Einführung in die höhere Mathematik und ihre Anwendungen: Ein Hilfsbuch für Chemiker, Physiker und andere Naturwissenschaftler [3., verb. Aufl. Reprint 2018] 9783111322872, 9783110980707


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German Pages 421 [424] Year 1959

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VORWORT ZUR 1. AUFLAGE
VORWORT ZUR 3. AUFLAGE
INHALT
I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen
1. Abschnitt. Differentialrechnung
2. Abschnitt. Integralrechnung
II. Teil. Funktionen zweier Veränderlichen
1. Kapitel. Darstellung von Funktionen zweier Veränderlichen
2. Kapitel. Differentiation
3. Kapitel. Integration
Anhang
Sach- und Namenregister
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Einführung in die höhere Mathematik und ihre Anwendungen: Ein Hilfsbuch für Chemiker, Physiker und andere Naturwissenschaftler [3., verb. Aufl. Reprint 2018]
 9783111322872, 9783110980707

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Arbeitsmethoden der m o d e r n e n Naturwissenschaften

Einführung in die höhere Mathematik und ihre Anwendungen Ein H i l f s b u c h für Chemiker Physiker und andere Naturwissenschaftler Von

E. ASMUS D r . phil. habil., Dipl.-Ing. Professor an der Techn. Universität Berlin

3., v e r b e s s e r t e A u f l a g e Mit 184 Abbildungen im Text

WALTER DE G R U Y T E R & CO. vormals G. J. GÖschen'sche Verlagshandlung / J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer / Karl J. T r ü b n e r / Veit & Comp.

Berlin 1959

© Copyright 1952, 195 9 by W a l t e r de G r u y t e r & Co., v o r m a l s G. J. Göschen'sche Verlags h a n d l u n g , J. G u t t e n t a g , V e r l a g s b u c h h a n d l u n g , G e o r g R e i m e r , Karl J. T r ü b n e r , Veit & Comp., Berlin W 3 5 . — Alle R e c h t e , a u c h die des auszugsweisen Nachdrucks, d e r p h o t o m e c h a n i s c h e n W i e d e r g a b e , d e r H e r s t e l l u n g von M i k r o f i l m e n u n d d e r Ü b e r s e t z u n g vorbehalten. — Archiv-Nr. 52 8 0 5 9 — P r i n t e d i n G e r m a n y S a t z : W a l t e r de G r u y t e r & Co., Berlin — D r u c k : R o t a p r i n t A. G., Berlin

VORWORT ZUR 1. AUFLAGE Das Bändchen „Einführung in die höhere Mathematik und ihre Anwendungen" der Buchreihe „Arbeitsmethoden der modernen Naturwissenschaften" ist als Niederschlag einer Vorlesimg entstanden, die ich seit einer Reihe von Jahren in Marburg für Naturwissenschaftler — vorwiegend Chemiker — gehalten habe und läßt im Aufbau wohl deutlich seinen Ursprung erkennen. Das Buch verfolgt, genau wie die Vorlesimg, aus der es sich entwickelt hat, mehrere Ziele. Die Studierenden der Chemie haben in ihrer überwiegenden Mehrzahl mehr Interesse für Fragen der organischen und anorganischen als der physikalischen Chemie und verhalten sich fast ausnahmslos ablehnend abstrakt mathematischen Problemstellungen gegenüber. Sie sind dahe* auch fast nie dazu zu bewegen, ausdauernd eine rein mathematische Vorlesung zu besuchen, obgleich sie eines gewissenMindestmaßes mathematischer Kenntnisse zum Studium des durch die Diplom-Prüfungsordnung für Chemiker vorgeschriebenen Faches der physikalischen Chemie unbedingt bedürfen. Als Folge der geringen Beschäftigung mit mathematischen Fragen ergibt sich oft ein mangelndes Verständnis der auf mathematischer Grundlage aufgebauten physikochemischen Vorlesungen und damit wiederum eine ungenügende Vertiefung in denjenigen Zweig der Chemie, auf dessen Erkenntnisse sich sowohl der Anorganiker als auch der Organiker heute bei ihrer Arbeit stützen müssen und es auch weitgehend tun. Eine Einführung in die mathematische Behandlung naturwissenschaftlicher Fragen muß daher für den Chemiker rechtzeitig in den ersten Studiensemestern geschehen und muß sehr behutsam vorgenommen werden. Eine gewisse fast episch anmutende Breite der Darstellung und mehrfach wiederholte Anwendung desselben mathematischen Gesetzes auf verschiedene physikalisch-chemische Probleme ist nach meiner Erfahrung empfehlens-

VI

Vorwort des Verfassers

werter als eine knappe Abfassung des Inhaltes. Auch muß eine solche Einführung bewußt einen gewissen eng gezogenen Rahmen nicht überschreiten und stets von einer naturwissenschaftlichen, möglichst chemischen, Fragestellung ausgehen. Das Buch will daher den Chemiker, noch ehe er physikochemische Vorlesungen gehört hat, auf die Beschäftigung mit mathematischen Fragen dadurch hinweisen, daß es chemische Probleme — die natürlich nur gestreift werden können — mathematisch so behandelt, daß sich die Möglichkeit bietet, zunächst die auf der Schule erworbenen mathematischen Kenntnisse' anzuwenden und sie dann bis zu einem gewissen für den Chemiker unbedingt notwendigen Mindestmaße auszuweiten. Ich bin mir dabei dessen vollauf bewußt, daß es sich nicht um eine in mathematischer Hinsicht erschöpfende Darstellung handeln kann, immerhin wird das Buch vielleicht ein gewisses Maß rechnerischer Fertigkeit dem Leser vermitteln und den interessierteren zum Besuch mathematischer Vorlesungen und zum Durcharbeiten rein mathematischer Bücher anregen können. Durch die Behandlung vorwiegend physikochemischer Probleme versucht das Buch gleichzeitig den Chemiestudierenden schon in seinen ersten Studiensemestern in Berührung mit dem ihm zunächst fernerliegenden Zweige seiner Wissenschaft zu bringen und ihn für eine Beschäftigung mit seinen Fragenkomplexen zu gewinnen. Daß auch der Physiker, der natürlich eine weit tiefer gehende mathematische Ausbildung, als es beim Chemiker der Fall igt, erhalten muß, unter denjenigen, für die das Buch bestimmt ist, im Buchtitel gesondert erwähnt ist, hat seinen besonderen Grund. Als Physiker, der sowohl auf der technischen Hochschule als auch auf der Universität studiert und als Assistent gearbeitet hat, weiß ich aus eigener Erfahrung, daß der Durchschnittsstudierende der Physik kein besonderes Interesse für chemische Fragen besitzt. Ja, er neigt sogar dazu, die Chemie als eine nicht exakte Probierwissenschaft, deren ausschließliches Ziel es ist, Präparate nach bestimmten empirischen Vorschriften herzustellen, anzusehen. Zwischen dem Physiker und Chemiker besteht so ein gewisser Gegensatz, der unbedingt im Interesse der Wissenschaft und Praxis überbrückt werden muß. Gerade der Physiker sollte sich viel mehr der

Vorwort des Verfassers

VII

Schwesterwissenschaft zur Verfügung stellen, denn er kann durch seine tiefergehenden mathematischen und physikalischen Kenntnisse befruchtend auf die Arbeit des Chemikers wirken und ihm vor allem in der Technik durch Hineintragen /physikalischer Methoden in die chemischen Arbeiten helfen. Und so will das Buch den jungen Physiker für die Beschäftigung mit chemischen Problemen gewinnen, indem es ihm gewissermaßen im Vorbeigehen zeigt, daß die Chemie viele Probleme kennt, die auch für den Physiker interessant sein können. Ungünstige Zeitumstände, der Tod des Herausgebers der Büchreihe und die zweimalige vollständige Vernichtung des fertigen Buchsatzes als Folge der Kriegsereignisse haben das Erscheinen des schon vor Jahren fertiggestellten Buchps lange Zeit verhindert. Ich habe dem Verlage W. de Gruyter & Co. dafür zu danken, daß er siqh nicht entmutigen Heß, immer wieder von neuem das Herausbringen des Buches zu versuchen. Mit Dankbarkeit gedenke ich des verstorbenen Herausgebers der Buchreihe „Arbeitsmethoden der modernen Naturwissenschaften", Herrn Prof. Dr. A.Thiel, auf dessen Anregung ich dieses Buch schrieb und der mich in meinen Bestrebungen, die Studierenden der Chemie für die Beschäftigung mit Mathematik zu gewinnen, in jeder Weise unterstützt hat. Herrn Dr. J . Reich danke ich für das Lesen einer Korrektur. Den größten Dank schulde ich meiner heben Frau, die mit nie ermüdendem Eifer mir bei der Niederschrift des Manuskriptes behilflich gewesen ist, unter den ungünstigsten Umständen mit mir zusammen sämtliche Korrekturen gelesen und mich in stilistischen Fragen bestens beraten hat. Marburg, im März 1946. E. Asmus

VIII

VORWORT ZUR 3. AUFLAGE Seit dem Erscheinen der 1. Auflage ist eine Anzahl von Jahren vergangen. Wie nicht anders zu erwarten war, fanden die Kritiker des Buches, je nachdem, ob es sich um Praktiker oder Theoretiker, Chemiker oder Mathematiker handelte, entweder Worte des Lobes und der Anerkennung oder auch in Einzelfällen Ausdrücke der Ablehnung. Da man nicht alle Wünsche und Meinungen berücksichtigen kann und ich auch meine Ansichten über didaktische Fragen nicht geändert habe, hielt ich es für richtig, an der ursprünglichen Fassung des Buches festzuhalten. So gilt auch für die 3. Auflage das im Vorwort zur 1. Auflage Gesagte. Bis auf einige Verbesserungen und Ergänzungen hat sich am Inhalt und grundsätzlichen Aufbau des dargebotenen Stoffes nichts geändert. B e r l i n , den 5. 10. 1958

E. Asmus

IX

INHALT Seite

I.Teil. Funktionen einer Veränderlichen

1

1. Abschnitt. Differentialrechnung 1. K a p i t e l . stellung

1

Allgemeines über F u n k t i o n e n und i h r e D a r -

1. Der Funktionsbegriff 2. Darstellung von Funktionen 2. K a p i t e l . Die w i c h t i g s t e n F u n k t i o n s t y p e n

21

A. Potenzfunktionen 3. Die Konstante 4. Die Proportionalität 5. Die lineare Funktion 6. Die Parabeln y = xn 7. Der Begriff des Differentialqotienten 8. Einige Differentiationsregeln 9. Daa Differential 10. Umkehrfunktionen und Umkehrregel 11. Die Funktionen vom Typus y = ^

3 3 5 21 21 24 28 33 34 42 47 60

. . . . . . .

12. Die Kettenregel 13. Extremwert- und Wendepunktsbestimmung 14. Graphische Differentiation

.

. . . .

56 64 71 90

B . Die 15. 16. 17.

Logarithmusfunktion 92 Darstellung u. Differentiation der Logarithmusfunktion 92 Logarithmische Papiere 98 Der logarithmische Rechenschieber 108

C. Die 18. 19. 20.

Exponentialfunktion Darstellung u. Differentiation der Exponentialfunktion Produkt- und Quotientenregel Die negative Exponentialfunktion

118 118 123 128

Inhalt Seite

139 147 156

21. Die Funktion y = e * 22. Die Funktionen y = e~x' und y = x*e~xt 23. Die Hyperbelfunktionen

D. Die Kreisfunktionen . . . 160 24. Darstellung und Differentiation der Kreisfunktionen 160 25. Zyklometrische Funktionen als Umkehrung der Kreisfunktionen 165 3. Kapitel. N ä h e r u n g s v e r f a h r e n zur Auflösung von Gleichungen 167 26. Das Newtonsohe Näherungsverfahren 171 27. Das Iterationsverfahren 175 4. Kapitel. Reihendarstellung von F u n k t i o n e n . . . 179 28. Der Begriff der Potenzreihe 180 29. Die Mac Laurin-Reihe 184 30. Die Taylor-Reihe 186 31. Konvergenz und Divergenz von Reihen 188 32. Das Rechnen mit Reihen 189 33. Die binomische Reihe und das Rechnen mit kleinen Größen 193 5. Kapitel. U n b e s t i m m t e Ausdrücke 34. Begriff des unbestimmten Ausdrucks 35. Auswertung unbestimmter Ausdrücke

199 199 202

2. Abschnitt. Integralrechnung

209

1. Kapitel. Allgemeines über Differentialgleichungen und den I n t e g r a l b e g r i f f 36. Etwas über Differentialgleichungen 37. Das unbestimmte Integral 38. Das bestimmte Integral und sein Zusammenhang mit dem unbestimmten 2. Kapitel. I n t e g r a t i o n s m e t h o d e n 39. Grundintegrale 40. Die Substitutionsmethode 41. Partielle Integration 42. Integration durch Partialbruchzerlegung 43. Näherungsweise Auswertung von Integralen

211 211 217 223

239 239 254 266 275 . . . .281

Inhalt 3. K a p i t e l . G r a p h i s c h e , n u m e r i s c h e u n d m e c h a n i s c h e Integralauswertung 44. Mechanische Methoden zur Auswertung bestimmter Integrale 46. Numerische Näherungsmethoden zur Auswertung bestimmter Integrale 46. Ermittelung der Stammfunktion durch mechanische und numerische Methoden 47. Ermittelung der Stammfunktion durch graphische Integration II. Teil. F u n k t i o n e n zweier Veränderlichen 1. K a p i t e l . D a r s t e l l u n g von F u n k t i o n e n zweier Veränderlichen 48. Analytische und tabellarische Darstellung 49. Geometrische Darstellung im räumlichen rechtwinkligen Koordinatensystem 60. Darstellung durch eine Netztafel 61. Darstellung durch eine Fluchtlinientafel

XI Seite

287 289 293 300 304 309 311 311 315 321 326

2. K a p i t e l . D i f f e r e n t i a t i o n 62. Partielle Differentiation und das totale Differential 63. Höhere partielle Differentialquotienten 64. Ermittelung von Extremwerten 66. Ausgleichsrechnung nach der Methode der kleinsten Quadrate

341 341 353 356 359

3. K a p i t e l . I n t e g r a t i o n 66. Das vollständige und das unvollständige Differential 67. Integration eines vollständigen Differentials . . . . 58. Integration eines unvollständigen Differentials . .

365 365 370 376

A n h a n g : Aufgaben Lösungen

385 391

Namen- und Sachregister

401

I. T E I L

FUNKTIONEN EINER VERÄNDERLICHEN 1. A B S C H N I T T

DIFFERENTIALRECHNUNG

A s m us, Einführung in die höhere Mathematik. 3. Aufl.

1

1. K A P I T E L

Allgemeines über Funktionen und ihre Darstellung

1. Der F u n k t i o n s b e g r i f f Bei seiner Arbeit findet der Naturwissenschaftler immer wieder, d a ß gewisse von ihm beobachtete Größen mit anderen zwangsläufig zusammenhängen. Untersucht er z. B. die Dichte des Wassers, so wird er feststellen, daß sie von der Temperatur abhängt. Ändert der Experimentierende die Temperatur des Wassers willkürlich ab, so wird sich auch dessen Dichte als Folge davon ändern. Nicht immer ist es so. Vergeblich wird man z. B. nach einem Zusammenhang zwischen der Dichte des Wassers und der Luftfeuchtigkeit des Raumes, in dem die Versuche angestellt werden, suchen. Raumfeuchtigkeit und Dichte des Wassers sind miteinander nicht durch irgendeine Beziehung verknüpft. Hängen nun zwei Größen nach irgendeinem Gesetz voneinander ab, so sagt man, es bestehe zwischen beiden ein funktioneller Zusammenhang oder auch, daß die eine Größe eine Funktion der anderen sei. In symbolischer Weise deutet man die Abhängigkeit der einen Größe von der anderen durch das Zeichen y = f(x) (gelesen: y ist eine Funktion von x) an, wobei y die eine Größe, etwa die Dichte des Wassers, x die andere, also z. B. seine Temperatur, und /( ) die Beziehung zwischen beiden andeuten sollen. Durch dieses Symbol ist selbstverständlich noch nichts Quantitatives über diese Beziehung ausgesagt, es ist nur qualitativ angedeutet, daß überhaupt eine Beziehung besteht. Die Aufgabe des Naturwissenschaftlers ist es, dieses abstrakte und nichtssagende Symbol durch eine konkrete mathematische, in Zahlen auswertbare Gleichung zu ersetzen. Während der Mathematiker mit Vorliebe seine beiden Verä n d e r l i c h e n oder V a r i a b l e n , so nennt man die beiden Größen y 1*

4

I. Teil.

Funktionen einer Veränderlichen

und x, gern mit den letzten Buchstaben des Alphabets bezeichnet, tut es der Naturwissenschaftler in der Regel nicht; er pflegt gewöhnlich als abkürzende Bezeichnung seiner Größen die ersten Buchstaben ihres deutschen, lateinischen oder griechischen Namens zu verwenden oder einen Buchstaben, der sich durch historische Überlieferung eingebürgert hat. Die Beziehung zwischen Dichte und Temperatur würde er vielleicht als d = f(t) oder, wie es nach der Empfehlung des A E F . (Ausschuß für Einheiten und Forme]großen) heute meistens geschifht, f l s Q = f(t) schreiben. Einzelne Buchstaben werden nun in den verschiedenen Gebieten der Chemie und Physik immer wieder für dieselben Größen verwendet, und es ist erforderlich, sich diese Bezeichnungen zu merken. Die Größen y und x nennt man, wie bereits erwähnt, die Veränderlichen oder Variablen und spricht von x als der unabhängigen und y als der abhängigen Variablen. Diese Bezeichnung kann leicht zu Irrtümern Anlaß geben insofern, als man vermuten könnte, beide Größen ständen zueinander im Verhältnis von Ursache (x) und Wirkung (y). Wohl ist bei unserem Beispiel die Dichteänderung des Wassers die Folge der Temperaturänderung; verfolgen wir jedoch die Dichte q einerseits und die Zähigkeit rj des Wassers andererseits, so finden wir, daß auch zwischen diesen ein funktioneller Zusammenhang besteht, rj = F(Q). Wir schreiben F, weil der Zusammenhang zwischen rj und p ein anderer ist als zwischen Q und t. Dieses Symbol bedeutet, daß mit einer Dichteänderung eine Zähigkeitsänderung verbunden ist. Das kommt aber nur daher, daß sowohl die Dichte als auch die Zähigkeit von der Temperatur abhängen. Wird also die Temperatur des Wassers geändert, so ändern sich rj und Q einzeln für sich nach bestimmten Gesetzen, und es besteht daher, gekoppelt über die gemeinsame Ursache, eine mathematische Beziehung zwischen der rj- und g-Änderung. So ist es auch müßig, zu fragen, ob in diesem Falle rj oder Q die unabhängige Variable sei. Hängt rj von Q ab, so wird auch umgekehrt Q von rj abhängen. Ob die eine oder die andere Veränderliche als abhängig bezeichnet wird, hängt lediglich von der Schreib- oder Darstellungsweise des funktionellen Zusammenhanges ab. Hängt eine Größe von einer einzigen anderen ab, so spricht man von der Funktion e i n e r unabhängigen Veränderlichen.

2. Darstellung von Funktionen

5

Es ist aber auch durchaus möglich, ja, sogar die Regel, daß eine Größe von mehreren anderen gleichzeitig abhängt. So ist z. B. das Volumen eines Gases von drei Größen abhängig: der Temperatur — das Volumen nimmt mit wachsender Temperatur zu —, dem Druck — es nimmt ab bei wachsendem Druck —, und der Molzahl —, mit der zusammen es wächst. Man sagt in einem solchen Fall, das Volumen sei eine Punktion dreier unabhängigen Veränderlichen. Mit dieser Art von Funktionen werden wir un3 erst im zweiten Teil des Buches befassen. 2. D a r s t e l l u n g von F u n k t i o n e n Es wurde bereits hervorgehoben, daß es u. a. das Ziel einer chemischen oder physikalischen Arbeit ist, den quantitativen zahlenmäßigen Zusammenhang zweier Größen zu ermitteln. Die Mathematik gibt uns nun die Hilfsmittel, diesen Zusammenhang in entsprechender Weise darzustellen und aus ihm Schlußfolgerungen verschiedener Art zu ziehen. Welche Darstellungsarten stehen uns für eine Funktion zur Verfügung ? Tabellarische Darstellung Eine der einfachsten Darstellungsarten ist die t a b e l l a r i s c h e . In Tab. 1 werden so z. B. Dichte und Temperatur des Wassers in ihrer Abhängigkeit dargestellt. Außer Tabelle 1 der Angabe der Zahlenwerte muß in der t Tabelle bei der Darstellung von Größen, Q g/ml °c die eine Dimension besitzen (benannte Zahlen), diese enthalten sein. In unse0,99987 0,00 1,00 0,99993 rem Beispiel sind die Temperatur2,00 0,99997 angaben in Celsiusgraden gemacht, die 3,00 0,99999 Dichteeinheit ist das Gramm im Milli4,00 1,00000 liter. 5,00 0,99999 6,00 0,99997 Die Darstellung einer Funktion durch 7,00 0,99993 eine Tabelle ist äußerst unübersicht8,00 0,99988 lich. Es ist nicht möglich, durch einen 9,00 0,99981 Blick auf diese die speziellen Eigen10,00 0,99973

6

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Schäften der Funktion zu erkennen. Wenn es sich aber um eine empirische Funktion handelt, also eine solche, deren Eigenschaften durch naturwissenschaftliche Versuche erst erforscht werden sollen, so wird in fast allen Fällen die Tabelle der Beobachtungswerte Ausgangspunkt aller weiteren mathematischen Überlegungen sein. Die Tabelle enthält nur eine begrenzte Zahl von Wertepaaren. Das bedeutet jedoch z. B. nicht, daß das Wasser nur bei 0°, 1°, 2° usw. eine Dichte besitzt, sondern, daß bei dem durch die Tabelle dargestellten Versuch nur für diese Temperaturen die Dichte bestimmt oder ausgerechnet wurde. Auch für alle Zwischentemperaturen besitzt das Wasser eine meßbare Dichte. Ein solches Verhalten zeigen jedoch nicht alle Funktionen. Graphische Darstellung Das rechtwinklige. Koordinatensystem. Wesentlich übersichtlicher als eine Tabelle ist die g r a p h i s c h e Darstellung einer Funktion. Am gebräuchlichsten ist dabei die y Darstellung durch eine P Kurve in einem K o o r d i J I i n a t e n s y s t e m , und von £ diesen ist wiederum ein J rechtwinkliges oder ¿artesisches Koordi1 _ • —4 ) 'X -Ii ' J natensystem das weitaus übliche. M i7 Zwei senkrecht zueinander gezeichnete Ge-J raden, die sogenannten Fig. 1. Rechtwinkliges Koordinatensystem Koordinatenachsen, teilen die Zeichenebene in die vier Q u a d r a n t e n I, II, I I I und IV. Von ihrem Schnittpunkt, dem Koordinatenursprung O aus, werden auf den Achsen, der waagerechten A b s z i s s e n a c h s e und der senkrechten O r d i n a t e n achse, Teilungen angebracht, wie es die Fig. 1 zeigt. Ein Punkt P wird in seiner Lage in einem rechtwinkligen Koordinatensystem durch Angabe seiner Abszisse (^-Koordinate)

2. Darstellung von Funktionen

7

und seiner Ordinate (y-Koordinate) bestimmt. So hat der gezeichnete Punkt die Koordinaten x = 4 und y = 3. Der Punkt P repräsentiert damit ein Wertepaar. Liegt nun eine Funktion als Tabelle vor, so läßt sich diese Funktion durch eine Kurve derart darstellen, daß man die in der Tabelle zusammengehörenden Wertepaare durch Punkte in einem Koordinatensystem darstellt und dann diese Einzelpunkte durch eine glatte Tabelle 2

Kurve verbindet. So geschah es in Fig. 2 für die in Tab. 2dargestellteFunktion „Sättigungsdampfdruck FiS- 2- Sättigungsdampfdruck des Wassers , iTT • i n .. • als Funktion der Temperatur des Wassers in Abhangigkeit von der Temperatur". Wenn man die einzelnen Punkte, wie gezeichnet, miteinander verbindet, so drückt man damit stillschweigend aus, man n ä h m e a n , daß zwischen den gezeichneten (bei einem Versuch beobachteten) Punkten der Kurvenverlauf wirklich der dargestellte sei. Zu dieser Annahme muß man natürlich berechtigt sein. So zeigt Fig. 3 den Verlauf der Strahlungsintensität als Funktion der Wellenlänge bei einer mit 35 kV betriebenen Röntgenröhre mit Molybdän-Antikathode. Hätte man nur die durch kleine Kreise gekennzeichneten Intensitätswerte gemessen, so würde man wahrscheinlich unbedenklich den gestrichelt gezeichneten Kurven-

8

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

verlauf als richtig annehmen und damit ein vollkommen falsches Bild von der Intensitätsverteilung im Spektrum erhalten. Eine gezeichnete Kurve läßt mit einem Blick alle wesentlichen Eigenschaften der dargestellten Punktion im gezeichneten Gebiete erkennen. Man sieht sofort, daß der Dampfdruck des Wassers mit steigender Temperatur ebenfalls wächst, und zwar beschleunigt. Zur Darstellung einer Funktion durch eine Kurve im rechtwinkligen Koordinatensystem verwendet man aus Bequemdas sogenanna l i c h k e i t s g r ü n d e n te Millimeterpapier, ein Blatt Papier, das mit einem Netz von quadratischen, 1 mm 2 6 g r o ß e n Maschen bedruckt ist, wobei jede fünfte Linie durch etwas stärkeren, jede zehnte durch fetten Druck hervorgehoben ist. Man erkennt das Netz in der Fig. 2. Die Wahl des Maßstabes auf den Koordinatenachsen ist be\ liebig. Man wählt ihn so, daß °o,3 o,s • 0,7 o,9 X der ganze darzustellende Funkp. tionsbereich auf einem Blatt bestimmten Formates gerade Platz hat. Aus Zweckmäßigkeitsgründen wird man dabei die Einheitslänge, also die Strecke, die die Einheit (1 Grad, 1 Torr usw.) darstellt, nicht gerade 7,3 mm (oder sonst irgendeine unbequeme Zahl), sondern 10, 20, 50 oder 100 mm lang wählen. Die in Fig. 2 dargestellte Funktion p = /( = f(t) dienen. Würden wir hier gleiche Maßstäbe verwenden und würden wir auf der Abszisse 1 Grad durch eine Strecke von 1 cm darstellen, so müßten wir entsprechend auf der Ordinatenachse für lg/ml die Strecke 1 cm wählen. In diesem Falle würde man aber die Kurve gar nicht in ihren Einzelheiten zeichnen können, da die Dichtewerte sich im dargestellten Bereich nur höchstens um drei Stellen der vierten Dezimalen

ändern, was einer Längenänderung der Ordinaten von 0,003 mm entspricht. Daher wird man den Maßstab von vornherein so festlegen, daß er auf der Ordinatenachse um ein Vielfaches größer ist als auf der Abszissenachse. Wir machen ihn 20000mal größer; die Dichte 1 g/ml soll also durch die Strecke von 200000 mm = 200 m dargestellt werden. Da nun aber die ganze Dichteänderung sich doch nur in einem kleinen Bereich abspielt, wäre es unsinnig, eine 200 m lange Ordinatenachse zu zeichnen; wir lassen daher bei der Zeichnung alle Werte unterhalb q — 0,99970 g/ml fort und stellen unsere Funktion so dar, wie es Fig. 4 zeigt. Die Darstellung einer Funktion durch eine Kurve hat gegenüber der tabellarischen den Vorteil, daß man an der Zeichnung, soweit es natürlich die Zeichengenauigkeit zuläßt, jedes beliebige Werte-

10

I . Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Fig. 5 Registrierstreifen mit gekrümmten Ordinaten

Fig. 6.

