Dresden: Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme [Reprint 2021 ed.] 9783112576403


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INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
AUTORENVERZEICHNIS
VERZEICHNIS DER SUCHPUNKTE
Überschau
Naturräumliche Feingliederung
Klimatische Besonderheiten
Vegetation
Tierwelt
Der Siedlungsraum
Siedlungsgang in ur- und frühgeschichtlicher Zeit
Gründung Dresdens und historische Züge im Bild der Stadt
Differenzierung des Stadtgebiets im ig. und 20. Jahrhundert
Überblick zur baugeschichtlichen Entwicklung
Zerstörung und Wiederaufbau
Zur Geschichte der Arbeiterbewegung
Einzeldarstellung
A Stadtkern der Altstadt
B Innere Vorstädte der Altstadt
C Äußere Vorstädte der Altstadt
D Innere Neustadt
E Äußere Neustadt
F Nordwestliche Vororte
G Nördliche Vororte
H Der Nordosten
J Nordöstliche Vororte an der Elbe
K—M Der Osten bis Südosten
N/O Der Süden
P Der Westen
Q Der Altstädter Nordwesten
Anhang
A. Einwohnerzahlen vom 16. bis 20. Jahrhundert
B. Gedenkstätten der Arbeiterbewegung
C. Baumarten auf Straßen und in Parkanlagen
D. Literaturverzeichnis
E. Abbildungsverzeichnis
F. Verzeichnis der Personennamen
G. Verzeichnis der topographischen Namen
Tafeln
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Dresden: Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme [Reprint 2021 ed.]
 9783112576403

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DRESDEN

Akademie der Wissenschaften der DDR Institut für Geographie und Geoökologie Arbeitsgruppe Heimatforschung

Werte unserer Heimat Heimatkundliche Bestandsaufnahme in der Deutschen Demokratischen Republik

Band 42

Dresden Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme Von Alfred Hahn und Ernst Neef

Mit 51 Abbildungen, 32 1

Kunstdrucktafeln, Übersichtskarte

Akademie-Verlag • Berlin 1984

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats f ü r Heimatforschung des Instituts für Geographie und Geoökologie der Akademie der Wissenschaften der D D R Prof. Dr. habil. Dr. eh. E d g a r Lehmann, Leipzig (Geographie, Vorsitzender), Prof. Dr. sc. Heinz Lüdemann, Leipzig (Geographie, Direktor des Instituts), Prof. Dr. habil. Ludwig Bauer, Halle (Geographie, Naturschutz), Dr. habil. Karlheinz Blaschke, Dresden (Gesehichte), Prof. Dr. sc. Werner Coblenz, Dresden (Ur- und Frühgeschichte), Prof. Dr. sc. K a r l Czok, Leipzig (Geschichte), Prof. Dr. habil. Ernst Ehwald, Eberswalde (Bodenkunde), Prof. Dr, E d g a r Lehmann, Berlin (Kunstgeschichte), Prof. Dr. habil. Hermann Meusel, Halle (Botanik), Prof. Dr. sc. Günter Möbus, Greifswald (Geologie), Prof. Dr. Hans Nadler, Dresden (Denkmalpflege), Prof. Dr. habil. E r n s t Neef. Dresden (Geographie), Prof. Dr. Werner Radig, Berlin (Hausforschung), Dr. sc. Rudolf Weinhold, Dresden (Volkskunde), Dr. sc. Dietrich Z ü h l k e t , Dresden (Geographie)

Leitung der wissenschaftlichen Bearbeitung und Redaktion: Dr. sc. Dietrich Zühlke t , Akademie der Wissenschaften der D D R , Institut für Geographie und Geoökologie, Arbeitsgruppe Heimatforschung, 8010 Dresden, Augustusstr. 2

Erschienen im Akademie-Verlag, D D R - 10S6 Berlin, Leipziger Straße 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1984 Lizenznummer: 202 • 100/151/84 Printed in the German Democratic Republic Gesamtherstellung: V E B Druckhaus „ M a x i m G o r k i " , D D R - 7 4 0 0 Altenburg L S V 5235 • P 1 2 1 / 8 3 Bestellnummer: 754 050 6 (2084/42) 01250

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort Autorenverzeichnis Verzeichnis der Suchpunkte Überschau Der Naturrahmen Erdgeschichtliche Grundlagen Naturräumliche Feingliederung Klimatische Besonderheiten Vegetation Tierwelt Der Siedlungsraum Siedlungsgang in ur- und frühgeschichtlicher Zeit Gründung Dresdens und historische Züge im Bild der Stadt Differenzierung des Stadtgebiets im 19. und 20. Jahrhundert Überblick zur baugeschichtlichen Entwicklung Zerstörung und Wiederaufbau Zur Geschichte der Arbeiterbewegung Einzeldarstellung Anhang A. Einwohnerzahlen vom 16. bis 20. Jahrhundert B. Gedenkstätten der Arbeiterbewegung C. Baumarten auf Straßen und in Parkanlagen D.Literaturverzeichni s E. Abbildungsverzeichnis F. Verzeichnis der Personennamen G. Verzeichnis der topographischen Namen

. . . . . . . .

VII IX XI 1 3 3 5 11 12 16 19 19 22 26 30 35 45 55 240 240 243 248 251 256 258 266

V

VORWORT

Die langjährige Beschäftigung mit der geschichtlichen Entwicklung Dresdens während der Tätigkeit von Herrn Alfred Hahn als Lehrer und Stadtarchivar fand ihren Niederschlag in einem für die Zwecke der heimatkundlichen Bestandsaufnahme 1950 — 55 geschaffenen inhalts- und umfangreichen Manuskript über die Stadt. Da sich um diese Zeit der Wiederaufbau der zerstörten Stadt noch in seinem Anfangsstadium befand, hätte eine Veröffentlichung damals im wesentlichen nur die historischen Perioden in der Entwicklung Dresdens berücksichtigen können. Da aber das Werden und die Perspektive auch der sozialistischen Stadt im Sinne einer umfassenden Bestandsaufnahme nicht unberücksichtigt bleiben sollten, mußte die Veröffentlichung noch aufgeschoben werden. Die Zeit wurde genutzt, um das Manuskript auf einen für die Drucklegung vertretbaren Umfang zu reduzieren, eine Fassung, die Alfred Hahn zu Lebzeiten 1971 noch autorisiert hat. In der Folge haben Fachwissenschaftler Spezialbeiträge mit besonderer Blickrichtung abgefaßt und fehlende Sachverhalte ergänzt. Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Heimatforschung waren um eine Aktualisierung der Aussagen des Hahnschen Manuskriptes bemüht. Außerdem konnte mit Hilfe der beratenden und begutachtenden Tätigkeit der Dresdner Arbeitsstelle des Instituts für Denkmalpflege eine Form gefunden werden, die bei der Stadt Dresden außerordentlich große Fülle der Bau- und Kunstdenkmäler in einem noch vertretbaren Rahmen zu würdigen. In diesem Fall wie auch bei verständlichen Wünschen nach weitergehenden Fakten zur geschichtlichen Entwicklung muß auf Spezialliteratur verwiesen werden. Die Methodik der Buchreihe verlangt diese Beschränkung; doch mit der Neugliederung der Einzeldarstellung wurde ein Ausgleich versucht, der das entwicklungsgeschichtliche Phänomen und die vielfältigen strukturmäßigen Beziehungen innerhalb des Stadtkomplexes berücksichtigt. Die in den Bänden 9, 21, 22 und 27 bereits ausführlich beschriebenen Vororte wurden mit Kurzfassungen einbezogen. Wir können Herrn Prof. Dr. Ernst Neef nicht dankbar genug sein, daß er als kompetenter Dresdner Geograph die Bitte erfüllte, das Manuskript in eine endgültige Fassung zu bringen, die durch sinnvolles Inbeziehungsetzen von vorhandenen Beiträgen mit seinen eigenen Landschaft und Kulturgeschichte dieser einzigartigen Stadt, ihre Physiognomie, ihre wesentliche Struktur, aber auch bemerkenswerte Details lebendig werden läßt. Der Ruhm, den Dresden über die Grenzen unseres eigenen Landes hinaus in aller Welt genießt, machte die Herausgabe eines Bandes über diese Stadt in der Reihe „Werte unserer Heimat" nicht einfach. Um so dankbarer dürfen wir VII

der verständnisvollen Mitwirkung der A u t o r e n s c h a f t über einen verhältnism ä ß i g langen Zeitraum gedenken. Aber auch ohne vielfältige Hilfestellungen örtlicher I n s t i t u t i o n e n h ä t t e das W e r k nicht vollendet werden können, so d a ß wir u n s — stellvertretend f ü r weitere — b e d a n k e n beim Botanischen Garten, beim B ü r o des S t a d t a r c h i t e k t e n , beim I n s t i t u t f ü r Denkmalpflege, Arbeitsstelle Dresden, beim Staatsarchiv Dresden u n d bei den Staatlichen Kunstsammlungen. Herzlichen D a n k wissen wir auch zwei mit der S t a d t besonders eng v e r b u n d e n e n u n d v e r t r a u t e n Wissenschaftlern, d e m Architekten u n d leitenden D e n k m a l pfleger Prof. Dr. H a n s Nadler u n d dem Historiker u n d emeritierten Direktor des S t a a t s a r c h i v s Dr. H o r s t Schlechte, d a ß sie sich der Mühe der abschließenden Durchsicht des gesamten Manuskriptes unterzogen; als Ergebnis ihrer umfangreichen Sachkenntnis k o n n t e n zahlreiche Verbesserungen, Berichtigungen u n d E r g ä n z u n g e n in die E n d f a s s u n g einfließen. Prof. Dr. sc. H. Lüdemann

VIII

Prof. Dr. habil. Dr. eh. E. Lehmann

Dr. sc. D. Zühlkef

AUTORENVERZEICHNIS

Alfred Hahnf Prof. Dr. habil. Ernst Neef, 8019 Dresden, Florian-Geyer-Straße 44 Spezialbeiträge von: Prof. Dr. sc. Werner Coblenz, Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden (Ur- und Frühgeschichte) Dr. Werner Hempel, Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der D D R , Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz Halle, Zweigstelle Dresden (Botanik) Dipl.-Ing. Johannes Hunger, Büro des Stadtarchitekten Dresden (Zerstörung und Wiederaufbau) Hans F. Kammeyerf (Baum- und Gehölzarten) Dr. Walter May, Deutsche Fotothek Dresden (Überschau: Baugeschichtliche Entwicklung) Rolf Otte, Museum für Geschichte der Stadt Dresden (Geschichte der Arbeiterbewegung) Dr. habil. Heinz Schiemenz, Akademie der Landwirtschaftswissenschaften, der D D R , Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz Halle, Zweigstelle Dresden (Zoologie) Prof. Dr. sc. Hans Walther, Wissenschaftsbereich Namenforschung der KarlMarx-Universität Leipzig (Ortsnamen) Textbearbeitung: Dr. sc. Dietrich Zühlkef und Dr. Werner Schmidt Kartenredaktion: Dipl.-Geogr. Joachim Bieler und Dr. Werner Schmidt Manuskript abgeschlossen am 15. 4. 1981

IX

VERZEICHNIS DER SUCHPUNKTE

Die Nummern entsprechen denen am Rande des Textes sowie denen auf der Ubersichtskarte Stadtkern der Altstadt . . Gründungszeit Altstadt als Festung . . . Entwicklung zur City . . Neuaufbau

55 55 58 61 62

Zwinger Theaterplatz Schloßkomplex Neumarkt Brühische Terrasse . . . Elbe Neu erbaute Altstadt. . .

64 70 73 76 78 81 84

Innere Vorstädte der Altstadt

87

1 Pirnaische Vorstadt . . . 2 Seevorstadt 3 Wilsdruffer Vorstadt . .

87 91 93

1 2 3 4 5 6 7 B

E E

Äußere Neustadt

Nordwestliche Vororte .

C

Äußere Vorstädte der Altstadt 1 Friedrichstadt 2 Industriegasse westens 3 Südvorstadt 4 Großer Garten 5 Johannstadt

D D

Innere Neustadt 1 2 3 4 5

99

G

99 des

Süd107 108 114 118

. .

Neustädter Markt . . Straße der Befreiung Japanisches Palais Nord-Süd-Achse . . Ehemaliger Festungsring

124 126 127 129 131 132

1 2 3 4

H H

J J

133 134 136 138 143

.144

144 1 Kaditz 2 Elbwinkel südlich der Flutrinne 148 3 Ubigau und Mickten . . . 150 4 Pieschen 152 5 Trachau 155 6 Trachenberge 157

G C

133

1 Leipziger Vorstadt (Neudorf) 2 Neustädter Bahnhof und Umgebung 3 Mittlerer Norden . . . . 4 Beiderseits der Bautzner Straße 5 Äußerer Norden . . . . .

F F

. . . .

1 2 3 4

Nördliche Vororte . . . .

159

Wilschdorf Rähnitz Hellerau Klotzsche

160 160 160 161

Der Nordosten

161

Dresdner Heide Weißer Hirsch Bühlau Rochwitz

161 163 164 164

Nordöstliche der Elbe 1 Loschwitz 2 Wachwitz 3 Niederpoyritz

Vororte

an 164 165 170 170 XI

J

4 5 6 7

Hosterwitz Pillnitz Oberpoyritz Söbrigen

170 170 170 171

K— M Der Osten bis Südosten

171

K

1 2 3 4 5 6

Striesen Neugruna Blasewitz Tolkewitz Laubegast Zschieren

172 175 176 178 181 181

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Gruna Seidnitz Dobritz Leuben Niedersedlitz Großzschachwitz Kleinzschachwitz Sporbitz Meußlitz

181 183 184 185 187 189 189 189 190

1 2 3 4 5 6 7 8

Strehlen Reick Torna Prohlis Nickern Lockwitz Kleinluga Großluga

L

¡VI

. . . .

190 192 194 194 197 197 198 198

N - O Der Süden

198

N

199

XII

1 Zschertnitz

N

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

O

1 2 3 4 5 6

P P

1 2 3 4 5 6

Q Q

Räcknitz Kleinpestitz Kaitz Mockritz Leubnitz-Neuostra Gostritz Nöthnitz Rosentitz Boderitz Cunnersdorf Plauen Hoher Stein Plaüenscher G r u n d . Coschütz Heidenschanze Gittersee

200 203 203 205 . . . 206 210 210 211 212 212

. .

213 215 .216 219 221 222

Der Westen

223

Löbtau Wölfnitz Gorbitz Naußlitz Roßthal mit Neunimptsch Dölzschen

223 226 226 228 229 230

Der Altstädter Nordwesten 2 3 1 1 2 3 4 5 6

Cotta Leutewitz Omsewitz Briesnitz Kemnitz Stetzsch

. . . . . . .

231 234 236 236 238 239

Überschau

Dresden wird mit Recht als eine der schönsten Städte der Erde gerühmt. In der glücklichsten Weise verbinden sich hier der Naturrahmen und das reiche Kulturwerk der Stadt mit ihren Kostbarkeiten. Diese einzigartige Kombination von Natur und Menschenwerk ist das Ergebnis der geschichtlichen Entwicklung im doppelten Sinne. E s ist einmal die E r d g e s c h i c h t e , die durch eine Folge bedeutender Ereignisse, insbesondere auch der jüngsten geologischen Vergangenheit, verschiedenartige Bildungen auf engem Raum und damit den Formenreichtum der Dresdner Landschaft entstehen ließ. Es ist das Ergebnis zugleich der K u l t u r g e s c h i c h t e bzw. der Stadtgeschichte, die der Gegenwart als Erbe vieler schöpferischer Generationen in einander ablösenden Gesellschaftsordnungen eine Stadtgestalt voller Reize und Schönheiten hinterließ. Mit diesem Erbe muß sich unsere Zeit auseinandersetzen, Wertvolles bewahren und das Ganze als eine den heutigen Lebensbedingungen entsprechende Großstadt weiterentwickeln oder umbauen, wo es erforderlich ist. Die unvergleichliche Schönheit Dresdens beruht sicher auf vielen reizvollen Einzelheiten. Das Ganze aber wird bei aller Vielfalt durch die harmonischen Proportionen in Natur und Bauwerken bestimmt. Ehe die natürlichen und kulturgeschichtlichen Bezüge im einzelnen dargestellt werden, muß dieses Maßwerk hervorgehoben werden, das sich von den verschiedensten Aussichtspunkten aus immer wieder überraschend und wechselnd erleben läßt. Wenn der Dresdner Rathausturm als geeigneter zentraler Standort für die Überschau über Dresden besonders genannt wird, so nur deswegen, weil sich von hier besonders die Entwicklung vom Stadtzentrum aus gut erfassen und der Naturrahmen in seinen großen Zügen überblicken läßt. Aber die Möglichkeiten, dem Stadtbild Dresdens in seiner Landschaft immer wieder neue Reize abzugewinnen, sind auch von vielen anderen Punkten aus in reichem Maße vorhanden. Die höher gelegenen Aussichtspunkte haben überdies den Vorteil, Dresdens Lage in einem größeren Landschaftsrahmen zu würdigen, wenn auch dieser Rahmen weit über das hier zu erläuternde Stadtgebiet hinausgreift. Der Schwung der Linien der Höhenzüge, die die Dresdner Elbtalweitung begrenzen, läßt den anmutigen Wechsel hervortreten, der jede Eintönigkeit oder Gleichförmigkeit ausschließt. So weicht die nördliche Umrandung der Talweitung, die oberhalb und unterhalb Dresdens als schroffer Steilhang emporragt, gerade bei Dresden in sanftem Bogen zurück und gibt der breiten, vermittelnden Hellerterrasse Raum (s. Seite 5); der weite amphitheatralische Bogen des Westrandes schwingt von dem kleinen Steilhang an der Elbe bei Briesnitz bis zu den Südhöhen. So läßt die Elbtalweitung der Siedlung größere Ausdehnungsmöglichkeiten, die durch die Einmündung der Weißeritz und ihre 1

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Kreidezeit vor rund 100 Millionen Jahren zu einer Einsenkung der Elbtalzone, und es lagerte sich vom Cenoman an die Gesteinsserie ab, die der Sächsischen Schweiz durch die Vorherrschaft der Quadersandsteine ihr Gepräge gibt. Der Dresdner R a u m aber war tiefer abgesenkt worden, so daß hier vorwiegend eine mergelige Fazies zur Ausbildung kam. Deren Gesteine, vor allem die sogenannten P I a n e r , treten landschaftlich wenig hervor; sie sind im Ratssteinbruch bei Dresden-Plauen in einem klassischen Profil aufgeschlossen, gegenüber am Hohen Stein (s. O 2) als Klippenfazies entwickelt. Der Pläner, als dünnplattiger K a l k mergel ausgebildet, ist als Baustein zwar nur sekundär verwendbar, aber wegen seines Kalkgehaltes günstig für die Bodenfruchtbarkeit. Wo er zu tiefgründigem Lehm zersetzt ist, wurde er in Ziegeleigruben mit für die Ziegelherstellung abgebaut. Diese Lehme sind wenig wasserdurchlässig und geben den flachen Talgründen der kleinen Nebenflüsse im W und S der Stadt eine höhere Grundfeuchte. Gegen Ende der Kreidezeit (früher ins Alttertiär gelegt) setzten sich mit Beginn der alpidischen Gebirgsbildung wieder starke tektonische K r ä f t e durch. Sie beendeten die Sedimentation und schufen in der alten Schwächezone eine tiefgreifende Störungslinie, die L a u s i t z e r Ü b e r s c h i e b u n g . Hierbei wurde die Lausitzer tektonische Einheit mit ihren Graniten bzw. Granodioriten südwärts auf die Kreidesandsteine aufgeschoben. Schon zu Anfang des Tertiärs w a r eine weitgehende Einebnung der Störungslinie erfolgt. So bleibt als Hauptergebnis die markante Gesteinsgrenze zwischen Granodioriten und Sandstein bzw. Pläner wirksam. Bis ins mittlere Tertiär hinein bestand offenbar unter tropischen Klimabedingungen ein weitgespanntes flaches Relief. E r s t vom Miozän an begann sich das Erzgebirge als Pultscholle herauszuheben, doch blieb der Dresdner Bereich in randlicher Lage zu den geologischen Hauptereignissen, die sich vor allem mit dem Erzgebirgsabbruch im S und in der lebhaften vulkanischen Tätigkeit mit ihrem Zentrum im Böhmischen Mittelgebirge abzeichnen. Die nördliche Abdachung entstand, und ein entsprechendes Gewässernetz bildete sich heraus. Auch der Elbelauf war bis ins Quartär hinein nach N gerichtet, wie alte Elbschotter nördlich von Dresden bezeugen (s. Bd. 22, M 1). F ü r das heutige Formenbild wurden zwei Ereignisse von einschneidender Bedeutung. Sie fanden etwa gleichzeitig statt, und ihre Wirkungen ergänzten sich. Erstens kam es zu Beginn der E l s t e r k a l t z e i t zu einer Wiederbelebung •der tektonischen K r ä f t e an der Lausitzer Störung, wobei der Nordflügel um wenigstens 40 m herausgehoben wurde. A m somit morphologisch stärker betonten Nordrand der Elbtalweitung wurde die Elbe aus der alten Nordrichtung in die heutige Laufrichtung nach N W umgelenkt. Auch die Heraushebung des Südflügels der Elbtalweitung dürfte durch eine entsprechende tektonische Heraushebung an der Wilisch-Linie, der Wendischcarsdorfer Störung, verstärkt worden sein (s. B d . 2 1 , R 3). Zweitens und etwa gleichzeitig drang während der Elsterkaltzeit das n o r d i s c h e I n l a n d e i s von N her bis ins E l b t a l vor und erreichte seine Maximalausdehnung südlich von Dresden. Damit wurde — in nicht leicht zu klärendem Zusammenwirken mit der Tektonik — das alte Flußnetz weitgehend neugestaltet. Die Moränenablagerungen blieben allerdings verhältnismäßig gering. E s sind vor 4

allem die elsterkaltzeitlichen Schotter, die für die Ausbildung der Elbtalweitung Zeugnis ablegen. Da sie am südlichen Elbtalrand bei 160 bis 200 m ü. NN liegen, muß in der der Elsterkaltzeit folgenden Warmzeit, der HolsteinWarmzeit, in Verbindung mit weiteren tektonischen Bewegungen eine beträchtliche erosive Tieferlegung des Tales erfolgt sein, denn als die S a a l e k a l t z e i t zur Aufschotterung der Flüsse Anlaß gab, lag die Basis der Schotter bereits unter dem heutigen Talniveau. Die saalekaltzeitlichen Ereignisse haben das Bild der Dresdner Landschaft weiter verwickelt und bereichert. Der Eisrand des saalezeitlichen Inlandeise? lag zwar nördlich von Meißen und Dresden, aber er mußte auf die geologischen Vorgänge im Dresdner Raum starken Einfluß ausüben. Welchen Lauf damals die Elbe unterhalb von Meißen nahm, läßt sich mit Sicherheit nicht mehr entscheiden. Sicher aber ist, daß zeitweise ein Eisstausee bestanden haben muß, wie aus Bändertonen in der saalekaltzeitlichen Sedimentationsserie hervorgeht. Im Ergebnis bedeutsamer ist, daß vom nördlichen Eisrand her ,mächtige Sandeinschwemmungen stattfanden, die sich mit den Aufschüttungen der Elbe verbanden. Es entstand eine breite und mächtige, schräge Terrasse, die H e i d e s a n d - oder H e l l e r t e r r a s s e . Sie begleitet den ganzen Nordhang der Elbtalweitung als charakteristisches Bauglied und ist bei Dresden besonders breit entwickelt. Da gleichzeitig die Aufschotterung und die Bildung von Terrassen südlich der Elbe in bescheidenem Rahmen blieben, entstand damals die Voraussetzung für die zweite große Asymmetrie der Dresdner Talweitung: Zu der Ungleichseitigkeit der Reliefform trat ein krasser Unterschied in den die Bodengüte maßgeblich beeinflussenden Gesteinssubstraten, die Vorherrschaft des Sandes auf dem Nordflügel. Allerdings hat erst die letzte Kaltzeit, die W e i c h s e l k a l t z e i t , diesen Gegensatz vervollständigt. Denn die kaltzeitliche Vegetationsarmut ließ dem Wind freies Spiel. Während durch die äolischen Prozesse im sandigen Nordteil vorwiegend Treibsand aufgelagert und Dünen gebildet wurden, entstand südlich der Elbe aus dem Flugstaub eine Decke von L ö ß oder sandigem Löß. Die Elbe selbst erhöhte ihr Bett durch Aufschotterung. Mit der Eintiefung der Elbe im Postglazial entstand auch die N i e d e r t e r r a s s e , der Hauptsiedlungsraum der Innenstadt. Mehrere der damals angelegten Elbarme sind bei dem großen Hochwasser 1845 noch aktiv gewesen (Abb. 3). Dieser erdgeschichtliche Werdegang hat dem Dresdner Raum eine ungewöhnliche Vielfalt geologischer und geomorphologischer Verhältnisse hinterlassen. Denn weist die gesamte Reliefentwicklung das Elbtalgebiet bis unterhalb von Meißen dem Mittelgebirge bzw. dem Mittelgebirgsvorland zu, so verleiht die Lößbedeckung den Südhängen der Elbtalweitung den Charakter der Gefildezone, während der nördliche Teil mit seiner Überformung durch die glaziären Ereignisse Wesenszüge des nördlichen Flachlandes zeigt. Naturräumliche Feingliederung Dementsprechend vielgestaltig ist auch die naturräumliche Feingliederung (Abb. 2). Sie spiegelt die Unterschiede im Relief, Substrataufbau, in der Bodenfruchtbarkeit, geländeklimatischen Differenzierung und ursprünglichen 2

Dresden

5

A b b . 2. N a t u r r ä u m l i c h e Gliederung (Entwurf A r b e i t s g r u p p e Prof. Dr. E . NEEF, nach U n t e r s u c h u n g e n in den Jahren 1976 — 78)

2 3 4 5 6 7 8 10 11 12

6

Lausitzer Platte Friedewald-Lindenauer Kuppengebiet Wahnsdorfer Lößhügel gebiet Wilschdorfer Sandhügelgebiet Klotzsche-Medingener Schotterplatten Langebrücker Granithügelgebiet Sandhügelgebiet am Dachsenberg Radeberger Granithügelgebiet Südliche Dresdner Heide Gönnsdorfer Lößhügelgebiet Weißiger Berge Schönfelder Hochfläche Triebenberg-Borsberg- Rücken Dresdner Elbtal wanne Steilabfall der Lausitzer Platte Lößni tzsteilhänge Heller- Randhöhen Pil Initz-Loschwitzer Steilhänge

Heidesandterrasse 33-1 Dresden- Radebeuler H ei desan dterrasse 3-2 Graupaer Tännicht-Terrasse Elbtalniederung zwischen Pirna und Meißen 4Westhang 5. 6. Plauenscher Grund Rotliegendbecken 7. 7.1 Freitaler Rotliegendbecken 7.2 Kreischaer Rotliegendbecken Südhang Leubnitzer Lößhügelgebiet 8.2 Goppelner Lößplatte 8-3 Lockwitzgrund 8.4 Lugaer Landstufe

Vegetation wider. Gleichzeitig vermittelt sie das für Dresden charakteristische Grundgerüst der Lagebeziehungen. Nach naturräumlichen Einheiten unterscheiden wir: 1. Der NO gehört der Haupteinheit L a u s i t z e r P l a t t e an, und zwar jenem Teil der flachwelligen Granithochfläche in einer Höhenlage zwischen 210 und 250 m ü. NN, der weithin mit pleistozänem Material überdeckt ist, das vorwiegend aus Heidesanden und daraus aufgewehten Dünensanden besteht. Vor allem in den Tälchen, die den Rand der Platte mäßig stark gliedern, spielt der Heidesand eine erhebliche Rolle; im Prießnitztal baut er mehrere junge Terrassen auf (s. Bd. 27, K 2). Die flachen Senken der Hochfläche mit vielfach gehemmtem Wasserabfluß sind oft anmoorig. Der nördliche Teil wird von der Dresdner Heide (s. H 1) eingenommen, der südliche Teil ist mit den Siedlungen Weißer Hirsch und Oberloschwitz zu einem charakteristischen Teil des Großstadtrandes umgestaltet worden. 2. Zur nördlichen Umrandung der Dresdner Elbtalwanne gehört der S t e i l a b f a l l d e r L a u s i t z e r P l a t t e , der im nordwestlichen Abschnitt wenig markant ist, da er sich über der breiter entwickelten Heidesandterrasse erhebt, dadurch nur relative Höhen von 50 bis 60 m erreicht und außerdem von Wald bedeckt ist. Ganz anders wirkt der südöstliche Abschnitt, der an die Elbe herantritt und mit 130 bis 150 m Höhenunterschied einen imposanten Rahmen der Dresdner Elbtalweitung bildet, der durch die reiche Besiedlung noch besonders betont wird. Die Heidesandterrasse ist hier durch Unterschneidung zurückgedrängt und bildet in etwa 140 m Höhe eine Reihe von Terrassenabsätzen zwischen den tief eingeschnittenen kleinen Seitentälern der Elbe. Die Südwestexposition des Steilhanges bringt nur mäßige Insolationsvorteile, so daß sich der Weinbau mehr inselhaft auf bevorzugte Hangteile beschränkte. 3. Zur Elbtalniederung vermittelt die H e i d e s a n d t e r r a s s e , die mit dem Zurücktreten der Elbe vom Steilhang westlich von Loschwitz Selbständigkeit gewinnt. Ihre nur vom Prießnitztal durchschnittene Oberfläche steigt von etwa 130 m an der Vorderkante auf über 160 bis 175 m an und zeigt allenthalben die Wirkung der Sandumlagerungen durch den Wind, obwohl die starken Eingriffe durch den Menschen vieles von der ursprünglichen Vegetation zum Verschwinden gebracht haben und wesentliche Teile überbaut worden sind. Von besonderer Bedeutung ist für das Landschaftsbild Dresdens, daß alte Elbarme die Heidesandterrasse unterschnitten haben, so daß sie — zum Unterschied vom flachen Auslaufen der Terrasse weiter westlich — einen deutlichen Steilabfall gegen das Elbtal richtet, der durch die Bebauung von den Albrechtschlössern an über das Waldschlößchen und den Zug der Kasernenbauten bis hin zum Wilden Mann noch eine architektonische Überhöhung erfahren hat. 4. Die E l b t a l n i e d e r u n g wird von der weichselkaltzeitlich aufgeschütteten Niederterrasse gebildet, in die sich die Elbe im Holozän wieder mit einer größeren Zahl von Flußarmen eingesenkt hat. Diese Auen zeichnen sich durch einen höheren Grundwasserstand aus, und bei Hochfluten kann stellenweise das Wasser in diesen alten Armen wieder empordringen. Man kann zwei um nur wenige Meter Höhenlage unterschiedene Auen erkennen. Die höheren Auen werden von Normalhochwassern nicht mehr überspült, während das Hochwasser die unteren auch heute noch überflutet. Die Elbe selbst hat bei ihrem 2*

7

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lehmdecke, die durch fast parallel nach NO gerichtete und meist wasserleere, aber grundfeuchte Dellen und Tälchen flach aufgegliedert wird. Diese fruchtbare, mit den Sandgebieten der nördlichen Talseite kontrastierende, in sich recht einheitliche Fläche erreicht bei Dölzschen mit 267 m ü. NN den höchsten Punkt. Hier machen sich allerdings bereits die für den Südrand der Talweitung charakteristischen pleistozänen Schotter stärker bemerkbar. 6. Zunächst aber unterbricht der P l a u e n s c h e G r u n d (s. O 3), das Durchbruchstal der Weißeritz durch den Syenodioritrücken zwischen dem Freitaler und dem Dresdner Rotliegendbecken, den geschlossenen Rahmen der Randhöhen. Wegen seines anderen Landschaftscharakters, der großen Zahl geologischer Bauelemente und seines Formenreichtums unterscheidet er sich mit seinen Flanken so stark von den benachbarten Teilen der Randhöhen, daß er trotz seiner geringen Ausdehnung als eigene Landschaftseinheit ausgeschieden werden muß. Auch der Weißeritzlauf folgt im größten Teil seines Durchbruchs der Nordostrichtung. E r liegt daher fast parallel zum Anstieg der Südhöhen, so daß eine markante Unterbrechung des Höhenrandes — selbst vom Rathäusturm aus — nicht sichtbar ist. 7. Durch diese Situation wird der Blick in das F r e i t a l e r R o t l i e g e n d b e c k e n — Teil des Rotliegendbeckens, zu dem auch das Kreischaer Becken zählt — verwehrt, dessen Nordostteil ins Dresdner Stadtgebiet vorstößt. Das ebene Kernstück dieses Ausräumungsbeckens wird vom Freitaler Stadtteil Potschappel eingenommen. Der größere Teil steigt mit reicher Reliefgliederung zur östlichen Wasserscheide empor und bietet für Verkehr und geschlossene Besiedlung erhebliche Schwierigkeiten. 8. Der S ü d h a n g der Dresdner Elbtalweitung ist ein Ausschnitt der lößlehmbedeckten Kreideplatte, die bis zu den kleinen Schichtstufen der Goldenen Höhe (s. Bd. 21, D 7) oder der Babisnauer Pappel (s. Bd. 2 1 , E 9) emporführt. Aber der Nordrand dieser Einheit zeigt einige Besonderheiten. Eigenartig erscheint, daß die Täler auch hier vorherrschend in Nördostrichtung auslaufen. Sie münden in spitzem Winkel am Elbtalrand aus und lösen den Hang in einzelne Rücken und Sporne auf. Beispielsweise trennt das Kaitzbachtal die Südhöhe schroff ab, so daß die Fernstraße 170 gebirgswärts von dieser in einer großen Kehre wieder absteigen muß, ehe der Anstieg südwärts endgültig emporführt. Zu den allgemein vertretenen Bauelementen Pläner, der vielfach in Ziegeleigruben aufgeschlossen ist, und Lößlehm gesellen sich hier noch elsterkaltzeitliche Grundmoränen und Schmelzwassersande bzw. -kiese. Der Sporn von LeubnitzNeuostra, durch die alte Kirche markiert, senkt sich ostwärts allmählich ab zu etwas flacheren Hangteilen bei Prohlis, deren Ziegeleigruben unter verschwemmtem Löß Kulturschichten (s. M 4) aufgeschlossen und damit Zeugen für die noch in historischer Zeit beträchtliche Abtragung im Löß geliefert haben. An Ort und Stelle durch die feine Aufgliederung des Reliefs schwer, aber von den höheren Standorten im S auffallend deutlich erkennbar ist die Tatsache, daß in knapp 200 m Höhe auch hier wie weiter östlich des Lockwitztales ebene Flächen auftreten, die einem 'früheren Niveau des Elbtalbodens entsprechen dürften.

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Dresden-Strehlen Radebsul-Wahnsdorf A b b . 4. K l i m a d i a g r a m m e von Dresden-Strehlen und Meßreihe 1 9 5 1 — 7 5 (Entwurf J. BIELER) 1 Mittlere monatliche Niederschläge 2 Mittlere monatliche Lufttemperatur 3 Mittlere jährliche Niederschläge 4 Mittlere jährliche Lufttemperatur

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Radebeul-Wahnsdorf.

Klimatische Besonderheiten Das Klima Dresdens ordnet sich, der Lage der Stadt entsprechend, in die bereits schwach kontinental getönten Klimabezirke des Hügellandes ein, wird aber durch die Besonderheiten der Reliefgestaltung nach der kontinentalen Seite hin abgewandelt. Die Temperaturen liegen infolge der Beckenlage etwas höher als in der Umgebung. Diese allgemeine Klimalage kann durch die langjährigen Mittel der Klimaelemente der Stationen Dresden-Neustadt bzw. -Strehlen und Wahnsdorf bzw. Dresden-Klotzsche beschrieben werden (Abb. 4). Im einzelnen sind als Effekte der Reliefgestaltung einige lokale Unterschiede innerhalb des Talraumes und Abweichungen von den Mittelwerten des Großklimas bemerkenswert. Erstens machen sich die Höhenunterschiede recht deutlich geltend. Für die nordöstlichen Teile, die über 200 m aufragen, sind die Werte von DresdenKlotzsche oder Wahnsdorf besser kennzeichnend als die von Dresden-Neustadt/ Strehlen, obwohl die genannten Stationen gegenüber dem bewaldeten Teil der Dresdner Heide stärker windexponiert und anfälliger für die Ausstrahlung sind. Die Wirkung des Höhenunterschieds wird noch dadurch verstärkt, daß der geschlossen überbaute Stadtraum im Talbecken ein sogenanntes S t a d t k l i m a besitzt, das heißt eine positive Temperaturabweichung, die auch in der Talaue erst an der Grenze geschlossener Bebauung auf normale Werte zurückgeht. Vor allem im Winter bei Temperaturen um o°C ergeben sich schon zwischen dem Hauptbahnhof und dem nur 60 m höher gelegenen Dresden-Plauen markante Unterschiede, da die Stadt selbst unten oft noch schneefrei ist, wenn in den höheren Lagen bereits eine feste Schneedecke liegt. Das macht sich für den Kraftfahrer besonders nachteilig an dem Anstieg der Autobahn in Richtung Wilsdruff bemerkbar; denn sehr oft wird der Straßenzustand außerhalb Dresdens von der Stadt aus falsch eingeschätzt. Zweitens führt selbstverständlich die Exposition an den südgerichteten Hängen der Nordseite zu besonders günstigen Einstrahlungsverhältnissen. Das zeichnet sich am deutlichsten in der Eignung für den Weinbau und anspruchsvolle Obstarten ab. Drittens bildet sich die Konfiguration der Elbtalweitung in der Häufigkeit der Windrichtungen auffällig ab. Die langgestreckte Talweitung lenkt die Winde in der Richtung der Talachse ab, so daß ein überdurchschnittlich hoher Anteil der Winde aus WNW und OSO zu verzeichnen ist. Zusätzlich sorgt die offene Gasse der Elbe für Durchlüftung in dieser Richtung. Der steile Nordhang schützt das Stadtgebiet vor den Nordwinden. Da die West- und Nordwestwinde meist mit einer größeren Turbulenz verbunden sind, auch höhere Windstärken häufiger auftreten, machen sich diese Winde weniger unangenehm bemerkbar als die Südostwinde, die im Sommer durch trockene und staubreiche Luft bei hohen Temperaturen lästig wirken. Erwähnt werden müssen auch die reliefgebundenen Hangwinde, die sowohl am Nordhang wie am Südhang des Talkessels entlangstreichen und hier oft eine Luftbewegung bringen, wenn in der Innenstadt Windstille herrscht. Diese Hangwinde haben allerdings auch für die Verteilung von Luftverunreinigungen Bedeutung, wobei die Verunreinigungsquellen des Radebeuler Industriegebietes für die Nordseite, die des Löbtauer Industriegebietes für die Südhänge verantwortlich zeichnen. 11

Eine für Dresden erwähnenswerte Erscheinung ist das Auftreten von Föhn. Bei südlichen Winden übersteigen die Luftmassen das Erzgebirge, und bei ihrem Abstieg kommt es zur typischen Föhnerwärmung, so daß besonders die Elbtalweitung von Dresden durch Auflösung der Wolkendecke eine Föhnlücke und zusätzliche Erwärmung genießen kann, die vor allem im Winter die Ursache positiver Temperaturanomalien ist. Bezüglich der Niederschläge geben die Mittelwerte der Meßstationen nur ein unvollkommenes Bild, denn innerhalb des Stadtgebietes treten vor allem bei sommerlichen Schauerwetterlagen ganz erhebliche Unterschiede der Niederschlagsmengen auf. Bei Gewitterlagen werden oft nur die Nord- oder die Südseite der Talweitung betroffen. E. Neef Vegetation Die Unterschiede in den standörtlichen Voraussetzungen der einzelnen naturräumlichen Einheiten sind ursprünglich selbstverständlich auch in einer entsprechenden Vegetation und ihr angepaßten Tierwelt zum Ausdruck gekommen. Doch hat die starke Überbauung die ursprünglichen Verhältnisse in den meisten Teilen des Stadtgebietes von Dresden zerstört oder bis zur Unkenntlichkeit entstellt, sofern man von Felspartien im Plauenschen Grund absieht. Reste der Laubwald Vegetation befinden sich im Plauenschen Grund, am Grundbach und Nöthnitzer Bach, jedoch vielfach parkartig, mittel- oder niederwaldartig bewirtschaftet und stark verändert. Die noch vorhandenen Bestände gehören zu Eichen-Hainbuchen-Winterlinden-Wäldern in frischen und grundwasserfernen Ausbildungsformen, wie sie ehemals die Gründchen um Kaitz und Nöthnitz kennzeichneten. Charakteristische Laubwaldpflanzen sind noch allenthalben anzutreffen, so Maiglöckchen (Convallaria majalis), Zittersegge (Carex brizoides), Sternmiere (Stellaria holostea), Gamanderehrenpreis (Veronica chamaedrys) und Hainrispe (Poa nemoralis). Die Wiesen in den Gründen stellen in unmittelbarem Grundwassereinflußbereich hochgräserreiche Wirtschaftswiesen mit Fuchsschwanz (Alopecurus pratensis), Glatthafer (Arrhenaterum elatius), Wiesenrispe (Poa pratensis) und anderen Arten dar. An Hangkanten und in grundwasserfernen Bereichen gehen diese in relativ trockene Grünlandpartien über, die mit Zittergras (Briza media), Flaumhafer (Helictotrichon pubescens), Wucherblume (Chrysanthemum, leucanthemum), Wiesenglockenblume (•Campanula patula), Knolligem Hahnenfuß (Ranunculus bulbosus) Und Mittlerem Wegerich (Plantago media) viele Elemente der Mager- und Halbtrockenrasen enthalten. Für den ganzen Elbbereich typische Grünlandpflanzen, heute jedoch mehr an Straßen- und Wegrändern verbreitet, sind Bocksbart (Tragopogon pratensis), Wiesenstorchschnabel (Geranium pratense), Zweijähriger Pippau (Crepis biennis) und Pastinak (Pastinaca sativa), die auch oft noch im südlichen Stadtgebiet an Ruderalstandorten vorkommen. Reste der ursprünglichen xerothermen Laubwaldvegetation existieren an den besonnten Hängen im Bebauungsgebiet von Loschwitz und Wachwitz nicht mehr, ihre Bestandteile sind in Park- und Gartenanlagen aufgegangen, oder es 12

wurden bereits in früherer Zeit an ihrer Stelle Weinberge angelegt. Jedoch hält sich noch als Seltenheit die südosteuropäische Hainnelke (Silene nemoralis), die hier ihren einzigen Fundort in der D D R hat. Für die Fels- und Trockenhangpartien des Plauenschen Grundes waren ehemals xerotherme Eichenmischwälder und lindenreiche Steilhangwälder typisch. Von bemerkenswerten, noch vorhandenen Arten seien aus den Resten der stets kleinflächig entwickelten Schluchtwälder Haselwurz (Asarum europeaum), Lungenkraut (Pulmonaria obscura), Christophskraut (Actaea spicata), der osteuropäische Betäubende Kälberkropf (Chaerophyllum aromaticum), die sudeto-karpatische Sterndolde (Astrantia major) und die Türkenbundlilie (Lilium martagon) genannt. Erloschen sind die sarmatischen und kontinentalen wärmeliebenden Laubwaldpflanzen Wenigblütiges Vergißmeinnicht (Myosotis sparsiflora), Gedenkemein (Omphalodes scorpioid.es) und Kleiner Goldstern (Gagea minima) an den Coschützer Hängen. Im Kontakt zu den xerothermen Laubwaldgesellschaften stehen Schlehengebüsche und Trockenfluren. Letztere zeichnen sich zur Blütezeit durch das Rot der Pechnelke (Viscaria vulgaris) aus, der das Nickende Leimkraut [Silene nutans) beigesellt sein kann. In Steinschuttfluren (Steinbrüchen) und in Trockenrasenfragmenten treten noch hin und wieder die typischen wärmeliebenden Arten der Elbhügellandflora auf, wie Aufrechtes Fingerkraut (Potentilla recta), Färberhundskamille (Anthemis tinctoria), Sparriger Alant (Inula conyza), Gelbe Skabiose (Scabiosa ochroleuca) und der für das Windberggebiet typische submediterrane Drüsige Gamander (Teucrium botrys). Verschwunden sind die interessanten Reliktstandorte des kontinentalen Gefleckten Ferkelkrautes (Hypochoeris maculata) bei Coschütz und Kaitz. Die eigentlichen Felspartien zeichnen sich durch Blauschwingelfluren (Abb. 5) aus, in denen stellenweise die Pfingstnelke (Dianthusgratianopolitanus) zu finden ist. Diese subatlantische Felspflanze, eine kennzeichnende Art der Durchbruchstäler, kommt ip der D D R nur an wenigen Fundorten vor, beispielsweise im vogtländischen Elstertal, im Bodetal und oberen Saaletal. Zur Blütezeit — alljährlich um Pfingsten — bildet diese Nelke einen prächtigen Schmuck der Felsen um die Felsenkellerbrauerei im Weißeritztal. An der Weißeritz entlang werden gelegentlich Arten beobachtet, deren Hauptverbreitung flußaufwärts erst um Tharandt einsetzt, so die Bachufer- und Schluchtwaldpflanzen Mondviole oder Silberblatt (Lunaria rediviva), Geißbart (Aruneus dioicus), Waldstorchschnabel (Géranium silvaticum), Akeleiblättrige Wiesenraute (Thalictrum aquilegifolium), Weiße Pestwurz (Petasites albus) und Quellschaumkresse (Cardaminopsis halleri). Der eigentliche Siedlungsbereich zeichnet sich — abgesehen von Kulturen und Pflanzungen — nur durch Ruderalgesellschaften aus, die mit zunehmender Bebauung immer mehr verschwinden. Auf dem Trümmerschutt der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg fanden viele Pflanzen Existenzbedingungen, die in der Umgebung an ihren natürlichen Wuchsplätzen (Trockenrasen) längst ausgestorben sind, so das dealpine Brillenschötchen (Biscutella laevigata) und die Sprossende Felsnelke (Petrorhagia proliféra), eine submediterrane, unbeständig auftretende Art. Stark vertreten sind die Arten der RaukenRuderalgesellschaften auf lockeren, leicht durchwärmbaren Böden. In ihnen dominieren Wege- und Lösels Rauke (Sisymbrium officinale, S. loeselii), So-

