Einführung in die höhere Mathematik und ihre Anwendungen: Ein Hilfsbuch für Chemiker, Physiker und andere Naturwissenschaftler [5. Aufl. Reprint 2018] 9783111322865, 9783110980691


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German Pages 421 [428] Year 1969

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VORWORT ZUR 5. AUFLAGE
INHALT
I.Teil. Funktionen einer Veränderlichen
1. Abschnitt. Differentialrechnung
2. Abschnitt. Integralrechnung
II. Teil. Funktionen zweier Veränderlichen
Anhang
Namen- und Sachregister
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Einführung in die höhere Mathematik und ihre Anwendungen: Ein Hilfsbuch für Chemiker, Physiker und andere Naturwissenschaftler [5. Aufl. Reprint 2018]
 9783111322865, 9783110980691

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ARBEITSMETHODEN DER MODERNEN NATURWISSENSCHAFTEN

Einführung in die höhere Mathematik und ihre Anwendungen Ein Hilfsbuch für Chemiker Physiker und andere Naturwissenschaftler Von

E. A S M U S Dr. phtl. habll., Dlpl.-lng. o. Professor an der Techn. Universität Berlin

ff. Auflage

Mit 184 Abbildungen im Text

W VLTER

DE G R U Y T E R

& CO.

vormals G J. Göschen'sche V e r l a g s h a n d l u n g — J. G u t t e n t a g , Verlagsb u c h h a n d l u n g — Georg R e i m e r — Karl J. T r ü b n e r — Veit & Comp.

Berlin 1960

© Copyright 1952, 1959, 1963, 1998 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Kelmer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin W SO — Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung vorbehalten. — Archiv-Nr. 5280681 — Printed in Germany Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 — Druck: W . Hildebrand, Berlin 65

VORWORT ZUR 5. AUFLAGE Das Bändchen „Einführung in die höhere Mathematik und ihre Anwendungen" der Buchreihe „Arbeitsmethoden der modernen Naturwissenschaften" ist in den Nachkriegsjahren als Niederschlag einer Vorlesung entstanden, die ich seinerzeit in Marburg für Naturwissenschaftler, vorwiegend Chemiker, gehalten habe. Die Studierenden der Chemie hatten damals — und auch heute ist es nicht wesentlich anders — in ihrer überwiegenden Mehrzahl kein ausgeprägtes Interesse für abstrakt mathematische Problemstellungen. Sie waren und sind daher auch fast nie dazu zu bewegen, ausdauernd eine rein mathematische Vorlesung zu'besuchen, obgleich sie zum Studium der physikalischen Chemie über gewisse mathematische Kenntnisse verfügen müssen. Als Folge der geringen Beschäftigung mit mathematischen Fragen ergibt sich stets ein mangelhaftes Verständnis der auf mathematischer Grundlage aufgebauten physikochemischen Vorlesungen und damit wiederum eine ungenügende Vertiefung in denjenigen Zweig der Chemie, der das eigentliche Rückgrat aller chemischen Disziplinen ist. Diesem Übelstande abzuhelfen, war das Ziel von Vorlesung und Buch. Ich war damals der Meinung und vertrete sie auch heute noch, daß die Einführung in die mathematische Behandlung naturwissenschaftlicher Fragen beim Chemiestudenten frühzeitig in den ersten Semestern geschehen soll und sehr behutsam vorgenommen werden muß. Vor allem darf, was vielfach übersehen wird, nie abstrakt mathematisch vorgegangen werden; stets muß das naturwissenschaftliche Problem, die praktische Anwendung

VI

Vorwort zur 5. Auflage

der Rechnung, Ausgangspunkt der Einführung in die höhere Mathematik für Chemiker sein. Eine gewisse fast episch anmutende Breite der Darstellung und mehrfach wiederholte Anwendung desselben mathematischen Gesetzes auf verschiedene physikalischchemische Probleme ist nach meinen Erfahrungen empfehlenswerter als eine knappe Abfassung des Inhaltes. Das gilt sowohl für eine Vorlesung als auch für ein einführendes Buch, das dem Studenten helfen soll, den Weg von der Schulmathematik zur mathematischen Behandlung naturwissenschaftlicher Fragen zu finden. Die Breite der Darstellung hat notwendigerweise zur Folge, daß die Einführung inhaltlich einen gewissen engen Rahmen nicht überschreiten darf. Ich bin mir dessen vollauf bewußt, daß es sich vom Standpunkt des Mathematikers nicht immer um eine erschöpfende und in mathematischem Sinne korrekte Darstellung handeln kann. Die didaktische Erfahrung und die Kenntnis der Mentalität der Chemiestudenten zwingen aber zu einer Kompromißlösung. Die inzwischen erforderlich gewordenen neuen Auflagen dieses Buches mögen als eine gewisse Rechtfertigung für die Art, in der ich dem jungen Chemiker die Notwendigkeit der Beschäftigung mit mathematischen Fragen beizubringen versuche, gelten. Es wäre sehr erfreulich, wenn das Buch mithelfen würde, die bei fast allen Chemiestudenten vorhandene Reserviertheit gegenüber der Mathematik zu beseitigen und die Interessierteren zum Besuch mathematischer Vorlesungen und zum Studium rein mathematischer Bücher anzuregen. Daß auch der Physiker, der natürlich eine weit tiefergehende mathematische Ausbildung, als es beim Chemiker der Fall ist, erhalten muß, unter denjenigen, für die das Buch gedacht ist, im Buchtitel gesondert erwähnt ist, hat einen besonderen Grund. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß der Durchschnittsstudierende der Physik kein besonderes Interesse für chemische Fragen auf-

Vorwort zur 5. Auflage

VII

bringt. Ja, er neigt sogar dazu, die Chemie als eine nicht exakte Probierwissenschaft anzusehen, deren ausschließliches Ziel es ist, nach empirischen Vorschriften Präparate herzustellen oder Analysen durchzuführen. Aber gerade der Physiker sollte sich viel mehr der Schwesterwissenschaft zur Verfügung stellen, denn er kann durch seine tiefergehenden mathematischen und physikalischen Kenntnisse befruchtend auf die Arbeit des Chemikers wirken und ihm durch Hineintragen physikalischer Methoden in die chemische Arbeit helfen. Daher ist es ein weiteres Anliegen des Buches, den jungen Physiker für die Beschäftigung mit chemischen Problemen zu gewinnen, indem es ihm gewissermaßen im Vorbeigehen zeigen will, daß die Chemie viele Probleme kennt, die auch für den Physiker interessant sein können. Seit dem Erscheinen der 1. Auflage ist eine Anzahl von Jahren vergangen. Wie nicht anders zu erwarten war, fanden die Kritiker des Buches, je nachdem, ob es sich um Praktiker oder Theoretiker, Chemiker oder Mathematiker handelte, entweder Worte des Lobes und der Anerkennung oder auch in Einzelfällen Ausdrücke der Ablehnung. Da ich meine Ansichten über didaktische Fragen nicht geändert habe, hielt ich es für richtig, im wesentlichen auch bei der 5. Auflage an der ursprünglichen Fassung des Buches festzuhalten. Berlin, im Sommer 1968 E. Asmus

IX

INHALT I.Teil. Funktionen einer Veränderlichen

1

1. Abschnitt. Differentialrechnung

1

1. K a p i t e l . A l l g e m e i n e s ü b e r F u n k t i o n e n u n d i h r e D a r stellung 1. Der Funktionsbegriff 2. Darstellung von Funktionen 2. K a p i t e l . Die w i c h t i g s t e n F u n k t i o n s t y p e n A. Potenzfunktionen 3. Die Konstante 4. Die Proportionalität 5. Die lineare Funktion 6. Die Parabeln y = xn 7. Der Begriff des Differentialqotienten 8. Einige Differentiationsregeln 9. Das Differential 10. Umkehrfunktionen und Umkehrregel

21 21 21 24 28 33 34 42 47 50

11. Die Funktionen vom Typus y = ^ 12. Die Kettenregel 13. Extremwert- und Wendepunktsbestimmung 14. Graphische Differentiation

3 3 5

55 . . . .

64 71 90

B. Die 15. 16. 17.

Logarithmusfunktion 92 Darstellung u. Differentiation der Logarithmusfunktion 92 Logarithmische Papiere 98 Der logarithmische Bechenschieber 108

C. Die 18. 19. 20.

Exponentialfunktion Darstellung u. Differentiation der Exponentialfunktion Produkt- und Quotientenregel Die negative Exponentialfunktion

118 118 123 128

x

Inhalt 21. Die Punktion y = e~ * 22. Die Funktionen y = e~x' und y = x''e~x' 23. Die Hyperbelfunktionen

139 147 156

D. Die Kreisfunktionen 160 24. Darstellung und Differentiation der Kreisfunktionen 160 25. Zyklometrische Funktionen als Umkehrung der Kreisfunktionen 165 3. K a p i t e l . N ä h e r u n g s v e r f a h r e n zur A u f l ö s u n g Gleichungen 26. Das Newtonsche Näherungsverfahren 27. Das Iterationsverfahren

von 167 171 175

4. K a p i t e l . R e i h e n d a r s t e l l u n g von F u n k t i o n e n . . . 179 28. Der Begriff der Potenzreihe 180 29. Die Mac Laurin-Reihe 184 30. Die Taylor-Reihe 186 31. Konvergenz und Divergenz von Reihen 188 32. Das Rechnen mit Reihen 189 33. Die binomische Reihe und das Rechnen mit kleinen Größen 193 5. K a p i t e l . U n b e s t i m m t e A u s d r ü c k e 34. Begriff des unbestimmten Ausdrucks 35. Auswertung unbestimmter Ausdrücke 2. Abschnitt. Integralrechnung

199 199 202

.

209

1. K a p i t e l . Allgemeines über D i f f e r e n t i a l g l e i c h u n g e n und den I n t e g r a l b e g r i f f 36. Etwas über Differentialgleichungen 37. Das unbestimmte Integral 38. Das bestimmte Integral und sein Zusammenhang mit dem unbestimmten

223

2. K a p i t e l . I n t e g r a t i o n s m e t h o d e n 39. Grundintegrale 40. Die Substitutionsmethode 41. Partielle Integration 42. Integration durch Partialbruchzerlegung 43. Näherungsweise Auswertung von Integralen

239 239 254 266 275 281

. . . .

211 211 217

Inhalt 3. K a p i t e l . G r a p h i s c h e , n u m e r i s c h e u n d m e c h a n i s c h e Integralauswertung 44. Mechanische Methoden zur Auswertung bestimmter Integrale 45. Numerische Näherungsmethoden zur Auswertung bestimmter Integrale 46. Ermittelung der Stammfunktion durch mechanische und numerische Methoden 47. Ermittelung der Stammfunktion durch graphische Integration Ii. Teil. F u n k t i o n e n z w e i e r V e r ä n d e r l i c h e n 1. K a p i t e l . D a r s t e l l u n g v o n F u n k t i o n e n zweier Veränderlichen 48. Analytische und tabellarische Darstellung 49. Geometrische Darstellung im räumlichen rechtwinkligen Koordinatensystem 50. Darstellung durch eine Netztafel 51. Darstellung durch eine Fluchtlinientafel 2. K a p i t e l . D i f f e r e n t i a t i o n 52. 53. 54. 55.

Partielle Differentiation und das totale Differential Höhere partielle Differentialquotienten Ermittelung von Extremwerten Ausgleichsrechnung nach der Methode der kleinsten Quadrate

3. K a p i t e l . I n t e g r a t i o n

XI 287 289 293 300 304 309 311 311 315 321 326 341 341 353 356 359 365

56. Das vollständige und das unvollständige Differential 365 57. Integration eines vollständigen Differentials . . . . 370 58. Integration eines unvollständigen Differentials . . 376 A n h ä n g : Aufgaben Lösungen

385 391

Namen- und Sachregister

401

I.

T E I L

FUNKTIONEN EINER VERÄNDERLICHEN 1. A B S C H N I T T

DIFFERENTIALRECHNUNG

A s m u s , Einführung in die höhere Mathematik.