Darstellung einer Funktion durch die Trennlinie zweier Felder

2. Darstellung von Funktionen

11

paar ablesen kann, was bei der Tabelle, die für diskrete Werte aufgestellt ist, nur durch ein Sonderverfahren (die Interpolation) möglich ist. Diesen in der Kontinuität der Aufzeichnung hegenden Vorteil macht man sich zunutze bei der Aufzeichnung von Funktionen durch automatisch arbeitende Geräte. Vor allem in der Großindustrie gibt es solche Apparate, die bestimmte Wertepaare Belbsttätig messen und auf einem Registrierstreifen mechanisch oder photographisch in Kurvenform festhalten. Fig. 5 zeigt einen Ausschnitt aus einem solchen Registrierstreifen, bei dem die Temperatur von Ammoniakwasser in Abhängigkeit von der Zeit dargestellt ist, wobei als eine Besonderheit hervorgehoben werden muß, daß das Koordinatensystem nicht rechtwinklig ist. Die Ordinatenachse ist, bedingt durch die Konstruktion des Meßgerätes, keine Gerade, sondern ein Teil eines Kreisbogens. Bei automatisch registrierenden Apparaten braucht die Funktion nicht unbedingt durch eine gezeichnete Kurve dargestellt zu werden. Bei dem Gasdichteschreiber, einem Gerät für die technische Gasanalyse, wird der zu registrierende Wert als senkrechter Strich auf dem auf einer Trommel befestigten Registrierstreifen aufgezeichnet. Nach kurzer Zeit dreht sich die Trommel ein wenig und nun wird neben dem ersten Strich ein zweiter gezogen, dessen Länge ein Maß für die Dichte des untersuchten Gases zu diesem Zeitpunkt ist. So reiht sich Strich an Strich und schließlich überdecken diese fortlaufend einen Teil der Papierfläche. Nimmt man nach 24 Stunden den Registrierstreifen ab, so hat er das in Fig. 6 teilweise dargestellte Aussehen. Hier wird also die untersuchte Funktion durch die Trennlinie des schwarzen und weißen Teilfeldes wiedergegeben. In einem Koordinatensystem können auch gleichzeitig mehrere Kurven dargestellt werden, z. B. dann, wenn zwei Größen von einer dritten abhängen. So kann man Dichte und Zähigkeit des Wassers als Funktion der Temperatur darstellen, wie es Fig. 7 zeigt. Die Ordinatenachse muß in einem solchen Falle natürlich eine doppelte Teilung aufweisen. Diese Darstellungsart wird dann gewählt, wenn es sich darum handelt, festzustellen, ob die beiden zu untersuchenden Größen gewisse Parallelerscheinungen in ihrem Gang aufweisen. Lediglich aus Raumersparnis sollte man nie

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

12

mehrere Kurven in dasselbe Achsenkreuz einzeichnen, da sonst die Übersichtlichkeit stark leidet. Einen anderen Fall, bei dem ebenfalls mehrere Kurven in einem Koordinatensystem eingezeichnet sind, zeigt Fig. 8. Die Kurven stellen die Löslichkeit von Na2[Sn(OH)6] (nach R e i f f ) in Wasser und Natronlauge verschiedener Konzentration als Funktion der Temperatur dar. Durch eine solche Kurvenschar wird einerseits

1,0000

0?9900,9980 0,9970j-, 0

T

M

/S

20

25 °C

Fig. 7. Dichte und Zähigkeit des Wassers als Funktion der Temperatur

gezeigt, wie sich die Löslichkeit mit der Temperatur ändert, andererseits aber auch, wie sie mit wachsender Konzentration der Natronlauge abnimmt. Jede Kurve gilt für einen bestimmten Prozentgehalt p der Natronlauge. Man nennt eine solche Größe, die für alle Punkte einer Kurve konstant ist, jedoch von Kurve zu Kurve sich ändert, den P a r a m e t e r der Kurvenschar. Unstetige und mehrdeutige Funktionen. Die im vorstehenden besprochenen Funktionen waren s t e t i g e Funktionen. Sie konnten durch eine Kurve dargestellt wefden, die in einem Zuge, ohne Absetzen des Bleistiftes zeichenbar war. Es bedarf aber wohl kaum

2. Darstellung von Funktionen

13

eines besonderen Hinweises darauf, daß diese Eigenschaft nicht das strenge mathematische Kriterium der Stetigkeit ist. Der Naturwissenschaftler hat es in der Regel mit stetigen Funktionen zu tun. Tritt bei ihm in einer Kurve eine Unstetigkeit auf, so bedeutet das stets, daß bei dem untersuchten Körper etwas los/ichkeif vonNa2[Sn(0ffL] srfi S00

•S%NaOH m / f a O H mNaOH 25%NaOH -30% Na OH 0

1 0

To

720 °C *

Fig. 8. Graphische Darstellung einer Kurvenschar

Besonderes geschehen ist. Als Beispiel sei die unstetig verlaufende Kurve für die spezifische Wärme der Verbindung A g 2 [ H g J J angeführt (Fig. 9). Bei 50,7° C tritt eine Umwandlung der gelben Modifikation des Salzes in die rote ein, und dieser Prozeß macht sich durch einen Sprung in der Kurve bemerkbar. Wir hatten bis jetzt stillschweigend angenommen, daß jedem Wert der unabhängigen Variablen nur ein einziger Wert der abhängigen Veränderlichen entspricht, daß wir es also mit sogenannten e i n d e u t i g e n Funktionen zu tun haben. Die reine Mathematik kennt eine große Zahl von m e h r d e u t i g e n Funktionen,

14

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

also solchen, bei denen zu einem «-Wert gleichzeitig mehrere y-Werte gehören. In der Praxis der Chemie und Physik treten

der spezifischen Wärme von Ag 2 [HgJ 4 ]

Fig. 10. Bild einer mehrdeutigen Funktion. Mischbarkeit von Anilin und Wasser als Funktion der Temperatur

mehrdeutige Funktionen im allgemeinen nicht auf. Bei Funktionen, die mehrdeutig aussehen, wird sich die Mehrdeutigkeit vielfach durch eine andere Auffassung der Funktion beheben lassen. Fig. 10 zeigt einen solchen Fall.

2. Darstellung von Funktionen

15

Mischt man Wasser und Anilin, so läßt sich bei 80° C eine homogene Mischung so lange herstellen, bis der Anteil des Anilins 5,5% nicht überschreitet. Nimmt man mehr Anilin, so ist eine einzige homogene Phase nicht zu erzielen, es sei denn, daß der Anteil des Anilins 93,5% überschreitet. Mischungen, die noch mehr Anilin ¿ös/ic/) keif von C1/SO4 -5ff2 0

10t) °c lösiichkeit von CuSO«-5/^0 mmtmsom g/roog/fio 1

I

70

I

20

1

I 1 ' l'l .l ' 1

30

50

60

• i • ' h ' W 70

80

90

*

tOO °C

Fig. 11. Entstehung einer Funktionsleiter

enthalten, sind wieder homogen. Es gibt also beim System H20-C6H5NH2 eine untere und eine obere Grenze der homogenen Mischbarkeit. Diese Grenzen verschieben sich nun mit der Temperatur. Bei 167° C, der sogenannten kritischen Lösungstemperatur, hat die gezeichnete Kurve ihren weitest nach rechts gelegenen Punkt. Die Mehrdeutigkeit dieser Funktion verschwindet, wenn wir sie aus zwei Ästen zusammengesetzt denken. Der

16

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

obere Ast kann aufgefaßt werden als Löslichkeitskurve für Wasser in Anilin, der untere als Löslichkeitskurve von Anilin in Wasser. Beide Teilkurven treffen sich im kritischen Punkt und gehen mit stetiger Krümmung ineinander über. Die Funktionsleiter. Eine besondere Art der graphischen Darstellung einer Funktion, die sich aus der Darstellung in rechtwinkligen Koordinaten herleiten läßt, ist die sogenannte Funkt i o n s l e i t e r . Begriff und Handhabung der Funktionsleiter lassen sich am einfachsten an einem Beispiel erklären. Die Löslichkeit von kristallisiertem Kupfersulfat, CuS0 4 • 5H 2 0, in Wasser nimmt stark mit wachsender Temperatur zu, so wie es Fig. 11 zeigt. Unterhalb der Abszissenachse ist auf einer parallelen Geraden die Teilung der Abszissenachse noch einmal aufgetragen. Überträgt man nun die Teilung der Ordinatenachse in der dargestellten Weise über die Kurve auf diese Gerade, so erhält man zwei nebeneinander liegende Skalen die gemeinsam eine Darstellung der Funktion sind. Auf dieser Doppelskala, der Funktionsleiter, stehen sich jeweils zwei zu einem Wertepaar gehörende Zahlen gegenüber. So liest man z. B. ab, daß bei 55° C die Löslichkeit des Kupfersulfats 73 g Salz in 100 g Wasser beträgt. Während die eine Skala (t- Skala) gleichmäßig geteilt ist, ist die andere nach größeren Werten hin mehr zusammengedrängt als am Anfang. Solchen ungleichmäßigen Teilungen werden wir später noch bei der Besprechung von Spezialpapieren begegnen. Das Polarkoordinatensystem. Das rechtwinklige Koordinatensystem ist das wichtigste und gebräuchlichste, aber nicht das einzig verwendete. Chemiker und Experimentalphysiker werden in der Regel auf die Anwendung anderer Systeme verzichten können, daher wollen wir sie auch nicht besprechen. Nur auf ein etwas häufiger gebrauchtes wollen wir kurz hinweisen, das Polarkoordinatensystem. Es wird fast ausschließlich zur Darstellung von Größen verwendet, die Funktionen eines Winkels sind. Das Polarkoordinatennetz besteht aus konzentrischen Kreisen, deren Radien von Kreis zu Kreis um den gleichen Betrag zunehmen, und aus Strahlen, die vom Zentrum ausgehen und so die Kreise senkrecht schneiden. Fig. 12 zeigt ein Blatt Polarkoordinaten-

2. Darstellung von Funktionen

17

papier. Die Winkelteilung ist bei dem abgebildeten Blatt von zwei zu zwei Grad eingerichtet, die Zehnergrade sind durch fettgedruckte Strahlen hervorgehoben. Bei den Kreisen, deren größter

Fig. 12. Darstellung der Streuintensität von Elektronenstrahlen als Funktion des Streuwinkels in Polarkoordinaten

einen Radius von 150 mm besitzt, ist jeder fünfte etwas, jeder zehnte stark durch fetten Druck markiert. Die Winkelskala liegt fest, die Radialsklala muß der jeweils darzustellenden Größe angepaßt werden. Die Winkelzählung beginnt wie üblich von der Waagerechten (der P o l a r a c h s e ) aus und schreitet im matheA s m u s , Einführung in dl« höhere Mathematik. 3. Aufl.

2

18

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

matisch positiven Sinne, also entgegen der Uhrzeigerdrehung, fort. Die Teilung der Radialsklala beginnt im Mittelpunkt. Die Skalenwerte nehmen von innen nach außen zu. DieVerwendung von Polarkoordinatenpapier sei an einem Beispiel erläutert.

Fig. 13. Darstellung der Streuintensität von Elektronenstrahlen als Funktion des Streuwinkels in rechtwinkligen Koordinaten

D a v i s s o n und G e r m e r stellten 1927 Versuche zum Beweise der Wellennatur des Elektrons an und ließen zu diesem Zweck Elektronen auf Nickeleinkristalle fallen, wobei sie dann die Streuintensität der Elektronen als Funktion des Streuwinkels maßen. Stellt man diese Funktion in rechtwinkligen Koordinaten dar, so erhält man Fig. 13. Viel anschaulicher ist jedoch die Darstellung derselben Funktion in Polarkoordinaten (Fig. 12). Die Darstellung ist ohne weitere Erklärungen zu verstehen. Jeder Punkt ist in seiner Lage durch den Schnitt eines Kreises mit einem Radius gegeben. Analytische Darstellung Die a n a l y t i s c h e Darstellung einer Funktion durch eine Gleichung ist die präziseste und knappste, wenn auch nicht die übersichtlichste. Man unterscheidet e x p l i z i t e und i m p l i z i t e Funktionen, die man symbolisch als y — f(x) bzw. f(x, y) = 0 darstellt. Mit dem Zeichen y = f(x) drückt man aus, daß eine Beziehung zwischen x

2. Darstellung' von Funktionen

19

und y besteht und daß speziell diese Beziehung durch eine Gleichung so gegeben ist, daß auf der linken Seite vom Gleichheitszeichen nur die abhängige Variable selbst, rechts rom Gleichheitszeichen dagegen ein ganzer mathematischer Ausdruck steht, eine Rechenvorschrift, die sich auf die unabhängige Veränderliche bezieht. Mit f(x, y) = 0 ist irgendein mathematischer Ausdruck, der die beiden Veränderlichen und etwaige unveränderliche Größen (Konstanten) enthält, gemeint, der für jedes x und y den Wert Null haben soll. Der Siedepunkt des Schwefels ts hängt vom Druck ab, bei dem das Sieden erfolgt, nach der Gleichung ts = 444,60 + 0,0909 ( p - 7 6 0 ) - 0,000048 ( p - 760)2, wenn t, in Celsiusgraden und p in Torr gezählt werden. Setzt man bei dieser e x p l i z i t e n Funktion für p Werte ein, so läßt sich zu jedem p ein t, ausrechnen, auf diese Weise eine Tabelle aufstellen und nach der Tabelle eine Kurve, die die Funktion darstellt, zeichnen. Als typisches Beispiel einer i m p l i z i t e n Funktion sei die v a n der Waalssche Zustandsgieichung für C0 2 bei einer absoluten Temperatur von 273° angeführt. Sie lautet (p +

( V - 0,04275) = 22,4,

wenn p den Druck in Atmosphären und V das Molvolumen in Litern bedeuten. Um die Übereinstimmung mit dem Symbol f(x, y) = 0 zu erhalten, kann man die Gleichung auch (p + h J ? ) ( y - 0,04275) - 22,4 = 0 schreiben, was aber selbstverständlich belanglos ist. Bei einer solchen impliziten Funktion kann die tabellarische und graphische Darstellung e,rst erfolgen, wenn man die Gleichung nach der einen Veränderlichen aufgelöst hat, also in die Form P

— 22,4 ~ V— 0,04275

3,609 V

gebracht hat. Wollte man die Gleichung nach V auflösen, so würde das große Schwierigkeiten machen, weil es sich dann um die Bestimmung 2*

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

20

der Wurzeln folgender Gleichung dritten Grades handeln würde: F» - (o 04275 + ^ \

'

V I

F* + ^

V

V-

°' 0 4 2 7 5 ' 3 , 6 0 9 = 0 V

I n vielen Fällen ist eine implizite Funktion gar nicht explizit darstellbar, so daß eine tabellarische Darstellung nicht möglich ist. Die expliziten Funktionen sind demnach für den Naturwissenschaftler die weitaus wichtigeren und auch angenehmeren. Leider sind die impliziten nicht ganz zu umgehen, da man auf diese Funktionsart gelegentlich durch theoretische Überlegungen geführt wird. Die analytische Darstellung einer Funktion ist nicht anschaulich, und es wird meistens das Bestreben des Praktikers sein, von der analytischen zur graphischen Darstellung überzugehen. Das kann auf dem Umweg über die tabellarische Darstellung geschehen. Dieser Umweg läßt sich, vor allem, wenn es sich um eine qualitative Darstellung des Funktionsverlaufes handelt, vermeiden. Voraussetzung dafür ist, daß man die Eigenschaften einer gewissen Gruppe elementarer Funktionen kennt und diese Kenntnisse in geeigneter Weise auszunutzen versteht. Die Übersetzung der Gleichung in das Kurvenbild unter Umgehung der Tabelle muß natürlich geübt werden, was nicht im Rahmen dieses Buches geschehen kann. An passender Stelle soll jedoch kurz auf die diesbezüglichen Methoden hingewiesen werden.

2. K A P I T E L

Die wichtigsten Funktionstypen

A. Potenzfunktionen 3. Die K o n s t a n t e Die einfachste Funktion, die es gibt, ist die Konstante. Sie wird analytisch durch die Gleichung y = a gegeben. Da x in der Gleichung nicht vorkommt, hat y für jeden beliebigen Wert von x denselben Wert a. Die Funktion wird durch eine Parallele zur »-Achse im Abstände a dargestellt (Fig. 14). Diese Gerade besitzt weder Anfang noch Ende, sie ist unbegrenzt. Schon an dieser Eigenschaft erkennt man, daß y = a nur eine mathematische Abstraktion ohne einen physikalischen Sinn ist. Wohl kennt der Naturwissenschaftler Funktionen, die er als Konstanten bezeichnet, er sagt z. B., die Fig. 14. elektromotorische Kraft E eines AkBild einer Konstanten kumulators sei konstant und betrage 2 Volt, oder die Temperatur # in einem Thermostaten sei konstant gleich 25° C. Im mathematischen Sinne handelt es sich aber nicht um Konstanten, denn der Akku war ja nicht seit aller Ewigkeit geladen, und er behält auch seine Spannung nicht unbegrenzt lange Zeit. Auch der Thermostat mußte einmal angeheizt werden und wird zu gegebener Zeit wieder außer Betrieb gesetzt. Der tatsächliche Verlauf der letzteren Zeitkurve sieht vielleicht so aus (Fig. 15).

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

22

Der Thermostat, der mit kaltem Wasser gefüllt ist, hat vielleicht zunächst eine Temperatur von 10° C, wird dann auf 25° aufgeheizt, hält diese Temperatur konstant, um nach dem Abschalten wieder abzukühlen. Und wenn wir sagen, •& sei konstant, so meinen wir damit, daß die wahre, ausgezogen gezeichnete Funktion während der uns interessierenden Zeitdauer, die in Fig. 15 durch zwei Pfeile angegeben ist, durch ein Stück der mathematischen Konstanten ersetzt werden kann. Während dieser Zeit haben wir irgendeinen Versuch angestellt; welche Temperatur der Thermostat vorher und nachher besessen hat, ist für uns ohne Interesse. So ist es bei den Naturwissenschaftertfast immer. °C Man interessiert sich meist nur für einen speziellen 20 Ast oder einen Teil der mathematischen Kurve, weil nur dieser Teil eine 10 physikalische oder chemische Bedeutung hat. Wir Q J. 2 3 V 5 St(/. w e r f l e n solchen Beispielen

\

Fig. 15. Temperatur in einem Thermostaten als Funktion der Zeit

später noch begegnen. »i i. • -j. A b e r noc h e l n , l ^eiterer TT l

Unterschied besteht zwischen der Ausdrucksweise eines Mathematikers und eines experimentell arbeitenden Chemikers oder Physikers. Folgendes Beispiel möge das erläutern. Ein Thermostat, der über Stunden oder Tage die Temperatur konstant halten soll, besitzt nie eine wirklich unveränderliche Temperatur. Infolge seiner Konstruktion schwankt vielmehr seine Temperatur in einem engen Bereich von vielleicht einigen tausendstein Grad periodisch um den eingestellten Temperaturwert, so wie es Fig. 16 anschaulich zeigt. Diese Schwankungen können beobachtet werden, wenn man zur Temperaturmessung ein B e c k mann-Thermometer mit einer in tausendstel Grad geteilten Skala verwendet. Nimmt man jedoch nur ein die Zehntelgrade anzeigendes Thermometer, so wird man von den Schwankungen nichts bemerken und den konstanten Temperaturwert 25,0° C messen.

3. Die Konstante

23

Während also der Mathematiker nur die Fälle „konstant" oder „nicht konstant" kennt, ist für den Naturwissenschaftler noch der Zusatz „innerhalb der Meßgenauigkeit" von Bedeutung. Für den Praktiker, der mit einem Zehntelgradthermometer arbeitet, ist eben die Temperatur im Thermostaten (innerhalb seiner Meßgenauigkeit) konstant, auch wenn der Mathematiker hier anderer Meinung ist. Daher ist es für den Praktiker auch nicht dasselbe, ob z. B. als Ergebnis einer Temperaturmessung der Wert 25,00° oder 25° an-

°C 25,01 25,00 2VJ99

0

/

2

3

m/n

Fig. 16. Schwankungen der Temperatur in einem Thermostaten

gegeben wird. Abstrakt mathematisch gesehen, sind beide Zahlenwerte zwar gleich, für den Praktiker bedeuten sie aber etwas total Verschiedenes. Die Zahlenangabe 25,00° sagt im Gegensatz zu 25° aus, daß die Zehntel- und Hundertstelgrade gemessen wurden und daß die Abweichungen vom angegebenen Wert nur in der letztangeschriebenen Dezimalen liegen können. Bei der zweiten Angabo wird also durch die Schreibweise angedeutet, daß bei der Temperaturmessung nur die ganzen Grade berücksichtigt worden sind. Hat man es mit größeren Zahlen zu tun, so wählt man gern die Zehnerpotenzschreiljweise, wenn man beim Anschreiben einer Zahl auch ihre Genauigkeit zum Ausdruck bringen will. So bedeutet 2,78 • 10® im Gegensatz zu 278000, daß die angegebenen Tausender nicht mehr ganz sicher sind, während man bei 278000 nur an der Richtigkeit der letzten Ziffer, der Einer, zweifeln darf.

24

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

4. Die P r o p o r t i o n a l i t ä t Begriff und Darstellung Läßt man linear polarisiertes, gelbes Natriumlicht bei 20° C durch eine 10 cm lange Schicht einer Rohrzuckerlösung von tief Konzentration c g/cm3 hindurchtreten, so wird die Polarisationsebene um den Winkel (1) « d = 66,5 c gedreht. Eine Funktion dieses Typus, in allgemeiner Schreibweise y=

ax,

bei der eine Verdoppelung von x zu einer Verdoppelung von y, eine Verdreifachung von x zu einer Verdreifachung von y usw. führt, nennt man eine P r o p o r t i o n a l i t ä t . In unseFig. 17. Graphische Darstellung rem Beispiele ist proporder Proportionalität tional c, aber umgekehrt ist auch c proportional denn nach c aufgelöst, lautet die Gleichung: (2)

c = 0,0150 •

So kann man durch die Messung von die Konzentration der Zuckerlösung ermitteln (Saccharimetrie). Die Funktion y = a x wird graphisch durch eine Gerade durch den Koordinatenursprung dargestellt. Ist a gleich 1, also y = x, so verläuft die Gerade bei gleichen Maßstäben auf der x- und «/-Achse unter einem Winkel von 45° zur positiven Richtung der x-Achse. Ein Faktor a vergrößert jede Ordinate oder verkleinert sie, je nachdem, ob a größer oder kleiner als 1 ist. Dadurch wird der Verlauf der Geraden steiler oder flacher. Ist a negativ, so verläuft die Gerade im zweiten und vierten Quadranten, so wie es Fig. 17 zeigt.