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phienrauke (Descurainia sophia), Bastardsenf (Hirschfeidia incana), Dach- und Taube Trespe (Bromus tectorum, B. sterilis), verschiedene Nachtkerzen (Oenothera-Arten) und Fuchsschwanz-Arten (Gattung Amaranthus), Schmaler Doppelsame (Diplotaxis tenuifolia), Dachpippau (Crepis tectorum) und Lackschöterich (Erysimum cheiranthoides). Große Bestände auf Trümmerschutt bildet gelegentlich die Glanzmelde (Atriplex nitens). Auf stickstoffbeeinflußten Böden dominieren schließlich Arten der Gänsefußgesellschaften, wie Weißer, Steifer und Schneeballblättriger Gänsefuß (Chenopodium album, Ch. strictum, Ch. opulifolium), in den alten Siedlungskernen treten noch Mäusegerste (Hordeum murinum) und Einjähriges Bingelkraut (Mercurialis annua) auf. In floristischer Hinsicht immer wieder interessant sind die Güterbahnhöfe, Hafenanlagen und die Großmarkthalle, in deren Umgebung häufig mit Transportgut und Südfrüchten eingeschleppte Arten aus aller Welt gedeihen. In Dresden wurden bisher fast 200 dieser Adventivpflanzen beobachtet, die aber nie für längere Zeit Fuß fassen konnten. Die eigentliche Elbaue zeichnet sich heute durch Wirtschaftswiesen und Weiden ohne bemerkenswerte Arten aus. Auf gelegentlich entstandenen Schlammbänken treten kurzlebige Arten der Zweizahnfluren auf, denen der früher an der Elbe verbreitete mediterran-atlantische Hirschsprung (Corrigiola litoralis), eine kleine, zu den Nelkengewächsen gehörende, nach Chlor riechende Pflanze, beigemischt sein kann. Nur vereinzelt und in Resten sind noch Uferriede vorhanden, die durch Scharfe Segge (Carex gracilis) und Rohrglanzgras (Typhoides arundinacea) gebildet werden. Typische Elbuferpflanzen stellen heute Schnittlauch (Allium schoenoprasum), Weidenalant (Inula britannica) und die aus Nordamerika stammende Spitzklette (Xanthium riparium) dar, ebenso die an den A b b . 5. Pflanzenarten im Plauenschen Grund Pfingstnelke (oben links), Blauschwingel (oben rechts), Drüsiger Gamander

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Elbbereich gebundene südosteuropäische Österreichische Kresse (Rorippa austriaca). Von den Altwässern, die im vorigen Jahrhundert noch Fundorte der Nixkrautarten (Najas major, N. minor), von Laichkräutern (Potamogeton acutifolius, P. compressus, P. lucens) und des Teichfadens (Zannichellia palustris) — sämtlich untergetaucht lebende Wasserpflanzen — waren, ist nichts mehr vorhanden. Sofern noch Weidengebüsche und Schwarzpappelbestände als Reste der ehemaligen Auwaldvegetation vorhanden sind, treten gelegentlich noch die subkontinentalen Stromtalpflanzen Knolliger Kälberkropf (Chaerophyllum bulbosum) und Rohrschwingel (Festuca arundinacea) auf, sehr selten sind die südosteuropäischen Arten Weidenkreuzkraut (Senecto fluviatilis) und Steife Rauke (Sisymbrium strictissimum). Die im vorigen Jahrhundert vorhandenen Sandflächen um Blasewitz und Tolkewitz als Wuchsorte der Sandtrockenrasenpflanzen, wie der Wiesenkuhschelle (Pulsatilla pratensis), des Illyrischen Hahnenfußes (Ranunculus illyricus), der Mannsschildarten (Androsace septentrionale und A. elongata) sowie der Heidesegge (Carex ericetorum) sind nicht mehr vorhanden. Reste dieser Vegetation stellen der Blasewitzer Waldpark und vielleicht die Kiefern des Tolkewitzer Friedhofes dar. Die wärmebegünstigte Lage des Dresdner Elbtalkessels äußert sich heute sichtbar in dem starken Auftreten der Mistel (Viscum album) auf allen Laubbäumen, besonders eindrucksvoll im Großen Garten. Dresden gilt seit langer Zeit als Zentrum floristischer Tätigkeit in Sachsen, deren Traditionen bis zum Jahre 1806 zurückgehen ( B U C H E R ) . Ihre Blütezeit erreichte die Floristik im vorigen Jahrhundert durch die Arbeiten des Hofbotanikers L. R E I C H E N B A C H (1842), durch H. F I C I N U S (1821) sowie F. H O L L und G. H E Y N H O L D (1842). In Dresden wurden auch die übrigen sächsischen Landesfloren erarbeitet ( O . W Ü N S C H E und B. S C H O R L E R , 1 . Auflage 1869, 12. Auflage 1956). Weiterhin begründete O. D R U D E an der Technischen Hochschule Dresden die Ökologische Pflanzengeographie. Unter der Regie von B. S C H O R L E R wurde das gesamte Material zur sächsischen Pflanzenkartierung seit den zwanziger Jahren gesammelt, die noch heute Hauptaufgabe der sächsischen Floristen ist. W. Hempel Für Dresden bemerkenswert und aus seiner historischen Stellung als Residenzstadt erklärlich ist die Tatsache, daß Garten- und Parkanlagen, aber auch Anpflanzungen an den Straßen eine große Zahl seltener Baum- und Gehölzarten aufweisen. In all den Gärten und Parks, die meist außerhalb der eigentlichen Befestigungsanlagen entstanden waren, sind Baumpflanzungen durchgeführt worden. In starkem Maße erfolgten sie seit Beginn des 18. Jh., als in der Barockzeit das Gartenschaffen zu einer großen Mode wurde und gerade im höfischen Dresden eine besondere Pflege fand. Wenn auch um diese Zeit schon einzelne Exoten (ausländische Gehölze) in Europa bekannt waren, so wurden in Dresden zur Zeit A U G U S T S D E S S T A R K E N (1673—1733) bei Neupflanzungen fast ausschließlich noch immer heimische Baumarten verwendet. Eine gewisse Ausnahme machte die Roßkastanie vom Balkan, die in dieser Zeit in Dresden und Umgebung an Straßen und in Parks mit Vorliebe gesetzt wurde. Ganz allmählich erst erfolgte bis in die zweite Hälfte des 19. Jh. die Einführung von

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Exoten; erst von 1875 an setzte eine stürmische Entwicklung bei der Einbürgerung dieser Arten ein. Hofgärtner, die die Gartenanlagen des Hofes oder des Staates planten, gestalteten und pflegten, gab es schon vor der Zeit des Kurfürsten A U G U S T (1526—1586), aber für die städtischen Anlagen war kein leitender gärtnerischer Fachmann angestellt. Um Rückstände auf diesem Gebiet zu beseitigen, berief die Stadt endlich 1875 den Hofgärtner D E G E N H A R D aus Großsedlitz in die Stelle eines Stadtgärtners. Er war die geeignete Persönlichkeit, um einen großen Teil der städtischen Straßen mit seltenen und abwechslungsreichen Bäumen zu bepflanzen. Durch ihn wurden 84 verschiedene Baumarten oder deren spezielle Wuchsformen in Dresden eingeführt, und im Laufe der Jahre stieg der Bestand an Straßenbäumen in Dresden auf über 50000 an. Natürlich haben sich nicht alle für städtische Straßen bewährt, aber man hatte durch diese Maßnahmen viel gelernt. Das Dresdner Vorbild wirkte sich auf andere Städte aus, denn kaum eine andere Stadt konnte am Ende des vorigen Jahrhunderts eine solche Mannigfaltigkeit in der Straßenbepflanzung aufweisen. Die schon vorhandenen staatlichen Gärten wurden von dieser Zeit an nachträglich mit Exoten bepflanzt. Eine besonders reiche Ausstattung zeigt der Schloßgarten Pillnitz (s. Bd. 27, Q 6). Aber auch die Vor- und Hausgärten weisen heute noch ein reiches Sortiment an ausländischen Bäumen und Sträuchern auf, wobei solche aus Nordamerika, dem Kaukasus und Ostasien besonders vertreten sind. Im Anhang (C) ist eine Liste der seltenen, wenig bekannten und beachtenswerten Bäume des Dresdner Stadtgebietes aufgeführt. H. F. Kammeyer

Tierwelt Trotz der dichten Besiedlung und Bebauung lebt in Dresden und Umgebung eine artenreiche Tierwelt. Unter den S ä u g e r n ist das Reh besonders in den südlichen Stadtrandgebieten häufig, kommt aber auch bis in die Gärten an den Elbhängen im NO. Das Wildschwein zählt nur zum Wechselwild im S der Stadt. Häufig sind Steinmarder, Hermelin und Wiesel, verbreitet kommen der Fuchs, seltener der Dachs vor, der Iltis ist im Gebiet sehr selten, der Baummarder scheint zu fehlen. Den Hasen trifft man überall an, auch im Großen Garten, desgleichen das Kaninchen, dessen Bestand durch die Myxomatose, eine Viruskrankheit, alle paar Jahre stark reduziert wird. Von den Mäusen leben Rötel-, Brand- und Gelbhalsmaus in Parkanlagen und Hecken, die Wald- und die östliche Ährenmaus mehr im offenen Gelände. Auch Wanderratte und Hausratte sind nicht selten. In Getreidefeldern auf lehmigen Böden fehlt auch der Hamster nicht. Das Eichhörnchen ist nicht nur in den Parkanlagen — dort oft „handzahm" —, sondern auch allenthalben in Vorgärten der Stadtrandgebiete anzutreffen, sofern Bäume vorhanden sind. In den gleichen Lebensräumen befindet sich auch der Igel, dessen Ost- und Westrasse sich bei uns überschneiden. Der Maulwurf verrät seine Anwesenheit vor allem durch die Erdhaufen auf Wiesen und in Gärten. Unter den Spitzmäusen ist die Hausspitzmaus von Inter16

esse, für die Dresden der östlichste Fundort in Mitteleuropa ist, während sich die Gartenspitzmaus hier an der Westgrenze ihres Verbreitungsgebietes aufhält. Rund 10 Fledermausarten sind- aus dem Dresdner Raum bekannt, darunter das Graue und das Braune Langohr, das Mausohr, die Wasser- und die Zwergfledermaus sowie der Abendsegler, der seine Wochenstuben und Sommerquartiere in Baumhöhlen im Großen Garten hat. Bis zu ihrer Zerstörung 1945 befand sich in der Dresdner Frauenkirche der Winterschlafplatz einer großen Abendseglergesellschaft. Groß ist die Zahl der B r u t v ö g e l . An Gebäuden brütet der Mauersegler, der um den 1. Mai eintrifft und uns um den 1. August bereits wieder verläßt. E r paart sich im Fluge und schläft manchmal sogar, in großen Höhen segelnd, in der Luft. Auf Kirchtürmen, Simsen hoher Gebäude, in Ruinen und in den aufgelassenen Steinbrüchen des Plauenschen Grundes brüten Turmfalke wie auch Dohle, die in Dresden als Brutvogel nur zerstreut vorkommt. Weitere Brutvögel an oder in Gebäuden sind Haussperling, Hausrotschwanz, Türkentaube, die erst 1951 in Dresden eingewandert, aber heute zur ,.Landplage" geworden ist, sowie in wenigen Paaren die Schleiereule. Am Stadtrand und in ländlichen Gemeinden kommen Feldsperling, Rauch- und Mehlschwalbe hinzu. In Hausgärten, Kleingärten und kleinen Parkanlagen sind Star und Amsel die häufigsten Brutvögel, die in den letzten Jahren überall zugenommen haben, auch das Rotkehlchen zählt dazu. Regelmäßig sind hier Buchfink, Hänfling, Grünfink, Girlitz, Kernbeißer, Blau- und Kohlmeise, Gelbspötter, Trauerund Grauschnäpper, Singdrossel und Gartenrotschwanz sowie Dorn- und Klappergrasmücke anzutreffen. Auch die Ringeltaube ist hier nicht selten, die Türkentaube meist zahlreich. Oft begegnet man dem Buntspecht, seltener der Elster. Fast alle diese Arten treffen wir im Großen Garten, im Blasewitzer Waldpark und anderen Parkanlagen wieder. Dort kommen weitere Vögel hinzu: Eichelhäher, Nonnenmeise, Waldbaumläufer und der Kleiber, der als einziger heimischer Vogel an Baumstämmen auch kopfabwärts klettern kann. Garten- und Mönchsgrasmücke, Zaunkönig, Fitis, Zilpzalp und Waldlaubsänger sind in den großen Parkanlagen mit Sicherheit anzutreffen. Die Nachtigall brütet vereinzelt im Großen Garten, in Prohlis und in Räcknitz, der Grauspecht im Großen Garten und im Beutlerpark. Häufiger als dieser Specht ist der Grünspecht, dessen gellender Ruf auch in größeren Obstbaumanlagen zu hören ist. Abends und nachts läßt unsere häufigste Eule, der Waldkauz, seinen heulenden Ruf ertönen; seine Paarung geht schon im Februar vonstatten. Der Fasan hält sich vor allem im Waldpark auf; dorthin fliegt er vom Aussetzungsgebiet jenseits der Elbe zu. In den Stadtrandgebieten, auf Feldern und Wiesen leben Feldlerche, Stieglitz, Goldammer, Bachstelze und Rebhuhn, im S und SO auch die Schafstelze. In Getreidefeldern brütet der Sumpfrohrsänger, auf Ödland — auch mitten in der Stadt — die Haubenlerche. Sehr selten ist der Steinkauz geworden, der in Leuben, auf der Südhöhe und an der Bergstraße noch beheimatet ist. Auf den Teichen im Großen Garten und in Prohlis schreitet die Teichralle zur Brut, während die Stockente auf allen Gewässern, auch an der Weißeritz und dem Kaitzbach, angetroffen wird. An der Elbe sind regelmäßig Lachmöwen zu 17

sehen, die im Frühling und Vorsommer abends in ihr Brutgebiet auf dem Dippelsdorfer Teich (rund 3000 Paare; s. Bd. 22, J 6) zurückkehren. In milden Wintern bleiben viele Lachmöwen bei uns und bevölkern dann die Elbufer, wo auch zahlreiche Entenarten überwintern. Auffällige Wintergäste sind ferner die aus dem N O zuwandernden Schwärme von Saatkrähen, in manchen Wintern die nordischen Seidenschwänze und Bergfinken. Unter den K r i e c h t i e r e n und L u r c h e n kommen an Südhängen von Bahndämmen, am Weißeritzsteilufer, in Kiesgruben und an ähnlichen Stellen die Zauneidechse, o f t auch die Wechselkröte vor, während die Blindschleiche feuchtere Stellen bevorzugt, die Erdkröte überall, auch in Gärten, zu Hause ist. Kammund Teichmolch sind zur Laichzeit im Frühling in kleinen Wasseransammlungen zu finden, doch verschwinden solche Laichplätze mehr und mehr. A m westlichen Stadtrand lebt eine Population des Feuersalamanders. In Gewässernähe begegnet man gelegentlich der Ringelnatter, auf den Südhängen der kleinen Tälchen im W und S der Glatt- oder Schlingnatter. Erstaunlich ist immer noch der F i s c h r e i c h t u m der Elbe im Stadtbereich, trotz des reichlich verunreinigten Wassers: Karpfen, Karausche, Schleie, Gründling, Hasel, Plötze, Rotfeder, Blei, Güster und Ukelei leben hier, vereinzelt auch Barbe und eingebürgerte Graskarpfen. Im Unterlauf der Weißeritz halten sich einzelne Bachforellen auf, im Kaitzbach setzt der Anglerverband der D D R regelmäßig Bachforellenbrut ein. V o n den zahlreichen w i r b e l l o s e n T i e r e n sollen nur wenige genannt werden, die durch ihren Aufenthalt in Gebäuden mit dem Menschen direkt in Berührung kommen. Der Hygieneschädling, dessen Bekämpfung die höchsten Kosten verursacht, ist die Küchenschabe. Sie lebt in ständig warmen Räumen, in Hotels, Gaststätten und Krankenhäusern vor allem in Heizungskellern, genauso wie das Heimchen, eine Grille, die sich durch ihr monotones Zirpen verrät. Unangenehm werden in vielen Wohnungen die Ameisen, besonders die aus Indien eingeschleppten Pharao-Ameisen, die nur in Häusern, vor allem in Krankenhäusern, Gaststätten und Bäckereien lästig werden und mit Kontaktgiften nicht zu bekämpfen sind. Der der Stubenfliege (Musca domesticä) sehr ähnliche Wadenstecher (Stomoxys) tritt erst im Hochsommer auf und kann im Gegensatz zu anderen Fliegen (Stuben-, Schmeiß-, Goldfliege) stechen, genauso wie die Stechmücken, die an schwülen Abenden oft in erleuchtete Räume kommen und in Kellern überwintern. Regelmäßige Überwinterer in Wohnhäusern, die besonders im Herbst und Frühjahr in den Zimmern erscheinen, sind Marienkäfer und die goldäugigen zarten Florfliegen; gelegentlich überwintern Tagfalter, wie Tagpfauenauge (Inachisio), Distelfalter (Vanessa cardui), Kleiner Fuchs (Aglais urticae) und C-Falter (Polygonia c-album). Durch Vertilgung von Ungeziefer in Häusern nützlich sind die große Kellerspinne (Meta menardi) in Kellern,die an Zimmerwänden und -decken laufende Hausspinne (Tegenaria domesticä) und die sehr langbeinige Zitterspinne (Pholcus phalangioides), die bei Belästigung in ihrem lockeren Netz so stark zittert, daß sie fast unsichtbar wird. H. Schiemenz

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Der Siedlungsraum Siedlungsgang in ur- und frühgeschichtlicher Zeit Die durch Bodenfunde nachweisbare u r - und f r ü h g e s c h i c h t l i c h e Besiedlung Dresdens (Abb. 6) ist außerordentlich reich. Die tatsächliche Siedlungsdichte dürfte noch größer gewesen sein als wir heute feststellen können, aber durch die frühe Besiedlung des alten Stadtkerns und mangels einer systemati-

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Altsteinzeit Jungsteinzeit Frühe B r o n z e z e i t ( A u n j e t i t z e r Kultur) Lausitzer Kultur Latenezeit K a i s e r z e i t u n d Völkerwanderungszeit S l a w i s c h e Zeit Frühdeutsche Zeit

Befestigungsanlagen d e r ® Bronzezeit © Slawenzeit ö Frühdeutschen Zeit Münzfunde der M Kaiserzeit

I | e 4 > | Fundstätten m e h r e r e r Epochen Li 1 am gleichen Ort {.•-•.'.*.( Talauen.z.T.rnit Altwässern

£2 Frühdeutschen Zeit

Abb. 6. Ur- und frühgeschichtliche Fundstätten (nach Unterlagen des Landesmuseums für Vorgeschichte Dresden) 19

sehen Fundbeobachtung vom Mittelalter bis in das vergangene Jahrhundert wird vieles unbeachtet geblieben sein. Auch dürfte in der jüngsten Aufbauphase mit den industriellen Baumethoden manches verlorengehen. Andererseits hat die systematische Stadtkernforschung viele neue Befunde erbracht. Die klimatischen Bedingungen des Dresdner Elbtales waren zumindest in den letzten 10 bis 8 Jahrtausenden stets günstig, und die Wärmeinsel hat zu allen -Zeiten einen besonderen Anziehungspunkt gebildet. In erster Linie gehört hierher der linkselbische Lößbereich. Dagegen behinderten die Überflutungsflächen der unregulierten Elbe und die fast ständig versumpften Gewässerränder wechselnder Breite die Nutzung. Hochwassergebiet (Abb. 6) und ur- und frühgeschichtliches Besiedlungsland schließen sich aus, und zwar so genau, daß auch die einzelnen Hochwasserinseln wichtige Siedlungen tragen, beispielsweise an den Flurgrenzen von Leuben (s. L 4), Dobritz und Laubegast. Siedlungsgünstig wirkte sich weiterhin die Verkehrslage des Dresdner Raumes aus. Schon in ältesten Zeiten berührten die Wege zwischen Böhmen und dem Norddeutschen Tiefland das heutige Stadtgebiet. Auch für die Verbindung zur Oberlausitz spielte es ein große Rolle, wenn auch mit größeren Einschränkungen, wie etwa in der Zeit der ältesten Feldbauern und der Anfänge der Viehzucht (bandkeramische Kultur, von der die Oberlausitz offenbar lange Zeit unberührt blieb). Das gilt auch für die wesentlich spätere historische Epoche der Einwanderung slawischer Stämme, die für die Lausitz vom Odergebiet her erfolgte, für den Elbe-Saale-Raum aber über Böhmen. Besonders am Ende der Jungsteinzeit •sowie in der gesamten Bronze- und frühen Eisenzeit bestand zwischen der Lausitz und dem Elbtal von Dresden flußabwärts ein zusammenhängendes Siedlungsgebiet. Der älteste Fund aus dem Dresdner Stadtbereich stammt vom Anfang der letzten pleistozänen Kaltzeit. Dieser altsteinzeitliche Lagerplatz einer Jägerhorde erbrachte Knochen von Mammut, Nashorn und Wildpferd, Feuersteingeräte und Feuerspuren; er befand sich im Gebiet der Felsenkellerbrauerei in Dresden-Plauen, am sogenannten Eiskeller. Erst viele Jahrtausende später, als in der ersten Phase der Nacheiszeit zum Nahrungserwerb durch Jagd und Sammelwirtschaft das Fischen an den Schmelzwasserseen und an den Bachufern kam, sind nördlich von Dresden, so bei Wilschdorf, kurzfristig genutzte Niederlassungen von Menschengruppen der Mittelsteinzeit nachzuweisen. Bereits im 5. Jahrtausend v. u. Z. wurden bei uns durch die Anfänge der Nahrungsmittelproduktion — Getreideanbau und Viehzucht wurden aus dem Südosten (Ursprungsgebiete im Vorderen Orient) vermittelt — die Voraussetzungen zur Seßhaftigkeit geschaffen. Besonders auf den fruchtbaren und auch mit primitiven Geräten leicht zu bearbeitenden linkselbischen Löß- und Lößlehmböden entstanden in einer zusammenhängenden Kette von Heidenau über Niedersedlitz bis zum Stadtteil Kemnitz viele Siedlungen mit großen RechtDeckhäusern und Speichern. Die reichen Funde der sogenannten Bandkeramik {Gefäße, Steingeräte, Getreide, Hülsenfrüchte) werden durch die Inventare der Skelettgräber ergänzt. Jüngere erfolgreiche Ausgrabungen auf relativ großen Flächen fanden vor allem in den Stadtteilen Nickern (s. Bd. 21, F i ) und Prohlis statt. 20

In den jüngeren Abschnitten der Jungsteinzeit, als die Viehzucht eine größere Bedeutung gewann und sich damit auch weitere Siedlungsgebiete außerhalb der günstigen Ackerbauzonen zur Nutzung anboten, wurde der Dresdner Raum von den Leuten der Kugelamphoren- und schnurkeramischen Kultur aufgesucht. Die ergiebigsten Fundstellen liegen auch hier vom Altsiedelland vor, beispielsweise vom Beutlerpark und von Cossebaude: Kugelamphoren; von Prohlis, Mockritz, Leuben und Striesen: Schnurkeramik. Schon vor der Wende zum 2. Jahrtausend v. u. Z. kennen wir Nachweise für erstes Metall, das bei den Glockenbecherleuten (etwa 1800 v. u. Z.) zum Gemeininventar der Gräber gehörte. Glockenbecher sind unter anderen von Leuben und Friedrichstadt bekannt. Die Vorteile des neuen Metalls wurden nun systematisch genutzt, und es entwickelte sich die Vollbronzezeit. Schon vor der Mitte des 2. Jahrtausends v. u. Z. sind beachtliche Nachweise für die Besiedlung durch die Aunjetitzer Kultur von der Dresdner Flur vorhanden, so von Reick und Johannstadt, wozu auch der bekannte verzierte Bronzedolch von Dresden-Briesnitz gehört. Die intensivste Besiedlung setzte etwa im 14. Jh. v. u. Z. mit der sogenannten lausitzischen Kultur ein. Weit über 50 Fundstellen in allen Stadtbezirken — von ehemaligen Hügelgräbern, von Flachgräberfeldern sowie Siedlungen — sind hier anzuführen. Dazu gehört auch das älteste überlieferte archäologische Fundgebiet auf Dresdner Stadtflur im Bereich des späteren Böhmischen Bahnhofs, des jetzigen Hauptbahnhofs (Carola-, heute Dr.-Karl-Rüdrich-Straße/ Reitbahnstraße). Dieses Gräberfeld ist seit 1666 bekannt, erste Abbildungen davon liegen seit 1726 vor. Das bedeutendste Bodendenkmal ist die Befestigung auf der Heidenschanze (s. O 5) in Dresden-Coschütz, deren Siedlungsfläche durch die Sprengarbeiten eines inzwischen stillgelegten Steinbruchs allerdings wesentlich reduziert ist. Kleinere Burgwälle der gleichen Zeit befinden sich außerhalb des Stadtgebiets zwischen dem Vogel- und Friedrichsgrund (s. Bd. 27, Q 12) über Pillnitz und bei Krieschendorf (s. Bd. 27, Q 10). E s handelt sich dabei um Zentren von Siedlungskammern mit der Möglichkeit des Schutzes bei Gefahr, weiterhin um Austauschplätze, Produktionsstätten und sicherlich auch um Kultplätze. In der Bronzezeit sind gerade im Dresdner Raum weitreichende Handelsverbindungen bis zum Balkan und zur Ostseeküste nachweisbar, belegt durch eine größere Anzahl von Bronzeschatzfunden, darunter einen Bronzegeschirrfund von Dresden-Dobritz. Die lausitzische Kultur klingt im 3. J h . v. u. Z. aus. Inzwischen war aber längst das Eisen zum vorherrschenden Werkstoff geworden und wurde auch bald in unserem Gebiet gewonnen und verarbeitet. Wir können schon von den letzten Jahrhunderten v. u. Z. an von einer germanischen Besiedlung sprechen, die bis in das 6. Jh. u. Z. andauerte. Die jüngsten germanischen Funde, unter anderem mit 2 goldenen langobardischen Gewandspangen, liegen von Dresden-Nickern vor. Schon am Ende des 6. Jh. begann in mehreren Wellen die friedliche slawische Landnahme des in der Völkerwanderungszeit von den Germanen zu einem großen Teil verlassenen Gebietes. Die Einwanderung ins Elbtal erfolgte aus dem böhmischen Raum über die Osterzgebirgspässe, während die Oberlausitz vom O her besiedelt wurde. Mit der Dresdner Heide begann der breite Grenzwald zwischen 3

Dresden

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den Elbgauen Daleminzien mit Nisan und dem Oberlausitzer Gau Milska. Viele alte Ortsteile vom heutigen Groß-Dresden gehen auf sorbische Siedlungskerne zurück, so Briesnitz, Coschütz, Leuben, Leubnitz, Löbtau, Kickern, Plauen, Prohlis, Strehlen. Reste slawischer Wehranlagen sind heute noch gut erkennbar in Coschütz, Lockwitz, Niederwartha und am Kanapee bei Pillnitz; einen stark eingeebneten Wall gibt es in Briesnitz. Das engere Stadtzentrum und das Gebiet um die Frauenkirche, meist als ältester Siedlungsplatz angesehen, lieferten bisher noch keine Funde, dagegen besteht ein einzelner Nachweis für den Bereich des Taschenberges. Die reichen Funde und Befunde aus der Stadtkernforschung (s. A), besonders am Altmarkt, reichen kaum wesentlich vor die Zeit der ersten historischen Erwähnung zurück. W. Coblenz

Gründung Dresdens und historische Züge im Bild der Stadt Die Expansionspolitik des deutschen Feudalstaates hatte im 10. Jh. zur Gründung der Burg Meißen (s. Bd. 32, M 8.2) geführt, die ihm als militärisches, kirchliches und administratives Zentrum diente, um seine Macht an der Ostflanke sichern und ausbauen zu können. Zur Beherrschung des sorbisch besiedelten Landes dienten die Burgwardbezirke mit ihren befestigten Zentren Briesnitz (s. Q 4), an der Weißeritz (Bristrizi 1068) sowie der Stützpunkt Leubnitz. Gegen Ende des 12. Jh. erfolgte eine wesentliche Änderung der ökonomischen Verhältnisse. An die Stelle des bisher vorherrschenden Tauschverkehrs im Rahmen der bestehenden Naturalwirtschaft trat, von Oberitalien ausgehend, der Handel auf der Basis von Ware-Geld-Beziehungen. U m die Erzeugnisse der damaligen Produktion, vorwiegend aus Landwirtschaft und Bergbau, erfassen zu können, entstand ein ausgedehntes Netz von Handelswegen. E s bedurfte einer großen Anzahl von Verkehrsstützpunkten, deren Distanz wesentlich von der Länge einer Tagesreise mit den schwerfälligen Lastfuhrwerken jener Zeit abhing. Das fast gleichzeitige Entstehen zahlreicher Städte kennzeichnet diese Situation. Die G r ü n d u n g D r e s d e n s (s. A) um 1200, 1206 als Ort, 1216 erstmalig als Stadt erwähnt, ordnet sich in diesen Zusammenhang ein. Im Gebiet von Dresden kreuzten sich der Schiffahrtsweg der Elbe und die Straße von Meißen nach Böhmen mit der bedeutenden Frankenstraße, die von Nürnberg am Fuße der Mittelgebirge entlang nach Krakau führte. Die geographischen Voraussetzungen für die Ortswahl waren bei Dresden besonders günstig: der allmähliche Abstieg der Freiberger Straße vom Erzgebirge her zum Elbtal, der durch die breite Hellerterrasse erleichterte Aufstieg der Straße zur Lausitzer Hochfläche, hinreichend Raum für eine größere Neusiedlung (zum Unterschied von Meißen) und das Bestehen eines guten Elbübergangs (zunächst Furt oder Fähre) in der Weitung des Elbtals. An dieser Furt lag das kleine sorbische Dorf Drezd'ane, das sich dadurch auszeichnete, daß hier eine der damals wenigen, dem Bischof von Meißen unterstehenden Kirchen des Gebietes als Mittelpunkt kirchlicher Macht gelegen war. Der herrschende Adel sah in dieser neuen Entwicklung mit Recht eine Quelle des Reichtums und der politischen Macht. E r begünstigte die Gründung von 22

S t ä d t e n , deren F u n k t i o n e n in H a n d w e r k , V e r k e h r und H a n d e l v o n den B ü r g e r n ausgeübt wurden, die zu einer neuen Klasse heranwuchsen. Gleichzeitig erweiterte vor allem der niedere A d e l durch die B e g r ü n d u n g v o n B a u e r n d ö r f e r n seine ökonomische Basis. Die Markgrafen v o n Meißen, die o f t mit den B u r g g r a f e n v o n D o h n a in F e h d e lagen, schalteten sich in diese E n t w i c k l u n g ein, errichteten auf der flachen

A b b . 7. S t a d t g r ü n d u n g

und

erste

Entwicklung

( n a c h SCHLÜTER/AUGUST 1 9 5 8 — 6 1 ) B Ba F FG FS FT H K Kr

Markgrafenburg Ratsbaderei Frauenkirche Frauengasse Frauentorsee Frauentor Hospital Kauf- und Rathaus Kreuzkirche

M N ST T Tt U W WT

Dorf an der Meißner Straße Neithart (Sumpf) Seetor Taschenberg Taschenbergtümpel Ufertümpel Altenfischersdorf Wilsdruffer Tor

1 Burg (B) und Marktsiedlung (FG) des 12. Jh. 2 Planmäßig angelegte Stadt mit großem rechteckigem Markt. Begründung Anfang 13. Jh. 3 Späterer Ausbau am Taschenbergtümpel (Tt) und östlich der Kreuzkirche (Kr) 3*

23

Erhebung des Taschenberges nahe der Elbe eine Burg, gründeten inmitten älterer dörflicher Siedlungen um die Frauenkirche eine neue Stadt, die sie mit einer Reihe von Rechten und Privilegien ausstatteten. Sie erbauten eine Brücke, die bereits 1287 als steinerne Brücke (s. A) genannt wird, und zogen damit den Handelsverkehr in ihren Machtbereich und unter ihre Kontrolle. Mit dieser Stadtgründung (Abb. 7) beginnt die Geschichte der Stadt Dresden, die in rund 700 Jahren zur Großstadt heranwächst und durch die Arbeit von vielen Generationen die Gestalt gewinnt, die nach vielen und wechselvollen Schicksalen den heutigen Einwohnern als Heimat und den zahlreichen fremden Besuchern als hervorragende Stätte der Kultur vertraut ist. E s ist im Rahmen dieser Überschau nicht möglich, eine Darstellung der Geschichte der Stadt Dresden zu geben. Einen Abriß der Baugeschichte aus der Sicht des Architekten lassen wir auf den Seiten 30 und 40 folgen. Hier muß sich die Beschreibung auf das beschränken, was aus der Geschichte der Stadt noch jetzt sichtbare Spuren hinterlassen hat und unser heutiges Stadtbild mitgestaltet. Wer aufmerksam durch Dresden wandert, wird allenthalben mit dem Auge Zeugen für den W e r d e g a n g d e r S t a d t wahrnehmen. Denn jede Epoche hat wesentlich mitgebaut und mit ihren Vorstellungen und Lebensformen charakteristische Elemente der Stadtgestalt geschaffen. Vieles davon ist vergangen, doch manches hat sich bis auf die Gegenwart erhalten. Dabei ist der Grundriß, in dem sich die Entstehung des Straßennetzes und der Stadtteile widerspiegelt, beständiger als der Aufriß der Stadt, die Stadtsilhouette, die sich mit dem Wandel der einzelnen Gebäude rasch ändert. Beide aber lassen wertvolle Schlüsse auf die Bedeutung der einzelnen Gesellschaftssysteme für das heutige Stadtbild, speziell die räumliche und soziale Differenzierung des Stadtkörpers zu. Dabei geht es nicht allein um hervorragende Bauwerke und um das, was sie in ihrem Inneren an Schätzen bergen — das ist Sache der Architektur- und Kunstführer —, sondern um das Lebensmilieu, das die Stadt und ihre einzelnen Teile einst formte und das sie auch jetzt darbietet, sind es doch vielfach gerade die Wohnviertel der Besitzlosen, die heute noch einen beredten Ausdruck der jeweiligen sozialökonomischen Bedingungen vermitteln. Zum Unterschied von der Betrachtung Dresdens als Kunststadt gestattet ein solches Herangehen an die Stadt als etwas historisch Gewachsenes im Sinne einer vielschichtigen Kulturleistung tiefe und breitere Einsichten in die Arbeit vieler Generationen von Menschen, die nicht nur an der Stadt mitbauten, sondern auch in ihr und ihren Stadtteilen lebten. E s kommt also darauf an, in einer stark begrenzten Auswahl die wichtigsten Epochen zu charakterisieren und ihren Beitrag zur heutigen Gestalt der Stadt zu erfassen, während die Einzelheiten in die Beschreibung der Stadtteile eingehen. 1. Aus dem M i t t e l a l t e r überliefert und bis zur Bombardierung der Stadt 1945 noch in vielen Einzelheiten erhalten geblieben war der Grundriß der alten Stadtanlage. Die Zerstörung der Stadt 1945 hat nur wenig davon übriggelassen. Der Neuaufbau konnte die den Verkehrsbedingungen des Mittelalters entsprechende Dichte und die geringe Breite der Neben- und selbst der Hauptstraßen nicht in die Bebauungskonzeption aufnehmen. So blieben, wenn auch verbreitert und daher nicht grundrißgetreu, nur der Altmarkt und die sich recht24

winklig kreuzenden Hauptstraßen erhalten (Abb. 21). Die kleinen Gassen verschwanden. Die Kreuzkirche behielt (s. A 7) ihren Platz, rückte infolge der Erweiterung des Altmarktes aus ihrer Randlage jedoch in die Häuserfront des Marktes vor. Die Linienführung der Augustusstraße mit ihrer charakteristischen Biegung am Eingang zum Stallhof ist die letzte Andeutung des Verlaufes der Stadtmauer im Mittelalter. Beständiges Element ist ferner die Lage der heutigen Georgi-Dimitroff-Brücke. Mittelalterliche Bausubstanz hatte Dresden von jeher nur wenig aufzuweisen. Mit gewissem Recht sagt man, daß die gotischen Bauwerke der früheren Residenzstadt in Meißen stünden. 2. Bedeutsam für die Gestalt des Grundrisses bis in die Gegenwart sind die B e f e s t i g u n g s a n l a g e n des 16. Jh., die nach niederländisch-italienischem Vorbild eine mächtige Ausweitung der Stadtfläche mit sich brachten, nicht zuletzt durch die weit ausladenden Bastionen. Von Bedeutung ist besonders, daß Teile der Festungsmauern unmittelbar sichtbar sind (s. A 5). Merkwürdig mag erscheinen, daß sich der Dresdner und mancher Fremde, der in anderen Städten die Reste alter Stadtmauern bewundert, dieser Tatsache kaum bewußt ist. Das liegt wohl daran-, daß die erhaltenen Festungsmauern nicht als fossile Überbleibsel früherer Zustände erscheinen, sondern organisch in die spätere Ausgestaltung der Stadt einbezogen worden sind. Man geht zur Brühischen Terrasse (s. A 5) oder zum Zwinger (s. A 1). Im Gegensatz zur Altstadt sind die Befestigungsanlagen in Dresden-Neustadt ohne wesentliche sichtbare Zeugen geblieben. 3. Als Dresden 1485 zur ständigen Residenz der Landesherren wurde, begann die Erweiterung der bisherigen Burg zu einem Schloß (s. A 3), und im Zeitalter des Absolutismus trat eine ganze Reihe weiterer P r a c h t b a u t e n hinzu. So erweiterte sich der landesherrliche Bereich und umfaß '„0 letztlich einschließlich der Palais maßgebender Adliger den ganzen elbseitigen Teil der Stadt vom Zwingerwall bis zum Kurländer Palais an der Ostflanke der Brühischen Terrasse. Das Schloß selbst und das Taschenbergpalais drängten die bürgerliche Bebauung zurück. Neben der Umgestaltung des Grundrisses wird die fürstliche Repräsentation durch einmalige künstlerische Bauwerke im Stadtbild und besonders in der Stadtsilhouette der Elbseite wirksam. Das Bürgertum hat mit einigen hervorragenden Bauwerken (Frauenkirche 1743, Altstädter Rathaus 1745, Neustädter Rathaus 1754, Gewandhaus 1770) zur Entwicklung des Stadtbildes beigetragen. Die monumentale Frauenkirche (s. A 4) beherrschte mit ihrer gewaltigen Kuppel bis zur Zerstörung die Stadtsilhouette. 4. Noch durch eine andere Zeiterscheinung wurde der barocke Lebensstil für Dresden nachhaltig von Bedeutung: die Anlage von L u s t g ä r t e n und L a n d h ä u s e r n vor der Stadt. Viele von diesen Gärten sind später der Uberbauung zum Opfer gefallen, andere sind geblieben und von den Dresdner Bürgern weiter gepflegt und ausgebaut worden. Die umfangreichste Anlage ist die des Großen Gartens (s. C 4), der nicht nur mit rund 2 km 2 Fläche die größte zusammenhängende Parkanlage ist, sondern durch seine Lage auch die weitere Ausbreitung der Stadt mit beeinflußt hat. Vom Großen Garten erstreckt sich, in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts (1838—69) angelegt und planmäßig gestaltet, die Bürgerwiese bis an den inneren Ring. Ein schöner Park grenzt unter Nutzung 25

der alten Befestigungsanlagen an das Japanische Palais (s. D 3). Die Pflege des städtischen Grüns hat bis in die jüngste Vergangenheit hinein Dresden zu einer Stadt mit besonders viel Grünanlagen gemacht. 5. Bleibende Folgen für die Entwicklung der Stadt hatte der soziale Aufstieg der sächsischen G r o ß b o u r g e o i s i e seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges. Dresden behielt zwar bis 1918 den Charakter einer Residenzstadt, in der nach wie vor der Adel eine erhebliche Rolle spielte, doch gewann nach dem militärischen und finanziellen Zusammenbruch von 1763 das kapitalistische Großbürgertum ein erheblich größeres soziales Gewicht und bedeutenden Einfluß auf die Staatspolitik. Führende großbürgerliche Kreise forderten aus politischen Gründen schon 1762 im Programm zu einer umfassenden Staatsreform die Schleifung der Befestigungswerke Dresdens. Der im Wiener Kongreß um zwei Drittel seines Territoriums verkleinerte Staat führte diese Schleifung nach 1815 durch. Dabei blieben die Hauptlinien der Festungswerke in den breiten Ringstraßen vom Postplatz über den Georgplatz bis zur Auffahrt zur Dr.-RudolfFriedrichs-Brücke erhalten. Die bis ins 19. Jh. hinein unbebauten Areale der Festungswerke luden zur Anlage von Straßen geradezu ein. Wenn Dresden es auch versäumte, an ihrer Stelle einen begrünten Promenadenring um den Stadtkern anzulegen, so konnte doch in der Gegenwart der ehemals von den Befestigungsanlagen eingenommene Raum östlich des Stadtkerns — nach der Zerstörung der im 19. Jh. dort erfolgten Bebauung — für die Anlage einer äußerst verkehrsgünstigen Nord-Süd-Tangente genutzt werden. 6. Eine weitere, für das räumliche Gefüge der Stadt entscheidende Entwicklung vollzog sich im 19. Jh. mit der Fixierung der Linien für die E i s e n b a h n . Selbstverständlich konnten Trassen zunächst nur dort angelegt werden, wo noch nicht überbautes Gelände verfügbar war. Und so schlingt sich der Bogen der Eisenbahnstrecken im W und S um das Stadtzentrum und bewirkte eine Vorentscheidung über die alsbald eintretende Differenzierung des Stadtkörpers, besonders hinsichtlich der Industrie- und Wohngebiete. Besonderen Einfluß auf die gewerbliche und industrielle Entwicklung hatten die Steinkohlenschätze des Freitaler Reviers, die günstig zum älteren Gewerbeviertel am Weißeritzmühlgraben lagen und die Verdichtung der Industrie im W der Stadt verstärkten (s. C2). Gleichzeitig förderte die Kohlenbahn die Lagerhaltung, und es entstand ein eigenartiger Zwickel an der Freiberger Straße, der durch die alte Berliner Strecke über Friedrichstadt und die dort errichteten Umschlageinrichtungen der späteren Reichsbahn noch betont wird. E.

