß für die Form eines Rechtsaktes die Beobachtung des am Orte der Vornahme des Rechtsaktes gellenden Gesetzes genügen soll. Dies entspricht nicht, wie man früher wohl angenommen hat, der Rechtskonsequenz. Der Konsequenz des Rechts würde entsprechen, die Form des Rechtsgeschäftes nach demselben Rechte zu beurteilen, nach welchem das Rechtsverhältnis auch materiell zu beurteilen ist. (So auch ausdrücklich E.G. z. B.G.B. Art. 11 Abs. 1.) Die Römer haben beispielsweise gerade die Formen des sogenannten ins civile nie auf Peregrinen angewendet, nie angenommen, daß ein im Auslande weilender Römer nach dortigen Formen sein Testament errichten könne. Die Regel beruht vielmehr auf einem die Rechtskonsequenz durchbrechenden, übrigens auch im englisch-

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nordamerikanischen Rechte geltenden Gewohnheitsrechte und ist erst seit dem späteren Mittelalter nachweisbar und ihrem Ursprung nach auf den gerichtlichen Abschluß von Rechtsgeschäften zurückzuführen. Die im Mittelalter vorherrschende Form für wichtigere Rechtsgeschäfte war die Vornahme derselben vor Gericht: das Gericht aber beobachtete seine Gesetze, die für den Gerichtsbezirk geltenden Formen, und zwar um so mehr, als nicht selten Rechtsgeschäfte in die Form eines Scheinprozefses eingekleidet wurden. Der gerichtlichen Form aber vindizierte man allgemeine Gültigkeit: „acta facta coram uno iudice fidem faciunt apud alium.“ Schon diesem Ursprünge nach ergibt sich, daß man in unserer Regel nur eine den Rechtsverkehr erleichternde zu erblicken, daß man ihr daher auch einen nur fakultativen und nicht einen imperativen Charakter beizulegen hat, und dies ist auch überwiegend die Meinung der Schriftsteller, und nicht selten in den Gesetzbüchern, sofern sie sich über­ haupt darüber auslafsen, und so im italienischen Gesetzbuche, ebenso aber auch im E.G. z. B.G.B. Art. 11 Abs. 1 ausgesprochen. Freilich wird in der Regel bei Nichtbeachtung der lex loci actus zur Gültigkeit des fraglichen Rechtsgeschäfts vorausgesetzt werden muffen, entweder daß dasselbe ein einseitiges ist, z. B. ein holographes Testament, welches ein Franzose im Auslande errichtet, oder daß die beteiligten Personen demselben Staate angehören; denn ohne diese Voraussetzung würde entweder schon die Absicht, sich bindend zu verpflichten, leicht zweifelhaft sein, oder man würde z. B. bei Verschiedenheit der nach den heimatlichen Gesetzen der Kontrahenten geforderten Formen zu dem unbilligen Re­ sultate kommen, den einen, nicht aber den anderen Kontrahenten für gebunden zu erklären. Es gibt aber auch Ausnahmen von der Regel, welche demnach die Rechtskonsequenz wiederhersteüen. So hat dieselbe unbestrittenermaßen nie gegolten für die Formen des Erwerbs und des Verlustes dinglicher Rechte an Immobilien und gilt der richtigen Ansicht nach auch nicht in dieser Beziehung für bewegliche Sachen (wie dies auch ausdrücklich erklärt ist im Abs. 2 des Art. 11. des E.G. z. B.G.B.), während sie allerdings gegolten hat und gilt der richtigen Ansicht nach für letziwillige Verfügungen und Erbverträge, insoweit die erbrechtliche Verfügung nicht als Verfügung über die einzelnen Sachen, sondern als Verfügung über die Gesamtheit des Nachlasses betrachtet wird (vgl. unten das Erbrecht). Ebenso kommt es vor, daß das im übrigen über daS fragliche Verhältnis entscheidende Gesetz die Regel „locus regit actum“ ganz oder teilweise außer Kraft setzt; z. B. kann das in der Heimat der Beteiligten geltende Gesetz für eine im Auslande einzugehende Ehe gleichwohl gewisse Förmlichkeiten vorschreiben. Eine derartige Rechts­ vorschrift ist keineswegs ungültig oder völkerrechtswidrig, wenn auch möglicherweise roegen der Schwierigkeit, im Auslande die im heimatlichen Gesetze vorgeschriebenen Formen zu beobachten, bedenklich, auch unter Umständen deshalb, weil daraus sehr leicht Täuschungen und Schädigungen hervorgehen können. Nur für die von dem Gesetze des Orts der Errichtung (genauer von dem Staate, welcher die Autorisation verliehen hat) für einen Akt mit publica fides vorgeschriebenen Formen ist jedes Gesetz obligatorisch. Denn nur unter Voraussetzung der Beobachtung jener Formen ist dem Beamten, dem Notar, Konsul publica fides überhaupt verliehen. Dagegen ist es allerdings ein Verstoß gegen die vom Gesetzgeber innezuhaltende Zuständigkeitsgrenze, wenn der Gesetzgeber für gewisse etwa in seinem Territorium vor­ genommene Rechtsakte, die materiell durchaus einem fremden Gesetzgebungsgebiet an­ gehören, die Beobachtung der in seinem Gebiete geltenden Form für obligatorisch erklärt. Eine solche, unter Umständen zu schweren und unlösbaren Verwicklungen Anlaß gebende Vorschrift findet sich aber (vgl. schon R.G. v. 6. Febr. 1875 § 41) im Art. 13 des E.G. z. B.G.B: „Die Form einer Ehe, die im Jnlande geschlossen wird, bestimmt sich ausschließlich nach den deutschen Gesetzen." (S. unten § 25.) Form eines Rechtsgeschäfts ist daS und nur das, was jeder beobachten kann, wenn auch beobachten muß, um seinen freien Willen zur Geltung zu bringen. Das Erfordernis einer fremden Zustimmung, wenn diese rechtlich verweigert werden kann, z. B. Zustimmung des Vaters, deS Vor­ mundes, Ehemanns, ist nicht Form des Rechtsgeschäfts. Die englisch-nordamerikanische Jurisprudenz wendet übrigens die Regel „locus regit actum“ in einem weiteren Umfange

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an. Dagegen sind andere Beschränkungen der Regel „locus regit actum“, z. B. auf Formen, die nur des Beweises wegen vorgeschrieben sind, schon wegen der Unmöglichkeit einer genügenden Begrenzung zu verwerfen. Unrichtig ist es auch, die Regel nicht anzuwenden, wenn etwa die Parteien, gerade um nicht das Geschäft unter die Formvorschriften des Inlandes zu stellen, dasselbe im Auslande vornehmen. Ein sogenanntes Handeln in fraudem legis liegt hier nicht vor. § 16. Die Behandlung des internationalen Privatrechts im Ein­ führungsgesetz zum deutschen Bürger!. Gesetzbuch. Die in dem E.G. ent­ haltenen Vorschriften über das internationale Privatrecht find weit weniger vollständig als diejenigen, welche die früheren Entwürfe des B.G.B. aufstellten. Die Gründe dieser vom Bundesrate an den früheren Entwürfen vorgenommenen Änderungen sind nicht bekanntgegeben, und aus den Verhandlungen des Reichstages, der den vom Bundesrat festgestellten Entwurf, soviel das internationale Privatrecht betrifft, mit nur unbedeutenden Änderungen annahm, ist über jene Gründe auch Aufschluß nicht zu erhalten. Jene wichtigen Änderungen

bestehen aber wesentlich darin, daß für eine Reihe von Fragen zwar die Fälle der An­ wendung des deutschen Rechts bestimmt sind, dagegen nicht gesagt ist, welches auswärtige Recht im Falle der Nichtanwendung des deutschen Rechts für maßgebend zu erachten ist. Der richtigen Ansicht nach sind die so entstandenen Lücken durch die Wiffenschaft (vgl. oben § 5) auszufüllen, insbesondere ist nach Maßgabe der Wissenschaft festzustellen, ob wir es mit einer exzeptionell nur zu Gunsten deutscher Staatsangehörigen oder nur zum besonderen Schutze gerade der deutschen Rechtsordnung gegebenen Vorschrift, die eine analoge Anwendung nicht zuläßt, oder aber mit der Anerkennung eines allgemeinen Prinzips zu tun haben. Eine wirkliche Willkür ist jedenfalls dem Richter damit nicht ein­ geräumt, und besonders beklagenswert sind die so entstandenen Lücken nicht; denn genau betrachtet wird man nicht leicht eine Gesetzgebung finden, die nicht für das inter­ nationale Privatrecht zu bedeutenden Zweifeln Anlaß gäbe oder erhebliche Lücken zeigte, und immerhin sind Lücken, welche allmählich Wiffenschaft und Praxis ausfüllen, verkehrten Vorschriften vorzuziehen, die ganze Materien in Verwirrung bringen. Aus diesem Grunde ist auch der gänzliche Mangel an Bestimmungen über das Recht der aus Verkehrs­ verträgen entspringenden Obligationen nicht zu beklagen. Daß schließlich bei den Entschließungen des Bundesrates die richtige Ansicht mitgewirkt hat, nach welcher es nicht Sache des deutschen Gesetzes sein kann, alle möglichen Konflikte zwischen auswärtigen Rechtsordnungen, die hin und wieder als Jnzidentfragen eine Rolle bei Entscheidungen unserer Gerichte spielen können, für uns aber meistens indifferent find, kurzweg vom Standpunkt des deutschen Gesetzes aus zu entscheiden, ist nicht zu bezweifeln. Für alle Rechts­ materien, für welche das E.G. das Prinzip der Rückverweisung anerkannt hat, muß dabei der freilich bestrittene Grundsatz gelten, daß, wenn eine Frage jedenfalls nach einer von mehreren auswärtigen Rechtsordnungen zu entscheiden ist, die Überein st immung dieser Rechtsordnungen darüber, welche von ihnen zur Entscheidung zuständig sei, auch vom deutschen Richter zu respektieren ist. Durch das E.G. sind die in dem bisherigen deutschen Partikular rechte ent­ haltenen Vorschriften jedenfalls, soweit das Verhältnis zu außerdeutschen Rechts­ ordnungen in Betracht kommt, als beseitigt anzusehen. Dies folgt schon daraus, daß die Bestimmungen des E.G. über internationales Privatrecht überall von dem Verhältnis deutscher Gesetze zu außerdeutschen reden, nicht nur von dem Verhältnis der Reichs­ gesetze zu außerdeutschen Gesetzen; denn deutsche Gesetze sind die Gesetze der einzelnen deutschen Staaten auch. Aus der Annahme der entgegengesetzten Ansicht würden auch kaum erträgliche Verwicklungen hervorgehen. Es bedarf daher bei dieser Frage der Berufung auf Art. 55 des E.G. und der Untersuchung nicht, ob die Vorschriften des internationalen Privatrechts dem Privatrechte oder dem öffentlichen Rechte angehören. Aber es ist auch, obwohl dies bestritten ist, dem Gesagten zufolge anzunehmen, daß selbst für die der Landesgesetzgebung überlassenen Rechtsnormen die Vorschriften des E.G. über internationales Privatrecht nicht nur nach Maßgabe der Art. 4 des E.G. als Ersatz-

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Vorschriften für das bisherige partikulare Landesrecht, sondern als absolute getreten sind, welche auch für jene beschränkten, im übrigen der Landesgesetzgebung überlaffenen Gebiete durch Landesgesetz nicht außer Kraft gesetzt werden können. Eine Ausnahme erleidet dies nur 1. nach E.G. Art. 56 für Bestimmungen, die enthalten find in Staatsverträgen, welche ein Bundesstaat mit einem ausländischen Staate vor dem Inkrafttreten des B.G.B. geschloffen hat, und 2. insofern ein Bundesstaat auf eine Anwendung seines Partikularrechts, welche nach den Bestimmungen des E.G. im Verhättnis zu einer auswärtigen Rechts­ ordnung möglich wäre, verzichten (die sonst eintretende Wirkung des Landesgesetzes ein­ schränken) kann. Endlich muß auch angenommen werden, daß dre Vorschriften des E.G. im internationalen Privatrecht, soweit sie als Folgerungen aus nach Ansicht des Gesetz­ gebers allgemein gültigen Prinzipien und nicht etwa als besondere Vorzugsvorschriften für die deutsche Rechtsordnung erscheinen, auch für das Verhältnis der deutschen Landes­ gesetze untereinander gelten, nur daß auch hier jedes Landesgesetz auf eine ihm nach eben diesen Vorschriften des E.G. zukommende extraterritoriale Wirksamkeit verzichten kann.

§ 17. Personenrecht (Rechts- und Geschäftsfähigkeit). Zwei At­ tribute kommen regelmäßig der Person zu: 1. daß sie Rechte erwerben, haben, aus­ üben, und 2. daß sie einen für den Rechtsverkehr erforderlichen Willensakt vor­ nehmen kann. Beide Attribute, die Rechtsfähigkeit und die Handlungsfähigkeit oder, wie jetzt das B.G.B. sich genauer ausdrückt, die Geschäftsfähigkeit — da die Delikts­ fähigkeit nach anderen Gesichtspunkten zu behandeln ist - , faßte noch Savigny, hierin der älteren Theorie folgend, und faßt noch großenteils die ausländische Literatur unter dem gemeinsamen Namen Status der Person, Zustand der Person an sich und Fähig­ keit der Person (titat et capacitS) zusammen und glaubt, daß ohne weiteres der Natur der Sache nach und zugleich in Gemäßheit der Tradition des europäischen Kontinents für diesen sogenannten Status das heimatliche Gesetz der Person (also je nachdem das Gesetz des Domizils oder das Gesetz der Staatsangehörigkeit) anzuwenden sei. Indes läßt sich diese Theorie des Status der Person nicht durchführen; wenn z. B. in der Heimat einer Person Rechtsbeschränkungen — etwa aus konfessionellen Gründen — gelten, so können diese in einem anderen Staate, in dem völlige Gleichheit der religiösen Bekenntnisse Grundsatz ist, gewiß keine Wirksamkeit ausüben. Die Konsequenz der StatuStheorie, welche die Irrigkeit der letzteren zeigen konnte, wird abgewehrt, indem man Gesetze der letztgenannten Art für zwingend (so Savigny) oder für Gesetz des Ordre public erklärt, welche außerhalb des Territoriums keine, innerhalb desselben aber un­ bedingte Wirksamkeit, wie man meint, ausüben sollen. Die Beschränkungen der Rechtsfähigkeit einer- und die Beschränkungen der Geschäfts­ fähigkeit anderseits — denn praktisch handelt es sich bei physischen Personen um gesetz­ liche Beschränkungen, da von der Regel, der vollen und unbeschränkten Rechts- und Ge­ schäftsfähigkeit, auszugehen ist — beruhen aber auf völlig verschiedenen gesetzgeberischen Zwecken. Beschränkt man Personenklaffen in der Rechtsfähigkeit, so will man sie recht­ lich benachteiligen; beschränkt man sie in der Geschäftsfähigkeit, so will man sie rechtlich schützen, schützen vor den nachteiligen Folgen, welcher ihr eigner, durch ungenügenden Verstand leicht mißleiteter Wille ihnen bereiten könnte. Aus dem grundverschiedenen Zwecke ergibt sich international eine völlig verschiedene Behandlung. 1. Die Rechtsfähigkeit ist zu beurteilen nach demjenigen Gesetze, dem das im ein­ zelnen Falle fragliche Rechtsverhältnis auch im übrigen unterstellt ist. Also ist nicht — wie Savigny meinte — hier immer das Gesetz des urteilenden Richters anzuwenden, vielmehr ist z. B. die Frage, ob jemand Grundeigentum erwerben könne, nach der lex rei sitae zu beurteilen, und jemand, der nach den Gesetzen seiner Heimat Sklave wäre, ist, solange er bei uns sich aufhält, frei und kann nicht in Gemäßheit seiner heimat­ lichen Gesetze bei uns vindiziert werden. Das E.G. z. B.G.B. hat nun zwar keine allgemeine Bestimmung über die Rechtsfähigkeit physischer Personen. Aber während das Gesetz allgemein nur über die Geschäftsfähigkeit der Personen Bestimmung trifft (Art. 7), äußert es sich im Art. 9 über die Zuständigkeit zum Erlaß einer Todeserklärung und

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über die Wirkung der letzteren in einer Weise, welche erkennen läßt, daß es von der Beurteilung der Rechtsfähigkeit nach jenem soeben für richtig erklärten Prinzipe aus­ geht; denn in der sogenannten Todeserklärung wird gesagt, daß der für tot Erklärte nicht mehr als Rechtssubjekt in Ansehung bestimmter Rechtsverhältnisse zu gelten habe. Daher kann nach Art. 9 im Deutschen Reiche für tot erklärt werden nicht nur ein Deutscher, sondern auch ein Ausländer, letzterer aber mit Beschränkung der Wirkung der Todeserklärung auf die nach deutschen Gesetzen zu beurteilenden Rechtsverhältnisse. Jedenfalls wird hiernach auch im Deutschen Reiche anzuerkennen sein die im Auslande erfolgte Todeserklärung eines Ausländers für diejenigen Rechtsverhältnisse, welche dem Rechte des Staates unterliegen, dessen Gericht die Todeserklärung ausgesprochen hat. (Die Todeserklärung ist kein Urteil im Sinn der Z.P.O. § 328, vielmehr ein Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit.) (über juristische Personen vgl. oben § 11.)

2. Die Gesetze, welche die Geschäftsfähigkeit einschränken, dagegen anlangend, so folgt aus dem Zwecke dauernder Fürsorge für die in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Personen, daß diese Fürsorge jedenfalls ihre Grenze an demjenigen findet, was der Staat hierin für notwendig erklärt, dem die betreffende Person dauernd angehört; eine weitergehende Fürsorge, die der Person etwa in einem anderen Staate zu teil werden sollte, würde nur Verwirrung hervorbringen, wie z. B., wenn der Staat A eine in seinem Gebiete sich aufhaltende, dem Staat B angehörige und nach dessen Gesetzen schon voll­ jährige Person deshalb noch als handlungsunfähig behandeln wollte, weil sie nach den in A geltenden Gesetzen das Alter der Volljährigkeit noch nicht erreicht haben sollte. Dagegen folgt für den umgekehrten Fall — daß eine nach ihrem heimatlichen Rechte ge­ schäftsunfähige, nach dem Rechte des Aufenthaltsorts aber geschäftsfähige Person an letzterem Orte Rechtsakte vornimmr — die Ungültigkeit des Rechtsaktes keineswegs mit Notwendigkeit. Indes läßt sich für den europäischen Kontinent ein allgemeines, auch durch evidente Zweckmäßigkeitsgründe gestütztes, auf die Postgloffatoren und die Statuten­ theorie zurückzuführendes Gewohnheitsrecht behaupten, kraft dessen die allgemeine Geschäfts­ fähigkeit lediglich nach dem heimatlichen Gesetze der Person beurteilt wird, und zwar wird nicht nur die Existenz der Geschäftsunfähigkeit, sondern auch deren Wirkung nach dem heimatlichen Gesetze der Person beurteilt. Die mit der Geschäftsunfähigkeit vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke würden leicht illusorisch gemacht werden können, wenn mit Überschreitung der Grenze eines fremden Staates die bevormundete Person plötzlich geschäftsfähig werden könnte, und was würde es anderseits dem Staate A nützen, wenn er eine nach seinen Gesetzen geschäftsfähige, nach den Gesetzen der Heimat aber geschäfts­ unfähige Person wegen eines in seinem Gebiete vorgenommenen Rechtsaktes verurteilen wollte, die Gerichte des Heimatstaates aber, welche man in den meisten Fällen um Voll­ streckung des Urteils ersuchen müßte, die Vollstreckung verweigern würden? Allerdings beurteilt die englisch-nordamerikanische Jurisprudenz die Geschäftsfähigkeit nach der lex loci actus und beruft sich dafür auf den Zweckmäßigkeitsgrund der bona fides des Ver­ kehrs : der Mitkontrahent könnte durch spätere Berufung des Ausländers auf dessen un­ bekannte Heimaisgesetze leicht getäuscht werden. Indes läßt sich die bona fides des Ver­ kehrs genügend dadurch schützen , daß man solche spätere Berufung auf ein dem anderen Kontrahenten unbekanntes Gesetz dann ausschließt, wenn diesem anderen Kontrahenten bezüglich der Erkundung der Geschäftsunfähigkeit eine Nachlässigkeit nicht zur Last fällt, wobei denn auch auf die Natur und die faktische Wichtigkeit des Geschäfts Rücksicht zu nehmen ist, — eine Modifikation des Grundsatzes der Anwendung des heimatlichen Gesetzes, die bereits bei französischen Gerichten Eingang gefunden hat. Diese letztere Modifikation würde zugleich die richtige Lösung geben für die (übrigens durch die neueren Gesetzgebungen immer mehr beseitigten) Fälle, in denen das heimat­ liche Gesetz gewisse Personen zwar im allgemeinen für handlungsfähig erklärt, ihnen aber die Verpflichtungsfähigkeit in Ansehung einzelner Vertragsarten nimmt (z. B. die Wechselfähigkeit). Ein allgemeines hier die extraterritoriale Wirksamkeit des heimatlichen Gesetzes bewirkendes Gewohnheitsrecht wird sich — was freilich bestritten ist — nicht

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behaupten lassen. Der Sicherheit des Verkehrs würde der Rechtssatz nicht dienen, da in solcher besonderer Weise beschränkte Personen ihr Vermögen faktisch in Händen haben, waS bei allgemein geschäftsunfähigen Personen nicht der Fall sein wird. Auch das E.G. zum B.G.B. Art. 7 stellt als allgemeines Prinzip auf die Beur­ teilung der Geschäftsfähigkeit nach dem Gesetze der Staatsangehörigkeit. Die im Aus­ lande einmal erworbene Geschäftsfähigkeit soll aber (was auch durchaus rationell ist) für einen Ausländer, der deutscher Reichsangehöriger wird, durch diesen letzteren Vorgang nicht verloren gehen, und für Rechtsakte, die ein Ausländer im Jnlande (int Deutschen Reiche) vornimmt — mit Ausnahme jedoch der Rechtsgeschäfte, welche familienrechtlicher oder erbrechtlicher Natur sind, oder durch welche über ein ausländisches Grundstück ver­ fügt wird —, soll die Geschäftsfähigkeit des Ausländers jedenfalls auch insoweit gelten, als sie nach den deutschen Gesetzen vorhanden sein würde. Dieser letztere, die Anwendung des heimatlichen Gesetzes im (vermeintlichen) Interesse der inländischen Verkehrssicherheit ausschließende, bezw. beschränkende Satz ist nachgebildet dem analogen Satze des Art. 84 der Wechselordnung, über die Wechselfähigkeit von Ausländern, die im Jnlande (im Deutschen Reiche) Wechselverpflichtung übernehmen, und dem § 53 der Z.P.O. von 1877 (jetzt § 55), welcher die Prozeßfähigkeit von Ausländern, die vor deutschen Gerichten als Parteien auftreten, betrifft, wie denn Rechtssätze gleichen Inhalts sich z. B. auch schon in dem preußischen allgemeinen Landrechte und in dem Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen fanden. Der Satz kann der Fassung nach nicht ausgedehnt werden auf Rechts­ akte, die Deutsche im Auslande vornehmen, und da er sich somit als ein exzeptionell nur zu Gunsten gerade des im Deutschen Reiche stattfindenden Rechtsverkehrs angenommener charakterisiert, so kann er auch nicht angewendet werden auf Rechtsakte, die Ausländer im Auslande vornehmen. Der zuerst erwähnte besondere, die einmal erworbene Geschästsfähigkeit betreffende Satz muß, weil er allgemeinen Prinzipien des internationalen Privat­ rechts entspricht, allgemein auch für Personen zur Anwendung kommen, die in einen ausländischen Staatsverband eintreten, indes nur, falls nach dem dortigen Gesetz oder einer feststehenden dortigen Praxis nicht das Gegenteil anzunehmen ist. Es macht keinen Unterschied, ob die Geschäftsunfähigkeit unmittelbar durch Gesetz oder durch den vom zuständigen Gesetze für zuständig erklärten Richter verfügt, die Person also entmündigt ist. Indes kann eine Entmündigung als Notfache auch vom Staate des Wohnorts, bezw. Aufenthaltortes erfolgen (E.G. z. B.G.B. Art. 8). Nicht alle Arten der Entmündigung werden in allen Staaten als wirksam an­ erkannt. So wird nach englischem Rechte eine in einem anderen Staate erfolgte Ent­ mündigung wegen Verschwendung für Rechtshandlungen des Entmündigten in England oder über in England belegenes Grundvermögen nicht anerkannt.

IV. Sachenrecht. § 18. Rechte an unbeweglichen Sachen. Das Sachenrecht beantwortet die Frage der unmittelbaren, völligen oder teilweisen, definitiven oder provisorischen Herr­ schaft über eine körperliche Sache. Es kann diese unmittelbare Herrschaft selbstverständlich nur anerkannt und ausgeübt werden in Gemäßheit des am Orte der Sache geltenden Rechts. Die ausschließliche Anwendung der lex rei sitae für das gesamte Sachenrecht einschließlich des Besitzrechtes, soweit unbewegliche Sachen in Frage stehen, ist denn auch schon seit den Zeiten des Mittelalters allgemein anerkannt worden für das Eigentums­ recht, Servituten, dingliche Belastungen — bei welchen das am Orte der dienenden Sache geltende Recht zu entscheiden hat —, ebenso aber für den Besitz und die Ersitzung aller solchen Rechte wie für die Entscheidung, ob eine Sache res extra commercium, ob sie herrenlos sei.

§ 19. Rechte an beweglichen Sachen. Für diese ist in der älteren Literatur meist die Gültigkeit des Satzes: „mobilia personam sequuntur“ (oder „mobilia ossibus

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inhaerent“), d. h. die Beurteilung nach dem heimatlichen Gesetze der Person besonders mit Rücksicht darauf behauptet, daß bewegliche Sachen leicht den Ort wechseln, letzterer nicht selten nur schwer bestimmbar ist. Mehr und mehr hat man jedoch nach dem Vorgänge der deutschen Jurisprudenz sich von der Unhaltbarkeit dieser Regel (bei der es sofort zweifelhaft ist, ob das heimatliche Recht des Eigentümer- oder des Besitzers zu entscheiden habe) und davon überzeugt, daß auch auf Mobilien die lex rei sitae An­ wendung finden müsse. Es entscheidet aber immer das Gesetz desjenigen Ortes, an welchem die Sache sich zur Zeit des betreffenden rechtserheblichen Ereigniffes befand, und daraus folgt, daß ein nach den Gesetzen des Staates A rechtsgültiger Erwerb nicht da­ durch unwirksam wird, daß die Sache später in das Gebiet des Staates B gebracht wird, nach dessen Gesetzen der frühere Erwerb an strengere Erfordernisse, z. B. an die Tradition, gebunden sein würde, während nach den Gesetzen des Staates A eine Tra­ dition etwa nicht erfordert wird. Irgend ein neues rechtserhebliches Ereignis, z. B. auch nur ein Besitz erwerb, muß aber auch in seinen Wirkungen auf früher in anderen Territorien erworbene Rechte an der Sache nach dem Übergange der Sache in das Terri­ torium B nach den in B geltenden Gesetzen beurteilt werden. Man kann also insoweit von einer Präponderanz des am jeweilig letzten Orte der Sache geltenden Recht­ sprechen; namentlich prävalieren die nach diesem Rechte stattfindenden Beschränkungen der Vindikation, der Geltendmachung von Pfandrechten zu Gunsten eines gutgläubigen Besitzers, und dieselbe Betrachtung führt z. B. auch dazu, daß möglicherweise die Frage, ob jemandem ein Pfandrecht an einer beweglichen Sache überhaupt zusteht, nach dem Rechte des Staates A, die Frage dagegen, welchen Rang dieses Pfandrecht im Verhältnis zu anderen Pfandrechten im Konkurse einnehme, nach dem Rechte des Staates B beurteilt werden muß. Rur insoweit ein Recht an einer beweglichen Sache von der Interpretation eines Vertrages, von der Absicht der Parteien bei Abschluß eines Vertrags abhängen sollte, wird man die lex domicilii der Parteien zu Grunde zu legen haben, und auch in der heutzutage praktisch wenig erheblichen Frage der Ersitzung beweglicher Sachen wird man, sofern es sich nicht um Sachen handelt, die, wir z. B. das Inventar eines Landgutes, ihrer Bestimmung nach dauernd an einen bestimmten Ort gebunden sind, de facto kaum ein anderes Recht als das am Domizil des Besitzers geltende anwenden könnnen. Fälle der letzteren Art und der Umstand, daß man den Zeitpunkt des Rechtserwerbs nicht gehörig beachtet, haben wohl manche ausländische Schriftsteller veranlaßt, noch an der an sich unhaltbaren, von ihnen selbst durch Ausnahmen völlig durchlöcherten Regel festzuhalten. Bei den englischen und nordamerikanischen Schriftstellern kommt hinzu, daß vermöge der Regel „mobilia personam sequuntur“ die Idee der Universalsuccession im Erbrechte für Mobilien, aber nur für diese, anerkannt wird. Indes sind die neuesten und namhaf­ testen Schriftsteller selbst in England und Nordamerika mehr und mehr von der Unhalt­ barkeit der Regel für das, was wir Sachenrecht nennen, überzeugt; namentlich Wharton weist nach, daß sie in den Entscheidungen der Gerichtshöfe reell keine Basis hat. Es kommt vor, daß eine Gesetzgebung gewisse bewegliche Sachen als unbewegliche behandelt. Bei einer Differenz der Gesetzgebungen über diese Frage muß das Gesetz des Ortes entscheiden, welches für das fragliche Rechtsverhältnis an sich maßgebend ist. Wenn z. B., soviel das eheliche Güterrecht, die Veräußerungsbefugnis des Ehemanns, die Zu­ gehörigkeit zu der gemeinschaftlichen Gütermasse betrifft, gewisse Mobilien den Immo­ bilien rechtlich gleichgestellt werden, so entscheidet dasjenige örtliche Gesetz, dem die Ehe­ gatten in Ansehung ihres Güterrechts überhaupt unterworfen sind. Das E.G. z. B.G.B. enthält über die internationale Behandlung des Sachenrechts keine Bestimmung. Hiernach muß um so mehr die Anwendung der lex rei sitae auch in Ansehung beweglicher Sachen Platz greifen, als die Praxis des Reichsgerichts und nicht minder die angesehener Oberlandesgerichte schon längere Zeit von dieser Ansicht ausgegangen war. Stand doch schon seit Savigny fest, daß die in § 28 der Einleitung zum preußischen allgemeinen Landrecht (vgl. auch österreichisches B.G.B. § 300) gegebene Regel der Beurteilung der Mobilien nach den für die Person des Eigentümers geltenden Gesetzen sich für das eigentliche Sachenrecht gar nicht durchführen lasse.

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V. Obligatorische Aertrage. § 20. Allgemeine Grundsätze. Während die ältere Ansicht, die auch int Auslande noch als die im wesentlichen herrschende bezeichnet werden kann, für obliga­ torische Verträge den Ort des Vertragsschlusses als maßgebend ansah, ist seit Savigny in Deutschland meistens das Gesetz des Orts der Erfüllung angewendet worden, nament­ lich auch in der Praxis des Reichsgerichts. Richtig und durchführbar ist aber allein die Ansicht, welche prinzipiell das Domizilgesetz des Schuldners zum Grunde legt, aber anerkennt, daß sowohl zahl­ reiche und wichtige Ausnahmen für obligatorische Verhältnisie im ganzen wie für ein­ zelne Beziehungen der Obligation bestehen können (z. B. Modalitäten der Erfüllung), — eine Ansicht, die in neuerer Zeit von angesehenen deutschen Theoretikern vertreten ist. (Die Tätigkeit oder Leistung des Schuldners ist bei jeder Obligation die Hauptsache, und die dem Parteiwiüen nicht nachgebenden Sätze des Obligationenrechts bezwecken fast durch­ gängig den Schutz des Schuldners, von dem auch meistens angenommen werden fonnr daß er sich im Sinne des Gesetzes seines Domizils habe verpflichten wollen. Das Domizil-^ nicht dagegen das Gesetz der Staatsangehörigkeit, ist aber deshalb zum Grunde zu. legen, weil für die Verkehrsverhältnisie des täglichen Lebens die Person durch Wahl des« Domizils in der Tat in die Rechtsordnung des Domizils eintritt.) Als die wichtigsten Ausnahmen von der Anwendung der lex domicilii des Schuldners sind folgende zu nennen: 1. Manche Bestimmungen des Verkehrsrechts beruhen auf Berücksichtigung rein lokaler Zustände. Hier ist die lex domicilii auf Rechtsgeschäfte, die im Auslande ab­ geschlossen und dort abgewickelt werden sollen, nicht anzuwenden. 2. Die int internationalen Verkehr höchst wichtige bona fides kann auch sonst bet solchen lediglich im Auslande sich vollziehenden Rechtsverhältnissen die Anwendung eines, anderen Gesetzes als desjenigen des Domizils des Schuldners verlangen, z. B. ein In­ länder mietet sich während seines Aufenthaltes im Auslande daselbst eine Wohnung. 3. Für die Erfüllung kommen jedenfalls die am Orte der Erfüllung geltenden. Prohibitivgesetze in Betracht (wir müssen die fremde Rechtsordnung innerhalb ihres Gebiets respektieren und können nicht ihre Gesetze einfach als nichtexistierend ansehen)^ und was Geldsorten, Maße und andere Modalitäten der Erfüllung betrifft^ so muß int Zweifel angenommen werden, daß die Kontrahenten die am Orte der Erfüllung gesetzlichen oder üblichen int Sinne gehabt haben. 4. Verträge über unbewegliche Sachen sind regelmäßig nach der lex rei sitae zu beurteilen. 5. Möglicherweise kann unsere Rechtsordnung ein Rechtsgeschäft in dem Sinne als unzulässig oder verwerflich betrachten, daß, wenngleich materiell das betreffende Rechts­ verhältnis einer fremden Rechtsordnung angehört, doch bei uns jede gerichtliche Geltend­ machung dieses Rechtsverhältniffes ausgeschlossen ist. Selbstverständlich kommt der Regel „locus regit actum“ int Obligationenrechtb eine besonders praktische Wichtigkeit zu. Unter Abwesenden (brieflich, durch Telegramme oder telephonisch) abgeschlossene Verträge aber sind der richtigen, wiewohl sehr bestrittenen Ansicht nach formell nur dann gültig, wenn sie dies nach den Domizilgesetzen beider Kontrahenten sind. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß eine gesetzliche Formulierung, der für das Recht obligatorischer Verträge im allgemeinen maßgebenden Grundsätze höchst,

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schwierig und deshalb mißlich ist. Das E.G. z. B.G.B. hat — während Entwurf des B.G.B. § 2242 noch eine Formulierung unter Zugrundelegung in erster Linie deS Gesetzes des Ortes des Vertragsschlusses versucht hatte — auf solche Formulierung ver­ zichtet. § 21. Einzelne Rechtsfragen des allgemeinen Teiles des Vertragsrechts. Die Klagbarkeit der Obligation ist, da sie nichts anderes als die Frage der mehr oder weniger vollkommenen Wirksamkeit der Obligation bedeutet, nicht etwa nach der lex fori,

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sondern nach demjenigen Rechte zu beurteilen, welches überhaupt in Ansehung der Obligation entscheidet. Die Änderung der obligatorischen Verhältnisse durch dolus, culpa, Verzug, Untergang des ursprünglicheu Objekts der Obligation ist nach denjenigen Gesetzen zu beurteilen, welche überhaupt entscheiden über den Inhalt der fraglichen Obligation; denn jene Änderung ist gleichsam nur die Kehrseite der ursprünglichen Ver­

pflichtung, oder sie stellt (wie z. B. die mora des Gläubigers) eine Begrenzung dieser letzteren für bestimmte Fälle dar. Auf den Ort, wo die fraglichen Unterlassungen, Handlungen, zufälligen Ereignisse eintreten, kann es daher nicht ankommen. Nur für 1>ic Höhe des Interesses müßte z. B. das am Orte der Erfüllung Übliche, der dort übliche Marktpreis, insbesondere maßgebend sein. Für die Interpretation eines Vertrags lassen zwar nur Anhaltspunkte, nicht durchgreifende Regeln sich aufstellen. Wichtig ist aber die Sprache, deren die Kontra­ henten sich bedienen, wichtig auch zuweilen der Umstand, ob beide Kontrahenten der­ selben Nationalität angehören, und ob dies ihnen gegenseitig bekannt ist, wichtig ferner -er Umstand, ob das Geschäft auf einer Messe, einem Markte, einer Börse geschloffen ist und zu den dort üblichen Geschäften gehört, und wenn jemand als ein einzelner aus dem Publikum mit einem Unternehmen kontrahiert, das Geschäfte der fraglichen Art massenweise nach feststehenden und allgemein kundgemachten Regeln abschließt, so hat er sich ohne weiteres auch dem Rechte unterworfen, welches am Sitze jenes Unternehmens gilt, so der Passagier, der Verfrachter, der eine Eisenbahn benutzt. Für die Zession oder Übertragung einer Obligation ist zunächst maßgebend das Gesetz, welches überhaupt für die Obligation normiert, also regelmäßig das heimatliche Gesetz des Schuldners; die Frage ist ja, ob der Schuldner noch dem ersten Gläubiger oder bereits dem Succeffor verpflichtet ist. Aber die Zession oder Übertragung kann auch als selbständiges Rechtsgeschäft betrachtet werden. Der Schuldner wird daher auch kiberiert, wenn das letztere gültig ist (etwa nach dem Rechte des Ortes der Zession), und er hat, wenn der erste Gläubiger gleichwohl noch fordert, diesem gegenüber die exceptio -doli. Die Frage, ob eine vom Gesetze gemißbilligte Zession vorliegt, welche den Schuldner teilweise befreit (lex Anastasiana), ist meistens nach der lex domicilii des Schuldners Lu beurteilen; solche Gesetze bezwecken gerade den Schutz der Schuldner; genau richtig wird man sagen: auch darüber entscheidet kein anderes Gesetz als das im allgemeinen be­ züglich der Obligation maßgebende. Für die Ratihabition eines Vertrags kommt das Gesetz des Ortes der Be­ stätigung in Betracht, wenn die Ratihabition Bedingung der Gültigkeit ist; dient sie nur zum Beweise, so ist der Ort des ursprünglichen Vertragsschluffes maßgebend. Besonders streitig und zweifelhaft ist die Beurteilung der Anspruchs Verjährung. Während die englisch-nordamerikanische Jurisprudenz diese Verjährung als prozessuales Institut betrachtet und demnach die lex fori anwendet, will die jetzt im Deutschen Reiche vorherrschende, insbesondere von der Praxis des Reichsgerichts angenommene Ansicht die Verjährung nach dem im übrigen für die Obligation selbst maßgebenden Gesetze beurteilen. Da aber die Verjährungsgesetze unzweifelhaft den Schutz des Schuldners bezwecken, ist doch eine gewisse Berücksichtigung der lex domicilii angezeigt, und ist wohl folgende ver­ mittelnde Ansicht richtig: die Obligation ist überall als verjährt zu betrachten, wenn sie verjährt ist nach dem Gesetze, welches für die Obligation an sich maßgebend ist; außerdem tifccr kann sich der Schuldner auf sein (ihm etwa günstigeres) Domizilgesetz berufen, falls die Klage in foro domicilii angebracht wird. Die Gesetze eines dritten zufälligen Klageortes kommen nicht in Betracht; bei einer Änderung des Domizils würde der Schuldner sich berufen können auf das Gesetz des früheren oder dasjenige des späteren Domizils, je nachdem dies ihm vorteilhafter erscheint; aber die Verjährung in Gemäß­ heit der Gesetze des späteren Domizils würde erst vom Zeitpunkte des Erwerbes dieses Domizils an beginnen. Die Ansicht, welche sogar einen willkürlich gewählten Er­ füllungsort für die Verjährung maßgebend erklärt, führt auch hier zu widersinnigen Konsequenzen.

9. v. Bar, Internationales Privatrecht.

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§ 22. Einzelne, insbesondere handelsrechtliche Vertragsverhältniffe. 1. Bei Papieren auf den Inhaber ist zu unterscheiden die Obligation und das dingliche Recht an dem Papiere. Die erstere ist von der lex domicilii des Schuldners abhängig, also auch die Frage der Liberierung des Schuldners, die Mortifikation; für die Bindikation dagegen muß das Gesetz des Ortes des Besitzverlustes, beziehungsweise des neuen Rechtserwerbes am Papiere entscheiden. 2. Die Frage, ob eine Sache H a n d e l s s a ch e sei im Sinne des materiellen Rechts, muß nach demjenigen Rechte beurteilt werden, welches überhaupt in Ansehung der Obligation entscheidet; dagegen ist die Frage, ob ein Prozeß als Handelssache im prozessualen Sinne zu gelten habe, also vor besondere Handelsgerichte (nach dem deutschen Gerichtsverfaffungsgesetze vor die Handelskammern der Landgerichte) gehöre, nach der lex fori entschieden werden. Die Frage, ob jemand Kaufmann im Sinne des Gesetzes sei, ist in einem Prozesse immer nur eine Vorfrage für die Beurteilung der Frage, ob ein Handelsgeschäft vorliege; daher muß das vorhin Bemerkte auch hier entscheiden; nur insofern die Frage, ob jemand Kaufmann sei, abhängt von der Geschäftsfähigkeit, muß das Personalstatut entscheiden. 3. Die Frage, inwieweit jemand haftet als Gesellschafter, Prinzipal, Reeder für Handlungen eines Gesellschafters, eines Prokuristen, Schiffsführers im Auslande, muß abhängen von dem Gesetze des Wohnorts beziehungsweise der Handelsniederlassung der Gesellschaft. Genau betrachtet handelt es sich hier überall um die Frage der Existenz und des Umfangs einer Vollmacht; daß aus Grund und in Veranlassung der Vollmacht im Auslande gehandelt wird, ändert die Bedeutung dieser Vollmacht nicht. Jener Satz wird namentlich auch Anwendung finden müssen auf die Wirkungen der Eintragung oder Nichteintragung von Erklärungen im Handelsregister in Gemäßheit des deutschen Handels­ gesetzbuchs. 4. Für das Eisen bahn fr acht recht hat ein internationaler Vertrag (Berner Konvention, 1890), jedoch nur für den internationalen Verkehr, unter einer Anzahl von Staaten des europäischen Kontinents, zu denen auch das Deutsche Reich gehört, ein international gleiches Frachtrecht geschloffen. 5. Für das Wechselrecht werden folgende Grundsätze als richtig zu be­ zeichnen sein: a. Die Natur des Wechselverkehrs erfordert ein möglichst weitgehendes Vertrauen auf den geschriebenen Wortlaut, auf die litera scripta der Wechselerklärung. Daher sprechen sich die englisch-nordamerikanischen Juristen auch, abgesehen von der für den Wechselverkehr besonders wichtigen Regel „locus regit actum“ (vgl. deutsche Wechselordn. Art. 85), für die Beurteilung aller Erfordernisse der Gültigkeit der Wechselerklärung nach der lex loci actus aus, d. h. praktisch genommen wohl für die Anwendung des Rechts des Orts, von welchem die Wechselerklärung datiert ist. Die französische und italienische Jurisprudenz beurteilt die Wechselfähigkeit allgemein nach dem Personal­ statut des Verpflichteten, die deutsche Jurisprudenz nur die Verpflichtungen von Deutschen; sie bezieht den Artikel 84 der deutschen Wechselordnung (vgl. oben § 17) seinem Wort­ laute gemäß nur auf Verpflichtungen der Ausländer (Nichtdeutschen) im Jnlande (Deutschland), nicht auf den Fall der Verpflichtungen der Inländer im Auslande. Dagegen hat der internationale Handelsrechtskongreß zu Antwerpen 1885 den Grundsatz der englisch-nordamerikanischen Jurisprudenz angenommen. b. Die einzelne Wechselerklärung steht, was ihre Gültigkeit, ihren Inhalt (z. B. in Ansehung der Retourrechnung), ihre Fortdauer und anderseits ihr Erlöschen betrifft, abgesehen von dem unter c und d Hervorzuhebenden lediglich unter ihrem eigenen Rechte und ist bei gezogenen Wechseln keineswegs abhängig von dem am Wohnorte des Be­ zogenen geltenden Rechte (vgl. in dieser Beziehung namentlich Allgemeine Deutsche Wechselordnung Artikel 85 Absatz 2). Die Notwendigkeit einer Protesterhebung ist also als Voraussetzung der einzelnen Wechselverpflichtung immer nach deren besonderem Rechte zu beurteilen. c. Für die Wechselsumme ist die am Zahlungsorte geltende Münzsorte maß-

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gebend; ebenso ist die Protestfrist, die Frage, ob Respekttage bestehen, die Form der Protesterhebung von dem Rechte des Zahlungsortes abhängig. d. Die Modifikation abhanden gekommener Wechsel sollte nach dem am Wohn­ orte des Traffaten beziehungsweise bei eigenen Wechseln nach dem am Wohnorte (der Handelsniederlassung) des Ausstellers geltenden Rechte beurteilt werden. Regelmäßig wird dieser Ort auch der Erfüllungsort sein. e. Die Zulässigkeit eines besonderen Wechselprozeffes hängt zunächst von der lex fori ab; sogenannter Wechselarrest aber wird der richtigen Ansicht nach auch nur stattfinden dürfen, wenn ihn das Gesetz, unter welchem die einzelne Verpflichtung steht, gegen den Verpflichteten gestattet. § 28. Verpflichtungen unmittelbar durch Gesetz, insbesondere aus un­ erlaubten Handlungen. Diese Verpflichtungen sind entweder rechtliche Konsequenzen anderer Rechtsverhältnisse (z. B. des Grundeigentums), und dann nach dem für diese maß­ gebenden Rechte zu beurteilen, oder sie sind rechtliche Konsequenzen der allgemeinen Handlungsfreiheit, Bewegungsfreiheit, insbesondere auch rechtliche Konsequenzen der Über­

schreitung der Grenzen dieser Freiheit, in welchem letzteren Falle die Handlung als unerlaubte erscheint. Die allgemeine Bewegungs- und Handlungsfreiheit aber kann für alle in einem Territorium befindlichen Personen nur einheitlich bestimmt werden, und daß dies allein billig ist, muß auch vom ausländischen Gesetzgeber, der etwa in Ansehung der Schadens­ ersatzpflicht für sein Territorium abweichende Grundsätze aufstellt, anerkannt werden, um so mehr, da jeder Kulturstaat heutzutage Fremden den Eintritt in sein Territorium ge­ stattet. Daraus folgt die Beurteilung der rechtlichen Konsequenzen nach der lex loci actus (genau nach dem Gesetz des Aufenthaltsortes des angeblich verpflichtenden Er­ eignisses). Die Ansicht Wächters und Savignys, welche hier, weil es sich um zwingende Gesetze handle, lediglich die lex fori anwenden wollen, ist unhaltbar, hat aber eine Zeitlang die deutsche Praxis stark beeinflußt, welche erst neuerdings wieder zu der früher herrschenden Ansicht der Beurteilung nach der lex loci actus zurückgekehrt ist (so insbes. das Reichsgericht). Nur soweit es sich um Privat st rafe, nicht aber um Schadens­ ersatz handelt, würde die lex fori dahin in Betracht zu ziehen sein, daß der Richter au einer Strafe nur insoweit verurteilen darf, als seine Gesetze dies für gerecht erklären: hier ist die Analogie des öffentlichen Strafrechts maßgebend. Die englisch-nordamerikanische Praxis nimmt eine Verpflichtung ex delicto nur soweit an, als dieselbe sowohl von der lex fori wie von der lex loci actus anerkannt wird. Das E.G. z. B.G.B. Art. 12 bestimmt: „Aus einer im Auslande begangenen unerlaubten Handlung können gegen einen Deutschen nicht weitergehende Ansprüche geltend gemacht werden, als nach den deutschen Gesetzen begründet ist." Unzweifelhaft ist hiernach anzunehmen, daß Ansprüche aus im Deutschen Reiche begangenen Handlungen nach deutschem Rechte beurteilt werden und nach deutschem Rechte verpflichten. Die be­ schränkende Vorschrift aber kann nur zu Gunsten eines Deutschen geltend gemacht werden: der Wortlaut des Gesetzes spricht entschieden gegen die Annahme des erwähnten all­ gemeineren Prinzips der englisch-amerikanischen Jurisprudenz. Die Fähigkeit, sich durch unerlaubte Handlungen zu verpflichten, wird allgemein nicht nach dem heimatlichen Gesetze der Person beurteilt, vielmehr nach demselben Gesetze, nach dem die fragliche Handlung überhaupt zu beurteilen ist.

VI. Sogenannte Immaterielle Aechte. § 24. Diese (Urheberrecht, Patentrecht, Recht der Handelsmarke, Recht des aus­ schließlichen Gebrauchs einer Firma, eines Namens) sind dem Publikum gegenüber Berbietungsrechte (Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit), ihrer Zuständigkeit nach dagegen reine Privatrechte. Danach bestimmt sich die internationale Behandlung. Ob also eine Verletzung des Rechtes stattgefunden hat, ist nach dem Gesetze des Orts

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der Handlung zu beurteilen, also auch der Umfang des Urheberrechts, die Schutzfrist, die Frage, ob das Objekt überhaupt ein zu schützendes ist. Dagegen ist die Über­ tragung des Rechtes nach denjenigen Grundsätzen zu beurteilen, welche sonst für Über­

tragung solcher Rechte gelten, die nicht unmittelbar Rechte an körperlichen Sachen sind. Die Gesetzgebung und das durch Staatsverträge geschaffene, hier besonders in Betracht zu ziehende Recht weichen jedoch in einigen Beziehungen ab von jenen aus der Natur des Verbietungsrechts gezogenen Konsequenzen. (Besonders wichtig die Berner Konvention von 1886 über das sog. literarische und artistische Eigentum.)

VII. Aamikienrecht. § 25. Einleitung. Wenn in irgend einer Materie das persönliche (heimatliche) Recht der Parteien maßgebend sein soll, so wird dies für das Familienrecht behauptet werden müssen. Es handelt sich hier um ihrer Natur nach dauernde Verhältnisse von Person zu Person, welche zu regeln der heimatliche Staat alles, der fremde Staat, in welchem etwa die Parteien sich vorübergehend aufhalten, im allgemeinen kein Jntereffe hat. Das Grundprinzip der Behandlung nach dem heimatlichen Rechte der Parteien steht auch fest. Nur über Anwendungen im einzelnen herrscht Meinungsverschiedenheit, und allerdings ist es in manchen Beziehungen nicht so einfach zu beurteilen, ob und inwieweit das heimatliche Gesetz etwa der Regel „locus regit actum“ oder den am Orte des urteilenden Gerichts geltenden Gesetzen oder der lex rei sitae im einzelnen nach­ zugeben habe, da in das Familienrecht auch Rechtsgeschäfte eingreifen, die Gesetze aber, welche das Familienrecht betreffen, zum großen Teile dem Privatwillen nicht nachgeben. § 26. Eherecht. Aus dem angegebenen Prinzipe folgt, daß die Fähigkeit zur Eingehung einer Ehe nach dem heimatlichen Gesetze der Eheleute zu beurteilen ist, und zwar muß, wenn Mann und Frau vor der Ehe verschiedenen Staaten angehören, nach der meist angenommenen Ansicht die Fähigkeit nach den Gesetzen eines jeden der Ver­ lobten vorhanden sein (vgl. auch E.G. z. B.G.B. Art. 13, Abs. 1), auch insofern es sich um lediglich im öffentlichen Interesse bestehende Ehehindernisse (z. B. um zu nahe Verwandtschaft) handelt. Etwaige Dispensationen von Ehehindernisien, sofern durch Be­ seitigung der letzteren die Gültigkeit der Ehe bedingt wird, sind daher auch bei den Behörden des Landes einzuholen, welchem die in die Ehe eintretende Person angehört. Für die Form der Eheschließung gilt, wie bemerkt, die Regel „locus regit actum“ (nach der Gesetzgebung mancher Staaten hier mit zwingender Bedeutung) für den Staat, in welchem die Ehe geschloffen wird (so E.G. z. B.G.B. Art. 13, Abs. 3). Die Regel locus regit actum ist der richtigen Ansicht nach — abgesehen von entgegenstehender positiver Vorschrift — auch dann nicht ausgeschloffen, wenn in dem Heimatstaate der Eheleute ausschließlich kirchliche, an dem Orte der Eheschließung aber nur bürgerliche Trauung mit rechtlicher Wirkung stattfindet. Die nordamerikanische Jurisprudenz be­ urteilt bis jetzt noch auch die persönliche Fähigkeit zur Eheschließung nach dem Gesetz des Orts der Eheschließung. Die englische Jurisprudenz wendet in manchen Beziehungen bereits, was die Fähigkeit der Ehe betrifft, das Gesetz des Domizils an. Jeder Staat kann ihn vertretenden Gesandten und Konsuln die Befugnis erteilen, als Zivilstandesbeamter im Auslande zu fungieren für Ehen, die von seinen Staats­ angehörigen geschloffen werden, aber mit allgemein anzuerkennender Gültigkeit der Ehe nur, wenn beide Eheleute seine Angehörigen sind. (Vgl. R.G. v. 4. Mai 1870 über die Eheschließung der Reichsangehörigen im Auslande; vgl. indes oben § 14.) § 27. Eheliches Güterrecht. Daß die Vermögensverhältniffe der Ehegatten, besonders die Rechte des Mannes am Vermögen der Frau, von den Gesetzen der Staats­ angehörigkeit des Mannes (beziehungsweise des Domizils des Mannes) abhängen, und zwar ohne Rücksicht auf die Lage selbst von Immobilien, welche zu den betreffenden

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Vermögensmaffen gehören, ohne Rücksicht auch auf den Ort der Eheschließung, ist in Deutschland und Italien jetzt die unbedingt herrschende, in Frankreich neuerdings mehr und mehr angenommene Ansicht, welche auch im E.G. z. B.G.B. Art. 15 Abs. 1, für Ehen deutscher Staatsangehöriger (bei denen der Ehemann Deutscher ist) ausdrücklich anerkannt ist. Weniger klar und bestimmt ist die englisch-nordamerikanische Jurisprudenz. Sie neigt sich indes immer mehr zu der Anerkennung des richtigen Prinzips, daß nicht der zufällige Ort der Eheschließung, sondern das Domizil der Ehegatten (d. h. also das des Ehemannes) entscheidet, und hält nur noch fest an der z. B. auch von der älteren französischen Jurisprudenz behaupteten Beurteilung der Rechte an Immobilien nach der lex rei sitae. Die Richtigkeit dieser letzteren Ansicht ist in der Tat ebensowenig für den Standpunkt der französischen Coutumes wie für denjenigen des englischen Rechts be­ streitbar. Beide Rechtssysteme sind noch nicht vollkommen zu der Auffaffung des Ver­ mögens als eines idealen, einheitlichen Ganzen gelangt. Es ist so, als bestände das Vermögen aus Lehngut und Allod; für ersteres wird man auch in Deutschland die lex rei sitae für maßgebend erachten. Gehören die Ehegatten persönlich einem Staate an, in welchem das Vermögen (auch im Erbrechte) als ideale Einheit betrachtet wird (so ist es nach dem B.G.B. und bereits nach dem früheren gemeinen Rechte, überhaupt nach den Gesetzgebungen des europäischen Kontinents), so muß doch selbst von der heimatlichen Gesetzgebung der Ehegatten die Wirksamkeit der lex rei sitae in Ansehung des aus­ wärtigen Vermögens anerkannt werden, wenn dieses letztere Gesetz diesen Besitz nach der Weise des englisch-nordamerikanischen Rechts als Sondervermögen behandelt. Dies gilt auch nach ausdrücklicher Bestimmung des E.G. z. B.G.B. Art. 28 für derartiges aus­ wärtiges Vermögen deutscher Ehegatten. Außerdem könnte zur Wirksamkeit des ehe­ lichen Güterrechts gegenüber Dritten in Gemäßheit der lex rei sitae Eintragung in ein öffentliches Buch (Grundbuch) erforderlich sein. Bei einem Wechsel der Staatsangehörigkeit der Ehegatten besteht (sofern nicht das Gesetz des Staates, dem die Ehegatten nun angehören, ein anderes vorschreibt) das einmal begündete eheliche Gütterrecht fort, da es doch schwerlich die Absicht des Gesetzes sein kann, einmal rechtsgültig begründete eheliche Güterverhältnisse zwecklos um­ zustoßen , falls überhaupt vertragsmäßige Abweichungen von dem nach dem Gesetze regel­

mäßig eintretenden Güterrechte gestattet werden (Unwandelbarkeit des ehelichen Güterrechts). Diese bereits früher von der Praxis des R.G. angenommene Ansicht ist im E.G. z. B.G.B., Art. 15 für den Fall, daß zur Zeit der Eingehung der Ehe der Ehemann Deutscher war, sowie für solche Eheleute, die erst später die deutsche Staats­ angehörigkeit erwerben, gesetzlich bestätigt; nur erhalten bisher ausländische Ehegatten durch den Erwerb der deutschen Reichsangehörigkeit die Befugnis, ihr eheliches Güterrecht vertragsmäßig zu ändern, sollte ihnen auch nach dem ausländischen Gesetze diese Befugnis entzogen gewesen sein. Dritten gegenüber erlangen aber nur nach einem auswärtigen Gesetze geltende Beschränkungen der Verwaltungs- und Nutzungsbefugniffe des Ehemanns erst durch Eintragung in das Güterrechtsregister des zuständigen deutschen Gerichts Wirksamkeit, und gewiffe, nach dem B.G.B. bestehende Verwaltungsbefugniffe der Ehefrau gelten, soweit sie Dritten günstiger sind als das ausländische Gesetz, unbedingt (Art. 16). Diese Rechtssätze gelten auch für ausländische Eheleute, die ihren Wohnsitz im Deutschen Reiche haben. Über den Fall, daß ein deutsches Gericht über das eheliche Güterrecht von Personen zu entscheiden hätte, die von einem auswärtigen Staate in einen anderen auswärtigen Staatsverband übergetreten sind, sagt das E.G. z. B.G.B. nichts.

§ 28. Persönliche Rechtsverhältnisse der Ehegatten. Unzweifelhaft muß hier das Personalstatut der Ehegatten entscheiden; indes können dergleichen Rechte des einen Ehegatten gegen den anderen sowohl an dem Gesetze des Aufenthaltsortes wie an der lex fori eine Schranke finden. Zwang kann nicht weiter angewendet werden, als diese letzteren Gesetze gestatten. Nicht nach allgemeinen Regeln sind die selteneren Fälle zu be­ urteilen, in denen die Ehegatten nicht demselben Staate angehören. Art. 15 des E.G.

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z. B.G.B. bestimmt, daß persönliche Rechtsbeziehungen deutscher Ehegatten zu einander nach den deutschen Gesetzen beurteilt werden sollen, auch wenn die Ehegatten im Auslande wohnen; die Ehefrau, die Deutsche geblieben ist, während der Mann die deutsche ReichSangehörigkeit verloren hat, soll, was die persönlichen Beziehungen betrifft, ihr deutsches Recht behalten. Über die persönlichen Beziehungen ausländischer Ehegatten enthält das E.G. eine ausdrückliche Bestimmung nicht. Zu den persönlichen Rechtsbeziehungen ist auch die Alimentationspflicht zu rechnen. Bei Verschiedenheit des persönlichen Rechts der Ehegatten wird sie nur soweit anzuerkennn sein, als dies nach dem einen wie nach dem anderen Gesetze der Fall ist.

§ 29. Ehescheidung. Aus dem oben § 23 angegebenen Prinzipe folgt hier un­ mittelbar die Anwendung lediglich das Personalstatuts der Ehegatten. Andererseits aber kann, da bei der Ehescheidung es sich um unmittelbare Verwirklichung auch sittlicher Grund­ sätze handelt, der Richter auf die Ehescheidung auch nur sein eigenes Gesetz oder ein für den fraglichen Fall mit der lex fori übereinstimmendes Gesetz anwenden. Der Wider­ streit löst sich dadurch, daß man für die Ehescheidung eine exklusive Zuständigkeit des heimatlichen Gerichts der Ehegatten annimmt und ausnahmsweise eine Ehescheidung durch die Gerichte eines anderen Staates nur dann für zulässig erklärt, wenn für den frag­ lichen Fall auch das heimatliche Gesetz der Ehegatten die Scheidung gestattet. So ins­ besondere das E.G. z. B.G.B., Art. 17, Abs. 1 und 4. § 30. Verhältnis von Eltern und Kindern. In Betreff des Verhältniffes zwischen Eltern und Kindern muß das Personalstatut der Eltern also regelmäßig des Vaters entscheiden, so insbesondere über die Alimentationspflicht. Die Frage der ehelichen Geburt muß abhängen von dem heimatlichen Gesetze des angeblichen Vaters: es fragt sich eben, ob das Kind der Familie dieser Person angehöre. Auch die besonders wichtigen Präsumtionen für oder gegen die Annahme der ehelichen Erzeugung sind nach demselben Rechte zu beurteilen (vgl. unten das Prozeßrecht). Dasselbe muß auch für die nachfolgende Legitimation eines unehelichen Kindes gelten; wenn jedoch das Kind einem anderen Staate angehört als demjenigen, welchem der Vater angehört, so wird es notwendig sein, daß die Legitimation auch in Übereinstimmung mit den Gesetzen jenes

ersteren Staates erfolge. Das Verhältnis eines unehelichen Kindes zur Mutter ist nach dem Personalstatut der Mutter zu beurteilen. Diesen Sätzen sind die Bestimmungen des E.G. z. B.G.B. Art. 18—22 im wesentlichen konform; doch spricht das Gesetz auch hier nur von den Fällen, in denen der Vater, beziehungsweise die Mutter die deutsche Reichsangehörigkeit besitzt, und es soll das Rechtsverhältnis eines dem Deutschen Reiche angehörenden Kindes zu den Ettern immer nach den deutschen Gesetzen beurteilt werden, wenn die Ettern früher Deutsche waren. Diese letzere, selbstverständlich für den deutschen Richter maßgebende Bestimmung wird aber bei einem Widerstreit der Gesetzgebung, der nach dem Austritt aus dem deutschen Reichsverbande der Vater (bezw. die Mutter) unterworfen ist, sich schwerlich realisieren lassen, insbesondere soweit Rechte des Vaters am Vermögen des Kindes in Betracht kommen; die Rechte des Vaters am Vermögen der seiner Gewalt unterworfenen Kinder müssen der richtigen Ansicht zufolge nach deren heimatlichen Gesetze beurteilt werden, und zwar nach dem Gesetze derjenigen Staatsangehörigkeit, welche zur Zeit der fraglichen Erwerbung bestand. Eine Unveränderlichkeit, wie solche für das eheliche Güterrecht zu behaupten ist, kann hier der richtigen Ansicht nach nicht Platz greifen, wenngleich die an einzelnen Vermögensbestandteilen bereits begründeten Rechte fortbestehen müssen. In England und Nordamerika will man auch jetzt noch die Wirkungen der in Gemäßheit der lex domicilii begründeten Familienverhältniffe in Bezug auf Grundbesitz nicht anerkennen; man will vielmehr, wie die Rechte des Mannes am Vermögen der Frau, so auch die Rechte des Vaters am (unbeweglichen) Vermögen der Kinder nur nach der lex rei sitae beurteilen und leugnet auch die Wirkungen der im Auslande (nach der lex domicilii) erfolgten Legitimation für Successionen in englisches bezw. nordamerikanisches Encyklopädie der Rechtswissenschaft.

6., der Reubearb. 1. Aufl.

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II. Zivilrecht.

Grundeigentum. Ohne Zweifel haben wir es in letzterer Beziehung mit einer Nach­ wirkung des alten englischen Rechtssatzes zu tun, welcher den unehelich Geborenen die volle Rechtsfähigkeit versagte. Vom Standpunke des modernen Rechts aus ist jene englisch­ nordamerikanische Ansicht schwerlich konsequent. Übrigens erkennt auch E.G. z. B.G.B. Art. 28 die Herrschaft der lex rei sitae an, soweit diese das ihr unterworfene Vermögen des Kindes als Sondervermögen behandelt, wie dies nach englischem Rechte der Fall ist. Die Unterhaltsansprüche eines unehelichen Kindes gegen den angeblichen Erzeuger wurden nach einer früher vielfach angenommenen, jedoch unhaltbaren Ansicht auf eine obligatio ex delicto zurückgeführt und demgemäß entweder nach dem Gesetze des Ortes, wo der geschlechtliche Umgang stattgefunden hatte, oder nach der lex fori beurteilt. Ebensowenig richtig ist die Ansicht, welche das Personalstatut des (angeblich) Verpflichteten entscheiden lasten will; denn eine zivilrechtlich anzuerkennende Verwandtschaft besteht hier gerade nicht. Dagegen ist, weil es sich um ein das Kind schützendes Gesetz handelt, in erster Linie besten Personalstatut, d. h. das Personalstatut 'der Mutter (nach dem deutschen Gesetz zur Zeit der Geburt des Kindes), in Betracht zu ziehen. (So auch E.G. z. B.G.B. Art. 21.) Die hiernach sich ergebenden Ansprüche aber können nicht mehr gewähren, als die Gesetze des Orts des geschlechtlichen Umgangs gewähren, und möglicherweise kann auch ein Gesetz, wie der Art. 340 des französischen Gesetzbuchs, der Geltendmachung des Anspruchs am Orte der Klage entgegenstehen. Das E.G. z. B.G.B. Art. 21 sagt: „Es können nicht weitergehende Ansprüche geltend gemacht werden, als nach den deutschen Gesetzen begründet sind." Auf die Gesetze des Landes, wo der geschlechtliche Umgang stattfand, kommt es also nach dem E.G. nicht an.

§ 31. Vormundschaften und Pflegschaften (Kuratelen). Die Be­ urteilung der Vormundschaft und Kuratel nach dem heimatlichen Gesetze der bevor­ mundeten Person unterliegt im allgemeinen keinem Zweifel. Es handelt sich um eine Einrichtung spezieller Fürsorge für eine Person und für ein Vermögen mit Rücksicht auf diese Person. Daraus ergibt sich, daß ein in dem Heimatsstaate bestellter Vormund mit Gültigkeit, ohne besonderer Autorisation zu bedürfen, in Gemäßheit der Gesetze seines Staats im Auslande Rechtshandlungen vornehmen kann, und daran darf der Umstand, daß nach dem Rechte der meisten Länder der Vormund heutzutage seine Befugniffe auf ein Dekret der Staatsbehörde (der Obervormundschaft) zurückführt, nicht irre machen: es kann keinen Unterschied begründen, ob der Vormund unmittelbar kraft Gesetzes eintritt oder mittelbar, indem er von einer Behörde auf Grund eines Gesetzes ernannt wird. Es wird aber, auch wenn prinzipiell über das sogenannte persönliche Recht die Staats­ angehörigkeit entscheiden soll, die Befugnis des Staates, für im Lande befindliche, ins­ besondere für domizilierte Ausländer eine Vormundschaft zu bestellen, nicht zu bestreiten sein, wenigstens solange der Heimatsstaat in dieser Beziehung nicht fürsorgend ein­ getreten ist (E.G. z. B.G.B. Art. 23). Das deutsche Reichsgesetz über die Angelegen­ heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 36 Abs. 2 geht auch von der Annahme aus, daß für einen im Auslande domizilierten oder sich aufhaltenden Deutschen die Vormundschaft bei dem deutschen Gerichte des letzten inländischen Wohnsitzes zu bestellen ist; indes kann nach jenem Gesetze § 47 die Anordnung einer deutschen Vormundschaft unter­ bleiben, wenn im Auslande die erforderliche Vormundschaft angeordnet ist, und es kann auch in jenen Fällen die bereits im Deutschen Reiche angeordnete Vormundschaft an den Staat des Wohn- oder Aufenthaltsortes abgegeben werden; denn allerdings kann, z. B. wenn der Wohn- oder Aufenthaltsort des Mündels sehr entfernt ist und das Vermögen sich im Auslande befindet, die letztgenannte Maßregel ebenso wie die Abstandnahme von der Einrichtung einer Vormundschaft im Deutschen Reiche dem Jntereste des Mündels entsprechen. Einen Unterschied zwischen der Verwaltung des beweglichen und der Ver­ waltung des unbeweglichen Vermögens macht das deutsche Gesetz richtigerweise nicht. In England und den Vereinigten Staaten von Nordamerika wird dagegen für das in diesen Ländern belegene unbewegliche Vermögen eine auswärts errichtete Vor-

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mundschaft nicht anerkannt, und nach dem österreichischen G.B. § 225 wird für in Öster­ reich befindliche.Immobilien ein besonderer Kurator bestellt, deffen Befugniffe jedoch von dem heimatlichen Rechte des Pflegebefohlenen abhängen. Aus dem richtigen Prinzipe aber, welches die Einheitlichkeit der Vormundschaft in Gemäßheit des Personalstatuts der be­ vormundeten Person anerkennt, folgt auch, daß eine etwa erforderliche besondere Autorisation zur Veräußerung oder Verpfändung unbeweglicher Güter des Mündels von dem Personal­ statut des letzteren abhängt und daher von der durch dieses Gesetz für zuständig erklärten Behörde zu erteilen ist. In vielen Konsularverträgen ist übrigens den Konsuln die Ausübung gewiffer obervormundschaftlicher Befugniffe in Ansehung derjenigen zu bevormundenden Personen beigelegt, die dem Staate angehören, den der Konsul in dem auswärtigen Territorium vertritt. Die Verpflichtung zur Übernahme einer Vormundschaft oder Pflegschaft ist eine

allgemein staatsbürgerliche Last ; sie gehört dem ius publicum an, und der Staat kann sie ihrer Natur nach nur von denjenigen fordern, die seinem Verbände dauernd angehören, sie aber möglicherweise, aber freilich auch nur in ganz gleichem Umfange wie zu Gunsten inländischer Mündel, fordern zu Gunsten von Mündeln, die dem Auslande an­ gehören, und unter den gleichen Voraussetzungen, welche für inländische Vormundschaften gelten. Daraus ergibt sich, daß hier das heimatliche Gesetz der angeblich verpflichteten Person entscheidet, und daß, da genau betrachtet, schon der möglichen Veränderungen der Gesetzgebung wegen die Verpflichtung gegenüber einem ausländischen vormundschaftlichen Gerichte nie ganz gleich ist der Verpflichtung, welche eine inländische Vormundschaft auferlegt, eine ausländische Vormundschaft, streng genommen, stets abgelehnt werden kann. Ist die Vormundschaft aber einmal übernommen, so muß über den Umfang der daraus resultierenden Verpflichtungen stets das am Sitze des obervormundschaftlichen Gerichts (erster Instanz) geltende Recht entscheiden. Zur Übernahme einer Vormundschaft sind der richtigen Ansicht nach, welche freilich in Frankreich zufolge der Unterscheidung der droits civils und naturels bestritten wird, auch Ausländer befähigt.

VIII. Krörecht. §32. Allgemeine Grundsätze. Universal- und Singularsuccession Jntestat-Erbfolge. Die Auffaffung des durch Erbfolge entstehenden Verhältniffes als einer Universalsuccession macht es erforderlich, ein Gesetz aufzusuchen, nach welchem, ohne Rücksicht auf die möglicherweise sehr differente örtliche Lage der einzelnen Nachlaß­ bestandteile, die Fragen des Erbrechts einheitlich behandelt werden. Es ist nicht möglich, zu behaupten, daß A die vermögensrechtliche Person seines Erblassers repräsen­ tiere, wenn er zwar die in dem Staate X belegenen Nachlaßstücke, nicht aber die in dem Staate Y belegenen erbt, weil die lex rei sitae in dem ersteren, nicht aber in dem letzteren Staate ihn zur Erbfolge beruft. Wenn man daher vom Standpunkte der Universalsuccesfion aus die Regelung des Erbrechts nach der lex rei sitae der einzelnen Nachlaß­ gegenstände (die z. B. auch, was die Haftung für die Schulden betrifft, zu unlösbaren Schwierigkeiten führen muß) zu verwerfen hat, so bleibt kaum ein anderes übrig als die Anwendung des heimatlichen Gesetzes des Erblassers; denn die Anwendung des Rechtes desjenigen Ortes, an welchem der Erblasser starb — des einzigen Rechtes, welches neben dem heimatlichen Rechte des Erblassers eine einheitliche Behandlung des Nachlasses unter allen Umständen gewährleisten würde —, wäre deshalb absurd, weil sie das Erbrecht und damit das Schicksal der Familie in materieller Hinsicht von einem ganz zufälligen, möglicherweise selbst durch Willkür Dritter zu beeinflussenden Umstande abhängig machen würde. Dazu kommt aber noch die Erwägung, daß Erbrecht und Familienrecht in den mannigfachsten Beziehungen voneinander abhängig sind, das eine gewissermaßen eine Er­ gänzung des anderen ist. (Abzuweisen ist dagegen die Zurückführung der Jntestat3*

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erbfolge, welche gegenüber der testamentarischen Erbfolge als das Primäre erscheint, auf den präsumtiven Willen des Erblassers.) Die Idee der Universalsuccession ist vollständig durchgeführt im römischen Rechte. Dagegen ist dies nicht der Fall in dem älteren deutschen Rechte und vollständig selbst nicht in dem heutigen englisch-nordamerikanischen Rechte. Daraus erklärt sich einerseits der Gang der historischen Entwicklung und anderseits die Differenz der Ansichten in den verschiedenen Ländern. Die überwiegende Ansicht des Mittelalters war, daß daS Erbrecht ein sogenanntes Realstatut sei, allerdings mit der Modifikation, daß vermöge der bereits oben erwähnten Regel: „mobilia personam sequuntur* fingiert wurde, die Mobilien hätten sich sämtlich am letzten Wohnorte deS Testators befunden, — eine Modi­ fikation , welche sich einerseits auS dem praktischen Bedürfnis, andererseits aber daraus erklärt, daß der Mobiliarerbe im deutschen Rechte zuerst als Universalsucceffor, als für die Schulden deS Erblassers haftend angesehen wurde. Einzelne Italiener verteidigten indes schon die Ansicht von der Allgemeingültigkeit der lex domicilii, und in Deutschland wuchs seit dem 18. Jahrhundert die Zahl der Anhänger dieser letzteren Ansicht beständig, so daß sie im 19. Jahrhundert unbedingt als die herrschende, in der Praxis auch gültige bezeichnet werden mußte. In Frankreich dagegen, in dessen coutumes die Grundsätze des älteren deutschen Rechts sich auch im Erbrechte bis zur Revolution in weit größerem Umfange erhalten hatten, überwog noch zur Zeit der Redaktion des Code civil unbedingt die Ansicht von der Realität der erbrechtlichen Statuten, wenngleich z. B. schon der be­ rühmte Parlamentspräsident Bouhier für die lex domicilii sich ausgesprochen hatte. Daher wird auch nach der in der französischen Praxis heutzutage noch herrschenden Ansicht der zweite Satz des Art. 3 des Code civil: „Les immeubles, meme ceux possAd6s par des Strangers, sont rAgis par la loi franqaise,“ aus das Erbrecht mit­ bezogen und somit die lex rei sitae angewendet, während die angesehensten Theoretiker sich für das Personalstatut des Erblassers aussprechen, wie denn in der Tat im Code civil die Universalsuccession dem Erbrechte zu Grunde gelegt ist. (Ebenso unrichtig ist § 300 des österreichischen GB. und Hofdekret v. 22. Juli 1812, wonach für in Österreich belegene Immobilien eines Ausländers die lex rei sitae angewendet wird.) Dagegen hat Art. 8 der einleitenden Bestimmungen des italienischen Gesetzbuchs sich für die Anwendung des Staatsangehörigkeitsgesetzes erklärt und, wie nicht anders zu erwarten war, auch d. E.G. z. B.G.B. Art. 24, 25, dieses deutsche Gesetz jedoch mit einigen, unten zu er­ wähnenden Vorbehalten. Die englisch-nordamerikanische Jurisprudenz behauptet heutzutage noch überein­ stimmend die alleinige Anwendung der lex rei sitae für den unbeweglichen Nachlaß. Die dafür vorgebrachten Gründe find nicht überzeugend. Wenn auch zuzugeben ist, daß das unbewegliche Eigentum ein ganz hervorragendes öffentliches Interesse darbietet, so folgt daraus doch nicht, daß für das Schicksal desselben in einzelnen Fällen (und dies zwar lediglich für die Frage, wer der Berechtigte sein werde, nicht für die Frage der Natur der einzelnen Berechtigung) nicht indirekt ein fremdes Gesetz maßgebend sein könne; namentlich für eine Gesetzgebung, welche, wie die englische, eine schrankenlose Freiheit willkürlicher letztwilliger Dispositionen anerkennt, ist jener Grund völlig hinfällig. Der wahre Grund der Anwendung der lex rei sitae in England und Nordamerika ist denn auch einerseits die Tradition, welche diesen Satz als fast unangreifbares Axiom erscheinen läßt, anderseits der Umstand, daß die Idee der Universalsuccession in England und Nordamerika noch nicht völlig durchgedrungen ist. Eine Modifikation muß aber notgedrungen die Anwendung des Personalstatuts des Erblassers insofern erleiden, als die lex rei sitae die Universalsuccession nicht anerkennt; die Immobilien gelten insoweit als ein Sondervermögen, wie etwa ein Fideikommiß oder Lehngut. Dies erkennt E.G. Art. 28 wie für das eheliche Güterrecht so auch für das Erbrecht an. Das E.G. bestimmt ausdrücklich nur über die Erbfolge in den Nachlaß von Deutschen und von Ausländern, die im Deutschen Reiche ihren Wohnsitz haben, für den letzteren Fall unter Annahme der Rückverweisung. Der seltenere Fall, daß über den Nachlaß eines nicht im Deutschen Reiche wohnhaften Ausländers von deutschen Gerichten

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zu entscheiden ist, wird (mit Recht) der Regelung der nächstbeteiliglen Rechtsordnungen (Staat der Staatsangehörigkeit und Staat des Domizils) überlasten. Doch enthält Art. 25 für den Fall der Beerbung eines im Deutschen Reich wohnhaften Ausländers eine speziell deutsche Reichsangehörige begünstigende (völlig irreguläre und wenig rationelle), daher zu Gunsten von Ausländern nicht anwendbare Bestimmung: ..Ein Deutscher kann . . . erbrechtliche Ansprüche auch dann geltend machen, wenn sie nur nach den deutschen Gesetzen begründet find, es sei denn, daß nach dem Rechte des Staates, dem der Erb­ lasser angehörte, für die Beerbung eines Deutschen, welcher seinen Wohnsitz in diesem Staate hatte, die deutschen Gesetze ausschließlich zuständig sind." Man kann sich denken, welche Verwirrung im praktischen internationalen Privatrechte entstehen würde, wenn ähnliche unrichtige Anwendungen der Retorsionsmaxime von anderen Staaten wieder zur Retorsion gegen das jetzt erst im Deutschen Reiche geltend gewordene Prinzip der Staats­ angehörigkeit stattfinden würden. Roch verkehrter ist freilich eine Bestimmung eines französischen Gesetzes vom 14. Juli 1819, welche gleichfalls zu Gunsten von Franzosen einen Eingriff in die von einem ausländischen Gesetze abhängige Erbfolge enthält. Es versteht sich von selbst, daß für Staatsangehörigkeit und Wohnsitz stets der Zeitpunkt des Todes entscheidend ist. § 38. Letztwillige Verfügungen. Letztwillige Verfügungen müssen von demselben Gesetze abhängen, welches über die Jntestaterbfolge entscheidet; es handelt sich um die Einwirkung des individuellen Willens auf die letztere. Die englisch-nordameri­ kanische Jurisprudenz hat daher von ihrem Standpunkte vollkommen recht, wenn sie auch für die Fähigkeit, letztwillig zu disponieren, in Ansehung der Immobilien die lex rei sitae entscheiden läßt; der Ausdruck „Fähigkeit" darf — was freilich oft übersehen wird — nicht zu der Annahme verleiten, daß hier nur eine besondere Anwendung der allgemeinen Geschäftsfähigkeit in Frage stehe. (Fähigkeit für Geschäfte und Testierfähig­ keit sind ja auch in vielen Gesetzgebungen verschiedenen Normen unterworfen.) Daher erlangt zwar eine wegen mangelnder Testierfähigkeit des Erblassers ungültig vorgenom­ mene letzwillige Verfügung nicht dadurch Gültigkeit, daß der Erblasser später persönlich einem Gesetze unterworfen wird, nach welchem er zu dem früheren Zeitpunkte bereits testierfähig gewesen sein würde, wohl aber muß der Rechtskonsequenz nach die Testier­ fähigkeit vorhanden sein nach dem letzten Personalstatut des Erblassers. Wie indes ähnlich ein englisches Gesetz (24 and 25 Vict. c. 114) für Testamente von Engländern getan hat, so bestimmt auch das E.G. Art. 24 Abs. 8 aus Zweckmäßigkeitsgründen, daß die letztwillige Verfügung eines Ausländers, der später die deutsche ReichSangehörigkeit erwirbt, nicht lediglich wegen der nur nach dem deutschen Gesetze etwa mangelnden Testierfähigkeit ungültig werden, und daß selbst diese Testierfähigkeit ungeachtet des sonst entgegenstehenden Gesetzes fortdauern soll. Der richtigen Ansicht nach gilt der letztere Satz jedoch nur für den Fall, daß die in den deutschen ReichSverband übergetretene Person in der Tat eine letztwillige Verfügung errichtet hat (deren Abänderung ermög­ licht werden sollte), und auf letztwillige Verfügungen von Ausländern, die in einen an­ deren ausländischen Staatsverband übergetreten sind, kann weder der erste noch der zweite Satz dieses deutschen Gesetzes Anwendung finden. Für die Form letztwilliger Verfügungen gilt die Regel „locus regit actum“; doch wird man wegen des nur fakultativen Sinnes dieser Regel die Errichtung in den Formen des heimatlichen Gesetzes des Testators gleichfalls für gültig zu erachten haben; aber während ein in den Formen des heimatlichen Gesetzes im Auslande errichtetes Testa­ ment infolge einer Wohnortsveränderung ungültig werden kann, ist das bei einem in Gemäßheit der Regel „locus regit actum“ errichteten Testamente nicht der Fall, sofern nicht das Gesetz des letzten Domizils — was ja freilich möglich ist — die Geltung der im Auslande errichteten Testamente besonders ausschließt. Für unbewegliche Sachen ver­ langt die englisch-nordamerikanische Jurisprudenz wiederum die Beobachtung der nach der lex rei sitae vorgeschriebenen Form. Wie weit dagegen die Freiheit des Testators reicht in Ansehung der Möglichkeit,

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gewisse nahe Verwandte zu übergehen oder auszuschließen, wie weit mit anderen Worten eine Erbfolge selbst gegen den Willen des Testators (Noterbfolge, Pflichtteilsrecht) statt­ findet, muß ausschließlich von dem Gesetze abhängen, welches über die Jntestaterbfolge überhaupt entscheidet. Es kann übrigens ein unmittelbar dingliches Recht an einzelnen Sachen, und zwar der richtigen Ansicht nach an Mobilien (z. B. ein Besprecht), nur entstehen, soweit dies nach der lex rei sitae der Fall ist, und die Unveräußerlichkeit einer mit einem Fideikommiß belegten Sache, die Wirksamkeit des letzteren gegenüber Dritten kann ebenfalls nur so weit stattfinden, als die lex rei sitae gestattet, und unter Beobachtung der von letzterer vorgeschriebenen Vorschriften. Erbverträge müssen nach denselben Regeln beurteilt werden wie letztwillige Verfügungen. (E.G. Art. 24 spricht allgemein von Verfügungen von Todes wegen.) Aber durch eine Änderung des Personalstatuts kann ein einmal gültiger Erb-

vertrag nicht ungültig werden, und anderseits könnte ein Erbverttag deshalb ungültig sein, weil er etwa auf der Voraussetzung ruht, daß beide Teile sich gültig verpflichtet haben, und dies bei einem Teile nach dessen heimatlichem Gesetze nicht der Fall ist. Auch wird, während die Interpretation der Testamente meist in Gemäßheit des Personal­ statuts des Erblassers zu geschehen hat, bei der Interpretation von Erbverträgen häufiger von den für Verträge geltenden Grundsätzen Anwendung zu machen sein, obschon hier, wie überhaupt bei der Interpretation von Willenserklärungen, die Umstände des ein­ zelnen Falles auch ein anderes an die Hand geben können.

§ 84.

Erwerb von Todes wegen undHaftung derErben. Die Fähig­ keit, von Todes wegen zu erwerben, muß, da es sich um die Rechtsfähigkeit handelt, nach dem Gesetze beurteilt werden, das über die Erbfolge überhaupt entscheidet. Es kommt aber, sofern es sich um den Erwerb von Grundeigentum handelt, auch die lex rei sitae in Betracht, und der Eintritt in geistliche Orden, welche die Vermögenslosigkeit der Mitglieder fordern, kann als freiwilliger Verzicht auf Erwerb durch Erbschaft aufgefaßt werden. Der Erwerb von Todes wegen und die aus solchem Erwerbe hervorgehende Haftung für Erbschaftsschulden und durch Verfügung des Erblassers bestimmte Auflagen muß in erster Linie und jedenfalls insoweit von dem die Erbschaft überhaupt beherrschenden Ge­ setze abhängen, als Erwerb und Haftung nur eintreten, soweit dies Gesetz es bestimmt. In diesem Sinne ist auch Abs. 1 des E.G. B.G.B. Art. 24 zu verstehen. Indes kann ohne Zutun der betreffenden Person das Erbschaftsgesetz nicht unbedingt extraterritorial die Haftung begründen. Zu bemerken ist die Bestimmung des E.G. Art. 24 Abs. 2: „Hat ein Deutscher zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz im Auslande gehabt, so können die Erben sich in Ansehung der Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten auch auf die an dem Wohnsitze des Erblassers geltenden Gesetze berufen." Sie erklärt sich wohl dadurch, daß allgemein das Gericht des letzten Wohnsitzes des Erblassers als zuständiges Gericht für Verhandlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit unter Miterben und Nachlaßgläubigern betrachtet wird, wie denn auch das deutsche R.G. über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (1898) § 73 das Gericht des Wohnsitzes eines Ausländers im Deutschen Reiche hier für zuständig erklärt. Es kommt aber auch, namentlich auf Grund von Staatsverträgen, vor, daß der Nachlaß von Ausländern an deren Heimatsbehörde verab­ folgt wird. So erklärt der zitierte Paragraph des genannten deutschen R.G. auch deutsche Gerichte zur Behandlung des Nachlasses von Deutschen ebenfalls für zuständig, wenn diese zur Zeit des Erbfalls keinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort im Deutschen Reiche hatten.

IX. Aivikprozeßrecht. § 85. Allgemeines. Allgemeine Regel ist, daß für zivilprozessuale Akte der Richter die Gesetze seines Landes (Bezirks) anzuwenden hat. Der Kläger macht, indem

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er die Hilfe des Staates anruft, seine Lache dadurch auch zu einer Sache des öffentlichen Interesses, und die Staatsgewalt (oder deren Lrgan, das Gericht) soll die Über­

zeugung von der Existenz (oder Nichtexistenz) seines Anspruchs gewinnen. Es ergibt sich daraus, daß im Zivilprozesse im allgemeinen für die Anwendung fremder Gesetze wenig Raum ist ; eine Überzeugung läßt sich nur nach Maßgabe der eigenen Individualität,

d. h. hier der eigenen Gesetzgebung, gewinnen. Indes sind mit dieser allgemeinen Regel nicht alle Schwierigkeiten zu lösen. Erstens ist es nicht immer leicht, prozeffuales und materielles Recht richtig zu trennen; nicht selten erscheint ein Satz des materiellen Rechts im prozeffualen Gewände. Zweitens ist es von Wichtigkeit, zu untersuchen, ob dieselben Grundsätze, nach denen unsere einzelnen Gerichte die einzelnen Rechtssachen ihrer Behandlung zu unterziehen oder umgekehrt von sich abzuweisen haben, ohne Unterschied auch dann gelten müssen, wenn Ausländer oder ausländische Prozeßobjekte dabei in Frage kommen, und inwieweit ein Staat diese Kompetenzgrundsätze, welche die Gerichte eines anderen Staates nach Maßgabe ihrer Gesetze anwenden, seinerseits als bindend auch für seine Gerichte anzu­ erkennen hat. Drittens kann der Fall eintreten, daß das Gericht eines Staates, um die Verhandlung des Rechtsstreites zu Ende zu bringen, der Hilfe eines anderen Ge­ richtes bedarf; man muß hier die Frage beantworten, wie weit und unter Beobachtung welcher Gesetze (des einen oder des anderen Staates) die Rechtshilfe zu gewähren sei. Viertens — und diese Frage ist vielleicht die wichtigste und schwierigste — muß die Frage beantwortet werden: Inwieweit kann die eigentümliche Kraft, welche dem Urteile, der res iudicata nach Maßgabe des inländischen Rechtes zukommt, auch dem von einem auswärtigen Gerichte gesprochenen Urteile beigelegt werden? (Endlich kann es fraglich erscheinen, ob nicht manche prozessuale Akte, z. B. Vorladungen, Zustellungen, deshalb eine Modifikation erfahren sollen, weil sie im einzelnen Falle gerade im Auslande wirk­ sam werden sollen.) § 36. Zuständigkeit der Gerichte. Hier geht die allgemeine Ansicht dahin, daß die Gerichte eines Staates diese nach ebendenselben Regeln zu beurteilen haben, welche gelten, wenn die fragliche Prozeßsache zum Auslande oder zu Ausländern in keiner Beziehung steht. Selbstverständlich wird übrigens diese Beziehung schon durch die Grundsätze, welche über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte gelten, in gewissem Um­ fange berücksichtigt sein; denn das natürliche ist, daß auch prozessual die Rechtsverhält­ nisse demjenigen Gerichte zufallen, dessen Bezirke sie materiell angehören. Wenn z. B. Klagen bestimmter Art nur in foro rei sitae erhoben werden können, so sind damit alle derartigen Klagen, welche auf auswärtige Immobilien sich beziehen, vor den Gerichten desjenigen Staates ausgeschlossen, der diese Grundsätze aufgestellt hat. Auch kann möglicherweise ein Gerichtsstand nur zu Gunsten inländischer Kläger gegeben sein, wie dies z. B. nach Art. 14 des französischen bürgerlichen Gesetzbuchs der Fall ist. Aber man wird z. B. einem Ausländer das Recht vor unseren Gerichten nicht deshalb ver­ sagen können, weil er Ausländer ist. Freilich wird von einzelnen französischen Schriftstellern noch die entgegengesetzte Theorie vertreten. Sie sind der Ansicht, daß der Staat sein Richteramt im ausschließlichen Interesse von Ausländern auszuüben nicht berufen sei, und verlangen daher für die Kompetenz der französischen Gerichte der Regel nach, daß wenigstens einer der streitenden Teile dem französischen Staate angehöre. Indes ist diese in England sowohl wie in Nordamerika und Deutschland unbekannte Jurisprudenz von so mannigfachen Ausnahmen durchlöchert und steht so sehr mit unserer heutigen Rechtsanschauung im Widerspruch, daß ihre Beseitigung wohl nicht allzulange auf sich warten lassen wird. Eine andere Frage ist, ob nicht mit Rücksicht auf mögliche Mißbräuche der Staat manche Kompetenzgründe für seine Gerichte einschränken sollte, wenn es sich um Beklagte handelt, die im Jnlande keinen Wohnsitz haben. In Wahrheit wird man nicht behaupten können, daß alle Gerichtsstände, die ein Staat in seinem Innern zuzulaffen für gut finden mag, sich auch zur allgemeinen internationalen Anerkennung eignen, — eine Frage,die keineswegs identisch ist mit

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II. Zivilrecht.

der soeben besprochenen Frage, ob die Gerichte unseres Staates in gleicher Weise von ihrer Zuständigkeit zu Gunsten von Ausländern wie von Inländern Gebrauch zu machen haben. Wenn man im allgemeinen annehmen mag, daß die Gerichte eines und desselben Staates gleich gut urteilen, ja, daß schwierige Rechtsfragen innerhalb desselben Staates an denselben obersten Gerichtshof gebracht werden können, daß dieser wenigstens die Jurisprudenz sehr wesentlich beherrscht oder beeinflußt, so hat es vielleicht wenig Be­ denken, die Zuständigkeitsgründe für den internen Verkehr aus Zweckmäßigkeitsrücksichten stark zu vermehren. Anders aber verhält es sich mit der Anerkennung der Zuständigkeit auswärtiger Gerichte. Man kann also daraus, daß das Gesetz ein inländisches Gericht für zuständig erklärt, noch nicht unbedingt schließen, daß es in gleichem Falle auch die Zuständigkeit ausländischer Gerichte anerkenne. Auch in England und Nordamerika, wo man die Kompetenzgründe nicht über Gebühr ausdehnt und weit davon entfernt ist, jene große Musterkarte von Kompetenzgründen, welche z. B. die deutsche Zivilprozeßordnung auszeichnet, zu besitzen, erkennt man neuerdings mehr und mehr die Gefahren, welche, was die internationalen Kompetenzgründe betrifft, aus dem scheinbar einfachen Prinzipe der reziproken Anerkennung der inländischen Kompetenzgründe erwachsen. Man neigt sich daher in der Theorie des internationalen Privatrechts immer mehr der Anerkennung des richtigen Prinzipes zu, daß das Gericht desjenigen Staates im internationalen Sinne als kompetent zu betrachten ist, dessen Gesetze auch materiell über den fraglichen Rechts­ anspruch zu entscheiden haben, ein Prinzip, das freilich insofern eine Modifikation er­ fordert, als die Parteien, soweit überhaupt ihre Dispositionsbefugnis über das materielle Rechtsverhältnis reicht, auch freiwillig, und zwar ausdrücklich oder stillschweigend, einem an sich unzuständigen Gerichte sich unterwerfen können. Eine weitreichende stillschweigende Unterwerfung muß man in der Begründung eines Domizils in dem Bezirke eines Gerichts finden. Die deutsche Zivilprozeßordnung basiert aber auf dem gerade für das Deutsche Reich wegen der vielfachen und ausgedehnten Kvmpetenzgründe des inländischen Rechts besonders bedenklichen Prinzipe der Reziprozität, wie aus den Bestimmungen des § 328 über die Exekution ausländischer richterlicher Urteile hervorgeht. § 37. Prozeßfähigkeit. Besondere Rechtsnormen über Partei­ rechte und Parteipflichten von Ausländern. Prozeßfähig ist man, insoweit man rechtsfähig (parieifähig) und zugleich geschäftsfähig ist, — prozeßfähig im engeren Sinne und nach dem Sprachgebrauchs der Z.P.O.; nach dieser (§ 55) gilt aber ein Aus­ länder, welchem nach dem Rechte seines Landes die Prozeßfähigkeit mangelt, (vor deutschen Gerichten) als prozeßfähig, wenn ihm nach dem Rechte des Prozeßgerichts die Prozeß­ fähigkeit zusteht (vgl. oben § 17); der Ausländer ist nach dem zit. § 55 ebenfalls prozeßfähig, wenn er es nur nach dem Rechte seines Staates ist. Die dem klagenden Ausländer sonst obliegende Pflicht zur Bestellung einer Kaution für die Prozeßkosten ist nach dem Haager Abkommen vom 14. November 1896, dem das Deutsche Reich beigetreten ist (R.G.Bl. 1899 S. 285), für Angehörige der Vertrags­ staaten, die in irgend einem der Vertragsstaaten ihren Wohnsitz haben, in den Vertrags­ staaten beseitigt; den Angehörigen der Vertragsstaaten wird in diesen ebenso wie Inländern das sogenannte Armenrecht für die Prozeßführung bewilligt, und Personalhaft in Zivil­ und Handelssachen gegen sie findet nur unter denselben Voraussetzungen statt, unter denen sie gegen Inländer zulässig ist. Die rechtskräftige Verurteilung eines solchergestalt von der Leistung der Sicherheit für die Prozeßkosten befreiten Klägers muß anderseits in jedem der Vertragsstaaten für vollstreckbar erklärt werden.

§ 38. Rechtshilfe für Zustellungen und Beweishandlungen. Wird ein Gericht von einem auswärtigen Gericht um Rechtshilfe ersucht, so hat es (abgesehen von der noch unten zu berührenden Vollstreckung von Urteilen) dem allgemeinen Ge­ brauche zufolge diesem Ersuchen nachzukommen, falls es selbst die Zuständigkeit zur Vor­ nahme der fraglichen Handlung besitzt und Rechte Dritter dadurch nicht berührt werden. Stehen Zwangshandlungen in Frage, so kann der Zwang nur insofern gestattet sein.

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als das eigene Recht des unmittelbar tätigen Gerichtes solchen Zwang zuläßt; zu Gunsten einer fremden Rechtssache kann nicht ein weitergehender Zwang gerechtfertigt sein als zu Gunsten einer bei einem inländischen Gericht anhängigen Rechtssache, und die Verpflich­ tung zum Zeugnis insbesondere als eine unmittelbar öffentliche Pflicht, welche die in einem Territorium sich aufhaltende Person ergreift, kann, was mit jenem Resultate übereinstimmt, nur von dem Gesetze des derzeitigen Aufenthaltsortes abhängen. Aber freilich könnte auch das Prozeßgericht nicht eine weitergehende Verpflichtung fordern, als seine Gesetze für angemessen erachten. Das ersuchte Gericht hat die Formen zu beobachten, welche sein eigenes Gesetz fordert. Ob das ersuchte Gericht neben den in seinem Gesetze vorgeschriebenen Formen noch andere beobachten könne, welche von dem auslän­ dischen Gerichte besonders gefordert werden, ob es z. B. die Eidesformel durch einen besonderen Zusatz erweitern, die Unterschrift der Partei unter ein Protokoll setzen lassen dürfe, wenn nach inländischem Rechte letzteres nicht geschieht, muß davon abhängen, ob einerseits die Beteiligten gutwillig zu dem entsprechenden Akte sich bereit finden, und ob anderseits das inländische Gesetz die seiner Ansicht nach nötige Form nicht als eine solche aufstellt, über welche unter keinen Umständen hinausgegangen werden darf. Das letztere festzustellen ist Sache der Interpretation des einzelnen positiven Gesetzes. Mit diesen Sätzen stimmt im wesentlichen überein die oben § 86 erwähnte Haager Konvention. Das Ersuchen eines Gerichts eines der Vertragsstaaten soll abgelehnt werden können, wenn die Vornahme der Handlung nach der Auffassung des ersuchten Staates geeignet erscheint, dessen Hoheitsrechte zu verletzen oder seine Sicherheit zu ge­ fährden. Z.P.O. § 369 (334) enthält übrigens noch den besonderen (nicht völlig korrekten) Satz: „Entspricht die von einer ausländischen Behörde vorgenommene Beweisaufnahme den für das Prozeßgericht geltenden Gesetzen, so kann daraus, daß sie nach den aus­ ländischen Gesetzen mangelhaft ist, kein Einwand entnommen werden."

§ 89. Beweisrecht. Die Frage, welche Beweismittel zulässig sind und unter welchen Voraussetzungen, muß im allgemeinen nach dem Gesetze des ProzeßgerichtS entschieden werden. Aber unter der Form, daß bestimmte Rechtsverhältnisse ausschließlich, wie z. B. nach französischem Rechte in großem Umfange der Fall ist, nur durch Urkunden oder Eid bewiesen werden sollen, kann sich eine bedingte materielle Unverbindlichkeit des fraglichen Verhältnisses verstecken, und insoweit würde dann ein Beweismittel auch nur unter den Voraussetzungen zulässig sein, unter denen man es nach dem materiell nor­ mierenden Rechte zulaffen würde. Die Frage der Beweis la st ist, abgesehen von den ganz allgemeinen prozessualen Grundsätzen, wie z. B. von dem Grundsätze, daß der Kläger den Grund seiner Klage beweisen muß, eine Frage nicht sowohl des Prozeß- als des materiellen Rechtes, daher nicht von der lex fori abhängig. Dasselbe hat auch von Präsumtionen zu gelten, welche das Recht für einzelne Rechtsverhältnisse aufstellt; z. B. liegt in der Präsumtion für die Annahme der ehelichen Abstammung eines KindeS eine Vorschrift der materiellen Rechts; das Gesetz will das Familienrecht des Kindes aufrechterhalten, sofern nicht klar vorliegt, daß eheliche Erzeugung nicht stattgefunden hat. § 40« Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile. Unter welchen Voraussetzungen soll man ausländische Urteile 1. anerkennen und 2. vollstrecken? Beide Fragen stehen im Zusammenhänge; denn die Vollstreckung enthält immer auch die Anerkennung; aber sie erfordert zugleich einen Auftrag oder eine Autorisation der Staats­ gewalt, das ausländische Urteil reell auszuführen. So sind beide Fragen keineswegs identisch, wenngleich sie irrigerweise oft identifiziert werden, und es ist klar, daß man die Vollstreckung von Voraussetzungen abhängig machen kann, die für die einfache Aner­ kennung der res judicata nicht verlangt werden; denn bei dieser letzteren handelt es sich nur darum , die sich von selbst vollziehende oder bereits vollzogene Wirkung eines aus­ ländischen richterlichen Urteils nicht wieder indirekt rückgängig zu machen oder zu hindern. Man erkennt aber ein Urteil nicht an, wenn man seinen Inhalt nachprüft und je nach dem Ausfall dieser Prüfung sich vorbehält, die Anerkennung zu versagen. Dies spricht

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II. Zivilrecht.

auch auS Z.P.O. § 723 (661), in der Bestimmung, daß, wenn ein auswärtiges Urteil im Deutschen Reiche überhaupt vollstreckt werde, diese Vollstreckung ohne Prüfung der Gesetz­ mäßigkeit der Entscheidung zu erfolgen habe.

Dagegen hat die neue Redaktion der Z.P.O. §§ 328, 723 die allerdings auch schon von der Praxis des Rg. angenommene irrige (von den angesehensten Schrift­ stellern Frankreichs und Italiens reprobierte) Gleichstellung der Erfordernisse der ein­ fachen Anerkennung der res iudicata und der Vollstreckung ausdrücklich sanktioniert. Die erste und wichtigste Voraussetzung der Anerkennung (und also auch der Voll­ streckung) ist unzweifelhaft die Zuständigkeit des auswärtigen Gerichts oder genauer die Zuständigkeit der Gerichtsgewalt des auswärtigen Staates überhaupt; denn die Ver­ teilung der einzelnen Streitsachen an die einzelnen Gerichte innerhalb der Sphäre der Gerichtsgewalt des einzelnen Staates ist lediglich Sache dieses Staates, daher von dem anderen Staate nicht nachzuprüfen. Die Zuständigkeit aber kann nicht jeder Staat mit internationaler Wirksamkeit sich selbst durch sein Gesetz beliebig zumeffen. Es bedarf daher noch eines anderen Maßes, und nahe liegt es, die Zuständigkeit des Staates, dessen Gericht das Urteil fällt, an den Zuständigkeitsnormen der Gerichte des Staates zu messen, in dessen Gebiete das Urteil vollstreckt werden soll. (So auch Z.P.O. § 828, Abs. 1; Gerichte des auswärtigen Staates müssen nach den Normen der deutschen Gesetze zuständig sein.) Dennoch ist diese Bestimmung internationaler Zuständigkeit dem oben § 35 Gesagten zufolge unrichtig und führt bei der Ausdehnung der Gerichtsstände nach vielen Prozeßgesetzen zu praktisch unbefriedigenden Ergebnissen. Das richtige Prinzip ist: die Gerichte des Staates haben zu entscheiden, dessen Gesetz auch materiell für das fragliche, unmittelbar in Streit befangene Rechtsverhältnis entscheidend ist; daneben aber ist auch anzuerkennen die Zuständigkeit, begründet durch freiwillige Unterwerfung, wenigstens für alle der freien Disposition dor Partei untcrliegeiibeii Rechtsverhältnisse, und in der Errichtung eines Domizils in einem Lande ist solche freiwillige Unterwerfung in weitem Umfange zu befinden. Die praktische Durchführung dieser Prinzipien ist aber in den meisten Staaten erst von der Zukunft zu erwarten; annähernd findet sie statt in den Ländern des englisch-nordamerikanischen Rechts. Die zweite Voraussetzung ist rationellerweise, daß die Partei wirklich Gelegenheit hatte, ihre Rechte wahrzunehmen, also nicht lediglich auf Fiktionen beruhende Zustellungen an diese Partei (Ladungen) stattfanden. Dem entspricht ein Z.P.O. § 328 Abs. 1 Nr. 2 — freilich nur zu Gunsten einer deutschen Partei — gemachter Vorbehalt.

Eine weitere Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit ist die Vertrauens­ würdigkeit der ausländischen Justiz. Für den Richter ist diese im allgemeinen schwer zu prüfen; die englische Justiz, die keine abstrakte Beschränkung bezüglich der Staaten kennt, deren Urteile überhaupt vollstreckt werden können, ersetzt diese Voraussetzung dadurch, daß sie dem Richter im einzelnen Falle die Prüfung gestattet, ob eine gross injustice vorliege, d. h. insbesondere eine grobe Verletzung der Grundsätze eines gerechten Verfahrens. In Frankreich und zahlreichen anderen Staaten werden Urteile nur auf Grund eines die Vollstreckung anordnenden internationalen Vertrags mit dem anderen Staate vollstreckt. In einer Anzahl von Staaten — und zu diesen gehört das Deutsche Reich — besteht statt dessen das Erfordernis der Gegenseitigkeit; die An­ erkennung eines ausländischen Urteils ist ausgeschlossen, „wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist", (Z.P.O. § 328,5, durch Staatsverträge oder die Praxis des anderen Staates). Dies ist jedoch ein fehlerhaftes Prinzip. Gegenseitigkeit ist keine Bürgschaft für die Vertrauenswürdigkeit der Justiz eines anderen Staates; außerdem gibt die Prüfung der Frage, ob Gegenseitigkeit beobachtet wird, und ob sie verbürgt ist, zu Streitigkeiten und Zweifeln vielfachen Anlaß, so daß vielleicht das französische, allerdings engherzig er­ scheinende System in der Praxis sich noch besser bewähren mag, während prinzipiell das englische, freilich für den Richter des europäischen Kontinents kaum paffende, freiere System, abgesehen von der allerdings große Schwierigkeiten darbietenden Regelung durch Staats­ verträge, das richtige System sein dürfte.

9. v. Bar, Internationales Privatrecht.

43

Tie deutsche Z.P.O. stellt, wie bemerkt, das Erfordernis der Gegenseitigkeit (un­ richtigerweise) auch für die Anerkennung der res iudicata auf, macht aber davon (§ 328 Schlußsatz) eine Ausnahme, „wenn das Urteil einen nicht vermögensrechtlichen Anspruch betrifft und nach den deutschen Gesetzen ein Gerichtsstand im Jnlande nicht begründet war'. Danach sind namentlich viele ausländische Urteile, die in sogenannten Ltatusprozeffen unter Ausländern ergangen sind, auch ohne daß dem Erfordernis der Gegenseitigkeit genügt ist, anzuerkennen. Anderseits macht die Z.P.O. (§ 328 Abs. 1 Nr. 3) eine Ausnahme von der Anerkennung und Vollstreckung, wenn von gewissen, das internationale Privatrecht be­ treffenden, in dem E.G. z. B.G.B. enthaltenen Sätzen zum Nachteile einer deutschen Partei in dem auswärtigen Urteile abgewichen ist. Daß auch bei; der Anerkennung und Vollstreckung auswärtiger Urteile die oben § 10 erwähnte Schranke zu beachten ist, versteht sich von selbst (vgl. indes auch die aus­ drückliche Bestimmung in Z.P.O. § 328 Abs. 1 Nr. 4). Bei der Vollstreckung wird diese Schranke mehr in Betracht kommen als bei der. bloßen Anerkennung auswärtiger Urteile. Während nach dem früheren gemeinen Rechte das Prozeßgericht behufs der Voll­ streckung sich mittels Ersuchungsschreibens (Requisition) an das auswärtige Vollstreckungs­ gericht wandte und letzteres (eventuell das diesem Gerichte vorgesetzte Gericht auf er­ hobene Beschwerde) über die Vollstreckung in formloser Weise entschied, muß nach der Z.P.O. § 722 (660) (ähnlich auch in manchen anderen Staaten) die Vollstreckung begehrende Partei eine förmliche im ordentlichen Prozeffe zu verhandelnde Klage auf Erlassung eines Vollstreckungsurteils bei dem zuständigen deutschen Gerichte (regelmäßig Gerichte im all­ gemeinen Gerichtsstände des Gegners) erheben. Häufig spricht man nur von Anerkennung und Vollstreckung rechtskräftiger ausländischer Urteile, und nach der Z.P.O. 723 Abs. 2 ist die (nach den Gesetzen des auswärtigen Staates zu beurteilende) Rechtskraft ebenfalls Voraussetzung der Vollstreckung. Es dürfte aber richtiger sein, dem auswärtigen Urteil unter denjenigen Voraussetzungen Wirksamkeit zu gewähren, die nach dem auswärtigen Gesetze gelten, falls man es über­ haupt anerkennen will, also auch einem nur vorläufig vollstreckbaren Urteile die Vollstreck­ barkeit zu gewähren, um so mehr, als es gar nicht absolut sicher ist, daß in jeder Gesetz­ gebung eine scharfe Scheidung zwischen bloßer Vollstreckbarkeit und res iudicata bestehe. Die Form der Vollstreckung richtet sich nach den Gesetzen des Orts, wo die Voll­ streckung erfolgt. Nach diesen Gesetzen ist insbesondere auch die Freiheit gewiffer Vermögensobjekte von der Pfändung zu beurteilen. Von einer Einrede der Litis­ pendenz auf Grund eines im Auslande anhängigen Prozesses kann nur die Rede sein, wenn dem in dem auswärtigen Prozesse ergehenden Urteile die Vollstreckbarkeit in unserem Staate gewiß ist.

X.

Konkursrecht.

§ 41. Allgemeines Prinzip. ES ist klar, daß es dem Zwecke des Konkurs­ verfahrens am besten entsprechen würde, diesem Verfahren universelle, extraterritoriale Wirkung beizulegen in dem Sinne, daß es auch alle außerhalb der unmittelbaren Macht­ sphäre deS einzelnen Staates befindlichen Vermögensobjekte ergreifen würde, alle Gläubiger nur bei einem und demselben Gerichte, wie in einem einheitlichen Staatsgebiete, ihre Ansprüche verfolgen könnten, und die Art und Weise der Beendigung des Konkurses gegenüber allen und jeden gegen den Gemeinschuldner bestehenden Forderungen wirksam sein würde, und zwar auch in der Weise, wie die am Sitze des Konkursgerichts bestehenden Gesetze diese Wirkung festsetzen; denn das Konkursverfahren bezweckt eine billige und, insoweit nicht besondere Vorrechte anerkannt werden, auch gleichmäßige Befriedigung der sämtlichen Gläubiger des Kridars. Gleichwohl ist die von namhaften französischen und besonders italienischen Autoren, aber

44

IL Zivilrecht.

auch von Savigny vertretene Ansicht, welche ohne weiteres diese Universalität des Kon­ kurses annimmt, unhaltbar; durch Staatsverträge könnte letztere eingeführt werden, aber, wenn sie nicht selbst wieder in anderer Weise die Rechtssicherheit gefährden soll, auch nur unter erheblichen Vorsichtsmaßregeln und Beschränkungen. Der Konkurs ist weder eine Universalsuccession, noch enthält er die Konstituierung einer juristischen Person; er ist vielmehr ein möglichst umfaffendes Zwangsvoll­ streckungsverfahren und zunächst Beschlagnahmeverfahren bezüglich des Ver­ mögens des Gemeinschuldners zu Gunsten aller sich meldenden Gläubiger. Aus der Natur des Zwangsvollstreckungsverfahrens aber folgt, daß es nicht ohne weiteres extra­ territoriale Wirksamkeit haben kann, folgt mit anderen Worten seine zunächst streng terri­ toriale, gerade nicht-universelle Natur im internationalen Sinne. Daher bestimmt auch die deutsche Konkursordnung § 237 (207) Abs. 1: „Besitzt ein Schuldner, über deflen Vermögen im Auslande ein Konkursverfahren eröffnet ist, Vermögensgegenstände im Jnlande, so ist die Zwangsvollstreckung in das inländische Vermögen zulässig," d. h. es tritt die bei einer inländischen Konkurseröffnung unmittelbar eintretende Wirkung der Ausschließung anderer Zwangsvollstreckungen (K.O. § 14) nicht ein. (Freilich können kraft Anordnung des Reichskanzlers mit Zustimmung des Bundesrates, sowie durch Staatsvertrag Ausnahmen, welche also der ausländischen Konkurseröffnung jene Wirkung beilegen, stattfinden). Dagegen kann die im Auslande eingesetzte Konkursverwaltung, falls nicht im Jnlande über das im Inlands befindliche Vermögen ein besonderer Konkurs eröffnen ist (vgl. unten), dieses Vermögen in den ausländischen Konkurs herein­ ziehen unter der Voraussetzung, daß nicht Gläubiger, die im Jnlande ihre Ansprüche geltend machen können, durch Arresterwirkung dies hindern. Der Gemeinschuldner, der durch die Konkurseröffnung nicht geschäftsunfähig wird, vielmehr nur die Dispositions­ befugnis über das in den Konkurs fallende Vermögen verliert, kann ebendeshalb, solange l>tc Konkursverwaltung nicht das in einem anderen Lande befindliche Vermögen tat­ sächlich mit Beschlag hat belegen lassen, über dieses letzte Vermögen verfügen. Der Beschluß des Gerichts den Konkurs zu eröffnen, ist nicht ein Urteil im Sinne des Zivilprozeffes. Die Grundsätze und Formalitäten, welche für Vollstreckung von ausländischen Zivil­ urteilen gelten, finden daher keine Anwendung. § 42. Einzelne Fragen. Das zuständige Konkursgericht wird nicht durch die Staatsangehörigkeit, vielmehr, da es sich um Geltendmachung von Ansprüchen in einem möglichst umfassenden Gerichtsstände handelt, durch den Wohnsitz im Sinne lies Zivilprozeßrechts bestimmt; dafür spricht auch die praktische Rücksicht, daß der Wohn­ sitz der Mittelpunkt der geschäftlichen Tätigkeit des Gemeinschdldners ist. Falls der Gemeinschuldner eine gewerbliche Niederlassung hat, ist nach der neuen Redaktion der deutschen K.O. § 71 der Ort dieser Niederlassung in erster Linie maßgebend. Es kann aber jemand gleichzeitig mehrere Wohnsitze oder doch Geschäfts­ zentren oder Vermögenskomplexe in mehreren Staaten haben. Dann können in diesen Staaten besondere Konkurse über das daselbst befindliche Vermögen stattfinden; nach K.O. § 238 (208) findet im Deutschen Reiche ein solcher Partikularkonkurs statt, wenn der Schuldner im Jnlande eine gewerbliche Niederlassung oder ein mit Wohnund Wirtschaftsgebäuden versehenes Gut als Eigentümer, Nutznießer oder Pächter bewirtschaftet. Jede Forderung kann in dem Konkurse des Domizils, eine Forderung in einem nicht von dem Domizilgerichte eröffneten Konkurse aber der richtigen Ansicht nach nur dann geltend gemacht werden, wenn bei dem betreffenden Gerichte ein Gerichtsstand für die Forderung begründet ist. (Anders freilich nach der meist venretenen Auslegung K.O. § 238.) Der richtigen, freilich bestrittenen (in England aber für die Befriedigung aus anderem Besitz als Grundbesitz geltenden) Ansicht zufolge muß jedoch der Gläubiger, was er in einem Konkurse erhalten hat, in einem anderen Konkurse, in welchem er ebenfalls Befriedigung sucht, sich anrechnen lassen.

9. v. Bar, Internationales Privatrecht.

4b-

Besonders bestritten und zugleich wichtig ist die Frage der internationalen Wirk­ samkeit der Konkursbeendigung (insbesondere durch Zwangsvergleich) bezüglich der nicht voll befriedigten Forderungen. Die Befreiung für den Rest muß auch im Jnlande wirken, wenn die Forderung materiell nach dem Gesetze des Staates des Konkursgerichts zu beurteilen ist oder der Gläubiger sie bei dem Konkursgerichte geltend gemacht hat, wodurch er sich auch allen Konsequenzen dieses Konkursverfahrens unterwirft. Nur für einen gleichzeitig in einem anderen Lande eröffneten Partikularkonkurs wird solche Befreiung nicht gelten können, wenn nicht auch materiell die Forderung nach den Gesetzen des ersteren Staates zu beurteilen ist. Die Ansicht, welche der Befreiung des Schuldners durch den Konkurs in jedem Falle extraterritoriale Wirkung abspricht, widerstrebt der bona fides und führt zu Ergebnissen, die im internationalen Verkehr kaum erträglich sind. Die Rangordnung (Priorität) der einzelnen Konkursforderungen ist nach dem am Sitze des Konkursgerichts geltenden Recht zu beurteilen; Pfand- und Reten­ tionsrechte sind jedoch nach der lex rei sitae, Pfandrechte an Forderungen nach dem über letztere entscheidenden Rechte zu beurteilen, und zwar muß nach diesem Gesetze auch beurteilt werden die Priorität solcher Rechte untereinander wie die Frage, ob und in­ wieweit diese Rechte das Recht einer abgesonderten Befriedigung gewähren; denn diese letzteren Fragen sind nichts anderes als Fragen über die Bedeutung jener Rechte selbst. Die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit gewiffer, von dem Gemeinschuldnerschon vor der Konkurseröffnung vorgenommener Handlungen muß zunächst ab­ hängig sein von dem örtlichen Recht, welchem das fragliche Rechtsgeschäft an sich unter­ worfen ist; aber die Gläubiger (oder in ihrer Vertretung der Güterverwalter, Syndik) können eine solche Anfechtung auch stets nur insoweit durchsetzen, als dasjenige Recht sie gestattet, auf welches sie überhaupt ihr Recht zur Beschlagnahme stützen, d. h. also das Recht des Konkursgerichts. Für eine Aufrechnung mit einer einem Schuldner der Konkursmasse zustehenden Forderung muß es genügen, wenn die Aufrechnung gestattet ist nach dem Gesetze, nach welchem die Gegenforderung des Schuldners an sich zu beurteilen ist, ebenso aber, wenn nur das Gesetz des Konkursgerichts die Aufrechnung gestattet.

§ 43. Schlußbemerkung. Die vorstehenden Sätze zeigen, daß, ungeachtet eine universelle Wirkung des Konkurses nicht anzunehmen ist, bei einiger Vorsicht der Gläubiger und der Konkursverwaltungen auch nach dem Prinzipe der Territorialität des Konkurses den Bedürfnissen des internationalen Verkehrs und Kredits einigermaßen genügt werden kann. Die richtige Abfassung von Staatsverträgen über internationale Behandlung der Konkurse ist, wenn die Gesetzgebungen der in Betracht kommenden Staaten wesentlich verschieden sind, keineswegs leicht, und ein allgemeiner derartiger internattonaler Staatsvertrag, der jedem zivilisierten Staate den Beitritt gestatten würde, müßte zurzeit in hohem Grade bedenklich erscheinen. Die Haager Konferenz für inter­ nattonales Privatrecht hat sich freilich schon mit einem Projekte allgemeiner internationaler Behandlung der Konkurse beschäftigt.

10. Zivilprozeß- und Uonkursrecht von

Professor Dr. I. Aahker in Berlin.