4. Die Proportionalität

25

Man erkennt leicht, daß a = — = ts 0

Ax)" — x" Ax

Nach dem binomischen Lehrsatz, der aus der Elementarmathematik für ganze positive Zahlen n bekannt sein dürfte (vgl. S. 194), formen wir (x -(- Ax) n um und erhalten Xn + I L dJ x=

•Ax +

Hm

>(Ax)*

Ax

AX-+0

(»Ii

+

1

(Ax)"-x»

Ax

Die Summanden xn heben sich fort u n d nach Division durch Ax folgt -f- = lim M Z»-1 +M

dx

Ax-* o

xn~2

.Ax+(*\

xn~3.

(Alf

+ ...

Geht man nun zur Grenze über, so verschwinden alle Glieder außer dem ersten und man erhält dy = n x" dx dx" -1 = n a;" dx

Eine Funktion des Typus y = x" wird also differenziert, indem man den Exponenten als Faktor vor die um eine Einheit erniedrigte Potenz von x setzt. Dieses Ergebnis stimmt auch mit unserer

44

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Rechnung an der Parabel überein. Wir erhielten da für y = x2 p. = 2 s2-1 =

dx

2x.

Die für ganze positive Zahlen n abgeleitete Differentiation? regel gilt auch, wie wir später noch zeigen wollen, für gebrochene oder negative Exponenten. Ableitung einer Funktion mit konstantem Faktor Nun könnten wir unsere Aufgabe über die Molwärme schon lösen, wenn U = aTl nicht noch den konstanten Faktor a enthielte. Dieser verursacht aber beim Differenzieren keine weiteren Schwierigkeiten, wie sich leicht zeigen läßt. Ist y = a • f(x), wobei f(x) irgendeine Funktion von x ist, so ist dy dx

=

j.m

a-f(x

+ Ax) — a • f{x) _ Ax

Ax-+ o

a

f(x + Ax) — f(x) Ax

Ax-+o

Da a ein konstanter Faktor ist, bezieht sich der Grenzübergangsprozeß nicht auf ihn, wir können ihn vor das Limeszeichen ziehen und erhalten d V „ j- = ahm ax jx-*0

f(x + Ax) — f(x) , — = a •f ¿ix dx

(x),

dx

Steht also vor einer Funktion ein konstanter Zahlenfaktor, so wird dieser beim Differenzieren einfach vor die differenzierte Funktion gesetzt. In unserem Beispiel der Molwärme ergibt sich daher U = aT* . Cv = ^

= a • 4» T4-1 = 4 a • T3 .

Es ergibt sich nach dieser Regel auch z. B. die Geschwindigkeit des frei fallenden Körpers aus s = J g i 2

8. Einige Differentiationsregeln

45

ganz so, wie wir es durch die spezielle Untersuchung des Grenzüberganges gefunden hatten. Kehren wir nochmals zu einer rein geometrischen Betrachtung zurück! Die Ableitung oder der Differentialquotient stellte den Verlauf der Tangentenneigung als Funktion der unabhängigen Veränderlichen dar. Für die Funktionen y= a

und

y = bx

sind die Differentialquotienten nach unserer Differentiationsregel leicht zu erniitteln, denn es ist y = a = a- \=

a- ofi,

da jede Zahl hoch Null den Wert Eins hat. Es muß in diesen Fällen also sein p. = a . 0 • «"- 1 und ^ = b . 1 • x1-1 = 6 -1 • x®, dx dx dx ' dx y = a bedeutet eine Parallele zur x-Achse; wir finden nach unserer Differentiationsregel jetzt, daß sie ein Neigung Null besitzt, wie sofort an der graphischen Darstellung (Fig. 14) abzulesen ist. y = b x war die Gleichung einer geraden Linie durch den Koordinatenursprung ; es ergibt sich, daß sie eine konstante Steigung vom Betrage b besitzt, ein Ergebnis, das uns schon bekannt ist. Differentiation einer Summe von Funktionen Die Länge l eines bei 0° C gerade 1 m langen Stabes aus Quarzglas ist zwischen 0° und 500° nach Messungen von S c h e e l von der Temperatur abhängig nach der Gleichung l = 1 + 3,95 • 10- 7 t + 1,282 • 10-» dy (in unserem Beispiel).

9. Das Differential

49

Es ist aber immer möglich, den Punkt P1 so nahe an P zu wählen, daß sich Ay und dy nur noch sehr wenig, ja sogar beliebig wenig, voneinander unte: „neiden. Diese Feststellung können wir zu einer Anwendung der Differentialrechnung auf die Frage der Fortpflanzung von experimentellen Fehlern, bei der Berechnung von Größen, die aus Versuchen abgeleitet sind, benutzen. Etwas über Fehlerfortpflanzung Wir hatten bereits gesehen, daß C6HsCOOH sich beim Schütteln mit C8H6 und H 2 0 auf beide Phasen so verteilt, daß die Konzentration der Säure im Benzol cB mit der Konzentration im Wasser cw bei 10° C nach der Gleichung cB = 70,6 cw zusammenhängt. Stellen wir cw durch Titration fest, so können wir cB ausrechnen. Die Titration möge 0,1 Mol/Liter (M/1) für cw ergeben haben, jedoch mit einer Unsicherheit von 1%. Der absolute Fehler von cw ist also Acw = 0,001 M/1. Wie wirkt sich dieser experimentelle Fehler bei der Berechnung von cB aus ? AcB = 70,6 [(cw + AcwY - cfr] = 70,6 [2 cw . Acw +

(Acwf]

= 70,6 [2 • 0,1 • 0,001 - f 0,001 ] = 70,6 [0,0002 + 0,000001] 2

ACB = 0,01419 M/1. Dies ist der streng berechnete Fehler AcB. Rechnen wir statt dessen dcB aus, so ist dcB = 70,6-2 -cw- dcw = 7 0 , 6 - 2 - c w - A c w = 7 0 , 6 - 2 . 0,1-0,001, dcB = 0,01412 M/1. Wie vorauszusehen war, ergibt sich dcB kleiner als AcB, aber da die Fehler relativ kleine Größen sind, ist der Unterschied von ACB und dcB nur sehr gering, ja er ist vollständig bedeutungslos, denn in unserem Falle war die Messung überhaupt nur bis in die dritte Dezimale sicher, und bis in die dritte Dezimale stimmen die nach beiden Methoden berechneten Fehler mit 0,014M/1 überein. A s m u s , Einführung In die höhere Mathematik. 3. Aufl.

4

50

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Man kann sich also bei der Untersuchung der Fortpflanzung eines Fehlers in guter Näherung der Differentialrechnung bedienen. Ist allgemein 6 n y =

ax

Ax

und wird X mit einem gewissen relativen Fehler — gemessen, so pflanzt sich dieser Fehler bei der Berechnung von y so fort, daß er n-mal größer wird. Deün es ist = dy — = y

anx"-1,

anxn~l

dy =

a n xn~x

, a »xB_1, dx = — ax

y

und damit mit hinreichender

dx

dx . =

dx Ax n — = n — x x

Genauigkeit Ay

Ax

~y

x

10. Umkehrfunktionen und Umkehrregel Umkehrfunktion Die Äquivalentleitfahigkeit A der wässerigen Lösung eines Elektrolyten ist eine Funktion der molaren Konzentration c. Im Gebiete sehr hoher Verdünnung ist bei starken Elektrolyten nach Untersuchungen von Kohlrausch A

— Aoo

— b

.

Aoo, die sogenannte Äquivalentleitfahigkeit bei unendlicher Verdünnung, und b sind konstante Größen. Wir wollen diese Funktion graphisch darstellen und außerdem ermitteln, wie stark die Änderung der Äquivalentleitfahigkeit mit der Konzentration ist, also mit anderen Worten, den Differentialquotienten ^ finden. Der allgemeine Typus der angeschriebenen Gleichung ist y =

a — b • Y x .

Die graphische Darstellung dieser Funktion soll nun besprochen werden.

51

13. Umkehrfunktionen und Umkehrregel

y = x 2 wurde graphisch durch die in Fig. 35 gezeichnete Parabel dargestellt. Nach x aufgelöst, lautet diese Gleichung * = ± j/7Diese Schreibweise bedeutet eine Vertauschung der Begriffe: „abhängige" und „unabhängige" Variable. Da es üblich ist, die abhängige Veränderliche mit y, die unabhängige hingegen mit x zu bezeichnen, ersetzen wir in der obigen Gleichung den Buchstaben x durch y und umgekehrt, worauf wir

V=±fi erhalten. Die Vertauschung der Buchstaben x und y entspricht einer Umbenennung der Koordinatenachsen in Fig. 35 (in Klammern hinzugefügt) und man erhält die graphische Darstellung der Funktion y = ± wenn man das neue Koordinatensystem in Fig. 35 so umklappt, daß in üblicher Weise die y- Achse nach oben, die a;-Achse nach rechts zeigt. So ergibt sich die in Fig. 35 dargestellte, nach rechts geöffnete Parabel. Man erhält sie in einfacher Weise aus der Parabel y = x- durch Spiegelung derselben an der Geraden A B, die unter 45° durch den KoUmkehrfunktionen ordinatenursprung gezogen ist. Eine Funktion, die aus einer anderen durch Vertauschung der Veränderlichen entsteht, nennt man die Umkehrfunktion (inverse Funktion) der ursprünglichen. 3

So ist auch z. B. y = j/ x die Umkehrfunktion von y = xz und kann bei Kenntnis des Kurvenverlaufs der letzteren Funk4*

52

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

tion sofort durch Anwendung der Spiegelungsregel gezeichnet werden. Die Kurve y = ± b • j/a; unterscheidet sich von y = ± j / i nur dadurch, daß jede Ordinate mit dem Faktor b zu multiplizieren ist. Die nach rechts geöffnete Parabel wird breiter oder schmäler, je nachdem b größer oder kleiner als 1 ist. y = a — b y x bedeutet, daß zu jeder Ordinate der Parabel die konstante Strecke a hinzugezählt werden soll, wodurch die Parabel um das Stück a nach oben verschoben wird. Das negative Zeichen vor dem Wurzelglied sagt schließlich aus, daß nur der untere, in Fig. 36 ausgezogen gezeichnete, Ast der Parabel betrachtet werden soll. Durch eine solche Kurve wird auch die Gleichung A = Aa — 6 • j/c dargestellt. Die Kurve mündet bei Aoo in die Ordinatenachse. Allerdings gilt nicht der ganze untere Fig. 36. Graphische Darstellung Parabelast — es müßte sonst bei des Gesetzes von Kohlrausch höheren Konzentrationen die Leitfähigkeit negativ werden, was natürlich unmöglich ist —, sondern nur ein Stück der Kurve in der Nähe der Ordinatenachse hat physikalische Bedeutung. Umkehrregel Um den Differentialquotienten der Funktion y = a — b • J/ x zu ermitteln, erinnern wir uns der Darstellung einer Wurzel als gebrochene Potenz. Danach erhalten wir y = a — b • x& . Wir hatten auf S. 44 erwähnt, daß die Differentiationsregel einer Potenzfunktion auch für gebrochene Exponenten gilt. Unter Anwendung dieser Regel erhalten wir d 1 1 1 v « i i u 1

10. Umkehrfunktionen und Umkehrregel

53

Wir hatten aber noch nicht bewiesen, daß die benutzte Differentiationsregel auch für gebrochene Exponenten gilt. Daher wollen wir das erhaltene Resultat durch ein anderes Rechenverfahren bestätigen und dabei eine neue Differentiationsregel, die sogenannte U m k e h r r e g e l , kennenlernen. Es sei in Fig. 37 wiederum die Parabel y = x2 gezeichnet. In einem Punkte P mit den Koordinaten x und y sei an die Parabel die Tangente gezogen, die mit der positiven Richtung der x-Achse den Winkel «, mit der positiven Richtung der «/-Achse den Winkel ß bildet. Unter der Ableitung von y nach x versteht man den tg « und bezeichnet ihn als ^ . Betrachtet man nun x als die abhängige, y als die unabhängige Veränderliche, so bedeutet das eine Drehung des Koordinatensystems in die ebenfalls in Fig. 37 dargestellte Lage. Die Tangente PA bildet mit der positiven Richtung der y- Achse den Winkel ß und man muß jetzt tgß als Fig. 37. Erläuterung zur dx Umkehrregel bezeichnen (beim Differentialquotienten steht ja über dem Bruchstrich das Differential der abhängigen Veränderlichen!). Nun liest man an der Figur im Dreieck A OB ab, daß « und /? sich gegenseitig zu 90° ergänzen. Also ist 1 tg a = tg (90» - ß) = ctg ß = ^ oder

dy dx

1 dx dy

Diese Regel, die in der Bruchschreibweise der Differentialquotienten fast trivial aussieht, nennt man die U m k e h r r e g e l . Wir wollen sie benutzen, um y = |/a: zu differenzieren.

54

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Aus erhält man

y = )J X 2

y —x

x = y2

oder

Durch diese Schreibweise haben wir die Bedeutung der Variablen vertauscht. Jetzt differenzieren wir nach y. x = y2, dx -¡- = 2n y9 . dy

Durch Anwendung der Umkehrregel folgt hieraus dy = J_ = dx

**

2y'

Nun ist die gesuchte Ableitung aber noch als Funktion von y geschrieben. Wir ersetzen y durch j/a; und erhalten das gewünschte Resultat dx

Unter Anwendung der für gebrochene Exponenten noch nicht bewiesenen Differentiationsregel für Potenzfunktionen erhalten wir ebenfalls _ y = l/x =

^ = 2. dx 2

x%,

=

J _ 2 /äT'

Damit ist auch erwiesen, daß unser Differentiationsergebnis in Gl. (8) zu Recht besteht. Wenden wir es auf unser ursprüngliches Problem, die Änderung der Äquivalentleitfahigkeit bei Änderung der Konzentration an, so erhalten wir g ~ _ 2j/c ' Die Neigung unserer Leitfahigkeitskurve ist stets negativ, die Kurve fällt dauernd. Sie wird immer steiler, je mehr wir uns der Ordinatenachse nähern, und läuft in diese (c -»• 0) senkrecht ein, weil dann ^ über jeden angebbaren Betrag hinauswächst. Man sagt, ^ geht nach Unendlich

->- ooj .

11. Die Funktionen vom Typus y = —

11. Die Funktionen vom Typus y =

55



Umgekehrte Proportionalität Neben der linearen Funktion und ihrem Spezialfall der Proportionalität spielt in Chemie und Physik eine besondere Rolle auch die sogenannte u m g e k e h r t e P r o p o r t i o n a l i t ä t . Diese Funktion ist dadurch gekennzeichnet, daß die eine Veränderliche sich im selben Maße verkleinert, wie die andere vergrößert wird; das Produkt beider behält dabei stets denselben Wert. Ein Beispiel hierfür ist das bekannte B o y l e - M a r i o t t e - Gesetz für ideale Gase: p v = p0v0 — k , welches aussagt, daß das Produkt aus dem Druck p und dem Volumen v eines idealen Gases bei gleichbleibender Temperatur konstant gleich k ist. Aus der impliziten Form ergibt sich die explizite als . p= — = V V p0 und v0 ist ein irgendwie herausgegriffenes, zueinander gehörendes Wertepaar. Die umgekehrte Proportionalität trifft man sehr häufig an. Einige weitere Gesetze, die durch den gleichen Funktionstyp beschrieben werden, sind z. B. das in der Photochemie wichtige Gesetz von B u n s e n und Roscoe, welches besagt, daß zur Erzielung des gleichen photochemischen Effektes das Produkt aus der Intensität J der wirksamen Strahlung und der Belichtungsdauer t konstant sein muß J • i = const. Auch das in der Magnetochemie wichtige Gesetz von Curie gehört hierher. Bringt man einen paramagnetischen Stoff, z. B. Sauerstoff, in ein Magnetfeld, so erhält er ein magnetisches Moment. Dasjenige Moment, welches ein Mol des Stoffes, wenn dieser in ein Feld von der Stärke eines örsted gebracht wird, annimmt, nennt man die Molsuszeptibilität ^Moi- Diese Größe ist nach Curie der absoluten Temperatur T umgekehrt proportional, also y G X Mol. * TQ Mol — 7p — 7p~ •

56

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

C bedeutet dabei eine Konstante, das unveränderliche Produkt aus xxoi und T. Wendet man das Massenwirkungsgesetz von G u l d b e r g und W a a g e auf wässerige Lösungen von Laugen oder Säuren an, so findet man für die Konzentrationen der Wasserstoffionen [H'] und Hydroxylionen [OH'] wieder die gleiche mathematische Form. I n jeder wässerigen Lösimg ist [H'] • [OH'] = h w . k w bedeutet dabei wiederum eine für gleichbleibende Temperatur konstante Größe. Sie beträgt 10- 14 Mol 2 /Liter 2 für 25° C. Wie sieht nun die Kurve aus, die diesen Funktionstypus graphisch darstellt ? In allgemeiner Form geschrieben, handelt es sich im Prinzip um die Funktion (9)

„ = 1.

wenn wir die Konstante der Einfachheit halber Fig. 38. Gleichseitige Hyperbel, die die gleich Eins wählen. Sie Koordinatenachsen zu Asymptoten hat wird dargestellt durch die in Fig. 38 wiedergegebene gleichseitige Hyperbel. Aus der Tatsache, daß in Gl. (9) x und y vertauscht werden können, ohne daß sich der Typus der Gleichung ändert, erkennt man, daß eine Spiegelung der Kurve an der Geraden unter 45° durch den Koordinatenursprung wieder sie selbst ergibt. Die Kurve muß also zu dieser Geraden symmetrisch liegen. Für sehr große x-Werte wird y sehr klein, und die Kurve nähert sich asymptotisch der x-Achse. An der Stelle x=0 ist die Kurve unstetig. Sie geht hier, wie man sagt, nach Unendlich (y -* oo für x -» 0). Eine solche Stelle nennt man U n e n d l i c h k e i t s s t e l l e oder Pol. Bei Annäherung an eine solche Stelle wachsen die y-Werte über jeden angebbaren Betrag hinaus.

11. Die Funktionen vom Typus y = ^

57

Wie verläuft die Steigung dieser Kurve ? Zu ihrer Ermittelung wollen wir die Punktion 2/ = ~ differenzieren. Wir tun das nach der Regel über die Differentiation einer Potenzfunktion unter der Voraussetzung, daß sie auch für negative Exponenten gilt, denn y = -i- kann auch als y = x~x geschrieben werden. Es ist dann y = x-x , d

JL~ - 11 Xrr-l-l - - Xr-2 - -

dx~

~

~

-

x»*

Da wir die Regel für negative Exponenten noch nicht bewiesen haben, wollen wir zur Kontrolle des Ergebnisses den Differentialquotienten auch durch Grenzübergang ermitteln. Hierbei finden wir 1 y = x y +Ay

=

1 x +

Ax' Ax

a

x + Ax

x

Wir bringen die beiden Brüche auf den gemeinsamen Nenner ,

x — x — Ax " ~~ (x -f Ax) x

Ax ~~~ ~ (x + Ax)x "

Der Differenzenquotient ist dann Ay= 1 Ax

{x + Ax) x '

und durch Übergang zur Grenze erhalten wir 1 i i m ^ = lim (x +Ax) x

das bereits gefundene Resultat. Wir haben also die Differentiationsregel für y = xn auch bei negativen Exponenten anwenden dürfen.

58

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Nach diesem Ergebnis muß die Kurve y = — stets fallen. Ihre Neigung ist dauernd negativ, da x2 eine positive Zahl ist. Ein Blick auf die Kurve bestätigt diesen Befund. I n der Nähe von x = 0 ist die Steigimg sehr groß und •wird immer geringer, je weiter man sich von der y-Achse entfernt.

an Mol/t

\6eb/etder \sauren

270

Reaktion

Neufra/pi/nkt

170

,-7

A

/ V

Gebiet

der

^^^ca/ischen

Reaktion

, HO

-7

tOt/7

270Mo//i

Fig. 39. Gegenseitige Abhängigkeit der H - und OH'-Ionenkonzentration bei wässerigen Lösungen

Einen physikalischen Sinn besitzt nur der im ersten Quadranten gelegene Zweig der Hyperbel, da es weder negative Volumina noch negative absolute Temperaturen, noch negative Konzentrationen gibt. Im speziellen Fall des auf wässerige Lösungen angewandten MassenWirkungsgesetzes haben die einzelnen Teile der Hyperbel eine besondere Bedeutung. Die Hyperbel (Fig. 39) P 1 J = [OH7]

sieht qualitativ genau so aus wie y = -i-, nur hat der Schnittpunkt der Hyperbel mit der unter 45° verlaufenden Geraden durch den Koordinatenursprung nicht die Koordinaten x = j / l = 1 und

11. Die ifanktionen vom Typus y = i

59

y = J / T = 1, sondern [H'] = [OH7] = y k ^ . Dieser Punkt auf der Hyperbel, bei dem also die Konzentration der H'-Ionen und der OH'-Ionen gleich ist, repräsentiert die Neutralreaktion. Punkte auf dem oberen Halbzweig, für die [H'] > [OH'], ist, repräsentieren die sauer reagierenden Lösungen, die Punkte auf dem unteren Halbzweig ([H'J < [OH']) die alkalisch reagierenden. Feststellung des Funktionstypus experimentell ermittelter Funktionen Von allen möglichen Kurven ist eine besonders ausgezeichnet ; es ist die gerade Linie. Sie hat in jedem ihrer Punkte dieselbe Steigung und teilt diese Eigenschaft mit keiner anderen Kurve. Daher ist man auch ohne weiteres in der Lage, auf den ersten Blick, eventuell unter Zuhilfenahme eines Lineals, die Gerade von allen anderen Kurven zu unterscheiden. Hat man bei einem Versuch eine Reihe von Wertepaaren gemessen, so läßt sich durch Einzeichnung der Meßpunkte in ein rechtwinkliges Koordinatensystem sofort entscheiden, ob die gemessene Funktion linear ist oder nicht. Läßt sich durch die gemessenen Punkte aber nur eine gekrümmte Kurve hindurchlegen, so gibt es wohl kaum jemand, der auf den ersten Blick entscheiden könnte, ob das gezeichnete gekrümmte Kurvenstück zu einer Parabel, Hyperbel, Exponentialfunktion oder irgendeiner anderen Funktion gehört. Da es aber von großem Wert ist, zu wissen, mit welcher Art von Funktion man es bei den durchgeführten Versuchen zu tun hatte, ist es notwendig, nach einem Verfahren zu suchen, das eindeutig und bequem den fraglichen Funktionstypus festlegt. Zu diesem Zwecke muß man versuchen, aus den Meßwerten neue Wertepaare so zu errechnen, daß diese als Koordinaten von Punkten einer Geraden erscheinen. Zwei Beispiele mögen das erläutern. Druck und Volumen eines idealen Gases sind einander umgekehrt proportional. Nimmt man 100 Liter Stickstoff und untersucht das Volumen bei variiertem Druck, so findet man die in Spalte 1 und 2 der Tabelle 4 wiedergegebenen, von A m a g a t gemessenen Werte.

60

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Tabelle 4 V Atm

Liter

pv Liter • Atm

1,0 27,3 46,5 62,0 73,0 80,6 91,0 109,2 123,4 168,8 208,6 251,1 290,9

100,0 3,622 2,225 1,590 1,352 1,226 1,088 0,909 0,810 0,608 0,505 0,432 0,386

100,0 98,9 98,8 98,6 98,7 98,8 98,9 99,4 100,0 102,6 105,2 108,2 112,2

V

1 V

Liter - 1 0,010 0,276 0,449 0,628 0,739 0,816 0,920 1,101 1,235 1,645 1,980 2,316 2,590

Trägt man diese Werte in einem p, «-Koordinatensystem auf, so erhält man die in Fig. 40 dargestellte Kurve. Sie t a t das Aussehen einer Hyperbel, ist zumindest von einer Hyperbel nicht auf den ersten Blick zu unterscheiden. Es gilt aber für Stickstoff gar nicht r das ideale Gasgesetz und Wer so ist die dargestellte Kur«fi ve auch keine Hyperbel. 3,5 Dies läßt sich sofort dadurch zeigen, daß man 10 nicht die Werte v, sondern # 2P V W

-i- gegen p aufträgt. Wäre die dargestellte Kurve eine Hyperbel, so müßte p = P»vo

=

1

•100

0.5 0 Fig. 40.

700 200 300 Atm. Abhängigkeit des Volumens vom s e i n > a l s o P ^ ^ ProPor" Druck beim Stickstoff tional d e m reziproken Vo-

11. Die Funktionen vom Typus y = ^

gl

lumen. -i- gegen p aufgetragen, müßte eine gerade Linie durch den Koordinatenursprung ergeben. An der Fig. 41 erkennt man, daß dies nicht der Fall ist; die eingezeichnete Kurve weicht deutlich von der durch die beiden äußersten Punkte gelegten Geraden ab.