Neef

Differenzierung des Stadtgebiets im ig. und 20. Jahrhundert Die Festlegung der Eisenbahntrassen war der letzte einschneidende Akt, der die Gestalt der ganzen Stadt maßgeblich beeinflußt hat. Was später an Umgestaltungen im Gefüge der Stadt vor sich ging, blieb mehr oder weniger auf einzelne Stadtteile beschränkt, wie der Bau weiterer Elbbrücken, die Straßendurchbrüche in der Innenstadt oder die Neuanlage der Prager Straße. Am bedeutendsten für die Neustadt waren die Verlegung der Kasernen aus der Inneren 26

Neustadt an den Rand der Dresdner Heide und die Errichtung der Albertstadt (s. E 5). Die mit der Industrialisierung verschärft einsetzende Zunahme der B e v ö l k e r u n g (in einem Jahr durchschnittlich 4000 bis 5000 Zuwanderer) führte zu einer raschen Ausweitung der bebauten Flächen, wobei die Vororte noch vor ihrer Eingemeindung nach Dresden (Abb. 8) meist eine eigene Bebauungspolitik betrieben (s. K 1, K 3). Die soziale Differenzierung, in der alten Stadt meist nur vertikal geschichtet, zeigte sich nunmehr immer deutlicher im Charakter der einzelnen Städtteile und Wohnviertel. Mit der Festlegung der Eisenbahntrassen wurden zugleich die Flächen vorgegeben, auf denen die Möglichkeit des Gleisanschlusses größere I n d u s t r i e a n l a g e n anzog und zur Ausbildung von Industrievierteln Anlaß gab. Neben der im W der Altstadt längs der Kohlenbahn entstand auch im SO an der Böhmischen Bahn eine Industriezeile, wobei die Gaswerke in Reick (s. M 2), die Textilindustrie von Dobritz (s. L 3) und das Sachsenwerk in Niedersedlitz (s. L 5) auf heutigem Stadtgebiet Schwerpunkte waren. Auf der Neustädter Seite verstärkte sich der Ausbau industrieller Anlagen in der Leipziger Vorstadt, an die sich längs der Leipziger Strecke eine Industriezeile anschloß (s. E 2), die freilich ihre dichteste Besetzung erst in Radebeul erreicht. Im N der Stadt entstand, relativ spät und durch den Militärbezirk der Albertstadt zunächst einseitig orientiert (Arsenal), das Industriegelände an der Otto-Buchwitz-Straße. Die Industrieentwicklung beschränkte sich keineswegs auf die Großindustrie mit Gleisanschluß. Viel allgemeiner und weit verbreitet wuchsen aus ehemaligen Handwerksbetrieben kleine und mittlere Industriebetriebe heran, die — soweit die Bauordnung der Stadt das zuließ — ihren alten Standort behielten und die Hinterhöfe der Wohnblöcke besetzten (s. C 5). Die Zerstörung der Vorderhäuser durch den Feuersturm der Schreckensnacht 1945 hat viele dieser versteckten Gewerbeanlagen erst sichtbar gemacht. Aber auch Neuanlagen innerhalb der Straßenviertel entstanden in größerer Zahl durch die Niederlassung von Spezialindustrien, die wegen ihres hohen Veredlungsgrades keihen Massengüterumschlag und daher auch keinen Gleisanschluß benötigten. Dazu gehörten viele der Dresdner Gewerbezweige, wie etwa die Strohflechterei und deren Weiterverarbeitung oder die Zigarettenindustrie oder — heute noch besonders kennzeichnend — die feinmechanischen Werke (s. K 1). An die Industrieflächen schlössen sich alsbald A r b e i t e r w o h n v i e r t e l an, die meist einen eintönigen Charakter zeigen, obwohl extreme Mietskasernenviertel in Dresden kaum entstanden sind. Demgegenüber wurden die etwas industrieferneren Stadtteile bevorzugte Wohngebiete, die oft als „Beamtenviertel" (s. F 5, K 1) bezeichnet worden sind. Ausgesprochene V i l l e n v i e r t e l bildeten sich um den Großen Garten, im Schweizer Viertel (s. C 3) südlich vom Hauptbahnhof, in den Randgebieten der inneren Neustadt und weiter entfernt in Oberlößnitz (s. Bd. 22, P 1.7) und in Bad Weißer Hirsch (s. H 2) heraus. Später entstanden meist wesentlich bescheidenere Einzelhäuser im Grün der randlich gelegenen Vorstädte. Oft sind Mischgebiete entstanden, an denen mehrere Generationen gebaut haben. Meist aber kann man die einzelnen Bauepochen recht gut unterscheiden. Der Baustil verrät die Baugesinnung des 27

Altstadt 151-9 1835 1892-1913

EZ

1921-1931 1945-1950

• Wüstungen I Lonnßewitz II Auswik III Boskau IV Ranvoltitz V Gleina VI Poppewitz VII Bortzschen VIIIRostagk X Praschütz IX Wernten XI Lippen

A b b . 8. Eingemeindungen — Legende s. Seite 29-, Wüstungen (links) sowie 1945 zerstörte Flächen (nach S C H L Ü T E R / A U G U S T 1958 — 61) 28

Jahre der Eingemeindungen 1

Altstadt

1549 2 Neustadt 3 Vorstädte 3 a Neudorf 3 b Pirnaische Vorstadt 3 c Seevorstadt 3 d Wilsdruffer Vorstadt 3e—g übrige Fläche (meist unbebautes Land) 1835 4 a Antonstadt 4 b Leipziger Vorstadt 5 Friedrichstadt 1892 6 Strehlen 7 Striesen 8 9 10 11

1897 Pieschen Trachenberge 1899 Albertpark 1901 Gruna

1902 1 2 Räcknitz 1 3 Seidnitz 1 4 Zschertnitz 1903 Cotta Kaditz Löbtau Mickten Naußlitz Plauen Trachau Übigau Wölfnitz 1912 24 Tolkewitz

15 16 17 18 19 20 21 22 23

25 26 27 28 29 30

1913 Reick 1921 Blasewitz Briesnitz Bühlau Coschütz Dobritz

31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51

Gorbitz Gostritz Kaitz Kemnitz Kleinpestitz Kleinzschachwitz Laubegast Leuben Leubnitz-Neuostra Leutewitz Losch witz Mockritz Prohlis Roch witz Stetzsch Torna Weißer Hirsch 1930 Lockwitz Nickern Omsewitz Wachwitz

1934 52 Heidefriedhof

53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 7i 72

1945 Albertstadt Dölzschen Gittersee Roßthal 1949 Dresdner Heide 1950 Großluga Großzschachwitz Hellerau Hosterwitz Kleinluga Klotzsche Meußlitz Niederpoyritz Niedersedlitz Oberpoyritz Pillnitz Söbrigen Sporbitz Wilschdorf Zschieren

29

Weixdorf»

'Weinböhla

"gfi-Pferdefeisenjbahn 1900

Hellerau

' I B M ' .Kötzschenbroda

Straßenbahn Schmalspurbahn

W i i l 8 7 2 Jahr der Inbetriebnahme

Hellerau Post

^ Wilder M a n n \St-Pauli-Friedhof / f f v ß f O /

iCossebaudi

Ä

Ä

O

frühere Endhaltestelle



heutige Endhaltestelle Knotenpunkt

fiöl

irsenal Waldschlößchen

0//ScWachtV

C W

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Bühlau Johanrv^

Fnedrichstadtl



1

1693

Leutewitz

Striesen

/

Wölfnitz

1308

o Weißig

Stadt

[Wachwitz

iGruna ¿^•Plauen

'Coschütz

s A È7

^Strehlen

Zschertnitz

Pillnitz

leubnitz-Neuostra

Kleinzschach-Wi Niedersedlitz^ witz V

Jf w

A b b . 9. Straßenbahnliniennetz (nach WOTTE/HOYER 1977; Fünfundsiebzig Jahre Straßenbahn in Dresden 1947 und Stadtplan Dresden 1979) 1 Fetscherplatz

7 Postplatz

2 Fucikplatz

8 Schillerplatz

3 H a u p t b a h n h o f (Leninplatz)

9 Schweriner/Paul-Gruner-Straße

4 Kesselsdorfer/Tharandter S t r a ß e

10 S t r a ß e n b a h n h o f M i c k t e n

5 Pirnaischer P l a t z

N A N e u e r Annenfriedhof

6 P l a t z der E i n h e i t

Zeitalters und gestattet oft sehr interessante Vergleiche. Die Verflechtung der verschiedenartigen Stadtgebiete brachte notwendigerweise die Entwicklung des innerstädtischen Verkehrsnetzes mit sich (Abb. 9). E.

Neef

Überblick zur baugeschichtlichen Entwicklung Die Stadtgründung des frühen 13. Jh. war eine p l a n m ä ß i g e A n l a g e auf einem bisher unbesiedelten Gelände, erschlossen und gegliedert durch ein auf Burg und Elbübergang ausgerichtetes Straßenkreuz, über dessen westlichen und 3°

nördlichen A r m (Westteil Ernst-Thälmann-Straße, Schloßstraße) die Fernstraße die Stadt durchlief. A m Schnittpunkt dieser beiden Straßenachsen wurde im südöstlichen Quadranten der Markt angeordnet, der bis 1945 die durch den Gründungsplan festgelegte Größe behielt. Auf einem an die Südostecke des Marktes anschließenden zweiten Platz wurde die Pfarrkirche der neuen Siedlung, eine Nikolaikirche — die spätere Kreuzkirche —, errichtet. Die UHirn a u e r u n g der Stadt, 1299 erstmals bezeugt, richtete sich nicht nach der geradlinigen Führung der Gassen, die in der westlichen Stadthälfte vorwiegend westöstlich, in der östlichen dagegen nordsüdlich orientiert war, sondern folgte den topographischen Gegebenheiten. Daß- die ältere Siedlung um die Frauenkirche nicht einbezogen wurde, läßt erkennen, daß sie ein eigenes, an Bedeutung aber völlig hinter die Neugründung zurücktretendes Gemeinwesen blieb. Die Verbindung zwischen beiden spielte im Stadtgrundriß nur eine untergeordnete Rolle. Sie wurde zudem erschwert durch sumpfige, siedlungsunfreundliche Stellen, die im Ostteil der Stadt auch zu einem Abgehen von der geradlinigen Straßenführung zwangen. Der östliche A r m des Straßenkreuzes endete blind in einer nach S abgebogenen Gasse. Zum Ostausgang der Stadt führte, ebenfalls leicht nach S ausschwingend, die von der Südostecke des Marktes ausgehende Kreuzstraße. Das von der Stadtmauer umgebene Gebiet dürfte erst im Läufe des 15. Jh. vollständig überbaut worden sein. Auf der nordwestlichen Randfläche wurde das 1265 gegründete Franziskanerkloster errichtet. Zu ihm gehörte die 1945 zerstörte Sophienkirche, eine 1351 begonnene zweischiffige Halle, ungewöhnlich durch den selbständigen polygonalen Ostschluß beider Schiffe. Seit 1471 wurde unter der Leitung A R N O L D S V O N W E S T F A L E N die Burg ausgebaut, die nach der 1485 erfolgten Landesteilung ständige R e s i d e n z der Albertiner wurde. Die Anwesenheit des Hofes beeinflußte und förderte von diesem Zeitpunkt an in starkem Maße die bauliche Entwicklung Dresdens, das bis dahin eine wenig bedeutende Ackerbürgerstadt gewesen war. Die nach dem großen Brand von 1491 erlassene Bauordnung forderte für die Neubauten massive Erdgeschosse, Ziegeldächer und durchgehend massiv errichtete Eckhäuser. Bis 1499 erfolgte der Neubau der Kreuzkirche als eine der für die obersächsische Spätgotik charakteristischen Hallen, die den älteren Westbau und den aus der ersten Hälfte des 15. Jh. stammenden Chor beibehielt. Mit dem Georgenbau des Schlosses (1530 — 35) hielt die R e n a i s s a n c e ihren Einzug in Dresden, wobei sich die mittelalterliche Architekturtradition mit Anregungen aus dem französischen Schloßbau und der oberitalienischen Renaissance verband, von deren betont dekorativer Auffassung noch das an die Westseite des heutigen Baues versetzte Portal der Elbseite zeugt. Nach der Erlangung der Kurwürde durch Herzog MORITZ (1547) war Dresden zur Hauptstadt des bedeutendsten protestantischen Territoriums im Reiche geworden. Der neu erworbene fürstliche Rang fand seinen Ausdruck in einem großzügigen Umund Erweiterungsbau des Schlosses, der dessen Umfang verdoppelte. Der nach dem Entwurf C A S P A R V O I G T S V O N W I E R A N D T entstandene Vierflügelbau war eines der prachtvollsten Bauwerke der deutschen Renaissance, ausgezeichnet durch einen reichen plastischen Schmuck und die Sgraffitodekoration der Fassaden. 31

1546 begann unter der Leitung C A S P A R V O I G T S V O N W I E R A N D T die vollständige Erneuerung der S t a d t b e i e s t i g u n g , wobei an die Stelle des mittelalterlichen Mauerringes hohe Wälle mit flankierenden Bastionen traten. 1591 wurden die Arbeiten von P A U L B U C H N E R vollendet. Die neuen Festungswerke, die auch die Siedlung um die Frauenkirche einschlössen, legten den Umfang der Stadt für mehr als 2 Jahrhunderte fest. Die fehlende Ausdehnungsmöglichkeit und die völlige Abschließung von den Vorstädten führten in der Folge zu einer immer stärkeren Überbauung. Die Einbeziehung des Frauenkirchviertels in die Befestigung hatte die Trennung zwischen ihm und der mittelalterlichen Stadt hinfällig gemacht, und der im Verlauf der bisherigen Stadtmauer angelegte Straßenzug Augustusstraße — Neumarkt — ehemalige Moritzstraße wurde zu einer der Hauptverkehrsadern der Stadt, die den Verkehr zur Elbbrücke vermittelte. Auf dem Gelände der ehemaligen Befestigung entstanden 1586—91 als Erweiterung des Schloßkomplexes der Stallhof und das durch den Langen Gang mit dem Georgenbau verbundene Stallgebäude. Der Entwurf der Anlage dürfte auf den Italiener G. M. N O S S E N I zurückgehen, dessen vielseitige Tätigkeit für den Hof die Dresdner Kunst des ausgehenden 16. und des beginnenden 17. Jh. nachhaltig beeinflußte. Die künstlerische Blüte der Stadt erstreckte sich auch auf das bürgerliche Bauwesen. A n ihm waren vielfach dieselben Künstler und Handwerker beteiligt, die an den höfischen Bauaufgaben mitwirkten. Der erneute Aufschwung des Bauschaffens nach dem Dreißigjährigen Krieg ist mit der Berufung W O L F C A S P A R V O N K L E N G E L S 1655 zum Oberlandbaumeister verbunden. E r bereicherte das Stadtbild durch die Erhöhung des Schloßturmes (1674—76) und schuf die nach den Grundsätzen des b a r o c k e n S t ä d t e b a u e s angelegte Planung für den Wiederaufbau vom rechtselbischen Altendresden, das 1685 nahezu völlig abgebrannt war. Durch 3 strahlenförmig vom Neustädter Markt ausgehende Straßen (Rähnitzgasse, Straße der Befreiung, ehemalige Kasernenstraße) brachte er eine klare Ordnung in dessen vordem unregelmäßige Anlage. Das Palais im Großen Garten, 1678 — 83 von K L E N G E L S Amtsnachfolger J. G. S T A R C K E erbaut, leitete den Kranz der barocken Gartenpalais rings um die Stadt ein. Es ist eines der ersten großen an der Schwelle zum Hochbarock von deutschen Künstlern geschaffenen Bauwerke. Die 1676 begonnene Gartenanlage wurde seit 1683 durch J. F. K A R C H E R im Sinne der französischen Gartenkunst verändert und erweitert (s. C 4). Unter der Regierung A U G U S T S D E S S T A R K E N kam es zu einem Höhepunkt höfischer Prachtentfaltung, die sich aber auf seine beiden Residenzstädte Dresden und Warschau verteilen mußte, so daß der größte Teil der hochfliegenden Baupläne auf dem Papier blieb, darunter auch die Entwürfe für einen Neubau des Residenzschlosses westlich des alten. Seit etwa 1703 bis zum Ausbruch des Siebenjährigen Krieges beschäftigte dieser Plan alle bedeutenden Architekten des Oberbauamtes. In unmittelbarer Nachbarschaft des Schlosses entstand nach den Entwürfen von K A R C H E R und P Ö P P E L M A N N zunächst nur das Taschenbergpalais (1706—11), bedeutsam als künstlerisches Bindeglied zwischen dem Palais im Großen Garten und dem 1709 von P Ö P P E L M A N N als Orangerie begonnenen Zwinger, der in kongenialer Zusammenarbeit mit PERMOSER zu einer triumphalen Festarchitektur weitergeführt wurde, aber unvollendet blieb (s. A i ) . Dagegen wurde der Ausbau der Neustadt auf der

32

Grundlage der K L E N G E L S c h e n Planung, der nach 1685 ins Stocken geraten war, seit 1727 zielstrebig vorangetrieben. Neu angelegt wurde die auf die Mittelachse des Japanischen Palais zuführende heutige Friedrich-Engels-Straße. Durch eine musterhafte Baugesetzgebung ( G E Y E R 1964), die in der Bauordnung von 1720 gipfelte, war die Gestaltung der Stadt nach einheitlichen Gesichtspunkten gewährleistet. E s entstanden Straßenbilder von so eindrucksvoller Geschlossenheit, wie sie bis 1945 die Rampische Gasse und die Große Meißner Straße zeigten, in denen sich die künstlerische Vielfalt der einzelnen Bürgerhäuser zu einer über den individuellen Auffassungen stehenden Ordnung zusammenfügte. Seine Krönung fand das bürgerliche Bauwesen der barocken Stadt in der von G E O R G E B Ä H R errichteten Frauenkirche (1726 — 43), durch die sich der protestantische Kirchenbau zu einer bisher nicht erreichten monumentalen Großartigkeit und Originalität aufschwang (s. A 4). Im Hinblick auf den noch immer beabsichtigten, aber nie verwirklichten Schloßneubau entstand 1739—55 die von G A E T A N O C H I A V E R I entworfene Hofkirche (s. A 2). Ihr römischer Spätbarock steht in keinem stilistischen Zusammenhang mit der gleichzeitigen Dresdner Architektur, die in zunehmendem Maße unter den Einfluß der zurückhaltenden, rationalen Formensprache des Oberlandbaumeisters J. C . K N Ö F F E L geriet. Von ihm wurden unter anderem das Kurländer (1728/29) und das Brühische Palais (1737 begonnen) erbaut sowie die Entwürfe für das Altstädter (1740) und das Neustädter Rathaus (1750) überarbeitet. Mit der-Anlage^ ^ e s Brühischen Gartens auf dem Festungswall über der Elbe (1739 begonnen) vollzog er die durch den Bau der Hofkirche eingeleitete Hinwendung der S t a d t zum Fluß, die sich auf den Wällen mit einem Kranz von Gärten schmückte. Bereits 1736 war das Verbot der massiven Bauweise in den Vorstädten aufgehoben worden. Typenentwürfe, unterschieden nach 3 Bauzonen, sollten ihre einheitliche Bebauung sichern. Nach der schon 1670/71 westlich der Wilsdruffer Vorstadt gegründeten Friedrichstadt (s. C 1) erfolgte 1744/45 durch den Neuen Anbau auf dem Sande, der späteren Antonstadt (s. E 4), eine weitere planmäßige Stadterweiterung im N O der Neustadt. Der Wiederaufbau der Stadt nach den Zerstörungen des Siebenjährigen Krieges wurde bestimmt durch den von L O N G U E L U N E und K N Ö F F E L eingeführten k l a s s i z i e r e n d e n S p ä t b a r o c k . Der aus dieser Schule hervorgegangene F R I E D R I C H A U G U S T K R U B S A C I U S , als Professor der 1763 gegründeten Kunstakademie von großem Einfluß auf die nachfolgende Architektengeneration, errichtete 1770—76 das Landhaus (s. A 7). Die Auseinandersetzungen zwischen dem traditionellen handwerklich-bürgerlichen Barock, vertreten durch den Ratsbarumeister J O H A N N G E O R G S C H M I D , einen Schüler und Amtsnachfolger GEORGE

BÄHRS,

und

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Oberbauamt

und

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Kunstakademie

ver-

fochtenen klassizistischen Tendenzen wurden im Verlauf des Neubaues der Kreuzkirche (1764—92) endgültig zugunsten der letzteren entschieden. A u c h der Entwurf S C H M I D S für das Gewandhaus (s. A 7), erbaut 1768—70, mußte sich die Überarbeitung durch einen Architekten des Oberbauamtes, J O H A N N F R I E D R I C H K N Ö B E L , gefallen lassen. Die Zeit um die Jahrhundertwende blieb ohne größere bauliche Unternehmungen, bis die endgültige Schleifung der Festungswerke seit 1815 die Trennung der 33

Innenstadt von den Vorstädten aufhob. Auf der Altstädter Seite gelang auf die Dauer nur die Freihaltung des Pirnaischen und des Postplatzes und die Anlage einer Ringpromenade, das übrige Glacis wurde überbaut. Dagegen schuf G O T T L O B F R I E D R I C H T H O R M E Y E R in der Neustadt mit der offenen Bebauung des Festungsgeländes (1817 — 31) und der Anlage eines Sternplatzes (Platz der Einheit) ein charakteristisches Beispiel des k l a s s i z i s t i s c h e n S t ä d t e b a u s , das einen Gegenpol zu dem barocken Straßensystem KLENGELS bildete. Weitere, seit Jahrzehnten anstehende bauliche Probleme nahm G O T T F R I E D S E M P E R in Angriff. Den geplanten Bau eines Theaters und eines Museums verband er mit der städtebaulichen Gestaltung des Gebietes zwischen Zwinger, Elbe und Schloß, wobei er die schon von P Ö P P E L M A N N beabsichtigte Erweiterung des Zwingerhofes bis zur Elbe vorschlug. Diesem Plan entsprach der Standort des 1838 — 41 erbauten Hoftheaters, mit dem S E M P E R die Formen der italienischen Renaissance in die Dresdner Architektur des 19. Jh. einführte. Nachdem aber sein Galeriebau 1847 — 54 als nördlicher Abschluß des Zwingers errichtet worden war, entstand der Theaterplatz (s. A 2) als ein selbständiger, von monumentalen Einzelbauten umgebener Platzraum, der nach dem Brand des Hoftheaters (1869) mit dem zweiten SEMPERschen Theaterbau 1871 — 78 seine endgültige Form erhielt. S E M P E R S Bauten für private Auftraggeber (Villa Rosa 1838/39; Palais Oppenheim 1845 — 48) verschafften seiner R e n a i s s a n c e r e z e p t i o n Eingang in das bürgerliche Bauwesen der Stadt. Von seinem Schüler H E R M A N N N I C O L A I weitergegeben, prägte dieser Stil in starkem Maße die Bebauung der Vorstädte um und nach 1850. Die industrielle Revolution, verbunden mit der Entwicklung des Verkehrswesens und einem starken Zuzug vom Lande, führte in der zweiten Hälfte des 19. Jh. zu einem sprunghaften Wachstum der Stadt. Dabei wurde aber grundsätzlich an einer einheitlichen Bebauungsweise der S t a d t e r w e i t e r u n g s g e b i e t e festgehalten. Bis 1862 war die geschlossene Bebauung auf das Gebiet innerhalb des inneren Environweges, des heutigen Innenringes, die Anton- und die Friedrichstadt beschränkt. Zwischen dem inneren und dem bis zur Jahrhundertwende im wesentlichen ausgebauten äußeren Environweg (Bischofsweg, Fetscherstraße, Zellescher Weg, Nürnberger, Waltherstraße) war nur die offene Bebauungsweise zugelassen, und das Gebiet jenseits des äußeren Environweges sollte überhaupt unbebaut bleiben. Nach 1862 mußte aber auch hier die geschlossene Bebauung zugelassen werden, die in der Zeit von 1870 bis 1890 vorherrschte. Danach erfolgte eine Rückkehr zur aufgelockerten Bebauung. Die Forderung von Bebauungsplänen und die Vorschriften über die Art der Bebauung engten in Dresden den Spielraum für Spekulationsbauten vergleichsweise ein, und die Festlegung von Industriestandorten, vor allem im W und N, verhinderte die Ausbreitung störender Industrieanlagen über das gesamte Stadtgebiet, so daß eine planmäßige Erweiterung der Stadt bis zu einem gewissen Grad gesichert war. Neben dieser von innen nach außen gehenden Ausdehnung der bebauten Flächen vollzog sich eine in umgekehrter Richtung laufende Entwicklung infolge des Wachstums der in den Zuwanderungsstrom einbezogenen umliegenden Ortschaften. Die Eingemeindungspolitik der Jahrhundertwende schuf die Voraussetzung für die einheitliche städtebauliche Planung. 34

Die notwendigen städtebaulichen Verbesserungen in der Innenstadt und den anliegenden Vorstädten wurden durch die Eigentumsverhältnisse erschwert, doch kam eine durchgehende Ost-West-Verbindung seit 1872 abschnittsweise zustande. Nach dem Durchbruch der Schweriner (1872 — 75) und der Grunaer Straße (1878 — 80) wurde sie 1885 — 88 mit dem Durchbruch der König-JohannStraße, heute Abschnitt der Ernst-Thälmann-Straße, vom Altmarkt zum Pirnaischen Platz vollendet. Zusammen mit der Prager Straße, die bereits 1853 zum Böhmischen Bahnhof durchgebrochen worden war, stellte sie eine sinnvolle und konsequente Weiterführung des Achsenkreuzes dar, das die Grundlage des mittelalterlichen Stadtgrundrisses bildete. Die tiefgreifenden gründerzeitlichen Veränderungen des Stadtbildes führten am Ende des 19. Jh. zu einer neuen Besinnung auf seine historischen Werte, wobei der Altstädter Elbfront besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. So konnte unter anderem die Abtragung eines Teils der Brühischen Terrasse für den Bau des Ständehauses (1901 — 06, P A U L W A L L O T ) verhindert werden. Im Zusammenhang mit der Elbuferkorrektur 1869 — 72 war es gelungen, die Elbwiesen von einer Bebauung frei zu halten und den landschaftlichen Charakter des Elbraumes zu wahren. Durch die Erhaltung und Erweiterung der Bürgerwiese (1838 — 69) war das Grün des Großen Gartens bis an den Stadtkern herangeführt worden. Zu Beginn des 20. Jh. bereicherte H A N S E R L W E I N , Stadtbaurat von 1905 bis 1914, das Stadtbild durch eine Reihe feinempfundener Bauten in der traditionsgebundenen Gestaltungsweise der süddeutschen Architekturschule (Italienisches Dörfchen, Oberschule Weintraubenstraße), die er auch auf Industrieanlagen ausdehnte (Schlachthof, 1906—11). R I C H A R D R I E M E R S C H M I D schuf 1907 den Bebauungsplan für die in Verbindung mit den Deutschen Werkstätten angelegte Gartenstadt Hellerau (s. Bd. 22, R 3) nach den Grundsätzen des romantisierenden Städtebaus, der sich in Dresden, wo an der geradlinigen Straßenführung der Stadterweiterungsgebiete festgehalten worden war, sonst nicht hatte durchsetzen können. Nach 1920 übersprang die Stadterweiterung den Ring der gründerzeitlichen Bebauung. In den äußeren Vororten mit ihren mehr oder weniger gut erhaltenen Dorfkernen (Abb. 10) standen aufgelockerte W o h n s i e d l u n g e n , zum überwiegenden Teil in zurückhaltend-traditioneller Gestaltungsweise wie die größte Siedlung jener Jahre, die des Bauvereins Gartenheim in Gruna (besonders 1925/26, P A U L B E C K ) . Teilweise vertraten sie auch die moderne funktionelle Architektur (Wohngebiet Kopernikusstraße in Trachau, 1927 — 29 von H A N S R I C H T E R ) . P A U L W O L F , Stadtbaurat seit 1923, förderte diese Bestrebungen auch durch eine Reihe eigener Bauten. Dagegen wurde der umfangreichste Neubau im Bereich des Stadtzentrums, das Hygienemuseum, 1927 — 30 von W I L H E L M K R E I S in einer betont monumentalisierenden Auffassung errichtet. W. May Zerstörung u n d W i e d e r a u f b a u Fast bis zum Ende des zweiten Weltkriegs war Dresden von Luftangriffen verschont geblieben. Die ersten Bomben wurden am 7. 10. 1944 über Stadtteilen westlich des Zentrums abgeworfen. Uber 400 Menschen verloren ihr Leben. 35

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• denkmalgeschützter Dorfkern O erhaltenswerter Dorfkern a a BaudenkmalEnsemble A Baudenkmal - Einzelobjekte A ohne Denkmalwert Abb. 10. Historische Dorfkerne (aus Denkmale in Sachsen. Weimar 1979) A m 13./14. 2. 1945 wurde Dresden durch 3 anglo-amerikanische Terrorangriffe, die mit dem Ausgang des Krieges nichts mehr zu tun hatten, planmäßig auf einer Fläche von 15 km 2 in Schutt und Asche gelegt. Nach einem teuflischen Plan wurden Spreng- und Brandbomben so eingesetzt, daß ein furchtbarer Feuersturm entstand, der durch Flächenbrände ein Maximum an Vernichtung, vor allem in den dicht bebauten Wohnvierteln, bewirkte. Die zerstörte Fläche lag zentral zwischen Friedrichstadt und Gruna, der Südvorstadt und der Inneren Neustadt (Abb. 8).

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Von 220000 Wohnungen wurden 75000 völlig zerstört, Zehntausende mehr oder weniger schwer beschädigt. Alle kulturhistorischen Gebäude der Innenstadt, dazu ,20 Kirchen, 8 Kapellen, 35 Schulen, 114 öffentliche Gebäude und 40 Krankenhäuser und Kliniken wurden vernichtet. Bomben rissen nicht nur die Straßendecken auf, sondern zerstörten auch vielfach die unterirdischen Leitungsnetze für die Wasser-, Gas- und Stromversorgung. Die unsinnige Sprengung der Elbbrücken unmittelbar vor dem Einzug der sowjetischen Truppen vermehrte noch zusätzlich die Schwierigkeiten. D a zu dieser Zeit der Bombenangriffe ungezählte Flüchtlinge und Soldaten in der Stadt weilten, ist die Zahl der Todesopfer nicht genau zu ermitteln. Die amtlichen Schätzungen sprechen von 35000. Am 8. 5. 1945, am Waffenstillstandstag, wurde die Stadt von sowjetischen Truppen besetzt. A m 10. 5. übernahm Dr. R U D O L F F R I E D R I C H S auf Befehl des sowjetischen Stadtkommandanten das A m t des Oberbürgermeisters. Der neugebildete Magistrat bemühte sich mit tatkräftiger Unterstützung durch die sowjetischen Dienststellen um die Sicherung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung, das heißt um die Versorgung mit Lebensmitteln, mit Wasser, Gas und elektrischem Strom, sowie um die Ingangsetzung der Verkehrseinrichtungen. Es war eine gewaltige Leistung, daß Ende Mai bereits 180000 k W h Strom, 70000 m 3 Wasser und 41300 m 3 Gas abgegeben werden konnten, die Straßenbahn täglich 150000 Fahrgäste befördern konnte. Marienbrücke und die heutige Brücke der Einheit wurden behelfsmäßig aufgebaut. Bereits 1945 wurden 50000 der leicht beschädigten und 3000 der mittelschwer beschädigten Wohnungen wiederhergestellt. Trotz aller materiellen Schwierigkeiten kam das Kulturleben wieder in Gang. Im Sommer 1945 gaben Staatskapelle und Philharmonie ihre ersten Konzerte (Kurhaus Bühlau, s. Bd. 27, N 1), der Feenpalast in L e u t e n wurde zum Operettentheater (s. L 4) umgestaltet. Denkmalpfleger, Architekten, Bildhauer und viele andere freiwillige Helfer räumten an Sonntagen und Feierabenden Trüm.nar zur Seite und bargen Plastiken, schmiedeeiserne Gitter und Architekturteile. Mit dem Wiederaufbau von Baudenkmalen, wie Zwinger (s. A 1) und ehemaliger Katholischer Hofkirche (s. A 2), wurde begonnen. Die s t ä d t e b a u l i c h e P l a n u n g , Grundvoraussetzung für einen geordneten Aufbau, vollzog sich in einem kontinuierlichen Prozeß, in dem zunächst die Vorstellungen von einer weitgehenden Wiederherstellung des Zustandes vor 1945 bis zu völlig neuen Strukturen reichten. Eine Reihe von Rechtsgrundlagen wurde geschaffen. So enthielt der erste Aufbauplan (1946) bereits wichtige Elemente der Planung für die Innenstadt, die Verkehrsführung, die Versorgungsnetze, für den Wiederaufbau kulturhistorisch bedeutsamer Gebäude und die Rolle der Grünanlagen. Die Grundakte von 1951 brachte Aussagen über die künftige Bedeutung der Stadt und die wichtigsten Planvorhaben, insbesondere für den Stadtkern und den zentralen Bezirk, das Gebiet innerhalb des Stadtringes, über den Altmarkt als zentralen Platz und die Ernst-Thälmann-Straße als Fest- und Demonstrationsstraße (s. A 7). In den folgenden Jahren wurde die städtebauliche Planung folgerichtig weitergeführt, wobei solche Faktoren wie industrielle Entwicklung, industrialisiertes Bauen, Wachstum des Verkehrs und der kulturellen Bedürfnisse, sozialpolitische 4

Dresden

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Aspekte, insbesondere im Wohnungsbau, nicht zuletzt auch der bewußtseinsbildende Charakter des Städtebaus eine Rolle spielten. Der Generalbebauungsplan von 1974 erfuhr eine Fortschreibung bis 1976 unter Abstimmung mit dem Generalverkehrsplan (Abb. 11). Dabei wird das Wesen der Stadt gekennzeichnet durch: — — — — — — —

sozialistische Großindustrie Wissenschaft, Lehre und Forschung Kultur und Kunst nationalen und internationalen Touristenverkehr Konzentration der Arbeiterklasse Funktion als Bezirksstadt Knotenpunkt im Transitverkehr.

Das Kernstück des Generalbebauungsplanes ist die langfristige Konzeption Wohnungsbau, deren Durchsetzung von ausschlaggebender'Bedeutung für die Erfüllung des sozialpolitischen Programms ist. Auch die Rekonstruktion von Altbaugebieten wurde mehr und mehr in den Aufbau einbezogen. Der A u f b a u d e r S t a d t läßt sich in verschiedene Abschnitte gliedern: 1 . Enttrümmerung Die gesamte Trümmermenge wird auf 18 Millionen m 3 geschätzt. Nach der vorrangigen Freilegung wichtiger Verkehrsstraßen folgte die Flächenberäumung, deren größte Leistungen Anfang der fünfziger Jahre lagen und die Anfang der sechziger Jahre auslief. Aus den Trümmern wurden verwendbare Baustoffe geborgen, teilweise zwischenzeitlich in Halden abgelagert und in Betonwerken, wie beispielsweise in Johannstadt (s. C 5), verarbeitet. Nicht verwendbarer Schutt wurde auf Großflächen, so am Johannstädter Ufer und am Stadtrand, später zu Trümmerbergen aufgeschüttet. Aus ästhetischen und stadthygienischen Gründen wurden beräumte Flächen oder Streifen längs der Straßen begrünt. Eine Reihe von Jahren bestimmte die Enttrümmerung mit das Stadtbild. Die Trümmerfrau wurde zu einem Symbol. Ihr wurde ein Denkmal vor dem Rathaus gesetzt. J . Hunger 2. Städtebaulich architektonische Grundsätze Die Zerstörung der Stadt am 13. 2. 1945 bedeutete einen tiefen und schmerzlichen Einschnitt in ihrer Entwicklung, nicht aber ihr Ende. Nach den Anfangsjahren des Wiederaufbaus, die zunächst durch naheliegende Wiederherstellungs-

Abb. n . Flächennutzungskarte auf S. 38/39 (nach Generalbebauungsplan und Generalverkehrsplan der Stadt Dresden 1967, aktualisiert nach den Flächennutzungskarten des Büros des Stadtarchitekten, Stand 1979) 40

Probleme der städtischen Funktionen bestimmt wurden, kam es ab 1955, ausgehend von der I. Baukonferenz, zu grundsätzlichen Diskussionen über die Gestaltungsgrundsätze und Gestaltungsmöglichkeiten. Mit der Einführung der Plattenbauweise Anfang der sechziger Jahre und mit den Zielstellungen der Perspektivpläne bis 1970 bzw. 1975 gelang die Synthese zwischen Ökonomie und Gestaltung wie auch zwischen Architektur und bildender Kunst. Der Neuaufbau des Stadtkerns übernahm die Grundstruktur des mittelalterlichen Grundrisses und ersetzte die kleinteilige Gliederung durch eine großflächige Bebauung, hielt am Achsenkreuz als der Grundlage der städtebaulichen Gliederung — ein Werk des 19. Jh. — fest, wobei die Ost-West-Achse als etwa 50 m breite, vom Pirnaischen Platz zum Postplatz durchgehende Magistrale ausgebildet wurde. Die Arbeiten am Altmarkt erfolgten seit 1953 und bezogen die Westfront der Kreuzkirche in die neue Umbauung ein. Aus der Einsicht, daß an der charakteristischen Erscheinung eines Stadtbildes das bauliche Zeugnis seiner Geschichte einen entscheidenden Anteil hat, lehnte sich die Fassadengestaltung an die Dresdner Architekturtradition des 18. Jh. an. Während sie bald von einer sachlicheren Formensprache abgelöst wurde, hat sich die Einheitlichkeit und Geschlossenheit der städtebaulichen Anlage, die infolge der Aufhebung der Grundstücksgrenzen möglich war, als die eigentliche architektonische Leistung erwiesen. In sie fügt sich auch der als Zentrum des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens 1966—69 an der Nordseite des Altmarktes ohne jedes Zugeständnis an traditionsgebundene Bauformen errichtete Kulturpalast ( L E O P O L D W I E L , W O L F G A N G H Ä N S C H , H E R B E R T L Ö S C H A U , S. A

7).

Die Nord-Süd-Achse (s. D 4) geht in beiden Richtungen über den Stadtkern hinaus, der sich durch die Anlage einer breiten Grünzone von dem angrenzenden Stadtgebiet absetzt. Ihre südliche Fortsetzung verläuft über die Prager Straße, deren großflächiger Aufbau in einer abwechslungsreichen Gruppierung freistehender Baukörper mit unterschiedlichen Funktionen 1964 in Angriff genommen wurde ( P E T E R S N I E G O N , K U R T R Ö T H I G , H A N S K O N R A D ) , zum Hauptbahnhof und weiter zur Technischen Universität. Ihre nördliche, zum Platz der Einheit und zum Neustädter Bahnhof führende Verlängerung, die unmittelbar vor dem Erreichen der Elbe eine zweite, durch die historischen Bauten der Elbfront gebildete Querachse kreuzt, erhält ihre architektonische Fassung durch den 1974 begonnenen A u f b a u der Inneren Neustadt (s. D 2), in der die Gedanken der Denkmalpflege berücksichtigt werden konnten. Die städtebauliche Hauptachse bleibt in ihrem gesamten Verlauf zwischen Hauptbahnhof und Platz der Einheit dem Fußgänger vorbehalten. Der Fahrverkehr fließt auf einer 1971 mit dem Bau der Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke fertiggestellten Tangente östlich am Stadtkern vorbei. Diese schon in den fünfziger Jahren getroffene grundsätzliche Entscheidung der Trennung von Fußgänger- und Fährverkehr ist für die städtebauliche Entwicklung des neuen Dresdens von entscheidender Bedeutung gewesen. 3. Der Wohnungsbau Nach der Wiederherstellung teilzerstörter Wohnungen seit 1945 folgte um 1949 der Wiederaufbau totalzerstörter Wohnbauten mit guten Grundrissen und in günstiger städtebaulicher Lage, so am Falkensteinplatz. 1951 wurde an der 41

Grunaer Straße, 1953 am Altmarkt begonnen. Die in traditionellen Bauweisen errichteten vier- bis fünfstöckigen schlichten Reihenhäuser lassen sich sehr gut in der Pirnaischen Vorstadt an der Pillnitzer Straße oder in der Südvorstadt beobachten. Ab 1956 setzte das industrielle Bauen in Großblock-, später in Plattenbauweise ein, beginnend an der Borsbergstraße, später fortgesetzt in anderen Stadtteilen, besonders auch im Zentrum. Mit dem Übergang zu zehnbis fünfzehngeschossigen Häusern wurde die Möglichkeit, städtebauliche Ensembles auch in Wohngebieten zu schaffen, ausgenutzt. Die seit 1969 entstehenden innerstädtischen Wohngebiete gehen in zunehmendem Maße zu einer kompakteren und geschlosseneren Bebauung über, die im Panorama der Stadt kräftige Akzente setzt (Johannstadt Nord und Süd, 1969—75; Budapester Straße, 1973 — 75; Innere Neustadt, 1974—80). Seit 1970 hat sich der Wohnungsbau auf bisher unbebaute Flächen ausgedehnt (Leuben, 1970 — 75; Zschertnitz, 1971 — 76; Seidnitz, 1974—76; Prohlis seit 1976), wobei es darauf ankommt, durch landschaftliche Freiflächen die großräumliche Gliederung des Stadtgebiets zu bewahren und zu unterstreichen. Das Gesicht einer Stadt wird geprägt durch die topographischen und die im Laufe ihrer Entwicklung entstandenen städtebaulichen und architektonischen Gegebenheiten. Es in seiner Eigenart zu erhalten und zu steigern, ist Aufgabe der Gegenwart und der Zukunft. Gebaut wurden in Dresden in den Jahren 1945 — 78 61000 neue Wohnungen. Mit den Wohnungen werden komplex alle gesellschaftlichen Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten und -krippen, Kaufhallen geschaffen. J . Hunger, W. May 4. Die zentralen Funktionen Neben dem Wohnungsbau vollzog sich — wegen der Streuung der einzelnen Objekte nicht so auffällig — der Wiederaufbau der gesellschaftlichen Bereiche, mit denen der Weltruf Dresdens aufs engste verknüpft war. Insgesamt hat Dresden trotz mancherlei Verlusten und Veränderungen die zentralen Funktionen in Verwaltung, Verkehr, industrieller und gärtnerischer Produktion, in Fremdenverkehr und Touristik, im Hochschulwesen und als Stadt der Künste schrittweise zurückgewonnen (Abb. 11). Nur wenige alte Traditionen sind verlorengegangen, so beispielsweise mit der totalen Zerstörung des Ausstellungsgeländes (s. C 4) an der Stübelallee die großen, alljährlich wechselnden Ausstellungen, unter denen die Gartenschau für Dresden mit seiner umfangreichen Kunst- und Handelsgärtnerei besonders repräsentativ erschien. V e r w a l t u n g s z e n t r u m : 1945 wurde in Dresden nach der faschistischen Machtausübung eine demokratische Landesregierung aufgebaut, die ihren Sitz in Dresden-Strehlen in dem wenig zerstörten Komplex der heutigen Militärakademie Friedrich Engels nahm. Mit der Verwaltungsreform der D D R 1952, die die alten Länder endgültig beseitigte und die Deutsche Demokratische Republik in 15 Bezirke gliederte, verlor Dresden die Funktion als Landeshauptstadt, nachdem bereits 1918 der Charakter der Residenzstadt ein Ende gefunden hatte. Dresden nimmt aber heute als Bezirksstadt nicht nur die Funktionen 42

administrativer Art wahr, sondern beherbergt auch zahlreiche Leitungsorgane von gesellschaftlichen Organisationen, Industriekombinaten und anderen Einrichtungen. V e r k e h r s k n o t e n : Dresdens Stellung im Verkehrssystem ist — geographisch vorgezeichnet — im Grunde genommen dieselbe geblieben. Sie hat sich jedoch gegenüber früheren Jahrzehnten noch verstärkt. Das alte Tor nach dem SO Europas über Bad Schandau hat durch die wirtschaftliche Zusammenarbeit der sozialistischen Länder an Bedeutung gewonnen. Die Elektrifizierung der wichtigsten Bahnstrecken hat deren Leistungsfähigkeit erhöht. Der Flugverkehr der Interflug über Dresden-Klotzsche (s. Bd. 22, R 4.4) bedient Strecken nach der Sowjetunion und südosteuropäischen Ländern; außerdem ist Dresden wichtiger Ausweichplatz für Berlin-Schönefeld. Auch die Führung der Autobahn von Berlin nach dem Erzgebirge hat Dresdens Verkehrsgunst gestärkt. P r o d u k t i o n s z e n t r u m : Merkmale der Dresdner Industrie waren ihre Vielseitigkeit — es gab kaum einen Produktionszweig, der hier nicht vertreten gewesen wäre — und die Vorherrschaft vieler kleiner und mittlerer Betriebe, die vielfach als sogenannte Hinterhofindustrie verborgen war. Die Zerstörung Dresdens hat gerade bei diesen kleinen Spezialbetrieben große Lücken gerissen. Dadurch ist das vielseitige Spektrum der industriellen Produktion etwas eingeschränkt worden. Die Großbetriebe sind im Zuge der gesamten Entwicklung stark in den Vordergrund gerückt. Einige ältere, für Dresden einst charakteristische Produktionszweige sind zurückgetreten oder ganz verschwunden, wie beispielsweise Strohflechterei, Strohhutproduktion und Putzmacherei; die Zigarettenindustrie (s. K l ) , die schon in den dreißiger Jahren des 20. Jh. durch den Reemtsma-Konzern in Hamburg ausgehöhlt worden war; die Süßwarenindustrie, die durch die Bomben den größten Teil der Kapazität verloren hatte. Die Kartonagen- und Verpackungsindustrie, die einst eine Unzahl kleiner Betriebe beschäftigt hatte, ist heute durch industrielle Produktionsformen ersetzt worden, wofür Dresden (s. L 3) Leitfunktionen besitzt. Andere traditionelle Dresdner Industriezweige sind planmäßig gefördert worden, vor allem die optische Industrie (s. K 1) und der Feingerätebau, der durch die elektronische Industrie (Kombinat Robotron) eine moderne Entwicklungsrichtung eingeschlagen hat. An erster Stelle aber steht nach wie vor der sehr vielseitige Maschinenbau (s. L 5) einschließlich des Werkzeugmaschinen-, des Elektrogerätebaus (Röntgenapparaturen; s. F 3), und des Elektromotorenbaus. Der Wiederbeginn in der industriellen Produktion nach 1945 gestaltete sich durch den Umstand günstig, daß die Großbetriebe in den Außenbezirken durch die Bombenwürfe weniger in Mitleidenschaft gezogen wurden als die flächenhaft zerstörte Bausubstanz in der Mitte der Stadt. Ein charakteristischer Produktionszweig Dresdens war die Kunstgärtnerei (s. L 2), die sich besonders auf die Anzucht von Rosen, Azaleen, Rhododendren und Kamellien spezialisiert hatte. Dazu zählten auch andere Zweige der Handelsgärtnerei (1835 verzeichnete Dresden schon 107 Gärtnereien, 1896 bereits 154). In dieser Hinsicht hat Dresden seinen Ruf als Stadt der Blumen wieder erworben (s. N 7). H o c h s c h u l s t a d t : Eine wesentliche Steigerung hat das Hochschulwesen der 43

