Einführung in die höhere Mathematik und ihre Anwendungen: Ein Hilfsbuch für Chemiker, Physiker und andere Naturwissenschaftler [4. Aufl. Reprint 2018] 9783111624662, 9783111247083


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VORWORT ZUR 4. AUFLAGE
INHALT
I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen: 1. Abschnitt. Differentialrechnung
1. Kapitel. Allgemeines über Funktionen und ihre Darstellung
2. Kapitel. Die wichtigsten Funktionstypen
3. Kapitel. Näherungsverfahren zur Auflösung von Gleichungen
4. Kapitel. Reihendarstellung von Funktionen
5. Kapitel. Unbestimmte Ausdrücke
I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen: 2. Abschnitt. Integralrechnung
1. Kapitel. Allgemeines über Differentialgleichungen und den Integralbegriff
2. Kapitel. Integrationsmethoden
3. Kapitel. Graphische, numerische und mechanische Integralauswertung
II. Teil. Funktionen zweier Veränderlichen
1. Kapitel. Darstellung von Funktionen zweier Veränderlichen
2. Kapitel. Differentiation
3. Kapitel. Integration
Anhang
Sach- und Namenregister
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Einführung in die höhere Mathematik und ihre Anwendungen: Ein Hilfsbuch für Chemiker, Physiker und andere Naturwissenschaftler [4. Aufl. Reprint 2018]
 9783111624662, 9783111247083

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ARBEITSMETHODEN DER MODERNEN

NATURWISSENSCHAFTEN

Einführung in die höhere Mathematik und ihre Anwendungen Ein Hilfsbuch für Chemiker Physiker und andere Naturwissenschaftler Von

E. A S M U S

Dr. phil. habil., Dipl.-Ing. Professor an der Techn. Universität Berlin

4. A u f l a g e Mit 184 Abbildungen im Text

WALTER

DE G R U Y T E R

&

CO.

v o r m a l s G . J . Gösehen'sche V e r l a g s h a n d l u n g — J . Gutteritag, Verlagsb u c h h a n d l u n g — G e o r g R e i m e r — Karl J . T r ü b n e r — Veit & Comp. B e r l i n 1963

© Copyright 1952, 1959, 1963 by λν alter 5 = t g a ,

wobei κ das Verhältnis der Q Molwärmen - J bedeutet. Die graphische Darstel lung dieser Funktionen klasse findet sich in Fig. 43. Bei den Hyperbeln mit geraden Exponenten hegen die beiden Äste im ersten bzw. zweiten Quadranten, bei denjenigen mit ungeraden Exponenten daFig. 43. Graphische Darstellung der gegen im ersten bzw. dritFunktionen vom Typus y = \ für η > 1 ten Quadranten. Ganz ähnlich, wie es bei den Parabeln (S. 34) war, schmiegen sich auch hier die Kurven mit wachsendem Exponenten einer gewissen Grenzfigur immer besser an.

64

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Naturwissenschaftliche Bedeutung besitzen in der Regel nur die Äste im ersten Quadranten. 12. Die K e t t e n r e g e l Ableitung und Anwendung der Kettenregel Die organische Chemie kennt eine Reihe von festen Stoffen, ^X^" C oder Di-p-aniwie ζ. B. Tnbiphenylmethyl sylstickstoffoxyd

CH.O/"

die Radikalcharakter besitzen. Man kann diesen u. A. durch magnetische Messungen feststellen. Die Temperaturabhängigkeit der Suszeptibilität der oben genannten Stoffe folgt einer Gleichung der allgemeinen Form _

C

t — τ —Θ ' wobei Θ und C Konstanten sind (Gesetz von Cur i e und W e i ß ) . Für das Tnbiphenylmethyl lautet die Gleichung z.B. X

_

C

~ T + 18 ' Wie sieht diese Funktion graphisch dargestellt aus ? Es ist ganz offensichtlich eine gleichseitige Hyperbel, die Q Fig. 44. Graphische Darstellung des Gesetzes von C u r i e - W e i ß

gegenüber der Hyperbel χ = ^ um die Strecke Τ = 18 nach links verschoben ist (Fig. 44). Wir wollen nun den Temperaturkoeffizienten der Suszeptibilität berechnen, d. h. bei dieser Kurve die Steigung ermitteln. Das ist unter Zuhilfenahme der bisher kennengelernten Differentiations-

12. Die Kettenregel

65

regeln nicht möglich. Wir müssen daher eine neue Regel besprechen, die wohl als wichtigste Differentiationsregel bezeichnet werden kann. Man nennt sie die K e t t e n r e g e l . Q

Die Gleichung χ =

hätten wir ohne weiteres differen-

T

zieren können, wenn der Nenner lediglich die Größe Τ enthalten h ä t t e ; dann wäre ^

= —

.

Da uns das zweite Glied stört, setzen wir Τ + 18 = ζ und führen damit unsere Gleichung in die Form C Χ=γ über. J e t z t können wir einen Differentialquotienten bilden, nämlich (>·) £· Das ist aber nicht der gesuchte Differentialquotient, denn was wir brauchen, ist dr _ Aus unserer Definitionsgleichung können wir aber

dz

ζ = Τ +18 bilden. Es ist, hier besonders einfach,

(11)

S = 1 -

Nun ergibt sich aus Gl. (10) das Differential dz zu

und aus Gl. (11)

dz = dT . Durch Gleichsetzen der beiden Differentiale erhalten wir - *

Cd

yχ - d T

'

dx

dT

-

C

ζ2

-

C

(T + 18)*·

Wegen der Wichtigkeit der Kettenregel wollen wir sie uns in allgemeiner Form jetzt ableiten. A s m u s , Einführung in die höhere Mathematik. 3. Aufl.

5

66

I· Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Die Kettenregel wird stets dann angewandt, wenn die abhängige Veränderliche als Funktion einer Funktion von χ erscheint, z.B.

y=(x-\- 5)2

oder

y = ]j x2 + 10,

oder wenn in allgemeiner Form V = /[?>(*)] ist. In unseren beiden Beispielen bedeuten φ (χ) = χ -f- 5 bzw. φ (χ) = χ2 + 10 und das Symbol /[ ] bedeutet die Operation des Quadrierens bzw. des Radizierens, also /[ ] = () 2 /[ ] = \/~ Die Z w i s c h e n f u n k t i o n φ(χ) wollen wir im folgenden ζ nennen. In unserem zweiten Beispiel ist dann also y = yjz ,

wobei ζ — x2 -j- 10 ist.

Die drei Funktionen

y = ]/x2 + 10 ,

und ζ = χ2 + 10 werden durch die in Fig. 45 qualitativ gezeichneten Kurven dargestellt.

y = j/z~

Es wird der erste Differentialquotient für die Kurve I gesucht, also die Steigung der Kurve in einem Punkt mit den Koordinaten χ und y. Sie ist tg Λ = ^ , wobei dx ein willkürlich wählbares Differential ist und dy mit diesem durch die Gleichung dy = tg«· dx verkoppelt ist. Um zu dem willkürlich gewählten dx das zugehörige dy zu finden, gehen wir von der Kurve III aus. In einem Punkte Pl mit der Abszisse χ und der Ordinate ζ besitzt die Kurve III eine

dz

Steigung ζ'- = φ'(χ) = tg γ = -y-. Aus dem willkürlich wählbaren (IX

dx und der Steigung tg γ ergibt sich dz — tg γ · dx. Nun gehen wir zur Kurve II über und zeichnen hier in einem Punkte P 2 mit der Abszisse ζ (es war die Ordinate von Pl bei

12. Die Kettenregel

67

Kurve ΠΙ) die Tangente, wobei wir dz nicht willkürlich wählen,, sondern gerade so groß nehmen, wie es sich an der Kurve III ergab, also dz = t g y · dx. Zu diesem dz finden wir ein dy = tgß· dz. Dieses dy gehört jetzt bei der Kurve I im Punkte Ρ zu einem dx,

^ = tg« = t g / ? . t g y , dy dx

dy dz dz dx Tig. 45. Figur zur Ableitung

In Worten ist der Inhalt der Kettenregel folgender:

der Kettenregel

Um die Ableitung der Funktion einer Funktion zu erhalten, differenziert man zunächst nach der Zwischenveränderlichen z, 5*

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

68 ,

bildet

dann

die Ableitung

der Zwischenveränderlichen

nach x, I^H , und multiphziert beide Ableitungen miteinander. Es sei ζ. B. (12) Wir setzen

y =.(»·+2)». ζ = a;2 + 2

und erhalten zwei . y = Dann ist ^d z also = =

Gleichungen: z2 und ζ = χ2 + 2 .

^

= 2ζ

und

2 z - 2 a ; = ±xz = TkT. Beide Kurvengruppen werden getrennt durch eine Kurve, die weder "p Maximum noch Minimum, wohl aber Fig. 58. Isothermen eines ® inen Wendepunkt mit waagerechter van der Waalsschen Gases Tangente besitzt und die für die kritische Temperatur TkT gilt. Das ist diejenige Temperatur, oberhalb der das Gas nicht durch Druckerhöhung allein verflüssigt werden kann. Die Koordinaten des Wendepunktes dieser Kurve sind der kritische Druck pkT und das kritische Molvolumen F kr . Will man die drei kritischen Daten pkI, F kr und TkT des betreffenden realen Gases berechnen, so braucht man zur Ermittelung der drei Unbekannten drei Bestimmungsgleichungen. Diese drei Gleichungen erhält man, wenn man berücksichtigt, daß es sich bei der Bestimp

13. Extremwert- und Wendepunktsbestimmung

89

mung von p ^ und V^ um die Ermittelung der Koordinaten des Wendepunktes mit waagerechter Tangente handelt. Die drei Bestimmungsgleichungen sind folgende: weil der kritische Punkt auf einer Kurve der Schar liegt, ist ,

1. und

Pta



RTki Vto-b

dp

RT

2a

(V — by ' V3 _2RT_ 6a _ (F — b)3 " F4 —

dV „

a F f

d*p dV»

Die beiden letzten Gleichungen für pkr> Fkr und geschrieben, sind die Bedingung dafür, daß der kritische Punkt Wendepunkt mit horizontaler Tangente ist. Die drei Gleichungen lauten umgeformt: ,

1.

BT kr Fkr-6

Ρkr RTiT

2.

α 75,'

__ 2a

(Fkr-6) 2 ~ F* r ' RTkt

3.

_

(Fkr-6)3-

Ff

Nach Division von 2 durch 3 folgt V* - δ = 4

Fkr,

Fkr = 3 6 . Setzen wir diesen Wert in 2 ein, so erhalten wir RTkr

462

_



27 ö3 ' _ 8a J kr " 27 E& ' Endlich setzen wir die fiir F k r und T k r ermittelten Werte in 1 ein, und es ergibt sich _

Pkr =

R·8a

a

a

27 Rb • 2b _ 9 P " 27&~2"

90

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen 14. Graphische D i f f e r e n t i a t i o n

Die Ermittelung eines Extremwertes oder eines Wendepunktes kann unter Umständen auf Schwierigkeiten stoßen. Nicht immer wird eine Funktion analytisch gegeben vorliegen, ζ. B. bei der Ermittelung des Wendepunktes bei einer potentiometrischen Titration. I n einem solchen Falle muß die Differentiation n u m e r i s c h oder g r a p h i s c h durchgeführt werden, da aber ein solcher Fall im allgemeinen selten vorkommt, wollen wir die numerische Differentiation nicht besprechen. Es sei auf das einschlägige mathematische Schrifttum verwiesen. Ein graphisches Verfahren soll aber kurz

Tst eine Funktion graphisch durch eine Kurve gegeben, so läßt sich die Ableitungskurve leicht finden, indem man von Punkt zu Punkt an die Kurve y = f(x) Tangenten zeichnet und deren Neigung tgλ bestimmt, tgsc ist allerdings nur dann mit y' == ^ identisch, wenn Abszissen- und Ordinatenmaßstab gleich sind. Sind die Maßstäbe verschieden, so ist ^

entsprechend den Über-

legungen auf S. 27 aus tgcn durch Multiplikation mit y zu gewinnen also ist y' =

= tgx -y



Das Zeichnen der Tangen te ist erfahrungsgemäß nicht ganz einfach. Wesentlich leichter ist die Ermittelung der Lage der Normalen (Fig. 59), also der zurTangente senkrecht stehenden Geraden. Ist diese festgelegt, dann ist auch die Tangente leicht zu

14. Graphische Differentiation

91

ermitteln. Man bedient sich dabei mit Vorteil eines Spie'Spiegelbild g e l l i n e a l e s . Legt man dieses Lineal, da« eine spiegelnde Kurre^ Kante besitzt, etwa in Richtung der Normalen quer über Spiege///nea/ die Kurve, so erblickt man im Fig. 60. Handhabung eines Spiegellineals Spiegel das Spiegelbild der Kurve, das mit einem Knick an die gezeichnete Kurve anschließt (Fig. 60). Man dreht nun das Lineal so lange, bis Kurve und Spiegelbild ohne Knick ineinander übergehen, dann steht das Lineal genau in Richtung der Normalen. In gewissen Fällen genügt es, statt des Differentialquotienten den Differenzenquo- — tieuten zu ermitteln. dv Bei derpotentiometrischen Titration (S. 74) muß der Wendepunkt der Titrationskurve ermittelt werden (Figur 61). Man ermittelt den Wendepunkt oft durch Messung des Differenzenquotienten der Titrationskurve, der als Näherung für den Differerentialquotienten anzusehen ist. Bei der Abszisse des Wendepunktes der Titrationskurve besitzt der Differentialquotient ein Maximum ; mit guter Näherung ist Fig. 61. Ermittelung des Äquivalenzpunkdas auch beim Differenzen- tes bei einer potentiometrischen Titration quotienten der Fall. nach der Methode der Potentialschritte

92

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Bei der sogenannten M e t h o d e d e r P o t e n t i a l s c h r i t t e wird die Lösung, mit der titriert wird, in abgemessenen kleinen, konstanten Portionen Δ ν cm 3 in das Reaktionsgefäß gegeben und es wird nicht das Potential selbst, sondern nur die bei Zugabe von Δν ΔΕ sich ergebenden Potentialänderungen Δ Ε gemessen. oder einfacher Δ Ε (weil Δν konstant gehalten wird) wird dann gegen ν aufgetragen, durch die gemessenen Punkte werden zwei Teilkurven gelegt und diese dann bis zu ihrem Schnittpunkt verlängert. Die Abszisse des Schnittpunktes gibt dann die Lage des Wendepunktes und damit den gesuchten Aquivalenzpunkt an. B. S i e Logarithmusfunktion 15. D a r s t e l l u n g und D i f f e r e n t i a t i o n der L o g a r i t h m u s f u n k t i o n In der Elementarmathematik lernt man den Begriff des Logarithmus kennen. Ist a° = c , dann nennt man bekanntlich b den Logarithmus von c zur Basis a. Es ist also ein Logarithmus diejenige Zahl, mit der man α potenzieren muß, um c zu erhalten. Man drückt diesen Satz in mathematisch symbolischer Form durch die Gleichung 6 = "logc aus. Da nach den Regeln der Potenzrechnung aus ab = c c-h = folgt, ist

a

und

ad = h ,

ai+d

log (c· h) = 6 + d = "logc + "logh .

Da jede Zahl als Potenz einer willkürlich gewählten Basis dargestellt werden kann, läßt sich durch Einführung der Logarithmen eine Multiplikation zweier Zahlen auf die Addition ihrer Logarithmen zurückführen. Aus praktischen Gründen pflegt man dabei als Basis des Logarithmensystems die Zahl 10 zu wählen. Den Logarithmus zur Basis 10 schreibt man üblicherweise lg und

15. Darstellung imd Differentiation der Logarithmusfunktion

93

nennt ihn den B r i g g sehen oder d e k a d i s c h e n Logarithmus. Auf die Vermittelung dieser Eigenschaften des Logarithmus beschränkt sich in der Regel der mathematische Schulunterricht. Darüber hinaus erfassen wir jetzt den Logarithmus als Funktion, betrachten also die Eigenschaften von y = lg*· Zunächst ein Beispiel für das Auftreten dieser Funktion. Eine sogenannte Konzentrationskette besteht aus folgenden Teilen (Fig. 62). Zwei Bechergläser sind gefüllt mit Lösungen, die ζ. B. Silberionen in verschiedener Konzentration enthalten. In die Lösungen tauchen zwei Silberstäbe und die beiden Flüssigkeiten sind durch einen mit KNO a -Lösung gefüllten Heber verbunden. Als Folge der verschiedenen wenig 4g* r/eMg* Silberionenaktivität in den beiden Gefäßen entsteht nun zwischen den A u f b a u einer Konzentrationskette beiden Silberstäben eine Potentialdifferenz E, die mit der Aktivität der Silberionen nach der Gleichung a . 1,9 ί · 1 0 - · ϊ ' Ε = lg — m Λ 1

1

σ

zusammenhängt. Dabei bedeuten: Τ die absolute Temperatur, η die Wertigkeit der aktiven Ionen, a1 und a2 ihre Aktivität in den beiden Lösungen. Sind die Lösungen sehr verdünnt, dann sind die Aktivitäten praktisch identisch mit den Ionenkonzentrationen, und so ist dann (17)

Ε

=

!-

9

1 · 10-

-ig'

1

Ist die Konzentration der einen Lösung konstant (c2), so ist Ε eine logarithmische Funktion der anderen Konzentration cv Mißt man die elektromotorische K r a f t Ε und kennt die eine Konzentration, so läßt sich die andere nach der Gl. (17) berechnen. So lassen sich Löslichkeiten schwer löslicher Salze bestimmen, die sich rein chemisch nicht ermitteln lassen.