ßitereter. Die Anfänge der Behandlung deS Prozesses reichen in die Gloffatorenzeit zurück — lehrreich ist besonders der auS der Gloffatorenzeit stammende, wahrscheinlich aber in Frankreich gefaßte Brachylogus (Buch IV); wichtig ist ferner btt lanonistische Behandlung im 12. und 13. Jahrhundert. Eine gewaltige, aber völlig unverdaute Sammlung des wiffenschaftlichen ProzeßmaterialS seiner Zeit bietet 0 urantis (f 1296) speculum Juris, daS auf die Entwicklung einen ungeheuren Einfluß aus­ geübt und unmittelbar wie mittelbar den romanisch-kanonischen Prozeß beherrscht hat. Eine Reihe deutscher Prozeßwerke find für die Rezeptionsgeschichte bedeutsam, bieten aber keinen Fortschritt in der Behandlung deS Rechts. Eine neue Bahn betraten die Sachsen: König (Practica und Prozeß der GerichtSleuffte 1550), Carvzov (Processus Juris in foro Saxonico und Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica), sowie die Kameralschriststeller, namentlich Mynsiuaer und Ga il l. Ein weiterer Antrieb kam in die Entwicklung durch daS Naturrecht im Anfang des 19. Jahrhunderts, namentlich durch Gönner und G ro lm a n. Dagegen war, vaS sonst die erste Hälfte deS 19. Jahrhunderts brachte, insbesondere der Zivilprozeß von Hieronymus Bayer, von bedauerlicher Mittelmäßigkeit. Eine neue Behandlung begann mit Wetzell, der zuerst daS eingehende historische Studium des italie­ nischen und sächsischen Prozesses anregte und wenigstens den Versuch einer tieferen Systematik machte, aber für. den modernen Prozeß und sein Bedürfnis nicht das mindeste Verständnis hatte. Sein .System deS ordentlichen Zivilprozeffes- erschien in 3 Auflagen (1854, 1864, 1878). Im Vergleich hierzu ist Reuaud (1867, 2. Aufl. 1873) sehr minderwertig und Endemann, DaS deutsche ZivilProzeßrecht (1868), geradezu schlecht. Von Einzelarbeiten ragen Br iegleb, Geschichte des ExekutivprozesseS (2. Aust. 1845), Einleitung in die Theorie der summarischen Prozeffe (1859), Planck, Mehrheit von Rechtstreitiakeiten (1844), Lehre vom Beweisurteil (1848), Zimmermann, Glaubenseid (1863), und Bülow, Lehre von den Prozeßeinreden (1868) weitaus hervor. Bahnbrechend war daS nicht genug zu rühmende Werk von Zink, Ermittelung des Sachverhaltes im französischen Zivilprozeß (1860), 2 Bände (1. Band die Abhandlung, 2. Band die Belege enthaltend), welches die ganze Verknöcherung und ungelenke Steifheit, die Unkultur und Kulturunfähigkeit des gemeinen Prozesses darlegte. Mit der deutschen Zivilprozeßordnung folgte im großen ganzen die Niederwerfung des säch­ fischen Verfahrens und deS jüngsten Reichsabschiedes und bw Rückkehr zum romanisch-germanifchkanonischen Prozeß, während auf einigen Gebieten der germanische Prozeß eine neue Entwicklung nahm. Die Literatur ist vorwiegend Kommentarliteratur, die notwendig ist, aber eine niedrigere Stufe in der wistenschastlichen Behandlung kennzeichnet. Doch nahm jetzt unter Erfassung der rechtsgeschäftlichen Natur des Prozeffes und scharfer Analyse seiner Bestandteile die Wissenschaft selbst einen neuen Aufschwung; jetzt erst entstand eine wahre Prozeßwiflenschast. Wach, Handbuch deS deutschen ZivilprozeßrechtS (1885), welches, wenn auch ohne RcchtSverglelchuna verfaßt und in vielem abirrend und auf unrichtige Bahnen führend, doch eine bedeutsame wissenschaftliche Leistung war, ist nicht über den ersten Band gediehen, und auch dieser ist nicht nach der neuen Zivilprozeßord­ nung umgearbeitet. Im Gegensatz dazu ist Planck, Lehrbuch des deutschen ZivilprozeßrechtS I (1887), II (1896X zwar vollendet, aber völlig rückständig; es steht weder dogmatisch noch historisch auf der Höhe und kann mit den früheren prozessualischen Arbeitern des VerfasterS nicht verglichen werden. Der erste Band eines neuen Lehrbuchs oeS deutschen ZivilprozesteS ist 1903 von Hellwig erschienen. Ten Prozeß als Rechtsverhältnis arbeitete ich heraus in meiner Schrift »Prozeß als Rechtsverhältnißwelche Schrift zugleich gegen die Irrtümer Wachs und seiner Nachfolger Front machte. Weitere, namentlich rechtsvergleichende Studien von mir erschienen als »Prozeßrechtliche Forschungen- (1888), sodann „Ungehorsam und Vollstreckung im Zivilprozeß" (1893); eine Sammlung verschiedener prozessualischer Abhandlungen enthalten die »Gesammelte Beiträge zum Zivilprozeß- (1894). Ein Lehrbuch des ZivilprozesteS soll in Bälde erscheinen. Bon der Literatur über Konkursrecht ist aus ftüherer Zeit zu nennen Salgado de Samoza (t 1664), Labyrinthus creditorum, das einen mächtigen, aber nicht eben günstigen Einfluß auf die Entwicklung übte. Don der neuen Literatur, die großenteils Kommentarliteratur ist, erwähne ich: den trefflichen Kommentar von Jäger, »Konkursordnung auf Grundlage deS neuen Reichsrechts- (die 2. Aufl. im Erscheinen); das lehrreiche Werk von Thaller, Faillite en droit compard (1887); L. Seuffert, Deutsche- Konkursprozeßrecht (1899), ein Werk, daS von richtigen Grundgedanken auSgeht, ohne fie aber mit analvtischer Schärfe durchzuführen. Bon mir erschienen: »Lehrbuch des KonkursrcchtS- (1891), worin ich die richtige Beschlagsrechtstheorie nicht nur entwickelte, sondern auch im ganzen und einzelnen, in historischer und rechtsvergleichender Grundlegung durchzuführen suchte; »Leit­ faden deS deutschen KonkurSrechts (1893) und nunmehr (1903) die zweite, bedeutend vermehrte Auflage dieses Leitfaden-, worin ein Teil des Lehrbuchs mitverarbeitet ist. Eine Wiffenschast des Prozeffes hat fich nur in Deutschland entwickelt; Frankreich und Eng­ land stehen noch auf dem Boden oer empirischen Kommentarliteratur. Nur in Italien zeigt fich seit neuerer Zeit ein frischer Zug, und man sucht hier im Anschluß an Deutschland eine jahrhunderte­ lange Versäumnis wieder gutzumachen und die ungeheuren Schätze des Prozeßrechts, Vie fich in der italienischen Städteentwicklung finden, zu heben. Encyklopädie der Nechttwifsenjchaft.

6., der Neubearbeit. 1. Aufl.

Bd. II.

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II. Zivilrecht.

50

Einleitung. 1

Krnrrdvegrifft.

§ 1. Die Verwirklichung des Rechts gegen widerstrebende menschliche Einflüsse kann durch Selbsthilfe, d. h. durch private Abwehr, erfolgen, und dies war, wie bereits an anderer ©teile1 hervorgehoben, die erste Art, wie man sich des Gegners erwehrte. Daß diese Form der Rechtserlangung einer fortgeschrittenen Kultur nicht paßte, ist dort dar­ gelegt worden, und ebenso, in welcher Weise der Prozeß als ein Zusammenwirken der Privaten mit dem Staate zuerst wahlweise entstanden ist und später die einzige Form war, in der man dm Widerstand überwindm konnte. Beizufügm ist, daß schon in HammurabiS Gesetzen von 2250 v. Chr. (§ 113) die Selbsthilfe verboten wurde, und zwar bezeichnenderweise ebenso wie nach dem Decretum des Marc Aurel (decretum divi Marei) dadurch, daß der Gläubiger seine Forderung verlor. Allerdings, einige Arten selbsthilferischer Tätigkeit mußtm erhaltm bleiben: die Selbsthilfe als Selbstverteidigung und insbesondere als Verteidigung deS Besitzes (§ 227 und 859 B.G.B.) und endlich die Selbsthilfe als Nothilfe in den Fällen, wo ohne pri­ vates Eingreifm das Recht wirkungslos würde und öffmtliche Hilfe nicht vorhanden ist (§ 229 f. B.G.B.). Abgesehen davon, bestimmt die Rechtsordnung, daß, wer sein Recht gegen wider­ strebende menschliche Wesen durchführen will, sei es nun gegen Handlungsfähige oder Hand­ lungsunfähige, sich nur des Prozeffes bedienm darf, mit anderm Worten dm mtgegengesetztm Willen oder den lässigen Willen nur mit Hilfe des Gerichts besiegen darf. Das ist ein Grundgesetz aller Kulturnationm der heutigen Welt. Der Prozeß erweist sich auf diese Art als große Wohltat, aber auf der anderen Seite ist die Rechts­ ordnung verpflichtet, ihn so einzurichten, daß eine möglichst baldige und ausgiebige Ver­ wirklichung des Rechts zu erzielm ist. Mit der Verwirklichung des Rechts sind noch andere Bestrebungen hervorgetreten, und auch diese mußten ihre Befriedigung finden; insbesondere verlangte das germanische Recht und unser neueres modernes Recht ein Hilfsmittel, um den Streit über Recht und Unrecht zu beschwichtigen und um schließlich dm Zwiespalt der Ansichten über die Be­ rechtigung durch einen festen Ausspruch des Rechts zu begleichen. Dadurch ist die Auf­ gabe des ProzMiS bedeutend erweitert worden. Er soll nicht etwa bloß Rechte verwirklichm , er soll auch nicht bloß das Recht insoweit prüfen, als es nötig ist, um in der Verwirklichung das Richtige zu treffen, sondern er soll daS Recht in einer maßgebenden Weise feststellen. Entsprechmd hat der Zivilprozeß zwei ganz verschiedme Tätigkeiten zu entfalten: die Rechtsfeststellung und die Vollstreckung. Bei der Rechtsfeststellung kommt wiederum zweierlei in Betracht: die vorbereitende Tätigkeit und die Feststellungstätigkeit; letztere geschieht durch Urteilssprechung: die Urteilssprechung ist etwas von der sonstigen Gerichts­ tätigkeit innerlich und wesentlich Verschiedenes, wie sich dies unten Ergeben wird. § 2. Der Prozeß hat also die Aufgabe, das Recht zu verwirklichen und fest­ zustellen. Er verfolgt damit einen doppelten Zweck: 1. Recht muß Recht fein; die Verwirklichung des Rechts ist eine der wichtigsten Kulturaufgaben; wo es daran fehlt, ist jede gedeihliche Entwicklung ausgeschlossen.

1 Encyklopädie I S. 63.

10. I. Kohler, Zivilprozeß- und Konkursrecht.

51

2. Der Streit soll der Beruhigung Raum geben, denn es ist eine Voraussetzung -er Kulturordnung, daß alle Dinge zur Ruhe kommen, damit von da aus sicher weiter­ gebaut werden kann. Es darf nicht sein, daß stets eine neue Erschütterung zu be­ fürchten ist. Aus 1. ergibt sich: die Gerichte sollen mit aller Kraft dahin streben, daS wahre Recht zu verwirklichen und festzustellen; und der Staat soll die nötigen Mittel gewahren, um ein solches zu ermöglichen, insbesondere die Gerichte (mit den nötigen Instanzen) in dieser Art einrichten. AuS 2. ergibt sich: Ist dies den Gerichten nicht gelungen, dann muß nichtsdesto­ weniger ihre Entscheidung gelten, denn eine stete Erneuerung des Streites würde gerade den unschätzbaren Vorteil aufheben, daß eine Beruhigung und Sicherheit der Verhältnisse eintritt. Daraus der Satz: die Gültigkeit der Entscheidung ist nicht von ihrer Richtigkeit und Güte abhängig. § 8. Der Prozeß ist das Mittel, um auf normalem Wege den Widerstand einer Person zu überwinden; er ist nicht das einzige Mittel der Verwirklichung des Rechts, denn diese kann auch auf mittelbarem Wege erfolgen; insbesondere kann man sich mög­ licherweise des seelischen Zwanges bedienen; es kann Übung sein, daß der Nichtzahlende

auf eine schwarze Tafel geschrieben oder aus einer Gemeinschaft auSgestoßen wird. DaS war alten Rechtes und kommt auch heutzutage vor, sofern sich Vereinigungen gebildet haben zum Schutze gewisser Interessen gegen die Einwirkung widerspenstiger Elemente. Allerdings sind derarttge Mittel zweischneidig; sie können auch zur Bedrückung mißbraucht werden und schweren Schaden anrichten. Ein anderes Mittel der sozialen Rechtsverwirklichung operiert mit dem Prozeß, aber es operiert in der Art, daß der Prozeß nicht dem einzelnen aufgebürdet bleibt, sondern daß die Interessenten, als Kreditorenverbände, HauSbefitzerverbände, Verbände der Autoren, es übernehmen, in Fällen der Rechtsverletzung den Prozeß zu führen und dem einzelnen die Mühen und Kosten des Prozesses abzunehmen. Derartige Verbände haben sehr segensreich gewirkt und insbesondere in heilsamer Weise den sonst blühenden Rechts­ verletzungen gesteuert; viele Rechtsverletzungen erfolgen in der Ermattung, daß der Ver­ letzte die Kosten und Unannehmlichkeiten eines Rechtsstreites scheut. Darum haben solche Verbände noch eine große Zukunft §4. Zivilprozeß ist ein (zwischen zwei Personen) obschwebendeS Rechtsverhältnis, welches den Zweck verfolgt, auf dem Wege des Ver­ fahrens (Rechtsganges) unter richterlicher Beihilfe vorhandene PrivatrechtSanspüche zu verwirklichen oder vorhandene Rechte oder Rechts­ verhältnisse privater Art festzustellen. WaS (in Parenthese) über die zwei Personen gesagt ist, gilt allerdings nicht für jeden Prozeß, es gilt aber für die regelmäßige Form, für den Parteiprozeß; es gilt nicht für den Prozeß im Untersuchungsverfahren. Zivilprozeß ist also nicht identisch mit Verfahren (RechtSgang), aber der Zivil­ prozeß bedarf des Verfahrens. Verfahren (oder Rechtsgang) ist eine geregelte Tätigkeit, die einem bestimmten Ab­ schluß zusteuett. Regelmäßig fällt nun der Zivilprozeß mit dem Verfahren in der Att zusammen, daß der Abschluß des Prozesses zugleich auch der Abschluß des Verfahrens ist; doch nicht immer: möglicherweise kann das Verfahren mit einem Urteil abschließen, daS ein Rachverfahren zuläßt; hier gehört daS Nachverfahren zum gleichen Prozeß, aber eS ist ein zweites Verfahren, das möglicherweise nach anderen Grundsätzen ftattfinbet*. Das Rechtsverhältnis bleibt das gleiche, aber innerhalb des Rechtsverhältnisses finden 1 Vgl. hierzu die bemerkenswerte Darstellung von Nothnagel, Exekution durch soziale Inter­ essengruppen (Wim 1899). 8 Eine bis jetzt noch nicht genügend beobachtete Erscheinung.

II. Zivikecht.

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sich zwei Entwicklungsstufen und diese werden zusammengehalten durch daS Vorbehalts­ urteil, d. h. durch daS Urteil, da- sich selbst die auflösende Bedingung stellt, wonach e& im Nachverfahren geändert werden kann; diese auflösende Bedingung aber ist ein Bestand­ teil deS Rechtsverhältnisses und ebenso dasjenige , was dazu dienen soll, die auflösende Bedingung in Erfüllung zu setzen. Darum liegt hier ein Rechtsverhältnis und zwei Entwicklungsstufen, darum liegen zwei verschiedene Verfahren vor. Dasselbe gilt von einem Prozeß mit mehreren Instanzen: auch hier bleibt das Rechts­ verhältnis daS nämliche, eS wird aber in mehrere Verfahren zerlegt, wovon jedes Verfahren sich selbständig abwickelt; auch hier find die mehreren Verfahren verbunden durch die auflösende Bedingung, welche jedem noch nicht rechtskräftigen Urteil anklebt. Darüber ist S. 152 f. zu handeln. DaS Verfahren deS ZivilprozeffeS ist meist ein sogenannte- Parteiverfahren, d. h. ein Verfahren, um im Kampfe zweier Personen, zweier sogenannter Streitteile den Stoff für die Entscheidung des ProzeffeS zu gewinnen; es ist ein Parteiverfahren, unter Mitwirkung deS Staates, um durch den öffentlichen Willen die Verwirklichung oder Feststellung des Rechts zu erzielen, um zu entscheiden und zu zwingep. Natürlich ist dieser Kampf nicht ein leiblicher, sondern ein geistiger Kampf; man gelangt dadurch am besten zur Erkenntnis, weil fich im Einzelkampfe am leichtesten alle oft einander widerstrebenden Erkenntnis­ momente entwickeln fassen1. Dies gilt vom gewöhnlichen Zivilprozeß, vom Parteiprozeß. Ausnahmsweise gibt es Prozeßformen ohne Parteien; man spricht hier vpm Untersuchungsverfahren; so im Entmündigungsprozeß. Im folgenden wird vom Parteiprozeß und vom Unter­ suchungsverfahren die Rede sein, wovon der letztere bis jetzt fast keine wiffenschaftliche Behandlung gefunden hat.

5 6.

Daß sich der Zivilprozeß in einem rechtlich geregelten Verfahren entwickelt,

hat er

1. 2. 3. 4.

mit mit mit mit

dem schiedsrichterlichen „Verfahren", der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dem Verwaltungsstreitverfahren, dem Strafprozeß

gemein. Vom ersteren unterscheidet er sich dadurch, daß es sich bei dem Zivilprozeß nicht um ein Privatverfahren handelt, sondern um ein Verfahren unter Zuziehung staatlicher Organe, während die schiedsrichterliche Tätigkeit sich innerhalb eines privatrechtlichen Verhältniffes abspielt. Von den übrigen drei Verfahrensweisen unterscheidet sich der Zivilprozeß durch seinen Zweck; denn bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Rechtspolizei) sollen neue Rechtsbeziehungen geschaffen, nicht alte verwirklicht oder festgestellt werden (neue Rechts­ beziehungen des bürgerlichen Rechts, doch gibt es auch eine freiwillige Gerichtsbarkeit deS öffentlichen Rechts); beim Verwaltungsstreitverfahren aber handelt es sich um die Verwirklichung oder Feststellung von Beziehungen des öffentlichen Rechts und beim Strafprozeß um den Zweck, daß einer strafbaren Handlung die gebührende Strafe zu teil werde.

§ 6. Der Unterschied des Prozeffes von der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergibt fich aus.dem obigen mit Klarheit dahin, daß bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit neue Rechtsbeziehungen geschaffen werden sollen, während der Prozeß zur Erledigung und Feststellung vorhandener Rechtsverhältnisse bestimmt ist. Im übrigen hat auch die Behörde der freiwilligen Gerichtsbarkeit natürlich nicht blindlings zu handeln, sondern vorher zu 1 Man hat mir entgegengehalten, der neuzeitliche Prozeß wolle keinen Kampf, sondern fried­ liche Entwicklung. Dies bedarf keiner Widerlegung: die geistigen Kämpfe haben nicht aufaehürt und werden nicht aufhören, wenn wir nicht in einen Winterschlaf verfallen wollen, und so auch nicht die geistigen Kämpfe im Prozeß. der menschlichen Bildung.

Daß der geistige Kamps den leiblichen ablöst, das ist der Fortschritt

10. I. Kohler, Zivilprozeß« und Konkursrecht.

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prüfen, ob die Voraussetzungen derjenigen Rechtsbetätigung vorliegen, welche die Behörde auSüben soll. Die Prüfung findet aber dann nicht statt zu dem Zweck, um ein Rechts­ verhältnis zu entscheiden, sondern zu dem, um der Behörde einen Anhalt zu geben, ob sie die Betätigung der freiwilligen Gerichtsbarkeit vollziehen oder ablehnen soll. Aller­ dings ist es Hier denkbar, daß die Voraussetzungen der steiwilligen Gerichtsbarkeit vorher durch Prozeßverfahren unter den Beteiligten festgesetzt werden, und es steht natürlich der Gesetzgebung frei, zu bestimmen, daß eine Betätigung der freiwilligen Gerichtsbarkeit erst dann erfolgen darf, wenn das Bestehen eines Rechtsverhältnisses, welches die Vorfrage bildet, prozeßgemäß entschieden ist. So darf z. B. dem Geisteskranken (abgesehen vom Fall des § 1906 B.G.B.) kein Vormund gegeben werden, wenn nicht vorher eine Ent­ mündigung und damit eine Bestätigung der Geisteskrankheit stattgefunden hat. Diese Konstatierung ist dann nicht ein bloßes Element in der Kette der freiwilligen Gerichts­ barkeit, sondern sie ist eine notwendig vorausgehende gerichtliche Entscheidung (S. unten). Anders dagegen, wenn beispielsweise im Falle der §§ 1857, 1858 B.G.B. und § 53 deS Gesetzes über freiwillige Gerichtsbarkeit (G. f. G.) das BormundschastSgericht zu erwägen hat, ob der Gebrauch der eheherrlichen Macht sich als ein Mißbrauch darstellt, oder wenn im Fall der §§ 1879, 1402, 1447, 1451 B.G.B. das Gericht prüfen muß, ob ein „aus­ reichender Grund" der Zustimmungsverweigerung vorliegt. Hier wäre eS ja sehr wohl möglich, daß die Gesetzgebung verordnete, eS sollte diese Frage zuerst durch Prozeß ent­ schieden werden. Man will aber wo möglich den Prozeß unter Ehegatten vermeiden und überläßt es darum dem BormundschastSgericht, diese Frage lediglich als Erwägungspunkt zu betrachten und ohne prozeffuale Entscheidung der Frage nach dem Ergänis seiner

Erwägung und Prüfung zu handeln. Und dasselbe gilt von den Registereinträgen im Firmenwesen (§ 125 f., 142 f. G. f. G.), dasselbe von der Tätigkeit des Standesbeamten (Personenstand.-Ges. §11, und G. f. G. § 69). Ob das eine oder andere, ist nicht eine Sache grundsätzlicher Art, sondern eine Sache geschichtlicher Entwicklung und positiver Gesetzgebung, (vgl. auch den § 127 G. f. G. und § 1808 B.G.B. mit dem faufgehobenenj § 82 Personenst.-Gef.). In gleicher Weise ist eS möglich, daß eine Behörde der steiwilligen Gerichtsbarkeit einen vollstreckbaren Vertrag aufnimmt; es ist auch möglich, daß sie beteiligten eine Frist setzt, um Widerspruch zu erheben, ansonst sie als zustimmend gelten; auch dies ist bei uns mehrfach der Fall (vgl. unten). In allen diesen Fällen geht die Behörde nicht über daS Gebiet der steiwilligen Gerichtsbarkeit hinaus. Möglich wäre natürlich auch hier eine andere Behandlung, daß man im Wege des Prozesses die Beteiligten zu einer Erklärung zwänge. Man hat aber bei uns den obigen Weg gewählt. Hier wie so oft gilt der Satz: die Begriffe find fest, die Art ihrer Handhäbung ist geschichtlich wandelbar.

§ 7. Der bürgerliche Prozeß als Parteiprozeß ist ein Rechtsverhältnis zwischen zwei Personen, welches eine Entwicklung zuläßt und bestimmungsgemäß eine Weiter­ bildung und eine Auflösung darbieten muß. Zivilprozeß ist nicht ein Verhältnis für bie Dauer, — er ist ein Kampfzustand, der einem baldigen Frieden und einer möglichst schleunigen Erledigung zustreben muß. In diesem Rechtsverhältnis können, wie jn jedem Rechtsverhältnis, Rechts­ handlungen verschiedener Art vorkommen, die das Rechtsverhältnis weiterbilden und der Erledigung entgegenführen; immer aber ist und bleibt eS ein und dasselbe Rechts­ verhältnis, und es ist völlig abwegig, hier eine Summe oder eine Reihenfolge, von Rechtsverhältnissen anzunehmen. Denn der Zivilprozeß muß richtig angesponnen werden, damit er richtig wieder erledigt werden kann; irgend eine Einleitung, welche einen Grundfehler in sich trägt, macht die ganze folgende Tätigkeit mangelhaft und stört ihre Wirkung*. Das zeigt sich auch noch darin, daß, wenn etwa daS Rechtsverhältnis durch Unterbrechung aufhört, alles, was in der Unterbrechungsperiode an Prozeßhandlungen

1 Dgl. auch Weizsäcker, Z. f. Ziv.-Prozeß XXVII, S. 20f.; OLE. Stuttgart 24. Mai 1901, Mugdan III S. 120.

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IL Zivilrecht.

geschieht, bedeutungslos ist, zum Zeichen, daß alles von einem und demselben Prozeß getragen wird.

§ 8. Der Prozeß als Parteiprozeß ist nur ein Verhältnis unter den Parteien, nicht em Verhältnis zwischen Parteien und Gericht, und völlig abwegig ist es, von einem Rechtsschutzanspruch zu sprechen, kraft besten die Partei'durch Beginn des Zivils>rozeffeS den Richter zwinge, zu ihrem Schutze tätig zu sein, so daß der Richter mitten tn daS Rechtsverhältnis hineingezogen würde und der Partei gegenüber ebenso rechtlich gebunden wäre wie der Gegner. Das ist ebenso unrichtig, als wenn man bei irgend­ welchen anderen StaatStätigkeiten annehmen wollte, der Staat sei dem einzelnen gegen­ über verpflichtet, er sei etwa verpflichtet, auf seinen Wunsch hin zur Testaments­ errichtung mitzuwirken, oder auf seinen Wunsch hin zur Eheschließung seinen Beistand!u geben, oder ihm im einzelnen Fall den polizeilichen Schutz angedeihen zu lasten. DaS eruht auf einer völligen Verkennung der staatlichen Tätigkeit, als ob der Staat etwa ein großes Lokal und die Staatsbeamten die Diener wären, die man nur herbei­ zuläuten brauchte und etwa auszanken dürste, wenn sie nicht sofort zu Willen sind. Derartige, dem Wesen des Staates wenig entsprechende Vorstellungen mögen manchen, die von der Selbstherrlichkeit des Einzelwesens gegenüber dem Staat ganz besonders überzeugt find und darin etwa den Nerv der Persönlichkeitsentwicklung erblicken, annehmbar erschauen; wir aber, welche von der Hoheit des Staates als der Verwirklichung der sittlichen Idee überzeugt find, können derartige Vorstellungen nicht teilen. Zwar hat man noch folgendes geltend zu machen gesucht: der Rechtsschutzanspruch sei nicht ein abstrakter, sondern ein konkreter; nicht jeder Mensch habe eine Klagebefugnis, sondern nur derjenige, der wirklich einen zivilrechtlichen Anspruch habe. Mit dieser Unterscheidung aber wird dem ganzen Prozeß der Lebensfaden abgeschnitten; denn eine richtige Gestaltung deü ProzesteS ist nur dann möglich, wenn zunächst bei der Beurteilung der Staatstätigkert ganr außer Betracht bleibt, ob die Partei recht oder unrecht hat, weil der Staat seine Prozeßtätigkeit in dem einen wie dem anderen Falle in gleicher Weise darbieten muß. Und daß der Staat, wenn er von meinem Recht überzeugt ist, ein mir günstiges, sonst ein mir ungünstiges Urteil gibt, ist zwar völlig richtig, in keiner Weise aber ein Beweis für einen Rechtsschutzanspruch; denn es beruht nur eben einfach darauf, daß der Richter gehalten ist. Recht zu sprechen, wie es seine Überzeugung ge­ bietet. Dasselbe gilt ja auch vom Schiedsrichter, und man kann gewiß nicht sagen, daß man dem Schiedsrichter gegenüber einen Rechtsschutzanspruch habe; man hat ihm gegen­ über nur das Recht aus dem Vertrage, daß er als Schiedsrichter tätig ist (weil er als Privatmann keine öffentliche Pflicht der Gerichtsleistung hat); man hat dieses Recht aus dem Schiedsvertrag, gleichgültig, ob man in der Hauptsache recht hat, ob ein zu schützendes Recht besteht oder nicht.

2. Geschichtliche fnfwidWmtg. 8 9. Wie jede Rechtserscheinung, so kann auch unser Zivilprozeß nur geschicht­ lich erkannt werden. Der Prozeß der deutschen Zivilprozeßordnung ist nicht aus dem gemeinen Prozeß hervorgegangen, so wie dieser sich vom 16. Jahrhundert an in Deutschland entwickelt hatte. Er ist vielmehr durchdrungen von den Prinzipien des französischen Prozeffes, und diese find nichts anderes als die Grundsätze des kanonischen Prozeffes, wie er sich aus dem Zusammenstoß des römischen und germanischen Rechtes gebildet hat. Die Behauptung, daß wir unseren Prozeß aufgeben müßten, weil er kein deutscher Prozeß wäre, ist ohne weiteres zurückzuweisen. Der germanische Prozeß, wie er bei Aufnahme des römischen Rechtes gestaltet war, wäre unfähig gewesen, dem Kultur­ bedürfnis zu entsprechen. Er zeigte einen Formalismus, der unerträglich wurde: unter lauter uns ganz unverständlichen Formen wurde die Hauptsache vernachlässigt; das Beweissystem war ein unserem neuzeitigen Denken ganz widersprechendes, es beruhte

10. I. Kohler, Zivilprozeß- und Konkursrecht.

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noch auf der Grundlage des Gottesgerichts. Der Prozeß mußte daher, wenn er dem Kulturbedürfnis entsprechen wollte, eine durchgreifende Änderung, eine Umwälzung,

nicht etwa bloß eine Reform erfahren. Wie sich die Entwicklung ohne das römische Recht gestaltet hätte, können wir ungefähr aus dem englischen Prozeß ersehen: dieser starrte bis in die Neuzeit, bis zu den Reformen von 1852 und 1873, so sehr von Formeln, daß wir uns sicher darin nicht wohl fühlen würden. Allerdings hatte daS eng­ lische Recht das große Glück, daß sich neben dem alten Verfahren ein Billigkeits­ verfahren, ein Lquit^-Recht entwickelte, aber dieses war vom römisch-kanonischen Rechte durchdrungen, auch was die Verfahrensweise betrifft. Die Aufnahme deS römisch-kano­ nischen Rechtes ist darum als Glück anzusehen. Sie erfolgte in der Hauptsache; in einer großen Reihe prozeßrechtlicher Einrichtungen allerdings hat das germanische Recht des fremden Joches gespottet und sich siegreich erhalten. Im folgenden wird zunächst vom romanisch-kanonischen Prozeß und dann von den deutschen Bildungen und ihrem Einfluß die Rede sei. Die Aufnahme des römischen Prozesses erfolgte zunächst bei den geistlichen Gerichten. Wir finden in Deutschland bei diesen schon im 14. Jahrhundert die romanische Form; fie wurde allmählich für die weltlichen Gerichte maßgebend, und im 15. und 16. Jahrhundert romanisierte man den Prozeß in den deutschen Städten. Aber schon früher hatte sich in Italien, unter Abänderung des langobardischen Rechtes, daS römisch-kanonische Ver­ fahren in die Stadtrechte eingeführt; auch in Südtirol finden wir im 12. Jahrhundert heimisches und kanonisches Recht nebeneinander*. Allerdings nahm man auch hier un­ bewußt eine Reihe von germanischen Ideen mit in Kauf. Eine dieser Ideen war die der Mitwirkungspflicht des Beklagten und die Idee, daß der Beklagte sich dem Verfahren und dem Urteil unterwerfen müsse: so entstanden die merkwürdigen Formen des Ver­ säumungsverfahrens , wonach der Beklagte durch die verschiedensten Mittel, durch Exkom­ munikation, Vermögenseinweisung u. a., zum Erscheinen genötigt werden sollte; Formen, die heutzutage alle weggefallen find, sich aber anderwärts als fruchtbringend er­ wiesen haben. Eine andere germanische Einwirkung ist die Eigenheit der Urteilsbildung. Rach germanischem Rechte war jede Entscheidung Urteil, und jedes Urteil konnte gescholten, d. h. für ungerecht erklärt werden. An Stelle dieser Schelte ttat später die Berufung, und so entwickelte sich der Satz, daß auch sogenannte Zwischenurieile berufungsfähig seien, ein Satz, mit dem die Folgezeit gerungen hat, den man allmählich mehr oder minder zu beseitigen suchte. Der römisch-kanonische Prozeß war daher eine Verbindung des römischen mit dem germanischen Recht; des römischen Rechts, dessen Ideen teilweise frisch und lebendig, teilweise aber auch alt und verknöchert waren, so vor allem die Idee der sogenannten notwendigen oder feierlichen Terminfolge. Der Prozeß mußte nach dem romanischen Recht jener Zeit in festen Stufen vor sich gehen; diese Stufen waren vertreten durch ebenso viele Termine; kein Termin durste übergangen, keiner mit dem anderen verschmolzen werden. Diese feierliche Terminfolge hatte etwas ungemein Schleppendes und Forma­ listisches; fie entsprach dem bureaukratischen Wesen der spätrömischen Zeit; fie entsprach nicht den Bedürfnissen einer aufkeimenden neuen Kultur, und darum hat man in Italien diesen Prozeßsatz allmählich aufgegeben. DaS berühmte Grundgesetz deS Prozesses, das die Axt an die Wurzel legte, stammte allerdings nicht aus Italien, sondern auS Avignon,

1 Römisch-kanonisch war daS Verfahren bei dem Gerichte deS podestä in Florenz schon im 18. Jahrh., vgl. die Urteile bei Sabatini, Docum. dell1 antica costituzione Die Beglaubigung eines jeden ist genügend (R.G. 19. Juni 1900, B. 46, ch. 399). Die Ansicht, daß in einem Fall nur der eine, im anderen nur der andere gültig beglaubigen könne, wäre ein unsäglicher Buchstabenkult. In gewissen Fällen wird eine Ausfertigung übergeben. • Ladung ad aomurn habitacionis, si personaliter non invenietur, in den alten Statuten von Como 210 (Mon. hist patr. XVI p. 82), u. a. EneIklopädle der Nechtswiffenschaft. 6., der Neudearbett. 1. Aap.

Bd. .11.

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II. Zivilrecht.

zugestellt werden kann. Der erste Ersatz beruht auf der germanischen Idee der Einheit des Hauses, der letzte auf dem Gedanken, daß in Hinderungsfallen die Preisgabe der Übergabe gleichzustellen ist, als Preisgabe der Nachricht gilt aber die vom Prozeßgericht (vgl. darüber R.G. Bd. 41, S. 427) verfügte öffentliche Bekanntmachung. Diese Idee findet fich bei den deutschen Femgerichten ebenso wie in der gemeinrechtlichen Entwicklung seit den Clementinae. und Bartolus. Die Femgerichte pflegten die Klage in das Stadttor hineinzuwerfen und fich vom Tor einen Spahn abzuschneiden, oder die Klage irgendwo festzunageln. Über die gemeinrechtliche Entwirrung aber vgl. Kohler und Liesegang, Bei­ trage zur Geschichte des römischen Rechts II S. 140 f. b) Noch viel mehr aber liegt die Zwangsgewalt darin, daß, wenn der Zustellungsadreffat das Schriftstück nicht an­ nimmt, die Folge der Zustellung einfach durch einseitiges Liegenlaffen des Schriftstückes entsteht; §§ 170 ff., 203 ff. Z.P.O. 2. Den Parteien gegenüber hat das Gericht regelmäßig eine weitere Zwangs­ gewalt nicht. Erscheinen sie nicht, so treten -war gewisse Rechtsfolgen ein, aber das Gericht bringt sie nicht gewaltsam vor seine Schranken; es tut dies auch nicht einmal mittelbar dadurch, daß es das Erscheinen durch Buße oder Hast erzwingt; solches war in früheren Entwicklungsformen des Prozesses Brauch und Recht, heutzutage ist es nicht mehr; wenigstens nicht in Vermögensprozeffen. In Familienprozessen allerdings, nämlich in Eheprozeffen, in Prozessen über Kindschast und über Ehelichkeit, kann das Gericht das Erscheinen erzwingen, wenn auch nicht durch Inhaftnahme, so doch durch Vorführung und durch Geldbuße (§§ 619, 640, 641 Z.P.O.). Für Vermögenssachen gilt nur bei Gewerbegerichten etwas Ähnliches, wo mindestens Geldbuße als Zwangsmittel statthaft

ist (G.G.G. § 42). Sonst bedarf man eines solchen Zwangs nicht, weil die Parteien mit einem Rechts­ verhältnis umfaßt und in Rechtslagen gebracht werden, welche auch ohne Zwang eine Erledigung des Prozesses ermöglichen. Davon ist im Prozeß als Rechtsverhältnis zu handeln (S. 103 f.). Etwas Besonderes gilt bei der Entmündigung (§§ 654,656,671 Z.P.O.). 3. Ein Gerichtszwang Dritten gegenüber kann dadurch veranlaßt werden, daß das Gericht zur Erledigung des Prozesses der Hilfe dritter Personen bedarf. Solche Fälle sind gegeben I. im Aufklärungsverfahren, nämlich 1) im Fall der Forderungspfändung: hier kann dem Drittschuldner die Aufforderung zukommen, sich zu erklären, ob er die Forderung zugestehe oder nicht und inwiefern sie der Pfändung frei oder bereits durch frühere Rechte gebunden sei. Im Fall der Nichterklärung tritt, wie überhaupt im Fall der Nichterfüllung einer zu Gunsten einer bestimmten Person ein­ geführten Pflicht (§ 823 B.G.B.), Schadenersatzhaftung ein (§ 840 Z.P.O.). Und ähnlich ist es, 2) im Konkurs kraft des offenen Arrestes: der dritte Besitzer der Sache wird verpflichtet, dem Konkursverwalter vom Besitze der Sache Anzeige zu machen, ansonst er für Schadensersatz haftet (§§ 118, 119 K.O.). Solche Fälle sind gegeben II. im Beweisverfahren: da gerade der Beweis viel­ fach nur mit Hilfe dritter Personen geführt werden kann, so ist es wesentlich, daß der Staat mit Zwangsgewalt Personen zuziehen kann, die ihm helfen, den Beweis herzustellen. Das römische Recht kannte lange Zeit keine Zeugenpflicht im Zivilprozeß, sondern nur im Strafverfahren. Erst Justinian hat eine allgemeine Zeugenpflicht eingeführt. Viel tiefer dagegen wurzelt der Zeugniszwang im germanischen Rechte, und der Gedanke durch­ dringt die deutschen Rechte, daß, wer sein Zeugnis verweigert und damit den Staat im Stiche läßt, auch nicht würdig ist, daß der Staat sich seiner mehr annimmt. Daher kann der Zeuge durch Ächtung gezwungen werden, und daraus hat auch das kanonische Recht den Satz geschöpft, daß man den Zeugen exkommunizieren kann, bis er sich der Zeugnispflicht unterwirft. Auch heutzutage bleibt die Vorstellung mächtig, daß es eine öffentliche Pflicht ist, als gerichtlicher Zeuge zu erscheinen. Andererseits wird man im Zivilprozeß den Gedanken nicht los, daß ein solcher Zwang doch nur im Interesse der einzelnen Prozeßparteien stattfindet. Daraus hat man folgendes entnommen: Es gibt Zwangsmittel, die ohne weiteres von Staats halber eintreten, und solche, die man nur anwendet, wenn ein Prozeßbeteiligter die Anwendung begehrt; daher kann, was die Zeugnispflicht betrifft, auf Antrag Beugungshaft bis zu sechs Monaten stattfinden.

10. I Kohler, Zivilprozetz- und Konkursrecht.

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während der Zwang gegen Sachverständige nicht über Geldbußen hinausgehen kann •(§§ 380, 390, 913, 409 Z.P.O.). Im Untersuchungsverfahren finden diese Zwangs­ mittel von Amts wegen statt (§ 653 Z.P.O.). Die Zeugnispflicht kann allerdings nur unter wesentlichen Beschränkungen ertragen werden, denn es gibt eine Reihe wichtiger Jntereffen, die durch eine unangemeffene Anwendung der Zeugenpflicht gekränkt würden. Man darf nicht jedes Geheimnis zer­ stören, man darf nicht vom Zeugen verlangen, daß er seine eigenen Jntereffen oder seine heiligsten Gefühle zurückdränge. Man kann von dem Zeugen die Erfüllung seiner StaatSpflicht verlangen, man kann aber von ihm keinen Heroismus beansprucben. Daher gibt es Fälle der berechtigten Zeugnisverweigerung (§§ 876, 383 ff. Z.P.O.). In Besonderheit ist das Geheimnisrecht zu wahren und zwar sowohl das Staatsgeheimnis (soweit der Be­ amte nicht vom Geheimniffe loSgesagt wird) als auch daS Geschäftsgeheimnis (das eigene, wie daS fremde) und sodann vor allem das Berufsgeheimnis. Dem Arzt, dem Anwalt, dem Gutachter und dem Seelsorger muß man alles mitteilen dürfen, ohne die Gefahr, daß er es eröffnen muß. Das ist ein allgemeines Jntereffe, nicht nur ein Interesse deS einzelnen; denn wenn auch nur in einem einzelnen Falle ein solcher BertrauenSmann gezwungen wäre,. Zeugnis abzulegen, so würde niemand mehr fich einem solchen für Leib oder Seele sicher anverttauen können, und die Folge wäre, daß viele zu Grunde gingen. Aber auch das eigene Jntereffe verlangt sein Recht: man braucht nicht Zeugnis abzugeben, wenn es gegen die eigene Ehre geht, noch auch dann, wenn das eigene Ver­ mögen auf dem Spiele steht; auch dann nicht, wenn Vermögen oder Ehre einer nahe stehenden (noch lebenden) Person, also eines nahen Verwandten, berührt wird. Aber auch außerdem darf ein jeder Zeuge, der mit einer Partei verwandt ist, das Zeugnis ablehnen, und wenn mehrere Kläger oder Beklagte in verbundenen Prozeffen austreten, so kann der Verwandte auch nur eines dieser Kläger oder Beklagten das Zeugnis nblehnen, weil eine Ausscheidung der Aussage hier kaum möglich ist (§§ 376, 883, 884 Z.P.O.). Ausnahmsweise gibt es Fälle, wo das BerweigerungSrecht Überboten wird durch «ine Steigerung der Zeugnispflicht. Wer seinerzeit als GeschästSzeuge teilgenommen hat, kann weder wegen Verwandtschaft noch wegen VermögenSintereffeS das Zeugnis ablehnen. -Ebensowenig, wer ein Recht übertragen hat und über dieses Recht als Zeuge vernommen werden soll, ebensowenig der Vertteter, der im Prozeß deS Geschästsherrn zu vernehmen ist. Der Grund ist der: alle diese Personen haben die Wahrung der Interessen be­ sonders übernommen; sie haben eine besondere Treupflicht, für den Beweis zu sorgen, und diese Treupflicht überwiegt zwar nicht alle, aber doch viele Rückfichten, die der Zeugnispflicht entgegen find. Eine weitere Ausnahme war schon im kanonischen Recht festgesetzt, sofern eS fich nämlich um den Beweis pon Familienverhältniffen handelt, z. B. Geburt und Todes­ fällen. Dieser Beweis kann vielfach nur durch nahe verwandte Personen und durch solche geführt werden, die vermögensrechtlich beteiligt sind; darum kann auch hier der Beweis nicht aus den obigen zwei Gründen abgelehnt werden (§ 385 Z.P.O.). Mitunter wird die Zeugenpflicht durch die gewerbliche Stellung gesteigert; dahin gehört die alte seerechtliche Pflicht der Seeleute, bei der sog. Verklarung eidliche Aus­ sagen zu machen (§ 525 H.G.B., § 42 Seemanns.-O.) *. Her Zeugniszwang geht auf Zeugenaussage nach Maßgabe der Wahrnehmungen

und entsprechendenfalls auf Beeidigung. Eine Pflicht der Nachforschung hat der Zeuge nicht, abgesehen von der Pflicht der Einsicht seiner eigenen Notizen und der empfangenen Briefe, falls er sich nicht erinnert, und nur sofern dies nicht mit außergewöhnlicher Mühewaltung verbunden ist (R.G. Bd. 48 S. 392). Die Sachverständigenpflicht ist eine weniger strenge; Sachverständiger braucht einer, der nicht dazu angestellt ist und sich nicht bereit erklärt hat, nur zu fein, wenn er

1 Dgl. schon daS Consolado del mare 54 (99) und 179 (224).

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IL Zivllrecht.

öffentlich zum Zweck des Erwerbes ein Gewerbe oder einen Beruf treibt, der die be­ stimmte Kunde voraussetzt (selbständig oder als Gehülfe (R.G. 50 S. 392); sodann kann und hat ein öffenÜicher Beamte daS Sachverständigenamt abzulehnen, wenn die vorgesetzte Behörde es im Interesse des Dienstes untersagt (§ 407 f. Z.P.O.). — Alles die- ist sehr begreiflich, denn abgesehen von der schwereren Belastung de- Sachverständigen, ist der Sachverständige meist ersetzlich, der Zeuge nicht. Eine Pflicht Dritter, Urkunden für den Prozeß vorzuweisen, hat zeitweise bestanden und besteht (mit Ausnahmen) im englischen Rechte fort1. Bei unS gilt sie nicht mehr; bei uns hat nur derjenige vorzuweisen, der nach bürgerlichem Rechte vorweisung-pflichtig ist, also insbesondere der Besitzer einer Urkunde gegenüber dem Eigentümer oder Miteigentümer, sowie der Besitzer einer sogenannten gemeinschaftlichen Urkunde gegenüber dem, zu dessen Gunsten die gemeinschaftliche Urkunde allein oder mit errichtet worden ist, § 810 B.G.B. Daher auch der Satz: will man eine solche Urkunde für den Prozeß haben, so muß man sie im eigenen Prozeß herbei­ schaffen, zu welchem man im Hauptprozeß allerdings eine Frist beantragen kann, § 428 Z.P.O. Rur insofern gilt eine prozessuale Besonderheit: besteht hiernach die Vorweisungs­ pflicht einer Prozeßpartei, so hört sie auf, eine Pflicht zu sein und wird zu prozessua­ lischer Gebundenheit: die Urkunde wird jetzt nicht etwa zwangsweise herbeigeschafft, sondern eS tritt die ungünstige Prozeßfolge ein, daß das Gericht nach Umständen den vom Gegner behaupteten Inhalt der Urkunde als erwiesen annimmt (§ 427 Z.P.O.). Dasselbe, wie bei Urkunden, gilt auch bei Augenscheinssachen, aber noch mit einem Zusatze: dritte Personen find dann verpflichtet, Gegenstände des Augenscheins zum Beweis vorzulegen, wenn ein Rechtsverhältnis die Vorlegung gebietet, oder wenn die Vorlegung nötig ist, um eine strafbare Handlung zu konstatieren; denn da im Strafprozeß die Vor­ legung verlangt werden kann, wenn es sich um die straftechtliche Reaktion handelt, so wird man sagen müssen, daß im Zivilprozeß zum Zwecke der bürgerlich-rechtlichen Aus­ gleichung nicht minder eine solche öffentliche Pflicht gegeben sein muß. Es wäre wider­ sprechend, wenn der Staat die Verfolgung des Verbrechens nur nach der einen Seite durch eine solche Bestimmung begünstigen wollte, nicht auch nach der anderen, und gewiß ist die Möglichkeit der Zivilvergütung ebensogut ein Interesse der Öffentlichkeit wie

die strafrechtliche Ahndung*8. Soweit die Parteien die Augenscheinssache herbeizubringen haben, gilt ähnliches, wie oben, ebenso wenn eine Partei etwa pflichtwidrig den Sach­ verständigen an der Tätigkeit hindert — das Gericht kann hieraus die betreffenden Schlüffe ziehen (vgl. R.G. 46 S. 369).

§ 17. Der Gericht-zwang kann nur innerhalb des Staatsgebietes geübt werden; also nur in Bezug auf Personen, welche der Zwangsgewalt des Staates unterworfen sind, dem daS Gericht angehört; dies ist der Fall: 1. wenn die Personen im Staatsgebiet ihren Wohnsitz haben; 2. wenn die Personen auch nur augenblicklich im Staatsgebiet getroffen werden; 3. wenn die Sache, auf die sich die Gerichtspflicht bezieht, sich im Staatsgebiet befindet (dies gilt von der Anzeigepsticht im Konkurs). Der Gerichtszwang deS Gerichts kann innerhalb des Staatsgebietes geübt werden; allerdings nicht immer unmittelbar. Jedes Gericht hat seinen Bezirk, in dem es tat­ sächlich Zwang ausübt; will es diesen in einem anderen Bezirk geübt haben, so hat es daS Gericht dreses Bezirks zu ersuchen. Man spricht hier auch von Gerichtshilfe (Rechts­ hilfe), aber im uneigentlichen Sinne: es soll hier nicht die rechtliche Macht des Gerichts über seinen Kreis erstreckt werden; es soll nur der Gerichtshandlung die tatsächliche

1 Gesammelte Beiträge E. 375 ff. 8 Wenn aus dem Gebiete deS Zeugenbeweises, was daS Recht der Zeugnisablehnung betrifft, Unterschiede -wischen Zivil- und Strafprozeß herrschen, so find die- Unterschiede im einzelnen, nicht im Grundgedanken.

10. I. Kohler, Zivilprozeß- und KoukurSrecht.

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Macht gegeben werden, die sie nötig hat. Daher der Grundsatz, daß diese Hilfe stets zu gewähren ist, soweit sie überhaupt gewährt werden kann (§ 159 f. G.B.G.). Etwaige Meinungsverschiedenheiten entscheidet das OberlandeSgericht. § 18. Der Gerichtszwang geht also nicht über das Inland hinaus; soll ein GerichtSzwang außerhalb des Staatsgebietes erzielt werden, so kann dies nur in der Art geschehen, daß zum inländischen Gerichtszwang der ausländische hinzukommt. DaS kann nur dadurch erfolgen, daß der eine Staat seinen Gerichtszwang einem anderen zur Verfügung stellt. Ob er dies tut, hängt von den völkerrechtlichen Beziehungen ab. GerichtSzwang in bürgerlichen Sachen, soweit eS sich nicht um Zwangsvollstreckung handelt, (worüber unten), pflegen die Staaten sich regelmäßig zu leisten; nur daß sie die Personen, welche die Gerichtshilfe zu leisten haben, wie Zeugen und Sachverständige, regelmäßig nicht an den Prozeßort zwingen, sondern bei sich vernehmen und zur Aus­ sage bei sich nötigen; dies aber auch nur, wenn nicht Umstände vorliegen, welche sie nach dem Rechte dieses ihres Landes von der Zeugenpflicht befreien.

4. Einrichtung de- Gerichts. §19. Grundsätze. Entwicklung hervorgegangen.

Die Einrichtung der Gerichte ist aus der geschichtlichen

Die Gerichtstätigkeit geht ursprünglich von dem Volke in der Volksversammlung aus oder von demjenigen, der das Recht des Volkes in seiner Person vereinigt, vom Häuptling, später vom König. Mit der Zeit tut eine bestimmte Individualisierung not: Üe Tätigkeiten des Staates können nicht alle von diesen Organen der Volksgemeinschaft ausgehen, und es bedarf eines Beamtenorganismus, um nach den verschiedenen Richtungen hin die staatlichen Aufgaben zu erfüllen. So entstehen neben der Volksversammlung und neben dem König die Richter. Die Organisation hat sich verschieden entwickelt, je nachdem der eine oder andere Ausgangspunkt überwogen hat; wo das Königsrecht die Grundlage war, find die Gerichte durch königliche Beamte vertreten: sie üben ihr Amt aus kraft der ihnen vom König gegebenen Würde und sie find auch dem Könige für die Ausübung verantwortlich; wo aber die Volksversammlung die Grundlage war, find vielfach Volksrichter übrig geblieben, einzelne Männer aus dem Volke an Stelle des Volkes, die um so eher das Ganze vertreten können, als auch bei der Volks­ versammlung gewöhnlich nur einige sind, welche den Rechtsspruch vorschlagen, während andere durch Zustimmung sich ihnen anschließen. Solche Volksrichter gab es in Rom, vS gab solche aber auch insbesondere in Deutschland, und vor allem im fränkischen Reiche. Die Art der Gerichtsorganisation im fränkischen Reiche ist jahrhundertelang für Deutsch­ land maßgebend gewesen, und als das Reich Karls des Großen sich nach Norden und Süden ausdehnte, ist die ftänkische GerichtSverfaffung siegreich zur Geltung gekommen; vor allem auch in Italien, welches von da an der Herd der weiteren Entwicklung geworden ist. Die Eigentümlichkeit der fränkischen GerichtSverfaffung aber bestand darin, daß das Urteil rechtlich von Leuten aus dem Volke gesprochen wird. Die Urteils­ sprecher, wie sie Karl der Große eingeführt hat, und wie sie später durchaus üblich geworden sind, als die Volksversammlung nicht mehr gern zusammentreten wollte, heißen Schöffen (Scabini). Die Schöffenverfaffung hat in Deutschland mehrere Jahrhunderte geherrscht; finden sie zur Zeit des Sachsenspiegels im 18. und zur Zeit des Richtsteig» 14. Jahrhundtrt. Wir finden sie noch in Süddeutschland bi» in das 18.', ja in Schweiz bis in das 19. Jahrhundert hinein. Wir finden fie in Italien im 12. 18. Jahrhundtrt, bis fie allmählich dem fremden Recht erlegen ist.

wir im der und

Der Schöffe war Urteilssprecher; er allein gab das Urteil; der königliche Beamte hatte nur die Rechtssache zu leiten und schließlich daS Urteil zu verkünden. Di« An-

1 Bgl. beispielsweise Beiträge zur germanischen PrivatrechtSgeschichte III, S. 6 f.

II. Zivilrecht.

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fechtung des Urteils konnte ursprünglich nur durch Anschuldigung der Rechtswidrigkeit erfolgen, die aber jedem auS der Volksversammlung zustand; worauf die Sache durch Zweikampf erledigt wurde. Später zog man in solch einem Kalle die Streitigkeit an einen sogenannten Oberhof, d. h. an das Gericht eines Ortes, wo man eine besonders genaue Kenntnis des Recht- voraussetzen zu dürfen glaubte. Wo dagegen der KönigSgedanK mächtig war, da lag nichts näher, als daß die Streitsache an den König als Richter und bezw. als höheren Richter gezogen wurdeDies war ein Kulturelement von großer Bedeutung; in Rom sowohl hat die Anrufung des Kaisers wie auch in Deutschland die Anrufung des Königs als König-gericht, in England die Anrufung des Königs, in Frankreich die Anrufung der Parlamente sehr dazu beigetragen, das Recht aus der Zersplitterung zu erretten und einen größeren Zug in die RechtSbildung zu bringen. In Deutschland leider haben diese Bestrebungen zu keinem rechten Ziele geführt, und darum die bedauerliche Zersplitterung und Zerfahren­ heit deS Rechtszustandes. Die modernen Kulturstaaten haben aus dem ersten Prinzip vielfach die Zuziehung, von Laien beibehalten. So namentlich England: hier gibt eS Geschworene auch in bürger­ lichen Streitsachen, Zivilgeschworene. In Italien und in Deutschland ist mit Untergang der Schöffenverfaffung das Laienelement zurückgedrängt worden. Dazu kam die Auf­ nahme des fremden Rechts, deffen Kenntnis von den Laien nicht erwartet werden konnteUnd so waren nun die Gerichte sämtlich königliche oder landesherrliche Gerichte, und so entwickelte sich auch ein regelrechter Rechtsmittelgang, nicht an einen Oberhof, sondern an ein Obergericht, das demselben oder wenigstens einem verwandten Gerichtsherrn unterstandn Nur mit Entwicklung der Innungen und Kaufmannschaften — als sich für die inneren Verhältnisse ihrer Genoffen die Notwendigkeit besonderer Gerichte ergab, weil die gewöhnlichen bürgerlichen Gerichte viel zu wenig in ihre Eigenheiten eingeweiht waren — trat wiederum das Laienelement hervor, aber hier nicht von der Volks­ versammlung ausgehend, sondern von der Genoffenschast des Berufs oder Standes aus. Wir haben heutzutage diese Idee vertreten in unseren Handelsgerichten; auch in den Gewerbegerichten und einigen anderen Sondergerichten, z. B. in den Gemeindegerichten, wie sie in Baden und Württemberg bestehen. Die Handelsgerichte aber sind in Italien entstanden *, haben sich in Frankreich entroidelt1 2 * *und * * * 8sind in Deutschland heimisch geworden2. Es waren ursprünglich Gerichte, die nur aus Kaufleuten bestanden. An manchen Orten hat man sie so gestaltet, daß der Vorsitzende ein Jurist ist und daneben zwei Handelsrichter tätig find. Von diesem Standpunkt geht auch die deutsche Gerichtsverfaffung aus; sie hat aber einen wichtigen neuen Gedanken eingefügt, der sofort (S. 73) zur Darstellung kommen soll. Abgesehen von solchen Ausnahmen, sind die Gerichte (in monarchischen Staaten^ aus der königlichen Gewalt hervorgegangene Gerichte, es sind Beamten-, keine Laien­ gerichte. Aber in einem Punkt ist man auf den früheren demokratischen Standpunkt zurückgekehrt. Während nämlich der frühere Gedanke dahin zielte, den König als höchsten Richter walten zu lasten, so daß die einzelnen Richter nur gleichsam die rechte Hand des Königs waren,

ist seit dem 18.

Jahrhundert der

Grundsatz

aufgekommen,

daß

der

1 Zuerst als Gildegerichte, namentlich in Florenz; so bereits in dem statutum campsorum v. 1299. Dann taten sich die fünf ersten Gilden zu einer Gemeinschaft, der mercanzia zusammen, deren Gerichte durch die generalis balia v. 1308 einen staatlichen Charakter bekamen; Lästig, Ent­ wicklungswege des Handelsrechts S. 258 L 403 f. über Handelsgerichte in der Lombardei vgl. Novocomi a. 385 (Mon. bist. patr. XVI p. 232), über Zunstgerichte in Rom, Statuten 1363 I 127. 9 Zuerst als Marktgerichte; über ihre Geschichte vgl. Huvelin, Essai histor. des marchls et foires p. 893 f.; als ständige Einrichtungen emgeführt durch Gesed Karls IX. vom November 1563; ausrechterhalten durch die Prozeßordnung vom April 1667, Titel XVI und durch die Handels­ ordnung vom März 1673 Titel XII, sodann vom code de commerce a. 615 f. über die einzelnen Städte vgl. Havel in p. 411. 8 Dgl. namentlich die gute Schrift von Silberfchmidt, Entstehung des deutschen Handels­ gerichts (1894), Vor allem bezüglich Nürnbergs S. 33 f. über die Handelsgerichte (Weltgerichte) in Königsberg vgl. Frommer, Anfänge und Entw. der Handelsgerichte in der Stadt Königsberg (1891).

10.

I. Kohler, Zivilprozeh- und Konkursrecht.

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König selber nicht Recht sprechen dürfe; es ist ein Grundsatz, der auf einer Mischung demokratischer und monarchischer Elemente beruht und im Grunde in der englischen Ent­ wicklung wurzelt und in der Selbständigkeit, die in England das Richtertum dem Könige gegenüber einnahm. Aus dem englischen Rechte und aus der Darstellung L o ck e s (Two treatises of government II ch. 12 § 143 ff.) hat bekanntlich Montesquieu (Esprit des lois XI 6) die Theorie von den drei Gewalten geschaffen, die nicht in einer Hand verbunden sein sollen, und dazu gehört auch der Satz, daß weder der König Recht sprechen darf noch auch solche Personen, die von dem König abhängig find und den Weisungen der Regierung zu folgen habenx. Dieser Grundsatz ist fast überall durch­ gedrungen, und so auch bei uns. Es gibt keine Kabinettsjustiz; die Richter, obgleich vom König ernannt, sind nicht Vertteter des Königs, sondern selbständige Organe des Staates, die darum auch möglicherweise über königliche Angelegenheiten richten können. Das ist der Grundsatz der Unabhängigkeit der Rechtspflege, den man deswegen für nötig fand, weil die Rechtspflege nicht beeinflußt werden darf durch die verschiedenen, oft wechseln­ den Bestrebungen der Verwaltung und Politik, und weil das Recht auch der Politik gegenüber standhalten muß; denn Recht muß Recht bleiben. $ 20. Organisation im einzelnen. Im übrigen beruht die Organisatton der Gerichte teils auf dem Einzelrichtersystem, teils auf dem System der Richtermehrheit oder Kollegialität. DaS erste System war bekanntlich im römischen Rechte das regel­ mäßige.: es entschied meist nur der eine Mann, wenn auch nach Anhörung eines Rates, vielleicht auch eines ständigen Rates, der ihm seine Ansicht vorzuttagen hatte. Er konnte also einen Teil der Intelligenz vom Rat annehmen, er allein aber hatte den Willen, er allein hatte die Entscheidung und die Verantwortung. Doch gab es auch schon im Altertum Ausnahmen. Im übrigen ist das Mehrheitssystem hauptsächlich in Italien entwickelt worden und hier vielfach aus einer Umbildung des Schöffensystems entstanden. Wenn man nämlich den Vorsitzenden als Mitschöffen behandelte und mitstimmen ließ, so war die Um­ wandlung zum Kollegialgericht vollzogen; und auf diese Weise gestaltete es sich auch im königlichen oder städtischen Rat und gestaltete es sich in den höheren Gerichten Deutschlands. So hatte sich die Sache in Italien entwickelt, so wurde sie in Deutschland über­ nommen, während die Schöffenverfaffung selbst in Deutschland zu Grunde ging und die Schöffen schließlich nichts anderes als Gerichtszeugen und konttollierende Beisitzer waren, übrigens ist das Mehrheitssystem auch das System Frankreichs geworden, während das nicht durch Italien beeinflußte England nur bei Gerichten höherer Instanz eine Mehr­ heit mitwirken läßt, während in der ersten Instanz, auch in größeren Sachen, nur ein Richter urteilt, dem allerdings die Sachen vielfach von den sogenannten masters vorbereitet werden. Wir haben in allen bedeutenderen Sachen das Mehrheitssystem. Es besteht darin, daß mehrere Richter entscheiden und zwar nach Mehrheitsabstimmung, während einer derselben, der Vorsitzende, zugleich die Rechtssache zu leiten und insbesondere den Prozeß von einem Stadium zum anderen weiter zu schieben hat. Dabei gilt folgendes: jedes Mehrheitsgericht bildet eine Behörde, welche aus verschiedenen Abteilungen zu bestehen pflegt. Die Behörde ist zwar keine juristische Person, sie ist ein Organ des Staates, aber ein Organ mit einer gewissen Selbständigkeit und einem ihm zugewidmeten Vermögen. Diese Behörde besteht regelrecht aus mehreren Abteilungen, unter die die Geschäfte ver­ teilt find, und zwar in der Art, daß eine Anzahl Mitglieder aus der Abteilung jeweils das fungierende Gericht bilden. Man unterscheidet also: Behörde, Abteilung, fungieren­ des Gericht. Das ist natürlich: die Behörde, auch die Abteilung, besteht aus mehr Mit­ gliedern als das fungierende Gericht; die Abteilung deshalb, weil für den Fall der Verhinderung des einzelnen doch das fungierende Gericht gebildet werden muß, und eine

1 Schon Locke a. a. O. spricht davon, daß es may be too great a temptation to human frailty, apt at grasp a power, for the same persons, who have the power of making laws, to have also in their hands the power to execute them ....

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II

Zivilrecht.

Mehrheit von Abteilungen ist gegeben, da eine Abteilung der Geschäfte nicht Herr würde; so besteht daS Mehrrichtergericht auS sogenannten Kammern (bei OberlandeSgerichten und Reichsgericht Senate genannt). DaS Verhältnis der Abteilungen tritt regelrecht nach außen nicht hervor; in welcher der Kammern die Sache verhandelt wird, geht die Parteien nichts an (mit einer als­ bald, S. 73, zu erwähnenden Ausnahme); die Kammern entscheiden nicht als Kammern, sie entscheiden als Organe de- Gerichts, oder vielmehr durch sie entscheidet das Gericht als Gerichtsbehörde, und dieses entscheidet nicht minder, wenn auch eine andere Kammer entschieden hat, als regelrecht hätte entscheiden sollen (vgl. R.G.Strafs. Bd. 23 S. 235, »d. 28 S. 215). Aber nicht nur die Kammern oder Senate find für die Gerichtsbehörde tätig, sondern unter Umständen auch der sogenannte beauftragte Richter; dies ist ein Gerichts­ mitglied, das vom Mehrheitsgericht aufgestellt wird, um eine einzelne Prozeßhandlung vorzunehmen, so eine Zeugenvernehmung, einen Augenschein und das Verhör der Parteien im Rechnungsverfahren, d. h. in dem Verfahren, welches stattfinden kann, wenn die Parteien über verschiedene Poften und Gegenposten streiten. Die Tättgkeit eines beauf­ tragten Richters ist gleich der Tättgkeit des Gerichts, aber nur innerhalb seiner Schranken, überschreitet er diese Schranken, ginge er gar so weit, das Urteil zu fällen, so wäre ein solches Handeln nicht ein Handeln des Gerichts, und daher nichttg. Zu den Organen des Gerichts gehört der Gerichtsschreiber, welcher zunächst als Protokollführer gedacht ist: er hat das Sitzungsprotokoll zu führen und (nebst dem Dorfitzenden) zu unterzeichnen (§ 163 Z.P.O). Als solcher stammt er aus dem germanisch­ kanonischen Prozeß. Schon von alterd her verwandte man in Deutschland Notare zur Er­ richtung einer notitia über die Gerichtsverhandlungen. Durch die berühmte Dekretale c. 11 X de prob. (2, 19) hat Jnnocenz III. die Notwendigkeit eines Gerichtsschreibers bestimmt. Übrigens hat der Gerichtsschreiber auch bei der Zustellung und bei der Vollstreckung zu tun (§§ 100, 168, 196, 204, 207, 753 Z.P.O.). Auch er kann unter Umständen für das Gericht handeln. Er kann insbesondere eine Reihe von Rechtshandlungen der Partei entgegennehmen, so namentlich eine Ab­ lehnung des Richters (§ 44), daS Gesuch um Armenrecht (§ 118), um Beweissicherung (tz 486), um Aussetzung des Verfahrens (§ 248), das Gesuch um Kostenfeststellung (§ 104), daS Gesuch um Arrestlegung (§ 920), unter Umständen die Beschwerde (§ 569), die Erklärung der nach­ träglichen Eidesleistung (§ 466), den Antrag auf Rückgabe der Sicherheit (§§ 109, 715), den Entmündigungsantrag (§ 647), den Aufgebotsantrag (§ 947 Z.P.O.). Noch weiter reicht seine Tättgkeit im amtsgerichtlichen Verfahren, wo er insbesondere auch die Klage in der Art entgegennimmt, daß er ihr die entsprechende Fassung gibt, geeignet, um zugestellt und dadurch erhoben zu werden (§§ 496, 497, 501, 502 Z.P.O.). Auch die Tätigkeit des Gerichtsschreibers ist eine Tättgkeit des Gerichts, aber nur dann, wenn er sich innerhalb seiner Schranken hält; sonst wäre sie keine Gerichtstättgkeit und damit nichttg. Als Tätigkeit des Gerichts unterliegt sie den gesetzlichen Bestimmungen; die Partei ist nicht in der Lage, ihm ein anderes Verfahren vorzuschreiben (R.G. 46 S. 323).

S. Arten der ordentlichen Gerichte. § 21. Die regelrechten Gerichte (erster Instanz) sind die Landgerichte, die durch ihre Zivilkammern die bürgerlichen Rechtssachen erledigen. Die Zivilkammer als fungierendes Gericht hat drei Richter, mit Einschluß des Vorsitzenden. Die Geschäfte werden für daS ganze Jahr nach bestimmten Gesichtspunkten verteilt. Es ist nicht etwa gestattet, beliebig Sachen von der einen Kammer auf die andere Kammer überzuschieben. Der Grund ist der: man fürchtet eine Beeinfluflung der Rechtssachen, indem sonst die Möglichkeit gegeben wäre, die Kammern so zu bilden, daß im einzelnen Falle gerade Richter einer bestimmten Lebensanschauung und einer bestimmten politischen Richtung tätig wären. Die Gerichts­ tätigkeit des Landgerichts durch Tätigkeit der Zivilkammern ist daher eine objektiv abgeteilte — allerdings nur im obigen Sinne (vgl. G.B.G. § 62 f.).

10. I. Kohler, Zivilprozeh- und Konkursrecht.

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In dies System nun hat man die Kammer für Handelssachen hineingefügt. Man wollte nämlich nicht mehr selbständige Handelsgerichte haben, um die vielen überflüssigen Streitigkeiten, ob eine Sache an das Handelsgericht oder an das bürgerliche Gericht gehöre, zu vermeiden. Allerdings ist diese Kammer als fungierendes Gericht anders zusammen­ gesetzt als die Zivilkammern, nämlich mit einem Mitglied deS Landgerichts und zwei kaufmännischen Beisitzern. Aber trotzdem handelt sie als Organ des Landgerichts und für das Landgericht, und wenn eine Zivilkammer die Streitsache als handelsgerichtlich erklärt und umgekehrt, so wird sie einfach an die betreffende Kammer verwiesen, und eS hat dabei sein Bewenden. Etwas Besonderes ist eS, daß bei dieser Verweisung die Parteien eine Rolle spielen: der Kläger hat zu beantragen, daß die Sache an die Kammer für Handelssachen kommt; der Beklagte kann die Verweisung an die Zivilkammer be­ gehren, wenn die Sache nicht der Kammer für Handelssachen angehört, ebenso umgekehrt, wenn eine an diese Kammer gehörige Sache an die Zivilkammer gebracht ist; außerdem kann die Kammer für Handelssachen von sich aus eine Sache an die Zivilkammer ver­ weisen, nicht «ber umgekehrt (§ 103 f. G.B.G.). Die höheren Jnstanzgerichte sind sämtlich Kollegialgerichte mit Senaten als Ab­ teilungen, wovon die Oberlandesgerichte als fungierende Gerichte mit fünf Richtern und das Reichsgericht als fungierendes Gericht mit sieben Richtern entscheidet. Möglich ist eS, daß das fungierende Gericht ausnahmsweise aus sämtlichen Mit­ gliedern aller oder einzelner Abteilungen der Gerichtsbehörde besteht. Dies trifft zu, wenn die „vereinigten Zivilsenate" oder das „Plenum" des Reichsgerichts ent­ scheidet, was in dem Falle stattfindet, wo ein Zivilsenat vom anderen, oder (das Plenum), wo ein Zivilsenat von einem Strafsenat in der Entscheidung abweichen will. Da­ fungierende Gericht wird hier dadurch gebildet, daß sämtliche Mitglieder der Zivilsenate oder deS ganzen Reichsgerichts oder mindesten- so viele tätig find, daß die anwesenden Personen zwei Drittel dieser Mitglieder auSmachen (§ 137 f. G.V.G.). Einzelrichter find die Amtsrichter. Auch hier ist zu unterscheiden zwischen Amts­ gericht und dem einzelnen Amtsrichter als fungirendem Richter; und auch hier sollen nach dem Geiste des Gesetzes die Streitsachen nach einer bestimmten Ordnung verteilt werden, wofür aber die Landesgesetze Bestimmung geben *. übrigen- haben die Amts­

richter noch ganz andere Tätigkeiten, insbesondere Tätigkeiten der freiwilligen Gerichts­ barkeit, von denen hier nicht weiter zu sprechen ist ; aber auch hier ist die Abteilung nut ein Analogon der Kammerabteilungen, eS ist nicht so, als ob bei dem Amtsgerichte mehrere Behörden vereinigt wären *. Der Amtsrichter entscheidet in den bürgerlichen Sachen allein, er kann auch keinen Schöffen zuziehen; der Amtsrichter als Amtsrichter ist fungierender Richter. Im Gegensatz dazu entscheiden von den Sondergerichten die Gewerbegerichte wieder «als MehrheitSgerichte und zwar ein Vorsitzender mit LaienbekfiSern, welche teils den Arbeitgebern, teils den Arbeitnehmern entnommen sein müssen (g 24 Gewerbe-G.Ges.). Für den Richter, für da- Mitglied deS Gerichts ist die Richtertätigkeit Recht und Pflicht. Ausnahmsweise kann ein Richter berechtigt und verpflichtet sein, die Richter­ tätigkeit zu verweigern. Verpflichtet ist er, im Falle er „ausgeschlossen" ist, d. h. wenn eine Unverträglichkeit zwischen seiner Person und der bestimmten Rechtssache vorliegt, insbesondere wenn er selbst Partei ist oder in der Sache in einer dem Richteramt widerstrebenden Tätigkeit Wie ist eS hier bei bedingtem (EideSMrteiN Uber diese formalistische Kleinigkeit mußte noch eine Entscheidung der Bereinigten Senate des R.G.S ergehen (Entsch. 48 S. 423)! Soweit stecken wir im Formalismus. 8 Hier geschehen die Zustellungen auf Betreiben des Richters (§ 32 G G G ).

10.

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Kohler, Zivilprozeß- und Konkursrecht.

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II. Hlrrtersuchuugsverfayreu. 1. KSlle. § 45. Im Gegensatz zum Prozeß als Kampfesverhältnis stehen diejenigen Arten des Verfahrens, bei welchen der Jnquifitions- oder UntersuchungSgrundsatz gilt, d. h. der Grundsatz, daß der Richter das einmal eröffnete Verfahren in freier Tätigkeit, un­ behindert um die beteiligten Personen zu Ende führt, wo die beteiligten Personen zwar unterstützend in den Prozeß eingreifen dürfen, ohne aber maßgebende Parteistellung zu haben. Diese Art des Verfahrens ist aus dem Strafprozeß genügend bekannt. Der Zivilprozeß hat sie nur in wenigen Fällen. Sie gilt: 1. im Entmündigungsverfahren, d. h. im amtsgerichtlichen Verfahren, das zur Entmündigung oder zur Aufhebung der Entmündigung führt (§§ 646 f., 675 f.). In dieser Beziehung ist zu bemerken: Das Entmündigungsverfahren besteht aus zwei Teilen: zunächst einem Verfahren, wodurch jemandem durch Entmündigung die Geschäftsfähigkeit ganz oder teilweise ab­ gesprochen wird. Dies ist ein Prozeßverfahren, denn es handelt sich um Feststellung einer für das Persönlichkeitsrecht im höchsten Grade bedeutsamen Rechtslage, um die Geschäftsfähigkeit einer Person. Über diese soll und muß eine gerichtliche Entscheidung

ergehen; man darf über eine der wichtigsten Rechtsstellungen des Menschen nicht ohne Entscheidung hinwegschreiten. Allerdings gilt hier folgendes: die Geschäftsunfähigkeit oder Geschäftsbeschränkung entsteht (regelmäßig) erst mit der Entmündigung, und man könnte daher meinen, daß der Entmündigungsbeschluß nicht etwa ein vorhandenes Recht fest­ stelle, sondern neues Recht begründe und darum der freiwilligen Gerichtsbarkeit an­ gehöre. Das ist aber, wie ich anderwärts dargetan tyxbex, unrichtig; denn daß jemand geschäftsunfähig oder geschästsbeschränkt wird, hat seinen Grund in seinem Verhalten und in seiner Geistesverfassung; daß die Feststellung des Gerichts hinzutreten muß, damit der EntmündigungSerfolg eintritt, das ist nur eine Bedingung, eS ist nicht die Ursache; eine Bedingung, begreiflich, da man eine für den Verkehr der Allgemeinheit und für die Stellung des einzelnen so wichtige Frage nicht im ungewiffen lasten kann. Man hät allerdings behauptet, die Entmündigung sei schon darum etwas der frei­ willigen Gerichtsbarkeit Angehöriges, weil sie nur eine Vorbereitung der Vormundschafts­ bestellung wäre. Das ist aber völlig verkehrt. Zuerst muß die GeschäftSbeschränkung festgestellt sein, und erst dann darf man zur BormundschaftSbestellung schreiten. ES ist ebenso, als wie wenn man in einem Fall, wo eine Sequestration deS Vermögens eintreten soll, die Untersuchung deS Rechts , welches zur Sequestration führt, nur als eine Vorbereitung der SequestrationStätigkeit behandeln und das Ganze darum unter die fteiwillige Gerichtsbarkeit stellen wollte. Sicher hat die Persönlichkeit doch das Recht, daß man zuerst die unglückliche Schwächung, in welcher sie sich befindet, feststellt und daraus das Recht ableitet, ihr einen Vormund zu setzen; das ist eine richtigere Auf­ fassung, als daß man einem Menschen ohne weiteres einen Vormund setzt und zur näheren Erläuterung einfach seine Entmündigung ausspricht. Hierfür spricht auch ent­ scheidend, daß mitunter der eine Staat den Menschen entmündigt, der andere ihm einen Vormund setzt, wie aus a. 23 B.G.B. sicher hervorgeht; auch erfolgt die Entmündigung nicht durch den Vormundschastsrichter, sondern durch daS Prozeßgericht. Vgl. auch oben S. 53.

Ist auf Entmündigung erkannt worden, so erfolgt die etwaige Beschwerung da­ gegen nicht durch Beschwerde, sondern dadurch, daß der JnquifitionSprozeß in den Partei­ prozeß übergeleitel wird, in einen Parteiprozeß mit künstlichen Parteirollen, wo auf der klägerischen Seite der Entmündigte oder sein gesetzlicher Vertreter, auf der anderen Seite der Staatsanwalt als Beklagter fungieren kann, aber auch die die Entmündigung Beantragenden 1 Prozeßrechtliche Forschungen S. 108.

II. Zivilrecht.

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als streitgenössische Intervenienten zuzuziehen sind. Der Prozeß folgt den Regeln deS Offizialprozesses und ist insofern oben bereits zur Erörterung gelangt (S. 88 u. 98).

So das Verfahren wegen Entmündigung. Das gleiche Verfahren kann stattfinden wegen Aufhebung der Entmündigung infolge der Heilung.

2. Weitere Kalle des Untersuchungsverfahrens kommen im Vollstreckungswesen vor. Dahin gehört insbesondere das BerteilungSverfahren, das bei der „Mobiliar" Vollstreckung wie bei der Zwangsvollstreckung in unbewegliches Vermögen stattfindet (§ 872 ff. Z.P.O., §§ 105 f., 156 Z.B.G.).

Dahin gehört das Prüfungs- und Zwangsvergleichsverfahren im Konkurs (§ 141 f., 184 Konk.O.). In dieser Hinsicht ist auf das Vollstreckungs- und Konkursverfahren zu verweisen.

8. Endlich gehört hierher das Aufgebotsverfahren, von dem gleichfalls unten die Rede sein wird. Auch bei diesem kann im Wege der Beschwerung das Verfahren in ein Parteiverfahren mit künstlicher Parteibildung umgewandelt werden.

2.

Verfahren-grundsätze.

5 46. Bei dem Untersuchungsverfahren gibt es keine Parteien, sondern nur Be­ teiligte; es findet kein Kampfverhältnis statt, auch keine Klage, und es fallen daher alle Grundsätze, die in dieser Hinsicht entwickelt worden sind, weg. Das Gericht hat von sich auS das Nötige vorzukehren, eS kann Tatsachen und Beweise ohne Rücksicht auf daS Vorbringen der Beteiligten berücksichtigen (§ 653, 952 Z.P.O.), womit nicht ausgeschlossen ist, daß den Hauptbeteiligten in dieser Beziehung Vorrechte gegeben find (8 658 Z.P.O.). Besonders bedeutsam ist, daß im Entmündigungsverfahren der eine der Beteiligten, der zu Entmündigende, selbst als Beweisgegenstand behandelt wird a) durch Vernehmung (§ 654), b) durch Beobachtung in einer Anstalt (bis zu sechs Wochen) (§ 656). beiden Zwecken kann Gerichtszwang stattfinden (vgl. § 654 Z.P.O.).

Zu

Im übrigen aber gilt folgendes:

1. Auch daS Untersuchungsverfahren kann so geordnet sein, daß es durch den Antrag einer Partei- und prozchfähigen Person angeregt werden muß; so das EntmündigungS-, so daS Aufgebotsverfahren, wobei der Anttag schriftlich eingereicht oder dem Gerichtsschreiber zu Protokoll gegeben werden kann (§§ 647, 947 Z.P.O.). Ist dies der Fall, so kann der Antragsteller den Antrag mit dem Erfolg zurückzunehmen, daß das Verfahren aufgehoben werden muß. Die Zurücknahme kann auch eine stillschweigende sein; auch eine Unterlassung kann die Wirkung der Zurücknahme haben (§ 954 Z.P.O.). Sonst ist das Verfahren vom Anttag unabhängig; nur die Verbringung in eine Heil­ anstalt zur Beobachtung bedarf der Zustimmung deS Antragstellers (§ 656 Z.P.O.).

2. Besonderes gilt von der Prozeßfähigkeit des zu Entmündigenden im Ent­ mündigungsverfahren. Ist dieser bereits, etwa wegen Geistesschwäche, entmündigt und soll eine Entmündigung anderer Art, z. B. wegen Geisteskrankheit, erfolgen, so muß der gesetzliche Vertreter mit zugezogen werden (vgl. § 660 Z.P.O.). Das gleiche ist der Fall, wenn der zu Entmündigende einen gesetzlichen Vertreter im Sinne des § 1906 des B.G.B. erhalten hat. Möglich ist eS ferner, daß der zu Entmündigende geisteskrank, aber nicht geschäftsunfähig ist; dann bewegt sich das Verfahren in den Normen der Prozeßfähigkeit. Möglich ist aber allerdings, daß der Zustand des Geisteskranken zur Geschäftsunfähigkeit geführt hat: hier kann ein Verfahren stattfinden, während der Hauptbeteiligte prozeßunfähig ist und keinen Vertreter hat; denn die Aufstellung eines Vertreters nach § 1906 B.G.B. ist möglich, aber nicht notwendig. Endlich kann der Entmündigte und infolgedessen Geschäftsunfähige oder Geschäftsbeschränkte nach § 675

10.

I. Kohler, Zivilprozeß- und Konkursrecht.

103

Z.P.L. rechtsgültig den Antrag auf Wiederaufhebung des Verfahrens stellen; er kann es allein, ohne seinen gesetzlichen Vertreter. Dies sind Fälle, wo man aus der Norm herausgeht, aber mit Rücksicht auf den furchtbaren Ernst der Lage und auf die Notwendigkeit staatlicher Fürsorge.

Drittes Buch.

Prozeß als Aechtsverhältnis. Erster --schnitt: AarteiProzeß. A. HkectztsvevhLktnis bis zürn gnöurteiC. L Allgemeines. § 47.

Der Prozeß ist nicht bloß ein Verfahren, sondern ein Rechtsverhältnis, d. h. ein Verhältnis, aus welchem rechtliche Folgen hervorgehen und das sich mit diesen Folgen in rechtlich bestimmter Weise entwickelt. Der Prozeß als Rechtsverhältnis hat seine Voraussetzungen wie jedes Rechts­ verhältnis; Voraussetzungen, die entweder so wichtig sind, daß bei deren Ermangelung das ganze Rechtsverhältnis nichtig ist oder angefochten werden kann, oder weniger wichtig, aber doch immerhin so bedeutsam, daß es als Pflicht des Richters erscheint, bei Ermangeklng solcher Voraussetzungen das Verfahren nicht weiter zu führen. Außerdem gibt eS noch Urteilsvoraussetzungen, denn die UrteilStätigkeit ist von der sonstigen Prozeßtätigkeit wesentlich verschieden. Man hat auch von AlagevorauSfetzungen gesprochen, im Gegensatz zu ProzeßvorauSsetzuu-eu; allem das ist unzutreffend, wie sich alsbald (S. 107 f.) ergeben wird. Die Voraussetzungen des Prozeßverhältnisses sind vor allem: daS Vorhandensein von Parteien, die Parteifähigkeit (Gerichtsfähigkeit), sodann die Prozeßfähigkeil der Parteien, außerdem die Gerichtsbarkeit des Gerichts und seine Zuständigkeit, sodann die Geeignetheit der Sache zum bürgerlichen Verfahren. Neben diesen grundsätzlichen Voraussetzungen, die für daS Rechtsverhältnis als solches gelten, und von deren grund­ sätzlicher Bedeutung noch unten (S. 189 f.) zu sprechen ist, gibt eS noch andere, die audem Zusammensein und dem Zusammenstoß von Rechtsverhältnissen sich ergeben. Dahin gehört vor allem, daß die Sache nicht anderwärts rechtshängig sein darf und auch niHt rechtskräftig entschieden. Nach beiden letzten Richtungen hin hatte die frühere Theorie gefehlt: man nahm vor meinen Ausführungen1 an, daß die Rechtshängigkeit ebenso wie das Borbeschiedensein der Sache (res judicata) nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag des Beklagten berücksichtigt werden dürfe, mit anderen Worten, daß hier nur eine Einrede im eigentlichen Sinn, eine exceptio, gegeben sei. DaS widerspricht der ersten Grundauffaffung von der Stellung des Gerichts, denn dieses hätte den Parteien nach ihrem Belieben die Sache zwei-, drei- oder zehnmal zu entscheiden, auf die Gefahr hin, daß die eine Entscheidung so, die andere anders ausfiele; solches entspricht der Würde des Gerichts gewiß nicht. Mit Recht nimmt man denn auch neuerdings an, daß der­ artiges von Amts wegen zu berücksichtigen ist, und dies besagt ausdrücklich die österreichische Z.P.O., die auch hier eine sehr verständige Bestimmung hat (§ 240). Aber auch die deutsche Z.P.O. ist in solcher Weise auSzulegen, wenn schon Üe Prozeßnovelle eS ver­ säumt hat, in dieser Beziehung veralteten Vorurteilen entgegenzutreten. Prozeßrechtliche Forschungen S. 95 f. (1889).

AuS §

274

II. Zivilrecht.

104

Z. 4 Z.P.O. folgt durchaus nicht, daß die Rechtshängigkeit nur auf Antrag zu berück­ sichtigen fei, und wenn hier von Einrede die Rede ist, so fehlt leider der Z.P.O. in dieser Richtung der genaue Sprachgebrauch, der das B.G.B. auszeichnet. Im übrigen entspricht der Ausschluß der nochmaligen Klage völlig dem Gedanken des deutschen Rechts. Frühere Rechte bestimmten sogar eine Strafe gegen den, der eine bereits angebrachte oder bereits entschiedene Sache nochmals anrührt*. Außerdem gibt es aber Fälle, die so geartet sind, daß zwar der Prozeß an und für sich als Verhältnis feststeht, daß aber der Beklagte befugt ist, das Verhältnis, wenn nicht zu sprengen, so doch seinen Erfolg von der Erfüllung einer Bedingung abhängig zu machen; solcher Fälle gibt eS drei: 1. wenn der Beklagte vom Kläger eine Prozeßkostenficherheit verlangen kann; 2. wenn er von ihm verlangen kann, daß die Kosten eines früheren Verfahrens zuvor entrichtet werden sollen, falls nämlich in derselben Sache schon Klage erhoben und nach der Erhebung zurückgenommen worden ist; 3. wenn im Aktien­ recht der Beklagte verlangen kann, daß der Kläger vor der Prozeßfortsetzung Sicherheit stellt, so namentlich bei Anfechtung eines GeneralversammlungSbeschlufses und bei Er­ hebung einer Gründerklage. Man kann hier von Prozeßeinreden im eigentlichen Sinn oder Prozeßexzeptionen sprechen: der Prozeß ist an sich begründet, der Beklagte aber kann den Erfolg des Prozesses vereiteln, falls nicht die entsprechende Leistung gemacht wird (§ 274 Z.P.O., Ztz 269, 272, 309 H.G.B. u. a.)«. Da der Prozeß ein Rechtsverhältnis ist, so ist 1. an sich auch ein simulierter Prozeß denkbar; allein die Simulation hätte nur dann Simulationscharakter, wenn der Richter in die Simulation hineingezogen würde, was nicht sein darf. Wohl aber kann unter den Parteien die gültige Abrede bestehen, daß der Kläger vom Urteil keinen oder nur beschränkten Ge­ brauch machen darf, was durch Dollstreckungsgegenklage (f. unten S. 108) geltend gemacht werden kann. 2. Die Prozeßtätigkeit kann eine Tätigkeit zum Nachteil der Gläubiger sein und demgemäß in der Art angefochten werden, daß, wer etwas aus dem Prozeß er­ langt hat, es herausgeben mufc8 1 .* * * * * *

n. Llagr als rin das ArchksvrrhLltnks rknlrttendrs LechtsgrfchLft. 1.

Allgemeines.

§ 48. DiS Klageerhebung ist ein Rechtsgeschäft, welches die Rechtshängigkeit be­ wirkt, mit ihren zivilrechtlichen und prozessualischen Folgen. Damit steht nicht im Widerspruch, daß das dadurch begründete Verhältnis noch in Schwebe bleiben kann und der Kläger noch in der Lage ist, die Klage zurückzunehmen, ohne auf seinen Anspruch zu verzichten. Nach der Prozeßordnung ist dies gestattet, solange der Beklagte in münd­ liche Verhandlung sich nicht eingelassen, d. h. nicht die materiellen Klagepunkte beant­ wortet hat. Daher steht insbesondere die Verhandlung über eine Prozeßeinrede der Rücknahme der Klage nicht im Wege. Dies ist auch sehr begründet, denn es kann völlig im Interesse der Sache liegen, daß dem Kläger die Möglichkeit gegeben ist. 1 Eo Liber. Pap. Carol. M. c. 90 (15 sol. oder 15 ictus); Breve Pisani Communis 1286 (20—100 sol); Modena 1327 IV 178; Lividale (1309) a. 79; Florenz (1415) III 173, Pia­ cenza, Stat merc. (13. Jahrh.) a. 594 (Mon. hist, ad prov. Parm. pert 16 p. 155), Ferrara 1534 p. 170f. Ferner daS Recht v. Echlettstadt 1292 (Acta imperii II p. 153: wer eine res judicata secundario conqueritur, gracia nostra carebit. 8 Im Falle 3 liegt eine Prozeßeinrede, allerdings keine prozeßhindernde Einrede in dem später dtuvov ntgl tv tykov äaoGTdXtw. Verwandte, gleichzeitige und spätere Quellen, die ötdaoxalia tGiv dnoarolwr und die apostolischen Konstitutionen (I—VI, VII und VIII) haben im Abendland nie gegolten.

Harnack-Preuschen, Geschichte der altchristlichen Litteratur I 1893, II 1 1897, Jus ecclesiasticum, Berliner Ak. S. B. 1903; Krüger, Geschichte der ältchristlichen Literatur, 1895, mit Nachtrag 1897; Bardenhewer, Patrologie2 1901, Geschichte der altkirchlichen Literatur 1902; Ehrhard, Die altchristliche Literatur und ihre Erforschung von 1884—1900. I 1900; Gebhardt, Harnack, Zahn, Patres Apostolici I2 1878, II 1876, 111 1877 (Kleine Ausgabe2 1894); Funk, Patres Apostolici2, 1901; Gebhardt und Harnack, Texte und Untersuchungen zur Geschichte der ältchristlichen Literatur (T. 11.), seit 1883, bis jetzt 24 Bde., darin 1884 die Didache; Friedberg, Die älteste Ordnung der christlichen Kirche (Didache mit Übersetzung), Z. f. Kr. XIX, 1884; Schlecht, Doctrina XII apostolorum, 1901; Funk, Die apostolrschen Konstitutionen, 1891; Das 8. Buch der apostolischen Konstitutionen, 1893; Achelis, Hippolhtus im Kirchenrecht, Z. f. Kg. XV, 1895; Harnack, Das testamentum domini nostri Jesu Christi, Berliner Ak. S B., 1899; Funk, Das Testament unseres Herrn, 1901, La date de la didascalie des apötres, R. h. 6. II, 1901.

IV. Öffentliches Recht.

814

§ S. Korkirchliche Berfaffimg-deftarrdteile. Der Wegfall der charismatischen Wandermisfion schafft Raum für die örtlichen Ge­ walten, deren Bildung bei gleichartigen Verhältniffen und Bedürfnissen in wesentlicher Übereinstimmung sich vollzieht. Die Ansätze hierzu reichen in die apostolische Zeit zurück; inwieweit nichtchristliche Anknüpfungspunfte bestanden, kann dahingestellt bleiben, da die Eigenart des Ergebnisses feststeht. Aus den Christen eines Orts oder Landstrichs ragt regelmäßig eine kleine Anzahl hervor von Erstbekehrten (1. Kor. 16,15) und besonders Bewährten, in nachapostolischer Zeit auch von solchen, die durch apostolische Erinnerung oder bloß durch daS Ansehen des Alters (TiQEoßdrtQoi) sich auszeichnen. Ihnen wird vom Gründungsapostel (A.G. 14,8»; Tit. 1,») die Obsorge (ImoxonPhilipper l,i; A.G. 20,88; 1. Petr. 5,i) für ihre Milchristen am Orte anvertraut (n^oiardptyot Röm. 12,8;

1. Theff. 5,ia), oder sie nehmen selbst die Leitung an sich Hebr. 13,t), in der Armenpflege durch dienende Brüder (didxovoi , Philipper l,i; Did. 15) unterstützt. Indem die Alten ihre Vorrangstellung weitergeben (1. ClemenSbrief, um 90 in Rom entstanden), werden sie zu einem Ältestenvorstand 1. Tim. 4,u), aus dem bald als buoxonoi (Philipper l,i) im engeren Sinne diejenigen sich herausheben, die als Erben der aussterbenden Apostel, Propheten und Lehrer Gebet, Opfer und mehr und mehr auch die Lehre mitübernehmen (Did. 15; Hermas mit 1. Tim. 5,n). Des­ gleichen gewinnt die Ortschristenschaft (kcxXipia im apostolischen Sprachgebrauch — Christen­ schaft und — Christenheit), die noch in nachapostolischer Zeit nicht einmal allumfassend (Hebr. 10,85; Barnabas; Hermas) und jedenfalls ganz zufällig zusammengesetzt war, da­ durch rechtliche Bedeutung, daß sie über Ausschluß und Wiederaufnahme, über Vorsteher­ annahme und dergl. (1. Kor. 5,i-»; 2. Kor. 1,88 f., 2,5 ff., 7,12; Did. 15) zu befinden sich

gewöhnt, und wird zu einer den betreffenden Christenverband darstellenden und mit

Wirkung für ihn beschließenden Generalversammlung. Ritschl, Entstehung der altkatholischen Kirche*, 1857; Hatch-Harnack, Die Gesellschafts­ verfassung (ber christlichen Kirchen im Altertum, 1883; Loening, Die Gemeindeverfaffung des UrchnstentumS, 1889; Loofs, Die urchristliche Gemeindeverfaffung, Th. St. K. LXIII, 1890; Sohm, Kr. I §§ 8—12, Harnack, Jus ecclesiastium (§ 2).

§ 4.

Der monarchische Episkopat und die Einzelkirche.

DaS Ergebnis der Verrechtlichung ist nicht eine Gemeinde, sondern die zunächst allerdings noch stark mit körperschaftlichen Beimischungen durchsetzte Gestalt der Bischofs­ kirche. Die in einer feindlichen Umgebung lebende Christenschaft bedarf eben der ein­ heitlichen Leitung, und Eroberungen kann die nunmehr beginnende OrtSmisfion nur machen, wenn ihre Fäden in einer Hand zusammenlaufen. Nach Einheit drängt auch die Glaubensentwicklung. Die Angriffe der Heiden überwindet das junge Christentum durch den vorbildlichen Wandel und Bekennermut seiner Anhänger sowie durch den über­ wältigenden Opfertod seiner Blutzeugen; der schleichenden Verderbnis innerer Zersetzung durch philosophische Umdeutung (Gnosis) vermag es sich wirksam zu erwehren nur durch schlichtes Abstellen auf das Herren- und Apostelwort (neutestamentlicher Kanon mit Glaubensregel) und, wo dieses versagt, auf eine von ihm abgeleitete, lebende Autorität. v. Gebhardt, Ausgewählte Märtyrerakten, 1902; Knopf, Ausgewählte Märtvrerakten, 1901; Zahn, Geschichte deS neutestamentlichen Kanons I 1889, II 1891, Grundriß dazu 1901; Caspari, Quellen zur Geschichte deS Taufsymbols, 1866—1879; Kattenbusch, Das apostolische Symbol I 1894, II 1900.

Im Osten, dessen Denkchristentum zuerst das Bedürfnis nach Glaubensklarheit empfand, wird deshalb (Jgnatiusbriefe bald nach 100) der schon am Ausgange des apostolischen Zeitalters (in Rom 1. Clemensbrief, oben § 3) auftauchende Gedanke der apostolischen Nachfolge so umgebildet und verwertet, daß der nunmehr eine Bischof (Maxonog, aber noch um 200 bei Irenäus und Clemens von Alexandrien auch ngtaßvTEQog)) weil und

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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insofern er sein Amt durch eine ununterbrochene Kette von rechtmäßig bestellten Vorgängern auf die Apostel zurückzuführen vermag (ordo episcoporum per successionem ab initio decurrens), den unverfälscht apostolischen Glaubensgehalt verbürgt (xa&oXixr] Ixxkipla jetzt auch — rechtgläubige Kirche). Bald1 nimmt Rom und das überhaupt ordnungschrist­ liche Abendland diese Entwicklung auf, um sie durch ausgiebige Übertragung auf das Rechtsgebiet zu beschleunigen und zu verstärken. Denn auch hier lassen sich innere Schwierigkeiten wie die nicht mehr zeitgemäße Strenge der Gemeinde gegen die in der Verfolgung Abgefallenen2 * nur überwinden, indem eine Hand, die Milde mit Stärke zu paaren vermag, die Zügel ergreift (römische Bischöfe Calixt 217—222 und Cornelius 251—253 und wie dieser Cyprian von Karthago).

Hinschius, Kr. IV § 243; Sohm, Kr. I §§ 19, 20; Döllinger, Hippolhtus und Kallistus, 1853; O. Ritschl, Cyprian von Karthago und die Verfassung der Kirche, 1885; Koch, Die Büßer­ entlassung in der alten abendländischen Kirche, Th. Q. LXXXII, 1900, Harnack, Vroleaomena zu seiner Ausgabe der Didache (§ 2), Mission (§ 1) S. 152, 165, 293 f., 315 ff.

Noch behauptet sich, z. B. bei der Handhabung der Zuchtgewalt und der Bestellung der kirchlichen Beamten, geraume Zeit die Mitwirkung der Gesamtheit, die ja auch weiterhin den Bischof zu wählen hat, obschon nunmehr der Gedanke der apostolischen Nachfolge und der sich anbahnende Eintritt der Gesamtkirche in das Rechtsgebiet (unten § 6) die Mitwirkung von Nachbarbischöfen (Weihe, Bestätigung) erfordert. Noch beschränkt auch das Presbyterium, das während der Erledigung des Stuhls (cathedra um 250 bei Cyprian) die Leitung hat2, den Bischof in wichtigen Angelegenheiten der Kirchenregierung. Aber im 3. Jahrhundert wird der Episkopat als Richter, Lehrer und Heilsmittler (Cyprian: vicarius Christi, Dei) immer mehr zum gottgesetzten Herrscher4, so daß recht­ lich (bischöfliche litterae communicatoriae für jeden Umsiedelnden!) und dogmatisch (Cyprian: episcopum esse in ecclesia et ecclesiam in episcopo) vom Zusammenhang mit dem Bischof die Zugehörigkeit zur Kirche abhängt (Cyprian: qui cum episcopo non sit, in ecclesia non esse): die Kirche ist nur Bischofskirche. Lit. zu Z 3 und Sohm, Kr. I §§ 13—26; Weingarten, Die Umwandlung der ursprüng­ lichen christlichen Gemeindeorganisation zur katholischen Kirche, H. Z. XLV, 1881; R^ville, Les origines de l’episcopat, 1895 (B. e. h. e.); Douais in den Melanges für Msgr. de Cabrieres, 1899; Michiels, L’origine de l’episcopat, 1900; v. Dunin-Borkowski, Die neueren Forschungen über die Anfänge des Episkopats, Stimmen von Maria Laach, 1900; Ermoni, Les origines historiques de l’episcopat monarchique, R. qu. h. LXVIII, 1900; Funk, Die Bischofs­ wahl, in Kg. A. I; Hinschrus, Kr. II § 117.

§ 5.

Klerus und Laien.

Unter dem Bischof (schon nach den Jgnatianen) stehen (auch in den Gegenkirchen der Marcioniten, Montanisten und Novatianer) Priester und Diakonen, von denen die Priester (um 250 in Rom 46), einzeln ganz abhängig, erst in der Folgezeit als bischöfliche Bevollmächtigte für die Seelsorge (Eucharistie, Taufe) wieder größere Be­ deutung erlangen und zunächst von den Diakonen (auch levitae)5 mit ihrer aus­ gebreiteten Berwaltungstätigkeit, wozu nun auch gottesdienstliche Mitwirkung kommt, stark in den Schatten gestellt werden. In Rom zweigt Fabian (236—250) aus dem siebenköpfigen (Vorbild oben § 1) Diakonat den Subdiakonat (weitere 7, weil 14 1 Jedenfalls seit 150; denn römische Bischofslisten gab es mindestens seit HegefippS Aufent­ halt um 160; Fl am io n, Les anciennes listes öpiscopales des quatre grands si&ges, R. h. 6. I, II 1901/2. 8 Die lapsi zerfielen in die Unterarten der sacrificati, thurificati, libellatici (Opferscheinerschleicher), wozu unter Diokletian die traditores (Schriftauslieferer) kamen. 8 In Rom namentlich 250 während der Decianischen Verfolgung. 4 Cyprian: ecclesia super episcopos constituitur. 6 Daß einer von ihnen vom Bischof immer wieder mit derselben besonderen Vollmacht ver­ sehen wird (diaconus episcopi), was später auf das Amt des archidiaconus, des nach dem Bischof einflußreichsten Geistlichen, führt, wird in einer demnächst zu erwartenden Untersuchung von Leder auSgeführt werden.

IV. öffentliches Recht.

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regiones urbis) zu ähnlicher Verrichtung ab und fügt hinzu oder ein: Akoluthen (Ge­ hilfen, um 260 in Rom 42), Exorzisten (Pfleger der Besessenen), Lcktoren (Schristvorleser) und Oftiarier (Kirchendiener, mit den beiden vorhergehenden um 250 in Rom 52). Die» Vorbild findet Nachahmung, so daß alle kirchlichen Funktionen (ausgenommen Rottause) von nun an durch Beamte besorgt werden. Sie rücken von unten auf und werden bestellt durch Handauflegung (ordinatio), leben aber meist und wesentlich (Oblationen schon 1. Kor. 9,e, Gal. 6,6, Did. 15; Cyprian: divisio menenrna) noch von bürgerlicher Berufstätigkeit (Gehalt bei den Montanisten) *.

Duchesne, Les origines du culte chrötien ■, 1902: Harnack. Mission (82) 819 ff., 497 f., Ueber de« Ursprung bei Lektorats und der anderen niederen Weihen, T. U. Il, 1886; Wieland, Die genetische Entwicklung der sog. Ordines minores, 1897; HinschinS, Kr. II § 86, i; Reuter, DaS Submakonat, 1890, Bischofberger, Die Verwaltung des ExorzistatS9, 1898. Die Stellung dieser kirchlichen Beamtenschaft wird gehoben durch ihre besondere Gefahr (Verfolgung des MaximinuS Thrax 235—238), durch die höheren An­ forderungen, die an des Beamten Bildung* und Lebensführung* in steigendem Maße (Auflommen der Askese) gemacht werden, vor allem aber durch die Übertragung alt-

testamentlicher Wertung auf daS neue Priestertum und durch Beteiligung an der bischöflichen Heilsvermittlung. Die ursprüngliche Vorstellung von der gleichen geistlichen Befähigung aller (xlljgos im N.T. — daS ganze Volk Gottes) weicht dem Glauben an eine höhere Vollkommenheit der kirchlichen Beamtenschaft (xlffpox im neueren Sinn, ordo) im Vergleich (zuerst nach 207 bei Tertullian) mit dem heilsabhängigen, geleiteten Volk (ladff, plebs).

Richert, Die Anfänge der Irregularitäten bis zum 1. allg. Konzil, 1901; ¥ ass al, Le c^libat ecclösiastique au premier stecle de l’äglise, 1896; Zfcharnack, Der Dienst der Frau in den ersten Jahrhunderten der christlichen Kirche, 1902; Achelis, Virgines subintroductae, 1903; Laurein, De l’lntervention des laiques, des dlacons et des abbesses sur Tadmimstration de la pönitence, 1897; Maroger, Le röle des laiques dans Tdglise, 1898.

§ 6.

Sefamtkirche und Primat.

Schon zu Ende des 2. Jahrhunderts gewann auch die Gesamtkirche Rechtsgestalt. Zuvor war sie, wie einst die Einzelkirche, nur eine geistige Größe gewesen. AlS solche hatte sie auch nach dem Wegfall der charismatischen Wandermisfion aus der Vorstellung (Sprach­ gebrauch § 3) sich ergeben, daß die örtliche ixxlipfa ein Abbild des Volkes Gottes (trtfyza

XqmjtoO)

und insbesondere der irdischen Christenheit fei4 1.* * Noch weiter führte der Ge­ danke der apostolischen Succession, indem er, im Verlauf seiner Entfaltung den Episkopat über die Einzelkirchen erhebend, ihn zum Grundpfeiler (JrenäuS um 180: rd Ap/afoy rffc IxxfajataQ (jfotaftia) einer höheren Einheit, eben der Gesamtkirche, machte. Und nun zieht die dogmatische Leiblichkeit die rechtliche nach sich. Der Bischof sendet zum mindesten den Nachbarbischöfen eine Wahlanzeige. Es beginnt unter dem Episkopat ein lebhafter Verkehr. Bereits treten Synoden zusammen, namentlich im Orient (Kanon, Osterstreit 197). So sehr gewinnt die Gesamtkirche rechtliche Greifbarkeit, daß der Ausschluß aus ihr möglich (Fall des antiochenischen Bischofs Paulus von Samosata 269), ja allein möglich wird.

Livsius, Die Zeit des JrenäuS von Lyon, H. Z. XXVIII, 1872; HinfchiuS, Kr. III §8 173, 176; Eohm, Kr. I §5 21—26; v. Schwarh, Die Entstehung der Synoden in der alten Kirche, Leipz. Diff. 1898; Harnack, Mission 412. Bei alledem hat Rom die Führung, Rom, deffen weltliche Herrlichkeit und kirch­ liche Bedeutung zusammenwirken, die größte Gemeinde des ja noch maßgebenden Abend-

Spyridon, Bischof von Trimithus auf Cypern, blieb sogar als Bischof Großbauer und Hirt. Die Glaubenslehre wird kompliziert. Die altchristliche Strenge muß den Nichtbeamten gegenüber gemildert werden; Harnack, S. 159 ff. 4 KaSoKtxi) txxhja/« — allgemeine Kirche ist jedenfalls dem Sinn nach ignatianisch.

1 9 1 Mission

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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landes, ausgezeichnet durch weiten Blick (rasche Abstreifung des Judentums), hoch­ entwickeltes Pflichtbewußtsein (1. Clemensbrief), universale Liebestätigkeit (Ignatius: in erster Linie ausgesetzt und bewährt in der Verfolgung (Nero 64, Valerian 258), literarisch früh hervorragend (1. Clemensbrief, Hermas), von un­ erschütterter Rechtgläubigkeit (Überwindung der Gnosis) und doch in Lehrstreitigkeiten weise vermittelnd (Calixt gegenüber Sabellius) und deshalb auch bei augenblick­ lichem Mißerfolg auf die Dauer doch siegreich (Osterstreit), nach dem Zurücktreten des Griechentums bald unübertroffen in seinem durch den genius loci bestimmten Organi­ sationstalent (§ 5), die Heimat des Gedankens der apostolischen Succession (§ 3), des Taufsymbols und damit der Glaubensregel, endlich die Zeugin der Wirksamkeit und des Martyriums zweier Apostel, des Paulus und des in der Tradition immer mehr hervor­ tretenden Petrus. Kein Wunder, daß diese Kirche schon früh als Bundesgenossin begehrt (Polykarps und der Asiaten Anschluß seit 154) und als Ursitz der Tradition aufgesucht (Hegesipp) wird, daß Irenäus auf die Übereinstimmung mit ihr abstellt, der er den ersten Rang (potior principalitas) unter den Apostelgründungen zuerkennt, und daß Cyprian in ihr die Trägerin der Einheit sieht. In der Tat übte Rom über Italien hinaus auf die Kirchen Afrikas (wenigstens zeitweise), Galliens und Spaniens einen unmittelbaren Einfluß aus. Ja sein Bischof wird schon vor der Anerkennung der Kirche durch den Staat gelegentlich als kirchliche Spitze behandelt (Aurelian 272). Harnack, Dogmengeschichte I8 1897, Das Zeugnis des Irenäus über düs Ansehen der römischen Kirche in den Berliner Ak. S. B. 1893 S. 939 ff., Das Zeugnis des Ignatius über das Ansehen der römischen Gemeinde, ebenda 1896 S. 111 ff., Mission 114 N. 2, 135, 494 ff.; Sohm, Kr. 1 § 14; Uhlhorn, Geschichte der christlichen Liebestätigkeit I2,3 1882—97; Ratzinger, Geschichte der kirchlichen Armenpflege2, 1884; Lallemand, Histoire de la charite I 1962; Funk, Der Primat der römischen Kirche, in Kg. A. I., B lud au, Die Juden Roms im 1. christlichen Jahrhundert, Kath. LXXXIII 1903, Manchot, Die Heiligen 1887. Es entsprach durchaus der allgemeinen Entwicklung, daß das Ansehen der römischen Gemeinde sich auf deren Bischof übertrug, um dann geradezu auf ihm zu ruhen, sowie daß die römischen Bischöfe auf die Verrechtlichung dieses Primats hinarbeiteten (Viktors Osterdekret von 196, Dekret Calixts von 217/18 über die Milderung der Disziplin mit erstmaliger Berufung auf Mt. 16,is). Erfolg hatten diese Bemühungen noch nicht (Protest Tertullians und des conc. Carth. 256 gegen den episcopus episcoporum, Kritik Fermilians von Cäsarea). Die Gesamtkirche blieb auch weiterhin ein Bund von Bischofskirchen, aber als solche eben doch eine rechtliche Einheit. Als Trägerin einer Weltreligion steht vor den Toren des Weltreichs die Weltkirche und begehrt gebieterisch Einlaß. Lipsius, Chronologie der römischen Bischöfe, 1869, Chapman, La Chronologie despremiers listes episcopales de Rome, R. ben. XV11I, XIX 1901/2; Sohm, Kr. I § 15; Hollweck, Der apostolische Stuhl und Rom, 1895: Esser, Tertullian De pudicitia und der Primat des römischen Bischofs, in Kath. LXXXII, 1902. Zweites Kapitel.

Pas römische Kirchenrechl. § 7. Der Eintritt der Kirche in die Welt. Obwohl erst der Glaube einer im besten Fall stattlichen Minderheit, überwindet das Christentum siegreich den letzten Ansturm der von Diokletian neu organisierten Staats­ gewalt (4. Verfolgungsedikt von 304), nötigt den heidnischen Staat zum Eingeständnis seiner Ohnmacht (Dreikaiseredikt vom 30. April 311) und wird alsbald von Konstantin, der es in dem so gut wie christianisierten Kleinasien kennen gelernt hatte, als die Groß­ macht erkannt, ohne deren Bündnis die kaiserliche Weltherrschaft nicht länger aufrecht­ erhalten werden kann. Das Mailänder Edikt von 313 gibt den Christen Religion und Kultus frei und erkennt ihre Kirche (corpus Christianorum=ecclesiae) an. Schwartz und Mommsen, Eusebius Werke II, Die Kirchengeschichte 1 1903; Krüger, Die Christenverfolgung unter Diokletian, Preuß. Jb. LXIV, 1889; Belfer, Zurdiokletianischen Christen Eneyklopädie der Rechtswissenschaft. 6., der Neubearb. 1. Aufl. Bd. II. 52

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IV. üffmtliches Rrcht.

Verfolgung, 1891 (Tüb. Progr); Burckhardt, Die Zeit Konstantin- bei Großen, 1853 (neue Ausl, nicht vom Perf besorgt); Brieger, Konstantin der Große als Religion-politiker, 1880; L. Eeuffert, Konstantins Gesetze und da- Christentum, 1891; Funk, Konstantin der Große und das Christentum, in Kg. A. II; Eeeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt I’, II mit Nachtrag, 1897, 1901, Da- sog. Edikt von Mailand, Z. f. Kg. XU, 1897: Hirschfeld, Zur Ge­ schichte des Christentums in Lugdunum vor Konstantin, Berliner Ak. S. V. 1895; Harnack, Mission 348f., 360ff., 876, 381 ff., 511, 540 ff.

Die Folge ist ein gewaltiges natürliches Wachstum, das mit innerer und äußerer Notwendigkät auf die Alleinherrschaft hindrängt. Dies Streben wird durch die Hilfe der Staatsgesetzgebung, die hierbei, wenn auch in anderem Sinne, durchaus in diokletianischen Bahnen wandelt, künstlich beschleunigt, nach dem durch den Übereifer der Söhne Konstantins mitveranlaßten Rückfall Julians (361—363) zunächst in vorsichtiger RestitutionS- und Übergangspolitik von Balentinian I. und BalenS *. Energischer geht Gratian

cor8* ,* * vor * * allem aber Theodosius der Große, der zunächst im Osten (1. 1—3, 7 cod. Theod. 16, 7) mit der Schließung der Tempel beginnt, aber auch im Westen (im Bund mit Ambrosius von Mailand) trotz des Widerstands der römischen Aristokratie (SymmachuS) 392 den heidnischen Kult verbietet8 und so mit dem gelegentlich schon von Konstantin dem Großen erwogenen Gedanken der religiösen Einförmigkeit des Reichs Ernst macht (1. 12 cod. Theod. 16, 10). In der Tat schlägt nunmehr Martin von Tours (875—401) auch das keltische Heidentum der gallischen Landschaft nieder. Theoretisch und praktisch steht der Grundsatz der Christlichkeit des orbis terrarum bereits so fest, daß Augustin (426) den irdischen Staat (die civitas terrena) für den Dienst des christ­ lichen, jenseits-diesseitigen Gottesstaates (der civitas Bei) in Anspruch nehmen kann, und daß selbst der gerade jetzt erfolgende Einfall ganzer heidnischer Germanenstämme nur noch örtliche Ausnahmen schafft. D. Schnitz», Geschieht* bei Untergangs des griechisch-römischen Heibentnms I, 1887; Allard, Le paganisme au miiieu du 4* si&cle, R. gu. h. LVI, 1894, Le christianisme et Tempire romain de N6ron ä Theodose8 (Bibi, de Fenseign. de l’hist. eccles.) 1899; Boissier, La fin du paganisme*, 1898; Güldenpenning unb Jslanb, Der Kaiser TheobofiuS der Große, 1878: Harnack, Dogmengeschichte III 131 ff.

Freilich droht der Arianismus, der im Osten nur zeitweilig als byzantinisches Regierungschristentum die Oberhand zu gewinnen vermochte, wegen seiner leichten Anpaffung an das VolkStum (gotische Bibelübersetzung des Ulfila) und die Einrichtungen (Eigenkirchen statt HauSpriestertum? Bischöfe statt sacerdotes civitatis ?) der Germanen (Ost- und Westgoten, Sueven, Burgunder und Langobarden) im Westen die Katholizität zu gefährden. Jedoch die Annahme des katholischen Christentums durch die Franken (Taufe Chlodowechs, Weihnachten 496), der im 7. Jahrhundert der Übertritt der Lango­ barden folgt, stellt die Glaubenseinheit des Abendlandes für ein Jahrtausend wieder her, zumal angesichts der durch Wesensverschiedenheit (oben § 4), hierarchische Interessengegen­ sätze (unten § 12) und die Reichsteilung (endgültig seit Arkadius und Honorius 395) verursachten zunehmenden Loslösung der morgenländischen Christenheit eine Tatsache von entscheidender Bedeutung. L. Schmidt, Geschichte der Wandalen, 1901; Pfeilschifter, Der Ostgotenkönig Theoderich der Große und die katholische Kirche, Kg. St. III 1896; Hegel, Geschichte der Städteverfassung von Italien, 2 Bde., 1847; Hartmann, Geschichte Italien- im Mittelalter I, II, 1897, 1903; Crivelucci, Le chiese cattoiiche e i Longobardi ariani in Italia, in Studi storici VI, 1897; Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands I2, 1898; Bernoulli, Die Heiligen der Merowinger, Bossert, in der Württcmbergischen Kirchengerichte, herauSgeaeben vom Calwer Berlagsverein, 1893; Maurer, Tie Bekehrung deS norwegischen Stammes zum Christentum, 2 Bde., 1855 s.; Stutz, Die Eigentirche als Element des mittelalterlich germanischen Kirchenrechts, 1895.

1 L. 18 cod. Theod. 16, 2 spricht von den Heiden bereits als von pagani, was freilich Zahn und Harnack, Mission 187, 298 neuestens nicht als sondern als .Civilisten" (Gegensatz milites Christi) verstehen wollen. 8 Ablehnung der Würde eines pontifex maximus und endgültige Entfernung der ara Victoriae aui dem Sitzungssaal des Senats. 8 Blutige Opfer werden Majestätsverbrechen.

4. Ulrich Stutz, Kircheurecht.

§ 8.

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Die organisierte Weltslncht (Mönchtum).

Die Annäherung an die Welt, bereits in den letzten Jahrzehnten vor dem Entscheidungskampf in vollem Gange', erzeugte eine weltflüchtige Bewegung, mit der sich die bis in die Zeiten des Wiederkunftschristentums zurückreichende asketische Richtung als positives Element paarte. Nach Einsamkeit Verlangende Q*6vaxoi) gehen in die Wüste als Anachoreten oder Eremiten (anachoretisches Mönchtum; Hauptvertreter Antonius, 270—356). Doch organisiert Pachomius die offenen Mönchskolonien, die so, namentlich in Ägypten, entstehen, bald zu geschloffenen Klöstern (jtoraarfoia, zuerst Tabennlfi 322), die sich dann zu ganzen Manner- und Frauenkongregationen (xowSßea\ mit Äbten und

praepositi erweitern (zönobitisches Mönchtum, auch bei und in den Städten). Mit dem Eintritt der Kirche in die Welt nimmt diese Weltflucht mächtig überhand und wird geradezu zur Kirchenflucht und zum Protest gegen die Hierarchie (Laienverbände). Doch wissen im Osten Athanasius und noch besser Basilius der Große (375) daS Mönchtum der Weltkirche als heilsame Ergänzung anzugliedern und mit ihr in Wechselwirkung zu setzen, ein Prozeß, dessen rechtlicher Niederschlag die Bestimmungen des Konzils von Chalcedon von 451 sind (Unterordnung unter den Bischof, bischöfliche Mitwirkung bei der Gründung). Bigelmair, Die Beteiligung der Christen am öffentlichen Leben in vorkonstantinifcher Zeit, 1902; Wllpert, Die gottgeweihten Jungfrauen, Z. f. k. Th. XIII 1889; I. Mayer, Die christliche Askese, 1894; Zückler, Askese und Mönchtum, 1897; Harnack, DaS Mönchtum, seine Ideale und seine Geschichte8* ,* (auch * Reden I) 1900; Amdlineau, Histoire des monastfcres de la basse tigypte, in Annales du mus£e Guimet 1894; Grützmacher, Pachomiu» und daS älteste Klosterleben, 1896; Lade uze, fitude snr le ctinobitisme Pakhomien, 1898 (Löwener Diff); Echiewitz, Vorgeschichte des MönchtumS, DaS ägyptische Mönchtum im 4. Jahrhundert, Geschichte und Organisaturn der pachomianischen Klöster, As. L Kr. LXXVIII-LXXXIII, 1898-1908; Bölter, Der Ursprung des MönchtumS, 1900; Preuschen, Mönchtum und GerapiSkult8 1903.