1

1. K A P I T E L

Allgemeines über Funktionen und ihre Darstellung

1. Der F u n k t i o n s b e g r i f f Bei seiner Arbeit findet der Naturwissenschaftler immer wieder, •daß gewisse von ihm beobachtete Größen mit anderen zwangsläufig zusammenhängen. Untersucht er z. B. die Dichte des Wassers, so wird er feststellen, daß sie von der Temperatur abhängt. Ändert der Experimentierende die Temperatur des Wassers willkürlich ab, so wird sich auch dessen Dichte als Folge davon ändern. Nicht immer ist es so. Vergeblich wird man z. B. nach einem Zusammenhang zwischen der Dichte des Wassers und der Luftfeuchtigkeit des Raumes, in dem die Versuche angestellt werden, suchen. Raumfeuchtigkeit und Dichte des Wassers sind miteinander nicht durch irgendeine Beziehung verknüpft. Hängen nun zwei Größen nach irgendeinem Gesetz voneinander ab, so sagt man, es bestehe zwischen beiden ein funktioneller Zusammenhang oder auch, daß die eine Größe eine Funktion der anderen sei. In symbolischer Weise deutet man die Abhängigkeit der einen Größe von der anderen durch das Zeichen y = f(x) (gelesen: y ist eine Funktion von x) an, wobei y die eine Größe, etwa die Dichte des Wassers, x die andere, also z. B. seine Temperatur, und /( ) die Beziehung zwischen beiden andeuten sollen. Durch dieses Symbol ist selbstverständlich noch nichts Quantitatives über diese Beziehung ausgesagt, es ist nur qualitativ angedeutet, daß überhaupt eine Beziehung besteht. Die Aufgabe des Naturwissenschaftlers ist es, dieses abstrakte und nichtssagende Symbol durch eine konkrete mathematische, in Zahlen auswertbare Gleichung zu ersetzen. Während der Mathematiker mit Vorliebe seine beiden Verä n d e r l i c h e n oder V a r i - a b l e n , so nennt man die beiden Größen y I*

4

I. Teil.

Funktionen einer Veränderlichen

und x, gern mit den letzten Buchstaben des Alphabets bezeichnet, tut es der Naturwissenschaftler in der Regel nicht; er pflegt gewöhnlich als abkürzende Bezeichnung seiner Größen die ersten Buchstaben ihres deutschen, lateinischen oder griechischen Namens zu verwenden oder einen Buchstaben, der sich durch historische Überlieferung eingebürgert hat. Die Beziehung zwischen Dichte und Temperatur würde er vielleicht als d = f(t) oder, wie es nach der Empfehlung des A E F . (Ausschuß für Einheiten und Forme?großen) heute meistens geschaht, f ls g ~ f(t) schreiben. Einzelne Buchstaben werden nun in den verschiedenen Gebieten der Chemie und Physik immer wieder für dieselben Größen verwendet, und es ist erforderlich, sich diese Bezeichnungen zu merken. Die Größen y und x nennt man, wie bereits erwähnt, die Veränderlichen oder Variablen und spricht von x als der unabhängigen und y als der abhängigen Variablen. Diese Bezeichnung kann leicht zu Irrtümern Anlaß geben insofern, als man vermuten könnte, beide Größen ständen zueinander im Verhältnis von Ursache (x) und Wirkung (y). Wohl ist bei unserem Beispiel die Dichteänderung des Wassers die Folge der Temperaturänderung; verfolgen wir jedoch die Dichte q einerseits und die Zähigkeit rj des Wassers andererseits, so finden wir, daß auch zwischen diesen ein funktioneller Zusammenhang besteht, rj = F(Q). Wir schreiben F, weil der Zusammenhang zwischen rj und p ein anderer ist als zwischen Q und t. Dieses Symbol bedeutet, daß mit einer Dichteänderung eine Zähigkeitsänderung verbunden ist. Das kommt aber nur daher, daß sowohl die Dichte als auch die Zähigkeit von der Temperatur abhängen. Wird also die Temperatur des Wassers geändert, so ändern sich rj und Q einzeln für sich nach bestimmten Gesetzen, und es besteht daher, gekoppelt über die gemeinsame Ursache, eine mathematische Beziehung zwischen der rj- und g-Änderung. So ist es auch müßig, zu fragen, ob in diesem Falle rj oder Q die unabhängige Variable sei. Hängt rj von Q ab, so wird auch umgekehrt Q von rj abhängen. Ob die eine oder die andere Veränderliche als abhängig bezeichnet wird, hängt lediglich von der Schreib- oder Darstellungsweise des funktionellen Zusammenhanges ab. Hängt eine Größe von einer einzigen anderen ab, so spricht man von der Funktion e i n e r unabhängigen Veränderlichen.

2. Darstellung von Funktionen

5

Es ist aber auch durchaus möglich, ja, sogar die Regel, daß eine Größe von mehreren anderen gleichzeitig abhängt. So ist z. B. das Volumen eines Gases von drei Größen abhängig: der Temperatur — das Volumen nimmt mit wachsender Temperatur zu —, dem Druck — es nimmt ab bei wachsendem Druck —, und der Molzahl —, mit der zusammen es wächst. Man sagt in einem solchen Fall, das Volumen sei eine Funktion dreier unabhängigen Veränderlichen. Mit dieser Art von Funktionen werden wir un3 erst im zweiten Teil des Buches befassen. 2. D a r s t e l l u n g von F u n k t i o n e n Es wurde bereits hervorgehoben, daß es u. a. das Ziel einer chemischen oder physikalischen Arbeit ist, den quantitativen zahlenmäßigen Zusammenhang zweier Größen zu ermitteln. Die Mathematik gibt uns nun die Hilfsmittel, diesen Zusammenhang in entsprechender Weise darzustellen und aus ihm Schlußfolgerungen verschiedener Art zu ziehen. Welche Darstellungsarten stehen uns für eine Funktion zur Verfügung ? Tabellarische Darstellung Eine der einfachsten Darstellungsarten ist die t a b e l l a r i s c h e . In Tab. 1 werden so z. B. Dichte und Temperatur des Wassers in ihrer Abhängigkeit dargestellt. Außer der Angabe der Zahlenwerte muß in der labe e t Tabelle bei der Darstellung von Größen, Q °c g/ml die eine Dimension besitzen (benannte Zahlen), diese enthalten sein. In unse0,99987 0,00 1,00 0,99993 rem Beispiel sind die Temperatur2,00 0,99997 angaben in Celsiusgraden gemacht, die 3,00 0,99999 Dichteeinheit ist das Gramm im Milli4,00 1,00000 liter. 5,00 0,99999 6,00 0,99997 Die Darstellung einer Funktion durch 7,00 0,99993 eine Tabelle ist äußerst unübersicht8,00 0,99988 lich. Es ist nicht möglich, durch einen 9,00 0,99981 Blick auf diese die speziellen Eigen10,00 0,99973

6

I. Teil. Funktionen einer Veränderliehen

Schäften der Funktion zu erkennen. Wenn es sich aber um eine empirische Funktion handelt, also eine solche, deren Eigenschaften durch naturwissenschaftliche Versuche erst erforscht werden sollen, so wird in fast allen Fällen die Tabelle der Beobachtungswerte Ausgangspunkt aller weiteren mathematischen Überlegungen sein. Die Tabelle enthält nur eine begrenzte Zahl von Wertepaaren. Das bedeutet jedoch z. B. nicht, daß das Wasser nur bei 0°, 1°, 2° usw. eine Dichte besitzt, sondern, daß bei dem durch die Tabelle dargestellten Versuch nur für diese Temperaturen die Dichte bestimmt oder ausgerechnet wurde. Auch für alle Zwischentemperaturen besitzt das Wasser eine meßbare Dichte. Ein solches Verhalten zeigen jedoch nicht alle Funktionen. Graphische Darstellung Das rechtwinklige. Koordinatensystem. Wesentlich übersichtlicher als eine Tabelle ist die graphische Darstellung einer Funktion. Am gebräuchlichsten ist dabei die Darstellung durch eine P Kurve in einem KoordiJ J i n a t e n s y s t e m , und von 2 •t diesen ist wiederum ein rechtwinkliges oder ¿artesisches Koordi1 _: & ) • X natensystem das weitaus ' j übliche. M i7 -2 Zwei senkrecht zueinander gezeichnete Geraden, die sogenannten Koordinatenachsen, Fig. 1. Rechtwinkliges Koordinatensystem teilen die Zeichenebene in die vier Quadranten I, II, I I I und IV. Von ihrem Schnittpunkt, dem Koordinatenursprung 0 aus, werden auf den Achsen, der waagerechten Abszissenachse und der senkrechten Ordinatenachse, Teilungen angebracht, wie es die Fig. 1 zeigt. Ein Punkt P wird in seiner Lage in einem rechtwinkligen Koordinatensystem durch Angabe seiner Abszisse (»-Koordinate)

2. Darstellung von Funktionen

7

und seiner Ordinate («/-Koordinate) bestimmt. So hat der gezeichnete Punkt die Koordinaten x = 4 und y — 3. Der Punkt P repräsentiert damit ein Wertepaar. Liegt nun eine Funktion als Tabelle vor, so läßt sich diese Funktion durch eine Kurve derart darstellen, daß man die in der Tabelle zusammengehörenden Wertepaare durch Punkte in einem Koordinatensystem darstellt und dann diese Einzelpunkte durch eine glatte Tabelle 2

0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 35,0 40,0

4,6 6,5 9,2 12,8 17,5 23,8 31,8 42,2 55,3

Kurve verbindet. So geschah es in Fig. 2 für die in Tab. 2 dargestellteFunktion ,

,, S ä t t i g u n g s d a m p f d r u c k . «Ii.. . TTT

Fi

S- 2 - Sättigungsdampfdruck des Wassers als Funktion der Temperatur

des Wassers in Abhangigkeit von der Temperatur". Wenn man die einzelnen Punkte, wie gezeichnet, miteinander verbindet, so drückt man damit stillschweigend aus, man n ä h m e a n , daß zwischen den gezeichneten (bei einem Versuch beobachteten) Punkten der Kurvenverlauf wirklich der dargestellte sei. Zu dieser Annahme muß man natürlich berechtigt sein. So zeigt Fig. 3 den Verlauf der Strahlungsintensität als Funktion der Wellenlänge bei einer mit 35 kV betriebenen Röntgenröhre mit Molybdän-Antikathode. Hätte man nur die durch kleine Kreise gekennzeichneten Intensitätswerte gemessen, so würde man wahrscheinlich unbedenklich den gestrichelt gezeichneten Kurven-

8

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

verlauf als richtig annehmen und damit ein vollkommen falsches Bild von der Intensitätsverteilung im Spektrum erhalten. Eine gezeichnete Kurve läßt mit einem Blick alle wesentlichen Eigenschaften der dargestellten Punktion im gezeichneten Gebiete erkennen. Man sieht sofort, daß der Dampfdruck des Wassers mit steigender Temperatur ebenfalls wächst, und zwar beschleunigt. Zur Darstellung einer Funktion durch eine Kurve im rechtwinkligen Koordinatensystem verwendet man aus Bequemlichkeitsgründen das sogenann te Millimeterpapier, ein Blatt Papier, das mit einem Netz von quadratischen, 1 mm 2 großen Maschen bedruckt ist, wobei jede fünfte Linie durch etwas stärkeren, jede zehnte durch fetten Druck hervorgehoben ist. Man erkennt das Netz in der Fig. 2. Die Wahl des Maßstabes auf den Koordinatenachsen ist beliebig. Man wählt ihn so, daß der ganze darzustellende Funktionsbereich auf einem Blatt Fig. 3 bestimmten Formates gerade Platz hat. Aus Zweckmäßigkeitsgründen wird man dabei die Einheitslänge, also die Strecke, die die Einheit (1 Grad, 1 Torr usw.) darstellt, nicht gerade 7,3 mm (oder sonst irgendeine unbequeme Zahl), sondern 10, 20, 50 oder 100 mm lang wählen. Die in Fig. 2 dargestellte Funktion p = f(t) ist so gezeichnet, daß der Abszissen- und Ordinatenmaßstab gleich sind. 2 mm bedeuten 1° C bzw. 1 Torr. Es ist natürlich nicht notwendig, auf beiden Achsen gleiche Maßstäbe zu wählen, auch ist es für die Übersichtlichkeit der graphischen Darstellung oft von Vorteil, nicht das ganze Koordinatensystem oder nur wenigstens einen ganzen Quadranten, sondern lediglich einen Ausschnitt aus einem solchen darzustellen,

2. Darstellung von Funktionen

9

d. h. die Zählung auf den Koordinatenachsen nicht mit Null zu beginnen. Als Beispiel für einen solchen Fall möge die in Tab. 1 dargestellte Funktion Q = f ( t ) dienen. Würden wir hier gleiche Maßstäbe verwenden und würden wir auf der Abszisse 1 Grad durch eine Strecke von 1 cm darstellen, so müßten wir entsprechend auf der Ordinatenachse für lg/ml die Strecke 1 cm wählen. In diesem Falle würde man aber die Kurve gar nicht in ihren Einzelheiten zeichnen können, da die Dichtewerte sich im dargestellten Bereich nur höchstens um drei Stellen der vierten Dezimalen

Fig. 4. Dichte des Wassers als Funktion der Temperatur

ändern, was einer Längenänderung der Ordinaten von 0,003 mm entspricht. Daher wird man den Maßstab von vornherein so festlegen, daß er auf der Ordinatenachse um ein Vielfaches größer ist als auf der Abszissenachse. Wir machen ihn 20000mal größer; die Dichte 1 g/ml soll also durch die Strecke von 200000 mm = 200 m dargestellt werden. Da nun aber die ganze Dichteänderung sich doch nur in einem kleinen Bereich abspielt, wäre es unsinnig, eine 200 m lange Ordinatenachse zu zeichnen; wir lassen daher bei der Zeichnung alle Werte unterhalb o = 0,99970 g/ml fort und stellen unsere Funktion so dar, wie es Fig. 4 zeigt. Die Darstellung einer Funktion durch eine Kurve hat gegenüber der tabellarischen den Vorteil, daß man an der Zeichnung, soweit es natürlich die Zeichengenauigkeit zuläßt, jedes beliebige Werte-

10

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Fig. 5 R®gistrierstreifen mit gekrümmten Ordinaten