Fig. 41. Beweis für die Tatsache, daß N 2 kein ideales Gas ist

Noch augenscheinlicher wird die Ungültigkeit des Gesetzes p v — const für Stickstoff, wenn man, was ebenfalls in Fig. 41 geschehen ist, das Produkt aus p und v gegen p aufträgt. Wäre der Zusammenhang zwischen p und v hyperbolisch, so müßte p v stets denselben Wert ergeben, also pv — f(p) durch eine Parallele zur p-Achse darzustellen sein. Man erkennt deutlich, d a ß die eingezeichnete Kurve keine Parallele zur p-Achse ist. Die para magnetische Suszeptibilität von 0 2 gehorcht in einem weiten Temperaturbereich dem Gesetz von Curie. Es ist also X-T=

Xu,'

24

9 •

62 wenn

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

die bei T = 249° K gemessene Suszeptibilität bedeutet.

Trägt man ^ ^ gegen T in einem Koordinatensystem auf, so muß sich bei Gültigkeit des C u r i e - Gesetzes eine Gerade Xva __ X

249

. m

ergeben. Fig. 42 zeigt, daß die Werte ^ ,

die experimentell er-

mittelten Daten entnommen sind, tatsächlich auf einer Geraden liegen, wodurch die Gültigkeit des i.o Curie-Gesetzes erwiesen ist.

X

o.s Die Funktionen v = ^

— für n > 1 X»

O.S

Die umgekehrte Proportionalität ist zwar die einfachste Potenzfunktion mit negativem Exponenten, jeOM doch darf sich die Kenntnis solcher Funktionen beim Naturwissenschaftler nicht allein auf diesen Spezialfall 0.Z (Exponent = — 1) beschränken. Auch höhere als die erste Potenz treM uoT ten häufig genug bei physikochemiso 720 w ^ . , sehen Problemen auf. So ist z. B. die Fig. 42. Beweis der Gültigkeit , des Gesetzes von Curie bei O. abstoßende K r a f t K — —— zweier er*

gleichsinnig geladenen einwertigen Ionen, die die Ladung c tragen und sich in einem Medium mit der Dielektrizitätskonstante e im großen Abstände r voneinander befinden, umgekehrt proportional dem Quadrate dieses Abstandes. Auch das zwischen zwei Kernen einer Molekel geltende Anziehungs- bzw. Abstoßungspotentialgesetz fällt in diese Funktionengruppe. Diese Potentiale sind umgekehrt proportional rp, wobei r den Abstand der Kerns und p eine gewisse Zahl, die gleich oder größer als 1 ist, bedeuten. So hat z. B. bei den Hydriden im Abstoßungspotentialgesetz p den Wert 3 bis 4, bei den Oxyden hingegen 6 bis 9. Bei der letzteren Gruppe von chemischen Ver-

11. Die Funktionen vom Typus y = —

63

bindungen ist der Exponent, der beim Anziehungsgesetz auftritt, 3 bis 4. Auch Druck und Volumen eines idealen Gases brauchen nicht immer nach dem Gesetz von Boyle und M a r i o t t e zusammenzuhängen. Wird eine Gaskompression oder Dilatation nicht isotherm (also bei konstanter Temperatur), sondern adiabatisch (bei vollkommenem Wärmeabschluß) durchgeführt, so gilt für die funktionelle Abhängigkeit des Druckes vom Volumen die Adiabatengleichung p v = const, oder auch const v

wobei x das Verhältnis der Molwärmen bedeutet. C

1 ten Quadranten. Ganz ähnlich, wie es bei den Parabeln (S. 34) war, schmiegen sich auch hier die Kurven mit wachsendem Exponenten einer gewissen Grenzfigur immer besser an.

64

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Naturwissenschaftliche Bedeutung besitzen in der Regel nur die Äste im ersten Quadranten. 12. Die Kettenregel Ableitung und Anwendung der Kettenregel Die organische Chemie kennt eine Reihe von festen Stoffen, wie z. B. Tribiphenylmethyl ^ ^X^ C oder Di-p-anisylstickstoffoxyd ^ C t L O ^ X

^>j2NO, die Radikalcharakter besitzen. Man kann diesen u. A. durch magnetische Messungen feststellen. Die Temperaturabhängigkeit der Suszeptibilität der oben genannten Stoffe folgt einer Gleichung der allgemeinen Form _

C

X Q' wobei 0 und C Konstanten sind (Gesetz von Curie und Weiß). Für das Tribiphenylmethyl lautet die Gleichung z. B. X

_

C

~ T + 18 " Wie sieht diese Funktion graphisch dargestellt aus ? Es ist ganz offensichtlich eine gleichseitige Hyperbel, die Q gegenüber der Hyperbel % = y um die Strecke T = 18 nach links verschoben ist (Fig. 44). Wir wollen nun den Temperaturkoeffizienten der Suszeptibilität berechnen, d. h. bei dieser Kurve die Steigimg ermitteln. Das ist unter Zuhilfenahme der bisher kennengelernten DifferentiationsFig. 44. Graphische Darstellung des Gesetzes von Curie-Weiß

12. Die Kettenregel

65

regeln nicht möglich. Wir müssen daher eine neue Regel besprechen, die wohl als wichtigste Differentiationsregel bezeichnet werden kann. Man nennt sie die K e t t e n r e g e l . Q

Die Gleichung % =

hätten wir ohne weiteres differen-

T

zieren können, wenn der Nenner lediglich die Größe T enthalten hätte; dann wäre ^dT = — T% . Da uns das zweite Glied stört, setzen wir T +18 = z

und führen damit unsere Gleichung in die Form C

* = T

über.

Jetzt können wir einen Differentialquotienten bilden, nämlich (x) = z,

f{F[(x))]}.

30 3i «0 M 6.0

Ii

"i

75 8.0 SP 10

!

'S

E>] .£>. H7Q Xob/e i 'i" i i m SO 'i*l fr 20 2S 30 I i W 60 70 80 90103

Fig. 68. Graphische Darstellung von Potenzfunktionen auf doppelt logarithmischem Papier

Die Konstanten A, B und C liest man als Ordinatenwerte für den Abszissenwert 1 ab. Z. B. findet man den Wert A zu 0,22, womit die erste Gleichung die Form annimmt.

[J]C|He = 0,22.[J]^ ohIe

16. Logarithmische Papiere

105

Man erkennt an der Figur leicht, daß die direkte Proportionalität im Potenzpapier durch eine unter 45° ansteigende Gerade dargestellt wird; die umgekehrte Proportionalität ergibt entsprechend eine unter 45° fallende Gerade. Eine besondere Art der Potenzpapiere sind die sogenannten t h e r m o d y n a m i s c h e n Potenzpapiere, die zur Darstellung von Temperaturfunktionen vom Typus y = A • TB dienen. Da es in der Praxis oft vorkommt, daß die absoluten Temperaturen nur in einem kleinen Bereich variieren, etwa von T — 273° bis T = 500°, würde bei Verwendung eines Potenzpapieres mit gleicher Einheitslänge auf beiden Achsen nur ein sehr schmaler Streifen zur Zeichnung der Geraden benötigt. Um der Beobachtungsgenauigkeit' besser Rechnung zu tragen und das Papier vollständiger ausnützen zu können, verwendet man bei den thermodynamischen Potenzpapieren auf den Achsen logarithmische Teilungen mit verschiedenen Einheitslängen, wobei die Teilung auf der T-Achse nur zwischen 193° und 353° oder zwischen 353° und 653°, oder schließlich bei einer dritten Sorte von 193° bis 653° K läuft. Die Konstante B ist jetzt nicht einfach zahlenmäßig gleich dem Tangens des Neigungswinkels der Geraden, sondern sie ist als B = t g a > ^ gegeben, wenn lT und ly die Längen der logarithmischen Einheit auf der T- bzw. y-Achse bedeuten. Fig. 69 zeigt zur Erläuterung des eben Gesagten die graphische Darstellung des Strahlungsgesetzes von S t e f a n und B o l t z m a n n . Nach diesem Gesetz ist bekanntlich die von der Flächeneinheit eines schwarzen Körpers bei der absoluten Temperatur T in der Zeiteinheit nach einer Seite ausgestrahlte Gesamtenergie (25) 8 — er Tl =--- 5,7 • 10- 12 • T* Watt/cm 2 Im gewöhnlichen Potenzpapier würde Gl. (25) durch eine Gerade mit der Steigung 4: 1 dargestellt, hier jedoch durch eine solche mit der Steigung 1 : 1 , da die Längen der logarithmischen Einheiten auf der T- und Ä-Achse sich wie 4 : 1 verhalten (im Originalblatt 1000 mm zu 250 mm). Das für die Zeichnimg verwendete thermodynamische Potenzpapier hat übrigens noch die Besonderheit, daß außer den absoluten Temperaturen, nach deren Logarithmen die Teilung der Temperaturachse berechnet ist (rechte

106

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Fig. 69. Darstellung des Gesetzes von S t e f a n und B o l t z m a n n auf thermodynamischem Papier

Blattseite), eine Teilung in Celsiusgraden (linke Blattseite) angegeben ist. Da man bei Versuchen in der Regel Celsiusgrade abliest, ist die letztgenannte Teilung aus Zweckmäßigkeitsgründen dadurch besonders hervorgehoben, daß sie sich über das ganze Blatt erstreckt.

16. Logarithmische Papiere

107

Besondere Anwendungen der logarithmischen Papiere Wegen der Eigenschaft der logarithmischen Teilungen, mit konstanter Genauigkeit ablesbar zu sein (S. 99), wird man log-

Fig. 70. Kupfergehalt elektrolytisch abgeschiedenen Messings als Funktion der Stromdichte

arithmische oder Potenzpapiere auch dann anwenden, wenn man die Ergebnisse von Meßreihen graphisch darstellen will, bei denen die Zahlenwerte über mehrere Zehnerpotenzen gehen, aber stets überall gleiche Genauigkeit aufweisen. Fig. 70 und Fig. 71 erläutern zwei solche Fälle. Aus cyankalischer Lösung lassen sich Kupfer und Zink gleich-

108

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

zeitig als Messing elektrolytisch abscheiden. Die Zusammensetzung des Hessings hängt jedoch von der Stromdichte ab. Fig. 70 gibt den Kupfer-Prozentgehalt des abgeschiedenen Messings als Funktion der Stromdichte in logarithmischer Darstellung wieder. Würde man hier die Abszissenachse gleichmäßig und nicht logarithmiseh teilen, so würden die Werte auf der einen Seite der Skala sehr stark zusammengedrängt und die Ablesegenauigkeit an der Kurve würde der Versuchsgenauigkeit, die bei sämtlichen Stromdichten die gleiche ist, nicht Rechnung tragen. Fig. 71 zeigt graphisch das Ergebnis eines Versuches, bei dem ein Kristall bei höheren Temperaturen in einen Raum, der mit Bromdampf gefüllt ist, gebracht wurde. Das Brom löst sich im festen KBr-Kristall um so besser, je höher die TemFig. 71. Löslichkeit von Brom in Bromperatur ist, und zwar prokalium bei verschiedenen Temperaturen portional dem Druck des nach Versuchen von Moll wo Br 2 -Dampfes oder, was dasselbe ist, proportional der Zahl der Br2-Molekeln im Dampfraum. Diese Proportionalität wird im Potenzpapier durch eine Schar von Geraden, die unter 45° gegen die Abszissenachse geneigt sind, dargestellt. Auch im gewöhnlichen Millimeterpapier würden die Meßwerte auf geraden Linien liegen, jedoch wäre es nicht möglich, eine Darstellung für drei Zehnerpotenzen zu geben, ohne daß entweder das Diagramm unhandlich groß oder in einigen Teilen äußerst gedrängt ausfiele. 17. Der l o g a r i t h m i s c h e R e c h e n s c h i e b e r Eine besondere Anwendung finden logarithmische Teilungen beim Rechenschieber, einem mathematischen Instrument, mit

17. Der logarithmische Rechenschieber

109

dessen Hille man bequem und schnell eine große Anzahl von Rechenoperationen durchführen kann. Es gibt Rechenschieber der verschiedensten Ausführungen, auch solche, die nur einem bestimmten eng umrissenen Zwecke dienen. Wir wollen uns bei der Besprechung nur auf das Grundsätzliche beschränken. Weitgehende Ausführungen findet der Leser in den Büchern: „Theorie und Praxis des logarithmischen Rechenstabes" von R o h r b e r g , Verlag Teubner, und „Mathematische Instrumente" von M e y e r z u r C a p e l l e n , Akademische Verlagsgesellschaft Becker und Erler, Kom.-Ges. Theorie des Rechenschiebers Um die Wirkungsweise des Rechenschiebers zu verstehen wollen wir die primitive Rechenoperation des Addierens an Hand eines besonderen Verfahrens erörtern. 0

o;

02 Oß QV Q5 Oß 0J Oß Oß 1,0

limlimimilliiilimimilmilliiilliiiliiiil |llll|!lll|llll|llll|llll|llll|llll|llll|illl|llli| E

0

0J I I I .Iilil.l I | I | I | I |l M l ' l ' l ' l 1

1

2

3

V

5 6 7 8 510

Fig. 74. Mechanische Multiplikation zweier Zahlen

und eine gewöhnliche Proportionalskala (lg a bzw. lg b) in Form einer Doppelleiter besitzt, so aneinander gelegt, wie es Fig. 73 zeigt, so bedeutet diese Anordnung, daß wieder 0,3 + 0,4 = 0,7 berechnet wurde. Es soll aber nach der Konstruktion der Skalen die Zahl 0,3 als Logarithmus einer Zahl a = 2,0 bzw. 0,4 als der Logarithmus einer Zahl b = 2,5 aufgefaßt werden. Die Addition der Logarithmen bedeutet aber eine Multiplikation der Numeri und daher muß die bei lg a == 0,7 stehende Zahl a = 5,0 das Produkt 2,0- 2,5 sein. Die Proportionalteilungen lg a und lg b brauchen auf dem Papierstreifen gar nicht vorhanden zu sein. Stellt man die vereinfachten Skalen V und VI so einander gegenüber, wie es Fig. 74 zeigt, so bedeutet diese Stellung die Ausführung der Addition lg 2 + lg 2,5 oder, was dasselbe ist, der Multiplikation 2- 2,5 = 5.

17. Der logarithmische Rechenschieber

111

Auch die Division 5 : 2,5 = 2 ist durch dieselbe gegenseitige Lage der Skalen erledigt, denn sie läßt sich zurückführen auf die Subg traktion der Logarithmen: lg 5 — lg 2,5 = lg = lg 2 . ¿,0 Werden zwei logarithmische Teilungen so übereinander gezeichnet, daß die eine eine doppelt so große logarithmische Einheitslänge wie die andere aufweist, dann stehen sich auf der oberen und unteren Skala Zahlen gegenüber, von denen die eine das Quadrat der anderen ist. Ist die logarithmische Einheitslänge l l cm lang l r

1

\

2

3 V- 5 6 78910

I I I I llllllllllllll l ' 1 1 1 1 1 1« ' 2

3

V-

20 30 10 5060 90100

1 'I' '

5

l'l'l

6 7 8 9 10

Fig. 75. Mechanisches Quadrieren einer Zahl

auf der Skala I und l t cm auf der Skala II, so gilt im vorliegenden Falle (Fig. 75) h = 2 1% , \ — Ein Teilstrich, der x cm vom Beginn der beiden Teilungen entfernt ist, stellt auf der Skala I eine Zahl a und auf der Skala I I eine Zahl b dar, die durch die Gleichungen 1 a

e

= i = w2;

l g b = =

i

festgelegt werden. Eliminiert man x aus diesen beiden Gleichungen, so erhält man 2 lg a = lg b 2 lg a = lg b lg o 2 = lg b a2 — b .

112

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Würde man noch eine dritte Skala I I I hinzunehmen, bei der die Länge der logarithmischen Einheit lh ~ - I i h - - hh 3 3

ist, dann ständen auf den Skalen I und I I I Zahlen a und c einander gegenüber, für die die Beziehung a3 —• c

gelten würde. Für die Zahlen b und c auf den Skalen I I und I I I würde entsprechend b* = c* , b = c'l>, c = b''< gelten. Eine solche Kombination von drei Skalen läßt sich also dazu benutzen, um Zahlen in die zweite und dritte (eventuell auch 2 / 3 — JO 9 8 7 6 S

V

3

t-x

2

^ /

lllllil 1 1 1 1 l 1 1 1 M l I 1 1 1 1 1 W I M 1 l'l'l'l 2

3

4l\ 5 6 7

6910

1 Fig. 76. Mechanische Ermittelung des reziproken Wertes einer Zahl

und 1,5.) Potenz zu erheben bzw. um Quadrat- und Kubikwurzeln zu ziehen. Schließlich sei eine weitere Kombination zweier logarithmischen Skalen betrachtet, die dazu dient, zu jeder Zahl den reziproken Wert zu ermitteln. Hierbei werden zwei logarithmische Skalen verwendet, die einander gegenüberstehen und mit gleichen Einheitslängen l, jedoch gegenläufig, gezeichnet sind, wie es Fig. 76 zeigt. Für irgendeinen Teilstrich, der auf den Skalen I und I I die Zahlen a und b darstellt, gilt

17. Der logarithmische Rechenschieber

Durch Eliminierung von x folgt l-l(ra = lga-flg& = lg a b = ab=

113

daraus 1(1 - lg 6) l = lglO lg 10 10

6 = 10 • — . a Man kann bei einer solchen Skalenanordnung zu jeder Zahl a sofort das Zehnfache des reziproken Wertes — und damit natürlich diesen selbst ablesen. Konstruktion des Rechenschiebers und das Arbeiten mit ihm Der logarithmische Rechenschieber oder Rechenstab ist ein Instrument, mit dem man unter Benutzung der im vorstehenden Läufer

Fig. 77. Der Rechenschieber

besprochenen und einiger weiteren Skalenanordnungen gewisse Rechenoperationen schnell und bequem durchführen kann. Er besteht aus einem geteilten Stabkörper Sa und Su, einer beweglichen Zunge und einem durchsichtigen Läufer (siehe Fig. 77). Es gibt verschiedene Rechenschiebersysteme, die gebräuchlichsten sind das System „Darmstadt" und das System „Rietz"; sie unterscheiden sich voneinander durch Art und Anordnung der Skalen. Dieser Unterschied bezieht sich jedoch nur auf die seltener benutzten Teilungen, die Anordnung der Hauptskalen ist bei allen Rechenschiebern die gleiche. A s m u s , Einführung in die höhere Mathematik. 3. Aufl.

8

114

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Im übrigen werden zu den käuflichen Rechenschiebern von den Herstellerfirmen genaue Beschreibungen und Anleitungen geliefert, nach denen die Handhabung des Rechenstabes leicht eingeübt werden kann. Die Rechenschieber normaler Ausführung sind etwa 30 cm lang und besitzen eine Reihe von Skalen, deren Anordnung sich aus der Fig. 78, die einen Rechenstab des Systems „Darmstadt" darstellt, ergibt. Auf dem unteren Stabkörper Su befindet sich neben der sogenannten pythagoreischen Teilung P und der Sinus- und Tangens-

Fig. 78. Rechenschieber System „Darmstadt"

teilung (auf der geraden Unterkante) — auf die hier nicht eingegangen werden soll — eine logarithmische Teilung D mit der Einheitslänge 25 cm. Ihr gegenüber befindet sich auf der Zunge eine genau gleiche Teilung G. Außerdem ist hier eine reziproke (rückläufige logarithmische) Teilung R sowie eine logarithmische Teilung B mit der Einheitslänge 12,5 cm angebracht. Die Rückseite der Zunge ist in der Regel ebenfalls mit Skalen versehen. So befinden sich beim System „Darmstadt" hier die sogenannten Exponentialteilungen, die aber im Rahmen dieses Buches nicht besprochen werden sollen. Der Skala B steht auf dem oberen Stabkörper S0 die in gleicher Art geteilte Skala A gegenüber und es trägt S0 ferner eine kubische Teilung K (logarithmische Teilung mit der Einheitslänge 25 \ = 8 y1 cml, sowie auf der schrägen Oberkante, neben einer —

115

17. Der logarithmische Rechenschieber

zum Rechnen nicht benutzten cm-Teilung, die 25 cm lange gleichförmige Teilung L, die in Verbindung mit der Skala D unter Benutzung des Läufers zum Ablesen der dekadischen Logarithmen beliebiger Zahlen dient. Die Durchführung von Multiplikationen und Divisionen sowie das Erheben vonZahlen in die zweite und dritte Potenz, das Ziehen der Quadrat- und Kubikwurzeln und die Auffindung des reziproken Wertes und des Logarithmus einer Zahl mit Hilfe des Rechenstabes dürften ohne weiteres auf Grund der oben durchgeführten theoretischen Erörterungen verständlich sein. Will man z. B. die Zahlen 2 und 3 miteinander multiplizieren, so wird der Zahl 2 auf der Skala D die Zahl 1 auf Skala C gegenübergestellt und das Resultat 6 findet man auf D, der Zahl 3 (auf C) gegenüberstehend. Will man hingegen 2 - 3 - 1 , 5 rechnen, so geht man analog vor, nur liest man auf D nicht erst das Zwischenergebnis 6 ab, sondern fixiert es dadurch, daß man den Läuferstrich mit 3 auf Skala 0 zur Deckung bringt, dann die Zunge so weit durchschiebt, bis unter dem Läuferstrich wieder die Zahl 1 auf C steht und findet dann das Endergebnis 9 auf D unter 1,5 auf Skala C. Es kann leicht vorkommen, daß bei einer Multiplikation die Skala nicht ausreicht, um das Endergebnis nach obiger Vorschrift abzulesen, weil sie nur die Zahlen 1 bis 10 enthält. Hat man z. B. 3- 5 auszurechnen, so müßte man 1 (C) auf 3 (D) stellen und auf D die Zahl ablesen, die unter 5 (C) steht. Die Skala D reicht aber gar nicht so weit. Um zum Ergebnis zu gelangen, benutzt man die Tatsache, daß eine logarithmische Teilung im Bereich von 10 bis 100 genau so aussieht wie zwischen 1 und 10. Man denkt sich also Skala D durch eine gleiche nach rechts hin fortgesetzt. Es würde dann 10 (C) gegenüber 30 (D) stehen und die Lage der Zunge der erweiterten Skala D gegenüber würde dieselbe sein wie diejenige, bei der die Zunge so eingestellt ist, daß 10 (C) der Zahl 3 auf Skala D gegenübersteht. Zu 5 (C) findet man bei dieser Zungenstellung auf D den Wert 1,5, der aber wegen des Durchschiebens der Zunge das Zehnfache, nämlich 15 bedeutet. Man erkennt an diesem Beispiel, daß der Rechenschieber zwar die einzelnen Ziffern der Ergebniszahl, nicht aber die Stellung des Dezimalkommas liefert. Daher muß die Größenordnung des 8*

116

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

erwarteten Resultates stets durch eine Überschlagsrechnung abgeschätzt werden. Eine Division wird in sinngemäßer Abwandlung des Multiplikationsverfahrens so durchgeführt, daß man dem Dividendus auf D den Divisor auf 0 gegenüberstellt und den Quotienten auf D gegenüber 1 (C) oder 10 (C) abliest. Besitzt der Rechenschieber eine reziproke Skala R, so läßt sich eine Division als Multiplikation mit dem reziproken Wert durchführen. Dem Dividendus auf D wird unter Benutzung des Läufers die Zahl 1 auf R gegenübergestellt und man findet den Quotienten auf D an derselben Stelle, bei der auf R der Divisor steht. Die großen Vorteile des Rechnens mit dem Rechenschieber treten besonders deutlich zutage, wenn mehrere Multiplikationen und Divisionen gleichzeitig durchzuführen sind. Die Benutzung des Rechenstabes bietet in diesem Falle deswegen große Vorteile, weil alle Zwischenergebnisse übersprungen werden können. Besonders rasch kommt man zum Ergebnis — weil man dabei einen Teil der Durchschiebungen der Zunge spart —, wenn man Multiplikationen und Divisionen abwechselnd durchführt, d. h. eine Aufgabe von der Art so löst, wie nachstehendes Schema j .4 7,2-4,5 es andeutet 3,6:7,2-5,5:4,5-l,8. Bei der Durchführung von Multiplikationen und Divisionen kann man statt des Skalenpaares C und D auch die beiden Teilungen A und B benutzen; daß man die beiden ersteren vorzieht, liegt daran, daß bei ihnen die logarithmische Einheitslänge doppelt so groß wie bei A und B ist. Daher ist der Ablesefehler gegenüber demjenigen, der bei Verwendung der Skalen A und B entsteht, nur halb so groß. Zum Quadrieren und Ziehen der Quadratwurzel werden die Skalen A und D unter Verwendung des Läuferstriches benutzt. Die Berechnung der dritten Potenz und der dritten Wurzel geschieht entsprechend mit Hilfe der Skalen D und K. Beim Radizieren muß beachtet werden, daß die Zahl, aus der die Wurzel gezogen werden soll, so dargestellt wird, daß sie als Produkt einer neuen Zahl und einer passenden Zehnerpotenz erscheint.