Die völlige Eingliederung des MönchtumS in die Kirche erfolgte dagegen im Westen, wo Männer wie Hieronymus, Paulin von Nola, Augustin, Martin von Tours und Caspan (de institatis coenobioruin, gegen 426) es verbreiteten, und die Merowinger sowie die burgundischen Herrscher zahlreiche Klöster gründeten, aber erst, nachdem eS durch die Persönlichkeit des Iren Columba (Luxeuil, um 600) zu allgemeinem Ansehen gelangt war, und ihm Benedikt von Nursia (Regel für Monte Casfino, um 530, seit 600 weiterverbreitet) eine feste Organisation und praktische Ziele gegeben hattet Der außer­ kirchliche Ursprung des MönchtumS wirkte eben jahrhundertelang nach; erst gegen Ende dieser und in der folgenden Periode wurde* das Mönchtum kirchlich und kirchenrechtlich bedeutsam. Päpstliche Klosterprivilegien zur Sicherung der Selbständigkeit gegenüber dem Bischof kamen seit dem 6. Jahrhundert auf. Loening, Geschichte I 332 ff., II364ff.; Spreitzenhoser, Die Entwicklung de- alten Mönch­ tums in Italien, 1894; Benedicti regula monachorum ed. Woelfflin, 1895, und dazu Traube, Münchner Ak. A. XXI, 1898, sowie Kegulae B. traditio, 1900; Seebaß, Ueber ColumbaS Kloster­ regel, 1883; Malnory, Quid Luxovienses ... ad ecclesiae profectum contulerunt, 1894; K. F. Weiß, Tie kirchlichen Exemtionen der Klöster, 1893.

§ 9.

Wesen und Herrschaft-dauer de- römischen MrchenrechtS.

Kaum zu ermessen ist die sittliche und rechtliche Tragweite des Umstande-, daß die Kirche in eine Welt und in eine Weltordnung eintrat, deren Untergang durch innere Fäulnis bevorstand. Ohne dies wäre weder die für eine lange Folgezeit maßgebende 1 PauluS von Samosata (260—272) war zugleich Bischof von Antiochien und höherer Provtnzialfteuerbeamter (ducenarius). 8 Die Mönche werden seit dem 6. Jahrhundert zu den clerici gerechnet. 8 Bon dem für die allgemeine Entwicklung nicht in Betracht kommenden iroschottischen MönchSkirchentum wird dabei abgeseheu.

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IV. Öffentliche» Recht.

Höchstwertung der Kirche1 2 möglich **** geworden noch ihre Ausgestaltung zu einem allumfaffenden, mit dem Staat wetteifernden und ihn jahrhundertelang in den Schatten stellenden sozialen Organismus *. Gleichwohl geriet die Kirche mit ihrem Recht geraume Zeit unter den maßaäenden Einfluß dieser ihre Anfänge umgebenden weltlichen Ordnung:

eine ganze Schicht Kirchenrecht wurde römisch geprägt und trägt in ihren Überresten bis auf den heutigen Tag ausgesprochen antik-römische Züge. Richt bloß weil, wie zum Teil schon in der ersten Zeit, sehr viel von den kirchlichen Einrichtungen und Bestimmungen der römischen Prinzipats- und Provinzialverfaffung bewußt und noch häufiger unbe­ wußt nachgebildet wurde. Und nicht in dem Sinne, daß die Nachahmung nicht eine freie gewesen wäre, und daß die kirchliche Originalproduktion sowie die selbständige Fort­ bildung altkirchlicher Institute aufgehört hätte. DaS entscheidet, daß durch das Ganze ein unverkennbar römischer Zug geht. Das kirchliche Recht dieser Zeit, vom Standpunkt des kirchlichen Gemeinwesens aus konzipiert, hat durchaus den Charakter einer objektiven und öffentlichen Ordnung, doch mit einem Übergewicht des Verwaltungsrechts über das BerfaffungSrecht und mit weitem Spielraum für arbiträre Entscheidung. So auch noch unter germanischer Herrschaft, die, zunächst nur die äußeren Beziehungen bestimmend, noch eine Rachblüte römischer Kirchenrechtsentwicklung sah, wiewohl germanische Keime alsbald zu treiben begannen. Erst das Ende des 7. und der Anfang des 8. Jahrhunderts bringt den Umschwung; für die Kirchenrechtsentwicklung stehen die Regierungen Karl MartellS (714—741) und Liutprands (712—744) an der Wende der Zeiten. Stutz, Eigenkirche (§ 7); K. Müller, Die Grenze zwischen Altertum und Mittelalter in der Kirche, Preuß. Jb. LX 1827; Loening, Geschichte I, II; Hatch-Harnack, Die Grundlegung der Kirchenversaffung Westeuropas, 1888.

§ 10* Die Quelle«. 85 (im Abendland 50) xavdvtt; tw uTiocndlw (Anfang des 5. Jahrhunderts) ver­ mitteln, indem sie Auszüge aus den apostolischen Konstitutionen (seit dem 6. Jahrhundert ihnen als VIII c. 47 angehängt) mit Synodalbeschlüfsen (besonders von Antiochia 341) vereinigen, den Übergang zu den nunmehr in reiner Gestalt auftretenden Rechtsquellen

dieser Periode, wie denn auch seit der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts von ins ecclesiaßticum als dem Inbegriff der durch Strafandrohung gesicherten kirchlichen RechtSgebote die Rede ist. Maahen, Geschichte der Quellen und Literatur des kanonischen Recht» I, 1870; Pitra, Iuris ecclesiastici Graecorum historia et monumenta, 2 Bde, 1864—68; Harnack, Ius ecclesiasticum (§ 2).

Es sind in erster Linie Beschlüffe allgemeiner Synoden (Nicäa I 325, Kon­ stantinopel I 381, zunächst ein orientalisches Generalkonzil, Ephesus 431, Chalcedon 451, Konstantinopel II 553 und III 680 — das sog. Trullanum oder Quinisextum, eine Synode von Konstantinapel von 692, von den Griechen als Fortsetzung des 6. allgemeinen Konzils betrachtet — und in der folgenden Periode Nicäa II 787, Konstantinopel IV 869) oder solcher von Teilverbänden (im Abendland besonders Elvira um 300, Arles 814, ein occidentalisches Generalkonzil, und die Gruppen der afrikanischen, spanischen und gallischen Konzilien). Von den Sammlungen, die bald (eine solche schon im Gebrauch der Synode von Chalcedon) dafür angelegt werden8, hat durchschlagenden Erfolg die um 500 in Rom von 1 EhrysostomuS um 400: Die geistliche Gewalt steht über der weltlichen wie die Seele über dem Leib — so schon constit apostol. (§ 2) — und wie der Himmel über der Erde; Augustin um 426: der Staat, für sich des Teufels und ein magnum latrocinium, wird erst als Diener des irdischen Teils der civitas caelestis daseinsberechtigt. 2 Der Bischof, Spitze und Hort der städtischen Bevölkerung, Schutzherr der Armen, Waisen und Elenden, Fürbitter der Strafwürdigen, Befreier der Kriegsgefangenen und Gönner der Sklaven, erringt politische Bedeutung und behauptet sie erst recht gegenüber dem vordringendem Germanentum. 8 In Gallien im 5./6. Jahrhundert statuta ecclesiae antiqua, in Afrika gegen 550 breviatio canonum Fulgentii Ferrandi, in Spanien die seit 572 offiziellen capitula Martins von Braga.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht. dem

skythischen

Mönch Dionysius EriguuS

verfaßte,

821

der eine eigene Übersetzung der

Apostelkanones und der griechischen Synodalbeschlüsse zu Grunde liegt \

Bruns, Canones apostolorum et conciliorom saec. IV—VII, 2 Bde., 1889; Lanchert, Die Kanones der wichtigsten altchristlichen Konzilien nebst den apostolischen Kanones, 1896; Turner, Ecclesiae occidentalis Monumente antiquissüna I» 1899; Maassen, Concilia aevi Merovingici in M. G. h., 1893; Wasserschleben, Die irische Kanonensammlung*, 1885; P. Fournier, De Pinfluence de la collection irlandaise, N. r. h. XXIII, 1899; Guenther, Epistulae im peratorum, pontifleum etc. Avellana quae dicitur collectio, im Corpus script. eccles. lat. Vindob. XXXV, 1895 ss. Seit ©iriciud1 2 * 4gewinnen die Erlasse (decretales seil, epistolae, constitute) der römischen Bischöfe (z. B. Innozenz L, 401—417, Leo I., 440—461, GelafiuS I., 492—496, Gregor I., 590—604) für das Abendland2 allgemeine Bedeutung, so daß Dionysius auch sie (bis Anastasius II., f 498, die Jfidoriana bis Gregor I.) sammelt, wo­ durch die Konkurrenz deS päpstlichen mit dem synodalen Gesetzgebungsrecht zum Aus­ druck gelangt.

Coustant, Epistolae Romanorum pontificum I (bi- 440), 1721; Thiel, Epistolae Komanorum pontificum I, 1868; Ewald et Hartmann, Registrum Gregorii I. in M. G. h. Epist., 1891—99. Die vereinigte Konzilien- und Dekretalensammlung des DionyS (Dionysiana) er­

freut sich bald im ganzen Abendland des größten Ansehens; eine gallische (zuerst ver­ öffentlicht von Quesnel 1675) vermag gegen die römische nicht aufzukommen.

5 11. Die TerrttoriOlbtldrrrg. Ein unverkennbarer Zusammenhang besteht -wischen der Gründung deS römischen Weltreichs und der sich nunmehr vollziehenden oder vollendenden kirchlichen Territorial­ bildung.

Lübeck, Reich-einteilung und kirchliche Hierarchie deS Orient- bi- zu« AuSgange de- 4. Jahr­ hundert-, Kg. St. V, 1901. 1. Die Diözese. DaS Christentum ist zunächst und jahrhundertelang durch­ aus auf die Städte (und ihre Ableger, die Landsitze städtischer Herren) beschränkt. In ihnen entstanden die ersten Gemeinden und die bischöflichen Kirchen. Wohl begegnen während deS 4. Jahrhunderts im Osten und in Afrika auch Landgemeinden, selbst mit Landbischöfen (y^^nlmconoi). Aber sie unterliegen bald dem Stadtbischof, der das platte Land mit seinen Priestern und Diakonen besetzt. Im europäischen Abendland kannte man es überhaupt nie anders. Die civitas beherrschte eben auch kirchlich. daS von chr politisch abhängige territorium. Regelmäßig, wenn auch nicht ausnahmslos, wird (in Gallien erst nach 450) jene Bischofssitz, diese Diözese (7i«po/x/a, Jio/x^wc).

HinschiuS, Kr. II § 85>; Loening. Geschichte 112 ff., II 99 ff.; Parisot, Les choreveques, in Rev. de Porient chrdt VI, 1901; Gillmann, DaS Institut der Lhorbischöse im Orient, 1908; Duchesne, Fastes dpiscopaux de Pancienne Gaule I, II, 1894—1900, Les dvfcchds de Calabre in MdI. Paul Fabre 1902; Savio, Gli antichi vescovi d’ Italia I, 1898; Harnack, Misston E. 834 ff. 2. Die Provinz. Gleich dem städtischen Provinziallandtag (xoivdv, Concilium für den Kaiserkult mit einem «p/tepafc, sacerdoa provinciae) treten die christlichen Bischofsversammlungen (§ 6) meist in den Provinzialhauptstädten, von denen ja auch fast überall daS Christentum ausgegangen war (Metropolen im kirchlichen Sinn), zusammen, regelmäßig unter der Leitung deS Metropolitanbischofs. Damit und mit

1 Daneben ist außer einer versio prisca namentlich die Hispana zu erwähnen, um 600 be­ nutzt für die gleich ihr fälschlich Isidor von Sevilla zuaeschriebene spanische Sammlung. * Er erklärt 385: statuta sedis apostolicae vel canonum venerabilia definite nulli sacerdotum Domini ignorare sit liberum. 1 Im Osten kommen schon vorher bischöfliche Sendschreiben vor; Harnack, Missten 140ff. 4 Nur ausnahmsweise besteht Altersvorsitz.

IV. öffentliches Recht.

822

dem Recht, die Provinzialbischöfe zu bestätigen und zu weihen, gewinnt dieser eine Ober­ gewalt. Der weltlichen entspricht regelmäßig, wenn auch nicht ausnahmslos, eine kirch­ liche Provinz, im Osten seit Beginn des 4. Jahrhunderts (Ricanum vgl. mit Antiochenum), in Gallien seit etwa 430, wahrend in Italien die vom Ricanum 325 als bekannt voraus­ gesetzte und als Vorbild verwendete unmittelbare Oberherrschaft des römischen Bischofs über alle italienischen Bischöfe zu Ende deS 4. 1 2durch * * * die Bildung einer mailändischen und bald nachher einer ravennatischend sowie einer aquilejenfischen Pro­ vinz wenigstens eingeschränkt wird. Rom bleiben die suburbikarischen Regionen, das AmtSgebiet des vicarius urbis. HinschiuS, Kr. II K 76; Loeuina, Geschichte I 362ff., II 197ff.; Sohm, Kr. I $ 30; Schmitz, Die Rechte der Metropoliten und Bischöfe in Gallien vom 4. bis 6. Jahrhundert, A. s. k. Kr. LXXH, 1894; Haruack, Mission 332f., 499f., 508. 8. Höhere Kirchenverbande. Selbst die Reichsdiözesen Diokletians erhalten, wenigstens im Osten, noch ein kirchliches Gegenstück. Freilich die Vorrangstellung, die das Ricänum 325 Antiochia (OrienS) und Alexandria (ÄgyptuS) zubilligte, war auch kirchlich gerechtfertigt. Rur die staatliche Gliederung dagegen hob Eph«suS (Asia), Cafarea (Pontus), Heraklea (Thracia) und vor allem Konstantinopel, dessen Bischof als demjenigen von Reurom die allgemeine Synode von 381 die zweite Stelle im Reichsepiskopat unmittelbar hinter demjenigen von Altrom8 einräumte. Daraus wurde dann eine durch das Chalcedonense 451 gutgeheißene kirchliche Obergewatt, Patriarchat (mit oberster JuriSdiktton, Ordinationsbefugnis mindestens für die Metropoliten, Patriarchalsynoden) über die auf eine Zwischenstufe, den Exarchat im technischen Sinne, zurückgedrängten Bischöfe von Ephesus, Cäsarea und Heraklea in Gleichordnung mit den Patriarchaten von Antiochien und Alexandrien (Jerusalem zunächst bloßer Ehren-, dann Kleinpatriarchat). Im Westen vermögen neben dem Bischof von Rom Obergewalten nicht aufzukommen. Hier verkündet Innozenz I., die Entwicklung abschließend, den fortan für die Kirche maßgebenden Grund­ satz der Unabhängigkeit ihrer Gliederung von der des Staates.

HinschiuS, Kr. I §§ 74, 75, III § 174; Sohm, Kr. I §§ 26, 29, 30; Treppner, DaS Patriarchat von Antiochien, 1891; Rohrbach, Die Patriarchen von Alexandrien, Preuß. Jb. LXIX, 1892; Getrer, Der Streit über den Titel des ökumenischen Patriarchen, im Jb. s. prot. Th. XIII 1887; Vailhd, L’örection du patriarcat de Jerusalem, Revue de Porient chröt. IV, 1899: Harnack, Mission 418ff.

4. Die Reichskirche endlich setzt sich wie das Reich selbst dem orbis terrarum gleich (daher o^vodo? olxov^vift; die armenische und die persische Außenkirche gelangen so wenig zu einer festen Verbindung mit ihr als die Außenländer mit dem Reich. Duchesne, Eglises separees, 1896, S. 281 ff.; S. Weber, Die katholische Kirche in Armenien, 1903.

§ 12.

Reich-fyuode und Primat.

In der Reichssynode, die außer zu gesetzgebender, oberstrichterlicher und Verwaltungs­ tätigkeit insbesondere für die Entscheidung von Glaubensstreitigkeiten zusammentritt, erhält die Kirche kurz nach ihrer Anerkennung durch den Staat (Ricänum 325) und mit dessen Hilfe (die Kaiser berufen, führen durch Synodalkommissäre die Aufsicht, schließen und bestätigen) ein höchstes Organ, das sie sichtbar verkörpert. Stimmrecht haben nur die Träger bischöflicher Weihe. Der römische Bischof läßt sich stets durch Legaten vertreten. Es entscheidet das absolute Mehr und über die Okumenität die nachherige Annahme oder

1 Damals war das Hoflager in Mailand. 2 Ravenna ist seit 404 Residenz und wird infolgedessen in der Unterordnung unter seinen römischen Metropoliten für Jahrhunderte wankend. 8 Der also selbst nach ofsiziell-kirchlicher Auffassung um der weltlichen Bedeutung feines Sitzes willen vorgeht.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

Verwerfung durch das Gesamtbewußtsein (kein päpstliches Bestätigungsrecht): gibt sich deutlicher denn je als Bund der bischöflichen Einzelkirchen.

828 die Kirche

HinschiuS, Ar. III §§ l69, 185; Sohm, Kr. I §§ 27, 82; Bernoulli, DaS Konzil von Nicäa, 1896; Funk, Die Berufung der ökumenischen Synoden deS Altertum-, Die päpstliche Be­ stätigung der acht ersten allgemeinen Synoden, in fernen Abh. I; Wolff, Die mqMoo* auf der Synode zu Nicäa, Z. f. k. Wifi. X, 1889; Grisar, HonoriuS I. und da- allgemeine Konzil, in Anal. Romana, 1899; Kneller, Papst und Konzil im 1. Jahrtausend, Z. f. t Th. XXVII 1903.

Jedoch auch der römische Staat war aus einem Komplex von Gemeinden zu einer einheitlichen Monarchie geworden. Ihm folgte die Kirche. Der römische Stuhl, der Hort nicanischer Rechtgläubigkeit \ schreitet auf dem Weg der Berrechtung des Primat- mit Erfolg fort. Ein oberstes Gesetzgebung-- (§ 10) und AuffichtSrecht wird von SiriciuS, eine oberstrichterliche Gewalt von Innozenz I. nicht bloß beansprucht, sondern auch betätigt. Päpstliche Vikariate in Arles und Theffalonich ermöglichen dem römischen Bischof und seiner Synode das Eingreifen auch in geringfügige gallische und illyrische Angelegenheiten. Die Titel für diese Rechte liefert zum Teil Fälschung. So wird in Rom zu Beginn deS 5. Jahrhunderts, wahrscheinlich von einem Afrikaner, ein für einen Einzelfall er­ gangener Erlaß Gratians von 878 8 nebst einigen römischen Schriftstücken zur Anfertigung von Bestimmungen benutzt, die von Innozenz und namentlich 418 von ZofimuS als nicänisch angerufen und später, nachdem eine karthagische Synode den nicänischen Ursprung alsbald widerlegt hatte, als Beschlüsse der Synode von Sardika (Sofia) 343 auSgegeben wurden8. Zu einem anderen Teil liefert den Rechtstitel dat Staatsgesetz4 1.* 6 * Noch bedeutsamer als diese Unterstützung wurde dem Papsttum, dessen Vertreter (zuerst Innozenz I.) nunmehr Versuche machen, gleich den Imperatoren ihre Nachfolger selbst zu bestimmen, der Nieder- und Untergang des Westreichs. Der lästigen Nachbarschaft einer ebenbürtigen weltlichen Herrschaftsgewalt entledigt8 und zu einem guten Teil ihr Erbe8, erscheint das Papsttum (papa seit SiriciuS, pontifex maximus oder summn» seit Leo L, servu» servorum Dei seit Gregor I.) als die universale römische Vormacht deS Westens gegenüber den germanischen Staatsgründungen, von denen fteilich nur die arianifchen den päpstlichen primatn» iurisdictionis mehr oder weniger gelten lassen müssen, während die katholischen Franken, von denen seit dem 7. Jahrhundert der gallische Vikariat einfach ignoriert wird, den Papst bloß als Glaubensautorität anerkennen. Liber pontificalis, Ausgabe von Duchesne, 2 Bde., 1886—92; Teil I auch von Mommsen, in M. G. h. 1898; Maaßen, Der Primat beS Bischofs von Rom und die alten Patriarchalkirchen, 1853; Döllinger, Papstfabeln8 1890; Langen, Geschichte der römischen Kirche bi» Leo I., 1881; Nobili-Vitelleschi, Della storia civile e politica del papato d’all imperatore Teodosio

1 Gratian, Balentinian II. und Theodosius 880: Cunctos populos, quos clementiae nostrae regit temperamentum, in tali volumus religione versah, quam divinum Petrum apostolum tradidisse Romanis religio usque ntinc ab ipso insinuata declarat, quamque pontificem Damasum sequi claret et Petrum, Alexandrine episcopum. 8 Der römische Bischof DamasuS soll über die Bischöfe der Partei deS von Synode und Kaiser verurteilten Gegenbischofs UrfinuS richten; Entferntere gehören vor das Gericht des Metropoliten eventuell vor den römischen Bischof oder eine Nachbatsynode. Dgl. über Damasus R a d e, 1882, und Wittig, R.Q.Gch., 14. Suppl. 1902. r Der römische Bischof erhält erweiterte oberstrichterliche Besugniste, die eS ausschließen, daß er oder eine Nachdarsynode )e nach Wahl angerustn werden wnnen; vielmehr vermag letztere nur durch seine Vermittlung zuständig zu werden. Auch wird sein AuffichtSrecht gegenüber dem Hof­ lagerbischof von Mailand bezw. Ravenna gewahrt. 4 Edikt DalentinianS III. für Leo I. von 445: Cum igitur sedis apostolicae primatum sancti Petri meritum, qui princeps est episcopalis coronae, et Romanae dignitas civitatis sacrae etiam synodi — d. h. der unechten Canones — firmarit auctoritas, ne quid praeter auctoritatem sedis istius illicita praesumptio attentare nitatur .... nec ulterius... liceat... praeceptis Romani antistitis obviare. 8 Die byzantinische Herrschaft zieht wenigstens bis zum Einbruch der Langobarden, also von 553—568, sofort wieder eine empfindliche Abhängigkeit vdm Kaiser und eine bedrohliche Konkurrenz deS Patriarchen von Konstantinopel nach fich. Letzterer ist seit dem Untergang der übrigen morgenlündischen Patriarchate (um 640) der einzige Patriarch im Orient. 6 Gregor I., der die Verwaltung der päpstlichen Patrimonien organifiert, steht fast alS Landes­ herr da.

IV. öffentlich.» «echt.

834

a Carlomaguo 1902; Greaoroviui, Gerichte der Stadt Rom im Mittelalter81 *1 * 1908; * * * * Grisar, Geschichte Romi unb der Papste im Mittelalter I, 1901, Der römische Primat im 5. Jahrhundert, in seinen Anal. Romana I, 1899; Hinschiui, Ar. 1 §§ 26 ff., 75, IU §5 174, 186, IV § 251; Loening, Geschichte I 428 ff., II 62ff.; Soh«, Kr. I 8 31; Norden, Da- Papsttum und Byzanz 1903; Gundlach, Der Streit der Ki-tümer Arle» und Bienne um den primatus Galüarum, 1890 (auch R. A. XIV, XV); Schmitz, Der Bitariat von ArleS, LJb. XII, 1891; Duchesne. La primatie d’Arles, 1893; Arnold, LüsariuS von Arelate, 1894; Gundlach, Die Epistolae Viennenses, R. A. XX, 1895; Friedrich, Über die Sammlung der Kirche von Lhefsalonich und das päpstliche Dilariat für Jllyrikum, Münchner Ak. E. B., 1891; d. Nostitz-Rieneck, Die päpstlichen Urkunden für Thestalonich, Z. f. f. Th. XXI, 1897; Rohr, GelafiuS I. und der Primat, Th. O. LXXXIV, 1902; Friedrich, Die UnÜchtheit der Canonei von Eardiea, I, II, Münchner Ak. S. B. 1901—02(auch sep.), Die sardicenfischeu Aktenstücke der Eammlung deS Theodosius Diakonus, ebenda 1903; Funk, Die Echtheit der Kanone- von Sardika, H. 3b. XXIII, 1902; Duchesne, Les canons de Sardioue, Bessarione IV 1902, Le über oiurnus et les dlections pontificales, in B. e. d. ch. L1I, 1891, La Succession du pape Felix IV, in M. d’a. d’h. 111, 1883; Amelli, Documenti inediti relativ! al pontificato de FeUce IV e di Bonifacio II, in der Scuola cattolicä di Milano, H. 122,1888; Mommsen, Aktenstücke zur Kirchengeschichte in R. A. XI, 1886; Wittig, Studien zur Geschichte Junocenz I. und der Papstvahlen bei 5. Jahrhunderts, in Th. Q. LXXXIV, 1902; S Lgmüller, Die Ernennung bei Nachfolgeri durch die Pävste (5. u. 6. Jahrh), Th. O. LXXXV, 1908; Holder, Die Destgnationifrage nach den neuesten Forschungen A. f. k. Kr. LXXX1II 1908: Grisar, Rundgang durch die Patrimonien bei heil. Stuhls von 600, Z. f. k. Th. I, 1877.

§ 18.

Da- Proviaztalkircheurecht.

Das Kirchenrecht dieser Periode ist in der Hauptsache Bundesrecht, erzeugt vom Provinzialverband und für ihn. 1. Provinzialsynode und Metropolit. Die Provinzialsynode, bestehend aus den allein erscheinungspflichtigen und stimmberechtigten Provinzialbischöfen (Suffraganen) mit ihrer geistlichen Begleitung, tritt alljährlich (nach Nicänum 325 zweimal) zusammen auf Berufung und unter dem Vorsitz des Metropoliten, dessen Wahl und Weihe im Westen den Suffraganen flüstert \ und der außerhalb der Synode* namentlich das Be­ stätigungsrecht für die Bischofswahlen sowie das Visitationsrecht hat.

Hinschiui, Kr. 11 § 117, III § 173: Loening, Geschichte I 362 ff., 419 ff. 2. Gesetzgebung. Die Provinzialsynode, zuständig zur Ergänzung der gemein­ kirchlichen Disziplin in allen das Verhältnis der Einzelkirchen zueinander betreffenden Fragen sowie für innerkirchliche Angelegenheiten Einzelner, die sie als Verbandsglieder betreffen und über den Bereich des einzelnen Bistums herausragen, schafft durch ihre Beschlüsse rein kirchliches Recht, bedarf dafür aber, auch im Frankenreiche, keiner Be­ stätigung. Hinschiui, Kr. III § 185; Loening, Geschichte I 376 ff. 3. Verwaltung und streitige Gerichtsbarkeit. Sie errichtet namentlich Bistümer, gibt die Erlaubnis zu. der ausnahmsweise zulässigen Versetzung von Bischöfen und entscheidet über Diözesangrenzstreitigkeiten. Hinschiui, Kr. III K 165,; Loening, Geschichte I 409 ff. 4. Strafrecht und Strafverfahren. Die Mitgliederzunahme und der da­ mit zusammenhängende Niedergang der christlichen Sittenzucht (Hauptverbrechen: Abfall vom Glauben, Unzucht einschließlich Ehebruch, Mord) führt zum weiteren Ausbau des kirchlichen Strafrechts. Neu tritt hinzu ein vom gemeinen noch nicht scharf geschiedenes Disziplinarstrafrecht* für den Klerus, mit dessen Strafen der Suspension und (für

1 Im Frankenreich wirb jedoch königliche Bestätigung ober gar Ernennung zur Regel. 8 Dai vom Papst verliehene Pallium, anfänglich ein bloßer Ehrenschmuck für verdiente Bischöfe, wirb seit 601 (Gregor I. für den englischen Bischof Augustin) in Derbinbuug mit ben Metropolitan rechten gebracht; vgl. v. Hacke, Die Palliumverlechungen bis 1143, 1898 unb bie neuesten Ansichten über Ursprung unb Bedeutung des Palliumi bei F. L. Kraus, Geschichte ber christlichen Kunst II, 1897, S. 497; Braun, Die pontifikaleu Gewänder dei Abendlandei, 1898: Wilpert, Un capitolo di storia del vestiario, Arte 1898, Die Malereien der Katakomben Romi I 1903 S. 72 ff., und Grisar, Geschichte Roms (§ 12) I S. 510ff. 8 Doch gelangt z. B. bei Klerikern regelmäßig die depositio statt der excommunicatio zur Anwendung.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

825

Bischöfe) des Ausschlusses vom Kollegialverkehr (communio fratrum) die Besserungs­ strafe (censura) in die Kirche einzieht, wie auch die geheime Zwangsbuße zuerst (seit dem 6. Jahrhundert) für den Klerus aufkommt. Sie und die der Klosterdisziplin ent­ stammende freiwillige' $rwati>u$ex, deren Bußwerke (Pönitenzen: dafür zuerst irische und angelsächsische, später auch fränkische Bußbücher, libri poenitentiales) nur die Tilgung der Sünde bezwecken, verdrängen die alte öffentliche Buße (im Orient mit Stationen), die ebenfalls keine Strafe, wohl aber ein Rechtsmittel zur Wiedererlangung der kirchlichen Gemeinschaft gewesen war. Denn durch sie roor1 2 der Ausschluß davon (excommunicatio, bei feierlicher Verfluchung anathema3, also die Aufhebung der kirch­ lichen Mitgliedschaft) seit dem 5. Jahrhundert mit der Sperre auch des Laienverkehrs verbunden und gleich der weltlichen Strafe noch im 4. Jahrhundert durchaus vindikativ (poena). sühnbar geworden4,* um dann infolge der augustinischen Lehre von der Unauslöschlichkeit der Taufe, und weil der auf ein einförmiges Zwangschristentum sich stützende Staat kein außerkirchliches Dasein mehr zuließ, allmählich zum bloßen Entzug der kirch­ lichen Mitgliedschafts rechte unter Belassung der Pflichten sich umzugestalten. Für das Verfahren3, das für Bischöfe (falls nicht der Kaiser eingriff) in erster, für Geist­ liche und Laien in zweiter Instanz vor der Provinzialsynode sich abspielte, galt als Regel das römische Anklageprinzip6, jedoch mit Abweichungen und Ausnahmen (Offizial­ verfahren bei Offenkundigkeit). Hinschius, Kr. IV §§ 244—248 , 250, 253—258; Loening, Geschichte I 382ff., II 448 ff.: Wasserschleben, Die Bußordnungen der abendländischen Kirche, 1851: Sch.mitz, Bußbücher und Bußdisziplin, 1883, Bußbücher und Bußversahren, 1898; P. Eournier, Etudes sur les penitentiels 1—3, 1901—02 (auch in Revue d’histoire et de litterature religieuses VI, VII); Lud­ wig, Die Bußstationen in der abendländischen Kirche, A. f. k. Kr. LXXXIII 1903.

§ 14.

Der Bischof unb die Einzelkirche.

Die Möglichkeit körperschaftlicher Betätigung, bei der Bildung der Kirche eine Haupttriebkraft, entfällt für die Mitglieder der bischöflichen Anstaltskirche unter dem wachsenden Einfluß des Römertums immer mehr: der Bischof, ein gewaltiger Herr?, ist eben jetzt ganz und gar die Kirche. Und sein Tun und Lassen wird allein durch das kirchliche Interesse, d. h. Zweckmäßigkeit, geleitet, schon weil es für die Entwicklung eines eigentlichen Diözesanrechts in dieser Zeit an dem erforderlichen Gegengewicht gebricht. Stutz, Eigenkirche (§ 7); Loening, Geschichte II 220 ff.

Er, der Bischof, verfügt also innerhalb der Diözese, deren Gesetzgeber er ja in Nachwirkung dieser Auffassung bis auf den heutigen Tag geblieben ist, allein über die Kirchenordnung, und zwar so, daß er, der fast unbeschränkte Inhaber der kirchlichen Straf­ gewalt, sogar eine arbiträre Strafsatzungsbefugnis (auch mit Exkommunikation als Straf­ mittel) besitzt. Er ist ferner der Gerichtsherr der Diözesanen in kirchlichen Dingen und ihr Richter (von Konstantin bis 398, später wenigstens ihr geduldeter Schiedsrichter) auch in weltlichen Rechtsstreitigkeiten (ohne Oberinstanz). Hinschius, Kr. IV §§ 249, 250; Loening, Geschichte I 103 ff., 252 ff.

So sind denn die Laien, deren Lebensbeziehungen in zunehmendem Maße in den Bann der Kirche gezogen werden (Anfänge eines kirchlichen Eherechtes: Ordnungsvorschrift 1 Die Beichte wurde durch Columba nach dem Festland verpflanzt. 2 Weil extra ecclesiam nulla salus. 8 Daneben begegnet namentlich der seltenere Ausschluß bloß von der Abendmahlsgemeinschaft, seit dem 12. Jahrhundert als excommunicatio minor bezeichnet, sowie die Suspension von den kirchlichen Mitglredschaftsrechten, das nachmalige Personalinterdikt. 4 Der Ausschluß für immer oder bis zur Todesstunde verschwindet allmählich. 6 Bei Selbftanzeige und Geständnis war eine Bestrafung auch ohne ein solches möglich. 8 Gratian 376 (1. 23 cod. Theod. 16, 2): qui mos est causarum civilium, idem in negotiis AntinonnllQ AQt J Origenes klagte schon um 250, die Bischöfe behandelten Geistliche und Laien, wie die Fron­ vögte Ägyptens die Söhne Israels.

826

IV. Öffentliche» Stecht.

des kirchlichen VerlöbniffeS und der Eheeinsegnung, Verbot der Schwäger-, sowie der weltlichen und geistlichen Berwandtenehe, der zweiten Ehe und derjenigen mit Juden) und die noch in dre zwei Klaffen der im Borbereitung-stand Befindlichen oder Katechumenen1 2 * 4 * 6 und der Getauften * zerfallen, vom Bischof durchaus abhängig. Loening, Geschichte II 540 ff.; Kreise«, Geschichte de- kanonische« Ehevechte-*, 1893.

Aber auch die Geistlichkeit (nach dem Borbild des städtischen DekurionatS ordo genannt), die höhere und die niedere (clerici), von den Laien noch mehr als früher ständisch gesondert ®, und privilegiert (Befreiung von den persönlichen Staat-lasten) befindet fich ganz in der Hand des Bischofs (ad nutum episcopi). Er, der Bischof, entscheidet über die Aufnahme (seit dem 6. Jahrhundert nach vorheriger Prüfung), er erteilt die Weihen er gibt den AmtSaustrag", er entzieht ihn*, er stellt auch den Reisepaß. (8 jetzt mit Vorliebe litterae formatae genannt) aus. Loeaing, Geschichte I 129 ff., II 275 ff.; Schulte, Die geschichtliche Entwicklung des rechtlichen character indelebilis, in R. intern, de theol. IX, 1901; Lea, An historical Sketch of sacerdotal celibacy, 1867; Funk, Coelibat und Priesterehe im christlichen Altertum, in seinen Adh. L

Insbesondere aber leben alle Geistlichen, die nach staatlicher Vorschrift nur aus den Kreisen der Unbemittelten genommen werden sollen und von der Kirche seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts dem bürgerlichen Beruf möglichst entzogen werden7,8 ganz vom Bischof (frei bemeffenes Stipendium, eventuell mit Landzulage auf Widerruf, precarium, später, wenn schriftlich precaria). Mindestens seit Konstantin ist nämlich alles Kirchengut, das vor her Anerkennung vielleicht hie und da als Vermögen des collegium licitum der Gemeinde gegolten hatte, Kathedral- oder Diözesanvermögen (Eigentumseinheit) und der Bischof sein lediglich in der Verfügung über die Substanz durch ein Veräußerungsverbot (vom römischen Gemeindegut übernommen"» behinderter Herr; die Vorschrift der Vierteilung deS Einkommens (V< dem Bischof, '/< dem Klerus,

*/< den Armen, 1I* der fabrica — Kirchenbau) bleibt Sonderrecht der römischen Kirchen­ provinz. Aber auch die Entstehung von nichtkathedralem kirchlichem Sondereigen, die in Italien (Gelafianische Kirchgründungsinstruktion), Spanien und Gallien gegen Ende des 5. Jahrhunderts sich vollzog, tastete die bischöfliche Zentralverwaltung nicht an (EigentumSvielheit bei Verwaltungseinheit); nur eine geringe Anzahl gallischer und spanischer Landkirchen wurden im 7. Jahrhundert auch in der Kirchengutsverwaltung selbständig (wohl infolge von Zuwendungen Dritter und Klerikererbschaften). Harnack, Mission 113ff., 346; Rivet, Le regime des biens de Tlglise avant Justinien 1891; De Marchi, II culto private di Roma antica 1896; Fourneret, Les biens de l’^glise aprds les ädits de pacification, Thäse, Paris 1902; Stütz, Die Berwoltung und Nutzung des kirchlichen Vermögens in den Gebieten des weströmischen Reichs, Berliner Diff., 1892; Löenina, Geschichte I 195 ff., II 632 ff.; Carassai, La politica religiös« di Costantino il Grande e la proprietä, della chiesa, 1901; Funk, Handel und Gewerbe im christlichen Altertume, in seinen Abh. II; Winkler» Die EinkommenSverhültnisse des Klerus im christlichen Altertum, in Theol.-prakt. Monats­ schrift X, 1900; Goetz, Das Alter der Kirchweihformeln 10—31 des über diurnus, D. Z.f. Kr. V, 1895. 1 Konstantin aehörte dazu bis zum Sterbelager, Ambrosius bis nach der Bischofswahl; Hinschius, Kr. IV § 200: Funk, Die Katechumatstlassen in seinen Kg. A. I., Zur Frage nach den Katechumenatsklassen, Th. £. LXXX1, 1899; Harnack, Mission 281. 2 Die Kindertause wurde besonders durch AugustinS Lehre zur Herrschaft gebracht. 8 Der character indelebilis der Weihe ist seit Augustin anerkannt. Es besteht eine beschränkte Zölibatspflicht: höhere Geistliche sollen nicht heiraten und, wenn verheiratet, nach römischer Vor­ schrift die Ehe nicht fortsetzen. Seit dem 5. Jahrhundert kommt auch die mönchische Tonsur dam, bei den Griechen als Dolltonsur oder tonsura s. Pauli, bei den Briten als auf den Vorderkopf be­ schränkte Halbtonsur oder tonsura Simonis Magi; schließlich siegt die römische Kranztonsur oder tonsura s. Petri. 4 Voraussetzung sind namentlich Tause, männliche- Geschlecht, Freiheit, für Priester 30 Jahre, sittliche Reinheit. 6 Ohne Titel = Kirche. Amt, keine Weihe, so daß ordinatio -= Weihe und Bestallung 6 Auch an Landkirchen gibt eS keine feste Anstellung. 7 Ihr zuvor durch Gewerbesteuerfreiheit beförderter Handelsbetrieb wird im Interesse der Be­ achtung des ZinSverbotS beschränkt. 8 Schon Gallien gibt 262 die Begräbnisplätze an die Bischöfe zurück.

4.

Ulrich Stutz. Kirchenrecht.

827

§ 15. Staat rmd Kirche. 1. im römischen Reich. Je größer eine grundsätzliche Umwälzung ist, um so länger braucht sie, bis sie praktisch zu vollem Durchbruch gelangt. Mit der Anerkennung der Kirche hatte der römische Staat seinen sakralen Charakter (Kaiserkult) und die Ob­ hut über das Sakralwesen endgültig preisgegeben. Und doch blieb eS, wenn auch unter veränderten Formen, zunächst ganz beim alten. Allerdings erhielten die Bischöfe als­ bald großen, zum Teil rechtlich gesicherten Einfluß im Staat, wurde die Kirche samt ihren Dienern vielfach privilegiert \ lieh der Staat der Kirche, freilich mit in vermeint­ lichem SelbsterhaltungSintereffe, seinen Arm zur Unterdrückung des Heidentums und der Irrlehre l Ketzergesetzgebung seit Theodosius I.)2 und verlieh er seiner Gesetzgebung auch in weltlichen Dingen (z. B. über Eherecht) ein ausgesprochen christliches Gepräge. Aber im übrigen sprach die weltliche Gewalt durch die Kirche und in ihr zunächst auch weiter­ hin das entscheidende Wort selbst in religiösen Dingen2. Das macht ja gerade die Eigenart des nunmehr im Osten zur Herrschaft gelangenden Systems des kirchlichen Byzantinismus oder Caesaropapismus (pr. Jnstiniani nov. 6 von 535) aus, daß der weltliche Despot auch über Glauben und Kirche als einen Teil des ins publicum verfügt (Kon­ stantins auf der Mailänder Synode von 355: ßo^Xofiai, toöto xav« Vatikanische Kirchenrecht. § 42.

Die Wiederherstellung der Kirchenverfaffung und die Erneuerung der gemeinrechtliche« Primatialgewalt.

Zu Anfang des 19. Jahrhunderts befand sich die Organisation der katholischen Kirche in einem Zustand der Auflösung, der demjenigen des fränkischen Kirchentums zu Karl Martells Zeiten nicht unähnlich war. Jetzt wie damals kam es zunächst zum Wiederaufbau. v. Treitfchke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 5 Bde. 1879-94, besondersIII198ff., 406ff.. IV 683ff., V 276ff.; Brück, Geschichte der katholischen Kirche in Deutschland I, II«, 1II-IV, 1896—1903, Rippold, Handbuch der neusten Kirchengeschichte II8* ,* *1883; Kleine Schriften zur innern Geschichte des Katholizismus I, II, 1899; Kopp, Die katholische Kirche |im 19. Jahrhundert, 1830; Sell, Die Entwickelung der tatholischen Kirche im 19. Jahrhundert, 1898; KremerAuenrode, Aktenstücke zur Geschichte deS Verhältnisses von Staat und Kirche im 19. Jahrhundert, 3 Teile, 1873—1880 (auch im Staatsarchiv von Aegidr und Klauhold XXIII, XXIV mit 2 Suppl.); Friedberg, Die Gränzen (§ 38); Fleiner, Über die Entwicklung des katholischen Kirchenrechts im 19. Jahrhundert, 1902.

Er vollzog sich vor allem mit Hilfe des neubelebten, für die Massen stets an die Formen der historisch überlieferten Bekenntniskirchen gebundenen, religiösen Sinnes, an dessen Wiedererstehen die Übersättigung mit Aufklärung, die Nöte der napoleonischen Kriege, später auch die Romantik wirksam arbeiteten. Er vollzog sich weiter unter der diesmal, entsprechend dem Charakter des modernen Staates, selbstverständlich durchaus eigennützigen Mitwirkung der Regierungen, die im Interesse der Wiederherstellung geord­ neter Zustände im Innern sich veranlaßt sahen, ihren katholischen Untertanen wieder zu einer kirchlichen Organisation zu verhelfen, und die zur Neubegründung oder Wieder­ herstellung ihrer Rechte der Kirche und des Papsttums als der Zentralsonne der Legi­ timität nicht glaubten entbehren zu können. Hierbei war es von besonderer Bedeutung, daß Napoleon zur Sanierung der im Kehraus der französischen Revolution in größte Verwirrung gebrachten inneren Verhältnisse Frankreichs, zur Legitimation der von ihm usurpierten und noch zu usurpierenden Gewalt und als Werkzeug für seine hochfliegenden europäischen Herrschaftspläne die Kirche brauchte und mit ihr am 15. Juli 1801 ein Konkordat schloß. In seinen Einzelheiten für den kirchlichen Teil keineswegs besonders günstig, durch die von Napoleon am 8. April 1802 eigenmächtig mit ihm zusammen veröffentlichten Articles organiques2 in der praktischen Anwendung erheblich gefährdet, wahrte es doch selbst dem Allgewaltigen gegenüber das Prinzip und den Grundstock

1 Etwas anderes ist eS, daß die Nachfolge deS Fiskus in Rechte und Pstichten, die daS säku­ larisierte Gut gegenüber Dritten, besonders gegenüber einzelnen kirchlichen Instituten und Gemeinden, trafen, noch heute nicht selten praktisch nachwirkt. 8 Päpstlicherseits begnügte man sich mit einem mündlichen Protest in Gestalt einer im Kon­ sistorium vom 23. Mai 1802 gehaltenen Allokution.

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IV. öffentliches Recht.

kirchlicher sowie päpstlicher Rechte, und zwar schon zu einer Zeit, als die Schläge, welche die Kirche treffen sollten, noch nicht einmal alle niedergegangen waren. Als dann vollends der gefährlichste Gegner fiel, und die Kurie es nur noch mit kleineren und kleinsten zu tun hatte, die zwar nicht Übel Lust, aber um so weniger Geschick und Energie zeigten, napoleonische Ansprüche zu machen, wurde das französische Konkordat die Brücke, über die das päpstliche Recht in Europa, auch in Deutschland, von neuem Einzug hiett. Richt zum mindesten durch die erfolgreiche Arbeit de- Papsttum- selbst. Diesem hatte die Mißhandlung durch den Korsen neue Sympathien zugeführt, indes die würdige Haltung Pius' VIL sein moralisches Ansehen hob.. Rach Rom zurückgekehrt, wo er am 7. August 1814 (Bulle Sollicitudo animarum) alSbav) den Jesuitenorden wieder­ herstellte, aber auch die kurialen Behörden, insbesondere für die Jnquifition und den Index, erhielt der Papst, bei dem nunmehr wiederum die Gesandten der Mächte, in erster Linie der österreichische, sich einfanden, vom Wiener Kongreß seine alte Stellung samt dem Kirchenstaat und gewissen Ehrenrechten (die Nuntien geborene Doyens der diplo­ matischen KorpS) wieder zurück. Nur die Restauration der alten deutschen Kirche wurde abgelehnt, wogegen die Kurie abermals protestierte. Bedeutete schon daS Kongreßergebnis einen Sieg der päpstlichen Diplomatie, so verstand eS diese, unter PiuS VII. geleitet durch den genialen Kardinalstaatssekretär Consalvi, später unter Leo XII. und nachmals unter Gregor XVI. mit nicht geringem Geschick vertreten durch den dasselbe Amt bekleidenden Bernetti, mit größter Gewandtheit und zähester Ausdauer in jahrzehntelanger Verhandlung mit den deutschen Regierungen Schritt für Schritt neue Erfolge zu erringen. Durch das bayerische Konkordat und die deutschen ZirkumskriptionSbullen, die beim geltenden Recht zu behandeln sein werden, erhielt das katholische Deutschland von neuem eine bischöfliche Verfassung. Dabei interessiett in diesem Zusammenhang nicht die Tat­ sache selbst, sondern ihre Verumständung. Nicht bloß liefen Bestimmungen mit unter, wie der erste Artikel des bayerischen Konkordats über die Stellung des Katholizismus im allgemeinen oder der dreizehnte daselbst über die Unterstützung der kirchlichen Bücher­ zensur oder die auch anderwärts wiederkehrenden in betreff der Durchführung der Seminar­ bildung des Klerus, welche staatlich gewährleistete Rechte anderer Konfessionen oder der einzelnen Untertanen oder doch staatliche Interessen verletzten, und deren sich die Re­ gierungen nur durch das zweifelhafte Mittel eigenmächtiger Zusätze oder der Nichtplazetierung zu erwehren vermochten. Wichtig war vor allem, daß man staatlicherseits von der anfänglich gehegten josephinischen Idee einseitiger Regelung dieser Dinge hatte abgehen müssen, ferner daß Rom, weil hinter dem ehemaligen deutschen Sonderkirchen­ recht kein Episkopat und kein Klerus mehr stand, der eS wirksam zu vertreten vermochte, auf Grund des papalen gemeinen Rechtes verhandeln konnte, und endlich daß die katho­ lische Kirche Deutschlands daS, was für sie und ihren neuen Episkopat erreicht wurde, Rom und dessen Gegengewicht gegen den StaatSabsolutiSmus verdankte. Daß dieser und seine Bureaukratie sich weiterhin mit einer Energie, die einer bessern Sache wert gewesen wäre, auf veraltete staatsrechtliche Anschauungen und ganz besonders auf deren oft überaus kleinliche Einzelanwendung versteiften, arbeitete den Bestrebungen nach mög­ lichster Neubelebung des alttirchlichen Rechtes wirksam in die Hände. An den Kölner Wirren, die durch die Neueinschärfung des strengen katholischen Mischehenrechtes veranlaßt wurden und durch das Ungeschick der preußischen Regierung, welche statt persönlicher schriftliche Garantien erstrebte, 1841 mit einem staatlichen Mißerfolg endeten, war denn auch nicht die schließliche Freigabe der einzelnen kirchlichen Bestimmung die Hauptsache, die über kurz oder lang doch hätte erfolgen müssen, sondern daß der Streit zu jahre­ langer Agitation und Aufregung, zu einer heftigen Reibung von Kirche und Staat, zu einem festen Zusammenschluß weiter katholischer Kreise und einer kräftigen Neubelebung kirchlichen Rechtsbewußtseins Anlaß gab. Und doch lernte man anderswo auch jetzt noch nichts. Am Oberrhein, wo der neue Episkopat noch lange durchaus staatstreu und wohl­ gesinnt war und auf dem loyalen Weg von Bitten und Vorstellungen die doch schon durch die veränderte Zeitlage geforderte größere Bewegungsfreiheit für die Kirche zu er­ langen suchte, hätte sich die Gelegenheit geboten, das überlebte absolutistische Staats-

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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kirchentum rechtzeitig zu mildern und allmählich in die Gestalt einer bloßen staatlichen Kirchenhoheit überzuführen. Jedoch die Regierungen, denen eS keineswegs an Wohlwollen, um so mehr aber an Einsicht und Sachkunde gebrach, hielten, in der Meinung, daß die staatliche Borherrschast nur in der hergebrachten Form sich behaupten laffe, so lange hart­ näckig daran fest, bi- schließlich in Freiburg und Rottenburg Bischöfe sich fanden, die, ihres Klerus und eines großen Teils der Bevölkerung sicher, in offener Auflehnung dem staatlichen Recht das kanonische gegenüberstellten. Wurden auch schließlich nach dem Fall der unter dem Einfluß des österreichischen Konkordats vom 18. August 1855 eingegangenen Konventionen in den Jahren 1860 (Baden) und 1862 (Württemberg) die RechtSverhLÜniffe der katholischen Kirche auf der Grundlage der staatlichen Souveränität und der daraus fließenden staatlichen Kirchenhoheit durch Staatsgesetz geregelt, so . mußte dies doch wiederum unter Übernahme oder Freigabe von viel neubelebtem Kirchenrecht geschehen. Mejer, Zur Geschichte der römisch-deutschen Frage', 3 Bde.. 1885; Frantz, Preuße« und die katholische Kirche zu Anfang deS 19. Jahrhunderts, D Z. f. Kr. I, 1892, DaS Projekt eine- Reichs. konkordatS, Kieler Festgabe für Jherina, 1892; König, Pius VII. und daS Reich-konkordat, Kalksburger Progr., 1901; Kinieri, La diplomazia pontificia nel secolo XIX. 11 concordato . . . 1801/02 . . 1803, I, II, 1902; Theiner, Histoire des deux concordate, 2 voL 1869; Boalay de la Meurthe, Documents sur la nögociation du concordat fr. 1800/01, 5 toI. 1891/95; S^chd, Les orieines du corcordat, 2 voL, 1894; Laux, La rdpublique et le concordat 1801, 1895; Mathieu, Le concordat, 1903; Menusier, Les cahiers de l’dglise de France, 1892; Madelin, Pie VI et la premiöre Coalition, R. h. LXXXI, 1903; Bridier, Mdmoires inddits de l’internonce ä Paris pendant la rdvolution, 1890; Sic ar d, L’ancien clergd de France, I—III, 1908; Birö, Le clerge de France pendant la Involution, 1901; Portalis, Les articles organiques, 1845; O. Mäher, Portalis und die organischen Artikel, Straßburger Univ.-Rede, 1902; LuciuS, Bonaparte und die protestantischen Kirchen Frankreichs, 1903; Debidour, Histoire des rapports de l’lglise et de l’dtat en France (1789—1870), 1898; Gebhardt, Wilhelm von Humboldt uno die Anfänge der preußischen Gesandschaft in Rom, Forsch, z. brandend, und preuß. Geschuhte VII, 1894; Reusch, Briest au Bunsen von römischen Kardinälen u. s. w., 1897; Mirbt, Die preußische Gesandtschaft am Hofe des Papste-, 1899; Crdtineau-Joly, Mdmoires du Cardinal Consalvi, 2 vol.., 1864 l deutsch 1870 u. ö.); Fischer, Cardinal Consalvi, 1899; Heß, Seelsorger­ mangel in Bauern (1820/30), A. f. t Kr. LXXXIH, 1903; Höfler, Concordat und ConstitutionSeid der Katholiken in Bayern, 1847 (dazu Scheurl. S. kr. Rj, Strodl, DaS Recht der Kirche und die Staatsgewalt in Baiern, 1852; v. Sicherer, Staat und Kirche in Bayern, 1874; v. Lerchen­ feld, Zur Geschichte des bayrischen Konkordat-, 1883; La-peyre-, Katholische Kirche in Preußen (5 39); Maurenbrecher, Die preußische Kirchenpolitik und der Kölner Kirchenstreit, 1881; ö. Below, Der Kirchenstreit in Preußen 1838/39 nach der Korrespondenz v. Wrangel-, Deutsche Revue 1903; Pfülf, Kardinal Geißel, 2 Bde. 1895, Bischof v. Ketteln, 3 Bde. 1899; Ludwig, Aktenstücke zur Geschichte der badischen Konkordat-bestrebungen in der Zeit Napoleon- I., D. Z. s. Kr. XII, 1902; Longner, Beiträge zur Geschichte der oberrheinischen Kirchenprovinz, 1863; Brück, Die oberrheinische Kirchenprovinz, 1868; Warnkönig, Ueber den Konflikt de- Episkopat- der ober» rheinischen Kirchenprovinz mit den Landesregierungen, 1853; Friedberg, Staat und Kirche in Baden'. 1874; Maa-, Geschichte der katholischen Kirche in Baden, 1891; Jacobson, Über da­ österreichische Konkordat, 1856; Feßler, Studien über da- österreichische Konkordat', 1856; Rehscher, Da- österreichische und da- Württembergische Konkordat, 1858; Rümelin, Zur katholischen Kirchen­ frage, in Reden und Auffätze, R. F. 1881; Golther. Der Staat und die katholische Kirche in Württemberg, 1874; Württembergische Kirchengeschichte (§ 7).

Inzwischen war auch die KirchenrechtSwiffenschast neu erstanden. Da eS an Ver­ ständnis dafür mangelte, hatte noch C. F. Eichhorn, der 1881/83 mit der historisch­ juristischen Bearbeitung auch dieses vor und nach ihm ost bloß als theologisches Hilfsfach behandelten Gebietes den Anfang machte und ein wissenschaftliches System dafür schuft, mit seinem Unternehmen bei weitem nicht den Erfolg erzielt, der ihm in der Wissen­ schaft deS deutschen Rechtes beschieden war. Jedoch zehn Jahre genügten, um dem durch Klarheit, Methode und kirchliches Verständnis ausgezeichneten, feit 1842 immer wieder in neuen Auflagen8 erscheinenden Lehrbuch E. L. Richters einen durchschlagenden Erfolg zu sichern. Richters Hauptverdienst aber war die Begründung einer hervorragenden kirchen­ rechtlichen Schule. AuS ihr hat in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Paul HinschiuS gerade für das katholische Kirchenrecht jenes Werk geschaffen, das, an Reichtum insbesondere 1 Grundsätze des Kirchenrechts der katholischen und evangelischen Religion-partei in Deutsch­ land, 2 Bde. * Zuletzt 1886 in 8., von Dove und Kahl besorgter.

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IV. öffentliche- Recht.

des historischen Stoffs und an dessen juristischer Durchdringung alle früheren Gesamt­ bearbeitungen unserer Disziplin weit überragend, der deutschen Wiffenschast auch auf diesem Gebiet die unbestrittene Führung verschaffte. Noch wichtiger war, daß 1848 der absolute Staat unterging, um dem konstitutionellen Rechtsstaat mit dem Prinzip der Selbstverwaltung Platz zu machen. Niemandem kam der Umschwung so zu gut wie der katholischen Kirche. Die SelbstbeschrLnkung, die der Staat sich auferlegte, gab ihr ein weites Gebiet frei; die Bestimmtheit ihrer Ziele und das Vorhandensein einer bewährten, auch an moderne Verhältnisse leicht anzupaffenden Organisation setzten sie instand, die Selbstregierung sogar in weiterem Umfang zu übernehmen, als sie ihr zuerkannt war. Besonders in Preußen. Die deutschen Grundrechte von 1848 hatten das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche ausge­ sprochen *. Ohne dieses mitübernchmen zu wollen, aber auch ohne die staatlichen Hoheitsrechte über die Kirche festzulegen, verleibte Preußen, dessen König Friedrich Wilhelm IV. schon 1841 eine besondere katholische Abteilung im Kultusministerium ge­ schaffen hatte, welche zum mindesten in den Bau eines modernen, paritätischen und der Neutralität in kirchlichen Dingen entgegengehenden Staates organisch nicht hineinpaßte, eine Anzahl der Frankfurter Satze den Verfassungen von 1848 und 1850 ein. Die Folge war nicht bloß eine weitere Erstarkung des kirchlichen Rechtes, sondern vor allem eine allmähliche Verschiebung des Verhältnisses von Staat und Kirche im Sinne einer Nebenordnung beider für die Vorstellung weiter katholischer Kreise. So kam es 1873 zu dem heftigen, als Kulturkampf bekannten Konflikt, zu dessen Aufnahme freilich Bismarck auch deswegen sich entschloß, weil er vorübergehend der damals allgemein, besonders von den Theologen, aber auch von manchen Juristen genährten Überschätzung der praktischen Bedeutung von päpstlicher Unfehlbarkeit und päpstlichem Universalepiskopat verfiel. Kampfmittel warm die sogenannten preußischen Maigesetze81 *mit * * * *ihren * zahlreichen, wenig geschickten Strafbestimmungen und einer Reihe von Übergriffen in das rein geist­ liche Gebiet. Seinen dramatischen Höhepunkt erreichte der Konflikt, als am 7. August 1873 Pius IX. an Kaiser Wilhelm ein Schreiben richtete, worin der Papst mit einer zumal diesem Empfänger gegenüber schlecht angebrachten Schroffheit und Unverhülltheit von neuem die alte Identifizierung nicht bloß des Katholizismus, sondern geradezu des

1 Art. V ß 14. ...Jeder Deutsche hat volle Glaubens- und Gewiffensfteiheit. Niemand ist ver­ pflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. § 15. Jeder Deutsche ist unbeschränkt in der gemeinsamen, häuslichen und öffentlichem Übung seiner Religion. Berbrechen und Vergehen, welche bei Aus­ übung dieser Freiheit begangen werden, find nach dem Gesetze zu strafen. § Iv. Durch das religiöse Bekenntnis wird der Genug der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch be­ schränkt. Den staatsbürgerlichen Pflichten darf dasselbe keinen Abbruch tun. § 17. Jede Religionsgnellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig, bleibt aber den allgemeinen Staats­ gesetzen unterworfen. Keine Religionsgesellschast genießt vor anderen Vorrechte durch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche. Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; einer An­ erkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf eS nicht. § 18. Niemand soll zu einer kirchLichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden. 8 19. Die Formel deS Eides soll künftig lauten: So wahr mir Gott Helse. § 20. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung deS Zivilaktes abhängig; die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung des ZivilakteS stattfinden. Die Reliaionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehindernis. § 21. Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Obrigkeiten geführt." Wörtlich übereinstimmend die ReichSversaffung vom 28. März 1849, Art. V, & 144-151. 8 Schon am 8. Jun 1871 wurde durch Allh. E. die Aushebung der katholischen Abteilung im Kultusministerium verfügt. Dann erhielt am 5. April 1873 A. 15. der Verfassung: „Die evange­ lische und die römisch-katholische Kirche sowie jede andere Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig/ den Zusatz: .bleibt aber den StaatSgeseben und der gesetzlich geordneten Aufsicht deS Staates unterworfen", während ein Zusatz zu A. 18 eine AuSführungsgesetzgebuna in Betreff Vorbildung, Anstellung und Entlassung der Geistlichen und ReligionSdrener sowie der Grenzen der kirchlichen Disziplinargewalt in Aussicht stellte. Die eigentlichen Maigesetze befaßten sich 1. mit der Vorbildung und Anstellung der Geistlichen (u. a. das sog. Kulturexamen); 2. mit der kirchlichen Disziplinargewalt und der Errichtung eines Gerichtshofes für kirchliche Angelegenheiten; 3. mit den Grenzen des Rechtes zum Gebrauch kirchlicher Straf- und Zuchtmittel; 4. mit dem Austritt auS der Kirche. ES folgten 1874—78 weitere Gesetze, z. B. über die Verwaltung erledigter katholischer Bistümer, über die Einstellung der Leistungen auS Staats-

4. Ulrich Stutz. Kirchenrecht.

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Papalismus mit dem Christentum vollzog x, und als der sieggekrönte evangelische Helden­ kaiser ihm darauf unterm 3. September eine deutsche Antwort gab8. Der Kampf, der — eigentlich ohne Not — auch Baden und Heffen in Mitleidenschaft zog, erschütterte die kirch­ lichen Verhältnisse schwer und schädigte um einer schablonenhaft durchgeführten Parität willen die als solche gar nicht beteiligte evangelische Kirche auf da» empfindlichste mit. Er gefährdete aber, ohne die Opposition wirksam zu treffen, auch die Ordnung des staatlichen Lebens. Und vor allem begann er in seinem Verlauf Zwecken zu dienen, die zu unter­ stützen weder in der Aufgabe noch im richtig verstandenen Interesse deS Staates liegt. So brach denn Bismarck, dem Leo XHL, seinen Vorgänger nicht nur durch diplomatische» Geschick und Weite des Blicks8, sondern auch durch praktische Klugheit4* 1* und 6* * Mäßigung weit überragend, gleich beim Antritt seines Pontifikats (1978) die Geneigtheit zur Herbeiführung einer Verständigung zu erkennen gegeben hatte, 1880—1887 den Kampf mit sicherer Überlegenheit langsam wieder ab8. DaS, worauf e» ankam, eine kräftige

Kirchenhoheit des Staate», war durchgesetzt und wirkungsvoll behauptet8; nie ist sie seither in deutschen Landen praktisch mehr in Frage gestellt worden. Gerade der gesicherte Besitz tatsächlicher Vorherrschaft war eS, der nunmehr den deutschen Staaten die Herbei­ führung eines friedlichen Modus vivendi auch mit der katholischen Kirche und den Aus­ bau ihres Staatskirchenrechts im Sinne einer besseren Durchführung der bloßen Kirchen-

mittelu für die römisch-katholischen Bistümer und Geistlichen, über die Orden und Kongregationen, über die kirchliche Vermögensverwaltung in den katholischen Gemeinden und ferner, am 4. Mai 1874,

seit einiger Zeit von der Regierung Eurer Majestät getroffen werden, zielen immer mehr auf die Zerstörung des Katholizismus hi» ... . Mau sagt mir, daß Eure Majestät die Haltung Ihrer Regierung nicht billige und die Strenge der Maßregeln gegen die katholische Religion nicht gutheiße .... Wen« Eure Majestät . . . eS nicht billigt, daß von Ihrer Regierung auf der begonnenen Bahn todter fortgeschritten wird und die harten Maßregeln gegen die Religion Jesu Christi vervielfältigt werden, .... wird Eure Majestät dann versichert sein, daß dieselben nichts anderes zu Wege bringen, als den Thron Eurer Majestät selber zu unterwühlen? Ich spreche mit Freimut; denn die Wahrheit ist mein Panier, und uh spreche, um einer meiner Pflichten in erschöpfendem Maße nachzukommen, die mir auferlegt, Alle« das Wahre zu sagen und auch dem, der nicht Katholik ist; denn reder, welcher die Taufe empfangen hat, gehört in irgend einer Art und in irgend einer Weife, welche zu erörtern jetzt kein Anlatz ist, gehört, sage ich, dem Papste an/ 8 Der Kaiser belehrt zunächst den Papst über die staatsrechtliche Unmöglichkeit eines AuSeinandergehenS von Krone und Rraierung in Gesetzgebung und Verwaltung und beschwert sich dann Über die politischen Umtriebe eine- Teils seiner katholischen Untertanen, die e- ihm erschwerten, Ord­ nung und Gesetz in seinen Staaten aufrecht-uerhalten, wie e- sein Beruf al- christluher Monarch fordere. »Die Religion Jesu Christi hat, wie Ich Eurer Heiligkeit vor Gott bezeuge, mit diesen Umtrieben nicht- zu tun, auch nicht die Wahrheit, zu deren von Eurer Heilig­ keit angerufenem Panier ich mach rückhaltslos bekenne. Roch eine Äußerung in dem Schreiben Eurer Heiligkeit kann ich nicht ohne Widerspruch übergehen, wenn sie auch nicht auf irriger Berichterstattung, sondern auf Eurer Heiligkeit Glauben beruht, die Äußerung nämlich, daß jeder, der die Taufe empfangen hat, dem PaM angehöre. Der evangelische Glaube, jrn dem Ich Mich, wie Eurer Heiligkeit bekannt sein muß, gleich Meimn Borfahren und mit der Mehrheit Meiner Untertanen bekenne, gestattet unS nicht, in dem Verhältnis zu Gott einen anderen Vermittler al- unseren Herrn Jesum Christum anzunehmen.* 1 Sie offenbarte sich u. a. auch in der Öffnung deS vatikanischen Archiv-, die gerade für die Erforschung der Geschichte deS Kirchenrecht- von größter Wichtigkeit war und schon jetzt au einer erheblichen Bereicherung unsere- Wissens geführt hat; Berger, Leon XIII et les Hudes nistoriques, B. 6. d. eh. LXIV, 1908. 4 über den kircheurechtlichen Ertrag von LeoS XIII. Pontifikat orientiert vorläufig Segesser, Leo XIII. und das Kirchenrecht, A. f. k. Kr. LXXXIII, 1908. 6 Der durch die Novellen zur preußischen Gesetzgebung geschaffene Zustand ist unten bei der Darstellung deS geltenden EtaatSkirlhenrechtS zu berücksichtigen. Eine kurze Übersicht des einschlägigen Gesetze-material- gibt Kahls Lehrsystem 5 15, eine vollständige Zusammenstellung HinschiuS in seiner von 1873—1887 reichenden kommentierten Ausgabe der preußischen Kirchengesche, wozu noch Z. f. Kr. XVIII, 1888, S. 166 ff. zu vergleichen ist. 6 Der am 18. Juni 1875 aufgehobene Art. 15 der preußischen Verfassung ist selbst in der erweiterten Gestalt von 1873 (oben S. 878 A. 2) nicht wiederhergestellt worden; doch e ntspricht ihm die in Geltung stehende preußische Einzelgesetzgebung. Auch die katholische Abteilung,im Kultus­ ministerium erstand selbstverständlich nicht wieder.

IV. öffentliches Recht.

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Hoheit ermöglichte. Wird erst die Überzeugung davon allgemein werden, daß Verschieden­

heit des Glaubens, des Kultus und auch der kirchlichen Einrichtungen, weit entfernt, ein nationales Unglück zu sein, im Rahmen eines konfessionell neutralen, starken Staat- in Wahrheit eine Quelle gegenseitiger Förderung und kultureller Überlegenheit zu sein vermag, so werden im laufenden Jahrhundert auch die konfessionelle Verbitterung und andere, unvermeidliche, aber üble Folgen siegreich überwunden werden, welche die kirchen­ politischen Kämpfe der Vergangenheit zurückgelaffen haben. Verlach, DaS Verhältnis deS preußischen Staate- zu der katholischen Kirche*, 1867; Duhr, Aktenstücke zur Geschichte der Lesuitenmiffionen in Deutschland (1848—72), 1903; Friedberg, Die Grundlagen der preußischen Kirchenpolitik unter Friedrich Wilhelm IV., 1882; Finke, Zur Er­ innerung au Kardinal Melchwr von Diepenbrock (1798—1878), 1898, auch in Z. deS weftjül. Gesch.Vereins; HinschinS, Die Stellung der deutschen Staat-regierungen gegenüber den Befchlüffeu devatikanischen Konzil-, 1871; Friedberg, Das deutsche Reich und die katholische Kirche, m Holtzendorffs Jahrbuch für Gesetzgebung I, 1871; Harris, Irrlehren über den Kulturmmpf, 1876; Hahn, Geschichte de- Kulturkampf-, 1881; Schulte, Geschichte de- Kulturkampf- in Preußen, 1882; Siegfried, Aktenstücke bett, den preußischen Kulturkampf, 1882; v. Bar, Staat und katholische Kirche in Preußen, 1888; Bachem, Preußen und die katholische Kirche♦, 1875; Wendt. Darstellung der KuUurkampfgesetze in ihrer Gültigkeit nach dem Friedensschluß, 1887; Meier, Zur Raturgeschichte de- Centrums, 1882; Braun, Die Kirchenpolitik der deutschen Katholiken (seit 1848X 1899.

§ 4S.

Die Sptritrmltfieimirg de- KtrcheurechtS.

Die kirchenrechtliche Arbeit des 19. Jahrhunderts erschöpfte sich auch auf katholischem Gebiet keineswegs in der bloßen Reproduktion. Im einzelnen fehlte es ja nicht an Rück­ fällen ins Mittelalter. So, wenn PiuS IX. am 22. Juni 1868 das österreichische Staats­ grundgesetz vom 21. Dezember 1867, welches daS Konkordat von 1855 zum Teil beseitigt hattet feierlich verdammte, oder durch die Enzyklika Quod numpiam vom 5. Februar 1875 die preußischen Maigesetze kurzweg für ungültig erklärte, oder gar am 8. Dezember 1864 als Anhang zur Enzyklika Quanta cura einen Syllabus complectens praecipuos nostrae aetatis eirores veröffentlichte, der in 81 (übrigens schon bei anderer Gelegenheit ausgesprochenen) Sätzen so ziemlich alle Errungenschaften unserer Zeit, darunter Hauptgrundsätze deS geltenden Staatsrechts, anathematisierte. Diese Akte erhielten gerade nur so weit Bedeutung, als man es für nötig fand, sich für oder wider sie zu erregen; praktisch haben sie weder das Verhältnis von Kirche und Staat noch auch das Kirchen­ recht selbst irgendwie beeinflußt. Dagegen vollzog sich, zunächst in aller Stille, ein folgenschwerer Umschwung in anderer Richtung. Seit Beginn des Jahrhundert- wurde das Schwergewicht der kirchlichen Macht langsam, aber sicher in das spirituelle Gebiet hinübergerückt, ein Prozeß, der sich beschleunigte, als die Kirche — nicht durch eigenes Verdienst, sondern im Gegenteil sehr wider ihren Willen — des letzten temporellen Ballasts in Gestalt des ihr Ansehen schwer schädigenden Kirchenstaates stückweise entledigt wurde, bis das Temporale am 20. September 1870 von der Landkarte verschwand. Die immer wiederholten Proteste dagegen (z. B. Enzyklika Respicientes vom 1. November 1870) vermögen nicht über den Gewinn hinwegzutäuschen, welchen die Kurie mit größtem Geschick aus dieser Enttemporalisierung zu ziehen verstand. Man lernte eben nach und nach doch einsehm, daß eS heutzutage einer potestas directa und eines dominium directum nicht mehr bedürfe, um ein gewichtiges Wort in katholischem Sinn mitzusprechen, da ja der konstitutionelle Rechtsstaat in Gestalt der Gewiffens- und Kultusfreiheit, des Versammlungs-, Vereins- und parlamentarischen Wahlrechts selbst die Mittel zur Verfügung stellt — und wenn er sich nicht selbst aufheben will, zur Verfügung stellen muß —, die eS jeder, also auch der katholischen Weltanschauung ermöglichen, sich politisch zur Geltung zu bringen. Und anderseits verkannte man nicht, daß nunmehr eine Zeit gekommen sei, die für geistige Macht ein volles Verständnis besitzt; lehrte doch die Geschichte der Neuzeit mit ihren Staatsumwälzungen beredt, wie auch äußere Machtmittel heutzutage gerade nur so weit reichen als der Glaube an ihren Träger. Diese geistige Macht galt es zu

1 Tre völlige staategesetzliche Beseitigung erfolgte am 7. Mai 1874.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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organisieren. Das konnte nur geschehen durch einen weiteren Schritt auf dem über anderthalb Jahrtausende langen Weg der Verquickung des Rechts mit dem Glauben, der dafür, weil religiöses Leben stets das Bewußtsein der Abhängigkeit von einer Autorität in sich schließt, die denkbar sicherste Grundlage abzugeben schien. So gelangte man wenige Wochen vor dem Untergang des Kirchenstaates auf dem seit 1869 versammelten vatikanischen Konzil * am 18. Juli 1870 zu der constitutio Pastor aetemus. Sie dogmatisierte den Primat, erkannte dem Papst einen in jeder Diözese mit dem OrtSbischof konkurrierenden Universalepiskopat sowie, als Lehrer der Welt ex cathedra sancti Petri, im Gebiet des Glaubens und der Sittenlehre die Unfehlbarkeit zu, alles Dinge, die im letzten Grunde schon im mittelalterlichen Papalsystem gelegen hatten, aber für die damalige Zeit, die nur greifbare Macht verstand, ein totes Kapital gewesen waren. Jetzt wurde es fruchtbar. Zwar kleinere Kreise, die sich an die neue Lehre nicht ge­ wöhnen konnten, oder denen weder der Gedanke der Katholizität noch Derjenige der Autorität über alle Schwierigkeiten hinweghalf, fielen ab. Jedoch der bereits anläßlich der eigenmächtigen Definition deS Dogmas der unbefleckten Empfängnis Mariä (Bulle Ineffabilis Deus vom 8. Dezember 1854) erprobte Episkopat und die erdrückende Mehr­ heit der Gläubigen unterwarfen sich, ändette sich doch praktisch am bestehenden Zustand nichts. So wurde die Allianz von religiöser Überzeugung und kirchlich«» RochtS-

bewußtsein, in der — und nur in der — die praktische Bedeutung deS Vatikanums liegt, glücklich vollzogen; sie wird der katholischen Kirche die wertvollsten Dienste leisten, wo immer und solange der Glaube die verstärkte Beschwerung durch daS Recht erträgt, sichert sie ihr doch in Zeiten deS Kampfs eine vereinte oder doch alternative Reaktion zweier elementarer Kräfte, indes die kirchlichen Einrichtungen selbst, des Zwangs zu formellen Übergriffen und der ehedem verhängnisvollen Verquickung mit Geld und GeldeSwert entledigt, nicht mehr so dicht wirksame Angriffspunkte bieten. ES wird, wenn man die Fesseln, die gerade die Temporalisierung dem mittelalterlichen Papalsystem für die praktische Ver­ wirklichung anlegte, in Bettacht zieht, wohl geurteilt werden müssen, daß ttotz personaler und materieller Beschränkung machtvoller als in Gestalt der heutigen (Leo IUI. f 1908)8* * katholischen RechtSkirche daS organisierte Christentum noch nie in Erscheinung getreten sei.

Hourat, Genäse historique du syllabus8,1901: Newman, Der Papst und die Revolution, übers, v. Keusch, 1867; Nürnberger, Papsttum und Kirchenstaat I—III, 1897^-1900; Schiappoli, La politica ecclesiastica del conte di Cavour, 1898; KrauS, Cavour, 1902; HinschiuS, Kr. III § 172 vm; Acta et decreta sacrorum conciliorum recentiorum (coli. Lacensis) seit 1870, 7 Bde., darin t VII, 1890: DaS vatik. Konzil; RoskovAny, Romanus pontifex, 16 Bde., 1867/79; Döllinger, Das Papsttum (Neubearbeitung deS anonymen: JauuS der Papst und daS Konzil), 1892 Kirche und Kirchen, Papsttum und Kirchenstaat, 1861; v. Schulte, Die Stellung der Konzilien, Päpste und Bischöfe, 1871, und: Die Macht der römischen Päpste über Fürsten, Länder u. s. ».*, 1896; Feßler, DaS vatikanische Konzils 1871; Acton, Zur Geschichte des vatikanischen Konzils, 1871; Friedberg, Sammlung der Aktenstücke zum vatikanischen Konzil, 1872; Friedrich, Tagebuch, während deS vatikanischen Konzils8, 1873, Geschichte daS vatikanischen Konzils, 1877, Ignaz v. Döllinger, 3 Bde., 1899—1901; v. Schulte, Der AltkatholiziSmu», 1887; Sammlung der kirchlichen und staatlichen Borschristen für die altkatholische Kirchengemnnfchast, 1878 mit Nachtr. 1882; Cecconi, Storia del concilio del Vaticano, 4 vol. 1872—79, deutsch von Molitor, 1878; Granderath, Geschichte deS vatikanischen Konzils, I, II, 1908; Ehrhard, Der Katholizismus (§ 37). 1 ES wurde am 20. Oktober 1870 wegen der vorangegangenen Ereignisse auf unbestimmte Zeit vertagt. 8 Zum Kirchenkonstikt in Frankreich und zum französischen DereinSgesetz vom 1. Juli 1901 (Abdruck D. Z. f. Kr. XII, 1902, S. 140 ff.) vgl. Waldeck-Rous seau, Association et congrdgations, 1901; Trouillot-Chapsal, Du contrat d’association, 1902; Ruffini, La lotta contra le congregasioni religiöse in Francia, 1902; Leroy-Beaulieu, Les congrßeations religieuses, le protectorat catholiqne et l’influence fran^aise au dehors, in Revue des deux mondes XIV, 1903.

Encyklopädie der Rechtswissenschaft. 6., der Renbearb. 1. Aufl.

Bd. II.

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IV. öffentliches Recht.

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Zweiter Titel. Geschichte öes evangeCtfcfpen Kivcherrvechts. Erstes Kapitel.

Pie Keformation und das deutsche Staatsktrcheurecht.

§ 44.

Die Zeit des reformatorischen Enthusiasmus.

Aus der Tiefe einer in schwerer Gewissensnot um ihr Heil in Christo ringenden Seele wurde die Reformation geboren. Martin Luther, der am 10. November 1483 zu Eisleben geborene Augustinereremit von Wittenberg, der lange vergeblich auf dem her­ gebrachten kirchlichen Weg den Frieden mit Gott gesucht, fand ihn endlich durch die Wiederentdeckung des paulinischen Evangeliums von der Rechtfertigung allein durch den Glauben. Die von ihm entfachte Bewegung war und blieb zunächst nur religiös. Weder eine Kirchenverbesserung strebte Luther an, wie vor ihm und neben ihm1 manche Reformer, noch stand ihm eine Erneuerung der gesamten, auch der theologischen Bildung im Vorder­ grund des Interesses, wie den Humanisten. Freiheit für die neue, die unverfälschte Heilsbotschaft war das einzige, was er begehrte. v. Ranke. Deutsche Geschichte im Zeitalter der Resormation6, 6 Bde., 1881 ff., fnmtl. Werke Bd. 1—6; Jansfen-Pastor, Geschichte des deutschen Volks seit dem Ausgange des Mittelalters I—III’s, IV—VI’s, VII", VIII", 1893—1903; Egelhaaf, Deutsche Geschichte im 16. Jahrhundert, 2 Bde., 1889—1892; Heppe, Geschichte des deutschen Protestantismus (1555—1581), 1852 ff.; Döllinger, Die Reformation, 3 Bde. s, 1846 ff.; v. Bezold, Geschichte der deutschen Reformation (Oncten, A. G. III, 1) 1890; Corpus Reformatorum, bis jetzt 87 Bde.; Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte seit 1883, bis jetzt 74 Hefte, und Archiv für Resormationsgeschichte, seit 1903, bis jetzt 1 H.; Luthers Werke, Erlanger Ausgabe, z. T. in 2. Aust., z. Z. 67 Bde., 1867ff., Weimarer Ausgabe, 1883 ff., bis jetzt 27 Bde., Ausgabe für das deutsche Haus von Buchwald u. A?, 8 Bde., 1889ff.; Lutherbiographien von Köstling 2 Bde., 1903; Kolde, 2 Bde., 1884—1893; Lenz«, 1897.

Dieser Freiheit stand der Grundstock des überlieferten kanonischen Rechtes als die Ursache des von ihm bekämpften furchtbaren Gewissensdrucks im Wege. Gegen ihn hat Luther mit der ganzen Wucht seiner gewaltigen Persönlichkeit angekämpft. Der Ablaßhandel und die damit verbundene Schädigung gewissen- und ernsthafter Seelsorge forderte in den 95 Thesen vom 31. Oktober 1517 den Protest seiner gereinigten Auffassung von Buße und Heiligung heraus. Noch läßt er die Jurisdiktion des Papstes gelten. Aber seine Lehrgewalt will er bald nicht mehr anerkennen. Und dann beginnt gegen ihn der Ketzerprozeß, der am 16. Oktober 1518 zu seiner appellatio a papa male informato ad papam melius informandum, seit dem Januar 1520 zu längerer Verhandlung bei der Kurie, am 15. Juni 1520. zur Verdammung von 41 seiner Lehrsätze in der Bulle Exsurge Dom ine bei gleichzeitiger monitio caritativa, am 3. Januar 1521 zur großen Exkommunikation durch die Bulle Decet Romanum, am 8./25. Mai nach furchtloser Verteidigung auf dem Wormser Reichstag in der seit der constitutio cum principibus ecclesiasticis von 1220 vorgeschriebenen Folge zur Acht führt. Jetzt verwirft er, zumal er sich von der Fälschung wichtiger päpstlicher Rechtstitel wie der konstantinischen Schenkung inzwischen überzeugt und die Unhaltbarkeit anderer Grundlagen der päpstlichen Gewalt dank weiterem Schriftstudium erkannt hat, auch den primatus iurisdictionis und darüber hinaus das ius divinum, ja überhaupt die sichtbare Kirche. Jetzt erkennt er die Schriftwidrigkeit des Standespriestertums, dem er den Grundsatz des freien, unvermittelten Zutritts jedes Christenmenschen zu Gott, das religiöse (nicht verfassungsrechtliche!) Prinzip des allgemeinen Priestertums gegenüberstellt, wodurch

1 Vergl. das Gutachten Jakob Wimpselings von 1510 über die Reform der Kirche.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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auch die bisherigen Laien zu Vollchristen erhoben werden. Schließlich fallen ihm auf dem Gipfelpunkt reformatorischer Begeisterung, wie er ihn in den Schriften des Jahres 1520: „An den christlichen Adel deutscher Nation", „De captivitate Babylonica“ und „Von der Freiheit eines Christenmenschen", erreicht, auch alle übrigen, mit der Freiheit des Evangeliums nicht vereinbaren katholischen Einrichtungen dahin, so das meiste von der Sakramentslehre, so Fasten, Wallfahrten, Mönchtum, Zölibat (1525 seine Ehe mit der ehemaligen Nonne Katharina von Bora), Bann und Interdikt. Mit der Bulle Exsurge und dem Corpus iuris canonici verbrennt er am 10. Dezember 1520 das Rechtschristentum; dessen Vertreter, der Papst, wird ihm geradezu der Anti­ christ. Das persönliche Glaubenschristentum ist aufgerichtet. Brieger, Das Wesendes Ablasses, Leipziger Progr., 1897; Paulus, Joh. Tetzel der Ablaß­ prediger, 1899, Der Ablaßprediger Bernhardin Samson, Kath. LXXIX, 2, 1899; Fischer, Zur Geschichte der evangelischen Beichte, I, Die katholische Beichtpraxis bei Beginn der Reformation und Luthers Stellung dazu, 1902, II, DaS Beichtinstitut in Wittenberg, 1903, Stud. z. Gesch. d. Theol. und Kirche; Köhler, Luthers 95 Thesen, 1903, Dokumente zum Ablaßstreit, 1902; K. Müller, Luthers römischer Prozeß, Z. f. Kg. XXIV, 1903; A. Schulte, Die römischen Verhandlungen über Luther 1520, Q. u. F. VI, 1903; Wrede, Der erste Entwurf des Wormser Edikts, Z. f. Kg. XX, 1900; Köstlins, Luthers Lehre von der Kirche, 1853; Kolde, Luthers Stellung zu Konzil und Kirche, 1876; Sohm, Kr. I, §§ 34, 35; K. Müller, Das Wesen und die Bedeutung der Kirche für den einzelnen Gläubigen nach Luther, Heft 16 d. Christi. Welt, 1895; Rietschel, Luthers Anschauung von der Unsichtbarkeit und Sichtbarkeit der Kirche, Th. St. K., LXXIII, 1900; Köhler, Luthers Schrift an den christlichen Adel, 1895.

Um letzterer Tat willen heißt er der Reformator, während er vom Standpunkt des kanonischen Rechtes aus allerdings als Revolutionär erscheint. Nicht vom Stand­ punkt des Rechtes überhaupt aus. Auch für die Kirche hat er dessen Daseinsberechtigung und Notwendigkeit nie bestritten; er hat sich nur, weil durchaus innerlich gerichtet und hinsichtlich des äußeren Gangs seiner Sache von einem großartigen Gottvertrauen beseelt, erst gar nicht und später bloß ungern, durch bittere Erfahrungen belehrt, darum be­ kümmert. Und auch nicht von dem Standpunkt aus, auf den er, an die mittelalterliche Auffassung von der Christenheit und ihren Schwertern oder Regimenten anknüpfend, auf Grund seines Schriftverständnisses gelangt war, nämlich, daß äußere Ordnung nur von der weltlichen Obrigkeit zu handhaben sei. In letzterer Hinsicht war es von Bedeutung, daß auch die Verhältnisse ihn auf die Obrigkeit anwiesen. Aber nicht auf das Reich, dessen damaliges Oberhaupt, Karl V., weder für die religiöse noch für die nationale Seite von Luthers Sache Verständnis besaß. Das Schwergewicht lag längst nicht mehr bei ihm, sondern in den Territorien. Deren Herrscher waren entweder, wie Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen (1486—1525), selbst von der Reformation innerlich berührt, oder sie wurden doch durch die Volkstümlichkeit der Bewegung zu einer zuwartenden Haltung gezwungen. Ihr Bestreben mußte sein, die Durchführung des Wormser Edikts hint­ anzuhalten (Aufschübe oder Interims der Reichstage von Nürnberg, 1523 und 1524). Inzwischen breitete sich die Reformation zu Stadt und Land gewaltig aus. Doch suchte inzwischen der religiöse und der soziale Radikalismus in Gestalt der Täuferei und der Bauernbewegung sich ihrer zu bemächtigen. Luthers überragender Persönlichkeit gelang es, seine Sache beider zu erwehren. Aber damit nahm auch der enthusiastische Schwung der Bewegung ein Ende. Gleich dem Christentum der nachapostolischen Zeit trat die Reformation in das Stadium der Ernüchterung und damit der äußeren Einrichtung. Gesfcken, Staat und Kirche nach Anschauung der Reformatoren, 1879; Brandenburg, Martin Luthers Anschauung vom Staat und der Gesellschaft, Schr. V. R. G H. 70,1901: Mauren­ brecher, Karl V. und die deutschen Protestanten (1545—1555), 1865; Druffel, Kaiser Karl V. und die römische Kurie (1543—1546), Münchener Ak. S. B. 1880/82; Baumgarten, Karl V. und die deutsche Reformation, Schr. V. R. G H. 27, 1889; Pastor, Die kirchlichen Reunionsbestrebungen während der Regierung Karls V., 1879; Birk, Die römische Kurie und Deutschland (1533—1539), Pr. Jb. LXXXV, 1896; v. Höfler, Papst Adrian VI, 1880; Laemmer, Analecta Romana, 1861, und Monumenta Vaticana, 1861; Cornelius, Geschichte des Münsterischen Aufruhrs, 2 Bde., 1855 bis 1860.

IV. Öffentliches Recht.

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§ 48.

Die Evangelischen eine eigene Religionspartei und tatsächlich geduldet.

Nach den Ereignissen des Jahres 1520, insonderheit nach Aufgabe der Messe, des Mittelpunkts katholischer Gottesverehrung, im Jahre 1523, ließ sich Luthers und des konservativeren Melanchthon anfänglicher Anspruch, die eine, alte, katholische, wenn auch nicht römische Kirche fortzusetzen, nicht mehr mit Erfolg aufrechterhallen. Der Reichstag von Speier 1529 mit seiner auf möglichste Einschränkung auch des vorläufigen evan­ gelischen Besitzstandes berechneten Schroffheit veranlaßte am 19./25. April alle deutschen Stände und Städte, die der neuen Lehre anhingen, zu dem gemeinsamen Protest, der ihnen den Gesamtsondernamen „Protestanten" eintrug. Freilich legten das Marburger Ge­ spräch vom 1. bis 4. Oktober und der nicht beglichene Abendmahlstreit alsbald den Grund zur dauernden Trennung der schweizerischen Reformation Zwinglis von der deutschen. Aber dieser wenigstens gab schon der Augsburger Reichstag von 1530 Gelegenheit, mit einem eigenen Bekenntnis hervorzutreten, der confessio Augustana, samt der von den mehr schweizerisch gerichteten Städten Straßburg, Konstanz, Lindau und Memmingen eingereichten Tetrapolitana (gegen beide katholische confutationes), ein Bekenntnis, das Melanchthon 1531 in der Apologie aufrechterhielt *. Seither gehen die deutschen Evan­ gelischen unter der Bezeichnung „Augsburgische Konfessionsverwandte".

Melanchthon, Loci communes, herausg. von Plitt und Aolde 8, 1900; Ellinger, Philipp Melanchthon, 1902; Redlich, Der Reichstag von Nürnberg (1522), 1887; Richter, Der Reichstag von Nürnberg (1524), 1888; Weizsäcker, Der Versuch eines Nationälkonzils in Speier, t. 3. LXIV, 1890; Brasse, Geschichte des Speierer Nationalkonzils (1524), Hall. Diff., 1890; Ney, eschichte des Reichstags zu Speier (1529), 1880; Lenz, Zwingli und der Landgraf Philipp, Z. f. Kg. III, 1879 (vgl. Iv, 1881); Kolde, Die Augsburgische Konfession8, 1901; Tschackert, Die un­ veränderte Auasburgifche Konfession, 1901; Joy. Ficker, Die Konfutation des augsburgischen Be­ kenntnisses, 1892; Spahn, Joh. Cochlaeus, 1898. Schon vorher hatte der Speierer Reichsabschied von 1526 bestimmt, „in Sachen der Religion und des Wormser Edikts solle jeder Stand mit seinen Untertanen so leben, regieren und es halten, wie er es gegen Gott und die Kaiserliche Majestät zu verantworten sich getraue". Damit war die tatsächliche Duldung andersgläubiger Stände in dem zu­ nächst noch als notwendig katholisch angesehenen Reiche erzielt, ein Erfolg, den auch spätere, weniger günstige Reichstagsbeschlüffe nicht rückgängig zu machen vermochten. Ferner war, indem man mit, d. h. für und gegenüber seinen Untertanen Stellung nehmen zu wollen erklärte, der Grundsatz: Cuius regio, eius religio, also die Übereinstimmung von landesherrlichem und Untertanenbekenntnis für alle Beteiligten, auch die evangelischen Stände, als selbstverständlich anerkannt. Und endlich setzte man damit, daß man nicht mehr auf das Reich, aber auch nicht auf die Einzelnen, sondern auf die Stände abstellte, bei diesen, auch bei den evangelischen, das hergebrachte Recht des Religionsbanns im weiteren Sinn voraus, nur daß es jetzt aus einem Rotrecht auf bloßes Eingreifen in die äußere Ordnung (ius reformandae disciplinae) mehr ein ordentliches, wenn auch nur zeitweilig zur Anwendung gelangendes Recht auf positive Religionsbestimmung wurde (ius reformandi cultus). Damit war die Sache der Reformation von Rechts wegen in die Hände der Fürsten und Städte gegeben und das evangelische Landeskirchentum angebahnt.

Friedensburg, Der Reichstag zu Speyer (1526), 1887; v. Bonin, Die praktische Bedeutung des ius reformandi, in Stutz, Kr. A. H. 1, 1902; Greiff, Das staatliche Resormationsrecht, Er­ langer Diff., 1902. Die zweite Generation evangelischer Landesherren stellte sich zur Reformation mehr politisch. Luther mußte sich den Schutz seiner Sache durch das Bündnis von Schmal­ kalden (1531) gefallen lassen. Zeitweise die Grundlage einer imposanten Machtstellung der Evangelischen (Nürnberger Religionsfrieden von 1532), wurde es später die Quelle mancher, auch moralischer Verlegenheiten, so namentlich 1540 durch die Doppelehe Land-

1 Später (1544) kamen als Bekenntnisschrift noch die schmalkaldifchen Artikel von 1537 hinzu.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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graf Philipps von Hessen, die Luther, um den mächtigen Verbündeten nicht dem Gegner in die Arme zu treiben (der Kaiser verzieh tatsächlich später), zuzulassen sich veranlaßt sah, was ihm allerdings sein Schriftprinzip (Patriarchenpolygamie) erleichterte, aber doch nicht, ohne daß er gegen seine innere Überzeugung handeln mußte. Der durch dynastische Interessen

veranlaßte Abfall des Herzogs Moritz von Sachsen brachte die Evangelischen im Schmalkaldischen Kriege, vor dessen Ausbruch Luther am 18. Februar 1546 in seiner Vaterstadt starb, in große Bedrängnis und führte 1548 zu dem diesmal den Katholischen vorteilhaften Augsburger Interim (nur Priesterehe und Laienkelch zugestanden), das, in Süddeutschland gewaltsam durchgeführt, die evangelische Sache schwer schädigte. Da bewirkte Moritz von Sachsen, der in seinen Landen nicht aufgehört hatte, die evangelische Sache zu fördern, vom Kaiser plötzlich abschwenkend, einen völligen Umschwung. Winckelmann, Der schmalkaldische Bund (1530—1532), 1892; Paulus, Luthers Lebensende, 1896; Friedberg, Agenda, wie es in des Churfürsten zu Sachsen Landen in den Kirchen ge­ halten wird, 1869; Wolf, Das Augsburger Interim, D. Z. f. Gw. II, 1898; Herrmann, Das Interim in Hessen, 1901; Jssleib, Moritz von Sachsen, 1898; Brandenburg, Moritz von Sachsen I, 1898; Sehling, Die Kirchengesetzgebung unter Moritz von Sachsen, 1899.

H 46.

Die rechtliche Anerkennung des neuen Glaubens und -essen Behauptung gegenüber der katholischen Gegenreformation.

Trotzdem Moritz in der Schlacht von Sievershausen 1553 den Tod fand, gingen die von ihm 1552 im Passauer Vertrag für die Evangelischen errungenen Vorteile über in den endgültigen Augsburger Religionsfrieden vom 25. September 1555. Mit ihm hörte die evangelische „Religion" reichsrechtlich auf, als Ketzerei zu gelten. Denn das auf den mittelalterlichen Gedanken des einheitlichen Corpus christianum gestützte Er­ fordernis der religiösen Uniformität des Reichs wurde jetzt aufgegeben. Doch eine eigent­ liche Religionsfreiheit gewährte auch den Ständen der Friede nicht. Rur die alte und die „Augsburgische Konfessions-Religion" wurden anerkannt, und nur zu Gunsten der einen oder der anderen sollte auch das Reformationsrecht geübt werden (nicht auch zu Gunsten des Zwinglianismus!), so daß an die Stelle der einen einfach zwei Zwangs­ kirchen traten. Immerhin gab es fortan auch für die altgläubigen Stände zum neuen Glauben einen wenigstens indirekt zugestandenen Übertritt. Bloß sollte derjenige eines

geistlichen Standes nicht auch den Verlust des betreffenden Bistums oder Stifts für die Katholischen im Gefolge haben; die Altgläubigen hätten sonst nicht bloß zahlreiche weitere Machtverluste zu gewärtigen gehabt, sondern wären Gefahr gelaufen, sich aus Mangel -an den nach ihrem Kirchenrecht erforderlichen Titeln und Pfründen von den not­ wendigen kirchlichen Obern entblößt zu sehen. So der geistliche Vorbehalt, reservatum ’ecclesiasticum, der aber nicht als vereinbart, sondern lediglich als kraft kaiserlicher Ge­ walt auferlegt galt und von den Evangelischen nicht anerkannt wurde. Weiter suspendierte der Frieden für diese die geistliche Jurisdiktion der Bischöfe und das. Patronatrecht der nicht reichsunmittelbaren geistlichen Stände, was sie fortan vor Belästigungen durch ihre früheren geistlichen Obern sicherstellte und den Landesherren die Anhandnahme des Kirchen­ regiments auch rechtlich ermöglichte. Endlich wurde den Untertanen gegenüber dem landes­ herrlichen Reformationsrecht die Auswanderungsbefugnis, ins emigrandi, gewährleistet. Wolf, Der Augsburger Religionsftiede, 1890; Brandt, Der Augsburger Religionsfriede, 1896; Rieker, Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands, 1893; v. Bonin, Praktische Bedeutung des ius reformandi (§ 45).

Die Ruhe, die dieser Frieden den Augsburgischen brachte, zeitigte, zusammen mit der durch ihn sanktionierten Trennung von den außerdeutschen Protestanten, bei den deutschen Evangelischen Lehrstreitigkeiten, die durch die Konkordienformel vom 25. Juni 1580 nicht völlig aus der Welt geschafft wurden. In diese Zeit fällt auch ein sieg­ reiches Vordringen des Calvinismus im Deutschen Reich (§ 51). Von größter staats­ kirchenrechtlicher Bedeutung wurde es, daß Kurfürst Johann Sigismund von Branden­ burg, als er 1613 zum reformierten Bekenntnis übertrat (confessio Marchica 1614),

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IV. öffentliches Recht.

als erster von seinem Religionsbann, wie er nach dem älteren strengen Recht des Augs­ burger Religionsfriedens eS auch nicht durfte, aber nach der neueren Praxis gekonnt hätte, zu Gunsten seines neuen Bekenntnisse- keinen Gebrauch machte, sondern seine Untertanen, von denen nur kleine Teile freiwillig übertraten, beim Luthertum beließ. Jetzt beschrankt sich im Gegensatz -u den Calvinischen, die sich gern als die Refor­ mierten in besonders vollkommenem Sinne bezeichneten, der ursprünglich beiden Rich­ tungen von den Gegnern gemeinschaftlich beigelegte Name Lutheraner auf die An­ hänger de- deutschen Reformators. Anderseits bezeichneten sich fortan die deutschen Reformierten, soweit sie die äußere Ordnung der Lutherischen beibehielten, ebenfalls als Lug-burgische KonfesfionSverwandte. Doch geriet die Reformation überhaupt bald ins Stocken. Ja e- gelang dem durch das Tridentinum gesammelten Katholizismus, wieder Boden zu gewinnen und namentlich auch das Territorialprinzip samt dem wieder zur Anwendung gelangenden Ketzerrecht gegen die Evangelischen zu kehren. Der nunmehr entbrennende 30 jährige Religionskrieg führte zunächst 1629 zu einem kaiserlichen RestitutionSedikt, das den Augsburger Religionsfrieden in katholischem Sinn restriktiv interpretierte. Hatte schon im 16. Jahrhundert die Gegnerschaft des universalen Papsttums und vor allem der internationalen österreichischen HauSmacht die Evangelischen in die angesichts des nationalen Charakters ihrer Sache mißliche Lage versetzt, im Aus­ land Hilfe zu suchen, so trieb sie jetzt eben diese internationale österreichische Gegnerschaft nicht bloß zum Bündnis mit dem immerhin in erster Linie als Vorkämpfer des evan­ gelischen Glaubens sich fühlenden Schwedenkönig Gustav Adolf, deffen mit dem Tod auf dem Schlachtfeld zu Lützen am 16. November 1632 besiegeltes Werk die Rettung des norddeutschen Protestantismus war, sondern sogar in die unnatürliche Verbindung mit dem katholischen Frankreich, ja mittelbar mit dem als italienischer Fürst von Habsburg bedrohten Papst (Urban VIII.). So war es auch ein europäischer und unter der Garantie außerdeutscher Mächte stehender Friedensschluß, der dem Religionskrieg ein Ende machte,

v. Mühler, Geschichte der evangelischen Kirchenverfaffung in der Mark Brandenburg, 1846; Brande-, Geschichte der kirchlichen Politik de- Hause- Brandenburg, I, II, 1872; Zorn, Die Hohenzolleim und die ReligwuSfterheit, 1896; Heppe, Ursprung und Geschichte der Bezeichnungen «formierte und lutherische Kirchen, 1859; FabricruS, Kirchliche Organisation und Berteilung der Konfessionen im Bereich der heutigen Rheuwrovinz um 1610, 4 Karten tGesch. Atlas der Rhein­ provinz VI), 1903; Lorenz, Die kirchlich-politische Parteibilduna vor Beginn de- 30jährigen Krieges im Spiegel der koastsfionellen Polemik, 19(6: Ranke, Zur deutschen Geschichte vom Religion-frieden bi- zum 30jährigen Krieg', sämtl. Werke Sd. 7, 1888; Wolf, Deutsche Geschichte im Zeitalter brr Gegenreformation I, 1899; v. Bncholtz, «schichte der Regierung Ferdinands I, 9 Bde., 1831—1838; Holtzmann, Kaiser Maximilian II., 1903; Literatur über die Gegenreformation in den einzelnen Territorien bei Friedberg, Kr. § 29, R. 8; Tupetz, Der Streit nm die geistlichen Güter und das Restitution-edikt, 1883; Gebauer, Kurbrandenbum und da- Restitution-edikt, 1899; Günter, Das Restitution-edikt von 1629 und die katholische Restauration Altwürttemberg-, 1901; Lossen, Die Anfänge de- Straßburger Kapitelstreite-, 1889; Meister, Der Straßburger Kapitelstreit (1583 bis 1592), 1899; Arndt, Die Kirchenordnung drS Schwedenköuigs Gustav Adolf für die Stifter Magdebu^und^albnstadt 1632, D. Z. f. Kr. XI, XII, 1902; Gindely, Geschichte des 30jährigen Krieges,

5 47.

Der Westfalische Friede« ««d da- deutsche Staattkircheurecht bis zum »egt«« de» 19. Jahrhundert».

Aus den Verhandlungen mit Frankreich und dem Papst in Münster, mit Schweden in Osnabrück ging am 14./24. Oktober 1648 der Westfälische Frieden hervor. Für die kirchlichen Verhältnisse kommt nur das Osnabrücker Friedensinstrument, Inetrumentum Pacis Oßnabrugensis (I.P.O), in Betracht, gegenüber der zu erwartenden und auch wirklich erfolgten päpstlichen Ungültigkeitserklärung (§ 38) von vornherein durch die Vereinbarung ihrer allseitigen Nichtbeachtung geschützt. Auf Grund des zu­ nächst als Staatsvertrag, seit dem jüngsten Reichsabschied von 1654 aber auch als Reichs­ grundgesetz geltenden Westfälischen Friedens sollte:

Emminghftus, Corpus iuris Germanici•, 1844ff.; Meyer-Zöpfl, Corpus iuris confoederationis Germanicae8, 3 Bde., 1869; Pütter, Der Geist des westphälischen Friedens 1795; Rieker, Rechtliche Stellung der evang. Kirche (§ 46).

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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1. unter Den Ständen Parität herrschen *, aber nur zu Gunsten der reichsrechtlich anerkannten katholischen und augsburgischen Religion, also nicht auch für andere (Sekten). Durch authentische Interpretation des Augsburger Religion-frieden- von 1555 und dem­ nach mit rückwirkender Kraft werden auf Betreiben des Großen Kurfürsten die deutschen Reformierten mit unter die Augsburgischen Konfession-verwandten subsumiert und alsolche anerkannt, so daß fortan die augsburgische Religion offiziell in zwei Kon­ fessionen zerfällt. In Religionssachen soll eS auf dem Reichstag keine Majorisierung geben, vielmehr zunächst ein Auseinandergehen, itio in partes, nach Religionen (corpup Evangelicorum und c. Catholicornm) stattfinden, und hierauf eine Erledigung nur durch amieabilis compositio zulässig sein. Landwehr, Die Kirchenpolitik bei Groben Kurfürsten, 1894; Philipvsou, Der Große Kurfürst, I, II, 1897—1902; Linde, Die Gleichberechtigung der Augsburgischen Konfession mit der katholischen Reliaion in Deutschland, 1858; Bogel, Der Kampf auf dem westfälische« Friedens­ kongreß um die Einführung der Parität in der Stadt Augsburg, 1900.

2. da- reservatem ecclesiasticum, das von den Evangelischen ehedem abgelehnt worden war, nunmehr für und gegen beide Teile reichsgesetzlich gelten, nachdem eS die Evangelischen infolge der Gegenreformation auch für sich als Bedürfnis erkannt hattyt, doch so, daß — im Interesse der Evangelischen und des von ihnen vorher erworbener, besonders norddeutschen BiStumS- und StistSguteS — nicht über 1624 rurückgegangen, alsö namentlich nicht auf die Zeit des Paffauer Vertrages, wie katholischerseits früher verlangt wurde, zurückgegriffen «erden sollte. 3. es bei der Suspension der Jurisdiktion katholischer Kirchenobern auch weiter­ hin sein Bewenden haben und ebenso beim Satz: Cuius regio, eins religio, desgleichen bei dem daraus entspringenden ins inspiciendi cavendi, dem obersten Aufsicht-- und Äwehr-

recht über die Kirchen und ihre Angehörigen, dem iua advocatiae oder Kirchenschutzrecht, sowie bei dem jetzt regelmäßig hier mituntergebrachten ins reformandi. Doch wurde auch das Auswanderung-recht beibehalten und die Auswanderung erleichtert. Und für den Fall, daß der Landesherr von seinem Recht, andersgläubige Untertanen au-zutreiben, keinen Gebrauch machte, wurde ihm untersagt, sie irgendwie in ihren bürgerlichen Ehren zu kränken. Der Frieden sicherte ihnen — z. B., aber nicht lediglich — Rechtsgleichheit in Handel und Gewerbe, Erbrecht, bürgerliche Achtung und ein ehrliches Begräbnis aus­ drücklich zu. Bei bloßem Konfession-wechsel des evangelischen Lande-Herrn wurde, unter reichsgesetzlicher Gutheißung der brandenburgischen Praxis, das Erfordernis der Überein­

stimmung von landesherrlichem und Untertanenbekenntnis überhaupt aufgegeben. 4. die Religionsübung verschiedene, durch die an den Frieden sich anlehnende Wissenschaft und Praxis noch verfeinerte Abstufungen haben. Man unterschied: a) die

devotio domestica, den HauSgotteSdienst, und zwar entweder bloß als simplex mit hausväterlicher Andacht ohne Zuziehung eine- Geistlichen (so nach der späteren, restriktiven Praxis für die bloß Geduldeten), wobei jedoch der Besuch öffentlichen Gottes­ dienstes in der Nachbarschaft freistand, oder al- ^ualificata, also mit einem Geistlichen (so anfänglich wohl für alle, später nur für fteiwillig bevorzugte Geduldete), b) bad ex er citium religionis, die Religionsübung, und zwar als privatum, d. h. als daRecht zur Gemeindebildung, aber unter Beschränkung der betreffenden Kirche auf die Stellung eines privaten Vereins, und zum Gemeindegottesdienst, aber bei ver­ schlossenen Türen, oder als publicum, also mit Erhebung zur Staat-kirche, wodurch das Kirchenrecht öffentliches Recht, die Kultuskosten Staatslasten wurden, und mit dem Recht zu öffentlicher Gottesverehrung (Türme, Glocken, Prozessionen). Fürstenau, Das Grundrecht der Religionsfreiheit nach seiner geschichtlichen Entwickelung und heutigen Geltung in Deutschland, 1891.

1 Aequalitas ex acta mutuaque . . . ita, ut, quod uni parti iustem est, alteri quoque iustum sit.

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IV. OfrnttiiH «echt.

5. das Reformation-recht, wie schon zu 3 bemerkt, fortbestehen und mit der Landes­ hoheit (nicht mit dem Patronat) oerbunden1, der landeSfürstttchen Hoheit anhängig (Prager Frieden, 1685) fein. Mit de» Recht selber wurde aber aus der vorangegangenen gewohnheit-rechtlichen Entwicklung dessen Beschränkung übernommen. S» sollte keine LerfügungSbesugni« über die Lehre und wesentliche Deik de« Kult«« mehr geben. war nur noch ein ius reformandi «xercitinm religionis. Auch für di« katholischen Stünde war nunmehr da» Ketzerrecht beseitigt, und für di« evangelische», die zwar von Anfang an, außer wo mit der Glauben-verschiedenheit aufrührerische und seüiererische

Agitation (Täuferei, Bauernaufstand) sich verbanden, weder Glauben«- noch Bekenntnis­ zwang geübt, wohl aber Religion-polizei getrieben hotte» (Verbot der Reffe, Gebot der Schließung katholischer Kirchen sowie der Teilnahme am evangelischen Gottesdienst und Unterricht, die ja — nach Luther — den Andersgläubigen nichts schade; also keine re­ formatorische Toleranz im modernen Sinn, aber auch kein kanonischer, gegen di« innere Überzeugung gerichteter Zwang !) wurde nunmehr die Intoleranz auch in dieser ab­

geschwächten Gestatt verunmöglicht. Rur der Pfarrzwang mit seinen Formvorschriften und steuerrechtlichen Folgen blieb auch ferner für und gegen beide Teile bestehen. Im übrigen unterschied man fortan im ReformationSrecht: a) da« ine reeeptionis oder der Aufnahme, die in der rechtsnotwendigen oder freiwilligen Gewährung de« exercitium religionis bestand, aber bei bloßem Konfession-wechsel de« evangelischen Landesherrn auf die unwiderrufliche Einrichtung von Hof- und anderen Gemeinden auf Kosten der An­ gehörigen des neuen landesherrlichen Bekenntnisses beschränk war, b) da» ius tolerandi zur unfreiwilligen, später (NichtaugSburgischen gegenüber) auch freiwilligen Duldung mit Gewährung der devotio domestica; c) das ins reprobandi, den Religionsbann im engeren Sinn, d. h. die Befugnis, Andersgläubige auf seinem Gebiet nicht zu dulden, sondern zur Auswanderung zu zwinge». Köhler, Reformation und Ketzerprozeh, 1901; o. Boni», Praktische Bedeutung (§ 45); D öllinger, Geschichte der religiösen Freiheit, in seinen Akad. Bortr. III, 1891; RathustuS, Zur Geschichte deS Toleranzbegriffs, Greifs». Studien f. Cremer, 1895.

6. dieser Religionsbann aber seine Schranke finden an dem Stand auch nur eine« Tage« de« Normaljahrs (annus decretorius) 1624. Jede der reichsrechtlich anerkannten Religionen mußte überall, außer in den österreichischen Erblonden, bezüglich de» exercitinm religionis und der annexa exercitii (Konsistorien, Schul- und Kirchen­ ämter, Patronatsrechte) auch vom andersgläubigen Landesherrn im damaligen Stande belassen oder in ihn zurückversetzt werden. Für die ReichSunmittelbaren sollte aber der 1. Januar 1624 als Normaltag (dies decretorius), und für die Evangelischen untereinander der Zeitpunkt des Friedensschlüsse« maßgebend sein. In allen diesen Fällen mußte also eventuell exercitium religionis privatum oder publicum gewährt werden, während sonst der Landesherr die Wahl zwischen Reprobation, Toleranz oder gar

Rezeption hatte. Stal»kV, Zur Geschichte der evangelischen Kircheaverfaffuug iu Oesterreich dir zum Toleranz­ patent, 1898 (auch nn Ab. d. Sesellsch. f. b. «esch. d. Protest, in Österreich).

In der Folgezeit hat, wie schon auS dem Bisherigen ersichtlich, die Theorie wie bte Praxis dies Recht weiter entfaltet. So bildete sich eine Reichsobservanz, die beim dinglichen Kirchenpatronat gegenseitig auch den Andersgläubigen zur Ausübung zuließ. So entstanden ferner im Anschluß an den Westfälischen Frieden, aber auch nicht selten unter grober Verletzung desselben (Pfälzer Simultaneum von 1698, auf Grund de« RySwiker Friedens, nur unvollkommen rückgängig gemacht durch die von Preußen er­ zwungene Religionsdeklaration von 1705) Simuttanverhältniffe an Kirchen, Kirchhöfen, Pfründen, zunächst Gebrauch»(ErttagS-)gemeinfchasten verschiedener Religionen oder Kon­ fessionen. Weiter duldtte namentlich Brandenburg-Preußen auch Sekten und Joseph H.

1 Cum atatibuB immediatia cum iure territorii et superioritatis ex communi per totum Imperium hactenus usitata praxi etiam ius reformandi exercitium religionis competat . . .

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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in den österreichischen Erblanden Augsburgische und Helvetische Konfessionsverwandte (Toleranzedikt von 1781). Ja das Preußische Allgemeine Landrecht gewährte 1794, über das Wöünersche Religionsedikt von 1788 hinausgehend, Glaubens- und GewisfenSfreiheit, die Möglichkeit des Übertritts von einem christlichen Bekenntnis zum anderen auch

für den einzelnen Untertan und, mit Genehmigung des Staats, die Befugnis zur Ge­ meindebildung. Die bestehenden Kirchengesellfchasten aber zerfielen nach ihm in ^aus­ drücklich aufgenommene", d. h. bevorrechtete, und in „geduldete" mit bloßem exercitium religionis privatum. Zwischen beide schob die Praxis noch „konzessionierte" (Herrenhuter, Mennoniten) mit geringerem Recht als dem der erstgenannten ein. Das ins reprob&ndi, der Religionsbann, war damit aufgegeben (außer bezüglich des BerbotS des Übertritts zum Judentum). Da auch in Bayern 1800 eine ähnliche Beschränkung deS iua refonnandi erreicht wurde, konnte der ReichSdeputationShauptschluß von 1803 von Reichs wegen die neuen Landesherren der säkularifierten Gebiete verpflichten, deren bisherige Religionsübung, auch soweit der Westfälische Friede sie nicht schützte, unverändert zu belasten, eine Vorschrift, über welche die Rheinbundftaaten in der AccesfionSurkunde zum Rheinbund in bemerkenswerter Weise noch hinauSgingen, indem sie dem katholischen Kult überall den evangelischen gleichstellten. Schulte, Erwerb des Patronats durch Nichtkatholiken, A. f. k.Kr. VH, 1862; Dove, Zur Streitfrage, ob Evangelische Pattonate über katholische Kirchen zu erwerben fähig find, H. f. Kr. H, 1862; Pariset, L’ötat et les Iglises en Prasse sous Fredöric-Guillaume Ier (1713—40), Thöse, Paris 1896; Präge, Die Toleranzanschauuagen Friedrichs deS Großen. Müust. Dist. 1899; Stille, Zur Geschichte der reliai-sen Duldung unter den Hohen-ollern, Progr. Sondershausen, 1889; D. d. Aurach, Die kirchlichen Sinmltanverhältvisse in der Pfalz, 18v6: Hartung-Engelhardt, DaS kirchliche Recht der Protestanten im vormaligen Hemoatum Sulzbach, 1872; Frank, DaS Tolerangpatevt Josephs H., 1882; Kolde, DaS bayerische RelrgionSedikt von 1803 und die Anfänge der protestantischen Landeskirche in Bayerns 1903.

Zweites Kapitel.

J>es knlßertsche Atrchenrecht ««d feine (tefti. 5 48»

Die -rnMsche Einrichtung des lutherische« Kirchenwesen-.

Schon 1524/5 wurde von dem Zwickauer Pfarrer HauSmann u. A. die erste An­ regung zu einer Organisation deS evangelischen Kirchenwesens gegeben. Doch erst der Bauernkrieg, in dem die aufrührerischen Rotten freie Pfarrwahl sowie nötigenfalls das Recht der Absetzung, die Abschaffung des keinen Zehntens u. a. m. forderten, brachte, zusammen mit anderen Übeln Erfahrungen, Luther von seiner noch 1526 in der Vorrede zur deutschen Meffe wiederholten ursprünglichen Abficht ab, jeder Gemeinde ihre Einrichtung zu überlasten und auf alle äußere Einförmigkeit zu verzichten, und machte ihn empfänglich für organisatorische Anregungen. Rocholl, Geschichte der evangelischen Kirche in Deutschland, 1897; Richter, Geschichte der evangelischen Kirchenversaffung in Deutschland, 1851; Wasserschaden, Die Entwicklungsgeschichte der evangelischen Kirchenversaffung in Deutschland, Gießener Festrede, 1861; Meier, Zum Kirchen­ recht deS ReformationSjahrhunvertS, 1891; Rieker, Die rechtliche Stellung (8 46); Buch Wald, Die evangelische Kirche im Jahrhundett der Reformation, 1901.

1. Pfarrei.

Ganz von selbst vollzog fich die Übernahme deS Pfarramts (samt

dem Pattonat daran) und der Pfarrei als des Objekts der pfarrlichen Tätigkeit. Rur verschwanden jetzt die durch die Inkorporation, die Kommenden und ähnliche Mißbräuche so zahlreich gewordenen Vikare samt den bloßen Altarbenefiziaten, um wirklichen PfarramtSinhabern Platz zu machen. Soweit die Pfarrstellen für die Pastoration nicht auSreichten, gab man den Pfarrern Diakonen oder Helfer zur Seite, die zwar der Aufficht und Leitung jener untergeordnet, aber der geistlichen Befähigung nach ihnen gleichgestellt waren. 2. Landesherrliches Kirchenregiment; Kirchenvisitationen. Für die höhere Organisation wiesen Luthers Anschauung, der Geistliche dürfe nur verbo, nicht vi humana regieren, und der Speierer Reichsabschied in gleicher Weise auf die wettlichen Obrigkeiten, die Landesherren und Stadtmagistrate, hin. Sie sollten für die äußere

ÜLO

IV. Öffentliche- Recht.

Ordnung auch der kirchlichen Angelegenheiten sorgen; ihnen wollte — um eS kanonistisch auSzudrücken — Luther das geistliche Schwert wenigstens in dominium utile oder ad mintaerium, zur Ausübung im Dienst der Kirche, übertragen missen. Aber sie sollten hierfür stets den Rat der Theologen, wenn auch nicht mit rechtlicher Verbindlichkeit, an­ hören und möglichst befolgen (dominierender Einfluß der Wittenberger Theologen, maiorea Wittenbergenais genannt). Und vor allem in Sachen der Lehre und der Sakraments­ verwaltung sollten nur die geistlichen Organe zuständig sein, ein Vorbehalt, der allerdings von den Regierungen oft genug nicht beachtet worden ist. Mit alledem arbeitete Luther mit auf das landäherrliche Kirchenregiment hin, das ohnedies der Zeitrichtung entsprach und immer mehr als notwendig sich erwies mitsamt seinen Luther sonst wenig sympathischen Juristen. Im weiteren Verfolg einer schon in der Schrift: „An den christlichen Adel" aus­ gesprochenen Aufforderung ersuchte er Ende 1526 den Kurfürsten Johann von Sachsen, „da päpstlicher und geistlicher Zwang und Ordnung auS sei", und alle Klöster und Stifter dem Kurfürsten als dem „obersten Haupt" in die Hände gefallen, in aller Form um Vornahme einer Kirchen- und Schulvifitation. Damit begannen die sächsischen Kirchenvifitationen, für deren erste schon 1527 eine kurfürstliche Instruktion auSgegeben wurde, die nament­ lich die Reform von Pfarr- und Schuldienst, das kirchliche Vermögen und die Aufsicht zum Gegenstand hatte. v. Echeurl, Luthers Lehre von der kirchlichen Gewalt, in f. S. kr. A.; Dieckhoff, Luthers Lehre von der kirchlichen Gewalt, 1865; E ohm, Kr. I §§ 34—86; deß, Luther und das landes­ herrliche Kirchenregiment, 1894; Brieger, Die kirchliche Gewalt der Obrigkeit nach der Anschauung Luther-, Z. Th. K. II, 1892; Brandenburg, Zur Entstehung des landesherrlichen Kirchenregimentes im albertmischen Sachsen, H. D. IV, 1901; Loren-, Luthers Einfluß auf die Entwicklung des evange­ lischen KirchemeaimentS, 1891; Kader, Die Kircheninspettionen der sächsischen evangelisch-lutherischen Landeskirche, in Z. f. Kg. XXIII, 1902; Burkhardt, Geschichte der sächsischen Kirchen- und Echulvifitatiouen, 1879.