Fig. 6. Darstellung einer Funktion durch die Trennlinie zweier Felder

2. Darstellung von Funktionen

11

paar ablesen kann, was bei der Tabelle, die für diskrete Werte aufgestellt ist, nur durch ein Sonderverfahren (die Interpolation) möglich ist. Diesen in der Kontinuität der Aufzeichnung liegenden Vorteil macht man sich zunutze bei der Aufzeichnung von Funktionen durch automatisch arbeitende Geräte. Vor allem in der Großindustrie gibt es solche Apparate, die bestimmte Wertepaare selbsttätig messen und auf einem Registrierstreifen mechanisch oder photographisch in Kurvenform festhalten. Fig. 5 zeigt einen Ausschnitt aus einem solchen Registrierstreifen, bei dem die Temperatur von Ammoniakwasser in Abhängigkeit von der Zeit dargestellt ist, wobei als eine Besonderheit hervorgehoben werden muß, daß das Koordinatensystem nicht rechtwinklig ist. Die Ordinatenachse ist, bedingt durch die Konstruktion des Meßgerätes, keine Gerade, sondern ein Teil eines Kreisbogens. Bei automatisch registrierenden Apparaten braucht die Funktion nicht unbedingt durch eine gezeichnete Kurve dargestellt zu werden. Bei dem Gasdichteschreiber, einem Gerät für die technische Gasanalyse, wird der zu registrierende Wert als senkrechter Strich auf dem auf einer Trommel befestigten Registrierstreifen aufgezeichnet. Nach kurzer Zeit dreht sich die Trommel ein wenig und nun wird neben dem ersten Strich ein zweiter gezogen, dessen Länge ein Maß für die Dichte des untersuchten Gases zu diesem Zeitpunkt ist. So reiht sich Strich an Strich und schließlich überdecken diese fortlaufend einen Teil der Papierfläche. Nimmt man nach 24 Stunden den Registrierstreifen ab, so hat er das in Fig. 6 teilweise dargestellte Aussehen. Hier wird also die untersuchte Funktion durch die Trennlinie des schwarzen und weißen Teilfeldes wiedergegeben. In einem Koordinatensystem können auch gleichzeitig mehrere Kurven dargestellt werden, z. B. dann, wenn zwei Größen von einer dritten abhängen. So kann man Dichte und Zähigkeit des Wassers als Funktion der Temperatur darstellen, wie es Fig. 7 zeigt. Die Ordinatenachse muß in einem solchen Falle natürlich eine doppelte Teilung aufweisen. Diese Darstellungsart wird dann gewählt, wenn es sich darum handelt, festzustellen, ob die beiden zu untersuchenden Größen gewisse Parallelerscheinungen in ihrem Gang aufweisen. Lediglich aus Raumersparnis sollte man nie

12

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

mehrere Kurven in dasselbe Achsenkreuz einzeichnen, da sonst die Übersichtlichkeit stark leidet. Einen anderen Fall, bei dem ebenfalls mehrere Kurven in einem Koordinatensystem eingezeichnet sind, zeigt Fig. 8. Die Kurven stellen die Löslichkeit von Na2[Sn(OH)6] (nach R e i f f ) in Wasser und Natronlauge verschiedener Konzentration als Funktion der Temperatur dar. Durch eine solche Kurvenschar wird einerseits

0

5

fO

/5

20

25 °C

Fig. 7. Dichte und Zähigkeit des Wassers als Funktion der Temperatur

gezeigt, wie sich die Löslichkeit mit der Temperatur ändert, andererseits aber auch, wie sie mit wachsender Konzentration der Natronlauge abnimmt. Jede Kurve gilt für einen bestimmten Prozentgehalt p der Natronlauge. Man nennt eine solche Größe, die für alle Punkte einer Kurve konstant ist, jedoch von Kurve zu Kurve sich ändert, den P a r a m e t e r der Kurvenschar. Unstetige und mehrdeutige Funktionen. Die im vorstehenden besprochenen Funktionen waren s t e t i g e Funktionen. Sie konnten durch eine Kurve dargestellt werden, die in einem Zuge, ohne Absetzen des Bleistiftes zeichenbar war. Es bedarf aber wohl kaum

2. Darstellung von Funktionen

13

eines besonderen Hinweises darauf, daß diese Eigenschaft nicht das strenge mathematische Kriterium der Stetigkeit ist. Der Naturwissenschaftler hat es in der Regel mit stetigen Funktionen zu tun. Tritt bei ihm in einer Kurve eine Unstetigkeit auf, so bedeutet das stets, daß bei dem untersuchten Körper etwas los/ichkeif vonNaJSndty] fffl soo

300

200-

•5%NaOH m/taOH mtooH '25% NaOH

-30% Na OH 0 10 To 720 °Ct Fig. 8. Graphische Darstellung einer Kurvenschar

Besonderes geschehen ist. Als Beispiel sei die unstetig verlaufende Kurve für die spezifische Wärme der Verbindung Ag 2 [HgJ 4 ] angeführt (Fig. 9). Bei 50,7° C tritt eine Umwandlung der gelben Modifikation des Salzes in die rote ein, und dieser Prozeß macht sich durch einen Sprung in der Kurve bemerkbar. Wir hatten bis jetzt stillschweigend angenommen, daß jedem Wert der unabhängigen Variablen nur ein einziger Wert der abhängigen Veränderlichen entspricht, daß wir es also mit sogenannten e i n d e u t i g e n Funktionen zu tun haben. Die reine Mathematik kennt eine große Zahl von m e h r d e u t i g e n Funktionen,

14

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

also solchen, bei denen zu einem «-Wert gleichzeitig mehrere y-Werte gehören. In der Praxis der Chemie und. Physik treten

der spezifischen Wärme von Ag 2 [HgJ 4 ]

Fig. 10. Bild einer mehrdeutigen Funktion. Mischbarkeit von Anilin und Wasser als Funktion der Temperatur

mehrdeutige Funktionen im allgemeinen nicht auf. Bei Funktionen, die mehrdeutig aussehen, wird sich die Mehrdeutigkeit vielfach durch eine andere Auffassung der Funktion beheben lassen. Fig. 10 zeigt einen solchen Fall.

2. Darstellung von Funktionen

15

Mischt man Wasser und Anilin, so läßt sich bei 80° C eine homogene Mischung so lange herstellen, bis der Anteil des Anilins 5 , 5 % nicht überschreitet. Nimmt man mehr Anilin, so ist eine einzige homogene Phase nicht zu erzielen, es sei denn, daß der Anteil des Anilins 9 3 , 5 % überschreitet. Mischungen, die noch mehr Anilin

las/ic/ikeit von Ci/SO.\ -5ff2 0

100 °C löslichkeit yonCuSOfSHaO mnommm fo 20 30

g/toogtttf

W 50 60 70 60 90 fOO °C

Fig. 11. Entstehung einer Funktionsleiter

enthalten, sind wieder homogen. Es gibt also beim System H 2 0-C 6 H 6 NH 2 eine untere und eine obere Grenze der homogenen Mischbarkeit. Diese Grenzen verschieben sich nun mit der Temperatur. Bei 167° C, der sogenannten kritischen Lösungstemperatur, hat die gezeichnete Kurve ihren weitest nach rechts gelegenen Punkt. Die Mehrdeutigkeit dieser Funktion verschwindet, wenn wir sie aus zwei Ästen zusammengesetzt denken. Der

16

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

obere Ast kann aufgefaßt werden als Löslichkeitskurve für Wasser in Anilin, der untere als Löslichkeitskurve von Anilin in Wasser. Beide Teilkurven treffen sich im kritischen Punkt und gehen mit stetiger Krümmung ineinander über. Die Funktionsleiter. Eine besondere Art der graphischen Darstellung einer Funktion, die sich aus der Darstellung in rechtwinkligen Koordinaten herleiten läßt, ist die sogenannte F u n k t i o n s l e i t e r . Begriff und Handhabung der Funktionsleiter lassen sich am einfachsten an einem Beispiel erklären. Die Löslichkeit von kristallisiertem Kupfersulfat, CuS0 4 • 5H 2 0, in Wasser nimmt stark mit wachsender Temperatur zu, so wie es Fig. 11 zeigt. Unterhalb der Abszissenachse ist auf einer parallelen Geraden die Teilung der Abszissenachse noch einmal aufgetragen. Überträgt man nun die Teilung der Ordinatenachse in der dargestellten Weise über die Kurve auf diese Gerade, so erhält man zwei nebeneinander liegende Skalen die gemeinsam eine Darstellung der F.unktion sind. Auf dieser Doppelskala, der Funktionsleiter, stehen sich jeweils zwei zu einem Wertepaar gehörende Zahlen gegenüber. So liest man z. B. ab, daß bei 55° C die Löslichkeit des Kupfersulfats 73 g Salz in 100 g Wasser beträgt. Während die eine Skala (609 = 0 P P \ ' P I In vielen Fällen ist eine implizite Punktion gar nicht explizit darstellbar, so daß eine tabellarische Darstellung nicht möglich ist. Die expliziten Funktionen sind demnach für den Naturwissenschaftler die weitaus wichtigeren und auch angenehmeren. Leider sind die impliziten nicht ganz zu umgehen, da man auf diese Funktionsart gelegentlich durch theoretische Überlegungen geführt wird. Die analytische Darstellung einer Funktion ist nicht anschaulich, und es wird meistens das Bestreben des Praktikers sein, von der analytischen • zur graphischen Darstellung überzugehen. Das kann auf dem Umweg über die tabellarische Darstellung geschehen. Dieser Umweg läßt sich, vor allem, wenn es sich um eine qualitative Darstellung des Funktionsverlaufes handelt, vermeiden. Voraussetzung dafür ist, daß man die Eigenschaften einer gewissen Gruppe elementarer Funktionen kennt und diese Kenntnisse in geeigneter Weise auszunutzen versteht. Die Übersetzung der Gleichung in das Kurvenbild unter Umgehung der Tabelle muß natürlich geübt werden, was nicht im Rahmen dieses Buches geschehen kann. An passender Stelle soll jedoch kurz auf die diesbezüglichen Methoden hingewiesen werden.

2. K A P I T E L

Die wichtigsten Funktionstypen

A. Potenzfunktionen 3. Die K o n s t a n t e Die einfachste Funktion, die es gibt, ist die Konstante. Sie wird analytisch durch die Gleichung y= a gegeben. Da x in der Gleichung nicht vorkommt, hat y für jeden beliebigen Wert von x denselben Wert a. Die Funktion wird durch eine Parallele zur »-Achse im Abstände a dargestellt (Fig. 14). Diese Gerade besitzt weder Anfang noch Ende, sie ist unbegrenzt. Schon an dieser Eigenschaft erkennt man, daß y — a nur eine mathematische Abstraktion ohne einen physikalischen Sinn ist. Wohl kennt der Naturwissenschaftler Funktionen, die er als Konstanten bezeichnet, er sagt z. B., die Fig. 14. elektromotorische Kraft E eines AkBild einer Konstanten kumulators sei konstant und betrage 2 Volt, oder die Temperatur $ in einem Thermostaten sei konstant gleich 25° C. Im mathematischen Sinne handelt es sich aber nicht um Konstanten, denn der Akku war ja nicht seit aller Ewigkeit geladen, und er behält auch seine Spannung nicht unbegrenzt iange Zeit. Auch der Thermostat mußte einmal angeheizt werden und wird zu gegebener Zeit wieder außer Betrieb gesetzt. Der tatsächliche Verlauf der letzteren Zeitkurve sieht vielleicht so aus (Fig. 15).

22

I. Teil. Funktionen einer Veränderliehen

Der Thermostat, der mit kaltem Wasser gefüllt ist, hat vielleicht zunächst eine Temperatur von 10° C, wird dann auf 25° aufgeheizt, hält diese Temperatur konstant, um nach dem Abschalten wieder abzukühlen. Und wenn wir sagen, # sei konstant, so meinen wir damit, daß die wahre, ausgezogen gezeichnete Funktion während der uns interessierenden Zeitdauer, die in Fig. 15 durch zwei Pfeile angegeben ist, durch ein Stück der mathematischen Konstanten ersetzt werden kann. Während dieser Zeit haben wir irgendeinen Versuch angestellt; welche Temperatur der Thermostat vorher und nachher besessen hat, ist für uns ohne Interesse. So ist es bei den Naturwissenschaftenfast immer. °C Man interessiert sich meist nur für einen speziellen 20 Ast oder einen Teil der mathematischen Kurve, weil nur dieser Teil eine 10 physikalische oder chemit sehe Bedeutung hat. Wir 5 Sfö. w e r d e n solchen Beispielen später noch begegnen. Fig. ]5. Temperatur in einem Thermostaten als Funktion der Zeit

«,

TT

A b e r

. • f 0 0 ? 1 , e m werterer

Unterschied besteht zwischen der Ausdrucksweise eines Mathematikers und eines experimentell arbeitenden Chemikers oder Physikers. Folgendes Beispiel möge das erläutern. Ein Thermostat, der über Stunden oder Tage die Temperatur konstant halten soll, besitzt nie eine wirklich unveränderliche Temperatur. Infolge seiner Konstruktion schwankt vielmehr seine Temperatur in einem engen Bereich von vielleicht einigen tausendstein Grad periodisch um den eingestellten Temperaturwert, so wie es Fig. 16 anschaulich zeigt. Diese Schwankungen können beobachtet werden, wenn man zur Temperaturmessung ein B e c k mann-Thermometer mit einer in tausendstel Grad geteilten Skala verwendet. Nimmt man jedoch nur ein die Zehntelgrade anzeigendes Thermometer, so wird man von den Schwankungen nichts bemerken und den konstanten Temperaturwert 25,0° C messen.