Stadt erfahren. Waren früher nur die Kunstakademie (heute Hochschule für Bildende Künste, s. A 5) und die Technische Hochschule (seit 1964 Technische Universität, s. C 3) die einzigen Hochschulen Dresdens, so sind heute die Hochschule für Verkehrswesen Friedrich List, die Pädagogische Hochschule Karl Friedrich Wilhelm Wander (s. D 4), die Medizinische Akademie Carl Gustav Carus und die Hochschule für Musik Carl Maria von Weber sowie die Ingenieurhochschule (s. C 5) hinzugekommen, so daß Dresden rund 40000 Studenten aufweist, wobei die Technische Universität sich zu einem ganzen Stadtviertel entwickelt hat. Auch in anderen Bildungsbereichen hat Dresden eine positive Entwicklung genommen, so im Fachschulwesen. S t a d t d e r K ü n s t e : 1945 schien das Dresdner Kunstleben völlig zusammengebrochen zu sein, waren doch alle Theater, Konzertsäle und größeren Versammlungsräume zerstört, die Staatlichen Kunstsammlungen geschlossen, ihre Bestände zum Teil verloren, zum großen Teil ausgelagert. Aber der von der Tradition des Dresdner Kulturlebens getragene Kulturwille überwand alle Schwierigkeiten. Selbst wenn heute noch wesentliche Teile der baulichen Voraussetzungen und der Ausstattung fehlen, kann nicht daran gezweifelt werden, daß Dresden als Stadt der Kultur wieder sehr lebendig geworden ist. Auch hier spielt die Pflege alter Traditionen eine wesentliche Rolle. Bei den bildenden Künsten war das relativ rasch möglich, das Hochschulgebäude am Brühischen Garten konnte bald wieder funktionsfähig gemacht werden. Eine wesentliche Belebung erfuhren die bildenden Künste durch die in regelmäßigem Turnus stattfindenden Kunstausstellungen der D D R im Albertinum, ergänzt durch international beachtete Sonderausstellungen (s. A 5). Die musikalische Tradition beruht vor allem auf der Staatsoper mit ihrer hervorragenden Staatskapelle, dem Orchester der Dresdner Philharmonie, die beide zwar ihre Häuser verloren hatten, aber bald wieder die volle Leistungsfähigkeit erreichen konnten. Eine weitere für Dresdens musikalischen Ruf bedeutsame Institution ist der weltberühmte Kreuzchor (s. A 7), der jedoch nur einen Teil von Dresdens reichhaltiger Kirchenmusik — einschließlich eines hohen Angebots an Orgelmusik — verkörpert. Mit der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber ist der Musik auch eine akademische Bildungsstätte zuteil geworden. Die Ausbildung im künstlerischen Tanz hat durch die Förderung der Tanzschule von G R E T P A L U C C A (S. M i ) eine gültige Fortsetzung gefunden. Mit dem Kulturpalast am Altmarkt besitzt Dresden ein großes Veranstaltungszentrum. 1985 wird auch die stark zerstörte Semperoper wieder zur Verfügung stehen. Seit 1978 werden jährlich die Dresdner Musikfestspiele durchgeführt. Nicht zuletzt aber sind es die Reichtümer der Staatlichen Kunstsammlungen (s. A 5), die trotz aller Kriegsverluste nach der Rückgabe der 1945 von der Sowjetunion geborgenen ausgelagerten Kunstschätze zwischen 1955 und 1958 sowie mit dem Wiederaufbau des Zwingers (s. A 1) und der Gemäldegalerie wieder der Öffentlichkeit zugänglich sind. F r e m d e n v e r k e h r s s t a d t : Der Anreiz zum Besuch Dresdens ist in vielfältiger Weise gegeben. Doch steht dem die Tatsache gegenüber, daß die Zerstörung der Stadt vor allem auch die Hotels und Pensionen betroffen hat. E. H A R T S C H (1962) gibt für 1961 an, daß damals in Hotels und Fremdenheimen 870 Betten zur Verfügung standen, gegenüber rund 5000 vor der Zerstörung. 44

Dabei hatten im gleichen Jahr rund 2 Millionen Gäste die S t a d t aufgesucht. Neue Hotels (s. B 2) entstanden, weitere sind notwendig und vorgesehen, da der Zustrom, vorwiegend in der Form eines von Reisebüros organisierten Massentourismus, angestiegen ist. Alle diese Betrachtungen von der Rolle Dresdens in der Gegenwart sollten berücksichtigen, daß die Großstadt Dresden nur den K e r n einer großen Siedlungsballung darstellt, die mit weiteren Städten (Meißen, Coswig, Radebeul, H e i d e n a u und Pirna in der Elbtalweitung, Radeberg und Freital) und zahlreichen v o l k reichen Gemeinden nicht nur rund 800000 Menschen beherbergt, sondern auch in Industrie, Verkehr, Erholungswesen und K u l t u r mit Dresden in enger V e r bindung steht. E. Neef

Zur Geschichte der Arbeiterbewegung I m Mai 1843 weilte K A R L M A R X zum ersten Mal in Dresden. N a c h seinem A u s scheiden aus der Rheinischen Zeitung beriet er hier mit A R N O L D R Ü G E d i e Vorbereitung der Deutsch-Französischen Jahrbücher. Die A n f ä n g e der organisierten Arbeiterbewegung liegen in Dresden im R e v o l u tionsjahr 1848. In der Residenzstadt hatte sich im Unterschied zur Industries t a d t Chemnitz und der weltoffenen Handelsstadt Leipzig die sozialökonomische U m w ä l z u n g recht langsam vollzogen. Unter dem frühen Dresdner Proletariat sind darum v o r allem Handwerksgesellen, Tagelöhner und Dienstboten z u verstehen; der Anteil der Arbeiter aus Fabriken und Manufakturen w a r noch gering, die Bindung an das Kleinbürgertum sehr eng. Die Märzereignisse bewirkten auch hier die ersten gewerkschaftlichen Forderungen, Organisationen und Streiks. Der am 1. 5, 1848 gegründete Dresdner Arbeiterverein gewann schnell einen großen Anhang und starken E i n f l u ß auf die junge Arbeiterbewegung in Sachsen. Sein Vorsitzender W I L H E L M T I R N S T E I N war als Vizepräsident des ersten Deutschen Arbeiterkongresses im August/ September 1848 in Berlin maßgeblich an der Gründung der Arbeiterverbrüderung beteiligt, der Dachorganisation aller deutschen Arbeiter- und Gewerbevereine. I m K a m p f u m die demokratischen Ziele der Revolution hatte sich der Dresdner Arbeiterverein bei W a h r u n g seiner Selbständigkeit dem hiesigen Vaterlandsverein angeschlossen. A m V o r t a g des Maiaufstandes 1849 bekannte er in einem Aufruf seine Entschlossenheit zum bewaffneten K a m p f gegen die vereinigte preußische und sächsische Reaktion. In den erbitterten K ä m p f e n v o m 3. b i s 9. 5. (Abb. 12) bildeten die Arbeiter den K e r n der K ä m p f e n d e n und stellten aus ihren Reihen fähige militärische Führer. A n der Hauptbarrikade in der Schloßgasse und später als Oberkommandant aller Barrikaden k ä m p f t e der Schriftsetzer S T E P H A N B O R N , ein Mitglied des Bundes der Kommunisten. V o n den 869 gerichtlich verfolgten Teilnehmern am Dresdner Maiaufstand s t a m m t e n 569 aus der Arbeiterklasse. Die junge revolutionäre Arbeiterbewegung war nach dem V e r b o t der Arbeitervereine in Sachsen 1850 auch in Dresden nicht völlig ausgeschaltet. D a v o n zeugt die Tatsache, daß das Mitglied der Kölner Zentralbehörde des B u n d e s der Kommunisten H E I N R I C H B Ü R G E R S , einer der Hauptangeklagten im K ö l n e r 45

A b b . 12. Gedenkstätten der Arbeiterbewegung: Tafel Ernst-Thälmann-Straße/ Ecke Wallstraße (links oben); Gedenkschriftgitter am Georg-Schumann-Bau der T U Dresden, George-Bähr-Straße 5 (links unten); Gedenksäule am Kurhaus Bühlau, Siegfried-Rädel-Platz 1

Kommunistenprozeß, im Mai 1851 in Dresden verhaftet wurde, als er neue Verbindungen aufnehmen wollte. Als in der Folge der ökonomischen und sozialen Veränderungen Anfang der sechziger Jahre die Arbeiterbewegung wieder auflebte, kam es auch hier 1861 zur Gründung eines Bildungsvereins für Gewerbetreibende unter dem Vorsitz des Schuhmachermeisters R O B E R T K N Ö F E L . Der Verein nannte sich schon 1862 nach der Zurückdrängung des kleinbürgerlichen Einflusses von Handwerksmeistern und Intellektuellen unter dem Kupferschmied E M I L F Ö R S T E R L I N G Arbeiterbildungsverein. Im folgenden Jahr zählte er bereits 300 Mitglieder. Auf seinem zweiten Stiftungsfest kam es zum heftigen Meinungsstreit zwischen 46

den Vertretern der beiden Leipziger Bildungsvereine: Der junge Drechsler A U G U S T B E B E L plädierte noch für allgemeine Bildung, der Schuhmacher J U L I U S V A H L T E I C H für die Förderung des politischen Bewußtseins der Arbeiter. Bei der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins ( A D A V ) im März 1863 in Leipzig war aus Dresden R O B E R T L Ä S S I G vertreten, der mit F Ö R S T E R L I N G auch einen aktiven Ortsverein der Lassalleaner ins Leben rief. Zwischen diesem und dem Arbeiterbildungsverein bestand anfangs starke Rivalität. 1864 kam V A H L T E I C H als Bevollmächtigter des A D A V nach Dresden, nachdem er sich als Sekretär des Vereins mit dem Präsidenten L A S S A L L E überworfen hatte. Sein Kampf um die Demokratisierung des Vereins endete mit seinem Ausschluß aus dem A D A V . Berliner Freunde halfen ihm: Durch W I L H E L M L I E B K N E C H T lernte er das Kommunistische Manifest kennen. A U G U S T V O G T vermittelte ihm eine Verbindung zu J O H A N N P H I L I P P B E C K E R in Genf, dem Leiter der deutschen Sektionsgruppe der Internationalen Arbeiter-Association (IAA). 1867 wurde V A H L T E I C H Vorsitzender des Dresdner Arbeiterbildungsvereins und gründete hier eine Sektion der I A A mit 16 Mitgliedern. Als 1868 B E B E L und L I E B K N E C H T im Verband Deutscher Arbeitervereine (VDAV) danach strebten, den Einfluß der liberalen Bourgeoisie zu überwinden, kam der erste direkte Antrag aus Dresden, „sich dem Programm und der Organisation der Internationalen Arbeiter-Association anzuschließen". Der Leiter der Berliner Sektion W I L H E L M E I C H H O F F informierte M A R X davon und sandte den Dresdnern seine Übersetzung der MARXschen „Inauguraladresse", des Programms der Internationale. Auf dem Nürnberger Verbandstag des V D A V im September 1869 begründete V A H L T E I C H den Dresdner Antrag auch als Grundlage für die Vereinigung der beiden Strömungen in der deutschen Arbeiterbewegung. Im selben Jahr entstanden in Dresden die ersten Ortsvereine der von B E B E L begründeten Internationalen Gewerksgenossenschaften. 1869 gehörten V A H L T E I C H , der Lassalleaner A U G U S T O T T O - W A L S T E R und andere Dresdner Arbeiterfunktionäre zu den Einberufern eines allgemeinen deutschen sozialdemokratischen Arbeiterkongresses nach Eisenach und wirkten mit bei der Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP). Nach ihrer Rückkehr bildeten die Dresdner Delegierten sofort mit den aktivsten Mitgliedern des Arbeiterbildungsvereins und ehemaligen Lassalleanern einen Sozialdemokratischen Arbeiterverein für Dresden, der anfangs 70 Mitglieder zählte. Die junge Dresdner Parteiorganisation trat 1870 nach dem Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges in einer Massenversammlung gegen die annexionistischen Kriegsziele der herrschenden Klassen auf. Als der Parteivorstand in Braunschweig von den preußischen Militärbehörden verhaftet worden war, erhielten Dresdner Funktionäre den Auftrag, als Provisorischer A u s s c h u ß die Leitung der Partei zu übernehmen. Im April 1871 erschien als eines der ersten örtlichen Arbeiterblätter der Dresdner Volksbote unter Leitung von O T T O - W A L S T E R . In seinen ersten Ausgaben bekannte er sich mutig zum Heldenkampf der Pariser Kommune. I m August 1871 war Dresden Tagungsort des zweiten Parteikongresses der SD A P , der die internationalistische Haltung der jungen deutschen Arbeiterpartei bekräftigte. 47

Die Dresdner Arbeiterbewegung entwickelte sich trotz zahlloser Widerstände und Schikanen der arbeiterfeindlichen Polizei- und Justizorgane. Davon überzeugte sich auch K A R L M A R X , als er 1874 nach seinem Karlsbader Kuraufenthalt mit seiner Tochter E L E A N O R zum zweiten Mal in Dresden weilte und in der Centraihalle an einer öffentlichen Volksversammlung teilnahm, die rigoros aufgelöst wurde. 1877 gewann B E B E L den Reichstagswahlkreis Dresden-Altstadt in der Stichwahl, 1878 erneuerte er seinen Erfolg bereits im ersten Wahlgang. Mit dem Inkrafttreten des Sozialistengesetzes 1878 erfolgten schlagartig die Verbote aller Dresdner Arbeiterorganisationen, ihrer Zeitung und zahlreicher Druckschriften. Dem Schlag ausweichend, hatte die Partei illegale Organisationen gebildet, die schnell konspirativ zu arbeiten lernten. Der verbotenen Dresdner Volkszeitung folgten 1879 die Dresdner Presse, bis 1881 die Dresdner Abendzeitung und das satirische Blatt Hiddigeigei, seit 1883 das Sächsische Wochenblatt und zeitweilig noch andere Organe. Besondere Verdienste erwarben sich als Redakteure H E R M A N N S C H L Ü T E R , der 1883 als Leiter des Parteiverlages nach Zürich ging, sowie MAX KEGEL, der Dichter des Sozialistenmarsches und anderer bekannter Arbeiterlieder. Seit 1881 gehörten B E B E L und L I E B K N E C H T dem Sächsischen Landtag an. B E B E L wohnte mit seiner Familie von 1884 bis 1890 in Plauen (s. O 1); auch P A U L S I N G E R zog nach Dresden. Sie halfen den Dresdner Parteiorganisationen, die illegale Arbeit geschickt mit legalen Möglichkeiten zu verbinden und den Masseneinfluß der Partei ständig zu erhöhen. Bei den Reichstagswahlen 1890 konnte die Sozialdemokratie ihre Stimmen in den Dresdner Wahlkreisen gegenüber 1878 um 70% steigern. Noch bevor das Ausnahmegesetz gefallen war, beteiligten sich am 1 . 5 . 1890 Zehntausende von Dresdner Arbeitern an der ersten Maifeier in Loschwitz, wo B E B E L sprach. In diesen Jahren der Bewährung hatte sich der Marxismus in der Arbeiterbewegung erfolgreich durchgesetzt. Eine halbanarchistische Fraktion der „ J u n g e n " — von E N G E L S eine Literaten- und Studentenrevolte in der Partei genannt —, die auch in Dresden vorübergehend die Redaktion der 1889 gegründeten Sächsischen Arbeiterzeitung in der Hand hatte, wurde schnell überwunden. Im letzten Jahrzehnt des 19. Jh. wurde Sachsen zur Hochburg der sozialdemokratischen Bewegung. Von 1889/90 bis 1893 verdoppelte sich die Zahl ihrer Landtagsabgeordneten von 7 auf 14. 1898 siegten A U G U S T K A D E N und G E O R G GRADNAUER in den Reichstagswahlkreisen Dresden-Neustadt und -Altstadt. Die Sächsische Arbeiterzeitung, seit 1896 von P A R V U S ( A L E X A N D E R H E L P H A N D ) und 1898 zeitweilig von R O S A L U X E M B U R G geleitet, griff energisch in die Auseinandersetzungen mit dem Revisionismus ein. Zu ihren Redakteuren zählten in dieser Zeit auch der polnische Revolutionär J U L I A N M A R C H L E W S K I - K A R S K I und E M I L E I C H H O R N , der am 9. 11. 1918 in Berlin Polizeipräsident wurde. I m Jahre 1900 trat K A R L L I E B K N E C H T kurz nach dem Tod seines Vaters zum ersten Mal in Dresden als Referent in einer Versammlung auf. Ein Höhepunkt wurde der Parteitag der deutschen Sozialdemokraten im Jahre 1903, der im Dresdner Trianon-Saal stattfand. B E B E L führte hier, unterstützt von den Linken in der Partei, seine leidenschaftliche Auseinandersetzung mit den Revisionisten um B E R N S T E I N , ohne daß jedoch eine konsequente Trennung von 48

ihnen vollzogen wurde. Kurz zuvor hatte die Partei bei den Reichstagswahlen im Juni 1903 ihren überwältigenden Wahlsieg errungen: Im „roten Königreich" Sachsen waren 22 von 23 Wahlkreisen durch Arbeiterabgeordnete vertreten. Der Eintritt in das imperialistische Stadium führte auch in Dresden zur Verschärfung der Widersprüche und zu zunehmenden Klassenauseinandersetzungen. Allein 1905 streikten 10000 Arbeiter, davon 3000 Frauen in 25 Dresdner Zigarettenfabriken. Unter dem Einfluß der russischen Revolution 1905 entwickelte sich in Sachsen die Bewegung für ein demokratisches Wahlrecht, die in Dresden in machtvollen Massenversammlungen und Straßendemonstrationen ihren Ausdruck fand. Dabei zeigten sich die zunehmenden Widersprüche zwischen den Linken und den Reformisten in der Partei in der Auseinandersetzung um die Anwendung des Generalstreiks und des politischen Massenstreiks. Von 1905 bis 1907 war H E R M A N N D U N C K E R in Dresden als erster Arbeitersekretär (Rechtsberater) des Gewerkschaftskartells tätig. Seinem Wirken verdankt die Dresdner Arbeiterjugend ihre Erziehung zur antimilitaristischen Haltung K A R L LIEBKNECHTS. 1908 g r ü n d e t e sie d e n J u g e n d b i l d u n g s v e r e i n d e r D r e s d n e r

Arbeiterschaft, der sich gegen viele Widerstände und Bevormundungsversuche der Reformisten seine Selbständigkeit bewahrte und eine große Anzahl junger Klassenkämpfer erzog. 1909 verteidigte L I E B K N E C H T vor dem Dresdner Landgericht eine Gruppe russischer Studenten der Technischen Hochschule Dresden, die der Geheimbündelei angeklagt waren und als Auslandskomitee der S D A P R bezeichnet wurden. Beim Beginn des ersten Weltkriegs offenbarte sich der verderbliche Einfluß des Reformismus in der Sozialdemokratie auch in Dresden. Die rechten Führer um den Reichstagsabgeordneten und Chefredakteur der Dresdner Volkszeitung G R A D N A U E R vertraten die Positionen der Burgfriedenspolitik und rechtfertigten denVerrat der Parteiführung. Die Empörung der klassenbewußten Arbeiter wurde unterdrückt, erste Antikriegsaktionen wurden verhindert. Die Opposition gegen die Verräter vom 4. 8. 1914 sammelte sich bei den Proletarischen Freidenkern, in der sozialdemokratischen Frauenbewegung sowie im Dresdner Jugendbildungsverein. O T T O R Ü H L E , der als Abgeordneter von Pirna im Reichstag mit L I E B K N E C H T die dritte Kriegskreditvorlage abgelehnt hatte, beteiligte sich an den Reichskonferenzen der Gruppe Internationale bzw. der Spartakusgruppe 1915/16 in Berlin. A U G U S T E L E W I N S O H N und M I N N A N A U M A N N organisierten Demonstrationen der Dresdner Arbeiterfrauen gegen den Hunger. E R I C H L E W I N S O H N und andere beteiligten sich maßgeblich an der Jenaer Jugendkonferenz Ostern 1916 mit L I E B K N E C H T und leiteten am 1. 5. 1917 die Antikriegsdemonstration im Plauenschen Grund sowie eine Flugblattaktion der Arbeiterjugend, die in ganz Deutschland zu einem machtvollen Streik gegen den imperialistischen Krieg aufrief. 12 von ihnen, darunter auch der Buchdrucker MAXIMILIAN HÜNIG (S. Bd. 22, K 2), der in Dresden viele Spartakusflugblätter hergestellt hatte, wurden im Frühjahr 1918 zu fast 30 Jahren H a f t verurteilt. Auf die Kunde vom Sieg der Oktoberrevolution 1917 in Rußland schickte der Parteivorstand der S P D den Vorsitzenden P H I L I P P S C H E I D E M A N N nach Dresden, 49

um die spontanen Sympathiekundgebungen der Arbeiter zu verhindern. A m Massenstreik im Januar/Februar 1918 beteiligten sich unter den Losungen der Spartakusgruppe auch in Dresdner Betrieben, im Plauenschen Grund und im Gebiet Heidenau—Mügeln—Pirna mehrere tausend Arbeiter, die für einen Frieden mit Sowjetrußland ohne Annexionen und Kontributionen eintraten. Die Führer der sächsischen Sozialdemokratie versuchten wie in Berlin, mit Forderungen nach Parlamentarisierung die Monarchie zu retten. J U L I U S F R Ä S S D O R F und M A X H E L D T traten Anfang November 1918 in die königliche Regierung ein. Doch am 8. 11. wurde auch Dresden von der Woge der Revolution erfaßt. Unter Führung der Linksradikalen und Unabhängigen Sozialdemokraten wurden die öffentlichen Gebäude besetzt. Die rechten S P D - und Gewerkschaftsführer bildeten einen Arbeiterrat, proklamierten Ruhe und Ordnung und erklärten sich demagogisch für die Einheit aller Sozialisten. Der so entstandene Vereinigte Revolutionäre Arbeiter- und Soldatenrat von Groß-Dresden geriet unter ihren Einfluß. Die Dresdner Linksradikalen, die sich als Fraktion der Internationalen Kommunisten Deutschlands (IKD) konstituiert hatten, überließen den Rechten durch ihren Austritt das Feld. In Sachsen trat an die Spitze des alten Staatsapparates eine Regierung der Volksbeauftragten aus Führern der S P D und U S P D . Delegierte der Dresdner Ortsgruppe der I K D beteiligten sich Ende 1918 in Berlin an der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands. I m Januar» 1919 bildeten sich in verschiedenen Stadtteilen die ersten Gruppen der jungen K P D . Eine Protestdemonstration Dresdner Arbeiter gegen die antikommunistische Hetze des SPD-Organs, die am 10. 1. 1919 vor'dem Haus der Dresdner Volkszeitung stattfand, wurde auf Befehl der rechten SPD-Führer zusammengeschossen; 14 Tote und 50 Verletzte waren das Fazit dieses Feuerüberfalls. Die USPD-Vertreter traten aus der sächsischen Regierung aus. Unter konterrevolutionärem Terror fanden im Januar/Februar 1919 die Wahlen zur Nationalversammlung, zur sächsischen Volkskammer und zur Stadtverordnetenversammlung statt. Damit wurde die Machtfrage zugunsten der Bourgeoisie entschieden, deren Geschäfte in Sachsen zunächst ein Minderheitskabinett aus rechten SPD-Führern unter GRADNAUER führte. Der Dresdner Oberbürgermeister Dr. B L Ü H E R blieb an der Spitze der bürgerlichen Stadtverwaltung im Amt, obwohl die S P D und U S P D auch im Stadtparlament eine Mehrheit erreicht hatten. Die junge KPD-Organisation hatte die Teilnahme an den Wahlen abgelehnt. Die sektiererische Haltung RÜHLES und seiner Anhänger in Dresden zur Arbeit in den bürgerlichen Parlamenten, in den reformistisch geleiteten Gewerkschaften und zu anderen Fragen der politischen Massenarbeit, die die K P D an der Verbreiterung ihres Masseneinflusses unter den Werktätigen hinderten, führte nach Auseinandersetzungen in der Parteiführung Anfang 1920 zum Ausschluß des Bezirkes Ostsachsen aus der K P D . Die klassenbewußten Mitglieder wurden aufgefordert, sich auf der Grundlage der Parteitagsbeschlüsse neu zu organisieren. Das hatte gerade erst begonnen, als im März 1920 der monarchistisch-militaristische Kapp-Putsch die Ergebnisse der Novemberrevolution 1918 zu vernichten drohte. Die Reichsregierung floh nach Dresden, reiste jedoch sofort 5°

nach Stuttgart weiter, da die sächsische Reichswehr ihr keine Sicherheit bot. Als Arbeiter die bürgerliche Einwohnerwehr aus dem Telegrafenamt am Postplatz vertrieben hatten, rückte die Reichswehr im Einvernehmen mit dem sächsischen Ministerpräsidenten GRADNAUER mit Panzerwagen und Artillerie in das Stadtzentrum ein und schoß wahllos in die vieltausendköpfige Menge auf dem Postplatz. Über 50 tote (s. K 4) und 200 verletzte Demonstranten lagen in ihrem Blut. Die Teilnahme der Dresdner Arbeiter am Generalstreik trug aber dazu bei, den konterrevolutionären Putsch zu vereiteln. Die Erfahrungen aus dieser machtvollen Einheitsfrontaktion der Arbeiterklasse führten dazu, daß sich noch Ende 1920 der linke Flügel der U S P D , überwiegend aus Arbeitern Dresdner Großbetriebe bestehend, mit der K P D vereinigte. Die V K P D entwickelte sich nun auch im Bezirk Ostsachsen unter Führung von S I E G F R I E D R Ä D E L , R U D O L F R E N N E R und anderen bewährten Arbeiterfunktionären zur revolutionären Massenpartei. Die Verhinderung von W a f fentransporten in Dresden-Friedrichstadt in der Aktion „Hände weg von Sowjetrußland!" und die Solidaritätsleistungen zur Überwindung einer Hungerkatastrophe und zur Unterstützung des wirtschaftlichen Aufbaus der Sowjetunion zeugten vom wachsenden Einfluß der K P D in den Jahren 1921/22. Die SPD-Regierung in Sachsen war nach dem Ausscheiden des kompromittierten G R A D N A U E R unter Ministerpräsident W I L H E L M B U C K zu einigen demokratischen Reformen gezwungen. Die wachsende wirtschaftliche Not der Werktätigen führte dann 1922/23 zur Stärkung des linken Flügels in der sächsischen S P D , der sich am 15. 3. 1923 zu einem'Einheitsfrontabkommen mit der K P D bereit fand. Auf dieser Basis bildete E R I C H Z E I G N E R sein Kabinett. In der revolutionären Situation im Herbst 1923 traten die Kommunisten P A U L B Ö T T C H E R und F R I T Z H E C K E R T in eine sächsische Arbeiterregierung ein. Die Reaktion antwortete mit dem Verbot der Proletarischen Hundertschaften und schließlich mit der Absetzung der verfassungsmäßigen sächsischen Regierung durch eine Reichsexekutive. Der Einmarsch der Reichswehr verbreitete den weißen Terror, die Konterrevolution, in Sachsen. Die Kapitulation der Rechtsopportunisten in der K P D - F ü h r u n g um H E I N R I C H B R A N D L E R hatte zur Niederlage der Arbeiterklasse beigetragen. In den Jahren der relativen Stabilisierung des Kapitalismus verstärkten die bürgerlichen Parteien ihren Einfluß im Landtag und im Stadtparlament. Rechte SPD-Führer um M A X H E L D T bereiteten über die Große Koalition den W e g zur Bürgerblockregierung und verursachten eine politische Krise in der sächsischen SPD. Die K P D überwand linkssektiererische und rechtsopportunistische Abweichungen und kämpfte unter E R N S T T H Ä L M A N N um die Durchsetzung des Leninismus. Neben R Ä D E L und R E N N E R unterstützten ihn in Ostsachsen solche bewährte Funktionäre wie M A R T I N H O O P , A N T O N S E A F K O W , O T T O S C H Ö N und B R U N O S I E G E L . In den Betriebszellen, Gewerkschaften und im Stadtparlament wirkten P A U L G R U N E R , O L G A K Ö R N E R , A R N O L A D E , P A U L S C H W A R Z E und viele andere für die Arbeiterinteressen. Seit 1925 erschien unter Leitung von R E N N E R die Arbeiterstimme als Bezirksorgan der K P D . T H Ä L M A N N sprach 1925 und 1926 in großen Kundgebungen zu den Dresdner Arbeitern. In einem Volksentscheid gegen die Fürstenabfindung gewann die Aktionseinheit der K P D und S P D in Dresden über 200000 Stimmen. 51

Unter Führung der K P D entwickelten sich vielfältige Beziehungen zur Sowjetunion auf politischem, kulturellem, sportlichem und anderen Gebieten, Aktionen der internationalen Solidarität und zur Abwehr imperialistischer Aggressionen. Ihre Massenorganisationen gewannen Einfluß in allen werktätigen Schichten und erfaßten auch fortschrittliche Vertreter des Bürgertums. 1928 bildete sich aus revolutionären Künstlern eine Dresdner Gruppe der Assoziation revolutionärer bildender Künstler (ASSO), die den Kampf der K P D wirksam unterstützte. Zu der Gruppe gehörten beispielsweise H A N S und L E A G R U N D I G , WILHELM LACHNIT,

EUGEN HOFFMANN,

EVA KNABE,

FRITZ SCHULZE

und

OTTO WINKLER.

Die Weltwirtschaftskrise führte auch in Dresden zur Zuspitzung aller sozialen und politischen Widersprüche. 100000 Arbeiter litten als Erwerbslose oder Kurzarbeiter mit ihren Familien bittere Not. Die K P D kämpfte gegen die Wiedererstarkung des Monopolkapitals und Militarismus, entlarvte die nationale nnd soziale Demagogie der Hitlerpartei und organisierte die Abwehr des zunehmenden faschistischen Terrors. Im Dezember 1929 sprach T H Ä L M A N N im Ausstellungspalast über die imperialistische Versklavung Deutschlands, im Juli 1932 in der Radrennbahn über die Ziele und Aufgaben der Antifaschistischen Aktion. Die reformistischen Führer in den Gewerkschaften und anderen Massenorganisationen begegneten dem wachsenden Einfluß der K P D mit Ausschlüssen. 1930 wurde beispielsweise die gesamte Vereinigte Kletterabteilung (VKA) in Dresden wegen ihrer Sportbeziehungen zur "Sowjetunion aus dem Touristenverein „Die Naturfreunde" ausgestoßen. Angebote zur gemeinsamen Abwehr •der Gefahr einer faschistischen Diktatur wurden von der Führung der S P D hartnäckig abgelehnt. Als am 25. 1. 1933 ein Polizeiüberfall auf eine Versammlung des Kampfbundes gegen den Faschismus im Keglerheim (s. C 1) 9 Arbeiter getötet und 12 schwer verletzt hatte, bekundeten am Tage der Beisetzung der Ermordeten tausende sozialdemokratische und gewerkschaftlich organisierte Arbeiter an der Seite der Kommunisten ihre Kampfbereitschaft gegen die faschistische Diktatur. A m Tage zuvor war den Führern der Hitlerpartei bereits die Regierungsgewalt übertragen worden. Der von den Faschisten inszenierte Reichstagsbrand in Berlin löste eine Welle von Verhaftungen und Verfolgungen kommunistischer und anderer Arbeiterfunktionäre aus. Am 8. 3. 1933 wurden das Dresdner Volkshaus, das Gebäude der Dresdner Volkszeitung und andere Arbeiterheime besetzt. Dort und im Polizeigefängnis sowie in den Haftanstalten Mathildenstraße und George-BährStraße wurden Hunderte Arbeiter gefoltert. Eines der ersten Schutzhaftlager wurde auf der Jugendburg Hohnstein (s. Bd. 1, C 1) eingerichtet. Der faschistische Terror forderte auch unter Dresdner Antifaschisten weitere Todesopfer: den Reichsbannerfunktionär B E R T H O L D H A U P T , den Bergsteiger der V K A W I L H E L M D I E C K M A N N , den Sozialdemokraten E M M E R I C H A M B R O S S , den Jungkommunisten H E L M U T G A N S A U G E und viele andere. Die K P D , sozialdemokratische Gruppen und andere Organisationen, wie die Rote Hilfe, die Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit und der Kommunistische Jugend verband, setzten ihren antifaschistischen Kampf illegal fort. Seit Herbst 1933 bildeten R O L F A X E N , H E I N Z D O S E , R U D O L F L I N D A U und andere

52

die Bezirksleitung Ostsachsen der K P D . Die Arbeitersportler der V K A leisteten umfangreiche Arbeit im deutsch-tschechoslowakischen Grenzgebiet (s. Bd. 2, H 3). Eine illegale Widerstandsorganisation der K P D in Dresden wirkte unter Anleitung der Parteiführung und schuf Kontakte zu 30 Betriebszellen. Nach der Verhaftung und Hinrichtung ihrer führenden Mitglieder H E R B E R T B O C H O W , A L B E R T H E N S E L , F R I T Z S C H U L Z E (S. O 2) und K A R L S T E I N im Juni 1942 bildete sich ein neues Führungszentrum um H E R B E R T B L O C H W I T Z , O T T O G A L L E , K U R T S C H L O S S E R und A R T H U R W E I N E C K , die im August 1944 unter dem Henkerbeil fielen. Sie hatten Verbindung zur Operativen Leitung der K P D , besonders zu G E O R G S C H U M A N N in Leipzig, hergestellt. Andere Kontakte führten von A N T O N S A E F K O W in Berlin über Dresden nachBautzen, W O T H Ä L M A N N 1943/44 inhaftiert war. Eine bedeutende Rolle im Widerstandskampf spielten auch die Dresdner Sozialdemokraten A L F R E D A L T H U S und H A N S - L U D W I G S I E R K S , die 1943 bzw. im April 1945 ermordet wurden. In der letzten Phase der faschistischen Herrschaft wirkten in Dresden zahlreiche Kommunisten, Sozialdemokraten und andere Hitlergegner, so auch der A r z t Prof. Dr. R A I N E R F E T S C H E R , unter Leitung von H E R M A N N E C K A R D T und E L S A F R Ö L I C H . Als unter den Schlägen der Sowjetarmee der Zusammenbruch des imperialistisch-faschistischen deutschen Staates unaufhaltsam näher rückte, sammelten sich in allen Stadtteilen Dresdens neue antifaschistische Gruppen, die die Evakuierung der Bevölkerung und sinnlose Zerstörungen verhinderten und die Kräfte für die Stunde der Befreiung und des Neubeginns sammelten. Als Dresden am 8. 5. 1945 von der Sowjetarmee befreit wurde, fiel noch in letzter Stunde R A I N E R F E T S C H E R unter den Schüssen fliehender SS-Leute, als er mit H E R M A N N E C K A R D T den einrückenden sowjetischen Truppen entgegenging, um mit der Stadtkommandantur Verbindung aufzunehmen. Zusammen mit der Sowjetarmee traf eine Gruppe von Beauftragten des Zentralkomitees der K P D und von Mitgliedern des Nationalkomitees Freies Deutschland unter Leitung von A N T O N A C K E R M A N N und H E R M A N N M A T E R N in Dresden ein, die gemeinsam mit den Dresdner Widerstandskämpfern und den aus Haftanstalten und Konzentrationslagern befreiten Antifaschisten die Kriegsfolgen zu überwinden und das Leben in der schwer zerstörten Stadt zu normalisieren begannen. Der Sozialdemokrat R U D O L F F R I E D R I C H S wurde als Oberbürgermeister eingesetzt. Die sowjetischen Organe leisteten umfangreiche Hilfe. Minister A N A S T A S I W A N O W I T S C H M I K O J A N und Marschall I W A N S T E P A N O W I T S C H K O N E W leiteten entscheidende Maßnahmen zur Versorgung der Dresdner Bevölkerung ein (s. Bd. 22, P 10). Unter Leitung von H E R M A N N M A T E R N und O T T O B U C H W I T Z begann im Juni/ Juli 1945 der Neuaufbau der K P D und der S P D in Sachsen, deren kameradschaftliche Zusammenarbeit beim Aufbau der antifaschistisch-demokratischen Ordnung am 7. 4. 1946 im Kurhaus Bühlau (s. H 3, Abb. 12) mit der Vereinigung der beiden Landesorganisationen zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands ihre Krönung erfuhr. R. Otte

5

Dresden

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Nachtrag von Herrn Prof. Dr. W. Coblenz nach Redaktionsschluß zu Seite 56: Bei größeren Bauarbeiten wurden 1982 zwischen dem Blockhaus und dem Japanischen Palais im. Bereich des späteren Kohlmarktes umfangreiche Siedlungsreste der Bronze- und ältesten Eisenzeit, germanische Funde aus den ersten Jahrhunderten u . Z . und slawische Keramik vom 1 1 . J h . an gesichert, die die Bedeutung der Neustädter Uferzone unterstreichen.

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Einzeldarstellung

Stadtkern der Altstadt Den Stadtkern der Altstadt rechnen heutige Städtebauer und Stadtplaner zu dem größeren S t a d t z e n t r u m , das von dem Straßenring (sogenannter 26er Ring) Hauptbahnhof — Wiener Straße — Dr.-Richard-Sorge-Straße — Güntzstraße — Brücke der Einheit — Platz der Einheit — Bahnhof Neustadt — Marienbrücke — Ammonstraße — Hauptbahnhof umschlossen wird. Das Stadtzentrum umfaßt also den alten Stadtkern der Neustadt (s. D) und die alten Vorstädte: Wilsdruffer Vorstadt, Seevorstadt und Pirnaische Vorstadt (s. B). Die modernen Gesichtspunkte der funktionalen und architektonischen Gestaltung bestimmen diese Zusammenfassung zu einer Einheit, obwohl historisch gesehen sehr unterschiedliche Teile der alten Stadt daran beteiligt sind. Die heutigen städtebaulichen Probleme, insbesondere aber die der Verkehrsführung, lassen sich in dem engen alten Stadtkern allein nicht bewältigen. Gründungszeit Als Dresden 1206 zum ersten Mal in einer Urkunde genannt wurde, bestand es aus der markgräflichen Burg und auch aus einem Dorf am heutigen Neumarkt mit einer Furt über die Elbe. Sein Name Dresdene (altsorbisch Drezd'ane = Waldbewohner) deutet auf einen Auenuferwald hin. Die einzige Kirche der Gegend stand an der Stelle der Frauenkirche, die zu ihrer Ausstattung das Dorf Poppitz (s. B und B 3) erhalten hatte. Ihre Parochie war sehr groß und umfaßte am Ende des Mittelalters 22 ganze und 2 halbe Dörfer. Zu ihr gehörten Orte wie Laubegast (bis 1670), Loschwitz und Wachwitz (bis 1706), Dölzschen (bis 1878), Naußlitz (zum Teil bis 1891); bis 1321 war sogar das Heidedorf Klotzsche eingepfarrt. Markgraf D I E T R I C H stellte 1216 eine Urkunde „in civitate nostra Dreseden" aus, also ,,in unserer Stadt Dresden". In dieser Zeit muß die neue Stadt gegründet worden sein mit dem Zentrum am Altmarkt. Kaufleute des Fernhandels waren vermutlich an ihrer Gründung beteiligt. Mit der Burgsiedlung war sie nicht unmittelbar verbunden, sondern durch eine Sumpffläche mit Tümpel und Teich von ihr getrennt. Ein 1898 in 2,5 m Tiefe unter der Schloßstraße aufgedeckter Knüppeldamm verband aber beide. Die totale Zerstörung des Stadtkerns 1945 gestattete eine systematische archäologische S t a d t k e r n f o r s c h u n g . Diese setzte in Dresden 1952 ein und stand mit dem Wiederaufbau der zerstörten Zentren in enger Verbindung. Die Durchführung lag seit 1953 in den Händen des Landesmuseums für Vorgeschichte und war schwerpunktmäßig auf das erweiterte Altmarktgebiet mit dem ältesten 5*

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Stadtkern, dem Bereich der Frauenkirche vor der ältesten Stadt und das rechte Elbufer (ehemalige Meißner Gassen) gerichtet. Wesentliche Anhaltspunkte, ja Keimzellen, stellten die markgräfliche Burg, der Markt und die Brücke bzw. die Fährstelle dar, denn das Terrain des späteren Dresdens war wohl schon lange vor 1200 Brückenkopf an der Elbe. Aufgrund von über 200 Bohrungen im Stadtgebiet, alten Karten — darunter auch der Hochwasserkarte von 1845 (Abb. 3) —, der Auswertung ungezählter Bodenaufschlüsse, aber auch früherer Straßennivellements konnte das ursprüngliche Relief des alten Stadtgebietes erarbeitet werden, wie es im Zusammenhang mit den Sanierungsarbeiten im Marktstraßenbereich schon in den dreißiger Jahren begonnen worden war. Das hochwasserfreie und siedlungsgünstige Gebiet des ältesten Dresdner Stadtkerns befand sich nahe am Altstädter Ufer und war von der Elbe, dem ehemaligen Weißeritzlauf und dem Kaitzbach, der damals die Stadt noch westlich und nicht wie später im O umfloß, sowie von vielen Altwassertümpeln abgegrenzt bzw. regelrecht eingeengt. Die Tümpel wurden erst bei der Erweiterung der Stadt verfüllt und damit in den Siedlungsbereich einbezogen. Es muß bemerkt werden, daß alle mit der Entstehung und der ältesten Entwicklung der Stadt im Zusammenhang stehenden Funde (13. Jh.) aus dem eben beschriebenen hochwasserfreien Terrain auf einer leichten Erhebung am linken Elbufer unter besonderer Betonung des Marktes und der Straßen nach SW und W beschränkt blieben. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß das Stadtgründungsgelände in den unmittelbar vorangegangenen Jahrhunderten nicht systematisch besiedelt war, wie auch die bisher stets als Ausgangspunkte für die Entstehung Dresdens genannten Bereiche um die Frauenkirche und zunächst (s. Seite 54) auch die Neustädter Uferzone (ehemalige Meißner Gassen) bisher ohne klare archäologische Nachweise blieben, dafür aber, wenn auch nur wenige, Siedlungsreste aus dem Neolithikum und der Bronzezeit lieferten. Trotzdem nimmt man weiterhin an, daß im Frauenkirchgebiet schon vor der Stadtgründung eine Überfährstelle zum anderen Elbufer gelegen hatte. Der älteste, für die Zeit um und kurz nach 1200 rekonstruierbare Stadtgrundriß entspricht denen der typischen mittelalterlichen Stadtgründungen aus der Zeit der zweiten deutschen Ostexpansion mit dem Markt als Mittelpunkt, der klaren Nord-Süd-Achse — als Verbindung zur Burg des Markgrafen — und dem Gitterschema der Straßen und Gassen. Im Altmarktgebiet stehen als archäologische Quellen fast ausschließlich Brunnen und Gruben zur Verfügung (über 200 Einzelbauten), aus deren füllenden Materialschichten in Verbindung mit münzdatierten Funden und anderen geschlossenen Keramikkomplexen sowie historisch überlieferten Brandhorizonten auch eine annähernd absolute Chronologie erreicht wird. Auf runde und rechteckige Holzbrunnen folgen solche aus Plänerplatten und zuletzt aus Sandsteinquadern in Ringspannung. Die Brunnen wurden bei Unbrauchbarkeit als Abfallgruben benutzt und die letzten nach Einführung der Wasserleitung ebenfalls als Fäkal- und Abfallgruben. Zu den ersten Ergebnissen der Stadtkernforschung gehörte die Entdeckung dreier sich-ablösender Wasserleitungssysteme (1. Holzröhrenleitung, 2. Blochmannsche Sandsteinleitung, 3. moderne Wasserleitung aus dem 19. Jh.) und gotischer Hausreste. 56

Die Keramik stellt in allen Fundverbänden den überwiegenden Teil des Materials. Besonders interessant ist dabei gut datierte Importware, dazu kommen Glas, wenig Metall und ausreichende Holzfunde. Bedeutend sind die Nachweise von Töpferwerkstätten vor den Toren der Stadt und vor allem auf dem Neustädter Ufer, dort allerdings nicht vor dem 14. Jh. Die technischen Untersuchungen an Werkstattresten und an Fehlbränden erlauben eine Rekonstruktion der Brenntechnik und den Nachweis vieler Verbesserungen am Verarbeitungsmaterial und bei der Herstellung. Im frühen 13. Jh. ergeben sich noch Verbindungen mit der spätslawischen Produktion; dann bereits lassen sich für Dresden typische Formen und Techniken feststellen. Inzwischen hatte auch die schnellrotierende Blockscheibe die einfache Handtöpferscheibe verdrängt und war man vom Reduktionsbrand zum Oxydationsbrand übergegangen. Besondere Schwierigkeiten ergaben sich aus der Tatsache, daß im Dresdner Stadtkern nur kleine und kurze Originalprofile, die bis in die Stadtgründungszeit zurückreichten, vorhanden waren, da die jüngeren Kellereintiefungen zusammenhängende Beobachtungen weitgehend unmöglich machten, und daß dazu die Aufzeichnungen der früheren Grabungen nicht mehr zur Verfügung standen. Eine Rekonstruktion des ältesten Dresdens mit dem Gründungsgelände im Altmarktbereich um 1200, der systematischen Erweiterung innerhalb des ältesten Stadtrings und dem Übergriff auf das rechte Elbufer vom 14. Jh. an war trotzdem möglich. Die Aufschlüsse über die folgenden Jahrhunderte entsprechen den schriftlichen Überlieferungen dieser Zeit und den ältesten Abbildungen und Karten. Die Kaufherren, die später Ratsmannen und Bürgermeister wählten, errichteten ihrem Schutzpatron St. Nikolaus eine Kapelle, die spätere Kreuzkirche. Ihr auf der Nordhälfte des Marktes freistehendes Kaufhaus diente zunächst lediglich dem Tuchhandel, später als Rathaus und wurde erst 1707 abgebrochen. Diese Marktsiedlung wurde von einer Stadtmauer umgeben, die das Dorf mit der Frauenkirche und das Maternihospital (s. Abb. 7) nicht mit einschloß. 1329 erwarb der Rat zu Dresden vom Kloster Seußlitz das Maternihospital, zu dessen reichem Besitz unter anderem die Vorwerke Prohlis, Coschütz, Rosentitz, Serkowitz, ferner Besitzrechte in den Dörfern Plauen, Gohlis, Loschwitz, Lockwitz und Strehlen gehörten. Ein natürlicher Schutzgürtel bestimmte den Umfang der neuen Stadt, das Niederungsgebiet der Viehweide im NW, ein See im SW, der Jüdenteich im SO und sumpfiges Gelände im NO (Abb. 7). Der Südostteil der Stadt blieb zunächst unbebaut und ohne klares Straßennetz. 4 Stadttore fügten sich der Stadtmauer ein, deren Verlauf durch Georgentor, Augustusstraße, Neumarkt, Neues Rathaus, Dr.-Külz-Ring, Wallstraße, Postplatz und Sophienstraße beschrieben wird. An die Stelle der Elbfurt trat eine von der Burg auf dem Taschenberg beherrschte Brücke, 1275 genannt und 1287 als steinern bezeichnet. Den Brükkenkopf auf dem rechten Elbufer bildete Altendresden (s. D), die spätere Neustadt, in dem die Wege von Meißen, Großenhain, Radeburg und Bautzen zusammenliefen. Trotz des Stadtbrandes von 1491, der Zerstörungen in Kriegen und der lebhaftesten Bautätigkeit blieb der Grundriß des mittelalterlichen Dresdens im wesentlichen bis 1945 erhalten. Dresden besaß anfangs nur eine kleine Flur. Aber es gelang ihm, bis zum 15. J h . 57

die G e m a r k u n g e n der unmittelbar b e n a c h b a r t e n Siedlungen an sich zu bringen (s. B 3, C 3, C 5). So gehörte schließlich zu der 79 h a großen F l ä c h e der M a r k t siedlung eine G e m a r k u n g v o n 1482 ha, die bis an die Flurgrenzen v o n Blasewitz, Striesen, Gruna, Strehlen, Zschertnitz, R ä c k n i t z , Plauen, L ö b t a u und Ostra — der späteren Friedrichstadt — reichte.