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

94 Darstellung

Die tabellarische Darstellung der Funktion y — lg χ ist jedem, der sich mit Elementarmathematik befaßt hat, bekannt: es ist die Logarithmentafel. In ihr findet man zu jedem Werte χ den Wert y = lg x. Mit Hilfe der Werte, die man der Logarithmentafel entnimmt, kann man y — lg χ graphisch darstellen und erhält so die in Fig. 63 abgebildete, monoton ansteigende Kurve, die die negative y-Halbachse zur Asymptote hat und die Abszissenachse 'e.ijrt/.g bei χ — 1 schneidet. Ist die Basis nicht 10, sondern allgemein a, dann ist der Verlauf der Kurve y = "loga; qualitativ der gleiche, denn bei (18)

y = "loga; ist α" = χ

und damit Τ

(19)

ylga^lgx.

Durch Kombination der Gl. (18) und (19) folgt "log χ • lg a — lg χ , Fig. 63. Graphische Darstellung

der Funktion y = "log χ

(20)

"log χ = ^

.

Jede Ordinate der Kurve y = "log χ ist gegenüber der entsprechenden Ordinate von y = lg χ um den Faktor ^

verändert. Ist a

größer als 10, dann verläuft y = "log χ wie die gestrichelt gezeichnete Kurve in Fig. 63, ist α hingegen kleiner als 10, dann verläuft die Kurve wie die strichpunktiert gezeichnete. Die ganze Kurvenschar hat den Punkt χ = 1, y — 0 gemeinsam, denn log 1 hat bei jeder Basis den Wert Null. Differentiation Um festzustellen, ob y — lg χ außerhalb des in Fig. 63 dargestellten Bereiches einen Extremwert oder einen Wendepunkt

15. Darstellung und Differentiation der Logarithmusfunktion

95

besitzt, müssen wir imstande sein, die Logarithniusfunktion zu differenzieren. Zur Ermittelung ihres Differentialquotienten gehen wir in üblicher Weise vor und erhalten y — "log χ , y +Ay

= "log(χ + Δχ) ,

Δ y = «log {χ+Δχ) Αχ

- «log χ = «log

= «log (l +

* .iogfi+4?). Αχ °\ χj

Wir erweitern nun die rechte Seite der Gleichung mit χ und wenden dann die Regel über den Logarithmus einer Potenz an.

a i - a - T - M ' + T )

- T - M ' + T )

4

·

Der erste Differentialquotient ist somit dx

=•• lim Jx-0

oder, wenn wir η zur Abkürzung für (21)

schreiben, ist

ga x = lim „-• 00

Die Zahl e Wir müssen nun untersuchen, welchem Grenzwert der Ausdruck bei unbegrenzt wachsendem η zustrebt. -)-—j n können wir nach dem binomischen Lehrsatz umformen zu

98

Ι· Teil. Funktionen einer Veränderlichen (n\

(n\

tri

Die Größen (^j, ( 2 j , | 3 j usw. schreiben wir voll aus (vgl. S. 194) und erhalten 1 \n _ 1 I n 1 _i_ n ( n — !) _ι_ n ( n — !) ( n — 2) . rT • 1 • 2 - η* 1 1 · 2 · 3 · n3 '''' \ ^ η)

η

1

η2

n

ι η"

+

1-2 η)

tf

ΓΊΓ3

η)

ι

ι" '

/ 1\» 1 i - 1 ( ι - 1 (1--) 1 + = 1 +-L 4 + — —4". [ ^ η 1! 2! 3! ^ Geht man jetzt zur Grenze über, so verschwinden die durch η dividierten Glieder in den Klammern auf der rechten Seite und es ergibt sich, was durch strenge mathematische Rechnung gezeigt werden kann, η —»• αο * ' Dieser Ausdruck hat trotz seiner unendlich vielen Glieder einen endlichen Wert, was sich am einfachsten dadurch zeigen läßt, daß man die Reihe 1 4- — -J-— -U— 41 - J - J , 1! '2! '3! 4! mit der aus der Elementarmathematik geläufigen unendlichen geometrischen Reihe 1 4-J-4-i-4-±4-L + ... vergleicht. Die Reihe, die uns den gesuchten Grenzwert liefert, formen wir etwas um und schreiben die oben angegebene geometrische Reihe zum Vergleich darunter η —•

oo \

' 1 1 — ] 4 - 1 41 - - 4- —- -I 1 U • 2 23 2-3-4 2-34-5

geom. Reihe

1+

2

+1

2-2

+1

1 2-2-2

'

1

1 2 - 2 - 2 - 2

15. Darstellung und Differentiation der Logarithmusfunktion

97

Man erkennt, daß jedes Glied der geometrischen Reihe größer ist als das entsprechende (darüber stehende) Glied des zu untersuchenden Ausdruckes. Wenn nun die unendliche geometrische Reihe einen endlichen Wert besitzt, und der ist ja bekanntlich gleich 2 nach der in der Elementarmathematik bewiesenen Formel

8= ^

1

, so muß die obere Reihe, bei der jedes einzelne Glied

(vom vierten ab gerechnet) kleiner ist, erst recht einen endlichen Summenwert besitzen, der kleiner als 3 und größer als 2 sein muß. Diesen Wert, der in der höheren Mathematik eine besonders wichtige Rolle spielt, bezeichnet man mit dem Buchstaben e. Es ist eine irrationale Zahl (deren Berechnung wir noch auf S. 185 kennenlernen werden) und besitzt auf 15 Dezimalen ausgerechnet den Wert n~+ oo

x

' = 2,718281828459045 . . .

Somit erhalten wir also für unseren gesuchten Differentialquotienten (21) dy d "log χ 1 „, -r- = — = — · l°g e . (22) dx dx χ Man erkennt sofort, daß die erste Ableitung des IiOgarithmus nie den Wert Null haben kann; aber auch die zweite Ableitung d2y dx* ~

1 „, ®6

verschwindet für keinen endlichen Wert von x. Also besitzt die Kurve y — lg a; weder Extremwerte noch Wendepunkte. Der natürliche Logarithmus Aus Gl. (22) ersieht man, daß die Differentiation des Logarithmus ein besonders einfaches Resultat ergeben würde, wenn als Basis des Logarithmensystems die Zahl e genommen werden würde. A s m u s , E i n f ü h r u n g in die h ö h e r e M a t h e m a t i k . 3. Aufl.

98

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

In diesem Falle wäre und damit

—3-5— = αχ

elog

e. = 1

1

— . "loa e = •- — χ χ

1 , 1

1 = — . χ

Diese neue Basis wird nun in der höheren Mathematik auch fast ausschließlich verwendet. Man nennt die Logarithmen zur Basis e die „natürlichen" (logarithmus naturalis) oder Neperschen und bezeichnet sie mit dem besonderen Symbol In. Y'tgx "log χ = In χ . 10063,0

— 2

- -

1,8

59fi ~ -

1,6

25,1 - -

1,4

15.8 ~ -

1,2

10-

6,30 m

0,8

- -

o,6

251

0,4

1,58 - -

0,1

1-

0

Fig. 64. Logarithmische Leiter

So wird

d

In χ

1

dx

χ

Es gibt Tabellen der natürlichen Logarithmen, die man aber nicht unbedingt braucht, da man die natürlichen Logarithmen leicht aus den dekadischen ausrechnen kann, denn es ist nach Gl. (20) In χ —

Igx

Ige lg e hat den Wert 0,43429 . . . und 1 so daß ist 2,3026 . . lg e In χ — 2,3026 lg χ und lg χ == 0,43429 In χ ist. Der Verlauf der Funktion y = In χ ist in Fig. 63 dargestellt. 16. L o g a r i t h m i s c h e P a p i e r e Die logarithmische Leiter Eine besondere Bedeutung besitzt die Darstellung der Logarithmusfunktion durch eine Funktionsleiter. Sie tritt beim sogenannten

16. Logarithmische Papiere

99

logarithmischen Rechenschieber und bei den logarithmischen Papieren auf. Fig. 64 zeigt eine logarithmische Leiter für x-Werte von 1 bis 100 und erläutert ihre zeichnerische Konstruktion. Auf einer Geraden ist für y eine gleichmäßige Teilung für den Bereich von 0 bis 2 gezeichnet. Wird y als der Logarithmus einer Zahl x, also als y = lg x, aufgefaßt, so läßt sich jeder Zahl y eine andere Zahl χ = 10" gegenüberstellen und der Abstand des diese Zahl festlegenden Teilstriches vom Anfang der Skala ist L = l-y =

l-\gx.

Mit Hilfe dieser Gleichung wir die in Fig. 64 links stehende logarithmische Leiter gezeichnet. Da lg 1 — 0, lg 1 0 = 1 und lg 100 = 2 ist, wird jede Zehnerpotenz durch eine gleich lange Strecke dargestellt. Die Ablesung irgendeines Wertes auf einer logarithmischen Teilung ist mit gleicher relativer Genauigkeit für jeden Wert möglich. Ist nämlich , , r L = l · lg χ , so folgt daraus dL j 0,434 χ

dx dx

2,30 l

Daher ist in guter Näherung Αχ — χ

2,30

= -!=-· l

' dL



.T

AL.

AL ist der absolute Ablesefehler an der Skala und ist eine konstante Größe. Beträgt er ζ. B. 0,1 mm bei einer Einheitslänge l = 100 mm, so ist die Ablesung der logarithmischen Teilung bis auf einen relativen Fehler von möglich.

— · 100 = · 0,1 · 100 = 0,23% χ 100

Streckung der Logarithmuskurve zu einer Geraden. logarithmisches Papier

Einfach

Wir haben bereits auf S. 59 kennengelernt, daß gekrümmte Kurven in einem passend gewählten Koordinatensystem durch

100

I. Teil. Punktionen einer Veränderlichen

gerade Linien dargestellt werden können. So ließ sich ζ. B. eine Hyperbel mit der Gleichung y = — durch eine Gerade darstellen,

wenn die Abszissenachse des Koordinatensystems eine Teilung aufwies, die gleichmäßig für die Werte—und nicht für die x- Werte war.

101

16. Logarithmische Papiere

Auch die gekrümmte Kurve, welche die Logarithmusfunktion y = lg χ darstellt, läßt sich zu einer Geraden strecken, und zwar dann, wenn die Abszissenachse eine für die Werte lg χ gleichmäßige Teilung besitzt. Eine solche Kurvenstreckung, deren praktischer Zweck darin besteht, eine Prüfungsmöglichkeit dafür zu liefern, ob eine empirisch ermittelte Funktion durch eine bestimmte

Fig. 67. Graphische Darstellung des Verlaufes der EMK. einer Konzentrationskette als Funktion von cl auf einfach logarithmischem Papier

Funktionsgleichung erfaßt wird, wird durch die beiden Fig. 65 und 66 erläutert. Die schon auf S. 93 angeführte Gleichung für die elektromotorische Kraft Ε einer Konzentrationskette Ε =

1ί98

Γ 4

· lgy-

1,98 · ΙΟ" · Τ

,

1,98 · ΙΟ"4 · Τ

,

lgC = ü ^ η * ist für den speziellen Fall Τ = 300° Κ, η = 1 und c2 = 1 I Μ W ' M 0 0.1 02 03 0.« 0.5 as 0.7 αβ os to ULO 0.1 02. Oj Oß Q5 0.6 0? OJ 09 Ifi w ΦΙΨΗ *0 1 ' 1 1 , 1 ' 1 ' ! ι ' 1 1 1 Ζ 3 Κ 5 6 7β9V

Fig. 73. Mechanische Multiplikation zweier Zahlen durch mechanische Addition ihrer Logarithmen

/

2

I

I

I Ε

7

3

#

5 6 7 8910

> I , I , I 1111111111 ι ι ι ι ι | I |l Ι Ί Ί Ψ Ι 2

3

f

5 6 7 8 910

Fig. 74. Mechanische Multiplikation zweier Zahlen

und eine gewöhnliche Proportionalskala (lg α bzw. lg b) in Form einer Doppelleiter besitzt, so aneinander gelegt, wie es Fig. 73 zeigt, so bedeutet diese Anordnung, daß wieder 0,3 -j- 0,4 = 0,7 berechnet wurde. Es soll aber nach der Konstruktion der Skalen die Zahl 0,3 als Logarithmus einer Zahl a = 2,0 bzw. 0,4 als der Logarithmus einer Zahl 6 = 2,5 aufgefaßt werden. Die Addition der Logarithmen bedeutet aber eine Multiplikation der Numeri und daher muß die bei lg a == 0,7 stehende Zahl a = 5,0 das Produkt 2,0· 2,5 sein. Die Proportionalteilungen lg α und lg b brauchen auf dem Papierstreifen gar nicht vorhanden zu sein. Stellt man die vereinfachten Skalen V und VI so einander gegenüber, wie es Fig. 74 zeigt, so bedeutet diese Stellung die Ausführung der Addition lg 2 -f lg 2,5 oder, was dasselbe ist, der Multiplikation 2· 2,5 = 5.

17. Der logarithmische Rechenschieber

111

Auch die Division 5 : 2,5 = 2 ist durch dieselbe gegenseitige Lage der Skalen erledigt, denn sie läßt sich zurückführen auf die Sub5 traktion der Logarithmen: lg 5 — lg 2,5 = lg — = lg 2 . Werden zwei logarithmische Teilungen so übereinander gezeichnet, daß die eine eine doppelt so große logarithmische Einheitslänge wie die andere aufweist, dann stehen sich auf der oberen und unteren Skala Zahlen gegenüber, von denen die eine das Quadrat der anderen ist. Ist die logarithmische Einheitslänge cm lang

2

I

3

«· 5

678910

20

ι I 111lilililililil 1

I

1

{

1

2

1

r I 11 1« j

1

3

30 10 5060 80100

5

¥

ihlililililil 11111111111 6

7 β 9 X?

-lrziz Fig. 75. Mechanisches Quadrieren einer Zahl

auf der Skala I und Falle (Fig. 75)

cm auf der Skala II, so gilt im vorliegenden Zj — 2 l 2 ,

~ \

.

Ein Teilstrich, der χ cm vom Beginn der beiden Teilungen entfernt ist, stellt auf der Skala I eine Zahl α und auf der Skala I I eine Zahl b dar, die durch die Gleichungen lga =

7T = l f t

lg b =

festgelegt werden. Eliminiert man χ aus diesen beiden Gleichungen, so erhält man 2 l2 lg a = lg b 2 lg α = lg b lg a2 — lg b a2 — b .

112

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Würde man noch eine dritte Skala I I I hinzunehmen, bei der die Länge der logarithmischen Einheit ιh _- U 3

h

~

- Ut a 3

ist, dann ständen auf den Skalen I und I I I Zahlen α und c einander gegenüber, für die die Beziehung a? = c

gelten würde. Für die Zahlen b und c auf den Skalen I I und I I I würde entsprechend b3 = c 2 , b = c'l> , c = b3l> gelten. Eine solche Kombination von drei Skalen läßt sich also dazu benutzen, um Zahlen in die zweite und dritte (eventuell auch 2 / 3 -ηW9 8 7 6 S

#

3

hlilil 111 I ι I ι 1 1

1

2 ο

1

1

3

1

2

ί-χ— /

Ί ι I ΙΑΦΙΦΙΊΊ

4t\ 5 6 7 δ 9 10

ίFig. 76. Mechanische Ermittelung des reziproken Wertes einer Zahl

und 1,5.) Potenz zu erheben bzw. um Quadrat- und Kubikwurzeln zu ziehen. Schließlich sei eine weitere Kombination zweier logarithmischen Skalen betrachtet, die dazu dient, zu jeder Zahl den reziproken Wert zu ermitteln. Hierbei werden zwei logarithmische Skalen verwendet, die einander gegenüberstehen und mit gleichen Einheitslängen l, jedoch gegenläufig, gezeichnet sind, wie es Fig. 76 zeigt. Für irgendeinen Teilstrich, der auf den Skalen I und I I die Zahlen α und b darstellt, gilt

17. Der logarithmische Rechenschieber

Durch Eliminierang von χ folgt Mg« = lg α + lg b = lg a b = ab=

H3

daraus l (1 - l g 6 ) 1 = lg 10 lg 10 10

b = 10 · — . α

Man kann bei einer solchen Skalenanordnung zu jeder Zahl α sofort das Zehnfache des reziproken Wertes — und damit natürlich diesen selbst ablesen. Konstruktion des Rechenschiebers und das Arbeiten mit ihm Der logarithmische Rechenschieber oder Rechenstab ist ein Instrument, mit dem man unter Benutzung der im vorstehenden Läufer

Fig. 77. Der Rechenschieber

besprochenen und einiger weiteren Skalenanordnungen gewisse Rechenoperationen schnell und bequem durchführen kann. Er besteht aus einem geteilten Stabkörper S0 und Su, einer beweglichen Zunge und einem durchsichtigen Läufer (siehe Fig. 77). Es gibt verschiedene Rechenschiebersysteme, die gebräuchlichsten sind das System „Darmstadt" und das System „Rietz"; sie unterscheiden sich voneinander durch Art und Anordnung der Skalen. Dieser Unterschied bezieht sich jedoch nur auf die seltener benutzten Teilungen, die Anordnung der Hauptskalen ist bei allen Rechenschiebern die gleiche. A s m u s , Einführung in die höhere Mathematik. 3. Aufl.