3. Die Konstante

23

Während also der Mathematiker nur die Fälle „konstant" oder „nicht konstant" kennt, ist für den Naturwissenschaftler noch der Zusatz „innerhalb der Meßgenauigkeit" von Bedeutung. Für den Praktiker, der mit einem Zehntelgradthermometer arbeitet, ist eben die Temperatur im Thermostaten (innerhalb seiner Meßgenauigkeit) konstant, auch wenn der Mathematiker hier anderer Meinung ist. Daher ist es für den Praktiker auch nicht dasselbe, ob z. B. als Ergebnis einer Temperaturmessung der Wert 25,00° oder 25° an-

°c 25,01 25,00 24,99 2H?8 0

1

2

3

min

Fig. 16. Schwankungen der Temperatur in einem Thermostaten

gegeben wird. Abstrakt mathematisch gesehen, sind beide Zahlenwerte zwar gleich, für den Praktiker bedeuten sie aber etwas total Verschiedenes. Die Zahlenangabe 25,00° sagt im Gegensatz zu 25° aus, daß die Zehntel- und Hundertstelgrade gemessen wurden und daß die Abweichungen vom angegebenen Wert nur in der letztangeschriebenen Dezimalen liegen können. Bei der zweiten Angabo wird also durch die Schreibweise angedeutet, daß bei der Temperaturmessung nur die ganzen Grade berücksichtigt worden sind. Hat man es mit größeren Zahlen zu tun, so wählt man gern die Zehnerpotenzschreiljweise, wenn man beim Anschreiben einer Zahl auch ihre Genauigkeit zum Ausdruck bringen will. So bedeutet 2,78 • 10s im Gegensatz zu 278000, daß die angegebenen Tausender nicht mehr ganz sicher sind, während man bei 278000 nur an der Richtigkeit der letzten Ziffer, der Einer, zweifeln darf.

24

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

4. D i e P r o p o r t i o n a l i t ä t Begriff und Darstellung L ä ß t man linear polarisiertes, gelbes Natriumlicht bei 20° C durch eine 10 cm lange Schicht einer Rohrzuckerlösung von der Konzentration c g/cm 3 hindurchtreten, so wird die Polarisationsebene um den Winkel (1) = 66,5 c gedreht. Eine Funktion dieses Typus, in allgemeiner Schreibweise y = a x, s x

bei der eine Verdoppelung von x zu einer Verdoppelung von y, eine Verdreifachung von x zu einer Verdreifachung von y usw. führt, nennt m a n eine P r o p o r t i o n a l i t ä t . I n unseFig. 17. Graphische Darstellung rem Beispiele ist rx}'a proporder Proportionalität tionale, aber umgekehrt ist auch c proportional denn nach c aufgelöst, lautet die Gleichung: (2)

c = 0,0150 • a2Dn.

So kann man durch die Messung von die Konzentration der Zuckerlösung ermitteln (Saccharimetrie). Die Funktion y = a x wird graphisch durch eine Gerade durch den Koordinatenursprung dargestellt. Ist a gleich 1, also y = x, so verläuft die Gerade bei gleichen Maßstäben auf der x- und y-Achse unter einem Winkel von 45° zur positiven Richtung der «-Achse. Ein Faktor a vergrößert jede Ordinate oder verkleinert sie, je nachdem, ob a größer oder kleiner als 1 ist. Dadurch wird der Verlauf der Geraden steiler oder flacher. Ist a negativ, so verläuft die Gerade im zweiten und vierten Quadranten, so wie es Fig. 17 zeigt.

4. Die Proportionalität

25

Man erkennt leicht, daß a = — = tg « ist. Man nennt den X

c

Paktor a das S t e i g u n g s m a ß oder die Neigung der Geraden. Wir hatten an den beiden Gleichungen (1) und (2) gesehen, daß die begriffliche Vertauschung der unabhängigen und der abhängigen Variablen den Typus der Punktion nicht ändert; das

bedeutet, daß in einem Koordinatensystem mit vertauschten Achsen die Kurve wiederum eine Gerade ist, was eigentlich selbstverständlich und an den Piguren in Fig. 18 direkt ablesbar ist. Die experimentell ermittelte Proportionalität Die Kapazität eines Kondensators beliebiger Form ist gegeben durch die Gleichung C = C o • £; dabei ist C 0 die Kapazität, die der Kondensator im V a k u u m besitzen würde, und e die Dielektrizitätskonstante. C 0 ist eine durch die Konstruktion gegebene feste Größe, die durch den Versuch bestimmt werden soll, s ist von Substanz zu Substanz verschieden. Bei einem Versuch wird nun der Kondensator bei 18° C in verschiedene Flüssigkeiten eingebettet und seine Kapazität gemessen. Es ergeben sich folgende in Tab. 3 zusammengestellte Werte.

26

I- Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Tabelle 3 Substanz Toluol Äthylacetat Essigsäure Aceton Äthylalkohol Nitrobenzol Ameisensäure

. . . .

Formel

e

C cm

C — cm e

CeH6CH3 CH3COOC2H6 CH3COOH (CH,)2CO C2H6OH C6H5NO2 HCOOH

2,3 6,1 9,7 21,5 26,0 36,4 58,0

45 89 131 320 402 525 860

19,58 14,60 13,51 14,89 15,47 14,42 14,81

Die gemessenen Werte tragen wir in ein Koordinatensystem ein (Fig. 19). Wegen der verschiedenen Größenordnung der Werte e und C müssen wir die Maßstäbe auf den Koordinatenachsen verschieden wählen. Die Länge der Einheit auf der Abszissenachse le machen wir 2 mm, die Einheitslänge l c auf der Ordinatenachse 0,2 mm groß. Nach Einzeichnung der Meßwerte erkennt man sofort, daß eine gerade Linie sich durch die gezeichneten Punkte nicht hindurchlegen läßt. Der Grund dafür ist, daß die f Werte e wegen mangel0 10 20 30 VO 50 60 70 W hafter Reinheit der SubFig. 19. Kapazität eines Kondensators in stanzen nicht streng rieh Abhängigkeit vom Dielektrikum

t i g u n d die W e r t e C m i t

Meßfehlern behaftet sind. Da man aber weiß, daß die Kurve eine Gerade durch den Koordinatenursprung mit dem Steigungsmaß C 0 sein muß, legt man durch die Punkte eine durch den Koordinatenursprung gehende Gerade — man nennt sie die A u s g l e i c h s g e r a d e — so, daß

4. Die Proportionalität

27

die Meßpunkte in ihrer Gesamtheit möglichst gleichmäßig oberh a l b u n d unterhalb der Geraden liegen. Diese g r a p h i s c h e A u s g l e i c h u n g nach Augenmaß ist natürlich nicht ganz frei von Willkür. Wir werden im zweiten Teil des Buches ein objektives rechnerisches Ausgleichsverfahren (Methode der kleinsten Quadrate) kennenlernen. N u n läßt sich C 0 direkt an der Zeichnung ablesen. E s ist selbstverständlich nicht identisch m i t t g tx, weil die Maßstäbe auf den Achsen verschieden sind. I s t der Abstand eines auf der Geraden gelegenen P u n k t e s von der Abszissenachse p m m , derjenige von der Ordinatenachse q m m , so repräsentieren diese Strecken einen f)

Q

W e r t C = y- u n d e — j-. 'c £ r



C

Der gesuchte W e r t C 0 ist d a m i t —

P



tg

a

-rc-i46gmm

Wie m a n an der Figur ablesen kann, ist tg « = . ,

°

>

C0 =

o

,

100,0 mm

. Damit

1,468.-¿-=14,68.

Praktisch denselben W e r t erhalten wir auch, wenn wir f ü r irgendeinen P u n k t nicht seine Abstände von den Achsen ausmessen, sondern seinen C- u n d seinen e-Wert an den Teilungen ablesen u n d diese Werte ins Verhältbis setzen. F ü r e = 40 finden wir auf der Geraden C = 585; d a m i t wird ¿70 =

14,63.

D a s erste Verfahren, das zunächst etwas umständlich erscheint, h a t d a n n eine besondere Bedeutung, wenn die Teilungen auf den Achsen ungleichmäßig sind, so wie wir sie in Nr. 16 bei den logarithmischen Papieren kennenlernen werden. Der W e r t C0 läßt sich auch rein rechnerisch bestimmen, da C G C„ = — ist. Die Werte — , die aus den Versuchsdaten erhalten " e e werden, sind in der letzten Spalte der Tabelle 3 aufgeführt. W ü r d e m a n aus den sieben angegebenen Zahlen einfach den Mittelwert bilden, so k ä m e m a n zu einem falschen W e r t f ü r C 0 . Der f ü r Toluol Q

gefundene W e r t — ist ganz offensichtlich durch eine ungenaue Messung, — er weicht von den anderen zu stark ab, — unsicher

28

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

und muß bei der Mittelwertbildung verworfen werden. Aus den anderen sechs Zahlen ergibt sich als Mittel C0 = 14,62 cm. Die in Fig. 19 dargestellte Gierade hat also die Gleichung C = 14,64 • e. Wir wollen bei dieser Gleichung noch etwas verweilen, um uns noch einmal den Gegensatz zwischen reiner und angewandter Mathematik vor Augen zuhalten. Die GleichungO= 14,64-e bedeutet eine unbegrenzte Gierade, die im dritten und ersten Quadranten verläuft. Bei gedankenloser Anwendung der Gleichung würde man z. B . finden, daß C für e = — 10 den Wert —146,4 hat. Das ist zwar mathematisch richtig, hat aber keinen physikalischen Sinn, denn es gibt keinen Stoff, der eine negative Dielektrizitätskonstante besitzt. Aber auch e-Werte zwischen 0 und -f-1 sind für unsere Stoffe auszuschließen, da das Vakuum den kleinsten.Wert der Dielektrizitätskonstante besitzt, nämlich s = 1. So hat also unsere Gleichung und die dargestellte Gerade nur einen Sinn für e-Werte größer als 1. Wie weit die Gierade nach oben reicht, kann man nicht von vornherein sagen, denn es lassen sich neuerdings Stoffe herstellen, bei denen man durch geeignete Zusammensetzung e recht groß machen kann. Es zeigt sich also, daß der Naturwissenschaftler mit der obigen Gleichung etwas anderes als der Mathematiker meint, nämlich nur ein Stück der mathematischen Geraden. 6. Die l i n e a r é F u n k t i o n Gleichung einer Geraden Eine lineare Funktion wird in allgemeiner Form analytisch dargestellt durch die Gleichung y = a -f- b x . Sie setzt sich aus zwei Anteilen additiv zusammen: y1 = a und y2 = bx. Die graphische Darstellung dieser Teilfunktionen ist uns bereits bekannt. x Um y = a + 6 x graphisch darzustellen (Fig. 20), müssen die zu gleichen Abszissenw.erten gehörenden OrdinaFig. 20. Zusammensetzung tenwerte der Teilfunktionen addiert der linearen Funktion oder überlagert werden, und so erhält aus zwei Anteilen

zL

5. Die lineare Funktion

29

man eine gerade Linie, die die Ordinatenachse im Abstände a von der x-Achse schneidet und dieselbe Steigung wie die Gerade y2 = 6 x, also b, besitzt. J e nach dem Vorzeichen von a und b erhält die Gerade eine verschiedene Lage. In Fig. 21 sind die Geraden y = ] x, y = \ — x, y = —\ xund y = — 1 — x dargestellt. Eine besondere, gelegentlich gebrauchte Form einer Geradengleichung ist die sogenannte A b s c h n i t t s f o r m

Wie man sich leicht an Hand der Fig. 22 überzeugt, sind a und b hier die Abschnitte, die die Gerade auf den Koordinatenachsen abschneidet, denn es ist ja y = b für x — 0 und y = 0 für x =

a.

Die lineare Funktion ist eine der wichtigsten Funktionen, mit denen Abhängigkeit der Lage einer Geraden es der Naturwissen- Fig. 21. vom Vorzeichen der Zahlen a und b schaftler zu tun hat, und zwar deswegen, weil jede Kurve auf einem kurzen Stück in erster Näherung durch eine Gerade ersetzt werden kann. Viele lineare naturwissenschaftliche Gesetze sind nur als Näherungsgesetze aufzufassen. Wir wollen nun eine praktische lineare Funktion besprechen. Läßt man durch eine Silbernitratlösung zwischen zwei Elektroden einen Gleichstrom von der konstanten Stromstärke i Amp. eine Zeit t Sek.

30

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

hindurchgehen, so scheidet sich auf der Kathode nach F a r a d a y eine Silbermenge .„ . 8 m mg, 8 w = 1,118 • i • t, ab. Ist die Anfangsmasse der Kathode 20,346 g und beträgt die Stromstärke i = 100 mA = 0,1 A, so ist die Gesamtmasse der Kathode M (in g) von der Zeit abhängig nach der Gleichung M = 20,346 + 1,118 • 10-» • 0,1 • t = 20,346 + 1,118 • 10~4 t. Diese Funktion wird durch eine gerade Linie dargestellt, die auf der Ordinatenachse die Strecke, welche 20,346 g darstellt, abschneidet und so ansteigt, daß auf je 104 Sekunden eine Massenzunahme von 1,118 g erfolgt. Koordinatentransformation Ein weiteres Beispiel bietet uns die Funktion, welche die Siedetemperatur des Wassers (in 0 C) in Abhängigkeit vom reduzierten Barometerstand (in Torr) darstellt. Die Gleichung lautet

(3)

t = 100 + 0,0375 (blei - 760) .

Um die diese Gleichung darstellende Gerade zeichnen zu können, müßten wir die Gleichung auf die F o r m

y=a-\-bxbringen.

Das

wäre aber ungeschickt und umständlich. S t a t t dessen formen wir die Gleichung etwas u m : (4) t - 100 = 0,0375 (&red - 760). Nennen wir t — 100 jetzt r und 6re dy (in unserem Beispiel).