17. Der logarithmische Rechenschieber

117

Hat man z. B. die Quadratwurzel aus 625 zu ziehen, so schreibt man diese Zahl als 6,25 • 102 und die Wurzel daraus ist j/6,25 • 10. Man bringt den Läuferstrich mit 6,25 auf A zur Deckung und liest auf D unter dem Strich 2,5 ab. Das Ergebnis lautet daher 2,6-10 = 25. Wenn man dagegen j/6250 zu berechnen hat, so ist j/6250 = j/62,5-102 = |/62,5 • 10. Jetzt wird der Läuferstrich auf 62,5 (Skala A) eingestellt und 7,91 auf D abgelesen. Das Resultat ergibt sich also zu 79,1. Beim Ziehen der dritten Wurzel wird die Zahl entsprechend in zwei Paktoren, von denen der eine 103n («. ganze Zahl) ist, aufgespalten und dann analog wie oben verfahren. Es ist selbstversändlich nicht möglich, im Rahmen dieses Buches auf sämtliche Rechenmöglichkeiten, die ein Rechenschieber bietet, einzugehen. Mit den oben angegebenen ist das Anwendungsgebiet dieses mathematischen Instrumentes nur gestreift. Ein Spezialrechenschieber für Chemiker

Neben den Rechenschiebersystemen, die für die Zwecke einer möglichst vielseitigen Anwendung des Rechenstabes ausgearbeitet sind, gibt es auch solche, die einem speziellen, eng begrenzten Zwecke dienen. Als Beispiel für einen solchen Spezialrechenschieber mag derjenige dienen, mit dessen Hilfe die Auswertung chemischer Analysen vorgenommen werden kann. Fig. 79 zeigt in teilweiser Darstellung diesen Rechenstab. Die Skalen C und D entsprechen denjenigen des allgemeinen Schiebers, auf den Skalen A und B dagegen sind statt der Zahlen nur einzelne Teilstriche angebracht, die durch ihre Lage die Molekulargewichte einer Reihe von chemischen Verbindungen oder für die .Analyse wichtiger Gruppen anzeigen. Auf der Skala A erkennt man in Fig. 79 z. B. die Bezeichnungen Sr, Si04, K 2 0 und H 2 S0 4 , die zu Teilstrichen gehören, die die abgerundeten Atom- bzw. Molekulargewichte 87,6, 92,1, 94,2 und 98,1 fixieren. Die Skala A trägt die Einprägung „gesucht", die Skala B — „gefunden" (in der Figur nicht sichtbar). Wird bei einer chemischen Analyse z. B. Brom durch Fällung von AgBr bestimmt, wobei der Niederschlag 1,500 g wiegt, so

118

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

berechnet m a n die darin enthaltene Brommenge d a d u r c h , d a ß m a n dem Teilstrich B r auf der „gesucht"-Skala den Teilstrich AgBr auf der „gefunden"-Skala gegenüberstellt (vgl. Fig. 79) u n d auf

Fig. 79. Spezialrechenschieber für Chemiker Skala D diejenige Zahl abliest, der gegenüber auf C der Wert der Auswaage s t e h t . Man f i n d e t so, d a ß in 1,500 g AgBr 637 m g B r e n t h a l t e n sind. Die Genauigkeit dieser R e c h n u n g ist selbstverständlich nicht so groß wie bei Benutzung der fünfstelligen Logarithmentafel, reicht aber in vielen Fällen vollkommen aus. C. Die E x p o n e n t i a l f u n k t i o n 18. D a r s t e l l u n g u n d D i f f e r e n t i a t i o n der Exponentialfunktion Vor längerer Zeit untersuchte A r r h e n i u s die relative Zähigkeit r^rei wässeriger Lösungen starker Elektrolyt« bei konstanter T e m p e r a t u r u n d fand, d a ß sie sich in einem gewissen Bereich als F u n k t i o n der K o n z e n t r a t i o n c darstellen läßt in der F o r m Viel = K° , w o b e i i i eine den Elektrolyt charakterisierende K o n s t a n t e bedeutet. Die Eigenschaften dieser F u n k t i o n , die in allgemeiner m a t h e matischer Schreibweise (26) y = az lautet, wollen wir im folgenden untersuchen.

18. Darstellung und Differentiation der Exponentialfunktion

H9

Ist y durch die Gl. (26) gegeben, wenn a irgendeine positive Zahl größer als 1 bedeutet, so nennt man eine solche Funktion allgemeine Exponentialfunktion. Zeichnen wir uns diese Funktion für die Werte a = 2, a — 3, a = 4 usw., so erhalten wir eine in Fig. 80 dargestellte Kurvenschar. Sämtliche Kurven schneiden die Ordinatenachse im Abstände 1 von der x-Achse, denn für jedes a ist a° = 1. Die Steigung dieser Kurven nimmt Y . y-4* mit wachsendem «-Wert zu, und es ist bemerkenswert, daß 3J} es uilter dieser Kurvenschar eine Kurve gibt, deren SteiZ5 gung in jedem Punkte zahlen/ / /y-2' mäßig gleich dem jeweiligen 20 Ordinatenwert ist, bei der also die Gleichung gilt: / / / V ' K *

/y*3X

dy_ jdxz =

1.5 y

W

Diese Kurve ist diejenige, bei der a gerade den Wert lim (l + —n ) " = 2,718 »-00 V I

0,5

-7,5

-7,0

-0,5

0

0,5

1,0

7,5

besitzt. Wir wollen das im folgenden beweisen und damit Fi §- 80 - Graphische Darstellung der I-I J RTP • Funktion y = ax gleichzeitig das Diiierenz leren der E x p o n e n t i a l f u n k t i o n y — ex lernen, die man gelegentlich auch y = exp(a;) schreibt. Logarithmiert man die Gleichung y

= s»

zur Basis e, so folgt m

y =

x

Denken wir uns jetzt x als abhängige und dx y als unabhängige Variable, schreiben also r = In dx

und bilden

dy ' V

. so erhalten wir

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

120

oder unter Verwendung der Umkehrregel äy_ — dr. J_ — y > dx ~ dx

¿7

und da y — ex ist, ist damit dJL

dx

^ex

dex = dx

ex

womit gezeigt ist, daß das Ableiten der Exponentialfunktion wiederum die Funktion selbst ergibt. Man kann demnach die Funktion y — ex beliebig oft differenzieren, lind immer wieder erhält man die ursprüngliche Funktion. Nachdem wir das wissen, ist auch das Differenzieren von y = az nicht schwierig, denn es ist 27)

y = ax =

exlt>a,

was man sofort als richtig erkennt, wenn man auf beiden Seiten der Gleichung den natürlichen Logarithmus bildet. Es ist dann nämlich y = ex-ina ^ In y = x- In a = In ax , y = ax .

Unter Anwendung der Kettenregel erhält man aus Gl. (27) dy dx

dax dx

de*ln dx

a

= exlns • In a = In a- ax .

dax , -T— = In a • ax . dx

Es ist also auch die allgemeine Exponentialfunktion beliebig oft differenzierbar, nur ist hier die Steigung nicht gleich dem Ordinatenwert, sondern ihm p r o p o r t i o n a l . Der Propoftionalitätsfaktor ist der natürliche Logarithmus der Grundzahl. Die Exponentialfunktion ist neben der geraden Linie die wichtigste Funktion für die Naturwissenschaften, und daher wollen wir sie und einige ihrer Abkömmlinge eingehender betrachten.

18. Darstellung und Differentiation der Exponentialfunktion

121

Tabelle 6 X

ex

0,00 0,01 0,02 0,03 0,04

1,000 1,010 1,020 1,030 1,041

0,05 0,06 0,07 0,08 0,09

ex

e"*

0,80 0,81 0,82 0,83 0,84

2,226 2,248 2,271 2,293 2,316

0,4493 0,4449 0,4404 0,4360 0,4317

0,6376 0,6313 0,6250 0,6188 0,6126

0,85 0,86 0,87 0,88 0,89

2,340 2,363 2,387 2,411 2,435

0,4274 0,4232 0,4190 0,4148 0,4107

1,649 1,665 1,682 1,699 1,716

0,6065 0,6005 0,5945 0,5886 0,5827

0,90 0,91 0,92 0,93 0,94

2,460 2,484 2,509 2,535 2,560

0,4066 0,4025 0,3985 0,3946 0,3906

0,55 0,56 0,57 0,58 0,59

1,733 1,751 1,768 1,786 1,804

0,5769 0,5712 0,5655 0,5599 0,5543

0,95 0,96 0,97 0,98 0,99

2,586 2,612 2,638 2,664 2,691

0,3867 0,3829 0,3791 0,3753 0,3716

0,8187 0,8106 0,8025 0,7945 0,7866

0,60 0,61 0,62 0,63 0,64

1,822 1,840 1,859 1,878 1,896

0,5488 0,5434 0,5379 0,5326 0,5273

1,00 1,10 1,20 1,30 1,40

2,718 3,004 3,320 3,669 4,055

0,3679 0,3329 0,3012 0,2725 0,2466

0,7788 0,7711 0,7634 0,7558 0,7483 0,7408 0,7334 0,7261 0,7189 0,7118 0,7047 0,6977 0,6907 0,6839 0,6771

0,65 0,66 0,67 0,68 0,69 0,70 0,71 0,72 0,73 0,74 0,75 0,76 0,77 0,78 0,79

1,916 1,935 1,954 1,974 1,994 2,014 2,034 2,054 2,075 2,096 2,117 2,138 2,160 2,181 2,203

0,5220 0,5169 0,5117 0,5066 0,5016 0,4966 0,4916 0,4868 0,4819 0,4771 0,4724 0,4677 0,4630 0,4584 0,4538

1,50 1,60 1,70 1,80 1,90 2,00 2,10 2,20 2,30 2,40 2,50 2,60 2,70 2,80 2,90

4,482 4,953 5,474 6,050 6,686 7,389 8,166 9,025 9,974 11,023 12,182 13,464 14,880 16,445 18,174

0,2231 0,2019 0,1827 0,1653 0,1496 0,1353 0,1225 0,1108 0,1003 0,0907 0,0821 0,0743 0,0672 0,0608 0,0550

erx

X

ex

e~x

1,0000 0,9900 0,9802 0,9704 0,9608

0,40 0,41 0,42 0,43 0,44

1,492 1,507 1,522 1,537 1,553

0,6703 0,6637 0,6570 0,6505 0,6440

1,051 1,062 1,073 1,083 1,094

0,9512 0,9418 0,9324 0,9231 0,9139

0,45 0,46 0,47 0,48 0,49

1,568 1,584 1,600 1,616 1,632

0,10 0,11 0,12 0,13 0,14

1,105 1,116 1,127 1,139 1,150

0,9048 0,8958 0,8869 0,8781 0,8694

0,50 0,51 0,52 0,53 0,54

0,15 0,16 0,17 0,18 0,19

1,162 1,174 1,185 1,197 1,209

0,8607 0,8521 0,8437 0,8353 0,8270

0,20 0,21 0,22 0,23 0,24

1,221 1,234 1,246 1,259 1,271

0,25 0,26 0,27 0,28 0,29 0,30 0,31 0,32 0,33 0,34 0,35 0,36 0,37 0,38 0,39

1,284 1,297 1,310 1,323 1,336 1,350 1,363 1,377 1,391 1,405 1,419 1,433 1,448 1,462 1,477

X

122

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Tabelle 6 (Fortsetzung) X

ex

e~x

3,00 3,10 3,20 3,30 3,40 3,60 3,60 3,70 3,80 3,90

20,086 22,20 24,53 27,11 29,96 33,12 36,60 40,46 44,70 49,40

0,0498 0,0460 0,0408 0,0369 0,0334 0,0302 0,0273 0,0247 0,0224 0,0202

X

4,00 4,10 4,20 4,30 4,40 4,50 4.60 4,70 4,80 4,90

ex

e~x

X

ex

54,60 60,34 66,69 73,70 81,45 90,02 99,48 199*95 121,51 134,29

0,0183 0,0166 0,0150 0,0136 0,0123 0,0111 0,0101 0,0091 0,0082 0,0074

5,00 5,10 5,20 5,30 5,40 5,50 5,60 5,70 5,80 5,90

148,41 164,0 181,3 200,3 221,4 244,7 270,4 298,9 330,3 365,0

e~x

0,0067 0,0061 0,0055 0,0050 0,0045 0,0041 0,0037 0,0034 0,0030 0,0027

Da e = 2,718 . . . irrational ist, läßt sich y = ex nicht durch einfaches Potenzieren berechnen. Die Ermittelung der Werte ex durch Reihenentwicklung werden wir später (S. 185) kennenlernen. Die Tabelle 6 enthält die Werte ex für positive und negative «-Werte. So ist z . B . e +0 - 29 = 1,336 und e~0-29 = 0,7483. Zwischenwerte können durch Interpolation gewonnen werden. Sind die Tabellenabstände für eine lineare Interpolation zu groß, so kann man die Zwischenwerte erhalten, wenn man berücksichtigt, daß ea+b= e" • eb ist. Es sei beispielsweise zu berechnen e1-45. Es ist dann ei.u =

«1,40+0,05

=

gl,40. e0,06

4,055- 1,051

4,263 .

x

Die Funktion y -- e steigt monoton; sie besitzt keine Extremwerte und Wendepunkte, da dy _d2y dx dx2

=

cX

für keinen endlichen Wert von x zu Null wird. Die negative «-Achse ist Asymptote («/->• 0 für x — oo). Negative Werte besitzt die Funktion nicht, da sich durch Potenzieren einer positiven Zahl nur positive Werte ergeben können. Für negative «-Werte ist ex stets ein positiver echter Bruch, da z. B. e~2 = - 7 ist und e° ja den Wert 1 besitzt. Lautet die Funktionsgleichung allgemein y = a ebx ,

19. Produkt- und Quotientenregel

123

so ändert sich am Typus der Kurve nichts. Es ist nur jede Ordinate a-mal so groß, wie bei y = ebx und der Unterschied dieser Funktion gegenüber y = ex liegt in erster Linie in der abgeänderten , ,, . . Steigung, denn = fx dx °b6 = b y ' ILJü= tyJC Die positive Exponentialfunktion tritt verhältnismäßig selten auf — die Gleichung von A r r h e n i u s für die Zähigkeit (S. 118) ist nur ein Näherungsgesetz —, wichtiger sind kombinierte Ausdrücke, die z. B. in der Thermodynamik oder in der Reaktionskinetik eine Rolle spielen. Zwei solche Ausdrücke wollen wir betrachten und sie zu einer Diffeientiationsübung benutzen. Die Quantentheorie liefert für die Molwärme bei konstantem Volumen Gv eines zweiatomigen Gases, etwa HCl, den Ausdruck

Dabei bedeuten: R die Gaskonstante, T die absolute Temperatur und 0 die sogenannte charakteristische Temperatur, eine Stoffkonstante. Unter Anwendung der Kettenregel finden wir für C„ ©

7„ —

Ä — ii 0 (e r — l) •

Die nach dieser Gleichung berechneten Werte von Cv stimmten für HCl gut mit dem Experiment überein. 19. P r o d u k t - u n d Q u o t i e n t e n r e g e l Ein weiteres Differentiationsbeispiel wollen wir der chemischen Kinetik entnehmen. Bei einem monomolekularen Zerfall mit autokatalytischer Beschleunigung (eine solche Reaktion liegt beim thermischen Zerfall von Ag 2 0 vor, wobei das entstandene Silber als Katalysator wirkt) nimmt die zerfallene Menge der Ausgangssubstanz zeitlich nach

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

124

einer recht komplizierten Gleichung zu. Bedeutet x die in der Zeit t zerfallene Menge, so lautet die Gleichung — 1]

aku[e,M+kv.)*

(28)

a h + ku e(°*+*«> *

oder, wenn wir zur Abkürzung a setzen, m\

x

x

~

-

= A, ak = B und ku^= C

B + Ce(B+c)t

'

A, B und C sind hierbei Konstanten, denn a ist die Anfangsmenge der zerfallenden Substanz, ku und k die sogenannten Geschwindigkeitskonstanten des unkatalysierten und des katalysierten Reaktionsanteiles. Unter der Reaktionsgeschwindigkeit versteht man nun den ersten Differentialquotienten der umgesetzten Menge (oder auch der Konzentration) nach der Zeit. Wir wollen diese Größe für den autokatalytisch beschleunigten Zerfall durch Differentiation des Ausdruckes (29) berechnen. Wie man erkennt, wird x dargestellt durch den Quotienten zweier Funktionen, nämlich u

=

e(B+c)t

_ i



ß +Ce(i

=

+

C)';

A ist nur ein konstanter Faktor. Wie differenziert man aber einen Ausdruck, der in allgemeiner Form , , u (x)

lautet? Wir führen ihn zurück auf y =

u(x)-[v(x)]~1

und haben uns also allgemeiner die Frage nach der Differentiation eines Produktes zweier Funktionen vorzulegen. I s t

y = u(x)-

v(x)

,

so erhält man durch Logarithmieren In y = In u -f- In v ,

125

19. Produkt- und Quotientenregel

y, u und v sind hierbei Funktionen von x. Unter Anwendung der Kettenregel lassen sich In y, In u und In v nach x differenzieren. Man erhält d In m dx

d In y dx 1 dy y dx

d In w dx

1 du . 1 11 dx v

dy dx d(uv) dx

y u

dv dx'

du ^ y dx 1 v

dv dx

du . dx

dv dx

uv u

du dx

uv v

dv _ dx

oder kürzer

du dx

dv dx '

(uv)' = u'v -\-v'u

.

Ein Funktionsprodukt wird also differenziert, indem man die Ableitung des einen Faktors mit dem zweiten multipliziert und dazu das Produkt aus der Ableitung des zweiten Faktors mit dem ersten addiert. Ist y = u (x)- v (x)-

w(x)

als Produkt dreier Funktionen gegeben, so findet man in gleicher Weise y = u' v w -\-v' uw

-\-w' uv .

Bei dem Quotienten zweier Funktionen kann man ganz entsprechend verfahren oder man kann die Regel von der Differentiation eines Produktes in Verbindung mit der Kettenregel benutzen, um die Ableitung zu finden. Letzteres wollen wir tun. Es sei y ——

y = u- v_1.

oder auch

Nach der Produktregel erhält man dann u • (p-1)''

= u' • v

V



u ••»— • v'. »«

41

Auf den gemeinsamen Nenner gebracht, lautet das Ergebnis , 't

=

!u V

ViT] —

u'v — v'u



'

126

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Bevor wir aber zu unserer eigentlichen Aufgabe zurückkehren, wollen wir zu Übung obiger Regeln zwei einfache Beispiele differenzieren. 1. y = 3? • In x ,

2. y =

j

i

a..

In x

,

— • x 2 — 2 x In x

Nun kehren wir zurück zu unserem autokatalytisch beschleunigten Ag 2 0-Zerfall. Die zerfallene Menge als Funktion der Zeit war gegeben als +

x

_ _ A [e(-B C)t — i]

~~ B + Ce(jB +C)t '

Die Reaktionsgeschwindigkeit x finden wir durch Benutzung der Quotientenregel in Verbindung mit der Kettenregel dx di

=

x

=

_ A (B + C)elB+C)t. [B + Ce(B+C) t] —A [e(-B+Q« — j ] • Q (B + C) e(B+C)t [B + Ce (B + C)ty

~ A(B

x — A(B

+ C)e(B + C)t [B + Ce(B + C)t — Ce(B + C)t + C] [.B + 0e(B + C)i]2 e(B + C)t

+ C)2 [JS + 0e(-B + C)i]2 '

Führen wir statt der Abkürzungen die ursprünglichen Konstanten ein, so erhalten wir . __ aku(ak

X

'^

+ ku)* e («* + *«>'

[ak + ku e(«*+ *«)

x wird zu Null, wenn die geschweifte Klammer verschwindet, da die anderen Faktoren im Zähler nicht gleich Null sein können. Es ist also, wenn tm die Zeit ist, nach der die maximale Reaktionsgeschwindigkeit erreicht ist, B — Ce'm = 0 , B = Ce< B+c >'m, &

e(B+C)tm>

=

c In £ =

(B

l

+

C)tm

,

B

t"m - — B + * C

oder,nach Einsetzen der ursprünglichen Größen,

128

I- Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Wollen wir noch feststellen, welch« Menge xm in der Zeit tm bereits umgesetzt worden ist, so setzen wir tm in Gl. (28) ein und erhalten

, ak ln

_ ak v x m—

T

(ak+ku)

ln

ak "

ln-j-

(a k + ku)

ah +

ak + kue m

a k,

ak — ku _ "f1 — 2k ~ 2

ir

ak + kue

, «i "

liTK

, . ,

+

ak' *«

ku

S

Ist die Beschleunigung durch den Katalysator groß, also k viel k

größer als ku, dann ist der Bruch

viel kleiner als 1 und kann ver-

nachlässigt werden. Es ist in diesem Falle hinreichend genau x

m = i r • Di e Höchstgeschwindigkeit ist also erreicht, wenn die

Hälfte der Ausgangssubstanz zersetzt ist. 20. Die n e g a t i v e E x p o n e n t i a l f u n k t i o n Darstellung und Eigenschaften Noch wichtiger als die positive Exponentialfunktion y = ex ist die negative y = e~x oder in der allgemeinen Form y = a e~bx . x

y = er entsteht aus y = ex durch Vertauschung der positiven und negativen «-Werte miteinander, d. h. die Kurve für y = e~x findet man durch Spiegelung der e^-Kurve an der Ordinatenachse. Fig. 81 zeigt die beiden Grundkurven. Die Konstanten a und b bedingen dasselbe wie bei ex. Die Steigung ist jetzt dauernd negativ, denn aus y = a p~bx

folgt unter der Anwendung der Kettenregel d

£/ = dx

- a bb - e - »

Die Kurve fällt also ständig.

x

= - b y .

20. Die negative Exponentialfunktion

129

Die Werte y = erx können der Tab. 6 entnommen werden; für positive Werte in der Spalte e~x, für negative x-Werte in der Spalte ex. So hat z. B. er* für x = 0,20 den Wert 0,8187, für x = - 0,20 ist e-(-°' 2 °) = e+ 0 - 20 = 1,221. F ü r den Chemiker ist y = a e~bx insofern von größerer Bedeutung, als diese Funktion den zeitlichen Ablauf einer sogenannten Reaktion erster Ordnung beschreibt. Zu Reaktionen dieser Art

gehört z. B. die Rohrzuckerinversion. Löst man Rohrzucker in sehr viel Wasser, so wandelt er sich in Dextrose und Lävulose um nach der Gleichung QiaHgjOj! + H 2 0 ->• C 6 H 12 0 6 -f- C 8 H 12 0 6 , wenn H'-Ionen anwesend sind, die katalytisch wirken. Bedeutet c 0 die Anfangskonzentration, c die Konzentration des Rohrzuckers nach einer Zeit t seit Beginn der Umsetzung, und k eine Konstante, so wird der Ablauf der Reaktion beschrieben durch die Gleichung c — c0

erkt.

Den Reaktionsverlauf verfolgt man durch Messung der sich zeitlich ändernden optischen Drehung der Zuckerlösung. Die Konzentration des Rohrzuckers nimmt vom Werte c 0 zu Beginn der A s m us, Einführung In die höhere Mathematik. 3. Aufl.