3. Superintendenten und Konsistorien. Für die Aufsicht über die Geistlichen wurden aus der Mitte derselben Superattendenten (superintendens hergebrachte Übersetzung von tnlaxonoq) bestellt (erster 1525 in Stralsund), denen auch, in schwierigen Fällen im Verein mit den Amtmännern, den Ortspfarrern und Gelehrten, die Ehesachen überlasten waren, während bei besonderer Wichtigkeit der Kurfürst selbst zu entscheiden hatte. Die Superattendenten standen unter den Visitatoren, für die Melanchthon 1528 ein eigentliches Visitationsbuch „Unterricht der Visitatoren" verfaßte. Bald begegnen die Visitationen (vier für die vier Kreise) als ordentliche Einrichtung des kursächsischen KirchenwesenS. Aber auf die Dauer genügten diese nichtständigen Behörden nicht. Namentlich für die EherechtSpflege bedurfte man .ständiger Behörden; denn die Überlastung der Ehesachen

an die einzelnen Superattendenten erwies sich auf die Dauer als untunlich. Also, wurde zunächst „zum Anfang" 1539 in Wittenberg ein Konsistorium eröffnet, für daS 1542 ein nie zum Gesetz erhobener, tatsächlich aber befolgter Entwurf einer Konfistorialordnung entstand. DaS Konsistorium, dessen Mitglieder, zwei Theologen (JustuS JonaS und Johann Agricola) und zwei Doktoren der Rechte (Kilian Goldstein und Basilius Monner) als juristische Sachverständige (nicht als Laienvertetung!), vom Kurfürsten ernannt wurden, war zunächst eine landesherrliche Behörde für die Kirche als besonderes Arbeits­ gebiet der landesherrlichen Verwaltung, wenn es auch historisch an Stelle der weggefallenen bischöflichen Gerichtsbehörde (conaiatorinm) trat und darum den Zeitgenoffen als kirchliche Amtsstelle galt. Nachdem sodann der von Herzog Moritz für das albertinische Sachsen gemachte Versuch, die bischöfliche Organisation beizubehalten, gescheitert war, erfolgte 1550 auch in Leipzig die Errichtung eines Konsistoriums, indes General-, Partikular- und Lokalvisitationen an Ort und Stelle nebst Difitationssenden am Wohnort des Visitators (aynodi) weiter abgehalten wurden. Endlich gab Kurfürst August der sächsischen Kirche die endgültige, auch im ernestinischen Sachsen rezipierte Organisation, indem er 1580 über den (Spezial-)Superintendenten Generalsuperintendenten für das ganze Land bestellte (ein Wittenberger schon seit 1533, daneben ein Leipziger) und von den drei Konsistorien zu Wittenberg, Leipzig und Meißen daS letztere unter gleichzeitiger Verlegung nach Dresden den beiden anderen als Oberkonsistorium überordnete. Bei ihm sollten sich auch die

4. Ulrich Stutz, Kirchenrccht.

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Generalsuperintendenten mit einigen Räten jährlich zweimal zu Generalsenden versammeln. Die Zentralisation der gesamten landeskirchlichen Verwaltung bei einer Behörde war dem Vorbild Württembergs nachgeahmt, .das 1553/9 einen Kirchenrat für die ganze Landes­ kirche (aber ohne Unterkonsistorium!) eingerichtet hatte. Im übrigen wurde die kur­ sächsische Organisation für das ganze lutherische Deutschland vorbildlich, auch da, wo man zuerst eigene Wege gegangen war. G. Müller, Versassungs- und Verwaltungsgeschichte der sächsischen Landeskirche, in Beitr. z. sächs.Kg. IX, X, 1894ff.; Sohm, Kr. I § 38; Sehling, Die Kirchengesetzgebung(8 45); Gesfcken, Zur ältesten Geschichte und ehegerichtlichen Praxis des Leipziger Konsistoriums, D. Z. f. Kr. IV, 1894; Wintterlrn, Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg, I, 1902.

So in Hessen. Dessen Gebiet wurde nach der Reformation in sechs Diözesen ein­ geteilt, an deren Spitze sechs, erstmalig vom Landesherrn ernannte, in der Folgezeit von ihren Pfarrern gewählte und landesherrlich nur bestätigte Superintendenten standen. Sie hatten eine sehr selbständige regimentliche Stellung, versammelten die Pfarrer ihrer Diözesen vollzählig zu Partikularsynoden und traten, jeder mit einigen von ihnen, unter dem Vorsitz des landesherrlichen Statthalters und dem Beisitz etlicher Räte sowie eines Professors der Theologie alljährlich zur Generalsynode zusammen, der höchsten Kirchen­ regimentsbehörde, der auch das Recht, die Pfarrer zu ernennen, zustand. Doch wurde diese Generalsynode seit 1582 wegen der Lehrstreitigkeiten zwischen Lutheranern und Calvinisten nicht mehr zusammenberufen. 1599 errichtete Landgraf Moritz zu Kassel ein Konsistorium, das sie überflüssig machte, und 1610 wurde unter Aufhebung desselben zu Marburg ein Landeskonsistorium errichtet. Crebner, Philipps deS Großmütigen hessische Kirchenreformationsordnung, 1852; Hochhuth, Geschichte der hessischen Diözesansynoden (1569—1634), 1893; W. Köhler, Hessische Krrchenverfassung im Zeitalter der Reformation, Gießener Diss. 1894; Friedrich, Luther und die Kirchen­ verfassung der Reformatio ecdesiarum Hassiae, 1894; Diehl, Zur Entwicklungsgeschichte der Konsistorien in Hessen-Darmstadt im 17. Jahrhundert, D. Z. f. Kr. XII, 1902.

In Brandenburg und Preußen trat ein Teil der Bischöfe zum evangelischen Glauben über, und es schien hier die bischöfliche Organisation — allerdings unter dem Landes­ herrn, da die Bistümer landsässig geworden waren (§ 39, 1) — wenigstens für das geistliche Amt als Pfarramt höherer Ordnung erhalten bleiben zu können. Da jedoch zwei von den brandenburgischen Bischöfen beim katholischen Glauben verharrten und mit dem dritten Schwierigkeiten sich ergaben, übernahm auch in Brandenburg 1543 ein Konsistorium (zu Kölln an der Spree) das Kirchenregiment und ein Generalsuperintendent die bischöf­ lichen Funktionen, indes in Preußen 1587 das bischöfliche Amt erlosch, und zwei Konsistorierr (zu Königsberg und Saalfeld) die kirchliche Regierung besorgten (ein preußisches Ober­ konsistorium erst 1750!). Die Konsistorialverfaffung wurde zur lutherischen Kirchen­ verfassung schlechthin, in kleineren Landeskirchen freilich so, daß die Konsistorien nicht formiert waren, d. h. aus Sparsamkeitsrücksichten und wegen Mangels an Beschäftigung einfach aus einer Staatsbehörde unter Zuzug geistlicher Beisitzer für kirchliche Geschäfte gebildet wurden. Schoen, Das evangelische Kirchenrecht in Preußen, I, 1903 §§ 3,4; Haupt, Der Episkopat der deutschen Reformation, 1863.

In den Städten, mitunter auch in bloß landsässigen, übernahm der Rat das Kirchen­ regiment, vermöge der damals noch ungeschwächten städtischen Autonomie. Als Regiments­ behörde fungierte ein bisweilen unter Mitwirkung von Geistlichkeit und Bürgerschaft bestellter Superintendent oder eine Art von Konsistorium, gebildet aus Geistlichen und Sdicn \ Frantz, Die evangelische Kirchenversassung in den deutschen Städten des 16.Jahrhunderts, 1876; Baum, Magistrat und Reformation in Straßburg, 1887.

1 Von städtischen Konsistorien haben sich als Media tkonsistorien die zu BreSlau und Stral­ sund bis auf den heutigen Tag erhalten. Vgl. Konrad, Das evangelische Kirchenregiment des Breslauer Rats in seiner geschichtlichen Entwickelung. 1898; Braun, Städtisches Kirchenregiment in Stralsund, D. Z. f. Kr. X, 1901; Schoen, Pr. Kr. I 31 f., 36f., 71 A. 1, 261 ff.

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IV. öffentliche- Recht.

4. Kirchen- und Eheordnung. Alle diese Einrichtungen wurden getroffen in Kirchenordnungen, Landesordnungen, Abschieden, die, unter theologischem Beirat verfaßt, und anfangs auch mit landständischer Mitwirkung zu stände gekommen, vom Landesherrn oder von seinen Visitatoren und Konsistorien erlassen wurden. Sie find im 16. und auch im 17. Jahrhundert die hauptsächlichsten Quellen de- evangelischen Kirchenrechts und vielfach untereinander verwandt. Meist zerfielen sie in zwei Teile, in Lehrbestimmungen, Credenda, einerseits und in Agenda anderseits, d. h. Gottesdienst-, BerfaffungS-, Zucht-, Ehe-, Schul-, Armen- und VermögenSordnung. Spezialverordnungen bezeichnen sich als Konfistorial-, Polizei- und Eheordnungen. Im Gegensatz zu Luther, der in Ehesachen mit der Schrift auskommen zu können glaubte (deshalb — David und Bathseba — z. B. seine Verwerfung des impedimentum adulterii) und darum vom kanonischen Eherecht nicht- wissen wollte (Kampf gegen die Unterscheidung von sponsalia de futuro und de praesenti und Beseitigung aller ersteren, sofern nicht bedingt, zu Gunsten der letzteren) traten die Juristen für ein teils an das altkirchliche sich anschließendes, teils neues Eherecht ein, das -. B. die Scheidung vom Bande außer wegen Ehebruchs auch wegen böslicher Berlaffung, ja — und hier tat Luther selbst mit — «egen anderer, als quasi desertio konstruierter Tatbestände zuließ. Dies Eherecht kam gleich dem KirchenzuchtSund spätern eigentlichen Straftecht, das mit dem Bann (auch als excommunicatio maior mit Verkehrssperre, aber stets nur bis zur Besserung) und Ermahnungen, öffentlichen Bußen, Ausschluß vom Abendmahl und Verweigerung des kirchlichen Begräbnisses als Folgen seiner Nichtachtung operierte, im Lauf des 16. Jahrhunderts zur Entfaltung; «S hat zu Anfang des 18. Jahrhunderts zu einer eigenen Eheschließungsform mit kirch­ licher Trauung, d. h. konstitutivem Zusammensprechen durch den Geistlichen geführt. Endlich fand auch das kanonische Recht, soweit eS nicht gegen die evangelische Lehre und Ordnung verstieß, nachträglich wieder Eingangs. Richter, Die evangelischen KirchenordnungendeS 16. Jahrhunderts, 2 Bde., 1846; Sehlina. D ie evangelischen Kirchenoronungen 1 1, 2,1902/04; Sonderausgaben siehe bei Friedberg, Kr. § 44 91. 9; Westermayer, Die Brandenburaisch-Nürnberaische Kirchenvisttation und Kirchenordnung (1528 bi- 1533), 1894; v. Scheurl, Luthers EherechtSweiShen, in j. S. kr. A.; Echoen, Beziehungen zwischen Staat und Kirche auf dem Gebiet des Eherechts, Göttinger Festschrift für RegelSberger, 1901; Albrecht, Verbrechen und Straffn als Ehescheidung-grund nach evangelischem Kirchenrecht in Stutz,

Kr. A. H. 4, 1903; Ehrhardt, La notion du droit naturel chez Luther, in Etudes de thöol. . . . publikes par les prof. de la fac. de thöol. prot. de Paris 1901.

5. DasLandeskirchentum. Durch all die- wurde allmählich auch den lutherischen Protestanten die sichtbare Kirche als ein die unsichtbare, wahre, umschließender äußerer Verband wieder eine Realität. Dies kündigt sich schon dadurch an, daß Luther den kirchenregimentlichen Akt der Bestellung eines Geistlichen, den er 1535 in Wittenberg einführte, und für den er 1537 ein Ordinationsformular verfaßte, nicht mehr, wie noch die Augustana, auf die einzelne Gemeinde bezog, sondern auf die Kirche als Gesamtheit. Aber auch in der Stellung des Kirchenguts äußerte es sich. Gewiß, die Vereinfachung des Kults, die viel Kirchengut entbehrlich machte, gab den Landesherren manchen Anlaß, sich zu bereichern. Auch bestritt Luther selbst der Obrigkeit nicht das Recht, das Kirchen­ vermögen zur Verwaltung zu vereinigen *, und die Überschüsse über den kirchlichen Bedarf für weltliche Zwecke zu verwenden (Jnkameration). Aber daß eS der Substanz nach Eigentum der Kirche bleibe und ihr nicht entfremdet werden dürfe, haben auch die Reformatoren gelehrt. Noch bei Melanchthon kam denn auch der Begriff der sichtbaren Kirche deutlich zum Ausdruck, wennschon zunächst in dem Gedanken einer einheitlichen kirchlichen Anstalt. Doch schloß sich die evangelische Kirchenbildung immer enger an die Territorien an: soviel evangelische Stände und Städte, soviel evangelische Kirchen, 1 In dem Kampf zwischen den Theologm und Juristen ist das böse Sprichwort: „Juristen böse Christen" gefallen. Siehe darüber Etintzina 1875 und im 1. Band seiner Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft S. 273; auch Köhler, Luther und die Juristen, 1873. ’ Ein Beispiel, wie man sich die Verwaltung deS „gemeinen Kasten" für Kirchen-, Schul- und Spitalzwecke dachte, gibt die bekannte Kastenordnung von LeiSnig 1523; vgl. auch v. Brünneck, Beiträge (§ 39, 2) II 79 ff., 113 ff.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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deren jede in ihrem Territorium möglichst die einzige „ZwangsverficherungSanstalt für die Ewigkeit" zu sein bestrebt war. Und sie vollzog sich fast nur dem Namen und Begriff nach. Die sichtbare lutherische Kirche entstand bloß, um binnen kurzem tatsächlich und praktisch im Staat aufzugehen, indes der Staat, der nach der Erwartung der Reforma­ toren von den Grundsätzen der Reformation sich hätte leiten lassen sollen, seinerseits je länger desto weniger dieser Anforderung entsprach. Eine neue, mit kirchlichen Mitteln erzeugte, bewußt an die Antike, unbewußt vielleicht auch an nachwirkende germanische Borstellungen sich anlehnende Form des StaatSkirchentumS bahnte sich an. Der katho­ lische GallikaniSmus erhielt sein deutsch-evangelisches Gegenstück, und beide gerieten nach und nach in den Dienst des machtvoll werdenden StaatSabfolutiSrnuS.

Rietfchel, Lutherund die Ordination *, 1889; Riet er, Rechtliche Stellung (g 46); Lambert, La doctrine do ministöre dccldsiastique d'apr&s les livres symboliqaes de reglise lutherienne, Thfcse, Paris 1894; ThomaS, Die Anschauungen der Reformatoren vom geistlichen Amt, 1901; Blanc, L’idde de l'lglise d’aprta les reformateurs et les confessions de foi, 1900: Eiuicke, Über die Verwendung der Klostergüter im Schwarzburaischen zur Zeit der Reformation, Zeitschr. des Vereins f. thür. Kesch., XIII, 1903; Herme link, Geschichte bei allgemeinen Kirchenguts in Württ. Jb. 1903, Die Änderung der Klosterverfaffung unter Herzog Ludwig, Württ. Brerteljahrsheste, R. F. XII, 1903, Papst Klemens XII. und die Kirchengüter In protestantischen Landen, Z. f. Kg. XXIV, 1903; vgL Pestalozzi (g 39,2) und die Lit. zu g 44.

$ 49.

Die theoretische Rechtfertig»«g der lutherische« Atrchenverfaffung; Dreiftäudelehre.

Mit den ersten Ansätzen des praktischen LandeSkirchentumS übernahmen die Re­ formatoren vom ausgehenden Mittelalter gewisse Begründungen seiner Daseinsberechtigung, die allerdings erst durch sie größere Bedeutung erlangten. Sie sahen in der weltlichen Obrigkeit einmal den custos utriusque tabulae, der beiden mosaischen Gesetzestafeln, also namentlich auch prioris tabulae, der ersten, welche die auf das Verhältnis der Menschen zu Gott bezüglichen Gebote enthält. AuS dieser custodia ließen sie eine dauernde, ständige Fürsorge (im Gegensatz zu dem nur gelegentlich praktisch werdenden ins reformandi) für die wahre Religion, die reine Lehre und den rechten Gottesdienst hervorgehen. Und sie erblickten in der Obrigkeit das membrum praecipuum ecclesiae, das vornehmste Glied der Christenheit, und verpflichteten sie als solches zum Eingreifen besonders in außerordentlichen Fällen.

v. Scheurl, DaS Wächteramt über beide Tafeln, in f. S. kr. A.; Eohm, Kr. I g 37; Brandenburg, Luther- Anschauung vom Staat (g 44). Mit dem evangelischen Kirchenrecht wuchs aber auch eine evangelische KirchenrechtSwiffenschaft heran, welche diese mehr theologische Begründung durch eine juristische ersetzte. Diese bediente sich gleichfalls einer Anschauung, die in das ausgehende Mittelalter (Wiclif, Huß) und durch es ins Altertum (Plato) zurückreichte, aber, wie wir schon sahen, auch von den Reformatoren geteilt wurde, nämlich der Lehre von den drei Ständen (triplex ordo bierarchicus). Nach ihr zerfiel die Christenheit in drei (zwei) Regiments oder Stände: a) in den status politicus, das weltliche Regiment, die christliche Obrigkeit zur Aufrechterhaltung des ordo politicus, b) den status ecclesiaeticus, daS geistliche Regiment, Prediger und Theologen, denen der ordo ecclesiasticus anvertraut ist und c) in den, weil für das politische Leben nicht bedeutsam, oft übergangenen ordo oeconomicus sive domesticus, den gemeinen Mann, den HauSvaterstand, der Weib, HauS, Hof, den ordo domesticus, regiert und dem Ganzen für Nahrung sorgt.

Fürstenau, Wiclifs Lehren von der Kirche und der weltlichen Gewalt, 1900; Köhler, Die altproteftantische Lehre von den drei kirchlichen Stünden, Z. f. Kr. XXI, 1886. Indem mit dieser Ständelehre die geschichtlichen Tatsachen auf dreifache Art kom­ biniert wurden, ergaben sich drei Systeme. 1. Nach dem einen, dessen Hauptvertreter besonders die Brüder Stephani 1599 und 1611, Reinkingk 1616, der Jurist Benedikt und der Theologe Johann Benedikt Carpzov 1649 und 1696 sowie Stryk 1694 waren, stand die Kirchengewalt eigentlich

IV. Öffentliches Recht.

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dem statns ecdesiasticus zu, dessen Angehörige demnach allein in den Kirchenbehörden hätten fitzen sollen, während der status oeconomicus bloß zu gehorchen hatte. Nur durch den Passauer Vettrag, den man in den Kirchenordnungen deS 16. Jahrhundert- un­ richtig dahin deutete, er habe eine Übertragung oder Restitution der bischöflichen Rechte an die Landesherren verfügt, sei der status politicus in den Besitz deS Kirchenregiments gekommen. So das Episkopalsystem, dessen Name gleich der späteren Bezeichnung landesherrlicher Summepiskopat auf den bereits reformatorischen Sprachgebrauch von ins episcopale im Sinn einer der weltlichen Obrigkeit in geistlichen Dingen pofitiv zustehenden Leitungsgewalt zurückgeht. Es bednztet einen Rückfall in kanonistische Vorstellungen. 2. Die religiös-theologische Weltanschauung des Mittelalters, die auch die Re­ formatoren geteilt haben, wich feit etwa 1650 der natürlichen, auf unserem Gebiet speziell der naturrechtlichen. AuS einer Seite der christlichen Weltordnung wurde jetzt die Kirche zu einer innerstaatlichen Korporation oder Anstalt, woraus fich unter anderem die Mög­ lichkeit eines Nebeneinander- mehrerer Religionen ergab. Zu dieser Anstalt setzte man den Staat in Beziehung durch da-Territorialsystem (Pufendorf, 1687, ThomafiuS, 1695, Just. Henning Böhmer *, Johann Jakob Moser). Richt über daS Innere der Religion, wohl aber über da- Äußere hat der status politicus kraft TerritorialitatSrechteS

wie über alle in fein Gebiet hineinragende Verhältnisse zu bestimmen, also auch dann, wenn daS Staatsoberhaupt katholisch ist (1725 vergeblicher Protest des corpus Evangelicorum). Doch bleibt ihm in diesem Fall bloß die Substanz deS Rechtes, nicht die Ausübung (kursächsische Reversalien von 1697 anläßlich des Übertritts Friedrich Augusts von Sachsen). Der status ecdesiasticus, in Lehr- und inneren Kirchenangelegenheiten relativ selbständig, ist der Staatsgewalt bezüglich der äußeren Ordnung unterworfen; der status oeconomicus hat auch hier nur zu gehorchen. 3. Ihn bringt zu Ehren das Kollegialsystem, in der Behandlung der Kirche als einer dem Staat eingegliederten Rechtsperson und in der Bezeichnung der Rechte des Staats in Sachen der Religion als iura circa sacra mit dem Territorialsystem überein­ stimmend, aber die Kirche als Verein (collegium aequale) betrachtend, so daß das Schwer­ gewicht prinzipiell dem status oeconomicus als Inhaber der Vereinsgewalt, iura collegialia, gebührt. Die Kirchendiener erschienen darnach als Vereinsbeamte, und der Landesherr konnte die Kirchengewalt, ius in sacra, nur kraft stillschweigenden oder ausdrücklichen Auf­ trags und unter der Aufsicht des kirchlichen Vereins innehaben. Hauptvertreter dieses mit dem Preußischen Allgemeinen Landrecht sich berührenden, aber erst im 19. Jahr­ hundert ganz praküsch werdenden Systems waren Pfaff, 1719, Wiese, f 1824, Schleier­ macher, 1768—1835, Puchta, f 1846. Sohm, Kr. I tz 40; Rieker, Rechtliche Stellung(8 46); Merkel, Das protestantische Kirchen­ recht bei lö. Jahrhunderts, Ztschr. f. luth. Theol. XXI, 1860; Landiberg- Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft III, 1898; Zrekurfch, August der Starke und die katholische Kirche (1697—-1720), g. f. Kg. XXIV, 1903; Frantz, Dai katholische Direktorium des Corpus Evangelicorum, 1880; Mosapp, Die Württembergischen Religionireverfalien, 1894.

Drittes Kapitel.

reformierte Aircheurechl imb feite Huekeu.

5 60»

Die reformierten Kirchen außerhalb de- Reich-.

Machte die deutscher Innerlichkeit entsprungene Tiefe des religiösen Gehalts die Stärke von Luthers Reformation aus, so offenbarte sich die Größe des reformierten Protestantismus in der Form, auf dem äußern Gebiet, also im Recht. Nicht umsonst ist es nicht das an staatliche Bande gefesselte Luthertum gewesen, das den Protestantismus durch die Welt trug, sondern daS reformierte Kirchentum. 1 Jus ecdesiasticum Protestantium, 5 Bde., 1714—1737. Es ist bezeichnend für die Be­ deutung, welche das kanonische Recht bei diesen lutherischen Kirchenrechtslehrern wieder gewonnen hat, daß Böhmers Werk, unter den kirchenrechtlichen Leistungen deS 18. Jahrhunderts eine der hervorragendsten, der Titelfolge der Dekretalen sich anschloh.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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Allerdings nicht dasjenige Zwinglis (1484—1531). Wiewohl nüchterner und in Fragen der Organisation praktischer als Luther, ist er doch im wesentlichen zu demselben Ergebnis gelangt wie der deutsche Reformator. Angesichts der Energie, mit welcher der Rat von Zürich sich der Sache der Reformation und Zwinglis annahm, und des Geschicks, mit dem er sie zur Grundlage einer weit auSschauenden Politik machte, ver­ zichtete Zwingli auf seinen ursprünglichen Gedanken, die Einzelgemeinde (Kilchhöre), in der er die Grundform der sichtbaren Kirche erblickte, zum Eckpfeiler einer selbständigen kirchlichen Organisation zu machen. Die Folge war ein noch weitergehende- und zäh«eS Staatskirchentum als in Deutschland. Die zweimal jährlich sich versammelnde GeistlichkeitSsynode beschäftigte sich fast nur mit der Zensur über ihre Mitglieder. Der Rat regelte alle kirchlichen Dinge, auch Lehrangelegenheiten, bis ins kleinste Detail hinein. Rur eine beratende Stimme hatten die Examinatoren beider Stände (seit 1532), der spätere Kirchenrat, aus vier Rat-mitgliedern, den Theologieprofefforen und zwei Stadtpfarrern unter dem Vorsitz des Obristpfarrers oder AntisteS bestchend \ Huldreich Zwinglis Werke, herauSg. von Schuler uud Echultheß, 8 Bde. mit Euppl., 1828—1861, neue Ausgabe von Egli und Finsler in Vorbereitung; Analecta reformatoria ed. Egli I, II, 1899/1901; Egli, Zwingliana, seit 1897. bis jetzt 7 Hefte; FiuSler, Zwingli-Biblio­ graphie, 1897; Etähelin, Huldmich Zwingli, 2 Bde., 1895—1897; Egli, Zwinglis Tod nach seiner Bedeutung für Kirche und Vaterland, 1893; Escher, Die Glauben-parteien in der Eidgenossinschast und ihre Beziehungen zum Ausland (1527—158111882; Finster, Kirchliche Statistik der refor­ mierten Schweiz 1854/56; Blösch, Geschichte der schweizerischen reformierten Kirche«, 2 Bde., 1898/99; Straub, Recht-geschichte der evangelischen Kirchgemeinden der Landschaft Thurgau unter dem eid­ genössischen Landfrieden, 1902; Bader, Die Reformation und ihr Einllub auf das Zürcherische Recht, Theol. Zeitfchr. au- der Schweiz XIX, 1902; Schweizer, Die Behandlung der Zürcherischen Kloster­ güter in der Reformation-zeit, ebenda II, 1885; Pestalozzi, Zürcherische- Kirchengut (g 89, 2).

Anders die welsche Kirche Calvins (1509—64). Bon Genf au- verbreitete sie sich über Frankreichs, die Niederlande**, England und Irland, besonder- aber über Schottland und Nordamerika*, ferner über Polen, Ungarn und Siebenbürgen. Dabei wurden überall, außer in England, wo die Staat-kirche trotz calvinischen Bekenntniffe- und calvinischer Lehre die bischöfliche Verfassung beibehielt (anglikanische Hochkirche), die von Calvin in seiner Institutio religionis Christianae von 1586 und besonder- 1543 ausgestellten und in Genf durch die Ordonnances eccksiastiques de Gen&ve 1541 verwirklichten Ver­ fassung-grundsätze durchgeführt. Calvini opera edd. Baum, Cunitz, Reuse, im Corp. Res. 59 Bde., 1884—1900; Ericheon, Bibliographie Calviniana, 1900 (auch im Corp. Ref. t. 86 , 87); Kampfchulte, Johann Calvin, 2 Bde., 1869—1899; Corneliu-, Historische Arbeiten, 1899; Hunde-Hagen, Bei­ träge zur KirchenverfaffuuaSgeschichte I, 1864; Sohm, Ihr. I § 39; Rieker, Grundsätze reformierter Kiwjenverfaffung, 1899; Matower, Die Verfassung der Kirche von England, 1894; Maitland, Roman Common Law in the Church of England, 1898; Robert Ellia Thompson, A History of the Presbyterian Churchee in the United States, 1895. Die spätmittelalterliche Anschauung von der einheitlichen Christenheit mit ihren Regimenten und Ständen, die entweder das weltliche Gemeinwesen der Kirche au-lieferte (kanonisches Recht) oder die Kirche dem weltlichen Gemeinwesen (Luthertum), wird auf­ gegeben. Dem Staat wird von Anfang an eine sichtbare, die unsichtbare mitumfaffende

1 Vekenntni-schristen sind: die 1. Helvetische (2. Basler) Konfession von 1586 uud besonders die 2. Helvetische von Bullinger 1566, auch von Beza für Senf und den Calvinismus angenommen; E. F. K. Müller, Die Bekenntni-schriften der reformietten Kirche, 1902. * 1555 erstes Consistoire in Paris, 1559 ebenda erste Nationalsynode und confessio Galli* cana nebst der Kirchenordnuna, discipline ecclesiastique. 8 1561 confessio Belgien, 1564 Kirchenordnung, 1568 Synode zu Wesel und besonder- 1571 zu Emden. 4 John Knox, 1505—72; 1560 the Confession of... the Protestantis within the Realme of Scotland und the First Book of Discipline, 1581 the Second Buick of Discipline, 1648 Westminstersynode mit einem neuen Bekenntnis, Westminster Confession of Faith, und einer neuen Kirchenordnung: the Form of Presbyterial Church Government, Grundgesetze für die Folgezeit 1689/90. 6 Verschiedene presbyterianische und reformierte Kirchen.

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IV. LsfkntlicheS «echt.

Kirche zur Seite gestellt. Sie kann mit dem Staat, wenn auch er, wie er soll, dem göttlichen Wort sich unterstellt, und seine Obrigkeit dem rechten, d. h. caloinischen Glauben anhängt, sich verbinden (Genfer Schrifttheokratie). ES kann aber auch, wenn der Staat sich gegen da» Wort Gotte» oder seine Einrichtungen gleichgültig oder gar feindlich ver­ hält, an di« Stell« der Verbundenheit „ein beziehungslose« Nebeneinander" treten. Calvin» Kirche steht auf eigenen Füßen und vermag auch ohne den Staat, ja trotz ihm auszukommen. Sie scheut in letzter Linie nicht vor der völligen Trennung vom Staat zurück *. Denn sie, das Königreich Christi, ist nicht bloß die Genossenschaft, welche die zur Seligkeit Borherbestimmten schon hienieden heiligt (daher die ausgiebige Kirchenzucht!). Vielmehr stellt sie sich dar als ein sozialer Organismus (daher ihre primäre Zuständigkeit für die Armenpflege) und als ein Gemeinwesen für sich, das selbständig (daher möglichst kein Patronat!) seine Aufgabe, den Kampf gegen die Unheiligkeit der Welt, zu erfüllen beansprucht. Als menschliche Gemeinschaft hat sie Recht und Verfassung, und zwar eine bestimmte, allein richtige, diejenige nämlich, die Schrift und Urchristentum kennen oder viel­ mehr nach Calvins Meinung kannten. Das Erfordernis der Schristmäßigkeit gilt bei Calvin nicht, wie bei Luther, bloß für die Lehre, sondern auch für die Organisation. Diese besteht 1. auS den vier Ämtern der Pasteurs, Docteurs, Anciens und Diacres. Die Pastoren, in Genf von den Geistlichen mit staatlicher Genehmigung, in der fran­ zösischen Kirche von den Provinzialsynoden gewählt, haben Wort und Sakrament zu versehen. Die Doktoren, ohne Gemeindeamt, find berufen, als Theologen die Schrift zu erklären, und über die Reinheit der Lehre zu wachen; sie werden mancherorts nach zürcherischem Vorbild durch Propheten beaufsichtigt. Die Ältesten, in Genf von der

befreundeten weltlichen Obrigkeit aus ihrer Mitte ernannt, und in den französischen sowie den niederländisch-rheinischen Gemeinden (in den letzteren nach Benennung durch die Gemeinden) kooptiert, handhaben die Kirchenzucht, indes die Diakonen der Armenpflege sich widmen. Die beiden ersten Ämter sind mit Geistlichen besetzt, die beiden anderen, um ein Gegengewicht gegen jene zu bilden, mit Laim; alle sind Diener Christi, alle stehen sich grundsätzlich gleich. 2. Kollegialbehörden; Consistoire, Colloque, Synode national. In der einzelnen, als Genossenschaft gedachten Gemeinde (keine Pfarrei im katholischen und lutherischen Sinn!) treten die Ältesten mit dem Pastor, in der französischen, nieder­ ländischen und rheinischen Kirche auch mit dm Diakonen zum Presbyterium oder Konsistorium zusammen, um den Pastor zu überwachm und mit ihm unter der Kontrolle der Gemeinde die Kirchenzucht zu üben, der sich jedes Mitglied bei der Aufnahme, also beim Übertritt oder bei der Konfirmation, vertraglich unterworfen hat, jedoch nur mit rein geistlichen Mitteln (im äußersten Fall mit dem Bann — Ausschluß vom Abendmahl), aber freilich mit der Möglichkeit einer Überweisung an die weltliche Obrigkeit für ein auch staatlich anerkanntes Delikt (Michael Serveto 1558 wegm antitrinilarischer Ketzerei lebmdig verbrannt). In der Gemeinde gibt es außer dem Consistoire keine Kirchenbehörde, wohl aber über ihr in Gestalt der aus Gemeindevertretern, je einem geistlichen und einem welt­ lichen, gebildeten Regierungskollegien der gemischten Synodm, zunächst der Klasfikalversammlungen, Colloques, für die Klaffen (Diözesen), darüber evmtuell der Provinzialsynoden und in letzter Linie namentlich der General- oder Landessynode, Synode national. Sie sind zuständig für Lehre und Recht, wählen, aber nur als primum inter pares, ihren Vorsitzenden, den Moderator, der, eventuell mit Beisitzern als collegium qualificatum, auch die Regierungsgeschäfte der Zwischmzeit bis zur nächsten Synode führt. Dagegen verwirft der Calvinismus jedes ständige RegierungS- und AufsichtSamt.

Choisy, La thdocratic ä Geneve au temps de Calvin, 1897, L’ltat chretien ä Geneve au temps de Th. de B6ze, 1903; Heiz, Calvins tirchenrechtliche Ziele, Theol. Zeitschr. aus der Schweiz, X, 1893; v. Hoffmann, DaS Kirchen verfassungsrecht der niederländischen Reformierten bis 1618/19, 1902.

Fr. L. KrauS hat das Richtige getroffen, als er, zuletzt in seinem «Cavour", 1902, dessen Prinzip Chiesa libera in stato libero durch den Neuenburger Theologen Alexandre Dinet aus den Calvinismus zurückführte.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

§ 51.

897

Die reformierten Kirchen Deutschlands.

Von den Niederlanden her gelangte der Calvini-muS an den Rhein. Zunächst entwickelten sich nach und nach aus der deutsch-ostfriefischen Provinz des Verbandes der niederländisch-reformierten Kirche die beiden Verbände der reformierten Kirchen von Kleve, Mark, Jülich und Berg einerseits und der ostfriefischen anderseits. Jener gab sich 1654 eine allgemeine Kirchenordnung für Kleve und Mark, die 1662 vom Großen Kur­ fürsten bestätigt und in umgearbeiteter Gestalt unter brandenburgischem Schutz auch in Jülich und Berg dem katholischen Hause Pfalz-Reuburg gegenüber mit Erfolg behauptet wurde; die calvinische BerfaffungSform wurde im wesentlichen beibehalten, die nieder­ rheinische reformierte Kirche blieb Freikirche. In dem ostfriefischen Verband erhielt fich zunächst der von dem Polen und ersten Emdener Superintendenten (1543) Johannev. LaSco eingesetzte Kirchenrat sowie der coetus, dieser anfangs als regelmäßige Ver­ sammlung aller, später wenigstens der reformierten Geistlichen Ostfrieslands. Als die Superintendentur einging, übernahm er auch daS Kirchenregiment. Doch wurde 1599 ein landesherrliches Konsistorium in Aussicht genommen, das freilich den Reformierten (mit den Lutheranern gemeinsam) erst die preußische Herrschaft 1751 brachte. v. Hoffmann (g 50); Eehling, Die ostfriestsche Kirchenordanag von 1535, D. A. f. Kr. IV, 1894; Snethlage, Dre älterm PreSbhterial-Kircheuordnuugen der Länder Jülich, Berg, Cleve, Statt*, 1850; EimonS, RiederrhemischeS Synodal- und Gemeiudeleben »nutet dem Kreuz", 1897.

Eine noch engere Verbindung ging die calvinische preSbyterial-synodale Verfassung mit der lutherisch-konfistorialen außer in Preußen, wo 1718 ein beständige- reformierteKirchendirektorium eingerichtet wurde, in der Pfalz ein. Hier trat Kurfürst Friedrich HI. mit seinem Lande über (Heidelberger Katechismus 1562, Kirchenordnung 1568, Kirchenrats­ instruktion 1564, Kirchenedikt 1570). Dabei wurden zwar in den Gemeinden Presbyterien (Kirchenkollegien) errichtet. Aber die Klafsikal- und die unregelmäßig fich versammelnden Generalsynoden waren reine Geistlichkeitsversammlungen und entbehrten, auch hierin von den reformierten Synoden fundamental fich unterscheidend, kirchenregimentlicher Befugnisse. Denn diese standen für die Klasse einem Inspektor oder Superintendenten und darüber für die ganze Kirche einem Kirchenrat (drei Theologen und drei Räte) unter dem Landesherrn zu. Sü rubel, Geschichte der protestantischen Kirche der Pfalz. 1885; JunghauS, Die Kirchen» Visitationen der Hanauer evangelisch-reformierten Kirche im 18. Jahrhundert, 1893.

Bon den Fremden-(Refugianten-, franzöfischen)Gemeinden endlich brachte eS nur die auch deutsche Glieder umfaffende Konföderation der reformierten Gemeinden in Rieder­ sachsen (zu Braunschweig, Celle, Hannover, Göttingen, Minden und Bückeburg) zu größerer Bedeutung, die fich 1703 dem Glaubensbekenntnis und der Disziplin der Kirche von Frankreich unterstellte. Sie behielt auch nach Abstreifung deS französischen G^rägeS ihr reformiertes Freikirchentum bei. HugueS. Die Konfoederation der reformierten Kirchen in Niedersachsen, 1878; Brande-, Die Koufoeoeration der reformierten Kirchen in Niedersachsen, 1896 (auch Geschol. d. deutschen Hugueuottmverein- VI 1, 2).

Viertes Kapitel.

Der Znsßan des d-ntfchen evangelischen Airchenrechta im 19. Aaßrßnndert.

5 52.

Staatliche Kirchenhoheit nnb landesherrliche- Kirchenregiment.

Die Umwälzungen, die Deutschland zu Beginn des 19. ^Jahrhunderts erlebte, blieben auch für die evangelische Kirche nicht ohne nachhaltige Wirkung. Der ReichSdeputationShauptschluß machte der für Preußen bereits durch den Erwerb GeldernS (1718), Schlesiens und die Teilung Polens beseitigten konfessionellen Geschloffenheit auch für die süddeutschen Territorien ein Ende. Ein Teil des hergebrachten StaatSkirchenrechtS wurde Encyklopädie der RechtSwiffenschafl.

6., der Neubearb. 1. Aust.

Bd. II.

57

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IV. öffentliche- Recht.

nunmehr unanwendbar; insbesondere trat, da und dort schon vorbereitet (Preußisches Landrecht von 1794 mit seinem für alle Untertanen ohne Unterschied deS Bekenntnisses verbindlichen staatlichen Eherecht; Anerkennung der Protestanten in Bayern 1800/01), nunmehr in allen größeren Staaten an Stelle der bloß ständischen die individuelle christliche Parität; auch dem einzelnen Untertan des einen'christlichen Bekenntnisses sollte fortan recht sein, waS dem des anderen recht war. Selbst einer Mehrheit von christlichen ReligionSgefellschaften gegenüber mußte man jetzt ftaatlicherseitS eine paritätische Stellung einnehmen. Man half sich, indem man die bisher wenig praktische, naturrechtliche Unter­ scheidung von KirchenhoheitSrechten, iura circa sacra, und kirchenregimentlichen Befugnissen, iura in sacra, zur Anwendung brachte. Den Rechten, die dem Staat als solchem und unveräußerlich jeder Religionsgemeinschaft gegenüber zukamen, ganz besonders aber im LerhältniS zu den bevorrechteten, den Kirchen, stellte man, indem man wenigstens theoretisch die Kirchen nicht mehr als bloße Teile des Staatswesen- auffaßte, die weitergehenden Befugnisse gegenüber, die hergebrachterweise dem Landesherrn über die evangelische Landes­ kirche seines Territoriums zustanden und kirchenregimentlicher Natur waren (in Baden schon daS erste Konstitutionsedikt von 1807). In dieser Weise ging namentlich Preußen vor, daS 1808 während der Krieg-nöte die alte Konfistorialverfaffung beseitigt hatte, dann aber nach verschiedenen Bersuchen dazu gelangte, die Wahrung der KirchenhoheitSrechte ausschließlich dem 1817 errichteten Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten sowie den Oberpräfidien zu überweisen, indes die evangelische Kirchengewalt, soweit es sich nur um Interna handelte, zur vertretungSweisen Ausübung Provinzialkonsistorien (seit 1828 mit je einem Generalsuperintendenten als Mitglied) anvertraut wurde. Diese standen aller­ dings auch unter den Oberpräfidenten und dem Kultusminister, bedeuteten aber doch einen ersten Schritt zur Loslösung der kirchlichen Verwaltung von der staatlichen *. Überhaupt lernte man nach und nach für daS Verhältnis zur evangelischen Kirche im Landesherrn zwei Personen unterscheiden, den Träger und daS oberste Organ der Staatsgewalt einer­ seits und den Inhaber des Kirchenregiments oder, nach episkopalistischer Ausdrucksweise, des SummepiskopatS anderseits, eine Unterscheidung, die auch dadurch einen gewiffen tatsächlichen Rückhalt gewann, daß die Deutsche Bundesakte Art. 14 den Standesherren ihre früheren kirchenregimentlichen Befugniffe, wenn auch unter der Aufsicht des Landes­ herrn und innerhalb der Landeskirche, gewährleistete2. Doch kam die Verschiedenheit der beiden Stellungen den maßgebenden Instanzen erst 1848 zu vollem Bewußtsein. Damals schien zunächst der Übergang zum KonstitutionalismuS zugleich daS Ende deS landesherrlichen KirchenregimentS zu bedeuten, wie denn auch der auf das Wohl der evangelischen Kirche eifrig bedachte Friedrich Wilhelm IV., der schon 1845 »die Konsistorien wieder zu wahren Kirchenregimentsbehörden erhoben hatte", zeitweilig zur Abgabe wenigstens der „bischöflichen Rechte in die rechten Hände" bereit war. Da fanden theologische Kreise, die, nach der voran­ gegangenen Entwicklung wohl nicht ohne Grund, an der Fähigkeit der evangelischen Kirche, nach jahrhundertelanger Unselbständigkeit ohne weiteres ihre Angelegenheiten wirklich autonom zu verwalten, verzweifelten, die erlösende Formel, daS landesherrliche Kirchen­ regiment sei eine Frage der inneren Berfaffung der evangelischen Kirche und ein Dienst an ihr, den die Obrigkeit als vornehmstes Glied der Kirche tue (Hengstenbergs Evangelische Kirchenzeitung). Die letztere Begründung versagte nun allerdings gänzlich, und zwar nicht bloß da, wo der Landesherr katholisch war. Jedoch die Macht der Tatsachen über1 Der badische Oberkirchenrat, damals eine Staatszentralmittelstelle unter dem Ministerium des Innern, hatte dagegen bis 1860 die Aufgabe, das ius in sacra und die iura circa sacra zu­ gleich wahrzunehmen. 1 Nicht in dm radikaler verfahrenden Baden und Württemberg, wohl aber in Preußen und Hannover wurde, und zwar zu Gunsten des Stolbergschen Hauses (unter Aufrechterhaltung der Rezesse von 1714, 1788, 1755), hiervon wirklich Gebrauch gemacht. Noch heute bestehen so gräflich Stolbergsche Mediattonsistorim zu Wernigerode, Stolberg und Roßla, die, im übrigen direkt dem preußischen Oberkirchenrat unterstellt, seit 1874 auch vom magdeburgischen königlichen Konsistorium in gewisser Beziehung abhängen, ferner das königliche und gräflich Stolberg-Stolbergsche Konsistorium zu Neustadt und Hohnstein, das jetzt unter dem Landeskonsistorium in Hannover und mit diesem unter dem preußischen Kultusminister steht. Bgl. Schoen, (§ 48,3) I 45f., 71 A. 1, 260ff.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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wand selbst die Bedenken der schärfer blickenden Juristen, insbesondere des auch für das evangelische Kirchenrecht führenden Richter (§ 42), hatte doch von ihnen schon zuvor Puchta gelehrt, dem Landesherrn gebühre das evangelische Kirchenregiment zwar, weil er Staats­ oberhaupt sei, aber nicht als solchem. Und eine Reihe praktisch wertvoller Errungen­ schaften zeitigte die veränderte Auffassung immerhin. Am 29. Juni 1850 schuf Friedrich Wilhelm IV. für die Landeskirche der damaligen preußischen Provinzen im evangelischen Oberkirchenrat eine oberste kirchenregimentliche Behörde, die dem Landesherrn als Träger und Organ des Kirchenregiments direkt untersteht\ indes die staatliche Ministerialbehörde auf die Wahrung der Kirchenhoheitsrechte beschränkt bleibt (ebenso , seit 1860 in Baden). Diese Einrichtung läßt die Vereinigung der beiden Stellungen in der Person des Landes­ herrn, die zunächst bloß als eine — wenn auch durchaus nicht ungewöhnliche — juristische Konstruktion erscheint2, praktische Realität gewinnen, da die getrennte ressortmäßige Vor­ bereitung und Vertretung der höchsten Entschlüsse eine allseitige Berücksichtigung der ver­ schiedenen, in Betracht kommenden Gesichtspunkte und Interessen hinreichend gewährleistet. Aus der obengedachten Auffassung ergab sich aber auch die Fernhaltung der ja nunmehr aus den verschiedensten Religionsangehörigen zusammengesetzten staatlichen Volksvertretung vom Kirchenregiment. Zunächst regierte vielmehr der Landesherr die Kirche weiter absolut. Doch mußte er sich, teils unter dem Einfluß des staatlichen Vorbilds, teils in Wieder­ erweckung reformierter Gedanken, teils aus modern-kirchlichen Erwägungen heraus bald eine Beschränkung gefallen lassen, aber so, daß damit nicht ein Gegensatz, sondern eine Erweiterung und Verstärkung des einheitlichen kirchlichen Organismus, namentlich auch für das Gebiet der Verwaltung, geschaffen wurde. Nipp old, Handbuch der neuesten Kirchengeschichte III3 1, 2, 1890—96; Sohm, Kr. I §41; Richter, König Friedrich Wilhelm IV. und die Verfassung der evangelischen Kirche, 1861; See-^ berg, Die Kirche Deutschlands im 19. Jahrhundert, 1903; Schoen, Preußisches Kirchenrecht (§ 48, 3) §§ 5, 6; Mieter, Rechtliche Stellung (§ 46), Die Krisis des landesherrlichen Kirchenregiments in Preußen, D. Z. s. Kr. X, 1901; Waltersdorf, Das preußische Staatsgrundgesetz und die Kirche, 1873; Die Entwickelung der evangelischen Landeskirche der älteren preußischen Provinzen seit der Errichtung des Ev. Ober-Kirchenrats, Jubiläumsschrift, 1900.

§ 53. Die Angleichung von Luthertum und Calvinismus in Lehre und Berfaffung; Unionen, Verbindung der presbyterial-synodalen mit der landesherrlichkonfistorialen Verfassung. Die schweren Heimsuchungen, die zu Anfang des 19. Jahrhunderts Deutschland trafen, bewirkten auch bei den Evangelischen eine Neubelebung des religiösen Sinnes. Dies und der Umstand, daß jetzt in mehreren Staaten Lutherische und Reformierte katholischen Minder­ oder gar Mehrheiten sich gegenübersahen, bahnte dem schon geraume Zeit vorbereiteten Gedanken der Union beider Bekenntnisse den Weg. Bloße Vereinigungen unter ein und demselben Regiment gab es mitunter schon im 16. Jahrhundert (Ostfriesland 1599), andere wurden durch die Veränderungen der napoleonischen Zeit veranlaßt (badisches Konstitutionsedikt von 1807). Solche Regimentsunionen begegnen noch heute in Württem­ berg, im Großherzogtum Hessen und in Sachsen-Weimar. Weiter geht, wenn auch nicht ohne Schranken, die fakultative altpreußische Union, die Friedrich Wilhelm III. am 27. September 1817 als schönste Frucht des begeistert gefeierten Reformationsjubiläums ins Leben treten lassen konnte; einheitliche Kirchenverwaltung und Abendmahlsgemeinschaft in sich schließend, stellt sie sich (allerdings erst infolge nachträglicher einschränkender Auslegung) regelmäßig als sog. Kultusunion dar, bei der es wohl noch besondere lutherische und besondere reformierte Gemeinden gibt (daneben steht die Freikirche der separierten Lutheraner), doch so, daß die Konfessionsverschiedenheit nicht zur Verweigerung der Gemeinderechte und besonders des Abendmahlsgenuffes in einer Gemeinde anderen 1 Eine außerordentlicherweise 1846 einberusene preußische Generalsynode hatte bereits zu der dann 1848 bewerkstelligten, aber alsbald wieder rückgängig gemachten Errichtung eines noch dem Mini­ sterium unterstellten Landeskonsistoriums den Anstoß gegeben. 8 Das duas personas sustinere ist eine altgeläufige juristische Auskunft.

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IV. öffentliches Recht.

Bekenntnisses berechtigt. Am weitesten geht die Union da, wo sie zur Lehr- oder Konsens­ union sich steigert, indem der übereinstimmende Inhalt der Bekenntnisse als gemeinschaft­ liche Lehrgrundlage zu Kultus- und Rechtsgemeinschaft Hinzutritt, so daß es bei der Anstellung eines Geistlichen auf die Herkunft aus der Union oder der einen oder anderen Konfession nicht ankommt (Baden 1821, Rheinbayern, Anhalt, Nassau, Waldeck, Birkenfeld). Nitzfch, Urkundenbuch der evangelischen Unionen, 1853; Altmann, Die evangelische Union in Preußen, 1867; Rietschel, Die Gewährung der Abendmahlsgemeinschaft, 1869; Zezschwitz, Die kirchlichen Normen berechtigter Abendmahlsgemeinfchast , 1869; Hoffmann, Die Einführung der Union in Preußen und die Separation der Altlutheraner, 1903: Friedberg, Das geltende VersaffunaSrecht der evangelischen Landeskirchen, 1888 § 4; Schoen, Preußisches Kirchenrecht (§ 48, 3) § 16.

Hatte schon bei seiner ersten Aufnahme in Deutschland der Calvinismus fast über­ all eine Einfügung in den Rahmen des lutherischen landesherrlich-konsistorialen Regimentes sich gefallen lassen müssen, so führte jetzt die Bereinigung von Elementen, die während Jahrhunderten in völliger Abgeschlossenheit, ja zum Teil in schroffem Gegensatz zu einander gelebt hatten, mit der Zeit notwendig auch zu einem gewissen Austausch und Ausgleich in verfassungsrechtlicher Hinsicht. So in Baden schon in der 1821 mit der Union ein­ geführten Kirchenverfaffung *, die zwischen dem altbadisch-lutherischen episkopal-konsistorialen System und dem presbyterial-synodal modifizierten der reformierten Pfälzer vermittelte. Von ganz besonderer Bedeutung aber wurde die rheinisch-westfälische Kirchenordnung vom 5. März 1835, die nach langer Verhandlung der preußischen Regierung mit den kirchlichen Organen der beiden Provinzen unter „Berücksichtigung der verschiedenen, dort bisher geltenden Kirchenordnungen und der eingeholten Gutachten der dortigen Synoden für alle Gemeinden beider Konfessionen" in Kraft trat. In ihr erhielten im Gegensatz zu anderen derartigen Ausgleichen die reformierten Verfaffungselemente das Übergewicht. Über der Gemeinde mit einem Presbyterium oder Kirchenvorstand und eventuell mit noch einer zweiten, größeren Repräsentation steht die Kreisgemeinde, vertreten durch ein gemein­ sames Presbyterium (Kreissynode), mit einem von ihr gewählten Direktorium (Super­ intendent, Assessor, Skriba). Die Kirchengemeinden derselben Provinz bilden die Pro­ vinzialgemeinde, ebenfalls mit einem Presbyterium (Provinzialsynode) sowie mit einem auf sechs Jahre gewählten geistlichen Präses und einem ebensolchen Assessor. Daneben stehen aber ein landesherrlich bestellter geistlicher Aufsichtsbeamter, der Generalsuperintendent, und das Konsistorium, dessen leitendes Mitglied jener ist, beide unter dem Ministerium der geistlichen Angelegenheiten. Jacobson, Geschichte der Quellen des evangelifchen Kirchenrechts der Provinzen Rheinland und Westfalen, 1844; Lechler, Geschichte der PreSbhterial- und Synodalversaffung, 1854; Heppe, Die presbyteriale Synodalversaffung der evangelischen Kirche in Norddeutschtand, 1868; Bluhme, Hälschner, Kahl, Rheinisch-westfälische Kirchenordnung^, 1891; Müller-Schuster, Kirchen­ ordnung für die evangelischen Gemeinden der Provinz Westfalen und der Rheinprovinz*, 1892.

Auf diese rheinisch-westfälische Kirchenordnung griff |man zurück, als nach 1848 die Organisation der kirchlichen Selbstverwaltung notwendig und die Verwirklichung des nunmehr entdeckten, angeblich reformatorischen Gemeindeprinzips die Parole wurde. Sie selbst erfuhr zuvor am 13. Juni 1853 noch eine Revision (neueste am 27. April 1891 mit Ergänzungen vom 1. Juli 1893 und vom 29. September 1897). In Preußen schritt man 1861—64 überall zur Errichtung von Kreissynoden, 1869 traten zuerst außerordentliche Provinzialsynoden zusammen, und am 10. September 1873 erging eine evangelische Kirchengemeinde- und Synodalordnung für die alten Provinzen, indes 1875 eine außerordentliche Generalsynode berufen wurde, welche die Generalsynodalordnung vom 20. Januar 1876 zeitigte. Die Verwaltung der kirchlichen Externa ging 1876/77 von dem Kultusminister und den Provinzialregierungen an den evangelischen Oberkirchenrat und die Konsistorien über. In ähnlicher Weise gemischt organisiert waren oder wurden 1 In Bayern sogar bereits 1818.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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die übrigen Landeskirchen in der preußischen Monarchie (Hannover, lutherische Kirche 1864, reformierte 1882; Kurhessen 1885; Nassau 1877; Frankfurt 1899; SchleswigHolstein 1876). Andere Landeskirchen waren schon vorangegangen oder folgten bald nach (Oldenburg 1849/53, Braunschweig 1851, Württemberg 1851/54, 1867, Baden 1861, Sachsen 1868, 1873, Hessen 1874). Ein neuer, den Bedürfnissen der Gegenwart ent­ sprechender evangelischer Verfaffungstypus ist so entstanden, der, zumal wenn es trotz der fast unübersteiglichen Hindernisse gelingen sollte, die lose Verbindung, welche zwischen den evangelischen Landeskirchen die seit 1851 zusammentretende Eisenacher Kirchenkonferenz angebahnt hat, zu einem Bund der deutschen evangelischen Kirchen auszubauen (Deutscher evangelischer Kirchenausschuß seit 1903) und so in Nachholung dessen, was das Reformationszeitalter versäumte und versäumen mußte, der bedauerlichen Zersplitterung, dem Kleinleben und mancher Engherzigkeit ein Ende zu machen, der evangelischen Kirche für ihre äußere Entwickelung im laufenden Jahrhundert eine glückliche Zukunft zu verbürgen scheint. Daß an Stelle der bisher fast allgemeinen Unterschätzung äußerer Ordnung eine die evangelische Freiheit beeinträchtigende Überschätzung treten werde, ist nicht zu befürchten, lebt doch in aller Evangelischen Überzeugung unerschütterlich das Bewußtsein, daß nicht Form und Formel die feste Burg evangelischen Christentums sei, sondern einzig die persönliche Gewißheit einer vom Druck des Gesetzes freien, allein im Glauben wurzelnden GotteSkindschaft in Christo Jesu. Schoen, Preußisches Kirchenrecht (§ 48, 3) §§ 7—10; Herrmann, Die notwendigen Grund­ lagen einer die konfistoriale und synodale Ordnung vereinigenden Kirchenverfassung, 1862; Dove, Deutsche evangelische Kirche und Eisenacher Konferenz, Z. f. Kr. XII, 1874; Braun, Zur Frage der engeren Vereinigung der deutschen evangelischen Landeskirchen, 1902; Denkschrift, den Zusammenschluß der deutschen evangelischen Landeskirchen betr., 1901; Rietschel, Die Frage des Zusammenschlusses der deutschen evangelischen Landeskirchen, 1900; Mirbt, Der Zusammenschluß der evangelischen Landeskirchen Deutschlands, Marburger Ak. Rede 1903; Förster, Die Rechtslage deS deutschen Protestan­ tismus, 1900. J

Zweiter Teil.

System des Kirchenrechts. Von Lehr- und Handbüchern, die außer beiden konfessionellen Rechten auch das Staatskirchen­ recht behandeln, find neben demjenigen Richters (S. 877 A. 2; ev.) und von Hin sch ins (S. 811, ev.) hervorzuheben: Friedberg (ev.), Lehrbuch des katholischen und evangelischen Kirchenrechts1903 (italienisch bearbeitet von Ruffini, 1893); Kahl (ev.), Lehrsystem des Krrchmrechts und der Kirchen­ politik I, 1894; v. Schulte (altk.), Lehrbuch des katholischen und evangelischen Kirchenrechts4, 1886; Bering (k.), Lehrbuch des katholischen, orientalischen und protestantischen Kirchenrechts8, 1893; Zorn (ev.), Lehrbuch des Krrchenrechts, 1888; Schiappoli, Manuale del diritto ecclesiastico, 2 vol. 1902. Deutsche Zeitschriften: oben S. 811; ausländische: Rivista di diritto ecclesiastico del Regno (R. d. d. e.) feit 1890.

Erster Titel.

Attgemeine Lehverr. § 54. Recht mtb Kirche. Die Kirche im Rechtssinn verbindet zu gemeinsamer Verehrung Gottes im Namen Christi alle diejenigen, die in der Auffassung der christlichen Offenbarung übereinstimmen. Sie ist also eine organisierte Gemeinschaft von Menschen. Wie in jeder solchen stellt sich vermöge der dem Menschen innewohnenden Idee des Gerechten alsbald eine Über­

zeugung davon ein, was eine vernünftige Ordnung des kirchlichen Lebens erfordere. Und es verbindet sich damit der Wille, die solcher Überzeugung entsprechende Ordnung auch wirklich herzustellen. Ausdrücklich oder stillschweigend erklärt, wird dieser Wille zum Recht. Das Recht ist mithin für die Kirche schon durch deren Eigenschaft als organisierte

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IV. öffentliches Recht.

Menschengemeinschaft gegeben. Es ist ihr ebenso unentbehrlich und ursprünglich wie jedem organisierten menschlichen Verband. Allerdings nicht mit jedem geschichtlich gegebenen Kirchenverband hat sich das Recht gleich innig verbunden. Gerlach, Logisch-juristische Abhandlung über die Definition des Kirchenrechts, 1862; Groß, Zur Begriffsbestimmung und Würdigung deS Kirchenrechts, 1872; O. Mejer, Ist das Recht einer freien Dereinskirche Recht im juristischen Sinn? in Z. f. Kr. XI, 1873; Bierling, Das Wesen deS positiven Rechts und das Kirchenrecht, in Z. f. Kr. XIII, 1875. Gegen die These von So hm, Kr. I: „Das Kirchenrecht steht im Widerspruch zum Wesen der Kirche," außer Kahl I § 5 namentlich: Bendix, Kirche und Kirchenrecht, 1895; Reifchle, SohmS Kirchenrecht, 1895; Zeerleder, Kirche und Recht, 1895; Köhler, Ueber die Möglichreit deS Kirchenrechts, D. Z. f. Kr. VI, 1897.

Die das ganze Erdenrund umspannende Organisation der katholischen Kirche ist begrifflich Rechtskirche (§ 68). Kirche im Lehrsinn und Kirche im Rechtssinn fallen bei. ihr zusammen, da Christus sie nach katholischer Lehre als Rechtsanstalt ^(^€11x, und ein auf die Eingebung des Heiligen Geistes zurückgeführter Teil der Tradition sie mit auSgebaut hat. Für die reformierte Auffaffung ist nicht sowohl der Gedanke der Göttlichkeit als derjenige der Schriftgemäßheit entscheidend. Eine bestimmte, die neutestamentliche und urchristliche Verfassung gleich dem Urchristentum zu reproduzieren, dazu ist die Kirche berufen, deren Organisation, wenigstens nach altreformierter Auffaffung, mithin als ge­ geben und wesentlich erscheint. So hm, Kr. I §§ 34, 39, 41; Mietet, Grundsätze (§ 46); Hönig, Der katholische und der protestantische Kirchenbegriff, 1894; Rohnert, Kirche. Kirchen und Sekten, 1901.

Dagegen haben die eingangs entwickelte, untergeordnete, nur aus dem Wesen der Kirche als menschlicher Verband entspringende Bedeutung Recht und Verfaffung der lutherischen Landeskirchen. Diese sind somit an eine bestimmte Organisation weder dog­ matisch noch historisch gebunden. v. Scheutl, Die geistliche und die rechtliche Kirche, in seiner Sammlung kirchenrechtlicher Ab­ handlungen; Köstlin, DaS Wesen der Kirche*, 1872; Seeberg, Der Begriff der christlichen Kirche 1, 1885; Bleibtreu, Die evangelische Lehre von der sichtbaren und unsichtbaren Kirche, 1903.

In jedem Fall entspringt das Kirchenrecht, d. h. der Inbegriff der Rechtssätze^ die nach der erklärten Überzeugung einer kirchlichen Gemeinschaft deren Leben bestimmen sollen, einer Überzeugung. Diese geht entweder dahin, Gott oder sein Sohn oder der

Heilige Geist hätten selbst ein Bestimmtes als Recht zu halten befohlen (katholisches ius. divinum), oder dahin, solche Ordnung entspreche nach der geschichtlichen Erfahrung am besten dem göttlichen Willen (reformiertes Verfassungsrecht), oder endlich, eine freie, hier aber noch mehr als auf weltlichem Gebiet mittelbar das Walten Gottes verratende Ver­ nunft heische solche Ordnung (katholisches ius humanum, lutherisches und modernes evangelisches Kirchenrecht). Mit dieser Überzeugung wurzelt das Kirchenrecht einzig und allein in der kirchlichen

Gemeinschaft. Gerade es liefert den Beweis dafür, daß das Recht nicht ein Erzeugnis des Staates und von dessen Gnaden ist, wie eine, wenn auch nicht mehr herrschende, so doch heute noch verbreitete, im absoluten Staat und dessen Staatskirchentum wurzelnde Lehre will. Vielmehr entsteht es und setzt es sich zu einem guten Teil durch unabhängig vom Staat. Freilich, heutzutage, wo dieser begrifflich und tatsächlich die Vormacht ist, stehen äußere Zwangsmittel nur für die Durchührung des vom Staat anerkannten, auch staatlichen Rechts zur Verfügung, von dem außer dem ausdrücklich oder stillschweigend geduldeten das stillschweigend oder ausdrücklich verworfene Kirchenrecht wohl zu unterscheiden ist. Jedoch die Erzwingbarkeit bedingt zwar die Vollendung, aber keineswegs das Wesen des Rechts, das ja in der großen Mehrzahl seiner AnwendungSfälle durch freiwillige Unter­ werfung betätigt wird. Und so hat denn auch das 19. Jahrhundert, indem es, zum Teil unter energischem Widerstreben deS Staates, eine Fülle von Kirchenrecht erzeugte oder

1 Trident, sess. VI de iustif. can. 21: 8i quis dixerit, Christum Jesum a Deo hominibus datum fuisse ut redemptorem, cui fidant, non etiam ut legislativem, cui obediant, anathema sit.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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wiederbelebte, die Tatsache der Selbständigkeit der kirchlichen Rechtserzeugung und Rechts­ geltung in ein Helles Licht gestellt. Roch jetzt stehen wir also einer Zweiheit des Rechtes gegenüber, und widmen wir uns mit gutem Grund dem Studium der Rechte. Freilich im mittelalterlichen Sinn existiert das ins utrumque nicht mehr. Heute kann keine Rede mehr sein von zwei Rechten, deren eines die geistliche und das andere die weltliche Seite eines christlichen Weltganzen beherrscht, oder — noch bester im Sinne des Mittelalters ausgedrückt — deren eines vom geistlichen Regiment, der Hierarchie, und deren anderes vom weltlichen Regiment, der Feudalmonarchie, getragen wird. Wohl aber lebt die Zweiheit fort in der Weise, daß neben dem staatlichen Recht ein Sonderrecht der kirchlichen Lebensbeziehungen steht, das jenem zwar tatsächlich, jedoch nur in lokaler Beschränkung und nur teilweise, unter­ worfen sein kann, begrifflich aber und der Hauptsache nach auch positiv selbständig erscheint,

v. Scheurl, Du Selbständigkeit des Kirchenrechts, in Z. f. Kr. XII, 1874. Ist so das Kirchenrecht mit dem staatlichen Recht nicht zusammenzubringen, so darf auch die Unterscheidung des letzteren in privates und öffentliches Recht auf jenes nicht angewendet werden. Rur soweit es in der erwähnten Weise ins staatliche Gebiet er­ hoben wird, findet die Unterscheidung auch auf das Kirchenrecht Anwendung. Das vom Staat anerkannte kirchliche Berfaffungs- und Berwaltungsrecht nimmt an der Öffentlich­

keit, das vom Staat anerkannte, die privaten Beziehungen der Kirche und ihrer Teil­ verbände regelnde Recht (so namentlich manche Einrichtungen und Bestimmungen des kirchlichen Vermögensrechtes) nimmt an dem bürgerlichen Charakter staatlichen Rechtes teil. Jacobson, Kirchenrechtliche Versuche: Ueber den Begriff des öffentlichen Rechts und über daS Kirchenrecht als Teil desselben II, 1838.

Alles Recht und so auch das kirchliche ist positiv. Das sog. Raturrecht oder speziell das natürliche, d. h. das aus der Natur der kirchlichen Lebensbedingungen sich ergebende Kirchenrecht spielte zwar in der Literatur des 18. und des beginnenden 19. Jahr­ hunderts eine große Rolle. Auch wird ein ins divinum naturale im Sinn einer von Gott in der Natur kundgegebenen, mit den geoffenbarten Moralsätzen identischen Ordnung heute noch von katholischer Seite behauptet. Beides hat gegenüber einem die geschichtlichen Tatsachen vergewaltigenden Absolutismus, der dem Staat die ausschließliche Be­ fähigung, Recht zu setzen, zuschrieb, zeitweise heilsam gewirkt, Aber all dies sog. kirch­ liche Naturrecht stellt sich, sofern man darunter nicht einfach staatlich nicht anerkanntes, positives Kirchenrecht versteht, lediglich als Rechtsüberzeugung oder gar nur als Rechts­ postulat heraus, dem es, um Recht zu sein, an der erforderlichen ausdrücklichen Er­ klärung oder stillschweigenden Betätigung gebricht, oder als Moralvorschrift, die zwar für das kirchliche Recht bindende Richtschnur, jedoch nicht dieses selbst ist. Bergbohm, Jurisprudenz und Rechtsphilosophie I, 1892; Cathrein, Recht, Naturrecht und positives Recht, 1901.

Daß und weshalb endlich Kirchenrecht, ins ecclesiasticum, und kanonisches Recht, ius canonicum, nicht zusammenfallen, ergibt sich ohne weiteres aus unserer Darstellung der Geschichte des Kirchenrechts, welche die Verengerung aufweist, die das heutige Kirchen­ recht gegenüber dem kanonischen Recht erfahren hat, aber auch die gleichzeitige Erweiterung durch das Hinzukommen von viel neuem katholischen und dem ganzen evangelischen Recht.

§ to.

Staat und Kirche.

Ohne organisierte Gemeinschaft kein Recht. Auch das Völkerrecht ist wahres ob­ jektives Recht nur, weil und insoweit es einer mehr oder weniger fest geformten (Kon­ gresse !) Gemeinschaft der europäischen oder aller Kulturvölker entspringt und von ihr ge­ tragen wird. Eine ähnliche Gemeinschaft zwischen Staat und Kirche gibt es nicht, weder tatsächlich noch dem Begriff nach. Das mittelalterliche unum corpus christianum, dem Imperium und sacerdotium organisch sich eingliederten, ist längst untergegangen. Die

904

IV. öffentliches Recht.

Staaten, die an Stelle jenes, die Kirchen, die an Stelle von diesem getreten find, fetzen Imperium und sacerdotium weder einzeln noch zusammengenommen fort und fügen sich keiner höheren Einheit mehr ein. Der moderne Staat beschränkt sich grundsätzlich auf das Diesseits; er ist das Gemeinwesen, das die irdischen Lebensbeziehungen seiner Angehörigen, und nur sie, diese aber in sachlicher Unbegrenztheit, umspannt. Umgekehrt zielt jede christliche Kirche auf das Jenseits ab; wohl ist fie ein irdischer Verband, aber nur zu gemeinschaftlicher Förderung ihrer Mitglieder in deren überirdischer Bestimmung. Schon unter den Kirchen ist die Zusammenfassung zu einer höheren Gemeinschaft auSgefchloffen, da jÄe, prinzipiell ausschließlich, da- Hell allein oder doch am besten zu vermitteln beansprucht. Vollends ein. zwischenstaatlich-kirchlicher Verband muß als ein Ding prak­ tischer und theoretischer Unmöglichkeit erscheinen. Ja noch mehr: die modernen Staaten und die Kirchen find überhaupt inkommensurable Größen. Hieraus folgt, daß über Staat und Kirche niemals eine Ordnung rechtlichen Charakters besteht oder auch nur bestehen könnte. Die Berührungen beider find lediglich zufällige, niemals begriff-notwendige, unter keinen Umständen organische. In ihrem eigentlichen Wirkungskreis berühren sich Staat und Kirche überhaupt nur deshalb, weil fie zum Teil dieselben Angehörigen haben. Daneben gibt e- allerdings Grenzgebiete, die beide Teile für sich in Anspruch nehmen, und zwar jeder auf Grund feiner Rechtsordnung. Gerade bei der Grenzregulierung findet aber leicht eine Überschreitung de- Gebiete- statt,

innerhalb dessen die betreffende Norm Recht zu sein beanspruchen kann. In solchen Fällen steht man vor formellem, staatlichem oder kirchlichem Recht, während materiell überhaupt kein Recht, sondern ein staatliches Machtgebot gegenüber der Kirche oder ein kirchlicher Machtanspruch gegenüber dem Staat vorliegt. Nur wenn eS über Staat und Kirche einen beide umfassenden Verband gäbe, der KollifionSnormen aufstellen könnte, ließe fich der Konflikt beider Rechte nach RechtSarundsätzen beheben. So aber, da es sich nicht einmal um Gemeinwesen derselben Art handelt, entscheidet allein die Macht. Hieraus ergeben fich kaum je Unzuträglichkeiten im Verhältnis zu den evangelischen Kirchen, die — um davon abzusehen, daß die geschichtliche Entwicklung ihnen in Deutschland dieselbe Spitze gegeben hat wie dem Staat —, weil in nachmittelalterlicher Zeit angesichts der werdenden StaatSsouveränität entstanden, den Staat als alleinigen Machtträger anerkennen. Nur wenn der moderne Staat sich so weit vergäße, daß er sich in die Verwaltung von Wort und Sakrament einmischen, nach calvinistischer Auffassung auch, wenn er die Kirche hindern wollte, sich schristgemäß einzurichten, nur dann würde für die evangelische Kirche und ihre Glieder die Pflicht erstehen, Gott mehr gehorchend als den Menschen gegen die staatliche Einmischung Widerstand zu leisten. Wohl aber besteht auf weiten Grenzgebieten ein grundsätzlicher, unversöhnlicher Gegensatz zwischen dem souveränen modernen Staat und der über ein Jahrtausend hinter dessen Anfänge zurückreichenden katholischen Kirche. Für kürzere oder längere Zeit praktisch überbrückt, führt er immer wieder zu Konflikten, bei denen die Kirche schon deswegen nicht unfähig zu erfolgreichem Widerstand ist, weil stets nur ein kleiner Teil ihrer universalen Organisation in das Gebiet des betreffenden Staates hineinreicht, indes das Schwergewicht ihrer Macht außerhalb der staatlichen -Herrschastssphäre liegt. Nach dem Gesagten entscheidet in solchem Konflikt allein die Macht , aber freilich eine Macht nicht im Sinne roher, physischer Gewalt, sondern in 'demjenigen einer geistigen, durch äußere Zwangsmittel nur unterstützten Vorrangstellung, 'die den Gesetzen der Sittlichkeit unterworfen ist und von der Übereinstimmung mit

dem Zeitbewußtsein abhängt. Dies stets sich vor Augen zu halten, ist die Pflicht der Politik, die allein das Verhältnis von Staat und Kirche regelt. Gladstone, Der Staat in seinem Verhältnis zur Kirche, 1843; Liberalere, La Chiesa e lo Stato, 1871; Sohm, DaS Verhältnis von Staat und Kirche, Z. f. Kr. XI, 1873; Zelleri, Staat und Kirche, 1873; Gesfcken, Staat und Kirche in ihrem Verhältnis geschichtlich entwickelt, 1875 (dazu Fromann, Z. s. Kr. XIV, XV, 1879/80); Maaßen, Neun Kapitel über freie Kirche und Gewissensfreiheit, 1876; Martens, Die Beziehungen der üeberordnung, Nebenordnung und Unter-

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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Peglise romaine, Valence Th&se 1901; MaureuLrecher, Staat und Kirche im protestantischen Deutschland, 1886; Kahl, Die Verschiedenheit der katholischen uud evangelischen Anschauung von Staat und Kirche, 1886; Sieter, Staat uud Kirche uach lutherischer, reformierter, moderner An­ schauung, H. V. I, 1898, Protestantismus und StaatSkirchentum, D. Z. f. Kr. VII, 1897; Kolbe, Der EtaatSgedanke der Reformation und die römische Kirche, 1903.

Kirchenpolitische, nicht Rechtssysteme sind auch die Denkformen, auf welche die Wissenschaft die verschiedenen Gestalten gebracht hat, die daS Verhältnis von Staat und Kirche zu verschiedenen Zeiten und in den verschiedenen Gebieten kraft positiver staatlicher oder kirchlicher Bestimmung annahm oder hatte annehmen sollen. Sie dienen dem Ver­ ständnis, aber — gleich den Systemen des ehelichen Güterrechtes — vielfach auch der Auslegung sowie dem praktischen und theoretischen Ausbau der einzelnen Festsetzungen. Und sie bewegen sich — auch darin den Gütersystemen des Eherechts ähnlich — -wischen den beiden Extremen der Verbindung und der Scheidung des politischen und religiösen Gebietes. Die Einheit oder doch eine innige Verbindung streben an daS der Geschichte angehörige System des Jneinanderaufgehens beider Sphären zu Gunsten des Staates (Byzantinismus, karolingische Theokratie, sächfisch-salische Kirchenherrschast und älteres katholisches, besonders josephinisches, sowie evangelisches StaatSkirchentum), ferner das System völliger Einheit zu Gunsten der Kirche (Hierokratie des PapalsystemS, abgeschwächtes Kirchenstaatslum der potestas indirecta), das tatsächlich ebenfalls der Geschichte angehört, aber mit dem übrigen ius canonicum von der katholischen Kirche als ruhendes Kirchenrecht weiter mit­ geführt roirb1 und in der Genfer Schrifttheokratie f. Z. ein evangelisches Gegenstück befaß, endlich das System des christlichen Staats. Das letztere, praktisch nie verwirklicht, sondern durch die Heilige Allianz von 1815 mir angeregt' und seit 1847 (Fr. I. Stahl, Thiersch u. 8t.) oft literarisch und parlamentarisch verfochten, sucht sich mit dem Vor­ handensein einer Mehrheit gleichberechtigter christlicher Konfessionen so abzufinden, daß eS das Gemeinchristliche aus den verschiedenen Bekenntniffen und kirchlichen Einrichtungen herauShebt und zu dessen Verwirklichung den Staat verpflichtet. Praktische Konsequenzen find also z. B. Taufzwang für die Kinder christlicher Eltern, obligatorische kirchliche Eheschließung, christliche Organisation der Schule, streng durchgeführtes Sonn- und FmertagSgebot und in negativer Hinsicht Verbot der Ehen zwischen Christen und Juden und Beseitigung der Judenemanzipation, wie überhaupt Richtchristen gegenüber zwar eine beschränkte Toleranz, nicht aber die Einräumung politischer Rechte (aktive- und passives parlamentarisches Wahlrecht, Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter) statt­ haft erscheint. Das System, ungeeignet, seinen Zweck, die möglichste Erhaltung christlicher Religiosität, zu verwirklichen, und wegen der damit verbundenen Einmischung de- Staatein rein religiöse Angelegenheiten unerträglich, scheitert, von allem anderen abgesehen, schon daran, daß eS ein nichttonfesfionelles Maffenchristentum, womit der Staat rechnen könnte, nicht gibt und nicht geben kann. Stahl, Der christliche Staat8 * ,* *1858; * * * v. Scheurl, Der christliche Staat, in seinen S. kr. A.; Hergenrüther, Katholische Kirche und christlicher Staat, 1872; Dieckhoff, Staat und Kirche, 1872; v. Mühler, Grundlinien einer Philosophie der Staat-» und Recht-lehre nach evangelischen Prinzipien, 1878; Thiersch, Ueber den christlichen Staat, 1875.

Bon den Systemen sodann, welche die Scheidung der staatlichen und kirchlichen Sphäre anstreben, ist das radikalste dasjenige der sog. Trennung von Staat und Kirche oder de- Freikirchentums. Am vollständigsten' ist e- durchgeführt in den Bereinigten Staaten von Nordamerika, die eben keine kirchliche Vormacht mit altbegründetem Besitz, wohl aber eine unter dem Einfluß reformierter Separationstendenzen entstandene, weit1 Syllabus th. 24 verwirft den Satz: Ecclesia vis inferendae potestatem non habet neque potestatem ullam temporalem directam vel indirectam. 8 Der Deutsche Bund führte sein Grundgesetz allerdings unter Berufung auf die .allerheiligste und unteilbare Dreieinigkeit" ein und gab sich so als offiziell christlich. Jedoch das Schwergewicht auch für die Kirchengesetzgebung lag nicht in ihm, sondern in den Einzelstaaten, und diese gaben sich nicht al- christliche au-. 8 Aber nicht vollständig. Sonst gäbe es keinen Feiertag-zwang, keine Möglichkeit der Ab» lösung der militärischen Dienstpflicht auS Gründen des religiösen Bekenntnisse- (Quäker), keine gottes­ dienstliche Eröffnung des Kongreffes.

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IV. öffentliche- Recht.

gehende kirchliche Zersplitterung vorfanden. In Belgien gilt das System auf Grund der Verfassung von 1831, die e- aber in Art. 117 zu Ungunsten des Staate- durch die Bestimmung durchbricht, daß der Staat die Besoldungen und GnadengehLlter der Kultus­ diener auf eigene Kosten zu zahlen habe. In Italien bildete die freie Kirche im freien Staat das Programm Cavoursx, konnte aber, da Italien nach der Wegnahme des Temporale- im Garantiegesetz vom 13. Mai 18718 in seinem eigenen Interesse dem Heiden Stuhl gewisse Sicherheiten für die Behauptung von dessen internationaler

Stellung nach innen wie nach außen zu geben sich veranlaßt sah, bloß zum Teil ver­ wirklicht werden. Denn folgerichtig durchgeführt bedingt da- System unter Verzicht auf alle und jede Kirchenhoheit samt den daran- fließenden Aufficht-rechten die Gleichstellung der Kirchen mit gewöhnlichen nichtprivilegierten Vereinen (bloße Verein-hoheit). Als Privatvereine, mit den Angehörigen als bloßen Mitgliedern, mit den Kirchenbeamten albloßen BereinSdienern, mit dem Kirchenrecht, soweit e- mit der Verein-gesetzgebung ver­ traglich, al- bloßem Verein-statut, befreit von der Einmischung de- Staate- (keine staat­ liche Mitwirkung bei der Besetzung bischöflicher Stühle, keine staatlichen theologischen FlüultLten) steht nach diesem System auch die katholische Kirche da, die eine solche Trennung prinzipiell verwirft8, aber, wo sie besteht, dank ihrer vortrefflichen Organisation und vermöge ihrer den Verein-rahmen mit Leichtigkeit sprengenden sozialen Bedeutung, sehr wohl sich zunutze zu machen weiß. Da- System ist mit Rücksicht auf die Vergangenheit der christlichen Kirchen, ihre innige Verknüpfung mit dem Volk-tum und die daran- für den Staat sich ergebende Unmöglichkeit, sich ihnen gegenüber gleichgültig zu verhalten, auch vom staatlichen Standpunkt au- zu verwerfen. Mehr den Standpunkt einer von gegenseitigem Wohlwollen getragenen Gleichordnung vertritt die namentlich von Görre-, v. Ketteler, Reichensperger und anderen, besonder- katholischen Schriftstellern der neuesten Zeit verfochtene Koordination-theorie. Sie läßt beide Gewalten rechtlich gleich stehen, die Kirche völlig unabhängig aus kirchlichem, den Staat souverän auf staatlichem Gebiet. Grenzstreitigkeiten sollten durch Konkordate beseitigt werden. Diese Theorie, im Ver­ hältnis de- Staats zur evangelischen Kirche nicht verwendbar, und in Wahrheit ein Ver­ such, die katholische Kirche vor irgendwelcher Unterordnung unter den Staat zu bewahren, ist, wie die Erfahrungen lehren, die man in Preußen vor dem Kulturkampf damit machte, praktisch unbrauchbar. Denn wie in der Ehe, so muß in jeder Zweiheit der eine Teil schließlich da- entscheidende Wort sprechen, also entweder der Staat oder — und dabei landen die Koordination-theoretiker regelmäßig, weil sie die Kirche als Verband für über­ irdische Zwecke höher einschätzen als den bloß diesseitigen Staat — die Kirche, womit einfach das alte Kirchenstaatstum, wenn auch in abgeschwächtester Gestalt (potest&s directiva), wieder erreicht wird. Da aber tatsächlich in Deutschland der staatlichen Macht und dem staatlichen Recht die Entscheidung zufällt, erscheint für die Gegenwart als allein zutreffend ein System, das diese Tatsache zum Ausdruck bringt, anderseits aber die kirchliche Selbständigkeit, soweit dies mit der staatlichen Selbstbehauptung irgend­ wie verträglich ist, achtet. Dieses System, das den Scheidungsgedanken in möglichster Berücksichtigung der durch die gemeinsame Vergangenheit und die Gemeinschaft der beiderseitigen Angehörigen gegebenen Verknüpfung beider Gemeinwesen realisiert, ist das­ jenige der staatlichen Kirchenhoheit. Vinet, Memoire en faveur de la libertä des cultes, 1826; Mejer, Die deutsche Kirchenfceiheit, 1848; Garei- und Zorn, Staat und Kirche in der Schweiz, 2 Bde., 1877/78; Nippold, Die Theorie der Trennung von Kirche und Staat, 1881; Gagliani, Droit eccUsiastique civil beige I, 1903; GürreS, Athanasius, 1888; Reichensperger, Kulturkampf oder Friede**, 1876; Harleß, Staat und Kirche, 1870.

1 Bgl. oben S. 896 A. 1. * 2. Titel. Bom Verhältnis des Staates zur Kirche: Keine Beschränkung de-Zusammentritt­ don Kirchenversammlungen, keine Nomination oder Präsentation bei Besitzung von beneficia maiora laber Jndigrnat und bi8 -um Erlaß eine- Kirchengut-gesetze- Exequatur für die Einführung in die Temporalien der höheren und niederen Benefizien außerhalb Roms und der suburbikarischen Bis­ tümer), kein Treueid der Bischösi gegenüber dem Könia, kein Plazet außer zu Verfügungen über Kirchengut, kein recursus ab abusu in geistlichen und DiSziplinarangelegenheiten. * Syllabus th. 55 verdammt den Satz: Ecclesia a statu statusque ab ecclesia seiungendus est

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

§ 56.

907

Die Konkordate.

Im weiteren Sinn bezeichnet man als Konkordate Abmachungen zwischen der weltlichen und der geistlichen Gewalt über die Stellung der Kirche in dem betreffenden Staat. Im engeren Sinn findet nach der herrschenden Lehre die Bezeichnung „Konkordat" bloß Anwendung auf Vereinbarungen, die zwischen dem Staatsoberhaupt einerseits und dem Papste anderseits getroffen werden, und in denen, wenigstens im Prinzip, eine all­ gemeine Regelung der Verhältnisse der katholischen Kirche enthalten ist1. Bloße Ab­ machungen über einzelne Gegenstände, wie die Umschreibung von Bistümern, die nur zum Erlaß staatlich anerkannter Kirchengesetze (ZirkumskriptionSbullen) führen, gelten ebensowenig als Konkordate wie Abmachungen zivischen dem Staat und dem Ländes­ episkopat oder zwischen jenem und der evangelischen Kirche2.* * *Namentlich **8 die Ver­ schiedenheit der Form, in der die Abmachungen mit dem Heiligen Stuhl in alter (§§ 24, 36, 42) und neuer Zeit auftraten — jetzt ist ein gemeinsam verfaßtes und unter­ zeichnetes, in zwei Exemplaren ausgefertigtes und nachher durch übereinstimmendes Staats­ und Kirchengesetz zu vollziehendes Schriftstück üblich — aber auch der Wandel der An­ schauungen über das Verhältnis von'Stäat und Kirche ließen verschiedene Theorien über die rechtliche Natur der Konkordate aufkommen. Der ältesten Form und der damaligen Superiorität der Kirche entsprach die Privilegientheorie, wornach der Inhalt des Konkordats, soweit er dem Staat günstig ist, als ein widerrufliches Privileg des Papstes anzusehen ist, indes der Staat an die von ihm übernommenen, aber eigentlich ihm schon ohnedies obliegenden Verpflichtungen gebunden bleibt. Die Theorie wird als Bestandteil des kanonischen Systems offiziell weitergeführt und gelegentlich auch schriftstellerisch ver­ treten, gelangt jedoch, wenigstens den modernen Kulturstaaten gegenüber, weil für fie unannehmbar, nicht mehr zu praktischer Verwendung. Vielmehr stand die Konkordatsära. des 19. Jahrhunderts durchaus unter dem Zeichen der Bertragstheorie, die in verschiedenen Formen auftritt, und die Konkordate als zweiseitige rechtsgültige Verträge, entweder als völkerrechtliche oder als quasi-völkerrechtliche oder überhaupt als solche öffentlichen Rechts, angesehen wissen will, oder (als mit der gleich zu erwähnenden dritten Haupttheorie ge­ mischte Ansicht) darin Verträge nur zwischen der Person des Staatsoberhaupts und dem Papst erblickt, auf Grund deren dann die für die beiderseitigen Angehörigen erst ver­ bindliche Veröffentlichung als Staats- und Kirchengesetz zu erfolgen hat. Alle diese Lösungs­ versuche, die vornehmlich der Koordinationstheorie entsprechen, aber auch mit der staat­ lichen Kirchenhoheit in Einklang zu bringen versucht worden sind, scheitern an dem Mangel einer über Staat und Kirche sich erhebenden, beide umfassenden Rechtsordnung, auf Grund deren Verträge im Rechtssinn zwischen beiden geschlossen werden könnten. So bleibt nur die dritte Möglichkeit der sog. Legaltheorie, die eine rechtliche Bindung des souveränen Staates, aber auch des Papstes nicht anerkennt, sondern bloß eine moralische Verpflichtung, die einzig und allein in Gestalt der auf ihr basierenden staatlichen und kirch­ lichen Gesetze zu staatlichem und kirchlichem Recht wird. Doch ist die ältere Form der Legaltheorie, welche einfach als daS Gegenstück der Privilegientheorie sich darstellt und die der Kirche gemachten Zugeständnisse als frei widerrufliche staatliche Verleihung erklärt, zu verwerfen und anzuerkennen, daß nur aus dem formalen Grund des mangeln­ den gemeinschaftlichen Rechtsbodens und der staatlichen Souveränität eine rechtliche 1 Das Übereinkommen zwischen dem Reich und dem Hl. Stuhl vom 5. Dezember 1902 über die Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät an der Universität Straßburg (A. f. k. Kr. LXXX1II, 1903 S. 116, D. Z. f. Kr. XIII, 1903 S. 151) ist also schon nach dieser Auffassung kein Konkordat. Diese Bezeichnung gebührt ihm aber auch nicht nach dem Sprachgebrauch der Kurie, die concordata nur mit katholischen Staatsoberhäuptern eingeht, sonst aber die materiell von jenen allerdings nicht verschiedenen conventiones schließt. Freilich auch das französische Konkordat von 1801 und das italienische von 1803 bezeichnen pch als Konventionen. Das geht aber auf Napoleon zurück, der die seit 1516 für französische Ohren übelklingende Bezeichnung »Konkordat" vermieden wissen wollte. 8 In Aussicht genommen z. B. in der Großh. Bad. B.O. vom 28. Februar 1862, betr. das evangelische Kirchenvermögen, § 1.

IV. öffentliches Recht.

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Bindung nicht besteht, indes eine selbstverständlich durch das Prinzip der Selbsterhaltung beschrankte materielle Bindung moralischer Natur nicht in Abrede gestellt werden darf. So gefaßt gewährt die Theorie auch die Möglichkeit, die den eigentlichen Konkordaten an prattischer Bedeutung bisweilen nur wenig nachstehenden Abmachungen der Staaten mit dem Landesepiskopat bezw. mit der evangelischen Kirche1 mit unterzubringen, da es für die bloß moralische Bindung keinen Unterschied macht, daß beim Landesbischof und den evangelischen Kirchenkörpern die Untertanschast in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Bqiehung von der kirchlichen Stellung sich nicht frei trennen läßt. Und vor allem wirkt die Theorie praktisch abschreckend, was ein unleugbarer Borzug derselben ist; denn so sehr eine tatsächliche Verständigung von Fall zu Fall mit dem kirchlichen Oberhaupt wie mit den inländischen Kirchenoberen erstrebenswert erscheint, so wenig ist eS deren formelle Festlegung, weil vielfach schon die bloße Tatsache der schriftlichen Bindung die staatliche Souveränität beeinträchtigt, und namentlich, weil feste Vereinbarungen, von jedem Teil nach seinem System auSgelegt, erfahrungsgemäß mehr Unfrieden stiften, als daß sie den zwischen Staat und Kirche einzig möglichen zeitweiligen Waffenstillstand sichern. Münch, Vollständige Sammlung aller älteren und neueren Konkordate. 2 Bde-, 1830 ff.; Nu88i, Conventiones de rebus ecclesiasticis, 1870. Die für Deutschland iuBetracht kommenden Konkordate auch bei Schneider, Partikuläre KircheurechtSauelleu, 1898; Conventiones de rebus ecclesiasticis . . . sub pontificatu Leonis XIII., 1893; HinschiuS, Staat und Kirche (§ 55); Hübler, Jur Revision der Lehre von der rechtlichen Ratur der Konkordate, Z. f. Kr. UI, 1863, IV, 1864: KirchenrechtSquellen (oben S. 811) § 4; Balve, Kirche und Staat in ihren Verein­ barungen *, 1881. Aktenstücke auch im Staatsarchiv von Aegidi u. A., seit 1861 bis jetzt 67 Bde. crs deutsche Stcrcrtskirchenvecht. Außer den E. 901 erwähnten Lehrbüchern, von denen bezüglich deS GtaatskirchenrechtS dasjenige von Kahl am ausgiebigsten ist, sowie HinschiuS, Staat und Kirche (§ 55) und Kr. III §§ 190,197, IV § 285, VI §§ 376—380,382, und Rreker, Rechtliche Stellung (8 46) vgl. Thudichum, Deutsches Kirchenrecht des 19. Jahrhunderts, 2 Bde., 1877/78; Pieper, Kirchliche Statistik Deutschlands', 1900; HinschiuS, DaS preußische Kirchenrecht im Gebiete deS A. L.R., 1884; Friedberg, Die evangelische und die katholische Kirche der neu einverleibten Länder, 1867, Evangelisches BerfaffuugSrecht (g 53) $8 5—8; Schoen, Preußisches Kirchenrecht (j 48, 3) §§ 13, 14 und die Lit. 8 2; Rintelen, Die kirchenpolitischen Gesetze Preußens und deS deutschen Reich-, 1903; Eeydel, Bayerisches GtaatSkirchenrecht (---Bayerische- Staat-recht VI), 1893; Silbernagl, Verfassung und Verwaltung sämtlicher Religion-genoffenschasten in Bayern 1900; Kahl, Die Selbständigkeit-stellung der protestan­ tischen Kirche in Bayern, 1874; v. Seydewitz, Codex des im Königreich Sachsen geltenden Kirchen­ recht-', 1890; Spohn, Badisches GtaatSkirchenrecht, 1868; Dursy. Das GtaatSkirchenrecht in Elsaß-Lothringen, 1876; Geigel, DaS französische und daS reich-ländische GtaatSkirchenrecht, 1884, sowie die Lehr- und Handbücher deS deutschen Reich-- und Lande-staat-rechtS.

8 57.

Leitende Grundsätze; Gewissen-- und Knltn-freiheit.

Der deutsche Staat der Gegenwart erblickt seine Aufgabe nicht mehr darin, seine Angehörigen zur Religiosität oder gar zu einer bestimmten Form derselben zu erziehen. Vielmehr verzichtet er grundsätzlich auf jede religiöse Wohlfahrtspflege. Dies nicht bloß deshalb, weil er Untertanen verschiedener christlicher Bekenntnisse mit Bekennern nicht­ christlicher Religionen und mit Religionslosen in seinem Gebiet vereinigt, denen allen er in gleicher Weise, soweit eS sich mit den Interessen der Gesamtheit verträgt, die Möglich­ keit zu freier Entfaltung ihrer Eigenart und zur Erfüllung deS menschlichen Daseinszweckes geben muß, so wie ihn ein jeder für sich erfaßt. Vielmehr namentlich auch deshalb, weil der Staat auf die Anwendung äußerer Mittel sich beschränkt sieht und bereitwillig 1 Weshalb die Identität deS Landesherrn und Trägers der Kirchengewalt dem im Wege stehen soll, ist unerfindlich. Daß für den Fall der Bereinigung zweier Personenrollen in ein und derselben phyfischen Person, sogar innerhalb de-selben RechtsgebieteS, auch ein rechtsgeschäftliches Handeln durchaus möglich sei, erkennt z. B. § 181 B G B. an (Eelbstkontrahieren deS Stellvertreters).

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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anerkennt, daß die vorhandenen kirchlichen Heilsanstalten einen geschichtlich wohlbegründeten Anspruch auf die religiöse Arbeit am Volke haben, sowie daß sie, zu diesem Zweck besonders veranlagt und mit Heilsmitteln, die das Innere des Menschen erreichen, ausgerüstet, weit bester, als er es je tun könnte, die ja natürlich auch ihm nur erwünschte Durchdringung deS Volkstums und Volkslebens mit religiösen, vor allem mit christlichen Grundsätzen bewerkstelligen. Nur soweit eS gilt, gegenüber der konfessionellen und kirchlichen Ausschließlichkeit den Frieden der Gesamtheit und die freie Selbstbestimmung deS Einzelnen zu wahren, nur so weit greift der Staat ein. Er tut dies einmal in seiner Eigenschaft als höchste Macht, also kraft seiner Souveränität. Dabei muß er, da diese seine höchste Macht sich auf sein Territorium beschränkt, prinzipiell von dem Zusammenhang der in seinem Gebiet befindlichen Religion-verbände mit der Außenwelt absehen. DaS heißt: er gibt den Kirchen, auch der katholischen, lediglich eine innerstaatliche Stellung. DaS ist nun fteilich nur eine durch den Mangel eines zwischenstaatlich-kirchlichen Verbandes und den Souveränitäts­ begriff geforderte formale Auskunft, eine im Interesse staatlicher Selbstbehauptung vor­ genommene Fiktion, bezüglich welcher der Staat bei der praktischen Handhabung seiner Macht gut tut, im Auge zu behalten, daß fie den Tatsachen bloß in sehr beschränken Maße entspricht, und daß speziell im Verhältnis zur katholischen Kirche selbst im ver­ gangenen Jahrhundert keine, auch nur gemischt staatlich-kirchliche Maßregel von größerer Wichtigkeit ohne Rücksichtnahme auf die Universalität der katholischen Kirche und ihre auswärtige Zentralregierung mit Erfolg hat getroffen werden können. Es ist aber auch keine Auskunft, welche die praktische Wirksamst der Kirchen, soweit fie wirklich religiöser

Natur ist, irgendwie hemmt. Denn die rechtliche Unterordnung verträgt fich wohl mit einer „ethischen Gleichordnung", die fich in Deutschland beispiÄSweise äußert in dem strafrechtlichen Sonderschutz, welchen R.St.G.B. 8§ 166, 167, 248 Ziff. 1, 804 und 306 Ziff. 1 gegen Gotteslästerung, Kirchenbeschimpfung, Gottesdiensthinderung und Ge­ fährdung des kirchlichen Vermögens gewährt, oder in der Zuwendung von Dotationen, einmaligen oder dauernden fteiwilligen StaatSzuschüffen zu allgemeinkirchlichen Zwecken, zu Kirchenbauten, zur Aufbesserung des kirchlichen Diensteinkommens (Preußen, Bayern, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen), aber auch in der Gewährung der StaatShilfe zur Durch­ führung kirchlicher Ansprüche mit staatlichem BerwaltungSzwang oder zur Zwangsvoll­ streckung kirchlicher DiSziplinarerkenntniffe, endlich in der Berücksichtigung der kirchlichen Sonn- und Feiertag-ordnung im R.St.G.B. § 366 Ziff. 1 und in einer reichen, die äußere Feier an einer ganzen Anzahl kirchlicher Feiertage sichernden einzelstaatlichen Gesetz­ gebung **. In all den Beziehungen aber, in denen der Staat nach Obigem mit den Kirchen fich zu beschäftigen hat, tritt er den Kirchen immer al- Rechtsstaat gegenüber. Denn er behandelt die Religionsgemeinschaften und ihre Mitglieder nach bestimmten, in staatlichen Gesetzen und Rechtsverordnungen niedergelegten Grundsätzen, so daß auch seine Verwaltungsorgane nur nach deren Maßgabe tätig werden können, und je nach Lage des Falls der Rechtsweg, wenn nicht des Zivil- oder Sttaf-, so doch des VerwaltungSstreitverfahrenS offen steht. Sartorius, Die staatliche DerwaltungSgerichtSbarkeit auf dem Gebiete deS Kirchenrechts, 1891.

Den Inbegriff der staatlichen Gesetze und Verordnungen betreffend die Kirchen und übrigen ReligionSgesellschasten bezeichnet man kurz als Staatskirchenrecht. Wie alle- staat­ liche Recht in Deutschland ist eS entweder Reichs- oder Landesrecht8. Auch daS ReichSstaatSkirchenrecht geht dem EinzelstaatSkirchenrecht vor. Jedoch das Reich hat bisher nur

1 Nur als Bestandteile noch beibehaltenen oder nicht völlig ausgegebenen StaatSkirchentumS erklären fich die grundsätzlich nicht mehr zu rechtfertigenden bayerischen und elsaß-lothringischen Be­ stimmungen, wonach selbst zur kirchlichen Anordnung über bloß religiöse Festfeiern staatliche Ge­ nehmigung erfordert wird. * Eine sehr dankenswerte, mit Hilfe der Überfichten der D. Z. f. Kr. leicht auf den heutigen Stand zu ergänzende Zusammenstellung deS Reichs- und LandeSstaatSkirchenreHtS unter Berücksichtigung des Entwicklungsgang- deS letzteren gibt das Lehrbuch von Kahl in den 88 14 und 15.

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IV. öffentliche- Recht.

ausnahmsweise und gelegentlich mit kirchlichen Materien sich befaßt, so in einigen vom Norddeutschen Bund übernommenen Gesetzen, B. über die Freizügigkeit vom 1. November 1867 und über die Gleichberechtigung der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung vom 8. Juli 1869, so im R.St.G.B., im Personenstand-gesetz vom 6. Februar 1875 (vgl. Art. 46 de- E.S. -um B.G.V.), im B.S.B. §§ 1303 ff., ferner im G.B.S. § 15 über die Beseitigung der bürgerlichen Wirkung der geistlichen Gerichtsbarkeit und besonder- durch da- Jesuitengesetz vom 4. Juli 1872 sowie im R.G. vom 8. Februar 1890 betreffend die Wehrpflicht römisch-katholischer Geistlicher *. Im übrigen ist, da die L.U. de- Deutschen Reich- diesem die alleinige und unmittelbare Zuständigkeit in Kirchenund Religion-sachen nicht zuschreibt, den Einzelstaaten die Kirchenhoheit verblieben, so daß nur sie eine regelmäßige, und organische -staat-kirchonrechtliche Gesetzgebung hervorgebracht haben. Im Verein mit den reichSgefetzlichen Bestimmungen stellt sich da- LandeSstaat-kirchenrecht gegenwärtig als die vollendetste Norm in kirchlichen Dingen dar. Denn regelmäßig vermag die staatliche Bormacht ihm auch zur Durchführung zu verhelfen, indes da- konfessionelle Kirchenrecht nur im Rahmen de- staatlichen zur Anwendung ge­ langen kann oder nur so weit, al- es der Staat wenigsten- stillschweigend duldet. Bon diesem StaatSkirchenrecht muß man also auSgehen, wenn man sich einen Überblick über und einen Einblick in die kirchenrechtliche Lage im heutigen Deutschen Reich verschaffen will. Geiger, Der kirchenrechtliche Inhalt der bundesstaatlichen AuSsührungSgesetze zum B.G.B., A. f. t Kr. LXXXI, LXXXII, 1901—02.

Seine Hauptgrundsätze aber sind:

1. Die Gewissens- oder Glaubensfreiheit. Von der am mittelalterlichen ZwangSkirchentum festhaltenden katholischen Kirche noch heute grundsätzlich verworfen8, aber auch der älteren evangelischen Entwicklung nicht eigentlich bekannt, ist sie eine un­ vergängliche Errungenschaft der Aufklärung8, bedarf aber zu ihrer Aufrechterhaltung anders als einst zu ihrer Entdeckung nichts weniger als der religiösen Gleichgültigkeit und bildet heutzutage den Eckstein unseres Staats- und Kulturlebens. Sie besteht darin, daß jeder Einzelne seinen Glauben oder den Mangel eines solchen ohne äußere, rechtliche Nachteile bekennen kann. Die notwendige Ergänzung zur Gewissensfreiheit bildet und bisweilen mit ihr unter dem Gesamtnamen „Bekenntnisfreiheit" zusammengefaßt wird: 2. Die Kultus- oder Religionsfreiheit, wonach diejenigen, die dasselbe religiöse Bekenntnis verbindet, es in gemeinsamem Gottesdienst und in hierfür gebildeten Bereinigungen betätigen dürfen. Wilda, Erörterungen und Betrachtungen über GewiffenSfreiheit, Z. s. deutsche- Recht XI, 1847; Stahl, Leber christliche Toleranz, 1855; Merkle, Die Toleranz nach katholischen Prinzipien, 1865; Scheurl, Da- Recht des BekenntniffeS, in seiner S. kr. A.; Maaßen, Neun Kapitel (5 55); Kahl, UeberGewiffenSfreiheit, 1886; Gault, La libertä de conscience, 1897; Ruffini, La libertä religiosa I, 1901; Lanahard, Die Glaubens- und Kultusfreiheit nach schweizerischem Recht, 1888; v. Galis, Die Entwickelung der KultuSfreiheit in der Schweiz, 1894; Zeerleder, DaS Kirchenrecht des KantonS ®ern3 1, * *1896; * * 8 Fehr, Staat und Kirche im Kanton St. Gallen, 1900.

Eine Reihe von praktisch wichtigen Folgen ergibt sich aus diesen beiden Grund­ freiheiten. Zunächst die Unabhängigkeit des Genusses der bürgerlichen und staatsbürger1 DaS französische Konkordat gilt in Elsaß-Lothringen nicht als vereinbarte-, sondern nur als Gesetzesrecht aus Grund der Publikation vom 18. Germ mal des Jahres X und darum auch mit den Organischen Artikeln. • Syllabus th. 77—79, vgl. 15—18, verwirft wie die KultuS- so auch die GewiffenSfreiheit. «Allein, wenn einmal in einem Staat mehrere Konfessionen tatsächlich und mit bestimmten Rechten vorhanden find und ohne zu befürchtende größere Übel nicht mehr beseitigt werden können, so tadelt die katholische Kirche nach den Worten Leos XIII. die Regierungen nicht, welche dulden, daß ver­ schiedene Religionen im Staate bestehen" lSägmüller), ja, sie nimmt alle diese Freiheiten auch für sich in Anspruch. In letzterer Hinsicht verfährt sie übrigens juristisch durchaus korrekt. Eine RechtSverwahrung schließt nicht auS, daß, wer den Protest erhoben hat, solange daS Ereignis oder der Zustand, gegen die der Protest sich richtet, nachwirkt, bte für ihn sich ergebenden Vorteile doch in Anspruch nimmt. 8 Am schlagendsten zum Ausdruck gebracht durch Friedrichs des Großen berühmte Verfügung, daß man jeden nach seiner Fa^on selig werden lasten müffe.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

911

lichen Rechte vom Bekenntnis, aber auch die Zulassung des Austritts aus der einen Kirche, entweder zum Zweck des Übertritts zu einer anderen, oder um sich gar keiner an­ zuschließen, und zwar mit der Wirkung, daß Berpflichtungen gegenüber der verlassenen Kirche1 nicht zurückbleiben, wie denn auch der Staat z. B. der kittholifchen Kirche gegen­ über den Ausgetretenen vor Umlagenvollstreckung oder Strafexekutionen bewahrt und noch weniger ein Ordens- oder Weihegelübde und die daraus entfprinaende Zölibats­ pflicht anerkennt. Ferner dürfen Andersgläubige selbst im militärischen Dienstverhältnis nicht zu aktiver Teilnahme an gottesdienstlichen Handlungen einer fremden Konfession (Prozession, Kniebeugung vor dem Sankttsfimum) gazwungen werden. Auch das bürger­ liche Eher«ht, die staatliche Standesregisterführung, die Befreiung vom Zwang zum Besuch eines Religionsunterrichts anderer Konfession und die Unabhängigkeit eines anständigen BegräbniffeS von der religiösen Stellung des Verstorbenen gehören hierher. Natürlich find aber beide Freiheiten mit Rücksicht darauf, daß sie von einer Gesamtheit,

innerhalb derselben und nur, soweit mit deren Interessen vereinbar, gewahrt werden, nicht unbeschränkt. Sie bestehen nur vom Zeitpunkt der ReligionSmündigkit an — die meisten Landesgesetzgebungen setzen als annus discretionis oder Unterscheidungsjahr im Anschluß an ein conclusum corporis Evangelicorum von 1752 daS vollendete 14., andere daS 16. oder ein späteres —, nicht im Widerspruch zum R.St.G.B. (keine mormonische oder mohammedanische Vielweiberei) oder zu staatlichen Pflickten wie der allgemeinen Wehr­ pflicht (keine Freiheit oder Ablösung-befugnis für Quäker), nicht entgegen der öffentlichen Ordnung und ihren allfälligen Privilegierungen (keine Atheistenpredigt auf öffentlicher Straße). Aber nur die Jntereffen des von konfessioneller Bestimmtheit losgelösten Gemein­ wesens und der von ihm und um der Gesamtheit willen aufgestellten Ordnung können als Schranken in Bettacht kommen. Die der Innenwelt des Einzelnen oder feiner Bekenntni-gemeinfchast angehörigen Gefühle hat der Staat nicht zu schützen. Wie die Auferlegung bürgerlicher Ruhe auch für den Karfreitag unter keinen Umständen eine Ver­ letzung der Gewissens- und KultuSfreiheit bedeutet, so kann gegen Wallfahrten oder Prozessionen, Ausstellung von Bildern, Ausstellung von Reliquien, Veranstaltungen und Sammlungen zum Zwecke erlaubter, nicht mit Zwang und anderen wider die staatliche Friedensordnung verstoßenden Mitteln betriebener religiöser Propaganda bei Anders­ gläubigen nur vom Standpunkt der Sttaßen-, Sitten-, Gesundheit-- oder Sicherheits­ polizei aus mit Grund eingeschritten werden, nicht schon deshalb, weil Andersgläubige sich in ihren religiösen Anschauungen verletzt fühlen zu sollen glauben; ist eS doch ein Hauptvorzug des modernen, namentlich paritätischen Staate-, daß unter seinem Einfluß die konfessionellen Gefühle, soweit sie negattv-polemischer Natur find, und teils auf an­ erzogene oder erworbene Vorurteile, teils auf künstliche Erregung zurückgehen, im Laufe der Zeit allmählich zum Schweigen gebracht werden. Kahl, Die Errichtuna von Handelsgesellschaften durch Religiöse, 1900 (auch in der Berliner Festgabe für Dernburg); A. B. Schmidt, Der Austritt aus der Kirche, 1898; v. Brüuneck, DaS Klostergelübde und seine vermögen-rechtliche Bedeutung im Geltungsgebiet de- Prevß. A.LÄ. seit 1900, m Beiträge z. Srläut. d. deutschen Rechts von Raffow, XLV, 1901; Geiger, Die Stellung der Klöster und Orden-personen im BGB., A. f. k. Kr. LXXX, 1900; Hode-Geitiug, Die Rechtsfähigkeit der Mitglieder religiöser Orden und orden-ähnlichen Kongregationen nach kanonischem und deutschem Recht, BreSlauer Diff., 1903; Sartorius, Kommentar zum Perfonenstand-aesch, 1902; Rösch, Der KleruS und da- Strafgesetzbuch, 1902; Fleiner, Schranken der KultuSfreiheit, Z. f. schweiz. Recht XXIII, 1904.

5 58.

Dte Parität.

Die KultuSfreiheit erreicht ihren Gipfelpunkt in der völligen Gleichstellung der ver­ schiedenen Kulte, also in der „Kultusgleichheit". Hiervon ist zu unterscheiden die Parität. Wie die Gleichheit vor dem Gesetz nicht schablonenmäßige Gkichstellung, sondern gleich­ mäßige Wertung der besonderen Art, so bedeutet Parität nicht „jedem daS Gleiche, sondern 1 Wenigstens nach Berfluß einer gewissen Zeit; so in Preußen nach Ablauf de- auf daS AuStrittSjahr folgenden Kalenderjahres bei Vermögen-wetten Leistungen.

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IV. öffentliches Recht.

jedem das Seine". Und zwar zunächst jedem Staatsangehörigen im Staate, so daß in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung von seinem Bekenntnis ganz abgesehen wird. Diese staatsrechtliche Parität ist, wie das Obige ergibt, reichsrechtlich in ganz Deutschland durchgeführt; Verletzungen können höchstens durch die Administrativpraxis noch vorkommen. Und sodann im Sinn einer Nichtachtung des Alleinherrschastsanspruchs der einen Kirche (ecdesia dominans) gegenüber den anderen und der Behandlung aller Religions­ gemeinschaften samt ihren Angehörigen als voneinander unabhängiger und selbständiger Religion-verbände. Diese kirchenrechtliche Parität verwirft die katholische Kirche grund­ sätzlich x. Sie nimmt alle rite Getguften für sich in Anspruch und betrachtet die evangeüschen Kirchen wie die Religion-verbände der Altkatholiken als Sekten von häretischen Katholiken. Soweit die- auf das innerkirchliche Gebtet sich beschränkt, -. B. auf die Behandlung de- Übertritt- zu ihr al- Rücktritt, hat der Staat keinen Anlaß, einzuschreiten.

Dagegen muß er gegen eine Betätigung dieser Auffassung nach außen durch Heranziehung zu Umlagen, Unterwerfung von Akatholiken unter katholische Ehevorschristen, Inanspruch­ nahme derselben durch die katholische Seelsorge oder gar Jurisdiktion u. s. w. al- gegen Störungen de- interkonfessionellen Frieden- ebenso vorgehen wie gegen Reste von evange­ lischem Territoriali-mu- in Gestalt von Ausübung von Pfarrzwang u. a. m. Hierher gehött sodann namentlich die staatliche Gesetzgebung — E.G. zum B.G.B. Art. 134 läßt die Zuständigkeit der Einzelstaaten fortbestehen — über die konfessionelle Erziehung der Kinder au- gemachten Ehen. Entweder bleibt, wie nach älterem gemeinem Recht, die verttagliche Regelung freigegeben, und findet in Ermangelung solcher Teilung nach dem Geschlecht (Bayern) oder Erziehung im Bekenntnis de- Vaters statt (Sachsen, Württemberg). Oder e- ist, praktisch und grundsätzlich — Familienrechte persönlicher Natur haben auch sonst einen objektiv bestimmten, der Parteibeliebung entzogenen Gehalt — richtiger, vertrag­ licher Regelung die Recht-gültigkeit versagt (Preußen, Baden), und es entscheidet dann die Konfession oder der Wille des Vaters. Eine auS der Zeit des alten Reichs her­ stammende, nie versiegende Quelle interkonfessionellen Haders bilden die Simulianeen. Sie bestehen vor allem an Kirchen, ost mit Glocken und Kirchhöfen als deren Zubehör, nicht selten auch an solchen allein. Die Grundlage bildet mitunter ein festes Privatrechtsverhältnis (Miteigentum, Eigentum und dingliches Gebrauchsrecht oder zwei dingliche bezw. obligatorische Gebrauchsrechte am Eigentum eines Dritten, des Staats, einer Ge­ meinde). Aber wie das staatliche öffentliche Recht solchen Mitgebrauch zum größten Teil erst geschaffen hat, so sieht eS sich auch im Interesse des konfessionellen Friedens veranlaßt, einzugreifen und den Mitgebrauch vom Gesichtspuntt der Rechtsfriedensbewahrung aus in zum Teil abweichender Weise zu regeln (Ausschluß der Verjährung, Recht-vermutungen, Aufhebung durch Verfügung der Staatsgewalt aus polizeilichen oder administrattven Gründen). Die Simultaneen begegnen außer in Schlesien namentlich im Westen (Rhein­ provinz, Westfalen, Pfalz, Reichslande), aber auch in Hessen, Baden, im rechtsrheinischen Bayern und kommen besonders zwischen Evangelischen und Katholiken vor, während das Prakttschwerden katholisch-altkatholischer Simultaneen ein Erlaß PiuS' IX. vom 12. März 1873 verhindert hat. Was endlich die Parität im Sinn gleichmäßigen Verhaltens des Staats gegenüber den Religionsgesellschaften anlangt, so ist nicht zu übersehen, daß gewisse von ihnen wegen ihrer geschichtlichen Bedeutung, und weil ihnen die Großzahl der staat­ lichen Untertanen angehört, eine Privilegierung gegenüber anderen, absolut oder am Ort weniger wichtigen wohl verdienen. Und ebensowenig darf außer acht gelassen werden, daß der Staat gegenüber einer Kirche wie der katholischen, die seiner Souveränität und Kirchenhoheit zwar notgedrungen praktisch mehr oder weniger sich fügt, theoretisch aber und, wo ihre Macht dazu ausreicht, auch praktisch sie bestreitet, unmöglich sich ebenso stellen kann wie gegenüber der evangelischen, die keinen Anspruch auf äußere Macht erhebt

1 Syllabus th. 77 wendet sich gegen die Behauptung: Aetate hac nostra non amplius expedit, religionem catholicam haberi tamquam unicam Status religionem, caeteris quibuscunque cultibns exclusis. Auch die- wird aber, wo die Parität der katholischen Religionspartei Borteil bringt, als „latentes Kirchenrecht* behandelt.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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und deshalb der staatlichen Souveränität, solange nur das innerkirchliche Gebiet un­ angetastet bleibt, völlig sich unterordnet. Freilich je mehr die evangelische Kirche auf eigene Füße gestellt wird, und presbyterial-synodale Organe dem Summepiskopat des Landes­ herrn gegenüber zur Geltung gelangen, um so eher wird auch eine ausgebildete Staats­ aufsicht gegenüber der evangelischen Kirche notwendig. Doch selbst nach größerer Ver­ selbständigung, als sie zurzeit erreicht ist, würde angesichts des Fehlens eines prinzipiellen Gegensatzes niemals dasselbe Maß von Sicherungsmaßregeln wie gegenüber der katholischen Kirche, z. B. bei Besetzung der kirchlichen Stellen, erforderlich sein. Anderseits erscheinen freilich auch der letzteren gegenüber regelmäßig nur noch Abwehrmaßregeln und Repressalien gegen bereits erfolgte Übergriffe als zulässig. Vorbeugungsmaßregeln müssen, wenn anders nicht die durch die Rechtsstaatsidee und das Selbstverwaltungsprinzip für die katholische Kirche gerade so gut wie für jeden anderen Verband im Staate geforderte Selbständigkeit im Gebiet der inneren Angelegenheiten gefährdet werden soll, auf die­ jenigen Fälle beschränkt werden, in denen eine andere Sicherung nicht möglich ist, und sie müssen so beschaffen sein, daß eine materielle Kränkung kirchlicher Interessen damit nicht verbunden ist (Vorbildung der Geistlichen zwar an Universitäten, aber unter Berück­ sichtigung ihrer spezifischen Bedürfnisse auch auf außertheologischem und auf praktischem Gebiet; Beschränkung und Auswahl, aber nicht Ausschluß der Orden). Hinschius, Staat und Kirche (§ 55) und Kr. IV § 220; Beyschlag, Das preußische Paritäts­ prinzip, 1886; Kahl, Ueber Parität, 1895; Drache, Parität — Imparität, 1892; Fleiner, Die Entwicklung der Parität, in der Zeitschr. f. schweiz. Recht XLII, 1901; v. Scheurl, Das väter­ liche Recht in Betreff der konsessioneüen Erziehung der Kinder, in seiner S. kr. A.; Sartorius, Die religiöse Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen nach bayerischem Recht, 1887; Hübler, Die religiöse Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen, 1888; K. Schmidt, Die Konfession der Kinder nach den Landesrechten im Deutschen Reich, 1890; Sehling, Die religiöse Erziehung der Kinder, 1891; Habermann, Die Konsession der Kinder aus gemischter Ehe, 1895; Kahl, Die Konfession der Kinder aus gemischter Ehe, 1895; Ortlosf, Die Konfession der Kinder aus gemischten Ehen, D. Z. f. Kr. VI, 1897; Nitze, Die religiöse Erziehung der Kinder, D. Z. f. Kr. VIII, 1898; Geiger, Die religiöse Erziehung der Kinder im deutschen Rechte, 1903; Sehling, über kirchliche Simultan­ verhältnisse, in A. f. üff. Recht VII, 1892; Schoen, Preußisches Kirchenrecht (§ 48, 3) § 15.