9. Das Differential

49

Es ist aber immer möglich, den Punkt P1 so nahe an P zu wählen, daß sich Ay und dy nur noch sehr wenig, ja sogar beliebig wenig, voneinander unterscheiden. Diese Feststellung können wir zu einer Anwendung der Differentialrechnung auf die Frage der Fortpflanzung von experimentellen Fehlern bei der Berechnung von Größen, die aus Versuchen abgeleitet sind, benutzen. Etwas über Fehlerfortpflanzung Wir hatten bereits gesehen, daß C 6 H 5 COOH sich beim Schütteln mit C 6 H 6 und H 2 0 auf beide Phasen so verteilt, daß die Konzentration der Säure im Benzol cB mit der Konzentration im Wasser cw bei 10° C nach der Gleichung cB = 70,6 cV zusammenhängt. Stellen wir Cw durch Titration fest, so können wir cB ausrechnen. Die Titration möge 0,1 Mol/Liter (M/1) für cw ergeben haben, jedoch mit einer Unsicherheit von 1%. Der absolute Fehler von Cffr ist also Acw = 0,001 M/1. Wie wirkt sich dieser experimentelle Fehler bei der Berechnung von cB aus ? ACB = 70,6 [(cw + AcwY

- cM = 70,6 [2 cw . Acw +

(Acw)2]

= 70,6 [2 • 0,1 • 0,001 + 0,001 2 ] = 70,6 [0,0002 + 0,000001] ACB = 0,01419 M/1. Dies ist der streng berechnete Fehler AcB. dessen dcB aus, so ist

Rechnen wir statt

dcB = 70,6 • 2 • cw • dcw = 70,6 • 2. cw • Acw = 70,6 • 2 • 0,1 • 0,001, dcB = 0,01412 M/1. Wie vorauszusehen war, ergibt sich dcB kleiner als AcB, aber da die Fehler relativ kleine Größen sind, ist der Unterschied von ACB und dcB nur sehr gering, ja er ist vollständig bedeutungslos, denn in unserem Falle war die Messung überhaupt nur bis in die dritte Dezimale sicher, und bis in die dritte Dezimale stimmen die nach beiden Methoden berechneten Fehler mit 0,014M/1 überein. A s m us, Einführung In die höhere Mathematik.

4

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

50

Man kann sich also bei der Untersuchung der Fortpflanzung eines Fehlers in guter Näherung der Differentialrechnung bedienen. Ist allgemein ° y — ax" Ax und wird x mit einem gewissen relativen Fehler — gemessen, so pflanzt sich dieser Fehler bei der Berechnung von y so fort, daß er »-mal größer wird. Denn es ist = anxn~l, dy y

an y

dy = anxn~1

dx .

, anxn~x , dx Ax ax = — ax = n •— = n — » f x x

und damit mit hinreichender

Genauigkeit

Ay V ~

Ax x

10. U m k e h r f u n k t i o n e n und U m k e h r r e g e l Umkehrfunktion Die Äquivalentleitfahigkeit A der wässerigen Lösung eines Elektrolyten ist eine Funktion der molaren Konzentration c. I m Gebiete sehr hoher Verdünnung ist bei starken Elektrolyten nach Untersuchungen von K o h l r a u s c h A

Aoo — b y c .

Aoo, die sogenannte Äquivalentleitfähigkeit bei unendlicher Verdünnung, und b sind konstante Größen. Wir wollen diese Funktion graphisch darstellen und außerdem ermitteln, wie stark die Änderung der Äquivalentleitfähigkeit mit der Konzentration ist, also mit anderen Worten, den Differentialquotienten ^ finden. Der allgemeine Typus der angeschriebenen Gleichung ist y = a — b• Y x . Die graphische Darstellung dieser Funktion soll nun besprochen werden.

51

10. Umkehrfunktionen und Umkehrregel

y = x2 wurde graphisch durch die in Fig. 35 gezeichnete Parabel dargestellt. Nach x aufgelöst, lautet diese Gleichung x = ± ]/ y • Diese Schreibweise bedeutet eine Vertauschung der Begriffe: „abhängige" und „unabhängige" Variable. Da es üblich ist, die abhängige Veränderliche mit y, die y ¡^ unabhängige hingegen mit x zu bezeichnen, ersetzen wir in der obigen Gleichung den Buchstaben x durch y und umgekehrt, worauf wir y=± f x erhalten. Die Vertauschung der Buchsta(Y> ben x und y entspricht einer Umbenennung der Koordinatenachsen in Fig. 35 (in Klammern hinzugefügt) und man erhält die graphische Darstellung der Funktion y = i j/x, wenn man das neue Koordinatensystem in Fig. 35 so umklappt, daß in üblicher Weise die y-Achse nach oben, die «-Achse nach rechts zeigt. So ergibt sich die in Fig. 35 dargestellte, nach rechts geöffnete Parabel. Man erhält sie in einfacher Weise aus der Parabel y = x- durch Spiegelung derselben an der Geraden Fig. 35. Spie^elungsregei bei A B, die unter 45° durch den KoUmkehrfunktionen ordinatenursprung gezogen ist. Eine Funktion, die aus einer anderen durch Vertauschung der Veränderlichen entsteht, nennt man die U m k e h r f u n k t i o n (in verse Funktion) der ursprünglichen. 3

So ist auch z. B. y = ]/ x die Umkehrfunktion von y = a;3 und kann bei Kenntnis des Kurvenverlaufs der letzteren Funk4*

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

52

tion sofort durch Anwendung der Spiegelungsregel gezeichnet werden. Die Kurve y = i b • }J x unterscheidet sich von y = i j/a; nur dadurch, daß jede Ordinate mit dem Faktor b zu multiplizieren ist. Die nach rechts geöffnete Parabel wird breiter oder schmäler, je nachdem b größer oder kleiner als 1 ist. y = a — b y x bedeutet, daß zu jeder Ordinate der Parabel die konstante Strecke a hinzugezählt werden soll, wodurch die Parabel um das Stück a nach oben verschoben wird. Das negative Zeichen vor dem Wurzelglied sagt schließlich aus, daß nur der untere, in Fig. 36 ausgezogen gezeichnete, Ast der Parabel betrachtet werden soll. Durch eine solche Kurve wird auch die Gleichung A = A „ — 6 • j/c dargestellt. Die Kurve mündet bei Aoo in die Ordinatenachse. Allerdings gilt nicht der ganze untere Fig. 36. Graphische Darstellung Parabelast — es müßte sonst bei des Gesetzes von Kohlrausch höheren Konzentrationen die Leitfähigkeit negativ werden, was naturlich unmöglich ist —, sondern nur ein Stück der Kurve in der Nähe der Ordinatenachse hat physikalische Bedeutung. Umkehrregel Um den Differentialquotienten der Funktion y = a — b • J/ x zu eimitteln, erinnern wir uns der Darstellung einer Wurzel als gebrochene Potenz. Danach erhalten wir y = a, — b • . Wir hatten auf S. 44 erwähnt, daß die Differentiationsregel einer Potenzfunktion auch für gebrochene Exponenten gilt. Unter Anwendung dieser Regel erhalten wir ^ _U o - -L b Xa H dx~ 2° {8)

^ = dx

- — 6 x~i 2 2

Vx '

- - b 2 °

— i '

10. Umkehrfunktionen und Umkehrregel

53

Wir hatten aber noch nicht bewiesen, daß die benutzte Differentiationsregel auch für gebrochene Exponenten gilt. Daher wollen wir das erhaltene Resultat durch ein anderes Rechenverfahren bestätigen und dabei eine neue Differentiationsregel, die sogenannte U m k e h r r e g e l , kennenlernen. Es sei in Fig. 37 wiederum die Parabel y = x2 gezeichnet. In einem Punkte P mit den Koordinaten x und y sei an die Parabel die Tangente gezogen, die mit der positiven Richtung der x-Achse den Winkel 1 ten Quadranten. Ganz ähnlich, wie es bei den Parabeln (S. 34) war, schmiegen sich auch hier die Kurven mit wachsendem Exponenten einer gewissen Grenzfigur immer besser an.

'ßJßX

64

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Naturwissenschaftliche Bedeutung besitzen in der Regel nur die Äste im ersten Quadranten. 12. Die K e t t e n r e g e l Ableitung und Anwendung der Kettenregel Die organische Chemie kennt eine Reihe von festen Stoffen, wie z. B . Tribiphenylmethyl ^

C oder Di-p-ani-

sylstickstoffoxid (CH3Ö + dx

S

=

A

0

VT" . 1 -5

+ T

z

a


' [ak + ku eitle + *„)«]:2

Eine autokalytisch beschleunigte Reaktion verläuft zunächst langsam, weil der beschleunigende Katalysator sich erst bilden muß. Die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt dann infolge der Katalysatorbildung zu, um schließlich, wenn die Ausgangssubstanz merk-

19. Produkt- und Quotientenregel

127

lieh verbraucht ist, wieder abzufallen. Die Reaktionsgeschwindigkeit besitzt also ein Maximum, und wir wollen feststellen, nach welcher Zeit der rascheste Ablauf der Reaktion eintritt. Um das zu ermitteln, müssen wir nach der bereits besprochenen Theorie der Extremwerte^- — x gleich Null setzen. .. = di _ A(B -f C)* • (B + C)eiB + Oi. [B + CetJ' + O»]» _ = dt ~ [£ + Ce(B + C)ty

X

_ A(B ~ cy- • eiB^ot• 2 • [B + Ce(a + C')- + oo und x -> — oo muß sich die Kurve an die x- Achse anschmiegen, weil die Kurve e~x' rapider absinkt, als die Parabel steigt. In dem Gebiet dazwischen muß also zu beiden Seiten der y-Achse ein Maximum liegen, so wie es Fig. 94 zeigt, und die Kurve

154

I- Teil. Funktionen einer Veränderlichen

muß vier Wendepunkte aufweisen. Die Lage der Extremwerte und Wendepunkte wollen wir nun feststellen. y = e~"' • x2 , ^

= - 2 x e~x' x2 + 2 x e~x' = - 2 x3 e~x' + 2x e~x' (1 - x2) ,

= 2ze~*' ^

= - 6 a;2 e~x' + 4 s 4 e~*! + 2 e~x' - 4 a;2 e-* ! = 2 e~x' (1 - 5 x2 +2

x*).

Fig. 94. Graphische Darstellung der Funktion y = x2 e x'

Extremwerte: d

£ = 2x-e-*>-(l-

wenn entweder x = 0

oder

x2) = 0, 1 — x2 = 0 ,

weil e~x'~ für einen endlichen Wert von x nicht verschwindet. Also —0, Xm% = -(- 1 , Xmi = 1. Für x = 0 ist ~ Für i = ¿ 1 ist

= + 2, also liegt bei x = Q ein Minimum.

negativ, also liegen hier die Maxim a, d2y Zur Ermittelung derx Wendepunkte setzen wir -- 0 • 2 e~ ' (1 - 5 a;2 + 2 a;1) = 0 .

22. Die Funktionen y = e~x' und y =

155

xi(Tx'

Der Ausdruck verschwindet, wenn die Klammer den Wert Null hat, also 1 — 5 x2

s

2.V

1

\

2.0

t

/ /' / /

&

/ /

/

/

C

2 x1 — 0 .

1.2

1 6a T-273 o V V\

\\

/

i

/

/'

»

\ \

1 i j1 OM

ei 7~m 313°

\'V \ \

/

iL 0.8

\ \

/'

\

J i Ii

. \

/y

200 Fig. 95.

m

£00

s .

\

800 1000 1200 Geschwindigkeit f

WO / •

Geschwindigkeita-Verteilungskurve nach M a x w e l l f ü r Sauerstoff

Wir lösen diese biquadratische Gleichung auf und erhalten 2 xl - 5 x2 + 1 = 0 ,

-i

xWl

= + 1,51,

xWt

= - 1,51,

+ Y =

xWt

0

'

= + 0,47,

xWt

= - 0,47 .

Wir haben also vier Wendepunkte, wie schon in Fig. 94 gezeichnet. Die für die kinetische Gastheorie wichtige Maxwellsche Geschwindigkeits-Verteilungskurve hat natürlich nur einen Sinn für

158

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

positive Werte von v, so daß man die Betrachtungen auf den ersten Quadranten beschränken kann. In Fig. 95 sind für zwei verschiedene Temperaturen die Verteilungskurven für 0 2 dargestellt. Das Vorhandensein des Maximums bedeutet, daß es bei jeder Temperatur eine Geschwindigkeit gibt, die am häufigsten vertreten ist. Wir wollen sie nun ausrechnen. Hierzu muß %- = 0 dv seln . J4 l M \ • 2 2 RT v2 / = I i/— 9 »V y n 12 RTj

Da bei v = 0 das Minimum liegt, muß die Klammer verschwinden. Damit wird „ , M v l _ R T

V m

~

\

M



vm ergibt sich hiernach für Sauerstoff bei 0° C = 273° K mit B = 8,31 • 107 erg/Grad 1 ¡2 • 8,31 • 10' • 273 „ __ V m = = 3,77 \ —32 ' 1 0 cm/sec> vm = 377 m/sec. 23. Die H y p e r b e l f u n k t i o n e n Definition und Darstellung In der Magnetochemie, der Lehre von den magnetischen Eigenschaften chemischer Elemente und Verbindungen, sowie der Anwendung magnetischer Meßmethoden zur Lösung chemischer Probleme, spielen die sogenannten hyperbolischen Punktionen eine gewisse Rolle. Paramagnetische Stoffe, deren Molekeln ein permanentes magnetisches Dipolmoment ¡x besitzen, erhalten in einem magnetischen Felde von der Stärke § bei der Temperatur T pro Mol (Zahl der Molekeln im Mol N) ein magnetisches Moment er, welches theoretisch nach L a n g e v i n (S. 270) und experimentell nach K a m e r l i n g h - O n n e s {Untersuchungen am Gadolinium-

23. Die Hyperbelfunktionen

157

sulfathydrat) gegeben ist durch den Ausdruck

oder, wenn wir für ^ßi^? CT =

zur

N

Abkürzung a setzen,

Ctg a - - i

=

N / i L ( a ) .