Altstadt als Festung Dresden, das 1485 durch die Übersiedlung der W e t t i n e r aus Meißen Residenzund H a u p t s t a d t geworden war, wandelte sich seit dem 16. Jh. zu einer n a c h italienisch-niederländischem Vorbild ausgerüsteten F e s t u n g um. Mächtige, m i t Q u a d e r m a u e m umkleidete Erdwälle, in die tiefe K a s e m a t t e n e i n g e b a u t waren, einzelne Erdschanzen und vorgeschobene starke Bastionen oder B a s t e i e n bildeten den Befestigungsgürtel. In gewundenen Tunnelanlagen d u r c h b r a c h e n die Stadttore den W a l l . H e r z o g GEORG ließ 1519 — 29 den Mauerring erweitern. E r n a h m dabei das Dorf a n der Frauenkirche in die U m w a l l u n g auf, ließ aber die alte Mauer zwischen S t a d t und Dorf noch stehen. Sie wurde erst seit 1546 beseitigt u n d d a d u r c h R a u m für den N e u m a r k t und die breite Moritzstraße gewonnen. A u c h die Schießgasse a m damaligen Schießhaus der Bogenschützen entstand d a b e i . D a m a l s w u r d e das Seetor v e r m a u e r t (1747 wieder geöffnet), das neue Ziegeltor ausgebaut und das Salomonistor errichtet, das 1590 durch das Pirnaische T o r a m A u s g a n g der L a n d h a u s s t r a ß e ersetzt wurde. D a s Ziegeltor h a t m a n 1589 ü b e r b a u t (s. A 5). D a m i t b e s a ß die S t a d t 3 T o r e : das B r ü c k e n t o r a m A n f a n g der Elbbrücke, das Wilische T o r und das Pirnaische Tor. I m N W wurde die Festungslinie weiter hinausgeschoben und der h e u t i g e Zwingerwall aufgeschüttet, im N O der Grundstein zur „ N e u e n V e s t u n g a m Ziegeltor" (Jungfernbastei, Belvedere) und d a m i t zur B r ü h i s c h e n Terrasse gelegt. D a d u r c h erhöhte sich die Z a h l der Bastionen auf 7. Sie w u r d e n 1721 nach den P l a n e t e n b e n a n n t : Sol (Sonne) im N W a m Bellevue, L u n a an der S c h a r f e n E c k e des Zwingerwalles, S a t u r n in der U m g e b u n g des Postplatzes, M e r k u r E c k e W a l l s t r a ß e / D r . - K ü l z - R i n g , Jupiter beim N e u e n R a t h a u s , Mars beim G e b ä u d e der S t a a t s b a n k der D D R Leningrader S t r a ß e und V e n u s a m B e l v e d e r e (Abb. 13). V o r der Festungslinie entwickelten sich mehrere V o r s t a d t g e m e i n d e n (s. B ) . W ä h r e n d der Zuzug v o n K u n s t h a n d w e r k e r n , Künstlern, K a u f l e u t e n , H o f - u n d Staatswürdenträgern, aber auch v o n Gesellen, Tagelöhnern und Dienstboten ständig wuchs, entstanden innerhalb des Festungsringes nur bis zu einem gewissen G r a d neue Wohnhäuser. D a n n stiegen die S t o c k w e r k z a h l und entsprechend die B e l e g u n g wie f o l g t :

1 Altmarkt

8 Bastion Saturn

15 Katholische Hofkirche

2 Neumarkt 3 Wilsdruffer Tor

9 Bastion Merkur

16 Zwinger 17 Kurfürstliches Schloß 1S Brühlsches Palais

4 Seetor 5 Pirnaisches Tor 6 Bastion Sol 7 Bastion Luna

58

10 Bastion Jupiter 11 Bastion Mars 12 Bastion Venus 13 Kreuzkirche 14 Frauenkirche

19 Annenkirche 20 Neustädter Markt 21 Schwarzes Tor

22 Weißes Tor 23 Japanisches Palais 24 Ritterakademie 25 Jägerhof

Abb.

13.

Dresden im

18. Jahrhundert (Ausschnitt,

nach

SCHLÜTER/AUGUST

1958-61)

(Legende zu dieser Abbildung Seite 58

59

A b b . 14. B e v ö l k e r u n g s e n t w i c k l u n g ( n a c h FEHRE

Einwohner 1453 1546 1608 169g

60

3100 4200 8168 11270

von

Dresden

zwischen

1833

1944)

d a v o n Hausgenossen

Häuser

620 1250 3000

430 489

7,2 8,6

775 792

10,5 14,2

Behausungsdichte

und

1934

Im barocken 18. Jh. nahm die Wohndichte weiter zu. Die Einwohnerzahl der A Altstadt wuchs auf 22 291 im Jahre 1755 (in ganz Dresden 63 209). Die Bewohnerzahl sank wieder, als die preußische Beschießung im Jahre 1760 fast den ganzen O der Altstadt mit 226 Häusern vernichtet hatte. Nur langsam beräumte man die Straßen. Der junge G O E T H E sah noch 1768 die Moritzstraße in Schutt liegen. Das Brühische Belvedere blieb bis 1814 Ruine. An größeren Neubauten entstanden beispielsweise das Gewandhaus und das Landhaus. In den engen Gassen aber beschränkte sich der Wiederaufbau auf das Notwendigste. Im Jahre 1781 gab es wieder 789 bewohnte Häuser. Für ein Haus rechnet man jetzt mit durchschnittlich 20 bis 22 Bewohnern. Das Renaissancebürgerhaus mit mehreren Hausgenossen wandelte sich in der Altstadt immer mehr in das dicht bewohnte Barockmietshaus mit 4 oberen Stockwerken und 2, selbst 3 Reihen von Mansarden, wie wir auf den Bildern C A N A L E T T O S sehen. Die Bewohner der Häuser entsprachen der sozialen Gliederung Dresdens. Wohnten in den Vorstädten in der Regel die ärmeren Schichten für sich, so waren in der Altstadt — abgesehen von den Adelspalästen — die Bevölkerungsklassen im gleichen Haus vereinigt, vom Staatswürdenträger in der Herrschaftswohnung des ersten Obergeschosses bis hin zur Tagelöhnerwitwe mit ihrer Kinderschar in den Mansarden des fünften oder sechsten Stockwerks. Der höfische Bereich im N der Altstadt umfaßte etwa ein Drittel des von den Festungsanlagen umschlossenen Geländes. Hier entstanden neben dem Schloß die repräsentativen Bauten, von denen der Zwinger (s. A 1) die großartigste Anlage ist. Die Verbindung zwischen Postplatz und Theaterplatz bestand noch nicht. Der Zwinger war durch das angebaute alte Opernhaus nahe der Sophienkirche mit dem Taschenbergpalais und dieses mit dem Schloß verbunden, das sich bis zum Stallhof und dem Museum Johanneum erstreckte. Ebenso bildete die Brühische Terrasse (Brühlscher Garten) mit dem Brühischen Palais, dem Zeughaus, der Bastion Mars und dem Kurländer Palais ein geschlossenes Viertel. Dieser höfische Bereich machte die Ausdehnung der Bürgerwohnviertel unmöglich und wirkt bis in die Gegenwart hinein durch die Scheidung der Altstadt in ein Kulturviertel um Zwinger und Brühische Terrasse und einen Geschäfts- und Wohnbezirk.

E n t w i c k l u n g zur C i t y Erst 1830 erreichte Dresden die Einwohnerzahl wieder, die es vor der Beschießung 1760 besessen hatte. Bis 1871 stieg die Bevölkerungszahl in ganz Dresden, das sich in dieser Zeit durch einige Villenviertel (Forststraße, Bürgerwiesenund Schweizer Viertel) erweiterte, von 68886 auf 177040 an, somit um reichlich 1 5°%> in der inneren Altstadt jedoch nur um 2 5 % . Seit 1871 ging dann die Bewohnerzahl ständig zurück und war bis 1933 um etwa 50% gesunken (Abb. 14). Voraussetzung für die Umgestaltung der Altstadt war die Schleifung der Festungsanlagen. Da im 18. Jh. der Festungsschutz ohnehin zweifelhaft geworden war, hatte man die Bastionen schon beim Bau des Zwingers und der Katholischen Hofkirche (s. A 2) durchbrochen. Nicht nur auf dem Außenwall, sondern auch auf dem Hauptwall waren Gärten und Häuser errichtet worden. 61

Tabelle: Einwohner der inneren Altstadt 1831

21885

1880

25266

1852

25668

1900

19992

1864

2668S

1925

14149

1871

27359

1933

13606

Der Kurfürst hatte geplant, die Festungswerke 1760, noch im Krieg, abtragen zu lassen und Dresden zur offenen Stadt zu erklären, doch kam ihm das preußische Bombardement zuvor. 1809 verlangte dann N A P O L E O N , die Festungswerke zu schleifen. Die Demolition wurde nach einem abermaligen Ausbau beim Rückzug N A P O L E O N S 1812 schließlich 1817—28 zu Ende geführt. Erhalten blieb die Brühische Terrasse (s. A 5) mit der Bastion Venus, ein Teil der Bastion Luna und einiges Gemäuer der Bastion Sol am Elbufer. Die Abtragung der Festungswerke verschaffte der Altstadt (Abb. 15) neue Räume. An dem mächtigen Wilsdruffer Tor, vor dem jahrelang der Demolitionsplatz zwischen Dr.-Otto-Nuschke-Straße und Wallstraße lag, wurde 1832 das Postgebäude, das spätere Telegraphenamt, errichtet. Im Zuge des zugeschütteten Stadtgrabens entstanden Wall- und Marienstraße, die jetzige Dr.-Otto-NuschkeStraße, und die Allee, die beim Bau des Neuen Rathauses zu der geräumigeren Ringstraße erweitert wurde. Ein umfassender Promenadenring wie in Wien oder Leipzig wurde jedoch damals nicht geschaffen, da große Teile der früheren Festungsflächen für die Bebauung freigegeben wurden. Eine völlige Umgestaltung erfuhr der Platz zwischen Zwinger und Elbe (s. A 1). Dann erfolgte der Durchbruch der Ost-West-Achse (s. Seite 35). Neue Züge erhielt das Stadtbild im Jahrzehnt vor dem ersten Weltkrieg durch den Neubau der Augustusbrücke, durch das Italienische Dörfchen, das Neue Schauspielhaus an der Julian-Grimau-Allee von W. Lossow und H A N S M A X K Ü H N E und vor allem durch den umfangreichen Komplex des Neuen Rathauses mit seinem die Stadt beherrschenden Turm. Als neue Elemente im Bild der Altstadt entstanden auch das Ständehaus mit seinem Turm, das Georgentor, die Sekundogenitur und das alte Fernheizwerk. Viele Neubauten und vor allem Umbauten älterer Häuser zu Geschäftshäusern veränderten das Straßenbild der Altstadt (Bild 7), doch ist davon nichts erhalten geblieben. Neuaufbau Mit dem Terrorangriff der anglo-amerikanischen Bomber in der Nacht vom 13. zum 14. 2. 1945 sank die gesamte innere Altstadt in Schutt und Asche (Abb. 8). Die weltberühmten Baudenkmale, die städtebaulichen Ensembles und die charakteristischen Plätze und Straßen wurden vernichtet, zu einem großen Teil so gründlich, daß an einen Wiederaufbau nicht zu denken war. Vor allem die zahlreichen Bürgerhäuser des 18. Jh. gingen endgültig verloren. So war zu entscheiden, welche Bauwerke wieder erstehen konnten und sollten. Es ist bewundernswert, daß trotz der zwingenden Notwendigkeit, zuerst die technischen Versorgungsanlagen wieder funktionsfähig zu machen, die Produktion von Sachgütern wieder in Gang zu bringen und wenigstens provisorisch wieder Wohnungen herzurichten, alsbald mit dem Wiederaufbau von Kultur62

Abb.

15.

Altstadt (Ausschnitt, aus

bei LÖFFLER

HESSLER

1837, revidiert 1849, veröffentlicht

1956)

Objekten begonnen wurde; weitere waren für eine spätere Entscheidung wenigstens in ihrer Bausubstanz zu sichern. E s machte sich aber auch notwendig, für den Wiederaufbau des Altstädter Stadtkerns Konzeptionen zu erarbeiten und die große städtebauliche Linie für den späteren Aufbau klarzulegen. Die Denkmalpfleger bemühten sich innerhalb des Aufbauwerkes um keine weit-

63

A

gehende Bewahrung der Grundstruktur der Stadt, den Wiederaufbau der zerstörten kulturhistorischen Bauten im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten und um die Bewahrung auch von Ruinen der einstmals das Stadtbild bestimmenden historischen Bauten. Sie waren bemüht, die Dresdner Atmosphäre wiederzugewinnen. Das alles war eine Aufgabe bisher unbekannten Umfangs. Von dem aus dem Mittelalter überlieferten Stadtgrundriß konnten nur die Hauptelemente, der viereckige Markt und das Hauptstraßennetz, übernommen werden. Doch mußten die Abmessungen den heutigen Bedürfnissen städtischen Lebens angepaßt werden. So wurden die Hauptstraßen verbreitert, der Altmarkt vergrößert, und die engen Gassen verschwanden ohne Ausnahme (Abb. 15 u. 21). Von der städtebaulichen Konzeption für das Stadtzentrum seien hervorgehoben : — die Erhaltung bzw. der Wiederaufbau der künstlerisch und stadtgestalterisch wertvollen historischen Bauwerke, — die Verbreiterung der Ernst-Thälmann-Straße, — die Führung des Nord-Süd-Verkehrs in einer leistungsfähigen Trasse vom Hauptbahnhof über den Pirnaischen Platz zur Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke, — die Ausbildung des alten Stadtkerns weitgehend als Fußgängerzone. Wer heute die Altstadt besucht, wird erkennen, daß trotz der zahlreichen vielgeschossigen neuen Gebäude und gerade wegen der Notwendigkeit, diese in offene Flächen einzuordnen und hierfür die richtigen Proportionen zu finden, der Stadtkern verblüffend „durchsichtig" geworden ist (Bild 8). Viele im alten, engen Straßennetz verdeckte Sichtbeziehungen gehören zu den Erlebnisinhalten eines Ganges durch die Innenstadt. Der Stadtkern der Altstadt kann heute in mehreren Teilbereichen erlebt werden. Im Gebiet zwischen Ernst-Thälmann-Straße und Elbe finden wir nach Beseitigung der Schäden von 1945 einen Teil der berühmten Bauwerke restauriert wieder (s. A 1—5). Südlich der Magistrale dagegen erstrecken sich Neubaugebiete, in denen nur vereinzelt noch historische Bausubstanz anzutreffen ist (s- A 7).

A 1

Zwinger Der Zwinger (Abb. 16 u. 18), wohl das berühmteste Bauwerk Dresdens, das den Namen der Kunststadt in aller Welt bekannt gemacht hat und als eines der hervorragendsten Bauwerke der ganzen Erde gilt, ist nach der grauenhaften Zerstörung im Februar 1945 in seinem Äußeren in unermüdlicher präziser Kleinarbeit bis auf alle Details wieder hergestellt worden. Seine Anziehungskraft beruht auf drei Tatsachen: Erstens ist das Bauwerk selbst in seiner Schönheit unvergleichlich, zweitens bergen die Innenräume (einschließlich des die Nordseite abschließenden Galeriebaus) einen wesentlichen Teil der Dresdner Kunstsammlungen, und drittens repräsentiert der Zwinger in seiner Gesamtanlage ein StückDresden des 18. Jh., also ein Stück Stadtgeschichte. Denn die südwestliche Langgalerie mit dem Kronentor erhebt sich über der alten Festungsmauer der Bastion Luna — als Zwinger wurde der freie Raum zwischen der inneren 64

Ringmauer und der äußeren Stadtmauer bezeichnet —, und der Wallpavillon A l und die anschließenden Galerien lehnten sich an den alten Festungswall an; sein Abfall ist zu den kunstvollen Anlagen des Nymphenbades genutzt worden. Zwingerteich und Zwingergraben (Abb. 16) sind aus dem alten Festungsgraben hervorgegangen, wenn auch nicht unmittelbar, da mehrmals Veränderungen vorgenommen worden sind. Das Bauwerk, ein Meisterwerk des höfischen Barocks, war für Hoffeste aller Art vorgesehen, die in der ersten Hälfte des 18. Jh. bei jedem Anlaß gefeiert wurden. Ein solcher Anlaß war der Besuch des dänischen Königspaares im Jahre 1709. Es wurde ein rechteckiger Festplatz mit provisorischen hölzernen Galerien und Pavillons errichtet. Dieses Provisorium muß so gut gefallen haben, daß es alsbald eine endgültige Form erhielt. Die Umrisse des Zwingerbaus steigen von den eingeschossigen Galerien zu den zweigeschossigen Pavillons auf und nieder. Die beschwingten Linien der zierlichen, lichterfüllten Architektur verschmelzen mit dem phantastischen Skulpturenschmuck der reich gegliederten Fassaden zu völliger Harmonie. Überall treten uns Blumengehänge und Fruchtkörbe, Weinranken, Muscheln, Masken und Vasen entgegen, auch Symbole der Barockzeit, wie Kurhüte, Ordenssterne, Schilde und Wappen, dazu menschliche Gestalten als Liebesgötter, Putten, Faune und Nymphen, Darstellungen der Künste und Tugenden, mehrfach auch Statuen des Herkules. Die prächtige Zwiebelkuppel des Kronentores gipfelt in der goldenen, von Adlern bewachten polnischen Königskrone.

gMan

Abb. 1 6 . Zwinger und Zwingergraben (Kupferstich von B E R N A R D O B E L L O T T O , genannt C A N A L E T T O , 1758, Original im Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden) 65

A l

1709 war der Auftrag zum Bau einer Orangerie erteilt worden. Von 1710 bis 1712 entstanden die Bogengalerien der Nordwestseite, die man zunächst auch für die kostbaren Pflanzen nutzte (1729 Verlegung der Orangerie in die heute nahezu zerstörte Orangerie in der Herzogin Garten). 1711 wurden die Eckpavillons der Wallseite begonnen, 1714 — 18 entstanden das Kronentor und die Langgalerien trotz des Widerspruchs der Generale F L E M M I N G und W A C K E R B A R T H , die die Öffnung der Festungsanlagen für gefährlich hielten, 1716 — 1 8 wurde die Westseite durch den Wallpavillon geschlossen, 1717/18 erfolgte der Bau der beiden Eckpavillons auf der Stadtseite sowie des Opernhauses zwischen Zwinger und Taschenbergpalais. Von 1720 bis 1722 ruhte der Bau, dann wurde der Stadt- oder Glockenspielpavillon zwar fertiggestellt, jedoch ohne den bildhauerischen Schmuck. 1738 wurde der Bau ganz eingestellt. Sieht man von dem Abschluß des Zwingerraumes durch den späteren Galeriebau G O T T F R I E D S E M P E R S ab, so sind Grundriß des Ganzen und Aufriß der einzelnen Bauglieder seither nur wenig verändert worden. Die größte Länge des Zwingerhofs beträgt 204 m, die größte Breite 116 m. Die Bezeichnungen gehen aus Abb. 18 hervor. Die höchste Kunst barocker Architektur und Bildhauerarbeit vereinigt sich im Wallpavillon. Geschwungene Stufen führen zu den reich verzierten Arkaden hinauf. Ihre Pfeiler gehen in Hermen über. Der sechzig] ährige B A L T H A S A R P E R M O S E R hat sie ohne Modell aus dem Block gemeißelt. Uber dem Giebelaufsatz mit dem riesigen sächsisch-polnischen Wappen trägt Herkules die Weltkugel — eine Verherrlichung A U G U S T S D E S S T A R K E N . Diese von P E R M O S E R selbst gezeichnete Originalarbeit wurde 1945 zerstört, aber sie ist aus einem 200 Zentner schweren Sandsteinblock nach alten Vorlagen neu geschaffen worden. Rechts und links vom Wappen ist eine griechische Sage abgewandelt dargestellt: Hier hält der lorbeerbekränzte Paris ( = A U G U S T D E R S T A R K E ) statt eines Apfels den Zankapfel jener Zeit in der Hand, die polnische Königskrone. Hinter dem Französischen Pavillon liegt das Nymphenbad, mit dessen Bau bereits 1711 begonnen wurde. Vor allem wurde das Wasserreservoir für die Kaskade im Turm des Wilsdruffer Tores errichtet, dessen Wasser von Gorbitz zugeleitet wurde. Blickt man vom Eingang zur Kaskade, so stehen links die Originalfiguren aus P E R M O S E R S Zeit, rechts die um 1930 von der Zwingerbauhütte hinzugefügten, von den Bildhauern G E O R G W R B A , P A U L P O L T E und A L E X A N D E R H Ö F E R geschaffenen Plastiken. Reizvolle Bilder ergeben sich beim Blick sowohl vom Grottenhof wie von der Terrasse des Nymphenbades aus, wenn das Wasser rauscht: Aus den großen Muschelschalen des Brunnens auf der Terrasse fließt es, die Stufen der Kaskade springt es herab, in den beiden Nischen daneben speien es Delphine aus, und in dem Becken inmitten des Hofes steigt es in vielen Strahlen auf. Bald nach dem Tode A U G U S T S D E S S T A R K E N begann die Vernachlässigung des Zwingers. Mitten im Zwingerhof wurde 1746 ein hölzernes Privattheater gebaut, das 1748 niederbrannte. Im Siebenjährigen Krieg dienten die Gebäude als Speicher und wurden durch Beschuß beschädigt. Dem Verfall und der Gefahr des Abbruchs begegnete man erst 1783. J O H A N N D A N I E L S C H A D E leitete diese erste Wiederherstellung; die Bildhauer B A P T I S T A D O R S C H , T H A D D E U S I G N A Z W I S K O T S C H I L L und J O H A N N F E R D I N A N D F E I G E schufen dabei auch neue 66

Skulpturen, vor allem für den unvollendeten Glockenspielpavillon. Leider A l wurden dabei auch Sandsteine mit Ölfarbe überstrichen. In den Maikämpfen 1849 brannte das alte Opernhaus im S des Zwingers nieder. Das Feuer griff auf den Glockenspielpavillon über. 1852 — 57 erfolgte der Wiederaufbau der zerstörten und verfallenen Bauteile durch den Oberlandbaumeister C A R L M O R I T Z HÄNEL. Dabei wurde die Statue des Herkules mit der Keule am Glockenspielpavillon durch eine Kopie des Herkules mit der Weltkugel vom Wallpavillon ersetzt. U m das „fleckige Aussehen" des Zwingers gegenüber der inzwischen erbauten Gemäldegalerie zu beseitigen, wurde der Sandstein wieder mit Ölfarbe bestrichen. Dieser zweiten Wiederherstellung bis 1863 folgte 1880 — 98 eine dritte, bei der man die Schäden mit Zement und Ölfirnis ausbesserte und dadurch den Verfall nur beschleunigte. Erst 1910 wiesen H A N S E R L W E I N , G E O R G W R B A und G U S T A V F R Ö L I C H auf die verhängnisvolle Wirkung des Zements hin. Die Restaurierung wurde erneut begonnen, aber durch den ersten Weltkrieg unterbrochen. Erst 1924 — 36 erfolgte die Rettung des ganzen Bauwerks durch die Zwingerbauhütte unter Leitung von H U B E R T G E O R G E R M I S C H . Als Bildhauer wirkten G E O R G W R B A mit P A U L P O L T E und A L E X A N D E R H Ö F E R . Nach Möglichkeit wurde der von P Ö P P E L M A N N benutzte Sandstein von der Kirchleithe zwischen Rathen und Königstein verwendet. Auch die Wasserkünste wurden wieder instandgesetzt. Die Unterlagen der Zwingerbauhütte, die glücklicherweise zu einem großen Teil erhalten geblieben sind, und die Erfahrungen der noch lebenden Mitarbeiter bei der Restaurierung bis 1936 haben die Wiederherstellung der Pavillons und der Galerien nach 1945 wesentlich erleichtert. Der seit 1822 zugeschüttete Zwingergraben wurde 1929 zum Teil ausgeschachtet, die alte Festungsmauer freigelegt und die alte Holzbrücke nach historischen Bildern wieder errichtet. Nach dem zweiten Weltkrieg erhielt der Zwingergraben mit dem nach 1820 im ehemaligen Grabengelände angelegten Zwingerteich eine Verbindung. Die rauschenden Hoffeste, denen der Zwinger als Festplatz seine Entstehung verdankte, wurden seit den Schlesischen Kriegen seltener. Die Mittel zur weiteren Ausgestaltung des Festplatzes bis zur Elbe begannen zu fehlen, aber die Räumlichkeiten dienten seit 1728 den Sammlungen der Kunst- und Naturalienkammer. Bis 1782 fanden auch die königliche Bibliothek und bis 1945 das Kupferstichkabinett hier Unterkunft, ebenso der Mathematisch-Physikalische Salon, der seit 1728 im gleichen Pavillon untergebracht ist. E s ist durchaus möglich, daß diese Funktion der Kunstsammlungen den Zwinger über die Zeit hinweggerettet hat, in der die barocke Baukunst kein Verständnis fand, hatte doch 1780 selbst der Oberlandbaumeister gefordert, die Bildhauerarbeiten abzutragen. Erst G O T T F R I E D S E M P E R beschäftigte sich wieder mit dem alten Plan (Abb. 17) des Forums bis zur Elbe hin und seiner geschlossenen baukünstlerischen Gestaltung. Diese Pläne wurden 1837 jedoch bis auf die Errichtung eines Hoftheaters (s. A 2) abgelehnt. So kam als eine vermittelnde Lösung der Bau der Gemäldegalerie als Abschluß des Zwingers nach der Elbseite zustande, eine Lösung, die zugleich dem Theaterplatz die notwendige Geschlossenheit gab. Der Bau der im Stil der italienischen Hochrenaissance gehaltenen Galerie 67

A b b . 17. Forumplan

GOTTRIED SEMPERS

1 Denkmal Friedrich Augusts III.

4 Hoftheater

2 Orangerie 3 Gemäldegalerie

5 Wache

(nach

MÜTTERLEIN

1913)

begann 1847. Da sich S E M P E R an den Maikämpfen des Jahres 1849 beteiligt hatte (Barrikadenbau), mußte er nach dem unglücklichen Ausgang der Revolution fliehen. Der Bau wurde von C . M. H Ä N E L und F. A. K R Ü G E R 1854 vollendet, aber mit gewissen Abweichungen von S E M P E R S ersten Entwürfen. Der reiche Skulpturenschmuck von E R N S T H Ä H N E L und E R N S T R I E T S C H E L stellt auf der Zwingerhofseite christliche, nach dem Theaterplatz zu antike Themen dar. Die Gemäldegalerie, 1722 entstanden, als A U G U S T D E R S T A R K E die besten Bilder aus seinem Besitz im östlichen Trakt des Stallhofes am Jüdenhof vereinigte, und unter seinem Sohn durch den Kauf berühmter Gemälde bereichert, zog 1855 in dieses Neue Museum am Zwinger ein. Als man 1926 die erste Zwingerserenade durchführte, erhielt der ursprüngliche Festplatz wieder eine neue Bestimmung. 1945 sank der Zwinger in Trümmer. Die Pavillons und Galerien waren ausgebrannt, die Gemäldegalerie im Westflügel durch Bomben schwer geschädigt. A m schlimmsten war durch eine Luftmine der Wallpavillon betroffen. Nur das Nymphenbad blieb weitgehend verschont. Bereits in den Jahren 1945/46, als es noch an Wohnungen, Schulen und Krankenhäusern fehlte, wurde mit dem Wiederaufbau des Zwingers begonnen. Im Sommer 1945 wurden zunächst Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Reste und der Bergung noch wertvoller Bauteile aus den Trümmern begonnen. Die sowjetische Kommandantur förderte das Vorhaben und sorgte für die Beräumung des Geländes von verbliebenen Sprengkörpern. Eine schlichte, eindrucksvolle Tafel am Nordeingang der Gemäldegalerie gibt Zeugnis von dieser Hilfe: „Das Museum wurde geprüft — keine Minen — geprüft von C H A N U T I N . " Für den Wiederaufbau stellte H U B E R T G E O R G E R M I S C H seine großen Erfahrungen zur Verfügung. Bis 1951 war das 68

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Abb. 18. Zwinger, Grundriß und Nutzung (aus WOTTE/HOYER 1978, mit freundlicher Unterstützung des V E B Tourist Verlag) Kronentor, eines der Wahrzeichen der Stadt, mit den anschließenden Langgalerien wieder hergestellt. 1952 folgte der Mathematisch-Physikalische Salon, 1953 der Glockenspielpavillon, der von der Meißner Porzellanmanufaktur ein neues Glockenspiel mit 40 Glocken erhielt. 1954 wurden der Wallpavillon und der Französische Pavillon vollendet. Als 1955 die Sowjetunion die von ihr geretteten und zum Teil restaurierten Kunstwerke der Dresdner Gemäldegalerie an die D D R übergab, wurde sofort mit dem Wiederaufbau der Sempergalerie begonnen, so daß der ausgebrannte Ostflügel bereits 1956 zur 750-Jahr-Feier der Stadt und i960 der von Sprengbomben vernichtete Westflügel ihre traditionelle Bestimmung von neuem erhalten konnten. Heute beherbergt der Zwinger wieder Sammlungen von nationaler und internationaler Bedeutung (Abb. 18, Bild 21). Seit 1963 erfreuen erneut die Wasserspiele des Nymphenbades Tausende von Schaulustigen. In den Parkanlagen und dem kunstvoll ausgestalteten Zwingerhof finden die Dresdner und ihre zahllosen Gäste Erholung und Entspannung. Ballettaufführungen und Zwingerserenaden vor der Architektur von P Ö P P E L M A N N und P E R M O S E R (Bild 20) bilden an warmen Sommerabenden besondere Höhepunkte. 6

Dresden

69

A2

Theaterplatz Der Theaterplatz, ursprünglich zum freien Gelände vor dem Schloß gehörend, wurde erst mit den großen Vorhaben zum Bau eines neuen Schlosses in architektonische Pläne einbezogen, die indes nicht Wirklichkeit wurden. Nachdem die Katholische Hofkirche um die Mitte des 18. Jh. entstanden war, verblieben hier allerlei kleine Niederlassungen. Erst mit dem Abschluß des Zwingers durch die Gemäldegalerie begann schrittweise die Gestaltung zu einem geschlossenen Platz; dessen Flanken wurden im O durch Schloß und Katholische Hofkirche, im SW durch das Galeriegebäude und die Reste des Zwingerwalles und im N O durch1 die Calberlasche Zuckerfabrik, die 1853 zum Hotel Bellevue — 1945 durch Bomben zerstört — umgebaut wurde, bestimmt. 1838 — 41 baute G O T T F R I E D S E M P E R an der im Forum-Projekt vorgeschlagenen Stelle sein erstes H o f t h e a t e r in den anmutigen Formen der italienischen Frührenaissance, dem Zwinger und der Katholischen Hofkirche etwas näher als das spätere Opernhaus. Dieses erste Sempertheater stellte Dresden in den Mittelpunkt des deutschen Kunstlebens und wurde geradezu eine europäische Berühmtheit. An ihm wirkten R I C H A R D W A G N E R (von 1842 bis 1849), G O T T L I E B R E I S S I G E R und J U L I U S R I E T Z als Dirigenten, die Sängerinnen W I L H E L M I N E SCHRÖDER-DEVRIENT, JENNY NEY, ALOYSE KREBS-MICHALESI, die Sänger A N T O N MITTERWURZER, JOSEPH TICHATSCHEK, L U D W I G SCHNORR

VON C A R O L S -

die Schauspielerinnen F R A N Z I S K A B E R G , M A R I A B A Y E R - B Ü R C K , U L R I C H , die Schauspieler E M I L D E V R I E N T , B O G U M I L D A W I S O N und FELD,

PAULINE GUSTAV

RÄDER.

Am

21. 9. 1869 b r a n n t e

der wundervolle

Bau

nieder.

GOTTFRIED

SEMPER

leitete von Zürich und Wien aus (s. A 1) den Neubau im Stil der italienischen Hochrenaissance, den sein Sohn M A N F R E D 1871 — 78 ausführte. Auch das zweite Theater diente anfangs der Oper und dem Schauspiel. Dieser Zweckbestimmung entsprachen an beiden Seiten des früheren Haupteingangs R I E T S C H E L S Statuen von S C H I L L E R und G O E T H E . Erst seit 1888, nachdem das Schauspielhaus am Platz der Einheit, dem früheren Albertplatz, in Dresden-Neustadt eröffnet worden war, blieb das neue Haus ausschließlich der Oper vorbehalten. An der plastischen und malerischen Ausgestaltung des Inneren haben fast alle Dresdner Künstler von Rang mitgewirkt. Die Außenplastiken stammen vor allem von J O H A N N E S S C H I L L I N G , SO die Pantherquadriga mit Dionysos und Ariadne, und ERNST

HÄHNEL.

Für die Gestaltung des Platzes ist besonders wichtig, daß S E M P E R seine zweite Oper etwas weiter nach N W herausrückte, um den Galeriebau voll zur Geltung kommen zu lassen und durch die breite Anlage der Front einen wirksamen Abschluß des Theaterplatzes nach N W zu erreichen. Der prächtige Bau war 1878—1914 die Wirkungsstätte des Generalmusikdirektors E R N S T V O N S C H U C H . E r brachte 51 Uraufführungen heraus, so von R I C H A R D S T R A U S S Salome am 9. 2. 1905, Elektra am 25. 1. 1909 und Rosenkavalier am 26. 1. 1911 mit M A X R E I N H A R D T als Regisseur. Von den großen Sängerinnen seien genannt T H E R E S E M A L T E N , M A R C E L L A S E M B R I C H , M A R I E WITTICH,

EVA

VON DER

OSTEN,

ELISABETH

RETHBERG,

META

SEINEMEYER,

MARIA CEBOTARI, v o n d e n S ä n g e r n LORENZO RIESE, ANTON ERL, K A R L PERRON,

70

K A R L S C H E I D E M A N T E L und F R I E D R I C H P L A S C H K E . Einen weiteren Höhepunkt A 2 erlebte die Dresdner Oper unter Generalmusikdirektor F R I T Z B U S C H (ig22 bis zur Entlassung durch die Nazis 1933) mit zahlreichen Uraufführungen und der Pflege von Verdi- und Mozartopern. Sein Nachfolger K A R L B Ö H M konnte die Leistungsfähigkeit der Staatskapelle, die zu den besten Orchestern der Welt gehörte und durch ihren selbst herangezogenen Nachwuchs ihre traditionelle Leistung bis auf den heutigen Tag zu wahren versteht, erhalten. In der Schreckensnacht von 1945 wurde diese weltberühmte Kunststätte stark zerstört. Wegen ihrer hohen Bedeutung als Baudenkmal im Ensemble des Theaterplatzes und als Stätte des traditionsreichen Dresdner Theaterlebens erfolgten schon 1950 — 53 umfassende Sicherungsmaßnahmen, so Instandsetzung des Außenmauerwerkes, statische Sicherung bzw. Wiederaufbau des Giebels sowie Überdachung von Zuschauer- und Bühnenhaus als Voraussetzung für den späteren Wiederaufbau. Dieser wurde im Fünfjahrplanzeitraürti 1976 — 80 begonnen. Die Rekonstruktion wird nach den erhaltenen Originalplänen sowie nach modernen theatertechnischen Erfordernissen durchgeführt. So werden beispielsweise Seitenbühnen geschaffen, und der Zuschauerraum wird erweitert. Entgegen früheren Vorstellungen, den Hauptbaukörper zu erweitern, wird nunmehr an der Rückseite (Nordwestseite) ein dreigeschossiger Funktionsbau errichtet, der unter anderem Probebühnen und Künstlergarderoben enthält. Mit diesem Bauwerk werden die Proportionen des historischen Opernhauses gewahrt und ein besserer städtebaulicher Massenaufbatr erreicht. Dort, wo zwischen Galeriegebäude und Opernhaus der Blick auf die Grünanlagen des Zwingerwalles einen guten Kontrast zu den Großbauten des Theaterplatzes gewährt, steht an versteckter Stelle das von E R N S T R I E T S C H E L geschaffene Bronzestandbild C A R L M A R I A VON W E B E R S (Abb. 45), der seit 1 8 1 6 Musikdirektor der Dresdner Oper war.