§ 54.

Das System der Staatskirchenhoheit im einzelnen

Zurzeit steht von den größeren deutschen Staaten nur noch Bayern infolge Bei­ behaltung des Religionsedikts1 2 *vom * * 26. Mai 1818 (im Zusammenhang mit dem gleich­ falls aufrechterhaltenen Konkordat) auf dem Standpunkt des gemäßigten, interkonfessionellen Staatskirchentums. Die übrigen Staaten sind (Preußen 1848, Baden 1860, Württem­ berg 1862, Hessen 1875, Sachsen 1876) zu dem System der staatlichen Kirchenhoheit oder — da die Kirchenhoheit auch zu den Bestandteilen des Staatskirchentums gehört — besser zu demjenigen der bloßen Staatskirchenhoheit übergegangen. Doch haben sie es mit verschiedener Energie und in verschiedenem Maße durchgeführt8. Auch ist zu beachten, daß nicht das einzelne staatskirchenrechtliche Institut, sondern der Zusammenhang, in den es gerückt ist, und die Bedeutung, die es in ihm erhält, den Charakter des jeweiligen Staatskirchenrechts ausmachen. Ältere Einrichtungen sind vielfach übernommen worden, haben aber in der neuen Umgebung einen veränderten Sinn erhalten und sind dem­ gemäß zu verstehen. Die Kirchenhoheit — richtiger Religionshoheit, weil damit die Hoheitsrechte über alle Religionsgesellschaften bezeichnet werden sollen — ist nichts anderes als die den 1 Gewisse staatskirchenrechtliche Bestimmungen werden besser im Zusammen­ hang mit dem betreffenden konfessionellen Kirchenrecht vorgetragen. Sie folgen unten bei diesem und zwar, damit es in systematischer Geschloffenheil dargestellt werden kann, in Anmerkungen, trotzdem das in ihnen enthaltene Recht, tote oben S. 910 bemerkt wurde, tatsächlich vorgeht. 2 Zweite Beilage zur bayrischen Verfassung vom selben Datum. 8 Für Braunschweig vgl. jetzt das Gesetz vom 29. Dezember 1902, für Mecklenburg-S chwerin die L.V.O. vom 5. Januar 1903 (abgedruckt D. Z. f. Kr. XIII, 1903 und A. f. k. Kr. LXXXIII, 1903). Encyklopädie der Rechtswissenschaft. 6., der Neubearb. 1. Ausl. Bd. II. 58

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IV. Öffentliche- Recht.

Religionsverbänden zugekehrte staatliche Souveränität, also der Inbegriff der unperäußer­ lichen, von der Anerkennung durch die Betroffenen unabhängigen Hoheitsrechte des Staateüber alle ReligionSgefellfchasten in seinem Gebiet. Indem der Staat sich auf diese Hoheit-rechte (iura, circa sacra) beschränkt, erkennt er implicite daS Vorhandensein und die Daseinsberechtigung einer kirchlichen Sonderfphäre an, bis zu der seine höchste Gewalt heran-, in die sie aber nicht hineinreicht. Dies kirchliche Sondergebiet wird gebildet durch dw sacra interna (z. B. Lehre und Gottesdienstordnung rein kirchliche Gesetzgebung, innere Seite der Ämterverwaltung, Aufrechterhaltung der Kirchenordnung mit rein kirch­

lichen Mitteln); in ihm herrscht die Kirchengewalt (bei den Evangelischen ins in sacra), während die Staatsgewalt nur die weltlichen (Ehe-, Schul-, Armen-, BegräbniSwesen) und die gemischten (Kirchenvermögen, kirchliches Genossenschaftswesen, Außenseite des ÄmterwesenS) Beziehungen der Religionsgemeinschaften sich unterordnet und unter mög-! lichster Schonung der kirchlichen Interessen beherrscht. Im einzelnen gehört zu den KirchenhoheitSrechten 1. die Zulassungsbefugnis, ius reformandi der Gegenwart. Diese- Recht enthalt einmal die Befugnis, über das Ob der Zulassung zu entscheiden. Einen Rechts­ anspruch auf Zulassung hat keine Kirche dem Staat gegenüber. Wohl aber ist eS ein Postulat der staatlichen Rechtsidee, daß im Staat wie Verbände überhaupt so auch solche zu religiösen Zwecken zugelaffen werden. Weiter aber enthält daS moderne ins reformandi die Befugnis, über daS Wie und über die Wirkung der Zulassung zu bestimmen, d. h. die Stellung des zugelaffenen Religionsverbandes im Staate zu normieren; eS ist recht­ eigentlich ein ins reformandi privilegia, um je nachdem die Zugelaffenen mit Vorrechten auszustatten oder nicht. Mit bloßen Religionsvereinen, die nur nach den Grundsätzen des gemeinen Vereins- und Versammlungsrechtes zu gemeinsamem Gottesdienst sich ver­ einigen *, beschäftigt sich der Staat in der Regel nicht. Zur Religionsgesellschastb wird die Vereinigung, wenn sie die Rechtsfähigkeit erlangt und sich organisiert. Das ist jedoch nach B.G.B. § 61 im Gebiet des Privatrechts nur möglich, falls die Verwaltungsbehörde gegen die Eintragung keinen Einspruch erhebt (verkapptes, auf dem Reformattonsrecht basierendes Konzessionssystem), oder, wo — was nach E.G. Art. 84 auch weiter zulässig — lex specialis verlangt wird (Preußen, Oldenburg), wenn ein Gesetz die Rechtsfähigkeit verleiht (offenes Konzessionssystem). Mit der Eigenschaft als Religionsgesellschast ver­ knüpfen sich aber auch gewisse reichS- und landesrechtliche Folgen öffentlicher Natur, der Schutz deS 6 166 R.St.G.B., Befreiung von der Einquartierungspflicht für die gottes­ dienstlichen Gebäude, Nichtheranziehung der Geistlichen zum Dienst bei der Waffe, Freiheit von vereinspolizeilichen Beschränkungen. Als höchstprivilegiert endlich erscheint der ReligionSverband dann, wenn er als Person auch deS öffentlichen Rechtes, als Kirche im Sinn des deutschen Staatsrechts anerkannt wird. Das kann natürlich nur durch Gesetz geschehen. So erklären z. B. in Preußen, Bayern, Württemberg, Baden, Hessen staatliche Gesetze die christlichen Kirchen, also die evangelische Landeskirche und die römisch-katholische, für privilegierte und für öffentliche Korporationen1 4. * * Diese letztere Bezeichnung stammt 1 Dem S taatskirchentum gehört an und mit kirchlicher Selbstverwaltung uuvettrüglich ist die zurzeit noch in Bayern und Elsaß-Lothringen, aber auch in Sachsen staatekirchenrechtlich bestehende Befugnis der Landesherren., die Abhaltung öffentlicher Gottesdienste und Dankfeste anzuordnen. 8 Z. B. die Deutschkatholiken in Preußen und Bayern, in letzterem auch die Altkatholiken, die Jrvingianer und Methodisten in Preußen, Sachsen, Württemberg, die Altlutheraner in Baden. 8 In Preußen z. B. die Altlutheraner und Herrnhuter, auch die Juden; in Bayern und Sachsen ebenfalls die Juden; in Baden die Deutschkatholiken; Heimberger, Die staatSkirchenrechtliche Stellung der Israeliten in Bayern, 1893; B enario, Die vermögenSrechtliche Stellung der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, 1893. 4 Die sog. Altkatholiken, die das Vatikanum nicht anerkennen, werden in Baden seit 1874 von Gesetzes wegen weiter als Katholiken behandelt, so daß ihnen der Mitgenuß am katholischen Kirchenvermögen zusteht. Die letztere prattische Folgerung hat 1875 auch die preußische Gesetzgebung gezogen, indes in Hessen wenigstens die Praxis denselben Standpunkt emnimmt. Siehe die Lit. zu § 43 und für Österreich noch Hussa rek, Eherechtliche Fragen der österreichischen Altkatholiken, A. f. k. Kr, LXXXIII, 1903. In Baden kommt übrigens auch dem organisierten Judentum be­ schränkte öffentliche Korporationsqualitüt zu.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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aus den Zeiten der Herrschaft des Kollegialsystems her. Sie ist nicht sehr glücklich; denn wenn irgend ein Verband, so ist eine christliche Kirche mit dem ihr von außen ein­ gepflanzten, sie beherrschenden Willen eine Anstalt, auch die evangelische Kirche, trotz neuerlicher starker Durchsetzung ihrer Organisation mit körperschaftlichen Elementen. Und sie hat obendrein in neuerer Zeit durch Verflüchtigung de- zu Grunde liegenden Begriff­ erheblich an Bestimmtheit eingebüßt. Man wird jedoch sagen dürfen, durch die Beilegung öffentlicher Korporationsqualität werde auch für die Kirchen deren Sozialrecht in daGebiet des an sich nur dem Staat eignenden öffentlichen Rechte- erhoben. Da- hat zur Folge, daß ihre nach Kirchenrecht ohne weiteres gegebene obrigkeitliche Gewalt nunmehr staatlich anerkannt, daß ihr als solche- schon ohnedies vorhandenes Recht nunmehr dem staatlichen gleichgewertet und als autonomische Satzung staatlich freigegeben wird, wenn auch nicht notwendig in allen seinen Teilen. E- bedeutet ferner die Einräumung von Sitz und Stimme in der Landesvertretung (I. Kammer) an die Spitzen der kirchlichen Behörden, die Behandlung der Diener der Kirche zwar nicht al- staatlicher, wohl aber als öffentlicher Beamter (jedoch nicht, Baden ausgenommen, als solcher im Sinne des R.St.G.B. §§ 31, 2, 859), die juristische Persönlichkeit, wenn nicht der Gesamtkirche, so doch der einzelnen Kirchenkörper (Bistümer, Kapitel, Pfarreien, Kirchgemeinden), endlich die Gewährung des weltlichen Arms für die Vollstreckung der DiSzipünarerkenntniffe und Abgabenforderungen. Anderseits äußert es sich in einem gesteigerten Aufsicht-rechte. Singer, Zur Frage des staatlichen Oberaufficht-rechte-, D. Z. f. Kr. V, VIII, 1895—98; v Sonin, Praktische Bedeutung des i. r. (8 45); Greiff, Das staatliche Reformation-recht, Erlanger Difl., 1908; HinschiuS, Staat und Kirche (§ 55); Rofi«, Da- Recht der öffentlichen Ge­ nossenschaft, 1886: Herrmann, Ueber die Stellung der Religionsgemeinschaften im Staate, 1849; Sohm, Da- Verhältnis von Staat und Kirche, Z. f. Kr. XI, 1878.

2. Gegenüber den religiösen Korporationen, insbesondere aber gegenüber den qualifi» zierten Religion-körperschaften oder Kirchen im Sinne de- Staat-recht- reicht nämlich die gewöhnliche VereinSaüfficht nicht aus. Die privilegierten Kirchen müssen sich also, da besondere Rechte auch besondere Pflichten bedingen, eine weitgehende Aufsicht gefallen lassen (ins inspiciendi cavendi). Sie äußert sich in einer Anzahl von Kontroll-, Abwehr-, MitwirkungSund Vorbeugung-einrichtungen. So dürfen Disziplinarerkenntnisse gegen Geistliche, gegen die, anders als gegen Laien, auf Freiheits- und Geldstrafen, jedoch nur in besonderer Form (Verweisung in ein staatlich beaufsichtigtes DemeritenhauS auf kürzere Zeit) und in beschränkter Höhe erkannt werden kann, nur vollzogen werden mit dem Willen des Verurteilten (Preußen, Hessen) oder bloß, wenn sie von der Staatsbehörde für vollstreck­ bar erklärt find. In Bayern, Sachsen, Württemberg und Hessen ist außerdem noch die Beschwerde wegen Mißbrauchs der geistlichen Amtsgewalt (recursus ab abwra) an die Staatsbehörde im Fall der Überschreitung der Schranken der kirchlichen Strafgewalt ge­ geben. Auch die OrdenSaufficht gehört hierher. Als Abwehrmaßregeln kommen in Be­

tracht

gewisse Strafbestimmungen, z. B. bei staatskirchenrechtswidriger Älmterbesetzung

gegen den Kollator und den Ernannten (Preußen, Baden, Hessen) oder bei Trauung ohne Nachweis der Eheschließung (vgl. P.St.G. § 67 mit E.G. zum B.G.B. Art. 46 m), bei Mißbrauch des geistlichen Amtes oder der geistlichen Stellung zur Friedensstörung (R.St.G.B. § 130a), weiter (in Bayern nach gesetzlicher Ermächtigung auch für Ein­ kommen, das auf privatrechtlichem Titel beruht?) die Temporaliensperre, d. h. die Ein­ behaltung des vom Staate herrührenden Amtseinkommens renttenter Kirchendiener. Als Mitwirkungsrechte kommen in Bettacht die Befugnisse der Staatsbehörde zur Genehmigung der Errichtung und Veränderung von Kirchenämtern, ferner die pofittve (Bayern) oder bloß negative (Einspruchsrecht, namentlich bei Pfarramt-besetzung, in Sachsen, Württem­ berg, Baden, Hessen, Preußen) bei der Verleihung von Kirchenämtern, zu der noch die Aufstellung von gewissen Vorbedingungen kommt (Jndigenat). Eine BorbeugungSmaßregel endlich sollte das Plazet1 sein, das heißt die Befugnis zu vorgängiger Prüfung kirchlicher (auch päpstlicher) Gesetzgebungsakte mit Nichtigkeitswirkung für den Fall nicht1 Verworfen durch das vatikanische Konzil in der dogmatischen Konstitution vom 18. Juli 1870. 58*

IV. Öffentliches Recht.

916

genehmigter Veröffentlichung. In Bayern gilt es für alle kirchlichen Verordnungen, anderswo, z. B. in Sachsen, Württemberg, Baden, Heffen, nur für solche, die in bürgerliche und staatsbürgerliche Verhältnisse eingreifen. Preußen ist es unbekannt, ohne Schaden für die staatliche Autorität, da eS, wie die Erfahrung lehrt, die Veröffentlichung und Wirksamkeit kirchlicher Normen doch nicht zu verhindern vermag, wohl aber dem Staat unter Umständen unnütze Verlegenheiten bereitet, so daß eine besondere staatliche Ver­ anstaltung für die selbstverständliche bürgerliche Wirkungslosigkeit von Kirchengesetzen, die staatlichen zuwiderlaufen, besser unterbleibt. Der evangellschen Kirche gegenüber ist, da der Träger ihres Kirchenregiments zugleich Staatsoberhaupt, in Gestalt einer vorgängigen staats(event. kultuS-)ministeriellen Erklärung darüber, ob von Staats wegen etwas gegen noch nicht veröffentlichte kirchliche Gesetze zu erinnern sei oder nicht, ein wirksames Präventivmittel gegeben. Hauck, Studie über daS placetum regium, 1889; Eichmann, Der recursus ab abusu (5 89, H; Kahl, Ueber die Temporaliensperre, 1876, Die deutschen Amortisation-gesetze, 1879; Meurer, Das bayerische Amortisation-recht und seine Reform (auch in den Bl.f. adminiftr. Praxis), 1899; Seiger, Dre Neugestaltung der bayerischen Amortisation-vorschriften durch da- B.S.B., A. f. t Kr. LXXX, 1900.

Dritter Titel. Z>as katholische 'Kirchenrecht. Außer den zu Tit. 1 aufgeführten Lehr- und Handbüchern behandeln da- katholische Kirchen­ recht allein folgende, ausnahmslos von katholischen Verfassern herrührende Werke: Phillip-, Kirchenrecht I, II8, III—VII und VIII 1 (von Bering) 1855—89; Silbernaal, Lehrbuch de­ ka tholischen Kirchenrechts4, 1903; Lämmer, Institutionen bei katholischen Kirs^nrecht-1802; v. Scherer I, II, 1886, 1898; Heiner8, 2 Bde., 1901; Andrä-Wagner, Dictionnaire de droit canonique9 I—IV, 1894ff.; Duballet, Cours complet de droit canonique et de iurisprudence canonico-civile I—III, VII, VIII, XII—XIV, 1896—1902; Wernz, Ins decretalium I-UI, 1898—1901; Sägmüller I—III, 1900-1904. «u-ländische Zeitschriften: Analecta iuris ponlificii, 1855ff., nunmehr ersetzt durch Analecta ecclesiastica, 1893ff., bis jetzt 11 Bde.; Le canoniste contemporain, feit 1878, bi- jetzt 26 Bde.; Nuntius Romanus, seit 1882, bi- jetzt 22 Bde. Revue canonique, seit 1896.

Erstes Kapitel.

J>ie NechtsqAekke». § 60* Hetttge Schrift «ud Tradition. Die Heilige Schrift in der vom Trienter Konzil für authentisch erklärten lateinischen Fassung der Vulgata ist die Hauptquelle des unabänderlichen ins divinum (positivum), wie denn auf ihr, nach katholischer Lehre, der Grundstock des kirchlichen Verfassungs­ rechtes, insbesondere der päpstliche Primat und der Episkopat, ruht. Unabänderliches göttliches Recht ergibt aber auch ein Teil der Überlieferung, nämlich die sonstigen, von Christus mündlich gegebenen und durch die Kirchenväter beglaubigten sowie durch den Heiligen Geist geoffenbarten Anordnungen, sog. traditio divina. Der andere Teil, die traditio humane, und zwar die apostolische (apostolica) oder eine kirchliche (ecclesiastica), schafft lediglich ins humanum, das, mag es noch so grundlegend und altehrwürdig sein, vom kirchlichen Gesetzgeber abgeändert werden kann. Schneider, Die Lehre von den Kirchenrechtsquellen9, 1892; Hübler, Kirchenrecht-quellen (oben S. 811); Jacobson, Ueber den gesetzlichen Charakter des römischen Katholizismus und die Autorität der H. Schrift, in Z. f. Kr. VII, 1867; Siessert, DaS Recht im Neuen Testament, 1900.

§ 61.

Kon-U-beschlSsse und päpstliche Erlasse.

Unter dem eigentlichen Kirchengesetzesrecht steht noch heute obenan dasjenige des Corpus iuris canonici, von dem freilich ein großer Teil nicht mehr zur Anwendung ge-

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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bracht wird oder werden kann, so daß es als dauernd oder vorübergehend ruhendes („latentes") Kirchenrecht erscheint. Den Gegensatz dazu bildet das noch aktuelle, den kanonischen Grundsätzen entsprechende Kirchenrecht sowie die vigens ecclesiae disciplina, bie temporum ratione habita mit ausdrücklicher (z. B. in Konkordaten ausgesprochener) oder stillschweigender (tolefare oder bloß dissimulare) Billigung des Gesetzgebers das unpraktische prinzipielle Recht mildert bezw. ersetzt. Von neuerem Konziliarrecht kommen hüt in Betracht die Beschlüsse, besonders die Reformdekrete der Synode von Trient (§ 37) und die dogmatischen, aber auch für das Recht bedeutsamen des Vatikanums (§ 43).

Lämmer, Zur Kodifikation des kanonischen Rechts, 1899. Privatarbeiten, die das aktuelle katholische Kirchenrecht in Paragraphen kodifizieren, von: de Luise, 1873, Colomiatti, I—VII, 1888—-1902, Pillet, 1890, Pezzani, 1893ff., Deshayes, 1895: Meydenb auer, Vigens •ecclesiae disciplina, Berl. Diss., 1897, und in D. Z. f. Kr. VIII, 1898, und dazu Biederlack in A. f. k. Kr. LXXVIII, 1898, S. 198 und 870; Hinschius, Kr. III § 191; Harduin, Acta con-ciliorum, 12 Bde., 1715 (bis 1714); Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio, 31 Bde., 1759ff. (bis 1439), neue, vermehrte Ausgabe 1901 ff.: Quentin, Mansi et les collections fconciliaires, 1900, und dazu Finke, Litt. Rundschau, 1902, Nr. 2, Krüger, Beil. d. Allg. Ztg., 1902, Nr. 198; Acta et decreta conciliorum recentiorum collectio Lacensis, 7 Bde., 1870—90 (1682-1870). Sonst steht jetzt das in päpstlichen Erlassen niedergelegte gemeine Recht durchaus int Vordergrund. Der Papst erläßt entweder allgemeine Gesetze, constitutiones, oder er reskribiert für den einzelnen Fall, rescriptum, jedoch nicht wirksam für Häretiker und Exkommunizierte, weshalb jeder Bittsteller ad cautelam von einer allfällig ihn behaftenden Zensur freigesprochen wird. Unerheblich für die rechtliche Wirksamkeit ist die Form des

Erlasses, entweder als Bulle, d. h. in feierlicher Ausfertigung \ oder als Breve? oder endlich als apostolisches Schreiben, litterae apostolicae, wenn vom Papst selbst unterzeichnet, ehirographum, wenn aus päpstlicher Initiative entsprungen, motuproprio, wenn als Rundschreiben an alle oder mehrere Kirchenobern gerichtet, encyclica genannt. Bullarum, diplomatum et privilegiorum s. Romanorum pontificum ed. Taurinensis, 24 Bde. (—1740), 1857—72; dazu von einer Fortsetzung 1 Bd.(1740—58), 1885. De Martinis, Benedicti XIV. acta, 2 Bde., 1894; Acta Clementis XIII., 1840, Leonis XII., 1854, Pii VIII., 1856, Gregorii XVI., 1901 ff., Pii IX., 1854ff., Leonis XIII., 1881 ff.; Acta sanctae sedis, seit 1865, bis jetzt 36 Bde.; Acta pontificia et decreta ss. congregationum, seit 1903, bis jetzt 1 Bd.; Leonis XIII. allocutiones, epistolae I—VII, 1887—1901, und desselben Sämtliche Rundschreiben u. s. w., 1. Sammlung2, 1901; Schneider, Die partikulären Kirchenrechtsquellen Deutschlands und Österreichs, 1898; Lucidi, In clausulam absolutoriam a censuris quae litteris apostolicis apponi solet commentarius, 1900.

§ 62. Das Gewohnheitsrecht. Das Gewohnheitsrecht vermag in einer von absolutem, göttlichem und menschlichem Willen regierten Anstalt nur eine ganz untergeordnete Rolle zu spielen. Bloß eine vom Klerus getragene Gewohnheit kann Recht erzeugen, und auch diese allein, wenn sie nicht gegen das ius divinum verstößt, rationabilis, d. h. im Einklang mit dem Wesen der Kirche und dem Geist des betreffenden Instituts ist und, falls sie bestehendem Recht betonteren soll, während der Verjährungszeit geübt, also legitime praescrjpta. Schwerins, Zur Lehre vom kanonischen Gewohnheitsrecht, Göttinger Diss. 1888; Geigel., Kirchliches Gewohnheitsrecht, D. Z. f. Kr. IV, 1894; Brie, Gewohnheitsrecht(8 29,1); Biederlack, Die Gewohnheiten gegen die Diszrplinardekrete des Trienter Konzils, Z. s. k. Th. VI, 1882.

1 Blei-, seltener Gold-, also Metallsiegel (bulla), auf der Vorderseite mit den Köpfen der Apostel Petrus und Paulus, auf der Rückseite mit dem Namen; Pergament; lateinische Sprache; Adresse: Namen des Papstes (ohne Zahl) servus servorum Dei dilefcto fratri (Mio) N. Salutem et apostolicam benedictionejn oder, wenn nicht adressiert: Ad perpetuam rei memoriam. Auf Grund eines Erlaffes Leos XIII. von 1878 werden aber die Bullen gegenwärtig in der Regel nur noch minder feierlich ausgesertiat, nämlich in lateinischer Kursive und mit einem roten, aufgedrückten Farbftempel, der die Apostelköpfe und den Namen des Papstes aufzeigt. 2 Leichteres und kleineres Pergament oder Velin; lateinisch oder italienisch; Eingang: Pius X PP (= papa) dilecte fili Salutem et apostolicam benedictionem, besiegelt durch den in rotem oder grünem Wachs aufaedrückten Fischerring, anulus piscatoris (Petrus im Nachen), mit Namen und Zahl des Papstes, jetzt gleichfalls regelmäßig ersetzt durch entsprechenden roten Stempeldruck.

IV. Öffentliches Recht.

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Zweites Kapitel.

Pie Serfass«« g. § 6L.

Kirche und Kirchengewalt.

Die katholische Kirche ist die Gesamtheit derer, die unter Leitung der verordneten Oberhirten, besonders des Papstes zu Rom als irdischen Stellvertreters Christi und sicht­ baren Hauptes sowie der Bischöfe, durch den einen katholischen Christenglauben und die Gemeinschaft der Sakramente verbunden find'. Sie beansprucht, allein die allgemeine^ apostolische, seligmachende und unfehlbar zu sein.

Durand, La notiern de l’lglise d’apres le catbolicisme, 1899. Die Kirche wird regiert durch die Kirchengewalt, d. h. den Inbegriff der Machtbefugniffe, die Christus Petrus und den übrigen Aposteln für sich und ihre Nachfolger zur Leitung der Kirche gegeben hat. Die potestas ecclesiastica äußert sich in drei verschiedenen Vollmachten: 1. als potestas ordinis sive ad sanctificandmn, d. h. als Weihe­ gewalt zur Vermittlung der kirchlichen Heilsgüter, insbesondere der Sakramente, 2. ate potestas magisterii sive ad docendum, das ist die Gewalt zur Verkündung und Ver­ breitung der rechten Lehre, endlich 3. als potestas iurisdictionis sive ad regendum oder Regierungsgewalt. Die Lehrgewalt hat keine besonderen Organe und wird infolgedessen, falls die Vollmachten nach ihrer Trägerschaft geschieden werden, bald bei der potestas ordinis (so die Älteren), bald bei der potestas iurisdictionis (so die Neueren) unter­

gebracht, wodurch man statt der Dreiteilung (Trichotomie) eine Zweiteilung (Dicho­ tomie) erzielt. Für die hierarchische Gliederung kommt, streng genommen, nur die iurisdictio in Betracht. Und auch von dieser nur die iurisdictio externa, welche das formn externum, die äußeren Beziehungen im kirchlichen Gemeinwesen, betrifft und Unrecht abwehrt oder ahndet, nicht die iurisdictio interna, für die Beziehungen der Kirchenglieder zu Gott, das formn internmn, die es namentlich mit der Sünde zu tun hat und im Beichtstuhl geübt wird (sacramentalis). Jedoch nicht alle Träger von Kirchengewalt haben iurisdictio» Und diejenigen, welche sie haben, erlangen sie regelmäßig nur unter Voraussetzung der Teilnahme auch an der Weihegewalt. Hinschius, Kr. I § 20.

§ 64.

Die Weihegewalt, ihre Abstufungen, ihre Übertragung (ordinatio), sowie deren Voraussetzungen und Wirkung.

1. Weihegrade gibt es, je nachdem man, dogmatisch richtig, historisch weniger richtig, Bischofsweihe und einfache Priesterweihe auseinanderhält oder nicht, acht oder sieben, nämlich a) den Episkopat, das mit der Vollmacht, Bischöfe und Priester zu schaffen, verbundene Priestertum; b) den Presbyterat, ohne diese Vollmacht, aber sonst wie der Episkopat das sacerdotium, die Befugnis zur Darbringung des unblutigen Opfers Christi in der Meffe, als Hauptbestandteil enthaltend, c) den Diakonat, gleich allen folgen­ den Stufen nur zu einem Ministerium, speziell zur Gehilfenschaft bei Darbringung des Opfers berufend, d) den Subdiakonat zum Unterdienst in der Armenpflege und bei der Meffe; e) den Akoluthat zur Begleitschast, insbesondere zum Lichtertragen; f) den Exorzistat für den Dienst an den Beseffenen; g) den Ostiariat zur Kirchenwartung. Höhere Weihen, ordines maiores oder sacri, sind nur die vier ersten; die anderen vom

1 So in Ermanglung einer offiziellen kurzen Definition nach Bellarminus de controversiis christianae fidei: coetus hominum unius et eiusdem fidei christianae professione et eorumdem sacramentorum communione colligatus sub regimine legitimorum pastorum ac praecipue unius Christi in terris vicarii, Romani pontificis.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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Akoluthat an abwärts, denen übrigens jetzt kerne Ämter mehr entsprechen, so daß sie nur als Vorbereitungs- und Durchgangsstufen in Betracht kommen, heißen niedere, minores, non sacri.

Hinfchius. Kr. I L Gasparri, Tractatus canonicus de sancta ordinatione, 2 Bde., 1894ff ; Furtner, Das Verhältnis der B'fchofsweihe zum heil. Sakrament des Ordo, 1861; Kurz, Des; Episkopat, der höchste, vom Prisbyterar verschiedene Ordo, 1877; Schulte-Plaßmann, Der Episkopat, ein vom Presbyterat verschiedener und sakramentaler Ordo, 1883; Holtum, Quaeritur, utrüm episcopatus sit ordo, Jb. f. Philos. XIV, 1900; Seidl, Das Diakonat, 1890; Doubrava, Der Drakon als Spender der Taufe, A. f. k. Kr. LX1I, 1889; Reuter, Subdiakonat (§ 30). 2. Ordination ist Übertragung einer Weihe und zwar ein durch Handauflegung gespendetes Sakrament, ordinatio im engeren Sinne, beim Episkopat (consecratio), Presbyterat und Diakonat (bei diesem von einigen, beim Subdiakonat von der herrschenden Ansicht bestritten). Sie kann nur an bestimmten Tagen (aber jetzt extra tempora in den Qumquennalfakultäten für die deutschen Bischöfe!) und Orten (Kathedrale, ecclesia publica) vorgenommen werden und bloß der Reihe nach von unten (nicht per sei tum), doch so, daß alle niederen Weihen und der Subdiakonat am selben Tag erteilt werden, wahrend für die weiteren Zwischenzeiten, interstitia, zur Bewährung vorgeschrieben geblieben sind. Boran gehen gewiffe, zum Teil nur formale Prüfungen, scrutinia, über das Vor­ handensein der erforderlichen Eigenschaften.

HinfchiuS, Kr I §§ 13,14. 3. Nicht ordiniert werden darf, wer ist a) incapax, d. h. ungetauft oder weibllchen Geschlechts. ist Nichtig (invalida).

Die doch erteilte Weihe

Hinfchius, Kr. I § 2. b) irregularis. In diesem Fall ist aber die Weihe bloß illicita, also, wenn trotz des Verbots vorgenommen, valida. Doch darf der so Geweihte die Weihe nicht ausüben und nicht weiter aufrücken. Man unterscheidet Irregularität infolge eines (oft un­ verschuldeten) Eigenschaftsmangels und solche infolge einer Deliktsschuld.

Boenninghausen, Tractatus de irregularitatibus, 1863ff. Irregulär ist ex defectu corporis der körperlich oder geistig (defectus animi?) Kranke oder auffällig (durch Hinken oder Mangel des linken Auges, oculus canonicus) Behinderte, e. d. natalium der unehelich Geborene, e. d. fidei, der Ungefirmte oder erst kürzlich, besonders auf dem Todbett (clinicus) Übergetretene, e. d. aetatis für den Episkopat der noch nicht 30, für den Presbyterat der noch nicht 24, für den Diakonat der noch nicht 22, für den Subdiakonat der noch nicht 21 Jahre alt Gewordene, e. d. scientiae der nicht genügend Borgebildete und Wissende, e. d. libertatis der Ehemann, dessen Frau nicht zustimmt und ins Kloster geht oder Keuschheit gelobt, sowie Rechnungs­ pflichtige, Beamte, Vormünder vor der Entlastung, e. d. sacramenti (seil, matrimonii) ber Mann, der nacheinander in zwei durch Beischlaf konsummierten Ehen gelebt (bigamia successive) oder in einer Ehe mit einer vorher Verwitweten oder Deflorierten (bigamia interpretative) gestanden hat, e. d. plenee lenitatis, wer, wenn auch erlaubterweise, z. B. als Richter, Staatsanwalt, Belastungszeuge, Gerichtsschreiber, Henker, Soldat im Felde, den Tod oder die Verstümmelung eines Menschen herbeigeführt oder veranlaßt hat, endlich e. d. famae der schlecht Beleumdete oder zu Ehrenstrafen Verurteilte, be­ sonders der wegen Angriffs auf einen Kardinal, Entführung oder Teilnahme an einem Duell (auch Studentenmensur) der infamia ecclesiastica Verfallene.

Hinfchius, Kr. I § 3; Sachfse, Dre Lehre vom defectus sacramenti, 1881. Th. Kohn, Bedarf ein Kleriker... der als Reservist oder einjähriger Freiwilliger einen Feldzug mitgemacht,... einer Dispens von der Irregularität? im A f. k Kr. XLIII, 1880. Irregulär ist ex delicto, wer ein öffentlich bekannt gewordenes und ihn in der Achtung herabsetzendes Verbrechen begangen hat, ferner der Verüber gewisser delicta specialiter et expresse denominata, auch wenn sie geheim geblieben, nämlich Tötung,

IV. öffentliche- Recht.

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Verstümmlung, Ketzerei und -war nicht bloß de- Bewerber-, sondern auch der häretischen, nicht bußfertig gestorbenen Eltern und de- Großvater-, Apostasie, Wiederholung oder wiederholter Empfang der Taufe, unerlaubter Empfang oder unerlaubte Lu-Übung der Weihen, Doppelehe (bigamia criminalis) sowie Eheversuch und Beischlaf durch einen Inhaber höherer Weihen oder Mönch (bigamia similitudinaria). Linschiu-t Kr. I §5; v. Scherer, Die irregularitas ex delicto homicidii, W. f. L Ät. XLIX, 1883; Braun, Dre Bestimmungen über die Irregularität der Häretiker und deren Deszendenten, im A. f. L Kr. XLV 1881.

Alle Irregularitäten sind dispensabel; manche heilen auch sonst, B. durch Er­ reichung de- erforderlichen Alter-, Erwerb der nötigen Kenntniffe, Cmtritt in einen Orden oder Legitimation durch nachfolgende Ehe der Eltern (so beim defectus natalium), Bis zur Heilung oder Dispensation kann der Betroffene nicht ordiniert werden oder, wenn bereit- geweiht, seinen ordo nicht erlaubterweise auSüben. HiuschiuS, Kr. I § 6.

c) sine titulo, ohne genügendes Einkommen. Titel find: ein kirchlicher Amt (t. beneficii), ein liegenschastlicheS oder grundverficherteS Erbe oder Einkommen (t patrimonii et pensionis), die Verpflichtung eine- Dritten zum Unterhalt mangels genügenden Auskommens (t. mensae), besonders (z. B. in Bayern und, bischöflich verliehen, in Württemberg, Baden, Hessen) der landesherrliche Tischtttel (t mensae principis), der Unterhalt des Ordensgeistlichen durch das Kloster (t. professionis oder paupertatis) und des zum Misfionsdienst eidlich verpflichteten römischen MisfionSzöglingS durch die Missions­ anstalt (t. missionis). Eine Ordination ohne Titel ist illicita, aber valida; der schuldige Bischof muß den zu höheren Weihen Ordinierten bis zum Empfang eines beneficium er­ halten, der schuldige Ordinierte wird irregulär aus Delikt und strafbar.

Hinschius, Ät. 1 6 9; Mejer, De titulo missionis, 1848; Meyer, Ursprung und Ent­ wickelung des Tischtitels, A. f. t. Kr. III, 1858; Racke, Der Tischtitel, 1869.

4. Die Weihen kann nur der Bischof erteilen (niedere für ihre Titel- und Kloster­ geistlichkeit auch Kardinalpriester und benedizierte Äbte), und zwar auch der häretische, schismatische und exkommunizierte. Letzterer soll es aber nicht und ebenso nicht der Un­ zuständige. Zuständig (proprius) ist der Papst für die Weihekandidaten der ganzen Kirche, sonst nur der Bischof des Geburtsort- (competentia ratione originis) oder deS Wohnsitzes des Kandidaten (c. r. domicilii) oder seines Benefiziums (c. r. beneficii) oder derjenige, der ihn seit mindestens drei Jahren in einem Dienstverhältnis um sich gehabt und unterhalten hat (c. r. commensalitii seu familiaritatis), doch nur, falls er ihm innerhalb eines Monats nach der Weihe eine Pfründe überttägt, endlich (feit 1898) auch derjenige, der einen Kleriker nach erfolgter Entlassung (excardinatio) aus dessen bisheriger Diözese bedingungslos und schriftlich und für immer in die seinige aufnimmt (c. r. incardinationis). Ordiniert ein Bischof, der die Befähigung (facultas ordinandi), aber, weil zensuriert oder unzuständig, nicht die Befugnis zur Ausübung (ins ordinandi) hat, so ist die Weihe illicita (Suspension vom Weiherecht während eines Jahres für den Bischof, von der Weihe ad arbitrium deS zuständigen OrdinatorS für den Ge­ weihten), aber valida (daher die Gültigkeit der griechischen, holländisch-jansenistischen und altkatholischen, nicht aber der anglikanischen Weihen). Doch kann der unzuständige Bischof vom zuständigen durch litterae dimissoriales (wenn in blanko: facultas ad promovendum a quocumque) zur Vornahme der Ordination in Verttetung autorisiert werden; die Ausstellung solcher Dimifforien vermag, weil Jurisdiktionsakt, auch durch den nichtkonfekrierten Bischof oder den Generalvikar zu geschehen. Bei Zusammentteffen mehrerer Zu­ ständigkeiten soll der eine zuständige Bischof nicht ohne testimoniales, welche die Freiheit von Hindernissen bescheinigen, zur Weihehandlung schreiten.

Hinschius, Kr. I §§ 10,11: Hofmann, DieExkardination einst und jetzt, Z. f. t Th. XXIV, 1900; Leitner, Die literae testimoniales, im A. f. k. Kr. LXXVII, 1897; BelleSheim, Die Bulle Leos XIII. Apostolicae curae über die Ungültigkeit der anglikanischen Weihen, A. f. f. Kr. LXXVII, 1897; ebenda auch Heiner, Die anglikanischm Weihen.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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5. Die Ordination gibt dem Geweihten die übernatürliche Befähigung (facultas spiritualis), die betreffenden Weihefunktionen zu versehen. Bei der Bischofs- und Priesterweihe (nicht unbestritten auch beim Diakonat) ist diese Befähigung unauslöschlich (character indelebilis); selbst Abfall vom christlichen Glauben hebt zwar die Befugnis, nicht aber die Befähigung zur Ausübung der Weihen auf, und vollends eine Enthebung davon (Laisierung) ist unmöglich. Weiter bewirkt die mit der Ordination verbundene Im­ matrikulation die Zugehörigkeit zum Diözesanverband des Ordinators, die nur durch litterae excardinationis (Exeat) im Fall anderweitig zugesicherter Jnkardination wieder aufgehoben werden kann. Damit endlich die empfangene Weihe ordnungsmäßig ausgeübt werden kann, muß eine Amtsübertragung dazu kommen oder die regelmäßig bischöfliche, besondere Ausübungsermächtigung (missio legitima sive canonica), ohne die überhaupt eine geistliche Tätigkeit in der Diözese ausgeschlossen erscheint. Hinschius, Kr. Iß 15; Specht, Sind die niedern Weihen und der Subdiakonat sakramental? in Theol.-prakt. Monatsschr. III, 1898.

§ 65.

Der Klerus, seine Standesrechte und Standespflichten.

Aus der Begriffsbestimmung der katholischen Kirche erhellt ohne weiteres, daß sie eine Gemeinschaft von Regierenden und Regierten, eine societas inaequalis ist. Die religiöse und kirchliche Leitung hat der Klerus. Er wird gebildet durch die übernatürlich Befähigten, also die Geweihten, denen die kirchlichen Untertanen, die Laien, gegenüber­ stehen (kein Ordensstand!). Doch erwirbt man die klerikalen Standesrechte schön durch die Tonsur (oben S. 826 A. 3), die keine Weihe, sondern die bloße dispositio ad ordines darstellt. Hinschius, Kr. I § 13.

Die klerikalen Standesrechte sind: 1. das privilegium canonis (S. 854 mit A. 2), wonach der regelmäßig dem Papst zur Absolution vorbehaltene große Kirchenbann ipso iure bei vorsätzlicher tätlicher Verletzung oder Realinjurierung eines Klerikers eintritt, ferner die von der vigens ecclesiae disciplina zum Teil aufgegebenen privilegia 2. fori, der Befreiung von weltlicher Straf- und Zivilgerichtsbarkeit, 3. immunitatis1, von weltlichen Steuern und Lasten, 4. competentiae, Unpfändbarkeit des zum anständigen Auskommen Nötigen (portio congrua)2, endlich 5. gewisse Ehrenrechte (Vortritt, Anrede: Hochwürden, Ehrwürden). Hinschius, Kr. I § 16; Hirschel, Über die heutige Anwendbarkeit be§ privilegium fori im A. f. k. Kr. VII, 1862; Michel, Die rechtliche Stellung der Geistlichen in Württemberg, 1899.

Den Standesrechten stehen gegenüber Standespflichten: 1. Wahrung des decorum clericale in Tracht (Tonsur, dem Diözesangebrauch entsprechende Kleidertracht) Lebens­ weise (Gastfreundschaft, Wohltätigkeit, keuscher Lebenswandel und Meldung des Verdachts verbotenen Verkehrs mit Frauenspersonen) und Beschäftigung (keine Jagd, kein Spiel, keine weltlichen Geschäfte, wie Handel u. s. w., — aber politische und redaktionelle Tätig­ keit!); 2. Breviergebet nach dem Breviarium Romanum zu bestimmten Stunden oder mit Antizipation bezw. Nachholung, vorgeschrieben für Inhaber der höheren Weihen und für Benefiziaten; 3. die Zölibatspflicht. Ein Verheirateter soll nicht geweiht werden und ein Geweihter nicht heiraten. Versucht er es doch, so kommt beim Inhaber höherer 1 Gewohnheitsrechtlich auf Grund irrtümlicher Auslegung des cap. Odoardus (c. 3 X de solut 3, 23). 8 R.G.V. §§ 34 und 85 befreit die Geistlichen vom Schöffen- und Geschworenendienst, C.P.O. ß 850 Abs. 1 Z. 8 behandelt ihr Diensteinkommen gleich dem der Staats- und Kommunalbeamten, insbesondere auch der Lehrer; das oben S. 910 angeführte R.G. bestimmt die Zurückstellung von Studierenden der katholischen Theologie in Friedenszeiten bis zum 1. April des 7. Militär;ahres und ihre Überweisung zur Ersatzreserve, falls sie inzwischen zum Subdiakonat aufgestiegen sind. Dazu kommen einzelstaatliche Befreiungen von Vormundschaften und Kommunalsteuern. Vgl. Fried­ berg, Kr. § 54 N. 29.

IV. öffentliches Recht.

922

Weihen eine Ehe nicht zu stände1 (öffentlich trennendes impedimentum ordinis), aber der betreffende Majorist wird irregulär (S. 920) und verfällt ipso facto der großen äfctemmunitatwn, während Amtsverlust erst bei Renitenz auf Richterspruch hin erfolgt. Dagegen ist die Ehe des Minoristen gültig; nur verliert er ohne weiteres Standesrechte und Amt, indes Strafe bloß auf Urteil hin eintritt. Wie von den Standespflichten überhaupt kann vom Zölibat, weil er nur iuris hurnani ist, dispensiert werden (generelle Dispensation Pius' VH. für die während der französischen Revolution verheirateten Priester; kirchengesetzliche für die Geistlichen der unierten Griechen durch Benedikts XIV. Bullen Etsi pastoralis vom 26. Mai 1742 und Eo quamvis vom 4. Mai 1745).

HinschiuS, Kr. I §S 17—lv; Tha lhof er, Über den Bart der Geistlichen, L. f. t Äx. X, 1868; Weiß, Klerus und.Politik in TheoU-vratt. Oschr. XLVI, 1883; Die Beteiliauna bei KleruS am politische« Leben, L. f. f. Kr. LXXIX, 1899;Proost, Brevier u»dBreviergebet»,4868; de Roskoväny, Coelibatus et breviarium, 11 Bde^ 1861 ff.; Schulte, Der CoelibatSzwana, 1876; Saurin, Der Loelibot bet Geistlichen, 1880: Freisen, Zur Lehre vom Loelibat, Th. O. LXVIII, 1886; Gaugusch, Das Ehehinbernii der höheren Weihe, 1902.

§ 66.

Die Juri-diktion, ihre Ubftufuug, ihre Arte« uud ihr Erwerb.

Die Befugnis, die Kirche zu regieren, hat ihr Stifter nach katholischer Lehre nur Petrus und den Aposteln selbst übertragen, so daß bloß die päpstliche und die bischöfliche Jurisdiktion iuris divini find. Dazwischen schob aber daS menschliche Recht Inhaber von überbischöflicher, nach kurialer Lehre auS dem Primat abgespaltener Jurisdiktion ein, so daß die hierarchia iurisdictionis sich abstuft, wie folgt: Papst, Patriarch, Primat, Metropolit, Bischof. Soweit sonst noch Jurisdiktion zu eigenem Recht begegnet, etwa bei Kapiteln und ihren Dignitären (§ 30, 4), exemten Äbten (§ 40, 3) u. s. w., ist sie

von der bischöflichen abgespaltet (quasi episcopalis) oder von einer höheren. Man nennt dann ihre Inhaber mit Vorliebe Prälaten, waS überhaupt (außer bei bloßen Ehren­ prälaten) Träger von Jurisdiktion (also auch den Bischof u. s. w.) bedeutet. Die Juris­ diktion ist entweder mit einem Amt verbunden, so daß sie deffen Inhaber proprio iure zukommt, und zwar mit einem ständigen (eigentliche iurisdictio ordinaria), z. B. mit dem Papsttum, dem Episkopat (der Bischof der Ordinarius schlechthin), dem Kardinalat, der Ordensvorstandschaft, oder nur mit einem wenigstens im Prinzip unständigen (i. quasi ordinaria), also etwa mit einem apostolischen Vikariat, einem Koadjutorat, General­ vikariat, KapitelSvikariat. Oder die Jurisdiktion ist von ihrem ordentlichen Inhaber für einen einzelnen Fall (ad unam causam) oder einen Komplex von Angelegenheiten (ad universitatem causarum) durch persönliche Verfügung (ab homine) oder ein für allemal von Gesetzes wegen (a lege, § 40, 3) einem Geistlichen (von mindestens 20, bei päpstlicher Delegation von mindestens 18 Jahren), der an sich der Jurisdiktion über­ haupt oder der betreffenden entbehrt, als Stellvertreter übertragen, technisch delegiert (i. delegata). In diesem Fall wird sie mit dem Auftrag, commissorium, und nach deffen Maßgabe erworben; sonst findet der Erwerb ohne weiteres statt mit dem deS Amtes. Hinjchiui, Kr. I 20, 21; Kümpfe, Die Begriffe der iurisdictio ordinaria, quasi ordinaria etc., 1876, und oa-u Canstein im A. f. k. Kr. XXXVII, 1877 S. 211 und Jurisdictio delegata und mandata, Zeitschr. s. RechtSgesch. XIII, 1878, sowie wieder Kämpfe, A. s. t. Kr. XLI, 1879.

8 67.

Der Papst.

Der Papst ist Bischof von Rom*, in welcher Eigenschaft er sich einen Kardinal als vicarius urbis (aber mit Weihegewalt und i. ordinaria selbst in den suburbikarischen

1 Natürlich nur nach katholischem, nicht nach staatlichem Eberecht, welches das impedimentum ordinis ac ,voti auch ohne Austritt des Betreffenden aus der Kirche weder im PStG. noch im B G B. anerkennt und die standesamtliche Eheschließung zulüßt. 8 Tie römische Diözese wird gebildet durch die Stadt und ihre Umgebung im Kreise von 40 Miglieu (comarca di RomaX Kathedrale ist San Giovanni in Laterano (nicht die Peterskirche!), omnium urbis et orbis mater et caput.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

923

Bistümern und über den Tod des Papstes hinaus) und einen Titularerzbischof al& Weihegehilfen (vicesgerens) hält, Metropolit der römischen Kirchenprovinz, zu der u. a. auch alle Erzbischöfe ohne Provinz und alle exemten Bischöfe der Welt gehören *, Primas von Italien, Patriarch des Abendlandes und Oberhaupt der katholischen Kirche. Als solches hat er überall, also auch in den einzelnen Diözesen in Konkurrenz mit den Orts­ bischöfen (Universalepiskopat) die Fülle der Jurisdiktion, nämlich die plena et suprema, ordinaria et immediata iurisdictio vere episcopalis, wogegen den Bischöfen nach dem Batikanum die Jurisdiktion zwar ebenfalls als ordinaria, immediata et episcopalis, aber nur in Gestalt örtlich begrenzter Teilgewalt und in Unterordnung unter den Papst zusteht. Im einzelnen enthält der päpstliche primatus iurisdictionis: 1. das oberste Gesetzgebungsrecht nicht bloß für Rechts-, sondern auch für Glaubensgesetze, im letzteren Fall jedoch nur, falls der Papst ex cathedra in Sachen des Glaubens (fides) oder der Sitten (mores, die er aber der Disziplin gegenüber selbst abgrenzt) eine Entscheidung trifft, woran sich, da er dabei nach vatikanischer Lehre infolge des Beistandes des Heiligen Geistes unfehlbar ist, als Wirkung die ewige Wahrheit und Unabänderlichkeit (Jrreformabilität) der verkündeten Sätze knüpft; 2. die oberste Kultusverwaltung mit dem alleinigen Recht zur Vornahme von Seligsprechungen (beatificationes) und Heiligsprechungen (canonizationes), zur Reliquienprüfung, zur Feststellung der gemeinen Feste; 3. die oberste-Verwaltung der übrigen kirchlichen Angelegenheiten, z. B. die Errichtung, Veränderung und Aufhebung höherer Kirchenämter, die Besetzung grundsätzlich aller, effektiv, wenn auch oft nicht frei, wenigstens von den Bistümern an aufwärts, wie auch er allein Bischöfe absetzen kann, und die Verwaltung des Kirchenvermögens samt dem obersten Besteuerungsrecht; 4. die Oberaufsicht über die ganze Weltkirche einschließlich der Ausbildung des Klerus und des Unterrichts und die Oberleitung des gesamten Ordens- und sonstigen kirchlichen Vereins­ wesens; 5. die höchste Gerichtsgewalt; 6. die Vertretung der Kirche nach außen1 2 * mit **** aktivem und passivem Gesandtschaftsrecht8. Dazu kommt der primatus honoris, eine Reihe von höchsten Ehrenrechten, neben früher (oben S. 823, 848 f.) erwähnten Titulaturen und äußeren Auszeichnungen die Anrede: Sanctitas tua, Sanctissime pater, indes er einen Bischof frater, alle anderen aber (auch Kardinäle ohne Bischofsweihe) filii nennt, der gerade, in Kreuzesform auslaufende Hirtenstab (pedum rectum), das Vortragkreuz, der anulus piscatoris (S. 917 A. 2), ein besonderer Talar (gewöhnlich: weißseiden, mit roten Schuhen, Brustkreuz, rotem Mantel und Hut; bei Feierlichkeiten: roter Schulter­ mantel — Mozetta —, goldgestickte Stola, weißes Käppchen, im Winter pelzverbrämt — Camaura; bei gottesdienstlichen Funktionen das Pallium — S. 824 A. 2, S. 849 — und die Mitra — S. 849). Hinschius, Kr. I 23, 24, 64, 94, III § 191, IV § 199, VI § 350; Roskoväny, Romanua pontifex (§ 43); Meurer, Die kirchliche Rechtslage bei konstatierter Geisteskrankheit des Papstes, Grünhuts Ztschr. XIV, 1887; Geigel, Italienisches Staatskirchenrecht2, 1886 (ohne Register auch im A. f. k. Kr); Schiappoli, Manuale del diritto ecclesiastico I, II, 1902; Dupan'loup, Sur la souverainete du pape, 1849; Manning, Tie Unabhängigkeit des H. Stuhles. Aus dem Engl. von Bender, 1878; F. H. Geffcken, Tie völkerrechtliche Stellung des Papstes (auch in v. Holtzendorffs Handbuch des Völkerrechts II 1887), 1885: Jmbart de La Tour, La papaute en droit international, 1893; Linden, Ist der Papst Souverän? Erlanger Diss. 1898; * Pakli)c, Ü€qI fitTa&fcews fnioxönwv, 1898.

1 Was sich namentlich in der Ladung derselben zum römischen Provinzialkonzil äußert. 8 Auch das italienische Garantiegcsetz (oben S. 906 mit A. 2) erkennt diese völkerrechtliche Stellung des Papstes an. Es erkennt ihm u. a. zu: die Ehren eines Souveräns, die Unverletzlichkeit der Person , wogegen mit Taten oder Worten Handelnde fich des Majestätsverbrechcns schuldig machen, eine jährliche, steuerfreie Dotation von 3 225 000 Lire (bisher nicht bezogen), den Nießbrauch ins­ besondere des Vatikans, Laterans und der Villa Castel Gandolso am Albanersee mit den für un­ veräußerlich erklärten Sammlungen, Exterritorialität gegenüber der italienischen Exekutive, das Gesandtschaftsrecht, Freiheit des Verkehrs mit eigenem Post- und Telegraphenbureau und Portofreiheit. 8 Zurzeit halten von den deutschen Einzelstaaten Preußen und Bayern Gesandte zweiter Klasse (a. 0. Gesandte und bevollmächtigte Minister) beim Vatikan.

IV. öffentliches Recht.

924

5 K8.

Die ÄBtbinäle R«d die Papftwahl.

Die Gehilfen de- Papste- in der Regierung der allgemeinen Kirche, die Kardinäle, zerfallen in die drei Gruppen (ordines): a) der in Rom residierenden Kardinalbischöfe der sechs sog. suburbikarischen Bistümer: Ostia-Velletri, Porto-S. Rufina, Albano, Sabina, Tuskulum (Frascati), Präneste (Palestrina); b) der Kardinalpriester, deren ordentliche Höchstzahl 50 beträgt, und wozu, neben Orden-leuten, meist Geistliche, die schon bischöf­ liche oder erzbischöfliche Würden haben, ernannt werden, insbesondere auch Auswärtige; endlich c) der wiederum zur Residenz in Rom verpflichteten Kardinaldiakonen in der ordentlichen Höchstzahl von 14, bisweilen päpstliche Diplomaten, die mit päpstlicher Dispensation überhaupt keine Weihe haben (der Kardinalstaatssekretär Leo- XII. und Gregors XVI. Bernetti war bloß brevetierter Subdiakon) und auf die Priesterweihe sowie auf ein weiteres Aufsteigen in der Hierarchie verzichten. (Sic1 * werden *4* auf bestimmte Kirchen Roms, die sog. Titel (vornehmster: S. Lorenzo in Lucina) und Diakonien (erste: S. Maria in Via Lata) vom Papst nach bloß formeller Anhörung de- h. Kollegiums und unter Berücksichtigung der Wünsche der großen katholischen Mächte: Österreich, Frankreich, Spanien und Portugal (Kronkardinäle) ernannt (creatio), und zwar in mehreren Konsistorien, d. h. Versammlungen des Papstes und der Kardinäle, in einem ersten, geheimen (Möglichkeit der reservatio in pectore z. B. eines als Nuntius zurzeit noch unentbehrlichen Prälaten und späterer Publikation unter Wahrung der Aneiennität)*, und in weiteren, in öffentlichen mit geladenen Gästen oder in geheimen (Übergabe des Rings, anulus cardinalicius, Schließung des MundeS und nachherige Wiederöffnung zur Symbolisierung der Pflicht, im Amte zu schweigen und zu reden, Anweisung von Titel oder Diakonie). Vorstand des Kardinalskollegiums ist alKardinaldekan der Bischof von Ostia, als Subdekan derjenige von Porto, infolge des heute noch geltenden Optionsrechtes (§ 40, 1) meist der amtSälteste bezw. nachälteste Kardinalbischof. Die Kardinäle beziehen die Einkünfte ihrer Kirchen und etwaiger weiterer Pfründen samt einem Anteil der Einkünfte des Kollegiums (besonderer Camerlengo del sacro Collegio, alljährlich im ersten Konsistorium durch Überreichung einer roten Börse

neu bestellt) und, falls all dies samt Privateinkommen nicht 4000 Skudi (etwa 16 000 Mk.) ausmacht, eine monatliche Rente aus der päpstlichen Kammer (piatto cardinalizio, Kardinalsschüffel). Sie sind geborene Mitglieder der allgemeinen Konzilien und werden nur vom Papst gerichtet; ihre Jnjurierung ist Majestätsverbrechen, die ihnen gebührende Anrede Eminenz8, ihre Tracht der Purpur eventuell ihre Ordensfarbe mit roten Abzeichen.

HinschiuS, Kr. I §§ 33—39; Kirsch, Die reservatio in petto, A. f. t. Kr. LXXXI, 1901. Das wichtigste Recht der Kardinäle ist die Papstwahl. Nachdem der Heilige Stuhl durch Tod oder Abdankung erledigt worden, beziehen die in Rom residierenden oder herbeigeeilten (auch exkommunizierten) Kardinäle mit Begleit am 11. Tag das Konklave*, einen jeweilen herzurichtenden vermauerten Raum, jetzt im Vatikan, mit sehr beschränkter, streng beaufsichtigter Verkehrsgelegenheit nach außen (Speisenzufuhr, Einlaß nachträglich eintreffender Kardinäle), der vor Vollendung der Wahl nicht mehr verlassen werden darf. Die Wahl geschieht entweder a) quasi per inspirationem, also durch Akklamation, oder b) per compromissum, d. h. durch die Majorität der (mindestens zwei) von den anderen einstimmig mit der Wahl Beauftragten, oder c) per scrutinium, d. i. durch geheime Stimm1 Natürlich mit Ausnahme der Kardinalbischöse. 8 Am Nachmittag wird den in Rom anwesenden im Vorzimmer des Papste- das rote Käpvchen und später, ost in einem zweiten Konsistorium, von diesem selbst das Birett überreicht, wozu dann noch der breitkrämpige Hut mit je 15 Quasten kommt. Die auswärtigen erhalten das Käppchen durch einen Nobelgardisten, während das Birett wenigstens den Kronkardinälen von ihren EtaatSoberhäuptern, denen ein apostolischer Ablegat eS zu diesem Zweck überbracht hat, in feierlichem Gepränge überreicht wird. 8 So wird sonst nur noch der Großmeister der Malteser tituliert. 4 DaS italienische Garantiegesetz gewährleistet für die Zeit der Vakanz die persönliche Freiheit der Kardinäle und des Konklaves.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

925

zettelwahl1 *durch * * * * *zwei Drittel nicht gerechnet den Gewählten, falls er für sich selbst gestimmt hat. Führt eine Hauptwahl nicht ganz zur Zweidrittelsmehrheit, so kann eine Zusatzwahl, Acceß, stattfinden (accedo nemini — Aufrechterhaltung der früheren Stimmabgabe; accedo dem oder jenem in der Hauptwahl mit größerer oder geringerer Stimmenzahl Ver­ tretenen — Übergang zu demselben). Herkömmlicherweise können die katholischen Mächte

in jedem Konklave einmal durch einen VertrauenS(Kron-)kardinal gegen einen miß­ liebigen Kandidaten ein Beto einlegen8; Nichtbeachtung würde aber die Wahl nicht nichtig machen. Wählbar ist jeder Christ; seit 1389 werden tatsächlich bloß Kardinäle gewählt. Mit der Annahme der Wahl wird die Jurisdiktion erworben. Ist der Gewählte, der seinen Namen wechselt, schon Bischof, so erhalt er bloß noch eine Benediktion; sonst konsekriert ihn der Kardinaldekan, der — aber nur für diese Gelegenheit — deshalb auch das Pallium erhält. HinschiuS, Kr. I §§ 29, 30; Lector (Guthelin), Le conclave, 1894; Ceccarione, 11 conclave, 1900; Berthelet, Muß der Papst em Italiener fein? 1894, Conclavi, pontefici e cardinali nel secolo XIX, 1902; Die Eonclavien des 19. Jahrhundert-, HifL-pol. Bl. 0XXXII, 1903; Wurm, Die Papstwahl, 1902; Schulte, Die Papftwahl nach den Erlassen PiuS IX., Preuß. Ab. LXVIII, 1891; Wahrmund, Das AusschließunMecht bei den Papstwahlen, 1888, Beiträge zur Geschichte des Exklufionsrechtes, Wiener E.-B. CXXII, 1890, Zur Geschichte des Exklusion-rechtes im 18. Jahrhundert, A s. k. Kr. LXVIII, 1892, und Die Bulle Aeterni patris filius, ebenda LXXII, 1894; Sägmüller, DaS Recht der Exklusive, Kath. LXlX 1, 1889, Die Papstwahllnrllen, 1892, Der Anfang des staatlichen Ausschließungsrechtes, Kath. LXxTV 1, 1894, und in A. f. k. Kr LXXIII, LXXVI, 1895Ä6; Holder, Dre Designation der Rachsolger durch die Päpste, 1892 und im A. f. k. Kr. LXXII, LXXVI, LXXX1U « 12), 1894, 1896, 1908; Hottweck, Kann der Papst seinen Nachfolger bestimmen? A. s. k.Kr. LXXIV. 1895; Sabatier, Comment on devient pape? 1901, Le pape peut-il dösigner son successeur? Bev. can., 1901; Periea, LIntervention du pape dans Pdlection de son successeur, 1902; Many, Du droit des papes de ddsigner leur successeur, Revue de Pinstitut cath. de Paris, 1902.

5 6S.

Die römische Kvrie.

Außer den Kardinälen gehören zur Curia Romana die Kurialprälaten (Monfignori, mit violettem Talar) und das Subalternpersonal der Kurialen. AuS Kardinälen und Kurialprälaten find namentlich die römischen Behörden gebildet, auS deren älterer Schicht (§ 40. 1) neben der Cancellaria (Kardinalvizekanzler) fast nur noch in Betracht kommen: die Datarie (Präfekt der Kardinalprodatar, aber nur ad ritam pontificis) für Erteilung päpstlicher Jndulte in foro externe, insbesondere auch für Dispensationen8 und für die Besetzung reservierter Pfründen, sowie die Pönitentiarie (Großpönitentiar, poenitentiarius maior) für päpstliche Gnadenerweise in foro interno (bei Eile in utroque foro), im Bereiche des fornm externum dagegen nur (weil gratis arbeitend) für kanonisch Arme (OrdenSleute). Sehr wichtig find neben dem ganz neuen und noch flüsfigen Gebilde bloßer Kardinalskommissionen (z. B. für die historischen Studien 1888, für die Wieder­ vereinigung der getrennten Kirchen 1895, für die Verteidigung Rom- gegen die protestan­ tische Propaganda 1902) noch heute die römischen Kongregationen, ständige Kommissionen unter dem Vorsitz des Papstes (z. B. int Santo Ufficio, in der Konfistorial- und der Regularkongregation) (oder eines Kardinalpräfekten mit (20—80) Kardinälen als Bei1 Die Einrichtung der Stimmzettel ist am besten au- Lector, L’riection papale, 1896, aus dem oben genannten, ausführlicheren Werke desselben BerfasierS, auS: Die katholische Kirche unserer Zeit, herauSgegeben von der Leo-Gesellschaft I, 1899, und auS den Papstwahlbeschreibungen zu ersehen, die mit Abbildungen fast zu jedem Konklave erschienen find. 8 Im Konklave PiuS' X. aab der Kardinal Puzyna von Krakau am 2. Lugust 1908 in Auf­ trag deS Kaisers von Österreich bie Erklärung ab, daß diesem |Me Wahl deS Kardinals Ranpolla minder genehm sein würde, ein Beto, das zwar zunächst zu einem Protest führte, zu einem ausdrück­ lichen und zu einem tatsächlichen (Steigen der Stimmen deS AuSgefthlossenenl aber schließlich doch beachtet wurde; vgl. darüber und über die Wahl PiuS' X., de Waal, Papst Pius X., 1908, Schmidlin, Papst PiuS X., 1903. 8 Die neuesten Formulare dafür im A. f. k. Kr. LXXXII 1902. Ebenda LXXI, 1901 und D. Z. s. Kr. XXIII, 1902 ein neues Regolamento vom 6. Februar 1901 über die Organisation und Geschäftsbehandlung der Datarie.

IV. öffentliches Recht.

926

fitzern und mit Äurialprälaten als Sekretären und Personal zur Erledigung1 * von * An­ gelegenheiten päpstlicher Gerechtsame in höchster Instanz (keine Appellation, nur Wieder­ aufnahme auf päpstliche Anordnung hin infolge aperitio orte Papae). Besondere Er­ wähnung verdienen (vgl. § 40, 1) die Znqurfition-kongregation (Santo Ufficio, mit dem Kardinalgeneralinquifitor ÄS Sekretär und einer Reihe von Beamten, unter denen der Seneralkommiffar noch heute Dominikaner sein muß) für Behandlung alle- dessen, wa­ nnt dem Glauben und der Abweichung davon (Häresie) zusammenhängt (Dekret gegen Leichenverbrennung a), die Jndexkongregation, die jetzt nach der constitutio Officiorum ac munerum vom 25. Januar 1897 den Index librorum prohibitorum • führt, aber auch Dispense vom Bücherverbot erteilt, die Konzil-kongregation (§ 37) zur authentischen Interpretation (mit jeweiliger päpstlicher Sanktion) de- TridentinumS und zur Recht­ sprechung auf Grund desselben, die Congregatio super negotite eptecopornm et regularium zur Überwachung der Bischöfe und Orden4,* die Ritenkongregation, vor der die

Prozesse (mit einem Offizialvertreter, dem promotor fidei, als alle Hindernisse geltend­ machendem advocatus diaboli) geführt werden, die zur BeatifikationSsentenz (bloß partiku­ läre Verehrung) und nach Bewährung eventuell zur Kanonisation mit der Verehrung durch die ganze Kirche und Anerkennung der Fürsprecherstellung (sanctus) führen, die Ablaß­ kongregation , Congregatio indulgentiarum et sacrarum reliquiarum (reorganisiert 1897), endlich außer der Propaganda (§ 40, 2) die Congregatio super negotite ecclesiae extraordinariis (seit 1814) bloß mit residierenden Kardinalbeifitzern zur Unterstützung de- Kardinalstaatssekretärs, der daS ganze Auswärtige leitet und auch wegen seine- Rechts zu jederzeitigem Zutritt beim Papst der einflußreichste Mann bei der Kurie zu sein pflegt.

HinschiuS, Kr. I §§ 40, 42—67, IV §8 211 n 212H; Bangen, Die römische Kurie, 1854; Die katholische Kirche unserer Zeit, (S. 925 A. 1); La Gerarchia cattolica (alljährlich erscheinender offizieller Behördenstatus), neueste Ausgabe, 1904; Regula In Secretariis Ecclesiasticis Urbis circa Expeditores et Agentes servanda von 1877, A. s. k. Kr. LXXIX, 1899; Boudinhon, La datarie apostolique, im Can. cont. XXV, 1902; Reusch, Der Index der verbotenen Bücher, I, II 1883/85, über bie const. Officiorum und den neuen Inder: Holl weck, DaS kirchliche Bücher­ verbot 9, 1897; Pennachi, In constitutionem apostolicam Officiorum ac munerum ... commentatio, 1898 fauch in Acta. s. sedis XXXIII); Peries, L’index, 1898; Boudinhon, La nouveile lögislation de l’index, 1900; Schneider, Die wichtigsten Bestimmungen der neuen Büchergesehe der Kirche, 1900 tauch in der theol.-prakt. Monatsschrift), und im A. f. k. Kr. LXXXI, 1901; Vermeersch, De prohibitione et censura librorum8, 1901; Hilgenreiner, Die kirchliche Aorzensur und daS Partikularrecht, 1902.

§ 70.

Legate« und Nuntien.

Die diplomatischen Vertreter der Kurie bei den Regierungen sind zurzeit regel­ mäßig legati missi oder Nuntii apostolici und zwar entweder erster Klaffe (Wien, Paris, Madrid, Liffabon; Vorstufe für ein Kardinalst) oder zweiter Klaffe (München, Brüffel; Vorstufe für die erste Klaffe oder ein kardinalizischeS Amt in curia), beide gewöhnlich Titularerzbischöfe mit dem Rang eine- Botschafters und Gesandten zweiter Klaffe und al- geborene Doyen- der entsprechenden diplomatischen Korps seit dem Wiener Kongreß an­ erkannt. Oder es sind Jnternuntien (z. B. im Haag), die oft des bischöflichen RangL entbehren. Oder eS sind endlich, zumal in überseeischen Gebieten, nur apostolische Delegaten, Geschäftsträger, die aber doch kirchlich mit erzbischöflichem oder bischöflichem Rang ver­ sehen werden. Alle diese Gesandten haben nämlich auch dem Landesepiskopat gegenüber

1 Sie kann aber auch, wenn inopportun, abgelehnt werden mit dem Bescheid: consulat pro­ bates auctores. 9 Ein auf eine Anfrage deS Freiburger Erzbischofs ergangenes, die früheren mitberücksichtigendes vom 27. Juli 1892 im A. f. k. Kr. LXX1II, 1895. 9 Neueste, vereinfachte Ausgabe 1900. Der Sekretär der Jndexkongregation ist stets ein Dominikaner. 4 Neuestes Geschäftsreglement vom 20. Juli 1900 im A. f. k. Kr. LXXXI und D. Z s. Kr. XI, 1902.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

927

den Papst zu vertreten, wennschon ihnen nicht mehr die Fülle der Primatialgewalt für die betreffenden Gebiete delegiert wird, sie vielmehr begrenzte Vollmachten erhalten (Fakultäten des nordamerikanischen Delegaten von 1896 im A. f. k. Kr. LXXVIII, 1898). Kardinäle, die Nuntiaturen nur als Pränuntien zeitweilig weiterversehen können, werden für besondere Anlässe als legati a latere zu außerordentlichen Missionen ver­ wendet sie sind als solche das alter ego des Papstes.

Hinschius, Kr. I § 73.

§ 71.

Ordentlicher und Misfionsorganismus.

Der Gegensatz von terrae sedis apostolicae1 2 * und terrae missionis8 besteht auch heute für die kirchliche Provinzialregierung fort. Die Mission beginnt mit der Abordnung eines Priesters als apostolischen Präfekten, der, nachdem sie genügende Fortschritte gemacht hat, durch einen vicarius apostolicus mit bischöflicher Weihe als Missionsleiter ersetzt wird, und sie erreicht ihre vollkommenste Organisation durch Errichtung eines Missionsbistumes (alle amerikanischen, englischen und schottischen Bistümer sind solche). Doch bleibt dessen Umfang veränderlich, und auch die darin enthaltenen Missionspfarreien haben geringere Beständigkeit (bloße Stationen der Kathedrale). Die Missionsgeistlichen sind jederzeit abrufbar (ad nutum episcopi); neben dem Bischof stehen keine Kapitel oder doch nicht solche mit Vollrecht. Die ganze Einrichtung ist von einer starken Zentralgewalt ohne kanonische Schranken beherrscht. Sämtliche Missionen stehen unter der römischen Congregatio de Propaganda fide, die für die Missionsgebiete alle anderen Kongregationen ersetzt (daher ihr Kardinalpräfekt im Volksmund der rote4 Papst heißt), und in zwei ziemlich selbständige Abteilungen für die lateinischen und die griechischen Riten zerfällt. Putzer, Commentarius in facultates apostolicas episcopis necnon vicariis et praS'fectis apostolicis concedi solitas, 1897; Collectanea constitutionum etc. Sanctae Sedis adusum operariorum apostolicorum Societatis Missionum ad exteros2, 1898; Hinschius, Kr. II § 98, IV § 225; Reher, Kirchliche Geographie und Statistik, 3 Bde., 1864-68, Conspectus hierarchiae catholicae, 1895; Werner, Orbis terrarum catholicus, 1890: Arndt, Die gegenseitigen Rechts­ verhältnisse der Riten in der katholischen Kirche, A. f. k. Kr. LXXI, 1894; Frey, Die Riten der katho­ lischen Kirche in ihrem Verhältnis zu einander, Kath. LXXXIII, 1903; Köhler, Die katholischen Kirchen des Morgenlandes, 1896; Mejer, Die Propaganda, 2 Bde., 1852/53; Louvet, Les missions catholiques au 19® siede, 1898; Missiones catholicae cura 8. Congregationis de Propaganda fide descriptae, 1901; Pi ölet, Les missions catholiques fran^aises au 19« siede I—IV 1900 bis 1903; Die katholische Kirche unserer Zeit (oben S. 925 A. 1) III 1902: Das Wirken der katho­ lischen Kirche aus dem Erdenrund.

§ 72.

Die Organisation der katholischen Kirche in Deutschland.

Im Deutschen Reich5 6gibt * es zunächst terrae sedis apostolicae, nämlich in Bayern (Konkordat vom 15. Juni 1817) die Kirchenprovinz München-Freising mit dem gleich1 Das Kommissorium des Kardinals Kopp von Breslau als legatus a latere Leos XIII' ^ui^ Weihe deS Domportals zu Metz vom 5. Mai 1903 siehe in den Acta s. Sedis XXXVI»

2 Sie find., sämtlich lateinischen Ritus' und umfassen Teile von Deutschland (§ 72) und der Schweiz, ferner Österreich-Ungarn, Frankreich, Belgien, Italien, Spanien, Portugal, Malta, Rußland lateinischen Ritus', Algier, Mexiko, Zentral- und Südamerika, den Patriarchat Goa und die Philippinen. 8 Dgl. § 40, 2. Es sind teils terrae, ubi haereses impune grassantur et non observatur Sanctum Officium, nämlich heutzutage Teile von Deutschland ($j 72) und der Schweiz, ferner Groß­ britannien und Irland, Holland, Luxemburg. Skandinavien, Rußland griechischen Ritus ^Griechenland, die Balkanstaaten, sowie alle außereuropäischen Länder mit Ausnahme der in Anm. 2 genannten. 4 Als den schwarzen Papst bezeichnen die Römer den Jesuitengeneral Der wirkliche Papst trägt sich nach § 67 weiß. 6 Für dieses, aber auch für Österreich und die Schweiz vgl. jetzt: Die katholische Kirche (S. 925 A. 1) II, 1900, für die Schweiz im besonderen B ü ch i, Die katholische Kirche in der Schweiz, 1902, für Österreich die von der Leogesellschaft für die einzelnen Diözesen herausgegebenen Einzelbeschreibungen, bis jetzt Cigri, Gurk 1896, Stradner, Seckau 1897, Benesch, Königgrätz 1897, Greinz, Salz­ burg 1898, Ladenbauer, Budweis 1899, Föhringer, St. Pölten 1900, Schindler, Prag 1902.

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IV. öffentliche- Recht.

namigen Erzbistum und den SuffraganbiStümern Augsburg, Paffau, Regensburg, weiter die Kirchenprovinz Bamberg mit diesem als Erzbistum und den Suffraganaten Würz­ burg, Eichstätt und Speyer. Dann am Oberrhein die oberrheinische Kirchenprovinz (Bullen: Provida solerwpe vom 16. August 1821 und Ad dominier gregis custodiam vom 11. April 1827) mit Freiburg als Erzbistum (Baden und von Preußen die beiden Hohenzollern) und den SuffraganbiStümern Rottenburg (für Württemberg), Mainz (für Hoffen), Fulda (für Kurheffen, jettt Preußen) und Limburg (einst Raffau, jetzt Preußen). Für Preußen wurden errichtet (Bulle: De salute animamm vom 16. Juli 1821) die niederrheinische Kirchenprovinz mit Köln als Erzbistum und Trier, Münster und Pader­ born als SuffraganbiStümern, ferner die Provinz Gnesen-Posen mit diesen unierten Diözesen als Erzbistum und Kulm (Pelplin) als Suffraganat, endlich die exemten, un­ mittelbar dem Papst unterstellten (§ 67) Bistümer Breslau (mit zum Teil österreichischem Gebiet *) und Ermland. Weiter erhielt zwei gleichfalls exemte Bistümer Hildesheim und Osnabrück (dies erst 1858 erigiert) das jetzt preußische Hannover (Bulle: Impensa Romanorum vom 16. Marz 1824), woran sich schließlich noch die auf Grund deS Frank­ furter Friedens von 1871 neu umschriebenen und von der Kirchenprovinz Befanpm ab­ getrennten, nunmehr exemten Bistümer Straßburg und Metz rerhen. Bon MisfionSgebieten kommen auf das Deutsche Reich zwei apostolische Delegationen, zwei ebensolche Präfekturen und drei apostolische Vikariate. In Gestalt einer apostolischen Delegation ftir Brandenburg und Pommern hat die Bulle: De salute animamm dem Fürstbischof von BreSlau als apostolischem Delegaten mit dem Propst zu St. Hedwig in Berlin als Subdelegaten eine Anzahl von Pfarreien zur Verwaltung angewiesen. Die­ selbe Bulle hat ferner von dem gleich zu erwähnenden Vikariat der nordischen Missionen die Pfarreien Minden i. W., Halberstadt, Magdeburg, Stendal, Halle u. a. abgetrennt und als Delegation Preußen links der Elbe dem Bischof von Paderborn zu immer­ währender Administration überwiesen *. Die apostolische Präfektur Lausitz-Meißen umfaßt die sächsische Oberlausitz mit Bautzen, wo auch ein Domkapitel sich erhalten hat; deffen Dekan*, der Präfekt, residiert aber jetzt in Dresden, da er zugleich apostolischer Vikar für Sachsen ist. Seit dem 29. Juli 1868 besteht die apostolische Präfektur für SchleswigHolstein mit dem Bischof von Osnabrück als Präfekten. Dieser ist auch Provikar des Nordens für das apostolische Vikariat des Nordens (die Hansestädte, die beiden Mecklen­ burg, Oldenburg, Fürstentum Lübeck, Schaumburg-Lippe und Helgoland). Dem apostolischen Vikariat Anhalt (Bernburg, Köthen, Deffau) steht als Vikar der jeweilige Bischof von Paderborn vor, während das 1763 errichtete Vikariat für Sachsen, deffen Quasikathedrale die Dresdener Hofkirche ist, von einem eigenen apostolischen Vikar mit Bischofsweihe geleitet wird. Hinschius, Kr. II § 98; Mejer, Die Propaganda (§ 71); Schlecht, Bayerns provinzen, 1902; Gerarchia, 1904 (§ 69).

Kirchen­

Für die überseeischen deutschen Gebiete bestehen z. B. eine Mission aus den Karolinen, aposto­ lische Präfekturen für Togo, Kamerun, Unter-Eimbabefien, Kaiser-Wilhelms-Land, die deutschen Salomon­ inseln, die Marianen4 1, * und * apostolische Vikariate für die Oranjefluß-Kolonie, Süd-Sanfibar, Nord­ sanfibar, Süd-Diktoria-Njansa, Uniamjemba, Tanganjika, Neupommern, Gchifferinseln, Südschantung. Die katholische Kirche (S. 925 A. 1) III: Aus dem Erdenrund, 1902; Gerarchia, 1904 (§ 69). 1 Umgekehrt gehört die Grafschaft Glatz (eigenes Dekanat) zum österreichischen Erzbistum Prag. * Dies Gebiet steht also nicht unter der iurisdictio ordinaria des Paderborner Bischofs und auch nicht unter dem «meinen Recht (z. B. kein consensus und Consilium capituli I). Gütige Mitteilung von Herrn Prof. Dr. Fr. Freisen in Paderborn, von dem hierüber demnächst eine be­ sondere Untersuchung »Paderborner Diözesanrecht" erwartet wird. 8 Die Propstei ist evangelisch und wird gleich den Kanonikaten anderer an die Evangelischen gekommener und aufrechterhaltener Stifter (z. B. Merseburg, Naumburg, Zeitz, Brandenburg) an veriente Staatsmänner, Militärs, Geistliche u. f. w. verliehen. Vgl. Schoen, Pr. Kr. (§4$ 3) § 23. 4 Bezüglich der Präfektur der Marianen vgl. jetzt Leos XIII. Bulle Quae mari sinico vom 17. September 1902 über die Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse aus den Philippinen, A. s. k. Kr. LXXXIII, 1903.

4.

Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

§ 78.

929

Die Metropoliten.

Die Metropoliten sind Bischöfe, die außer der bischöflichen Jurisdiktion in ihrer (Erz-)Diözese darüber hinaus 1. das ins metropoliticum über die Bischöfe einer Provinz, ihre Suffragane, innehaben, d. h. gegenwärtig noch die zweitinstanzliche Gerichtsbarkeit in Ehe-, Berwaltungsstreit-, Straf- und Disziplinarsachen, 2. das Devolutionsrecht mit der Befugnis, im einzelnen Fall, wenn der besetzungsberechtigte Bischof die Besetzung eines Kirchenamtes schuldHasterweise nicht oder nicht formrichtig vornimmt, unter denselben Beschränkungen1 * *statt 4 * seiner zu besetzen, 3. die Überwachung der bischöflichen Residenz, 4. die selten praktizierten Rechte der Berufung einer Provinzialsynode, der leichteren Straf­ justiz über die Suffragane auf ihr und, mit synodaler Zustimmung, auch die Befugnis der Visitation der SuffraganbiStümer. Als Ehrenrecht hat der Mettopolit den Gebrauch des PalliumS, einer drei Finger breiten, weißwollenen Schulterbinde, in die schwarze Kreuze eingewirkt find (vgl. § 67 und S. 824 A. 2). Es wird ihm auf feine inner­ halb dreier Monate auszusprechende Bitte fhr seine Person mit Rücksicht auf seinen Sitz gegen Treueid und Palliumtaxe zum Gebrauch bei Pontifikalhandlungen in den Kirchen seiner Provinz verliehen, womit er erst8 den Titel und die vollen Rechte des Erzbischofs, insbesondere zu Weihehandlungen und Synodenberufung, erhält8. Auch darf er sich daS Tragkreuz vorantragen laffen, und ist er als Excellentissime et reverendissime an­ zureden Hinschius, Kr. II §§ 77, 78, III § 148.

§ 74.

Die Bischöfe.

Die Bischöfe (mit Einschluß der Erzbischöfe für beide Riten zurzeit zusammen gegen 900) sind die ordentlichen Seelenhirten und Regenten ihrer Bistümer oder Diö­ zesen. Die durch die Konsekration erworbenen Weiherechte haben sie teils mit den Priestern gemein (iura communia), teils vor ihnen voraus (iura pontificalia), so die Befugnis zur Ordination, Firmung, Bischofsweihe, Konsekration von Kirchen8, Anfertigung des ChrisamS. Die ordentlichen JuriSdiktionsrechte werden später einzeln angeführt werden; zu ihnen kommen päpstlich delegierte und zwar kraft gesetzlicher Delegation (§ 40, 3) oder kraft persönlicher, besonders jeweilen auf 5 Jahre (Quinquennalfakuttäten, für daS forum internum und externum, namentlich für Ehedispensen) oder auf 10 Jahre (Dezennalfakultaten, z. B. drittinstanzliche Gerichtsbarkeit). Bischöfliche Ehrenrechte gehen auf den Thronfitz (cathedra episcopalis) im Chor der Kathedrale, daS Tragen der Mitta, des Brust­ kreuzes, des Krummstabes (pedum curvum), des Rings, eines violetten TalarS (gewöhn­ lich schwarz mit violetter Binde, violetten Handschuhen usw.), die Anrede: Dlustrissime et reverendissime6.* HinschiuS, Kr. II §79, III § 193 a. E.; Rinaldi-Bucci, De insignibusepiscoporum, 1891. Neueste Formel der Ouinauennalfakultüten von 1896 in D. Z. f. Kr. VII, 1897, S. 139 und A. f. t Kr. LXXVII, 1897, 6. 363.

1 Devolutio fit cum qualitatibus et personis, quae erant in prima collatione. 1 Dem Erzbischof und jetzigen Kardinal Fischer von Köln wurden aber durch das apostolische Bestätigungsschreiben vom 14. Februar 1903 für oie Zeit bis zu der in einem späteren Konsistorium (25. Juni) erfolgten Verleihung des Palliums päpstliche Spezialvollmachten zur Vornahme der Weihe­ handlungen und der vorbehaltenen JuriSdiktionsrechte «teilt. 8 Wie den Titel „Erzbischof", so erhalten Bischöfe ohne Provinz und Metropolitanrechte mit­ unter auch das Pallium, entweder für die Diözese (Benedikt XIV. für Ermland: Pallium und Vor­ tragkreuz) oder für ihre Person (1892 Bischof Eenestrey von RegenSburg). 4 In Bayern und Baden ist daS Prädikat -Exzellenz" auch staatlich ihm zugebilligt. 6 Zu bloßer Benediktion kann ein Priester delegiert werden. 6 Hochwürdiaer oder Hochwürdigster Herr Bischof, Bischöfliche Gnaden. In Erlassen (nicht an den Souverän oder seine Behörden): Wir 3E, von GotteS und des Apostolischen Stuhles Gnaden. Encyklopädie der Recht-wtffenschaft. 6., der Neubearb. 1. Aufl. Bd. II. 59

IV. Öffentliches Recht.

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§ 75.

Domkapitel «ad Kapitel-vikar.

Die Domkapitel1 kommen in den deutschen Bistümern außer als Wahlkörper für die Bischofswahl (§ 96; aber nicht in Bayern!) wesentlich nur noch als nominelle Interims­ regenten der Diözese (sede vacante) in Betracht, während tatsächlich ein von ihnen binnen acht Tagen zu wählender Kapitelsvikar, vicarius capituli, die wirkliche und unabhängige Leitung mit inrisdictio quasi ordinaria (aber keine Neuerungen wie freie Ämterverleihung

oder Veränderung von Kirchenämtern) und auch mit den päpstlichen Fakultäten des Ordinarius (feit 1897/98) bis zur Wiederbesetzung hat8. Die Einholung des kanonischen consensus mit Nichtigkeitsfolge im Fall der Unterlassung und des Consilium ohne diese Wirkung (§ 80, 4) spielt praktisch keine große Rolle mehr. Daneben haben die Kapitel die Autonomie zum Erlaß von Kapitelsstatuten, jedoch nur noch mit Zustimmung des Bischofs, und die Verwaltung des ihnen als juristischen Personen gehörigen Vermögens samt Siegelrecht. Die Besetzung mit Domkapitularen (eventuell auch Ehrendomherren) und Domvikaren oder -Präbendaren ist verschieden stark; an Dignitäten (gar keine in Straßburg und Metz) begegnen in den meisten altpreußischen und in den bayrischen Kapiteln Propst und Dekan, in Gnesen-Posen bloß ein Propst (so auch im Stift Aachen), in der oberrheinischen Kirchenprovinz und in den hannoverschen Bistümern nur ein Dekan für beide Funktionen. Die Domkapitulare tun Chordienst. Sie beziehen Staatsgehalt. inschius, Kr. II §§ 81 ", 82", 83, 84, 88", 89"; Phillips, Die Domkapitel, in christen II, 1856; Schneider, Die bischöflichen Domkapitel 2,* 1885; Daux, Les chapitres cathedraux de France, 1888; Klein, Die landeSgesetzliche Stellung der Domkapitel in der ober­ rheinischen Kirchenprovinz, A. s. k. Kr. XLI, 1879; Schöttl, Der Anteil der Domkapitel an der Diözesanregierung, 1846; Petz, Der Bischof und das Domkapitel, 1875; Gehring, Die katholischen Domkapitel Deutschlands als juristische Personen. 1851; Hüller, Die juristische Persönlichkeit der katholischen Domkapitel in Deutschland, 1860; Roßhirt, Die Vermögensfähigkeit der Domkapitel, A. f. k. Kr. IX, 1863; Allioli, Die juristische Persönlichkeit der Domkapitel, 1868; Porsch, Die juristische Persönlichkeit der Domkapitel, A. f. k. Kr. LXVII, 1892; Rau, Die Rechte der Domkapitel während der Erledigung und Behinderung des bischöflichen Stuhls, Th. O. XXIV, 1842; Ritter. Der Kapitularvikar, 1848; Korn, Die rechtliche Stellung des Kapitularvikars, 1882.

t

5 76. Die bischöflichen Behörden, Ordinariat, Seneralvikariat, Offizialat. Die Domkapitulare werden (in Bayern nach ausdrücklicher Vorschrift des Kon­ kordats) meist mit noch anderen Geistlichen heute in erster Linie als in dieser Stellung durchaus abhängige Räte der bischöflichen Behörden verwendet. Deren sind in der Regel zwei, zunächst eine Gerichtsbehörde, das Offizialat, d. h. das Diözesangericht mit dem Offizial an der Spitze, dessen Mitglieder in der Regel entscheidende Stimme haben8, und daneben das Ordinariat, die Regierungsbehörde, unter dem Vorsitz des Bischofs und ohne rechtliche Selbständigkeit ihm gegenüber (votum consultativum, eventuell decisivum). In größeren Diözesen bestellt sich jedoch der Bischof oft einen (in Straßburg und Metz, wo auch hierfür die Organischen Artikel noch maßgebend sind, zwei*) Vertreter zur Ausübung der Jurisdiktion, den Generalvikar (vicarius generalis sive in spiritualibus, § 40, 3). Für gewisse Amtshandlungen braucht er ein Spezialmandat, z. B. für 1 Ein Kollegiatstift von Chorherren, die nach einem Statut von 1824 leben, besteht in Aachen 2 Wenn der bischöfliche Stuhl behindert ist (sede impedita), wird eventuell ebenfalls ein Drkar gewählt, vorbehältlich der Verfügungen des sofort zu benachrichtigenden Papstes, oder es wird von diesem ein Administrator als apostolischer Vikar bestellt. 8 Bisweilen ist ihnen nach staatlicher Vorschrift ein Laie mit Richterqualität beigegeben. Vgl. darüber und über daS allerdings nur in der Erzdiözese Freiburg systematisch ausgebaute Recht der kirchlichen Laienbeamten: Meister, Das Beamtenrecht der Erzdiözese Freiburg, in Stutz, Kr. A. H. 9, 1904. ' 4 *Etwas ** anderes ist es, daß der Fürstbischof von Breslau für den österreichischen Teil seiner Diözese in Teschen einen besonderen Generalvikar hält, ähnlich wie in der Diözese Münster für den oldenburgischen Teil ein besonderes Offizialat in Vechta besteht und in der österreichischen Diözese Brixen em besonderes Generalvikariat Feldkirch für Vorarlberg.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

931

die freie Verleihung von Benestzien; sonst amtet er mit iurisdictio quasi ordinaria, aber nur traft bischöflichen Auftrags bis auf Widerruf oder Abgang des Bischofs, sei es durch Tod oder sonstwie. Wo er vorhanden ist, sitzt er regelmäßig der Regierungsbehörde vor, die dann nach ihm Generalvikariat heißt. Hinschius, Kr. II § 87 n, III § 167; Kober, Über den Ursprung und die rechtliche Stellung der Generalvikare, Th. Q. XXXV, 1863; Moy, Dom bischöflichen Generalvikar, A. f. t Ar. IV, 1859; Friedle, Über den bischöflichen Generalvikar, A. f. t. Kr. X V, 1866; Schmalz, De inatituto officialis 8ive vicarii generalis episcopi, Bresl. Diff., 1899; Heiner, Darf ein Laie als Justitiar am geistlichen Gericht zur Untersuchung in Disziplinar- und Kriminalangelegenheiten gegen einen Kleriker herangezogen werden? A. f. k. Kr. Dill, 1884, dagegen v. Scherer, Ät. I $ 91 N. 91.

§ 77.

Der »eihbischof.

Der Weihbischof (eventuell ihrer mehrere) ist der Gehilfe des Ordinarius in pontificalibus (§ 40, 3). Da für ihn wegen des Verbots, auf ein Bistum mehr als einen Bischof auSzuweihen, kein Titel am Ort zu haben ist, muß er auf einen episcopatus in partibus infidelium als jetzt sogenannter episcopus titularis (zurzeit gegen 400; die Titel in der Gerarchia, § 69) auSgeweiht werden, und zwar im Auftrag des Papstes, der ihn auf bischöflichen Antrag bestellt. Hinschius, Kr. II § 85 m B; Kohn, Die Weihbischöfe, A. f. t. Kr. XDVI, 1881.

8 78. Koadjutore«. Koadjutoren für kranke oder altersschwache Bischöfe (coadintores temporarii), vom Papst bestellte Hilfsregenten eventuell mit Bischofsweihe, kommen heute selten vor, eher noch (z. B. in den Diözesen Straßburg und Metz nach der deutschen Eroberung), aber nur bei urgens necessitas vel evidens utilitas ecclesiae, ein coadiutor perpetuns cum spe succedendi, ohne Anteil an der Regierung bei Lebzeiten deS coadiutus gegen deffen Willen, aber mit einem Recht zur Sache (ins ad rem) auf daS Bistum, das beim Tod deS coadiutus durch Jpsojurenachfolge zum ius- in re wird. HinschiuS, Kr.II ß 89IBC; Held, Das Recht zur Aufstellung eines KoadjutorS mit dem Recht der Nachfolge, 1848; Phillips, Die Koadjutoren, in Derm. Schriften II, 1856; Grün au, De coadiutoribus episcoporum, BreSlauer Diff., 1894.

§ 79.

Lauddekaue, Sturalkapitel, Kouferenze«.

Die Aufsicht über die Pfarrer und Benefiziaten eines Unterbezirks der Diözese, meist Dekanat geheißen, übt als bischöflicher Delegatar gewöhnlich ein Dekan (ohne Dekanatspfründe!) aus, der vom Bischof (bisweilen auf Vorschlag) ernannt oder von den Dekanatsgeistlichen gewählt und bischöflich bestätigt wird. Er hat aber nur zu ermahnen und eventuell an den Ordinarius zu berichten, mit deffen Behörden er den Aktenverkehr vermittelt, wie er auch für Aushilfe bei Krankheit oder Vakanz sorgt. Die Dekane leiten Konferenzen zur Herstellung gemeinschaftlicher praktischer oder wissenschaftlicher Arbeiten (Konferenzaufsätze) und zensieren diese. Sie versammeln aber auch die Benefiziaten zu Landkapiteln, insbesondere für die Wahl des Verwalter- deS Landkapitel­ vermögens, genannt Kammerer, und der Definitoren, Gehilfen deS Dekans, die oft Unterdekanaten oder Regiunkeln vorstehen. Bisweilen (z. B. seit 1902 in der Erzdiözese Freiburg) sind besondere Stadtkapitel mit Stadldekanen eingerichtet. Hinschius, Kr. II § 91.

§ 80. Die Pfarrer und ihre Gehilfen. Die Diözesen sind in feste Seelsorgebezirke, Pfarreien 1 oder minderberechtigte Kuratien, untergeteilt. In ihnen verwaltet unter dem Bischof ein auf ein Benefizium 1 In Preußen steht nunmehr ein aus Wunsch des Episkopats erlaffenes Gesetz vom 29. Mai 1903 nach dem Vorbild ähnlicher evangelischer Organisationen die Bildung von (städtischen) Gesamt­ verbänden vor. A. f. k. Kr. LXXXIII, 1903, D. Z. s. Kr. XIII, 1903.

IV. öffentliche- Recht.

982

fest angestellter Pfarrer (Kurat) mit Priesterweihe (ein Diakon nur bei Nachholung der Priesterweihe binnen Jahresfrist) zu eigenem Recht die gesamte Seelsorge (cur* animartm), speziell Predigt und Katechese, eine in Rat und Ermahnung sich betätigende kirchliche Zucht, die nichtpontifikalen Sakramente, die Kirchenbuchführung, die Schulaufsicht, die Kirchengutsverwaltung und das Rektorat, d. h. die gottesdienstliche Verfügung auch über die anderen Kirchen in der Pfarrei als die Pfarrkirche. Der Pfarrzwang äußert sich noch darin, daß ohne des Pfarrers oder Bischofs Erlaubnis kein anderer Geistlicher in der Pfarrei tätig werden darf, und daß die Pfarrkinder (qnißquis est in parochia, est etiam de parochia!) wenigstens für Taufe, Aufgebot, Eheschließung, Osterbeichte und-Kommunion, Krankenölung und Begräbnis (iura parochialia) sich an ihn halten müssen. Neben Altarbenefiziaten, z. B. Frühmeffern, Kaplänen, stehen dem Pfarrer zur Seite Pfarrvikare, die ohne Pfründe, von ihm abhängig und ad nutum episcopi sind. Dasselbe gilt von den Pfarrverwesern, die einen kranken oder altersschwachen Pfarrer vertreten oder eine vakante Stelle versehen, nur daß diese die entsprechenden AmtSbefugnifle haben. In­ folge des durch den Kulturkampf und andere Gründe veranlaßten Priestermangels er­ halten manche Stellen keine fest beliehenen Benefiziaten, sondern werden nur durch jeder­ zeit abrufbare Verweser versehen, wodurch freilich ein dem älteren und neueren Kirchen­ recht widersprechender tatsächlicher Zustand geschaffen ist. Hinfchius, Sh. II §§ 92, 93; Uhrig, Der Recht-begriff von Pfarrei, Th. O. LXXII, 1890; Laurin, Wesen und Bedeutung de- Domizils, A. f. k. Ar. XXVI, 1871; Sägmüller, Die Ent­ stehung und Entwicklung der Kirchenbücher im kath. Deutschland bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, Th. O. LXXXI, 1899; Joder, L’inamovibilite des desservants, 1882; Bachem, Die Amtsgewalt der Kapläne nach dem Tod ihres Pfarrers, 1878; Zimmermann, Ueber die amtliche und rechtliche Stellung der Pfarrkapläne in der Diözese Mainz, A. f. f. ät. XLII, 1879; Denenbourg, Etüde canonique sur les vicaires paroissiaux, 1871; Kohn, De cooperatoribus, A. f. t. Kr. XXXIX, 1878; Wollmann, De provisoribus ecclesiasticis, 1863; Freisen, Rechte deS Pfarrers über die sog. Hilfsgeistlichen, Theol.-prakt. Q. LVI, 1903.

§ 81.

Präzedenz, Obödleuz, Exemtion (katholische Keldpropstei).

Höhere Weihe oder höhere Jurisdiktion bedingt eine Über-, niedere Weihe, geringere

Jurisdiktion eine Unterordnung. Jene kommt zum Ausdruck in einem Vorrang, maioritas, diese äußert sich in Ergebenheit, reverentia. Der Vorrang besteht außer in den bei den einzelnen Ämtern aufgeführten Titeln und Abzeichen namentlich im Vor­ tritt, praecedentia, der auch dem Weltklerus allgemein gegenüber dem Ordensklerus gebührt. Besteht dem Übergeordneten gegenüber auf Grund einer bei demselben vor­ handenen, unmittelbar oder mittelbar den anderen Teil erfaffenden Jurisdiktion gerade­ zu eine aktive Unterwerfungspflicht, so spricht man von Obödienz. Diese wird aber auSgeschloffen durch Entrückung und Unterstellung unter einen anderen Obern, Exemtion. Von solcher kommt für Deutschland außer der Exemtion gewiffer Bistümer (§ 72) von der Metropolitangewalt und neben der Ordensexemtion (§ 82, 1) wesentlich nur noch in Betracht diejenige der Militärseelsorge. Die katholischen Angehörigen deS königl. preußischen Landheeres und der kaiserlichen Marine sowie ihre Seelsorger sind nämlich seit 1868 von der Jurisdiktion der Diözesanbischöfe eximiert (aber wechselseitige Ermächtigung zur Aus­ hilfe im Beichtstuhl!) und einem vom Papst auf Vorschlag des Kaisers ernannten, kirch­ lich dem römischen Stuhl, militärisch dem preußischen Kriegsministerium unterstellten Titularbischof als katholischem Feldpropst äugerotefen \ Hinschius, Ar. II §§ 81, 95, III § 156H; Heiner, Granclaude, Du droit de pr^seance dans l’Eglise, R. des Über den Umfang des dem Bischof von seinem Diözesanklerus zu LXXVI, 1896 (Abdruck der Obedienzeide der einzelnen Diözesen);

Tie kanonische Lbedienz, 1882: Sciences eccles. 1874; Saedt, leistenden Gehorsams, A. f. k. Kr. Lehmkuhl, Die Tragweite der

1 In Bayern werden die Militärgeistlichen aus Vorschlag der Tiözesanbischöse vom König er­ nannt und sind der Jurisdiktion der ersteren unterworfen. Im Kriegsfall ist der Erzbischof von München-Freifing Feldvikar.

4.

Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

933

obedientia, Thcol. prakt. O. L1II, 1900; Schneider, Der kanonische Gehorsam, A. f. t Kr. LXXXII, 1902; v. Ketteler, Die Gefahren der exemten Militärseelsorge, 1869; Lünnemann, Handbuch der katholischen Militärseelsorge, 1870; Bielik, Geschichte der L k. Militärseelsorge, 1901.

8 88. Die kirchliche« Seuoffenfchastev. 1. Drben1 * *heißen Vereinigungen von Männern (Geistlichen ober Laien) oder von Frauen zu gemeinsamem Leben im Sinn der drei evangelischen Rate, welche vom Papst als solche approbiert sind, und in denen durch die professio religiosa die drei* Gelübde der persönlichen Armut (votum paupertatis), der Keuschheit (v. castitatis) und des Gehorsams (v. oboedientiae) feierlich (als vota sollennia) auf Lebenszeit abgelegt werden. Doch hat zunächst ein Probejahr, novitiatus, vorauszugehen. Nach Ablauf des­ selben wird, und zwar nach neuestem Recht bei den weiblichen Orden nicht anders wie seit längerer Zeit bei den männlichen, der Novize zunächst nur zur Ablegung der einfachen Gelübde (vota simplicia) zugelafsen, die zwar auch schon auf Lebenszeit binden, jedoch so, daß unter Aufhebung aller Gelübdewirkungen der Papst noch davon dispensieren, oder der Orden den Betreffenden entlasten kann, weshalb ihm auch vorderhand zwar nicht mehr Verwaltung und Genuß, wohl aber das Eigentum seines (liegenfchastlichen) Ver­ mögens bleibt. Erst nach weiteren drei Jahren schließt das Aufnahmeverfahren mit den feierlichen Gelübden ab. Damit verbindet sich der Erwerb der geistlichen Standesrechte*, die Tilgung des defectus natalium4,* *diejenige jedes früheren, etwa entgegenstehenden votum Simplex, der Erwerb eines lebenslänglichen UnterhaltSanfpruchS gegen den Orden, über auch der Verlust des eigenen (Grund-)VermögenS an diesen, derjenige eines bisher innegehabten BenefiziumS samt der Unfähigkeit, ein neues, für einen Weltgeistlichen be­ stimmtes (beneficium saeculare) zu erwerben *, wovon nur für den Papat, Kardinalat und Episkopat, die auch Ordensleuten offenstehen, eine Ausnahme gemacht wird, endlich persönliche Erwerbs-* und Eheunfähigkeit (öffentlich - trennendes7 impedimentum voti sollennis, § 87). Voraussetzung für die Ablegung der einfachen Gelübde ist namentlich daS vollendete 19. Lebensjahr bei Männern, das vollendete 16. bei Frauen8. Innerhalb von fünf Jahren kann wegen Nichterfüllung einer durch das gemeine Kirchenrecht oder die Ordensstatuten gemachten wesentlichen Voraussetzung auf Antrag des beteiligten Profeffen oder Klosters sowie der Eltern jenes auf Nichtigkeit erkannt werden. Eigen­ mächtiges Berlaffen des Ordens hebt die Pflichten nicht auf, begründet aber daS mit

1 Den Jesuitenorden samt den verwandten Orden und Kongregationen (heute noch Lazaristen und Schwestern vom h. Herzen Jesu), der auch in der Gegenwart darum, weil er die Kirche für seine extreme Richtung in Anspruch nimmt und weite Krnse im Sinne der Unversöhnlichkeit oder doch eines den Staat verkürzenden Ausgleichs beeinflußt, als ein wesentliches Hindernis für die An­ bahnung eine-ehrlichen modus vivendi zwischen Staat und Kirche erscheint, hält daS oben S. 910 angeführte Reichsgesetz vom Gebiet deS Deutschen Reiches in der Weise fern, daß ibm die Errichtung von Niederlassungen. die Abhaltung von Missionen sowie jede andere Tätigkeit in Kirche und Schule untersagt ist. Der g 2 deS Gesetzes, wonach die Angehörigen des Ordens, wenn sie Ausländer find, auS dem Bundesgebiete auSgewresen werden können, während, wenn fie Inländer find, ihnen der Austnthalt in bestimmten Bezirken oder Orten versagt werden kann, ist in seinem ersten Teil über­ flüssig, in seinem zweiten seit 1873 unpraktisch und gefährdet, da, zumal nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes, an die Anwendung dieser die fundamentalsten Garantien deS Rechtsstaates für einzelne Reichsangehörige aushebenden Bestimmung doch nicht mehr gedacht werden kann, wie alles

bloß papierene Recht daS Ansehen deS Staates mehr, denn daß er eS schützt. 8 Über daS vierte Gelübde der Jesuiten oben § 40, 5.

8 Oben S. 854 A. 2 und § 65. 4 § 64, 3b a. E. 8 ES gilt der Grundsatz: saecularia saecularibus, regularia regularibus. • Rach B G B. find Mönche und Rönnen rechts- und vermögenSfähig. Doch bleiben landeSrechtliche Bestimmungen — nach E.G. Art. 87 — unberührt, die, sofern die Gelübde auf Lebens­ ader unbestimmte Zeit abgelegt werden, für den Erwerb durch Schenkung oder von Todes wegen staat­ liche Genehmigurm vorschreiben. Dgl. Lrt. zu § 57 a. E. 7 Über dessen staatliche Nichtanerkennung oben S. 922 A. 1. 8 Die Ablegung der feierlichen Gelübde kann nach Staatskirchenrecht in Preußen erst mit 25 bezw. 21, in Bayern mit 21 bezw. 33 Jahren geschehen.

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IV. Öffentliches Recht.

excommunicatio latae sententiae (§ 21, 3) und Einsperrung bedrohte Delikt der apoataaia a regula sive a monachatu. Ein unverbesserlich der OrdenSzucht widerstrebender Regulare kann unter statutarisch festgelegten Voraussetzungen ausgestoßen werden, was aber keine Entbindung von den Gelübden, sondern lediglich die Suspension der Gehorsamspflicht zur Folge hat. Die Pflichten, wennschon mit entsprechenden Milderungen, beläßt aber auch die päpstliche Erlaubnis zum Leben in der Welt außerhalb des Klosters, Säkularisation, die eher gewährt wird als die von der römischen Praxis tunlichst ver­ miedene völlige Entbindung von den Gelübden durch päpstliche Dispensation (Laisierung).

Heimbucher, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche, 2 Bde, 1896/97; v. Scherer, Kr. II tztz 147, 148: Vermeersch, Praelectiones canonicae. De religiosis inatitutis et personis, 2 Bde., 1902; BraunSberger, Rückblick auf daS katholische OrdenSvestn im 19. Jahrhundert, 1901; Gengler, Die Wirkungen deS votum paupertatis, Erlanger Diff., 1898; Mayer, Die professio religiöse, 1895. Die Klöster (clauatra, monasteria) der Männerorden find vom Pfarrrecht eximiert; sie werden, wie übrigens meist auch die Frauenklöster, von eigenen Geistlichen (bei Männer­ klöstern von Regularen) versehen. Auch von der bischöflichen Jurisdiktion find die Klöster grundsätzlich eximiert. Doch hat das Tridentinum durch daS Mittel der gesetzlichen Delegation päpstlicher AuffichtSbefugnisse (§ 40, 3) die Klöster z. B. bezüglich der Überwachung der

Orthodoxie, der Säkularseelsorge über Nichtregulare u. s. w. wieder unter die Bischöfe gebracht. So auch für die Kontrolle der Beobachtung der Klausur, wenigstens bei Frauen­ klöstern. Die für die meisten Klöster vorgeschriebene clausura bedeutet bei Männerorden die Verpflichtung, fich nicht willkürlich und allein aus dem Kloster zu entfernen, oder Un­ befugten, insbesondere Frauenspersonen (ausgenommen Fürstinnen, Wohltäterinnen), Einlaß in die aepta, den meist nicht die ganze Klosteranlage umfassenden abgeschlossenen Raum, zu gewähren, für Nonnen dagegen die Pflicht, das Kloster überhaupt nur aus dringendem, vom Bischof zu genehmigendem Grunde zu verlassen, und allein den geistlichen Obern und dem Klostergeistlichen1 in amtlicher Funktion sowie den vom Bischof oder Ordensvorgesetzten schriftlich Ermächtigten den Eintritt zu gestatten. Die Errichtung eines Klosters bedarf außer der päpstlichen auch der bischöflichen Erlaubnis2.* 4 Mit * der § 29, 3c mit S. 853 A. 4 erwähnten Ausnahme sind die einzelnen Klöster wie auch die Orden juristische Personen und erwerbsfähig. Hinschius, Kr. IV § 2081 c, Die.Orden und Kongregationen der katholischen Kirche in Preußen, 1874; v. Scherer, Kr. II §§ 145, 146; Joder, Das Beichtvateramt in Frauenklöstern, A. f. k. ÄY.1LXXVIII, LXXIX, 1898/99.

Dem einzelnen Kloster steht ein Abt, Prior, Superior, Guardian bezw. eine Abtissin, eventuell mit amovibeln Gehilfen (Propst, Dekan), vor. Der Vorsteher wird meist von den Konventualen gewählt und vom Bischof oder Papst bestätigt; er leitet das Kloster und Übt die Disziplin über die Klosterinsaffen. Diese zerfallen nach hergebrachter Weise in profeaai ad chorum mit mindestens Subdiakonatsweihe, die allein Stimmrecht haben und vollberechtigt sind, und in dienende Brüder, Laienbrüder, Konversen. Der Konvent der Vollmönche steht dem Klostervorsteher beratend zur Seite. Mehrere Klöster der alten Orden bilden auch heute noch oft eine Kongregation, wie z. B. die Beuroner Kongregation der Benediktiner, die selber wieder seit 1893 einer Gesamtkongregation aller schwarzen Benediktiner unter einem Abt-Primas angehört 8. Bei den Bettelorden bilden die Klöster eines gewissen Bezirks eine Provinz mit dem Provinzialobern und dem ihn wählenden

1 Die Beichtväter der Nonnen werden auf Grund des Trldentinums und der Konstitution Benedikts XIV. Pastoralis cura von 1748 jeweilen auf drei Jahre besonders approbiert. 8 Ebenso nach Etaatskirchenrecht (Preußen, Sachsen, Bayern, Baden, Reffen) der Staats­ genehmigung. 8 Die Cistercienscr zerfallen heute in zwei Gruppen, die von der gemeinen Observanz und die 1893 vereinigten, 1902 reformierten (Trappisten). Unter dm regulierten Chorherren bilden seit 1898 die Prämonstratenser wieder einen einheitlichen Orden. 4 Die verschiedenen Abarten der Mmderbrüder, wie Observanten, DiSkalzeaten (Barfüßer), Rekollekten u. a., find feit 1897 wieder vereinigt.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

935

Provinzialkapitel zur Seite. Den Abschluß der Organisation aber bildet der in Rom residierende General mit dem Generalkapitel. v. Scherer, Kr. II § 146.

Den ganzen Orden und das einzelne selbständige Kloster kann nur der Papst auf­ heben ; die Aufhebung einer unselbständigen Niederlassung vollzieht die Ordensleitung nach den Grundsätzen einer Veräußerung. Die Aufhebung beseitigt die Rechtswirkung der Gelübde nur hinsichtlich der Gehorsamspflicht und Vermögensunfähigkeit. Besteht übrigens die stabilitM loci, d. h. die Bindung der Verpflichtung zum Ordensleben, nicht für ein bestimmtes Kloster, sondern für eine ganze Provinz oder gar für den ganzen Orden, so findet einfach Übertritt in ein anderes Kloster statt. Übertritt in einen strengeren Orden ist auch sonst möglich.

v. Scherer, Kr. II § 148. 2. Kongregationen sind ordensähnliche Vereinigungen (quasi reguläres), die zwar auch, nach einer Regel gemeinsam lebend, die Erreichung christlicher Vollkommenheit in der Askese anstreben, aber weder vom Papst als Orden approbiert find, noch vota sollennia ablegen oder Klausur halten. Ihre einfachen Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams sind, wenn auf Lebenszeit abgelegt, vom Papst, sonst vom Bischof diSpenfierbar, wobei das votum castitatis Simplex nur ein aufschiebendes kirchliche- Ehe­ hindernis (§ 87) begründet, das votum paupertatis aber daS dominium radicale, die Substanz, dem Kongregationsangehörigen beläßt, während ihm Verwaltung und Nutzung nur in jedesmaligem Einvernehmen mit dem Superior oder dem Apostolischen Stuhl zukommt (aber ohne Nichtigkeitswirkung bei Zuwiderhandeln). Die Organisation der Kongregationen ist ähnlich zentralisiert wie diejenige der Bettelorden und Jesuiten. Dem Generalobern (moderator generalis) steht regelmäßig ein Kardinalprotektor zur Seite, wenigstens bei den päpstlich ermächtigten congregationes religiosae (Gegensatz: die, weil noch nicht erprobt oder nur innerhalb einer Diözese vorkommend, bloß bischöflich approbierten congregationes dioecesanae), wie sie auch, zumal wenn erst bischöflich ge­ nehmigt, innerhalb der einzelnen Diözese der bischöflichen Jurisdiktion unterworfen find. Die Kongregationen übertreffen an Zahl, Mannigfaltigkeit der Beschäftigung (Kranken­ pflege, Erziehung, Unterricht) und sozialer Bedeutung in der Gegenwart die eigent­ lichen Orden.

v. Scherer, Kr. II § 149; Schuppe, Das Wesen ... der neueren Frauengenossenschaften, 1868; Grimaldi, Les congregations, 1890; Arndt, Die kirchlichen Recht-bestimmungen für die Frauenkongregationen, 1901; Nardelli, Les congrdgations ä vceux simples . . . a’aprds la bulle: Conditae, 1901; Bastien, La Constitution: Conditae, 1902; Boudinhpn, Les congrdgations religieuses ä voeux simples, im Can. cont. XXV, XXVI, 1902/3. Über daS fran­ zösische DereinSgesetz und beffm Lit. siehe oben S. 881 A. 2. 3. Die Brüderschaften (confraternitates, sodalitates) find entweder solche von Geistlichen oder von solchen und Laien oder von letzteren allein und stellen sich dar al- Vereinigungen von in der Welt Stehenden, die, ohne Einsatz ihrer ganzen Persönlich­ keit, gemeinsam kirchliche (erbauliche, Belehrungs-, charitative) Zwecke verfolgen. Sie stehen unter dem Ordinarius.

v. Scherer, Kr. II § 150; Tamassia, L’affratellamento, 1886g Kolde, Die kirchlichen Bruderschaften und das religiöse Leben im modernen Katholizismus, 1895.

§ 83. Die Shuode«. Das Trienter Konzil schrieb zwar die regelmäßige Abhaltung von Provinzial- und Diözesansynoden vor, allein mit geringem praktischem Erfolg, wenn auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einige Versuche zur Wiederbelebung dieser Einrichtungen gemacht wurden (Kölner Provinzialsynode 1860; Diözesansynoden von Paderborn 1867, Münster 1897, öfter in Straßburg und Metz, 1894 auch im Vikariat Sachsen und in der Präfektur Lausitz-Meißen). Da jedoch, von anderen Gründen abgesehen, infolge

IV. Öffentliches Recht.

936

der modernen Verkehrs- und Publikationsverhältniffe die Fühlung zwischen den Obern und ihrem Klerus sowie die Bekanntgebung wenigstens von Diözesanrecht bester auf andere Weise bewerkstelligt wird, und da endlich die Deklaration der päpstlichen Unfehlbar­ keit die Berufung der ebenfalls unfehlbaren allgemeinen Synode überflüssig und eher unratsam gemacht hat, entbehrt das Institut der ohnedies unständigen synodalen Organe gegenwärtig fast ganz praktischer Bedeutung; nur Plenarkonzilien \ d. h. Synoden größerer, durch nationale sowie politische Entwicklung zusammengehöriger Gebiete (meist terrae missionis), treten zu einheitlicher Regelung ihrer kirchlichen Verhältniste auf Befehl oder mit Gutheißung des Papstes und unter dem Vorsitz eines päpstlichen Delegaten auch heute noch gelegentlich zusammen (Baltimore 1852, 1866, 1884 für Nordamerika, Sidney 1885, 1895 für Australien, Rom 1899 für das lateinische Amerika — oben S. 927 A. 2 —, ThurleS 1850, Maynooth 1875 für Irland, Fort Augustus 1886 für Schottland).

Hinschius, Kr.HI §§ 168, 173, 178, 181. 1. Das jallgemeine Konzil. Maßgebend ist das ältere Recht, wie es auf dem Trienter Konzil und mit etwelcher Verschärfung zu Gunsten des Papsttums auf dem vatikanischen betätigt wurde. Stimmberechtigte Mitglieder, die — aber nicht speziell, sondern allenfalls durch bloße Enzyklika — vom Papst berufen werden müssen, sind die Kardinäle, Patriarchen, Primaten, Metropoliten, Erzbischöfe, exemten Bischöfe, Suffragane, Weihbischöfe, praelati nullius (§ 40, 3), Ordensgenerale und Äbte mit quasiepiskopaler Jurisdiktion, während Gelehrte und Gesandte weltlicher Mächte nur beratende Stimme haben. Der Vorsitz steht dem Papst bezw. seinen Kardinallegaten zu; Stimmenmehrheit entscheidet auch in Glaubenssachen. Doch kann der Papst auch der Minderheit beitreten, wodurch diese pars sanier und maßgebend wird.

Hinschius, Äc. III § 179. 2. Das Provinzialkonzil wird berufen und präsidiert vom Metropoliten. Stimmberechtigt sind die Suffraganbischöfe bezw. deren Koadjutoren oder die Kapitels­ vikare, exemte Bischöfe, die sich der betreffenden Provinz als benachbarter angeschloffen haben, Prälaten mit quasiepiskopaler Jurisdiktion, nicht dagegen Weihbischöfe, deren Bistum ja außerhalb der Provinz (auch im geographischen Sinn) liegt. Das Gesetz­ gebungsrecht hat die Synode nur im Rahmen des gemeinen Rechts, nach deffen Maßgabe und in deffen Ergänzung; zur Vorsorge ist sogar Prüfung durch eine Abteilung der Konzilskongregation vorgeschrieben, die unter Umständen auch mehr als redaktionelle Änderungen vornimmt *. Freie Bischofsversammlungen für den preußischen Episkopat und deffen Obere finden alljährlich in Fulda, ebensolche Provinzialzusammenkünfte z. B. in der oberrheinischen Kirchenprovinz statt. In Österreich hat der alle fünf Jahre sich versammelnde Episkopat der Monarchie sogar ein ständiges Komitee, das zweimal im Jahre in Wien zusammentritt.

Hinschius, Kr. III § 180. 3. Die Diözesansynode ist überhaupt kein Gesetzgebungsorgan, sondern nur eine beratende Versammlung für den innerhalb des Bistums ausschließlich Recht setzenden Bischof. Mitglieder sind die Generalvikare, Domkapitulare, Äbte, Pfarrer und über­

haupt alle Welt- und Ordensgeistlichen, die eine Kirche des Bistums seelsorgerisch ver­ sehen. Doch kann, ohne daß deshalb die Eigenschaft der Versammlung als Diözesan­ synode in Frage gestellt würde, die Berufung auch nur eines Teils der Geistlichkeit vom Papst erbeten und bewilligt werden.

HinschiuS, Kr. III 8 182; Phillips, Die Diözesansynode1 2, 1849 (auch Verm. Schriften); Sammlungen von deutschen Diözesanstatuten und -Synoden bei Friedberg, Kr. § 46, und bei Sägmüller, Kr. § 46, 1 b.