L (a) ist die mathematische Bezeichnung

für den Ausdruck

— X

v

|

2

(Eof x ©iiTi

v

_

' ex

+

erx

e* — tr* '

Warum diese Funktionen als sinus hyperbolicus, cosinus hyperbolicus usw. bezeichnet werden, wollen wir an dieser Stelle nicht erörtern. Es mag der Hinweis genügen, daß die hyperbolischen Funktionen mit den Kreisfunktionen (sin x, cos x, tg x usw.) viele gemeinsame Eigenschaften besitzen und in ähnlicher Weise an einer Hyperbel, wie jene am Einheitskreis definiert werden. Wir wollen aus Kenntnis des Verlaufes der Exponentialfunktion den Verlauf der hyperbolischen Funktionen ermitteln und sie differenzieren lernen. In Fig. 81 (S. 129) waren die Funktionen ex und e~x abgebildet. Addiert man beide, so muß die resultierende Kurve symmetrisch zur y-Achse liegen und beiderseits derselben ansteigen. Subtrahiert man dagegen e~x von ex, so muß die Differenzfunktion durch eine Kurve dargestellt werden, die aus dem dritten Quadranten kommt und in den ersten durch Passieren des Koordinatenursprungs übergeht. Entwirft man die genaue Tabelle für Eof x

158

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

und ©in x und zeichnet danach die Kurven, so erhält man Fig. 96. Man nennt übrigens ©of x auch die K e t t e n l i n i e , weil nach dieser Punktion eine K e t t e (oder ein biegsames Seil) durchhängt, wenn sie (es) an zwei Punkten festgemacht ist. Der Verlauf von j£g x und £ t g x ist in Fig. 97 dargestellt.

Fig. 96.

Graphische Darstellung der Funktionen y = ©in x und y = Eof x

Fig. 97. Graphische Darstellung der Funktionen y = %QX und y = ©tg x

Differentiation Als letzte Differentiationsübung an der Exponentialfunktion wollen wir die Ableitungen der hyperbolischen Funktionen ermitteln. ex + e~x

23. Die Hyperbelfunktionen

159

Ganz entsprechend findet man die Ableitung des Sin x. y = ©in x = ex + e~x - = Kof x ,

dy dx

¿©Uta; dx

= gof.®.

Die zweiten Ableitungen würden nun sowohl bei ©in x als auch bei ©of x nach dem oben stehenden Ergebnis wieder die ursprünglichen Funktionen ergeben: d2 ©in x d2 gof x und = ©in x = 6of«. 2 2 dx

dx

Um die Ableitungen von i g x und Etg x zu finden, gehen wir auf die Definition zurück: ©in x ffi ©of x und ®tg X = — . ©of x ° ©in x Unter Anwendung der Quotientenregel und der obenstehenden Ergebnisse erhalten wir d 2g x _ (Sofa; • (Sofa;—©tna; • ©in x _ ©of2 x — ©in2 x dx ~ ©of2 x ©o[2 x und d ©tg x _ ©in x • ©inx—©oj x • ©o( x _ ©in2 x — ©o[2 x dx ©in2 x ©in2 x Nun ist aber 2 2 e2x — 2 + e" eix + 2 + e~ und ©in2 x • ©of 2 * 4

und damit @ofz x — ©in 2 x = -j- (e2* + 2 + e~2x -e2x

+ 2 - e~2x) = 1 .

So erhalten wir schließlich d Sg x dx

eof 2 x

und

d ©tg x dx

1 ©in2 x '

160

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

D. Die Kreisfunktionen 24. D a r s t e l l u n g und D i f f e r e n t i a t i o n der K r e i s funktionen Die Kreisfunktionen sin x, cos x, tg x usw. sind für den Chemiker nicht von sehr großer Bedeutung, da er es im allgemeinen selten mit periodischen Vorgängen zu tun hat. Immerhin verwendet der Chemiker Galvanometer, deren Schwingung durch eine Sinusfunktion beschrieben wird, er arbeitet auch mit Wechselstrom, der sich mit fortschreitender Zeit sinusförmig ändert, er benutzt bei Strukturuntersuchungen die Erscheinung der B e u g u n g v o n R ö n t g e n s t r a h l e n oder E l e k t r o n e n an Materieteilchen und trifft bei der Berechnung dieser Beugungserscheinungen ebenfalls auf die Kreisfunktionen. Daher wollen wir ihre Eigenschaften kurz besprechen und ihre Differentiation üben. j>ig gg Eine W e c h s e l s p a n n u n g U, die Definition der Kreisfunktionen von einem guten Elektrizitätswerk geliefert wird, wechselt periodisch ihre Richtung und Größe, in der Regel 50 mal in der Sekunde, nach der Gleichung U = U0 sin a> t. U0 bedeutet dabei die Amplitude, w die Kreisfrequenz und t die Zeit. Die Gleichung hat qualitativ denselben Typus wie die einfachere Funktion y = sin x und daher wollen wir erst diese besprechen. Wie aus der Elementarmathematik bekannt, sind sin x, cos x usw. am Einheitskreis als gewisse Strecken definiert, wie aus Fig. 98 ersichtlich, x bedeutet dabei die Länge des zum Winkel oc gehörenden Bogens und ist ein Maß für die Größe des Winkels. In der höheren Mathematik wird ein Winkel fast ausschließlich in diesem s. g. Bogenmaß gemessen und nicht in Graden, Minuten und Sekunden angegeben.

24. Darstellung und Differentiation der Kreisfunktionen

161

Die Umrechung von Grad- auf Bogenmaß ist denkbar einfach. Der Einheitskreis hat eine Gesamtbogenlänge 2 n • 1 = 2 7t, und diese Bogenlänge entspricht einem Winkel von 360°. Daher ist allgemein die Größe eines Winkels x in Grad gemessen 360

« = t,— x = 2 71

„ „

5i,o x ,

wenn x die Größe des Winkels im Bogenmaß bedeutet. Es entspricht also x = 1 einem Winkel t wird durch eine Sinuskurve dargestellt, deren Amplitude U0 ist und deren Nulldurchgänge da liegen, wo co t die Werte n • n annimmt, also für Zeiten t —

™.

Die Funktion y = cos x läßt sich aus sin x ableiten, denn es ist cos oc = sin (90° — ronx y t

/ \ fl

'

V

/\\\

1

1

II

*.ri IIi \h / 1

K / - \ > \tanx

n i

anx

1

/

1 1 i

,„

1 H ' * . 1 l Ks V i ! * A I X • A , i / \

II

\

Fig. 100. Graphische Darstellung der Funktionen y = tg a; und y = ctg x

Um die Kreisfunktionen differenzieren zu können, müssen wir den Differenzenquotienten bilden und durch Grenzübergang den Differentialquotienten bestimmen. Wir wollen auf diesem Wege die Ableitung der Sinusfunktion suchen. y = sin x , y + Ay = sin (x + A x) .

Unter Benutzung der aus der Elementarmathematik bekannten Formel sin (« + ß) — sin cos x . 11*

164

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Läßt man x nach Null gehen, so geht cos x nach 1. Damit ist auch der Grenzwert .. sin x , lim x = 1 , x-+o

sin x

da — e i n e r s e i t s kleiner als 1, andererseits größer als cos x sein soll. Wenn lim x ->-0

= 1 ist, ist auch

X

lim = 1. 0 Ax Das bedeutet, daß der Sinus eines Winkels dem Winkel selbst (im Bogenmaß gemessen) zahlenmäßig um so näher kommt, je kleiner dieser ist. Dasselbe gilt auch für den Tangens. Man überzeugt sich leicht davon an Hand einer Tabelle. Tabelle 11 X

sin x

tgx

0,10 0,09 0,08 0,07 0,06 0,05

0,09983 0,08988 0,07991 0,06994 0,05996 0,04998

0,10033 0,09024 0,08017 0,07011 0,06007 0,05004

X

sin x

0,04 0,03 0,02 0,01 0

0,03999 0,03000 0,02000 0,01000 0

tg X 0,04002 0,03000 0,02000 0,01000 0

So wird also für die Funktion y — sin x der Differentialquotient dy _ d sin x dx dx dy -y- — COS X . dx

cos X

sin x

2)'

d sin x dx

Der Sinus ergibt demnach differenziert den Kosinus. Nach diesem Ergebnis ist die Differentiation der anderen Winkelfunktionen sehr leicht. Es ist cos x = sin (^Y — icj

25. Zyklometriache Funktionen als Umkehrung der Kreisfunktionen

165

und daher unter Anwendung der Kettenregel d cos x

In \ -COB(t-*J= -

sin*,

d cos x = — sin x . dx Die Punktionen tg x und ctg x lassen sich unter Verwendung der Quotientenregel und der Kettenregel differenzieren. Es ist tg x d tg x dx

cos x ' cos x • cos x -(- sin x • sin x cos2 x

d tg x dx

COS 2 X '

cos2 x + sin2 x 1 cos2 x cos2 x

1

Für ctg x ergibt die Kettenregel o t

«

a !

d ctg X

dx

d ctg x dx

=^=(tB

a !

1

1

)-1'

tg2 x cos2 x

COS s X

1

sin2 x cos2 x

1 sin2 x '

25. Die z y k l o m e t r i s c h e n F u n k t i o n e n als U m k e h r u n g der K r e i s f u n k t i o n e n Eine gewisse Rolle, vor allem in der Integralrechnung, spielen die zyklometrischen Funktionen, die Umkehrungen der Kreisfunktionen. Die Gleichung y = sin x bedeutet, daß ein Bogen von der Länge x am Einheitskreis gegeben ist und dazu die Länge der Halbsehne sin x gesucht wird. Es kann umgekehrt auch die Länge der Halbsehne gegeben sein und dazu der zugehörige Bogen gesucht werden. Dann schreibt man y = arc sm x

166

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

(arcus sinus x) und meint damit, daß man denjenigen Bogen (arcus), jetzt y genannt, sucht, dessen Sinus den Wert x hat. Entsprechend gibt es Funktionen y — arc cos x,y = arc tg x usw. Ihre graphische Darstellung ergibt sich sofort aus der Tatsache, daß es die Umkehrfunktionen der Kreisfunktionen sind. Spiegelt man z. B . y = sin x an der Geraden y = x, so erhält man eine der Sinuskurve entsprechende Wellenlinie, die um die y-Achse oszilliert, und diese Kurve stellt y = arc sin x dar. Die Differentiation der zyklometrischen Funktionen kann leicht durchgeführt werden, wenn man die Kreisfunktionen zu differenzieren versteht. Man geht hier ganz ähnlich wie im Falle der Funktionen y = e* und y = In x (S. 119) vor. y = arc sin x x = sin y . Durch Differentiation nach y und Benutzung der Umkehrregel ergibt sich dx — = cos ay , dy dy _ 1 dx cos y ' Um ^ als Funktion von x darzustellen, drückt man cos y durch sin y aus und schließlich sin y durch x. dy _ 1 dx J/l _ Sin2 y d (arc sin x) dx



|/1 — x2 '

1 J/l — a;2

In ähnlicher Weise erhält man, was der Leser selbst nachprüfen d (arc cos x) dx d (arc tg x) dx d (arc ctg x) dx

1 j/l — x1 ' 1 1+ ' 1 1 + X2 •

3. K A P I T E L

Näherungsverfahren zur Auflösung von Gleichungen Problemstellung Bei der Untersuchung der Lage von Extremwerten und Wendepunkten einer analytisch gegebenen Funktion werden die erste bzw. zweite Ableitung der Funktion gleich Null gesetzt und dann aus den so erhaltenen Bestimmungsgleichungen die gesuchten Abszissenwerte berechnet. I n den vorhergehenden Paragraphen hatten wir eine Reihe solcher Beispiele durchgerechnet. Diese Beispiele waren so ausgewählt, daß die fraglichen Bestimmungsgleichungen sich leicht auflösen ließen. Das ist nun, wie schon S. 82 erwähnt, nicht immer der Fall. Algebraische Gleichungen von höherem Grade (z.B. 4 x 5 + x* + 3 x 3 + 2 x2 + x — 7 = 0) sind nicht mehr in allgemeiner Form lösbar, ebenso nicht die transzendeten Gleichungen, als solche, bei denen die Unbekannte x im Exponenten oder unter dem Zeichen In, sin, tg usw. auftritt (z. B. ex -f- sin x 2 = 0). Die Wurzeln solcher Gleichungen müssen daher durch numerische oder graphische Verfahren ermittelt werden. Die einfachste graphische Methode ist die, daß man z. B. zur Auflösung der Gleichung ex sin x2 = 0 sich für die Funktion y = ex -f- sin x2 eine Tabelle aufstellt, nach der Tabelle eine Kurve zeichnet und zusieht, wo die Nullstellen der dargestellten Funktion liegen, also wo die gezeichnete Kurve die x-Achse schneidet. Diese Methode der Auflösung einer Gleichung liefert die gesuchten Wurzeln nur angenähert. Die Güte der Annäherung hängt in erster Linie von der Größe des gewählten Zeichenmaßstabes ab. Die graphisch ermittelten angenäherten Werte müssen durch besondere Rechenverfahren verbessert werden bis zur Genauigkeit, die bei dem betreffenden Problem erforderlich ist. Zwei dieser