S

114

I . Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Im übrigen werden zu den käuflichen Rechenschiebern von den Herstellerfirmen genaue Beschreibungen und Anleitungen geliefert, nach denen die Handhabung des Rechenstabes leicht eingeübt werden kann. Die Rechenschieber normaler Ausführung sind etwa 30 cm lang und besitzen eine Reihe von Skalen, deren Anordnung sich aus der Fig. 78, die einen Rechenstab des Systems „Darmstadt" darstellt, ergibt. Auf dem unteren Stabkörper Su befindet sich neben der sogenannten pythagoreischen Teilung Ρ und der Sinus- und Tangens-

Fig. 78. Rechenschieber System „ D a r m s t a d t "

teilung (auf der geraden Unterkante) — auf die hier nicht eingegangen werden soll — eine logarithmische Teilung D mit der Einheitslänge 25 cm. Ihr gegenüber befindet sich auf der Zunge eine genau gleiche Teilung C. Außerdem ist hier eine reziproke (rückläufige logarithmische) Teilung R sowie eine logarithmische Teilung Β mit der Einheitslänge 12,5 cm angebracht. Die Rückseite der Zunge ist in der Regel ebenfalls mit Skalen versehen. So befinden sich beim System „Darmstadt" hier die sogenannten Exponentialteilungen, die aber im Rahmen dieses Buches nicht besprochen werden sollen. Der Skala Β steht auf dem oberen Stabkörper *S'0 die in gleicher Art geteilte Skala Α gegenüber und es trägt S0 ferner eine kubische Teilung Κ ^logarithmische Teilung mit der Einheitslänge sowie auf der schrägen Oberkante, neben einer

115

17. Der logarithmische Rechenschieber

zum Rechnen nicht benutzten cm-Teilung, die 25 cm lange gleichförmige Teilung L, die in Verbindung mit der Skala D unter Benutzung des Läufers zum Ablesen der dekadischen Logarithmen beliebiger Zahlen dient. Die Durchführung von Multiplikationen und Divisionen sowie das Erheben von Zahlen in die zweite und dritte Potenz, das Ziehen der Quadrat- und Kubikwurzeln und die Auffindung des reziproken Wertes und des Logarithmus einer Zahl mit Hilfe des Rechenstabes dürften ohne weiteres auf Grund der oben durchgeführten theoretischen Erörterungen verständlich sein. Will man ζ. B. die Zahlen 2 und 3 miteinander multiplizieren, so wird der Zahl 2 auf der Skala D die Zahl 1 auf Skala C gegenübergestellt und das Resultat 6 findet man auf D, der Zahl 3 (auf C) gegenüberstehend. Will man hingegen 2· 3· 1,5 rechnen, so geht man analog vor, nur liest man auf 1) nicht erst das Zwischenergebnis 6 ab, sondern fixiert es dadurch, daß man den Läuferstrich mit 3 auf Skala C zur Deckung bringt, dann die Zunge so weit durchschiebt, bis unter dem Läuferstrich wieder die Zahl 1 auf C steht und findet dann das Endergebnis 9 auf I) unter 1,5 auf Skala C. Es kann leicht vorkommen, daß bei einer Multiplikation die Skala nicht ausreicht, um das Endergebnis nach obiger Vorschrift abzulesen, weil sie nur die Zahlen I bis 10 enthält. Hat man ζ. B. 3 · 5 auszurechnen, so müßte man 1 (C) auf 3 (D) stellen und auf D die Zahl ablesen, die unter 5 (C) steht. Die Skala D reicht aber gar nicht so weit. Um zum Ergebnis zu gelangen, benutzt man die Tatsache, daß eine logarithmische Teilung im Bereich von 10 bis 100 genau so aussieht wie zwischen 1 und 10. Man denkt sich also Skala D durch eine gleiche nach rechts hin fortgesetzt. Es würde dann 10 (C) gegenüber 30 (/)) stehen und die Lage der Zunge der erweiterten Skala D gegenüber würde dieselbe sein wie diejenige, bei der die Zunge so eingestellt ist, daß 10 (C) der Zahl 3 auf SkalaD gegenübersteht. Zu 5 (C) findet man bei dieser Zungenstellung auf D den Wert 1,5, der aber wegen des Durchschiebens der Zunge das Zehnfache, nämlich 15 bedeutet. Man erkennt an diesem Beispiel, daß der Rechenschieber zwar die einzelnen Ziffern der Ergebniszahl, nicht aber die Stellung des Dezimalkommas liefert. Daher muH die Größenordnung des 8*

116

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

erwarteten Resultates stets durch eine Überschlagsrechnung abgeschätzt werden. Eine Division wird in sinngemäßer Abwandlung des Multiplikationsverfahrens so durchgeführt, daß man dem Dividendus a u f / ) den Divisor auf C gegenüberstellt und den Quotienten auf D gegenüber 1 (C) oder 10 (C) abliest. Besitzt der Rechenschieber eine reziproke Skala R, so läßt sich eine Division als Multiplikation mit dem reziproken Wert durchführen. Dem Dividendus auf D wird unter Benutzung des Läufers die Zahl 1 auf R gegenübergestellt und man findet den Quotienten auf D an derselben Stelle, bei der auf R der Divisor steht. Die großen Vorteile des Rechnens mit dem Rechenschieber treten besonders deutlich zutage, wenn mehrere Multiplikationen und Divisionen gleichzeitig durchzuführen sind. Die Benutzung des Rechenstabes bietet in diesem Falle deswegen große Vorteile, weil alle Zwischenergebnisse übersprungen werden können. Besonders rasch kommt man zum Ergebnis — weil man dabei einen Teil der Durchschiebungen der Zunge spart —, wenn man Multiplikationen und Divisionen abwechselnd durchführt, d. h. eine Aufgabe von der Art so löst, wie nachstehendes Schema es andeutet ' ' 3,6: 7,2· 5,5: 4,5· 1,8 . Bei der Durchführung von Multiplikationen und Divisionen kann man statt des Skalenpaares G und D auch die beiden Teilungen Α und Β benutzen; daß man die beiden ersteren vorzieht, liegt daran, daß bei ihnen die logarithmische Einheitslänge doppelt so groß wie bei Α und Β ist. Daher ist der Ablesefehler gegenüber demjenigen, der bei Verwendung der Skalen Α und Β entsteht, nur halb so groß. Zum Quadrieren und Ziehen der Quadratwurzel werden die Skalen Α und T) unter Verwendung des Lauferstriches benutzt. Die Berechnung der dritten Potenz und der dritten Wurzel geschieht entsprechend mit Hilfe der Skalen D und K. Beim Radizieren muß beachtet werden, daß die Zahl, aus der die Wurzel gezogen werden soll, so dargestellt wird, daß sie als Produkt einer neuen Zahl und einer passenden Zehnerpotenz erscheint.

17. Der logarithmische Rechenschieber

117

Hat man ζ. B. die Quadratwurzel aus 625 zu ziehen, so schreibt man diese Zahl als 6,25· 102 und die Wurzel daraus ist |/6,25· 10. Man bringt den Läuferstrich mit 6,25 auf Α zur Deckung und liest auf D unter dem Strich 2,5 ab. Das Ergebnis lautet daher 2,5-10 = 25. Wenn man dagegen J/6250 zu berechnen hat, so ist |/6250 = j/62,5· 102 = |/62^5·10. Jetzt wird der Läuferstrich auf 62,5 (Skala A) eingestellt und 7,91 auf I) abgelesen. Das Resultat ergibt sich also zu 79,1. Beim Ziehen der dritten Wurzel wird die Zahl entsprechend in zwei Faktoren, von denen der eine 103n (n ganze Zahl) ist, aufgespalten und dann analog wie oben verfahren. Es ist selbstversändlich nicht möglich, im Rahmen dieses Buches auf sämtliche Rechenmöglichkeiten, die ein Rechenschieber bietet, einzugehen. Mit den oben angegebenen ist das Anwendungsgebiet dieses mathematischen Instrumentes nur gestreift. Ein Spezialrechenschieber für Chemiker

Neben den Rechenschiebersystemen, die für die Zwecke einer möglichst vielseitigen Anwendung des Rechenstabes ausgearbeitet sind, gibt es auch solche, die einem speziellen, eng begrenzten Zwecke dienen. Als Beispiel für einen solchen Spezialrechenschieber mag derjenige dienen, mit dessen Hilfe die Auswertung chemischer Analysen vorgenommen werden kann. Fig. 79 zeigt in teilweiser Darstellung diesen Rechenstab. Die Skalen C und D entsprechen denjenigen des allgemeinen Schiebers, auf den Skalen Α und Β dagegen sind statt der Zahlen nur einzelne Teilstriche angebracht, die durch ihre Lage die Molekulargewichte einer Reihe von chemischen Verbindungen oder für die .Analyse wichtiger Gruppen anzeigen. Auf der Skala Α erkennt man in Fig. 79 ζ. B. die Bezeichnungen Sr, Si04, K 2 0 und H 2 S0 4 , die zu Teilstrichen gehören, die die abgerundeten Atom- bzw. Molekulargewichte 87,6, 92,1, 94,2 und 98,1 fixieren. Die Skala Α trägt die Einprägung „gesucht", die Skala Β — „gefunden" (in der Figur nicht sichtbar). Wird bei einer chemischen Analyse ζ. B. Brom durch Fällung von AgBr bestimmt, wobei der Niederschlag 1,500 g wiegt, so

118

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

berechnet m a n die darin enthaltene Brommenge dadurch, daß man dem Teilstrich Br auf der ,,gesucht"-Skala den Teilstrich AgBr auf der „gefunden"-Skala gegenüberstellt (vgl. Fig. 79) und auf

Fig. 79. Spezialrechenschieber für Chemiker

Skala D diejenige Zahl abliest, der gegenüber auf C der Wert der Auswaage steht. Man findet so, daß in 1,500 g AgBr 637 mg Br enthalten sind. Die Genauigkeit dieser Rechnung ist selbstverständlich nicht so groß wie bei Benutzung der fünfstelligen Logarithmentafel, reicht aber in vielen Fällen vollkommen aus. C. Die Exponentialfunktion 18. D a r s t e l l u n g und D i f f e r e n t i a t i o n der Exponentialfunktion Vor längerer Zeit untersuchte A r r h e n i u s die relative Zähigkeit >/rei wässeriger Lösungen starker Elektrolyt« bei konstanter Temperatur und fand, daß sie sich in einem gewissen Bereich als Funktion der Konzentration c darstellen läßt in der Form 'Vrel = KC , wobei Κ eine den Elektrolyt charakterisierende Konstante bedeutet. Die Eigenschaften dieser Funktion, die in allgemeiner mathematischer Schreibweise (26) y = a* lautet, wollen wir im folgenden untersuclien.

18. Darstellung und Differentiation der Exponentialfunktion

119

Ist y durch die Gl. (26) gegeben, wenn α irgendeine positive Zahl größer als 1 bedeutet, so nennt man eine solche Funktion allgemeine Exponentialfunktion. Zeichnen wir uns diese Funktion für die Werte a = 2, a = 3, a = 4 usw., so erhalten wir eine in Fig. 80 dargestellte Kurvenschar. Sämtliche Kurven schneiden die Ordinatenachse im Abstände 1 von der x-Achse, denn für jedes α ist a° = 1. Die Steigung dieser Kurven nimmt mit wachsendem a;-Wert zu, und es ist bemerkenswert, daß es unter dieser Kurvenschar eine Kurve gibt, deren Steigung in jedem Punkte zahlenmäßig gleich dem jeweiligen Ordinatenwert ist, bei der also die Gleichung gilt: dy_ dx

=

y

Diese Kurve ist diejenige, der α gerade den Wert e ^ lim (l - f - ^ j " = 2,718 •10

-0.5

C

0,5

1,0

15

besitzt. Wir wollen das im folgenden beweisen und d a m i t F i g· 8 0 · Graphische Darstellung der . . , .,. . τ . Funktion υ = a x gleichzeitig das Dinerenzieren der E x p o n e n t i a l f u n k t i o n y = eT lernen, die m a n gelegentlich auch y — exp (x) schreibt. Logarithmiert man die Gleichung y =

sr

zur Basis e, so folgt In y = .r Denken wir uns jetzt χ als abhängige und y als unabhängige Variable, schreiben also r = In y, un;l bilden ~ . so erhalten wir dx _ dy ~

J_ y

120

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

oder unter Verwendung der Umkehrregel dy

und da y — ex ist, ist damit

1 i-J

womit gezeigt ist, daß das Ableiten der Exponentialfunktion wiederum die Funktion selbst ergibt. Man kann demnach die Funktion y — ex beliebig oft differenzieren, und immer wieder erhält man die ursprüngliche Funktion. Nachdem wir das wissen, ist auch das Differenzieren von y — ax nicht schwierig, denn es ist y = ax =

27)

exina,

was man sofort als richtig erkennt, wenn man auf beiden Seiten der Gleichung den natürlichen Logarithmus bildet. Es ist dann nämlich y = £Χ . 1τια ^ In y = χ · In a = In ax , y = ax .

Unter Anwendung der Kettenregel erhält man aus Gl. (27) dy dx

dax dx

dex>na — x In a . l e n dx

a

— ] n a . ax

Es ist also auch die allgemeine Exponentialfunktion beliebig oft differenzierbar, nur ist hier die Steigung nicht g l e i c h dem Ordinatenwert, sondern ihm p r o p o r t i o n a l . Der Propoitionalitätsfaktor ist der natürliche Logarithmus der Grundzahl. Die Exponentialfunktion ist neben der geraden Linie die wichtigste Funktion für die Naturwissenschaften, und daher wollen wir sie und einige ihrer Abkömmlinge eingehender betrachten.

18. Darstellung und Differentiation der Exponentialfunktion

121

Tabelle 6 X

ex

0,00 0,01 0,02 0,03 0,04

1,000 1,010 1,020 1,030 1,041

0,05 0,06 0,07 0,08 0,09

e-x

X

ex

1,0000 0,9900 0,9802 0,9704 0,9608

0,40 0,41 0,42 0,43 0,44

1,492 1,507 1,522 1,537 1,553

0,6703 0,6637 0,6570 0,6505 0,6440

0,80 0,81 0,82 0,83 0,84

2,226 2,248 2,271 2,293 2,316

0,4493 0,4449 0,4404 0,4360 0,4317

1,051 1,062 1,073 1,083 1,094

0,9512 0,9418 0,9324 0,9231 0,9139

0,45 0,46 0,47 0,48 0,49

1,568 1,584 1,600 1,616 1,632

0,6376 0,6313 0,6250 0,6188 0,6126

0,85 0,86 0,87 0,88 0,89

2,340 2,363 2,387 2,411 2,435

0,4274 0,4232 0,4190 0,4148 0,4107

0,10 0,11 0,12 0,13 0,14

1,105 1,116 1,127 1,139 1,150

0,9048 0,8958 0,8869 0,8781 0,8694

0,50 0,51 0,52 0,53 0,54

1,649 1,665 1,682 1,699 1,716

0,6065 0,6005 0,5945 0,5886 0,5827

0,90 0,91 0,92 0,93 0,94

2,460 2,484 2,509 2,535 2,560

0,4066 0,4025 0,3985 0,3946 0,3906

0,15 0,16 0,17 0,18 0,19

1,162 1,174 1,185 1,197 1,209

0,8607 0,8521 0,8437 0,8353 0,8270

0,55 0,56 0,57 0,58 0,59

1,733 1,751 1,768 1,786 1,804

0,5769 0,5712 0,5655 0,5599 0,5543

0,95 0,96 0,97 0,98 0,99

2,586 2,612 2,638 2,664 2,691

0,3867 0,3829 0,3791 0,3753 0,3716

0,20 0,21 0,22 0,23 0,24

1,221 1,234 1,246 1,259 1,271

0,8187 0,8106 0,8025 0,7945 0,7866

0,60 0,61 0,62 0,63 0,64

1,822 1,840 1,859 1,878 1,896

0,5488 0,5434 0,5379 0,5326 0,5273

1,00 1,10 1,20 1,30 1,40

2,718 3,004 3,320 3,669 4,055

0,3679 0,3329 0,3012 0,2725 0,2466

0,25 0,26 0,27 0,28 0,29 0,30 0,31 0,32 0,33 0,34 0,35 0,36 0,37 0,38 0,39

1,284 1,297 1,310 1,323 1,336 1,350 1,363 1,377 1,391 1,405 1,419 1,433 1,448 1,462 1,477

0,7788 0,7711 0,7634 0,7558 0,7483 0,7408 0,7334 0,7261 0,7189 0,7118 0,7047 0,6977 0,6907 0,6839 0,6771

0,65 0,66 0,67 0,68 0,69 0,70 0,71 0,72 0,73 0,74 0,75 0,76 0,77 0,78 0,79

1,916 1,935 1,954 1,974 1,994 2,014 2,034 2,054 2,075 2,096 2,117 2,138 2,160 2,181 2,203

0,5220 0,5169 0,5117 0,5066 0,5016 0,4966 0,4916 0,4868 0,4819 0,4771 0,4724 0,4677 0,4630 0,4584 0,4538

1,50 1,60 1,70 1,80 1,90 2,00 2,10 2,20 2,30 2,40 2,50 2,60 2,70 2,80 2,90

4,482 4,953 5,474 6,050 6,686 7,389 8,166 9,025 9,974 11,023 12,182 13,464 14,880 16,445 18,174