1 Bellesheim im A. f. k. Kr. LV1I, 1887, LX, 1888, LXXIX, 1899, LXXXI, 1901, XLIII 1880, LXI, 1889. 2 Entsprechendes gilt für die Plenarkonzilien.

4.

Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

937

Drittes Kapitel.

PesetzgeV««gsrecht.

§ 84. Zuständigkeit und BerppichtungSkraft. Gemeines Kirchenrecht kann, wenn man vom allgemeinen Konzil absieht, das gerade in diesem Punkte schon vor dem Vatikanum vom Papst abhängig war, nur dieser setzen, jedoch, bei Vermeidung der Richtigkeit und Unverbindlichkeit desselben, nicht entgegen dem Dogma und dem ius divinum. Als päpstliche Gesetze gelten auch die von den Kurialbehörden innerhalb ihrer Zuständigkeit erlasienen Bestimmungen. Eine bestimmte Form der Veröffentlichung ist nicht vorgeschrieben. Gewöhnlich werden die päpstlichen Kon­ stitutionen an den Türen der PeterS- und Laterankirche (ad valvas ecclesiae Vaticanae et Lateran ensis), an der Cancellaria und auf dem römischen Gemüsemarkt (Campus Florae, jetzt Campo dei fiori) angeschlagen und gelten dann sofort1 pro urbe et orbe (u. et o.). Das tridentinische Decretum Tametsi dagegen machte seine GeltungSkrast von der Ver­ öffentlichung in der einzelnen Pfarrei abhängig. Partikulares Recht setzen, außer in schon erwähnter Beschränkung die Provinzialsynoden, namentlich für ihre Diözesen die Bischöfe, doch auch sie nur secundum und praeter, nie contra ius commune. Autonomie8 kommt außer den Dom- und Kollegiatkapiteln insbesondere kraft päpstlichen und bischöflichen Privilegs den Männerorden und -Kongregationen zu; sie erzeugt zum Teil, aber nur mit kirchenobrigkeitlicher Genehmigung, für die betreffenden Kreise statutarische Satzungen oder Observanzen. Regelmäßig verpflichten die kirchlichen Rechtssätze auch im Gewissen; sie sind in utroque foro, und es kommt ihnen zu vis directiva. HinschiuS, Kr. III 191,194—196; Lingen et Reuse, Causae selectae in 8. Congregatione Cardin. Conc. Trident, interpr. propositae, 1871; De Martinis, Ius pontificium de Propaganda flde I—VI, 1888—1894; Decreta authentica Congregationis sacrorum rituum, 5 Bde., 1898 bis 1900; Decreta authentica s. Congregationis indulgentiarum, 1883ff.; Seitz, Revision der Theorie über die Promulgation der Kirchengesetze, Ztschr. f. Kr.« u. Pastoralwiff. 1,1842; Fleiner, Die Tridentinische Ehevorschrist (§ 40, 6); Koch, Die moralische Verpflichtung der bürger­ lich-weltlichen Gesetze, Th. Q. LXXX1V, 1902 ; Sammlungen von Verordnungen deutscher Bischvse bei Sägmüller, Kr. § 46, 4 und Friedberg, Kr. S. 143 N. 5.

§ 85.

Dispensation «nd Privileg.

Die Dispensation hebt die Wirkung eines Rechtssatzes für einen einzelnen Fall auf, entweder nur für die Zukunft oder auch die schon eingetretene. Zuständig ist der betreffende Gesetzgeber, also für das gemeine Recht der Papst, für das Provinzialrecht die Provinzialsynode, für das Diözesanrecht der Bischof, dem aber durch die § 74 er­ wähnten Fakultäten auch zahlreiche päpstliche Dispensationsbefugniffe für daS gemeine Recht eingeräumt zu werden pflegen. Die Dispensation erfolgt gratis (aber Kanzleiund Expeditionskosten!) und entweder in forma gratiosa, durch direkte schriftliche Er­ ledigung (keine telegraphischen DiSpenSgesuche nach Rom!), oder in forma commissoria, durch Überweisung an den Ordinarius zur Prüfung und Erteilung, si ita res se habet. Im Gegensatz zur Dispensation hebt das Privileg daS Regelrecht für einen einzelnen Fall oder einen Komplex solcher auf und ersetzt eS durch Sonderrecht. HinschiuS, Kr. III §§ 192, 193.

1 Gewohnheitsrechtlich wird zwei Monate lang die Unkenntnis einer so publizierten Konstituhon nachgesehen. 9 Mit dieser Autonomie innerhalb deS Kirchenrechts darf nicht verwechselt werden, daß inner­ halb des Staats daS nicht zum Staatsgesetz erhobene, aber freiaegebene Kirchenrecht überhaupt als autonomifche Satzung bezw. Observanz erscheint, wie oben E. 915 angedeutet wurde.

IV. Öffentliches Recht.

938

Viertes Kapitel.

Pie Verwaltung des Kultus.

§ 86.

Die Sakramente.

Durch das Sakrament vermittelt die Kirche die unsichtbare Gnade Gottes dem Menschen unter einem sichtbaren Zeichen. Nach katholischer Lehre sind Sakramente: 1. Die Taufe (baptismus). Durch sie erwirbt man die Mitgliedschaft in der Kirche und die kirchliche Rechtsfähigkeit. Die facultas baptizandi hat auch der Laie, das ius baptizandi regelmäßig nur der Bischof und der Pfarrer, während die Laientaufe bloß als Nottaufe zulässig ist. Die Taufe soll möglichst bald nach der Geburt nachgesucht werden; Nichtgetaufte, Ketzer, Exkommunizierte, Nichtgefirmte und Ordensleute sind als Paten nicht zugelassen. Wegen der geistlichen Verwandtschaft, die durch die Patenschaft begründet wird, sollen von den Erziehungsberechtigten nicht mehr wie zwei Paten (und zwar von verschiedenem Geschlecht) zugezogen werden. Hinschius, Kr. IV § 200; Freisen, Taufritus in Schleswig-Holstein feit der Einführung der Reformation bis heute, H. Jb. XXI, 1900; Eck, Die Begründung der kirchlichen Mitgliedschaft nach kanonischem und baierischem Recht, 1900.

2. Die Firmung (confirmatio) zur Stärkung des Glaubens kraft kann nur der Bischof (oder päpstlich delegierte Priester) empfangen jeder Getaufte, erlaubterweise aber bloß, wer das 7. hat, nicht Ketzer oder zensuriert ist. Der Firmling darf einen Geschlechts haben.

und der Bekenntnis­ erteilen und gültig Lebensjahr vollendet Firmpaten desselben

Hinschius, Kr. IV § 201.

3. Die Eucharistie (sacramentum altaris) oder das Abendmahl darf bloß, vom zelebrierenden Bischof oder Priester unter beiderlei Gestalt (Brot und Wein) ge­ nossen werden, während den Übrigen der Kelch versagt bleibt. Als Wegzehrung (viaticum), d. h. bei Todesgefahr, wo jeder Katholik sie empfangen soll, darf die Eucharistie auch im Hause gespendet werden, sonst nur in einer ecclesia publica in Verbindung mit der Messe. Einmal im Jahr, zur Osterzeit (von Palmsonntag bis weißen Sonntag), soll jeder Christ nach erreichtem Unterscheidungsjahr (§ 57) bei Strafe des Personalinterdikts und der Verweigerung des kirchlichen Begräbnisses nach vorheriger Beichte in feiner Pfarrkirche das Abendmahl empfangen (§ 31, 2); ausgeschlossen sind nur die mit dem großen oder kleinen Bann Belegten, die Jnterdizierten und Ketzer sowie sonstige notorische Todsünder, welche letzteren öffentlich zurückgewiesen werden soffen. Befähigt zur Spendung ist an sich jeder Christ, aber berechtigt bloß der Bischof in seiner Diözese, der Pfarrer in seiner Pfarrei, sie und jeder Priester überall in articulo mortis. Hinschius, Kr. IV § 202.

4. Die Buße (poenitentia) können bloß Bischöfe und Priester spenden. Zur gültigen Spendung bedarf aber der Spender der iurisdictio interna (§ 63); sie steht dem Papst für alle Gläubigen, dem Bischof für seine Diözesanen, dem Pfarrer für seine Pfarrkinder zu. Ein anderer Priester kann bloß nach erfolgter Delegation der Juris­ diktion durch einen der genannten Ordinarien und dazugekommener besonderer Ermächtigung zur Ausübung (approbatio pro cura) absolvieren, einer Ermächtigung, die immer nur auf kürzere oder längere Zeit erteilt wird, und durch eine Prüfung (z. B. bei der Weihe) oder eine schriftliche Arbeit über ein meist vom Bischof ausgeschriebenes Thema (Kura­ aufgaben) oder Bewährung im Amt verdient werden muß. Doch tritt angesichts der Todesgefahr die in der Priesterweihe liegende Befähigung erlaubterweise hervor; in articulo mortis spendet jeder Priester gültig die Absolution. Von vorbehaltenen Sünden (casus reservati) kann nur der betreffende Bischof oder der Papst, der sie reserviert hat, freisprechen; da jedoch auch die Vorbehalte in articulo mortis und bei anderen Gelegen­ heiten (hier wenigstens praktisch) versagen, so sind sie, in den deutschen Diözesen ohne-

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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hin nicht sehr zahlreich, in Wirtlichkeit nicht von sehr großer Bedeutung. Mit der Ver­ pflichtung zur österlichen Kommunion ist auch diejenige zu vorheriger Buße und damit zu mindestens einmaliger Ohrenbeichte gegeben. Über die Beichte hat der Beichtvater bei Strafe der Absetzung strenge Verschwiegenheit zu bewahren (Beichtgeheimnis oder Beichtsiegel, sigillum confeesionis), was die deutschen Gesetze (Z.P.O. § 383 Abs. 1 Z. 4 und St.P.O. § 52) durch Einräumung des Zeugnisverweigerungsrechtes anerkennen, nicht aber in Gestalt einer Befreiung von der Anzeigepflicht des § 139 R.St.G.B. Hiuschius, Kr. IV § 203; Mode, Beichtfiegel und Zeugni-Pflicht nach den Reichsprozeß­ ordnungen, A. f. t. Kr. LXXXII, 1902.

5.

Letzte

Ölung

(extrema

unctio)

und

Begräbnis.

Die

letzte

Ölung,

welche die nicht schon durch Buße und Wegzehrung getilgten Sünden auf dem Todbett beseitigt, aber während desselben Krankenlagers nur einmal gespendet wird, kann von dem Kranken oder von dem durch Alter dem Tode Nahegebrachten oder durch einen Dritten für ihn gefordert werden, sofern der Empfänger getaufter Christ und nicht durch Exkommunika­ tion, notorische Ketzerei oder Unwürdigkeit wegen nicht gebüßter Sünden vom Empfang auSgefchloffen ist. Die facultas unguendi haben Bischof und Pfarrer; daS ins steht ihnen bloß gegenüber Angesessenen oder Aufenthaltern ihrer Sprengel zu. Rach dem Tode gewährt die Kirche ihren Mitgliedern, sofern sie sich nicht der Ketzerei, des Schismas oder der Apostasie schuldig gemacht haben, namentlich (§ 40, 7) interdiziert oder exkommuniziert^ zurechnungsfähige Selbstmörder, Duellanten, notorische Sünder oder Sakramentsverächter waren, ein Begräbnis auf dem kirchlichen Friedhof oder sonst in geweihter Erde, das. geistliche Grabgeleite (nicht bei Leichenverbrennung) und die Opfer. Das BegräbniSund Kirchhofsrecht haben die Pfarrkirchen, die Kathedralen und die Klosterkirchen. Wird die Pfarrkirche übergangen, z. B. zu Gunsten eines Klosters, so hat sie einen Anspruch auf eine Quote, oft ein Viertel (quarta funerum oder canonica) des der Wahlkirche wegen deS Begräbnisses Hinterlassenen, und der Pfarrer bezieht trotzdem seine Stolgebühr» DaS Kirchenbegräbnis wird aus sanitätspolizeilichen Gründen fast nur noch für Bischöfe und Fürsten gestattet. HinfchiuS, Kr. IV § 204; Ruland, Geschichte der kirchlichen Leichenfeier, 1901; Lex, Das kirchliche BegräbniSrecht, (§ 33).

6. Die Ordination wurde schon in anderem Zusammenhang (8 64) behandelt^ es bleibt nur noch als siebentes Sakrament:

§ 87.

Die Ehe und ihr Recht im besonderen.

Da nach katholischer Lehre die Ehe zu den Sakramenten gehört, nimmt die Kirche die Gesetzgebung über sie, soweit es sich um Eheschließung und -Trennung sowie um (nicht bloß aufschiebende) Ehehinderniffe handelt, unter Ausschluß des Staates für sich in An­ spruch und hält ihre Vorschriften auch dem P.St.G. und dem B.G.B. gegenüber als Eherecht aufrecht. Sie verlangt Unterwerfung unter dasselbe nicht bloß von den Katho­ liken, sondern auch von den rite getauften Andersgläubigen, soweit nicht (§ 40, 6) durch päpstliche Erlasse Ausnahmen gemacht sind; nicht dem katholischen Eherecht gemäß ein­ gegangene Ehen werden von ihr als Konkubinate behandelt. v. Sch erer, Kr. II 88 107—137: Schnitzer, Katholische- Eherecht, 1898; Heiner, Grundriß deS katholischen EherechtS4, 1900; Leitner, Lehrbuch des katholischen Eherecht-, 1902; Hübler, Eheschließung und gemischte Ehe in Preußen (oben 6. 872> A. 1); Hollweck, Das Civileherecht deS B.G.B. im Lichte des kanonischen Eherechts, 1900.

Das Verlöbnis, sponsalia de futuro (accipiam te in uxorem sive maritum) ist nach katholischem Recht der Vertrag zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts, künftig miteinander die Ehe einzugehen, und kommt auch formlos durch den bloßen Konsens zu stände. Nach heutigem Recht geht es, auch in den wegen Nichtpublikation des tridentinischen Dekrets (§ 40, 6, § 84) weiterhin dem kanonischen EheschließungSrecht (§ 31, 2) unterworfenen Gebieten, nicht schon durch nachfolgende Beiwohnung (copula

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IV. öffentliches Recht.

carnalis) in die Ehe, sponsalia de praesenti (accipio te in nxorem vel maritum), über. Es kann in gegenseitigem Einverständnis oder auf Antrag durch den Richter aufgehoben werden; sonst ist bei Weigerung deS andern Teils dem Beharrenden eine Klage auf Ein­ gehung der Ehe gegeben, die aber, wenn kirchliche Zensuren den Renitenten nicht zur Er­ füllung veranlassen, auf Entschädigung geht. Im Geltungsgebiet deS Dekretum Tametsi (§ 37) kann eine Ehe wirksam nur noch geschloffen werden durch Erklärung deS Ehewillens vor dem zuständigen Pfarrer und vor zwei oder drei Zeugen (coram parocho proprio et duobus vel tribus testibus). Zuständig ist der Pfarrer des Wohnsitzes wie des Bräutigams so der Braut (aber ubi sponsa, ibi copnla). Voranzugehen hat ein dreimaliges Aufgebot an drei aufeinander­ folgenden Sonn- und Festtagen während des Gottesdienstes in der Pfarrkirche des einen oder andern Verlobten. Die priesterliche Einsegnung der Ehe (benedictio nuptialis) mit Brautmeffe ist vorgeschrieben, aber nicht wesentlich; sie kann (eventuell ohne jedes Ver­ schulden der Brautleute, etwa weil der Pfarrer auS Vergeßlichkeit schon zelebriert oder Nahrung zu sich genommen hat und dadurch verhindert ist) unterbleiben, ohne daß der Gültigkeit oder der Wertung der Ehe Einttag geschieht. Resolutivbedingungen können der Eheschließung nicht beigefügt werden, unsittliche und unmögliche werden als nicht angebracht erachtet; andere Suspensivbedingungen müssen, weil beim formalen Abschluß nicht zum Ausdruck kommend, dem Pfarrer vorher mitgeteilt werden. Leinz, Der Ehevorfchrist des Konzils von Trient Ausdehnung und heutige Geltung, 1888; Freisen, Kirchliches Eheschließungsrecht in Schleswig-Holstein, A. f. k. Kr. LXX1X, LXXX, 1899/1900.

Mangelnde Voraussetzungen, auch solche des Vertragsschluffes, begründen Ehehinderniffe, impedimenta matrimonii. Diese sind entweder bloß aufschiebend, i. impedientia, wenn sie den Eheabschluß verboten und eventuell strafbar, aber die trotzdem eingegangeue Ehe nicht nichtig machen. Oder sie trennen die Che, i. dirimentia, d. h. sie hindern das faktisch eingegangene Verhältnis und zwar als i. dirimentia publica, falls das Hindernis int Wesen der Ehe begründet und deshalb nach positiver Vor­ schrift auch von Dritten, insbesondere von Amts wegen, geltendzumachen ist, oder als i. d. privata, falls das Hindernis, bloß im Interesse beteiligter Personen gegeben, nur non diesen geltendgemacht werden kann. Aufschiebende Hinderniffe sind nach kirchlichem Recht der Mangel elterlichen Kon­ senses (auf Klage richterlich ergänzbar), ein bestehendes Verlöbnis (i. sponsalium), ein einfaches Keuschheitsgelübde (i. voti simplicis), die geschloffene Zeit (1. Adventsonntag bis Dreikönigstag, Aschermittwoch bis weißer Sontag), aber nur für feierliche Hochzeiten, (i. temporis clausi) und vor allem Bekenntnisverschiedenheit (i. mixtae religionis). Die Dispensation von diesem aufschiebenden Hindernis ist, im Gegensatz zu der von den übrigen i. impedientia, dem Papst vorbehalten; doch haben die deutschen Bischöfe hierfür Spezial­ vollmachten. Gewährt wird sie bloß auf das beiderseitige, meist eidliche Versprechen der katho­ lischen Erziehung sämtlicher Kinder hin und auf das einseitige des akatholischen Teils, den andern nicht an der Ausübung der katholischen Religion zu hindern. Unter diesen Voraussetzungen wird mit Verschweigen der Religion des Akatholiken nach jetziger Praxis auch Aufgebot und aktive Assistenz, aber ohne missa pro sponsis und benedictio sollennis, gewährt. Sonst ist die Praxis verschieden. Jedenfalls aber wird auch die bloße assistentia passiva, d. h. die bloße Konsensentgegennahme, die zur Gültigkeit der Ehe notwendig ist (aber unfreiwillige Assistenz genügt!), verweigert, wenn dem Pfarrer bekannt ist, daß vor- oder nachher auch eine kirchliche Trauung durch den Geistlichen der anderen Kon­ fession stattfinden soll. Trennende Ehehinderniffe sind Mangel der Zurechnungsfähigkeit (sinnlose Betrunken­ heit), der Ehemündigkeit, d. h. Nichtvollendung des 14. Jahres beim männlichen, des 12. beim weiblichen Teil (i. aetatis), impotentia coeundi matrimonio antecedens et perpetua, wenn incurabilis oder nur durch lebensgefährliche Operation zu beseitigen. Ferner der Irrtum, aber nur als error in persona und conditionis, d. h. über den freien Stand sowie über eine Eigenschaft, von der die Identität mit der gewollten Person abhängt.

4. Ulrich Ltuh, Üirchenrccht.

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error qualitatis redundans in personam, dagegen nicht über sonstige Eigenschaften, auch nicht über die Virginität. Weiter Nichteintritt der Bedingung (i. conditionis appositae) oder Drohung (i. vis ac metus, jedoch nur maioris malitatis, quam in constantem hominem cadere potest). Die Entführung (raptus) hindert die Ehe mit der zum Zweck der Ehelichung Entführten, solange diese in der Gewalt des Entführers sich befindet. Das impedimentum consanguinitatis hindert die Ehe zwischen Blutsverwandten in der geraden Linie und mit Seitenverwandten bis zum vierten Grad einschließlich; gerechnet wird dabei kanonisch, d. h. vom gemeinsamen Stammvater herab nach Generationen, doch so, daß bei Ungleichheit die längere Linie entscheidet. Die Schwägerschaft (affinitas) hindert in demselben Umfang, und zwar nicht bloß als legitime, wenn eine konsummierte Ehe den einen Gatten mit den Blutsverwandten des andern verschwägert, sondern auch als illegitime im Fall bloßen Konkubinats. Bei nicht konsummierter Ehe oder bloßem Verlöbnis entsteht für den einen Gatten oder Verlobten mit den Blutsverwandten des andern das impedimentum publicae honestatis oder quesi affin itatis, während Adoptivverwandtschaft ein i. cognationis legal is, und geistliche Verwandtschaft zwischen dem Spender der Taufe einerseits und dem Täufling und deffen Eltern anderseits sowie zwischen dem Täufling oder Firmling einerseits und deffen Eltern und Paten anderseits ein i. cognationis spirituelle zurückläßt. Weitere trennende Hinderniffe find eine be­ stehende Ehe (i. ligaminis), der Bruch einer solchen mit dem andern Teil, falls Nach­ stellung nach dem Leben des betrogenen Gatten (machinatio in mortem) oder das Ver­ sprechen der Ehe bezw. deren Eingehungsversuch mit unterliefen, i. ad ul terii. Roch weiter geht daS Hindernis des Gattenmords, i. coniugicidii, das Tötung des Betrogenen zum Zweck späterer Ehe ohne vorangegangenen Ehebruch voraussetzt und mit dem i. adulterii gewöhnlich als i. criminis zusammengefaßt wird. Endlich die i. ordinis ac voti sollennis (§§ 65 und 82) und das i. disparitatis cultus, das die Ehe mit Juden, Heiden, überhaupt Ungetauften hindert. DispenSberechtigt für alle diese Hinderniffe ist der Papst. Die Annullation kann bloß durch Richterspruch erfolgen; formlose Aufgabe der ungültigen Ehe ist unzulässig. Die gültig geschloffene Ehe ist ein matrimonium ratum und unauflöslich. Doch kann eS vor der Konsummation durch copula carnalis noch gelöst werden 1. durch ein­ seitige Ablegung eines feierlichen Keuschheitsgelübdes in einem Kloster, 2. durch päpstliche Dispensation (dissolutio matrimonii rati non consummati). Nach Vollziehung kennt die katholische Kirche nur für den Fall eine Auflösung, daß beide Galten zuvor un­ getauft waren, dann der eine sich hat taufen laffen, der andere aber (wenn auch selbst zur Bekehrung bereit) auf ausdrückliche Aufforderung hin die Ehe mit dem Christen über­ haupt nicht oder non sine contumelia creatoris fortsetzen will, also nur, ohne dem christlichen Teil zu gestatten, seinem Glauben und deffen Betätigung zu leben; in diesem Fall darf der christliche Gatte eine neue Ehe eingehen, wodurch die frühere aufgehoben wird (privilegium Paulinum). Sonst ist eine Scheidung vom Bande durch die Sakramentsnatur der Ehe ausgeschlossen. Selbst wegen Ehebruchs und Fleischesvergehen darf bloß auf dauernde Trennung, separatio quoad thorum et mensam perpetua, in anderen Fällen (Lebens­ nachstellung, Mißhandlung) gar nur auf zeitliche (s temporaria) vom geistlichen Richter erkannt werden, so daß dem zuvor bürgerlich Geschiedenen eine kirchlich zulässige Wieder­ verheiratung nicht offensteht, es sei denn, daß die Ehe nachträglich aus irgend einem Grunde für nichtig erklärt zu werden vermag.

§ 88.

Der übrige Kultus, feine Zeiten und Statte«.

Außer den Sakramentalien, die in Exorzismen zerfallen, Beschwörungen des bösen Geistes, zu denen jeder Geistliche vom Exorzisten an aufwärts befugt, aber nur der vom Bischof speziell ermächtigte berechtigt ist, und in Weihungen (consecrationes) sowie in bloße Segnungen (benedictiones), kommt vor allem die Messe in Betracht, die unblutige Erneuerung von Christi Opfertod durch Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi und Darbringung von beidem zum Opfer für Lebende und Ab-

IV. Öffentliches Recht.

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geschiedene. Fähig zur Zelebration ist jeder Priester, berechtigt bloß, wer ein entsprechendes Amt (Bischofs-, Pfarramt, Altarbenefizium) oder bischöfliche Meßlizenz hat. Verpflichtet zur Zelebration ist derjenige, zu dessen Amtsobliegenheiten sie gehört, außerdem jeder Priester, und zwar iure divino nur zur Nichtunterlaffung, iure humane positiv zu dreioder viermaliger Feier im Jahr. Gültig appliziert, d. h. ihren Segnungen nach zu­ gewendet wird die Messe erlaubterweise auch für lebende Ketzer, Schismatiker und excommunicati tolerati (§ 40, 7), nicht aber, weil deren Bekehrung nicht mehr möglich, für tote (daher für abgeschiedene akatholische Regenten keine missa defunctorum, wohl aber eine Dankmesse für die Segnungen ihrer Regierung möglich!). Applikationspflichtig ist nach gemeinem Recht an Sonn- und Festtagen der Bischof für seine Diözesanen und der Pfarrer für seine Pfarrkinder. Außerdem können Altarbenefizien und Meßstistungen eine besondere Applikationspflicht begründen, desgleichen die Annahme eines MeßstipendiumS (Diözesantaxe!), d. h. einer Schenkung unter der Auflage, die Messe (missa manualis), eventuell mit bestimmter Applikation, zu lesen. Gelesen darf die Messe werden täglich außer am Karfreitag von der Morgendämmerung bis Mittag, aber nur in einem konsekrierten oder benedizierten Gotteshaus (im Privatoratorium bloß bei päpstlichem Celebret) und regelmäßig nur einmal vom selben Priester (Verbot der Bination und Iteration). Hinschius, Kr. IV §§ 205—208, 222—225; Link, Meßstipendien, 1901; Roesch, Die Bination, A. f. k. Kr. LXXVII, 1897.

Die allein vom Papst einzuführenden oder aufzuhebenden allgemeinen christlichen oder kirchlichen Erinnerungstage, die mit offiziellem Festgottesdienst und Feierpflicht für die Gläubigen begangen werden, heißen festa de praecepto, gebotene Festtage (z. B. die Sonntage), die übrigen, bloß in einer kirchlichen Feier sich erschöpfenden, festa chori. Gottesdienstliche Lokalitäten sind regelmäßig nur die (Kathedral-, Stifts-, Pfarr-)Kirchen und die öffentlichen, d. h. ebenfalls für einen jedermann zugänglichen Gottesdienst bestimmten Oratorien (ohne Pfarrrechte!). Wird ein solches Gotteshaus durch gänzliche oder teil­ weise Zerstörung exsekriert, so findet eine neue Konsekration statt; bei bloßer pollutio durch Tötung oder Blutvergießen wider Recht, durch Unzucht oder Begräbnis eines excommunicatus vitandus bezw. eines Ungläubigen genügt dagegen die einfachere reconciliatio. Hinschius, Kr. IV §§ 199, 213—219; Arndt, Die Rechtsverhältnisse der Oratorien, A. s. f. Sh. LXXII, 1894; Sauer, Die Symbolik des Kirchengebäudes, 1902.

Fünftes Kapitel.

Nie Aerw/lttung der Lehre.

§ 89.

Zuständigkeit nnd Betätigung.

Der ordentliche Lehrer der ganzen Kirche ist der Papst, der Diözese der Bischof, der sich nach dem Tridentinum, den Konkordaten und den Zirkumskriptionsbullen inmitten seines Domkapitels oder außerhalb desselben für die Lehrangelegenheiten einen theologus als Sachverständigen halten muß, und ohne dessen missio (auch an laikale Religionslehrer!) es im Bistum keine religiöse Lehrtätigkeit gibt (§ 64, 5). Gelehrt wird namentlich durch die Predigt, die aber keinen anstößigen Inhalt, insbesondere keine Ausfälle gegen eine erkennbar bezeichnete Person (Nominal-Elenchus), haben foU1;2 ferner im Religions­ unterricht v, ja, im Unterricht überhaupt, der nach kirchlichem Recht der Aufsicht des Bischofs zu unterstehen hat, also auch im Universitätsunterricht (päpstliche bezw. katholische Universitäten in Frankreich, Belgien, der Schweiz und Italien), besonders an den theo-

1 Vgl. R.St.G.B. § 130» mit § 166 gegen Kanzelmißbrauch. 2 In Baden verbindet sich mit der Überwachung desselben für die Kirche auch das Recht und die Pflicht der Besorgung, während Preußen, Sachsen und Hessen bloß die Aufsicht zulasien; ähnlich Bayern und Württemberg.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

943

logischen Fakultäten x; endlich in den Volksmissionen, d. h. außerordentlichen Verkündigungen des Gottesworts, verbunden mit Spendung des Bußsakraments durch andere (meist Ordens-)Geistliche als die ordentlichen Seelsorger. Hinschius, Kr. IV §§ 226-229, 236-240, 241 m, 242.

§ 9v. Die Heranbildung de- Klee«- im besondere«. Das Trienter Konzil hat, nachdem die Dom-, Stift- und Pfarrschulen als Aus­ bildungsanstalten für den Klerus längst weggefallen und die Universitäten mancherorts der bisherigen tatsächlichen oder rechtlichen Beziehung zur Kirche entrückt worden waren, die Ausbildung des Klerus auf einem bischöflichen Seminar, in das Knaben von zwölf Jahren an ausgenommen werden sollten, vorgeschrieben und zur tatsächlichen Regel gemacht. Doch konnte und wollte richtiger Ansicht nach damit die weitere Ausbildung auch an theologischen Fakultäten staatlicher Universitäten nicht verhindert werden, sofern der dort erteilte Unterricht den kirchlichen Anforderungen entspricht. Roch heute kann deshalb die wissenschaftlich-theologische Klerikalbildung teils an staatlichen Universitäten erworben werden (Preußen, Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen), teils (Preußen, Hessen) auch auf einem bischöflichen, staatlich beaufsichtigten Klerikalseminar (Mainz) oder einer ebensolchen theologischen Lehranstalt (Akademie in Paderborn), teils (Preußen, Bayern) an staatlichen Lehranstalten für theologische und philosophische Fächer (Lyceum Hosianum in Braunsberg, bayrische Lyzeen). Die Vorbildung wird durch Knabenseminare unter staatlicher Aufsicht in Bayern und Elsaß-Lothringen besorgt, während in Preußen, Württemberg, Baden, Hessen nur geistliche Knabenkonvikte an den staatlichen Gymnasien vom Staat zugelaffen werden. Auch für die Theologie Studierenden der Universitäten lassen übrigens Preußen, Baden und Hessen Konvikte zu. Die praktische Vorbildung endlich bleibt dem Bischof überlassen; sie wird in Preußen, Baden, Hessen und Elsaß-Lothringen (neugebildetes Grand-86minaire) auf bischöflichen, staatlich nur beschränkt beaufsichtigten Priesterseminarien erworben, in Bayern und Württemberg auf staatlichen, die unter bischöflicher Leitung stehen. HinschiuS, Kr IV §§ 233, 234; Kraus, Das theologische Studium sonst und jetzt», 1890; Holzammer, Die Bildung des Klerus in kirchlichen Seminarien oder an StaatSmnverfitäten, 1900; Heiner, Theologische Fakultäten und tridentinische Seminarien, 1900, und: Nochmals Th. F. u. tr. S., 1901.

Sechstes Kapitel.

Straf- *wfc chericht-gernatt.

§ S1.

Da- Straf- und Dt-zipli«arftraftecht.

Subjekt der Sttaf- und DiSziplinarstrafgewalt über die ganze Kirche ist der Papst in erster und letzter Instanz, in einziger für Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe, für letztere aber nur bei Vergehen, auf denen mindestens Absetzung steht (§ 67), und an Stelle der unpraktischen Gerichtsbarkeit der Provinzialsynode. DaS Tridentinum schreibt 1 In Preußen sucht daS auf Statuten des 18. und namentlich der erstell Hälfte des 19. Jahr­ hunderts sich gründende staatliche Recht die Interessen der Kirche dadurch zu wahren, daß es dem Bischof vor der Anstellung der Professoren und vor der Zulassung der Privatdozenten die BefuaniS gibt, den Betreffenden wegen begründeter Bedenken gegen Lehre und Wandel (offenbar auS dem evangelischen Recht übernommen!) auszuschließen. In Baden, daS auch im Mittel- und BolkSfchulwesen weiter geht, wird daS Erfordernis der inissio canonica als auch für.die Hochschultheologen an­ erkannt anzusehen sein. Darüber hinaus bestimmt die Reichskonvention über die Straßburger Fakultät (oben S. 907 N. 1), die auch die Ernennung im Einvernehmen (in Baden nur nach gutachtlicher Äußerung) mit dem Bischof geschehen läßt, daß (nach Entzug der inissio) der Staat, falls ihm die Unfähigkeit des Betreffenden wegen mangelnder Rechtgläubigkeit oder anstößigen Lebenswandels dargetan wird, für Ersatz und Fernhaltung des Zurückgewiesenen zu sorgen habe. Titel, Amt und Bezüge bleiben ihm aber.

IV. öffentliche- Recht.

944

die Delegation der drittinstanzlichen Jurisdiktion an einheimische Richter *, Indices in partibus, vor, die eigentlich von den Synoden gewählt (Indices synodales) oder vom Bischof mit Beirat des Kapitels (prosynodales) bestellt werden sollten, aber nie recht praktisch wurden. Heutzutage ergeht die Delegation (zur Subdelegation an ihre Kirchen­ gerichte) an einheimische Bischöfe (z. B. an den Erzbischof von Köln für Freiburg, an den Bischof von Augsburg für Rottenburg) oder in gleicher Weise an die Nuntien (z. B. an den Münchner, der die Erzbischöfe von München und Bamberg subdelegiert, an den Wiener, der für Breslau aus einer Prosynodalliste drei Richter ernennt). Die zweite Instanz bilden die Erzbischöfe mit ihren Metropolitangerichten (in Köln sogar für das eigene Offizialat), und für die exemten und die Erzdiözesen wird ein Bischof vom Papst besonders bestellt (z. B. der Rottenburger für Freiburg). Erste Instanz sind die Bischöfe mit ihren Gerichten (§ 76). HinschiuS, Är. V §§ 341-49, VI §§ 350-53, 357; Katz, Ein Grundriß des kanonischen Strafrechts, 1881; Hollweck, Die kirchlichen Strafgesetze, 1899; Kahn, Etüde sur le dölit et la peine en droit canoniqne, 1898.

Der kirchlichen Strafgewalt unterstehen heute tatsächlich nur noch die Katholiken, grundsätzlich auch die sonst rite Getauften. Was die sachliche Zuständigkeit anlangt, so schreitet die Kirche außer wegen Amtsvergehen der Geistlichen nur noch wegen einer beschränkten Zahl von Delikten wie Ketzerei und Verwandtes, Verletzung geweihter Orte, Sachen und Personen (Sacrilegium), Selbstmords, hartnäckigen Konkubinats mit Ver­ wandten und Verschwägerten, Simonie, Bigamie (§ 64, 3 b), Eingehung einer bloß bürger­ lichen Ehe oder einer kirchlichen unter Verschweigung wichtiger Hinderniffe u. s. w. ein. Die weitergehende Schulumschreibung, wonach sie außer wegen delicta mere ecclesiastica auch wegen delicta mixti fori bei Gotteslästerung, Wucher, Meineid und zwar im Einzelfall durch Prävention zuständig würde, ist weder für diese letztere Kategorie noch für den alten Umfang der eigentlich kirchlichen Delikte mehr praktisch. Einer näheren Umschreibung bedürfen von den genannten Verbrechen die Ketzerei, haeresis Formalie, d. h. die wiffentliche (bei fehlendem dolus nicht strafbare haeresis materalis) und hartnäckige Abweichung vom rechten Glauben, womit verwandt ist die Apostasie, der Abfall vom Christentum, und namentlich das Schisma, die Lostrennung von der Kirche oder deren Haupt (schisma sapit haeresim). Ferner die Simonie, so genannt nach dem Zauberer Simon (A. G. 8, 18), die Hingabe geistlicher Gaben und Güter (spiritualia) gegen weltlichen Vorteil. Zuständig für den einzelnen Fall ist der kirchliche Obere des Wohnsitzes bezw. (bei vagi) des Aufenthaltsortes und in Konkurrenz mit ihm der Ordinarius des Forum delicti

commissi. Hinschius, Kr. V §§ 307—340, VI §§ 355, 356, 358; Biederlack, DaS Vorgehen gegen unenthaltsam lebende Priester und Kleriker, Z. f. t. Th. XVIII, 1894; Leinz, Die Simonie, 1902.

Die kirchlichen Straf- und Disziplinarstrafmittel2 sind auch heute entweder poenae vindicativae, welche die Sühne des begangenen Rechtsbruchs, oder poenae medicinales, auch censurae genannt, welche so vorwiegend die Besserung oder die Beseitigung des rechtswidrigen Verhaltens bezwecken, daß mit Erreichung dieses Zwecks das verhängte Übel

weggenommen werden muß. Hinschius, Kr. V §§ 301, 302.

Von den noch praktischen Vindikativstrafen verdienen Hervorhebung: 1. als gegen Laien anwendbar iftir noch die Verweigerung des kirchlichen Begräbniffes, 2. als gegen Geistliche gerichtet außerdem die Amtsentsetzung und zwar in den drei Abstufungen a) der degradatio mit Verlust des Amts, des Rechtes zur Ausübung der Weihe bei Unfähigkeit zum Erwerb anderer kirchlicher Ämter und — dies aber nur auf eine feierliche degradatio Solche sind von Württemberg auch staatlich vorgeschrieben. ' Das staatliche Recht läßt nur reinkirchliche Strafmittel zu, also solche, die reinkirchliche Rechte (z. B. auf kirchliches Begräbnis) oder bloß das religiöse Gebiet treffen (Bußwerke, Almosen, Fasten). Strafen wider Leib und Leben, Freiheit, Vermögen und die bürgerliche Ehre find aus­ geschlossen. Und die Strafe darf sich nicht gegen den Staat kehren, also ntcht wegen Treue gegen diesen oder feine Gesetze verhängt werden (Baden, Heffen, Sachsen). Siehe auch oben S. 909 u. 915.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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actualis hin, die durch einen geweihten Bischof als actus contrarius der Ordination vorgenommen wird — der geistlichen Standesrechte, b) der depositio mit derselben Wntung, den Verlust der Standesrechte ausgenommen, und c) der privatio beneficii: Verlust des Amts unter Belastung des Rechtes, den ordo auszuüben und ein neues Amt zu erwerben. Hiervon ist die Strafversetzung deshalb eine mildere Abart, weil sie mit der Verleihung eines solchen (geringeren) BenefiziumS sich verbindet. Außer der sonst als Medizinalstrafe verwendeten Suspension, die aber auch vindikativ auf bestimmte oder unbestimmte Zeit ausgesprochen werden kann, gehören schließlich noch hierher der Entzug einzelner Amts-(Wahl-) oder Standesrechte, der Befugnis, zu predigen und Beichte zu hören, zu höheren Weihen oder Ämtern aufzusteigen, Gehaltsentziehung *, Geldstrafe, Freiheitsstrafe (Verweisung in eine — staatlich beaufsichtigte — Demeriten- oder geist­ liche Zuchtanstalt), Verweis u. a. m.

HinschiuS, Kr. V §§ 298, 299. Von Zensuren werden gegen Laien und Geistliche verhängt: 1. der große Kirchen­ bann, excommunicatio maior, der alle kirchlichen Rechte und Segnungen benimmt, aber auch nach heutigem Recht nur für namentlich Exkommunizierte die Verkehrssperre2 nach sich rieht (excommunicati vitandi, § 40, 7); 2. der kleine Bann, excommunicatio minor, der Ausschluß vom Empfang (nicht von der Spendung) der Sakramente und vom Erwerb von Kirchenämtern; 3. das interdictum personale ab ingressu ecclesiae, Enthebung von den kirchlichen Mitgliedschaftsrechten, insbesondere der Teilnahme am Gottesdienst, bei Geistlichen von der Verwaltung der Sakramente, bei allen von deren Empfang und vom kirchlichen Begräbnis; 4. das Lokalinterdikt, nur noch in der Gestalt der Einstellung gottesdienstlicher Funktionen in einer bestimmten Kirche oder an einem solchen Altar. Allein gegen Geistliche anwendbar ist 5. die Amtsenthebung, suspensio, und zwar entweder a) als suspensio ab online, also Untersagung der Ausübung der Weiherechte bis zur Befferung, oder b) als suspensio ab officio, d. h. von den Amts-, besonders den JurisdiktronSbefugniffen (suspensio ab ordine stets damit verbunden), oder c) als suspensio a beneficio, also Enthebung von Verwaltung und Genuß der Pfründe. Auch die Häufung aller kommt vor, suspensio totalis im Gegensatz zur schlichten suspensio (sus­ pensio ab ordine et ab officio).

HinschiuS, Kr. V §§ 298, 299; Heiner, Die kirchlichen Zensuren, 1884; Köck, Die kirch­ lichen Censuren latae sententiae, 1902. Zu beiden Strafarten ist nachzutragen, daß sie auch heute entweder ferendae oder verschärft latae sententiae find (§ 21, 3); nur im ersteren Fall bedarf, es eines konstitu­ tiven Urteils. Doch hat die wichtige Konstitution PiuS' IX. Apostolicae sedis vom 12. Oktober 1869 die ehedem sehr zahlreichen ipso iure eintretenden Zensuren nebst BindikativsuSpenfionen beträchlich reduziert. Mit excommunicatio maior 1. s. (bei Geistlichen andere Strafen bis zur Degradation) find namentlich Häresie, Apostasie und Schisma bedroht. Ein Beispiel für ein Delikt, das auch heute noch arbiträr bestraft wird (censurae hominis), auf welches also daS Gesetz nicht bestimmte Strafen setzt (c. legis), liefert die Simonie.

HinschiuS, Kr. V § 304; Paschalls de Siena, Commentarius in constitutionem Apostolicae sedis*8, 1902. Die Strafe muß durch Absolution (a. canonica; Gegensatz: Sakramentalabsolution im Beichtstuhl, § 63) abgenommen werden, wenn der Zensurierte Reue zeigt und Befferung unter Abstellung des rechtswidrigen Verhaltens nach Übernahme der Buße verspricht (satisfactio), auch Schadensersatz oder Sicherheit dafür leistet. Bei Todes­ gefahr genügt schon die Reue, wie auch in articulo mortis jeder Priester in allen Fällen wenigstens in foro interno, für das Gewiffensgebiet, absolvieren kann. Bei Wieder-

1 Siehe oben S. 915. 8 Da sie Ehre und Dermöaen, ja eventuell die Freiheit der Betroffenen beeinträchtigt, wird sie vom Staat nicht geduldet, übrigens hat auch nach kirchlichem Recht Zuwiderhandeln nicht mehr die excommunicatio minor latae sententiae zur Folge. Encyklopädie der Rechtswissenschaft.

6., der Reubearb. 1. Aufl.

Bd. II.

60

IV. öffentliche- Recht.

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genesung hat sich aber der Absolvierte, soll die Zensur nicht wieder aufleben, dem zuständigen Oberen zur Absolution, auch für daS forom externum, zu stellen. Zuständig ist, wer die Zensur verhängt hat, und in allen Fällen (besonder- bei censurae 1. s.) der Papst. Ihm und dem Bischof sind überdies manche Strafen zur Absolution reserviert, entwirr

simpliciter oder speciell modo (Absolution durch einen andern nur bei Spezialvollmacht). Dieselben Zuständigkeit-grundsätze gelten von der Begnadigung, die aber nicht verlangt werden kann, und besonder- für die Vindikativstrafen von Bedeutung ist. HiuschiuS, Ur. V § 306, VI §g 871—373; Laurentius, Die vorbehaltene Suspension und da- Dekret de- h. Offizium- vom 23. Juni 1886, L. f. L Kr LXXIX, 1899.

5 SS.

Straf- und Streitverfahre«.

Der Verhängung von poenae und censurae ferendae sententiae geht heute ein abgekürztes und summarische- Jnquifitionsverfahren **, meistens nach einer für Italien am 11. Juli 1880 ergangenen Instruktion, voran. Auch heute soll eS mit einer dreimal (oder einmal für drei) ausgesprochenen monitio anheben, welche dem Beschuldigten Gelegenheit zu Buße und Befferung gibt. HiuschiuS, Sh. VI §g 359—370; München, DaS kanonische Gerichtsverfahren, 2 Bde., 1865/66; Lege, Praelectiones in textum iuris canonici de iudiciis ecclesiasticis, 4 voL 1896—1901; Pdries, La procddure canonique moderne dans les causes disciplinaires et criminelles, 1898; Arndt, Die Suspension ex informata conscientia, A. f. k. Kr. LXXIII, 1895.

Die streitige Gerichtsbarkeit ist heutzutage nur noch von Bedeutung für Streitigkeiten von Geistlichen und kirchlichen Instituten untereinander und für Ehesachen, in allen diesen Fällen aber bloß, falls die Betreffenden den kirchlichen Spruch, wozu sie kirchlich verpflichtet find, nachsuchen und ihm nachleben. Denn staatlich rechtswirksam ist er nicht und infolgedessen auch nicht mit staatlichen Mitteln vollstreckbar.

Braun, DaS Vorverfahren der bischöflichen Curien bei Auflösung der nicht vollzogenen Ehen durch den heiligen Stuhl, A. s. k. Kr. LXXVI, 1896.

Siebentes

Kapitel.

Amterrecht. 5 S3.

Ästen, Erricht««-, BerL«derrmg ««d Aufhebung der Kircheuämter.

Kirchenamt (officium ecclesiasticum) ist ein abgegrenzter kirchlicher Wirkungskreis, der regelmäßig einem kirchlichen Beamten zur Besorgung übertragen wird. Bei den alten, aus der Feudalperiode herrührenden Ämtern verbindet sich mit dem officium daS beneficium (beneficium datur propter officium!), worunter man die Temporalien deS Amtes versteht. Zu einem wahren beneficium gehört objektive Perpetuität, d. h. feste Abgrenzung und regelmäßig Unveränderlichkeit sowohl nach der spirituellen wie nach der temporalen Seite hin, sowie subjektive Perpetuität, d. h. seinem Inhaber soll es nur au- bestimmten Gründen durch Richterspruch entzogen werden können (beneficium titulatum; Gegensatz: uneigentliches beneficium oder b. manuale mit Amovibilität).

HiuschiuS, Kr. II § 99. Unter den Kirchenämtern unterscheidet man namentlich* officia sacra mit gottes­ dienstlicher Funktion und non sacra ohne eine solche (z. B. Regierungsämter); beneficia simplicia mit bloßem Chor- oder Altardienst und duplicia, die noch zu anderen Funktionen

1 ES ist bisweilen auch staatlich vorgeschrieben, für die Suspension z. B. in Preußen, Württem­ berg und Heffen, so daß daselbst ex informata conscientia (§ 40, 7) eine Suspension nicht mehr verhängt werden kann. * über die Säkular- und Regularbenefizien siehe S. 933 A. 5.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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Verpflichten, und zwar als curata zur Seelsorge (cura animarum) oder als non curata zu sonstigen (z. B. Frühmessen); endlich und vor allem b. maiora mit Jurisdiktion und minora ohne eine solche. HinschiuS, Kr. H 100, III 167; Malbrenne, De beneficiis simplicibus ac praecipue oe capellaniis disquisitio canonica, 1862.

Für Verfügungen über b. maiora ist der Papst, über minora der Bischof zuständig. Zur Errichtung (erectio) wird erfordert iuata causa, d. h. necessitas, utilitas ecclesiae, incrementum cultus divini, ferner eine hinreichende dos und ein locus congruus (für einen BiStumSfitz, also eine ansehnliche Stadt). Die Interessenten sollen gehört werden. Mehr, nämlich urgens necessitas oder evidens utilitas, erheischt eine Veränderung (innovatio), die namentlich in verschiedenen Arten der Bereinigung (unio) bestehen kann, z. B. in einer u. aequo principalis, wobei die Integrität beider Ämter gewahrt bleibt, aber

für die Zukunft die Übertragung an ein und tteselbe Person stattfinden soll (Gnesen-Posen), oder eine u. accessoria, wobei das eine Amt samt Vermögen Zubehör des andern wird (mater et filia, FilialverhältniS), aber auch in einer Teilung, einer divisio, d. h. Ab­ zweigung eines neuen Amts, unter Umständen ebenfalls in Filialabhängigkeit, oder einer dismembratio, d. t. die Abzweigung nur eines'Teils des Sprengels oder Vermögens unter Zuweisung an ein schon bestehendes anderes Amt. Eine Aufhebung, suppressio, darf nur bei Zwecklofigkeit oder Mangel an Mitteln erfolgen **. HinschiuS, Kr. II §§ 103—108, 110, 111, 113;Molitor, Leber die Dismembration der Pfarrbenestzien zugunsten der armen Kirchenfabrik, A. f. k. Kr. VII, 1862.

5 S4.

Die Besetzung der Kircheuimter 1« all-e»ei«eu.

Die Verleihung, provisio, der Kirchenämter ist eine ordentliche, wenn der ordnungs­ mäßig dazu Berufene fie vornimmt, eine extraordinaria, falls statt seiner ein Höherer eintritt. Abgesehen von päpstlichen Reservationen, die nur noch selten, z. B. für in curia Romana erledigte (§ 29, 8 b) altpreußische (nicht für bayrische) Bistümer und für Kapitel­ stellen (für solche auch in Bayern) vorkommen, ist nur noch praktisch das Devolutionsrecht (§ 73) vom Bischof an den Erzbischof und von diesem an den Papst (§ 67). Zur provisio ordinaria der anderen Ämter gebührt die Zuständigkeit dem Bischof, für die

höheren im Prinzip dem Papst. HinschiuS, Kr. II § 130, III §§ 145-147.

$ SS.

Sachliche, persönliche und umständliche Verleihung-erfordernisse.

Nur ein erledigtes Kirchenamt (b. vel. o. vacans) kann verliehen werden. Anwart­ schaften, für Deutschland übrigens nicht mehr praktisch, vermag allein der Papst zu ver­ leihen. HinschiuS, Kr. II § 114; Hoch, über die kirchliche Qualifikation der Jntrufi, A. f. L Kr. XXXIX, 1878.

Der Beliehene muß persona idonea fein2. Nicht ist dies 1. der Ungetanste, 2. der Laie, 3. wer nicht die erforderliche Weihe befitzt oder binnen Jahresfrist nachholen kann (§ 80), 4. wer nicht das erforderliche Alter, für einfache Benefizien das begonnene 14. Jahr, sonst das betreffende OrdinationSalter (§ 64, 3 b) hat, 5. Zensurierte und Ketzer. Don mehreren geeigneten Bewerbern hat der besetzungsberechtigte Obere die persona 1 Staatliche Mitwirkung ist weift nur für Pfarr- oder doch Seeisoraeämter vorgeschriebeu. * DaS Staat^irchenrecht verlangt außerdem, und zwar in Baden und Württemberg allgemein, in Hessen nur für Ämter, die mit Geistlichen zu besetzen find, in Preußen, Sachsen u. a. nur für geistliche Ämter (Geelforae, Gottesdienst, Religionsunterricht): 1. Reichsangehörigkeit, 2. wissenschaft­ liche Vorbildung, nämlich a) humanistisches Reifezeugnis (Preußen, Sachsen, Baden, Hesse«), b) triennium academicum oder ebensolches Eeminarstudium (§ 90) mit einer Änzahl von Phllosophika, 3. Unbescholtenheit; HinschiuS, Kr. III §§ H6, 152—154. 60e

IV. Öffentliches «echt.

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dignior auSzuwählen. Für Pfarreien freier bischöflicher Verleihung oder geistlichen Patronat- ist eine Prüfung vorgeschrieben, concursus parochialis, in Deutschland nicht al- Spezialkonkurs für jedes erledigte Amt unter seipen Bewerbern, sondern als in regelmäßigen Zeiten abzuhaltender Pfründbewerbertermin gehandhabt. Die Prüfung wird abgenommen von Examinatoren, die eigentlich auf der Diözesansynode (Synodalexamina­ toren) auf Grund von DreijahrSvollmachten gewählt werden sollten, aber regelmäßig von Bischof und Kapitel als Prosynodalexaminatoren bestellt werden. Wer bestanden hat, ist für eine Anzahl von Jahren dignus, wer besser bestand, dignior, aber nicht für den Bischof, der ohne Rücksicht auf die Lokation unter Berücksichtigung auch anderer Gesichts­ punkte den für daS Amt Kundigsten und Tüchtigsten wählt. HiuschiuS, Kr. II §§ 115, 116; Freisen, Die Besetzung der niederen Kirchendienerpelleu im Gebiete des Preuß. Landrechts, A. f. k. Kr. LXXXII, 1902; Meister, Freiburger Erzb. Beamten­ recht (6. 930 «. 3).

Die Verleihung soll erfolgen bei höheren Benefizien innerhalb von drei, bei niederen innerhalb von sechs Monaten, pure (ohne Bedingung), gratis (ohne Simonie), aperte (nicht heimlich), sine diminutione (ohne Abzug) und libere, widrigenfalls der Obere die erzwungene Verleihung anfechten kann. HinschiuS, Kr. III § 143.

5 96. Die Verleihung der deutschen Bistümer. Für die Verleihung der deutschen Bistümer sind maßgebend Abmachungen, die in Bayern im Konkordat und in einem päpstlichen Jndult vom 15. November 1817, für die oberrheinische Kirchenprovinz und für die alt- und neupreußischen Bistümer in den Zirkumskriptionsbullen (§§ 42, 72) sowie in Breven niedergelegt sind, welche sich teil- als vereinbarte Instruktionen für die Kapitel darstellen (für Altpreußen Quod de fidelium vom 16. Juli 1821 und für die oberrheinische Kirchenprovinz Re sacra vom 28. Mai 1827), teils als einseitig päpstliche (Erlaß deS Kardinalstaatssekretärs Rampolla an die preußischen und oberrheinischen Domkapitel vom 20. Juli 1900). Darnach nominiert der katholische König von Bayern für sämtliche bayrische Bistümer mit der Wirkung, daß der Papst dem nominierten Tauglichen die Institution erteilen muß. Nichtkatholischen Regenten wird weder ein positive- Ernennungsrecht noch ein absolutes Veto zugestanden. Vielmehr haben sie nur eine Sicherung gegen die Wahl mißliebiger Persönlichkeiten durch die besetzungsberechtigten Organe (Domkapitel und Papst) gewährleistet erhallen. Diese Sicherung wurde zuerst für Hannover und dann für die oberrheinischen Regierungen gefunden im sog. System der Listenwahl (irischer Wahlmodus), das gegenwärtig auch für die altpreußischen Bistümer Anwendung findet. Darnach haben die Kapitel vor der förmlichen Wahl eine Liste von Kandidaten einzureichen, aus denen der Landesherr die personae minus gratae zu streichen befugt ist, unter Belassung einer für die Wahl ge­ nügenden Anzahl. Ob dies zwei oder drei seien, war streitig. Dem Sinn der Verein­ barungen entspricht aber überhaupt eine Liste nicht, auf der die Regenten nicht mit einer Minderzahl von Streichungen auskommen*. Dies legt den Wahlkollegien schon das ober­ rheinische Breve8 nahe und erkennt der kirchliche Erlaß von 1900 klar an8. Auf Grund 1 Wie die Bullen und Breven durch die Wendung: praeter qualitates cetera8, eccle siastico iure praefinitas, prudentiae insuper laude commendari nec serenissimo Principi minus gratos esse, also durch die Gegenüberstellung der tirch en recht! ich geforderten Eigenschaften, es mitunter ausdrücklich anerkennen, ist die gratitudo nur ein formal ins Recht der Kirche eingeführteS Erfordernis, materiell ein ihm fremdes, nämlich politisches. Darum unterliegt die Streichung wegen mangelnder gratitudo auch keiner rechtlichen Überprüfung, die ohnedies mit der Souveränität des Staates unverträglich wäre. Daß die Regierungen in den Vorverhandlungen Öentlich erklärten, sie würden daS Streichungsrecht loyal handhaben, bestätigt nur unsere asiung. Ohne fie hatte die Zusicherung überhaupt keinen Sinn. 2 Es stellte sich als eine vereinbarte Dollzugsverordnung zu der vereinbarten Wahlnorm der Bulle dar und gewährte insostrn allerdings den Regierungen schon bisher eine weitergehende Sicherung, als z. B. in Hannover die Bulle allein. 8 Iam vero negativus interventus Principi vel regimini acatholico permissus, eo demum

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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der eventuell mit Streichungen versehenen Liste haben die Domherren (in Preußen auch die Ehrendomherren) binnen drei Monaten nach der Erledigung die Wahl vorzunehmen, wie bei der Papstwahl per inspirationem oder per compromissum oder per scrutinium mit Stimmzetteln, wofür aber einfache Stimmenmehrheit genügt. Die Bindung der Wähler tritt mit der Publikation, der Erwerb eines Rechts auf Übertragung des Bistums (ins ad rem) durch den Gewählten mit der von ihm binnen Monatsfrist zu erklärenden Annahme ein. Binnen weiterer drei (Oberrhein und Hannover einem) Monate ist die päpstliche Bestätigung, confirmatio, nachzusuchen, die nach vorangegangener sorgfältiger Prüfung der Akten und der Eigenschaften des Gewählten durch einen päpstlichen Delegaten (Dignitär, Provinzialbischof, Nuntius) im Lande, Jnformativprozeß, und nach einer summarischen Überprüfung bei der Kurie, Definitivprozeß, sowie nach erfolgter Präkonisation (Verkündigung) in einem Konsistorium (§ 68) durch Bulle gewährt wird. Nur aus wichtigen Gründen dürste sie versagt werden, es sei denn, daß die Wahl (in diesem Fall nicht electio, sondern postulatio geheißen) auf eine der kanonischen Eigenschaften entbehrende Person (z. B. den Bischof einer anderen Diözese) gefallen ist, in welchem Fall die Zulaffung (admissio) durch den Papst als Gnadenakt sich darstellt. Mit der Konfirmation wird das Amt selbst und die Jurisdiktion erworben; doch darf der Bestätigte die Verwaltung nicht eher übernehmen, als bis -er die Bulle erhalten hat. Die Weihegewalt dagegen erwirbt er erst durch die Konsekration, die, päpstliches Reservat, kraft apostolischen Auftrags von einem Bischof unter Assistenz von zwei weiteren oder von ebenso vielen Prälaten binnen drei Monaten zu erteilen ist, woran sich die feierliche Besitznahme (inthronizatio) und die Huldigung des Klerus schließt. In Metz und Straßburg endlich, wo die vom französischen Konkordat einst vorgesehene nominatio schon durch das evangelische Bekenntnis des Kaisers ausgeschloffen wird, erfolgt bis auf weiteres Verständigung von Fall zu Fall. Hinschius, Är. II §§ 131—133; De la nomination des övöques, An. iur. pont. V 46; Wolfgang (W. Molitor), Der Charakter eines landesherrlichm Nominationsrechtes, A. f. k. Kr. XXXIV, 1875; Hergenröiher, Ueber den kirchenrechtlichen Begriff der Nomination, A. f. t Kr. XXXIX, 1878; Lehmann, DasNominationSrechtdeSLandesherrn, 1891; Cräpon des Varennes, Nomination et Institution canonique des Ivöques, 1903; Mejer, DaS Beto deutscher protestantischer EtaatSregierungen, 1866; (y. Reis ach), Le gouvernement badois et le chapitre de Fribourg, 1868; v. Ketteler, DaS Recht der Domkapitel und daS Beto der Regierungen, 1868; Herrmann, DaS staatliche Beto bei BischofSwahlen, 1869; Brück, Die ErzbischofSwahl in Freiburg, 1869; v. Shbel, DaS Recht deS Staates bei Bischofswahlen, 1873; Friedberg, Der Staat und die Bischof-wahlen in Deutschland, 1874; Brück, Da- irische Beto, 1879; Rösch, Der Einfluß der deutschen protestantischen Regierungen auf die Bischofswahlen, 1900; Fleiner, Staat und Bischofs­ wahl im Bistum Basel, 1897; Lutterbeck, Der Jnformativprozeß, 1850.

§ -7. Die Besetzung der Kapitelftellen. Das Recht der Besetzung der Kapitelstellen beruht auf denselben Konkordaten, Bullen und Breven wie die Bischofswahl. In Bayern nominiert der König und instituiert der Papst den Dekan und die Domherren für die in den ungeraden Monaten (ehemalige Papstmonate, S. 863 A. 3) erledigten Kanonikate; für Februar, Juni und Oktober und sämtliche Domvikariate konferiert der Bischof, für April, August und

spectat, ut personae minus illi gratae non eligantur. Unde capituli partium est illos tantum adsciscere, quos ante solemnem electionis actum inter alias dotes ad ecclesiam instruendam, tuendem et pacifice gubernandam requisitas prudentiae laude, publicae ouietis ac fideli tatis Studio praestare, ideoque Principi non esse minus gratosconstet, ^erIahlenftreitund die Frage, ob eine Verpflichtung zur Ergänzung der Liste für daS Kapitel bestehe, wird dadurch «üßltz. Eine Liste, auf der man nicht mit einer mäßigen Streichung au-kommt, ist einfach, ohne daß erst mit Streichen begonnen wird, als ungeeignet zurückzuwetsen, wobei es dem Kapitel über­ lasten bleiben muß, den Ausweg der Einreichung einer korrekten Liste selbst zu finden. DaS ent­ spricht auch dem rein negativen, völkerrechtsartigen Verfahren, alS welche- die Exklufive sich über­ haupt darstellt.

IV. Öffentliches Recht.

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Dezember wählt und präsentiert das Kapitel und instituiert der Bischof; die Dompropster besetzt der Papst nur auf königliche Empfehlung (Vereinbarung von 1817, veröffentlicht durch Ministerialerlaß von 1831). In Preußen nominiert für die Dom-(bezw. Aachener Stifts-)Propstei und in den ungeraden Monaten für die Kanonikate der König und instituiert der Papst (Proviste); die Dechantei, die sämtlichen Domvikariate und für die geraden Monate die Kanonikate besetzt der Bischof. Für die oberrheinischen und hannöverschen Domdechanteien und Kapitelstellen haben abwechselnd Bischof und Kapitel binnen sechs Wochen nach Eintritt der Vakanz eine Viererliste zur Streichung der personae minus gratae einzureichen; nachher konferiert je nachdem der Bischof, oder eS nominiert daS Kapitel, und hat der Bischof nur die Institution. In Straßburg und Metz ernennt der Bischof, und der kaiserliche Statthalter bestätigt. Den Beschluß macht überall die Besitzeinweisung, installatio. HinschiuS, Kr. II § 134.

8 98.

Die Besetz»«- der übrige« «ledere« Kirche«L»ter^; Patrouatrecht.

ES ist grundsätzliche (aber nicht überall tatsächliche) Regel, daß die bischöfliche Provision sich als libera collatio, freie Amtsübertragung, äußert, während umgekehrt der bindende Vorschlag eines anderen die grundsätzliche (aber nicht überall tatsächliche) Ausnahme bildet. Man spricht dann von collatio necessaria oder non libera, bei der dem Bischof nur die institutio collativa bleibt. Den Beschluß macht die Besitzeinweisung, durch Bischof oder Dekan (institutio corporalis oder investitura). HinschiuS, Kr. III § 135.

Die wichtigste Schranke des bischöflichen Besetzungsrechtes bildet das Pattonatrecht, ins patronatus, „der Inbegriff der Befugnisse und Pflichten, die einer Person hinsichtlich einer Kirche oder eines kirchlichen Amtes, besonders bei dessen Besetzung, auf Grund eineö besonderen, nicht der hierarchischen Stellung entspringenden Grundes zustehen"a. Außer als Real- und Personalpatronat (§ 31, 1) kommt eS vor als geistliches, laikales oder gemischtes, nämlich als i. p. ecclesiasticum, wenn es einer geistlichen Anstalt oder Person als solcher zusteht, als i. p. laicale, wenn es einem Laien oder einem Geistlichen nicht in dieser seiner geistlichen Eigenschaft (z. B. als Erben seiner Väter oder durch Stiftung aus seinem Privatvermögen) gebührt, oder als i. p. mixtum, wenn beides sich vereinigt, etwa wenn ein Kloster und ein Laie zusammen eine Kirche stiften. Im letzteren Fall, wie immer, wenn mehrere einen Patronat, und zwar jeder in solidum, gemeinschaftlich haben, liegt ein Kompatronat vor (i. compatronatns; Gegensatz i. p. singulare). HinschiuS, Kr. III § 136; Gras Brockdorff-Rantzau, Ueber das Kompatronatrrchtr im A. s. k. Kr. LXVII, 1892; Wahrmund, DaS Kirchenpatronatrecht '§ 31, 1). Eine eingehende, historische und dogmatische Darstellung deS Patronatrechts im Großherzogtum Baden von Gönner und Sester wird in den nächsten Heften der Kr. A. von Stutz erscheinen.

Das Patronatrecht entsteht81 * durch * * * * * Stiftung (fundatio im weiteren Sinn) einer Kirche oder kirchlichen Anstalt, und zwar des näheren durch Hergabe des Bodens (assignati» fundi oder fundatio im engeren Sinn), Errichtung des Gebäudes (aedificatio), Gewährung der Ausstattung für Gottesdienst und Geistliche sowie Gebäudeunterhaltung in Gestalt 1 Das bayerische Recht schreibt staatliche Genehmigung und Bestätigung für alle Benefiziaten i>it, das elsaß-lothrinaische statthalterliche Bestätigung für Pfarrer, Kanoniker und Generalvrkare; Preußen, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen begnügen sich mit einem Ausschließungsrecht (in Preußen nur für Eeelsorgeämter), und zwar Baden und Württemberg wegen motivierter bürger­ licher oder politischer Mißliebigkeit, Preußen und Heffen weg^n Ungeeignetheit aus einem durch Tat­ sachen fundierten bürgerlichen oder staatsbürgerlichen Grunde, Sachsen, wenn nach dem bisherigen Verhalten des in Aussicht Genommenen ein Zuviderhandeln gegen daS staatliche Recht und den öffentlichen Frieden zu erwarten ist. * Es ist ein Stück staatlich anerkannten kirchlichen Sozialrechts, also öffentlichrechtlich, wenn auch mit privattechtlichen Ausflüssen.

8 Patronum faciuni dos, aedificatio, fundus.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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eines Kapitals (dotatio), in der Absicht, den Patronat zu erwerben (nicht z. B. bei Kollektenspende), und ohne kirchenrechtliche Verpflichtung (eine bürgerlichrechtliche, z. B. durch Auflage bei Schenkung oder in einem Testament, hindert nicht). Allenfalls genügt eine der Handlungen, wenn die übrigen von anderen mit demselben.Erwerbswillen (dann Kompatronat) oder ohne ihn (Kollekte; dann Aüeinpatronat) vollzogen werden. Allein durch päpstliches Jndult wird erworben ein eigentlicher Patronat an einem Kanonikat. HinschiuS, Kr 111 § 137; Bisoukides, Die Erwerbstitel des Patronats und daS Konzil von Tnent, A. f. t Kr LXXXIII, 1908.

Subjekt des Patronats können physische oder juristische Personen sein, in Deutschland nach alter Observanz auch Evangelische (§ 47 a. E.), sonst keine Ketzer und Exkommunizierten, am wenigsten Ungetaufte (z. B. Juden; die Rechte aus einem dinglichen Patronat ruhen so lange); Objekte find Kirchen und Kirchenpfründen, jedoch nicht Bistümer. Friedle, Ueber die Ausübung des Patronatrechts, A. f. k. Kr. XXIII, 1870.

DaS Patronairecht enthalt * 1. daS ins praesentandi zu einem verbindlichen Vor­ schlag einer tauglichen Person an den Kollationsberechtigten, also gewöhnlich an den Bischof, und zwar durch den Laienpatron binnen vier, durch den geistlichen binnen sechs Monaten, widrigenfalls freie Verleihung eintritt (nicht Devolution, da die Präsentation keine AmtSübertragung!). Der weltliche kann nachpräsentieren (i. variandi cumulativum), der geist­ liche nicht, wenigstens nicht, wenn er wiffentlich keine persona digna präsentiert (§ 95). Der vom geistlichen Patron nnico loco Vorgeschlagene erhält ein ins ad rem auf daS Amt (vgl. § 96). 2. Die cura beneficii bedeutet gemeinrechtlich die Aufsicht über die Ver­ mögensverwaltung mit Einspruchsrecht gegen Mißbräuche, partikularrechtlich, besonders für den Baulastpflichtigen, oft aktive Mitverwaltung. 3. Von Ehrenrechten billigt das gemeine Recht namentlich den honor processionis (unmittelbar hinter dem Sanktisfimum) zu, das Partikularrecht gewöhnlich die Erwähnung im Kirchengebet (i. intercessionis), einen Ehrensitz (i. sedis), das Recht der Thurifikation in der Meffe und des unentgeltlichen Begräbnisses. 4. Der vom Stifter abstammende Patronatiuhaber hat bei unverschuldeter Verarmung und Erwerbsunfähigkeit einen subsidiären Unterhaltsanspruch. Hinschius, Kr. III § 188; Jlgner, DaS Praesentationsrecht, Breslauer Diff. 1889; Schlesinger, Die Variation-befugnis deS Kirchenpatrvns, Z. f. Kr. XIX, 1884; Kihn, Gebührt dem Kirchenpatron ein Eitz im Chor?, A. f. t. Kr. LXXI, 1894.

Die Übertragung des dinglichen Patronats erfolgt mit derjenigen des herrschenden Grundstücks (kein Geldanschlag beim Verkauf bei Strafe der Simonie!). Der persönliche ist entweder frei vererblich oder nur innerhalb einer bestimmten Familie (i. p. gentilitium). Unter Lebenden ist Vertauschung gegen ein Spirituale und Schenkung zulässig, aber nur mit bischöflicher Genehmigung, sowie Ersitzung (nicht mehr beim dinglichen, weil nach B.G.B. eine Ersitzung des herrschenden Grundstücks ausgeschlossen), wofür immer bona fides und beim Laienpatronat inter praesentes 10, inter absentes 20 Jahre, beim geistlichen 40, ja, in Ermanglung eines Titels bei jenem 30, bei diesem Unvordenklichkeit gefordert werden. HinfchiuS, Kr. 111 § 139, DaS Patronatrecht und die moderne Gestaltung des Grund­ eigentums, Z. f. Kr. VII, 1867; Porjch, Das auf einem Gut ruhende Patronat kann bei Bereinigung durch Ersitzung übergehen, A. f. k. Kr. LXXI, 1894; Caspar, Die PraeseutationSberechtiguug nach Parzellierung deS realpatronatberechtigten Gutes im Geltungsbereich des Preuß. 8JB.9L, D. H. f. Kr. III, 1893; Riedner, Zur Frage nach dem Schicksal des Patronats bei Grundstückstettungen, D. Z. f. Kr. IX, 1900; Schindler, Ueber die Ersitzung als abgeleiteten ErwerbSgrund deS Patronat­ rechts, A. f. k. Kr. LXXXII, 1902.

Das Patronatrecht erlischt durch Verzicht (etwaige Lasten aber nur bei Genehmigung des Obern), durch Wegfall des Berechtigten, z. B. der Stifterfamilie, durch Untergang deS Objekts, und zwar auch durch künstlichen infolge von suppressio beneficii, durch

1 Praesentet, praesit, defendat, alatur egenus fährt der S. 950 A. 3 begonnene Memorial­ vers fort.

IV. Öffentliches Recht.

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usucapio libertatis seitens des Obern (aber nicht durch Vereinigung mit der Kollation in dessen Hand, die bloß das Ruhen der Präsentationsbefugnis bewirkt), durch Ver­ wirkung von feiten des Patrons (simonistische Veräußerung), endlich jdurch päpstliche Aufhebung. HinschiuS, Kr. III §§ 187, 140, und dazu Bayer im A. f. t Kr. LXXXII, 1902.

s 9».

Geistliche »«tspstichte« »ud Aufsicht.

5H Die kirchlichen Beamten find verpflichtet: 1. zum Gehorsam gegen die Obern, eine Pflicht, die durch den Gehorsamseid der Prälaten vom Bischof an aufwärts gegenüber dem Papst1 und durch denjenigen, welchen die Seelsorgebenefiziaten binnen zweier Monate sowie die Kanoniker dem Bischof abzulegen haben, zwar bestärkt, aber nicht begründet wird. 2. Zur Ablegung des Glaubensbekenntnisses, der professio fidei, in der Fassung von 1877, find alle Kandidaten für Bistümer und Seelsorgeämter verpflichtet. 8. Residenz halten, d. h. ihr Amt persönlich versehen und am Ort wohnen sollen alle Bischöfe, Kanoniker und Pfarrer. Gesetzmäßige Ferien (vacatio) kommen allein den beiden erst­ genannten Klaffen zu. Urlaub wird nur aus dringenden Gründen gewährt. Zuwider­ handeln zieht den Verlust eines Teils oder des ganzen Amtseinkommens, eventuell deAmtes selbst nach sich. Die Erfüllung der kirchlichen Amts- und der allgemeinen kirchlichen Mitgliedschafts­ pflichten wird gesichert durch die kirchliche Aufsicht. Die oberste Aufsicht über die ganze Kirche übt der Papst auS. Zu diesem Zwecke haben die Bischöfe in kürzeren Zeiträumen (3, 4, 5, 10 Jahre) zu persönlicher Berichterstattung in Rom sich einzufinden (visitatio liminum, § 29, 3 b), sowie eingehende schriftliche Berichte einzuliefern, relationes statu» (Prüfungsbehörde eine Abteilung der Konzilskongregation, concilietto genannt). Die Bischöfe beaufsichtigen und visitieren ihre Diözesen. In den deutschen Bistümern werden jährlich Dekanatsvisitationen abgehalten auf Grund von Pfarrrelationen; der Visitations­ bericht geht an den Bischof, der mindestens den Dekan selbst oder durch ein Mitglied seiner Behörde visitiert. HinschiuS, Kr. III §§ 157, 158", 159"; Heiner, Die professio fidei bei Pfarranstelluugen, A. f. k. Kr. LVII, 1887; Kober, Die Residen-pflicht der Kirchendiener, Tb. Q. LXIV, 1882; Her«, Die Refidenzpflicht der Pfarrer, 1888; Scherer, Die Tridentinischen Strafen der Verletzung der bischöflichen Refidenzpflicht, A. f. k. Kr. XLVI, 1881.

§ 100.

Die Erledigung der Kircheuamter.

Kirchenämter werden erledigt durch Tod, Absetzung (§ 91), bei Amovibilität durch Abberufung, ferner durch Verlust der Amtsfähigkeit (z. B. infolge Konfesfionswechsels), Verzicht (renuntiatio), bei höheren Ämtern aber nur mit Einwilligung des Papstes, bei niederen des Bischofs. Der Verzicht heißt resignatio, wenn er nicht pure geschieht, sondern z. B. unter Vorbehalt einer Rentenzahlung aus der Pfründe (r. cum reservatione pensionis). Eine andere als Strafversetzung ist nur mit Zustimmung des Benefiziaten und des bei der Besetzung Mitwirkungsberechtigten statthaft. HinschiuS, Kr. III §§ 160—166; Gillmaun, Die Resignation der Benefizien, 1901 (auch im A. f. k. Kr. LXXX, LXXXI); Heiner, Die remotio oeconomica oder die AmtSversetzung eines Pfarrers auf dem Verwaltungswege, A. f. t. Kr. LXXVII, 1897.

1 Der Passus: Haereticos, schismaticos et rebelles eidem domino nostro (papae) vel successoribus praedictis pro posse persequar et impugnabo ist, weil den Grundsätzen der Glaubens­ freiheit widersprechend, von den deutschen Regierungen beanstandet und von der Kurie daraufhin auS der Eidesformel der preutzifchen, hannöverschen und oberrheinischen Bischöfe Weggelaffen worden.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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Achtes Kapitel.

Die Verwaltung des kirchlichen vermögens.

§ 101.

Die Erwerbsfähigkeit der Kirche.

Nach kirchlichem Recht steht das kirchliche Eigentum den einzelnen kirchlichen In­ stituten (Gesamtkirche, Bistum, Pfarrei, Benefizium, Baufonds) oder Verbänden (Dom­ kapitel, Landkapitel) als juristischen Personen zu (Jnstitutentheorie), nicht der ganzen Kirche ausschließlich (Gesamtkirchentheorie). Die Weihe entrückt die zu gottesdienstlichen Zwecken bestimmten Gegenstände dem Eigentum nicht. Die konsekrierten Sachen (res consecratae) und die benedizierten (r. benedictae) werden als res sacrae nur dem Profangebrauch (z. B. einer Kirche als Salzmagazin, eines Kelches als Trinkgeschirr) entzogen und denjenigen Rechten, die einen solchen involvieren würden1. Die Verletzung dieser Gebrauchsbeschränkung ist Sacrilegium reale. An Kirchenstühlen und Begräbnis­ plätzen ist die Einräumung eines Mietrechts oder eines durch Kauf auf längere Zeit erworbenen Gebrauchsrechtes zulässig. Hinschius, Kr. IV §§ 206, 218, 222—224: Meurer, Der Begriff und Eigentümer der heiligen Sachen, 2 Bde., 1885; Hübler, Der Eigentümer des Kirchenguts, 1868; Poschinger, Das Eigentum am Kirchenvermögen, 1871; Hollweck, Das Testament der Geistlichen nach kirch­ lichem und bürgerlichem Recht, 1900; Meurer, Bayerisches Kirchenvermögensrecht I, II, 1899,1901; Crouzil, Questions de droit civil et ecclesiastique. De la location des Sieges d’^glise, 1903.

§ 102.

Das kirchliche Verwögen.

Das kirchliche Vermögen 2, res ecclesiasticae, umfaßt namentlich das Finanzvermögen der Kirche für Kultus- und Verwaltungskosten, speziell die Kirchenfabrik, fabrica ecclesiae, den meist als Eigentum einer besonderen juristischen Person sich darstellenden Baufonds, Kirchenländereien, Kirchhöfe, Land- und Stadtkapitelsgut, Domkapitelsvermögen, Seminar­ fonds, Diözesan-Hilfsfonds, Demeritenfonds, Anstaltsfonds, Klostergut (res religiosae), endlich die Pfründstiftungen im weiteren Sinn, wie das Benefizialvermögen der Pfarrei und anderer Pfründen, das bischöfliche Tafelgut, mensa episcopalis. Marr, Das Kirchenvermögensrecht mit besonderer Berücksichtigung der Diözese Trier, 1897; Meurer, Baierisches Kirchenvermögensrecht (§ 101); Seber, Die Kirchhöfe ber den aus vorfranzöfischer Zeit stammenden Kirchen im Gebiet des rheinischen Rechts, 1894.

§ 103.

Kirchliche Gebühren und Steuern iw besonderen.

Dem Pfarrer steht regelmäßig ein Anspruch auf Stolgebühr zu, iura stolae, für die Vornahme kirchlicher Amtshandlungen (Taufe, Aufgebot, Eheeinsegnung, Begräbnis) und die Ausstellung der Bescheinigung darüber (die Eucharistie, die letzte r^lung und gewöhnlich auch die Beichte sind gebührenfrei). Die Höhe der Gebühr beruht auf Her­ kommen oder Diözesantaxe. Die Vornahme der Amtshandlung darf nicht von der Zahlung, von der übrigens Arme befreit sind, abhängig gemacht werden. Der Zehnt, als Personalzehnt vom Einkommen überhaupt in Deutschland nicht 1 Ein erlaubtes Gebrauchsrecht ist dagegen zulässig. So sichert für die Zeit nach dem bevor­ stehenden Übergang des Gotteshauses in städtisches Eigentum eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach B.G.B. 1090 ff. den Gebrauch der Jesuiten-(oder Universitäts-Mrche durch die Universität Frei­ bürg bezw. durch deren theologische Fakultät. 2 Als bürgerlicher Ausfluß der kirchlichen Stellung steht es im Staat unter dessen Recht, hin­ sichtlich der Verwaltung unter öffentlichem, sonst unter privatem, an dessen Unverletzlichkeit es teil­ nimmt. Wer von den Kirchen im einzelnen Staat als juristische Person zu gelten habe, bestimmt das Landesrecht (Preußen z. B. zu Gunsten der Kirchgemeinde als Korporation, Bayern auch zu Gunsten der ganzen katholischen Kirche im Land als Einheit). Für den Verkehr (z. B. Vermächtnisse) ist B.G.B. maßgebend. Einzelstaatliche Amortisationsgesetzgebungen haben den Erwerb durch die Kirche, soweit er 5000 Mk. übersteigt, Beschränkungen unterworfen: E.G. z. B G. Art. 86.

IV. öffentliches Recht.

954

rezipiert, ist auch in seinen übrigen Formen, nämlich als großer Feldzehnt (decima praedialis maior) von Halmfrüchten und Wein, kleiner Feldzehnt (d. pr. minutn) von Wurzelgewächsen und Baumfrüchten, als Blutzehnt (d. sanguinalis) auf das zehnte Stück Jungvieh, auf Butter und Käse u. s. w., infolge Umwandlung in Geldabgaben (Fixation und Lbmation) sowie Ablösung fast überall beseitigt. Wohl aber haben sich mancherorts Lrarische und kommunale Leistungen, die auS der mittelalterlichen Verquickung weltlicher und kirchlicher Herrschaft und Gemeinde herrühren, als Natural-, insbesondere Holz­ kompetenzen öffentlich- oder privatrechtlicher Natur, als Almendnutzungen und öffentliche Fronden erhalten. Meurer, DaS Zehnt- und BodeuzinSrecht in Bayern, 1898.

Die Bischöfe erheben für die Ausfertigungen ihrer Behörden Kanzleitaxen, gelegent­ lich wohl auch noch ein seminaristicum zur Beisteuer ans Seminar oder eine Rotsteuer, ßubsidimn charitativum. Sonst find aber infolge der Staatsbeiträge und -Zuschüffe und der mit Bewilligung des Staates oder infolge Vereinbarung mit ihm auferlegten Orts- und Gesamtkirchensteuern, die als Zuschlag und in Prozenten zu den StaatSund Kommunalsteuern1 * *erhoben werden, die alten, nur auf der Geistlichkeit lastenden Steuern unpraktisch geworden. Der Papst bezieht von den deutschen Bistümern die Annaten (§ 34), die, in den ZirkumskriptionSbullen fixiert und im bayrischen Konkordat anerkannt, in runden Summen, zu denen bei Erzbistümern noch die Pallientaxen kommen, von den Staatsregierungen getragen werden. Der heutige Peterspfennig ist eine freiwillige Kollekte.

§ 104.

Die »arrlaft.

Die Baulast für die Instandhaltung der kirchlichen Gebäude und für Ersatzbauten tragen, falls die Kirchenfabrik bezw. deren Erträge nicht ausreichen, nach gemeinem Recht bei den Pfarrkirchen diejenigen, die Einkünfte von ihnen beziehen, mithin ein allfälliger patronns fructuarius, Zehntherren, der Benefiziat salva congrua (§ 30, 5), also nur mit dem Überschuß über daS für die Diözese festgesetzte Mindesteinkommen, und zwar alle diese zu entsprechenden Teilen gemeinschaftlich, zweitsubsidiär sodann der Patron ohne Einkünfte (patronuß raeretalis), doch so, daß bei Weigerung ihm bloß daS Patronatrecht aberkannt werden kann, endlich die Pfarrkinder. Versagen auch diese, so muß daS Amt supprimiert und einem benachbarten zugeteilt werden. Doch trifft daS Partikularrecht vielfach abweichende Bestimmungen und teilt die Baulast für Kirchenschiff, Chor, Turm verschiedenen zu. Bei Pfarrhäusern trägt der Pfarrer die laufenden Reparaturen; sonst gilt für sie wie für Pertinenzfriedhöfe (um die Kirchen) das eben dargestellte Recht. Bei Kathedralen tragen mangels einer Fabrik Bischof und Kapitel die Baulast. Permaneder, Die kirchliche Baulast*, 1890; Muth, Die französisch-rechtlichen Pfarreien nach der vermögen-rechtlichen Seite, 1893.

§ 105.

Die Verwaltung und Veräußerung deS Kircheugutes.

Das Bistumsvermögen verwaltet der Bischof, der auch im übrigen die Aufsicht hat, das Kapitelsgut das Kapitel, gewöhnlich durch den Propst oder Dekan bezw. einen Ökonomen oder eine mit der bischöflichen persönlich vereinigte Bureauverwaltung, das

1 In dem badischen (nicht.hohenzollernschen) Teil der Erzdiözese Freiburg wird, seit ein älteres staatliche- Gesetz, daS die Erhebung einer allgemeinen Kirchensteuer gestattet, 1899 auch al- kirch­ liche- Recht rezipiert worden ist, eine solche nach Maßgabe der Bewilligung durch eine katholische Kirchensteuervertretung (4/s Laien, V» Geistliche) erhoben. Die Steuervertretung, eine bemerkenswerte Neubildung innerhalb der katholischen Organisation, wird von den weltlichen GemeindestiftungSräten und von kombinierten Geistlickkeit-kapiteln gewählt. Eine ähnliche Einrichtung besteht ebenfalls feit 1899 in Hessen.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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Land- und Stadlkapitelsvermögen der Kammerer, das Pfarrvermögen der Pfarrer mit abhängigen laikalen Kirchengutsverwaltern1 * (vitrici, * Kirchenvögten, -Meiern u. s. w.). Nur bewegliche Kirchenvermögensstücke und solche, die herkömmlich immer wieder auSgeliehen werden (res infeudari solitae), dürfen veräußert oder — was ebenfalls als alienatio gilt — durch langfristige Verträge verliehen werden. Sonst ist eine Veräußerung oder Belastung nur ex insta causa (necessitas, evidens utilitas, christiana caritas) zulässig. Deren Vorhandensein muß nach Anhörung der Jntereffenten ein bischöfliches decretum de alienando feststellen8; für Veräußerung von Kathedralgut, bischöflichem Tafelgut (§ 20, 2) und BiStumSvermögen wird die Zustimmung deS Kapitels, für PfarrdotalgutSweggabe die des Patrons erfordert. Rur bei TafelgutSveräußerung muß auch die päpstliche Genehmigung nachgesucht werden. Eine unrechtmäßige Veräußerung ist nach Kirchenrecht8 nichtig, und kann von der veräußernden Kirche selbst angefochten werden. Bröckelmann, Die Verwaltung des Kirchen- und Pfründenvermögens in den kath. Kirchen­ gemeinden Preußens, 1898; 'AUlqc, Tn drana Hot qi'utov (xxifiotaartxii; ntfnovalni*, 1903.

§ 106. Die Verwaltung deS Benestzialvermögeus. Der Geistliche erlangt mit der Institution bezw. Investitur an dem zu seinem Benefizium gehörigen Vermögen ein ins in re, daS aus einheitlichem Titel fließt, aber den verschiedenen Bestandteilen gegenüber eine verschiedene Gestalt annimmt. An den Liegenschaften, dem Widem, hat er ein auf daS fränkische Benefizium zurückgehendeS und deshalb der Lehensnutzung verwandtes Recht, daS, obwohl partikularrechtlich als Nießbrauch behandelt, nach E.G. z. B.G.B. Art. 80 doch nicht unter das B.G.B. fällt, eS wäre denn, daß partikulares Kirchen- oder Staatskirchenrecht dafür auf das Zivilrecht und damit jetzt auf B.G.B. verwiese. DaS Widemrecht gibt die Befugnis zur Verwaltung, zur Nutzung (Fruchterwerb auch nach Kirchenrecht durch Trennung) und zum Gebrauch für nicht­ profanierende Zwecke. Veräußerung und Verschlechterung find untersagt, Meliorationen find erlaubt, und eS hat der Nachfolger nach Jmpensenrecht dafür Ersatz zu leisten. Ferner ist der Benefiziat zur Eigentums- und Eigentumsfreiheitsklage legitimiert. Von Kapitalien hat der Benefiziat den ZinSgenuß, auf Stolgebühren ein obligatorische- Recht4.* * Beim * Ab­ gang8 gebührt ihm oder seinen Erben ein verhältnismäßiger Anteil an den Früchten deS laufenden Jahres (annus deservitus, Verdienstjahr). Darüber hinaus geht oft ein Anspruch auf den Sterbemonat oder das Sterbequartal, über seinen Nachlaß kann der Geistliche auch nach Kirchenrecht frei verfügen; doch ist er im Gewissen verpflichtet, die Kirche zu bedenken. Die Früchte der erledigten Pfründe (fructus intercalares) fließen jetzt meist in einen JnterkalarfondS für allgemein kirchliche Bedürfniffe. Groß, DaS Recht an der Pfründe, 1887; Galante, 11 beneficio ecclesiastico, 1895; BrandiS, DaS Nutzungsrecht deS Pfarrers an den Grundstücken der Pfründe, Göttinger Difi. 1889; 1 Eo wenig wie daS mittelalterliche hat daS moderne weltliche Recht der Kirche die alleinige Verwaltung des KirchengutS überlasten. Vielmehr kennt daS preußische Recht dafür Kircheuvorstäuoe (untre bloßem Borfitz des Pfarrers) und weitere Kirchenaemeindevertretungen, und eS haben Bahren, Baden, Württemberg gemischte staatlich-kirchliche Derwaltungstommisfionen, EtiftuugSräte, Distrikts­ kommissionen, ObermftungSräte, in deren niederster neben dem Pfarrer und gewählten Gemeinde­ vertretern auch der Bürgermeister fitzt. 8 Nach deutschem EtaatSkirchenrecht bedarf eS zur Veräußerung und Belastung kirchlichen Grundeigentums tote zu Darlehensaufnahmen u. s. w. staatlicher Genehmigung. 8 Nicht auf bürgerlichem Gebiet, für welches das Grundbuchrecht und B.G.B. §§ 932 ff. maß» gebend find. 4 Daneben sind jetzt von großer Wichtigkeit die teils aus staatlichen, teils aus kirchlichen Mitteln fließenden Ausbefierungen gering besoldeter Geistlicher auf ein Mindestgehalt von 1500 (Preußen! oder 1800 Mk. (Baden, Bayern), zu denen dann noch DienstalterSzulagen kommen. Also ein äemischtcS System von Pfründen und Gehalt. Dgl. jetzt für Bayern den Ministerialerlaß vom 7. September 1902, A. f. t Kr. LXXXIII, 1903 E. 136 ff. B Dieser erfolgt bei Lebzeiten stets in den kanonischen Formen bet renuntiatio oder der resignatio (8 100), bewirkt aber bisweilen wie nach staatlichem Beamtenrecht die Fälligkeit eines eigent­ lichen Ruhegehalt-anspruchs; vgl. z. B. das interefiante PenfionSpatut für bic Geistlichen der Diö­ zese Rottenburg vom 3. Dezember 1901, A. f. t. Kr. LXXXIII, 1903 S. 173 ff.

956

IV. öffentliche- Recht.

Glattselter, Das preußische Gesetz betr. daS Diensteinkommen der katholischen Pfarrer, 1898. Über denselben Gegenstand auch Porsch in A . s . k . Kr. LXXVIII, 1898; Meurer, Aufbesserung-recht und Lufbefserungspolitik auf dem Gebiet de- bayerischen Psründeuweseus, 1900; Geiael, Pfründennießbrauch zufolge des B.G.B., DZ. f. Kr. VIII, 1898, und dazu- Meurer, Bayerisches KirchenvermögenSrecht, II, 1901, S. 285 ff. Siehe auch die Lit. zu § 101.

Vierter Titel. Das deutscH-evarrgetiscHe1 Kircherrrectzt. Außer den zu Tit. 1 angeführten Lehr- und Handbüchern kommt vor allem das grundlegende Werk von Friedberg, DaS geltende DerfassungSrecht der evangelischen Landeskirchen in Deutschland und Österreich, 1888 (B. R ) in Betracht und daneben Köhler, Lehrbuch deS deutsch-evangelischen KircheurechtS, 1895 sowie als Darstellung deS wichtigsten Partikularrechts Echoen, Preußisches Kirchenrecht (Pr. Kr., § 48, 3).

Erstes Kapitel.

Pie Hlechtsq«ekke«. § 107. Kirche«- und StaatSgefetz, Gewohnheitsrecht, Corpus iuris canonici. Die Heilige Schrift und die Bekenntniffe gelten in den deutschen, auch in den reformiert beeinflußten Kirchen nur als Richtschnur, nicht als Rechtsquellen. Doch enthalten die Bekenntniffe (§§ 45 und 46, wozu noch die seit der Aufnahme in das Konkordienbuch im Jahre 1580 ebenfalls als Bekenntnisschrift betrachteten Lutherschen Katechismen kommen; §§ 50, 51, 46) gewisse leitende Grundsätze, die zum Teil in die Landeskirchen­ gesetzgebung und das landeskirchliche Gewohnheitsrecht übergingen. Solche Gewohnheit, deren Träger aber alle Mitglieder der einzelnen Kirche, nicht bloß die Geistlichen sind, deren Rationabilität sich nach evangelischen Grundsätzen bemißt, und für die das Erfordernis der Dauer während der Verjährungszeit nicht gilt, hat auch sonst evangelisches Kirchen­ recht geschaffen, und zwar wegen weitgehender Übereinstimmung in religiöser und nationaler Denkweise vielfach gemeinsames (nicht gemeines!) Recht. Als gemeinsames, überein­ stimmendes Gewohnheitsrecht gilt ferner noch heute subsidiär das kanonische Recht in der evangelischen Kirche mit der oben S. 892 gemachten Einschränkung, und soweit nicht die neuere Kirchengesetzgebung oder jüngeres Gewohnheitsrecht für einzelne Materien oder überhaupt es ausschließen. Die Gesetzgebung selbst ist entweder eine rein staatliche über und in der Kirche (beide Mecklenburg, Sachsen-Altenburg), wogegen, wenn dieser Zustand auch dem modernen Kirchenhoheitssystem widerspricht, zumal vom älteren evangelischen Standpunkt aus, der dem Staat die äußere Ordnung auch in der Kirche überließ, wenigstens ein formales Bedenken nicht besteht. Oder es ist das kirchliche Grundgesetz Bestandteil der Staatsverfaffung und kann infolgedeffen wohl kirchlich ausgebaut, aber nicht, außer im Wege der Staatsgesetzgebung, abgeändert werden (Bayern). Oder es beruht auf absoluter kirchenregimentlicher Gesetzgebung (Sachsen-Koburg-Gotha, Schwarz­ burg-Rudolstadt, Lübeck, Bremen). Oder es ist selbständiges (Preußen, Sachsen, Württem­ berg, Baden, Hessen, Sachsen-Weimar, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen-Meiningen, Anhalt, Waldeck, Lippe, Hamburg), wenn auch in gewissem Maße staatlich beaufsichtigtes (§ 59) und staatsgesetzlich bestätigtes Kirchengesetz bezw. Kirchenverordnung, kirchliche Dienstweisung oder Gemeindestatut. Friedberg, Die geltenden Verfassungsgesetze der evangelischen deutschen Landeskirchen, 1885, und 3 ErgänzungSbände 1888 —92, (ein vierter befindet sich unter der Presse), Fortsetzung inzwischen in d. D. Z. f. Kr.: Hübler, KirchenrechtSquellen (E. 811) §§ 27—31; Friedberg, V. R. g 2;

1 Durch Kabinettsorder Friedrich Wilhelms 111. vom 3. April 1821 wurde die Bezeichnung .Protestanten", da sie aus der Zeit der konfessionellen Streitigkeiten herrühre (also nur zeitgeschicht­ liche Bedeutung habe), für die preußische Landeskirche amtlich beseitigt und durch .Evangelische" ersetzt.

4.

Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

957

Echoen, Pr. Ar. §§ 2, 11, 12; Jacobson, Geschichte der Quellen des evangelischen Kirchenrechts der Provinzen Preußen und Posen, 1837—39 (vgl. § 53); v. Scheurl, Die RechtSgeltung der Symbole, in s. S. kr. A., Kirchliche- Gewohnheitsrecht, ebenda; Lüttgert, Giebt eS ein unmittelbar antoenbbares gemeines evangelisches Kirchenrecht? Göttinger Diff., 1892.

Zweites Kapitel.

Z>te

5 108. Kirche neb Kirche»get»alt. Kirche im RechtSfinn ist nach evangelischer Auffaffung die innerhalb menschlicher Ordnung (Gemeinde, Staat, Reich, Nation) in Erscheinung tretende und an rechter Wort- und SakramentSverwaltung äußerlich erkennbare Gemeinschaft der an Gott in Jesu Christo Glaubenden. Ihr ist als solcher (nicht dem einzelnen, auch nicht dem Geistlichen unmittelbar!) von Gott die Gewatt der Schlüssel, potestaa clavium, gegeben, d. h. die Befugnis, das Evangelium zu predigen, die Sakramente zu verwalten sowie Sünden zu vergeben und zu behalten, auch die notorisch Gottlosen durch daS Wort auszuschließen. Jeder kann sich in ihr das Heil vermitteln und ist an sich befähigt, die der Kirche übertragene Voll­ macht auSzuüben (allgemeines Priestertum); ein mit besonderer geistlicher Befähigung begabter priesterlicher Stand (Klerus) verttägt sich mit der evangelischen Auffaffung nicht. Jedoch der Ordnung halher müssen solche da sein, die von Berufs wegen für die Kirche in Ausübung von deren Gewalt tätig werden. Deshalb hat die Kirche nach göttlichem Ratschluß ein Predigtamt, miuisterium verbi divini. Ihm und nur ihm ist die Wortund Sakrament-verwaltung anverttaut (aber Nottaufe bei den Lutherischen). Aber auch die Gewalt, sich zu regieren (poteataa regiminia), hat die Kirche. Sie überließ sie fteilich anfangs dem weltlichen Regiment und konnte das; denn die äußere Ordnung kommt für sie allein deshalb in Bettacht, weil sie auch menschlicher Verband ist, hat also für sie nur untergeordnete Bedeutung. Jedoch seit geistliches und weltliches Regiment und ihr Zusammengehen aufgehört haben, und dieses, , in den Staat über­ gegangen und durch die Parität zur grundsätzlichen Neutralität gelangt, selbst die Geneigt­ heit, die Kirche von sich abzuschichten und eigner Verwaltung zu überlassen, bekundet hat, ist die Eigenverwaltung der Regierungsgewalt für sie nicht nur zur Notwendigkeit, sondern geradezu zur Pflicht geworden, weil das weltliche Gemeinwesen die Voraus­ setzungen nicht mehr erfüllen kann, unter denen die Kirche von der Selbstregierung absah und absehen durfte. Darüber, wie sie von dieser ihrer Selbstverwaltung Gebrauch machen soll, bestehen keine göttlichen Vorschriften (Mangel eines ins divinum). Rur darf die rechtt Wort- und Sakramentsverwaltung nicht beeinträchttgt, und muß jede unevangelische Verquickung von Glauben und Recht vermieden werden. Friedberg, D. 9t. §§ 5—8.

§ 109. Die kirchlichen Verbände. An sich stellt schon die Einzelgemeinde nach evangelischer Auffassung die Kirche dar. Jedoch weder nach früherem noch nach geltendem Recht erscheint sie derart als die Grund­ form der Kirche im RechtSfinn, daß der höhere und höchste kirchliche Verband nur als Bund solcher Kirchen, als Gemeindenkonfüderation sich darstellte. Vielmehr wurde regel­ mäßig daS Regiment des Landesherrn in Religionssachen zu der Grundlage, auf der die Bildung der evangelischen Kirchen im RechtSfinn sich aufbaute. Die evangelischen Kirchen sind nach geschichtlicher Entwicklung landesherrliche, ja Territorialkirchen. Im heutigen Recht spiegelt sich dies darin wider, daß Kirchen von Territorien, die aufgehört haben, politisch ein Sonderdasein oder doch ein selbständiges zu führen, fortbestehen, sofern nur eine regimentliche Trägerschaft weiter in souveräner Stellung für sie fortlebt. Folgendes sind nämlich die deutsch-evangelischen Kirchenverbände: 1. die Kirche der neun älttren

958

IV.

Öffentliche- Recht.

preußischen Provinzen (vor 1866); innerhalb derselben stehen sich die Kirchen der sieben östlichen Provinzen (Ostpreußen, Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen) sowie der Hohenzollerschen Lande*1 einerseits und diejenige der beiden westpreußischen Provinzen (Westfalen und Rheinprooinz) anderseits, von denen die Rheinprovinz ihre ältere, pre-byterial-synodale Verfassung, wenn auch mit einiger An­ gleichung, bewahrt hat, in einer gewissen Sonderstellung gegenüber, indes alle zusammen durch die Union ihr charakteristisches Gepräge erhalten gegenüber 2. der lutherischen und 3. der reformierten Kirche der Provinz Hannover sowie 4. der lutherischen Kirche von Schleswig-Holstein, zu der Helgoland gehört, mit der lutherischen Kirche des Kreises Herzogtum Lauenburg; *5. der evangelischen Kirche (lutherische, reformierte und unierte Gemeinden) von Nassau (Konsistorium Wiesbaden); 6. der ebensolchen Kirche des Kon­ sistoriums zu Kassel (ehemals Kurheffen) und 7. den evangelischen (lutherischen und reformierten) Kirchengemeinfchaften zu Frankfurt a. M. nebst den Landgemeinden. DaS Kirchenwesen dieser 1866 hinzugekommenen Gebiete wird als provinzielle- LandeSkirchentum bezeichnet. Jedoch hat sich seit den vierziger und fünfziger Jahren des verflossenen Jahrhundert- ein Sprachgebrauch gebildet, der als preußische Landeskirche im weiteren Sinn alles zusammenfaßt, was, wenn auch nicht einheitlich organisiert, unter dem Kirchen­ regiment des Königs von Preußen steht, so daß dazu auch die Jmmediatgemeinden, Militärgemeinden, ausländischen Gemeinden *, Anstalt-gemeinden (in Straf-, Erziehungs­ und anderen Anstalten) gehören, und in allerneuester Zeit scheint mit der Einrichtung gewisser einheitlicher Fondsverwaltungen für sämtliche preußische Landeskirchen, ja eventuell auch für ausländische Gemeinden, ein erster Anfang zu einer verfassungrechtlichen Einigung gemacht zu sein; 8. die protestantische Kirche Bayerns diesseits (recht-) des Rheins; 9. die vereinigte protestantische (unierte Kirche) der Rheinpfalz; 10. die lutherische Kirche des Königreichs Sachsen; 11 die gleichfalls lutherische Württembergs; 12. die vereinigte evangelisch-protestantische Kirche Badens; 18. die evangelische (lutherische, reformierte, unierte) Kirche Hessens; 14. die evangelische Kirche beider Mecklenburg (gesondertes Kirchenregiment); 15. Sachsen-Weimar (lutherische und reformierte Gemeinden); 16. SachsenKoburg-Gotha (gesondertes Regiment); 17. Sachsen-Altenburg; 18. Sachsen-Meiningen; 19. die lutherische Kirche von Braunschweig; 20. die unierte von Anhalt; 21. die Kirchen des Herzogtums Oldenburg, des Fürstentums Lübeck und des Fürstentums Birkenfeld (nur in dem Kirchenregiment des Großherzogs von Oldenburg eine Einheit bildend); 22. die lutherische Kirche von Schwarzburg-Sondershausen und 23. die ebensolche von SchwarzburgRudolstadt; 24. die unierte von Waldeck und Pyrmont; 25. die lutherischen Landeskirchen von Reuß ältere Linie und jüngere Linie; 26. die lutherische von Schaumburg-Lippe; 27. die reformierte des Fürstentums Lippe; 28. die lutherische Kirche des lübeckischen Staates; 29. Bremen: die vorwiegend lutherischen Stadtgemeinden sind autonom mit gemeinsamer Vertretung; die reformierten, lutherischen und unierten des Landgebiets sind dem Kirchenregiment des Senats unterworfen; 30. die lutherische Kirche im hamburgischen Staat; 31. Elsaß-Lothringen, lutherische Gemeinden mit einem Oberkonsistorium und Direktorium, reformierte ohne einheitliches Organ, beide nicht unter landesherrlichen, Kirchenregiment. Dazu kommen in den einzelnen Territorien noch freie lutherische oder reformierte Gemeinden und die niedersächsische Konföderation (§ 51). Zwischen diesen Verbänden bestand bis vor kurzem keine andere Verbindung als der Kartellverband der Eisenacher Konferenz (§ 53; Organ: Allgemeines Kirchenblatt). Dieser Zusammenschluß hat sich aber seit 1903 durch die Bildung eines ständigen „Deutschen evangelischen Kirchen auSschuffeS" verdichtet, der aus 15 von der Kirchenkonferenz d. h. von den Abgeordneten der betreffenden Kirchenregierungen auS der Mitte der Konferenz entsandten Mitgliedern besteht (Altpreußen 3, Neupreußen 2, Bayern, Sachsen, Württemberg je 1, alle übrigen in Gruppen zusammen 7). Er soll unbeschadet des Bekenntnisstandes, der Verfassung

1 Hohenzollern gehörte früher kirchlich zur Rheinprovinz, ist aber seit 1898 als selbständiger KreiSsynovalveroand den Provinzialverbändrn angereiht und der preußischen Landeskirche eingegliedert. 1 Ein Verzeichnis der preußischen Auslandgemeinden bei Schoen, Pr. Kr. 1 S. 241 9t. 5.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

959

und des landesherrlichen KirchenregimentS der einzelnen Kirchen die Einheitlichkeit der Entwickelung fördern und die gemeinsamen evangelisch-kirchlichen Interessen im In- und AuSlande wahrnehmen. Damit hat der Verband der evangelischen Landeskirchen eine festere Gestalt anzunehmen begonnen. DrewS, Evangelische Kirchenkunde (bis jetzt I. Königreich Sachse«, 1902, II. Provinz Schlesien, 1903); WerckShage«, Der Protestantismus in Wort und Bild am Ende deS 19. Jahrhunderts, 2 Bde, 1900 ff.; Friedberg. D. R.j 1; Echoen, Pr. Kr. I §$ 1,5—10; Jacobson, DaS evan­ gelische Kirchenrecht deS preußischen Staates, 2 Bde., 1864—66; Ritze, Die Verfassung»- und Ster« waltungSgesetze der evangelischen Landeskirche in Preußen*, 1895; Lilge, Die Gesetze und Ver­ ordnungen über die evangelische Kirchenverfaffung in den älteren Provinzen der preußischen Monarchie, 1896; Goßner, Preußische- evangelische- Kirchenrrcht, 1898; Riedner, Grundzüge der Verwaltung-orgamsation der altprrußischeu Landeskirche, 1902; Giese, Die Kirchengesetze der evangelisch-reformierten Kirche der Provinz Hannover, 1902; ChalybaeuS, 6aaunliuig der Vorschriften.... betr. daSchleswig-Holfteiursche Kirchenrecht*, 1902; Wagner, überschau über da- gemeine und bayerische protestantische Kirchenrecht, 1892; Spohn, Kirchenrecht der vereinigten evangelisch-protestantischen Kirche im «roßhemogtum Baden, 2 Bde., 1871—75; Köhler, Hessisches evangelische- Klrchenrecht mit Rachtrag, 1884 90.

5 Uv. Da- landesherrliche Kirchearegimeat. DaS landesherrliche Kirchenregiment ist die historisch gegebene, durch vielfache Ver­ dienste um die Kirche und aus Zweckmäßigkeitsgründen auch heute noch praktisch ge­ rechtfertigte, aber theoretischer Begründung sich entziehende Befugnis und Pflicht des Landesherrn, in der evangelischen Kirche die Kirchengewalt (potestas regiminis) auszu­ üben, daS Recht und die Pflicht zu oberster Leitung der Kirche (schief als Summepiskopat, im hamburgischen Staat bloß als Schutzrecht bezeichnet). Es fließt nicht au- der Souveränität und ist kein Bestandteil der Staatsgewalt, sondern ein frei erworbeneAnnex derselben, etwa wie auf staatlichem Gebiet die deutsche Kaiserwürde mit der Träger­ schaft der Krone Preußens sich verbindet. Deshalb steht es auch dem katholischen Landes­ herrn zu (zurzeit in Bayern und Sachsen). Doch soll er es nicht persönlich auSüben. Vielmehr find in Sachsen vier (evangelische) Minister, darunter der Kultusminister, in evangelieis beauftragtx, während in Bayern das Oberkonfistorium in München bezw. das Konfistorium in Speier (für das linksrheinische Bayern) das landesherrliche Kirchen­ regiment auSüben, freilich so, daß bei wichtigen Angelegenheiten die Entscheidung deKönigS eingeholt werden muß, der allerdings grundsätzlich bei deren Abgabe nur die staatlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen hat. Dem evangelischen Landesherrn kommt dagegen nicht bloß die Trägerschast der Kirchengewalt zu. Bielmehr ist er auch deren oberstes Organ. Jedoch nur einen Teil der Ausübung behält er pch vor (Reservatrechte). Dahin gehörten z. B. die Ausübung der gesetzgebenden Gewalt, die Berufung, Ver­ tagung, Schließung und Auflösung der Landessynoden, die Ernennung der kirchenregimentlichen Behörden, in kleineren Kirchen auch der Pfarrer, die oberste Instanz in Beschwerdesachen und die Anordnung von Generalvifitationen der ganzen Kirche. Doch ist in den meisten und wichtigsten Landeskirchen der Landesherr auch bei Ausübung des reservierten Teil- der Kirchengewalt beschränkt und an die Zustimmung von Landes­ oder Provinzialsynoden für die Gesetzgebung wie auch für andere RegierungSakte gebunden. Friedberg, D. 3t 9—13; Schoen, Pr. Kr. I SS 17,18; v. Scheurl, Die Au-übumzSweife de» landesherrlichen Krrchenregiments in s. S. fr. A-; Meier, Die Grundlagen de» lutherischen Kirchenregiments, 1864, DaS Recht-leben der deutschen evangelischen Landeskirchen, 1889; Kieker,

1 In Württemberg ist seit 1898 für den Fall der Zugehörigkeit deS Landesherr« zu einer anderen al- der evangelischen Konfession die Ausübung des Kirchenregiments durch eiue evangelische Kirchenregierung vorgesehen (zwei evangelische Geheimrat-mitglieder, der Präsident de- Konsistorium-, der Präsident der LandeSshnode und der dienstülteste Generalsuperintendent unter de« al- Geheimrats­ mitglied jedenfalls zu deputierenden evangelischen Staat-minister oder Ehef deS KirchendepartementS, eventuell aber unter einem gewählten Mitglied al- Vorstand). Ein Anbringen der firchenregrment« lichen Geschäfte an den König findet nicht statt. Rur der Präsident und die Mitglieder des Konsistoriumsowie die evangelischen Hofprediger werden auf Vorschlag und Anbriugen vom König ernannt.

IV. öffentliche- Stecht.

960

Die evangelische Kirche Württemberg- in ihrem Verhältnis zum Staat, 1887, Sinn und Bedeutung de- landesherrlichen Kirchemeegimeut-, 1902; Höfling, Grundsätze evangelisch-lutherischer KirchenVerfassung**, 1858; Eteiumeyer, Der Begriff des KiähenregimentS, 1879; Kawerau, Leber Be­ rechtigung und Bedeutung deS landesherrlichen KircheuregimentS, 1887; Zorn, Das andesherrliche Kirchenregiment nach der Ansicht der Reformatoren und im Hinblick auf den modernen Staat, Z. f. Kr. XII, 1874; Echoen, DaS LandeSrirchentum in Preußen (auch im Verwaltung-archiv), 1898.

§ 111.

Die kirchenregtmeutliche« Behörde».

Insbesondere aber hat der Landesherr den nicht vorbehaltenen Teil seiner Gewalt (iura vicaria) nur an evangelische Kirchenbehörden zur Ausübung zu übertragen, deren Bestand teils staats- und kirchengesetzlich (Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Braunschweig, Anhalt, Meiningen) ober nur kirchengesetzlich (Baden, Hessen, Oldenburg, Weimar) gewährleistet und bestimmt, und deren Zuständigkeit fest abgegrenzt ist. Bier Gruppen laffen sich in dieser Hinsicht unter den hmztigen deutschen Kirchenverfaffungen unterscheiden. 1. Die oberste Kirchenregimentsbehörde ist jetzt noch staatlich (Minister der geistlichen Angelegenheiten) in den neuen preußischen Provinzen, Hannover ausgenommen, in Koburg-Gotha, Fürstentum Lübeck, Reuß jüngerer Linie. 2. Nur die sacra interna (§ 52) sind einer kollegialischen Kirchenbehörde übertragen, die externa einer Ministerialbehörde (Weimar, Altenburg, Meiningen, die beiden Schwarzburg, Lübeck, Bremen). 3. Es besteht eine kirchliche Kollegialbehörde, aber sie ist, insbesondere im Verkehr mit dem Landesherrn, der obersten Staatsbehörde unterstellt (Oberkonfistorium in Bayern, Konsistorium in Württemberg, Landeskonsistorium in Hannover). 4. Die oberste Kirchen­ behörde ist rein kirchlich und steht unmittelbar unter dem Landesherrn (Oberkirchenrat in Attpreußen, Oldenburg, Baden, Oberkonfistorium in Hessen; das LandeSkonfistorium in Dresden übt das Kirchenregiment für die vier in evangelicis beauftragten Minister aus). In größeren Kirchen ist der kirchliche Behürdenapparat in der Weise untergegliedert, daß unter der Zentralbehörde als oberster Instanz Provinzialkonfistorien stehen (Alt­ preußen, Hannover, Schleswig-Holstein, Hessen-Nassau, Bayern), welche die kirchlichen Angelegenheiten eines Konsistorialbezirks (Provinz *) erledigen, indes die Oberbehörde die AufsichtS- und Rekursinstanz über ihnen bildet und namentlich die landeskirchlichen An­ gelegenheiten besorgt. In Bayern freilich sind die Konsistorien zu Ansbach und Bayreuth nur die lokale Exekutive und untere Aufsichtsbehörde der zentralen. Sämtliche genannten Behörden sind Kollegialbehörden. Ihre Mitglieder ernennt der Landesherr. Sie werden mit Geistlichen, Berwaltungs- und Justizbeamten besetzt; den Vorsitz hat regelmäßig einer der letzteren. Staatsbehörden sind sie nicht, wohl aber öffentliche Behörden und ihre Mitglieder öffentliche Beamte; anders natürlich da, wo die kirchlichen Angelegenheiten noch der Staatsbehörde oder einer Abteilung bei dieser überttagen sind. Friedberg, V. R. §§ 14-17

Schoen, Pr. Kr. I §§ 19, 20.

§ 112. Superiirtertdertteir und Seueralsuperiuteudeuteu (evangelischer Feldprobft und Rariueprobft) im besonderen. Das unterste kirchenregimentliche und ein Einzelorgan (in Kurhessen aber darunter noch Metropolitane) ist der Superintendent (Dekan, Ephor, Probst), der vom Landesherrn (in der lutherischen Kirche Hannovers vom Landeskonsistorium) aus den Pfarrern des Superintendenturbezirks* (Diözese) ernannt, in Rheinland-Westfalen, Baden, Hessen da­ gegen von der betreffenden Synode gewählt wird und überall da in Tätigkeit tritt, wo

1 Für Berlin ist seit 1895 eine besondere Abteilung im brandenburgischen Konsistorium ein­ gerichtet. * Preußische Exemtionen davon siebe bei Schoen, Pr. Kr. I 265f. Insbesondere sind die Domkirche zu Berlin sowie die Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam direkt dem Oberkirchenrat unterstellt.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

961

es persönlicher Einwirkung bedarf, insbesondere auch in der Aufsicht über die Geistlichen und die @cmcinben \ Die Superintendenten (Prädikat: Hochwürden) führen auf den Kreis(Diözesan-)synoden den Vorsitz, ordinieren, leiten die Pfarrwahlen, treffen Interims­ anordnungen (bei Behinderung oder Vakanzen) und visitieren die ihnen untergebenen Pfarrer und Gemeinden. Norddeutsche Kirchen (besonders die größeren, aber u a. auch SachsenKoburg, Lippe ref. und als bloßen Titel z. B. Anhalt, Altenburg, Reuß jüngere Linie) kennen in neuerer Zeit auch wieder das Amt eines Generalsuperintendenten (Alt­ preußen, hier je zwei für Brandenburg und Sachsen, einer für Berlin, sonst für jede Provinz — § 109 — regelmäßig einer; Heffen; Nassau: Schleswig-Holstein; Hannover, hier ein reformierter und sechs lutherische) oder Prälaten (Württemberg sechs mit Mitglied­ schaft im Landtag). Sie fitzen meist zugleich in den Provinzialkonfistorien b^w. in der einzigen Landeskirchenbehörde, und zwar mit dem Recht, falls sie überstimmt werden, die betreffende Sache an den Oberkirchenrat zu bringen, haben die Aufsicht über ihre Bezirke (Provinzen) und deren Superintendenten, sollen diese und deren Pfarreien visitieren und über sie berichten, führen die Superintendenten ein und ordinieren mancherorts auch die Pfarrer, wohnen den (Provinzial-)Synoden bei mit dem Recht, auf ihnen das Wort zu nehmen und Anträge zu stellen, und sind mancherorts auch geborene Mitglieder der LandeS(General-)synode. Ihre AmtStracht ist ein schwarzer Talar mit silbernem Brust­ kreuz 8; in Altpreußen haben sie den Rang der Räte 2. Klaffe. Friedberg, D. Ä.g 18; Schoen, Pr. Kr. I 8 21, W. I. Schmidt, Der Wirkungskreis und die WirkuagSart der Superintendenten, 1837.

Außerhalb der ordentlichen landeskirchlichen Organisation (aber mit Sitz und Stimme im preußischen Oberkirchenrat) als ausführende Stelle des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten und des Kriegsministeriums steht in einer Art Generalsuperintendenten­ stellung der vom König frei ernannte evangelische Feldprobst für das preußische Landheer. Er ist gleichfalls AuffichtS- und BifitationSorgan und versammelt alle Jahre eine Konferenz der Militäroberpfarrer (bei jedem Armeekorps einer), die in Superintendentenstellung (in den altpreußischen Provinzen mit Sitz und Stimme in den Konsistorien) über den Militärgeistlichen der Armeekorps stehen und sie jährlich zu einer Militärpfarrkonferenz einberufen. Der Feldprobst ernennt, versetzt und entläßt alle DivifionS- und GarnisonSpfarrer; die Militäroberpfarrer ernennt der König frei auf einen durch Vermittlung des Kriegs- und des Kultusministeriums ihm vom Feldprobst zu machenden Vorschlag. Neuestens ist durch eine evangelische Kirchenordnuna für die Marine auch das entsprechende Amt eines MarineprobsteS vorgesehen worden; als Marineoberpfarrer sollen die beiden Stationspfarrer, die ersten Pfarrer der Geschwader und der Inspektion des Bildungs­ wesens gelten. Friedberg, D. R. § 1.; Schoen, Pr. Kr. I S. 25, 69, 74 und § 22; v. Richter, Die evangelische militärische Dienstordnung, 1903.

5 113.

Die Pfarrer und ihre Gehilfe«.

Ein einziges Amt, mit dem sich wohl eine Verschiedenheit von Rang und Titel (Oberpfarrer, Archidiakon, Prälat u. s. w.) und der äußereren Stellung (Hauptpfarrer und Hilfsgeistlicher), nicht aber eine Verschiedenheit der geistlichen Befähigung verträgt, ist in der evangelischen Kirche eingesetzt, um Wort und Sakrament, überhaupt um cüle geistlichen Handlungen zu verwalten, das ministerium verbi divini. Seine ordentliche Er1 In Sachsin, Hannover und Württemberg wird aber der Superintendent auch im Verein mit einem staatlichen BerwaltungSbeamten als sog. Kircheninspektion, alS Kirchenkommiffariat oder als gemeinschaftliches Oberamt zum Zweck der Beaufsichtigung der Gemeinden und Kircheuvorstände tätig. • Die Geueralsuperiutendenten, dmen im Lauf deS 19. Jahrhunderts von den preußischen Königen der Bischofstitel verliehen worden ist, trugen das Kreuz in Gold und hatten das Prädikat: Hochwürdiger. 1829 hat Friedrich Wilhelm in. den Königsberger Generalsirperiuteudenten BorowSkh sogar zum Erzbischof ernannt. RicoloviuS, Die bischöfliche Würde iu Preußens evangelischer Krrche, 1834; Schoen, Pr. Kr. I 75 A. 1 und 278 A. 3. Ene,llopädte berJte$üwHficÄf$aft.