168

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Verfahren, von denen eines eine Anwendung der Differentialrechnung darstellt, wollen wir nun kennenlernen. Wir knüpfen auch hier an ein naturwissenschaftliches Problem an. Wenn zwei Atome oder Ionen im gebundenen Zustand als Molekel eine stabilere Konfiguration bilden als im isolierten Zustand, so kann das nur der Fall sein, wenn zwischen den beiden Partikeln Kräfte wirksam sind, E die einer Trennung entgegenwirken. Bringt man zwei entgegengesetzt geladene Ionen zusammen, so ziehen sie sich gegenseitig an und streben aufeinander zu. Wenn nur die Anziehungskräfte vorhanden wämüßte schließlich ein Zur ren, sammenstoß der beiden Ionen erfolgen. Das ist jedoch nicht der Fall, weil außerdem auch noch abstoßende Kräfte wirksam sind, die sich besonders stark bei kleinen Abständen beFig. 101. Graphische Darstellung der'Potentialfunktion einer Molekel

merkbar machen. So gibt es eine gewisse Entfernung, bei

welcher Anziehung und Abstoßung sich ausgleichen, und gerade in diesem Abstände befinden sich die beiden Ionen in der Molekel. Um diesen Abstand können sie dann kleine Schwingungen ausführen. Man pflegt nun gewöhnlich nicht mit den Kräften zu rechnen, sondern betrachtet die potentielle Energie, die das System besitzt, wobei man als Nullniveau die Energie der nichtgebundenen Bestandteile willkürlich wählt. Zeichnet man sich in einem Koordinatensystem den Verlauf der potentiellen Energie E als Punktion des Atom- oder Ionenabstandes r auf, so erhält man stets das in Fig. 101 qualitativ dargestellte Kurvenbild. Die Potentialkurve besitzt ein Minimum, dessen Abszisse r0 den stabilen Abstand der Atome oder Ionen in der Molekel wiedergibt. Die Ordinate E0 bedeutet diejenige Arbeit, die man aufwenden muß, um die Molekel in ihre Bestandteile zu zerlegen.

Näherungsverfahren zur Auflösung von Gleichungen

169

Es ist natürlich von Interesse, den Abstand r0 berechnen zu können. Wenn der Verlauf der Funktion E = f(r) analytisch gegeben ist, so handelt es sich lediglich darum, die Abszisse des Minimums rechnerisch zu ermitteln. Nach B o r n und M a y e r gilt auf Grund quantenmechanischer Überlegungen für zwei einwertige Ionen folgende Potentialfunktion _ 2 E = - i - +6e R . r ' q bedeutet dabei die Elementarladung, b und R sind zwei für die betreffenden Ionen charakteristische Konstanten. Wir wollen nun in diesem Zusammenhange die Punktion E = —— + 6 e r ' 2 = - — r + 6e untersuchen und die Lage ihres Minimums feststellen. Die Funktion setzt sich aus zwei Anteilen zusammen (Fig. 102): der im vierten Quadranten gelegenen Hyperbel

X

Fig. 102

Y

und der im ersten Quadranten hegenden Exponentialfunktion r

E9 = 6 e ~ T . Die Summenkurve (Fig. 103) muß, weil die Hyperbel die negative E-Achse zur Asymptote hat, sich bei kleinen Werten von r wie diese verhalten, bei sehr großen Werten von r muß sie sich, ebenfalls wie die Hyperbel, der r-Achse von unten her nähern. Bei mittleren r- Werten liegt ein Maximum und ein Minimum, von denen uns nur das letztere interessiert.

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

170

Der Verlauf der ersten Ableitung ist bestimmt durch die Gleichung dr

r*

und wird durch die in Fig. 103 dargestellte Kurve wiedergegeben.

oj Q2

V

-0/ Fig. 103. Graphische Darstellung der Funktion E - — - + 6e r und ihrer Ableitung

Zur Auffindung des Minimums müssen wir nun die Gleichung (32)

± - 3 e ~ ^ = 0 ~ Mit diesen Abkürzungen nimmt die Differentialgleichung die Form r, de dt --- ——— an. a-— bc Substituiert man nun dz = •— h de z = a-— bc a = g

de = so folgt Durch Integration erhält man (72)

- 6

dz

'

b z

t + C = — | In z = — -j-ln (a — bc).

40. Die Substitutionsmethode

259

Die Integrationskonstante C ermitteln wir aus der Bedingung, daß die Kugel zunächst festgehalten wurde, ihre Geschwindigkeit zur Zeit t — 0 also c = 0 war. G —

or

In a.

Nach Einsetzen dieses Wertes in die Gl. (72) findet man t — j In a = — y In (a — b c) t = — y [In (a — bc) — In a] a — bc 1 . /, 1 t = — -¡-In = —Tm 1 o a b \ Durch Auflösung nach c folgt

6 \ c. a I

— b t - In (l — -a cj 1 — - c = e~bt a -c a

=

l—e~bt

Nach Einsetzen der Werte für a und b erhält man c =

V

. 1 — e ••» . D n r tj Wird schließlich für das Produkt vgk die Masse m der Kugel eingeführt, so lautet die Gleichung, die die Abhängigkeit der Geschwindigkeit der fallenden Kugel von der Zeit beschreibt

b nrij Die Fig. 138 zeigt die graphische Darstellung dieser Funktion. Die Fallgeschwindigkeit nimmt im Laufe der Zeit zu und nähert sich asymptotisch dem konstanten Endwert, „ ( , - g ) Coc

~

6 Jir 17»

260

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

durch dessen Beobachtung die Zähigkeit t] des Mediums ermittelt werden kann. Elektrolyse mit gleichgerichtetem, Wechselstrom. Die Substitution kann auch ganz anders als inden beiden besprochenen Fällen sein. Auf S. 225 hatten wir gesehen, daß nach F a r a d a y die bsi einer Elektrolyse abgeschiedene Substanzmenge Am durch die Gleichung gegeben ist: t. Am = Ä J

idt.

Es sei der für die Elektrolyse zur Verfügung stehende Gleichstrom durch Gleichrichtung von sinusförmigem Wechselstrom entstanden. Er habe den in Fig. 139 dargestellten Verlauf. Jeder Bogen ist ein Teil einer Sinuskurve mit der Gleichung . . . 2 ji i = » 0 sin cot — t 0 sin — t. Nun sei gefragt nach der in einer Zeit t = n •

, also einem Viel-

fachen der halben Periode des ursprünglichen Wechselstroms, ab-

Fig. 139. Kommutierter Sinussfcrom

40. Die Substitutionsmethode

261

geschiedenen Substanzmenge. Es ist dann Am

— n ä J i 0 • sin ^ i • dt,

o wie man leicht erkennt, nicht durch ein Grundintegral gegeben. Die Substitution 2n

- t = z, d (— t] = —dt = dz, dt= ~dz \ r ) r 2 3i f ü h r t aber sofort auf ein bekanntes Grundintegral. n n " f T tt .Ä % 0 T /* Am = nAi0 I sin z • • dz = / sin z dz . J ¿31 ¿71 J 0 0 Die geänderten Grenzen ergeben sich aus der leichten Überlegung, daß für t = 0 auch z = 0 ist und für .

r

2;r

r

Z2 ' T ' 2" ~ 711 • Durch Integration des Grundintegrals erhalten wir nÄ i0r i„r nÄ i0v Am = — cos 2 cos 2 (cos 0 — cos n) i 2« . n^4i„r n Ä i0z ., In Aus der Theorie des Paramagnetismus. Ein weiteres Beispiel für eine oft vorkommende Substitution sei der Theorie der paramagnetischen Suszeptibilität entnommen. Bei dieser Theorie geht es kurz gesagt um folgendes. Die Moleküle einer paramagnetischen Substanz, etwa N0 2 - oder Oa-Moleküle (die magnetischen Eigenschaften des Sauerstoffs werden auch zu analytischen Zwecken ausgenutzt) werden aufgefaßt als kleine permanente magnetische Dipole von der Stärke m, die ohne äußeres magnetisches Feld wirr durcheinanderliegen und daher ihren Magnetismus nach außen hin nicht zeigen. Bringt man das Gas aber in ein magnetisches Feld so sind die Dipole bestrebt, sich im Felde in Richtung der Kraftlinien einzustellen, wer-

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

262

den jedoch durch die Temperaturbewegung daran gehindert. Die Ausrichtung ist nun um so besser, je höher die Feldstärke einerseits und je tiefer die Temperatur andererseits ist. Die Ermittelung der quantitativen Abhängigkeit des resultierenden magnetischen Momentes eines Mols (Zahl der Dipole im Mol = N) des untersuchten Gases von den beiden genannten Größen ist Gegenstand der Theorie, die von L a n g e v i n stammt. In dieser Theorie muß unter anderem eine Größe G berechnet werden, die gegeben ist als ü Nm$ cos fl

0 = - .

RT

c

,

sin » d »

o wobei •& eine Winkelvariable ist. Das Integral sieht zunächst recht schwierig aus, geht aber in ein Grundintegral über durch die Substitution N m 5 „ -RT cos & = x , NTOÖ . „ , n , sm •& d& = dx , sin

& d&

= —N

' , dx . m §

Mit dieser Substitution erhalten wir ein Grundintegral und unter / N m S) Berücksichtigung der neuen Grenzen (für & = 0 ist x = „ „ und ,.. a f ü r ij—71

r J

e

. t. ist x —

N m . ~rT>)

a m ö d & = -

RT

+

Nmb

RT N m Sq

r

6

+W tfmS R T N m K>

2 KT

N m Sö

\e

\

RT

v

K 1

Nmi> R T f KT | e* • dx J N m § Nmb RT

=

RT

-Vmil>

Nm§

'

Nmiö RT

_e

N m fr RT f I e* dx

RT

N m. Sq J _Nm& RT RT

N m -ö

- e

2

RT

2 RT

1

~

Nm

( N m J ) \

in

•&

6(0 » la a (b— — x)

l

a — b

v .. In 6 + In (a — x) —-Ina — In (6 — x) = — lim £ , ' b-Hl

a

~

b

und die Differentiation von Zähler und Nenner nach b ergibt JL_ 1 , v b b—x v b—(b — x)1 v x k = — lim — = — lim —r-rr r- = ~r h m t - 1 t b(b-x) t b(b x) '

k

=

V

X

t

a(a — x)'

Dasselbe Resultat erhält man natürlich, wenn man von vornherein in der Ausgangsdifferentialgleichung (S. 275) a = b setzt und dann, diesmal nach der Substitutionsmethode, integriert. 3T =

( a - z ) =

^ ( a - x f ,

fw^-ß*-

Mit a — x = z und dx = — dz folgt - / S - 4 / « i _ _ ! _ 2

O

X

= il V

c.

+

Für t — 0 ist auch x = 0, also C = und damit

j

l

a — x a a — a + x a(a — x) ,

a

i

kt



v kt v ' v x t a (a — x) '

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

280

entsprechend dem aus dem unbestimmten Ausdruck abgeleiteten Wert. Autolcatälytisch

beschleunigter

Zerfall von Ag^O.

E i n w e i t e r e s Bei-

spiel zur Einübung der Integration durch Partialbruchzerlegung entnehmen wir ebenfalls der Reaktionskinetik. Wir behandeln den Fall einer monomolekularen Reaktion mit Autokatalyse. Es wird hierbei angenommen, daß beim Zerfall eines Stoffes ein entstehendes Produkt die Reaktion katalytisch beschleunigt, wie es z. B. bei der thermischen Zersetzung von Ag 2 0 der Fall ist, wo das entstehende Silber nach L e w i s als Katalysator wirkt. Die Differentialgleichung einer solchen Reaktion lautet dx gj- = ku (a — x) + kx(a

— x) = (ku + kx) (a —

x).

Es bedeuten wieder, wie auf S. 124, x die zersetzte Menge und a die Anfangsmenge der zerfallenden Substanz, ka und k zwei Konstanten. Der erste Summand auf der rechten Seite der Gleichung mit der Geschwindigkeitskonstanten ku ist derjenige Geschwindigkeitsanteil, der der unkatalysierten Reaktion entspricht. Die Geschwindigkeit der unkatalysierten Reaktion wird jedoch um den zweiten Anteil erhöht. Bei diesem Geschwindigkeitsanteil wird einerseits angenommen, daß er proportional der jeweils noch vorhandenen Menge des Ausgangsstoffes (a — x) ist, andererseits aber auch proportional der Menge des gebildeten Katalysators, die gleich der zersetzten Menge x des Ausgangsstoffes ist. Das zu berechnende Integral lautet dx

f

t

J (ku + kx) (a — x)

Der Integrand wird in zwei Partialbrüche zerlegt: A B 1 = (ku + kx)(a — x) ku + kx ' a — x ' 1 = A (a — x) + B (ku +k x).

Für und

x = a

x =

—^

erhält man D

B

=

1

t——j—

ku + ka

J

und

^

A

=

1

r- =

, *« a +T



k



ku + k a

.

281

43. Näherungsweise Auswertung von Integralen Damit geht das Integral über in _

r J

dx

_

k

+ kx) (o — x)

r

ku + kaj

dx

1

ku + kx

' ku-{- kaj

r

dx a— x'

und nach der Substitutionsmethode folgt hieraus

Somit ist t = 7—i-y- • In ku + ka

+

a — x

c.