0,2231 0,2019 0,1827 0,1653 0,1496 0,1353 0,1225 0,1108 0,1003 0,0907 0,0821 0,0743 0,0672 0,0608 0,0550

e~x

e~x

X

ex

122

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Tabelle 6 (Fortsetzung) X

ex

e-*

3,00 3,10 3,20 3,30 3,40

20,086 22,20 24,53 27,11 29,96

0,0498 0,0450 0,0408 0,0369 0,0334

3,50 3,60 3,70 3,80 3,90

33,12 36,60 40,45 44,70 49,40

0,0302 0,0273 0,0247 0,0224 0,0202

X

ex

e~x

X

ex

e~x

4,00 4,10 4,20 4,30 4,40

54,60 60,34 66,69 73,70 81,45

0,0183 0,0166 0,0150 0,0136 0,0123

5,00 5,10 5,20 5,30 5,40

148,41 164,0 181,3 200,3 221,4

0,0067 0,0061 0,0055 0,0050 0,0045

4,50 4.60 4,70 4,80 4,90

90,02 99,48 199,95 121,51 134,29

0,0111 0,0101 0,0091 0,0082 0,0074

5,50 5,60 5,70 5,80 5,90

244,7 270,4 298,9 330,3 365,0

0,0041 0,0037 0,0034 0,0030 0,0027

Da e = 2,718 . . . irrational ist, läßt sich y = ex nicht durch einfaches Potenzieren berechnen. Die Ermittelung der Werte ex durch Reihenentwicklung werden wir später (S. 185) kennenlernen. Die Tabelle 6 enthält die Werte ex für positive und negative .r-Werte. So ist ζ. B . e +0 · 29 = 1,336 und e~0·29 = 0,7483. Zwischenwerte können durch Interpolation gewonnen werden. Sind die Tabellenabstände für eine lineare Interpolation zu groß, so kann man die Zwischemverte erhalten, wenn man berücksichtigt, daß ea+b= e"-eb ist. Es sei beispielsweise zu berechnen e1·45. Es ist dann 4,263 . e M5 = ßi,4o+o,05 = ei,40. go.os = 4,055· 1,051 Die Funktion y -- ex steigt monoton; sie besitzt keine Extremwerte und Wendepunkte, da dy dx

=

d*y dx2

=

^

für keinen endlichen Wert von χ zu Null wird. Die negative «-Achse ist Asymptote (y 0 für χ -* — σο). Negative Werte besitzt die Funktion nicht, da sich durch Potenzieren einer positiven Zahl nur positive Werte ergeben können. Für negative «-Werte ist ex stets ein positiver echter Bruch, da ζ. B. ist und e° ja den Wert 1 besitzt. Lautet die Funktionsgleichung allgemein y — a ebx ,

= -ί

19. Produkt- und Quotientenregel

123

so ändert sich am Typus der Kurve nichts. Es ist nur jede Ordinate α-mal so groß, wie bei y = ebx und der Unterschied dieser Funktion gegenüber y — ex liegt in erster Linie in der abgeänderten Steigung, denn , . , CLX wX Die positive Exponentialfunktion tritt verhältnismäßig selten auf — die Gleichung von A r r h e n i u s für die Zähigkeit (S. 118) ist nur ein Näherungsgesetz —, wichtiger sind kombinierte Ausdrücke, die ζ. B. in der Thermodynamik oder in der Reaktionskinetik eine Rolle spielen. Zwei solche Ausdrücke wollen wir betrachten und sie zu einer Differentiationsübung benutzen. Die Quantentheorie liefert für die Molwärme bei konstantem Volumen C„ eines zweiatomigen Gases, etwa HCl, den Ausdruck + Γ τ Ι - ^ λ - τ * + ^ΓΤ

^

-

ι Γ

Dabei bedeuten: R die Gaskonstante, Τ die absolute Temperatur und Θ die sogenannte charakteristische Temperatur, eine Stoffkonstante. Unter Anwendung der Kettenregel finden wir für Cv T

Cv=i-R-R&(e -l)

2

-e ' . ( -

= Ä

(I)2 e*

Die nach dieser Gleichung berechneten Werte von Cv stimmten für IIC1 gut mit dem Experiment überein. 19. P r o d u k t - u n d Q u o t i e n t e n r e g e l Ein weiteres Differentiationsbeispiel wollen wir der chemischen Kinetik entnehmen. Bei einem monomolekularen Zerfall mit autokatalytischer Beschleunigung (eine solche Reaktion liegt beim thermischen Zerfall von Ag 2 0 vor, wobei das entstandene Silber als Katalysator wirkt) nimmt die zerfallene Menge der Ausgangssubstanz zeitlich nach

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

124

einer recht komplizierten Gleichung zu. Bedeutet χ die in der Zeit t zerfallene Menge, so lautet die Gleichung «MeO»**·»)'-!] ak + Ke^K+Xn)' '

y

· '

oder, wenn wir zur Abkürzung aku = A, ak = Β und ku =f C setzen, W

5 + Ce(B+C)t ·

Α, Β und G sind hierbei Konstanten, denn α ist die Anfangsmenge der zerfallenden Substanz, ku und k die sogenannten Geschwindigkeitskonstanten des unkatalysierten und des katalysierten Reaktionsanteiles. Unter der Reaktionsgeschwindigkeit versteht man nun den ersten Differentialquotienten der umgesetzten Menge (oder auch der Konzentration) nach der Zeit. Wir wollen diese Größe für den autokatalytisch beschleunigten Zerfall durch Differentiation des Ausdruckes (29) berechnen. Wie man erkennt, wird χ dargestellt durch den Quotienten zweier Funktionen, nämlich u =

e(B+c)t_i

und



=

β - j - C e ^ + c)«;

Α ist nur ein konstanter Faktor. Wie differenziert man aber einen Ausdruck, der in allgemeiner Form , . lautet ? Wir führen ihn zurück auf y=

v(x) u(x)-[v{x)Yx

und haben uns also allgemeiner die Frage nach der Differentiation eines Produktes zweier Funktionen vorzulegen. Ist

t \ ι \, y = u(x)-v(x)

so erhält man durch Logarithmieren In y = In u -)- In ν ,

125

19. Produkt- und Quotientenregel

y, u und υ sind hierbei Funktionen von x. Unter Anwendung der Kettenregel lassen sich In y, In u und In ν nach χ differenzieren. Man erhält d In y dx 1 dy y dx dy dx

d\nv dx

d In u dx

1 du . 1 u dx ν

dv dx'

y ν

dv dx

y u

d(u v) dx

du dx V

du dx

U

uv u

dv dx

du .uv dx ν

dv dx

oder kürzer

^du dx

dx

(uv)' = u'v + v'u .

Ein Funktionsprodukt wird also differenziert, indem man die Ableitung des einen Faktors mit dem zweiten multipliziert und dazu das Produkt aus der Ableitung des zweiten Faktors mit dem ersten addiert. Ist y = u (x) · ν (x) · w (x) als Produkt dreier Funktionen gegeben, so findet man in gleicher Weise y = u' ν w 4- v' uw

-\-w'uv.

Bei dem Quotienten zweier Funktionen kann man ganz entsprechend verfahren oder man kann die Regel von der Differentiation eines Produktes in Verbindung mit der Kettenregel benutzen, um die Ableitung zu finden. Letzteres wollen wir tun. Es sei y= —

oder auch

y — u-

v1.

Nach der Produktregel erhält man dann y

II· (ν_1)'

•u' · ν

=

u · — • v'

Auf den gemeinsamen Nenner gebracht, lautet das Ergebnis Ί,

"

luY

=

u'v — v'i

»»

126

I. Teil.

Funktionen einer Veränderlichen

Bevor wir aber zu unserer eigentlichen Aufgabe zurückkehren, wollen wir zu Übung obiger Regeln zwei einfache Beispiele differenzieren. 1. y = Xs • In χ , -

d

x

2. y =

ä 1 -- 3 0 i x ·i In n ι x ++ ϊx •x - ,

,

j,

d x

χΙ

Nun kehren wir zurück zu unserem autokatalytisch beschleunigten Ag 2 0-Zerfall. Die zerfallene Menge als Funktion der Zeit war gegeben als _ x

=

A [e(-B + C)t — 1] β + Ce(B+C)t



Die Reaktionsgeschwindigkeit χ finden wir durch Benutzung der Q.uotientenregel in Verbindung mit der Kettenregel dx

_ A ( B + C)e^C)t.[B-\-Ce''.s+C)q—A[e[B+C)t _ l ] - C ( B + C)e(3+cx ~~ [ 5 + C e(B + C)ty _

A(B

+ C)e(B + C)t

x =-- A(B

[j? + Ce(B + C)t — CeiB + pt

+ C]

[B + 0e(£ + C)f

[a it + k u e ^ + k u )ty

·

Eine autokalytisch beschleunigte Reaktion verläuft zunächst langsam, weil der beschleunigende Katalysator sich erst bilden muß. Die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt dann infolge der Katalysatorbildung zu, um schließlich, wenn die Ausgangssubstanz merk-

19. Produkt- und Quotientenregel

127

lieh verbraucht ist, wieder abzufallen. Die Reaktionsgeschwindigkeit besitzt also ein Maximum, und wir wollen feststellen, nach welcher Zeit der rascheste Ablauf der Reaktion eintritt. Um das zu ermitteln, müssen wir nach der bereits besprochenen Theorie der Extremwerte •• _ds _ A(B = dt ~

X

i gleich Null setzen.

+ cy- • (B + C)e(B + C)t. [B + Οβ(Β + θ)ΐγ [ ß + Ce(B + C)(]4

__ A(B + cy- • e(B+C)t-2

Wir klammern A(B und erhalten

dx

· [ ß + Ce(B + C)t] • C • {B + C)e(B + C)t [.Β + Ce(B + C)t]i '

+ C)3

+c

>' [B -)- C e'] aus, kürzen

.. _ Α (Β + Cfe(B+C)t . {B — CeW + W} ~ [B + Ce(B + C)tf

X

.v wird zu Null, wenn die geschweifte Klammer verschwindet, da die anderen Faktoren im Zähler nicht gleich Null sein können. E s ist also, wenn tm die Zeit ist, nach der die maximale R e a k tionsgeschwindigkeit erreicht ist, Β Β = &

C e

( B + C)

'>« = 0 ,

Ce

In * = ( B + C)tm , tvm ——

ιl n Β C

B + C

oder,nach Einsetzen der ursprünglichen Größen,

,

ln

tm

ak

F"

" ak + ku ·

128

I· Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Wollen wir noch feststellen, welche Menge xm in der Zeit tm bereits umgesetzt worden ist, so setzen wir tm in Gl. (28) ein und erhalten , l n

•Em

_

ak T

α ku —

ak

ak —

a k.

ak Inj(ak + k„) !!L * ' ~ 1Λ I I . + kuR ak + k,

— ku 2k

=

" f

1



2

ak

ιl a

al

T

—1

, ak In— + kue *«

ak

,

+

,

ku-

ak'

S

Ist die Beschleunigung durch den Katalysator groß, also k viel k

größer als ku, dann ist der Bruch ~ viel kleiner als 1 und kann verα κ

nachlässigt werden. Es ist in diesem Falle hinreichend genau Xm = - γ · Die Höchstgeschwindigkeit ist also erreicht, wenn die Hälfte der Ausgangssubstanz zersetzt ist. 20. Die n e g a t i v e E x p o n e n t i a l f u n k t i o n Darstellung und Eigenschaften Noch wichtiger als die positive Exponentialfunktion y = ex ist die negative y = e~x oder in der allgemeinen Form y =

a e~bx

.

y = e~ entsteht aus y = e durch Vertauschung der positiven und negativen x-Werte miteinander, d. h. die Kurve für y = e~x findet man durch Spiegelung der e^-Kurve an der Ordinatenachse. Fig. 81 zeigt die beiden Grundkurven. Die Konstanten α und b bedingen dasselbe wie bei ex. Die Steigung ist jetzt dauernd negativ, denn aus x

x

y =

a

e~bx

folgt unter der Anwendung der Kettenregel JL = dx d

-

ab-

Die Kurve fällt also ständig.

e~bT

=

-

b y . "

20. Die negative Exponentialfunktion

129

Die Werte y = er* können der Tab. 6 entnommen werden; für positive Werte in der Spalte e~x, für negative »-Werte in der Spalte e*. So hat ζ. B. er* für χ = 0,20 den Wert 0,8187, für x = -

0,20 ist e-(— o,20)

=

e+

0,20 =

1>221.

Für den Chemiker ist y = a e~bx insofern von größerer Bedeutung, als diese Funktion den zeitlichen Ablauf einer sogenannten Reaktion erster Ordnung beschreibt. Zu Reaktionen dieser Art

gehört ζ. B. die Rohrzuckerinversion. Löst man Rohrzucker in sehr viel Wasser, so wandelt er sich in Dextrose und Lävulose um nach der Gleichung C12H22Ou

H2O

C6H12O6 + c 6 H 1 2 o 6 ,

wenn H'-Ionen anwesend sind, die katalytisch wirken. Bedeutet c 0 die Anfangskonzentration, c die Konzentration des Rohrzuckers nach einer Zeit t seit Beginn der Umsetzung, und 1c eine Konstante, so wird der Ablauf der Reaktion beschrieben durch die Gleichung c =

c0

e~kt.

Den Reaktionsverlauf verfolgt man durch Messung der sich zeitlich ändernden optischen Drehung der Zuckerlösung. Die Konzentration des Rohrzuckers nimmt vom Werte c 0 zu Beginn der A s m u s , Einführang in die höhere Mathematik. 3. Aufl.

9

130

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Reaktion (t = 0) ab, und zwar zunächst rasch, dann immer langsamer, entsprechend dem Verlauf der Kurve y = e~x. Streckung einer Exponentialkurve zu einer Geraden auf Exponentialpapier Wie kann man auf Grund von Beobachtungswerten schnell feststellen, ob die obige Reaktion wirklich nach der angegebenen Gleichung abläuft % Zeichnen wir c als Funktion von t in einem Koordinatensystem auf, so läßt sich nicht entscheiden, ob die gezeichnete Kurve wirklich eine Exponentialfunktion und nicht vielleicht eine Hyperbel oder eine andere ähnliche Kurve ist. Wenn wir durch passende Verzerrung der Maßstäbe auf den Koordinatenachsen es erreichen könnten, daß die Exponentialfunktion zu einer Geraden gestreckt wird, so ließe sich die gesuchte Entscheidung leicht fällen, denn die Gerade ist von allen anderen Kurven zu unterscheiden. Die Eigenschaft, eine Exponentialfunktion zu einer Geraden zu strecken, besitzt das einfach logarithmische Papier. Logarithmieren wir (30) so erhalten wir

y = a e-bx , In y = In a — b χ

oder 2,3 lg y = 2,3 lg a - b χ , lg y = lg α - ρ • a;. Trägt man also in einem Koordinatensystem auf der Abszissenachse die x-Werte, auf der gleichmäßig geteilten Ordinatenachse lg y auf, so erhält man, falls zwischen y und χ die Beziehung (30) besteht, eine Gerade mit der Neigung — ~ und dem Ordinatenachsenabschnitt lg a, wenn die Einheitslängen auf den beiden Achsen gleich groß gewählt worden sind. Dasselbe leistet aber auch ein Koordinatenpapier mit gleichmäßig geteilter »-Achse und logarithmisch geteilter y-Achse, also unser einfach logarithmisches oder Exponentialpapier. Nur sind

20. Die negative Exponentialfunktion

131

jetzt, im Gegensatz zur Darstellung einer logarithmischen Funktion (S. 101), die Achsen vertaucht. Wir wollen die Verwendung des Exponentialpapiers an einem praktischen Zahlenbeispiel erläutern. Ester werden durch Wasser hydrolysiert, wie ζ. B. Methylacetat: CH3COOCH3 + H 2 0 -v CH3OH + CH3COOH . Nimmt man stark verdünnte Lösungen, so verläuft die Esterhydrolyse ähnlich wie die Zuckerinversion als Rsaktion erster Ordnung. Sie wird durch Säuren katalytisch beschleunigt, und da sich bei der Hydrolyse neben Alkohol auch Säure bildet, beschleunigt die Reaktion sich selbst durch eine Autokatalyse (siehe S. 123). Setzt man aber von vornherein der wässerigen Esterlösung eine größere Menge einer starken Säure hinzu, so spielt die während der Reaktion e n t s t e h e n d e Säure für die Katalyse keine Rolle, und der Reaktionsverlauf ist von erster Ordnung. Man verfolgt den Reaktionsablauf durch Beobachtung des Konzentrationsanstieges der gebildeten Essigsäure. Von Zeit zu Zeit werden dem Reaktionsgefäß gleiche Mengen, in unserem Beispiele je 2 cm3, des Reaktionsgemisches entnommen und mit 0,1 η NaOH (Phenolphthalein als Indikator) titriert. Dabei werden die in Tab. 7 wiedergegebenen Werte beobachtet. Tabelle 7 t Minuten 0 20 40 60 80 108 140 243 360 480 1062 2 Tage (00)

Verbrauchte Lauge L cm3

Für CH3COOH verbrauchte Lauge AL cm3

£ = 9,00 — AL

9,30 9,90 10,50 11,10 11,60 12,30 13,10 14,90 16,15 17,00 18,20 18,30

0 0,60 1,20 1,80 2,30 3,00 3,80 5,60 6,85 7,70 8,90 9,00

9,00 8,40 7,80 7,20 6,70 6,00 5,20 3,40 2,15 1,30 0,10 0

cm3

9*

132

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Da der wässerigen Esterlösung zu Beginn des Versuches eine größere Menge etwa 0,5 η Salzsäure zugesetzt wurde, ergibt die Titration zur Zeit t = 0 einen Laugenverbrauch L von 9,30 cm3. Da der Salzsäuregehalt während des Versuches sich nicht ändert, müssen wir, um die für die entstandene Essigsäure verbrauchte Laugenmenge AL zu erhalten, diesen Wert von sämtlichen beobachteten Zahlen L abziehen. So erhalten wir die dritte Spalte unserer Tabelle. Bezeichnen wir mit c 0 die Anfangskonzentration des Esters und mit CE seine Konzentration zur Zeit t, dann soll cB = c 0 e~kt sein, eine Funktion, deren Verlauf Kurve I in Fig. 82 zeigt.