Die Weite des Theaterplatzes wird durch das Reiterstandbild König J O H A N N S (regierte 1854 — 73) unterbrochen, das in der Achse des Opernhauses steht und vom Zwingerhof aus durch die Durchgänge des Galeriegebäudes sichtbar ist. Das von J O H A N N E S S C H I L L I N G geschaffene Denkmal kennzeichnet mit seinen Reliefs am Sockel den Übersetzer der „Göttlichen Komödie" von A L I G H I E R I D A N T E . Die A l t s t ä d t e r W a c h e wurde nach dem Entwurf F R I E D R I C H S C H I N K E L S 1830 — 32 von J O S E P H T H Ü R M E R errichtet. Der Längsseite ist schloßwärts eine Tempelfassade mit ionischen Säulen vorgelagert. 1945 ausgebrannt, wurde die Schinkelwache 1955/56 wieder aufgebaut. Bei der Gestaltung der Elbseite des Platzes standen sich um 1900 zwei Auffassungen gegenüber, entweder den Theaterplatz offen bis zur Elbe zu führen oder den Platz durch Gebäude gegen die Elbe abzuschließen. Auf dem Platz hatten die am Hofkirchenbau beschäftigten italienischen Handwerker seit 1 7 3 9 E I N Gewirr von 32 verwinkelten Häuschen erbaut. Hier fand C A R L M A R I A VON W E B E R 1817 im Haus des Kastraten C E C C A R E L L I , eines Sopransängers, seine erste Wohnung in Dresden. Beim Bau des ersten Sempertheaters wurde das I t a l i e n i s c h e D ö r f c h e n abgebrochen. Nur einige Häuser am Elbufer blieben stehen, in denen sich mehrere Gaststätten befanden. An ihnen blieb der Name Italienisches Dörfchen haften, vor allem an der seit 1851 bestehenden Wirtschaft, die unmittelbar über dem Elbufer am damaligen Landeplatz der 6*

71

A 2 Dampfschiffe nach Meißen lag. 1912/13 wurde durch H A N S E R L W E I N das jetzige Gaststättengebäude errichtet. Ihm war es damit gelungen, durch das Gebäude zwar den Theaterplatz deutlich abzuschließen, aber die Nähe des Stromes ahnen zu lassen. Außerdem gibt eine Terrasse den Blick auf Brücke und Strom frei, und eine Freitreppe führt zum Elbufer hinab. Die ehemalige K a t h o l i s c h e H o f k i r c h e — heute Kathedrale des Bistums Meißen — wurde errichtet, da es nach dem Übertritt des Kurfürsten zur katholischen Kirche an einem repräsentativen katholischen Kirchenbau fehlte. E r mußte in enger Verbindung zum Schloß stehen. Der mit dem Bau beauftragte römische Baumeister G A E T A N O C H I A V E R I ordnete das Bauwerk aus baukünstlerischen Gründen der Hauptseite des Schlosses zu, mit dem es durch einen Übergang verbunden ist. So kam es zu einer reizvollen Schrägstellung, die das Bauensemble um das Schloß belebt und zugleich einen markanten Blickpunkt vorf der Brücke aus darbietet, vornehmlich durch den 85,5 m hohen durchbrochenen Turm. Diese Lösung bedingte eine Abweichung von der üblichen Oätorientierung der Kirche (der Hochaltar liegt im S W der fünfschiffigen Basilika), erforderte die Zuschüttung der ersten Bögen der alten Elbbrücke vor dem Georgentor, die Beseitigung des Elbtores und der anschließenden Teile des Festungswalles und eine sehr tiefe, bis 9 m reichende Gründung des Bauwerks. Da Prozessionen im protestantischen Sachsen unter freiem Himmel damals nicht zulässig waren, legte C H I A V E R I das Innere als Prozessionskirche an, das heißt der Prozessionsumgang war innerhalb der Kirche möglich. Der fein gegliederte Bau läßt nicht ahnen, daß er mit 4 800 m 2 die größte Kirche Sachsens ist. Dazu tragen neben der plastischen Gliederung der Umfassungswände und dem hoch aufragenden Mittelschiff die zahlreichen Statuen bei, die die Dachkanten krönen. Der Turm, nur im Hauptstockwerk mit dem Kirchenschiff verbunden, ragt in 4 durchbrochenen und nach oben leichter werdenden Stockwerken frei bis zur abschließenden Zwiebelkuppel empor. Der Bau begann 1739. D a C H I A V E R I 1749 Dresden verließ, wurde die Kirche von J O H A N N C H R I S T O P H K N Ö F F E L und J U L I U S H E I N R I C H S C H W A R Z E zu Ende geführt. Berühmt waren die Kirchenmusiken in der Hofkirche. Außer den Kapellknaben wirkten die spätere Staatskapelle und erste Kräfte der Oper mit. Unter den Leitern der Kirchenmusik finden wir J O H A N N A D O L P H H A S S E (bis 1763), C A R L M A R I A V O N W E B E R (f 1826), R I C H A R D W A G N E R (bis 1849), C A R L G O T T L I E B R E I S S I G E R (f 1859) und K A R L P E M B A U R (f 1939). 1945 wurde auch dieses herrliche Bauwerk verwüstet. Sprengbomben durchschlugen das Dach des Mittelschiffes, das Innere brannte aus. Bereits 1945 begann der Wiederaufbau unter der Leitung des Instituts für Denkmalpflege. Mit staatlichen, städtischen, kirchlichen Mitteln und privaten Spenden wurden die Schäden beseitigt, die Kirche neu eingewölbt, und 1962 konnte das Mittelschiff zum ersten Mal wieder für kirchliche Zwecke genutzt werden. Glücklicherweise waren wertvolle Teile der künstlerischen Innenausstattung ausgelagert worden. So konnten das Bild des Hochaltars von A N T O N R A P H A E L M E N G S und die Bilder der Seitenaltäre sowie die Silbermannorgel Wieder ihren alten Platz finden. Zerstörte Teile wie der Orgelprospekt oder die zum Teil schwer beschädigten Skulpturen von L O R E N Z O M A T T I E L L I wurden durch Kopien ersetzt. 72

Schloßkomplex Das S c h l o ß ist der älteste Bauzeuge der fast 8oojährigen Geschichte der Stadt Dresden. E s ist aus einer markgräflichen Burg hervorgegangen, die sich auf dem Nordteil des Taschenberges erhob und den Elbübergang decken sollte. Der Hausmannsturm gehört bis zur Höhe seines Konsolgesimses Bauphasen vor 1500 an und dürfte in seinem unteren Teil der älteste Bauteil der Burg sein, damit auch zugleich der Stadt. Wahrscheinlich stammen die ältesten Mauerteile vom Ende des 12. Jh. Der Flügel an der Schloßstraße entstand im 14. Jh. 1471 — 76 errichtete der Erbauer der Meißner Albrechtsburg, A R N O L D V O N W E S T F A L E N , den Süd- und Westflügel. 1528 kam an der Südostecke der runde Schössereiturm hinzu. Der Georgenbau (1533 — 35) erweiterte das Schloß nach O. Von ihm stammt das Relief des Totentanzes von C H R I S T O P H W A L T H E R I., bis 1980 auf dem Inneren Neustädter Friedhof (s. E 3). Als 1547 begonnen wurde, den Großen Schloßhof nach W auf das Doppelte zu erweitern, rückte der Schloßturm in die Mitte der Nordostfront. Zu sehen sind aus jener Zeit die Treppentürme des Großen Schloßhofes. Von der Innenausstattung sind im Pretiosensaal und im Silberzimmer des Grünen Gewölbes Stukkaturen aus der Zeit um 1544 und um 1560 sowie Teile der Ausstattung des 18. Jh. erhalten. Der Kleine Schloßhof wurde zwischen 1590 und 1594 geschaffen. Damals entstand auch das Torhaus auf der Ostseite des Schlosses, das heute noch bis in das zweite Obergeschoß ursprüngliche Formen zeigt. WOLF CASPAR VON K L E N G E L gestaltete 1674 — 76 den Hausmannsturm um und versah ihn mit einer kuppeligen Haube und langen Spitze, die dem Turm eine Höhe von 101 m gab und ihn zu einem Wahrzeichen Dresdens machte (Abb. 19). 1701 vernichtete ein Brand den Ostflügel mit dem Riesensaal und dem Georgenbau. Die Wiederherstellung erfolgte in einfachsten Formen, doch dieses Provisorium blieb bis zum Umbau von 1889 bestehen. Die 1721 — 25 von R A Y M O N D L E P L A T in der Nordwestecke des Schlosses gestalteten Räume, nach ihrem Anstrich schon seit 1638 Grünes Gewölbe genannt, nahmen nun als repräsentative Schausammlung einen Teil der Kunstwerke der Schatzkammer auf. Fünf der acht Räume überstanden dank der im 18. Jh. getroffenen Sicherheitsvorkehrungen die Kriegszerstörungen. Die weltberühmte Schausammlung des Grünen Gewölbes befindet sich heute im Albertinum (s. A 5 ) . Der uneinheitliche äußere Zustand des Schlosses wurde durch den Umbau von 1889 bis 1901 beseitigt. Die Außenfassaden erhielten Dekorationsformen der deutschen Renaissance vorgeblendet. Die Arbeiten wurden von G U S T A V D U N G E R und G U S T A V F R Ö L I C H geleitet, von dem auch die Skizzen für die Übergänge zum Taschenbergpalais und zur Hofkirche herrühren. Der zuletzt vollendete Teil des Schloßumbaus ist der Georgenbau. Das alte Nordtor wurde in den Winkel nach der Hofkirche zu versetzt und ein hoher, von zahlreichen Skulpturen geschmückter Schaugiebel errichtet. Das alte Südtor des Georgenbaues kam in den Stallhof. Unmittelbar südlich des Schlosses entstand auf dem Gelände von 7 ehemaligen Bürgergrundstücken 1706—11 ein Palais für die Gräfin C O S E L , das T a s c h e n b e r g p a l a i s . Mit diesem Bau erhielt M. D . P Ö P P E L M A N N seinen ersten größeren 73

Auftrag von

D E M S T A R K E N , an dessen Verwirklichung wohl J O H A N N beteiligt war. Das Palais wurde später mehrfach erweitert und umgestaltet. Eine hervorragend gegliederte Fassade bestimmte seinen architektonischen Wert. Der C h o l e r a b r u n n e n zwischen Taschenbergpalais und Zwinger wurde 1843 von G . S E M P E R in Form eines neugotischen 18 m hohen Turms geschaffen. Er geht auf eine Stiftung des E U G E N V O N G U T S C H M I D zurück, als Dank dafür, daß Dresden von der Choleraepidemie Anfang der vierziger Jahre verschont geblieben war, und wurde 1927 von seinem ursprünglichen Standort am Postplatz hierher verlegt. Das J o h a n n e u m führte als Teil des Stallhofes — 1586 — 91 entstanden — P A U L B U C H N E R auf (s. Seite 32). Von einem Umbau im Jahr 1729 stammt die doppelläufige Freitreppe. Ein dritter Umbau durch C . M . H Ä N E L gab dem B a u seine jetzige Gestalt. An den Georgenbau schlössen sich, an die alte Stadtbefestigung im Zuge der Augustusstraße angelehnt, weitere Zweckbauten des AUGUST

FRIEDRICH KARCHER

A b b . 19. Medaillen der Dresdner Münzstätte (zusammengestellt und erläutert von P A U L A R N O L D . Die Medaillen befinden sich im Münzkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Von oben nach unten, linke-Reihe4-Vorderseitea; rechte Reihe: Rückseiten): E R N S T C A S P A R D Ü R R und M A R T I N H E I N R I C H O M E I S , Medaille 1676 auf die Erhöhung des Hausmannsturmes im Dresdner Residenzschloß, 0 67,6 mm, Silbef. HEINRICH P A U L GROSKURT, M e d a i l l e 1 7 0 5 a u f d i e G r u n d s t e i n l e g u n g d e r

von

erbauten Kirche zu Dresden-Loschwitz, 0 43,9 mm, Silber. C H R I S T I A N J O S E P H K R Ü G E R , Verdienstmedaille 1786 anläßlich der E r ö f f n u n g des ersten öffentlichen Museums im Japanischen Palais, 0 6 1 mm, Silber. GEORGE BÄHR

JOHANN FRIEDRICH STIELER, M e d a i l l e 1 7 8 5 a u f d i e G r ü n d u n g d e r R e a l - u n d

Armenschule in Dresden-Friedrichstadt, 0 33,6 mm, Silber. Die Münzstätte Dresden war 1556 von Kurfürst AUGUST gegen den Widerspruch der Bergstädte Annaberg, Freiberg und Schneeberg, die dadurch ihre Münzstätten verloren, als zentrale Münzstätte für das Kurfürstentum Sachsen gegründet worden. Sie bestand ursprünglich aus zwei Gebäudeanlagen, dem Schmelzhaus und dem Münzhof, die beide in unmittelbarer Nähe des Residenzschlosses am Elbufer lagen. Zu diesen Gebäuden kam im ersten Viertel des 17. Jh. noch der außerhalb der Festungsmauern vor dem Wilischen Tor gelegene Silber- und Münzhammer hinzu, der zu Beginn des 19. Jh. durch einen Neubau ersetzt wurde. Als nach 1733 der Platz zwischen Schloß und Elbbrücke zum B a u der Katholischen Hofkirche (Kathedrale) benötigt wurde, erhielt die Münze 1738 ein neues Gebäude hinter der Frauenkirche. Dort bestanden Münzamt und Münzstätte bis zum Jahre 1886; danach wurden sie aus Rentabilitätsgründen in die Nähe der staatlichen Muldener Hütten bei Freiberg verlegt. Jahrhundertelang zählte die Dresdner Münzstätte zu den leistungsstärksten deutschen Münzstätten und hatte seit dem 17. Jh. großen Anteil an der Herausbildung einer Dresdner Medailleurschule. 75

A3

Hofes an. Seit 1864 befindet sich links neben dem Johanneum das alte Portal der Schloßkapelle, das 1555 nach einem Entwurf von J U A N M A R I A D A P A D U A vollendet wurde und zu den bedeutendsten Leistungen jener Zeit in Mitteleuropa gerechnet wird. Wie die meisten Baulichkeiten hat auch das Johanneum verschiedenen Zwecken gedient. Das Obergeschoß war zunächst Rüstkammer; es beherbergte 1722 — 1856 die Gemäldegalerie, später das Historische Museum und teilweise die Porzellansammlung. Nach dem Wiederaufbau in den fünfziger Jahren dient es nunmehr als viel besuchtes Verkehrsmuseum. Zwischen Georgenbau und Johanneum zieht sich der 102 m Lange Gang hin, der im Erdgeschoß in 21 Arkadenbögen gegliedert ist; das Obergeschoß beherbergte die Gewehrgalerie. Die 1979 abgeschlossene Restaurierung brachte den reichen Schmuck der Anlage wieder zur Geltung. Die ungegliederte Außenwand in der Augustusstraße wurde 1871 — 76 von W I L H E L M W A L T H E R mit dem F ü r s t e n z u g geschmückt. Ursprünglich in Sgraffitotechnik ausgeführt, wurde diese 1905/06 durch Fliesen aus Meißner Porzellan ersetzt. Der gesamte Schloßkomplex wurde 1945 bis auf ganz geringe Teile zerstört. Erhalten blieb unter anderem der Fürstenzug. Die totale Zerstörung der inneren Stadtgebiete sowie die Erfordernisse des Wohnens, der Produktion, der Stadttechnik und der Kultur einerseits sowie die Vielzahl der zerstörten kulturhistorischen Bauten andererseits zwangen dazu, sich beim Wiederaufbau auf die wichtigsten Baudenkmale zu beschränken. Die Verteilung der Baukapazitäten und der zur Verfügung stehenden Fonds mußte nach volkswirtschaftlichen Möglichkeiten und nach Stellung und Zerstörungsgrad der betreffenden Gebäude vorgenommen werden. Zwinger, Hofkirche und andere wiederaufbaufähige Kunstwerke verdienten Vorrang vor dem Schloßkomplex. Trotzdem wurde eine Vielzahl von Maßnahmen durchgeführt: — Im Hauptbau wurde der Schloßturm wiederhergestellt und durch eine Abdeckung so gesichert, daß zu einem späteren Zeitpunkt Dachhaube und Laterne rekonstruiert werden können; der Pretiosensaal wurde ausgebaut, das Löwentor an der Schloßstraße wiederhergestellt. — A m Taschenbergpalais wurden die Umfassungswände gesichert. — A m Georgentor war die Gestaltung insbesondere der Elbfassade nach einer Restauration um die Jahrhundertwende so sehr Bestandteil des Dresdner Stadtbildes geworden, daß das Gebäude nach dieser Konzeption in den Jahren 1963—66 erneut aufgebaut wurde. — Im Stallhof wurden die gröbsten Schäden bereits bis 1950 beseitigt. Weitere Wiederherstellungsarbeiten erfolgten seit 1959, insbesondere an der Hofseite mit den Arkaden. 1976 — 79 wurden auch Malereien im Sinne der historischen Bemalung angebracht. — A m Johanneum, das in den fünfziger Jahren wiederaufgebaut wurde, wurden 1966 die Hauptfassaden restauriert und farbig gestaltet.

A 4 Neumarkt Dieser Stadtraum ist so schwer getroffen worden, daß eine Wiederherstellung nicht mehr möglich ist. Insbesondere die berühmten Bürgerhäuser in den Nachbarstraßen, einst mit zu den schönsten Stadtbildern Dresdens gehörend, wie 76

die Rampische Straße, sind endgültig verloren. Der Neumarkt als architektonisch gestalteter städtischer Raum existiert nicht mehr, in der Innenstadt wohl der schwerste Verlust nach der sinnlosen Bombardierung. Über beräumte Flächen geht der Blick meist auf die Rückseiten der Gebäude von Brühlscher Terrasse, Ernst-Thälmann-Straße oder auf die Baumasse des ehemaligen, 1895 — 98 errichteten Königlichen Polizeigebäudes, das heute das V o l k s p o l i z e i k r e i s a m t beherbergt. Sein Erweiterungsbau in Richtung Frauenkirche schließt einen Teil der Baulücken. Von dem ehemaligen C o s e l s c h e n P a l a i s , 1762—64 von J U L I U S H E I N R I C H S C H W A R Z E für den Grafen F R I E D R I C H A U G U S T V O N C O S E L errichtet, sind die beiden Torbauten wieder hergestellt worden. Sie bildeten einst die Seitenflügel des 1945 völlig zerstörten Prachtbaus im Rokokostil. Den von den Seitenflügeln begrenzten Hof hatte GOTTFRIED KNÖFFLER durch kunstvolle Gitter und Sandsteinpfeiler mit Kinderplastiken abgeschlossen. Von der F r a u e n k i r c h e , wohl dem bedeutendsten Wahrzeichen der alten Dresdner Stadtsilhouette (Bild 23), ist nach ihrem Zusammenbruch am 15. 2. 1945 nur ein gewaltiger Trümmerhaufen von Sandsteinquadern übriggeblieben, aus dem zwei Reste der Umfassungsmauern emporragen: ein bedrückendes Mahnmal, das die Barbarei des Terrorangriffs auf die Kunststadt Dresden eindringlich sichtbar macht. Die einfache Kirche des Mittelalters wurde im 18. Jh. ersetzt durch den großartigen protestantischen Kirchenbau, den Ratszimmermeister GEORGE BÄHR 1726—38 als Zentralkirchenbau schuf, und den nach seinem Tod J. G. S C H M I D 1743 vollendete. 1728 wurde mit dem Bau der barocken Kuppel begonnen, 1738 vollendete G O T T F R I E D S I L B E R M A N N die Orgel, die als sein bestes Werk galt und verlorengegangen ist. In den K a t a k o m b e n unter der Kirche ist auch das Grab G E O R G E B Ä H R S verschüttet. Im Siebenjährigen Krieg hielt die Kuppel dem Bombardement durch den Preußenkönig F R I E D R I C H II. stand. Auch beim Luftangriff im Februar 1945 zerstörten nicht Sprengbomben den Kirchenbau, sondern das Feuer, das vom Coselpalais aus in die Kirche eindrang. Ausgeglüht brach sie am 15. 2. 1945 in sich zusammen. Das 95 m hohe Bauwerk, ein Kuppelbau mit 5 Emporen, bot 4000 Menschen Platz und besaß eine unvergleichlich gute Akustik. Vor der Frauenkirche wurde das L u t h e r d e n k m a l , das nach E R N S T R I E T S C H E L S Modell für das Wormser Lutherdenkmal 1885 gegossen worden war, am 13. 2. 1955 wieder aufgestellt. E t w a s vereinsamt, weil nicht mehr in die alte Gestalt des Platzes eingebunden, steht im SO das B r o n z e s t a n d b i l d F R I E D R I C H A U G U S T S I I . von E R N S T H Ä H N E L . Der König hält in der Hand die sächsische Verfassungsurkunde vom 4. 9. 1831; das Bürgertum hatte ihm die neue Verfassung abgerungen. Zum Gedenken an die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges stellte 1649 die Stadt auf dem Neumarkt am Jüdenhof einen Friedensbrunnen auf. Weil Kurfürst J O H A N N G E O R G III. 1683 als Sieger über die Türken aus Wien zurückkehrte, wurde die Friedensgöttin Irene in eine Siegesgöttin mit Fahne und Lorbeerkranz statt des Ölzweiges umgewandelt, das Denkmal vor das Johanneum versetzt und T ü r k e n b r u n n e n genannt.

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A 5

Brühische Terrasse Mit der Brühischen Terrasse (Abb. 20) hat Dresden einen Anziehungspunkt von einmaligem Reiz. Ihre Geschichte, ihre städtebauliche Ausgestaltung durch historische Gebäude auf der Stadtseite und der Blick auf Strom und Elbtal verbinden sich zu einem einzigartigen Erlebnisbereich (Bild 1). Die Brühische Terrasse ist über 400 Jahre alt. Ihre Anfänge fallen bereits in die Zeit der Erweiterung der Dresdner Festungswerke in der Mitte des 16. Jh. (s. Seite 32). U m 1553 entstand eine kleine Bastion, deren Spitze im Knick der Terrassenmauer gegenüber dem Ostende der Hochschule für Bildende Künste lag. Von ihr sind noch der runde Postenaustritt und vier große Schießscharten für Geschütze am Fuß erhalten. Von hier führt eine Böschungsmauer bis in die Nähe der Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke. In dieser Mauer beobachten wir einen niedrigen angesetzten Bogen. Dort verlief ein schiffbarer Durchlaß nach einem kleinen Hafen im Hof des Zeughauses, der später versandete und zugemauert wurde. 1589 wurde der Grundstein zur neuen Festung am Ziegeltor (Jungfernbastei, Belvedere) gelegt und damit der Festungsgürtel um rund 150 m nach O hinausgeschoben und verbreitert. Nach dem B a u seines 1737 begonnenen Palais hatte H E I N R I C H Graf V O N B R Ü H L auf der Festungsmauer einen Garten anlegen lassen; bis 1747 schenkte ihm der König nach und nach die gesamte heutige Terrasse, die nun Brühlscher Garten hieß. Nach B R Ü H L S Tod (1763)

Abb. 20. Brühische Terrasse (nach Stadtplan Dresden 1979) 1 Ständehaus

7 Moritzmonument 8 Bärenzwinger

2 Rietscheldenkmal 3 Sekundogenitur 4 Hochschule für Bildende Künste

9 Hofgärtnerhaus 10 Albertinum

5 Semperstandbild

11 Synagoge, Denkmal

6 Jungfernbastei (Belvederehügel)

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kam die Anlage wieder in den Besitz des Landesherrn; der Name Brühische Terrasse blieb bestehen. A m Georg-Treu-Platz führt unter dem vorspringenden Teil der Jungfernbastei ein Zugang zu dem einzigen noch erhaltenen Stadttor Dresdens, dem von der Terrasse überbauten Ziegeltor. Es stammt aus der Zeit um 1550 und wurde beim Bau der Jungfernbastei als Kasematte in die Festungsmauer einbezogen. Torhallen und Wachstuben sind noch unversehrt. Der einzige noch erhaltene Kasematteneinstieg heißt im Volksmund Bärenzwinger. E r wurde von Studenten der Technischen Universität zu einem Studentenklub ausgestaltet. Der frühere Gondelhafen am Ostende der Mauer begegnet uns jetzt als Grünanlage. Das Ostufer am Hasenberg, auf dem die von GOTTFRIED S E M P E R 1840 geschaffene Synagoge stand (Erinnerungsmal für die in der Kristallnacht am 9. 11. 1938 von den Nazis zerstörte Synagoge), ist in die Brückenauffahrt einbezogen worden. Unter dem Vorsprung an der Nordostecke der Jungfernbastei befindet sich das älteste Denkmal Dresdens, das Moritzmonument. Kurfürst A U G U S T ließ es für seinen am 9. 7. 1553 in der Schlacht bei Sievershausen gefallenen Bruder errichten. E s stand ursprünglich an der Bastion Mars und wurde 1895 an die Brühische Terrasse versetzt. Die Brühische Terrasse war lange Zeit nur von ihrer Rückseite zugänglich. Erst 1814 ließ der russische Generalgouverneur Fürst R E P N I N die große Freitreppe mit 4 1 niedrigen Stufen nach dem Entwurf von G O T T L O B F R I E D R I C H T H O R M E Y E R bauen. An ihrem Fuße lagen zwei stilisierte L ö w e n v o n Bildhauer C H R I S T I A N G O T T L I E B K Ü H N . Sie stehen heute am Südausgang der Querallee im Großen Garten. Aufgrund eines Wettbewerbs schuf der Bildhauer J O H A N N E S S C H I L L I N G (1828 — 1910) die vier Tageszeiten in Sandstein; sie wurden 1883 vergoldet und wegen Verwitterungsgefahr 1908 durch Bronzeabgüsse ersetzt. W o heute das 1876 von J. S C H I L L I N G geschaffene, in Lauchhammer gegossene Rietscheldenkmal (Abb. 20) steht, lag früher der Brühische Gartensaal. Darin eröffnete W I L H E L M G O T T H E L F L O H R M A N N 1828 die Technische Bildungsanstalt, die Keimzelle der heutigen Technischen Universität Dresden (s. C 3). Bis 1833 diente das Häuschen dem Bildhauer E R N S T R I E T S C H E L als Werkstatt. A n der Freitreppe beim Ziegeltor am Georg-Treu-Platz steht das Bronzestandbild d e s A r c h i t e k t e n GOTTFRIED SEMPER ( A b b . 20), 1 8 9 2 v o n J . SCHILLING g e s c h a f -

fen. Als letzter Rest des Brühischen Gartens befindet sich ein Brunnen, wahrscheinlich ein Werk G O T T F R I E D K N Ö F F L E R S , zwischen zwei kleinen Freitreppen, die zum Belvederehügel auf der Jungfernbastei, 1721 Bastion Venus genannt, führen. Hier stand ein nach den Plänen G I O V A N N I M A R I A N O S S E N I S errichtetes prächtiges Renaissancelusthaus. Auf der Jungfernbastei befand sich auch das geheime Laboratorium J O H A N N F R I E D R I C H B Ö T T G E R S , der hier unter scharfer Bewachung seine Versuche anstellte und 1708 das Porzellan, zunächst das rotbraune Böttger-Steinzeug, erfand. A m 22. 9. 1747 wurde das Lusthaus infolge einer Explosion des darunterliegenden Pulvermagazins zerstört. Mehrfach entstand das Belvederegebäude neu. Das letzte, als vierter Bau 1842 von OTTO V O N W O L F R A M S D O R F geschaffen, fiel 1945 den Luftangriffen zum Opfer. Die Reihe der Bauwerke an der Südseite der Brühischen Terrasse beginnt 79

A 5 nahe der Freitreppe mit dem Landtagsgebäude, das 1901—06 für die 1. und 2. Kammer des Sächsischen Landtages, daher auch S t ä n d e h a u s genannt, errichtet wurde. Der Baumeister war P A U L W A L L O T , der Erbauer des Reichstagsgebäudes in Berlin. Heute befinden sich in dem Haus Einrichtungen von Kultur und Wissenschaft: das Institut für Denkmalpflege, die Deutsche Fotothek, Arbeitsstellen der Akademie der Wissenschaften der D D R sowie das Museum für Mineralogie und Geologie und das Museum für Tierkunde. Die älteren Bilder von Dresden zeigen noch die Vorgänger des Landtagsgebäudes, das Brühische Palais und das Fürstenbergsche Palais am Schloßplatz, in dem 1764—91 die Kunstakademie und dann bis 1896 das Finanzministerium untergebracht waren. Das folgende Gebäude, die S e k u n d o g e n i t u r , liegt an der Stelle der ehemaligen Brülilschen Bücherei, deren 62000 Bände 1768 an die Landesbibliothek verkauft wurden. Seit 1791 beherbergte es die Kunstakademie. Hier wirkten die Maler

ANTON GRAFF,

SCHNORR

CASPAR D A V I D FRIEDRICH,

VON CAROLSFELD,

die Bildhauer

LUDWIG

RICHTER,

FRANZ PETTRICH, ERNST

JULIUS

RIETSCHEL,

und die Architekten und K O N S T A N T I N L I P S I U S . 1897 baute G U S T A V F R Ö L I C H das Gebäude so geschickt um, daß es sich in den Rahmen der alten Bauwerke einfügte und daher auch in gleicher Form nach 1945 wieder errichtet wurde. Bis 1931 enthielt es Bibliothek und Kupferstichsammlung des zweitgeborenen Prinzen (daher Sekundogenitur), dann diente es der Gemäldegalerie als Abteilung Neue Meister; heute beherbergt es gastronomische Einrichtungen. 1887—93 entstand das Gebäude der neuen K u n s t a k a d e m i e an der Stelle der früheren Brühischen Gemäldegalerie und des Cafés Reale. Von L I P S I U S entworfen und im Stile der Hochrenaissance gehalten, ist es überreich mit Plastiken und Ornamenten geschmückt. Die 1968 neu verglaste Kuppel mit der vergoldeten Plastik der Nike, der griechischen Siegesgöttin, stammt von R O B E R T H E N Z E . Die Bedeutung der Kunstakademie, heute Hochschule für Bildende Künste, schwankte im Lauf der Geschichte stark. Ende des 19. Jh. herrschte eine naturalistische Genremalerei vor, doch später machte eine j iingere Malergeneration mit C A R L B A N T Z E R , G O T T H A R D T K U E H L (Bild 3), E U G E N B R A C H T , später R O B E R T S T E R L , O T T O G U S S M A N N , O S K A R Z W I N T S C H E R Dresden wieder zu einer der führenden Kunststädte. Der mächtige Block des A l b e r t i n u m s ist das umgebaute alte Zeughaus, das 1559—63 C A S P A R V O I G T V O N W I E R A N D T und M E L C H I O R T R O S T als zunächst eingeschossigen Bau errichtet hatten. Bis 1747 wurden zwei weitere Stockwerke aufgesetzt. 1884—89 baute es K A R L A D O L F C A N Z L E R für Museumszwecke um. Das repräsentative Gebäude erhielt reichen plastischen Schmuck. Das Albertinum, nach dem damals regierenden König benannt, nahm die Skulpturensammlung auf. Bis zum Bau des Archivgebäudes in der Neustadt befand sich hier auch das Sächsische Staatsarchiv (s. D 4 ) . Im 1945 stark beschädigten Gebäude konnte nach deirl ersten Ausbau 1953 die III. Deutsche Kunstausstellung eröffnet werden. Seit 1959 sind Teile der Staatlichen Kunstsammlungen in diesem Gebäude untergebracht: die Gemäldegalerie Neue Meister, das Grüne Gewölbe und die Skulpturensammlung.

ERNST

HÄHNEL,

JOHANNES SCHILLING, R O B E R T H E N Z E

GOTTFRIED SEMPER, HERMANN NICOLAI

80

Gegenüber dem Albertinum zieht ein einfaches Haus durch seine wohlproportionierten Formen den Blick auf sich: das wiedererrichtete ehemalige H o f g ä r t n e r h a u s , das seit 1954 der evangelisch-reformierten Gemeinde dient, ö s t l i c h des Albertinums steht am Tzschirnerplatz (nach dem Mitglied der Provisorischen Regierung v o n 184g benannt) die Ruine des K u r l ä n d e r P a l a i s , nach einem Vorläufer 1728/29 v o n C H R I S T O P H K N Ö F F E L errichtet. U n t e r seinen hochadligen Besitzern war ein sächsischer Prinz, der den Titel eines Herzogs von K u r l a n d führte. Wichtiger ist, daß das Gebäude kulturgeschichtlich B e d e u t u n g hat. V o n 1815 bis 1863 beherbergte es die Dresdner Chirurgisch-Medizinische Akademie, an der bis 1827 der A r z t , Naturforscher und Maler C A R L G U S T A V C A R U S wirkte. Dessen Namen t r ä g t die 1954 gegründete Medizinische A k a d e m i e (s. C 5). Verbunden war mit ihr der 1820 durch L U D W I G R E I C H E N B A C H gegründete Botanische Garten, der hinter dem Palais auf dem ehemaligen Wallgelände lag. I m Kurländer Palais hatte 1924 — 45 der Landesverein Sächsischer Heimatschutz seinen Sitz.

A

Elbe

A

Zu den großen Eindrücken, die der Besucher in Dresden empfängt, gehört der Blick von der Brühischen Terrasse auf die Elbe. Hier konzentriert sich alles, was der Strom zur Schönheit der S t a d t beitragen kann. Schon in der Überschau (s. Seite 2) w a r darauf hingewiesen worden, welche harmonischen Proportionen Strom und Architektur zu einer Einheit verbinden. Dazu gehört die Breite der Elbe, die beim technischen A u s b a u a b 1861 auf durchschnittlich 113 m festgelegt worden war. Der Neustädter Ufersaum f ü g t sich mit reichlich 100 m Breite in dieses M a ß w e r k ein, belebt es aber k r ä f t i g durch den Gegensatz zwischen den steinernen K u n s t b a u t e n der A l t städter Seite und dem flachen Neustädter Ufer mit seinem S a u m v o n E l b geröllen und dem grünen Wiesenstreifen. Der Blick von der Brühischen Terrasse l ä ß t auch die Schwingungen des Flusses erkennen, die sich freilich an anderen Stellen noch besser darbieten, so a m Schlachthof — Pieschener Winkel, bei Briesnitz und a m Waldschlößchen. I n die breite Elbtalwanne h a t sich der F l u ß bis auf 100 m ü. N N eingetieft, und die unterste eiszeitliche Schotterlage auf den Gesteinen der Kreidezeit gehört der Saalekaltzeit an, der gleichen Zeit, deren Endphase auch die breite Hellerterrasse (s. Seite 5) zugehört. In die saalekaltzeitlichen Sedimente h a t sich dann die E l b e erneut eingeschnitten und in einem etwas engeren B e t t die weichselkaltzeitlichen Schotter aufgeschüttet, die heute weithin den T a l b o d e n als Niederterrasse bilden. N a c h der kaltzeitlichen Aufschüttungsphase h a t sich die E l b e wieder eingeschnitten, meist in mehreren Armen. Diese alten E l b l ä u f e gliedern die breiten Niederterrassenflächen auf. V o n diesen alten E l b w e g e n hat sich einer als die heutige Strombahn durchgesetzt, die sich auch noch etwas weiter eingetieft hat. Die heutige Überschwemmungsaue l ä ß t in ihren einfachen Formen freilich nicht den verwickelten Werdegang dieses Talabschnittes erkennen. D e r Nullpunkt des Dresdner Pegels liegt nach einer Neufestlegung am 1 . 1 . 1935 bei 103 m ü. N N . Der erste Brückenpfeiler der Georgi-Dimitroff-Brücke auf 81

A 6 Altstädter Seite zeigt den ablesbaren Lattenpegel, das kleine Basteischlößchen auf altem Festungsmauerwerk unter dem Italienischen Dörfchen birgt das registrierende Schreibwerk des Wasserstraßenamtes. Mit dieser Tieferlegung des Pegelnulls konnten bei den Wasserstandsangaben Plus- und Minuswerte vermieden werden. Außerdem hatte sich die Elbe seit der technischen Korrektion in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts infolge der dadurch bewirkten Beschleunigung des Abflusses um rund 90 cm tiefer eingeschnitten, so daß der Wasserstand bei Pegelnull bereits recht hoch war. Durch diese Tieferlegung sind Maximalhochwasser wie die von 1845 oder auch 1890 heute selbst dann nicht zu erwarten, wenn zusätzlich keine Regulierungsbauwerke, beispielsweise Staustufen, errichtet worden wären. Bei einem Pegelstand von 4,70 m muß die Schiffahrt wegen der Brückendurchlässe eingestellt werden, bei 5,30 m wird das Terrassenufer überflutet. Eine Übersicht über die schiffahrtsbeeinflussenden Zustände des Elbstromes bietet die folgende Tabelle. Tabelle: Schiffahrtssperren im 25jährigen Mittel 1 9 4 7 — 1 9 6 1 a) durch

Jan.

0 - - 1 4 Tage,

Febr. 0 — 1 1 Tage = Winterhochwasser

Hochwasser

März

0 — 18 Tage,

April

0 — 2 Tage = Frühjahrshochwasser

Juni

o — 4 Tage,

Juli

0 — 13 Tage = Sommerhochwasser

b) durch

Dez.

0,3

Eisgang und

Jan.

3,6—4,3 Tage

Eisstand

Febr. 6,3 —6,9 T a g e März

Tage

Mittel pro Jahr 13,1 — 1 4 T a g e

2,3 — 2,9 Tage

Der Querschnitt eines Stromes in einer Krümmung ist asymmetrisch. Hier in Dresden befinden sich daher steiles Ufer, tiefes Wasser und die Möglichkeit, mit Wasserfahrzeugen dicht an Land heranzufahren, zu löschen und zu laden auf der Altstädter Seite, die alle Verkehrs- und Handelseinrichtungen an sich gezogen hat, während die Neustädter Seite mehr die Ruhe- oder Erholungszone darstellt. Das Altstädter Ufer war in der Festungszeit absolut verkehrsfeindlich, die Festungsmauer wurde vom Strom bespült. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jh. in Verbindung mit dem Bau der Hofkirche und der Zerstörung Dresdens durch die Preußen 1759/60 bzw. mit den dabei anfallenden Schuttmassen erfolgte eine erste Aufschüttung von den Rändern her. Aber die Lande- und Ausschiffungsplätze lagen seitlich der Altstadt und waren außerdem klein und auf mehrere Stellen verstreut. Erst mit der Konzentration des Wirtschaftslebens am Ende des 19. Jh. entstanden größere zentralisierte Anlagen, zunächst das Packhofviertel, dessen mächtiger von H. E R L W E I N 1912/13 entworfener Silo sich über die von Stadtbaurat P. W O L F 1926 geschaffenen ufernahen Häuser der Zoll- und Finanzverwaltung erhebt, und dann das Gelände des Elbhafens (s. C 1). Die alten Ausschiffungsplätze in Alt- wie in Neustadt, die sich meist durch Bepflasterung des Uferstreifens verraten, sind überflüssig geworden. Vor der Pirnaischen Vorstadt und an der Brücke der Einheit, wo noch alte Brückenbögen Lagergut aufnehmen konnten, sind Teile dieser Bepflasterung bereits in Rasenstreifen verwandelt worden. Viel stärker als auf der Altstädter Seite und auch viel früher hat sich das Bestreben gezeigt, das Neustädter Elbufer zum Erholungs- und Freizeitzentrum 82

auszugestalten. Auch wenn die hier einst tätigen Wäscherinnen nicht mehr die A 6 Wäsche zum Bleichen auf die Grasflächen breiten, der Ufersaum nicht mehr von Frei- und Schwimmbädern in großer Zahl belebt ist, das Baden verbietet angesichts der Verunreinigungen des Elbwassers heute die Hygieneinspektion, bleibt der Eindruck eines naturnahen Flußufers vollauf erhalten. Park- und Gartenanlagen, die durch einige schöne Plastiken besonderen Reiz erhalten, wie den Bogenschützen unterhalb der Brücke der Einheit und die Plastiken im Rosengarten oberhalb dieser Brücke, sind wahre Anziehungspunkte geworden. Sie sind jedoch nur Teilstücke einer Elbuferpromenade, die vom Japanischen Palais mit einer kleinen Unterbrechung an der Loschwitzer Brücke bis über Pillnitz hinaus Spaziergänge in beliebigem Umfang gestattet. Wie die Stadt Dresden, so haben auch die Technik und das Verkehrswesen am Fluß eine lange Entwicklung hinter sich, eine Entwicklung freilich, die zunächst den biologischen Wert der Elbe, ihren Fischreichtum, nicht eingeschränkt hat. Die historischen Lachsfänge unterhalb der Stadt — die letzten Lachse wurden 1916 gefangen — und die auf alten Bildern nicht nur als Staffage abgebildeten Fischer bezeugen das. Erst die industriellen Abwässer haben diesen Reichtum zerstört. Ehe die ersten Dampfer — seit 1837 — auf der Elbe fuhren, bestand ein starker Bootsverkehr für den Warentransport, glitten bis etwa Ende des ersten Weltkriegs viele Flöße die Elbe abwärts, gab es aber auch zahlreiche Luxusfahrzeuge, Gondeln aller Art für die Fremden oder die begüterten Kreise der Stadt. Daß sich der fürstliche Hof dem Genuß einer Elbfahrt hingab, bezeugt die in Pillnitz museal aufbewahrte Schmuckgondel. Eine technische Besonderheit, die ebenfalls nach dem ersten Weltkrieg einging, muß noch erwähnt werden: die Kettenschiffahrt der Elbeschiffahrtsgesellschaft Kette, die ihren Stützpunkt in Ubigau (s. F 3) hatte und zeitweise einen Frachtverkehr rasselnd und klappernd zwischen Hamburg, später nur Magdeburg, und Böhmen betrieb. Leider fehlt ein auch die wirtschaftliche und technische E n t wicklung berücksichtigendes Werk über die Elbe im engeren sächsischen Raum. Die älteste Dresdner Elbbrücke (Bilder 4, 5), die heutige G e o r g i - D i m i t r o f f - B r ü c k e , war im Mittelalter als Steinbrücke von mehr als 300 m Länge und mit 25 Pfeilern weltberühmt; nach dem Umbau nach Entwürfen von P Ö P P E L M A N N (1727 — 30) galt sie als die schönste Brücke Europas. Im Zeitalter der Technik erwies sie sich jedoch mit ihren engen Bögen als Schiffahrtshindernis. Sie wurde schließlich 1907 abgebrochen und unter Wahrung der künstlerischen Traditionen 1907—10 neu erbaut. Die edle Formgebung ist vormittags von der Brühischen Terrasse aus bei schrägem Sonnenlicht besonders wirksam. A m Altstädter Landpfeiler befindet sich außer alten, von der früheren Brücke übertragenen Hochwassermarken die primitive Skulptur des Brückenmännchens, eine Nachbildung einer 1813 verlorengegangenen alten Plastik, die wohl den Erbauer darstellen sollte. Dem Namenspatron seit 1946, dem Mitbegründer der Kommunistischen Partei Bulgariens, G E O R G I D I M I T R O F F , ist an der Brüstung des höchsten Pfeilers ein Bronzebildnis von E. H O F F M A N N gewidmet. Im Zuge der neuen städtebaulichen Konzeption ist die Brücke in die F u ß gängerzone einbezogen worden (s. Seite 41). An ihrem Neustädter Ende führen Fußgängertunnel unter der Verkehrstrasse der Koepckestraße hindurch.

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A 7

Neu erbaute Altstadt Während der historische Bereich längs der Elbe bereits zu einem großen Teil in historischer Treue wieder restauriert worden ist, hat der Grad der Zerstörung in den anderen Teilen der Altstadt eine völlig neue Gestaltung ermöglicht. Nur wenige ältere Bauwerke von künstlerischem Rang sind hier erhalten geblieben bzw. rekonstruiert worden: Landhaus, Gewandhaus, Kreuzkirche und Neues Rathaus. A m deutlichsten wird die neue Konzeption in der zur Magistrale erweiterten Ernst-Thälmann-Straße (Bild 17) und in der Vergrößerung des Altmarkts sichtbar (Abb. 21, Bilder 8, 9). Bei der Bebauung am Altmarkt wurde versucht, in der Gestaltung der Fassaden und in der Verwendung der Dachmansarde das alte Lokalkolorit zu wahren, während die Nordseite des Altmarkts nicht im baulichen Detail, sondern unabhängig davon nur in den Proportionen der Baukörper die Einheit der Gestaltung sucht. Das bedeutendste neue Bauwerk der Innenstadt ist zweifellos der K u l t u r p a l a s t , der den nördlichen Abschluß des Altmarkts bildet und zugleich den Mittelpunkt der Ernst-Thälmann-Straße. Durch die Glasfassade entsteht eine wechselseitige Beziehung von Gebäudeinnerem (insbesondere bei Beleuchtung) und Platzraum. Neben dem flexibel nutzbaren großen Saal mit maximal 2740 Plätzen, dessen Grundrißform sich in dem über dem Hauptgesims erhebenden Kupferdach zu erkennen gibt, enthält das Gebäude unter anderem ein Studiotheater, gastronomische Einrichtungen, Klub- und Gesellschaftsräume, Orche-

A b b . 21. Altmarkt — vor der Zerstörung 1945 und heute (Ausschnitt, nach VOLK

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1976)

sterprobesaal und Ausstellungsräume. Die Türen des Haupteingangs sind als Bronzeflügel mit Motiven aus der Entwicklung Dresdens ausgeführt. Der Kulturpalast wurde am 20. Jahrestag der D D R der Bevölkerung übergeben. Die Ernst-Thälmann-Straße wird durch repräsentative Läden — an der Nordseite zum Teil mit vorgesetzten Arkaden — und Wohnungen in den oberen Geschossen der Häuser gekennzeichnet. A n Besonderheiten sind zu nennen: die Gaststätte A m Zwinger mit vielseitigen gastronomischen Einrichtungen und insgesamt 1416 Plätzen, der Abschluß am Pirnaischen Platz durch einen achtgeschossigen Verwaltungsbau auf der Südseite, das 1963 — 66 wiederaufgebaute ehemalige L a n d h a u s , ehemals Tagungsort der sächsischen Landstände. E s ist ein Werk von F R I E D R I C H A U G U S T K R U B S A C I U S , das er in spätbarockem Stil an der Stelle eines 1760 zerstörten Palais erbaute. Die Schauseite mit hohem Portal und 6 toskanischen Säulen zeigt zur engen Landhausstraße. Durch den Straßendurchbruch der Johannstraße 1875, der jetzigen Ernst-Thälmann-Straße, trat die Rückseite stärker hervor. Das wiederhergestellte Gebäude, das vom Museum für Geschichte der Stadt Dresden genutzt wird, zeichnet sich durch eine der schönsten Treppenhausanlagen Dresdens aus (Bild 24). Völlig neu gestaltet wurde der Südwestteil der A l t s t a d t . Zwischen Altmarkt und Wallstraße entstand eine Fußgängerzone mit Läden, überwiegend für Lebensmittel, so die Tradition der früheren Webergasse mit modernen Gestaltungsmitteln wieder aufnehmend. Kinderkaufhaus und Gaststätte Wallterrasse bilden einen besonderen Baukörper. Der Gebäudekomplex auf der Ostseite des Altmarkts hat ebenfalls eine völlige Umgestaltung erfahren. A n Stelle der früheren engen Gassen befinden sich zwei attraktive erweiterte Seitenstraßen (Weiße Gasse und Gewandhausstraße), von denen die eine als besonders wertvollen Schmuck den G ä n s e d i e b b r u n n e n ( A b b . 30), 1 8 7 6 — 80 v o n ROBERT DIEZ g e s c h a f f e n , z e i g t , w ä h r e n d d i e a n d e r e

vom 1963 — 66 als Hotel wiederaufgebauten G e w a n d h a u s flankiert wird. Der jetzt nach W geöffnete Innenhof wurde unter Verwendung geborgener Skulpturen ausgestaltet, die Westfassade durch den restaurierten D i n g l i n g e r b r u n n e n (nach 1718) bereichert. Das Gewandhaus, 1768 — 70 (s. Seite 33) erbaut, diente zunächst den Fleischhauern und Gewandschneidern als Verkaufsstätte. Bei den revolutionären Auseinandersetzungen 1849 (s. Seite 45) war es hart umkämpft. Das R a t h a u s

wurde

1905 — 1 0 v o n K A R L ROTH u n d S t a d t b a u r a t

EDMUND

auf der Bastion Jupiter erbaut. E s bedeckt eine Fläche von 9255 m 2 und schließt 5 Höfe ein. Der 100 m hohe Rathausturm nahe der Ostfront, heute der höchste Turm der Dresdner Innenstadt, bietet in 65 m Höhe von einem Umgang eine umfassende Aussicht. Das Zifferblatt der Uhr hat einen Durchmesser von 4,25 m . Die kupfergedeckte Dachhaube ist gekrönt mit dem von R I C H A R D G U H R entworfenen 5,35 m hohen Standbild des Dresdner Schutzpatrons. E r stellt einen bärtigen Mann mit einer Mauerkrone auf dem Haupt dar. Seine Rechte streckt er über die Stadt zu seinen Füßen aus, in der Linken hält er ein Füllhorn. Seit 1950 wurde der 1945 schwer getroffene Rathauskomplex schrittweise wiederaufgebaut. Dabei wurde vor allem die Front zum Rathausplatz verändert. 1962—65 wurde der Flügel mit dem Abgeordnetensaal und einem Festsaal auf- und ausgebaut. Der Ratskeller mit 500 Plätzen ist von der BRÄTER

7

Dresden

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Südostecke aus zugänglich. Sein Eingang wird von dem Rathausesel, einer populären Skulptur „Bacchus auf dem trunkenen Esel", betont. Auf dem Rathausvorplatz steht das für Dresdens Wiederaufbau kennzeichnende Denkmal der Trümmerfrau. Die K r e u z k i r c h e als alte Stadtkirche ist mit der Geschichte Dresdens eng verbunden. Sein Kreuzchor hat den Ruf Dresdens in alle Welt hinausgetragen. Die Kirche ist aus einer älteren Nikolaikapelle hervorgegangen. Sie erhielt ihren Namen, weil in einer der Kapellen des Bauwerks ein Splitter vom Kreuze Christi als Reliquie verehrt wurde. 1491 ging der gotische Kirchenbau beim Stadtbrand verloren. Der Neubau von C O N R A D P F L Ü G E R wurde von H A N S R E I N H A R T fortgeführt und 149g geweiht. 1579 erhielt der Turm die schmale rechteckige Form, die die Bilder C A N A L E T T O S zeigen. 1760 fiel diese Kirche der preußischen Kanonade zum Opfer. Der Wiederaufbau durch J. G. S C H M I D und C. F. E X N E R erfolgte 1764 — 92, die Gestaltung des 9 1 m hohen Turmes durch G. A. H Ö L Z E R . Die neubarocken Formen mit Anklängen an den Jugendstil erhielt der Kirchenraum nach dem Brand von 1897. Nach der Instandsetzung der 1945 abermals ausgebrannten Kirche konnte 1955 der Kreuzchor zum ersten Mal wieder seine allwöchentliche Vesper an der altgewohnten Stätte abhalten. Ein neues Element der Innenstadt ist der große Verkehrstrakt der modernen Nord-Süd-Verbindung, der L e n i n g r a d e r S t r a ß e (Bild 15). Sie führt vom Hauptbahnhof im Zuge der früheren Christianstraße zum Georgplatz, wodurch die Prager Straße vom Verkehr frei gehalten wird, und in großer Breite über den Pirnaischen Platz (anstelle der früheren Ringstraße, Johannesstraße und Amalienstraße) zur neu erbauten Dr.-Rudolf-FriedrichsBrücke. Wie sich die Proportionen verschoben haben, zeigen eindrucksvoll die beiden Plastiken (Abb. 22), die zwar noch am selben Platz — dem einstigen Rand der Auffahrt zur Carolabrücke — stehen, aber heute in der Weite des Verkehrsraumes recht verloren wirken. Durch die Verbreiterung der Straßen an der Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke konnte die Ostseite des Gondelhafens nicht wieder bebaut werden. Die Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke ist die einzige Dresdner Brücke, die nach 1945 völlig neu gestaltet wurde. Ihr Aufbau begann anstelle der früheren Carolabrücke im Jahre 1967. Die moderne, den heutigen Verkehrsanforderungen angepaßte Konstruktion weist zwei getrennte Brücken auf, wie man vor allem von unten, von den Elbufern aus, gut zu sehen vermag, die den Straßenbahnund den Autoverkehr getrennt über den Strom leiten. Der Pirnaische Platz ist heute der verkehrsstärkste Platz der Altstadt und hat durch das achtstöckige Eckhaus an der Ernst-Thälmann-Straße und den diagonal gegenüberliegenden vierzehngeschossigen Baukörper mit dem vorgelagerten Flachbau eine architektonisch ansprechende Gestalt gefunden. Seit 1973 verbindet ein Fußgängertunnel die entfernt liegenden Fußgängerbahnen und führt unter der ehemaligen Stadtmauer hindurch.