9

130

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Reaktion (i = 0) ab, und zwar zunächst rasch, dann immer langsamer, entsprechend dem Verlauf der Kurve y = erx. Streckung einer Exponentialkurve zu einer Geraden auf Exponentialpapier Wie kann man auf Grund von Beobachtungswerten schnell feststellen, ob die obige Reaktion wirklich nach der angegebenen Gleichung abläuft ? Zeichnen wir c als Funktion von t in einem Koordinatensystem auf, so läßt sich nicht entscheiden, ob die gezeichnete Kurve wirklich eine Exponentialfunktion und nicht vielleicht eine Hyperbel oder eine andere ähnliche Kurve ist. Wenn wir durch passende Verzerrung der Maßstäbe auf den Koordinatenachsen es erreichen könnten, daß die Exponentialfunktion zu einer Geraden gestreckt wird, so ließe sich die gesuchte Entscheidung leicht fällen, denn die Gerade ist von allen anderen Kurven zu unterscheiden. Die Eigenschaft, eine Exponentialfunktion zu einer Geraden zu strecken, besitzt das einfach logarithmische Papier. Logarithmieren wir (30) so erhalten wir

y = a erbx , lnt/ = l n a — b x

oder 2,3 lg y = 2,3 lg a - b x , lgy = \ g a - ^ - x . Trägt man also in einem Koordinatensystem auf der Abszissenachse die «-Werte, auf der gleichmäßig geteilten Ordinatenachse lg y auf, so erhält man, falls zwischen y und x die Beziehung (30) besteht, eine Gerade mit der Neigung — — und dem Ordinatenachsenabschnitt lg a, wenn die Einheitslängen auf den beiden Achsen gleich groß gewählt worden sind. Dasselbe leistet aber auch ein Koordinatenpapier mit gleichmäßig geteilter «-Achse und logarithmisch geteilter y-Achse, also unser einfach logarithmisches oder Exponentialpapier. Nur sind

20. Die negative Exponentialfunktion

131

jetzt, im Gegensatz zur Darstellung einer logarithmischen Funktion (S. 101), die Achsen vertaucht. Wir wollen die Verwendung des Exponentialpapiers an einem praktischen Zahlenbeispiel erläutern. Ester werden durch Wasser hydrolysiert, wie z. B. Methylacetat: CH3COOCH3 + H 2 0 - CH3OH + CH3COOH . Nimmt man stark verdünnte Lösungen, so verläuft die Esterhydrolyse ähnlich wie die Zuckerinversion als Reaktion erster Ordnung. Sie wird durch Säuren katalytisch beschleunigt, und da sich bei der Hydrolyse neben Alkohol auch Säure bildet, beschleunigt die Reaktion sich selbst durch eine Autokatalyse (siehe S. 123). Setzt man aber von vornherein der wässerigen Esterlösung eine größere Menge einer starken Säure hinzu, so spielt die während der Reaktion e n t s t e h e n d e Säure für die Katalyse keine Rolle, und der Reaktionsverlauf ist von erster Ordnung. Man verfolgt den Reaktionsablauf durch Beobachtung des Konzentrationsanstieges der gebildeten Essigsäure. Von Zeit zu Zeit werden dem Reaktionsgefäß gleiche Mengen, in unserem Beispiele je 2 cm 3 , des Reaktionsgemisches entnommen und mit 0,1 n NaOH (Phenolphthalein als Indikator) titriert. Dabei werden die in Tab. 7 wiedergegebenen Werte beobachtet. Tabelle 7 t Minuten 0 20 40 60 80 108 140 243 360 480 1062 2 Tage (00)

Verbrauchte Lauge L cm 3

Für CH3COOH verbrauchte Lauge AL cm 3

9,30 9,90 10,50 11,10 11,60 12,30 13,10 14,90 16,15 17,00 18,20 18,30

0 0,60 1,20 1,80 2,30 3,00 3,80 5,60 6,85 7,70 8,90 9,00

E = 9,00 —• AL cm 3 9,00 8,40 7,80 7,20 6,70 6,00 5,20 3,40 2,15 1,30 0,10 0. 9*

132

I. Teil. Funktionen einer Veränderliehen

Da der wässerigen Esterlösung zu Beginn des Versuches eine größere Menge etwa 0,5 n Salzsäure zugesetzt wurde, ergibt die Titration zur Zeit t = 0 einen Laugenverbrauch L von 9,30 cm3. Da der Salzsäuregehalt während des Versuches sich nicht ändert, müssen wir, um die für die entstandene Essigsäure verbrauchte Laugenmenge AL zu erhalten, diesen Wert von sämtlichen beobachteten Zahlen L abziehen. So erhalten wir die dritte Spalte unserer Tabelle. Bezeichnen wir mit c 0 die Anfangskonzentration des Esters und mit Cg seine Konzentration zur Zeit t, dann soll cE = c0 e~kt sein, eine Funktion, deren Verlauf Kurve I in Fig. 82 zeigt.

Da für jede verbrauchte Molekel Ester eine Säuremolekel neu entsteht, ist während des ganzen Versuches die Summe von Esterkonzentration Cg und Essigsäurekonzentration konstant und gleich c 0 . Damit ist Cs = c0 — cE=c0 — c 0 e-kt = c 0 (1 — e-kt). Den Verlauf dieser Funktion zeigt Kurve I I in Fig. 82. Sie entsteht dadurch, daß man von der Parallelen zur t-Achse c = c 0 die Kurve I abzieht. Die Säurekonzentration steigt also ständig an und nähert sich asymptotisch dem Werte c 0 . Da wir je 2 cm 3 mit 0,1 n Lauge titriert haben, ist die Konzentration der entstandenen Säure es = • 0,1 Mol/1.

20. Die negative Exponentialfunktion

133

Wir interessieren uns aber nicht für den Verlauf von es, sondern für den von

CE = C0 — Cs .

c0 ist die Anfangskonzentration des Esters und gleichzeitig die Endkonzentration der Säure, die sich nach unendlich langer Zeit 9 00 (i->- oo, praktisch nach 2 Tagen) einstellt; sie ist • 0,1 Mol/1. z Damit wird

cE

=^

• 0,1 - ~ • 0,1 = 0,05 (9,00 -

AL)

= 0,05 • E

.

Die Werte E = 9,00 — AL sind in der vierten Spalte der Tab. 7 eingetragen. Wenn nun Cg wirklich eine Exponentialfunktion ist, so müssen im einfach logarithmischen Papier die Werte cb = 0,05 • (9,00 - A L ) oder auch einfach die Kubikzentimeterzahl E = 9,00 — A L , gegen die Zeit aufgetragen, eine fallende gerade Linie ergeben. An der folgenden Fig. 83 erkennt man, daß innerhalb der Meßgenauigkeit die Punkte auf einer Geraden liegen. In der gleichen Figur ist auch der Verlauf der Werte A L , die der Größe proportional sind, eingetragen (ausgefüllte Kreise). Man sieht, daß diese Werte nicht auf einer Geraden hegen, weil cs durch c 0 (1 — e~ kt), also nicht durch eine einfache Exponentialfunktion, gegeben ist. Zum Schluß wollen wir aus dem Verlauf der Geraden die Konstante k bestimmen.

Ce = C„ e~ kt, 0,05 E = 0,05 • 9,00 • e- kt, E = 9,00 • e - l t , ]g£ = l g 9 , 0 0 - ~ - < . Wäre das Koordinatensystem mit gleichen Einheitslängen auf Abszissen- und Ordinatenachse gezeichnet, so wäre wenn ß der Winkel der Geraden mit der n e g a t i v e n i-Achse ist.

134

!• Teil. Funktionen einer Veränderlichen

auf einfach logarithmischem Papier I n der in Fig. 83 wiedergegebenen Originalkurve ist jedoch die Länge der logarithmischen Einheit l c auf der Ordinatenachse 250 m m , die Einheitslänge auf der t-Achse hingegen lt = 0,5 m m f ü r 1 Minute. D a m i t ist

20. Die negative Exponentialfunktion und

k = 2,3 • £ • t g / ? = 2,3 • g

135

• tgß = 0,0046 tg/?.

Durch Ausmessen an der Figur finden wir tgß = ff** m m und damit ii, . a5ü mm erhalten wir Ol Q

k = 0,0046 • ~

= 0,0040 m i n - 1 .

Zur Berechnung der Konstanten k haben wir hierbei weder die Stärke der Lauge noch die Zahl der titrierten ccm benötigt, beide Größen kürzten sich fort. Die Neigung unserer mit den ccm-Werten E gezeichneten Geraden ist also identisch mit der mit Konzentrationswerten gezeichneten. Einige Eigenschaften der Exponentialfunktion Die Exponentialfunktion, sowohl die positive als auch die negative, besitzt einige besondere Eigenschaften. Nimmt x bei y — ex oder bei y = e~x in arithmetischer Progression zu, so nimmt y in geometrischer zu bzw. ab, was sich leicht zeigen läßt. y = ex, y2 = e2x

= e2x+x,

y = e~x, y2 = e"2x =

e~ die größer oder kleiner als die Raumtemperatur &R ist, so kühlt er sich / ab oder erwärmt sich nach der Gleichung § = &R - {&R - &0)e-*', wobei •& die Körpertemperazur Zeit t bedeutet. Man erkennt leicht, daß der Kurvenverlauf der in Fig. 85 dargestellte ist. Ist nämlich der Körper zunächst heißer als die Fig. 85 Abkühlungs-bzw. Erwär- Umgebung, so ist größer als mungskurve eines sich nicht auf , "r . " Q Raumtemperatür befindenden Körpers ^R und damit die Klammer negativ. Bezeichnen wir mit A & den Absolutbetrag von &R — § 0 , so ist in diesem Falle § = + A§ also eine Überlagerung der Parallelen zur die Verwendung des hyJodm tu perbolisch-logarithmischen Papiers an einem praktischen Beispiel erläutern. 8n 7t toKßr^s^ PbCl 2 besitzt eine sehr geringe elektrische LeitKT> fähigkeit, die aber mit wachsender Temperatur schnell zunimmt. Tab. 9 zeigt die Leitfähigkeit als tr* Funktion der absoluten Temperatur nach MesFig. 87. Streckung der Funktion sungen von S e i t h . n — Ne RT zu einer Geraden durch logDas zur graphischen Darstellung verwendete arithmische Auftragung von gegen Papier (siehe Fig. 88) besaß eine logarithmische Teilung, die über drei Zehnerpotenzen ging und deren Einheitslänge 100 mm groß war. Die hyberbolische Teilung reichte von 1,0 bis 2,5, und die hyperbolische Einheitslänge, also die Strecke zwischen den Werten-^- = 0 (x = oo) u n d = 1 (x = 1) betrug 500 mm. Die Einheitslängen sind auf dem Papier von der Herstellerfirma angegeben. Die logarithmische Skala können wir direkt verwenden. Sie beginnt bei uns mit 1 • 10~6 und geht bis 103 • 10~8, also bis 10 - 3 . Die hyperbolische Teilung dagegen müssen wir mit neuen Zahlen

1

21. Die Funktion y = e

145

Tabelle 9 Temp. °K

Temp. »K

X

ü ~ l cm - 1 2,50 • IO"8 3,11 4,45 5,35 6,35 8,40 1,016 • 10"6 1,14 1,39 1,57 1,82 2,41 2,54 2,93

367 375 386 391 396 405 410 413 420 424 428 436 442 449

X

ß " 1 cm- 1 3,60 • 10-5 4,57 8,83 1,045 • 10-4 1,25 1,72 1,77 2,34 2,86 3,61 4,23 4,89 6,57 7,60

456 466 490 496 505 522 524 536 546 558 562 576 596 606

Temp. °K

X

Q - 1 cm"1

620

9,32 • 10-"

636 663 664 676 682 697 704 711 717 726 730 739

1,11 • 10"3 1,61 1,64 1,93 2,13 2,52 2,72 2,91 3,19 3,62 3,90 4,34

versehen, denn unsere Temperaturen gehen von 367° K bis 739°K. Zu diesem Zweck multiplizieren wir alle an der hyperbolischen Teilung stehenden Zahlen mit 350, so wie es die aufrechtstehende Zahlrenreihe in der Figur angibt. Die Multiplikation der Zahlen mit 350 bedeutet aber gleichzeitig eine Vergrößerung der Länge der hyperbolischen Einheit von 500 mm auf500 • 350 = 175000 mm = 1,75 • 105 mm, da jetzt die Länge von 500 mm der Abstand der Punkte — = 0 und — — t^k ist. x

x

350

Die gemessenen Werte werden eingezeichnet. Reicht, wie es bei diesem Beispiel der Fall ist, das Papier zur Darstellung aller Punkte nicht aus — der höchste Punkt stellt das Wertepaar T — 620, x = 9,32 • 10 -4 dar —, so kann man entweder ein zweites Blatt ankleben und auf ihm die Kurve fortsetzen oder man bricht die Kurve ab und versetzt den abgebrochenen Teil an den unteren Rand des Papieres, wie es in Fig. 88 geschehen ist. Man sieht, daß durch die Meßpunkte eine Gerade hindurchgelegt werden kann. Diese Gerade besitzt eine negative Neigung t sex. — — °

mm

| die Werte — nehmen von links nach rechts zu! ],

220 mm \

x

j

was man durch Ausmessen mit einem Millimetermaß findet. HierA s m u s , Einführung in die höhere Mathematik.

Aufl.

10

146

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

durch ist bewiesen, daß zwischen der Leitfähigkeit und der absoluten Temperatur die Beziehung Q

x= a e BT t

I

Fig. 88. Daxstellung der Funktion x = a e logarithmischem Papier

RT

x

io-err'cm-'

auf hyberbolisch-

22. Die Funktionen

y = e~x'

und

y = x2e~x'

147

besteht. Entsprechend unseren früheren Überlegungen ist _ . 2,3 R ~ °

a

¿hyp ' /log '

wenn l h y p und l log die Einheitslängen der hyperbolischen, bzw. der logarithmischen Teilung sind. Damit erhalten wir

99, 3

Q = + 10,9 • 10 cal/Mol . Die Größe Q = 10,9 • 103 cal/Mol stellt diejenige Wärmemsnge dar, die man aufwenden muß, um ein Mol Chlorionen, die den Stromtransport im PbCl 2 besorgen, von ihren Gitterplätzen abzulösen und so f ü r den Leitungsmechanismus zur Verfügung zu stellen. Man nennt daher Q die Gitterablösungsarbeit (im kalorischen Maß).

22. Die Funktionen y = e * 2 und y = x%e

x%

Das Gaußsche Fehlerverteilungsgesetz I n der Fig. 89 ist ein eigenartiger, kleiner Apparat abgebildet, das sogenannte G a l t o n s c h e Brett. Es besitzt oben einen Trichter, in seinem mittleren Teil quadratisch über Eck eingesetzte Nägel und unten eine Reihe schmaler, oben offener Kästen. Neigt m a n das Brett ein wenig und schüttet in den Trichter Schrotkörnsr, so laufen diese aus, stoßen auf ihrem Wege nach unten in unregelmäßigerWeise an die Nägel, werden so mehr oder minder aus. ihrer ursprünglichen Laufrichtung abgelenkt und fallen schließlich in die Auffangkästen. H a t man eine große Anzahl von K ö r n e r n hindurchlaufen lassen, so ergibt sich immer wieder eine ganz eigenartige, sich stets wiederholende, in Fig. 89 ebenfalls dargestellte, Verteilung der Schrotkörner auf die einzelnen Kästen, also eine strenge Gesetzmäßigkeit als Folge des Zufalls. Untersucht m a n mehrere Tausend kleiner Stahlkugeln, wie man sie f ü r Kugellager verwendet, die alle einen Durchmssser von 5,000 m m haben sollten, so findet man (wenn nicht eine Vorsortierung stattgefunden hat) auchKugeln, deren Durchmesser zwischen 4,99!) und 5,000 m m liegt, aber auch solche mit einem Durchmesser 10*

148

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

zwischen 5,000 und 5,001 mm, also mit Abweichungen von i Viooo m m v o m gewünschten Wert. Es werden auch Kugeln vorhanden sein mit Abweichungen von i 2/iooo i 3/iooo m m usw., jedoch wird die Zahl dieser stark fehlerhaften Kugeln mit wachsendem Fehler immer geringer werden. Zählt man die Kugeln jeder Gruppe aus und trägt diese Zahlen als Ordinaten zu den Abszissenwerten 5,0005, 4,9995, 5,0015, 4,9985 usw. (Mittelwerte der einzelnen Intervalle) auf und verbindet die Punkte durch eine glatte Kurve, so erhält man qualitativ wiederum 1 1 dasselbe Bild wie bei der Verteilung w v ^h k[ k k!' k/ l'i / I'/( ^ Vi M V i U K i l i l f i t d e r S c hrotkörner auf die einzelnen Kästen des G a l t o n s c h e n Brettes. ¡ W i k k i ( k / / ¡ ^ w v h k k k k k G a u ß war es, der gezeigt hat, daß eine solche Verteilung, wir nennen sie die G a u ß sehe Verteilung, stets dann auftritt, wenn sie durch den Zufall bestimmt wird. Das G a u fische Fehlerverteilungsgesetz sagt aus, daß jede Beobachtung einer Größe mit zufälligen Fehlern behaftet ist. Werden insgesamt n MessunFig. 89. Galtonsches Brett gen der zu ermittelnden Größe durchgeführt, so wird bei dn Messungen ein Fehler auftreten, dessen Größe zwischen ± x und ± (z + dx) liegt, wobei die Anzahl dn der fehlerhaften Messungen durch die Gleichung dn = n • y • dx = n • -ir. • e~ h*x! dx Vn

gegeben ist. Dies gilt um so besser, je größer die Zahl der Beobachtungen ist. Die relative Häufigkeit eines Fehlers, definiert als die auf die Einheit der Fehlerintervalle entfallende Zahl von Beobachtungen, ins Verhältnis gesetzt zur Gesamtzahl der Messungen, ist dann dn y = i i

n

vm

22. Die Funktionen y = e - * 1 und y = x* e~x'

149

h ist eine Konstante, ein Genauigkeitsmaß, und kennzeichnet die Häufigkeit des Auftretens fehlerfreier Beobachtungen. Für x — 0 ist y =

; h ist also um so größer, je mehr fehlerfreie BeobV71 achtungen vorliegen. Die Kurve, die die Funktion h V = 1= e-h*z> * V* darstellt, wollen wir nun in ihrem Verlauf untersuchen. Sie besitzt qualitativ denselben Verlauf wie _ T2 y= e 1 , so daß wir uns zunächst mit dieser Kurve beschäftigen wollen. Rechnen wir uns zunächst eine Tabelle für e~x' aus und zeichnen

/ 10 foß /

0,6

/



/ -2

Cp 1

i -

7

0

7

—? 2

Fig. 90. Darstellung der Funktion y = e~

danach den Funktionsverlauf, so erhalten wir die in Fig. 90 dargestellten G l o c k e n k u r v e . Sie liegt nur im ersten und zweiten Quadranten, ist wegen des x2 im Exponenten symmetrisch zur «/-Achse und hat die a>Achse zur Asymptote. Die Kurve besitzt nach der Zeichnung ein Maxi-

150

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

mum und zwei Wendepunkte. Wo liegen sie ? V =

g

tr*,

_ 2 e-*' + 4 ^ e - 1 ' .

=

Die Lage des Maximums ergibt sich aus P = dx

Also ist

2xe~*-

xm

=

=

0.

0,

wie aus der graphischen Darstellung direkt ersichtlich. r,

4

I& i

*i -3 Fig. 91.

^ -2

^

• -1

0

*1

1 *2

'3

I *«

X

Graphische Darstellung der Funktionen vom Typus y =

er A

Die Wendepunkte liegen symmetrisch zur y-Achse, was aus g = - 2 e - * ' (1 — 2 x 2 ) = 0 ,

dx2

folgt.

22. Die Funktionen y = h

Bei der allgemeinen Form

e~ x' und y = x 1 e~ x'

y —

151

bewirkt der Paktor

y=e~ h' x' V n

rr=, daß der Maximalwert von y bei x = 0 nicht 1, sondern V n

h

V n

ist, und der Faktor h- im Exponenten drückt die Kurvenform mehr oder minder zusammen, wie es Fig. 91 zeigt. Über die Anwendung der Funktion

y =

y— e~ h' x'

in der eigent-

lichen Fehlerrechnung soll hier nicht gesprochen werden, es sei aber

Durchmesser 10

15

20

25

30

35

«0

«5

50mß

Fig. 92. Verteilungsfunktion für den Durchmesser kolloidaler Goldteilchen

auf die diesbezüglichen Kapitel des Buches M i c h a e l i s , „Einführung in die Mathematik für Biologen und Chemiker", verwiesen. Ein interessantes Beispiel aus der neueren Kolloidforschung sei aber an dieser Stelle noch erwähnt, v. B o r r i e s und K a u s c h e haben 1940 mit einem Elektronenübermikroskop die Durchmesser kugelförmiger kolloidaler Goldteilchen ausgemessen und fanden, daß in einer bestimmten Lösung der Durchmesser der Teilchen sehr gut nach einer Gaußschen Verteilungskurve um den Wert 28,7 in« streute. Die Häufigkeit des Vorkommens bestimmter Durchmessergruppen wurde einerseits durch Auszählung experimentell bestimmt, andererseits durch Berechnung aus der Kurve y = tt— y 7t

mit h = 1,028 ermittelt. Fig. 92 zeigt die berechnete Kurve und die experimentell bestimmten Werte. Nach diesem Befund war in der untersuchten Lösung die Größe der entstandenen Tuilchcn vom Zufall abhängig.

152

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Das Maxwellsehe Geschwindigkeits-Yerteilungsgesetz Nach der kinetischen Theorie der Gase befinden sich die Molekeln' irgendeines Gases in einer ständigen, ungeordneten Bewegung. Die Geschwindigkeiten sind ganz verschieden, es gibt sehr langsame und sehr schnelle Molekeln und auch solche von mittlerer Geschwindigkeit. Würde es möglich sein, in einem bestimmten Augenblick festzustellen, wie z.B. sich Sauerstoffmolekeln bei 0° C bewegen, so würde man erkennen, daß eine Tabelle 10 eigenartige Geschwindigkeitsverteilung vorliegt. Man würde GeschwindigkeitsTeüchenzahl das in Tab. 10 dargestellte Erintervall gebnis finden. »/10 m/sec Dasselbe Resultat würde man erhalten, wenn man den Zählunter 100 1,4 100—200 8,1 versuch zu irgendeiner späteren 200—300 16,7 Zeit wiederholte. Würde man die 300—400 21,5 Geschwindigkeitsintervalle statt 400—500 20,3 zu lOOm/sec zu lm/sec oder 500—600 15,1 600—700 9,2 noch kleiner wählen, so würde über 700 7,7 man in der Grenze für den auf die Einheit der Intervallbreite entfallenden Prozentsatz aller untersuchten Molekeln eine glatte Kurve finden, die nach M a x w e l l durch die Gleichung ^ / j q v , = ' dv n RT) wiedergegeben wird. Anders geschrieben lautet dieses nach M a x w e l l benannte Verteilungsgesetz der Geschwindigkeiten: V ' 2 dn — j L ( M V >/ e 2MRT v dv . — U ätJ Diese Gleichung sagt aus, daß der Bruchteil — aller in einem Raum vorhandenen n Molekeln, der eine Geschwindigkeit zwischen v und v -j- dv besitzt, proportional der Intervallbreite dv Mi und der Funktion e 22 SBTT - .d ! ist. M bedeutet dabei das Molgewicht, R die Gaskonstante und T die absolute Temperatur.

22. Die Funktionen y = e~x' und y = z2 e~x'

153

Wie sieht n u n graphisch dargestellt die F u n k t i o n

< - yhM

M v'

M RT

2 RT

aus u n d welche Eigenschaften besitzt sie ? D a alle Größen außer v k o n s t a n t sind, sieht das Funktionsbild qualitativ der K u r v e e~x'

y =

• x2

ähnlich, die K o n s t a n t e n bewirken n u r eine Vergrößerung der Ordinatenwerte u n d eine Verengerung oder Verbreiterung der K u r v e .

/ 1 \

/ Y

-2

W -1

y

0,6

/ \ o , f

/

\Y=x2

\

v

^

0

/

\ y - - e ' *

1

2

X

Fig. 93

y — e~x' • x2 setzt sich multiplikativ aus zwei Bestandteilen zus a m m e n : der Glockenkurve u n d der Grundparabel (Fig. 93). Die diese F u n k t i o n darstellende K u r v e m u ß wegen des Q u a d r a t e s von x symmetrisch zur y-Achse sein. I n der N ä h e der Ordinatenachse m u ß sie einer Parabel ähnlich sein, weil e~xa in der Gegend von x = 0 sich n u r wenig ä n d e r t und W e r t e ä ; 1 h a t . F ü r x -> oo u n d x -- — oo m u ß sich die K u r v e a n die x-Achse anschmiegen, weil die K u r v e e~x' rapider absinkt, als die P a r a b e l steigt. I n dem Gebiet dazwischen m u ß also zu beiden Seiten der y-Achse ein Maximum liegen, so wie es Fig. 94 zeigt, u n d die K u r v e

154

I- Teil. Funktionen einer Veränderliehen

muß vier Wendepunkte aufweisen. Die Lage der Extremwerte und Wendepunkte wollen wir nun feststellen. y = e_x* • x2, = - 2 x e~x2 x1 + 2 a; e~x' = - 2 3? e~*' + 2x e~x' = 2xe~*' (1 — x2) , e-x' + 4 m* e~xt + 2 e-*s - 4 a;2 e"*' 1

= 2 e- ' (1 - 5 x2 + 2 x*).

Fig. 94. Graphische Darstellung der Funktion y = x" e x'

Extremwerte: ^ = 2 a; • e~x' • (1 - x2) = 0 , wenn entweder x = 0

1 — x2 = 0 ,

oder

weil e~x' für einen endlichen Wert von x nicht verschwindet. Also =

Für x = 0 ist Für i = ± 1 ist

0,

xm, =

1,

xmt =

1.

— -f 2, also liegt bei x = 0 ein Minimum. negativ, also liegen hier die Maxima. d2y Zur Ermittelung derx Wendepunkte setzen wir = 0• 2 e~ ' (1 - 5 x2 + 2 a;4) = 0 .

22. Die Funktionen y = e~ x' und y =

x 2e~ x'

155

Der Ausdruck verschwindet, wenn die Klammer den Wert Null hat, also 1 - 5 z2 + 2 s4 = 0 . 2M

\

% 2.0

.c J

/ / / /

1.G

/ /

/

1«j .c u

/

i

-fe s, GV

3 t

i 1

1 6o T.273

o

V

\\

i

\ \

\V *y ttei T* \ V \ . \

j i l/ b'

Fig. 95.

1 3o

\ \

J 1 / j 1

200

3

voo

eoo

\

\

eoo 1000 1200 Geschwindigkeit

moo m/Sek.