Da für jede verbrauchte Molekel Ester eine Säuremolekel neu entsteht, ist während des ganzen Versuches die Summe von Esterkonzentration Cj5 und Essigsäurekonzentration konstant und gleich c0. Damit ist es = c0 — cE = c0 — c0 e-kt = c 0 (1 — e-")· Den Verlauf dieser Funktion zeigt Kurve I I in Fig. 82. Sie entsteht dadurch, daß man von der Parallelen zur t-Achse c = c 0 die Kurve I abzieht. Die Säurekonzentration steigt also ständig an und nähert sich asymptotisch dem Werte c 0 . Da wir je 2 cm3 mit 0,1 η Lauge titriert haben, ist die Konzentration der entstandenen Säure = -γ- · 0,1 Mol/1.

133

20. Die negative Exponentialfunktion

Wir interessieren uns aber nicht für den Verlauf von cs , sondern für den von cE = c0 — Cs .

c 0 ist die Anfangskonzentration des Esters und gleichzeitig die Endkonzentration der Säure, die sich nach unendlich langer Zeit 9 00

(t -»• oo, praktisch nach 2 Tagen) einstellt; sie ist - γ - · 0,1 Mol/1. Damit wird cB = · 0,1 - ~

• 0,1 = 0,05 (9,00 - AL) = 0,05 · Ε .

Die Werte Ε = 9,00 — AL sind in der vierten Spalte der Tab. 7 eingetragen. Wenn nun Cg wirklich eine Exponentialfunktion ist, so müssen im einfach logarithmischen Papier die Werte ce = 0,05 · (9,00 -AL) oder auch einfach die Kubikzentimeterzahl Ε = 9,00 — AL, gegen die Zeit aufgetragen, eine fallende gerade Linie ergeben. An der folgenden Fig. 83 erkennt man, daß innerhalb der Meßgenauigkeit die Punkte auf einer Geraden liegen. In der gleichen Figur ist auch der Verlauf der Werte AL, die der Größe cs proportional sind, eingetragen (ausgefüllte Kreise). Man sieht, daß diese Werte n i c h t auf einer Geraden liegen, weil cs durch c 0 (1 — e~kt), also nicht durch eine einfache Exponentialfunktion, gegeben ist. Zum Schluß wollen wir aus dem Verlauf der Geraden die Konstante k bestimmen. ce = c 0

e-*',

0,05 Ε = 0,05 · 9,00 · e~kt , Ε = 9,00 · e~kt,

Ig ^ = lg 9 , 0 0 - A . i . Wäre das Koordinatensystem mit gleichen Einheitslängen Abszissen- und Ordinatenachse gezeichnet, so wäre

wenn β der Winkel der Geraden mit der n e g a t i v e n

auf

Achse ist.

134

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Minuten

Fig. 83. Darstellung der Funktionen

auf einfach logarithmischem Papier

In der in Fig. 83 wiedergegebenen Originalkurve ist jedoch die Länge der logarithmischen Einheit l c auf der Ordinatenachse 250 mm, die Einheitslänge auf der t-Achse hingegen lt = 0,5 mm für 1 Minute. Damit ist

20. Die negative Exponentialfunktion und

k = 2,3 · A · tg/? = 2,3 ·

· tg β = 0,0046 tg β .

Durch Ausmessen an der Figur finden wir tg β = erhalten wir k = 0,0046 ·

Ol Q

135

mm 250 m m

und damit

= 0,0040 m i n - 1 .

Zur Berechnung der Konstanten k haben wir hierbei weder die Stärke der Lauge noch die Zahl der titrierten ccm benötigt, beide Größen kürzten sich fort. Die Neigung unserer mit den ccm-Werten Ε gezeichneten Geraden ist also identisch mit der mit Konzentrationswerten gezeichneten. Einige Eigenschaften der Exponentialfunktion Die Exponentialfunktion, sowohl die positive als auch die negative, besitzt einige besondere Eigenschaften. Nimmt χ bei y = ex oder bei y = erx in arithmetischer Progression zu, so nimmt y in geometrischer zu bzw. ab, was sich leicht zeigen läßt. V =

y = e~x, y°- = e-°-x = e~ und y = x% e~x'

153

Wie sieht n u n graphisch dargestellt die F u n k t i o n

aus u n d welche Eigenschaften besitzt sie ? D a alle Größen außer ν k o n s t a n t sind, sieht das Funktionsbild qualitativ der K u r v e y = e ~ x ' • χ2 ähnlich, die K o n s t a n t e n bewirken n u r eine Vergrößerung der Ordinatenwerte u n d eine Verengerung oder Verbreiterung der K u r v e .

/

-X2

-2

-7

0

7

Ζ

Χ

Fig. 93 y — e~x* • x2 setzt sich multiplikativ aus zwei Bestandteilen zus a m m e n : der Glockenkurve u n d der Grundparabel (Fig. 93). Die diese F u n k t i o n darstellende K u r v e m u ß wegen des Quadrates von χ symmetrisch zur y-Achse sein. I n der N ä h e der Ordinatenachse m u ß sie einer Parabel ähnlich sein, weil e~x* in der Gegend von χ = 0 sich nur wenig ändert und W e r t e ÄJ 1 h a t . F ü r χ ->· o o u n d χ -> — σο m u ß sich die K u r v e an die x-Achse anschmiegen, weil die K u r v e e~x1 rapider absinkt, als die Parabel steigt. I n dem Gebiet dazwischen m u ß also zu beiden Seiten der y-Achse ein Maximum liegen, so wie es Fig. 94 zeigt, u n d die K u r v e

154

I· Teil. Punktionen einer Veränderlichen

muß vier Wendepunkte aufweisen. Die Lage der Extremwerte und Wendepunkte wollen wir nun feststellen. y = e~x' • χ2 , ^

=

!

_ 2 χ e-* x2 + 2 χ e~x' =

= 2xe~*'

(1 -

e~*' + 2 χ e~

2

χ) ,

e-* ! + 4 a^ e~xt + 2 e~*' - 4 a;2 e~x' = 2 e~ ' (1 - 5 a;2 + 2 x

x*).

Fig. 94. Graphische Darstellung der Funktion y = x2 e Extremwerte:

ψ αχ

= 2χ·

e-*'v · (1 -

wenn entweder χ = 0

oder

χ2) =

0,

1 — χ2 = 0 ,

weil e~x' f ü r einen endlichen Wert von χ nicht verschwindet. Also = = x x 0> m% — 4" 1 ) m, 1. d2v

F ü r χ = 0 ist ~

= + 2, also liegt bei χ = 0 ein Minimum.

2 F ü r χ = ± 1 ist d u negativ, also liegen hier diefiiyMaxima.

Zur Ermittelung der Wendepunkte setzen wir 2 e~x' (1 - 5 x2 + 2 χ4) = 0 .

--- 0 ·

22. Die Funktionen y = e~ x'

und y =

x 2e~ x'

155

Der Ausdruck verschwindet, wenn die Klammer den Wert Null hat, also 1 - 5 z2 + 2 ^ = 0 . 2.V

\

%2.0

t

C •s

/

1.2

k }

t

OM

\

L ei T· 3

\ » V y

/

/

3 0.8

ο

T-273

V \\ \\ V

/ / / / / /' / / /

& i

6e

\\

\\

/

Ι i 11

\

.\ s.\

j i Ii

//

Fig. 95.

7JO

200

tOO

G00

S^

800 1000 1200 WOO Geschwindigkeit m/Sclt.

Geschwindigkeits-Verteilungskurve nach M a x w e l l für Sauerstoff

Wir lösen diese biquadratische Gleichung auf und erhalten 2 x4 *

4

5 x2 - f 1 = 0 ,

- ί *

2

+ ¥

= °>

• - ± 1/liVf3! - ± xWi = + 1,51,

xw, = -

1,51,

xWs = + 0,47,

-± xWl = -

. 0,47 .

Wir haben also vier Wendepunkte, wie schon in Fig. 94 gezeichnet. Die für die kinetische Gastheorie wichtige M a x w e l l s c h e Geschwindigkeits· Verteilungskurve hat natürlich nur einen Sinn für

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

156

positive Werte von v, so daß man die Betrachtungen auf den ersten Quadranten beschränken kann. I n Fig. 95 sind f ü r zwei verschiedene Temperaturen die Verteilungskurven für 0 2 dargestellt. Das Vorhandensein des Maximums bedeutet, daß es bei jeder Temperatur eine Geschwindigkeit gibt, die am häufigsten vertreten ist. Wir wollen sie nun ausrechnen. Hierzu muß sein. Μ ν' " 2 RT , JΜL · ) ' / = J l = dv

±

μ η

j / ^ \ 2 RT] γ~ 4

RTJ t μ

_ ^

"·( \

e

-

τ *

RT

,,

+

ν

- j - ^ v e

Γ ο

RT

, ,

=

β

-

dv

= 0

_ ο J - V ,

0

Da bei ν = 0 das Minimum liegt, muß die Klammer verschwinden. Damit wird „ , _ R Τ

~

1/2RT ^

Jf

·

vm ergibt sich hiernach für Sauerstoff bei 0° C = 273° Κ mit R = 8,31 · 107 erg/Grad 31 · 107 · 273 „ „ · 10 . . .4 cm/sec, — = n3,77 5 5 32 V = 377 m/sec. 23. D i e H y p e r b e l f u n k t i o n e n Definition und Darstellung In der Magnetochemie, der Lehre von den magnetischen Ε igenschaften chemischer Elemente und Verbindungen, sowie der Anwendung magnetischer Meßmethoden zur Lösung chemischer Probleme, spielen die sogenannten hyperbolischen Funktionen eine gewisse Rolle. Paramagnetische Stoffe, deren Molekeln ein permanentes magnetisches Dipolmoment μ besitzen, erhalten in einem magnetischen Felde von der Stärke § bei der Temperatur Τ pro Mol (Zahl der Molekeln im Mol N) ein magnetisches Moment σ, welches theoretisch nach L a n g e v i n (S. 270) und experimentell nach K a m e r l i n g h - O n n e s (Untersuchungen am Gadolinium-

23. Die Hyperbelfunktionen

157

sulfathydrat) gegeben ist durch den Ausdruck

IN μ

α= Νμ oder, wenn wir für — ^ r

zur

RT Ν μ ft

Abkürzung α setzen,

σ= Νμ L (α) ist die

=

mathematische

Ν μΏ (a)

Bezeichnung

für

den Ausdruck

(£tg a — -i-, den man L a n g e ν i n - F u n k t i o n nennt. Das Symbol ßtg (lies: hyperbolischer Cotangens oder cotangens hyperbolicus) ist ebenso wie ©in, 6 o | oder SLg eine Abkürzung für gewisse oft vorkommenden Kombinationen der Exponentialfunktion. Es bedeuten: ©in χ = _ ©in

x =

χ

löfT

_

gl

s

g—X

,

ex — e~x

e* + e~* '

(£of χ = ~

^X I g—X 2

_ Kof χ

Ltg x = gT^ -

ex + e~x

ex_e_x

·

Warum diese Funktionen als sinus hyperbolicus, cosinus hyperbolicus usw. bezeichnet werden, wollen wir an dieser Stelle nicht erörtern. Es mag der Hinweis genügen, daß die hyperbolischen Funktionen mit den Kreisfunktionen (sin x, cos x, tg χ usw.) viele gemeinsame Eigenschaften besitzen und in ähnlicher Weise an einer Hyperbel, wie jene am Einheitskreis definiert werden. Wir wollen aus Kenntnis des Verlaufes der Exponentialfunktion den Verlauf der hyperbolischen Funktionen ermitteln und sie differenzieren lernen. In Fig. 81 (S. 129) waren die Funktionen ex und e~x abgebildet. Addiert man beide, so muß die resultierende Kurve symmetrisch zur y-Achse liegen und beiderseits derselben ansteigen. Subtrahiert man dagegen e~x von ex, so muß die Differenzfunktion durch eine Kurve dargestellt werden, die aus dem dritten Quadranten kommt und in den ersten durch Passieren des Koordinatenursprungs übergeht. Entwirft man die genaue Tabelle für (Jo) χ

158

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

und ©in χ und zeichnet danach die Kurven, so erhält man Fig. 96. Man nennt übrigens ©of χ auch die K e t t e n l i n i e , weil nach dieser Funktion eine Kette (oder ein biegsames Seil) durchhängt, wenn sie (es) an zwei Punkten festgemacht ist.

Fig. 96.

Graphische Darstellung der Funktionen y = ©in χ und y = (£of χ

Fig. 97. Graphische Darstellung der Funktionen y = %g χ und y = ®tg χ

Differentiation

Als letzte Differentiationsübung an der Exponentialfunktion wollen wir die Ableitungen der hyperbolischen Funktionen ermitteln. ex + e~x

23. Die Hyperbelfunktionen

159

Ganz entsprechend findet man die Ableitung des ©tu x. y = ©in χ =

dy dx

ex + e~x 2

ex— e~x

df x ,

dx

=

Die zweiten Ableitungen würden nun sowohl bei ©in χ als auch bei ßof χ nach dem oben stehenden Ergebnis wieder die ursprünglichen Funktionen ergeben: d2 ©in χ d2 ©oj χ und = ©in χ (Sofs. 2 dx dx2 Um die Ableitungen von i g χ und ßtg χ zu finden, gehen wir auf die Definition zurück: ©of χ ©in χ und 6tg χ = ^ — . ° ©m χ ©oj χ Unter Anwendung der Quotientenregel und der obenstehenden Ergebnisse erhalten wir d £g χ ©of χ • ©of χ — ©in χ • ©in χ ©of2 χ — ©in2 χ ©of2 χ ©opa; dx und cos χ . 11*

164

I. Teil.

Punktionen einer Veränderlichen

Läßt man χ nach Null gehen, so geht cos χ nach 1. Damit ist auch der Grenzwert ..

sin χ

Jim

X

X-+0

da

= 1 ,

einerseits kleiner als 1, andererseits größer als cos χ sein

soll. Wenn lim

= 1 ist. ist auch lim

sin (Δ χ)

1.

Δχ

Jx-y 0

Das bedeutet, daß der Sinus eines Winkels dem Winkel selbst (im Bogenmaß gemessen) zahlenmäßig um so näher kommt, je kleiner dieser ist. Dasselbe gilt auch für den Tangens. Man überzeugt sich leicht davon an Hand einer Tabelle. Tabelle 11 χ 0,10 0,09 0,08 0,07 0,06 0,05

sin χ

tgx

0,09983 0,08988 0,07991 0,06994 0,05996 0,04998

0,10033 0,09024 0,08017 0,07011 0,06007 0,05004

X

sin χ

tgx

0,04 0,03 0,02 0,01 0

0,03999 0,03000 0,02000 0,01000 0

0,04002 0,03000 0,02000 0,01000 0

So wird also für die Funktion y = sin χ der Differentialquotient dy

d sin ϋ

dx

dx

dy

j2

dx d sin χ dx

•= 1

cos χ — sin χ

4).

= cos χ . =

COS χ .

Der Sinus ergibt demnach differenziert den Kosinus. Nach diesem Ergebnis ist die Differentiation der anderen Winkelfunktionen sehr leicht. Es ist

(f-

25. Zyklometrische Funktionen als Umkehrung der Kreisfunktionen

165

und daher unter Anwendung der Kettenregel d cos χ --- — cos dx d cos χ dx

χ = — sin χ ,

— sin χ .