6., der Reabearö. 1 XsflL Ld. H

61

IV. öffentliches Recht.

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scheinungSform ist das Pfarramt. Der Pfarrer leitet die einzelne Orts- oder Pfarrgemeinde (Parochie), besorgt den Gottesdienst, die Seelsorge, die Verwaltung der Sakramente, predigt, unterrichtet in Jugend-- und Konfirmandenunterricht und führt die Kirchenbücher. Auch für des evangelischen Pfarrers Zuständigkeit gilt der Satz: „Quisquis est in parochia, eßt etiam de parochia.“ Doch wird der Pfarrzwang nicht bloß durch ältere Befreiungen zu Gunsten von Beamten, Adeligen u. f. w. und durch neuere Exemtionen, wie diejenige der Militärgemeinden, durchbrochen, sowie durch das in Städten ost hergebrachte Parochialwahlrecht, wornach man sich zu einer Wahlpfarrei halten kann, um die sich mit einer Territorialgemeinde oder ohne eine solche auf diese Weise ein Personalverband bildet. Vielmehr ist in neuerer Zeit der Pfarrzwang auch sonst gemildert und auf Aufgebot und Begräbnis beschränkt worden. Mehrere Pfarrer haben im Zweifel gleiche Stellung; da­ neben gibt eS Hilfsprediger, und zwar entweder mit selbständigem Wirkungskreis, aber in Unterordnung unter den Pfarrer, oder als abhängige Hilfsgeistliche. Friedberg, DR. §§ 19, 23—25; Weizsäcker, Juristischer Wegweiser für Kirchenbau und Parvchialteilung in den sieben östlichen Provinzen der Landeskirche PreuhenS, 1891; Rieker, Die rechtliche Natur des evaugelischeu Pfarramts, 1891.

Geistlicher wird man durch die Ordination (in Württemberg erst seit 1855). Diese stellt sich nach dem in § 108 Ausgeführten als der kirchenregimentliche Akt dar, durch den die Kirche für den Betreffenden daS feierliche Zeugnis darüber ablegt, daß er fähig sei, das bei ihm wie bei jedem gläubigen Christen schon vorhandene Priestertum aus­ zuüben, und wodurch sie weiter ihm die allgemeine Bevollmächtigung erteilt, die Schlüssel­ gewalt in ihrem Namen und Auftrag zu verwalten. Einen übernatürlichen und un­ auslöschlichen Charakter gibt sie nicht; sie kann auch wieder entzogen oder freiwillig auf­ gegeben werden. Dagegen hat der evangelische Geistliche kraft staatlichen Rechts während der Dauer seine« Amtes gewisse StandeSrechte, dieselben wie der katholische (oben S. 921 A. 2) mit Ausnahme der Befreiung von der militärischen Dienstpflicht; auch die Standespflichten find, abgesehen von der Verpflichtung zur Ehelosigkeit und zum Breviergebet, ähnliche. Insbesondere haben die Geistlichen Residenz zu halten. Über den Stand ihrer Gemeinden

haben sie schriftliche Berichte einzureichen; visitiert werden sie mit denselben von den Superintendenten, bisweilen unter Mitwirkung synodaler Organe. Staatsbeamte find sie nur, wo daS evangelische StaatSkirchentum noch fortbesteht; wo die Kirche verselbständigt ist, erscheinen sie lediglich als öffentliche Beamte. Literatur zu § 48, 5.

§ 114.

Die Gemeinde undMhre Vertretung.

Die Gemeinde, nach altlutherischer, an die katholische sich anschließender Auffassung mehr nur das Objekt der pfarramtlichen Tätigkeit und nach der privatrechtlichen Seite hin Universitas bonorum, nach reformierter dagegen von Anfang an „aktives Subjekt zur Herstellung des Gottesreiches auf Erden" und Universitas personarum, ist heute derjenige evangelisch-kirchliche Verband, in dem unter Leitung eines Pfarrers oder mehrerer der kirchliche Daseinszweck, insbesondere die christliche Gottesverehrung, in örtlicher oder ausnahmsweise in persönlicher Beschränkung (Personal-, z. B. Militärgemeinden) zur Erfüllung gebracht wird. Die Gemeinde bringt die Kirche in einfachster Form zur Er­ scheinung; aus zusammenhängenden oder isolierten (Diaspora-)Gemeinden baut sich die Gesamtlandeskirche auf; nur durch die Gemeinde, als Gemeindemitglied, nimmt auch der Einzelne an der Gesamtkirche teil. Die Gemeinde ist der Gesamtkirche ein- und unter­ geordnet. Anderseits kommt ihr gegenwärtig regelmäßig für ihren Bereich das Recht der Selbstverwaltung zu. Damit hat auch die alleinige Leitung durch den Pfarrer wenigstens im äußeren Dienst aufgehört. Vielmehr besitzt die Kirchgemeinde für die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten regelmäßig zwei Selbstverwaltungsorgane.

1. DerGemeindekirchenrat (Kirchenvorstand, Presbyterium), dessen geborenes Mitglied und regelmäßiger Vorsitzender der Pfarrer ist (Mehrere wechseln im Vorsitz, oder

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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dieser gebührt dem Ältesten an Alter bezw. im Dienst), und zu welchem außerdem eine Anzahl von auf Zeit (3, 4, 6 Jahre) gewählten Gemeindegliedern, Ältesten, Kirchen­ vorstehern (darunter der Kirchenrechner oder Rendant) gehört. Für die aktive Wähl­ barkeit (Wahlrecht) wird gefordert männliches Geschlecht, Volljährigkeit oder ein höheres Alter (24, 25 Jahre), Selbständigkeit, Gemeindewohnfitz von bestimmter Dauer, Befitz der bürgerlichen Ehrenrechte, Erfüllung der kirchlichen Abgabenpflicht, ehrbarer Lebenswandel ohne Verachtung von Gottes Wort und ungefühnteS Ärgernis,

oft auch Eintragung (einmalige oder jeweilen erneuerte) in die Gemeindeliste. Die passive Wählbarkeit oder Wählbarkeit im engeren Sinne setzt voraus entweder dasselbe oder ein erhöhtes Alter (Altpreußen 30) und besondere kirchliche Befähigung, ent­ weder positiv als ehrbarer, frommer und angesehener Mann, oder negativ als ein solcher, der sich nicht beharrlich vom Gottesdienst und Sakramentsempfang fern­ gehalten hat. Aufgabe des Gemeindekirchenrats ist die Pflege des religiösen und kirch­ lichen Lebens in der Gemeinde, die Teilnahme an der Handhabung der Kirchenzucht, die Mitwirkung bei Gemeindekirchenfeiern, die Sorge für den Unterricht der Jugend und die Pflege der Gemeindekranken und -Armen. Er wirkt ferner mit bei der Bestellung der Geistlichen, stellt die niederen Kirchendiener an, handhabt die Disziplin über sie und be­ teiligt sich bisweilen bei den Visitationen; auch stehen ihm die Verwaltung de- kirchlichen Vermögens und die Verfügung über die Kirchengebäude zu, besonders zu anderen als gottes­ dienstlichen Zwecken (z. B. Konzerten), oft auch das Wahlrecht zu höheren, synodalen Vertretungen. Er vertritt die Gemeinde gegenüber dem Kirchenregiment, den Synoden und gegenüber Dritten. 2. Die Gemeindevertretung. Meist steht jetzt neben dem Gemeindekirchen­ rat noch ein weiteres Gemeindeorgan, die Gemeindevertretung oder -Repräsentation. Das aktive und passive Wahlrecht ist gewöhnlich ebenso abgegrenzt wie für jenen, und die Amtsdauer der Mitglieder dieselbe. In kleineren Gemeinden und da, wo die Verfaffung eine Gemeindevertretung nicht vorfieht, tritt bisweilen statt eines solchen GemeindeauSschuffeS die Versammlung aller stimmberechtigten Gemeindemitglieder ein. Regel ist, daß die Ge­ meindevertretung nur zusammen mit dem Gemeindekirchenrat unter dem Vorsitz deS Pfarrers berät und beschließt. Sie verstärkt also diesen und gibt die Zustimmung für wichtigere Angelegenheiten, wie die Feststellung und Entlastung des Gemeindeetats, Erwerb und Veräußerung von Grundeigentum, AnlehenSaufnahme, Beschlußfaffung über Neu­ bauten oder Prozeßführung, Bewilligung von Ortskirchensteuern, Festsetzung von Ge­ bühren, Ausstattung neuer und Aufbesserung alter Stellen. In der altpreußischen Landeskirche wählt sie auch die Abgeordneten zur Kreissynode und in Berttetung der Gemeinde den Pfarrer. Gemeindekirchenrat und Gemeindevertretung sind öffentliche Behörden, Kirchenälteste und Gemeindevertreter öffentliche Beamte. Yriedberg, B. R. §8 28-32, 34-39; Schoen, Pr. Kr. I §§ 25-32; Braun, Über die Gemeinbemitgliedschast in der Landeskirche, Z. f. Kr. XXI, 1886, Staatsangehörigkeit und Einpfarrmrg, ebenda XXII, 1889; Me jer, Die Richtzugehörigkeit konfession-verwandter Ausländer zu den iuländisch'landeSkirchlicheu Gemeinden, ebenda XXII, 1889; Rehm, Der MitgliedschastSerwerb in der evangelischen Landeskirche und lande-kirchlichen OrtSgemeinde Deutschland-, ebenda XXIV, 1892; Frantz, Die Wahlberechtigung der Geistlichen bei den kirchlichen Gemeindewahlen, 1885; Rode, Der gegenwärtige Stand der kirchlichen Gemeindeorganisatio«, 1900.

§ 115.

Die Stzuode«.

Seit der Verbindung der landesherrlich-konfistorialen mit der preSbyterial-synodalen Verfassung wird die kirchenregimentliche Leitung der höheren kirchlichen Verbände durch synodale Organe ergänzt und beschränkt \ 1. Die Kreissynode (Altpreußen, Rheinland,Westfalen), Bezirks- (Hannover)1 Für die Auslandgemeinden find deputierte beitreten können.

seit 1900 Pfarrkonferenzen vorgesehen,

denen Gemeinde-

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IV. Öffentliches Recht.

Probstei- (Schleswig-Holstein) oder Diözesansynode (Baden), Konvent (Hamburg) ist die Synode für die Gemeinden eines SuperintendentursprengÄS oder einer Diözesel. Sie besteht aus dem Superintendenten oder Dekan, der meist geborner Vorsitzender ist, und aus den Geistlichen, d. h. Pfarrern oder ein Pfarramt vikarisch Verwaltenden, und aus gleich oder doppelt so vielen weltlichen Mitgliedern. Diese weltlichen Abgeordneten werden regelmäßig von den Kirchenvorständen, in Altpreußen von dm vereinigten Gemeindeorganm gewählt und zwar zunächst aus jeder Einzelgemeinde so viele, als aus ihr Geistliche zur Synode gehörm, und dazu aus den größeren Gemeinden noch weitere, der Seelenzahl entsprechend. In Hannover und Baden geschieht die Wahl der weltlichm Deputierten allein durch die weltlichen Kirchenältesten. Sie erfolgt auf eine bestimmte Anzahl von Jahren (zwei in Baden, drei in Altpreußen). Wählbar find entweder nur zeitige oder ehemalige Älteste (Hannover, Baden) oder (so in AUpreußen für das Mehr

gegmüber der Geistlichkeit) überhaupt angesehme, kirchlich erfahrene und verdiente Männer deS Kreises. Die Kreissynoden treten alljährlich zusammm. Außer der Begutachtung der Vorlagen der kirchlichen Behördm und der Einreichung von Anträgen zur Förderung deS kirchlichen Lebens liegt ihnm ob die Aufsicht über die Anstaltm für christliche Liebes­ werke, die Aufsicht oder Mitaufsicht über die Geistlichen, Ältesten und anderen Kirchendiener, die Aufsicht über die Verwaltung des Kirchenvermögens und die Verteilung der Beiträge der Gemeinden zur Synodalkaffe. Ihre Beschlüsse bedürfen in Altpreußen konfistorialer Bestätigung. Der Kreissynode entspricht ein Kreissynodalverband. Er hat in Altpreußen juristische Persönlichkeit (jedoch ohne passive Darlehnsfähigkeit **) und wird bei nichtversammelter Kreissynode durch den Kreissynodalvorstand vertretm, d. h. durch den Superintmdmtm als Vorsitzenden und 4 von der Synode gewählte Beisitzer, worunter mindestens ein Geistlicher; er hat mitunter auch bei der Visitation mitzuwirken. 2. Die Provinzialsynode, eine mittlere Synodalvertretung, findet sich nur in Altpreußen, Rheinland und Westfalen. Sie tritt alle drei Jahre zusammen und be­ steht: 1. aus den von den Kreissynoden oder Synodalverbänden der Provinz gewählten Abgeordneten; ihre Zahl beträgt das Dreifache der Wahlkreise der Provinz, weil in jedem Wahlkreis ein Abgeordneter aus den Geistlichen, ein zweiter aus den zeitigen oder ehe­ maligen Mitgliedern der Gemeinde- oder Synodalkörperschaften und ein dritter von den an Seelenzahl stärkeren Kreissynoden aus den angesehenen, kirchlich erfahrenm und ver­ dienten Männern der Provinz zu wählen ist, 2. aus einem von der theologischen Fakultät der Provinzialuniversität deputierten ordentlichen Profeffor, 3. aus landesherrlich er­ nannten Mitgliedem, derm Zahl aber ein Sechstel der erstgenannten Abgeordneten­ kategorie nicht übersteigen darf. Im Gegensatz zu der bloß begutachtenden Stellung der Diözesansynode hat die Provinzialsynode ein Zustimmungsrecht zum Erlaß von Provinzialkirchmgesetzen, zur Einführung von Religionslehrmitteln, Gesangbüchern und Agenden der Provinz, zu kirchlichen Provinzialumlagen. Auch hat sie zwei bis drei Abgeordnete zu den theologischen Prüfungen zu deputieren. Der Provinzialsynode entspricht ein Pro­ vinzialsynodalverband mit juristischer Persönlichkeit (ohne passive Darlehnsfähigkeit). Er wird vertreten durch das Konsistorium und den Provinzialsynodalvorstand, d. h. den gleichzeitigen Synodalpräses und höchstens sechs, zur Hälfte geistliche, zur Hälfte welt­ liche Mitglieder; die Vorstandsmitglieder verstärken bei bestimmten Anlässen als außer­ ordentliche Beisitzer mit vollem Stimmrecht das Konsistorium. 3. Die General- oder Landessynode tritt ordentlicherweise alle sechs Jahre zusammen. Sie findet sich auch in den außerpreußischen Landeskirchen mit ge­ mischter Organisation und besteht in Altpreußen 1. aus 151 (Baden 48) von den Provinzial­ synoden gewählten Mitgliedern (nicht unter 30 Jahren), von jeder Provinzialsynode eine 1 Sämtliche Berliner Kirchengemeinden find seit 1895, unbeschadet ihres Verhältnisses zu ihren KreiSshnoden. zu einem Gesamtverband mit einer Stadtshnode verewigt, die an Stelle der früheren vereinigten Berliner Kreissynoden trat. Ähnliche Gesamtverbände können auch anderswo gebildet werden; Friedberg, V. K. § 40; Schoen, Pr. Kr. I § 83. * Der Berliner Etadtsynodalverband ist aber ausdrücklich auch zur Aufnahme von Anleihen ermächtigt.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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der Seelenzahl des Provinzialverbandes entsprechende Anzahl, und zwar ein Drittel auS den Geistlichen der Landeskirche, das zweite aus zeitigen oder ehemaligen Mitgliedern der Synodal- oder Gemeindeorgane und das dritte aus angesehenen, kirchlich erfahrenen und verdienten Männern der Landeskirche (in Baden 24 geistliche, gewählt von den Geistlichen der Diözesansynode, und 24 weltliche, gewählt in jeder Diözese von Wahl­ männern, welche die Kirchenfesten zu diesem Zweck bestellen), 2. aus je einem de­ putierten ordentlichen Professor der sechs evangelisch-theologischen Fakultäten der LandeSuniverfitäten, 3. aus sämtlichen Generalsuperintendenten (in Baden dem Prälaten), und 4. auS 30 landesherrlich ernannten Mitgliedern (in Baden 7, darunter ein Heidelberger Theologieprofeffor, sodaß die zweite Kategorie hier wegfällt). Die General­ synode hat das Recht, zu landeskirchlichen Gesetzen zuzustimmen, sofern diese betreffen: die kirchliche Lehrfreiheit, die Verpflichtung der Geistlichen auf das Bekenntnis bei der Ordination, die Einführung allgemeiner agendarischer Normen, Religionslehrmittel und Gesangbücher für die Landeskirche, die Feierlagsordnung, die Kirchenzucht, die Disziplinar­ gewalt über Geistliche und niedere Kirchendiener, die Anstellungsfähigkeit und die all­ gemeinen Grundsätze über die Ämterbesetzung, die kirchliche Trauordnung; außerdem steht

ihr die Aufsicht zu über das allgemeine Kirchenvermögen und über die kirchlichen Einnahmen, die Beschlußfassung über allgemeine, regelmäßig sich wiederholende Kollekten und die Zu­ stimmung zu den Auflagen für die Zwecke der Landeskirche, die Prüfung der Provinzialsynodalbeschlüffe vom Standpunkt der landeskirchlichen Einheit aus und die Erteilung der Bestätigung für sie. Die Generalsynode hat das Beschwerde-, Petitions- und Jnformationsrecht. Die Leitung der Synode führt ein Synodalprafidium (so in Altpreußen, in den neuen Provinzen ein Vorstand, mit dem Synodalvorstand identisch aber nur in Frankfurt) mit einem Präsidenten, Vizepräsidenten und vier Schriftführern. Am Schluß wird ferner für die Zwischenzeit (6 Jahre): gewählt a) ein Synodalvorstand oder Synodalausschuß (7 Mitglieder) und b) ein Synodalrat (18 Mitglieder), die zusammen den Generalfynodalrat bilden (in Baden einfach ein Synodalausschuß von vier Mitgliedern). Dem Vorstand liegt die Vorbereitung der Arbeiten für die nächste Generalfynode ob und die Vollziehung der Beschlüsse der verflossenen. Auch verwaltet er die Synodalkaffe, und konttolliert er die Vermögensverwaltung des OberkirchenratS. Dieser hat jenen zuzuziehen und sich durch ihn zu erweitern bei der letztinstanzlichen Entscheidung über Einwendungen gegen die Lehre eines zum Pfarramt Ausersehenen und bei DiSziplinaruntersuchungen gegen Geistliche wegen Irrlehre, ferner bei der Feststellung der Gesetz­ entwürfe für die Generalsynode, bei Vorschlägen zu Generalsuperintendenturen, bei ver­ mögensrechtlichen Angelegenheiten der Landeskirche und bei der Beratung und Antragstellung über den Anschluß ausländischer deutscher Gemeinden an diese. Die Landes­ kirche bildet nämlich als juristische Person den der Generalsynode entsprechenden Verband. Der Generalfynodalrat (also mit 25 Mitgliedern) endlich soll jedes Jahr einmal berufen werden zur Beratung landeskirchlicher Angelegenheiten mit dem Oberkirchenrat in den­ jenigen Fällen, in denen die Kirchenregierung seinen Beirat für die Aufstellung leitender Grundsätze für notwendig hält. Die Generalsynode kann nach Anhörung deS Synodalvorstandes auch zu außer­ ordentlicher Tagung einberufen werden, desgleichen die Provinzialsynode mit Zustimmung ihres Vorstandes und die Kreissynode, diese auf Anregung deS Konsistoriums oder mit dessen Genehmigung durch dm Vorsitzenden.

Wie sich schon auS dem dortigen Fehlen von Provinzialsynoden ergibt, steht in den neupreußischen Provinzen, in Baden, Hessen, Oldenburg die Generalsynode un­ mittelbar über den Kreis- oder Diözesansynoden. Auch tritt bei ihnen (für Baden oben angedeutet) eine entsprechende Vereinfachung deS Generalsynodalapparates ein, wozu etwa noch hinzuzufügen ist, daß die Wahlkörper in Hannover und Schleswig-Holstein aus mehreren Bezirks- oder Probsteisynodalsprengeln zusammengesetzt sind, daß in Hannover der Präsident deS Landeskonsistoriums geborneS Mitglied ist, und daß in Hannover und Sachsen neben dem Theologie- auch ein KirchenrechtSprofeffor Sitz in der Synode hat.

IV. Öffentliches Recht.

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überall bilden die Zustimmung zu landeskirchlichen Gesetzen und die Steuerbewilligung die

wichtigste Befugnis. Friedberg, B. R. §§ 41—53; Schoen, Pr. Kr. I §§ 19, 24, 34—47; Riedner, Grund­ züge (§ 109); HrnschiuS, Über die juristische Persönlichkeit der Shnodalkaffen in der evangelischen Landeskirche der älteren preußischen Provinzen, in Berliner Festgaben für Beseler, 1885.

Drittes Kapitel.

Pas Kesetz-etnngsrecht.

§ 116.

Gesetzgebung und Di-pensntion.

DaS Gesetzgebungsrecht hat der Landesherr als Trager der Kirchengewalt*, ent­ weder unbeschränÜ oder in der Ausübung gebunden an synodale Mitwirkung, doch so,

daß er, soweit die Mitwirkung nicht vorgeschrieben ist, bindende (auch AusführungS-) Verordnungen erlassen kann und in der Zwischenzeit, falls ein Notstand vorliegt (in Altpreußen nur mit dem Generalsynodalvorstand und unter Bezugnahme auf dessen Mitwirkung), vorläufige (Not-)Verordnungen, die der nächsten Generalsynode vorzulegen und außer Wirksamkeit zu setzen sind, falls sie deren Zustimmung nicht erlangen. Das Bekenntnis muß ein christliches und evangelisches bleiben; in dieser Beschränkung bezieht sich das Gesetzgebungsrecht auch darauf (nicht in Hannover, Württemberg). Die Publi­ kation der Gesetze durch den Landesherrn erfolgt entweder in einem besonderen kirch­ lichen Gesetzes- und Verordnungsblatt (Preußen, Baden) oder im staatlichen. Das Inkrafttreten erfolgt mit der Publikation, in Preußen aber erst 14 Tage nach Ausgabe der betreffenden Nummer des Gesetzblattes. Der Landesherr hat auch daS DiSpensationSrecht, aber nicht für die mit den Synoden vereinbarten Gesetze, außer im Fall eines ausdrücklichen Vorbehalts. Die DispensationsbefugniS ist zum Teil als ins vicarium den Kirchenregimentsbehörden, in weniger wichtigen Fällen sogar den Superintendenten übertragen. Friedberg, V. R. § 12; Schoen, Pr. Kr. I, §§ 11, 12; Bierling, Gesetzgebungsrecht evanaelrscher Landeskirchen im Gebiet der Kirchenlehre, 1869; Kries, Die preußische Kirchengesetzgebung, 1887; Friedmann, Geschichte und Struktur der Rotstandsverordnungen unter besonderer Berück» fichtigung deS Kirchenrechts in Stutz, Kr. A. H. 5, 1903.

Viertes

Kapitel.

pie Nerwattttttg der Schlüsselgewalt. 8 117.

Sakramente und Sotte-dienst.

DaS regelmäßig vom Pfarrer, in Fällen der Not auch von anderen, nichtgeistlichen Kirchenmitgliedern gespendete Taufsakrament, zu dem unkirchliche Persönlichkeiten nicht als Paten zuaelaffen werden (Katholiken werden meist nicht -urückgewiesen), gibt die kirchliche Mitgliedschaft. Doch wird das kirchliche Aktivbürgerrecht erst durch die nicht­ sakramentale Erneuerung und Bestätigung des Taufgelübdes in der Konfirmation erworben nach vorherigem Unterricht und vollendetem 14. Lebensjahr. Sie gibt die Befugnis zur Teilnahme am Abendmahl und zur Patenschaft. Die kirchlichen SelbstverwaltungS-

1 Die Formel der Veröffentlichung lautet: ,5Bit X, von GotteS Gnaden König von Preußen, verordnen unter Zustimmung der Generalsynode*. Früher wurde hinzugefügt: »nachdem durch die Er­ klärung unsere- StaatSmimsteriumS festgestellt worden, daß gegen dieses Gesetz von Staats wegen nichts zu erinnern ist". Dieser Zusatz füllt seit 1895 weg, nicht aber dessen Voraussetzung, die vor­ gängige Vorlage an daS Staatsministerium (so bei Gesetzesentwürfen der Generalsynode und der Provinzialshnoden) oder an den Kultusminister (nach Annahme kirchenregimentlicher Vorlagen durch die Synode). Siehe oben § 59 a. E. und über die staatsrechtliche Gewährleistung gewiffer Kirchen­ verfassungen §§ 107, 111.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

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wahlrechte sind an die § 14,1 aufgeführten Erforderniffe geknüpft. Ein Austritt oder Über­ tritt nach erreichtem Diskretionsjahr (§ 57 a. E.) ist möglich, da die evangelische Kirche nicht beansprucht, die einzige Kirche und die alleinseligmachende zu sein. Das Abendmahl wird unter beiderlei Gestalt gespendet. Der Geistliche ist befugt, solche, die das Sakrament nicht, ohne Anstoß zu erregen, empfangen könnten (Trunkene usw.), öffentlich zurück­ zuweisen; in anderen Fällen administrativer Zurückweisung (z. B. wegen ärgerlichen Wandels) ist die Zustimmung der Kirchenbehörde einzuholen. In der lutherischen Kirche ist eine Privatbeichte zulässig; hat sie statt, so wird das Beichtgeheimnis auch staatlicher­ seits wie bei den katholischen Geistlichen respektiert (oben S. 989). Zum evangelischen Gottesdienst gehört als wesentlicher Bestandteil die Predigt; mit Genehmigung des Pfarrers können auch Predigtamtskandidaten, mit Genehmigung des Superintendenten sogar Theologiestudierende predigen. Der übrige Gottesdienst ist nach der Agende zu halten. In Altpreußen können neue agendarische Bestimmungen der Landes- oder Provinzialkirchengesetze, soweit sie die Sakramente betreffen, in der Einzel­ gemeinde ohne Zustimmung der Gemeindeorgane nicht in Kraft treten. Die kirchliche Festtagsordnung bestimmt das Kirchengesetz.

Harleß, Kircht und Amt, 1853.

§ 118. Die Lehre und die Ausbildung der Geistliche«. Die Kirche und ihr Lehramt haben Gottes Wort zu lehren. Das geschieht in der Predigt und im kirchlichen Neligions(Jugend- und Konfirmanden-)unterricht, aber auch im Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen, welche die evangelische Kirche nicht von Rechts wegen zu religiöser Beaufsichtigung für sich beansprucht, auf die jedoch durch Erteilung von Religionsunterricht in irgend einer Form einzuwirken zu ihrer Aufgabe gehört. Keine kirchlichen, wohl aber im Dienst der kirchlichen Interessen stehende Einrich­ tungen sind die Anstalten der sog. inneren Mission und der christlichen Liebestätigkeit. Das Recht, über die Ausbildung ihrer Geistlichen zu bestimmen, steht auch der evangelischen Kirche zu. Besondere Bildungsanstalten beansprucht sie nicht, verlangt viel­ mehr Gymnasialbildung und dreijähriges Universitätsstudium. Die schwierige Frage, wie das Interesse der theologischen Wissenschaft an der Freiheit ihrer Forschung und Lehre und dasjenige zu vereinigen seien, das die Kirche an der Bewahrung ihres Lehramts vor theologischen Doktrinen hat, die entweder nur das subjektive Besitztum Einzelner oder bestimmter Richtungen oder noch nicht so abgeklärte und gesicherte Errungenschaften sind, daß sie in den kirchlichen Lehrschatz übergehen können, sucht das geltende Recht dadurch zu lösen, daß es die gutachtliche Anhörung der obersten Kirchenregimentsbehörde (Ober­ kirchenrat in Altpreußen, Oberkonsistorium in Bayern, Landeskonsistorium in Sachsen) vor der Ernennung von ordentlichen und außerordentlichen Professoren der Theologie vorschreibt. Zur praktischen Ausbildung bestehen dagegen Predigerseminare unter kirchlicher Aufsicht (obligatorisch nur in Herborn und Friedberg; andere in Wittenberg, Berlin, Loecum, Hannover, München, Leipzig, Heidelberg, Schwerin, Wolfenbüttel, Altenburg, Soest und Erichsburg). Auch Lehrvikariate bei erprobten Geistlichen dienen diesem Zweck.

Friedberg, V. V. 8 19; Kahl, Bekenntnisgebundenheit und Lehrfreiheit, 1897, und D. Z. f. Ät. VIII, 1898, über die gleichnamige Schrift von Agricola, 1898.

Fünftes Kapsitel.

Kirchenznchl und Ptsziplinarstrafgewatt. § 119.

Die Kirchenzucht.

Die Kirchenzucht ist das Vorgehen der evangelischen Kirche gegen Verfehlungen ihrer Glieder, die durch Gotteslästerung, Ehebruch, Unzucht, Verletzung christlicher und kirchlicher Pflichten offenbares Ärgernis erregen. Sie vollzieht sich durch Ermahnungen

IV. öffentliche- Recht.

968

und bei deren Erfolglosigkeit durch Strafen, die in Minderung oder Entziehung kirchlicher MitgliedfchastSrechte bestehen. Die neueren Kirchengesetze suchen sie wieder zu beleben. Die Handhabung der Zuchtgewalt liegt bei den Gemeinden und deren Gemeindekirchenräten, aber unter Vorbehalt deS Rekurses gegen ihre Entscheidungen an den Kreissynodal­ vorstand (Altpreußen, Rheinland, Westfalen). Die rheinisch-westfalische Kirchenordnung bezeichnet als Zuchtvergehen lasterhaften und offenbar gottlosen Wandel sowie aus­ drückliche Verwerfung und Verspottung deS kirchlichen Glaubens in bestimmten, schrift­ lichen oder mündlichen Erklärungen oder öffentlichen Handlungen. Dazu kommen aber weiter seit dem P.St.G. vom 6. Februar 1875 und der Entstaatlichung der Taufe, Konfirmation und Trauung kirchliche Bestimmungen, welche die Beobachtung dieser Be­ standteile der kirchlichen Ordnung strafrechtlich zu sichern bezweckten. Demnach kann gegen Eltern, die ihre Kinder nicht taufen und konfirmieren lassen, gegen Gatten, welche für ihre Ehe nicht die kirchliche Einsegnung nachsuchen oder die Verpflichtung eingehen, ihre sämtlichen Kinder in einer anderen Konfession erziehen zu laffen, namentlich mit Entzug deS Stimm- und Wahlrechts, der Entziehung der Befähigung zur Taufpatenschast, dem Ausschluß vom Abendmahl vorgegangen werden (Preußen alte Provinzen, Hannover, Schleswig-Holstein, Bayern, Sachsen, Baden, Mecklenburg). Doch hat ein Mahnverfahren vorauSzugehen, und bei nachträglicher Erfüllung der versäumten Pflicht hat die Wieder­ herstellung der entzogenen Rechte stattzufinden (Zensur, eventuell Begnadigung). Bon älteren Strafen ist lokal noch in Übung die Versagung des Brautkranzes bei Trauungen von

Deflorierten. Namentlich aber wird bei Selbstmord von Zurechnungsfähigen das kirch­ liche Begräbnis ganz oder doch jede Feierlichkeit dabei untersagt. Uhlhorn, Die Kirchenzucht nach den Grundsätzen der lutherischen Kirche, 1901; Thümmel, Die Versagung der kirchlichen Bestattungsfeier, 1902; Nöldeke, Die kirchliche Beerdigung der Selbst­ mörder, 1903.

§ 120.

Da- Di-ziplinarstrafrecht.

Für die Ahndung von Amtsvergehen der evangelischen Geistlichen sind die Kirchen­ regimentsbehörden zuständig, in Preußen die Konsistorien in erster, der Oberkirchenrat bezw. der Kultusminister in zweiter Instanz, jedoch im Fall der Abweichung von der Kirchenlehre jene unter Zuziehung des Provinzialausschusses, dieser unter Zuziehung des Generalsynodalvorstandes (Preußen alte Provinzen). Anderswo sind dafür eigene ge­ mischte Gerichtsbehörden gebildet (Oldenburg, Braunschweig), oder es verhängt der Landesherr selbst die Sttafe auf Antrag der Kirchenbehörde (Bayern, Württemberg). Die Sttafen sind: Mahnung, Verweis, Geldstrafe, Enthebung vom Amt und Gehalt oder bloß von diesem auf Zeit, Strafversetzung, zwangsweise Zurruhesetzung mit geringerem Ruhe­ gehalt, Amtsentsetzung oder Dienstentsetzung mit Verlust der Standesrechte. Die Kirchen­ regimentsbeamten werden von den Disziplinarbehörden für nichtrichterliche Beamte, die niederen Kirchenbehörden teils durch die Kirchenregimentskollegien, teils durch die Gemeinde­ organe diszipliniert. Der Kreissynodalvorstand ist Disziplinarbehörde für die Gemeinde­ kirchenvertreter *. Friedberg, V. R. § 23; Meurer, Der Begriff des kirchlichen Strasvergehens fnach den Rechtsquellen deS Augsburgrschen Bekenntniffes, 1883.

Sechstes Kapitel.

Pas Kmterrecht.

§ 121.

Die Arten der kirchlichen Ämter.

Die kirchlichen Ämter sind entweder kirchenregimentliche und zwar, abgesehen von

der Superintendentur und Generalsuperintendentur,

bei der das Regimentsamt mit dem

1 Die oben S. 915 angeführten staatskirchenrechtlichen Schranken bestehen natürlich auch hier.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

969

geistlichen in einer Person sich vereinigt, und von der kirchenregimentlichen Stellung, die bisweilen noch der staatliche Kultusminister hat, Kollegialämter wie die Räte- und Beisitzer­ stellungen in den Konsistorien und Oberkirchenräten. Daneben stehen die PreSbyterialund Synodalämter und vor allem das geistliche Amt, insbesondere das Pfarramt. Wie nach kanonischem Recht, so sind auch nach evangelischem absolute Ordinationen für die Regel unzulässig; in der Regel fällt die Ordination mit dem ersten Amtsantritt zu­ sammen und wird, z. B. nach rheinisch-westfälischem Recht, in der Gemeinde des Ordinanden vollzogen. Doch wird für Missionäre und zum Hilfsdienst in der Landeskirche Aus­ ersehene eine Ausnahme gemacht.

§ 182.

Die Errichtung, Veränderung und Aufhebung der Kirchenämter.

An sich ist zur Errichtung und Aufhebung kirchenrechtlicher Ämter der Landesherr

befugt, doch kann aus etatrechtlichen Gesichtspunkten eine Mitwirkung der Synoden er­ forderlich sein. Letzteres tritt auch dann ein, wenn es sich um kirchenregimentliche Be­ hörden handelt, die kirchengesetzlich festgelegt ftnb*1.* * *Bei geistlichen Ämtern, für welche kein Reservatrecht des Landesherrn besteht (wie in Bayern, Baden, Hessen) ist die oberste Kirchenbehörde zuständig?. Die Gemeinden oder ihre Vertretungen, mancherorts auch die Kreissynoden, find zu hören; in Baden, Hessen, Oldenburg bedarf es eines Kirchengesetzes.

§ 123.

Die Verleihung der Kirchenämler.

Kirchenregimentliche Ämter verleiht der Landesherr kraft Reservatrechts; doch ist z. B. in Baden der Generalsynodalausschuß zur Vorbereitung der Besetzung von Ober­ kirchenratsstellen mit dieser Behörde berufen. Ebenso ernennt der Landesherr die General­ superintendenten und ernennt oder bestätigt er (im Fall der Wahl durch die Kreis- oder Diözesansynode) die einfachen Superintendenten. Für das geistliche Amt wird außer Taufe und männlichem Geschlecht gefordert: 1. körperliche Gesundheit und Rüstigkeit, 2. ein gewisses Alter (25, 24, 21 Jahre), 3. makelloser Ruf und volle bürgerliche Ehre, 4. Bekenntnis zum Kirchenglauben (in unierten Kirchen zur lutherischen oder reformierten Konfession). Eine Verpflichtung auf Schrift und Bekenntnis wird in irgendwelcher Form überall gefordert; freilich weder im Sinn einer Zustimmung zur Wortinspiration, noch im Sinn einer juristischen Ver­ pflichtung. In Preußen vollzieht sie sich durch die Zustimmung des Ordinanden zu der das Glaubensbekenntnis mitenthaltenden Ordinationshandlung, in Baden richtet sich darauf eine besondere Ordinationsfrage, anderswo wird noch schriftliche oder eidliche Ver­ pflichtung verlangt, 5. wissenschaftliche Vorbildung. Zu deren Feststellung dienen gewöhnlich zwei, beim Konsistorium unter Teilnahme von Synodalabgeordneten vorgenommene Prüfungen, die wissenschaftliche, examen pro candidatura sive pro licentia concionandi, welche die Predigtbefugnis gibt, und die wissenschaftlich-praktische, examen pro ministerio sive pro munere, durch welche die Befähigung zur Bekleidung des geistlichen AmteS erworben rotrb8. Für die Besetzung der Ämter gilt zunächst als Grundsatz, daß die Gemeinden

mindestens das Recht haben, gegen Lehre, Leben und geistige Gaben eines ihnen zu­ gedachten Pfarrers Einspruch zu erheben. Zu diesem Zweck besteht mancherorts die Ein­ richtung der Probepredigt, die anderwärts umgekehrt untersagt ist. Besetzungsberechtigt ist regelmäßig der Landesherr als Inhaber des Kirchenregiments und zwar entweder in Person auf Vorschlag einer Behörde oder durch die Regimentsbehörde (in Preußen die

1 Über die Wirkung staatsgesetzlicher Festlegung siehe oben S. 956, 960. 1 Die staatliche Mitwirkung ist dieselbe wie für katholische mter. ’ Die staatlichen Erfordernisse find dieselben wie für die katholischen Kirchendiener (oben 947 A. 2). In Preußen fällt das staatliche Einspruchsrecht regelmäßig fort, weil die Mitglieder der KirchenrrgimentSbehürde sämtlich vom Kömg ernannt werden.

IV. Öffentliches Recht.

970

Konsistorien). Das landesherrliche Besetzungsrecht ist beschränkt: 1. dadurch, daß gewisse Stellen, die eine Lokation als bessere aufweist, nur an Geistliche von einer bestimmten Anzahl von Dienstjahren vergeben werden dürfen (Bayern, Baden), 2. durch die Mit­ wirkung synodaler Organe. So hat in Baden der durch den Generalsynodalausschuß verstärkte Oberkirchenrat mitzuwirken, 3. endlich durch das Patronatrecht. Friedberg, D. R. §§ 19-21.

§ 124.

Das Patronatrecht.

Originelle evangelisch-rechtliche Bestimmungen über den Kirchenpatronat brachte ein sächsisches Kirchengesetz vom 28. April 1898. Darnach sind unfähig zur Ausübung des Patronatrechtes Personen, die vom Landeskonsistorium wegen Simonie* des Rechtes verlustig erklärt wurden, oder deren Recht wegen Verdachts der Simonie einstweilen suspendiert ist, welche sich wegen eines Verbrechens oder Vergehens, das nach den Straf­ gesetzen die Entziehung der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge haben kann oder muß, in Untersuchung befinden, oder welche zu Zuchthaus oder neben einer Gefängnisstrafe zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt sind (auf die Dauer dieses Verlustes), welche kraft eigener Erklärung (also nicht kraft Erklärung der Eltern!) vom evangelisch­ lutherischen oder vom reformierten Bekenntnis zur römisch-katholischen Kirche oder vom lutherischen zum reformierten Bekenntnis übergetreten sind, ferner alle, welchen das Landeskonsistorium die Ausübung des Patronats entzogen hat, weil sie durch ihr Ver­ halten ein mit der Würde des Patronats nicht zu vereinbarendes öffentliches Ärgernis gegeben haben, endlich Gemeinschuldner während des Konkurses. Der dingliche Patronat aber ruht für Grundstücke, die einer Zwangsverwaltung unterliegen oder sich im Besitz einer juristischen Person oder Gesellschaft befinden, welche vorwiegend Erwerbs- oder wirtschaftliche Zwecke verfolgt. Mit der Ausübung Beauftragte müssen der Landeskirche angehören und dieselben Erfordernisse erfüllen. Im übrigen ist von allen evangelischen Rechten der Unterschied von geistlichem und weltlichem Patronat aufgegeben, oder er ist praktisch bedeutungslos. Die Präsentationsfrist beträgt 6, 4 oder 2 Monate. Ein Rachpräsentations- oder Variationsrecht besteht nicht; der Präsentierte erhält durch die Vokation (so, weil im älteren Recht die Präsentation sich oft wieder zu einer Ernennung gesteigert hatte) des Patrons ein ins ad rem, das durch kirchenregimentliche Bestätigung zum ins in re wird. Der Inhalt des Patronats, besonders die cura beneficii, ist oft erweitert; der Patron sitzt selbst im Gemeindekirchenrat oder kann einen Ältesten ernennen;

auch wirkt er bei der Kirchengutsverwaltung mit, und hat er (Preußen östliche Pro­ vinzen), wenn lastenpflichtig, die Zustimmung zur Prozeßführung zu geben. Dafür hat er aber oft über das kanonische Recht hinaus, das im übrigen gerade für das Patronats­ recht praktisch ist, erhebliche Lasten zu tragen. Friedberg, V. R. §§ 22, 33; Schoen, Pr. Kr. I § 29; Riedner, Die Entwickelung des Patronats der sreitöllmischen Hofbesitzer im Marienburger Werder, D. Z. f. Kr. VIII, 1898; Hanfult, Das Patronat in der evangelischen Landeskirche in Hessen, Gieß. Diss., 1898, und dazu derf. in D. Z. f. Kr. X, XII, 1901/1902. Für Baden: Gönner und Sester, BadischesPatronat­ recht (§ 98); Dömming, Die Rechtsstellung des Kirchenpatrons im Geltungsgebiete des A. L. Rs. 1901; Frantz, Die Patronatsbefugnisse in Bezug auf den Gemeindekirchenrat, 1883; Dove, Ist ein der griechischen Kirche angehöriger Besitzer eines patronatberechtigten Gutes zur Ausübung des PatronatrechtS auf eine evangelische Pfarrstelle befähigt? Z. f. Kr. II, 1862.

§ 125.

DaS Semeindewahlrecht.

über das erwähnte Ablehnungsrecht oder Einwendungsrecht (votum negativum)

hinaus steht mitunter den Gemeinden ein positives Wahlrecht zu, ein beschränktes, wenn ihnen die Kirchenregimentsbehörde eine bestimmte Anzahl von Kandidaten vorzuschlagen 1 Eine in Neuvorpommern und Rügen einst im Schwang gewesene eigentümliche Art evange­ lischer Simonie behandelt Waltersdorf, Die Konservierung der Pfarrwitwen und -Töchter bei den Pfarrern und die durch Heirat bedingte Berufung, D. Z. f. Kr. XI, XIII, 1901/03.

4. Ulrich Stutz, Kirchenrecht.

971

und sie daraus einen auszuwählen haben (Baden 6), oder ein freies. Doch ist der Über­ gang von der früheren, ausschließlich kirchenregimentlichen Besetzung zur Gemeindewahl meist dadurch gemildert, daß ein Wechsel stattfindet. Das eine Mal besetzt die Kirchen­ behörde, das andere Mal wählt die Gemeinde (in Hannover aus einem Dreiervorschlag des Kirchenvorstandes, in Schleswig-Holstein aus drei vom Konsistorium Präsentierten) oder die vereinigten Gemeindeorgane, so in Altpreußen, wo aber das Kirchenregiment die auch anderwärts erforderliche Bestätigung aus jedem vernünftigen und zu motivierenden Grunde versagen darf. Und meist sind solche Stellen ausgenommen, mit dmen kirchenregimentliche Funktionen verbunden sind (Pfarreien mit Superintendenturen u. a.). Friedberg, V. R. § 22.

§ 126.

Die Erledigung der Kirchenämter.

Zu den auch in der evangelischen Kirche anwendbaren Grundsätzen des kanonischen Rechts tritt hinzu die Emeritierung. Der auf sein Ansuchen wegen körperlicher oder geistiger Unfähigkeit Emeritierte behält die kirchlichen Standesrechte der Geistlichen und kann mit Erlaubnis des zuständigen Pfarrers Amtshandlungen (Taufen, Trauungen) vor­ nehmen. Dagegen verliert der Geistliche, der bei voller Dienstfähigkeit auf sein Amt verzichtet, diese Rechte. Richt als Strafe, sondern auf dem Verwaltungswege findet bei Unfähigkeit oder Gebrechlichkeit auch eine Emeritierung wider Willen statt, aber mit den Wirkungen der begründet nachgesuchten freiwilligen Zurruhesetzung. Für die nichtgeistlichen Regimentsstellen gelten die Grundsätze der Pensionierung von staatlichen Verwaltungs­ beamten.

Friedberg, V. R. § 23. Siebentes Kapitel.

§te Verwaltung des Kircheuvermögeus.

§ 127.

Besonderheiten gegenüber dem katholischen Recht.

Weil von dem Lehrgegensatz unabhängig, weist das evangelische KirchenvermögenSrecht vielfache Übereinstimmung mit dem katholischen auf. Bezüglich der Eigentumsfähigkeit ist wie für jenes auf die Jnstitutentheorie abzustellen. Doch trifft das Recht einzelner Kirchen bezw. Staaten abweichende Bestimmungen, z. B. das preußische zu Gunsten der Kirchgemeinden. Die Weihe ist nur ein festlicher Akt, so daß eine Gebrauchsbeschränkung lediglich aus der gottesdienstlichen Bestimmung der betreffenden Gegenstände selbst sich ergibt. Die Stolgebühren, infolge der Entfremdung vielen Kirchenguts in der evangelischen Kirche lange Zeit eine noch stärker als in der katholischen ausgebildete Einnahmequelle, find infolge der Personenstandsgesetzgebung von 1875 zunächst beschränkt und seither mit staatlicher Hilfe mancherorts abgelöst worden. Für besondere Verrichtung der Amts­ handlungen, z. B. für Taufen im Hause, werden aber trotzdem Gebühren erhoben. Über die GehaltS- und PensionSverhältmsse und die Etolgebührenfrage vgl. Chronik I der Christl. Welt 1902, Nr. 43-45.

Das Baulastrecht ist bei sonstiger Übereinstimmung mit dem tridentinischen Recht

zum Teil dadurch erweitert, daß die Gemeinden Fron(Hand- und Spann-)dienste zum Kirchenbau zu leisten haben, und daß der Patron schon als solcher baulastpflichtig ist. Bei Stadtkirchen läßt ihn das preußische Recht ein Drittel, bei Landkirchen zwei Drittel tragen. Im Pfründenrecht hat z. B. Baden die Erleichterung getroffen, daß die Pfründen von einer Zentralpfarrkaffe verwaltet werden, von der dann der Geistliche den Geldbetrag seiner Einkünfte erhält, während Preußen seit 1898 eine mit Rechtspersönlichkeit aus­ gestattete Alterszulagekasse für die evangelischen Geistlichen sämtlicher preußischer Landeskirchen besitzt. Da der evangelische Geistliche regelmäßig verehelicht ist, haben die Bestimmungen

972

IV. Öffentliches Recht.

über Verdienstjahr und Sterbezeit für ihn und feine Hinterbliebenen eine erhöhte Bedeutung!. Zu Gunsten der letzteren kommt noch die Gnadenzeit von einem Viertel-, halben oder ganzen Jahr hinzu, während dessen der Witwe und den unversorgten Kindern namentlich der Genuß der Amtswohnung verbleibt. Auch Pfarrwitwen- und -Waifenkaffen bestehen in manchen Kirchen zur Versorgung der Hinterbliebenen (in Preußen seit 1895 der mit juristischer Persönlichkeit versehene Pfarrwitwen- und Waisenfonds für alle in der Monarchie vereinigten Landeskirchen). Am selbständigsten hat die evangelische Kirche das BesteuerungS- und Verwaltungs­ recht ausgebildet. Jenes wird für Gemeindebedürfnisse von den Gemeindeorganen, für die höheren Verbände von den betreffenden Synoden unter Mitwirkung der Regiments­ behörden geübt. Entsprechend ist die Zuständigkeit für die Verwaltung geordnet. Doch treten auf den höheren Stufen die Regimentsbehörden (Konsistorien, Oberkirchenrat bezw. Kultusminister) mehr hervor.

Friedberg, D. R. § 23; Burkhard, Zur Lehre von der kirchlichen Baupsiicht, 1884; Fischer, Die Kirchen- und Pfarrbaulast der Stadt Berlin, 1898; Weife, Der Streit um die kirchliche Baulast in der Kurmark Brandenburg, insbesondere Berlin, D. Z. f. Kr. XIII, 1903; Uibeleisen, Die Rechtsverhältnisse der Kirchevstühle, D. Z. f. Kr. VIII, 1898; WolterSdorf, Zur Handhabung des Kirchstuhlrechts, D. Z. f. Kr. VIII, 1898.

Achtes Kapitel.

c,UopLd>e Ui

der »cuteatt. 1. w». »». II.

71

IV. öffentliches Recht.

1122

hier bestimmte organisatorische Formen sich von einer Gesellschaft-gründung auf die andere zu übertragen und dadurch eine Art gewohnheit-rechtlichen Charakter -u erlangen. Es würde kaum zweckmLßig sein, die Keime neuer Recht-bildungen, die sich hier finden, schon jetzt durch die Aufstellung weiterer gesetzlicher Normativbestrmmungen in eine Art Kodi­ fikation bringen zu wollen. Die freie Recht-bildung für jeden einzelnen Fall kolonialer Unternehmungen ist tunlichst lange offenzuhalten. — Die Recht-form der Kolonialgesellschast mit ihrem weiten Spielraum für den individuellen Fall bei der einzelnen -Gesellschaft-gründung hat man neuerdings auch außerhalb der Kolonien und ihre- Hinterlandes deutschen überseeischen Unternehmungen dienstbar zu machen gesucht; da- Konsulargerichtsbarkeit-gesetz vom 7. April 1900 (§ 32) hat die einschlägigen Bestimmungen de- Schutzgebiet-gesetzes für anwendbar erklärt auch auf Gesellschaften, die den Betrieb eine- entspr«henden Unternehmen- in einem Konsulargericht-bezirke zum Gegenstand und ihren Sitz entweder im Reich-gebiet oder in einem deutschen Schutzgebiet oder in einem Konsulargericht-bezirke haben.

8.

Die Rechtsverhältnisse an Grundstücken in den Kolonie«

§ 34. Die Aufgabe de- kolonialen Liegenschaft-recht-. Wie für da- gesamte bürgerliche Recht, so war auch für die Rechtsverhältnisse an Grundstücken nach dem ersten Schutzgebiet-gesetz von 1886 das heimatliche Recht, d. h. bei dem damaligen Fehlen einer reich-rechtlichen Normierung die preußische Gesetzgebung, maßgebend. Sehr bald indessen stellte sich heraus, daß die Übertragung der heimatlichen Rechts­ sätze auf die gänzlich verschiedenen Verhältnisse junger Kolonien gerade auf dem Gebiete des Recht- am Grund und Boden unzweckmäßig war. Denn die gesetzgeberischen Probleme hinsichtlich de- Liegenschaft-rechtes in jungen Kolonien sind besonderer Natur; sie bestehen — unbeschadet zahlreicher und tiefgehender Verschiedenheiten zwischen den einzelnen Schutzgebieten — im wesentlichen in der Lösung folgender Aufgaben, die an dieser Stelle naturgemäß nur in ihren äußersten Umrissen dargestellt werden können: Auf der einen Seite handelt es sich um die Abgrenzung der Rechte und Interessen der eingeborenen Bevölkerung und derjenigen der kolonisierenden Nation hinsichtlich des Grundbesitzes. Es kommt darauf an, die Eingeborenen möglichst in ihrem Besitzstand zu schonen und ihnen darüber hinaus Spielraum für eine Vermehrung und Ausbreitung zu belassen, um sie lebensfähig und wirtschaftlich kräftig zu erhalten, andererseits aber Raum für die Ansiedelung des weißen Kolonisten zu gewinnen, da ohne hinreichenden Grundbesitz naturgemäß jede kolonisatorische Tätigkeit unmöglich ist. Die zutreffende Beurteilung der Besitzverhältniffe und Recht-anschauungen der einheimischen Stämme hinsichtlich de- Grund und Boden- stellt sich in der Praxis zuweilen als überaus schwierig heraus. Bei den Eingeborenen, namentlich bei nomadisierenden Stämmen, finden sich zum Teil klare Rechtsanschauungen über Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden überhaupt nicht. E- handelt sich bisweilen lediglich um tatsächliche Besitzverhältniffe, wie sie sich durch ackerbauliche Nutzung oder auch durch den Gebrauch des Landes zur Weide oder Jagd ausdrücken. Es handelt sich häufig bei der an Raubbau grenzenden Nutzung des Landes 1 Aus der umfangreichen Literatur vgl. besonders die mehrfachen Verhandlungen über diesen Gegenstand in der Deutschen Kolonialgesellschast, die neuerdings (1903) eine besondere Kommission für die Bodenftage eingesetzt hat; ferner die Veröffentlichungen des Institut colonial international, Serie 3: Le rögime foncier aux Colonies (Bd. I 1898 enthält die deutschen Schutzgebiete); Ver­ handlungen des Deutschen KolonialkongreffeS 1902 (inSbes. bemerkenswert S. 390 ff. daS Referat v. Bornhaupts); vgl. auch die Schriften des Bundes der deutschen Bodenreformer. — Die Literatur wandte sich zunächst naturgemäß vorwiegend der wirtschaft-- und sozialpolitischen Seite der Landfrage, vielfach de lege ferenda, zu, während die analytische Darstellung der Rechtsverhältnisse de lege lata bisher weniger gepflegt ist. In letzterer Richtung ist zu erwähnen Bollmann, Konzessionen und Monopole in dem deutschen Schutzgebiete (als Manuskript gedruckt).

6. Otto Aöbner, Deutsches Kolonialrech^.

112$

um einen raschen Wechsel der Äcker und der Weidegründe, und die betreffenden Stämme

selbst haben alsdann durchaus nicht das Bewußtsein, daß daS ganze jemals von ihnen benutzte Land ihnen dauernd zum Eigentum gehört. Hiermit hangt die Schwierigkeit der Abgrenzung des Umfangs des „herrenlosen Landes" zusammen, welches einen der wichtigsten Begriffe des ganzen kolonialen Bodenproblems bildet. Aber selbst, wo wir eigentumsartigen Einrichtungen bei den Eingeborenen begegnen, ist eS häufig schwer au-einanderzuhalten, was Jndividualeigentum im Sinne unserer Rechtsordnung ist, was Eigentum der Familie, und wa- Eigentum des Stammes bezw. des Stammeshäuptlings. Bisweilen zeigt sich eine klare Scheidung der Begriffe der politischen Herrschaft eines Häuptlings über ein Gebiet und seines Privateigentums an oder in demselben, bisweilen wieder treten beide Rechtsbegriffe vermischt auf. Anderer Art wiederum find die Schwierigkeiten de- Bodenproblem- dort, wo das deutsche Recht nicht mit primitiven Kultur- und RechtSverhältniffen deS Grund und Bodens zusammmstößt, sondern mit einer bereits hi- ins kleinste ausgestalteten Rechts­ ordnung des Bodens, wie sie die deutsche Verwaltung insbesondere in unserem chine­ sischen Schutzgebiet vorgefunden hat. — Reben daS vorstehend skizzierte Problem des gerechten Ausgleichs der Rechts- und Befitzverhältniffe der eingeborenen Bevölkerung und der kolonisierenden Ration tritt nun eine zweite, nicht minder wichtige und schwierige Aufgabe, nämlich die volkswirtschaftlich­ zweckmäßige und sozialpolitisch-gerechte Abgrenzung zwischen den individuellen Interessen deS einzelnen Kolonisten bezw. der Kolonialgesellschaflen einerseits und den berechtigten Interessen der Gesamtheit bezw. deS Staates anderseits. Es kommt auf der einen Seite für den Gesetzgeber darauf an, dem Erwerbssinn und, in gewissen Grenzen, auch einem gesunden Spekulationstrieb ein hinreichendes Maß von Freiheit zu belaffen, weil nun einmal durch diese Faktoren die Möglichkeit der Heranziehung von Kapital und Arbeitskraft gerade zur Erschließung wirtschaftlich jung­ fräulicher, vielfach unbekannter Gebiete wesentlich bedingt ist. Aber es handelt sich zu­ gleich auf der anderen Seite darum, hiergegen die Jntereffen der Gesamtheit abzugrenzen und zu verhindern, daß der Grund und Boden durch spekulative oder gar wucherische GeschästSpraxis künstlich verteuert werde und damit den neu hinzuziehenden Kolonisten von vornherein die Lebensbedingungen erschwert werden. ES handelt sich ferner darum, der Gesamtheit als solcher und der Staatskasse — beider finanzielle Interessen fallen zusammen — ihren berechtigten Anteil an dem Gewinn auS Grund und Boden, namentlich aber an der Wertsteigerung, die er im Laufe der Entwicklung erfährt, zu sichern. Gerade in neuen Kolonien ereignet eS fich leicht, daß der Grund und Boden bei der ersten Besiedelung einen geringen, ja fast gar keinen Wert besitzt, daß große Landstrecken für überaus kleine Summen in private Hände gelangen, und daß dann int Laufe der Entwicklung eine rasche Preissteigerung, eine Vervielfältigung deS anfänglichen Wertes eintritt. Es liegt auf der Hand, daß gerade in neuerschloffenen Gebieten diese Wertsteigerung zum erheblichen Teile durch Faktoren bedingt wird, die außerhalb der Tätigkeit der Grundeigentümer liegen, daß vielmehr die Förderung der SicherheitS- und Rechtsverhältnisse, der Verbesserungen der gesundheitlichen Zustände, die Erschließung deS Lande- und die Hebung deS Verkehrs durch Bahnen, sonstige Straßen, durch Hafenanlagen und vieles andere mehr die Haupturfache deS Wertzuwachses darstellen. Kraft des natürlichen Monopoles, das dem Grund und Boden im Gegensatz zu allen anderen beliebig vermehrbaren Waren eigentümlich ist, wird der Aufschwung der ge­ samten wirtschaftlichen Verhältnisse, der durch die Gesamtheit der Kolonisten bezw. durch die Maßnahmen der Regierung herbeigeführt wird, sich in letzter Linie immer wieder in einer Steigerung der Bodenwerte radizieren. Hieraus ergibt sich ein berechtigter, ja notwendiger Anspruch der Gesamtheit bezw. deS Staates, an diesem Wertzuwachse nun auch ihrerseits in einer oder der anderen Form Anteil zu haben.

1124

IV. Öffentliches Recht.

§ 35. Entwicklung vnd -egenwarlißer Stand de» LiegenschastSrechtes. Für die deutschen Kolonien wurde die Möglichkeit, entsprechend den besonderen Berhältniffen und wirtschaftlichen Bedürfnissen der einzelnen Gebiete die Rechtsordnung am Grund und Boden durch Kaiserliche Verordnung abweichend von dem mutterländischen Rechte zu regeln, durch die erste Novelle zum Schutzgebietsgesetze vom 7. Juli 1887 geschaffen; durch die Novelle von 1888 wurde auch noch das Bergwerkseigentum in den Kreis der Rechts­ verhältnisse eingeschloffen, für die eine Sonderregelung im Verordnungswege zugelaffen war. Inhaltlich dieselbe Bestimmung enthält jetzt der § 21 K.G.G., der gemäß § 8 Sch.G.G. auch für die Kolonien gilt. Seit 1887 waren für die einzelnen Schutzgebiete Verordnungen über das Liegen­ schaftsrecht teils vom Kaiser, teils auf Grund einer Delegation des Verordnungsrechtes vom Reichskanzler bezw. den Gouverneuren" zahlreich erlassen worden. Neuerdings ist für einen Teil der Rechtsmaterie eine zusammenfaffende Regelung für alle Kolonien er­ folgt: auf Grund deS § 8 Sch.G.G. und des § 21 K.G.G. erging die Kaiserliche Verordnung, betreffend die Rechte an Grundstücken in den deutschen Schutzgebieten, vom 21. November 1902, zu deren Ausführung dann vom Reichskanzler die Verfügung vom 30. November 1902 erlassen wurde. Mit dem Tage des Inkrafttretens dieser Verordnung, dem 1. April 1903, wurden die älteren Ver­ ordnungen, welche bis dahin über den privatrechtlichen Eigentumserwerb und das Grundbuchwesen in den einzelnen Schutzgebieten erlassen waren, mit Aus­ nahme weniger Bestimmungen, außer Kraft gesetzt (§ 28 der Verord. v. 21. Rov. 1902). In diesen Materien ist seither ein einheitliches Recht für alle Schutzgebiete geschaffen; hingegen find die früher ergangenen Verordnungen, soweit fie die Voraus­ setzungen für den Erwerb von Rechten an herrenlosem Land und an Kronland sowie den Erwerb des Eigentums oder dinglicher Rechte an Grundstücken von Eingeborenen und anderen Farbigen betreffen, aus­ drücklich in Kraft geblieben (§§ 5 u. 6, Ziff. 1 der Verord. v. 21. Nov. 1902). Es entspricht diese Scheidung auch durchaus den natürlichen Verhältnissen; denn während für die zuletzt genannten Rechtsmaterien die wirtschaftlichen und kulturellen Besonder­ heiten jeder Kolonie und ihrer eingeborenen Bevölkerung naturgemäß entscheidend sein müssen, erscheint auf dem Gebiete der mehr juristisch-technischen Regelung des Grund­ stücksrechts, besonders des Grundbuchwesens, eine einheitliche Regelung, entsprechend der Einheitlichkeit des gesamten übrigen deutschen bürgerlichen Rechtes für die weiße Bevölkerung der Kolonien, als statthaft und zweckmäßig.

§ 36. Die Regelung des Landerwerb» im Kiautsch-u-ebiete. Die Durchführung einer staatlichen Bodenpolitik unter Berücksichtigung der oben in § 34 dargelegten Grund­ sätze ist für das Kiautschougebiet erfolgt durch die Verordnung des Gouverneurs, betr. den Landerwerb, vom 2. September 1898. Dieselbe ist in Geltung geblieben mit einigen Abänderungen durch die Verordnung des Gouverneurs, betr. die Rechte an Grundstücken im Kiautschougebiete, vom 30. März 1903, die wiederum durch eine Verordnung des Gouverneurs vom 31. Dezember 1903 einige Modifikationen erhalten hat. Das Gouvernement kaust allmählich sämtliche Grundstücke von den ursprünglichen chinesischen Eigentümern an. Diese erhalten dafür den Preis, den der Boden vor der deutschen Besetzung des Kiautschougebietes hatte. Bei dieser Bemessung dieses Preises ging man von dem Gesichtspunkte aus, den Chinesen den vollen Wert zu vergüten, den das Land durch ihre Tätigkeit und durch die ihrer Vorfahren bis dahin gewonnen hatte; hingegen lag keine Veranlassung vor, ihnen die Wertsteigerung ganz oder auch nur teil­ weise zu überlassen, die für den Grund und Boden durch die deutsche Besitzergreifung vorauszusehen war und auch tatsächlich in erheblichem Maße eingetreten ist. Für das so erworbene Land schreibt das Gouvernement je nach dem eintretenden Bedürfnis von Zeit zu Zeit öffentliche Versteigerungen aus und setzt dabei ein Mindestgebot fest. Wird dasselbe nicht erreicht, so kommt es überhaupt nicht zu einem Zuschlag; wird es überschritten, so wird in der Regel dem Meistbietenden das Land zu-

6. Otto Köbner, Deutsches Kolonialrecht.

1125

geschlagen, doch hat das Gouvernement sich eine gewisse Freiheit bei der Zuweisung der Grundstücke vorbehalten. Ein allgemeiner Benutzungsplan ist ihm in großen Zügen vorher mitzuteilen. DaS so erworbene Grundeigentum wird im Grundbuch eingetragen. Der Ersteher hat das Land zu vollem Eigentum und darf dasselbe auch beliebig weiter veräußern ; er muß aber vor jedem Weiterverkäufe dem Gouvernement Mitteilung machen und dabei den gebotenen Kaufpreis nennen. ES wird alsdann der für den Eigentümer sich ergebende Reingewinn, d. h. die Differenz zwischen dem von ihm gezahlten und dem ihm jetzt gebotenen Preise berechnet, und von dieser hat er 33*/s°/o an das Gouvernement auSzukehren. Bei der Berechnung dieses Rein­ gewinns werden die Berbefferungen, welche der Eigentümer nach seinen eigenen Angaben an dem Grundstücke vorgenommen hat, nebst Zinsen von 6 °/o in Abzug ge­ bracht. Diese Angaben können eventuell einer Kommission zur Prüfung unterbreitet werden, die aus Beamten und Privatpersonen zusammengesetzt ist; ihr Befund wird der endgültigen Berechnung des Reingewinns zugrunde gelegt. DaS Gouvernement behält sich das Vorkaufsrecht zu dem von den Eigentümern gemeldeten Verkaufspreise vor; hierdurch wird zugleich der Gefahr von Hinterziehungen des staatlichen Gewinnanteils durch Angabe eines zu niedrigen, fingierten Kaufpreises wirksam vorgebeugt. Außer der Abgabe von SS1/» °/o der Preiserhöhung erhebt das Gouvernement bei jeder Weiter­ veräußerung eine Umschreibegebühr von 2 °/o des Wertes (1 °/o vom Verkäufer, 1 °/o vom Käufer). Bei Grundstücken, die innerhalb 25 Jahren den Eigentümer durch frei­ willigen Verkauf nicht gewechselt haben, behält sich das Gouvernement die Aufgabe einer besonderen einmaligen Abgabe vor, welche dm Gewinnanteil von 331/» °/o nicht über­ steigen darf. Der Wert der Grundstücke ist zu diesem Zwecke von der oben erwähnten Kommission zu schätzen. Dasselbe Verfahren kann nach weiteren je 25 Jahren wiederholt werden. Die Verpflichtungen der Grundeigentümer zur Ausschüttung der 83l/s °/o der Wertsteigerung im Falle des Weiterverkaufs sowie zur eventuellen Zahlung der Auflage nach 25 Jahren werden in Abteilung II deS Grundbuches unter den dauernden Lasten eingetragen. Indessen haben trotz dieser, sonst für privatrechtliche Lasten üblichen Form jene Abgaben dm Charakter öffentlicher Lasten deS Grundstücks. Demgemäß haftet das letztere mentuell auch ohne Eintragung ins Grundbuch dafür (§ 6 der Ver­ ordnung vom 30. März 1903). Abgesehen von den anstehenden Auflagen ist durch die Verordnung des GouvemeurS, betr. die Erhebung von Steuern und Abgaben, vom 2. September 1898, eine Grund­ steuer in Höhe von 6°/o vom Kapitalwerte des Bodens eingeführt, die gleichfalls dazu beiträgt, ein Aufkäufen und Brachliegenlaffen des Landesj in der Absicht von Preis­ treibereien zu erschweren. Als Ergänzung der Maßnahmen behufs Verhinderung des Erwerbs von Grund und Boden zu Spekulationszwecken drohte schließlich die Landordnung von 1898 bei Nicht­ ausführung des eingereichten Benutzungsplanes des Grundstücks innerhalb einer be­ stimmten Frist sowie bei erheblichen, vom Gouvernement nicht vorher gebilligten Ab­ weichungen vom Bmutzungsplane dm Verlust des Eigentums an das Gouvernement unter Rückzahlung von nur der Hälfte des Kaufpreises an. Rach der Verordnung vom 30. März 1903 trat für die nach dem 1. April 1908 von dem FiskuS veräußerten Grundstücke diese Rechtsfolge nicht mehr ein, hingegen hatten sich nunmehr zur Sicherung der Ausführung des Benutzungsplans die Ersteher einer Vertragsstrafe zu unterwerfen, deren Höhe in den Kaufbedingungen festzusetzen war, und für die der Ersteher eine Sicherungshypothek zur ersten Stelle in das Grundbuch eintragen zu lassen hatte. Da diese Bestimmung sich indessen als hinderlich für die Ausbildung des privaten Hypothekar­ kredites erwies, so ist sie durch eine Verordnung des Gouverneurs vom 31. Dezember 1903 wieder aufgehoben worden und es ist nunmehr eine Neuregelung dahin getroffen, daß als Folge der Nichteinhaltung des eingereichten Nutzungsplanes eine progressive Erhöhung der Grundsteuer für das betr. Grundstück eintritt; nach Ausführung des BmutzungsplaneS wird die Steuer wieder auf ihr normales Maß herabgesetzt.

1126

IV. öffentliche- Recht.

5 37. Tie £a»takn»»tett der andere» Schutzgebiete. — Allgemeine-. So sehr die in Kiautschöu eingeschlagene staatliche Bodenpolitik wegen ihrer wirtschaft-- und rechts­ politischen Grundsätze auch über die Grenzen des Schutzgebietes hinaus Beachtung verdient, so muß es doch von vornherein als ausgeschloffen erscheinen, sie etwa ohne weiteres auf andere deutsche Kolonien übertragen zu wollen. Abgesehen von allen sonstigen natürlichen und wirtschaftlichen Verschiedenheiten zwischen den einzelnen Kolonien, ^besteht zwischen Kiautschöu einerseits und dem deutschen Kolonialgebiete in Afrika und der Südsee ander­ seits ein spezifischer Unterschied in bezug auf die volkswirtschaftliche Funktion des Grund und Bodens, ein Unterschied, der notwendigerweise auch zum Ausdrucke in der Rechts­ ordnung drangt. In Kiautschöu hat der Boden, da eS sich für die wirtschaftliche Entwicklung in der Hauptsache nur um den Bezirk des deutschen Küstenplatzes Tsingtau und seiner Umgebung handelt, im wesentlichen einen sozusagen städtischen Charakter. Im Gegensatz hierzu find unsere sämtlichen anderen Schutzgebiete volkswirtschaftlich im wesentlichen Gebiete der Urproduktion; eS handelt fich teils um Landbau, sei es durch Farmen, sei eS durch Plantagen oder durch die Anleitung von Eingeborenen zu dem Anbau be­ stimmter Raturpflanzen, oder aber um die Hebung der Bodenschätze unter der Erde, d. h. um bergbauliche Nutzung. In allen Kolonien Afrikas und der Südsee — natürlich mit Ausnahme der städtischen Anfiedelungen daselbst — ist der Boden im Sinne der Volkswirtschaft ProduktionSfaktor, im Kiautschougebiete ist er im wesentlichen Produktion-stätte. Daraus ergibt sich ein wesentlicher Unterschied. In Kiautschöu muß und wird der Bodenwert sich heben durch die Hebung des ganzen übrigen wirt­ schaftlichen Lebens, des Handels und Verkehrs. In den anderen Kolonien kommt es umgekehrt darauf an, zunächst gerade den Bodenwert, den Ertrag der Erde, mit allen Mitteln zu heben, und dieser ist erst die Basis alles weiteren wirtschaftlichen Aufblühens. Diese grundsätzliche Verschiedenheit der volkswirtschaftlichen Funktion des Bodens hat zur Folge, daß in den letzteren Gebieten der freien Erwerbstätigkeit in bezug auf die Nutzung deS Bodens ein weiterer Spielraum zu laffen und ein gewiffer Antrieb zu gewähren ist. DaS schließt aber keineswegs aus, daß nicht auch in allen diesen Kolonien bei der Regelung der Grundbesitzverhältnisse auf die oben allgemein ausgestellten wirtschaftsund sozialpolitischen Grundsätze, nämlich einerseits auf die Erhaltung der ein­ geborenen Bevölkerung, anderseits aber auf die Interessen der Gesamtheit und deS Staats, weitgehende Rücksicht zu nehmen ist. In letzterer Beziehung kommen insbesondere in Betracht einmal die Sicherung eines genügend umfangreichen staatlichen Grundbesitzes bezw. Okkupationsrechtes am Grund und Boden zwecks Verfügung nach den Bedürfnissen der weiteren Besiedelung und wirtschaftlichen Entwicklung, dann aber zweckmäßige Auflagen zu Gunsten der Gesamtheit hinsichtlich des in Privatbesitz über­ gegangenen BodenS, sei eS in Abgaben unter Berücksichtigung des steigenden Wertes, sei eS in sonstigen Leistungen der Erwerber (Wegebauten u. a. m.) bestehend.

§ 88. Die afrikanische» Landardnun-ea. Ein Moment, welches — im Gegensatz zum Kiautschougebiete — in der Bodenpolitik der älteren deutschen Schutzgebiete eine einschneidende Bedeutung gewonnen hat, ist die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der großen kolonialen Landgesellschasten. In dem größten afrikanischen Schutzgebiete hat die Deutsch-Ostafrikanische Kolonial­ gesellschaft auf das ausschließliche Recht auf Okkupation herrenlosen Landes, das ihr für einen großen und wirtschaftlich besonders wichtigen Teil des Schutzgebietes zustand, neuerdings in dem Vertrage mit der Reichsregierung vom 15. November 1902 im wesentlichen verzichtet (§ 4 des Vertrages; vgl. die nicht er­ heblichen Vorbehalte in § 5). Das frühere weitgehende Okkupationsrecht der Gesellschaft ist amtlicherseits als ein Hindernis für die Entwicklung des Schutzgebietes bezeichnet worden, indem eS die Vergebung von Land an Dritte nicht unerheblich erschwert und die Klarheit des Rechtsverhältnisses in bezug auf den Grundbesitz gefährdet habe (Denk­ schrift zum Vertrage vom 15. November 1902, Anlage zum Etatsentwurfe für 1908).

6. Otto KSbner, Teutsches Kolonialrecht.

1127

Nunmehr kann die staatliche Bodenpolitik für den ganzen Umfang des Schutzgebietes planmäßig durchgeführt werden. Die rechtlichen Grundlagen der letzteren sind, nachdem bereits 1891 und 1894 Verordnungen deS Gouverneurs ergangen waren, in zufammenfaffender Weife gelegt durch die Kaiserliche Verordnung, betreffend Kronland in Ostafrika, vom 2 6. November 1895. Die Verordnung bestimmt, daß, vorbehaltlich der Eigentumsansprüche oder sonstigen dinglichen Ansprüche, welche Private oder juristische Pnsonen, Häuptlinge oder unter den Eingeborenen bestehende Gemeinschaften nachweisen können, sowie vorbehaltlich der durch Vertrage mit der kaiserlichen Regierung begründeten OkkupationSrechte Dritter alles Land innerhalb Deutsch-OstafrikaS „herrenloses Kron­ land" ist.1 Das Eigentum daran steht dem Reiche zu. Die Besitznahme von Kronland erfolgt durch die Regierung. Die Ermittlung und Feststellung deS herrenlosen Landes (Kronlandes) erfolgt durch Landkommissionen, welche von dem Gouverneur unter Zuteilung deS erforderlichen BermeffungSpersonalS zu bilden find. Jedoch kann dem Gouverneur nach näherer Anordnung bed Reichskanzlers die Befugnis beigelegt werden, einzelnen Personen und Gesellschaften die Ermächtigung zu erteilen, in Gebieten, in welchen die Landkommisfionen noch nicht in Tätigkeit getreten sind, ihrerseits Land auf­ zusuchen, nach den näheren Bestimmungen der Verordnung mit etwaigen Eigentümern oder sonstigen Beteiligten wegen Überlassung von Land Abkommen zu tteffen und solches

Land sowie herrenloses Land vorläufig in Befitz zu nehmen. Bei der Befitznahme von Kronland in der Umgebung bestehender Niederlassungen von Eingeborenen find Flächen vorzubehalten, deren Nutzung den Unterhatt der Ein­ geborenen auch mit Rücksicht auf künftige BevölkerungSzunahme sichert. Was dann weiter die Veräußerung von Kronland betrifft, so erfolgt die überlaffung durch den Gouverneur, und zwar entweder durch Übertragung zum Eigentum oder durch Verpachtung. Bei der Überlastung von Kronland find genügende Flächen für

öffentliche Zwecke zurückzubehalten, worüber die Verordnung eingehende Bestimmungen trifft. Bezüglich der Veräußerung und des Erwerbe- von Grundstücken ist allgemein bestimmt, daß zum Eigentumserwerbe oder zur Pachtung von Grundstücken, welche im Eigentums oder im Pachtbefitze eines Nicht-Eingeborenen stehen, eine obrigkeitliche Ge­ nehmigung nicht erforderlich ist. Der Gouverneur ist jedoch befugt, allgemein oder für bestimmte Bezirke die Verpflichtung zur Anzeige derartiger Rechtsgeschäfte vorzuschreiben. Dre Genehmigung deS Gouverneurs ist durchweg erforderlich bei Überlastung von städtischen Grundstücken, welche mehr als 1 ha Fläche haben, sowie von allen ländlichen Grundstücken von feiten Eingeborener an Nicht-Eingeborene zum Eigentum oder zu Pacht von längerer als 15 jähriger Dauer; wird die Genehmigung nicht erteilt, so find die Verträge rechtsunwirksam. Zur Ausführung dieser Kaiserlichen Verordnung ergingen die Berfügung deS Reichskanzlers vom 27. November 1895 und weiterhin die Verordnung deS Gouverneurs vom 4. Dezember 1896. Die letztere bestimmt als Richtschnur für die Landkommisfionen, daß außer den von Eingeborenen bereits bepflanzten Grundstücken jedem Dorf, jeder Ge­ meinde und jedem Gehöft ungefähr das Vierfache des wirklich bepflanzten Gebietes in

einer für die LandeSkuttur günstigen Lage und Beschaffenheit zuzusprechen ist. Übereinstimmend mit der vorstehenden Rechtsordnung für Ostafrika ist die Regelung

für das Schutzgebiet Kamerun erfolgt. Die Kaiserliche Verordnung über Besitzergreifung und Veräußerung von Kronland und über den Erwerb äußerung von Grundstücken im Schutzgebiet von Kamerun, vom 15. Juni zu ihrer Ausführung ergangene Verfügung des Reichskanzlers vom 17. find den ostafrikanischen Bestimmungen nachgebildet.

die Schaffung, und die Ver­ 1896, und die Oktober 1896

1 Die Bezeichnung »herrenloses Kronland- enthält einen rechtlichen Widerspruch in sich. Zutreffender ist, wie werft v. Bornhaupt betont hat, die Faffung der in allem übrigen wörtlich übereinstimmenden Kaiserlichen Verordnung für Kamerun vom 15. Juni 1896, wonach das betreffende Land „als herrenlos Kronland- ist.

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IV. öffentliches Recht.

Die Grundbesitzverhältniffe in Kamerun weisen indessen eine Verschiedenheit gegenüber Ostafrika insofern auf, als in ersterem Gebiete Landkonzesfionen von großer Ausdehnung zu Gunsten einzelner Gesellschaften zu Recht bestehen (Konzession der Gesell­ schaft „Süd^Kamerun" vom 8. Dezember 1898 und der Gesellschaft „Rordwest-Kamerun"

vom 31. Juli 1899). Für das Schutzgebiet von Togo wurde durch Verordnung des kaiserlichen Kom­ missars vom 15. Januar 1888 bestimmt, daß Landerwerbungen, insofern die erworbene Fläche 10 ha übersteigt und bisher im Besitz von Eingeborenen war, der Genehmigung bedürfen. Für Zuwiderhandlungen ist eine Geldstrafe angedroht. Bon den drei bisher betrachteten tropischen Kolonien in Afrika wesentlich verschieden mußte sich naturgemäß die Behandlung der Landfrage im Schutzgebiete von Südwestafrika gestalten, welches aus klimatischen Gründen in größerem Maße für eine Siedlung europäischer Kolonisten in Betracht kommt. Das Rechtssystem der Eingeborenen hinsichtlich des Grund und Bodens war hier nicht leicht festzustellen. Tatsächlich wird nur ein geringer Teil des Schutzgebietes von den einheimischen Stämmen bewirtschaftet. Diese beanspruchen aber trotzdem auf Grund eines vorübergehenden und wechselnden tatsächlichen Besitzes die Verfügung über sehr weite Landstrecken. Dabei ist es zweifelhaft, ob bei den Eingeborenen der Begriff des Eigentums überhaupt früher bestanden hat oder nicht, vielmehr erst durch die Europäer zu ihnen gekommen ist. Die deutsche Regierung hat sich dahin entschieden, die Ein­ geborenen, solange sie sich der deutschen Schutzherrschaft gegenüber treu verhalten, in ihrem tatsächlichen Besitz zu schützen, zugleich aber die Grenzen der Stammesgebiete genau festzusetzen, um den fortwährenden Grenzstreitigkeiten ein Ende zu machen, und um eine Besiedlung der von den Eingeborenen nicht benutzten Ländereien mit Weißen zu er­ möglichen. Den eingeborenen Stämmen bezw. Verbänden von Stämmen werden die Stammesgebiete als Reservate zugewiesen, während die übrigen Teile des Schutz­ gebietes allmählich zu Kronland erklärt werden (Amtl. Denkschrift, betr. das südwest­ afrikanische Schutzgebiet, Beil. z. Kol.Bl. 1893 Nr. 23). Die Schaffung von Eingeborenen­ reservaten, in denen kein Stammesfremder ohne Genehmigung des Gouverneurs wohnen, Land in Benutzung nehmen oder Handel oder Gewerbe treiben darf, ist geregelt durch eine Kaiserliche Verordnung vom 10. April 1898. Die Besitznahme herrenlosen Landes sowie der Abschluß von Verträgen mit den Eingeborenen über den Erwerb von Eigentum oder von Pachtrechten an Grundstücken ohne Genehmigung des Gouverneurs sind bei Androhung von Strafe sowie von privat­ rechtlicher Ungültigkeit verboten (Verordn, des kaiserl. Kommiffars vom 1. Okt. 1888 und 1. Mai 1892; vgl. § 4 der Kaiserl. Verordn, vom 5. Okt. 1898 und dazu Ausf.Best. des Gouv. vom 1. Jan. 1899). Das Land außerhalb der Reservate verbleibt gemäß der oben wiedergegebenen Rechtsordnung grundsätzlich der Regierung als Kronland und steht dem Gouvernement zur Ansiedlung von Kolonisten zur Verfügung. Die Ausdehnung des Kronlandes und die wirtschaftliche Verwendung des Bodens erfahren aber auch in Südwestafrika erhebliche Einschränkungen durch die umfangrerchen, dort bestehenden, ihrem rechtlichen Ursprünge nach zum Teil noch in die Zeit vor der deutschen Schutzherrschaft zurückreichenden Land­ gerechtsame einzelner Gesellschaften (Deutsche Kolonial-Gesellschaft für Südwestafrika, South West-Africa Co., South-Africa Territories Ltd. u. a. m.).

§ 39. Die Land-rduungen der Sudseekolsnien. — Was die Schutzgebiete in der Südsee anlangt, so war in dem größten derselben der Reu-Guinea-Kompa-nie gemäß dem Kaiserlichen Schutzbriefe vom 17. Mai 1885 das ausschließliche Recht verliehen, in dem Schutzgebiete herrenloses Land in Besitz zu nehmen und darüber zu verfügen sowie Verträge mit den Eingeborenen über Land und Grundberechtigungen abzufchließen. Der Kompagnie wurde alsdann durch die Kaiserliche Verordnung vom 20. Juli 1887 das Recht erteilt, mit Genehmigung des Reichskanzlers die Grundsätze für den

6. Otto Ködner, Deutsches Kolonialrecht.

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Erwerb von Grundstücken durch Verträge mit den Eingeborenen sowie durch Besitz­ ergreifung herrenlosen Landes festzustellen. Diese Feststellung erfolgte durch die von der Direktion der Neu-Guinea-Kompagnie erlaffene Anweisung vom 10. August 1887.

Als die Neu-Guinea-Kompagnie ihre Hoheitsrechte in dem Vertrage vom 7. Oktober 1898 endgültig aufgab, verzichtete sie zugleich für den ganzen Bereich des Schutzgebietes auf das Recht, herrenloses Land in Besitz zu nehmen, sowie Verträge mit den Ein­ geborenen über Land und Grundberechtigungen zu schließen, und diese Gerechtsame gingen auf das Reich über (vgl. Kaiserl. Verordn, vom 27. März 1899 und Ausf.-Berordn. des Reichskanzlers von demselben Tage). Doch wurde in dem Auseinandersetzungsvertrage seitens der Regierung der Reu-Guinea-Kompagnie daS Recht gewährt, innerhalb von Kaiser-Wilhelms-Land oder Neu-Pommern einschließlich der dazu gehörigen Inseln Land im Umfange von 50 000 ha, unter bestimmten Vorschriften hinsichtlich der Lage, un­ entgeltlich in Besitz zu nehmen. Für das Jnselgebiet der Karolinen, Palau und Marianen ist durch Ver­ ordnung des Reichskanzlers vom 20. Januar 1900 bis auf weiteres verboten, von den Eingeborenen Grundeigentum auf irgend eine Art, sei es durch Kauf, Tausch, Schenkung oder sonst ein Rechtsgeschäft, zu erwerben. Dieser Bestimmung zuwider geschloffene Ver­ träge find rechtsungültig.

Auch auf den Marshall-, Brown- und Providenceinseln ist es unter­ sagt, durch Verträge mit den Eingeborenen Grundeigentum oder dingliche Rechte an Grundstücken zu erwerben (Verordn, des kaiserl. Kommissars vom 8. Jan. 1887 und 28. Juni 1888; vgl. die Kaiserl. Verordn, vom 22. Juni 1889). DaS ausschließliche Recht zur Besitznahme herrenlosen Landes in diesem Schutzgebiete ist neben anderen Privilegien der Jaluit-Gesellschaft gemäß ihrem Vertrage mit dem Reiche vom 21. Januar 1888 (s. oben 8 2) übertragen. Zum Schutze dieses Rechtes ist in der Verordnung des kaiserlichen Kommissars vom 28. Juni 1888 anderen Personen die Besitzergreifung von herrenlosem Land unter Strafandrohung verboten. Für Samoa war durch Art. IV Abschn. 1 der Generalakte vom 14. Juni 1889 behufs Erhaltung der Ländereien der eingeborenen Samoaner bestimmt, daß jede zukünftige Veräußerung von Ländereien an die Bürger oder Untertanen eines fremden Landes, sei es durch Verkauf, Pfändung oder auf andere Weise, verboten sein sollte. Ausgenommen war erstens der Verkauf oder die Verpachtung städtischer Grundstücke innerhalb des Munizipaldistrikts von Apia, sofern der Oberrichter schriftlich seine Genehmigung erteilte, und zweitens die Verpachtung ländlicher Grundstücke auf nicht mehr als 40 Jahre, wenn ein solcher Pachtvertrag durch die Oberverwaltungsbehörde und den Oberrichter genehmigt wurde. Diese Bestimmungen sind unter der deutschen Herrschaft ausdrücklich aufrecht­ erhalten worden, mit der Maßgabe, daß in Fällen, wo eine Genehmigung vorgeschrieben ist, an die Stelle des Oberrichters und der Oberverwaltungsbehörde von Samoa nunmehr der deutsche Gouverneur tritt (§ 1 der Verordn, des Gouv. vom 1. März 1900)x.

§ 40. Die priuatrechtliche Regelung deS LiegmschastSrechtS. DaS Grundbuch, wese». — Enteignung. Nach der Kaiserlichen Verordnung, betr. die Rechte an Grund­ stücken in dm deutschen Schutzgebietm, vom 21. Nov. 1902, — die für sämtliche Kolonien gilt (s. oben § 35), finden die dem bürgerlichen Rechte angehörigen Vorschriften der Reichsgesetze und der allgemeinen Gesetze der altpreußischen Landes­ teile über die Rechte an Grundstücken Anwendung, soweit sie nicht Einrichtungen und Ver-

1 über die unter den samoanischen Verhältnissen besonders schwierige Feststellung und Registrierung der Landtitel vgl. die Bekanntmachung deS Gouverneurs, betr. die Rechtsverhältnisse am Grund und Boden, vom 14. Oktober 1901 und die Verfügung desselben, betr dre Ernennung einer Land- und Titelkommisfion, vom 25. Februar 1903.

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IV. Öffentliches Recht.

24. Marz 1897 durch landesherrliche Verordnung zu erlassende Vorschriften werden vom Reichskanzler und mit dessen Genehmigung vom Gouverneur getroffen (§ 1 der Verordn.). Die Vorschriften deS Einführungsgesetzes des B.G.B. über daS Verfahren bei Anlegung der Grundbücher und den Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch für einen Beziä als angelegt anzusehen ist, sowie über die Aufrechterhaltung deS früheren LiegenschastSrechteS bis zu diesem Zeitpunkte (Art. 186 und 189 des E.G. zum B.G.B.) finden in den Kolonien keine Anwendung. Auf das Bergwesen, die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung finden die Vorschriften der deutschen bezw. der preußischen Gesetze nur soweit Anwendung, als der Reichskanzler oder mit seiner Genehmigung der Gouverneur sie ausdrücklich für anwendbar erklärt. Der Reichskanzler und mit seiner Genehmigung der Gouverneur können Vorschriften über den Erwerb, die dingliche Be­ lastung und daS Erlöschen deS Bergwerkseigentums sowie dessen Verhältnis zu anderen Rechten erlassen. In Abweichung vom heimischen Recht ist auS Zweckmäßigkeitsgründen bestimmt, daß eS bei der Auflassung nicht der gleichzeitigen Anwesenheit beider Teile bedarf; auch brauchen diese ihre Erklärung nicht mündlich vor dem Grundbuchamt abzugeben. Geld­ betrüge können im Grundbuch nicht nur in der ReichSwährung, sondern auch in der im Schutzgebiet geltenden Währung angegeben werden. Die Verordnung (§ 5) sieht vor, daß der Reichskanzler und mit seiner Genehmigung der Gouverneur die Voraussetzung für den Erwerb von Rechten an herrenlosem Land und an Kron land bestimmen. Die hierauf sowie auf den Erwerb von Grund­ stücken Eingeborener bezüglichen, in den einzelnen Schutzgebieten früher erlassenen Vor­ schriften sind, wie bereits oben ausgeführt, vorläufig in Kraft geblieben. Entgegen den bestehenden oder zu erlassenden Vorschriften findet ein Erwerb von Rechten nicht statt. Für die den Eingeborenen oder anderen Farbigen gehörigen Grundstücke hat die Verordnung (6 6) in einigen Punkten Sonderbestimmungen teils selbst getroffen, teils dem Reichskanzler bezw. Gouverneur Vorbehalten (f. § 6 der Verordn.). Im übrigen ist für die Rechtsverhältnisse der Grundstücke in den Kolonien eine grundlegende Unterscheidung getroffen, je nachdem die Anlegung eines Grund­ buchblattes erfolgt bezw. vorgeschrieben ist oder nicht. Die Anlegung eines Grundbuchblatts ist, abgesehen von Ausnahmefällen, nur statt­ haft, soweit Flurkarten bereits angelegt oder die Vermessung des Grundstückes oder die Aufnahme einer Karte ausführbar sind (vgl. § 5). Die Voraussetzungen, unter denen die Vermessung als durchführbar zu erachten ist, hat der Reichskanzler in einer besonderen An­ lage der Ausführungsverfügung vom 30. November 1902 unter dem Titel „Grundsätze für die GrundstückSvermeffung bei mangelndem Anschluß an eine Landes-Triangulation" zusammengestellt. Die Anlegung des Grundbuchblatts erfolgt auf Antrag des Eigen­ tümers, der hierzu unter Umständen von Amts wegen angehalten werden kann, oder auf Antrag desjenigen, welcher auf Grund eines gegen den Eigentümer vollstreckbaren Titels eine Eintragung im Grundbuch verlangen kann, sofern die Zulässigkeit dieser Eintragung von der vorgängigen Eintragung deS Eigentümers abhängt (§ 8). Der Anlegung eines Grundbuchblatts muß in der Regel ein Aufgebot vorhergehen, für welches die Kaiserliche Verordnung nähere Festsetzungen trifft (§§ 11—18). Das Grundbuchamt kann ohne Erlaß eines Aufgebots die Anlegung eines Grundbuchblatts bewirken, wenn dem Anttag auf Einttagung eine Überweisung von früher herrenlosem Land seitens deS Fiskus zu Grunde liegt, oder wenn die Feststellung deS Eigentumsanspruchs nach Maßgabe einer der früher für die einzelnen Schutzgebiete der Südsee und für Südwestafrika erlassenen, in der Kaiser­ lichen Verordnung (§ 14, Ziff. 2) näher aufgeführten Bestimmungen rechtsgültig erfolgt ist. In diesem Falle ergeht nach Anlegung des Grundbuchblatts eine Aufforderung mit Anberaumung einer Ausschlußfrist an alle diejenigen, welche zur Eintragung in das Grundbuch geeignete Rechte an dem Grundstück in Anspruch nehmen (§ 15). Für das Kiautschougebiet sind an Stelle der Vorschriften der Verordnung über den Antrag auf Anlegung eines Grundbuchblatts, das Aufgebot u. s. w. eine Reihe

6. Cito Köbner, Deutsche- Kolonialrccht.

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von Sonderbesummungen getroffen (§ 17), da nach der oben erörterten Landordnung als Eintragungsberechtigte hier nur der Fiskus selbst oder solche Erwerber, die von ihm ihr Recht herleiten, in Frage kommen können. Bezüglich der Grundstücke, für die ein Grundbuchblatt noch nicht angelegt worden ist, bestimmt die Verordnung, daß die Vorschriften der deutschen bezw. preußischen Ge­ setzt , welche die Übertragung deS Eigentums an Grundstücken betreffen, keine Anwendung finden; vielmehr ist zur Eigentumsübertragung an einem solchen Grundstück die Einigung des Veräußerers und des ErwerberS erforderlich und ausreichend. Die Erklärungen müffen in öffentlich beglaubigter Form abgegeben werden, wobei die Beglaubigung durch eine öffentliche Behörde des Schutzgebietes genügt. Die Überttagung des Eigentums kann nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgen (§ 18). Der Eigentümer oder der sonstige AnttagSberechtigte kann sein Eigentum in ein von dem zuständigen Grundbuchamte zu führendes Landregister eintragen laffen und unter Umständen hierzu von Amts wegen angehalten werden. Ist jemand in daS Landregister als Eigentümer eingetragen, so wird vermutet, daß er der Eigentümer ist (§ 21). Grundstücke, für welche ein Grundbuchblatt noch nicht angelegt ist, können mit anderen Rechten als mit Hypotheken und Grundschulden nicht belastet werden (§ 22 Abs. 1). Für daS Kiautschougebiet finden diese Bestimmungen keine Anwendung, da hier die GrundstückSvermeffung und Anlegung von Grundblattern durchweg erfolgt bezw. vor­ geschrieben ist. Die Ausführungsverfügung des Reichskanzlers zu der Kaiserlichen Verordnung trifft Bestimmungen über die Einrichtung und Führung der Grundbücher und Land­ register. Die Bearbeitung der Grundbuchsachen gehört in den Schutzgebieten Afrikas und der Südfee zur Zuständigkeit der Bezirksrichter bezw. ihrer Bertteter, im Kiautschougebiete zur Zuständigkeit des kaiserlichen Gerichts. Für die Einrichtung der Grundbücher ist der Verfügung ein mit Probeeintragungen versehenes Formular beigegÄen. Die Einrichtung der Grundbuchblätter, deren jedes aus einem Titel und drei Abteilungen besteht, entspricht im großen und ganzen den in Deutschland bestehenden Vorschriften (88 4—8). Für jedes Grundbuchblatt werden besondere Grundakten gehalten. Bei den Grundakten ist eine Tabelle zu halten, die mit dem Blatte wörtlich übereinstimmen muß (§ 14). Die Landregister find nach Art der Grundbuchtabelle mit der Maßgabe zu führen, daß sie nur den Titel und zwei Abteilungen enthalten. In letztere werden die Hypotheken und Grundschulden eingetragen. Der Gouverneur kann Abänderungen deS vom Reichskanzler aufgestellten Grund­ buchformulars vorschreiben und auch sonst Abänderungen von der Verfügung deS Reichs­ kanzlers treffen. In Ausübung dieser Befugnis haben die Gouverneure in den meisten Schutzgebieten besondere Ausführungsverordnungen zu der Kaiserlichen Verordnung vom 21. November 1902 und der Verfügung des Reichskanzlers vom 80. November 1902 erlassen. — Auch die Enteignung von Grundeigentum hat in den deutschen Schutz­ gebieten eine rechtliche Regelung bereits erfahren. Nachdem schon früher die Expropria­ tion in Ostafrika und in Kamerun vorgesehen war, erging die zusammenfaffende Kaiser­ liche Verordnung über die Enteignung von Grundeigentum in den Schutzgebieten AfrÜaS

und der Südsee vom 14. Februar 1903. Hiernach ist die Enteignung allgemein statthaft auS Gründen des öffentlichen Wohles (Abschnitt I § 1). Außerdem enthält die Ver­ ordnung aber „Sonderbestimmungen zum Schutze der Rechte Eingeborener auf Eigentum und Besitz an Grundstücken". Danach ist der Reichskanzler ermächtigt, die Enteignung von Grundstücken, die aus der Herrschaft oder dem Besitz Eingeborener an Richtein­ geborene übergegangen sind, zum Zwecke der Wiedereinsetzung in den Besitz insoweit zuzulaffen, als die Enteignung nach Ermessen der Behörde notwendig ist, um den Ein­ geborenen die Möglichkeit ihres wirtschaftlichen Bestehens, insbesondere des Rechtes einer Heimstätte, zu sichern (Abschnitt IX § 82). Um der hieraus für die nichteingeborenen Erwerber der bett. Grundstücke leicht entstehenden Ungewißheit hinsichtlich ihres Eigentums

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IV. Öffentliches Recht.

zu begegnen, ist eine AuSführungS-Berfügung des Reichskanzlers vom 12. November 1903 ergangen. Danach wird durch die schriftliche Erklärung des Gouverneurs, daß die Sonderbestimmungen des vorerwähnten § 32 der Verordnung vom 14. Februar 1903 auf ein bestimmtes Grundstück oder auf bestimmte Gruppen solcher keine Anwendung finden, eine andere Art der Enteignung als in Gemäßheit der allgemeinen Vorschriften ausgeschloffen. Die Erklärung ist unanfechtbar. In gewissen, in der Verfügung naher aufgezählten Fällen ist der Gouverneur zur Ausstellung einer solchen Erklärung verpflichtet.

| 41. LaS koloniale Bergrecht Im Kiautschougebiete ist das Berg­ regal eingeführt. Durch Verordnung des Reichskanzlers vom 16. Mai 1903 ist bestimmt, daß die in H 1 des preußischen Berggesetzes aufgeführten Mineralien von der Verfügung deS Grundeigentümers ausgeschlossen sind und das Recht zu ihrer Aufsuchung und Gewinnung lediglich dem FiSkuS des Schutzgebietes zusteht.* In den anderen Schutzgebieten, in denen abbauwürdige Mineralien sich finden oder zu vermuten sind, mußten die wirtschaftlichen Erwägungen des Gesetzgebers auch in dieser Materie abweichende sein: in diesen ausgedehnten und zum Teil noch unerforschten Gebieten kam es ihm zunächst darauf an, das Interesse an der Entdeckung und Ausnutzung der mineralischen Schätze zu beleben. Dem entspricht eS, daß in den Bergordnungen der afrikanischen Schutzgebiete und derjenigen von Neu-Guinea, unter verschiedenen Be­ dingungen im einzelnen bezüglich der Einholung der Schürferlaubnis und der Verleihung von Bergfeldern, im allgemeinen der Gesichtspunkt obwaltet, den Betrieb des Bergbaues möglichst einem jeden geeigneten Interessenten zugänglich zu machen. Dieser Grundsatz hat jedoch gerade in den für den Bergbau wichtigsten Schutzgebieten (Ostafrika, Südwestasrika und Neu-Guinea) eine Einschränkung erfahren durch weitgehende, den Kolonial­ gesellschaften erteilte Ausschlußrechte, die zum Teil nunmehr abgelöst sind, zum Teil aber noch zu Recht bestehen. Für Ostafrika ist eine eingehende Regelung des Bergwesens erfolgt durch die Kaiserliche Verordnung vom 9. Oktober 1898. Die Mineralien, die daselbst einzeln aufgezählt werden, sind von dem Verfügungsrechte des Grundeigentümers ausgeschlossen. Ihre Aufsuchung ist im allgemeinen einem jeden gestattet (Grundsatz der Bergbaufreiheit). Die Rechte und Pflichten des Schürfenden und des Bergbautreibenden, ihre Rechts­ verhältnisse gegenüber den Grundbesitzern sowie gegenüber den öffentlichen Verkehrs­ anstalten, die Bergwerk-abgaben und die Bergpolizei sind eingehend geregelt. Die berg­ baulichen Vorrechte, welche die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft früher in einem großen Teile des Schutzgebietes besaß, sind nunmehr durch die Verträge vom 26. September 1900 und 15. November 1902 gegen eine Beteiligung an den einkommenden Bergwerksabgaben abgelöst worden. Für Südwestafrika ergingen, unter Aufhebung einer älteren Verordnung von 1888, die Kaiserlichen Verordnungen vom 15. August 1889 und vom 6. September 1892. Die Aufsuchung der daselbst näher bezeichneten Mineralien ist nur in denjenigen Teilen des Schutzgebietes gestattet, welche von der Bergbehörde durch öffentliche Bekanntmachung für den Bergbau eröffnet werden (Öffentliche Schürfgebiete). Die älteren bergrechtlichen Gerechtsame der Deutschen Kolonialgesellschast für Südwestaftika sowie Dritter sind aus­ drücklich aufrecht erhalten (§ 54 der Verord. vom 1889). Auf diejenigen Teile deS Schutz­ gebietes, an welchen diese Kolonialgesellschast vor Erlaß der ersten Bergverordnung von 1888 das Eigentum erworben hatte, findet die Verordnung keine Anwendung (§ 55 daselbst). Die Verordnung regelt im übrigen die Rechte der Finder und der Grundstücks­ eigentümer auf Verleihung von Feldern, deren Größe und Form näher bestimmt ist. An den Verleihungsgebühren für die Felder haben die Grundeigentümer, ferner, falls die Felder in Gebieten verliehen sind, welche unter einem eingeborenen Häuptling stehen, der letztere und endlich im Falle gewisser Überschüsse auch die genannte Kolonialgesellschaft einen Anteil (vgl. des näheren §§ 46—48 der Verord.). 1 Unberührt hiervon bleiben die privaten deutschen Schantungbergwerksunternehmungen, da sie nicht in dem deutschen Schutzgebiete selbst, sondern im Hinterlande auf chinesischem Staatsgebiete liegen.

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Otto Köbner, Deutsches Kolonialrecht.

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Für Kamerun ist die Kaiserliche Verordnung, betr. das Schürfen im Schutz­ gebiet, vom 28. November 1892 ergangen, welche dem entsprechenden Abschnitte der obigen Verordnung für Südwestafrika von 1889 nachgebildet ist. Die näheren Be­ stimmungen über den Inhalt und Umfang der dem Schürfer zustehenden Finderrechte hingegen find in der Verordnung (§ 11) noch vorbehalten. In Togo find durch die Kaiserliche Verordnung vom 17. August 1898 die früher dort maßgebenden preußischen bergrechtlichen Bestimmungen außer Kraft gefetzt, und der Reichskanzler, sowie mit dessen Genehmigung der Gouverneur, ist bi- auf weitere- zur Regelung der einschlägigen Berhältniffe ermächtigt; jedoch find entsprechende Bestimmungen bisher noch nicht ergangen. Für Neu-Guinea erließ die Neu-Guinea-Kompagnie die Verordnung, betr. den Betrieb de- Bergbaues auf Edelmetalle und Edelsteine vom 28. September 1897. Hier­ nach bedarf das Aufsuchen einer besonderen bergbehördlichen Erlaubnis, die durch Aus­ fertigung eine- Schürfscheines für einen bestimmten Bezirk erteilt wird und dem Inhaber das Recht gibt, andere von dem Schürfen in diesem Bezirke vorbehaltlich bereit- erteilter Schürfrechte au-zuschließen. Werden Funde gemacht, so kann da- betreffende Gebiet zum öffentlichen Grubengebiet erklärt werden; innerhalb desselben werden Abbau­ berechtigungen (Felder) von der Bergbehörde auf Antrag verliehen. Finder und Grund­ eigentümer haben hierbei Ansprüche, die in der Verordnung (Art. 12 u. 13) genau be­ grenzt find. — In dem Auseinandersetzung-verträge zwischen der Reu-Guinea-Kompa-nie und dem Reiche vom 7. Oktober 1898 hat erstere ein ausschließliche- Recht auf Gewinnung der wichtigsten Mineralien für da- Flußgebiet des Ramu gegen bestimmte Auflagen er­ halten. Im übrigen ist bei dem Übergange der Verwaltung auf da- Reich die soeben

erwähnte Verordnung vom 23. September 1897 zu Recht bestehen geblieben (vgl. Verordn, de- Gouv. vom 29. Aug. 1899).

Abschnitt B.: Ans fioContofe Ktrnfrecht § 42. Da» Strafrecht für die Miße Bevölkerung. — a) Gesetzesrecht. Für die deutsche und die sonstige ihr rechtlich gleichgestellte Bevölkerung gelten, entsprechend der auch für die Kolonien rezipierten Bestimmung des Konsulargerichtsbarkeitsgesetze» (§ 198) „die dem Strafrecht angehörenden Vorschriften der Reichsgesetze", d.h. sowohl da- Reichsstrafgesetzbuch als auch die strafrechtlichen Nebengesetze des Reiches. Man wird diese Vorschrift finngemäß dahin verstehen müffen, daß bei denjenigen Reich-gesetzen, welche nicht reine Strafgesetze sind, vielmehr nur einzelne Strafbestimmungen zum erhöhten Rechtsschutz der in demselben Gesetze niedergelegten privat- oder öffentlichrechtlichen Normen enthalten, in den Kolonien die Strafbestimmungen nur insoweit gelten, als die betreffenden Rechtsnormen, zu deren Schutz sie geschaffen find, ihrerseits Gütung haben. Beispielsweise finden die Strafandrohungen der Konkursordnung Anwendung, weil die zivilrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes in den Schutzgebieten gelten. Hingegen dürfen die Strafbestimmungen der Gewerbeordnung in den Schutzgebieten nicht angewendet werden, insofern die Vorschriften dieses Gesetzes, zu deren Schutz die Strafbestimmungen gegeben find, ihrerseits in den Kolonien keine Geltung haben. Unter den straftechtlichen Reichsgesetzen ist im besonderen Hinblick auf koloniale Berhältniffe ergangen das oben (in § 32) bereits erwähnte Gesetz, betr. die Be­ strafung des Sklavenraubes und Sklavenhandels, vom 28. Juli 18958. * v. Stengel, Die Strafrechtspflege über die Eingeborenen in den deutschen Schutzgebieten; Jur.-Ztg. 1898, S. 85. Referate über Kolonialstrafrecht in der deutschen Landesgruppe der Internat. Kriminalist. Vereinigung 1903 von Ziegler und Köbner (erscheinen demnächst in dm »Mitteilungen der J.K.D." 19«). 1 Die- Gesetz richtet sich seiner Zweckbestimmung nach nicht nur, ia nicht einmal vorwiegend, gegen Weiße, sondern auch gegen Farbige, insbesondere gegen die arabischen Sklavenhändler in Oftafnka. Da es indessen formell und unmittelbar nur auf die der Europäer-Gerichtsbarkeit unterstehenden Personen anwendbar schien, ist für die Bestrafung der Eingeborenen wegen der gleichen Delikte eine besondere Anweisung des Gouverneurs jenes Schutzgebietes ergangm.

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IV. öffentliches Recht.

b) Verordnungsrecht. Während auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts außer den Reichsgesetzen auch die daneben in den altpreußischen Landesteilen in Kraft stehenden allgemeinen Landgesetze in Geltung gesetzt sind, ist dieses auf dem Gebiete des Strafrechts nicht der Fall. An Stelle der strafrechtlichen Landesgesetz­ gebung, der im Mutterlande ein gewiffer Spielraum gelaffen worden ist (§§ 2 u. 5 de- E.G. zum R.St.G.B.), tritt in den Kolonien das kaiserliche Strafverordnung-recht ergänzend zum R.St.G.B. hinzu. Rach 8 6^ des Schutzgebiet-gesetzes kann nämlich durch Kaiserliche Verordnung in den Vorschriften über Materien, welche nicht Gegenstand des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich sind, Gefängnis bis zu einem Jahr, Hast, Geldstrafe und Einziehung einzelner Gegenstände angedroht werden. Außer dem BerordnungSrechte, das sich aus dieser Bestimmung des Schutzgebiets­ gesetze- für die ganze Reihe der im R.St.G.B. nicht behandelten Materien ergibt, steht dem Kaiser natürlich auch in den Kolonien ein Strafverordnung-recht für einzelne Materien zu, soweit die strafrechtlichen Reich-gesetze ein solche- statuieren, wie es z. B. da- Blankettgesetz bc8 § 145 R.St.G.B. tut. Von besonderer Bedeutung für die Kolonien ist hier wieder eine Bestimmung de- ReichSgesetze- vom 28. Juli 1895 (§ 4), worin die Verletzung der vom Kaiser mit Zustimmung des Bundesrats zur Verhütung des Sklavenraubes und Sklavenhandels erlassenen Verordnungen unter Strafe gestellt ist. Ferner kann gemäß § 66 des Schutzgebietsgesetzes durch Kaiserliche Verordnung an Stelle der Enthauptung eine andere, eine Verschärfung nicht enthaltende Art der Vollstreckung der Todesstrafe angeordnet werden. Endlich steht dem Kaiser in den Schutzgebieten das Begnadigungsrecht zu; dies folgt bereits auS der Ausübung der Schutzgewalt, ist aber im Gesetze auch noch besonders ausgesprochen (Sch.G.G. § 3 in Verb, mit K.G.G. § 72). Der Gouverneur ist befugt, im Gnadenwege einen Strafaufschub bis zu sechs Monaten zu bewilligen (§ 12 der Kaiser!. Verordn, vom 9. Nov. 1900). Das Strafverordnungsrecht des Reichskanzlers und des Gouverneurs ist bereits oben in § 16 behandelt. Danach sind Beide befugt, gegen die Nichtbefolgung der von ihnen erlassenen polizeilichen und sonstigen, die Verwaltung betreffenden Vor­ schriften Gefängnis bis zu drei Monaten, Haft, Geldstrafe und Einziehung einzelner Gegenstände anzudrohen (Sch.G.G. § 15).

§ 48. Da- Strafrecht für die eingeborene Bevölkerung. — a) Allgemeines. Eine Kodifikation des Eingeborenen-StrafrechtS ist bisher — abgesehen von einigen unten zu betrachtenden Ansätzen — in den deutschen Schutzgebieten nicht erfolgt. Es ist dies auch durchaus zu billigen, da zu einem solchen Unternehmen, wenn die Kodifikation bis ins einzelne gehen und den sehr verschiedenen Eigentümlichkeiten der Stämme gerecht werden soll, eine längere Kenntnis der altangestammten Kultur und Rechtsverhältniffe vorangehen und eine weit größere praktische Erfahrung erworben sein muß, als es in der bisherigen kurzen kolonialen Praxis Deutschlands möglich war. 1 Der Aburteilung werden jetzt in großen Zügen die Grundsätze des Reichsstrafgesetz­ buches unter Berücksichtigung der Verschiedenheit der Verhältniffe und Anschauungen zu Grunde gelegt. Dies bezieht sich aber nur auf die Delikts begriffe, hingegen nicht auf die Strafandrohungen nach Art und Höhe. In diesem Punkte verlangen naturgemäß die angestammten Anschauungen und Gewohnheiten der Eingeborenen eine weitgehende Berücksichtigung, und eine unveränderte Einführung des deutschen Strafen-

1 Hier (ebenso aber auch bei der häufig recht schwierigen Beurteilung der bürgerlichen Rechtsverhältniffe der Eingeborenenbevölkerung) zeigt sich neben der Notwendigkeit umfangreicher praktischer Erfahrungen auch der Nutzen einer unbefangen, dabei aber systematisch vorgehenden wissenschaftlichen Forschung nach den Methoden der ethnologischen Jurisprudenz (vergleichenden Rechtswissenschaft). Dgl. Kohler in der Encyclopädie der Rechtswissenschaft I S. 18. — Betreffs der wichtigsten, blSyer über dies Eingeborenen-Recht der deutschen Schutzgebiete vorliegenden Arbeiten siehe oben das Literaturverzeichnis zu § 1.

6. Otto Kübner, Deutsche- Kolonialrecht.

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systernS würde den Eingeborenen unverständlich und auS kriminalpolitischen Erwägungen unzweckmäßig sein. Insbesondere erscheint eS, so wünschenswert dies an sich sein möchte, als ausgeschloffen, die altgewohnte Prügelstrafe, die bei den Eingeborenen stets bestanden hat, unvermittelt abzuschaffen. Was allein gefordert werden kann und überall in den deutschen Schutzgebieten, wo die Prügelstrafe zugelaffen ist, auch vorgesehen ist, daS find genaue Borschristen über Maß und 8rt der Vollstreckung dieser Strafe und die Sicherung aller Kautelen gegen einen Mißbrauch derselben. Insbesondere ist in allen deutschen Kolonien, die Anwendung der Prügelstrafe gegen Frauen ausgeschlossen. b) Die afrikanischen Schutzgebiete im einzelnen. Für die EingeborenenSttafrechLSpflege in den afrikanischen Schutzgebieten wurde zunächst durch die Ver­ fügung des Reichskanzlers vom 27. Februar 1896 die Verhängung von außerordentlichen (Strafen, insbesondere von Verdachtstrafen, verboten und zugleich zwecks Herbeiführung von Geständnissen und Aussagen die Anwendung anderer als der in den deutschen Prozeßordnungen zugelaffenen Maßnahmen untersagt. Im Anschluß hieran wurde eine eingehende Regelung der zuläsfigen gerichtlichen ©trafen durch die oben in § 29 bereit­ erwähnte Verfügung des Reichskanzlers wegen Ausübung der Straf­ gerichtsbarkeit und der DiSziplinarstrafgewalt gegenüber den Ein­ geborenen in den deutschen Schutzgebieten von Ostafrika, Kamerun und Togo vom 22. April 1896 getroffen. Für Südwestafrika ist diese Verordnung durch die Verfügung des Gouverneurs vom 8. November 1896 (vgl. gleichfalls oben § 29) in Kraft gesetzt worden. Die zulässigen ©trafen find hiernach in den afrikanischen Schutz­ gebieten: körperliche Züchtigung (Prügelstrafe, Rutenstrafe), Geldstrafe, Gefängnis mit Zwangsarbeit, Kettenhast, Todesstrafe. Die hier bezeichneten Strafmittel find der Be­ deutung des Falles gemäß auch bei Übertretung der von den Gouverneuren erlassenen Ver­ ordnungen anzuwenden, wenn diese nicht besondere Strafandrohungen enthalten (überein­ stimmende Verordn, der Gouv. v. Ostafrika vom 17. Sept. 1902, v. Südwestafrika v. 8. August 1902, v. Kamerun v. 28. Juni 1902 und von Togo v. 24. November 1902). Die Verordnung des Reichskanzlers v. 27. Februar 1896 trifft in einem besonderen Abschnitt (in) noch Bestimmungen über die Bestrafüng von Eingeborenen, die in einem Dienst- oder ArbeitSvertragSverhältniS stehen. Diese können auf Antrag der Dienst- oder Arbeitgeber weaen fortgesetzter Pflichtverletzung und Trägheit, wegen Widersetzlichkeit und unbegründeten Verlassens ihrer Dienst- oder Arbeitsstelle sowie wegen sonstiger erheblicher Verletzungen des Dienst- oder ArbeitSverhältniffeS disziplinarisch von dem mit der Aus­ übung der Strafgerichtsbarkeit bettauten Beamten bestraft werden. Die Bestimmung hängt damit zusammen, daß die Arbeilsverträge mit den Farbigen, wie oben (8 32) schon dargelegt ist, zum Teil eine öffentlich-rechtliche Regelung erfahren haben; diese wird durch Sttafandrohungen 9^^*. Z. B. trifft die Verordnung des Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika, betr. Arbeitsverträge mit Farbigen,vom 27. De­ zember 1896, Sttafbestimmungen für den VerttagSbruch seitens Farbiger; die innere Ergänzung dazu bilden die genauen Bestimmungen der Verordnung über die Pflichten deS Arbeitgebers gegenüber dem farbigen Arbeiter. c) Südseegebiete. Die von der Neu-Guinea-Kompagnie erlassene Straf­ verordnung für die Eingeborenen vom 21. Oktober 1888 (vgl. oben § 29) bestimmt, daß die Strafverfolgung. nur zulässig ist wegen Handlungen, welche nach den Gesetzen deS Deutschen Reichs als Verbrechen oder Vergehen strafbar sind. Die be­ sonderen Sttafvorschristen, welche auf Grund des Schutzgebietsgesetzes von dem Reichs­ kanzler bezw. den von ihm ermächtigten Organen für die Eingeborenen erlassen find, werden hierdurch nicht berührt. Die zulässigen Strafen sind: Todesstrafe, Gefängnis mit Zwangsarbeit, Zwangsarbeit ohne Verwahrung im Gefängnis, Geldstrafe. Für die Voll­ streckung der einzelnen Strafarien trifft die Verordnung eingehende Bestimmungen. Nur 1 Dgl. auch die Verordnung der Neu-Guinea-Kompaanie, bett, die Erhaltung der Disziplin unter den farbigen Arbeitern, vom 22. Oktober 1888, sowie die Verordnung deS GouverneurdeS KiautfchougebieteS, bett. Dienstverletzungen chinesischer Arbeiter und Dienstboten, vom 1. Juli 1898.