Geschwindigkeits-Verteilungskurve nach Maxwell für Sauerstoff

Wir lösen diese biquadratische Gleichung auf und erhalten 2 x* -

xWl

=

+ 1,51,

x w,

5 x2 + 1 = 0 ,

= - 1,51,

Xw,

= + 0,47,

x w,

=

- 0,47 .

Wir haben also vier Wendepunkte, wie schon in Fig. 94 gezeichnet. Die für die kinetische Gastheorie wichtige M a x well sehe Geschwindigkeits-Verteilungskurve hat natürlich nur einen Sinn für

156

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

positive Werte von v, so daß man die Betrachtungen auf den ersten Quadranten beschränken kann. In Fig. 95 sind für zwei verschiedene Temperaturen die Verteilungskurven für 0 2 dargestellt. Das Vorhandensein des Maximums bedeutet, daß es bei jeder Temperatur eine Geschwindigkeit gibt, die am häufigsten vertreten ist. Wir wollen sie nun ausrechnen. Hierzu muß = 0 dv 2 sein. Mv 1

Jt df dv

v U RT) e > Mv » / -ht N 3/ / T,r ' AtMVUl y~\2RT) \ RT Mv2 ^ ^ • ' • . . - ^ ( . - i ï ) - 0 .

Mv

*\

= 0 j

Da bei v = 0 das Minimum liegt, muß die Klammer verschwinden. Damit wird „ , Mvl_ _ -]/2RT Vm RT ~ Z ' ~ \l M • vm ergibt sich hiernach für Sauerstoff bei 0° C = 273° K mit R = 8,31 • 10' erg/Grad 1 /2 • 8,31 • 107 • 273 „ __ Vm = = cm sec V —32 ' ' / . vm = 377 m/sec. 23. Die H y p e r b e l f u n k t i o n e n Definition und Darstellung In der Magnetochemie, der Lehre von den magnetischen Eigenschaften chemischer Elemente und Verbindungen, sowie der Anwendung magnetischer Meßmethoden zur Lösung chemischer Probleme, spielen die sogenannten hyperbolischen Funktionen eine gewisse Rolle. Paramagnetische Stoffe, deren Molekeln ein permanentes magnetisches Dipolmoment ¡j, besitzen, erhalten in einem magnetischen Felde von der Stärke § bei der Temperatur T pro Mol (Zahl der Molekeln im Mol N) ein magnetisches Moment er, welches theoretisch nach L a n g e v i n (S. 270) und experimentell nach K a m e r l i n g h - O n n e s (Untersuchungen am Gadolinium-

23. Die Hyperbelfunktionen

157

sulfathydrat) gegeben ist durch den Ausdruck ' N ä

=

/i

R

N

N

T (I

So

oder, wenn wir für ^ ^ ^ zur Abkürzung a setzen, ä

L (a) ist die

=

«tfl«--i

N

inathematische

N f i

Bezeichnung

H a ) .

für

den Ausdruck

(Etg a — ^ , den man L a n g e v i n - F u n k t i o n nennt. Das Symbol Etg (lies: hyperbolischer Cotangens oder cotangens hyperbolicus) ist ebenso wie ©in, (£oj oder i g eine Abkürzung f ü r gewisse oft vorkommenden Kombinationen der Exponentialfunktion. E s bedeuten:

^ £

Q

X

x

_ ©in

x

=

o—x

pX

©in

==

ff

, x

_

e

~~

e*



e ~

x

+

e ~

x

PX

F

(£o|

I

ti

x

I

=

_ gof '

U

0

*

=

m

H

2

x

p—x

C-

>

_

ex

+

~

~e*



e,~x e ~

x

'

W a r u m diese Funktionen als sinus hyperbolicus, cosinus hyperbolicus usw. bezeichnet werden, wollen wir an dieser Stelle nicht erörtern. E s mag der Hinweis genügen, daß die hyperbolischen Funktionen mit den Kreisfunktionen (sin x, cos x, tg x usw.) viele gemeinsame Eigenschaften besitzen und in ähnlicher Weise an einer Hyperbel, wie jene am Einheitskreis definiert werden. Wir wollen aus Kenntnis des Verlaufes der Exponentialfunktion den Verlauf der hyperbolischen Funktionen ermitteln und sie differenzieren lernen. I n Fig. 81 (S. 129) waren die Funktionen ex und erx abgebildet. Addiert m a n beide, so muß die resultierende Kurve symmetrisch zur y-Achse liegen und beiderseits derselben ansteigen. Subtrahiert man dagegen e~x von ex, so muß die Differenzfunktion durch eine Kurve dargestellt werden, die aus dem dritten Quadranten kommt und in den ersten durch Passieren des Koordinatenursprungs übergeht. Entwirft man die genaue Tabelle für ßof x

158

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

und ©in x und zeichnet danach die Kurven, so erhält man Fig. 96. Man nennt übrigens ßof x auch die K e t t e n l i n i e , weil nach dieser Funktion eine Kette (oder ein biegsames Seil) durchhängt, wenn sie (es) an zwei Punkten festgemacht ist. Der Verlauf von x und Etg x ist in Fig. 97 dargestellt.

Fig. 96.

Graphische Darstellung der Funktionen y = ©in x und y = . \ 1 + 2! 4-1 ^4! -1 6! • T + 3! + 5 ! + 7 ! + • • • ) = X2 x'> 1 + 3! 11 5! x 3 45 7! 1 5 6 2X X , 6x 3 1 5! 1 7! + 945 + ' x2 3 1' 3 - 3^! 3 • 5! X4 8 x"' ... 45 7! X4 x"' 45 45 • 3! 32 x' 3 7! 32 x1 3 • 7! Damit lautet die Reihenentwicklung für die L a n g e v in -Funktion: 1

L (x) = (£tg x

x

~x

5

~3

45

1

~x' x 2X 45 945 Ableitung des Curie sehen Gesetzes aus der Lang evin- Theorie. Benutzen wir dieses Ergebnis, um das paramagnetische Moment o 3

(S. 157) als eine Potenzfunktion von a = Es ist dann ff =

^(et „

~

ff

=

/a

0

945

darzustellen!

a--i) a3

2 o5 945 a2 2a* 16 +315

Nfta( 3 l Np • N/iQ 1 3 RT

+• +•

15 R2T2

i 2 y yl y r1 315 QI« RP4T4 T*

~r

\ I•

33. Die binomische Reihe und das Rechnen mit kleinen Größen

193

Ist nun die Feldstärke § nicht sehr groß und die Temperatur T nicht sehr klein, so sind die Zahlenwerte des zweiten und der folgenden Klammerglieder sehr klein gegenüber 1, und daher darf man sie vernachlässigen. So erhält man dann _ _ a

~

3

RT •

Das Verhältnis ^ , also das auf die Einheit der Feldstärke bezogene magnetische Moment eines Mols, heißt ^Moi S- 55). Es ist also

Molsuszeptibilität

_ _ N* /i* Xiioi — $ ~ 3 Ii ' t ' und da N, fi und R konstant sind, läßt sich das Ergebnis auch

schreiben, wenn C eine Konstante bedeutet. Dies ist aber gerade das in der Magnetochemie so wichtige Gesetz von C u r i e , das wir bereits kurz einmal (S. 55) erwähnten. 33. Die binomische Reihe und das R e c h n e n mit k l e i n e n Größen Binomische Reihe Die T a y l o r - R e i h e

f(x) = f(a) + / » (x -a)+f-^(x-

o)> +

läßt sich auch anders darstellen. Bezeichnen wir die Differenz x — a mit dem Buchstaben f , so ist x = a i, und die Reihe erhält die Form

f(a + f) = f(a) + /'(«)£

I2 +

A s m u s , Einführung in die höhere Mathematik. 3. Aufl.

£»+•••. 13

194

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Bedeutete x die Abszisse eines Punktes P im x, «/-Koordinatensystem (Fig. 107), so bedeutet £ seine Abszisse in einem um die Strecke a in Richtung der positiven «-Achse verschobenen ^-Koordinatensystem. Die zweite Schreibweise der T a y l o r - R e i h e ist besonders dann empfehlenswert, wenn man das Verhalten einer Kurve in unmittelbarer Nähe des Punktes mit der Abszisse a untersuchen will, f ist dann eine kleine Größe. Wir wollen nun die Funktion y = xn (wobei n auch Fig. 107 eine gebrochene Zahl bedeuten kann) in eine T a y l o r - R e i h e entwickeln, und zwar an der Stelle a = 1, weil dann yx=x = 1" = 1 von vornherein bekannt ist. Es ist f(x) = x» , /(1) = 1 , f'(x) = n a;"- 1 , /'(1) = », f"\x) = n(n— 1) xn~z, /"(1) = n (» - 1) , 3 f"'(x) = » (» - 1) (n - 2) x"~ /'"(l) = n (n - 1) (n - 2) usw. usw. und daraus folgt i(n — 1) *" = /(*) = /( l + f ) = (l + f ) " = l + » f 2! n(n —• 1) (n — 2 ) 3 (—1) (n — 2) (n — 3) 4 i f +' 3i 4! Benutzt man für die Ausdrücke i (n — 1) n(n—1)(»- -2) n, usw., 2! ' 3! die aus der Elementarmathematik bekannte Schreibweise so ist

( 1) '

(2) '

( 3 ) (Selesen:

n über

3

)

usw

->

33. Die binomische Reihe und das Rechnen mit kleinen Größen

195

und in ähnlicher Weise

+(;)•-+••••

Diese sogenannte b i n o m i s c h e Reihe hat im allgemeinen Falle unendlich viele Glieder. Ist dagegen n eine ganze positive Zahl, so bricht die Reihe nach einem bestimmten Gliede ab. So ist z. B.

Alle höheren Glieder, beginnend mit f 4 , verschwinden wegen des Faktors 0, und so erhält man (1 + £ ) 3 = 1 + 3 f + 3 !

a

+£»,

ein Ergebnis, das aus der Elementarmathematik bekannt ist. Rechnen mit kleinen Größen Die binomische Reihe läßt sich mit Vorteil beim praktischen Zahlenrechnen verwenden, wie einige Beispiele zeigen mögen. Es sei auszurechnen ^1,0027. Dieser Ausdruck läßt sich darstellen als ]/ 1,0027 = 1,0027' = (1 -f 0,0027 und läßt sich in eine Reihe entwickeln, wobei £ = 0,0027 und

n = g ist.

P 1,0027 = (1 +0,0027)3 = 1 J - { • 0,0027 +

3

|

2

3

• 0,00272

.

Rechnet man die einzelnen Glieder aus, so findet man p 1,0027 = 1 + 0,0009 - 0,00000081 H

.

Man sieht, daß in einem solchen Falle, wo £ eine kleine Größe ist, alle Glieder der Reihe nach dem zweiten wegen ihrer Kleinheit 13*

196

I- Teil. Funktionen einer Veränderlichen

fortgelassen werden können, so daß mit hinreichender Genauigkeit ]/ 1,0027 = 1,0009 ist. Dieses Ergebnis kann man leicht im Kopf oder mit dem Rechenschieber ohne Zuhilfenahme der Logarithmentafel ausrechnen. Allgemein gelten, wie man leicht durch Reihenentwicklungen zeigen kann, für kleine Werte £ u. a. folgende Näherungsformeln: r

L _ = ( l + f ) - i » l - f ,

r

L _ = ( l _ f ) - i « l

(1+1)2

}/T + | = ( l + #

« l + y f .

- ^ ^ ( i + f l - i « ! - ^ ,

+ f l

« l + 2 f ,

V 1 - f = (1 -

» l - i - f ,

Diese Formeln verwendet man zweckmäßig bei Korrekturrechnungen. Zwei physikochemische Beispiele hierzu! Das Vakuumgewicht eines Körpers. Ist K das Gewicht eines Körpers im Vakuum, QK seine Dichte, QL die Dichte der Luft und G das Vakuumgewicht der Gewichtsstücke mit der Dichte QQ, die man auf die analytische Waage legen muß, um in Luft das Körpergewicht abzugleichen, so gilt nach dem Prinzip von A r c h i medes K - Ak = G - Aa, wenn AR und A0 die Auftriebe von Körper und Gewichtsstücken in Luft bedeuten. Weiter ist dann

K =

G



33. Die binomische Reihe und das Rechnen mit kleinen Größen

197

ql Da nun in der Praxis —• und bei festen Körpern und Flüssigkeiten q ql o im Mittel auch — von der Größenordnung 10 - 4 sind, entwickeln 1 wir in eine binomische Reihe und erhalten 1

SK

So)

1-i*

Sk

K = G 1

So) SK W / Wieviel Glieder der Reihe muß man nun bei der Ausrechnung verwenden, wenn man die Wägegenauigkeit einer analytischen Waage berücksichtigt ? Bei einer Belastung von 100 g lassen sich noch 10 - 4 g = 0,1 mg 10-4 feststellen, der relative Wägefehler beträgt also - j ^ - = 10~6. QL

/ Qjr \2

—— hat die Größenordnung 10 - 4 , demnach die Größenordnung 10 -8 . Durch Vergleich dieser drei Zahlen sieht man, daß wohl das zweite, aber nicht mehr das dritte Glied mitgenommen werden muß. So erhält man einfach So / \

qk)

\

So

QK/J

Eigentlich müßte in der letzten Klammer noch das Glied SQSK

stehen, aber dieses ist ebenfalls von der Größenordnung 10~8 und braucht deshalb nicht berücksichtigt zu werden. Eine solche Abschätzung der Genauigkeit muß natürlich in jedem Falle vorgenommen werden, da jedes weggelassene Glied einen Fehler, jedes überflüssig mitgenommene unnütze Rechenarbeit verursacht. Näherungsform

der van

der

Waalssehen

Zustandsgleichung.

Wir wollen noch ein weiteres Beispiel für die Näherungsreelmung mit kleinen Größen anführen. Auf S. 88 hatten wir die v a n d e r WaalsscheZustandsgleichung für reale Gase kennengelernt, und wir haben auch gesehen, daß

198

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

die Auflösung dieser Gleichung nach V nicht einfach ist. Berücksichtigt man, daß die Konstanten a und b kleine Korrekturgrößen darstellen, so läßt sich ein Näherungsausdruck für V angeben. Es ist ( j » + f . ) ( P - 6 ) = -R2 , J

V =

RT

P

(l + pV i W a - T )

Da die Glieder ^ ^ und klein gegen 1 sind, folgt durch Anwendung der Näherungsformeln von S. 196 P V

pV'J \

P \

pV*

y

pVV'

Das letzte Glied in der Klammer kann, weil es noch kleiner als das zweite und dritte ist, vernachlässigt werden. ist also eine Näherungsgleichung für V, wobei die Klammerglieder -4U und ~ klein gegen 1 sind und daher kleine Korrekturgrößen P' " jit darstellen, die eine Abänderung der idealen Gasgleichung V = ---bewirken. In dieper Gleichung ist zunächst V teilweise durch sich selbst ausgedrückt, und man muß in den beiden Korrekturgliedern V durch p und T ausdrücken. Es genügt nun vollständig, RT

hierbei V durch zu ersetzen, also auf eine Korrektur der KorV rekturglieder zu verzichten. Man erhält so RT t

a b \ ^ RT _ R'T'IRT ~ „ P " I

a RT+"•

R T l Diese Gleichung werden wir noch später (S. 347) benötigen. P

5. KAPITEL

Unbestimmte Ausdrücke 34. Der Begriff des u n b e s t i m m t e n Ausdruckes Bei einer bimolekularen, vollständig verlaufenden Reaktion, wie es z. B. die Esterverseifung durch eine Lauge ist, gilt folgendes Gesetz. Sind a und b die zu Beginn der Reaktion zusammengebrachten Mengen des Esters und der Base, v das Reaktionsvolumen und x die in der Zeit t verseifte Estermenge, so muß für jeden Zeitpunkt (den Beweis siehe S. 278 bei der Integralrechnung) der Ausdruck v ~tt

1 , ln a — i. o

(a — x)b 71 (o — x)r a =

,

k

eine konstante Zahl sein. Man prüft eine Reaktion auf ihren bimolekularen Charakter hin durch die Untersuchung, ob der oben angegebene Ausdruck wirklich für beliebige Zeiten und beliebige Ausgangsmengen konstant ist. In e i n e m Falle versagt aber diese Prüfung. Geht man bei der Reaktion von stöchiometrisch äquivalenten Mengen aus (a = b), so ergibt sich für k i (a — x) a ^

K

-

t

a — a

-

t

0

~

t • 0 '

Man nennt einen solchen Ausdruck unbestimmt, denn jede beliebige Zahl bedeuten. Es ist ja 0 • 1 = 0 und damit formal 0 • 27 = 0 0•

a

—0

= 1, "ö" = =

27

a.

'

kann

200

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Den Wert des speziellen Ausdruckes (43) werden wir später, S. 279, feststellen. Natürlich ist ein solches Symbol nicht im Sinne einer üblichen Division aufzufassen, denn eine Division durch Null ist ausgeschlossen. Ein ganz ähnlicher Fall liegt vor bei der Untersuchung der elektrischen Leitfähigkeit wässeriger Lösungen starker Elektrolyte. Die spezifische Leitfähigkeit x (der reziproke Wert des spezifischen Widerstandes) von Schwefelsäure hat qualitativ als Funktion der Äquivalentkonzentration rj den in Fig. 47 auf S. 73 dargestellten Verlauf. Diese Größe kann experimentell bestimmt werden. Für den Chemiker ist jedoch die Äquivalentleitfähigkeit A wichtiger, die als Quotient von x und rj oder als Produkt aus x und der äquivalenten Verdünnung V als A = — = x • V gegeben ist. Um in einem Koordinatensystem A als Funktion von rj auftragen zu können, muß man die Werte x durch die zugehörigen Werte rj dividieren oder mit den entsprechenden Werten V multiplizieren und mit diesen so errechneten Zahlen dann die Kurve A = f(rj) zeichnen. E i n Punkt dieser Kurve läßt sich aber flicht berechnen, nämlich der Schnittpunkt mit der Ordinatenachse. Für r) = 0, also V = oo, ist auch x = 0 und damit A —

oder A = 0 • oo.

Es ist wieder ein unbestimmter Ausdruck, der sogar zwei verschiedene Formen aufweist. Und gerade der Schnittpunkt der Kurve.¡4 = f(rj) mit der Ordinatenachse ist besonders wesentlich: er stellt nämlich Ax, die sogenannte Äquivalentleitfähigkeit bei unendlicher Verdünnung dar, deren Kenntnis im Hinblick auf gewisse Theorien der elektrolytischen Leitfähigkeit von besonderer Bedeutung ist. Wir wollen noch ein letztes Beispiel für einen imbestimmten Ausdruck heranziehen. Es sei die Aufgabe gestellt, die Funktion a = N/U.L (a) == Np

34. Der Begriff des unbestimmten Ausdruckes

201

die wir auf S. 157 kennengelernt und auf S. 192 in eine Reihe entwickelt haben, graphisch darzustellen. Für jeden Wert von a läßt sich ff ausrechnen, nur für a = 0 nicht, denn hier wächst sowohl ßtg a als auch — über jeden angebbaren Betrag. Wir era

halten also auch hier einen unbestimmten Ausdruck, und zwar von der Form oo — oo. Dieser Ausdruck kann ebenfalls jeden

Fig. 108. Graphische Ermittelung des Wertes A m für T1N0 3 in wässeriger Lösung

beliebigen Wert haben. Wenden wir auf das Zeichen oo formal die üblichen Regeln an, so ist oo — oo = b, oo = b -f- oo, wobei b ein beliebiger endlicher Wert ist. Sein Hinzufügen zu Unendlich würde den unendlich hohen Wert nicht ändern. Natürlich darf man mit den Symbolen 0 und oo nicht in der Weise rechnen, wie wir es eben getan haben, denn diese Symbole (vor allem oo) bedeuten nicht dasselbe wie die üblichen Zahlensymbole 3, 5, 27 oder dergleichen. Was versteht man nun unter dem wahren Wert eines unbestimmten Ausdruckes ? Betrachten wir nochmals unser Leitfahigkeitsbeispiel!

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

202

Trägt man die wie oben angegeben berechnete Äquivalentleitfähigkeit der wässerigen Lösung eines starken Elektrolyten in einem Koordinatensystem gegen rj oder, was'noch zweckmäßiger ist, gegen ^ rj auf, so erhält man eine Kurve, die, sofern man im A, j/^-Koordinatensystem zeichnet, eine gerade Linie ist, wie es Fig. 108 für T1N0 S zeigt. Man kann nun den Punkt mit rj = 0 oder, was dasselbe ist, j/vy = 0 als Abszisse nicht berechnen, aber man kann an diesen Punkt beliebig nahe herankommen. Man kann also den Grenzwert lim — bestimmen, wenn x als Funktion von rj bekannt ist. Im Falle des graphischen Auftragens von A —

gegen J/-rj verlängert man die eingezeichnete Gerade ein-

fach bis zu ihrem Schnitt mit der A -Achse und nennt den Ordinatenwert A 00 den wahren Wert des unbestimmten- Ausdruckes von der Form

.

35. A u s w e r t u n g u n b e s t i m m t e r A u s d r ü c k e Die Ermittelung der wahren Werte unbestimmter Ausdrücke kann je nach dem vorliegenden Fall graphisch oder analytisch als eine Grenzwert-Bestimmung erfolgen. Mit der rechnerischen Ermittelung wollen wir uns jetzt befassen. Es sei die Funktion V =

x—5 x* — 25

gegeben. Der Ausdruck sotzt sich aus zwei Teilfunktionen zusammen: der Geraden yt = x — 5 und der Parabel 2 y% = z - 25. Die beiden Kurven schneiden die x-Achse bei x = 5 und daher nimmt y für x = 5 die unbestimmte Form -Q- an. Den Grenzwert ..

x—5

35. Auswertung unbestimmter Ausdrücke

203

auswerten, heißt, in der Nachbarschaft von x — 5 das Ordinatenverhältnis — bilden und untersuchen, welchem Wert sich dieses Vi Verhältnis bei Annäherung an die kritische Stelle nähert. Durch Aufstellung der kleinen Tabelle 14 finden wir, daß y bei Annäherung an die Stelle x = 5 offensichtlich dem Werte 0,100 zustrebt. Dieses Verhalten der Funktion wird durch die graphische Darstellung in Fig. 109 besonders deutlich. Der wahre Wert des unbestimmten Ausdruckes ist somit 0,100. Tabelle 14 X

3,0 4,0 4,5 4,8 4,9 5,0 5,1 5,2 5,5 6,0 7,0

y 0,125 0,111 0,105 0,102 0,101 0 _ = •> 0 0,099 0,098 0,095 0,091 0,083

Man kann diesen Wert natürlich auch durch exakte Rechnung finden. Zu diesem Zweck zerlegen wir x2 — 25 in zwei Faktoren, x — 5 und x + 5, und erhalten x— 5 x— 5 1 V = xt — 25 ~ {x — 5) (x + 5) = x+ 5 Durch das Kürzen ist die Unbestimmtheit an der Stelle x = 5 verschwunden, denn es ist jetzt

^?/ = 5T5 = Ä = 0'100Die Aufhebung der Unbestimmtheit kann in der Regel durch Anwendung elementarmathematischer Rechenmethoden nicht erfolgen. Es greift in solchen Fällen die Differentialrechnung ein, mit deren Hilfe unbestimmte Ausdrücke ausgewertet werden können.

204

I- Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Es sei y =

eine Funktion, die an der Stelle x = a die un-

bestimmte Form annimmt. Es ist also f(a) = 0 und gleichzeitig tp{a) = 0. Wir können nun sowohl f(x) als auch

d. h. die Ableitung einer Funktion sei mit dieser zahlenmäßig gleich, oder mit anderen Worten, es werde eine Kurve gesucht, bei der die Ordinate eines behebigen Punktes den gleichen Wert besitzt, wie die Neigung in diesem Punkte. Die Lösung errät man sofort. Die Exponentialfunktion y = ex befriedigt die Gl. (48), denn es ist ja dy_ dx

de? __ dx

x

_ y '

Ebenso findet man sofort die Lösung der Differentialgleichung (49)

g = 2 s ,

deren Sinn der ist, daß eine Kurve gesucht wird, bei der für jeden Punkt die Neigung doppelt so groß wie die Abszisse ist. Die Lösung lautet y = x2, denn differenzieren wir die gefundene Funktion, so erhalten wir die Ausgangsdifferentialgleichung. Allerdings muß gleich hinzugefügt werden, daß die gefundenen Lösungen nicht die einzig möglichen sind. Eine Lösung der Differentialgleichung (48) ist auch y = C ex und entsprechend im Falle der Gl. (49) y = x2 + C, wobei C in beiden Fällen jede beliebige konstante Zahl bedeuten kann, denn es ist dy d(Cex) •y- = - j — L = C ex = y dx dx

,

und

dy dx

d (x* + C) . dx

= 2x .

Man erkennt an diesen einfachen Beispielen, daß eine Differentialgleichung nicht e i n e , sondern u n e n d l i c h v i e l e Lösungen haben kann. Wir wollen diesen Tatbestand noch unter einem anderen Gesichtswinkel betrachten.