Die Punktionen tg χ und ctg χ lassen sich unter Verwendung der Quotientenregel und der Kettenregel differenzieren. Es ist tgx

COS χ

'

dtg χ dx

cos χ • cos χ + sin χ • sin χ cos2 χ

dtg χ dx

1 cos 2 X '

cos2 χ + sin 2 χ cos2 χ

1 cos2

Für ctg χ ergibt die Kettenregel

d ctg χ dx

1 tg χ

d ctg χ dx

1 sin2 χ '

2

1 cos2 χ

cos2 χ 1 sin2 χ cos2 χ

1 sin 2 χ '

25. D i e z y k l o m e t r i s c h e n F u n k t i o n e n a l s U m k e h r u n g der K r e i s f u n k t i o n e n Eine gewisse Rolle, vor allem in der Integralrechnung, spielen die zyklometrischen Funktionen, die Umkehrungen der Kreisfunktionen. Die Gleichung y = sin χ bedeutet, daß ein Bogen von der Länge χ am Einheitskreis gegeben ist und dazu die Länge der Halbsehne sin χ gesucht wird. Es kann umgekehrt auch die Länge der Halbsehne gegeben sein und dazu der zugehörige Bogen gesucht werden. Dann schreibt man y = arc sin χ

166

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

(arcus sinus χ) und meint damit, daß man denjenigen Bogen (arcus), jetzt y genannt, sucht, dessen Sinus den Wert χ hat. Entsprechend gibt es Funktionen y = arc cos x, y = arc tg χ usw. Ihre graphische Darstellung ergibt sich sofort aus der Tatsache, daß es die Umkehrfunktionen der Kreisfunktionen sind. Spiegelt man ζ. B. y = sin χ an der Geraden y = x, so erhält man eine der Sinuskurve entsprechende Wellenlinie, die um die «/-Achse oszilliert, und diese Kurve stellt y — arc sin χ dar. Die Differentiation der zyklometrischen Funktionen kann leicht durchgeführt werden, wenn man die Kreisfunktionen zu differenzieren versteht. Man geht hier ganz ähnlich wie im Falle der Funktionen y = ex und y = In a; (S. 119) vor. .Aus y = arc sin χ χ = sin y . Durch Differentiation nach y und Benutzung der Umkehrregel ergibt sich dx — = cos υy , dy dy dx

Um

=

1 cos y '

als Funktion von χ darzustellen, drückt man cos y durch

sin y aus und schließlich sin y durch x. dy dx

1 j/l _ sin2 y

d (arc sin χ)



_

1 J/T

1 γι — χ*

In ähnlicher Weise erhält man, was der Leser selbst nachprüfen 1

d (arc cos x) dx

]/l — X2 '

d (arc tg x) dx d (arc ctg x) dx

1 1 + X* ' 1 1 + X* '

3. KAPITEL Näherungsverfahren zur Auflösung von Gleichungen Problemstellung Bei der Untersuchung der Lage von Extremwerten und Wendepunkten einer analytisch gegebenen Funktion werden die erste bzw. zweite Ableitung der Funktion gleich Null gesetzt und dann aus den so erhaltenen Bestimmungsgleichungen die gesuchten Abszissenwerte berechnet. In den vorhergehenden Paragraphen hatten wir eine Reihe solcher Beispiele durchgerechnet. Diese Beispiele waren so ausgewählt, daß die fraglichen Bestimmungsgleichungen sich leicht auflösen ließen. Das ist nun, wie schon S. 82 erwähnt, nicht immer der Fall. Algebraische Gleichungen von höherem Grade (z.B. 4 xb + χΛ + 3 χ3 + 2 χ2 + χ — 7 = 0) sind nicht mehr in allgemeiner Form lösbar, ebenso nicht die transzendeten Gleichungen, als solche, bei denen die Unbekannte χ im Exponenten oder unter dem Zeichen In, sin, tg usw. auftritt (ζ. B. ex + sin x* = 0). Die Wurzeln solcher Gleichungen müssen daher durch numerische oder graphische Verfahren ermittelt werden. Die einfachste graphische Methode ist die, daß man ζ. B. zur Auflösung der Gleichung ex -f- sin x2 — 0 sich für die Funktion y = ex 4- sin x2 eine Tabelle aufstellt, nach der Tabelle eine Kurve zeichnet und zusieht, wo die Nullstellen der dargestellten Funktion liegen, also wo die gezeichnete Kurve die «-Achse schneidet. Diese Methode der Auflösung einer Gleichung liefert die gesuchten Wurzeln nur angenähert. Die Güte der Annäherung hängt in erster Linie von der Größe des gewählten Zeichenmaßstabes ab. Die graphisch ermittelten angenäherten Werte müssen durch besondere Rechenverfahren verbessert werden bis zur Genauigkeit, die bei dem betreffenden Problem erforderlich ist. Zwei dieser

168

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Verfahren, von denen eines eine Anwendung der Differentialrechnung darstellt, wollen wir nun kennenlernen. Wir knüpfen auch hier an ein naturwissenschaftliches Problem an. Wenn zwei Atome oder Ionen im gebundenen Zustand als Molekel eine stabilere Konfiguration bilden als im isolierten Zustand, so k a n n das nur der Fall sein, wenn zwischen den beiden Partikeln K r ä f t e wirksam sind, die einer Trennung entgegenwirken. Bringt m a n zwei entgegengesetzt geladene Ionen zusammen, so ziehen sie sich gegenseitig an und streben aufeinander zu. Wenn nur die Anziehungskräfte vorhanden wären, müßte schließlich ein Zusammenstoß der beiden Ionen erfolgen. Das ist jedoch nicht der Fall, weil außerdem auch noch abstoßende K r ä f t e wirksam sind, die sich besonders stark bei kleinen Abständen be-

r

Fig. 101. Graphische Darstellung der Potentialfunktion einer Molekel

merkbar machen So gibt es eine gewisse Entfernung, bei welcher Anziehung und Abstoßung sich ausgleichen, und gerade in diesem Abstände befinden sich die beiden Ionen in der Molekel. U m diesen Abstand können sie dann kleine Schwingungen ausführen. Man pflegt nun gewöhnlich nicht mit den K r ä f t e n zu rechnen, sondern betrachtet die potentielle Energie, die das System besitzt, wobei m a n als Nullniveau die Energie der nichtgebundenen Bestandteile willkürlich wählt. Zeichnet man sich in einem Koordinatensystem den Verlauf der potentiellen Energie Ε als Funktion des Atom- oder Ionenabstandes r auf, so erhält man stets das in Fig. 101 qualitativ dargestellte Kurvenbild. Die Potentialkurve besitzt ein Minimum, dessen Abszisse r 0 den stabilen Abstand der Atome oder Ionen in der Molekel wiedergibt. Die Ordinate E a bedeutet diejenige Arbeit, die man aufwenden muß, um die Molekel in ihre Bestandteile zu zerlegen.

Näherungsverfahren zur Auflösung von Gleichungen

169

E s ist natürlich von Interesse, den Abstand r0 berechnen zu können. Wenn der Verlauf der Funktion Ε = f(r) analytisch gegeben ist, so handelt es sich lediglich darum, die Abszisse des Minimums rechnerisch zu ermitteln. Nach B o r n und M a y e r gilt auf Grund quantenmechanischer Überlegungen f ü r zwei einwertige Ionen folgende Potentialfunktion _ r_ 2 Ε = — — -\-be R . r ' q bedeutet dabei die Elementarladung, b und R sind zwei für die betreffenden Ionen charakteristische Konstanten. Wir wollen nun in diesem Zusammenhange die Funktion Ε = — — 1+ 6 e r 6e untersuchen und die Lage ihres Minimums feststellen. Die Funktion setzt sich aus zwei Anteilen zusammen (Fig. 102): der im vierten Quadranten gelegenen Hyperbel E1 = — y

Fig. 102

und der im ersten Quadranten liegenden Exponentialfunktion τ £2 = 6 e ~ T . Die Summenkurve (Fig. 103) muß, weil die Hyperbel die negative .Ε-Achse zur Asymptote hat, sich bei kleinen Werten von r wie diese verhalten, bei sehr großen Werten von r muß sie sich, ebenfalls wie die Hyperbel, der r-Achse von unten her nähern. Bei mittleren r-Werten liegt ein Maximum und ein Minimum, von denen uns nur das letztere interessiert.

170

Ι· Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Der Verlauf der ersten Ableitung ist bestimmt durch die Gleichung dr r2 und wird durch die in Fig. 103 dargestellte K u r v e wiedergegeben.

Fig. 103. Graphische Darstellung der Funktion Ε = und ihrer Ableitung

4

+ βe

2

Zur Auffindung des Minimums müssen wir nun die Gleichung (32)

*

3 e

-1T

=

o

Ta

auflösen, was aber leider in geschlossener F o r m nicht möglich ist. Die ungefähre Lage der rechten Nullstelle können wir der graphischen Darstellung der ersten Ableitung entnehmen. Sie liegt zwischen den Werten r = 7 und r = 8, was dadurch leicht zu

26. Das Newtonsche Näherungsverfahren

zeigen ist, daß man ( ? L

171

für diese beiden Werte ausrechnet. Es ist 7

= 4 -

3 e - - 0 , 0 0 9 0 ,

=

=+0.0075.

Man könnte nun durch Probieren einen solchen Wert r zwischen 7 und 8 finden, für den

dE

mit hinreichender Genauigkeit gleich

Null ist, jedoch \yäre ein solches unsystematisches Probieren unzweckmäßig. Es gibt Verfahren, wie das sogenannte N e w t o n s c h e Näherungsverfahren, das I t e r a t i o n s verfahren oder die R e g u l a f a l s i , die durch systematische Rechnung zur Ermittelung einer Nullstelle führen. Die beiden erstgenannten Verfahren sollen im folgenden erläutert werden. 26. Das N e w t o n s c h e N ä h e r u n g s v e r f a h r e n Es sei die Gleichung /(x) = 0 gegeben und ihre Wurzeln seien zu bestimmen. Zeichnen wir uns in der Nähe einer Nullstelle die Funktion y = f(x), so erhalten wir ein Kurvenstück, das ähnlich dem in Fig. 104 dargestellten ist. Bei den Abszissenwerten χ = ξ und χ = ξ*, die so nahe beieinander liegen müssen, daß der Verlauf der Funktion zwischen ihnen monoton ist, habe die Funktion die kleinen Ordinatenwerte /(£) und /(£*), von denen /(£) ζ. B. positiv, /(£*) negativ sei. ξ und ξ* stellen dann die erste Näherung für die gesuchte Wurzel x0 der Gleichung f(x) = 0 dar. Es gilt nun, diese erste Näherung zu verbessern. Zieht man im P u n k t e Ρ eine Tangente an die Kurve, so schneidet diese Tangente die x-Achse bei xx und dieser W e r t xl liegt näher bei x0 als ξ , ist also eine bessere Näherung für x0 als ξ . Der Wert χγ läßt sich leicht ausrechnen. Die Gleichung der durch Ρ gezogenen Tangente ist allgemein y = a+bx. Da die Neigung der Tangente in Ρ die Ableitung der Funktion y = f(x) für die Abszisse ξ ist, ergibt sich also ist

b =

f'tö '

(33)

y = α + ί'(ξ) • χ ,

172

Ι· Teil. Funktionen einer Veränderlichen

und da die Tangente bei χ = ξ durch den Punkt Ρ mit der Ordinate /(£) geht, gilt die Beziehung (34)

/(f)=

ο+/'«)·£.

Subtrahiert man Gl. (34) von Gl. (33), so folgt y - / ( £ ) = /'(£) · ( * - * ) ·

y

Fig. 104. Newtonsches Näherungsverfahren

Bei x1 schneidet die Tangente die «-Achse, daher ist , , • ·J und damit wird

o-/(£) =/'(£)·(*!-£) .... τ —£ —

Aus der ersten Näherung ξ erhält man also die zweite Näherung xl durch Subtraktion der K o r r e k t u r - ^ . Stellt nun x1 noch nicht mit hinreichender Genauigkeit die gesuchte Wurzel dar, ist also f(xx) noch nicht hinreichend nahe bei Null, so muß man in ganz entsprechender Weise durch Wiederholung des Verfahrens eine noch bessere Näherung x2 finden, für die jetzt gilt: f{Xi) Xo

Χλ1

/'(*,) '

26. Dae Newtonsche Näherungsverfahren

173

Reicht auch jetzt noch die Genauigkeit nicht aus, so ist das Verfahren so lange zu wiederholen, bis das Ergebnis den Anforderungen genügt. Man kann mit der Annäherung an x0 auch bei χ = ξ* beginnen; dann führt uns der erste Tangentenschnitt mit der Abszissenachse, wie aus Fig. 104 ersichtlich, über den gesuchten Wert x0 hinaus nach x^*, von hier aus vollzieht sich dann die Annäherung in der bereits beschriebenen Weise. Wir wollen nun zu unserem speziellen Beispiel zurückkehren und die zwischen r = 7 und r = 8 liegende Wurzel der Gl. (32) 4 3e 2 = 0 η nach dem N e w t o n s c h e n Verfahren ermitteln. Die erste Ableitung der Funktion dr

r2

dr2—

_ Α3 ι 1 r ' 2

ist



6

und somit wäre, wenn wir von r = 7 als erster Näherung ausgehen, die zweite Näherung ein Wert rx, —7

r

ι

1 8

.

3

— 3,5 "

- 7i+ 2.« Rechnen wir diesen Wert mit dem Rechenschieber aus, so erhalten wir r1

=

7 + 0,405 = 7,405 .

Die nächste Näherung wäre dann 4

r, = 7,405

3 e~

^ 8 7,405»

. 1

3 2

_

7,405 2 7,405 2

und diesen Wert müßte man logarithmisch berechnen, weil die Genauigkeit des Rechenschiebers nicht mehr ausreicht. Besonders

174

I. Teil. Funktionen einer. Veränderlichen

lästig wäre dabei die Berechnung der Werte der Exponentialfunktion, da man hierbei eine zweifache Logarithmierung vornehmen müßte. Es ist im vorliegenden Falle daher zweckmäßiger, vor Anwendung des New t o n sehen Näherungs Verfahrens die Gl. (32) etwas umzuformen. Aus Λ Ti. 2 4 - 3 e = 0 »o folgt Zl ο 3 2 = 44 - rΌ* . und durch Logarithmieren folgt weiter -|lge =

lgO,75+21gr0.

Statt die Wurzeln der Gl. (32) zu suchen, können wir dasselbe für die Gl. (35), (35)

r0 · ψ

- lg 0,75 - 2 lg r0 = 0 ,

tun. Nach Einsetzen der Zahlenwerte folgt 0,2171 472 r0 + 0,1249387 - 2 lg r 0 = 0 . Die Funktion, deren Nullstelle wir suchen, lautet also ζ = 0,2171472 r - 21g r + 0 , 1 2 4 9 3 8 7 und ihre Ableitung ist z' = 0,2171472

= 0,2 17 1 472 In 10

0,868589

r

.

τ

Nehmen wir wieder r = 7 als erste Näherung, so ist die zweite: _ i—

7

_ 0,2171472 · 7 — 2 lg 70 ,+8 6 80,1249 387 589

0,2 171 472 —

7

Obgleich wir bei den höheren Näherungen auch hier logarithmisch, und zwar mit einer siebenstelligen Tafel, da eine fünfstellige nicht ausreicht, rechnen werden, ist die Rechnung wesentlich einfacher als bei der ursprünglichen Form der Gleichung, da wir hier nur ein Produkt und einen Quotienten logarithmisch zu berechnen brauchen.

27. Dae Iterationsverfahren

175

So findet man für die erste Korrektur den Wert — 0,48598 und damit

r x = 7,48598.

Die nächsten Näherungen sind dann r, Λ Ο Ο r 2 = 7,4859 8

0,2171472 · 7,48 598 — 2 lg 7,48 598 + 0,1249 387 η 8β8 0 ^saq 9 0 ) 2 1 7 1 4 7 2 _

= 7,48598 — 0,01978 = 7,4662 0 , und r3 = 7,46620 - 0,00004 = 7,46616 . Eine weitere Näherung ist nun überflüssig, wenn wir die Wurzel unserer Gleichung nur bis zur vierten Dezimalen kennen wollen, denn r2 und r 3 unterscheiden sich erst in der fünften Dezimalen. r0 ist damit als r0 = 7,4662 bestimmt. Vergleicht man die Zahlenwerte r

=7,

/•j = 7,48598, r 2 = 7,46620, r3 = 7,46616 miteinander, so erkennt man, daß die Annäherung an r 0 so erfolgte, daß beim ersten Schritt die Nullstelle überschritten wurde, unser Wert r = 7 also dem Werte ξ* in Fig. 104 entsprach. Die Annäherung erfolgte dann sehr rasch; man sagt in einem solchen Falle, daß das Verfahren gut konvergiert. 27. D a s I t c r a t i o n s v e r f a h r e n Das Iterationsverfahren zur Bestimmung der Wurzeln einer Gleichung ist oft bequemer in der Anwendung als das N e w t o n sehe Näherungsverfahren. Es erfordert keine Differentiation und ist daher ohne Kenntnis der Differentialrechnung durchführbar. Wir wollen das Verfahren ebenfalls am praktischen Zahlenbeispiel durchsprechen.

176

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Wir nehmen dieselbe Gleichung, die wir beim Newtonschen Näherungsverfahren untersucht haben. t (36) e Beim Iterationsverfahren kommt es darauf an, die unbekannte gesuchte Größe durch sich selbst auszudrücken, also die Gleichung auf die Form ,, „ r = f(r) zu bringen. Dies läßt sich auf zwei Arten erreichen. Entweder wir stellen Gl. (36) dar als 0,75 r·«,

(37)

r =

fl f

1

0 7 5

0,7

oder wir logarithmieren Gl. (36) und lösen dann nach r auf: y lg e = lg0,75 + 2 lg/·, _ T

~

21g0,75 + 41gr — 0,24988 + 4 lg r fei ~ 0,43429

Wir wollen nun zunächst Gl. (38) weiter untersuchen. Es wird ein Näherungswert für r, den man etwa durch Zeichnung ermittelt hat, in die rechte Seite der Gleichung eingesetzt und damit ein neuer Wert von r ausgerechnet. Dieses Verfahren wird dann mehrmals wiederholt. Man legt sich zweckmäßigerweise eine kleine Tabelle nach folgendem Muster an (Tabelle 12). Aus dem Näherungswert r — 7,00 erhält man so den ersten verbesserten Wert fj = 7,21. Setzt man diesen in die rechte Seite der Gl. (38) ein, so erhält man den zweiten verbesserten Wert r 2 = 7,33. So findet man eine Folge von Zahlenwerten, die einem bestimmten Werte r 0 zustrebt. Die Differenzen der aufeinanderfolgenden Werte werden immer kleiner, die beiden letzten Tabellenwerte unterscheiden sich bis in die vierte Dezimale nicht mehr voneinander. Der Wert 7,4662 ist mit dem nach dem N e w t o n schen Verfahren berechneten identisch.

27. Das Iterationsverfahren

177

Tabelle 12

r

lg r

41g

r

41g r - 0 , 2 4 9 8 8

r

~~

4 Ig r — 0 , 2 4 9 8 8 0,43429

7,00 7,21 7,33 7,40 7,44

0,84510 0,85794 0,86510 0,86923 0,87157

3,38040 3,43176 3,46040 3,47692 3,48628

3,13052 3,18188 3,21052 3,22704 3.23640

7,21 7,33 7,40 7.44 7.45

7,45 7,4577 7,4617 7,4640 7,4650 7,4655 7,4660 7,4662 7,4662

0,87216 0,87260 0,87284 0,87297 0,87303 0,87306 0,87309 0,87310

3,48864 3,49040 3,49136 3,49188 3,49212 3,49224 3,49236 3,49240

3,23876 3,24052 3,24148 3,24200 3,24224 3,24236 3,24248 3,24252

7,4577 7,4617 7,4640 7,4650 7,4655 7,4660 7,4662 7,4662

-1

/

1

2

3



4



5

'

6

e S Μ α> οΛ 'S 0) « g

"φ rt) CÖ .9-E 3 OJ 3 S

= — 1χ "Ί , 2 α2 = 1 · 2 a 2 = 2! · α 2 , 2 · 3 a 3 = 1 · 2 · 3 α'33 = 3! · α 3 , 2 · 3 · 4 α4 = 1 · 2 · 3 · 4 α4 = 4! · α 4 , und ganz allgemein ist die n-te Ableitung an der Stelle χ = 0 /"(0) = η! • α, βι

29. Die MacLaurin-Reihe

185

So lassen sich also die gesuchten Koeffizienten ausdrücken durch den Funktionswert und die Ableitungswerte an der Stelle χ = 0. «„ = /(0),

®i = /'(0),

«2=9r>

«3 = " a f - usw.