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Innere Vorstädte der Altstadt

B

Unmittelbar vor dem Mauerring Dresdens entstanden schon frühzeitig Vorortgassen mit kleinen, leichtgebauten Häusern, die in Kriegszeiten meist der Zerstörung anheimfielen. Diese Vorstadtgassen bildeten 2 dem Kurfürsten unterstehende Amtsgemeinden und 10 Ratsgemeinden. Wir haben zu unterscheiden : 1. Fischergemeinde (Elbberg und Elbufer oberhalb der Festungsmauer) ; 2. Rampische Gemeinde (Ziegel-, Pillnitzer Straße, Neue Gasse); 3. Pirnaische Gemeinde (Grunaer, Pirnaische, Zinzendorfstraße); 4. Borngassengemeinde (um die Borngasse nahe dem Georgplatz); 5. Halbeulengassengemeinde (nach der einseitig bebauten Halben Gasse und der Eulengasse = Bankstraße, Westseite der Bürgerwiese); 6. Oberseer Gemeinde (südlich des um 1500 trockengelegten Alten oder Oberen Sees, also beiderseits der späteren nördlichen Prager Straße); 7. Poppitzer Gemeinde (Kleine Plauensche Gasse bis Rosenstraße); 8. Entenpfütze (am Freiberger Platz); 9. A m See (Westufer des 1746 aufgefüllten Unteren Sees); 10. Fischersdorf er Gemeinde (nördlich der Annenkirche, um den Fischhofplatz bis zur Hundsgasse = Palmstraße = Oswald-Rentzsch-Straße); 11. Gerbergemeinde (Gerbergasse = Elsa-Fenske-Straße, Palmstraße); 12. Viehweidegemeinde (um die Laurin- und Ritzenbergstraße). Erst im Laufe des 18. Jh. faßte man diese nun schon volkreichen Gemeinden zu 3 Vorstädten zusammen, die — amtlich seit 1835 — als Pirnaische Vorstadt (1. —4.), Seevorstadt oder Seetorvorstadt (5. und 6.) und Wilsdruffer Vorstadt (7. —12.) bezeichnet wurden. Die äußeren Teile dieser Vorstadtfluren, die erst in der zweiten Hälfte des 19. Jh. stärker bebaut wurden, erhielten später ihre eigenen Namen Johannstadt (s. C 5) und Südvorstadt (s. C 3). Die drei Vorstädte unterschieden sich von Anfang an in ihrem Charakter, wobei die geographische Ausstattung eine große Rolle spielte. Die Wilsdruffer Vorstadt (s. B 3) im W war durch die Weißeritz und die von ihr abzweigenden Mühlgräben reich mit Nutzwasser und Wasserenergie ausgestattet und zog dadurch die Gewerbe an sich. Die Straßenführung wurde weitgehend durch das Netz von Mühlgräben und älteren Weißeritzläufen bestimmt. Die Pirnaische Vorstadt (s. B 1), die sich, mit den Holzplätzen und den Ziegelgruben der Stadt beginnend, längs der Elbe erstreckte, galt als die reichste der Vorstädte. Demgegenüber lag die Seevorstadt (s. B 2) abseits und war bevorzugter Wohnsitz des Adels oder reichen Bürgertums, die hier größere Gartenanlagen und Landhäuser angelegt hatten. Erst der Bau der Böhmischen Eisenbahn rückte diesen Stadtteil in den Vordergrund. Für alle diese Stadtteile gewann der 1874 aufgestellte Bebauungsplan entscheidende Bedeutung.

Pirnaische Vorstadt

B 1

Zwischen Ring und Großem Garten, Bürgerwiese und Elbe gelegen, wurde die Pirnaische Vorstadt von einem alten Elbarm durchzogen. E r kam von Striesen her, verlief über Holbein- und Dürerstraße und wurde bis 1875 vom Landgraben 7*

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B 1 durchflössen. Seine A u l e h m a b l a g e r u n g e n w a r e n schon in alten Zeiten die G r u n d l a g e der Z i e g e l e i , die nördlich der Ziegelstraße m i t der R a t s - und A m t s ziegelscheune ihren S c h w e r p u n k t h a t t e u n d in mehreren B e t r i e b e n bis ins ig. Jh. hinein f o r t g e f ü h r t wurde. D u r c h diesen B e r e i c h f ü h r t e n die R a m p i s c h e , die spätere Pillnitzer, und die P i r n a e r Straße, die i m Mittelalter n u r m i t einzelnen H ä u s e r n b e s e t z t w a r e n . N a c h der E r w e i t e r u n g der F e s t u n g s w e r k e i m 16. Jh. siedelten sich zahlreiche A c k e r b ü r g e r und G ä r t n e r an, a m E l b b e r g a u c h Fischer, hier b e f a n d sich der B ö h m i s c h e H o l z h o f als S t a p e l p l a t z des Floßholzes. F ü r die B e d e u t u n g der Pirnaischen V o r s t a d t spricht die T a t s a c h e , d a ß es bereits 1703 eine A p o t h e k e g a b , V o r l ä u f e r i n der späteren M o h r e n a p o t h e k e a m Pirnaischen P l a t z . A l s die P e s t 1680 in D r e s d e n mehrere tausend Menschen d a h i n g e r a f f t h a t t e , legte die K r e u z k i r c h e einen Pestfriedhof a m E n d e der Ziegelstraße an, den E l i a s f r i e d h o f . E r verlor seinen C h a r a k t e r als A r m e n f r i e d h o f , als er 1721 — 25 erweitert und m i t G r ü f t e n a u s g e s t a t t e t w u r d e . A n b e k a n n t e n D r e s d n e r n f a n d e n hier die letzte R u h e s t ä t t e : WILHELM GOTTHELF LOHRMANN, G r ü n d e r der T e c h n i s c h e n B i l d u n g s a n s t a l t (s. A 5 ) , 1 7 9 6 — 1 8 4 0 ; JUSTINE RENNER, geborene SEGEDIN, die G u s t l v o n B l a s e w i t z (s. K 3), 1763 — 1 8 5 5 ; der H o f b a u m e i s t e r GOTTLOB FRIEDRICH THORMEYER,

1757 — 1842;

JUSTUS FRIEDRICH GÜNTZ,

der

B e g r ü n d e r der G ü n t z s t i f t u n g , 1801 — 75. D i e Pirnaische V o r s t a d t w u r d e im Siebenjährigen K r i e g f a s t v o l l s t ä n d i g v e r nichtet. A l l e i n a m 10. N o v e m b e r 1758 b r a n n t e die preußische B e s a t z u n g D r e s d e n s in der V o r s t a d t 256 H ä u s e r nieder. I m A u g u s t 1813 t o b t e a n den französischen S c h a n z e n und im G r o ß e n G a r t e n die S c h l a c h t bei D r e s d e n . N a c h d e m K r i e g e n t s t a n d e n bei der Niederlegung der F e s t u n g s w e r k e , insbesondere n a c h der A b t r a g u n g des Pirnaischen T o r e s 1820/21, auf d e m V o r g e l ä n d e mehrere Häuserreihen m i t G ä r t e n u n d größere Gärtnereien. E t w a u m 1870 änderte sich der C h a r a k t e r der V o r s t a d t in d e m M a ß e , wie sie z u m G e s c h ä f t s - u n d W o h n v i e r t e l w u r d e . Z u Pillnitzer u n d Ziegelstraße t r a t e n i m Z u g e der E n t w i c k l u n g Dresdens zur G r o ß s t a d t neue S t r a ß e n d u r c h b r ü c h e , i m N die Marschallstraße, die n a c h 1945 n i c h t wieder erstanden ist, und die G r u n a e r S t r a ß e (1880), die zur H a u p t a u s f a l l s t r a ß e n a c h O g e w o r d e n ist. D i e heutige B r ü c k e d e r E i n h e i t e n t s t a n d 1875 — 77. I ™ südlichen T e i l der V o r s t a d t blieben die F l ä c h e n v o r d e m G r o ß e n G a r t e n o f f e n u n d b e g r ü n t . H i e r h a t t e der alte Johannisfriedhof bis z u seiner V e r l e g u n g n a c h T o l k e w i t z die B e b a u u n g verhindert. D i e südwestliche E c k e zeigt h e u t e nichts m e h r v o n der V e r e i n i g u n g v o n Schulen (Turnlehrerbildungsanstalt, K r e u z s c h u l e , A l t s t ä d t e r H ö h e r e Mädchenschule, V o l k s s c h u l e a m Georgplatz) d e m Christlichen H o s p i z u n d d e m Vereinshaus m i t einem der w i c h t i g s t e n K o n z e r t s ä l e der S t a d t . D a die P i r n a i s c h e V o r s t a d t 1945 f a s t restlos zerstört wurde, sind die vielfältigen F u n k t i o n e n , die dieser S t a d t t e i l a u s ü b t e , nur an w e n i g e n Z e u g e n erkennbar. N e b e n den Schulen w a r e n K u l t u r s t ä t t e n , wie das R e s i d e n z t h e a t e r (Zirkusstraße), d a s K ü n s t l e r h a u s (Albrechtstraße) und der P a l m e n g a r t e n (Pirnaische Straße), oder d a s Gerichtswesen s t a r k vertreten. I m Südteil der V o r s t a d t s t e h t das H y g i e n e m u s e u m . E s g e h t auf Ideen des Großindustriellen KARL AUGUST LINGNER (s. J 1) z u r ü c k . W ä h r e n d der Intern a t i o n a l e n H y g i e n e - A u s s t e l l u n g 1 9 1 1 w a r der H y g i e n e die Ausstellungshalle 88

A b b . 22. Plastiken, l A u f d e m H a u p t t o r z u m Großen G a r t e n im O s t e n ; aus der Schule v o n L . MATTIELLI; 2 Teil der B r u n n e n p l a s t i k Stürmische W o g e n v o n R . DIEZ in der Bürgerwiese, a m S t a n d o r t des zerstörten M o z a r t b r u n n e n s ; 3 Brückenreiter an der D r . - R u d o l f - F r i e d r i c h s - B r ü c k e v o n F . OFFERMANN 89

B l „Der Mensch" gewidmet. Krieg und Inflation verzögerten den vorgesehenen planmäßigen Ausbau. Das Museum wirkte aber schon vor Errichtung der Hauptgebäude im In- und Ausland durch Wanderausstellungen und neuartige Lehrmittel. 1927 — 30 schuf dann W I L H E L M K R E I S den monumentalen Museumsbau (Bild 34). Bei der Zerstörung Dresdens 1945 wurden große Teile des Hauses mit Schausammlungen und Werkstätten vernichtet. Die internationale Bedeutung dieses Museums führte bald nach dem Krieg zur Wiederaufnahme und Erweiterung der Lehrmittelproduktion und der Anschauungsgruppen, von denen der Gläserne Mensch das bekannteste Werk ist. Zu dem Museum gehört ein Pflanzengarten mit Arznei-, Gift- und Gewürzpflanzen, der auf dem Gelände des früheren Zinzendorfgartens mit seinen Barockvasen steht. Bis 1918 war dieses Gelände mit einer bescheidenen Villa im Blüherpark der Wohnsitz des zweitgeborenen Sohnes des Königshauses (s. A 5). Auf den 1896 von der Stadt erworbenen Wiesen entstanden in den zwanziger Jahren Sportstätten, 1923 die Ilgen-Kampfbahn, das heutige Dynamo-Stadion, 1926 das Georg-Arnhold-Bad, die auch heute noch wichtige Teile der Grünanlagen sind, die vom Großen Garten über die Bürgerwiese bis an den Stadtkern heranreichen. Die B ü r g e r w i e s e , die in der feuchten Niederung des ehemaligen Seidnitzer Elbarmes liegt und vom Kaitzbach durchflössen wurde, war schon in frühen Zeiten Grünland und vorwiegend als Viehweide genutzt. Nach Schleifung der Festungsanlagen entstanden an ihrer Westseite vornehme Wohnhäuser des Großbürgertums. 1843—50 wurden durch den Hofgärtner K . A. T E R S C H E C K künstlerische Anlagen geschaffen, die auch einen reichen Skulpturenschmuck (Abb. 22) erhielten, von denen einiges bis heute erhalten gebheben ist. 1857 erweiterte die Stadt die Parkanlagen nach einem Plan des Gartendirektors P E T E R J O S E P H L E N N E weiter nach O hin. Ihm zu Ehren wurde 1874 der ehemalige Environweg Lenn6straße genannt, heute Dr.-Richard-Sorge-Straße. 1927 wurden Teile des ehemaligen Gartens der Sekundogenitur als Blüherpark angegliedert. Mit Bürgerwiese (10 ha), Blüherpark (5,9 ha), den Sportanlagen auf den ehemaligen Güntzwiesen (7,4 ha) besteht zwischen Großem Garten (170 ha) und Stadtkern eine ausgedehnte zusammenhängende Grünfläche. Beim N e u a u f b a u wurde der Teil nördlich der Grunaer Straße als Wohngebiet entwickelt. Dieses wird heute im allgemeinen unter der Bezeichnung Pirnaische Vorstadt verstanden. Das Gebiet südlich der Grunaer Straße weist andere Gestaltungsprinzipien auf, die sich zu einem großen Teil mit der Erweiterung der früheren Funktionen für Sport und Kultur verbinden. Nördlich der Grunaer Straße blieb nur wenig von der alten Bausubstanz erhalten: so die vom heutigen V E B Sächsisches Serumwerk Dresden genutzten Gebäude, in denen früher die Tierärztliche Hochschule untergebracht war (Herbert-Bochow-Straße), die Musikhochschule an der Blochmannstraße und das alte Amtsgerichtsgebäude, heute Kreis- und Bezirksgericht an der Lothringer Straße, das trotz schwerer Brandschäden wieder aufbauwürdig war und heute seine wirksame Architektur durch die Freistellung weithin zur Geltung bringt, erbaut 1890 — 92 durch A R W E D R O S S B A C H im Stile der Florentiner Renaissance. Alles andere konnte neu gestaltet werden, doch zwangen die im Untergrund liegenden technischen Leitungssysteme vielfach dazu, die alte Straßenführung weitgehend beizubehalten. 90

Die Pirnaische Vorstadt wurde mit über 2 000 Wohnungen in einzelnen Etappen, B beginnend 1951 an der Grunaer Straße, aufgebaut, so daß unterschiedliche für die Aufbauphase typische Bauweisen das Stadtbild bestimmen. Auffällig sind die breiten Grünflächen längs der Straße bei nur 4 bis 5 Geschossen der vorwiegend sehr einfach gestalteten Bebauung. Diese Zurücksetzung der neuen Häuser half, erhebliche Kosten einzusparen, die die Beräumung der Kellerstockwerke verursacht hätte. Dieser Stadtteil dokumentiert den noch geringen Grad der Ausstattung und technischen Möglichkeiten der Bauindustrie nach 195°Völlig neu gestaltet wurde der stadtnahe Teil der ehemaligen Vorstadt am Ring, der zur Nord-Süd-Verkehrsachse (s. A 7) ausgebaut worden ist. Der städtebaulichen Bedeutung dieses Vorstadtteiles entspricht die bauliche Gestaltung. Betont durch zwei zwölfgeschossige Punkthäuser nahe der Elbe, erstreckt sich eine achtgeschossige Wohnhauszeile, deren Fassaden durch farbige Keramiken repräsentativ hervorgehoben werden, bis zum Pirnaischen Platz. Weiter südlich schließen sich an der Leningrader Straße die Baukörper des V E B Robotron an, der das Produktionsprofil der Stadt mitbestimmt. Der südliche Teil der Pirnaischen Vorstadt konnte mit dem Wiederaufbau und der Erweiterung der Sportanlagen und des Hygienemuseums an die frühere Gestalt anknüpfen. Städtebaulich wurde dabei die konsequente Heranführung des Grüns an die Stadt ins Auge gefaßt. Daher hat der östliche Teil der Grunaer Straße beim Wiederaufbau keine geschlossene Bebauung erfahren. Drei vielgeschossige Punkthäuser lassen den Blick und die Verbindung zum südlichen Teil der Vorstadt offen. Das Hygienemuseum erhielt bei seinem Wiederaufbau 1957 — 59 einen Kongreßsaal, wie es den Bedürfnissen jener Zeit entsprach. In ihm hat sich ein wesentlicher Teil des kulturellen Lebens der Stadt abgespielt. Eine Reihe auch internationaler Tagungen fand hier statt. Bis zur Erbauung des Kulturpalastes (s. A 7) war er der wichtigste Konzertsaal Dresdens.

Seevorstadt

B

Die Seevorstadt, um 1800 auch Seetorvorstadt geheißen und benannt nach den ehemaligen Seen, die sich etwa parallel zum Ring dahinzogen, liegt zwischen dem Dr.-Külz-Ring und der Eisenbahntrasse mit dem Hauptbahnhof und reicht von der Annen- und Falkenstraße im W bis zur Bürgerwiese im O. Die Vorstadt liegt 113 — 1 1 4 m ü. NN. In ihrem Nordteil zog sich eine Eintiefung in etwa 112—106 m Höhe hin, darin erstreckte sich im Mittelalter ein langer See (1324 urkundlich erwähnt), der an der Berührungsstelle von Budapester Straße und Dr.-Külz-Ring am ehemaligen Dippoldiswalder Platz scharf nach N zur Annenstraße umbog. Durch Zuschütten des Knies wurde er in den Alten (Oberen) und Neuen (Unteren) See geteilt, beide um 1500 bzw. 1746 trockengelegt. A m Nordausgang der Bürgerwiese befand sich bis 1849 der Jüdenteich, östlich vom Leninplatz breitete sich noch um 1870 die „Lache am Böhmischen Bahnhof" aus. Die Seevorstadt lag 200 Jahre abseits vom Verkehr, weil von 1548 bis 1747 das Seetor vermauert war. Als in den höfischen Kreisen die Freude am Landleben Mode wurde, entstanden hier vornehme Landhäuser (Boxbergsches Palais 1752) und große Herrschaftsgärten (Türkischer Garten 1668, Mosczinsky-Garten

91

B2

und Palais 1742). Nach Schleifung der Festungswälle legte Dr. F. S T R U V E , der Erfinder des künstlichen Mineralwassers, 1820 zwischen Oberseer Gasse und Sidonienstraße seinen „Gesundheitsgarten" an. In der Mitte des 19. Jh. war die Seevorstadt in ihrem Kernstück bereits weitgehend erschlossen. Als mit dem Bau der Böhmischen Bahn und des Hauptbahnhofs sprunghaft die bauliche Entwicklung einsetzte, parzellierte der Rittergutsbesitzer KURT V O N L Ü T T I C H A U seinen umfangreichen Feldbesitz. Hier entstanden von 1846 an die geschlossenen Hausfronten der Lüttichau- (jetzt Hans-Dankner-Straße), der Struve-, der Räcknitz- und der Mosczinskystraße (jetzt Herbert-BlochwitzStraße). Für die noch fehlende geradlinige Verbindung zum Böhmischen Bahnhof legte man 1851 die Prager Straße an. Die Seevorstadt wurde für die nächsten zwei Jahrzehnte, vor allem in ihrem Ostteil, das bevorzugte Wohnviertel der Oberschichten. Für die vielen reichen Engländer, die hier lebten, baute S. A U B Y N 1869 eine eigene englische Kirche an der Ecke Anton-Saefkowund Wiener Straße im gotischen Stil einer englischen Dorfkirche des 13. Jh. Als aber dem Großbürgertum die enge Bauweise des Englischen Viertels nicht mehr zusagte, ließ es sich in den Gärten zwischen Wiener und Parkstraße großartige Renaissancevillen erbauen. Die Gegend der Lüttichaustraße überließ es der Geschäftswelt und den Fremdenpensionen. Die Prager Straße (Bild 18) wurde nach 1880 zur belebtesten und glanzvollsten Geschäftsstraße Dresdens. Nach den großen Hotels und den Vergnügungsetablissements am Bahnhof reihten sich in der geschlossenen Häuserfront Läden an Läden für wohlhabende Käufer: elegante Modesalons, Schmuck-, Kunst-, Blumen- und Delikateßgeschäfte, Reisebüros und Cafés. Nahe dem nördlichen Ende entstanden 1912 und 1913 Waren- und Konfektionshäuser in Eisenbetonkonstruktionen. Die Waisenhausstraße, benannt nach dem früher an ihrem Ostende stehenden Waisenhaus, vereinigte neben der Börse und mehreren Bankhäusern zahlreiche Vergnügungsstätten: Varietés, Tanzgaststätten, Cafés, Kinos und das Centrai-Theater, das 1898 an der Stelle des Boxbergschen Palais errichtet wurde. 1903 wurde als Stiftung L I N G N E R S in der Waisenhausstraße die Dresdner Volkslesehalle eröffnet, die erste allen Bürgern zugängliche Freihandbücherei Dresdens. Sie zählte in der ersten Zeit bis zu 1000 Besucher am Tage. Der Westteil der Seevorstadt blieb hinter dieser Entwicklung zurück. A n neueren Einrichtungen sind hier der Neubau der Verwaltung der Sozialversicherung, der früheren Ortskrankenkasse, am Hans-Beimler-Platz, Hauptpost- und Telegraphenamt neben dem Postplatz und Verwaltungsgebäude der Reichsbahndirektion in der Nähe des Hauptbahnhofs zu nennen. Die Bombennacht vom 13. 2. 1945 ließ von der Seevorstadt nur wenige Gebäude im wiederaufbaufähigen Zustand bestehen, darunter ein Bankgebäude, das als einziger und ein wenig störender Rest die einst enge Bebauung zwischen Dr.Külz-Ring und Waisenhausstraße bezeugt. Für alle übrigen Flächen bestand die Möglichkeit einer grundsätzlichen Neugestaltung. Die städtebauliche Konzeption hat sich diesen Umstand zunutze gemacht. Zuerst wurde ein dringend notwendiger leistungsfähiger Straßenzug in SüdNord-Richtung geschaffen (Bild 14), der vom Hauptbahnhof über die Leningrader Straße, die ehemalige Christianstraße, zum Georgplatz gerichtet ist 92

und als zentrale Achse die Prager Straße ohne Verkehrsbelastung läßt. Damit B 2 konnte eine Fußgängerzone geschaffen werden, die sich dem vom Hauptbahnhof Kommenden breit öffnet. Die Gestaltung dieser Fußgängerzone ist ein wesentlicher Akt der städtebaulichen Neugestaltung (Bild 19). Der Vorplatz des Hauptbahnhofs, heute Leninplatz, wurde 1974 durch das vom sowjetischen Bildhauer G. D. J A S T R E B E N E Z K I aus rotem karelischem Granit gestaltete Lenindenkmal, eine Gruppenplastik, geschmückt. Dahinter beleben die Fronten der Hotels Newa und Bastei durch ihre Wandbilder den Abschluß des Leninplatzes und gestatten gleichzeitig den Durchblick auf die Prager Straße, die wie ein Innenhof gestaltet ist, im W flankiert von 3 Hotelbauten, zwölfgeschossigen Hochhäusern, zwischen denen eingeschossige Verbindungstrakte Geschäfte beherbergen, auf der Ostseite an der Leningrader Straße von einem langgestreckten Wohnhausbau abgeschlossen, in dessen Erdgeschoß Postamt, Informationszentrum Dresden-Information und Geschäfte untergebracht sind. Der freie Raum in der Mitte ist durch einen niedrigen Baukörper mit exklusiven Geschäften für Konfektion und Lebensmittel gegliedert. Das Schönste aber sind die Wasserspiele, die einen besonderen Reiz auf die Dresdner wie auf die Besucher der Stadt ausüben und wohl schon heute zu einem Wahrzeichen Dresdens geworden sind. Der nördliche Abschluß der Prager Straße ist noch nicht beendet. Auf der Ostseite ist der architektonisch eigenartige Bau des Rundkinos ein Blickfang. Hinter ihm dehnt sich bis zur Leningrader Straße eine große Rasenfläche mit Promenadenwegen und zahlreichen Plastiken aus. Die Westseite wird durch die Gaststätte International und den modernen Neubau des Kaufhauses Zentrum, das am 4. 10. 1978 eröffnet wurde, beherrscht. Westlich des Komplexes Prager Straße schließen sich bis zum Hans-Beimler-Platz neugestaltete Wohngebiete an, durchzogen vom neuen Zug der Budapester Straße, die sich, von der Südwestecke des Dr.-Külz-Ringes ansteigend, über die Gleisanlagen westlich des Hauptbahnhofs zur Südvorstadt erstreckt und eine wichtige neue Verbindung darstellt. Diese Lösung, oft als Hochstraße bezeichnet, würde auch notwendig durch die Elektrifizierung der Eisenbahn, für die die drei früheren Brücken zu niedrig waren und abgebrochen werden mußten. Östlich der Leningrader Straße entstanden dort, wo sich einst die auf L Ü T T I C H A U zurückgehenden Straßenzüge mit geschlossener Bebauung befanden, moderne Wohngebiete mit einem kleinen Geschäftszentrum. Nach O anschließend erstrecken sich freie begrünte Anlagen mit flachen Bauten für Schule und Vorschuleinrichtungen. 4 Punkthäuser, vor allem als Wohnheime dienend, schaffen städtebauliche Akzente, 2 an der Leningrader Straße und 2 am Ende der Vorstadt an der Parkstraße.

Wilsdruffer Vorstadt

B 3

Zwischen Annenstraße, Paul-Gruner-Straße, der Elbe und dem Postplatz entwickelte sich die westliche Vorstadt in Anlehnung an die Wasserkraft der Weißeritz zu einem gewerbereichen Stadtbezirk. Diese Tendenz verschärfte sich noch wesentlich, als die Steinkohle des Freitaler Reviers (s. Bd. 21, C 3.4) 93

B 3 erschlossen wurde und über die Kohlenbahn nach Dresden gelangte, sowohl für die aufblühende Dresdner Industrie als auch um auf der Elbe verschifft zu werden, wofür sich Anschlußgleise notwendig machten. Der Zwickel zwischen altem Weißeritzlauf und der Tharandter Eisenbahnstrecke erhielt dadurch sein eigenartiges Gepräge (s. C 2). Die Wilsdruffer Vorstadt liegt im ehemaligen Mündungsgebiet der Weißeritz, und zwar auf dem östlichen Teil des von ihr aufgebauten Schwemmfächers, in dem noch Reste alter Weißeritzläufe und viele sumpfige Stellen vorhanden waren. In frühgeschichtlicher Zeit gab es in dem weiten Gelände nur das sorbische Dorf Poppitz am Rand der Niederung in der Nähe der heutigen Annenkirche. Den Verlauf des Weißeritzmühlgrabens zeigt noch die Rosenstraße an. Bereits im Mittelalter wurde er nach O auf höheres Gelände verlegt (Brücke der Jugend, Annenkirche, Zwingergraben). E r trieb 1378 schon 12 Mühlenwerke. In der Wilsdruffer Vorstadt lagen die Kunadmühle an der Kunadstraße, 1569 vom Kurfürsten A U G U S T der Witwe Kunad abgekauft, und die Papiermühle, von Herzog A L B R E C H T 1500 erbaut. Am Weißeritzmühlgraben standen weiter die Tabakmühle bei Poppitz, die Hofmühle am Freiberger Platz, 1538 erwähnt, und die Damm-Mühle an der Großen Zwingerstraße. Dann folgte der Kuttelhof, also der Schlachthof (1474 — 1881), hinter dem heutigen Großen Haus der Staatstheater. Vor dem Wilsdruffer Tor hatten sich schon vor 1410 die Gerber niedergelassen. Der Brunnen der Gerbergemeinde war der 1461 erwähnte Queckborn (Abb. 30). Die Viehweide lag als feuchte Niederung zwischen Schloß, Marienbrücke und Freiberger Platz. Noch im 13. Jh. stand hier ein grasreicher Auenwald voller Wasserläufe und Tümpel. Im Laufe der städtischen Entwicklung ging die Viehhaltung zurück. Das Wiesenland, auf dem nun Gärten und Gassen angelegt wurden, schrumpfte immer mehr, der Name Viehweide aber blieb erhalten und beschränkte sich zuletzt auf die heutige Laurin- und Ritzenbergstraße. Hier, damals weit entfernt von der Stadt, brachte man die Aussätzigen und die Armen, Elenden und Findelkinder unter. So befand sich am Anfang der Freiberger Straße seit dem 13. Jh. das Spital für aussätzige Frauen, das spätere Bartholomäushospital mit der ersten Kirche der Vorstadt. Schräg gegenüber errichtete J O H A N N G E O R G E E H R L I C H 1743 das Ehrlichsche Gestift als Armenschule für 50 Jungen und 50 Mädchen. Ein Armenhaus und ein Findelhaus standen auf der Stiftsstraße, der heutigen Alfred-Althus-Straße. An ihrem Ausgang nach dem Fritz-Heckert-Platz fand 1568 das Pestkrankenhaus seinen Ort, daneben, auf dem Raum des späteren Wettiner Gymnasiums, der Pest- und Armenfriedhof, der erst 1823 aufgelöst wurde. Auch die Richtstätte, der Rabenstein, stand hier. Das Maternihospital erhielt 1838 einen Neubau von G O T T F R I E D S E M P E R , heute das Feierabendheim Elsa Fenske. Als letzte Zeugen der Bebauung der alten Viehweide stehen einige niedrige Häuser aus dem 18. Jh. in der Schützengasse, an deren östliches Ende sich das Schießhaus (Abb. 23) der Scheibenschützen anschließt, 1767 errichtet. Der Streifen zwischen Julian-Grimau-Allee und Elbe gehörte nicht zur städtischen Flur. E r unterstand dem Kurfürsten. Der Nordwestteil wurde von dem Vorwerk Klein-Ostra (s. C 1) eingenommen. Es wurde 1573 wegen Hochwasserschäden abgebrochen. Später befand sich hier eine Schmelzmühle. Seit 1890 entstanden 94

auf der etwa 6 ha großen Wiesenfläche die Speicher und Lagerhäuser der Devrientstraße und eine Turnhalle. Im östlichen Teil lag der Marstall, in dessen weitem Hof die von C H R I S T I A N T R A U G O T T W E I N L I G 1795 geschaffene Reithalle erhalten blieb. Gegenüber der Maxstraße stand bis 1890 das Max-Palais genau in der Achse des Japanischen Palais. CHIAVERI, der Erbauer der Hofkirche, hatte es sich 1748 als Wohnhaus errichtet, 1783 wurde es in klassizistischer Form umgebaut. Bei Klein-Ostra lag an einer nicht mehr zu ermittelnden Stelle die Siedlung A l t e n f i s c h e r s d o r f . 1480 tauschten die Bewohner auf Veranlassung des Landesherrn ihren Elbwerder gegen einen Garten an der Annenstraße ein. Hier entwickelte sich nun das neue Fischersdorf (Abb. 24), das 1550 Dresdner Ratsgemeinde wurde. Der Dorfkern hieß seit 1855 Fischhofplatz; die Bewohner trieben bis ins 19. Jh. hinein im Mühlgraben und in der Weißeritz von Plauen bis zur Mündung ihr Gewerbe weiter. Die letzten Fischbehälter in ihren Grundstücken wurden 1927 zugeschüttet. Der lebhafte Fahrverkehr auf der Fernverkehrsstraße nach Nürnberg, der Freiberger Straße, staute sich vor dem Wilischen Tor und ließ in dem Bauerndorf Poppitz (1315 Popuicz, 1350 Popuwicz = aso. Leute des Priesters) Gasthöfe und Botenherbergen entstehen. Der ursprüngliche Name des Dorfes lautete 1495 Lonnßewitz (zu lom — Geröllfeld, Bruch). Für die Weißeritzwasserleitung, die durch Poppitz führte, richtete die Stadt einen Röhrhof an der Ecke Röhr95

B 3 hofsgasse gegenüber der Annenkirche ein, in dem die Holzröhren der Röhrfahrten für die Wasserleitung gebohrt und gelagert wurden, einen der ältesten städtischen Betriebe. So gaben Verkehr, Handel und Gewerbe dem Ort immer mehr ein vorstädtisches Gepräge. An den Verkehrsadern entstanden Häuslersiedlungen: Rosengasse, Annenstraße, die beiden Plauenschen Gassen. Auch Herrschaftsgärten legte man auf Poppitzer Flur an. Poppitz als volkreichste Gemeinde vor dem Wilischen Tor bildete den Kern der Wilsdruffer Vorstadt (Abb. 24). Die Wilsdruffer Vorstadt wurde elbwärts von der 1744 angelegten Prachtstraße Ostra-Allee, der heutigen Julian-Grimau-Allee, begrenzt, wie es die Darstellung auf C A N A L E T T O S Bild (Abb. 1 6 ) vom Zwingergraben aus dem Jahre 1758 zeigt. A m Ende der heutigen Maxstraße, der einzigen Straßenverbindung zur Friedrichstadt und damals als Teil der Ostra-Allee verstanden, befand sich nahe der Weißeritzbrücke eine Glashütte, in der E H R E N F R I E D W A L T H E R V O N T S C H I R N H A U S (1651 — 1708) und A N D R E A S G Ä R T N E R (1654—1727) ihre großen Hohlspiegel und Brenngläser herstellten. An der linken Seite der Ostra-Allee stand gegenüber dem Zwinger an der Stelle des Großen Hauses der Staats-

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Abb. 24. Wilsdruffer Vorstadt (Ausschnitt, aus veröffentlicht bei L Ö F F L E R 1956) 96

HESSLER

1837, revidiert 1849,

theater der Silberhammer, in dem die Silbermünzen zur Prägung vorbereitet B 3 wurden; das Prägen selbst erfolgte in der Silbermünze an der Frauenkirche. Jenseits des Malergäßchens stellten im Malersaal seit 1739 die Theatermaler die Kulissen für die Opern her. An seiner Stelle steht jetzt die Betriebsberufsschule für Datenverarbeitung des V E B Datenverarbeitungszentrum Dresden, am 29. 10. 1916 als Haus der Kaufmannschaft mit beliebtem Kammermusiksaal eröffnet. Daneben stand das Gewerbehaus, in dessen Saal die Dresdner Philharmonie vor dem zweiten Weltkrieg ihre Konzerte gab. An der Parallelstraße dahinter, der ehemaligen Gerbergasse, jetzt Elsa-Fenske-Straße, wurde an der Stelle des sogenannten Mätressenhäuschens 1923 das Stadthaus mit einer gerundeten Front von H A N S P O E L Z I G gebaut. Außer Behörden des Stadtbezirks Mitte sind hier auch die Hauptbibliothek und die Musikbibliothek der Stadtund Bezirksbibliothek untergebracht. Die Vorstadt hatte schon im 18. Jh. ihr ländliches Gepräge verloren. Nach dem Adreßbuch von 1797 gab es nur noch 3 Landwirte und rund 30 Gärtner. Unter den Gewerben standen an erster Stelle die großen kurfürstlichen Industriewerke am Weißeritzmühlgraben, die 1 7 1 5 aus einem Eisenhammer entstandene Spiegelschleife, die Pulvermühle (1576—1875) und der 1574 gegründete und 1736 zum Kanonenbohrwerk umgebaute Kupferhammer — seit 1870 Windmotorenfabrik —, die verschiedenen Mahlmühlen und die Papiermühle. An selbständigen Handwerksmeistern zählte man 27 Loh- und Weißgerber, 80 Schuhmacher, 7 Sattler und Beutler, 35 Tuchmacher und Weber, 21 Strumpfwirker und 3 Färber, 28 Branntweinbrenner, 24 Schmiede, Schlosser und Nadler, 3 Zinnund Gelbgießer sowie 6 Seifensieder. Im Siebenjährigen Krieg ließ der preußische Kommandant von Dresden am 30. 8. 1759 zur Abwehr einer Belagerung 85 Häuser der Vorstadt niederbrennen. Als die Preußen im nächsten Jahr vor der inzwischen von den Österreichern besetzten Stadt lagen, steckten sie am 21. 7. die restlichen Häuser an. Annenschule und zahlreiche Wohnhäuser wurden zerstört, ebenso die 1578 geweihte Annenkirche, die 1764 — 69 wiedererstand (Ratsbaumeister J . G. S C H M I D ) ; 1823 errichtete G. F. T H O R M E Y E R den 57 m hohen Turm. Der bei der Kirche angelegte Annenfriedhof bestand bis 1 7 1 7 , der zweite, am heutigen HansBeimler-Platz, wurde 1914 eingeebnet, nachdem man seit 1848 den Alten Annenfriedhof an der Chemnitzer, der heutigen F.-C.-Weißkopf-Straße, nutzte. Mit der Errichtung der Albertbahn (s. C 2) und des Kohlenbahnhofs wurde die Industrialisierung in der Wilsdruffer Vorstadt gefördert, wenn auch die Neuanlagen sich vorwiegend weiter stadtauswärts zu geschlossenen Industriebändern ordneten. In der engeren Vorstadt trat neben die überlieferten Gewerbe die Metallindustrie. Um 1900 gab es am Fischhofplatz eine Glockengießerei, an der Falkenbrücke eine Eisengießerei und eine Blechwarenfabrik. Dem mit der zunehmenden wirtschaftlichen Entwicklung rasch steigenden Verkehr genügte das alte Straßennetz nicht mehr. 1843 wurde der Dorfweg nach Plauen zur Chaussee ausgebaut und 1855 Chemnitzer Straße benannt. 1869 vereinigte man die Annenstraße, die bis dahin eine Sackgasse war, durch einen Durchbruch mit der Falken- und Chemnitzer Straße zu einem Straßenzug. 1873 — 75 wurde der Straßendurchbruch zur Friedrichstadt (s. C 1) ausgeführt. 97

B 3 Auch für die Geschichte der Stadttechnik spielt die Wilsdruffer Vorstadt eine Rolle. Nachdem 1839 R U D O L F S I G I S M U N D B L O C H M A N N die erste, 1828 eröffnete Gasanstalt vom Zwingerwall auf das Areal des Ehrlichschen Gestifts an der Stiftsstraße verlegt hatte, blieb sie dort bis Februar 1895 in Betrieb. 1883 baute die Stadt außerdem ein Lichtwerk zur Erzeugung von einphasigem Wechselstrom. Die allgemeine Umwandlung der Pferdebahnen in elektrische Straßenbahnen erforderte eine höhere Stromerzeugung. Zu diesem Zweck wurde im Gelände des Lichtwerkes an der Schweriner Straße 1900 das Westkraftwerk angelegt, dessen Versorgung mit Kohle durch die Eisenbahnanlagen gesichert wurde, die vom Kohlenbahnhof ausgingen. Um den Abdampf für die Stadtheizung verwenden zu können, wurden 1927 die Leitungen des Dampf- und Heißwassernetzes vom Westkraftwerk aus gelegt und 1928 die Fernheizung in Betrieb genommen. Das bisherige Staatliche Fernheizwerk an der Großen Packhofstraße, dessen ummantelter Schornstein auf vielen alten Bildern zu sehen ist, ging in städtische Verwaltung über und wurde zum Umformerbetrieb umgebaut, der Schornstein abgebrochen. Der sozialen Struktur der Vorstadt entsprechend, entwickelte sich das Schulwesen. Die ersten Volksschulen (1555, 1562) waren armselige Winkelschulen. 1669 gab es deren 11. 1716 gründete der R a t der Stadt 2 Armenschulen. Die Nachfolge einer Bürger- und einer Bezirksschule sowie einer mit dem Ehrlichschen Gestift verbundenen Armenschule traten die 6. und 21. Volksschule an (Ehrlichstraße 1862, Freiberger Platz 1888). Die bedeutendste Schule aber war die Annenschule, 1563 vom R a t als deutsche Schule im Bartholomäushospital gegründet. Sie wurde vor 1603 als Chorschule an die Annenkirche verlegt und 1619 zur Lateinschule umgestaltet, 1870 erhielt sie ein neues Schulhaus an der Humboldtstraße, wurde aber 1936 mit der Oberrealschule Seevorstadt in deren Gebäude vereinigt. Da die Kreuzschule überfüllt war, gründete die Stadt 1879 ein zweites städtisches Gymnasium, zunächst im alten Waisenhaus am Georgplatz. Es wurde Wettiner Gymnasium genannt und bezog 1884 den Schulneubau am heutigen Fritz-HeckertPlatz. Das Gebäude, 1945 zur Hälfte vernichtet, wurde wieder aufgebaut und dient heute der 9. Polytechnischen Oberschule (POS) Fritz Heckert. Die Zerstörungen durch die Terrorangriffe der angloamerikanischen Bomberverbände am 13. und 14. 2. 1945 waren erheblich. Es blieben nur einige kleine Inseln mindergeschädigt und daher nach Beseitigung der Schäden nutzbar. Doch hat die Wilsdruffer Vorstadt noch keine geschlossene Gestalt erhalten. In diesem Teil des Stadtzentrums müssen erst der Ausbau des Stadtringes, die Gestaltung des Postplatzes und manche Fragen der Neugestaltung der verbliebenen Altbausubstanz entschieden werden, was angesichts der früheren Struktur der Vorstadt erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Dennoch wurde in den überwiegend total zerstörten Gebieten aus ökonomischen Gründen und unter dem Zwang, die Lagegunst zu nutzen, eine Vielzahl von Baumaßnahmen durchgeführt. A n ihrem Beginn stand der durch die Sowjetische Militäradministration unterstützte Aufbau des ausgebrannten und im Innern völlg zerstörten ehemaligen Schauspielhauses, des heutigen Großen Hauses der Dresdner Staatstheater. E s wurde schon am 22. 9. 1948 mit einer denkwürdigen Fidelio-Aufführung 98

eröffnet und dient bis zur Wiederherstellung der Semperoper auch als Opern- B 3 haus. Auf den bereits beräumten Flächen an der neu gestalteten Freiberger Straße entstanden in den Jahren 1961 — 65 innerstädtische Wohnbauten in industrieller Bauweise. Versorgungswichtig war die Rekonstruktion des Kraftwerkes West. Der Wiederaufbau des 1927/28 von den Dresdner Arbeitern geschaffenen Volkshauses erfolgte als Haus des F D G B , Ritzenbergstraße 17. Weitere bedeutsame Wiederaufbauten und Neubauten sind: im Bereich Postplatz der Wiederaufbau des Stadthauses von 1923, Elsa-Fenske-Straße, an dessen Hauptfassade eine Gedenktafel an E L S A F E N S K E , die verdienstvolle Aktivistin der ersten Stunde, erinnert, die Wiederaufstellung des alten Queckbrunnens, vor allem aber die Neubauten im Bereich der Julian-Grimau-Allee, so des Amtes für Wasserwirtschaft und der Wasserwirtschaftsdirektion Obere Elbe—Mulde und des V E B Mansfeld-Industrieanlagen. Auf der Nordseite wurde als städtebaulich markanter Punkt an der Südrampe der Marienbrücke der große Komplex für den Grafischen Großbetrieb Völkerfreundschaft und die Verlage Sächsische Zeitung und Zeit im Bild in der ersten Hälfte der sechziger Jahre gestaltet. Mit dem dreizehngeschossigen Haus entstand eine städtebauliche Dominante, vor allem aus der Sicht der Elbbrücken, des Neustädter Ufers und der breiten Julian-Grimau-Allee; sie korrespondiert mit dem jenseits des Bahndammes gelegenen Kuppelbau der Yenidze (s. C 1). In der Nachbarschaft werden Teile des ehemaligen Marstalls, insbesondere die Reithalle, als Theaterwerkstätten aufgebaut.