1186

IV. öffentliches Recht.

für eine Anzahl bet schwersten Delikte trifft die Verordnung bestimmte Strafandrohungen. Im übrigen hat da- erkennende Gericht nach den Umständen de- Falle- zu entscheiden, welche der obigen Strafarten zur Anwendung kommen soll. Wo nach den Anschauungen und Gewohnheiten der Eingeborenen dem Verletzten von dem Tater eine Entschädigung zu leisten ist, kann in dem Urteile zugleich auch auf Gewährung einer solchen Entschädigung erkannt werden. Die gleichen Bestimmungen finden sich in der vom Gouverneur der Marshall­ inseln erlassenen Strafverordnung für die Eingeborenen vom 10. März 18-0. d) Kiautschougebiet. Die oben in § 29 bereit- erwähnte Verordnung de-

Gouverneur-, betreffend die Rechtsverhältnisse der Chinesen, vom 15. April 1899 enthält auch die Regelung de- materiellen Strafrecht-. Auch hier handelt e- sich nur um eine vorläufige Zusammenfassung, noch nicht um eine endgültige Kodi­ fikation, der eine in- einzelne gehende Erforschung de- zum Teil auberordentlich ent­ wickelten chinefischen Strafrecht- vorangehen muß. — Nach der Verordnung vom 15. April 1899 find strafbare Handlungen alle diejenigen, welche 1. durch Verordnungen deGouverneurS mit Strafen bedroht find, 2. nach den Gesetzen de- Deutschen Reich- den Tatbestand eine- gegen da- Reich sowie gegen Gesundheit, Leben, Freiheit und Eigentum eine- anderen gerichteten Verbrechens und Vergehen- oder 8. den Tatbestand einer Über­ tretung enthalten, welche im Jntereffe der öffentlichen Ordnung unter Strafe gestellt ist oder 4. im chinefischen Reiche mit Strafen belegt werden. Die zulässigen Strafen sind: Prügelstrafe bi- zu 100 Schlägen, für deren Voll­ streckung auch hier genaue Vorschriften erlassen find (f. §§ 8 und 9 der Verordn.), Geldstrafe bi- zu 5000 Dollars, zeitige Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren, lebenslängliche Freiheitsstrafe und Todesstrafe. Auf diese Strafen kann allein oder in Verbindung mit­ einander oder mit Ausweisung aus dem Schutzgebiet erkannt werden. Bei der Ausweisung ist dem Beschuldigten für den Fall seiner Rückkehr eine Strafe anzudrohen, welche sofort vollstreckt werden kann, wenn der Beschuldigte wieder innerhalb des Schutzgebiete- be­ troffen wird. Die Freiheitsstrafe kann mit Zwangsarbeit verbunden werden. Die Strafmündigkeit beginnt mit dem vollendeten 12. Lebensjahre. Personen unter 18 Jahren sind nur in Ausnahmefällen zu Freiheitsstrafen zu verurteilen und dann von anderen Verbrechern getrennt zu halten. Im Einklang mit einer uralten chinefischen Rechtsanschauung und zugleich in kriminalpolitisch zweckmäßiger Weise ist schließlich bestimmt, daß für die Handlungen jugendlicher Personen der Vater, ältere Bruder, Vormund oder diejenige Person, deren Obhut der jugendliche Verbrecher an­ vertraut ist, zu einer Strafe verurteilt werden kann.

Namen- und Sachregister.

Aachener Deklaration II, 979. — Rongreb H, 985, 988, 1032. — Regri n, 833. Abandon I, 1026. Abatement I, 806, 837. Abbas Siculns II, 846. Abbot and convent I, 809. Abbruch der diplomatischen Be­ ziehungen II, 1029. Abegg II, 240. Abenomahl II. 938. — (evang.) n, 967. Aberkennung der bürgerl. Ehren­ rechte IL 282. Aberratio ictus II, 265. Abgaben II, 628. Abgeleiteter Besitz I, 601. Abholung I, 706. Lbigeat I, 126. Ablader I, 1015. LblationStheorie II, 302. Ablehnung deS Richters II, 74. Abmusterung 1/1013. Abolition U, 292. Abortus I, 313. Abschichtung I, 258, 543. Abschlagsverteilung II, 185. Abschob II, 990. Abschreckung I, 60. Absence presumde I, 853. II, 391, 407 Abficht"^, 322, 844; II, 265.

I Abstrakter Vertrag I, 644, 696, 825, 855, 873. Abstraktes Versprechen I, 376, 384, 389, 392, 524, 1031. Abt, Äbtissin H, 934. Abtreibung II, 297. Abtretung von Forderungen I, 665. — von Forderungen im Völker­ recht n, 1042. — von Reichsgebiet II, 524.

AbzugSrecht I, 463. Lccept I, 367, 1032, 1035, 1058. Acceptance I, 826. Acceptilatio I, 102, 383. Accessio I, 343. — (Papstwahl) II, 925. — (»ölkerrecht) II, 1015. — possessionis I, 346. Accession I, 823, 856. Acddentalia negotii I, 321. Accomodation Dill I, 1042. Accord I, 808. Account stated I, 827. Accursius I, 168, 292. Accusatio n, 859. Acht I, 202, 203. Achtendeele I, 176. Achtergut I, 197. Ackdranweifunaen I, 108. Ackerbau, genoffenschaitl. 1,24,84. Acquisitio I, 341, 409. Act for the Abolition of Fines Absolute Beweisverbote (Straf* and Kecoveries I, 816. — of God I, 828. proz.) II, 370. — StrafrechtStheorien II, 240. — of Parliament I, 805. — of Bupremacy I, 798. Absolute property I, 829. Absolutio X 383. Actes I, 854. — ab instantia II, 59. Actio I, 103, 327, 384, 458. — canonica II, 945. — adjecticiae qualitatis 1,102 Absolutismus I, 282. 361, 403. — ad exhibendum I, 365, 396. AbsonderungSrecht H, 183. — calumniae I, 393. Absorption-prinzip II, 286. — confessoria I, 351. Abstammung I, 297, 396. — de in rem verso I, 395, 403. AbstentionSrecht I, 409. Abstimmung im Bundesrat n, — doli I, 338, 393, 583, 590. — duplex I, 339. 541. Encyklopädie der AechtSwtsienschaft. 6., der Reubearb. 1. Lust. Bd. II.

Act fiineraria I, 396. — farti I, 393. — in factum I, 395. — in personam I, 384. — in rem scripta I, 331, 358. 378, 384. — iniuriarum I, 622. — lggis Aqniliae I, 707. — libera in causa II, 263. — metus I, 388, 378, 393,583. — nata I, 331, 378. — negatoria I, 346, 347, 348. — Pauliana I, 393, 705. — poenalis I, 384. — Publiciana L 347, 348. — quod iussu I, 403. — Serviana I, 102. — spolii I, 339. — tributoria I, 893. — utilis I, 324. — vi bonorum raptorum 1,393. — vindictam spirans 1,330,423. Action for the recoveryof possession of land I, 822. — of covenant I, 825. — of debt I, 825. — of deceit I, 832. — of defamation I, 831. — of detinue I, 823, 833. — of ejectment I, 822. — of fraud I, 832. — of nuisance I, 822; 832. — of trespass I, 823, 832. — of trover I, 823. — on the case I, 806, 823. Actions I, 807. Actor sequitur forum rei II, 74. Actus I, 350. Ad dominici gregis custodiam II, 928. Ad evitanda II, 872. Ad regimen H, 852. Adalingi I, 184. Addictio in di em 1, 371. Additio sapientium I, 188. Adelsrecht I, 175, 443, 458, 460, 506, 566. AdelSverleihunaen I, 266. adfatimus I, 261. 72

1138

Namen- und Sachregister.

Ldfatomie I, 744. i Akkusationsprozeß I, 108, 284. Adhäsion-prozeß II, 405. ! Akoluthen H, 816, 918 Aedincatio (Patronatrecht) II, i Aktenversendung I, 293; II, 332. 950. ■ Aktiengesellschaft I, 50, 576, 892, Ädil I, 96, 104, 377. 905, 944. Ädilizische Klagen (franz. R.) Lktienkommanditgesellschast 1,960. I, 856. Aktionensystem (engl. R.) 1, 806. Aditio I, 417. Aktiva, Bestandteile eines Ge­ Adiectus I, 1035. schäfts I, 909. Adiutorium 1, 198. Alamannen I, 175. Administrative Begnadigung II, Alarich I, 192. Albanesen I, 67. 280. Administrator I, 835, 836. Albrecht I, 439, 481. Admiralty I, 805 Alciatius I, 81. Aldermen II, 717. Admissio II, 949. Alderney I, 845. Adnotatio I, 125, 148. Adoption I, 34, 99, 261, 309, Aldien I, 176 Alexander III. II, 841, 842, 857. 734, 865, 884. Alexandrien II, 822. Adoratio I, 143. Sdreffen II, 585. Alfred der Große I, 796, 799. Adrianopeler Frieden II, 1011. Algernon Sidney II, 487. Alien I, 808. Adrogare I, 86. Adulterium (imped. matrimo- Alienatio (Kirchengut) II, 955. Alienation I, 820. nii) II, 941. — by devise 1, 834. Adultery I, 833. Alimentation I, 396, 400, 403, Adventizgut I, 402. 423, 428. Advocati I, 201, 799: II, 89. Aelius Paetus I, 115. Advocatus diaboli II, 926. Allegiance I, 808. Advowson I, 819. Affektionsintereffe I, 365. ! Allgemeine Gütergemeinschaft I, 717, 720. Atnnitas (imped. matrimonii) — Rechtsidee I, 76. II, 941. Afghanistan II, 997. — Sorf^riften der Landesgesetze Agency I, 827. Agenda II, 892. Allgemeiner Telegraphenverein Agent provocateur II, 274. II, 1024. Agentur I, 899. Allgemeines Konzil II, 936. Ager publicus I, 88, 91, 94. : — Priestertum 11, 957. — Romanns I, 105. — Strafrecht u. Mil.St.R. II, Agere I, 114. I 412. — cum compensatione I, 382. — Völkerrecht II, 980 Agio 1, 1034. Allmende I, 75, 207, 264, 468. Agisment I, 829. Allod I, 498. Agnaten I, 410, 411, 459, 532. Allodifikation I, 265. Allusion I, 343, 395, 821. Agnatische Familie I, 38. — Linealprnnogenitur II, 571. 1 Altenstein-Dohna II, 662. Agrargenoffenschaften 1,470, 944. Altenteil I, 261. Alter I, 313. 404, 457. Agrarrecht I, 266, 505, 766. Agrarunfallversicherung II, 782. Altersrente II, 792. Agreement to seil I, 823. Altersvormundschaft I, 406. Agricultural Holdings Acts Althusius I, 4; II, 457. Altkatholiken II, 914. Ägypten I, 356; II, 995, 1003, Altkentische Gesetze I, 799. Altmark II, 694. s. Eaypten. — KonsulargerichtSbarkeit II, Altpreußen, Kreis-, Provinzial-, 1036. Generalsynode II, 963, 964. Ägyptische Anleihe II, 1044. Alterszulagekaffe für evangelische Geistliche II, 971. — Rechtsurkunden I, 19. Ahnenprobe I, 460. Altruismus 1, 51. Ahrens I, 12, 13. Amazonenstrom II, 1012. Ambasciadore II, 984. Aids I, 813; II, 715. Ambassadeurs II, 1032. Aistulf I, 191. Akkord bei Hypothekenbanken I, Ambrosius II, 818. 1110. Amendierungsrecht II, 581, 599. Akkreditiv I, 990. Amerikanische Staaten, Mitglie­ Akkusationsform II, 361. der der VölkerrechtsgemeinAkkusationsprinzip H, 360. schast II, 981.

Amerikanisches Duell II, 297. Amnestie II, 292. — bei Gebietsabtretungen II 1074. Amortisation deS Wechsel-1,1064. — s. KraftloSerklärui^. Lmtmann^^^n, 678^ 703.

Amtsanmaßung II, 320. AmtSauSfchuß II, 701. Amtsgericht II, 60, 213, 347. AmtSaerichtSfachen II, 77. AmtSkammern II, 657. Amt-recht II, 211. LmtSverband II, 701. Amt-verbrechen I, 393; II, 253, Amtsverlust(Ril.«Beamte)II,417. AmtSverfaffung, deutsche I, 229, — der evang. Kirche IL 968. — der kathol. Kirche II, 852. — Roms I, 145. Amtsverwaltung II, 701. Amtsvorsteher U, 645, 651, 701. Anachoreten II, 819. Analogie 1, 445, 852; II 251. Anathema II, 825. AnatoliuS I, 155, 160. Anatozismus I, 366. Anciens II, 896. Ancient demeene I, 814. Andienen I, 1025. Andreae H, 846. AnefangSklaae I, 247, 520. Aneignung I, 393, 610, 874. —, Völkerrecht II, 1015. Aneignungsrecht I, 490. Anerbenrecht 1,40, 265, 557,558. Anerkenntnisurteil II, 167. Anerkennung I, 376. — der Ehelrchkeit I, 730. — des Staates II, 998. — von Staatsdienstbarkeiten II, 1011. — im Völkerrecht II, 1006. Annknmung-vertrag I, 369, 377,

Anfechtbarkeit I, 44, 128, 323, 335. Anfechtbarkeit des Prozeßverhältniffes II, 141. I, 335 , 369 , 585;

(Konkurs) II, 183. (franz. R.) I, 854. der Ehe I, 712, 713. eines GeneralversammlungSbeschluffeS(Lktien-Ges.)I, 952. — eine- Patentes I, 632. Angeklagter II, 343. — (MilZ II, 434. Angelsachsen I, 175. Angelus Politianus I, 81. Angeschuldigter II, 343. Anglia I, 796. Anglikanische Hochkirche II, 895. — — — —

Namen- und Sachregister.

Anwachsung I, 409. Lnwaltsstand II, 89. Anwaltszwang II, 59. Anweisung I, 379, 697, 976. Anwmderecht I, 492. Apanagen U, 578. Apoehae I, 142. Apocrisiarii H, 853. Apostasia a regn la sive a monachatu H, 934. Apostasie H, 944. Apostaten I, 147. Apoitolicae sedis II, 945. Apostolische Delegation für vrandenburg u. Pommern II, 928. — Majestät U, 866. — Präfekturen und Bikariate in Deutschland II, 928. Appel conme d’abns U, 867. Appendant I, 819. Appendix Marculfi I, 189. Appoint I, 1032. Apprehensionstheorie II, 302. Apprentices I, 831. Approbatio procura II,870,938. Appurtenant L, 819. Aquae et ignis interdictio II, 242. — ductuB, — haustus I, 350. Aquilins Gallus I, 115. Aequitas I, 299. Araber I, 32, 37. Aerarium I, 119. Araukaner I, 65. Arbeiterschutzkonferenz II, 765. Arbeiterv«1icherung I, 266; n, Anschaffung I, 901. Ans^ließmig bei Rechtsmitteln 763. ArbeitSgefchäste I, 527, 983. Arbeitsordnungen 1,688,640,700. Anschlußpfänduna II. 172. Arbeit-schätzung I, 5. Anschwemmung I, 343. Ansegis Ü, 828. Arbeit-vertrag I, 680. Ansegisus v. Fontanella 1,188. Arbeitsverträge mit Farbigen AnspLch I, 331, 333, 345, 346, (Eft^eborenen) El, 1084,1120, 377, 581. Arbitration I, 808. Anspruchsklage II, 105. AnspruchSveriLhrung I, 585; H, Archiadvocatus I, 227. Aichicapellanus I, 195. 28. ÄtyntQtvQ II, 82L 832. Anspülung I, 343. Archipresbyteri Ü, 882. Anstalt I, 314, 817, 466. Argentarii I, 928. Anstaltserziehung I, 728. Argentinien I, 898,1071; 11,463. LnstaltSordnungen II, 605. Anstellung von Beamten II, 589. D’Argenträ II, 8. ArianiSmuS II, 818. — der Klage 1, 338. Aristoteles I, 6, 26 , 55, 168; Anstiftung II, 273. Anteil bei offener H.-Gesell. 1, 936. II, 474. Arkwright I, 641. Anteilsrecht I, 315. Antenuptial settlement I, 841. Armeebefehl und -Verordnung II, 623. Antiochia H, 822. Armenanwalt II, 63. Antiqua I, 191. Armenpflege II, 766. Antiquo I, 107. Armenrecht I, 378; II, 226. AntoniuS II, 819. Armenverband II, 712. Antragsdelikte II, 340, 361. Antretung der Erbschaft I, 410, Armenwesen II, 642. Armisticia II, 985. 417, 425. Arnulf I, 183, 206. Antrustionen I, 194, 199. Annins cardinalicius II, 924. Arnulfinger 1, 195. Arrest II, 58, 165. — piscatoris II, 917, 923.

Angriff, rechtswidriger I, 327, s. auch Notwehr. Angstklausel I, 1048, 1051. Anhalt, unierte Kirche II, 958. Ammi-mu- I, 22. Animus domini I, 836. Ankinduna L 34, 734. Anklage U, 380. Lnklageerhebuna II, 388. Anklagezwang E, 289. Anklageverfügung (Mil.) II, 438. Lnleite I, 238. Anmeldung I, 623, 632. Anmusterung I, 1013. Annahme an KindeSstatt I, 784; II, 210. Annahme der Anweisung I, 697. — einer Offerte I, 367. — f. Accept. Annahmeverzua I, 654. Annalia II, 860. Annam II, 997. Annatae II, 860, 954. Annexion-gesetz II, 559. «nnuitätendarlehen 1,1094J109. Annuitiefi for lives I, 830. Annus decretorius H, 888. — deeervitus H, 955. — discretionis Ü, 911, 967. — gratiae II, 846. Anonymus I, 160. Anonymus von Dork II, 847. Anordnung (frei«. Ger.) II, 224. Anreizung zum Zweikampf II,

1139 Lrrestatorium II, 172. Arreftbefehl II, 163. Arrestbruch II, 320. Arreftprozeß II, 195. Arveftstrafe II, 413, 416, 419. Arreftverfahren II, 61, 170. Arrtit de prince II, 1060. Arretierung-klausel 1,1048,1062. Arrha I, 102, 871, 525. Arrogation I, 91, 100. Arrondierung-verfahren I, 608. Arrondiffementsverwaltung II, 727. Articles organiques II, 875. Artikel I, 285. Arztzwang II, 776. 9f(^|en5urger Konkordat II, Ast« I, 77. AsowscheS Meer II, 1010. Aasault I, 807, 833. AssemblAe du conseil d’dtat ddliberant au contentieux H, 744. Assent I, 805. Aasignatio fundi II, 950. Aasignation en garantie II, 88, Aasignement I, 822, 828. Assisae L 800. Aasige of novel disseisine I, 822. Assiatentia _paasiva H, 940. Assumpsit I, 807, 825. AffyrischeS Recht I, 18, 45. Ästhetische Kunstgestaltung« I, 626. «sylrecht 1, 61, 202. — lBölkerrecht) ü, 1024. LS-endent« 1, 396, 411. ASz«d«t«toSschlag II, 295 Aetas (imped. matrimonii) II, 940 Athanasius II, 819. Ltt«tatSklausel II, 254. Attomati I, 799. Attorneys I, 799. Aubumsches System II. 279. Auctorem fidei II, 868. auctoritaa I, 85. — patrum I, 88. — rei iudicatae I, 114, 333. Auenrecht I, 490. Aufbewahrung I, 890. Aufenthaltsbeschränkung« H, 648. Aufgebot I, 225, 451. — (kath.) Ü, 940. — (evang.) II, 972. AufgebotSverfahr« 11, 58, 61, 151, 163, 204. Aufhebung kirchlicher Ämter II,

Aufklärung-verfahren II, 66. Auflage I, 324, 368, 750. Auslastung I, 244, 287,844, 485, 486; II, 211.

1140

Namen- und Sachregister.

f 11, 319. Auslieferungsverfahren II, 1026. Baden, Kirchliches Gesetz- und ma der Aktiengesellschaftt Auslieferungsverträge II, 1024. BerordnungSblatt EL 966. — des Deutschen Reichs (Kolo­ — KonstitutionSedikt II, 899. — StaatSkirchmhoheit Ü, 913. — der Genossenschaft I, 972. nien) II, 1090, 1097. — der Gesellschaft m. b. H. I,965.. Auslobung 1, 370. — Verfassung H, 490. — der offenen HS. I, 988. AuSnahmsweiser MilitärgerichtS- — BerwaltungSgerichtSbarkeit H, stand II, 428. Aufnahme in ben StaatSverband' 753. II, 528, 530. Auspizien I, 87. Bagilaba I, 49, Lufrechtm^ I,669j^n, 116,154.. AuSrüster I, 1008. vahneinheit I, 579. Ausschlagung der Erbschaft 1,739. vahngrundbuch I, 580. Sufrri^ zum Klaffenkampf — der Erbschaft, deutsche Kolo­ vahnpfandschuld I, 580. Au^hr li, 320. nien II, 1093. Bahrprobe I, 64. Ausschließlicher Gerichtsstand II, Bailleur de fonds I, 941. Bailment I, 808, 823, 829. Aufsicht des Staates über rett75. giSse Korporationen H, 915. Ausschluß eines Richters II, 73, Bairne pari I, 835. Aussicht-beschwerde (frei«. Ger.)i 217, 345. Baldus I, 292, 1040. AuSschlußurteil II, 152. II, 227. Balam I, 64. Ausschüsse des Bundesrats H,544. Bambergmsis I, 271; H, 246. AufstchtSrat, Aktienges. I, 954. Außerkurssetzung I, 701. — Aktienkommanditges. I, 961. Außerordentlicher Zivilprozeß II, Banca di 8. Giorgio I, 944. — Genossenschaft I, 970. — Gesellschaft m. b. H. I, 964. 61. Bancherii I, 1033. Aussetzung II, 296. Auftrag I, 324, 870, 408. Bancroft-Berträge H, 19, 531, — des Prozesses II, 137, 166. — (Völkerrecht) II, 1045. 1019. Aufwandgesetze I, 109. Aussonderungsanspruch im Kon­ Bancum regia I, 797. kurs n, 182. Auge um Auge I, 59. Bande II, 271. Augen auf, Kauf ist Kauf 1,526. Ausstattung I, 255, 429. Bankanweisung I, 989. Augenschein II, 120, 372. Aussteuer I, 255, 428, 540. Bankhruch II, 307. AugSburger Accept I, 1054. Austausch I, 41, 46. Bankdepotfichtanweisung I, 1070. Austin, I, 12. — Jntenm DE, 885. Bankinspektoren 1, 1090. Austräae I, 277. Bankers circular notes I, 831. — Reichstag II, 884. — Religion-frieden H, 885. Australrer I, 29. Bankiergeschäft I, 903. Augurn I, 87. Ausübung der freiw. Ger. n, Bankruptcy Acts I, 828. Auguration I, 65. Bann I, 194. 213. AugustbündniS ä, 503. Bannbuße I, 197, 198. — der Rechte I, 325. Augustin I, 81: II, 818. Auswanderung 1,1019; II, 1021. Bannleihe I, 227. AugustuS I, 108. Auswanderungssreihert II, 1015. Bannitio I, 203; II, 83. Auktion I, 370. | Auswärtige Angelegenheiten II, Bannrechte I, 636. Bannas I, 236. Aulici L 194. 614, 642. Aurasa I, 38. Bannas episcopalis II, 836. Auswärtiges Amt II, 558. Aurum oblaticium I, 144. Ausweisung II, 283, 648, 1023, Banteidinge I, 218. Ausbeutung II, 366. BantuS I, 67. 1059. Baptismus II, 938. Ausbildung der Geistlichen n, Auszug I, 558. 943, 967. Bargain and sale I, 821. Authentica Statuimus II, 64. Auseinandersetzung (Off.H.G.) I, Authenticae communes I, 295. Barkauf I, 983. Barrister L 799, 804; II, 90. 939. Authenticum I, 158, 169. — (Erbrecht) I, 258, 427. Autonomie, I, 301, 303, 442, Barschalke I, 176, 210. Ausfuhrhandel I, 899. Bartholomäusnacht I, 81. 566, 777; II, 937. Bartolus I, 56, 292; II, 7. Ausführung des Verbrechens II, Autorrecht I, 627. 267. Baseler Konzil II, 862. Aval I, 1035, 1060. Basilica II, 830. LuSführungSgesetze I, 767. Avignon II, 861. Bttoihxa I, 161, 169. Ausführungsverordnungen II, AviS I, 990. 606. Avisklausel I, 1048. BafiliuS der Große II, 819. — Macedo I, 161. AuSgegebene Pfandbriefe 1,1106. Avou^s II, 90. Bassermann H, 495, 496. Ausgleich-verhältnisse I, 671. Avulsion I, 395. Bastard I, 843. Ausgleichung unter Gütermaffen Azione di garantia II, 88. Bastardy Order I, 843. I, 722. Azo I, 292. Battery I, 807, 833. Ausgleichung-pflicht I, 429, 741. Azteken I, 18. AusKmftsgefchäft I, 899. Bauer 1, 4. Ausländer Ü, 527, 1022. , Bauernaufstände I, 266. B. — (ruff. R.) I, 870. Bauerngut I, 352, 508. Ausländische juristische Personen Babylonisches Recht I, 18,45,48,I, Bauernkrieg II, 889. II, 16. Bauernstand 1,264,266,458,461. 50, 598, 666. — Urteile II, 41, 151. Badeanstalten II, 648. Bauernstellen I, 263. Bauflucht I, 606. — Vereine II, 16. |! Baden, Diözesansynode II, 964. — Warenzeichen I, 918. i — evangelisch - protestantische Baugenossenschaft II, 643. Auslegung der Gesetze I, 304. II II, 774. Kirche II, 958. .' Baukrankenkaffe vuiuraiueiuunc LL, 1i». Auslieferung II, 254, 1024. I — Generalsynode II, 964, 965. ' Baulast (kath. Kirchenr.) II, 954.

1141

Namen- und Sachregister.

Baulast (evang. Kirchenr.) II, 971. Bauordnungen I, 607. Bauplatzhypotheken I. 1096. Baupolizei I, 121; II, 641, 649. Bauunfallverficheruna II, 782. BauwerkSzerstörung II, 304. Bayern I, 175. — Bi-tümer H, 927, 928. Heer II, 624 — protestantische Kirche II, 958. — Verfassung U, 490. — Verwaltungsgerichtsbarkeit II, 752. Bayerische- Konkordat II, 876, 948. — ReligionSedikt II, 913. Beamte I, 120, 145, 263, 266, 301, 321, 398. — Unfallfürsorge II, 783. Beamtendelikte I, HO; II, 324. Beamtenrecht H, 588. Bearbeitung I, 342. Beatificatio II, 923. Beating I, 883. Beauftragter Richtern,60,72.349. Beccaria I, 274; II, 277, 332. Beden I, 281. Bedingte Verurteilung II, 280. Bedingtes Urteil H, 60, 152. Bedingungen 1,299,322,328,582. — franz. R. I, 854. — der Strafbarkeit II, 359. Beerbung I, 379, 408. Beerdigung-pflicht I, 895. 9€iangenirit de- Richter- H, 217, Befehl in Dienstsachen II, 418. Befrachter I, 1015. Befreiungskriege I, 263. Befristung I, 582. Begebung I, 1068. Beglaubigung von Unterschriften und Handzeichen n, 214. Begnadigung I, 60,236; II, 291. Begnadigungsrecht der Päpste n, 851. — in den Schutzgebieten II, 1134. Begräbnis bei Selbstmord H, 968. Begräbnisplätze H, 953. «egräbni-recht H, 939. BegriffS-Juri-prudenz I, 17. Begründung der Aktiengef. 1,947. itirch«) n, 967.

BeichtgehettmnS H, 939. II, 273. [, 542. chSrecht I, 260. Beistand (frei®. Ser.) II, 221. — (Strafprozeß) II, 359. Beiträge bei off. H.G. I, 985. Beitrag-pflicht bei ArbeiterverVersicherung H, 768. Bekenntni-freiheit 1,53; H, 910. Beknntni-gebundenheit u. Lehr­ freiheit U, 967.

Berliner Kongreß II, 989, 998, Belgien II, 1045. 1011, 1054. — NeutraÜfierung II, 990,1058. — Stadtshnode II, 964. — Auslieferung II. 1024. Befische Attentatsklausel II, 254, JBernardus v. Pavia I, 214. Berner II, 240. Berner Literatur-Konvention I, — Berfassung II, 488. 628; H. 1021. Belgische- Recht 1,850,897,1038, Bernettt Ü, 924. Bernhard v. Clairveaux II, 847. Beleidigung I, 364,872; II, 299, Beruf-amt II, 645. 403. Berufsgeheimnis II, 67. — deS Vorgesetzten II, 425. Beruf-genoffenschaft H, 783. Beleihung-grenzen bei Deckungs­ Beruf-konsuln II, 1033. hypotheken U, 1096. BerusSstände I, 461. Beliebungen (nordfries.) I, 217. Berufung ti, 60, 156, 158. Belisar I, 154. — (StrZpr.) H, 383, 398. Vellarmin II, 865. — flRiL) TI, 440. Belt H, 1014. Berwick I, 844. Beuchen I, 804. Besatzung-recht H, 1011. Benedictio nuptialiß II, 940. Beschädigung I, 341, 346, 392. Benedictiones II, 941. Beschimpfung Verstorbener II, Benedictas Deus II, 864. Benedikt Leoita II, 829. Beschla^iahme II, 385, 432. — von Nursia H 819. Beschlußrecht II, 180. Benedikt UV; H, 866. Beschlüsse des Gerichts II, 117, venedikttnerorden II, 852. 224, 850. Beneficia curata H, 947. Beschlußfassung bei off. H^S. I, — in curia II, 852. 935. — maiora, minora II, 947. BeschrDckte^ast»mg von Genoffen— simplicia, duplicia II, 947. Benefichun 1,199; H, 834,856, 920, 946. — abstinendi I, 417. Oe^4rfohtn0en deS Eigentums — competentiae I, 376. — inventarii I, 409, 422, 424, Beschuldigter II, 343. 547, 867. Beschwerde I, 827; H, 129, 160, — saecnlare II, 933. 215, 217, 227, 382. — sepapationis I, 422, 867. Beseler H, 496. — titulatum, manuale n, 946. n ^biet- II, — vacans II, 947. Benefizialerbe L 425. vesttz 1, 95, 244, 287, 810,317, v. Bennigsen II, 546, 324, 326, 386, 358,359,366, Berat II, 1033. 395, 399, 488, 600, 878. Bereicherung-klage I, 102, 830, Besttzauftra^u^ I, 47, 612. 366,875,393,894,395, 1066. Bergbau I, 297, 495. Besondere Havarei I, 1020. 8erfjtaufretyeit in Ostafrika II, Besorgung fremder Angelegen« besten I, 393. Berggenoffenschatten I, 50, 905. Bessarabien L 870. Bestandteile I, 578. verghoheit I, 495. Bestätigung der Urteile (Ml.) II, ver-poli-ei II, 649. Bergrecht I, 435, 436, 495, 766. 444. Bestechung II, 324. Bergregal I, 225, 814. Besteuerung-recht deS Papste- II, — in Kiautschou II, 1132. 923. Bergwerk I, 374. Besthaupt I, 550, 808. Bergwerk-gesellschaften I, 905. Bestiality I, 839. Bergwerk-hypotheken 1, 1096. Bergwerksrecht I, 341, 496; II, Bestimmungsort I, 983. Beteiligte, frei«. S. H, 220. 1124. Betriebskapital der A.G., Er­ Bergung I, 1022. höhung I, 958. Berichterstatter im Strafprozeß Betrieb-krankenkaffen II, 774. n, 349. Berichttgung des Grundbuch- I# Betriebsunfall H, 781. Betrug I, 44,126, 335,360,393, 487. 58§* II 305. Berlin II, 692. — bei 'Völkerrecht!. Rechtsgeschäf­ Berliner Kongokonferenz II, 979, ten II, 1005. 989, 1017, 1037.

* S$6&

1142 Betrügerisches Kurstreiben II, 306. Bettelorden U, 934. Beuroner Kongregation der Bene­ diktiner II, 984. «enterecht I, 103; H, 1064. — im Seekrieg II, 1065. VevSlkerung des feindl. Landes II, 1060. Bevollmächtigte Minister II, 1082. Bewaffnete Neutralität II, 988, 989, 1058. Beweis I, 314, 326, 347, 372; II, 228, 870. Beweisbeschluß II, 59. Beweiserhebung II, 118. Beweiskraft der Handelsbücher I, 920. BeweiSlast II, 113. Beweismittel II, 120, 372. Beweistermin II, 78. Beweistheorie I, 68. BeweiSurteU II, 57. Beweisverfahren 1,204,287,285. BeweiSwürdiauna II, 376. Bewidmung I, 211. Bewijringe I, 1071. Bewußtlosigkeit II, 203. Bewußtsein I, 322. Bewußtsein der Strafbarkeit II, 265. Bezirksämter in den Schutzgebieten II, 1103. Bezirksamtmänner in Kiautschou II, 1103. Bezirksausschuß II, 645,691,749. Bezirksgerichte H, 1112. BezirkSrat II, 676. BezirkSrat in Ostafrika II, 1104. BezirkSrichter in den Schutz­ gebieten n, 1111. Bezirkssynode II, 963. Bezirksverwaltung II, 690. BezirksverwaltungSgerichte II, 749. Bezugsrecht auf neue Attien I, 958. Bibel I, 168. Bielbriefvertraa I, 1019. Biergeldim I, 209. Bigamie criminalis, similitudinaria II, 920. — 8UcceB8iva, interpretativa II, 919. Bigamie II. 309. Bigamy with adultery I, 839. Bilanz (kaufm.) 1, 919. BilanzierunaSgrundsätze I, 1106. Bildungswesen II, 641. Bill I, 806. — of exchange I, 830, 1031, 1039, 1071. — of Rights I, 805. — of sale I, 824. Billet k ordre I, 1031. Billiakeit I, 205, 299, 322, 334, 384, 393

Namen- und Sachregister.

Binding II, 240. Binnenhandel I, 899. Binnenschiff I, 1008. Binnenschiffahrt I, 895, 999. Binnenschiffahrtsrecht I, 1005. Bischof I, 147: II, 825,855, 929, 961. Bischofswahl II, 949. Bischöfliche Behörden II, 980. — Seminarien II, 943. Bismarck II, 494, 499, 547, 555. Bistumsbesetzung I, 194. BiStumSverfaffung Deutschlands II, 927, 928. BistumSvermögen II, 954. Blackstone I, 802. Blankettfälschung II, 313. Blankoaccept I, 1049, 1051. Blankoindossament I. 1052. Blockade n, 987, 1053, 1073. vlockadebruch II, 1053, 1054, 1071, 1073. Blume von Magdeburg I, 219. vluntschli I, 439, 641. Blutrache I, 58, 176, 236. Blut-brüderschaft I, 35. Blutsverwandtschaft I, 410. Board I, 798. — of Agriculture II, 714. Guardians II, 719. Health II, 714. Trade II, 714. Bocland I, 796. Bodenkreditinstitute I, 1079. Bodensee H, 1010. «odin I, 4; II, 468. Bodmerei I, 1019. Bodmereibrief I, 976, 1019. Böhmen H, 247. Böhmer I, 293, 439; H, 894. Bologna I, 167. Bona avita I, 25. — fides I, 327, 338, 345, 359, 372, 389, 395, 421. — materna I, 402. Bonae fidei possessor I, 344, 347. Bond I, 825, 830. Bonifaz I, 201. Bonifaz VIII. I, 55; II, 838, 843. Bonis interdicere II, 210. Bonität I, 380. Bonorum possessio I, 111, 414, 416, 417, 550, 740. Bornhak II, 454, 456. Borough english I, 805 , 813, 840. Börsen I, 266, 981. Börsenehrengericht I, 982. Börsengeschäfte I, 986. Börsenregister I, 982; II, 210, 214. Börsenschiedsgericht I, 982. Börsenspiel I, 51. Börsenterminhandel I, 986. Böser Zauber I, 61.

Bosnien I, 898, 1038; II, 1011, 1036. Bosporus II, 989, 1014. »offuet H, 454, 873. Bote I, 824. Botschafter II, 1082. Bottomry I, 830. Bouhier II, 8. Boullenois II, 8. Bvurbakische Armee II, 1071. Bourgage tenure I, 813. «o^e£^'3ta|g|natif4c Sanktion

Boyen II, 661. BrachyloauS I, 166. Bracton I, 800. Brahma I, 8. Brahmane I, 32, 77. Brandstiftung II, 315. Brant, Sebastian I, 268. Brasilien I, 898; II, 463. Braunschweig, luther. Kirche II, 958. Braunschweig, Verfassung II, 491. Brautkranz, Versagung II, 968. Breach of contract I, 807, 828. -------- promise I, 839. --------- trust I, 812. Brehon law I, 19, 844. Bremen, Svang. Kirche II, 958. Bremer I, 355. Breve II, 917. — de conventione I, 825. ingressu I, 822. recto I, 822. --------- trans gressione 1, 832. Brevi manu traditio I, 611. Brevia I, 802, 806. Breviarium Alaricianum 1,168, 192. — Roman um II, 921. «rief I, 324, 370. vriefhypothek I, 517, 618. Briefsperre II, 385. Bringschulden I, 249. Brisson I, 81. »ritten I, 800. Brokmerbrief I, 217. Brüderschaften II, 935. Bruder- und Schwestertaxe I, 558. Brunhildis I, 195. Brüffeler Antisklavereikonferenz 11,989,990,1037,1039,1046, 1119. Bruttogewicht I, 983. Bubble Act I, 810, 946. Buchersttzung I, 487. Buchführung (kaufm.) I, 919. Buchhandel I, 898. Buchhypothek I, 357, 517, 618. Buchungsfreie Grundstücke 1,605. Buds 1, 81. Budgetrecht II, 584, 629. vühnenwerke, Autorrecht I, 627. Building leases I, 817. Bulgarien I, 1039; H, 995, 998. Bulgarus I, 167.

Namen- und Sachregister.

Bulle II, 917. ’ Bulle, gold. I, 213,223,225,279.I ~ I BundeSakte I, 263. Bundeskanzleramt II, 557. BundeSprästdium II, 546. BundeSrat II, 588, 540. — der Schweiz H, 1000. Bundesstaat II, 468, 995, 997. Bundestag II, 484, 540. Bündnis IL 1043. Burchard von DormS II, 829. Burg I, 234. Burgfrieden I, 261. Burggraf I, 233. Bürgerkrieg II, 1056. Bürgermeister I, 234; II, 645, 706. Bürgerrecht 1,105,117,118,208; ä, 666. Bürgerrechte II, 533. Bürgerschaft I, 119; II, 705. Bürgerstand I, 458, 460. Bürgerliche Rechte II, 528. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten bet Eingeborenen II, 1115. Bürgerlicher Tod I, 320, 570. Bürgerliches Gesetzbuch I, 564. Bürgen soll man würgen I, 522. Bürgschaft I, 45 , 88, 109, 122, 249, 361, 385, 407,528, 698. — Handelsrecht I, 979, 980. — (engt R.) I, 830. — (mR. R.) I, 877. Büsch I, 1087. Buße I, 180, 202, 216, 285,364, 392, 581; II, 275, 283, 405. — (Sakrament) II, 988. Buüklüger H, 356. Buteü I, 242. Bye-laws I, 810. Bynkershoek I, 81. By-antiniSmuS II, 827, 905. Byzanz I, 144.

Canonici II, 833. — in fructibus et floribus, in herbis, in pulvere II, 855. — reguläres, saeculares II, 855. Canonizatio II, 923. CapaeitS I, 854. Capitalis Justitiarius Angliae

Capitis deminutio I, 335. Capito I, 133. Capitula Angilramni II, 829. Capitulare de Villis I, 197. — Langobardorum 1,189,191. — Saxonieum I, 187. Capitularia ecclesiastical, 201: H, 828. Capitulatio de partibus Saxo­ nia« I, 187. Capitulum II, 833. Caput I, 85. CaracaUa I, 117, 118, 144. Caritativa correctio II, 859. Carmer I, 274. Carolina I, 364; II, 246, 331. Carpzov I, 293, 438; II, 247,

Cerner I, 828, 829. Carte I, 189, 221. Carta de forest I, 819. Cartae pagenses, regales 1,189. Cartam levare I, 190, 1056. — tangere I, 189. Cartula ordinationis II, 834. Cartularium Langobardicum I, 191. Caveat emptor I, 829. Cäsar I, 106, 110, 117, 175. C&sarea II. 822, 827. Casaregis I, 1040. CaScoverstcherung I, 1024. Cash-notes I, 1071. Cassatura I, 249. Cassius Longinus I, 136. Casualis derogatio II, 851. Casus I, 374, 378. — foederis II, 1044. C. — reservati II, 938. Cabinet II, 714. Cathedra episcopalis II, 929. Cäcilius Africanus I, 187. Causa I, 319, 354 , 357, 858, CajetanuS I, 1040. 359, 368, 869, 376,377,380, CaldertnuS I, 1040. 383, 387, 388, 391,392,395. Calvin II, 895. Causa possessionis I, 386. Camera Apostolica II, 869. Causa traditionis I, 344, 368, Camerlengo II, 869. 369, 873. Camerlengo del Sacro üfficio Causae maiores, minores 1,198. II, 924. — mere spirituales, spiritualiCambio arbitrario I, 1043. bus annexae, mixtae II, 858. Cambium I, 1031, 1083. Cautela Socini I, 754. Campsor I, 1033, 1035. Cautio I, 248. Campus Florae H, 987. Cautio damni infecti 1,875,395. Canada I, 846. Cautio usufructuaria I, 858. Cancellaria II, 925. Cavere I, 114. Cancellarius I, 197. Cavour II, 906. Yankara I, 7. Cedula real I, 860. Canon Bedintegranda I, 339. Cellae II, 831. Canones II, 864. Celsus I, 134. Canonieal disability I, 838. Censura II, 825, 944.

1148 Censurae latae sententiae U, 837. Centenae I, 196. Centenarius I, 196, 229. Central Government II, 712. Centum viri I, 95. Ceorh I, 796. Certifieate with licence I, 838. Certifying I, 1073. Cefston I, 358 , 859 , 360, 379, 830, 427. Cestui que trust I, 808, 811. Ceylon I, 846. Ceylonesen in den Schutzgebieten II, 1099. Chablais N, 1014, 1059. Chairman II, 721. Chalcedon II, 819, 820. Champagner Messen L 1034. Chancellor of the Exchequer II, 714. Chancery I, 797, 811. — Division I, 803, 844. Chappuis II, 845. Charaeter indelebilis II, 921. ChargSs d’affaires II, 1032. Charta charitatis II, 852. Charte Constituante II, 489. — von Gent I, 797. Ctzartepartie I, 1015. Charter parties I, 830. Charternd Companies I, 810. Charters I, 800. Charterung I, 1015. Chase I, 819. Chattels I, 807. — real I, 815. Chauffeebauvolizei II, 649. Check I, 1071. Chester I, 844. Chile I, 898. Cnier I, 55 China II, 981, 1036, 1046. Chindaswind I, 191. ChinefischeS Komitee II, 1105. -Recht 1.19 , 24, 35,37,55, 60, 65. 77. Chirographum 1, 1032; II, 917. Chlodovech I, 182; II, 818. Chlotar n, I, 182. X«Q«i(axo7iofc II, 821. Choses in action I, 812. — in possession I, 812. Christentum I, 77,118,147,398. Xauniavot II, 812. Chrodegang von Metz II, 833. Cicero I, 118, 114. 148. Circuit Courts of Appeall, 846. Circuits I, 797. Cistercienser II, 852, 934. City of London II, 721. Civil corporations I, 810. — disability 1, 839. — wrong L, 807. Civitas I, 177. Civitas Dei II, 818. Clam I, 338.

1144

Clamosa insinuatio II, 859. Claudius Caecus I, 101. Claustrum H, 890, 934. Clausula generalis I, 335. Clausula rebus sic stantibus II, 470, 1043. Clausura II, 934. Clearing-house I, 990. — -Wesen I, 670. Clementina Saepe H, 56, 97. Clerici II, 826. Clerk I, 831. Clinicus II, 919. Cluniacenser II, 852. Coactus volui I, 44. Coadiutor II, 855, 931. Cocceji I, 272, 273. Code Civil of Louisiana I, 847. — de commerce I, 894, 1087. — Napoleon I, 305, 438, 889. — Ronan I, 845. Codex I, 157. — Gregorianus, HennogenianusI 151, 163, 192. — iuris Bavarici criminalis L 274; II, 248, 332. — Theodosianus I, 151, 163. Codigo Civil I, 850. Coercion I, 827. Co^natio legalis, spiritualis II,

Namen- und Sachregister.

Common licence 838. — Pleas I, 801. — recoveiy I, 816. — seal I, 802, 810. Commons I, 819. Communantds I, 25. Communicatio omnis iuris I, 399. Communio incidens I, 366,426. — iuris I, 399. Communitates I, 809. Companies acts I, 810. Compensari ipso iure I, 382. Competentia ratione originis etc. II, 920. Compositio I, 286; II, 244. Com^omissnm (Papfdvahl) II,

Coena Domini II, 851. Concilia plebis I, 104. Concilietto II, 952. Concilium superat papam II, 862. Concordia de singulis causis I, 191. — discordantium canonum, siehe corp. iuris canonici, Decretum Gratiani. Concurrence dMoyale I, 590, 918. Concursus parochialia II, 948. Condemnatio 1, 333. Cognitio I, 125. Oondictiu I, 102, 339. Coke I. 802 — causa data causa non se­ Colbert I, 1036; II, 984. cuta I, 395. Coelestis altitudo II, 854. Collateral attack II, 201. — ex iniusta causa I, 393, 395. Collatio bonorum emancipati, — ex turpi causa I, 393. — furtiva I, 393» 395. dotis I, 428. — legum Romanarum et Mo- — indebiti I, 360, 382, 395. saicarum I, 152. — ob turpem causam I, 395. — necessaria, libera II, 950. — possessionis I, 338, 395. Colleges I, 810. — rei I, 338. Collegia I, 316. — sine causa I, 338, 344, 394, Colloque II, 896. 395, 703. Coloni I, 144. Conditio usucapiendi I, 423. Colonial Laws Validity Act I, Conditional estate I, 815. 845. Conductus II, 834. Columba II, 819. Confarreatio I, 86, 399. Confessio Augustana II, 884. Cornachadt-System I, 24. Cornea I, 196. — Marchica II, 885. Comitas nationum II, 7, 12. Confirmatio II, 938. Comitatus I, 196. — (Bischof-wahl) II, 949. Comitia I, 103, 104. Confirmation I, 822. Commenda I, 49, 50, 940. Confraternitates II, 935. Commercium 1,90,91,101,893. Confusion I, 823. — et connubium II, 5. Congregatio Cardinalium ConI cilii Trid. interpretum II, Commis voyageur I, 926. Commissarius I, 1035. 865. Commissioners of Assise 1,803. — de Propaganda fide II, 927. — of Lunacy I, 844. — indulgentiarum etc. II, 926. Commiasorium II, 922. — super negotiis episcoporum et regularium II, 926. Committee I, 844. — of Claims II, 736. Congregationes religiosae, dioecesanae II, 935. Commodat I, 390, 678. Coniugicidium (impedim. maCommon carrier I, 828. trimonii) II, 941. — employment I, 831. ! Conring I, 273, 439. — law I, 800, 805, 822.

Consalvi Ut 876. CouMu^mnitas (imped. mat) Consecratio II, 919, 949. Consecrationes II, 941. Conseil d’ltat II, 743. Conseils II, 723. — de präfecture II, 743. Consensus II, 855. Consent I, 810, 839. Consideration I, 825. Consiliarii a secretis I, 195. Consilium I, 125; II 855. Consistoire II, 896. Consistorium I, 144. Consolato del mar II, 982, 987. Consortia L 25. Constant II, 487. Constituante II, 723. Constitutio Criminalis Caro­ lina II, 246. — cum principibus eccles. II, 882. — de expeditione Romana I, 217. —. Joachimica I, 537. — Licet iuris I, 223. — Moguntina I, 213. — Ofnciorum ac munerum II,

— Rutiliana I, 116. Constitution es T, 800; II, 917. — pacis I, 212. Constitutum I. 385. — debiti I, 376. Constitutum possessorium 1,47, 345, 518, 612. Consuiat del mar I, 1005. Consultatio I, 125, 152. Contingent remainder 1, 820. Continual council I, 797. Contio I, 107. Contra naturam I, 375. Contract I, 807, 825. — implied by law I, 827. Contractus I, 389. Contrat 1, 854. — de change I, 1037. — social I, 56. Conubium I, 93, 125. Convention I, 854. — präalable I, 1073. Conventional freehold I, 816. Conventuales II, 853. Conveyance I, 820. Coparcenary I, 815, 820. Coparceners I, 834. Copula carnalis II, 940. Copyhold I, 813, 814. Copyholder I, 822. Copyright I, 824. — Act 1, 824. Corporate Towns II, 717. Corporacion I, 809. Corporation I, 810. Corporeal hereditament 1, 812. Corps corporate I, 809.

Namen- und Sachregister

Corps politik I, 809. Corpus Catholicorum I, 280. — Christianorum II, 817. — Evangelicorum I, 280; II, 887. — iuris I, 168, 268, 292, 437. — iuris canonici II, 845, 916. — iuris Fridericiani I, 273. Correctores Romani II, 845. Correi I, 361, 362. Coruncanius I, 114. Co-trustee I, 812. Council of Legal Education I, 804. Councillors II, 717. County Council II, 720. County court judges I, 842; II, 737. — courts I, 803, 847. — of London II, 722. Court of Admiralty I, 801. — of Appeal I, 803. — of Chancery I, 801. — of Chivalry I, 801. — of Claims 1, 846. — of Common Pleas I, 797; II, 737. — of Divorce and Matrimonial Causes I, 801, 838. — of exehequer I, 797; H, 737. — of Kings Bench I, 797; II, 737. — of Probate I, 801, 836. — of the Steward and Mar­ shals I, 801. Courtage I, 927. Courtesy I, 817, 820. Courtiers I, 926. Courts of räcords I, 847. Cputume d’Orlöans I, 849. Coutumes I, 415, 438. Couvade I, 34. Covenant I, 807, 825. Coverture 1, 840. Creatio II, 924. Credenda II, 892. Creditores non puniuntur II, 181. Creditum I, 102. Crimen (impedimentum matrimonii) 11, 941. — laesae maiestatis I, 268. Crofton II, 279. Cromwell II, 984, 985. Cross action I, 829. Crossing I, 1074. Crown I, 810. Cruelty I, 839. Cujacius 1, 81, 161, 293. Crnus regio, eius religio II, 884, 887. Culka I, 32. Culpa 1, 114, 328, 361, 363,373. 377, 378, 383, 385, 389, 395, 402, 648. — in contrahendo I, 650. Cum quorundam II, 872.

Cunabula iuris I, 115. Cura I, 404, 405, 406. 737. — absentis I, 853. — animarum II, 947. — beneficii II, 951, 970. Curator H, 210. Curatores rerum publicarum I, 121. Curia II, 835. — regia I, 225. — Romana H, 925. Curtesy of England I, 841. Custody I, 843. Customaiy freeholds I, 814. Gustos utriusque tabulae II, Eypern II, 1011, 1036. Cyvar I, 24.

D. Dachtraufe I, 350. Dagescälchi L, 210. Dahlmann sl, 487, 495. Dahn 1, 439. Damages I, 828, 832. Damnum emergens I, 364. — infectum I, 341. Dämoni-muS I, 22. Daneion I, 1032. Dante I, 3, 55, 62; II, 861. Dardanellen II, 989, 1014. Dare 1, 390. Darlehen L 48, 102, 122, 359, 861, 366, 368, 370, 383,394, 408, 527, 830, 879. Datarie H, 925. Datio in solutum 1,375,381,383. Datowechsel I, 1046. De salute animarum II, 928. Deads part I, 835. Dean and chapter I, 809. DebeUatio II, 460, 999, 1073. Debt I, 807. Decanus II, 833. Decemviri I, 95, 111. Decet Romanum II, 882. De^na^aedialis, sanguinalis

Decisiones quinquagintal, 154. Deckung-hypotheken L1050,1096. Deckung-klausel I, 1039, 1048. Deckung-prinzip II, 174. Declaratio cleri Gallicani II, 878. Declaration of rights I, 798. Decorum clericale II, 921. Decrete I, 125, 126, 127. — de refbrmatione n, 864. Decretales GregoriiDL 11,844. Decretum de alienando II, 955. — divi Marei II, 50. — Gratiani Ü, 843. — Tametsi II, 937, 940. Deed I, 817, 821, 825. Defamation I, 832, 833.

1145 Defectus corporis, animi etc. H, 919. — natalium II, 840. Defensor civitatis I, 146. Definitivprozest II, 949. Destnitoren U, 931. Degradatio II, 859, 944. Degradation II, 417. Derchrecht I, 485. Deichverbände I, 494; II, 643. Dejektion I, 339, 378, 393. Dekan II, 930, 934, 960. Dekanat n, 931. Dekanat-visitation H, 952. Deklaration-protest I, 1056. Delation L 409, 410. Delbrück II, 508. Delcredere I, 980, 995. Delegation I, 379. — deS kaiserlichen Verordnung-recht- in Kolonialangelegenheiten II, 1101. Deliberation-frist I, 424, 425. Delicta civüia IL 243. — ecclesiastica U, 243, 944. — manifeste II, 859. — militaria H 413. — mixte II, 243. — private II, 242. — specialiter et expresse de* nominata II, 919. Delikte I, 309, 317, 320, 321, 327, 361, 366, 372, 374,885, 389, 392, 856; TL, 1047. Delikt-fähigkeit der Halbsouve­ ränen Staaten II, 995. Delikt-klage I, 330. Delikt-obligation I, 395, 424. Delivery of deed I, 826., Demesne I, 814. Denarins Sancti Petri II, 847. Denuntiatio II, 859. — evangelica II, 873. Denuntiatio I, 380. Departementalkommission II, 723, 726. Departementsverwaltung H, 724. Deportation II, 280, 1021. Depofttengeschäft I, 991. Depositio ll, 859, 945. DepofitionSvermerk I, 1048. Depositum 1,336, 367, 371,389, 890, 678. — miserabile I, 881. Deputationen für Verwaltung-. ftreitigkeiten II, 748. Dereliktion I, 382. Dernburg I, 375, 564. Derogatorische Klausel I, 304. Descent I, 820. Desertion I, 839. Designs I, 824. Deffarfierungspriu-ip II, 378. De-zendenten I, 396, 411. Detailhandel L 899. Detaining I, 833.

1146 Detention I, 336, 339, 344,345, 351, 355. Detinue I, 807. Deutsch-englische- Abkommen II, 1085. Deutsch-OstafrikanischeGesellschaft II, 1017, 1081. — LandeSangehürigkeit IL 1098. Deutsche Bistümer H, 928. — BundeSakte I, 487; II, 483. — Kolonialgesellschaft für Südwestaftika H, 1081. Deutsche Kolonien II, 1080. -------- , kathol. Risfion II, 928. Deutschenspiegel I, 270. Deutscher Bund I, 437; II, 482. — evangelischer Kirchenausschuß II, 901, 958. — Orden II, 1016. Deutsches «echt I, 25, 45, 47, 563, 568. — Reich I, 205, 434; H, 463, 511. Devastavit I, 837. Devise 1, 820, 836. Devisen I, 1032, 1043. Devolutio II, 929. Devolution bei Staatsanwalt­ schaft II, 357. Devotio domestica II, 887. Dezennalfaftiltäten II, 929. Dezimation II, 411. Diaoree II, 806. sfiaywaor) I, 1032. Diakonen II 815, 918. zftaxovox II, 814. Dialektische Gedankenentwicklung I, 8. Diaspora-Gemeinden II, 962. Dieta et promissa I, 377. JidaaxaMa rl H ^0' Entwicklung-begriff I, 9. Entwicklung-lehre I, 6. Elterliche Gewalt 1,726,842,865, Entwürfe de- V.GV. I, 565. Entziehung de- Pflichtteil-1,755. Einwilligung zur Heirat I, 712. EnumeratwnSmethode II, 750. Envoyäs II, 1032. Elterliche Nutznießung I, 728. Eltern I, 314,396.401, 411, 541. Eo quamvis II, 922. Boris I, 796. Elterngabe I, 246. Emanzchation I, 99, 286, 428, 'Enavay&yi} tov vouov I, 161. Epestalmena I, 1032. 725, 866; U, 1018. Embargo 1,1026; H, 1058,1060. EphefuS II, 820, 822. Emblemata Triboniani I, 156. EpiSkopalfystem II, 873, 894. Emeritierung II, 971. Episkopat I, 206; II, 918. *Enuneo7i7j II, 814. Emission I, 991. EmisfionStheorie I, 1069. Episcopi in partibus II, 870, EmphyteufiS 1,343,352,859,875. Employer I, 831. 'Eiitaxonoi II, 814. Employer Liability Act I, 831. Epistula I, 125. Emplogers and Workmen Act Epitome exactis regibus 1,166. — Juliani 1, 158, 165. Enchiridion von Pomponius Equitable estate I, 811. I, 80. — lien I, 808. Encyclica II, 917. — mortgage I, 801. Enfranchisment I, 814. Equity I, 800, 801. Engagements I, 854. — to a settlement I, 841. England I, 173. Erbauseinandersetzung II, 230. —, Attentats klausel II, 1026. Erbeinigungen I, 261. -, AuSlieserung II, 1024, 1025. Erbeinsetzung I, 100, 412, 413. Englische Arbeiterschutzgesetz. Erben bei off. H.G. I, 937. ebung II, 765. Erbengemeinschaft I, 548. 'olonren I, 845. Erbenhaftunq 1,251,420,547,738. — Kolonialpolitik II, 1078. Erbfolge I, 545, 551, 557. — Verwaltung-gerichtsbarkeit II, Erbgang I, 258, 423. 735. Erbgewmn I, 408. Englischer Zivilprozeß II, 55. Erbgut I, 25, 871. Englisches Handelsrecht I, 898. Erblasser I, 346, 409. — Privatrecht I, 584, 795. Erbleihe I, 263. - Scheckrecht I, 1071. Erblosigkeit I, 410. — System, Flaggenrecht II, 1038. Erblosung I, 25. — Verwaltung-recht II, 712. Erbpacht I, 263, 348, 352. — Wechselrecht I, 1039. Erbrecht 1,16, 36, 258,287, 297, Enkelerbrecht I, 37, 411. 318, 350, 396, 407,410, 417, Enrolment 1, 821. 420, 423, 545, 737, 834, 867, Entail I, 816. 885* II 35 Entdeckung I, 623. Erbschaft I, 312, 330, 394, 410, Enteignung I, 491, 607. 411, 419, 546, 580. — in den Kolonien II, 1131. Erbschaft-abgaben I, 210. GrbschaftSbesttzer I, 380. Enterbung I, 414, 415 Entfernung auS dem Heere II, 417. Erbschaft-erwerb 1,335,366,406, Enthegung I, 179. 418. Entlassung aus dem Staatsver- ErbschaftSklage I, 329, 423, 426. Erbschaft-konkurs I, 425. bande II, 531. Entmündigung II, 52, 61, 101, Erbschaft-schulden I, 429. Erbschaftssteuer I, 419. ! 151, 163. E^W^^^EeserungSvertrag

S

Erbschaft-Leitung I, 427. Erbschaft-verklammerung I, 757. Grb chein I, 740. Erb chulze II, 661. Grbsühne I, 176. Erbteilung I, 258. Erbuntertänigkeit I, 266. Erbverbrüderungen 1,552; 11,574. Erbvertrag I, 39, 261, 867, 408, 412, 418, 551, 746; 11,38. Erbverzicht I, 552, 739. Erb-in-mann I, 264. Erbzwang 1, 417. Erectio II, 947. Erfinderrecht 1, 69, 623,630,824. Erfland I, 796. Erfolg I, 399; TL, 255. Erfüllung I, 296, 327, 358, 367, 371, 375, 376, 382, 383, 384, 668. Erfüllung-gericht-stand II, 75. Erfüllungsort I, 376, 988. Erfüllung-surrogate I, 654. Erfüllung-versprechen I, 376. Erfüllungszeit I, 376, 979. Erholung und Wandlung I, 237. Erkennendes Strafgericht II, 350. Erkenntnis der Strafbarkeit II, 262. Erkenntnistheorie I, 7. Erklärung 1, 321, 324, 368,370. Erlaß 1, 819, 368, 880, 882, 829. der Kirchenämter II,

Ermächtigung I, 403. — zur Strafverfolgung II, 290. Ermächtigung-delikte II, 361. Ermessen de- Gericht-1,335,365. Ermittelung (freiw. G ) II, 223. Ermittelungsverfahren II, 387, 430. Erneuerung-schein (Aktienrecht) I, 950. Eroberung II, 460. Eröffnungsbeschluß II, 389. Erpressung I, 393; II, 305. Errichtung von Kirchenämtern II, 969. Error II, 265. - (Kath. Eherecht) II, 940, 941. Errungenschaft I, 25 ErrungenschastSgemeinschast I, 255, 256, 539, 717, 720. Ersatz des vermögen- I, 580. Ersatzerbschaft I, 886. Ersatzgeschäft II, 642. Ersatzpflicht I, 330,346,865, 374. Ersatzzustellung II, 65. Erscheinung-zwang im Prozeß II, 66. Ersitzung I, 345, 346, 451, 452, 613, 856, 874. des Patronatrechts II, 951. Erste Kammer II, 581. Ervig I, 191. Erwerb der Reichsangehörigkeit II, 529.

Namen- und Sachregister. Erwerb der Staatsangehörigkeit II, 1019. Erwerb-gesellschaft 1, 322. Erwerb-» u. Wirtschaftsgenoffenschäften I, 966. Erwerbsunfähigkeit II, 785. Grzabt II, 881. Grzämter I. 228, 276. Erzherzog Johann II, 496. Erziehung 17 818, 897, 401. — von Kindern auS gemischten Ehen II, 912. Erzkanzleramt I, 228. Grzschatzmeifter I, 279. Eaago I, 179. Escheat I, 818, 815, 820. Esel-entscheidung I, 88. GSkompteaeschäst I, 988, 1042. Essentialia negotii I, 322. Batate by elegit I, 818, 818. — by Statute merchant I, 813. Eatates I, 814. — for yeare I, 817. — in expectancy I, 812, 815. — in poasesaion I, 815. — lese then freehold I, 813, 815. — pur autre vie I, 817. Eßtover I, 819. Eatraya I, 828. Gtappenstraßen n, 1011. Etat II, 629. — der Schutzgebiete II, 1100. Etai cariaaimua II, 848. — pastoralis II, 922. Eucharistie H 988. EudämoniSmuS Ir 10. Eugen ö. I, 202. Gurich I, 190. Europa I, 77. Europäische- Völkerrecht II, 980. Evangelische II, 956. Evangelischer Feldprobst II, 960. Evelganc I, 261. Gventualbelühnuna I, 499. Eventualmaxime U, 57, 127. Every indoraer ia a new drawer I, 1051. Evidena utilitas (innovatio benef.) II, 947. Eviktion I, 377, 378. Ewa I, 177. — Chamavorum I, 187. Ewige Neutralität IL 1058. Ewiger Landfriede Et, 946. Ewige- Necht I, 3. Ex cathedra Ü, 928. — debito II, 852. — informata conacientia 946. Exaktion-klausel I, 250. Examen pro candidatura II, 969. — pro ministerio II, 969. Excardinatio II, 920. Exceptio I, 111, 322, 584. — doli I, 583. — dominii I, 613.

n,

1149

Factors Act I, 824. Factory and Workshop Act I, 831. Facultas alternativa I, 655. — baptizandi II, 938. — orainandi H, 920. — apiritualia II, 921. — unguendi II, 939. Fahnlehen I, 224, 225. Fahnenflucht H, 413, 415, 419Fahrende Habe I, 477 Fahrlässige Delikte I, 61. — Tötung II, 295. FahrläsfiAeit 1,373,648; 11,266Fahrni-I, 247, 477, 478, 517, 518, 520. Fahrnisgemeinschaft I, 256, 539, 717, 720, 863. Fahrnisklage I, 287, 823. Fair I, 819. Faire la navette I, 1042. Falcidia I, 360, 366. Fälligkeit I, 366, 378. Falsche Anschuldigung II, 321. — Wechselunterschrift I, 1049. False and malicioua proaecution I, 832. — imprisonment I, 833. Familiae emptor I, 39. Familie 1, 8, 23, 86. 297. 301, 311, 358, 396, ÄO, 40^ 407, 410, 532; II, 31. — des Gesandten H, 1082. Familiendiebstahl II, 303. Familienersatz I, 35. Familienerzbchung L 728. Familienfideirommiffe 1,286,436, 506, 569; II, 210. FamUiengericht I, 61. Familiengut I, 25. Familienprozeß II, 61, 76, 94. Familienrat!, 257,405,736,866; H, 215. Familienrecht I, 253, 287. 350, 358, 396, 404, 485, 532. Familienstistungen 1,261; 11,214. Familienvormundschaft I, 253, 257. Faenua nauticum I, 102. Fara I, 176. Farbige Stämme II, 1099. Fardh I 38. Farrier I, 828. Faschoda H, 1018. Faucigny u, 1014, 1059. Faustpfand I, 253, 386, 355, 356, 619. Fabius Maximus Rullianu- I, Fautfracht I, 1016. 105. Favor aefeneionia II, 364. Fabrica ecclesiae II, 958. Fealty I, 813, 821. Fabrik I, 297, 341, 374. FebroniuS II, 874. Fabrikanten I, 902. Februarrevolution II, 493. Fabrikzubehör I, 579. Fechtschulen II, 648. Fahret I, 81. Fee base I, 815. Facere I, 390. — simple I, 812, 815. Fachten I, 259. — simple quaüfied I, 815. Facta defuncti I, 424. — tail I, 815. Factor I, 808.

Exceptio non adimpleti contractua I, 371, 585, 656. — plurium I, 732. — rei venditae et traditae I, 424. — retentioniß I, 585. Exceptiones legum Romanorum 1, 166. Exchange I, 822. Exchequer I, 797, 801. — billa in blank I, 831. Excommunicati vitandi, tolerati II, 872. Exconununicatio II, 825, 859, 982. — maior, minor II, 945. — latae Bententiae U, 934. Executor I, 835, 836. Exegese I, 293. Exekution I, 330, 334. Exekutionsoraane I, 278. Exemplary damagea I, 838. Exemtton von der Strafgerichts­ barkeit II, 344. Exenium II, 834. Exequatur H, 1033. Exercitium religionis II, 887. Exheredation I, 413. Exhibition-pflicht I, 396. Exkuffion I, 387, 388. Exner I, 355, 375. Exogamie I, 713. Exorzisten ll, 816, 918. Expatriierung II, 531. Expositio infantium II, 296. Express contracta I, 827. Expromiffion I, 888. Expropriation I, 378. Exsecrabilis II, 852, 863. Exspectantiae II, 856. Ex aurge Domine II, 882. Exterritoriale II, 64, 252, 344. Exterritorialität II, 1027. — der Gesandten Ü, 986, 1030. — der Kriegsschiffe II, 1041. Exterus ritua It 78. Extra commercium I, 318. Extranei I, 417, 418. Extraneua I, 1035. Extraordinaria cognitio II, 831. Extravagantes communea II, 845. Extrema unctio II, 939.

s.

1150

Namen- und Sachregister.

l, 176,180,202, 236, 453. FinanzvermSgen II, 627. Formelsammlungen I, 186, 189. icht I, 203, 236; H, 246. Finanzverwaltung, fränk. X. I, Formelle Gesetze I, 302; II, 596. 197. — Rechtskraft de- Strafurteils t II, 418. H, 378. Finanzvorlagen II, 599. Formute I, 111, 333. Finanzwesen II, 627. 1064. Formulae Andecavenses 1,189. Finch I, 801. — couK 11, 1UÜÜ. — Bignonianae I, 189. Finder I, 342. gliche- Schiff II, 1065. — imperiales I, 189. Findlinge I, 148. iebftahl II, 304. — Marculfi I, 189. Fines I, 800, 814, 816. emeinschast I, 175. — Salicae Lindenbrogianae Singierte Rücktratte I, 1059. ra-wirtschaft I, 24, 175. 1, 189. inland I, 870, 1038; II, 999. robst tevang.) II, 960. irma I, 587,892, 913,963, 968. — Senoncs I, 180. - (rath.) II, 932. — Turonenses I, 189. irmatio I, 189. Feldrügesachen H, 408. — testium I, 190. Formulae de dolo malo I, 115. Feldservitut I, 350, 351. Firm-name I, 830. Formularius de modo prosandi Feld« u. Forstpolizei II, 683. I, 221. Feldvikar des bayr. Heere- II, Firmenübertragung I, 911. Felony ularverfahren I, 125. Firmenwahrhert I, 914. 932. I, 814, 832. n, 691. Firmung II, 938. Femgerichte I, 232, 239, 240. Female stock I, #34. First Lord of Treasury II, 714. »iebftahl II, 252, 304. Feme covert I, 840. Polizei II, 649. äischereifahrzeuge II, 1066. — sole I, 841. ischereigenoffenschaften II, 643. rügesachen II, 408. F4nelon II, 985 ischereipolizei II, 649. Forst- und Jagdrecht 1,436, 494. Fensterrecht I, 350, 610. Feoffec to tue nse I, 811. iskus I, 119, 195, 365, 467; Forstwirtschaft I, 904. Fortdauerndes Verbrechen 11,259. Feoffment I, 821. II, 627. Fortescue 802. Ferdinand der Katholische 11,984. — der Schutzgebiete II, 1106. Fort^setzte 1,Gütergemeinschaft I, Ferdinandea II, 248. iitzherbert I, 802. Feriae I, 1034. Fortgesetztes Berbrechen II, 259. ixgeschäft I, 376. Fortsetzung der off. H. G. 1,937. Ferienkolonien II, 643. ixkauf I. 984. Ferry I, 819. Fortune de mer I, 1008. ixtures I, 814. Ferto II, 860. Fla^genrecht I, 1007; II, 1038, --------terre I, 1008. Forum delicti commissi II, 358. Festa chori II, 942. Flaggenzeugnis I, 1007. — externum, internum II, 918. Flavlu» I, 100, 101. — de praeeepto II, 942. Fracht I, 374, 999. FeststellungSklaaenI, 329; II, 105. Florentina I, 168. Frachtführer (Pfandr.) I, 975. Feststellungsverfahren(Jnvaliden- Floßeigentümer I, 1009. vers.) ft, 799. Frachtgeschäft I, 998. Flößerei I, 1005. — (Konkurs) II, 184. Frachtmäkelei I, 996. Fluchtsalgeschäfte I, 705. Festuca I, 244. Frager des Rechts I, 179. Fluchwafferordal I, 65. Fragments Vaticana I, 152. Festungen I, 569. Flurbereinigung I, 24. Festungshaft II, 278. Flurkarren in den Kolonien II, Fragmentum de iure fisci 1,140. Fetialenkollegium I, 87. Franchises I, 819. 1130. Fetischeffen I, 44. Franckensteinsche Klausel II, 628. Flüsse I, 319. Frank tenement I, 815. Feuda militaria I, 813. —, Staatsgebiet II, 1009. Frankalmoign I, 813. Feudalstaat I, 78. Flußschiffahrt, Lölkerr. II, 1012. Feudum I, 834. Folkland I, 796. Franken I, 175, 182, 201. Feuerbach 11, 241, 248. Frankfurt II, 705, 999, 1074. Folter II, 332. Feuerlöschwesen in Rom I, 121. Folterung II, 196. — (evang. Kirche) II, 958. Fonds de commerce I, 968. Feuerpolizei II, 648. Frankfurter Friede II, 559, 1047, Feuerprobe I, 65. Foenus nauticum I, 102, 1019. 1074. Feuerversicherung I, 686. Forbannitio I, 204. — Gemeindeverfassung II, 679. Fiat iustitia pereat mundus Forderung I 311, 312, 354, 376, — Nationalversammlun g II, 495. T OQQ 379, 423, 522. — Reformation I, 213. Sichte II, 240. — Territorialrezeß II, 483. Forderung-papier I, 976. Fideiussio I, 351, 385. Forderung-pfändung II, 66,170. Fränkische- Reich 1, 182, 201: — palliata I, 1061. II, 477. ForderunasÜbertragung I, 249. I Foreign oills I, 1057. Fides I, 101, 351, 385. Frankreich I, 25,79,81,173,274, — bona I, 114. — enlistment act II, 1061. 293, 897,1071; II, 487, 722, — facta I, 825. Foreign Judicature Act 1,845. 742, 988, 1074. — et mores II, 923. Forest I, 819. Franziskaner II, 853. Fratres laici II, 853. Fiduziarische Stiftungen I, 577. — courts I, 805. Fraud I, 827. Fiduziarische- Indossement I, Forfeiture I, 814, 820. 1052. Frauds by Workmen Act 1,881, Form der Klage II, 108. Fiktion I, 112, 465. — der Verträge 1,309, 324, 369, Frauen, Wechselfähigkeit 1,1045. Filiale I, 910. 449, 638. Frauenarbeit I, 640. Finanzhoheit in den Schutzgebie­ Forma gratiosa, commissoria Frauengut I, 32, 255. ten II, 1110. II 937 Frauenkauf I, 254. Finanzkontrolle II, 635. Formelbücher I, 189, 220, 221. Frauenraub I, 31, 254; II, 299.

B

g

Namen- und Sachregister.

Fredus I, 180, 236. Freebench I, 840. Freefishery I. 819. Freehold I, 811. Freehold estates I, 812, 815. — socages I, 813. Freewarren I, 819. Ireibeuter II, 1062. reibriefe für Sklaven II, 1119. reiburg, Erzbistum II, 928. reie Herren I, 209. reies Kindesvermögen 1,728,865. reigebigkeiten I, 5'1, 675. reigrafen I, 232. reihandel II, 662.

Fronunq I, 180, 204, 238. Frucht t, 333,340, 341,350,351, 400. Fruchtbegriff nach Landesrecht I, 786. Fruchterwerb I, 856. Fructus et flores II, 855. — inte real ares II, 955. — medii temporis II, 860. Fueros I. 850. Fund I, 611, 856, 874. Fundunterschlagung II, 303. Fundatio II, 950. Funktionelle Vollstreckungsklausel II, 169. — tot Strafgerichte

reiheit I, 11, 77, 241, 242,296, 311, 393, 475. Fürsorgeerziehung I, 727. — der Schiffahrt II, 1012. Fürsten I, 175, 208. Fr^gtsberaubung I, 393; II, Fürsten kollegium II, 498 Fürftenkonkördate II, 863. Fürstenrecht I, 435, 566. Freiheitsstrafen II, 278. Freikirchentum II, 905. Fürstensouveränetät II, 469. Freilassung I, 148, 176, 242. Fürstentag (Frankfurt) II, 499. Fürsten Versammlung zu Forchheim — auf Ehrenwort II, 1063. Freischöffen I, 239. Freisprechung I, 333; II, 359. Fürstenwahl I, 178. Freite geht vor Miete I, 527. Fürstenweistümer I, 213. Freiteilsrechte 1, 260. Furtum I, 346. Freiwillige Gerichtsbarkeit II, 52, Fusion der Hypothekenbanken 209, 222. II, 1110. — Gerichtsbarkeit in den Schutz­ Futterdiebstahl II, 304. gebieten II, 1113. Future marriage I, 841. — Krankenversicherung II, 771. G. Freiwilligenkorps II, 1061. Gabella hereditaria II, 7. Freizeichen I, 917. Gaffel I, 210. Freizügigkeit I, 267. v. Gagern II, 495, 496. Fremde I, 54,177, 243, 312,853; Gail I, 273, 438. II, 527, 1022, 1095. Gairethinx I, 261. Fremdenarrest II, 196. Gaius I, 80, 82, 124, 137, 139, Frevel I, 235. 150, 163. Friede von Prag I, 263. Galgenbühl I, 60. Friedensbann I, 245. Gallier I, 35. Friedensblockade II, 1053. Gallikanismus II, 873. Friedensbruch I, 180. Game I, 823. Friedensgeld I, 180; II, 244. Ganerbschaft I, 261, 548, 944. Friedensgemeinschaft I, 243. Gantvergleich II, 185. Iriedensrichter II, 715. Gantverzicht II, 186. riedensvertrag II, 1074. Garantie beim Wechsel I, 1049. riedewirken I, 485. — im Völkerrecht II, 1044. Garantiefunktion des Indossa­ riedlose I, 180, 202, 243, 252, ments I, 1051. 569; II, 244. Garantiegesetz II, 906,923,1035. Friedrich Barbarossa I, 295; II, Garantievertrag I, 386. 842. Gasindi I, 199. — 1^1, 213, 217,295; 11,843, Gassenlaufen II, 411. Gasteiner Konvention II, 500, — der Große 1,264:11,647,658. Gastfreundschaft I, 51. - bet Weise II, SÄ. Gastwirte 1, 374, 395, 906. — Wilhelm I. II, 647. Gastwirtschaften II, 648. Friesen I, 175, 232. Gattendiebstahl II, 289. Frist I, 331, 451; II, 1093. Gattungskauf I, 673. Fristen im Prozeß II, 81, 367. Gau I, 177, 196. Frohnden I, 512. Gauauflösung I, 229. Fronbote I, 229. Gausürst I, 178. Frondienste zu kirchl. Bauten Gaukönig 1, 178. II, 971. Gavelkind I, 805, 813, 840. Fronhof I, 183, 207. Fronleichnamsfest II, 851.

1151 Gebäude I, 350, 351, 710. Gebäudeservitut I, 350. Gebietsabtretung II, 1014,1018. Gebietserwerbungen des Reiches II, 526. Gebietshoheit II, 453, 523, 1008. Gebrauch I, 340, 348, 349, 350, 351. Gebrauchsmuster I, 634. Geburt I, 313. Geburtsadel I, 184. Geburtsstände I, 208. Gedinge I, 524. Gefahr I, 374, 394. Gefahr beim Kauf I, 47, 856. — bei Seeversicherung I, 1025. Gefahren tarif (ünfallvers.)II, 788. Gefälligkeitsaccept I, 1042. Gefangenenunfallfürsorge II, 783. Gefängnisstrafe II, 278. Gefolge des Gesandten II, 1033. Gefolgschaft I, 179, 199, 256. Gegengabe I, 51. Gegenleistung I, 352, 367, 370, 371, 391. Gegenrecht I, 332. Gegenseitige Verträge I, 655,855; (Konk.) II, 182. Gegenseitigkeitsversicherung I, 686. Geqenzeichnung des Reichskanzlers II, 550, 556. Gehalt der Beamten des röin. Kaisers I, 120. Geheimer Justizrat II, 657. — Staatsrat II, 653, 657. Geheimes Ober-, Finanz-, Kriegsu.Domänendirektorium 11,656. — Staatsministerium II, 657. Geheimnisrecht II, 67. Geheimnisverletzung II, 312. Gehilfe II, 273. Gehorsamspflicht der Beamten II, 591. Gehorsamsverweigerung (Mil.) II, 415. Geisel I, 249. Geiselschaft I, 637. Geisteskrankheit I, 321, 405,458, 715, 871. Geistesschwäche I, 405, 428, 866. ^rio@rntum 626; H, Geistliche I, 147. — Stifter I, 217. Gelasianische KirchgründungsJnstruktion II, 826. Geld I, 47, 312, 335, 350, 353, 358, 478. Gelddarlehen I, 389, 403. Geldgeschäfte I, 983. Geldhandel I, 898. Geldschulden I, 376, 378. Geldstrafe I, 336, 372, 392; II, 280 291 Geldstücke, Vermischung I, 343. Geldvollstreckung II, nl.

1152 GeldwechSleraeschäft I, 903. Geldwert I, 358. Seldwirtschaft I, 208, 234. Geleaenheitsgeseüschaft I, 929. Gelertbriefe fi, 1089. Gemächte t 261. GemLlde (Accesfion) I, 343. Gemeinde I, 301, 311,314, 316, 359, 467, 468. — (evang.) II, 957, 962. Gemeindedefitz I, 470, 875. Semeindebürgerrecht I, 401. Gemeindeaerichte U, 64. Gemeindehastung I, 711. Gemeindenrchenrat II, 962. Gemeindekrankenverficherung II, Gemeindeleben I, 78, Semeindelosung I, 24. Gemeindeordnung II, 674, 677. Gemeinderecht I, 23. Gemeindestaat I, 54. Gemeindevertretung (evang.) II, 963. Gemeindeverwaltung II, 704,728. Gemeindevorsteher II, 645, 709. Gemeindewahlrecht (evang.) H, 970. Gemeindezeuge I, 181. Semeinderschaften I, 25. Gemeine Mark 1, 207. Gemeineigentum I, 24, 68. Gemein freie I, 175, 184 Gemeingefährliche Verbrechen, II, 315. Gemeinheit-teilungen I, 469. Gemeinhilfe I, 24. Semeinland I, 84. Gemeinschaft 1, 861, 366, 391, 393, 394, 473, 474, 534. Gemeinschaftliche Haverei 1,1020. Gemeinschaftliches Testament I, 747. Gemeinvermögen (Jnval. • Vers.) II, 798. Gemeinwirtschaft I, 68. Gemischte Ehen II, 912. Gemischte Hypothekenbanken I, 1081. Gendarmerie-Edikt II, 665. Genehmigung I, 317, 417. General agent I, 827. — and open Vestry II, 717. — cuBtoms I, 805. — lien I, 808. — Orders in Bankruptcy 1,846. — Statutes I, 847. General (kath. Orden) II, 935. Generalbeschwerde H, 751. Generaldir^torium II, 657. Generalfinanzdirektorium II, 656. Generalhypothek I, 356. Generalkonsuln II, 1034. Generalkriegskommifsariate II, 656. Generalrat II, 725. Generalsekretär II, 724.

Namen- und Sachregister.

Generalsuperintendent H, 890, Germanen L 174. 960, 969. Germania I, 174. Generalsynode II, 964. Germanisches Recht I, 24, 87,43, Generalsydonalrat II, 965. 51,55,67, 77,78,82:11,244 Generalversammlung (Akt.-Ges.) Gerüste I, 182, 204, 238. I, 951. Gesamtarmenverband LL 643. — (Lkt.-Komm.-Ges.) I, 961. Gesamtbelehnung I, 247. — (Genoss.) I, 969. SesamtglLubig«dchafr I, 664. — (Ortskrankenk.) II, 778. SefamtgutI, 538,719; 11,214,230. Generalvikariat II, 980. Gesamthand I, 468, 820, 928. Generelle Vorbehalte für das Gesamthypothek I, 619; II, 175. Landesrecht I, 766. Gesamtkirchentheorie II, 953. Genfer Konvention II, 990,1060. Gesamtministerium II, 685. Genossenschaf^n I, 69, 86, 297, Gesamtprokura I, 921. 435, 467, 471, 968. Gesamtrecht I, 23, 68. Genossenschaft-register II, 210. Gesamtsache I, 479. Genoffenschaftstheorie I, 467. Sesamtschuldverhältnisse I, 524, Gentes I, 95, 89, 405. 659. Gentilen I, 54. Gesamtverbrechen II, 258. Gentry I, 798. Gesandte II, 1003, 1028, 1032. Genus perire non censetur L Gesandtschaft-personal II, 1032. 384. Gesandtschaft-recht deS Papstes Gerade I, 256, 409, 537. II, 923. Girant I, 941. GefandtschastSwesen II, 984, 986. Geräune I, 240. Geschäftsanteil I, 963, 970. v. Gerber I, 439; II, 455, 457. Geschäftsbesorgung I, 682. ^^^Mi^eit 1,287,366,581, Gerechtigkeit I, 5, 75. Gerechtigkeiten I, 477. Geschäfisführer'l, 964. Gericht I, 325; 357, H, 63. Gerichtsanstalten zur Strafrechts­ Geschäftsführung ohne Auftrag pflege II, 347. I, 393, 395, 702. Gerichtsbarkeit I, 207, 283, 327, — ohne Auftrag (Völkerrecht) IT, 427; II, 63, 642. 1049. — bei off. H.G. I, 905. — des Gesandten II, 1031. Gerichtsbeschluß II, 117. Geschäftsgeheimnis II, 67. Geschäftsherr I, 324, 329, 374. SerichtSbücher I, 45, 219, 317. Geschäftsnachfolger I, 910. Gerichtsdienst I, 197. Geschäftsträger II, 1032. Gerichtsfähigkeit II, 61, 356. Gerichtsferien II, 219. Geschäft-- u. Zeremonialgesandte II, 1003. Gerichtsfolge I, 197. GeschäftSzeuge I, 181. SerichtSgesälle I, 197. Geschichte I, 8. Gerichtsherr II, 428. Gericht-Herrliche Rechte II, 610. Geschlecht I, 313. Geschlechter, rat-fähige I, 90. GerichtSLilfe I, 453; II, 68. Gerichtshof für Entscheidung von Geschlechtereigentum I, 24. Kompetenzkonflikten II, 686, Geschlechtergericht I, 61. Geschlechterstaat I, 54. 757. Geschlechtsreife I, 457. GerichtSkanzlei I, 228. Geschlechtsvormundschaft I, 257. Gerichtslehen I, 224. Gericht-offizier II, 429. Geschmacksmuster I, 629. Gerichtsordnung 1,271, 274, 288. Geschwister I, 411. Geschworene I, 95, 108,847; II, GerichtSpflicht I, 179, 198. 332, 345, 642. GerichtSrolle II, 100. Gesellschaft I, 50, 287, 315, 390, Gerichtsschreiber II, 72, 218. 391, 392, 435, 529, 694, 830, Gerichtssektion des ital. Staatsrats II, 741. 881. — m. b. H. I, 895, 905, 962. Gerichtssprache II, 219, 366. Gerichtsstand 1,125,401; H, 74, Gesellschaft-inseln II, 997. Gesellschaftsleben I, 75. 333 353. Gerichtsverfahren 1,203,237,284. Gesellschaftsvermögen der off. G. Gerichtsverfassung I, 231. I, 933. Gesetz 1,441,566,775; II, 592,689. — in den Kolonien II, 1111. Gesetzgeber I, 295. Gerichtsvogtei I, 227. Gesetzgebung I, 107, 121, 148, Gerichtsvollzieher II, 78. 294, 295, 303, 305, 441; GerichtSzeugnis I, 205, 288. II, 474, 642. GerichtSzwang II, 65, 68. — (evang. K.) II, 966. Geringstes Gebot II, 174.

1158

Namen- und Sachregister.

Gesetzgebung (kath. M.) n, 937. Gesetzeskonkurrenz II, 258, 286. Gesetzeskraft X 303. Gesetze-publikation I, 303. GesetzeSrecht I, 16, 441. GesetzeSrevifion, Minist. II, 668. GesetzeSverkünduna I, 148. Gesetzesvorschlag II, 599. Gesetze I, 294, 295. 296, 296, 299, 301, 302, 308,325,861, 374, 410. Gesetzliche Erbfolge I, 741. — Handel-pfandrechte I, 975. — Prozeßfristen II, 81. — Vormünder I, 736. Gesetzliche- «erbot I, 642. Gefbrdefürforae H, 766. Sefinderttht I, 443. Sesindezwana I, 267. Geständnis I, 284. Gestank I, 341. Gestio pro berede I, 417. Gesundheit I, 313, 467, 458. Gesundheit-polizei II, 649. Getreidedarlehen I, M9. Gewahrsam H, 302. Gewähr-zug I, 248. Gewalt "v irelewur I, n, 920. Patronat I, 87, 227, 819. Paraphernalia I, 400, 840. Patronatrecht D, 857, 950, 970, Parentel I, 37, 259, 411. 971. Parentelerbfolge 1,548,549, 741. Patronum faciunt dos, aedifirareres I, 896. catio fundus II, 950. Patronus fructuarius II, 954. Sri* H, 724, 729. riser SeerechtSdeklaration II, Pattidari-System I, 24. 979. 990, 1061, 1066, 1071, Paucapalea H, 846. 1073. Paulus I, 124, 137, 140, 149, — Verträge II, 979, 980, 989, 150, 163, 336. 1011, 1012,1014,1020,1039, Paulus von Samosata H,816. ________________________ 1059. Paupertas (titulus) H, 920. Parish I, 798, 809; II, 716. Pawn I, 824, 829. Pawnbrokers Act I, 824. — Council II, 721. — Meeting Ü, 721. Paxo II, 990, 1059. Parität II, 911. Peculium I, 25, 402, 403, 580. Park I, 819. Pecunia I, 84. Pedum curvum II, 929. Parlamentäre II, 1064. arliamentary Borough II, 717. — rectum H, 923. Parliamentum I, 797; II, 713. Pelagenoffenschaft I, 35. Parma ti, 999. Penalty I, M, 881. Parochialwechlrecht II, 962. Pennsylvanische- Zellensystem II, Ueootxfe LL 821« Pamcidium *61, 88; 11,242. Pensions I, 819. Pars maior et sanier II, 855. Pepo I, 167. Partei I, 383; H, 85, 220, 343. Per venerabilem II, 848, 878. PerdueUio I, 88; II, 242. Parteibetrieb II, 99. Per«zrinen I, 117, 312. Parteieid II, 123. Parteiftchigkeit II, 61, 220, 356. Performance I, 829. Periculum est emptoris I, 884. Parteiöfftntlichkeit H, 82, 865. Permutatio £ 1032. Participatio I, 940. Particular customs I, 805. Perpetuatio Obligation« 1,378. Srtiererei II, 307. PerauisttionSprotest I, 1057. rtikulargesetzgebung 1,286,564. Perser I, 77. Partikulargewohnheitsrecht 1,303, Persien II, 981, 1086. 778. Person I, 296, 313, 335, 349, Partikularrecht I, 433, 484,435, 448, 464, 571. 437. Persona dignior II, 948. Partikularstrafrecht II, 248. — idonea U, 947. Partition I, 822. — minus grata II, 948. Partnership I, 880. Personae meertae I, 314. Pasiarowitz II, 985. Personal asset I, 837. Passauer Vertrag 1,271; U, 885. — custom I, 805. Passiva, Bestandteile eine- Ge­ — property I, 812, 823. schäft- £ 909. Personalhoheit II, 1022. ^er^on(Hitcttsfpftem I, 185, 446; Fast eonsideration I, 826. Pasteurs H, 896. Pastor aeternus II, 881. Personalpatronat H, 950.

1167 Ita^mdprinpp im Strafr. II,

Personalrechte I, 449. Personalservitut 1,349,350, 351, 423. Personalty I, 807, 812. gonalunion II, 461, 997. onal-ehnt II, 953. onatr u, 856. onen de- Soldatenstandes H, 414. Personenbeförderung I, 908. — zur S« I, 1018. Personenrecht I, 358, 455. Personenstand-delikte II 309. Personenverbände I, 315. Personenverficheruna I, 687. Personifikation I, 597, 1069. Persönliche Eigenschaften tu Ver­ hältnisse im Straft. H, 274. — Strafau-schließung-gründe II, 252. Persönlicher Schutzaeift I, 23. Persönliche- Asyl I, 62. Persönliche- Eherecht 1,861; II, 32. Persönliche- Herrschaft-gebiet deStraftechbS II, 252. --------de» Mil.-Strafrecht- II, 414. Persönlichkeit I, 335, 455. Persönlichkeit-beschränkungen I, 570. £ 475, 587, Unternehmung II, 267. Unterpräfekt II, 723, 727. Unterschlagung II, 303. Untersuchung-Hast II, 383. —, Anrechnung II, 288. — (Mil.'Strasproz.) II, 431. Untersuchung-Handlungen 11,368» Untersuchungsprozeß II, 151. Untersuchung-richter II, 348. Untersuchungsverfahren II, 52, 101. Untertan I, 267; II, 527. Untervögte 1, 227. Unterwerfungsklausel II, 190. Untiirifts I, 843. Untteue II, 307. Unverbefferliche Verbrecher I, 58, 63. Nnvererblichkeit 1,330, 376, 424. Unverletzlichkeit des Gesandten U, 1022, 1030. Unverletzlichkeit des Monarchen II, 567. Unvordenklichkeit I, 451. Unwandelbarkeit deehelichen GüterrechtS II, 32. Urban Districts II, 719. Urbi et orbi II? 937. Urgens necessitas (innovatio beneficii II, 947. Urheberrecht I, 294, 625, 626. — (Enal.) I, 824. — (ruff. I, 876. Urkantone I, 232. Urkera I, 216. Urkunde 1, 186, 189, 205, 237, 396, 478; H, 372. — (Aufnahme) II, 214. Urkunden (römische) I, 80, 141. Urkundenbeweis I, 67; II, 120. Urkundenbücher I, 220. Urkundenfälschung II, 313. Urkundenprozeß II, 58, 61, 154, 167, 193. Urkundenverbrechen II, 313. Urkundenvorlegung I, 706. Urkundenwesen I, 189. Ursal I, 256. Urteil I, 181, 308, 333, 360,363. Urteilsbücher I, 218. Urteil-finder I, 198. Urteilsgewere I, 244. Urteil-schelte deS germ. Recht- I, 181, 203; II, 55. Urteil-voraussetzungen II, 103, 142. — (Strafproz.) II, 377. Urteil-vorschlag I, 179. Usages I, 80v. Usancen I, 779. Uses I, 801, 811. Usowechsel I, 1046. Usualinterpretation I, 444. Usucapio libertatis I, 326; II, 952. — pro berede I, 426.

Namen- und Sachregister.

1180 Usukapion I, 99, 300, 320, 346, 347, 848, 421, 422. ÜBurary laws I, 830. Usus I, 351. Usus modernus pandectarum I, 433, 438, 563. Ususfructus I, 350. Uti lingua nuncupassit, ita ins esto I, 99. — possidetis I, 338. — rogas I, 107. ütilitas ecclesiae (erectio bene* ficii) n, 947. Utrechter Kongreß II, 985. Utrubi I, 388, 339.

V. Vacatio TU 952. Vadimonium I, 85 Valentin Alberti I, 4. Balentinian I I, 146. «alentinian III. I, 149; II. 823. LallumLrosaner II, 852. Valutaklausel I, 1033, 1047. Vandalen I, 175. Ban Espen II, 874. Bangerow 1, 311, 563. Vapnatak I, 179. «afallität I, 184, 199, 500. Vassalli I, 199, 498. Vassi I, 184, 199. Väterliche Lewalt I, 811, 724. Baterrecht I, 80, 33. Vatikanisches Konzil II, 881, 917. Vedüntaphilosophie I, 7. Nehme I, 213. Veneficium II, 242. Venyuela II. 463, 1046, 1054. Venia aetatis II, 276, 313. Verabredung I, 870. Veränderung kirchl. Ämter II, 969. Verantwortlichkeit I, 529, 530. — deS Reichskanzler- II, 556. Verarbeitung I, 611. Veräußerung I, 319, 340, 344, 352, 406. — von Kirchengut II, 969. — von Schiffen I, 1007. Veräußerungsverbot I, 319, 345, 348 423. Verbalinjurie II, 300. Verbalkontrakt I, 389 Verbal slander I, 807. Verbandspersönlichkeit 1,448,466, 576. Verbannung I, 202; II, 1021. Verbindlichkeit 1, 41, 448. — der off. H. G. I, 934. Verbindung von Prozessen II, 163. — von Strafsachen II, 341. Verbrechen I, 313, 327; II, 254. — gegen das Leben II, 254. Verbrechensmehrheit II, 259. Berbrecherkolonien I, 63. Verbürgung I, 386, 388. Berdienstjahr II, 955, 972.

Verdun, Vertrag I, 182, 193. Verein I, 471, 574; D, 1120. Vereinigte Staaten von Nord­ amerika II, 463, 1024, 1025. Vereinigter Landtag II, 493. BereinSdelikte II, 322. Vereinsfirma I, 914. vereinSpolizei II, 648. LereinSrecht I, 317, 892. Verein-register 1, 450: II, 210, 214. Vererbung I, 352, 361, 384. Verfahren an Bord II, 444. — im Feld II, 444. LerfahrenSerfindung I, 632. Verfallklaufel U 515 f. lex commissoria. Berfallpfand I, 45, 253. Berfangenschaft I, 256. 9etfaffung des Deutschen Reich— de- preuß. Staates II, 674. — des Staate- II, 472. Verfassungsänderungen II, 600. Verfestung I, 239. Verfrachter I, 1015. Verfügung 1, 840,350,352,399, 406; II, 224, 602. Verfügungen des Gerichts II, 117. — von Todes wegen 1, 744. Derfügungsnutznießung des Mannes 1, 718. Verführung I, 393; 11, 310. Vergabung von Todes wegen I, 260, 261, 551. Vergehen I, 415; II, 254. Vergeltung-recht I, 59, 62. Vergiftung II, 296. Vergleich I, 308, 390, 391. Vergleichende Rechtswissenschaft f, 21. Verhaftung II, 431. Verhandlung I, 181; II, 78. Verhandlung-führer II, 485. Verhandlung-masse II, 92. Verität I, 380. Verjährung 1,307,820, 325,329, 380, 831, 332, 335, 388, 889, 341, 345, 351, 354, 360, 363, 376, 378, 382, 384, 387, 451, 452, 581, 585, 787, 854, 872, 940,997,998,999,1027,1062. — (Strafr.) I, 60; II, 292, 419. Verkauf I, 353, 355. Verkauf-pfand I, 253. Verkehr-abgaben 1, 197. Verkehrsdienstbarkeiten II, 1011. Derkehrsentziehung I, 319 Verkehr-hypothek I, 618. Verkehr-ordnung (Eisenb.) 1,1002. BerkehrSpolizeivelikte II, 322. Verkehr-sitte (Handel) I, 896. Verkehr-verträge II, 991. Verkehrswesen II, 641. Verklammerung de- Vermög. I, 567. Verklarung I, 1011; II, 67.

Verknechtung I, 251. Verkoppelung I, 24, 264, 608. Verlag-recht I, 390, 391, 529, 625, 628, 683, 766, 903. Verleihung der vi-tümer n, 948. — von Kirchenämter« 11,915,969. Verleihung-verein I, 574. Verleumdung 1,398; 11,301,404. Verlöbnis I, 533,839, 860,882; II, 826. Verlobung I, 254, 533. Verlosung von Hypothekenpfand­ briefen I, 1102. Verlust der Staatsangehörigkeit II, 531, 1019. Vermächtnisse I, 317, 350, 409, 119 74R Vermittelns («.».) II, 1051.

Vermögen I, 296, 297, 812,314, 819, 320, 335, 350, 400, 580. — der «ktienges. I, 946. Bermögensbeschlaanahme II, 384. BermögenSinteressr bei Schuld­ verträgen I, 645. Vermögensrecht I, 23, 297, 310, 811, 312, 319, 396. Bermögensschaden I, 364. Vermögen-schädigung I, 415. Vermögen-strafe I, 235. Vermögen-wert I, 358. Verona, II, 988, 989. Verordnungen I, 441. — deS Landesrecht- I, 775. Verordnung-recht II, 602, 1100, 1102. — deS BundeSratS II, 542. Verpfändung I, 309, 348, 355, 356. — von Schiffen I, 1008. Verpflichtung I, 42, 296, 324, 329, 349, 358, 367, 372. Verrat von Geschäftsgeheimnissen I, 919. Verhöres II, 1071. Versailler Waffenstillstand 11,1058. Versammlung-polizei II, 648. Versäumnis I, 335; II, 96. Bersäumnisurteil II, 60,161,167. BersäumniSveiffahren II, 79. Verschämte Ehe I, 83. Verschleppung von Prozessen II, 127. Verschlossene- Depot I, 991. Verschollenheit I, 314, 405, 870. Verschulden I, 360, 395. Verschwägerung I, 585. Verschweigung I, 246, 451. — deS Vorhaben- schwerer Ver­ brechen II, 332. Verschwender 1, 321, 405, 458, 866, 871. Versetzung in die zweite Klaffe des Soldatenstandes II, 417. Versicherung an Eidesstatt II, 321. — auf fremde Rechnung 1,1026. — gegen Arbeitslosigkeit II, 806. — gegen Prämie I, 903.

Namen- und Sachregister.

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Lerwaltungsnebenklage II, 405, Villenagia I, 813. 407. Vindikation I, 95, 331, 338, 340, LenvaltungSpolizei II, 648. 343, 345, 346, 348, 352,395, LervMti^srecht der Päpste II, 423, 426. — de- Wechsels I, 1065. LenvaltungSstrafklage II, 407. Virginia I, 96. Verwaltung-streitsachen II, 647. Vis ac metuß (impedimentum BerwaltUT^Sstreitverfahren II, 52. matrimonii) II, 941. Vis major I, 374, 375. Verwaltung-verfahren H, 752. VerficherungSrecht I, 57L 766. Visitatio liminum II, 852, 952. Versicherung-verein I, 905, 967. Verwaltung-Vermögen H, 627. V«^erung-verträge 1,821,528, Verwaltung-verordnungen 1,441; Viaitor L, 810. Visitors of Lunacy I, 844. II, 603. Verwandte 1,396, 404, 406, 411. Vitrici II, 955. Versiegelung I, 419. Vizekonsuln II, 1084. Versio in rem I, 403. Vocabularius iuris utriusque I, Versprechen I, 41, 42, 359, 367, Lerwandtendiebstahl II, 829. 268. 368, 376, 883, 384,389, 392, Verwandtschaft I, 366, 533, 865, 888. Voet II, 8. 524. Verweis H, 281. Bogt I, 201, 233. Verstärkte- Inkassoairo I, 1052. Verweisung im LandesvorbehattS- Logleileute I, 210. Versteigerung II, 210. recht I, 788. Vogteiverfassung II, 654. $erito1|ogeflcn die guten Sitten Verwendung I, 395, 399. Vmd I, 809. Verwertung I, 335, 348. Voidable I, 809. Verstrickung I, 522. Verwertung-recht 353, 355, 357. Volenti non fit iniuria I, 374. Verstümmelung-recht I, 251. Verwirkung des Patent- I, 634. Lott, I, 297, 404; II, 452. «ersuch I, 180; II, 267. Verzicht I, 319, 326, 831, 335, Völler I, 76. VersuchSskafe II, 285. 351, 376; II, 1006. Völkerrecht II, 470, 976, 991. Serttfotgimg I, 331; II, 358, Verzicht auf den Thran II, 574. Völkerschaft I, 177. Verzug I, 360, 865, 378, 648. Voll-Hau- II, 551. Verteilung-verfahren II, 151,163. Verzugszinsen I, 378. Boll-recht I, 77, 186, 211, 409, Vertrag 1, 294, 299, 309, 321, Vespasianus I, 119. 436, 441. 331, 344, 351, 359,361, 366, ScfHtür I, 244, 252. BolkSsouveränetät 1,119; II, 469, 367, 368, 369, 374, 389,402, Veetitura I, 244. 487. 408, 410, 524, 688. Vestry II, 717. Volk-tribun I, 104. Vertrag zu Gunsten Dritter 1,287, Veto des Kaisers II, 549. Volk-Überzeugung I, 801, 808. 359, 868, 526, 878. Volksversammlung 1,58, 87, 108. — bei Papstwahl II, 925. — unter Abwesenden I, 370. Betternschaft I, 259. Volk-vertretung u, 579. Vettore Piaano I, 60. Vertragsbruch I, 251. Volk-wille I, M3. Vertragsbruch seitens Farbiger Vetos auetor de beneficiis 1,214. Volljährigkeit I, 313, 821, 871. II, 1185. Vi I, 338. Bollkaufleute I, 906. Vertrag-form I, 360, 370, 371. Vollmacht I, 449, 597, 880,928. Via I, 350. Vertrag-gegner I, 322. Viaticum II, 938. Vollmacht-indossament I, 1052. Vertrag-interesse I, 872. Vicaria I, 196. Vollmacht-urkunde, KrastloSerBertrag-obligation I, 388 I Vicariae II, 856. klärung I, 600. Vertragsstrafe I, 525, 877, 978. Vicariuß Ij 146, 197. Bollrente (Unfallvers.) II, 785. Vertrag-theorie (Konkordate) II, — apoßtohcuß II, 927. Bollstreckbare Au-fertigung II, — capituli II, 980. — Christi II, 815, 847. — Verträge II, 189. Vertragswirkung I, 371, 372. — Dei II, 815, 847. Vollstreckung II, 58, 225. Vertrauen-throne I, 322. Vertretbarkeit I, 318. — Generalis II, 930. — von Handlungen II, 187. Bollstrei^ngSbef^l II, 192. Vertreter I, 344, 378, 380, 382, — perpetuös II, 856. — Petri II, 847. Vollstreckung-gegenklage II, 182, 452. Vertretung 1.324,325, 361, 597; — temporalis (perpetuös) II, 141, 168, 191. II, 221, 358. ! 885. Vollstreckung-pfandrecht II, 170. i — urbis II, 922. Vertretungsrecht I, 379. Vollstreckung-titel II, 167. Vicecomites I, 196, 797. Veruntreuung I, 845. Vollstreckung-urteil II, 149, 151. Vicesgerdos II, 923. Verurteilung I, 388, 334. Bollstreckung-verfahren II, 61.! Vollstreckung-verhältnis Ü, 170. Verwahrung I, 527, 678, 880. »iehkauf x, vicyiuui I, 674, ow. 856. Verwaltung!, 120,816,399, 402, Viehseuchenpolizei II, 649. Vollstreckung-verträge II, 182. 403, 406, 542; II, 474, 610. Bielmännerei I, 31. Vollwort der Gencht-gemeinde Verwaltung von Kirchengut II,' Lierendeele I, 176. I, 179. 954, 971. Vifgage I, 818. Voluntary transfer I, 820. Verwaltung-gemeinschaft I, 255, Vigens ecclesiae disciplina II, Voraus I, 741. 256. 917. Voraussetzung I, 704. BerwaltungsgerichtSbarkeit II, Vigilanzpflicht des Dechselgläu- Borbann de- Grafen I, 204. Vorbehalt für Landesrecht I, 764. 611, 729, 749. biaerS I, 1058. Berwaltung-gericht-gesetz II, 688,! Bikarrat de- Norden- II, 928. Vorbehalt-gut I, 536, 718. 748. Villeinage I, 881. BorbehaltSurteil II, 153, 194. Versicherungsbeiträge (Kranken­> vers.) II, 778. Versicherungsbetrug II, 806. Versicherung-geschäft I, 686. Versicherung-geschäfte I, 983. Versicherung-gewerbe I, 899. BerstcherungSpflichr II, 768, 771,,

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Namen- und Sachregister.

Borbenutzung I, 634. Dahlobligation I, 364. Wechselreiterei I, 1042. Vorbereitender Schriftsatz IIH59, Wahlpfarre II, 962. Dechselschluß I, 1067. 80. Wahlrecht (Reichstag) II, 552. . Wechselstempel I, 1047. Vorbereitung des Verbrechens Wahlsystem II, 588. ! Dechselstrenge I, 1042. II, 267. Wahlverhinderung II, 318. i Wechselsumme I, 854, 1046. Lorderafien I, 77. Dahlverpflichtung I, 655. I «echseltheorie I, 1067. Boreid II, 122. Wahnsinn I, 297, 310, 321, 373. ; Wechselverjährung I, 1062. , »orerbschaft I, 554, 739. »ahnfinnige I, 405, 406, 417. , Wechselvindikation I, 1065. Borhypothek I, 357. Wahnverbrechen II. 265. Wedded huaband I, 838. Vorkaufsrecht I, 260: II, 1072. DährschaftSbücher I, 219. ; — wife I, 838. Vorläufig vollstreckbares Urteil Waifs I, 823. Wedderieginge I, 940. II, 167. Waisenversorgung II, 764, 806. «ege I, 319, 326. Vorläufige Festnahme II, 384,431. Waitz II, 496. Wegepolizei II, 649, 683. Vormerkung 1,487, 604: II, 199. Wakf I, 40, 577. Wegerecht I, 349, 351, 509. Vormundschaft I, 257, 287, 297, Walachei II, 995. Wegeservitut I, 350. 313, 396, 404, 405, 406, 533, Wald I, 494. Wegeoerbände II, 643, 712. 544, 570, 735,843,866,884; Waldgenofsenschaften II, 643. Wegzehrung II, 938. II, 34. Waldrechte I, 510. Wehrpflicht I, 225, 283. BormundschaftSgericht II, 214. Waldschutz I, 608. Wehrpflicht in den Kolonien II, Vormundschaftssachen II, 210, Waldeck-Pyrmont II, 958. 1109. 213. WaleS I, 844. Wehrpflichtflüchtiger II, 407. Vorparlament II, 495. Dali II, 1115. Weichbild I, 211, 219, 435, 436. Borpfändung II, 172. Walter I, 439. Weichsel II, 1012. Wandel I, 236. Vorprämiengeschäft I, 988. Weiderecht I, 207, 348, 350, 509. Vorsatz II, 264. Wandelgeschäft I, 988. Weihbischof II, 870, 930. Borfitz in der Hauptverhandlung Wandlung I, 673. Weihe II, 971. im M.Str.P. II, 435. Wandprotest I, 1056. Weihegrade II, 918. Want of reaaon I, 839. Borsprecher des Rechts I, 229. Weiheschar I, 28. Vorstand der Akt.-Ges. I, 953. i Ward of court I, 844. Weiheverhältnis I, 22. i Wardahip I, 813. — der Akt.-Kom.-Ges. I, 961. Weinkauf I, 525. I Ware I, §98, 901, 973. — der Genoff. I, 970. Weißer Papst II, 927. Weistum T, 211, 216, 218, 268. — der Ortskrankenkasse II, 773. Warenfälschung II, 315. Vorteil T. 350, 368, 890. ; Warengeschäft I, 982. Weitere Beschwerde (Fr. G.) II, Bortermin II, 56. 215. I Warenhandel I, 898. Bortragender Rat II, 645. Weiterveräußerung I, 901. I Warenpapier I, 977. Voruntersuchung 11,380,387,390. Warenumsatzgeschäft I, 901. Weiterverweisung (intern. P.R.) Vorverfahren 11, 387. II, 19. Warenzeichen I, 588, 916. Vorvertrag I, 369, 637. Welcker II, 487. - (ruff. R.) I, 876. i Welsh mortgage I, 818. Vorweisung von Sachen I, 706. Warf I, 179. Vorzugsrecht im Konkurs II, 181, Warrant I, 823, 998. Weltkaisertum I, 56 Votum consultativum, deci- Wartrecht 1, 260. Weltmonarchie 1, 183. sivum II, 930. Washington, 3 Regeln II, 1048. Weltpostverein II, 462, 1024. — in capitulo II, 855. Waffergebiet II, 1010. Weltrecht I, 75. — negativum II, 970. Waffergenoffenschaften II, 643. Weltstaat I, 75. — paupertatia, caatitatis, oboe- Wasserleitung I, 326. Weltftrafrecht II, 253. dientiae II, 933. Wer I, 176. Wasserpolizei II, 648. — aimplex (imped. mat.) II, 940. Wafferprobe I, 65. Wergeld I, 51, 60, 176, 180, — solenne, aimplex II, 983,941. Wafferrecht I, 349, 351, 436, 202 236. Werke der bildenden Künste 1,628. Vulgarrecht I, 185. 493, 766. Vulgata I, 158; II, 916. Werkvertrag I, 527, 683, 892. I — (franz. R.) I, 857. I Waste I, 833. Vulgathandschriften I, 169. - (ruff. R.) I, 880. ! Wasting the asseta I, 837. Wert I, 353, 355. Qtu. 369, QßQ 383, < Wechsel TI, AA 44, 354, Wertpapier I, 287, 356, 389, 478, 480, 902, 975. 387, 392, 976. 1031. Wächter I, 308; II, 9. — (consideration) I, 825. Wertrecht des Gläubigers am Wadia I, 248. — (engl. R.) I, 830. Schuldner I, 41. Wadiatio I, 524. Wertrechte I, 615. Wechselblankett I, 1049. Waffenruhe II, 1069. Wechselbürge I, 1035. Wesentliche Bestandteile I, 578. Waffenschlag I, 179. Weser II, 1012. Wechselehe I, 31. Waffenstillstand II, 1069, 1074. Wechselfähigkeit I, 1044. Westfalen II, 683, 694, 703, 963. Wages I, 831. Wechselform I, 1045. 964. — Attachement Abolition Act Wechselklage I, 1065. Westfälischer Friede I, 262, 271, I, 831. 277: II, 479, 886, 984, 989. Wechselklausel I, 1046. Wahlbestechung II, 318. Wechselkurs I, 1043. Westlake II, 11. Wahlfälschung II, 318. | Wechselordnung I, 274, 1037. Wettbewerbgenofsenschaften I, 46. Wahlkapitulation 1, 225. Wette I, 236, 388, 528. Wechselprozeß I, 384: II, 194. Wahlkonsuln II, 1033. i Wechselrecht (intern. P.R.) II, 29. Wettebücher I, 219.

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Namen- und Sachregister. Wharton II, 11. Wiclif II, 893. Widern II, 955. Widerklage I, 333; II, 84, 165. Widerlage I, 540. Widernatürliche Unzucht II, 310. Mderrechtlichkeit I, 372, 373. Widerruf I, 319. 335, 370, 386. Widerspruch I, 333,487; II, 163, 192. — (Grundbuch) I, 606; U, 199. Widerspruch-klage II, 177. Widerstand gegen die Staats» gewalt II, 319. Wiederaufnahme (Str.P.) II, 400. — (M.Str.P.) H, 445. • — (Jnvalidenvers.) II, 800. Wiedereinsetzung (Str.P.) II, 368. Wiederholung (LandeSvorbehaltrecht) I, 790. Wiener Frieden II, 1009. — Kongreß II, 482, 483, 984, 988, 989, 1012, 1037, 1059. — Konkordat II, 863, 874. — Reglement II, 1032. — Schlußakte I, 487; II, 483. Wiesbaden II, 678, 710. Wifes part I, 835. Wilderei II, 308. Wilhelm der Eroberer II, 847. — von Occam II, 861. Will I, 836. Wille I, 311, 321, 322, 336, 367, 368. «illebrief I, 221, 224. Willenserklärung 1,321,823,324, 370. Willensfreiheit I, 9, 57, 310. Willkür bricht Stadtrecht 1,446. Willküren I, 218. Windprotest I, 1057. Windfcheid I, 311, 323,377,380, 386, 420, 427, 563, 565, 704. Winkelbörsen I, 981. Dinkelkind I, 256. Wirtschaftliche Obligationen II, 1042. — Vereine I, 574. WisbyscheS Seerecht I, 1005. WiSmar H, 1012. Witan I, 799. Witenagemotes I, 796. Wittige I, 191. Wittum I, 32, 254,255, 256, 540. Witu II, 1017. Witwe, arme I, 411. Witwenversorgung 1, 254; II, 764, 806. Wizzod I, 177. Wochenmärkte I, 981. Wöchnerinnenunterstützung II, 777. Wohlfahrtspflege II, 641. Wohlfahrtsstaat II, 640. Wohlwollende Neutralität II, 1058. Wohnort I, 376, 401.

Wohnsitz I, 464. Wohnung I, 403. WohnungSmietrecht I, 443. Wolf I, 4. DöllnerscheS Religionsedikt

1183

II,

Workmen I, 831. Workmens Compensation Act I, 831. Wormser Konkordat II, 842. Wounding I, 807, 833. Wreck I, 823. Writ de idiota inquirendo 1,844. — of certiorari II, 737. — of entry I, 822. — of habeaa Corpus I, 844. — of MandamuB n, 737. — of partition I, 820. — of right I, 822. — of special indorsement II, 192. Writ of Summons I, 806. Writs I, 800, 802, 806. Wucher I, 49, 50, 108, 265,365, 366, 639, 645; II, 306. — (russ. R.) I, 877. Wundbußen I, 216. Wundt fi, 455. WürderungSeid II, 126. Württemberg, Luth. Kirche II, —, StaatSkirchenhoheit II, 913. —, Verfassung II, 490. — LerwaltungSgerichtSbarkeit II, 753. Wüstung I, 180.

v Yearbooks I, 800. Yelverston’s Act I, 845.

s Zachariae I, 4. Zadruga I, 25. Zahlung I, 308, 357, 360, 371, 378, 380, 384. — einer Nichtschuld I, 375. Zahlungsbefehl II, 192. Zahlungsklausel I, 1047. Zahlungsregreß I, 1058. Zahlungstermin I, 376, 378. Zahlungsunfähigkeit I, 385; II,

Zahlung-versprechen I, 377, 385. Zahlungsverzug deS Aktionärs gum Zahn I, 59. darifyfttm I, 24. ar II, 981,997,1036,1083. I, 81, 273, 437, 438. c in den rechtsgeschäftlichen Formen I, 43. Zehnt I, 511; II, 832, 953. Zeichenrechte I, 476.

Zeichenrolle I, 916. Zeichnungsschein I, 947. Zeit der begangenen Handlung II, 257. — (Idealität der) I, 8. —, unvordenkliche I, 826. Zeitbestimmung I, 322, 323,451. Zeitlicher Geltungsbereich des Landesrecht- I, 782. Zeitliches »spl 1, 62. — HerrschafUaebiet der Straf­ gesetze II, 252. — Herrschaftsgebiet deS Straf­ prozeßrecht- II, 336. Zeitpacht I, 268. Zeitungsartikel, Autorrecht 1,627. ZeitunaStitel I, 588. Zelo oomus Dei II, 865. Zensur I, 95. Zenta n, 985. Zentralasien II, 1046. gentralpoli-ei II, 648. Zentralverwaltung (Frankreich) II, 723. gentumviralprozeß I, 111. Zenturiatkomitien I, 104, 106. Zerstücklung-befugnis I, 1070. Zession I, 329, 868, 666, 1050. — (engl. R.) I, 828. Zettelgeschäst I, 991. Zamm X 67, 324, 338, 384 ; fi, 121. Zeug -t II, 66. — « meß) II, 373. Zeug _ 297, 896, 400. Zins I, 48, 338, 364, 865, 379, 882, 400, 879. ZinseSzinS (Handelsrecht) I, 978. Zinsfuß I, 365, 366. — in den Kolonieen II, 1117. ZinSgut I, 184, 352. Zinspfand I, 45. ZinSsatzung I, 251. ZinSschein I, 701. ZinSverbot I, 360, 527; n, 843. ZirkumskriptionSbullen H, 876, 907. Zitiergesetz I, 149, 150, 152. Zivilehe I, 32. — in den Kolonieen II, 1118. Zivilkabinett II, 685. Zivilliste II, 577. Zivilobligation I, 372. Zivi^rozeß I, 95, 285,332,479; —, internst. P.R. II, 38. ivilstandSbeurkundung II, 642. ölibat II, 840, 921. olldelikte II, 324. ölle I, 121, 225.

I

ollgefetze, Schutzgebiete II, 1091. ollkriege II, 1051. ollparlament II, 507. ollpflicht der Gesandten II, 1031. ollverein II, 507. ollwesen in den Kolonieen II, 1110.

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Namen- und Sachregister.

Zoon politikon I, 56. Zorn 1, 321. KLehör I, 479, 579.

ZuständigkeitSvertraq II, 131. Zwangsvollstreckung I, 238,376, Zustand-rechte I, 310, 311, 312, 329, 476. weck (Strafe) I, 58. — (roman. Recht) I, 854. Zustand-verbrechen 11, 259. weckgedanke I, 62, 310. Zucht der Jugend I, 63. Zustellung I, 333; II, 65. r 68. bände II, 712. -strafe n, 278. — (Strafpr.) II, 383. I, 814, 419. Zustimmung I, 324, 403. recht II, 260. igr, ü verhängende I, 34. " 968. Zuwachs (8.=Ä.) II, 1015. iageschäft I, 910. Zuwendung 1, 324, 390. 4, 384, 391, 395. ikammersystem II, 580. Zwang I, 44, 322, 323, 335, ftung I, 61. weikampf 1, 67, 182, 203: II, 373, 393, 583: II, 1005. I, 60. 297. Zwangserziehung I, 570. 210, 235, 265. Aweiprämiengeschäft I, 988. Zwangsetatisierung II, 642. Zweischwertertheorie I, 55; 11, rechnung I, 378. ckbehaltungSrecht (loufm.) I, Zwan^-genofsen fchasten I, 315, SO. Zwingli H, 884, 895. ckchlag (Zwangsverst.) II, 176. Zwang-naturalisation II, 1019. Zwifchenbeschluß (Strafpr.) II, Müdigkeit de- Reich- für Zi- Zwang-rechte I, 636. Zwang-vergleich II, 185. vilrecht I, 564. Zwischenhandel I, 899. Zwischenurteil II, 129, 155. — de- Staat-Haupts zu völker­ Zwang-versicherung II, 768. Zwangsversteigerung I, 619; II, Zwischenverfahren (Strafpr.) II, rechtlichen Verträgen DL 1001. 170, 173, 1130. etz ll, 681. 389. esetz (Preußen) H, Zwang-verwaltung I, 619; II, Zwölf Tafeln I, 96, 343, 25, 176, 1130. 426.

Piereriche Hofbuchdruckerei Ltevhan Geibel & Eo. in Altenburg.