Die gesuchte Reihe, die wir als M a c L a u r i n - R e i h e bezeichnen, nimmt so die Form an:

K e n n t man also den Funktionswert an der Stelle χ = 0 und vermag da auch die Ableitungen zu bilden, so läßt sich eine Reihendarstellung der Funktion angeben. Wir wollen als erste Anwendung die Reihe für y = ex aufstellen. Zu diesem Zweck müssen wir erst die Ableitungen von ex bilden und dann deren Wert f ü r χ = 0 berechnen. N u n ist dies sehr einfach, denn aus y = e* folgt

y, =

und daher ^

=

y„ =

y,„

=

=

y,„(0)

y

i\

=

=

...

...

=

= g0 =

ex 1

Da wir auch den Funktionswert an der Stelle χ = 0 kennen (den einzigen, den wir überhaupt angeben können!), nämlich /(0) = e» = 1 , folgt f ü r die gesuchte Reihe ,

, X* . X3 , X? , Xs ,

Nun sind wir in der Lage, die Funktion y = ex zu tabellieren. Suchen wir ζ. B. den Funktionswert an der Stelle χ = 1, so setzen wir diesen Wert in die Reihe ein und finden Vx-x = e 1 = e = 1 + 1 - f +

+ -J] +

Η

·

J e nachdem, wie viele Summanden wir berücksichtigen, erhalten wir den gesuchten Wert mehr oder minder genau. So ist ζ. B. e berechnet mit fünf Gliedern der Reihe 1 + 1 + 0 , 5 + 0 , 1 6 6 6 7 + 0 , 0 4 1 6 7 = 2,70834

186

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Nimmt man das nächste Glied

= 0,00834 hinzu, so ergibt sich

2,71668. Das nächste Glied y = 0,00139 ergibt e « 2,71807, und nimmt man schließlich noch ^

= 0,00020 hinzu, so folgt

e « 2,71827. So kann man e 1 oder jeden anderen Wert ex mit beliebiger Genauigkeit ausrechnen. Dabei muß etwas besonders hervorgehoben werden: die in einer Tabelle zusammengestellten Werte ex sind selbstverständlich nicht die genauen Funktionswerte, sondern nur mehr oder minder gute Näherungswerte, denn sie sind stets mit einer Reihenentwicklung berechnet, die nach einer Anzahl von Gliedern abgebrochen wurde. Der in der Tabelle enthaltene Funktionswert kommt also streng genommen nicht ex, sondern einer Schmiegungsparabel zu. Praktisch sind aber beide Werte so wenig verschieden, daß sie als gleich betrachtet werden können. Wenn man jedoch bei Rechnungen mit Reihen, wie wir sie noch durchführen werden, in Gedanken stets a l l e unendlich vielen Glieder als zur Reihe gehörend auffaßt, so s t e l l t die Reihe nicht bloß eine Näherung der Funktion d a r , sondern sie i s t die Funktion selbst in der Schreibweise einer Reihe. 30. D i e T a y l o r - R e i h e Nicht jede Funktion läßt sich in eine M a c L a u r i n - R e i h e entwickeln, denn dazu bedarf es der Kenntnis von /(0). Wollten wir ζ. B. y = In χ an der Stelle χ — 0 entwickeln, so ginge das nicht, denn für χ = 0 ist In χ gar nicht definiert. Bei Annäherung an diese Stelle wächst ja der Funktionswert über jeden angebbaren Betrag. In einem solchen Falle genügt es, wenn man für irgendeinen Wert χ = α den Funktionswert kennt und an dieser Stelle die Funktion ableiten kann, dann läßt sich die "Funktion in eine

30. Die Taylor-Reihe

187

sogenannte T a y l o r - R e i h e entwickeln, die folgendermaßen lautet: f(x) = f(a) + f'(a) (x - a)

(x - a)* + φ ( « - « ) »

+ +

····

Auf S. 19 hatten wir eine Gleichung für die Abhängigkeit der Siedetemperatur des Schwefels vom Druck kennengelernt. Sie ist nichts weiter als eine nach dem dritten Gliede abgebrochene T a y l o r - R e i h e der impirisch ermittelten Funktion ts = f(p). Die Μ a c - L a u r i n - Reihe ist natürlich ein Spezialfall der T a y l o r - R e i h e , bei dem a = 0 ist. Die Funktion y = In χ läßt sich an der Stelle a — 1 entwickeln, da wir j a wissen,'daß In 1 = 0 ist. Die Ableitungswerte an dieser Stelle lassen sich auch leicht bestimmen. Sie lauten: f(x) = In x, /' f " ( x ) = - ± ,

/(1) = In 1 = 0 , /'(1)= + - j - = /"(!)

+ 1 ,

=

-

/"'(*)

/"'(!)=

+ τ = +

/ιν(*) = ~ ^ ,

/IV(1) = — ^

,

(x-l)5

2

1

= — 3! ,

Damit erhält man für die Entwicklung des Logarithmus

, 4! (x — l) 5 1 5!

1,

188

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Dies ist eine Reihenentwicklung für die Funktion y = In a; und damit natürlich auch für y = lg x, da beide sich nur durch den Paktor 2,30 unterscheiden. Für die Berechnung einer Logarithmentafel verwendet man diese Reihe allerdings nicht, sondern eine andere, die durch eine kleine Umformung aus der obigen entsteht, und das aus einem Grunde, den wir bisher noch nicht erwähnt haben. 31. K o n v e r g e n z und D i v e r g e n z von R e i h e n Setzen wir in der für den Logarithmus abgeleiteten Reihenentwicklung x-Werte ein, die kleiner als 2 sind, so läßt sich In χ berechnen, und zwar um so genauer, je mehr Glieder der Reihe wir berücksichtigen. Die Reihe hat trotz ihrer unendlich vielen Glieder einen bestimmten endlichen Wert, ähnlich wie es bei der erwähnten unendlichen geometrischen Reihe der Fall war. Man sagt, daß die Reihe k o n v e r g i e r t . Wenn wir aber in der Reihe für den Logarithmus ζ. Β. χ = 3 einsetzen, so erhalten wir τ ο

ο

4

ι

8

16 . 32

.

Würde man jetzt versuchen, durch Hinzunehmen immer weiterer Glieder In 3 auszurechnen, so würde man feststellen, daß das Ergebnis sich nicht immer besser einem bestimmten Wert nähert, sondern über jeden angebbaren Betrag hinaus wächst. Man sagt, die Reihe d i v e r g i e r t . Eine divergente Reihe ist natürlich für die Berechnung von Funktionswerten wertlos, nur eine konvergente kann hierzu verwendet werden. Es gibt Reihen, die für alle x-Werte konvergieren, ζ. B. die Mac-Laurin-Reihen für ex, sin x, cos x; es gibt aber auch Reihen, die für gewisse «-Werte konvergieren, für andere hingegen divergieren, wie ζ. B. die angegebene Reihe für In x. Sie konvergiert für die Werte χ zwischen 0 und 2, divergiert aber außerhalb dieses Gebietes. Es gibt exakte Kriterien dafür, ob eine Reihe konvergiert oder nicht. Es würde aber den Rahmen dieses Buches übersteigen,

32. Das Rechnen mit Reihen

189

diese Kriterien im einzelnen zu besprechen. E s m u ß daher auf die mathematischen Lehrbücher verwiesen werden. E r w ä h n t sei lediglich die Forderung f ü r die Konvergenz einer Reihe, d a ß ihre Glieder von einer bestimmten Stelle an immer kleiner werden müssen. Jedoch ist dies lediglich eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. So ist z . B . die sogenannte h a r m o n i s c h e Reihe

divergent (sie divergiert allerdings schwach), obgleich jedes Glied kleiner ist als das vorhergehende. Ihre Divergenz läßt sich leicht d u r c h die Aufstellung einer Vergleichsreihe zeigen, deren Glieder kleiner als die Glieder der harmonischen Reihe (oder höchstens gleich) sind. Man n e n n t eine solche Vergleichsreihe eine Min o r a n t e . Eine solche Minorante der harmonischen Reihe ist ζ. B. ^

= 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 2

4

4

TT 2

8

'

8

8

+

8 1 6

τ τ

1 ^1 . . . τ τ

Die einzelnen Glieder der Minorante lassen sich in angegebener Weise zusammenfassen, und so erhält m a n

D a ß ihr W e r t bei unendlich vielen Gliedern über jede Grenze hinauswächst, ist augenscheinlich. Wenn die Minorante der harmonischen Reihe also divergent ist, d a n n m u ß es die harmonische Reihe selbst erst recht sein, da ihre Glieder ja denen der Vergleichsreihe gleich oder sogar größer als diese sind. 32. D a s R c c h n c n m i t R e i h e n D a eine konvergierende unendliche Reihe bei Berücksichtigung ihrer sämtlichen Glieder vollberechtigt an die Stelle der Funktion t r e t e n kann, lassen sich alle Rechenoperationen s t a t t mit der F u n k t i o n selbst mit ihrer Reihe durchführen. Man k a n n also Reihen addieren, multiplizieren, differenzieren und (was wir noch

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

190

später kennenlernen werden) integrieren, so, als ob man mit den Funktionssymbolen selbst operieren würde. Besonders die Integration von Reihen ist von großer Bedeutung. An einigen Beispielen wollen wir die Anwendbarkeit der uns bekannten Rechenoperationen auf die Reihen zeigen. Die Reihenentwicklung für sin χ haben wir schon auf S. 183 kennengelernt. Man überzeuge sich durch Bildung von /(0), /'(0), /"(0) usw. und Einsetzen dieser Werte in die M a c L a u r i n Reihe von ihrer Richtigkeit. Die Differentiation des sin χ liefert cos χ (S. 164), also müßte die differenzierte Sinusreihe die Cosinusreihe ergeben. Es ist sm

d

sin

xb

,

3?

x1

* = * - 3! + 5! χ

2

3x

Λ

, x"*

H

7! + 9! ~

7x

. 5x*

, x2 . x4 a;3 , 3? cosx = l - 2 Ϊ + 4 1 - β; + sT -

'

e

. 9z»

+

····

Man zeigt leicht, daß dies tatsächlich die Rsihe für cos χ ist, denn f(x) f'(x)

= cos χ ,

/(0) = cos 0 = 1 ,

= - sin χ ,

/'(0) = - sin 0 = 0

cos χ ,

/"(0) = - cos 0 = - 1 ,

f"(x)

=

-

f"'(x)

=

sin

,

/"'(0) = sin 0 = 0 ,

--=

cos χ ,

/ IV (0) = cos 0 = 1 ,

=

/'( X )

/v ( 0 )

1Y

f (x)

/ν (X)

χ

_

=

Sin

ο = 0

Diese Reihe enthält also wegen des Verschwindens aller ungeraden Ableitungen an der Stelle χ = 0 nur Glieder mit geraden Potenzen von χ und lautet, wie oben angegeben. Bei der Bespreehung der hyberbolischen Funktionen wurde auf S. 157 erwähnt, daß bei der L a n g e ν in-Theorie des Paramagnetismus die sogenannte L a n g e ν in-Funktion eine Rolle spielt. Sie war definiert als L (x)

= ßtg

χ -

.

32. Das Rechnen mit Reihen

191

Wir wollen diese Funktion in eine Reihe entwickeln. Die Entwicklung des (£tg χ an der Stelle χ = 0 ist unmöglich, denn diese hyperbolische Funktion hat, wie Fig. 97 auf S. 158 zeigte, bei χ = 0 eine Unendlichkeitsstelle. Wir können aber die Reihenentwicklung durch Zurückgehen auf die Definition 6tg χ durchführen, also die Reihen für ex und e~x aufstellen, die Summe und die Differenz beider Reihen bilden und dann die Summenreihe durch die Differenzreihe dividieren. Das Ergebnis ist die Reihe für 6tg x. Es ist X2

ry-3

ryA

e' = l + * + 2 ! + 3 ! + 4 Ϊ + 5! + · · · • die Reihe für e~x brauchen wir nicht erst besonders abzuleiten, wir ersetzen einfach in der obigen Reihe jedes χ durch — χ und erhalten

e _ I

=

1

~

x

Χ2

Χ3

X*

+ Y\ — 3T + 4 T ~ 5 T +

-

" ' ·

Bilden wir nun ex + e~x und ex — e~x durch gliedweises Addieren bzw. Subtrahieren der Reihen, so folgt e

.

+ e

-.

=

=

und β

.-β-' =

~2 2 + 2 - | i + 2 . | f + 2 . J 2

(

1

•w)

2 « + 2 · |

1 +

+ . · ·

+ ΐ + ί + ί + · · ' ) λ«5

Γ

ύ·Ί

+ 2 · | ϊ + 2 · |

Damit wird ex + e~x

r

l i + Tr + li + |r + ··

Γ

+ ·

192

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Nach den üblichen Regeln dividieren wir beide Reihen. Es ergibt sich j + f + 4 - + - £ - + · · · -. , χ2 , χ1 , x~' 1Τ" ' ' 3! 1 5! 1 7! s χ*_ 4 χ* 6x ~3 ' δΊ ' 7! Γ""· 2 χ . χ* . χ' 3 ' 3 - 3 ! 1 3-5! χ* 45 ζ4 45

+ £ + £ + · · · ) = 1 χ ι a;~~Ζ 1 Γ 3"ο 45Τκ Γ 2Χ5 +945 '

7! χ"· 45-3! 32 χ"· 3 7! τ " 32 χΊ + · 3-7!

Damit lautet die Reihenentwicklung für die L a n g e v i n - F u n k tion:

x τ ι \ X3 , • (x > ~ T " 4 5 + 9 Ϊ 5 -

L

H

·

Ableitung des Curie sehen Gesetzes aus der Lang evinTheorie. Benutzen wir dieses Ergebnis, um das paramagnetische Moment σ (S. 157) als eine Potenzfunktion von α = E s ist dann

darzustellen!

σ = Ν μ (ßtg α — i λτ / a = Μ τ Ν μα f . _ 3 Νμ·Νμ§ σ = 3 KT

®3 ι 2α5 , 45 + 9 4 5 + " α* 2a 4 \ 1 15 + 315 /' /' Ν2μ2§2 . 22Ν*μ / i y y1® y \ 15 R2 Τ2 315 Ä4 Τ 4

\ )'

33. Die binomische Reihe und das Rechnen mit kleinen Größen

193

Ist nun die Feldstärke § nicht sehr groß und die Temperatur Τ nicht sehr klein, so sind die Zahlenwerte des zweiten und der folgenden Klammerglieder sehr klein gegenüber 1, und daher darf man sie vernachlässigen. So erhält man dann

_ _ ° ~

Das Verhältnis

3 RT '

, also das auf die Einheit der Feldstärke bezogene

magnetische Moment eines Mols, heißt χ Μο] (vgl. S. 55). Es ist also _

_ Ν2 μ2

Molsuszeptibilität

J^

Zmoi — § ~~ Τ 7 Γ ' Τ ' und da Ν, μ und R konstant sind, läßt sich das Ergebnis auch __ C_ schreiben, wenn C eine Konstante bedeutet. Dies ist aber gerade das in der Magnetochemie so wichtige Gesetz von C u r i e , das wir bereits kurz einmal (S. 55) erwähnten.

33. Die b i n o m i s c h e R e i h e und das R e c h n e n mit kleinen Größen Binomische Reihe Die T a y l o r - R e i h e f(x) = /(α) + /'(α) (χ - α) + ^

(x - α)2 +

läßt sich auch anders darstellen. Bezeichnen wir die Differenz χ — α mit dem Buchstaben ξ, so ist χ = a -J- ξ, und die Reihe erhält die Form f(a +ξ) Asmus,

= f(a) + ί'(α)ξ + Ά

ξ* +Qr

E i n f ü h r u n g in die höhere M a t h e m a t i k . 3. Aufl.

f3 + " " " · 13

194

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Bedeutete χ die Abszisse eines Punktes Ρ im x, «/-Koordinatensystem (Fig. 107), so bedeutet ξ seine Abszisse in einem um die Strecke α in Richtung der positiven «-Achse verschobenen ξ, ^-Koordinatensystem. Die zweite Schreibweise der T a y l o r - R e i h e ist besonders dann empfehlenswert, wenn man das Verhalten einer Kurve in unmittelbarer Nähe des Punktes mit der Abszisse α untersuchen will, ξ ist dann eine kleine Größe. Wir wollen nun die Funktion y = x" (wobei η auch Fig. 107 eine gebrochene Zahl bedeuten kann) in eine T a y l o r - R e i h e entwickeln, und zwar an der Stelle a = 1, weil dann y x = 1 = 1" = 1 von vornherein bekannt ist. Es ist f(x) = xn , f (χ) = η χ"'1 f"(x) =n(n 1) f"'{x) = η (η 1

x"~2,

) ( » - 2 ) xn-

usw. und daraus folgt x» = f(x) = f(l

+ f ) = (l

+ξ)

η

/(1) /'(1) /"(l) /"'(1)

= 1, = η , = » (» - 1), = n (η — 1) (η - 2) usw.