Für t = 0 sei auch x — 0 und so finden wir die Integrationskonstante «u + ka

Es folgt schließlich

t =

.l

1

ku + ka

n a

a (ku + kx) ku(a — x)

Löst man diese Endgleichung nach x auf, so erhält man die zersetzte Menge als Funktion der Zeit:

ak„ -\-akx

=

(aku

— kux)

e(-ku+ak^t,

x [ak -f/fcue• 00) fallen alle Glieder außer dem ersten fort und wir erhalten für Cv den Wert 3 R, gemäß der Regel von Dulong und P e t i t .

43. Näherungsweise Auswertung von Integralen

285

Ein Verfahren zur Abschätzung des Wertes eines bestimmten Integrals Es ist oft von Wert für ein bestimmtes Integral, das nicht in geschlossener Form auswertbar ist, wenigstens einen Näherungswert zu erhalten. Eine gelegentlich anwendbare Methode, die das gestattet, wollen wir jetzt besprechen. Sie beruht auf dem an sich trivialen Satz, daß, wenn eine Funktion f(x) für alle Werte von x innerhalb des Intervalles a bis b der Größe nach ständig zwischen zwei Funktionen y(x) und rp(x) hegt, also

/ e"°>51

dx

.

0

Die beiden, den gesuchten W e r t einschließenden Integrale lassen sich leicht auswerten. Es ist 0,5 0,5 = 0,50 f d z = o 0 und 0,5 x = 0,5 —0,25 Je-0'5*

dx

=

-

e~°-5xd{-~

0,5

x)

=

-

^

J

e" dz

x = 0

= — J - e«

0,25=

0,5® o == Damit ergibt sich

^

L lf-0,25 _

1\

0,5'

(0,7788 - 1) = 0,44 . 0,5 0,50 > f e ~ x ' d x > 0,44. o Rechnet man den W e r t des Integrals unter Berücksichtigung einer genügenden Anzahl von Gliedern aus der Reihe (77) auf S. 283 aus, so findet man 0,5 / e~*' dx = 0,46 , o in vollkommener Übereinstimmung mit unserer Abschätzung.

287

3. K A P I T E L

Graphische, numerische und mechanische Integralauswertung Es tritt an den Praktiker sehr oft, viel öfter als man zunächst glaubt, die Forderung heran, ein bestimmtes Integral zahlenmäßig auszuwerten, wenn die Funktion, über die integriert werden soll, in Form einer Tabelle, etwa als Versuchsprotokoll, vorliegt. Es kann auch vorkommen, daß der Integrand von vornherein als Kurve vorliegt, z. B. dann, wenn er durch ein automatisch arbeitendes Registriergerät aufgezeichnet wird. Ein Beispiel aus der Praxis! In der Luftstickstoffindustrie, wo große Gasmengen verarbeitet werden, ist es notwendig, diese zahlenmäßig zu erfassen. Die Gase strömen in der Regel durch ein weites Rohr mit dem Querschnitt F und haben eine Strömungsgeschwindigkeit w, die zeitlich nicht konstant ist. Das während einer Zeit T durch den Rohrquerschnitt hindurchgeströmte Volumen v ist gegeben durch das bestimmte Integral T

o Die Großindustrie verfügt nun über Registriergeräte, die w in einem Koordinatensystem als Funktion der Zeit einzeichnen. Fig. 142 gibt einen solchen Registrierstreifen wieder. Will man v ermitteln, so muß man das bestimmte Integral, das durch die Fläche unter der Kurve gegeben ist, auswerten. Ein weiterer Fall ist z. B. folgender: bei der Herstellung eines elektrochemischen Präparates braucht man zur Berechnung der Stromausbeute die gesamte, während der Versuchsdauer T überT

gegangene Ladungsmenge, also fi-dt, o

wenn i die Stromstärke ist.

288

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Dieses Integral wird bekanntlich automatisch durch ein (Joulometer ausgewertet (vgl. S. 225). Ein solches sei bei dem Versuch gerade nicht vorhanden und daher wird von Zeit zu Zeit die Stromstärke an einem Amperemeter abgelesen und notiert. Aus diesen Werten soll dann das Integral ermittelt werden. s. —s- 1

8

8 J

a Fig. 142. Ausschnitt aus einem Registrierstreifen, eine Strömungsgeschwindigkeit als Funktion der Zeit darstellend

Schließlich kann an uns die Aufgabe herantreten, ein bestimmtes Integral auszuwerten, das zwar analytisch gegeben ist, aber nicht in geschlossener Form integriert werden kann. Wir wollen im folgenden einige Methoden kennenlernen, die wir heranziehen können, um die gestellte Aufgabe zu lösen. Es gibt graphische, numerische und mechanische Methoden sowie Kombinationen von solchen. Im Rahmen dieses Buches ist es natürlich nicht möglich, in allen Einzelheiten auf diese Fragen einzugehen. Die beschriebenen Methoden sollen vielmehr lediglich die Aufmerksamkeit des Lesers auf den ganzen Fragenkomplex lenken. Ausführlicheres findet man in dem Buche H. v. S a n d e n , „Praktische Analysis", Verlag Teubner.

44. Mechanische Methoden zur Auswertung bestimmter Integrale 289 Die graphischen Methoden verdienen m. E. in der Praxis aus einer ganzen Reihe von Gründen vor den numerischen den Vorzug. Leider wird noch vielfach geglaubt, die graphischen Methoden seien sehr ungenau. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß die Genauigkeit nur von der Sauberkeit der Zeichnung abhängt. Die Verwendung nicht zu kleinen Maßstabes und die Benutzung spitzer und nicht zu weicher Bleistifte ergibt Resultate, deren Fehler nur höchstens einige Promille betragen. Das ist aber auch die Genauigkeit des 25-cm-Rechenschiebers. 44. M e c h a n i s c h e M e t h o d e n zur A u s w e r t u n g bestimmter Integrale Die Auszählmethode Wir wollen die oben skizzierte Aufgabe, die Berechnung des T

Integrals f i • dt, zum Anlaß nehmen, die erwähnten Methoden o einzeln durchzusprechen. Die gemessenen Stromstärkewerte seien in nachstehender Tabelle wiedergegeben. Alle fünfzehn Minuten wurde i während der Dauer von 2 1 / 2 Stunden abgelesen, wobei die Ablesung auf 10 mA genau erfolgt ist. Aus diesen Werten zeichnen wir uns zunächst die Kurve i = f(t), wobei wir den Maßstab nicht zu klein wählen. Fig. 143 zeigt die Kurve, die im Original in folgendem Maßstab gezeichnet war: auf der Abszissenachse entsprachen 6 cm einer Stunde und auf der Ordinatenachse bedeuteten 5 cm die Stromstärke von 1 Amp. Eins der einfachsten und sichersten, wenn auch „unelegantesten" (aber auf „Eleganz" sollte es dabei eigentlich nie ankommen!) Verfahren zur Ermittelung des Integral wertes, der ja durch die Fläche unter der Kurve dargestellt wird, ist die Bestimmung der Größe dieser Fläche durch Auszählen der kleinen Millimeterquadrate. Das ist besonders leicht, wenn die Kurve auf Millimeterpapier gezeichnet wurde. Man zählt erst die vollen cm 2 , dann die vollen Viertel-cm 2 , indem man sorgfältig jede gezählte Fläche ankreuzt und zum Schluß die in den Restzipfeln liegenden Quadratmillimeter. A s m u s , Einführung in die höhere Mathematik.

1!»

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Bei der vorliegenden Aufgabe wurden insgesamt 177 volle cm 2 , 28 Viertel-cm2 und 612 mm 2 , also insgesamt 190,1 cm2 gezählt. Damit ist der Wert des Integrals natürlich Tabelle 17 t

i

Min.

Amp.

0 15 30 45 60 75 90 105 120 135 150

4,00 3,60 3,28 2,96 2,68 2,44 2,20 2,00 1,80 1,64 1,48

noch nicht ermittelt, denn die durch die 60 SO tOO 120 IVO fflmin. Integration zu errechnende Größe hat die Fig. 14a Dimension Amp.-Sek. oder Amp.-Std. Unter Zugrundelegung unseres Maßstabes entspricht einem Quadratzentimeter die Ladungsmenge 0,2 Amp. • 10 Min. = 0,2 • -^-Amp.-Std., also ^r Amp.-Std. Da wir insgesamt D

OU

j

2

190,1 cm gezählt haben, ist der Wert des Integrals 190,1 30 6,337 Amp.-Std. Die Wägemethode Eine mechanische Methode, die auch ganz ausgezeichnete Ergebnisse liefert und die ganz besonders dem Chemiker zusagen mag ,ist die Auswertung bestimmter Integrale mit der analytischen Waage. Wir zeichnen uns wiederum den Integranden auf Millimeterpapier (Maßstab wie oben angegeben) und schneiden aus dem Blatt eine rechteckige Fläche, die etwas größer als die zu berech-

44. Mechanische Methoden zur Auswertung bestimmter Integrale 291 nende ist. Der unbedruckte Rand des Millimeterpapiers ist dabei wegzuschneiden. Das ausgeschnittene Rechteck von (in unserem speziellen Falle) 300 cm2 Flächeninhalt wird nun mit der analytischen Waage gewogen und ergibt ein Gewicht von 3,0855 g. Jetzt wird aus dem Rechteck die zu berechnende Fläche durch einen Schnitt längs der gezeichneten Kurve herausgenommen und ebenfalls gewogen. Dabei findet man ein Gewicht von 1,9619 g. (Diese Zahlen sind einem praktisch durchgeführten Versuch entnommen.) Unter der Voraussetzung, daß das verwendete Millimeterpapier überall gleiche Dicke hat, muß sich die gesuchte Fläche zu 300 cm2 verhalten wie die entsprechenden Gewichte der beiden Flächen;

'-«»•iSi-iw»-

bei logarithmischer Rechnung. Damit ist der Wert des Integrals

2,5

f i dt (Zeit in Stunden) ebenfalls zu 6,337 Amp.-Stunden bestimmt, o Die Methode setzt allerdings voraus, daß das Papier von gleichmäßiger Beschaffenheit ist und daß das Millimeternetz nicht durch schlechten Druck teilweise verzerrt ist. Es sollen daher für diese Methode nur gute Markenpapiere verwendet werden. Planimetrieren Schließlich sei noch auf eine weitere viel benutzte mechanische Auswertungsmethode, das sogenannte P l a n i m e t r i e r e n , hingewesen. Ein Planimeter ist ein Apparat, mit dessen Hilfe man den Flächeninhalt unter einer Kurve auf rein mechanischem Wege ermitteln kann. Die schematische Darstellung eines solchen Gerätes in der gebräuchlichsten Ausführung eines Amslerschen P o l a r p l a n i m e t e r s zeigt Fig. 144. Das Planimeter besteht im wesentlichen aus zwei Armen, die miteinander gelenkig verbunden sind, einem Meßrädchen und einem Zählwerk. Wird der Punkt P (Pol) außerhalb der zu planimetrierenden Fläche festgehalten, was durch einen spitzen Stift von selbst geschieht, und mit dem Schreibstift 8 die auszumessende Fläche umfahren, so gibt das Zählwerk den Inhalt dieser Fläche an (Fig. 145). Auf die Theorie des Polarplanimeters kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden, es sei nur auf das Buch von W. Meyer 19*

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zur Capellen, „Mathematische Instrumente", Akad. VerlagsGes., verwiesen.

Fig. 145. Polarplanimeter

Auch das Planimetrierverfahren ist gegen Verzerrung des Millimeternetzes durch schlechten Druck oder verzogenes Papier empfindlich.

45. Numerische Näherungsmethoden zur Auawertung usw.

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45. Numerische Näherungsmethoden zur A u s w e r t u n g bestimmter I n t e g r a l e Weiter oben wurde schon erwähnt, daß es auch numerische Methoden gibt, nach denen man ein bestimmtes Integral auswerten kann. Hiervon seien zwei im folgenden besprochen. Man kennt sie allgemein unter den Namen der T r a p e z f o r m e l und der Simpsonschen R e g e l . Um die Genauigkeit dieser Integrationsverfahren mit den bereits besprochenen vergleichen zu können, wählen wir wiederum das2,5

selbe Beispiel, die Berechnung des Integrals f i • dt mit tabellarisch 0 gegebenem Integranden. Die Voraussetzung für die bequeme Anwendimg der beiden zu besprechenden Verfahren ist, daß die Abszissenwerte mit äquidistanten Abständen tabelliert vorliegen. Ferner muß zur Anwendung der Simpsonschen Regel im Integrationsintervall eine ungerade Anzahl von i- und i-Werten vorhanden sein. Dies ist zweifellos ein Nachteil gegenüber den bereits behandelten Methoden. Wir haben aber unser Beispiel so gewählt, daß diese Voraussetzungen erfüllt sind. Die Trapezfoimel Bei der Berechnung eines bestimmten Integrals mit Hilfe der T r a p e z f o r m e l denkt man sich die einzelnen Punkte des Integranden, den wir zunächst allgemein als y = f(x) schreiben, nicht durch eine stetig gekrümmte Kurve, sondern durch gerade Linienzüge verbunden, nach einem Schema, welches leicht der Fig. 146 entnommen werden kann. Der Flächeninhalt F unter der Kurve wird nun angenähert als Summe der mit römischen Zahlen bezeichneten (in unserem Beispiel) 6 Trapeze, deren Höhe ö konstant ist, berechnet. Damit wird F gegeben durch den Ausdruck F = F1 +Ft+Fa+---

F = 4 (»o +

2

+Fe,

2/1 + 2 y-z + 2 2/3 + 2 y.i + 2 ys +