216

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Das Richtungsfeld Die beiden Gleichungen (48)

dy

und (49)

dx

sagen aus, daß Kurven gesucht werden, bei denen die Neigungen durch die obenstehenden Bedingungen gegeben sind. Es Hegt nun nahe, den Gin. (48) ? und (49) eine bestimmte geometrische Deutung zu geben und durch sie ein sogenanntes R i c h t u n g s f e l d zu definieren, wie es die Figg. 112 u. 113 zeigen. Fig. 112 stellt das durch Gl. (48) beschriebene Richtungsfeld dar. In einem rechtwinkligen Koordinatensystem stellt die Gleichung y=const eine Schar zur xFig. 112. Richtungsfeld Achse paralleler Gedy raden dar. Diese Gedx = y raden müssen nun von den gesuchten Kurven y — f(x) so geschnitten werden, daß die Neigimg der Kurven mit der Ordinate y gleich ist; die Steigung muß also (unabhängig vom «-Wert) mit zunehmendem Werte y — const immer größer werden, so wie es die Gesamtheit der kleinen, die Neigung andeutenden Pfeile (das Richtungsfeld!) in Fig. 112 angibt.

37. Das unbestimmte Integral

217

In gleicher Weise erhält man das durch 61. (49) definierte Richtungsfeld. Hier muß auf den Gieraden x = const die Neigung der gesuchten Kurven gleichbleibend sein, und zwar doppelt so groß wie der Wert x; bei negativen «-Werten ist die Neigung entsprechend negativ. Man erkennt leicht, daß bei einer genügend großen Anzahl eingezeich9c neter Richtungspfeile die gesuchten Kurven qualitativ zeichnerisch ermittelt werden können und man erl» t kennt desgleichen sofort, daß durch die Richtungsfelder jeweils ganze «. 3 Kurvenscharen festgelegt werden. So bestimmt das Richtungsfeld

*

/

dx

r = 2 i

dy

P

die Schar der Parabeln

2

y — x + C, wie man es anschaulich der Fig. 113 entnimmt. Im übrigen ist die Ermittelung der gesuchten Kurvenschar über die Zeichnung des Richtungsfeldes ein, wenn auch etwas grobes, aber als erste Näherung brauchbares graphischesVerfahren zum Auflösen von Differentialgleichungen.

Fig. 113. Bichtungsfeld dy dx

2 x

37. Das u n b e s t i m m t e I n t e g r a l Integration als Umkehrung der Differentiation Betrachten wir nochmals die spezielle Differentialgleichung ^ = 2 x, deren Lösung y = x2 -f- G wir erraten hatten. Diese Differentialgleichung ist vor anderen dadurch ausgezeichnet, daß sie aussagt, die Neigung der gesuchten Kurven sei nur eine Funktion der unabhängigen Veränderlichen. , Wie findet man aus dem ersten Differentialquotienten exakt die Funktion selbst ? Die Rechenoperation, die man zu diesem Zwecke durchführt, ist die Umkehrung der Differentiation und wird I n t e g r a t i o n genannt.

218

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

Das Integrieren ist als eine Umkehroperation des Differenzierens naturgemäß umständlicher als letzteres, ganz entsprechend, wie z. B. das Dividieren schwieriger als das Multiplizieren, das Radizieren schwieriger als das Potenzieren ist. Schon beim Radizieren ist die Ermittelung des Wertes einer höheren Wurzel nur auf einem Umwege über das Logarithmieren oder durch rein empirisches Probieren möglich; beim Integrieren handelt es sich eigentlich letzten Endes um ein Erraten der Lösung. Allerdings merkt der Geübte nicht, daß er das Ergebnis errät, da er sich gewisse Gruppen von Lösungen fest ins Gedächtnis eingeprägt hat. Daß das Integrieren keine eindeutige Operation ist, ist nicht besonders erstaunlich, schon das Ziehen einer Quadratwurzel führt ja zu zwei Ergebnissen. Während also das Radizieren ein zweideutiges Resultat liefert, ist das Ergebnis der Integration unendlich vieldeutig. Aber genau so wie beim Wurzelziehen oft nur e i n e Lösung einen naturwissenschaftlichen Sinn hat und die AusMahl zwischen beiden Lösungen nur auf Grund nichtmathematischer Überlegungen möglich ist, so muß man auch aus der durch die Integration erhaltenen Kurvenschar eine bestimmte Kurve durch besondere Überlegungen herausgreifen. Bezeichnungen und Symbolik Bei der Durchführung der Integration bedient man sich einer besonderen Symbolik, die am speziellen Beispiel ^ sprochen werden soll. = 2x

oder allgemein

^dx^

=

/

= 2 x be>

wenn die gesuchte Funktion mit F(x) und ihre Ableitung mit f(x) bezeichnet wird, erhält man dy = 2 xdx oder allgemein dF (x) = f{x)dx. Um vom Differential dy zur gesuchten Funktion selbst zu gelangen, integriert man und deutet diese Operation durch Vorsetzen des Zeichens / (Integralzeichen) an. / dy = y = f 2 xdx + C oder allgemein / dF(x) =F(x) = I f(x) dx .

37. Das unbestimmte Integral

219

Man nennt F(x) = / f(x) dx, also diejenige Funktion, die differenziert f(x), den sogenannten I n t e g r a n d e n , ergibt, das unb e s t i m m t e I n t e g r a l oder die S t a m m f u n k t i o n von f{x). Die Größe, nach der man die Stammfunktion differenzieren muß, um den Integranden zu erhalten, und die unter dem Integralzeichen hinter dem d (in unserem Beispiel x) steht, heißt I n t e g r a t i o n s v e r ä n d e r l i c h e oder I n t e g r a t i o n s v a r i a b l e . Die Konstante G schließlich trägt den Namen I n t e g r a t i o n s k o n s t a n t e . Die Zeichen f und d gehören zusammen und man darf beim Schreiben von z.B. f 2 xdx das dx nicht vergessen und statt dessen einfach f 2 x setzen. Bei einer solchen Schreibweise würde man gar nicht erkennen, wonach die Stammfunktion differenziert werden soll, um den Integranden zu ergeben. H a t der Integrand den Wert 1, wie in / dx = / 1 • dx + C, so sieht es (bis auf die Integrationskonstante C) so aus, als höben die Zeichen f und d in ihrer Wirkung aufeinander auf, ähnlich wie 3.

etwa die Zeichen y ]/ (a + b)s =

und ( ) 3 sich gegenseitig aufheben, z. B.

a+b.

Die symbolische Anwendimg der Integralzeichen bei der Differentialgleichung ~ = y gestaltet sich folgendermaßen. Nach der Umkehrregel ergibt sich zunächst ~ = — dy y

und hieraus

— dy = y

dx.

Wir denken uns nämlich x als Funktion von y und dann ist (50)

x = f j d y = kiy

+ C.

Die Funktion x = In y -)- C nach y differenziert (Größe hinter dem d unter dem Integralzeichen!) muß ja gerade — ergeben. Lösen wir Gl. (50) nach y auf, so folgt In y = x — C , y = ex-° = ex • e - c = aex ,

220

I. Teil. Punktionen einer Veränderlichen

denn wenn C eine Konstante war, ist auch a — e~° gleichfalls eine Konstante. Auch wenn es sich um eine kompliziertere Differentialgleichung handelt, wie z. B dy £=~xy> können wir mit Erfolg eine Integration durchführen. Zunächst bringen wir sämtliche x enthaltenden Größen auf die eine Seite der Gleichung, alle y enthaltenden auf die andere Seite. — dy = — x dx . y *

Man nennt das eine T r e n n u n g der V a r i a b l e n oder Trennung der Veränderlichen durchführen. Es ist dies ein zur Auflösung einfacherer Differentialgleichungen, wie sie vorwiegend bei mathematischer Behandlung chemischer Probleme auftreten, oft benutztes Verfahren. Wir denken uns nun eine unbekannte Funktion z, die einerseits durch x ausgedrückt, andererseits auch in y geschrieben werden kann, und deren Differential dz sowohl (51)

dz = y

dy

als auch (52) dz — — x dx ist. Die Differentialquotienten der unbekannten Funktion z lauten also dz 1 -3- = — dy y

,

dz dx

und

-j- = — x .

Aus Gl. (51) folgt (53)

z = J j d y = lny

+GX

und aus Gl. (52) (54)

z = - J x d x

=

-

f

+

C2,

wie durch Differenzieren nach y und x nachgeprüft werden kann. Aus (53) und (54) folgt z = \ny+C1=

+C2

37. Das unbsatimmts Integral

221

und durch Zusammenziehen beider Integrationskonstanten ergibt sich In y = - - y + C , - C und hieraus

1

= - - f + C r1



(55)

i/ = e

2

•e =ae c

2

.

Bei den drei im vorstehenden durchgeführten Integrationen erhielten wir, wie bereits erwähnt, nicht die Gleichungen von Kurven, sondern von ganzen Kurvenscharen. So ist z. B . die Gl. (55) der analytische Ausdruck für eine Schar von Glockenkurven (vgl. S. 149). Wenn man sich nun für eine bestimmte Kurve interessiert, so muß man der unbestimmten Konstanten a einen definierten Wert geben. Dieser läßt sich festlegen, wenn man einen Punkt durch seine Koordinaten angeben kann, durch den die spezielle gesuchte Kurve hindurchgeht. Von dieser möge etwa bekannt sein, daß sie die Ordinatenachse bei y = 2 schneide. Es sind dann x =- 0 und y = 2 die Koordinaten eines Punktes der Kurve und daher muß gelten 0 2

und daraus folgt

=

a e

=

2

GL

= =

a

• 1

¿t

Die gesuchte Kurve wird also in ihrem Verlauf bestimmt durch die Gleichung y =

2e

Zwei allgemeine Integrationsregeln Soll eine Summe von Funktionen integriert werden, also F ( x ) ^ J [ f

1

( x ) + f

2

( x ) + f

3

( x ) ] d x

bestimmt werden, so läßt sich leicht zeigen, daß /

[/i

(*)

+

U («)

+

h

(«)]

dx

=

J f

l

(X)

d x + j f

2

(x)

d x + f f

3

(X)

dx

ist, daß man also eine Funktionssumme integriert, indem man jeden einzelnen Summanden integriert. Diese Regel ist nichts weiter als die Umkehrung der Regel über die Differentiation einer Summe von Funktionen.

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

222 E s ist also

z.B. x

¡(2 x + e ) dx = f 2 x d x + f e

x

d x = x

2

+ e

x

+ C ,

wie m a n durch rückwärtiges Differenzieren leicht n a c h p r ü f e n k a n n . Eine weitere Regel allgemeinen I n h a l t e s besagt, d a ß ein k o n s t a n t e r F a k t o r vor das Integralzeichen gezogen werden darf. f af(x) dx = a f f(x) dx . Auch diese Regel ist n u r eine U m k e h r u n g der Differentiationsregel d[aF(x)] _ dF(x) dx dx So ist z. B. ein Ergebnis, das m a n ebenfalls leicht durch Differentiation nachp r ü f e n kann, denn die Ableitung von-=- + 0 ist x u n d die Verdoppelung dieses Zwischenergebnisses liefert den Ausgangsintegranden 2 x. Wiederholte Integration Bei den im vorhergehenden besprochenen Grundlagen der I n t e gralrechung wurde angenommen, d a ß die erste Ableitung einer F u n k t i o n gegeben ist u n d die S t a m m f u n k t i o n gesucht wird. E s ist n u n durchaus möglich, d a ß nicht über die erste, sondern über die zweite Ableitung einer F u n k t i o n eine Aussage g e m a c h t wird und die Aufgabe gestellt ist, die U r f u n k t i o n zu ermitteln. Wir wollen der Einfachheit halber annehmen, d a ß der zweite Differentialquotient als F u n k t i o n der unabhängigen Variablen gegeben ist, etwa d2v d2v = f(x). — 2 x oder in allgemeiner F o r m ax (Lx D a n n ist

38. Bestimmtes Integral und sein Zusammenhang mit dem unbestimmten

223

Man erkennt, daß bei der zweifachen Integration zwei Integrationskonstanten auftreten (entsprechend mehr, wenn man bei der wiederholten Integration von einem noch höheren Differentialquotienten ausgeht). Will man daher aus der ermittelten Kurvenschar eine bestimmte Kurve herausgreifen, so genügt nicht mehr die Angabe eines Punktes dieser Kurve, denn damit läßt sich nur eine Konstante ermitteln. Man muß in diesem Falle noch die Koordinaten eines zweiten auf der Kurve gelegenen Punktes kennen oder die Neigung der Kurve in einem bekannten Punkte angeben können. 38. Das b e s t i m m t e Integral und sein Z u s a m m e n h a n g mit dem u n b e s t i m m t e n Integration als Summenbildung Kehren wir noch einmal zu dem auf S. 213 angedeuteten Problem der elektrolytischen Abscheidung durch einen in seiner Stärke zeitlich veränderlichen Strom zurück! /

Fig. 114. Darstellung einer Elektrizitätsmenge als Fläche bei zeitlich konstanter Stromstärke

Fig. 115. Darstellung einer Elektrizitätsmenge als Fläche bei zeitlich veränderlicher Strom3bärke

Bei konstanter Stromstärke i 0 war die in der Zeit At = tE — tA abgeschiedene Menge Am gegeben als Arn = Ä i0At. Zeichnen wir uns den zeitlichen Verlauf der Stromstärke i0 in einem Koordinatensystem auf (Fig. 114), so erkennen wir sofort, daß ^y- = i0- At dargestellt wird durch den Inhalt der unter der Kurve

224

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

i — i0 liegenden schraffierten Fläche, die seitlich von den Ordinaten, die zu den Abszissenwerten tA und tE gehären, begrenzt wird. Ist nun die Stromstärke veränderlich, so wird auch in diesem Falle, die während der Zeit tB — ¿¿ abgeschiedene Menge Am dividiert durch das elektrochemische Äquivalent Ä gegeben sein als

Fig. 116. Näherungsweise FlächeninhaltsermittelungdurchBildung der Unter- bzw. Obersumme von drei Rechtecken

Fig. 117. Näherungsweise Flächeninhaltsermittelung durch Bildung der Unter- bzw. Obersumme von sechs Rechtecken

der Inhalt der schraffierten Fläche in Fig. 115. Es ist dann die Aufgabe zu lösen, die die während der Elektrolyse übergegangene Ladungsmenge darstellende Fläche zu ermitteln. Teilen wir, wie es in Fig. 116 geschehen ist, das Zeitintervall tE — tA in drei gleiche Teile und zeichnen einerseits die Rechtecke II», III u sowie /g, II0 und III0, so erkennen wir, daß in beiden Fällen der Inhalt der gesuchten Fläche und damit die übergegan-

38. Bestimmtes Integral und sein Zusammenhang mit dem unbestimmten 225

gene Ladung n ä h e r u n g s w e i s e ermittelt werden kann als Summe der drei Rechtecke, also ~

« Iu + Ilu + IIIU =

• At + i2 • At + i3 • At

= (h + H + i*)At und desgleichen wobei stets

/„ +

. ^

A

^/„+//„+///„,

II0 + III0 > ~ A

>/„+//» +

IUu

sein wird. Teilt man das betrachtete Zeitintervall tE — tA statt in drei, in sechs (wie es in Fig. 117 geschehen ist) Unterintervalle, so erkennt man, daß die Summe der sechs Rechtecke den gesuchten Flächeninhalt schon wesentlich besser wiedergibt als die Summe von den drei Rechtecken. Die Annäherung wird um so genauer, je größer die Anzahl der Rechtecke gewählt wird. Dabei nähert sich bei diesem Prozeß, bei dem zwar die Zahl der Rechtecke n immer größer, dagegen die Breite At der einzelnen Streifen immer kleiner wird, sowohl die Obersumme / „ + H q + H I o + • • • als auch die Untersumme Iu -f- / / „ + IIIU + • • • dem gesuchten Flächenwert. So können wir diesen als den Grenzwert betrachten, dem sich die Ober- and Untersumme nähern, wenn n nach Unendlich, At dagegen nach Null geht. Also symbolisch geschrieben ist F = ^y — lim (¿i + ¿2 + ¿3 + ''" *») At = lim Y' ik • At. n —• ro n—> co ^ At-t-0 dt-h 0 tE Für dieses Symbol schreibt man auch einfacher J i dt und *A nennt es ein b e s t i m m t e s I n t e g r a l über i • dt in den Grenzen tA bis tß (untere bzw. obere Grenze). Das Zeichen f ist ein stilisiertes S und soll an die Summenbildung erinnern. tß J i dt wird übrigens in einem Coulometer oder AmperestundenU Zähler durch elektrochemische oder elektrodynamische Wirkungen automatisch bestimmt. A s m u s , Einführung in die höhere Mathematik. 3. Aufl.

15

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

226

Der innere Zusammenhang von bestimmtem und unbestimmtem Integral Die Verwendung desselben mathematischen Zeichens und desselben Namens deutet darauf hin, daß zwischen dem bestimmten und dem unbestimmten Integral eine enge Beziehung besteht. Diesen inneren Zusammenhang zwischen der Grenzwertbestimmung einer Summe und der Umkehrung der Differentiation wollen wir jetzt herausarbeiten.

Das bestimmte Integral läßt sich geometrisch als Fläche unter einer Kurve deuten und sein Wert hängt von der Wahl der Grenzen X

ab. f f(t) dt ist der Inhalt der waagerecht schraffierten Fläche in a

Fig. 118 und ist bei festgehaltener unterer Grenze a eine Funktion der oberen Grenze x. (Die Integrationsveränderliche ist zur eindeutigen begrifflichen Unterscheidung von der Integrationsgrenze x mit dem Buchstaben t bezeichnet.) Diese Funktion wollen wir z (56) F(x) = / f(t) dt a

nennen. Der Wert dieser Funktion nimmt in unserem Falle zu, wenn die obere Grenze x weiter nach rechts hinausrückt, also x einen größeren Zahlenwert annimmt.

38. Bestimmtes Integral und sein Zusammenhang mit dem unbestimmten 227

X + AX

Entsprechend bedeutet F(x

\-Ax)

=ff(t)dt a

die unter der Kurve y = f(t) befindliche Fläche zwischen den Ordinaten bei t = a und t = x + Ax. Der Zuwachs der in Gl. (56) definierten Funktion ist demnach X + Ax X AF(x)

=F(x

+ Ax) - F ( x ) = f f ( t ) d t - J a

f(t)dt

a

und wird geometrisch durch den Inhalt der schräg schraffierten Fläche wiedergegeben. Diese schräg schraffierte Fläche läßt sich inhaltsgleich in ein Rechteck von der Breite Ax und einer Höhe /(£), also dem Flächeninhalte AF(x) = /(£) • Ax verwandeln. Der Schnittpunkt D der in £ errichteten Senkrechten mit der Kurve y — f{t) liegt dann zwischen B und C. Der Differenzenquotient unserer neu definierten Fanktion_F(a;) ist AF(x) Ax

F(x + Ax)-F(x) Ax

^ ^ J f(t) d t - f f (l) dt]

und wird dargestellt durch die Länge der gestrichelt gezeichneten Ordinate y = /(£). Fragen wir nun nach dem Differentialquotienten unserer Funktion F(x), so ist er symbolisch wiedergegeben durch

^ -m;**?.-™ - an.tfp« * -j™ -) Geometrisch bedeutet der Grenzübergang, daß der Punkt C behebig nahe an B heranrückt; damit wird die zusätzliche (schräg schraffierte) Fläche immer kleiner und damit auch das gleichgroße Rechteck /(£) • Ax. Der Punkt D rückt, da er zwischen B und C liegt, mit C zusammen auf B zu. Der Differenzenquotient

^ ^

dargestellt durch die Ordinate /(£), geht damit in der Grenze in JTp

den Differentialquotienten

^

/

r

\

über und dieser wird nun durch

die Ordinate y = f(x) wiedergegeben. 15*

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen

228 So ist also

dF(x)

(57) dx Damit ist gezeigt, daß das bestimmte und das unbestimmte X

Integral wesensgleich sind, denn F(x) —j f(t) dt war definiert als eine Summe, und zwar als * n F(x)

=

x

Hm y f ( t ) t •At *-* " *=1 At-t-0

=

Jf(t)cU a

und ergibt sich nun aus Gl. (57) durch Umkehrung der Differentiation zu F(x)

= / f ( x ) d x + C

Die Bildung der Flächensumme unter einer Kurve ist also inhaltlich gleichbedeutend mit der Frage nach der Stammfunktion, deren Ableitung durch die Kurve, unter der die Fläche bestimmt werden soll, dargestellt wird. Vergegenwärtigen wir uns noch einmal an Hand einer Zeichnung das soeben Gesagte. I n Fig. 119 sind in Zwei Koordinatensystemen eine Funktion F(x) und ihre Ableitung

dF(x) dx

dargestellt.

Kennt man den Verlauf der die Funktion F(x) darstellenden Kurve I, so läßt sich durch Ermittelung der Tangentenneigung für einen beliebigen Punkt der Wert dF (x) dx

feststellen und so die

Kurve I I zeichnen. a

X

Ist umgekehrt der Verlauf Fig. 119. Ermittelung der Stanunfunktion durch Flächeninhaltsbestimmungen unter der Ableitung bekannt dem Integranden

38. Bestimmtes Integral und sein Zusammenhang mit dem unbestimmten 229

und soll die Stammfunktion F(x) ermittelt werden, so läßt sich die die Stammfunktion darstellende Kurve punktweise zeichnen, wenn man folgenden Weg einschlägt. Von a ausgehend wird unter der Ableitungskurve der Flächeninhalt eines Streifens ermittelt, der rechts von der Ordinate ' * i in x begrenzt wird. Verlegt man nun die rechte Begrenzung des Streifens immer weiter nach rechts, macht also x immer größer, so erhält man eine Folge von Zahlen für die Flächeninhalte der immer größer werdenden Streifen. Zeichnet man die so ermittelten bestimmten Integralwerte mit der variablen oberen Grenze x als Funktion von x auf, so f(x)i erhält man die Kurve I, allerdings in einem um das Stück F(a) nach oben verschobenen, gestrichelt gezeichneten Koordinatensystem. Da wir die Zählung der Flächeninhalte erst bei a begonnen haben, hat die ermittelte Stammfunktion bei a den Wert Null. Jede zu Fig. 120. Das bestimmte Integral der so ermittelten Kurve paals Fläche bzw. Ordinatenzuwachs rallel verschobene stellt eine Stammfunktion von f(x) =

dF(x) dx

dar, denn alle diese Fiink-

tionen ergeben differenziert f(x). Es tritt also bei der Umkehrung des Differenzierens, auch wenn wir sie geometrisch als Flächenermittlung unter der Ableitungskurve deuten, eine unbestimmte Integrationskonstante auf. Diese Konstante hat im vorliegenden Falle den Wert F(a). Die Bestimmung eines Streifenflächeninhaltes unter der Ableitungskurve gibt uns zahlenmäßig nur den Ordinatenzuwachs AF bei einer Stammfunktion zwischen den Abszissen a und x

230

I. Teil. Funktionen einer Veränderlichen b

Das bestimmte Integral f f(x) dx läßt sie 1 demnach (Fig. 120) a

geometrisch in doppelter Weise deuten: 1. als Fläche unter der die Funktion f(x) darstellenden Kurve zwischen den zu a und b gehörenden Ordinaten, 2. als Ordinatenzuwachs F(b) — F(a) bei einer Stammkurve F(x) — j f(x) dx + C bei beliebigem Wert der Integrationskonstanten. Auswertung bestimmter Integrale Nachdem nun das bestimmte Integral auf das unbestimmte zurückgeführt worden ist, wird seine Ermittelung leicht. Es sei die Aufgabe gestellt, den Flächeninhalt der durch Schraffur gekennzeichneten Figur unter der Parabel y = x2 zu ermitteln, die seitlich von den Ordinaten bei x = 1 und x = 2 begrenzt wird (Fig. 121). Es ist dieser Flächeninhalt 2

2

F = f y dx = J x2dx. l I Fig. 121. Flächeninhalts- Wir wissen, daß der Flächeninhalt F bestimmung unter der Parabel z a h i e n m ä ß i g dargestellt wird durch den Ordinatenzuwachs einer Funktion, deren erste Ableitung x2 ist, zwischen den Abszissen x = 1 und x = 2. Wir finden zunächst diese Funktion durch Ausführung der Integration, ohne daß die Grenzen besonders beachtet werden. Die gesuchte Funktion lautet dann (wie man sich durch Rückwärtsdifferentiation überzeugt)

F(x) = f +

c,

und ihre Werte sollen die Flächeninhalte der Streifen unter der Parabel angeben, die links bei x = 1 beginnen und nach rechts bis zur behebigen Abszisse x reichen. Diese Festsetzung gestattet es uns, die Integrationskonstante C zu bestimmen. Bei x = 1, wenn also die obere Grenze des Integrals mit seiner unteren zu-

38. Bestimmtes Integral und sein Zusammenhang mit dem unbestimmten 2 3 1

sammenfällt, ist noch kein Streifen vorhanden, daher muß F( 1) den Wert Null haben. Es ist demnach 2?(l) = O = y + 0

oder