=

1+ηξ

η (re — 1) 2 I 2!

η (η — 1) (η — 2) (re — 3) 4 η (η — 1) (η — 2) 3 ξ I + ' 4! 31 Benutzt man für die Ausdrücke η (η—1) η (η — 1) («· - •2) usw., η, 2!

'

3!

die aus der Elementarmathematik bekannte Schreibweise so ist

(')•

C,

(1 + f ) » = 1

( 3 ] (gelesen: η über 3) usw.,

Ϊ)«+(;)«·+

33. Die binomische Reihe und das Rechnen mit kleinen Größen

195

und in ähnlicher Weise (!_{).

+(ΐ)ί·—(;)«·+(!)«*—ι—-

Diese sogenannte b i n o m i s c h e Reihe hat im allgemeinen Falle unendlich viele Glieder. Ist dagegen η eine ganze positive Zahl, so bricht die Reihe nach einem bestimmten Gliede ab. So ist ζ. B.

= χ+3

+· · · ·

f

Alle höheren Glieder, beginnend mit Faktors 0, und so erhält man

f4,

verschwinden wegen des

(1 +£)» = 1 + 3 £ + 3 | * + | 3 , ein Ergebnis, das aus der Elementarmathematik bekannt ist. Rechnen mit kleinen Größen Die binomische Reihe läßt sich mit Vorteil beim praktischen Zahlenrechnen verwenden, wie einige Beispiele zeigen mögen. Es sei auszurechnen ^1,0027. Dieser Ausdruck läßt sich darstellen als ]/ 1,0027 = 1,0027* = (1 +0,0027)3 und läßt sich in eine Reihe entwickeln, wobei ξ = 0,0027 und η = J ist. f 1,0027 = (1 +0,0027)* = 1 - L | · 0,0027 +

3 1

2S

• 0,0027 2 Η

.

Rechnet man die einzelnen Glieder aus, so findet man Ρ 1,0027 = 1 + 0,0009 - 0,00000081 Η . Man sieht, daß in einem solchen Falle, wo ξ eine kleine Größe ist, alle Glieder der Reihe nach dem zweiten wegen ihrer Kleinheit 13*

196

Ι· Teil. Funktionen einer Veränderlichen

fortgelassen werden können, so daß mit hinreichender Genauigkeit p 1,0027 =

1,0009

ist. Dieses Ergebnis kann man leicht im Kopf oder mit dem Rechenschieber ohne Zuhilfenahme der Logarithmentafel ausrechnen. Allgemein gelten, wie man leicht durch Reihenentwicklungen zeigen kann, für kleine Werte ξ u. a. folgende Näherungsformeln: (i + ! ) - 1 « ι - f , r

L _ = ( l _

f

, - i « l

γΤ+ξ

= (ΐ+ξ)*

« l + y f ,

- ^ » ( i + f ) - ! « ! - ^ ,

+ f >

Diese Formeln verwendet man zweckmäßig bei Korrekturrechnungen. Zwei physikochemische Beispiele hierzu! Das Vakuumgewicht eines Körpers. Ist Κ das Gewicht eines Körpers im Vakuum, ρχ seine Dichte, ρχ, die Dichte der Luft und G das Vakuumgewicht der Gewichtsstücke mit der Dichte qg, die man auf die analytische Waage legen muß, um in Luft das Körpergewicht abzugleichen, so gilt nach dem Prinzip von A r c h i medes Κ - Α κ = Q-Ae, wenn Αχ und A0 die Auftriebe von Körper und Gewichtsstücken in Luft bedeuten. Weiter ist dann jr

^

r ,

i-** K = 0

Ο

33. Die binomische Reihe und das Rechnen mit kleinen Größen

197

ql Da nun in der Praxis — und bei festen Körpern und Flüssigkeiten QL

60

im Mittel auch — von der Größenordnung 10 - 4 sind, entwickeln θκ 1 wir in eine binomische Reihe und erhalten l-iiΚ = θ ( ΐ ~

— Qaj

j _ Ck

K = G (1 -



6E J

1

+

ln

L

L

RT 0

RT'

L RT £

BT

An diesem Ergebnis erkennt man bereits, daß die bei der Rechnung gemachten Voraussetzungen nicht streng zutreffen. Die

0

so

100

150

Fig. 132. Dampfdruckkurve des Wassers

X

248

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

_Β erhaltene Funktion ρ = f(T) hat den Typus ρ = A e Γ , wobeie und Β Konstanten sind. Auf S. 140 hatten wir schon die Funktion Β y = Ae x kennengelernt und gesehen, daß es sich um eine S-förmige Kurve mit einem Wendepunkt handelt, den die monoton ansteigende experimentelle Dampfdruckkurve nicht aufweist. Da die Dampfdruckkurve in der Regel nur in einem beschränk ten Temperaturgebiet benötigt wird, ist es nicht ausgeschlossen, daß die gerechnete Kurve die experimentellen Werte mit p r a k t i s c h hinreichender Genauigkeit im benötigten Temperaturbereich wiedergibt. Wie erstaunlich gut sich die theoretische Kurve der experimentell aufgenommenen anschmiegt, sei am Beispiel des Wasserdampfdruckes gezeigt (Fig. 132). Zur Berechnung dieser theoretischen Kurve sind folgende Werte verwendet worden: T0 = 373° K, p 0 = 760 Torr, L = 9720 cal (die Verdampfungswärme beim normalen Siedepunkt) und R = 1,986 cal/Grad. Mit diesen Werten geht Gl. (63) über in 4,895- 10' 4,895- IQ3 8 T 8 ρ = 3,805 · 10 e = 3,805 · 10 e 273 +« · Die nach dieser Gleichung berechnete Dampfdruckkurve ist in Fig. 132 wiedergegeben. Die eingezeichneten Kreise sind experimentell bestimmte Werte. Die Übereinstimmung von Rechnung und Versuch ist ausgezeichnet. Entleerung eines kugelförmigen Behälters. Um die Zeit berechnen zu können, in der sich ein kugelförmiger Behälter (Fig. 133) durch eine Bodenöffnung entleert, muß zunächst eine Differentialgleichung aufgestellt werden. Aus ihr ergibt sich die funktionelle Beziehung zwischen der Flüssigkeitshöhe h und der Zeit t. Während der Flüssigkeitsspiegel sinkt, vermindert sich das im Behälter enthaltene Flüssigkeitsvolumen in jeder Sekunde um den Betrag v. Dieser in cm3/sek gemessene und von der Höhe h abhängige Betrag, setzt sich multiplikativ aus dem Querschnitt π χ 1 (gemessen in cm2) und der Sinkgeschwindigkeit — ^ (cm/sek) der Flüssigkeitsoberfläche zusammen. Das negative Vorzeichen

39. Grundintegrale

bei —

dh

249

tritt deswegen auf, weil mit wachsender Zeit (dt positiv)

sich die Höhe h vermindert, dh also negativ ist, die Geschwindigkeit hierbei aber positiv gezählt wird. πχ

, dh -Tf

Das gleiche Flüssigkeitsvolumen muß aus Kontinuitätsgründen in jeder Sekunde aus der unteren Öffnung des Behälters aus-

Fig. 133

fließen. Die Ausströmungsgeschwindigkeit ist j/2 gh (für eine reibungslose Flüssigkeit), der Austrittsquerschnitt ist / (unter Berücksichtigung einer evtl. Strahlkontraktion). So erhalten wir die gesuchte Differentialgleichung πχ"

dh

χ 2 ist mit der Höhe veränderlich. Es errechnet sich aus der Gleichung X 2 + (Ä — r) 2 = r 2 = r 2 — Aa + 2 rh — r2 x2 = 2rh — h2. Somit erhält man — π ( 2 r h — h2)~

= )/2 •/·[/ . K .

2

d

x

=

M

f _J_ 2

x

+ — z

d x

=

^

·

- f 2

Geht die Rotationsachse nicht durch den Mittelpunkt des Stabes, sondern durch einen seiner Endpunkte (Fig. 135), so ändert sich der Wert des Trägheitsmomentes. Es ist jetzt

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

252

Μ

a

Μ l

χ3

dx Ml 1

Man erkennt, daß 0 größer als Θ, ist und zwar um den Betrag θ—

θ,=

Ml2

Ml2 Ml „, Ml'2 ,, TT = " = M '

ar /!\«

Das letzte Ergebnis folgt auch aus dem sog. Steinerschen Satz, nach dem das Trägheitsmoment eines Körpers, bezogen auf eine beliebige Achse, sich additiv aus dem Trägheitsmoment, bezogen auf eine parallel zur betrachteten Achse liegende Schwerpunktsachse und dem Produkt aus der Masse des Körpers und dem Quadrat des Achsenabstandes zusammensetzt. Trägheitsmoment einer Scheibe. Das sog. polare Trägheitsmoment einer dünnen kreisrunden Scheibe bezüglich einer senkrecht auf ihr stehenden, durch den Mittelpunkt gehenden Achse ist streng genommen durch ein Doppelintegral gegeben. Es läßt sich aber auch mit Hilfe eines einfachen Integrals, wie wir es kennen, berechnen. Wir denken uns aus der Scheibe einen Kreisring mit dem Radius χ und der Fig. 136 differentiellen Breite dx herausgeschnitten (Fig. 136). Sämtliche Punkte dieses Ringes haben den gleichen Abstand χ von der Rotationsachse. Die Masse der Scheibe sei Μ ; sie verteilt sich gleichmäßig auf die ganze Fläche i r 1 , so daß Μ auf die Flächeneinheit entfällt. Der Kreisring mit der differentiellen Breite dx hat eine Fläche 2 π χ · dx (aufgeschnitten

39. Grundintegrale

253

ergibt er ein Rechteck mit der Länge 2πχ und der Breite dx) und damit eine Masse 2Μ Μ χ dx~, dm = 2 π χ dx sein differentielles Trägheitsmoment ist dB — x2 · dm = χ2 · r2 χ dx. Damit erhält man für das Trägheitsmoment der ganzen Scheibe θ (65)



χ dx

2Μ Γ „ , IM - J x * d x = -?r

θ = ^r Mr2. Δ

Das Trägheitsmoment einer Kugel. Auch das Trägheitsmoment einer Kugel mit der Masse Μ und dem Radius r in bezug auf einen Durchmesser als Rotationsachse ist eigentlich ein mehrfaches Integral und zwar ein dreifaches. Unter Zuhilfenahme des Ergebnisses der vorstehenden Aufgabe läßt sich aber dieses komplizierte Integral auf ein einfaches reduzieren. Wir denken uns aus der Kugel (Fig. 137) im Abstände ζ von der Äquatorebene eine Scheibe von der Dicke dz und dem Radius y herausgeschnitten. Ihre differentielle Masse ist Μ • π y2 dz, dm — Fig. 137

weil das Volumen der Scheibe (Zylinder mit der Höhe dz) π y2 dz und die auf die VolumeneinΜ heit entfallende Masse ist.

254

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Das differentielle Trägheitsmoment der Scheibe ist nach Gl. (65) άθ =

2' y i r •πy2

dz

' y2

=

1° ' y 1

dz

-

Das Trägheitsmoment der Kugel ist somit +r (66)

fl

=

-r y ist eine Funktion von z. Es wird durch die Gleichung z2 + V2 = r* gegeben. Man erhält hieraus yl r= r 2 — Z2 2 2 4 yi = rt — 2r z + z . Nach Einsetzen des letzteren Wertes in Gl. (66) folgt für das Trägheitsmoment + ΤrΙ 3 Μ 9 - j (r* — 2 r* ζ2 + ζ4) dz =

Θ = I i f r2. 5

40. Die S u b s t i t u t i o n s m e t h o d e Nicht immer führt das vorgelegte Problem auf ein Grundintegral. I n einem solchen Falle muß man versuchen, durch allgemeine mathematische Methoden, die nichts mit der eigentlichen Integralrechnung zu tun haben, das gegebene Integral so umzuformen, daß es schließlich in ein Grundintegral übergeht. Mehrere Methoden führen da zum Ziele, aber es gibt keine Regel, nach der man die passende Methode ermittelt. Das ist reine Übungssache. In den folgenden Kapiteln sollen einige dieser Methoden, soweit sie für den Chemiker von Bedeutung sind, besprochen werden.

40. Die Substitutionsmethode

255

Als erstes erläutern wir die sogenannte Substitutionsmethode, die an praktischen Beispielen erarbeitet werden soll. Isotherme Ausdehnungsarbeit eines Clausiusschen Gases. Es soll die isotherme Volumenarbeit eines Gases berechnet werden, welches nicht der idealen Gasgleichung gehorcht. Es gibt mehrere Gleichungen, die das Verhalten eines realen Gases mehr oder minder gut zu beschreiben vermögen. Eine solche ist ζ. B. die Gleichung von C l a u s i u s . (67)

T(V + c)2

(V — b) =

RT.

a, b und c sind hierbei Konstanten. Aus Gl. (67) ergibt sich P

_ BT ~ Y^b

ο ~ T(V + c)2

und die isotherme Gasarbeit eines Mols folgt hieraus zu (68)

4 =fpdV ν,

~fT{Va+c)idV.

=fv^-bdV rl

vt

Man sieht sofort, daß es sich nicht um Grundintegrale handelt, daß aber die Form nicht allzusehr von der eines Grundintegrals abweicht. Setzt man V —b= χ so ist d(V - b) = dV= dx

und

V + c = y,

und

d(V + c) = dV = dy .

Nun ist die Verwandlung der obigen Integrale in zwei Grundintegrale leicht. Diese heißen F, — b A

=

f

Fs + c

/

V, + e

¥r

d

y-

Man erkennt leicht, daß die Grenzen der neuen Integrale gegenüber denen der Integrale in Gl. (68) geändert sind, denn die Integrationsveränderliche χ hat ζ. B. den Wert x1 = V1 — b, wenn V = V1 ist, und erhält für V = V2 den Wert x2 = V2 — b.

I. Teil. Funktionen einer Veränderliehen

256

Die beiden durch Substitution (daher Substitutionsmethode) erhaltenen Grundintegrale lassen sich nun sofort integrieren und ergeben 1 1_ V2 + c Fj + cJ Der Zerfall von N20 an Goldflächen.

E i n weiteres Beispiel f ü r die

Integration nach der Substitutionsmethode ist die vollständig verlaufende unimolekulare Reaktion oder die Reaktion erster Ordnung. Die unimolekulare Reaktion ist dadurch gekennzeichnet, daß ein Stoff Α sich umsetzt (zerfällt) zu neuen Stoffen B, G usw., also nach der chemischen Gleichung A - Β + C + •· ·

reagiert. Dem Prozeß liegt folgende Differentialgleichung zugrunde: x = dx β = k (a —

(69)

x).

Dabei bedeuten: α die Anfangsmenge und χ die bis zur Zeit t umgesetzte (zerfallene) Menge des Stoffes A, k ist eine Konstante. Die G1. (69) sagt dann aus, daß die Reaktionsgeschwindigkeit, die hier als die in der Zeiteinheit umgesetzte Menge des Stoffes A definiert ist, direkt proportional der in jedem Augenblick noch vorhandenen Menge der zerfallenden Substanz ist. Die bis zu einer beliebigen Zeit t zerfallene Menge χ erhält man durch Integration. α



χ

= k

dt,

j = J k d t + C =

kt+C.

Setzt man a — χ = ζ ,

dann ist d(a — x) — — dx = dz

und damit (70)

kt+C=

— l n z = - I n ( α - χ).

Die Integrationskonstante G ergibt sich durch die Überlegung, daß zu Beginn der Beobachtung noch nichts umgesetzt gewesen ist,

40. Die Substitutionsmethode

257

also mathematisch ausgedrückt, ist für t= 0

auch

χ = 0.

Daraus folgt k • 0 + C = - In (a - 0), C = - In α. Nach Einsetzen dieses Wertes für die Integrationskonstante in Gl. (70) ergibt sich (71)

kt = Ina— In (a — x) = I n ^ ^ - .

Durch Übergang zur Exponentialfunktion ergibt sich

kt

(α — χ) e

= α,

a — χ — a e~kt, χ = a(l — e~kt), ein Gleichungstypus, der una bereits auf S. 132 begegnet ist. Aufgelöst nach k ergibt die Gl. (71)

Diese neue Beziehung sagt aus, daß bei jeder Reaktion erster Ordnung der rechts vom Gleichheitszeichen stehende Ausdruck für jeden beliebigen Zeitpunkt denselben Wert ergeben muß. Dies ist direkt ein Kriterium dafür, ob eine Reaktion nach der ersten Ordnung verläuft. Ein Beispiel hierfür! H i n s h e l w o o d und P r i c h a r d untersuchten den Zerfall von Distickstoffmonoxyd an 900° C heißen Goldflächen und fanden Werte, die der nachstehenden Tabelle 15 entnommen werden können. Diese Reaktion ist von erster Ordnung, denn innerhalb der Versuchsfehler sind die Zahlenwerte der letzten Spalte als konstant anzusehen. ABraus, Einführung in die höhere Mathematik. 3. Aufl.

17

258

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Tabelle 15 Zeit in Minuten

t

°/ 0 zersetzt

X

15 30 53 65 80 100 120

16,5 32 50 57 65 73 78

,

1

h~

t

,

100 100 — χ

0,0121 0,0129 0,0131 0,0130 0,0131 0,0131 0,0126

Fallbewegung einer Kugel im zähen Medium. Auf S. 211 und 212 hatten wir die Differentialgleichung, die die Fallbewegung einer Kugel im zähen Medium beschreibt, aufgestellt. Wir fanden de . 6 πτη L