Äußere Vorstädte der Altstadt

C

Friedrichstadt

C1

Wenige Stadtteile Dresdens weisen eine so reiche innere Gliederung und Vielseitigkeit auf wie die Friedrichstadt (Abb. 25) — Ergebnis einer langen Geschichte, die vom alten Bauerndorf über ein kurfürstliches Vorwerk, merkantilistische Siedlungsversuche und schließlich bis zur Konzentration von Verkehrseinrichtungen der Reichsbahn und des Schiffsverkehrs (Elbhafen) geführt hat. Schroffe Gegensätze liegen nahe beieinander: der prächtigste Brunnen Dresdens, der Neptunbrunnen, steht in einem Stadtteil, für den die Armenfürsorge Geschichte gemacht hat; neben technischen Großanlagen, wie dem Ablaufberg des Verschiebebahnhofs und dem Güterbahnhof, erstrecken sich die naturnahen Flächen des Großen Ostrageheges. Der hochwasserfreie Teil der Friedrichstädter Flur (Abb. 6) gehört der Niederterrasse der Elbe an und liegt bei 117 m ü. NN. Er setzt nördlich von Friedrichstraße und Bremer Straße gegen den Schwemmfächer der Weißeritz ab, die bis 1893 an der Stelle der heutigen Eisenbahnbrücke in die Elbe mündete. Dieses Gebiet liegt, von der künstlichen Aufschüttung der Schlachthofinsel abgesehen, 106—109 m hoch, ist deshalb Überschwemmungen in hohem Maße ausgesetzt und wurde bis in die Gegenwart vorwiegend als Wiesenland genutzt. 99

C i Dorf und Vorwerk Ostra Die Urkunde von 1206 (s. A), in der der Name Dresden zum ersten Male auftaucht, nennt auch ein Dorf Oztrov. Es befand sich auf hochwasserfreiem Gelände (aso. ostrov = Flußinsel) am Ende der heutigen Friedrichstraße. Bei der Hochflut vom 31. März 1845 ragte das Land hier wie eine Insel aus dem Überschwemmungsgebiet heraus. Ostra bestand aus einem Herrenhof, 11 Bauerngütern und einigen kleinen Wirtschaften. Als das Herrengut um 1510 vom Meißner Bischof übernommen wurde, verweigerten die Bauern dem Erbherrn die Huldigung, der sie mit dem Bann belegte und auf Stolpen so lange gefangenhielt, bis sie sich unterwarfen. Nach Cotta zu lagen die beiden Dörfchen Rostagk (im Bereich der Bahnanlagen zwischen Hamburger Straße und dem jetzigen Weißeritzbett, 1326 Rodstok, zu aso. rostok = Flußgabel oder deutsch Rodestock) und Wernten (an der Elbe vom Hafen bis zur Flügelwegbrücke, 1071 Wirnotine, aso. Besitz des Vörnota), die zu Wüstungen wurden. In der Ostraer Gemarkung lag auch ein Vorwerk Klein-Ostra (Ostro minor, Ostrav Parvum) auf dem rechten alten Weißeritzufer in der Gegend der Kleinen Packhofstraße im sogenannten K l e i n e n G e h e g e . 1535 befand es sich in der Hand des herzoglichen Rates G E O R G V O N K O M E R S T Ä D T . Von ihm erwarb es Kurfürst M O R I T Z , ohne sich um das bischöfliche Lehenrecht zu bekümmern. D a der „Baumgarten zu Klein-Ostra" für eine kurfürstliche Gutswirtschaft zu klein war, veranlaßte der folgende Kurfürst AUGUST den Bischof, ihm 1559 Ostra und die Nachbardörfer im Tauschwege abzutreten, und beschloß 1568, das Dorf Ostra in einen landwirtschaftlichen Großbetrieb für die Versorgung der Festung Dresden umzuwandeln. An 8 Ostraer Bauern und Gärtner teilte er das Vorwerk Zschertnitz aus (s. N 1); 11 andere setzte er auf die Flur des aufgelösten Klostergutes Leubnitz um, wo sie das Dorf Neuostra (s. N 6) gründeten; die übrigen fand er mit Geld ab. Das Vorwerk Ostra ließ der Kurfürst mit Gebäuden, einem Viehhof und einem Obstgarten sowie einer eigenen Mühle, der Hofmühle zu Plauen, ausstatten und vergrößerte die Flur noch durch Enteignung von Cottaer und Löbtauer Bauern (s. P 1) auf mehr als 600 ha. Die Arbeitskräfte für 2 500 Pflugtage, für Spannfuhren und Handdienste gewann er aus dem Frondienst, zu dem er außer den Bauern der Dörfer um Dresden auch die der Ämter Moritzburg, Radeberg und Pirna heranzog (s. Bd. 9, D 8; Bd. 22, F 5, H i , J 8; Bd. 27, G 1, N 1). Da die Fronarbeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang währte, mußten enfernt wohnende Bauern die Nacht auf dem Frönerhof am Freiberger Platz zubringen. 1614 wurde ein neuer Frönerhof am Anfang der Schäferstraße errichtet, der bis 1903 stand. Er hieß die Schäferei, weil er zugleich der Schafzucht diente. Da die Frondienste zur Bewältigung der Feldarbeiten nicht ausreichten, führte der Kurfürst 1568 den Gesindezwangsdienst ein. Die Kinder aller Untertanen des Dresdner Amtes mußten 2 Jahre lang in Ostra als Knechte oder Mägde dienen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg stellte das Vorwerk auch böhmische Exulanten als Tagelöhner ein, für die es nahe bei Löbtau die Drescherhäuser baute. Im 17. und 18. Jh. diente Ostra dem kurfürstlichen Hof vor allem auch als Fasanerie und Tiergarten, der 1696 eingehegt wurde, woraus der Name G r o ß e s ( O s t r a - ) G e h e g e hervorging. 100

Die merkantilistische Handwerkersiedlung (Abb. 25) Eine neue Etappe der Entwicklung setzte 1670 ein. Kurfürst J O H A N N G E O R G II. forderte Handwerker auf, sich an der Straße nach Ostra niederzulassen und versprach ihnen geräumige Baustellen von etwa 900 m 2 unentgeltlich, Gewerbefreiheit und andere Vergünstigungen. Wegen eines von den Dresdner Innungen durchgeführten Boykotts blieben die Handwerker der neuen Siedlung jedoch fern. Auch 10 Jahre später befanden sich unter 25 Grundstücksbesitzern erst 3 Handwerker. Dafür hatten jedoch Edelleute, Hofbeamte und wohlhabende Bürger Dresdens die Gelegenheit genutzt, sich kostenlos einen schönen Sommergarten zu schaffen. Vom Oberhofmarschall bis zum Amtsschreiber saßen sie zu beiden Seiten der Ostrastraße. Der Kurfürst eröffnete 1692 eine Salpeterhütte an der Schäferstraße, der

Abb. 25. Friedrichstadt (Ausschnitt, Original im Staatsarchiv Dresden 8

Dresden

aus

HESSLER

1832,

revidiert

1837);

101

Baron V O N B L U M E N T H A L 1 7 1 8 eine Wachsbleiche an der Wachsbleichstraße, die Gräfin V O N M A N T E U F F E L 1 7 2 0 ein Brauhaus an der Bräuergasse. Zählte man 1722 erst 60 Besitzer von Häusern und unbebauten Gärten, so nahm die Siedeltätigkeit von dieser Zeit an stark zu. A n der Weißeritz und hinter den Gärten der Ostrastraße bis zur Schäferei entstanden in einem regelmäßig angelegten Straßennetz niedrige Vorstadthäuser. Sie durften anfangs nur aus Holz gebaut werden; denn sie lagen im Yorgelände der Festung und sollten im Kriegsfall leicht niedergebrannt werden können. Erst seit 1734 war für das Erdgeschoß Steinbau erlaubt. Nun entstanden auch stattliche Barockhäuser der heutigen Friedrichstraße, so Nr. 29 und 33. Nahe dem Kammergut wurde die „Menagerie" eingerichtet, der kurfürstliche Küchengarten, heute eine Kleingartenanlage. Daneben ließ der Hof 1721 ein Stück Land als Begräbnisplatz einfriedigen, den I n n e r e n K a t h o l i s c h e n F r i e d h o f . E r zählt wegen der vielen Grabstätten bekannter Dresdner zu den bemerkenswerten Kulturstätten der Stadt. Neben anderen liegen hier begraben: an der Westmauer in einem Gemeinschaftsgrab im Konzentrationslager Dachau (Anhang B) und bei der Zerstörung Dresdens 1945 gestorbene katholische Priester, ferner der Tenor J O S E P H T I C H A T S C H E K ( 1 8 0 7 — 8 6 ) , der Musiker A N T O N D R E Y S SIG

(1774—1815),

der

Dichter

FRIEDRICH VON SCHLEGEL

(1772 — 1829);

an

der Ostmauer der Sohn A U G U S T S D E S S T A R K E N , der C H E V A L I E R D E S A X E ( 1 7 0 4 — 4 4 ) , die Pianistin M A R Y K R E B S ( 1 8 5 1 — 1 9 0 0 ) ; an der Nordseite die Gräfin C H A R L O T T E V O N K I E L M A N N S E G G E (1777 — 1863), C A R L MARIA VON WEBER (1786—1826) und in den Grabreihen der Bildhauer B A L T H A S A R PERMOSER

(1651 — 1732),

der

Kunstakademiedirektor

GIOVANNI

BATTISTA

der Maler G E R H A R D V O N K Ü G E L G E N ( 1 7 7 2 — 1 8 2 0 ) . Auf dem 1 km entfernten Ä u ß e r e n K a t h o l i s c h e n F r i e d h o f befindet sich das Grab L U D W I G R I C H T E R S ( 1 1 8 8 4 ) , der 1 8 0 3 im großen Gartenhaus Friedrichstraße 44 geboren wurde. CASANOVA ( 1 7 3 0 — 9 5 ) ,

A n den Inneren Katholischen Friedhof schloß sich der Garten des Hofmalers A D O L P H P Ö P P E L M A N N mit seinem Miniaturpalast an, den ihm sein Vater, der Zwingerbaumeister, errichtet hatte. In diesem Grundstück, Friedrichstraße 56, entstand 1 8 2 0 die 1 8 3 9 von L U D W I G B R A M S C H übernommene Spiritusfabrik, der heutige V E B Bramsch. Im Nachbargrundstück, Friedrichstraße 50, baute 1 7 3 8 der Hofzahlmeister A U G U S T F R A N Z E S S E N I U S das erste Haus ganz aus Stein . Von 1747 bis zur Zerstörung 1945 diente es als katholisches Krankenstift. In seinem Hintergarten nach der Magdeburger Straße zu stand seit 1749 die katholische Pfarrkirche St. Michael. Der Glanzpunkt der ganzen Vorstadt aber entwickelte sich auf dem Gelände des heutigen Bezirkskrankenhauses. Zunächst hatten Mitglieder der Hofgesellschaft seit 1 6 7 0 Lustgärten angelegt, die 1 7 3 6 Minister Graf H E I N R I C H V O N B R Ü H L erwarb. E r ließ durch J O H A N N C H R I S T O P H K N Ö F F E L ( 1 6 8 6 — 1 7 5 2 ) das schon vorhandene Kleine Palais ausbauen und den Garten mit Anlagen und Skulpturen schmücken und zum Schauplatz glänzender Feste ausgestalten. Die Hauptachse des Gartens führte auf den 1 7 4 1 — 4 4 nach Entwürfen von L O N G U E L U N E und M A T T I E L L I geschaffenen Neptunbrunnen hin. Nach B R Ü H L S Tod 1 7 6 3 stand der Garten verlassen, bis ihn 1 7 7 4 Graf C A M I L L O M A R C O L I N I erwarb. E r ließ das Palais (Bild 3 2 ) durch den Hofbaumeister J O H A N N D A N I E L 102

und durch die Bildhauer J O H A N N E S B A P T I S T A D O R S C H und T H A D D E U S mit Skulpturen ausgestalten. C H R I S T I A N T R A U G O T T W E I N L I G schuf dekorative Malereien. Das Wappen des Grafen M A R C O L I N I und das seiner Frau, geb. VON O'KELLY, befinden sich an der Straßenseite des Ostflügels. 1813 nahm N A P O L E O N I. im Marcolini-Palais Wohnung. Im chinesischen Zimmer fand am 28. 6. 1813 die denkwürdige Unterredung zwischen ihm und dem österreichischen Minister Fürst V O N M E T T E R N I C H statt, als deren Ergebnis der Anschluß Österreichs an die Verbündeten erfolgte. M A R C O L I N I mußte Dresden verlassen. Das Palais verödete, bis es 1835 der Hofbuchdrucker und Stadtrat E R N S T W E R N E R kaufte. E r vermietete die schönsten Räume an reiche Engländer, den Ostflügel an Dresdner, so an den Bildhauer E R N S T H Ä H N E L , den Schöpfer des Körner-Denkmals. Im 2. Stock wohnte 1847 — 49 der Hofkapellmeister R I C H A R D W A G N E R , der hier am „Lohengrin" arbeitete. Im November 1849 errichtete die Stadt im Palais ein Krankenhaus. Die ersten Patienten waren Verwundete der Dresdner Maikämpfe. Seitdem ist das Grundstück mehrfach erweitert worden, das Manteuffelsche Brauhaus und die alte staatliche Frauenklinik wurden einbezogen, Neubauten errichtet und alle Einrichtungen eines modernen Krankenhauses geschaffen. SCHADE

WISKOTSCHILL

Im schärfsten Gegensatz zu der Pracht dieses Barockgartens und der Behäbigkeit einzelner Bürgerhäuser der Friedrichstraße standen die armseligen Wohnungen der meisten Einwohner. Mit Mühe suchte sich die Gemeinde gegenüber der Stadt Dresden zu behaupten. Sie legte 1730 einen weitläufigen Marktplatz an, den jetzigen Christian-Beham-Platz, ließ 1728 — 30 von P Ö P P E L M A N N die Matthäuskirche erbauen und nannte sich seit 1731 nach dem Kurprinzen Friedrichstadt, obwohl ihr nie das Stadtrecht zuteil wurde. An die schließlich 1835 erfolgte Eingemeindung nach Dresden erinnert ein Denkmal des Königs A N T O N von E R N S T R I E T S C H E L , früher an der Weißeritzstraße, jetzt auf dem Christian-Beham-Platz aufgestellt (Eisenguß des Dölzschener Eisenhammers). Durch die Weißeritz von der Stadt Dresden getrennt und nur über eine einzige Brücke erreichbar, behielt die Friedrichstadt auch nach der Eingemeindung eine Sonderstellung. Sie war vom Verkehr so abgeschnitten, daß am Ende der Schäferstraße die militärischen Pulvermagazine angelegt wurden. Das Vorwerk ging zur Milchwirtschaft über, die Ostrawiesen wurden mit Fäkalien der Stadt gedüngt. Erst 1917 wurde der Betrieb eingestellt. Nach der Ablösung der Frondienste auf dem Ostravorwerk (1828) hatten auch Vertreter der Dresdner Intelligenz in der frei gelegenen Vorstadt Wohnung genommen. Außer E. H Ä H N E L und R . W A G N E R war es beispielsweise Professor A N D R E A S S C H U B E R T (S. F 3), der Erbauer der ersten deutschen Lokomotive und des ersten sächsischen Personendampfers, im Haus Friedrichstraße 46. Bei ihm mietete der Hofkapellmeister AUGUST ROCKEL Räume. Im Ostragut wohnte der Vermessungsdirektor M O R I T Z P R E S S L E R , dem die Friedrichstadt letzten Endes ihr heutiges Gepräge verdankt. Als die Elbehochflut Ende März 1845 große Teile der Friedrichstadt überschwemmt hatte, schlug P R E S S L E R vor, die Weißeritz nach Cotta umzuleiten, auf dem trockengelegten Flußbett den Dresdner Bahnhof Mitte und in seiner Nähe einen großen Elbhafen anzulegen und die Schäferstraße, die noch keine Verbindung zur Stadt hatte, bis zum Postplatz zu verlängern. 8*

103

C I

Der neue Ausbau Nach einem Vierteljahrhundert begann man zögernd, P R E S S L E R S Vorschläge zu verwirklichen. 1873 — 75 wurde die Schweriner, die damalige Wettiner Straße durchgebrochen und die Friedrichstadt dadurch dem Verkehr geöffnet, 1875 der Bahnhof der Berliner Privatbahn an der Waltherstraße und 1884 die Nähmaschinenfabrik Seidel und Naumann, der jetzige V E B Schreibmaschinenwerk, gebaut. 1878 erklärte der R a t der Stadt Dresden die Friedrichstadt ausdrücklich zum Fabrikbezirk. Erneute Überschwemmungen, zuletzt 1890, nötigten schließlich in den Jahren 1891—93 zur Verlegung der Weißeritzmündung nach Cotta. Im Zusammenhang damit führten Stadt und Staat 1890—1900 ein umfassendes Bauprogramm in der Friedrichstadt durch: Der große Elbhafen, der Verschiebebahnhof und die Eisenbahnwerkstätten (das heutige Reichsbahnausbesserungswerk), die Großmarkthalle und der Bahnhof Mitte wurden errichtet und der Eisenbahnverkehr von der Marienbrücke auf die neu erbaute Eisenbahnbrücke und gleichzeitig der Bahnkörper nach oben verlegt. Schließlich haben auch der neue Schlachthof und die Hafenmühle die Arbeit aufgenommen. Das Gelände des alten Weißeritzlaufes nahm im nördlichen Teil außer der Großmarkthalle und dem Bahnhof Mitte Industriebetriebe auf, unter denen die Kühlhallen (1911) und die moscheeartig — im pseudoorientalischen Stil — gestaltete Zigarettenfabrik, ehemals Yenidze (1909), besonders hervortreten. Der südliche Teil ist wenig repräsentativ gestaltet worden. In Anlehnung an den Kohlenbahnhof (s. C 2) wurden hier städtische Betriebseinrichtungen mit größerem Bedarf an Lagerflächen angesiedelt, so der Straßenbauhof. Nur die Straßennamen Floßhofstraße und Flußstraße erinnern noch in dieser Gegend an den ehemaligen Lauf der sprudelnden Weißeritz. Schließlich ist es charakteristisch, daß das grüne Große Gehege, altes Naherholungsgebiet der Friedrichstädter und — mit Hilfe der Elbfähren — auch der Pieschener, nach dem ersten Weltkrieg Sportanlagen an sich zog, die, immer weiter ausgebaut, heute als Sportforum mit Heinz-Steyer-Stadion und Eislaufhalle einen Komplex bilden. Der D r e s d n e r E l b h a f e n , heute V E B Binnenhäfen Oberelbe, wurde 1891—95 errichtet. E r bedeckt eine Fläche von 15 ha, das Hafenbassin ist 1100 m lang und bis 150 m breit. Die Oberkante der 12 m hohen Kaimauern liegt 30 cm über dem höchsten bekannten Wasserstand der Elbe vom 31. 3. 1845, die Sohle des Beckens reichlich 2 m unter dem niedrigsten Elbwasserstand von 1904. Mit dem Hafen wurde zugleich eine 300 m breite Flutrinne durch das Ostragehege angelegt. Die von 2 Trockenbaggern ausgeschachteten Massen (1,5 Millionen m s ) wurden zum Aufschütten des Rangierberges im Verschiebebahnhof verwendet. Die H a f e n m ü h l e , jetzt V E B Mühlenwerke, wurde von der Firma Bienert (s. O L ) nach dem Entwurf von W I L L I A M L o s s o w und H A N S M A X K Ü H N E in Eisenbeton errichtet: nach der Wassermühle an der Weißeritz in Dresden-Plauen und am gleichen Standort einer Dampfmühle erfolgte der Standortwechsel hierher, wo das Getreide zu Schiff anlangt. Der 64 m hohe Siloturm ist zu einem Wahrzeichen des Hafens geworden. 104

Die E i s e n b a h n a n l a g e n haben sich allmählich aus kleinen Anfängen entwickelt. Der heute so bescheiden anmutende Bahnhof Dresden-Friedrichstadt war ursprünglich Endpunkt (Berliner Bahnhof) einer in privaten Händen liegenden Eisenbahngesellschaft, die die Linie Berlin — Dresden über die Brücke in Niederwartha erbaut hatte. Mit der Übernahme der Berliner Bahn durch den sächsischen Staat konnte eine Konzentration der bahntechnischen Anlagen erfolgen, und da Friedrichstadt noch Reserveland anzubieten hatte, fanden Güterbahnhof, Rangierbahnhof und Ausbesserungswerk hier ihren Platz. Die bedeutendste Anlage ist der Ablaufberg im Rangierbahnhof, der bei 2,5 km Länge sich bis 17 m über das Straßenniveau erhebt. Eine unmittelbare Folge der Verkehrsbedeutung Friedrichstadts ist, daß sich in großem Umfang Anlagen der Lagerwirtschaft eingefunden haben. D a ß das alte Vorwerk Ostra 1917 von der Transport- und Lagerhaus-Gesellschaft übernommen wurde, ist symptomatisch. Heute reihen sich längs der Magdeburger und Bremer Straße die meist wenig ansehnlichen Flächen dieser Sparte fast ohne Unterbrechung aneinander. Der S t ä d t i s c h e V i e h - u n d S c h l a c h t h o f , der einen unzureichenden Betrieb in der Leipziger Vorstadt ersetzte, fand im Großen Ostragehege einen idealen Standort insofern, als ohne Rücksichtnahme auf bereits bestehende Objekte der Umgebung geplant werden konnte. H A N S E R L W E I N , der Stadtbaumeister der Jahre vor dem ersten Weltkrieg, schuf eine geschlossene Anlage (Bild 30), die als Schlachthofring rund 70 Gebäude umfaßt. Dazu gehören Viehhof mit Eisenbahnanschluß, Markthallen, Ställe für Groß- und Kleinvieh, die Schlachthallen mit Nebeneinrichtungen, Kessel- und Maschinenhaus, Kühlhaus sowie eine Gaststätte. Die Kapazität des Schlachthofs, heute V E B Dresdner Fleischkombinat, war 1910 auf die Schlachtung von 550 Rindern, 3450 Kälbern und Schafen und 2500 Schweinen pro T a g berechnet worden. Die Plastik des Schweinetreibers vor dem Haupteingang hat A L E X A N D E R H Ö F E R geschaffen. Noch in einer anderen Hinsicht hat Friedrichstadt Bedeutung gewonnen: in der Entwicklung des Schulwesens. Die arme Gemeinde hatte immer Schulsorgen. Im Jahre 1782 besuchten in Friedrichstadt 339 Kinder Armen- und Winkelschulen; 758 aber wuchsen ohne jeden Unterricht auf. Endlich gelang es der unbemittelten Gemeinde, mit Hilfe von Stiftungen einiger Bürger 1784 vier Klassen in gemieteten Räumen unterzubringen, 1785 ein eigenes Schulgebäude zu errichten und darin am 31. 10. 1785 eine Armen- und Realschule zu eröffnen. Diese Schule ist von größter Bedeutung für die Volksbildung Sachsens geworden; denn mit ihr wurde 1787 das erste sächsische Lehrerseminar verbunden, das sich bis 1865 hier und dann bis 1910 Waltherstraße 26 befand. A n ihm wirkte 1797—1807 der bekannte Pädagoge F R I E D R I C H D I N T E R als Direktor. Das Gebäude von 1827, mit Inschriften, einem Relief und einem Türmchen geschmückt, steht heute noch als 48. P O S an der alten Badergasse, der jetzigen Seminarstraße 11. Später kamen die 1945 zerstörte 3. Volksschule, Fröbelstraße 3, und die heutige 17. P O S Christian Beham, Wachsbleichstraße 6, hinzu. Nach der Hungersnot von 1771/72 gründeten Freimaurerlogen eine Armenschule (Abb. 19), in der 30 Knaben und Mädchen nicht nur unterrichtet, sondern auch verpflegt wurden. Entgegen den Absichten ihrer Stifter wurde diese Anstalt i°5

C i als Freimaurerinstitut in eine höhere Heimschule umgewandelt, die 1899 von der Institutsgasse nach der Eisenacher Straße in Dresden-Striesen verlegt und nach dem zweiten Weltkrieg zur Heimstatt der Kreuzschule und des Kreuzchores wurde. Die sozialen Verhältnisse wurden trotz einiger feudaler und großbürgerlicher Einwohner vor allem durch Einkommensschwache bestimmt. In dieser Hinsicht hat sich die heutige Friedrichstraße von den engen Wohnstraßen der Vorstadt unterschieden. Mit der Errichtung der Reichsbahnanlagen und der Industrieunternehmen an der Hamburger Straße, der Erklärung der Friedrichstadt zum Fabrikbezirk wurde diese ein ausgesprochenes Arbeiterwohngebiet, in dem auch die Traditionen der Arbeiterbewegung stark gepflegt wurden. Nicht zufällig hatte die später weltbekannt gewordene Dresdner Künstlervereinigung ,,Die Brücke", 1905 von den Architekturstudenten E R I C H H E C K E L , E R N S T L U D W I G K I R C H N E R und K A R L S C H M I D T - R O T T L U F F gegründet, ihr erstes Gemeinschaftsatelier in einem früheren Schuhmacherladen, Berliner Straße 78, nahe am Friedrichstädter Güterbahnhof. Mit ihrer Themenwahl aus der Arbeitervorstadt und ihrer expressionistischen Formensprache protestierte sie bewußt gegen spätbürgerliche Dekadenz und gewann damit zeitweilig führenden Einfluß auf die europäische Kunstentwicklung. Vor allem nach dem ersten Weltkrieg war die organisierte Arbeiterschaft sehr aktiv. Die letzte ihrer Versammlungen im Keglerheim endete mit der Blutnacht vom 25. 1. 1933, bei der 9 Arbeiter ihr Leben verloren. Eine Gedenkanlage an der Stelle des 1945 zerstörten Keglerheims in der Grünanlage Ecke Friedrich-/Weißeritzstraße hält die Erinnerung an das Geschehen aufrecht. Im zweiten Weltkrieg wurden 440 Gebäude Friedrichstadts durch Luftangriffe zerstört, darunter die Matthäuskirche mit der Gruft des Zwingererbauers P Ö P P E L M A N N und das Goethehaus, Friedrichstraße 5. Nach 1945 wurden erhaltbare Wohnungen im Rahmen des Möglichen wiederhergestellt. Schwerpunkte des Aufbaus waren jedoch — unter teil weiser Rekonstruktion und Erweiterung — die lebenswichtigen Verkehrs- und Industrieanlagen. Hierbei sind zu nennen: der V E B Schreibmaschinenwerk Dresden, Hamburger Straße, die Kühlhallen mit Erweiterungsbau, die Markthalle, wiederaufgebaute und neu errichtete Objekte am Hafen und im Schlachthofgelände, der Straßenbahnhof Waltherstraße, die bahntechnischen Anlagen im Verschiebebahnhof und im Güterbahnhof sowie im Reichsbahnausbesserungswerk am Emmerich-Ambroß-Ufer. Dazu kamen noch kleinere gewerbliche Anlagen. Ein weiterer bedeutender Schwerpunkt des Aufbaus waren die ersten Abschnitte der Rekonstruktion des Friedrichstädter Krankenhauses einschließlich mehrerer Erweiterungsbauten. In unmittelbarer Nachbarschaft des Krankenhauses erfolgte eine Reihe von denkmalpflegerischen Maßnahmen: der Wiederaufbau der Matthäuskirche seit 1974; der Auf- und Ausbau des Duckwitzhauses, Friedrichstraße 36, als Kindergarten 1953; Instandsetzungen von Fassaden von Wohnhäusern aus dem 18. Jh. an der Friedrichstraße. Damit wurde die alte Struktur der Friedrichstadt beibehalten und zum Teil in ihren Funktionen noch gestärkt. Ein wesentlicher Wandel trat jedoch hinsichtlich der Erhaltung und Pflege der Wohnbausubstanz des alten Arbeiterwohnviertels ein. 1976 begann die Rekonstruktion des ersten Abschnittes an 106

der Berliner und Vorwerkstraße mit dem Ziel der Modernisierung, also auch der C l Ausstattung mit Bad, WC und Zentralheizung. Die hier gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse sind als Beispiel ausgewertet und zum Teil schon für die Altbausanierung anderer Stadtteile und Städte in der D D R genutzt worden. Durch die wesentliche Erhöhung des Komforts gewannen die neugestalteten Straßenzüge einen verbesserten Wohnwert gegenüber denen der einstmaligen grauen Friedrichstadt.

Industriegasse des Südwestens

C2

Die Weißeritz und der an der Biedermannstraße von ihr abgeleitete Weißeritzmühlgraben (s. B 3) haben schon frühzeitig Gewerbe auf der Basis der Wasserkraft an sich gezogen. Als im 19. Jh. die Dampfkraft die Technik zu beherrschen begann und die Steinkohle (s. B 3) wichtiger Energieträger geworden war, erhielt der SW der Stadt kräftige Entwicklungsimpulse. Voraussetzung für die Industrialisierung war der Ausbau der Transportwege. Zwischen den Wohnvierteln der Wilsdruffer Vorstadt, der Südvorstadt, der Friedrichstadt und Löbtaus bildete sich, überwältigt vom Einfluß der Standortvorteile, ein von Verkehrsanlagen der Reichsbahn und von Industriebetrieben beherrschter Stadtteil von besonderer Eigenart heraus. Unter der Bezeichnung Albertbahn hatte eine Aktiengesellschaft 1853, also nach Fertigstellung der Böhmischen Bahn (s. C 3) und des späteren Hauptbahnhofs, begonnen, eine Eisenbahnstrecke Tharandt — Dresden mit dem besonderen Ziel zu errichten, die Kohlenschätze des Freitaler Reviers der Stadt Dresden und der Verschiffung auf der Elbe leicht zugänglich zu machen. 1855 wurde die Bahnlinie, die dann später bis ins Vogtland verlängert wurde, in Betrieb genommen. 1868 ging sie in Staatsbesitz über, der bisherige Endbahnhof an der Kunadstraße wurde Güterbahnhof. Von der Albertbahn zweigte die sogenannte Kohlenbahn ab. Ihr Endpunkt war der Kohlenbahnhof nordwestlich der Freiberger Straße; Anschlußgleise führten von da bis an die Elbe weiter, wo sowohl westlich wie östlich der Marienbrücke Ausschiffungsplätze vorhanden waren. Neben die umfangreichen Gleisanlagen der Eisenbahn trat die Industrie, die an der Rosenstraße einen traditionellen Schwerpunkt hatte und an der Fabrikstraße in den neunziger Jahren mit der vormals Siemensschen Glasfabrik einen ihrer größten Betriebe in Dresden aufwies. Wichtig war auch die Lage am Stadtrand, wo sich in der Regel extensive flächenbeanspruchende Einrichtungen niederließen, wie solche der Lagerwirtschaft und des Fuhrwesens. Die Lagerplätze des Kohlehandels behielten ihre Funktion auch bei, als die Steinkohlenvorräte des Freitaler Reviers erschöpft waren. Von der Fernverkehrsstraße nach Freiberg durchzogen, tritt in der Industriegasse die Wohnbebauung zurück. Sie beschränkt sich auf den Löbtauer Anteil nahe dem Willi-Ermer-Platz. Neben den nüchternen, oft mit Mansarden ausgestatteten Mietskasernen mit Stallungen und anderen Nebengebäuden im Hofraum muß der Baublock zwischen Saxoniastraße und Willi-Ermer-Platz 107

C 2 hervorgehoben werden, 1910 vom Dresdner Spar- und Bau-Verein geschaffen, einer der ersten Zeugen genossenschaftlichen Wohnungsbaus. Die ehemalige Nossener Brücke über das Bahngelände wurde 1960 — 64 als Brücke der Jugend mit einer Breite von 26,5 m neu aufgebaut. Dicht neben ihr entstand 1961 — 66 ein modernes Heizkraftwerk, das als Kompaktbau errichtet wurde und stündlich 625 t Dampf und 100000 MW Elektroenergie erzeugt. Zur Vermeidung von Staubbelästigungen sind die 140 m hohen Schornsteine mit Elektrofiltern ausgerüstet. Der Impuls zur Anlage von Industriewerken ergriff auch den Westrand der Südvorstadt. Zwischen der F.-C.-Weiskopf-Straße (früher Chemnitzer Straße) und dem Bahngelände entstand ein breites Band von Industriebetrieben, das sich südlich an die alten am Weißeritzlauf befindlichen Fabriken auf Plauener Flur anschloß. Auffällig war die Vielseitigkeit der Produktionsrichtungen, die sich hier vereinigt hatten. Der Bombenkrieg 1945 hat allerdings erhebliche Lücken entstehen lassen. Noch vor der Industrialisierung, die durch das Ortsgesetz von 1878 sanktioniert wurde, war 1848 an der ehemaligen Chemnitzer Straße im freien Gelände vor der Stadt der A l t e A n n e n f r i e d h o f angelegt worden. Zu den ersten hier bestatteten Toten gehörten auch die durch einen Obelisken in der Mitte des Friedhofs geehrten Opfer der Revolutionskämpfe im Mai 1849. A n bekannten Persönlichkeiten sind hier bestattet der Maler J U L I U S S C H N O R R V O N C A R O L S F E L D (1794—1872), die Schauspieler E M I L D E V R I E N T (1803 — 72) und B O G U M I L D A W I S O N (1818 — 72), das Mitglied der Provisorischen Regierung von 1849 L E O N H A R D H E U B N E R (1812—93), der Oberbürgermeister A L F R E D S T Ü B E L (1827 bis 1895), der Geologe B R U N O G E I N I T Z (1814 — 1900), der Erbauer derGöltzschtalbrücke R . W I L K E ( 804 — 89). Die Ausweitungen nach O waren zunächst durch den alten Lauf der Weißeritz begrenzt. Erst nach deren Verlegung entstanden hier auf Friedrichstädter Flur städtische Einrichtungen, unter anderem an der Roßthaler Straße der Kohlenlagerplatz für das Kraftwerk Mitte an der Schweriner Straße.

C 3 Südvorstadt Bis in die Mitte des 19. Jh. blieb der S der Dresdner Flur zwischen heutiger F.-C.-Weiskopf-Straße und Strehlen fast unbesiedelt. Das Dorf Boskau (1315 Boscoü = aso. Dorf des Boiek, nördlich des jetzigen Beutlerparks) unter dem Bornberg im Ostteil lag schon 1449 wüst. Auch hatte die Stadt das Vorwerk Auswick (1350 Uzmik, zu aso. usmyk — Stelle, wo man in ein Tal schlüpft) in der Nähe der Münchner Straße schon früh an sich gezogen. Das Gelände steigt südwärts an. Die anstehenden pleistozänen Ablagerungen, Grundmoränen und Schotter aus der Elsterkaltzeit und ein schmales Band von Terrassenschottern aus der Saalekaltzeit, etwa im Zuge des Zelleschen Weges, sind meist von einer Lößlehmdecke verhüllt. Nur wenige Wege durchquerten das Gelände, darunter der alte Zellesche Weg, den die Altenzeller Mönche gern benutzten, da sie ihre Besitztümer in Leubnitz (s. N 6) erreichen konnten, ohne das Weichbild Dresdens zu berühren. Im N, nahe der späteren Eisenbahnlinie, 108

führte der Kälberweg, wohl wegen der Viehtransporte so genannt, im Zuge der C 3 heutigen Strehlener Straße nach Strehlen. 1836 wurde im Bereich der heutigen Budapester Straße 24 die Blindenanstalt, ein Jahr später daneben die Gehörlosenschule gegründet. Die 1879 erweiterte Gehörlosenschule (Taubstummenanstalt) wie die seit 1910 als Schwerhörigenschule genutzte Blindenanstalt wurden 1945 völlig zerstört. 1841 erfolgte die Anlage der neuen Dippoldiswalder Straße, 1855 Bergstraße genannt, an der ein Einnehmerhaus am heutigen Fritz-Foerster-Platz stand. Nahe der Blindenanstalt hatten sich wohlhabende Dresdner die ersten Villen des Schweizer Viertels — genannt nach der vielbesuchten Gastwirtschaft Zum Schweizerhäuschen und der 1856 angelegten Schweizerstraße — gebaut. Im Preußisch-Österreichischen Krieg 1866 warfen die Preußen im SO am Bornberg eine Schanze auf, aus der eine Parkanlage, der Schanzenpark, später Beutlerpark bezeichnet, hervorging. Die Prager Straße, die ursprünglich nur bis zum Böhmischen Bahnhof führen sollte, wurde 1868 über die Eisenbahn hinaus verlängert und 1871 Reichsstraße genannt. Sie heißt jetzt Juri-Gagarin-Straße. Die Böhmische Eisenbahn war 1848 — 52 entstanden. Der erste Bahnhof war ein Fachwerkbau, seine Gastwirtschaft mit ihren Gartenkonzerten ein beliebtes Ausflugsziel. 1864 wurde ein Steinbau im italienischen Renaissancestil aufgeführt. 1892 begann man, die Gleise am Bahnhof höher, am Hahnebergeinschnitt aber tiefer zu legen und den Böhmischen Bahnhof nach dem Vorbild des Gare du Nord in Paris zum Hauptbahnhof auszubauen. Jetzt war auch eine Unterführung zwischen Prager und Juri-Gagarin-Straße möglich. Von Winckelmann- bis Franklinstraße und von der Strehlener bis zur Reichenbachstraße entstand in einförmiger Bauweise ein Wohnviertel mit rechtwinklig sich schneidenden Straßen. In der Nähe des Hauptbahnhofs siedelten sich mehrere Hotels und Pensionen an, die auch viele Ausländer beherbergten. Für diese errichtete man 1872 — 74 die Russisch-orthodoxe Kirche, die heute völlig wiederhergestellt ist, während die Amerikanische Kirche (1884) an der Bergstraße wie auch die Englische Kirche an der Wiener Straße nicht wieder aus den Trümmern erstanden sind. 1875 hatte die Technische Hochschule an der JuriGagarin-Straße (Reichsstraße) zwischen Lindenau- und Schnorrstraße ein neues Gebäude erhalten. Bis zur Reichenbachstraße führte seit 1883 eine Pferdebahn. Als diese 1896 auf elektrischen Betrieb umgestellt wurde, mußte sie hier ohne Oberleitung, nur mit Akkumulatoren, fahren, um Störungen der Apparaturen der Hochschule zu vermeiden. Den Westteil zwischen Eisenstuckstraße und Plauen bzw. Räcknitz schloß die Dresdner Baugesellschaft, nachdem erst 1899 der Bebauungsplan für die 30 m breite Nürnberger und die 40 m breite Münchner Straße genehmigt worden war. Einzel- und Gruppenhäuser mit herrschaftlichen Großwohnungen herrschten vor; denn dieser Stadtteil wurde bevorzugter Wohnsitz des gehobenen Bürgertums. Nach dem ersten Weltkrieg griffen die Wohnsiedlungen auf den Hang nach Räcknitz über, wo besonders Einzelhäuser in Gärten errichtet wurden, während nach Plauen zu (zwischen Münchner und Nöthnitzer Straße) ein Bauverein Reihenhäuser erstellte. Es verblieben jedoch noch Freiflächen für größere Baukomplexe. Außer der Technischen Hochschule sind die Justizbehörden mit dem Komplex des Ober109

C 3 landesgerichtes (1902 — 07) am Münchner, dem heutigen Salvador-Allende-Platz, und die Gebäude der Kirchenverwaltung um die Lukaskirche (1903 fertig) zu nennen. Die Kirche selbst ist nach schweren Beschädigungen durch die Bomben nach 1945 wieder ausgebaut worden und dient heute wegen ihrer hervorragenden akustischen Möglichkeiten für Schallplattenaufnahmen. An ihrer Außenmauer befindet sich ein Steinkreuz. Die Bomben des 13./14. 2. 1945 ließen hinter dem Hauptbahnhof bis zur Reichenbach- und Nürnberger Straße nicht viel übrig. Insbesondere das dicht bebaute und geschlossene Wohnviertel zwischen Strehlener und Reichenbachstraße war völlig zerstört. Ein einziges Haus an der Rabener Straße überstand den Feuersturm. Merkwürdigerweise blieb auch die beliebte Frauenfigur des Brunnens von G E O R G W R B A am Bayrischen, dem heutigen Friedrich-List-Platz, unbeschädigt. Die nach Räcknitz und Plauen zu gelegenen Teile der Vorstadt waren nur teilweise geschädigt. Der Wiederaufbau vollzog sich unter mehreren städtebaulichen Zielsetzungen: 1. Rekonstruktion und beträchtliche Erweiterung der Technischen Hochschule, seit 1. 10. 1961 Technische Universität, sowie der Hochschule für Verkehrswesen. Die Südvorstadt sollte den Charakter des Hochschulviertels annehmen (Abb. 26). 2. Errichtung umfangreicher Wohnbauten zwischen Hauptbahnhof und Nürnberger Straße; 3. Ausbau des Zelleschen Weges zu einer leistungsfähigen Verbindungsstraße zwischen Pirna und Meißen unter Umgehung des Stadtzentrums. Die erste Aufgabe schloß an die Entwicklung der Technischen Hochschule an, die mangels guter Erweiterungsmöglichkeiten bereits vor dem ersten Weltkrieg am Hang zwischen George-Bähr- und Mommsenstraße Neuland besetzt hatte. Hier steht der Beyer-Bau — die meisten Gebäude der T e c h n i s c h e n U n i v e r s i t ä t wurden nach hervorragenden Technikern benannt —, mit seiner 40 m hohen Kuppel für das Fernrohr der geodätischen Astronomie das Wahrzeichen der Technischen Hochschule (Bild 45), die mit Stolz auf eine bemerkenswerte Entwicklung zurückblicken kann. 1828 in bescheidenem Umfang im Pavillon auf der Brühischen Terrasse (s. A 5) als Technische Bildungsanstalt eröffnet, 1847 am Antonsplatz (an der jetzigen Wallstraße) mit einer größeren Unterkunft ausgestattet, die sich für die 1852 zum Polytechnikum erhobene Anstalt bald wieder als zu eng erwies, bezog sie 1875 endlich repräsentative Gebäude am Friedrich-List-Platz hinter dem Hauptbahnhof. Sie trug wesentlich zu Dresdens Ruf als Wissenschaftszentrum bei, wurde 1890 zur Technischen Hochschule erhoben und 1900 mit dem Promotionsrecht ausgestattet. 1898 erhielt sie am Räcknitzer Hang ein 12 ha großes Gelände für die Erweiterungsbauten zugewiesen. Zunächst entstanden 1900 — 05 an der Helmholtzstraße (Ostseite) mehrere Institute, sehr einfache Rohziegelb a u t e n , v o n d e m A r c h i t e k t e n K A R L WEISSBACH g e s t a l t e t .

Später entwarf MARTIN DÜLFER einen Gesamtplan mit dem Schwergewicht am Fritz-Foerster-Platz. 1910—13 errichtete er das Bauingenieurgebäude (Beyer-Bau). Nach dem ersten Weltkrieg setzte er sein W e r k mit der 1926 fertiggestellten hufeisenförmigen Anlage des Chemischen Instituts fort. 1925 ließ das Studentenwerk durch den Stadtbaurat P A U L W O L F das Studentenhaus 110

an der Mommsenstraße bauen. 1928 entstand die Hochspannungshalle, 1953 C 3 nach L U D W I G B I N D E R benannt. 1930 wurde das Hauptgebäude der Mechanischen Abteilung zum Zeuner-Bau erweitert, 1937 — 40 das Institut für Kraftfahr- und Flugwesen errichtet. 1945 waren die Gebäude der Technischen Hochschule zu 85% zerstört, noch 13000 m 2 von 100000 m 2 Nutzfläche brauchbar. A m 1. 10. 1946 begann jedoch bereits wieder, zunächst an drei Fakultäten mit 450 Studierenden, der Lehrbetrieb. In den folgenden Jahren entwickelte sich die Hochschule weit über ihre Bedeutung vor 1945 hinaus. 1975 betrug die Anzahl der Studierenden etwa 18000, darunter 11000 Direktstudenten, und die der Hochschullehrer und wissenschaftlichen Mitarbeiter 2 700 in 62 Fachrichtungen an 22 Sektionen. Die Bildungsund Forschungsstätte nahm immer engere Verbindungen zur Produktion auf und wurde zu einem Zentrum internationaler Zusammenarbeit sowie zum Tagungsort internationaler Kongresse und Veranstaltungen. Diesem inneren Wachstum an Lehr- und Forschungstätigkeit entspricht auch die territoriale Erweiterung der Technischen Universität (Abb. 26). A u f b a u und Rekonstruktion begannen zunächst im alten Geviert zwischen George-BährStraße und Mommsenstraße. Neubauten an der Hettnerstraße (von der Hochschule für Verkehrswesen genutzt), auf der Westseite der Helmholtzstraße (Merkel- und Barkhausen-Bau, Bild 46) und an der Nöthnitzer Straße, die Erweiterung des ehemaligen Studentenhauses an der Mommsenstraße zum Rektoratsgebäude mit anschließendem Mensatrakt und Festsaal an der Dülferstraße blieben noch im Bereich des alten Hochschulgeländes, jedoch trat eine wesentliche Erweiterung in der West-Ost-Richtung auf. Symbolhafte Bedeutung kommt der Einbeziehung des ehemaligen Gerichtskomplexes am Salvador-Allende-Platz in die Universität zu: Die einst berüchtigte Stätte der Nazijustiz wurde zu einer Stätte der Lehre und Forschung (Abb. 26). Das Gerichtsgebäude dient vor allem als Lehrgebäude, während der ehemalige Kreuzbau des Gefängnisses, dessen Zellen durch Zusammenlegung und Vergrößerung der Fenster zu Arbeitsräumen umgestaltet wurden, vorwiegend Einrichtungen der Sektionen, beispielsweise Architektur und Geodäsie/ Kartographie, enthält. In dem früheren Gefängnishof, 1939 — 45 Hinrichtungsstätte von 1069 Widerstandskämpfern, wurde eine Gedenkstätte geschaffen. Sie zeigt 6 Todeszellen in unverändertem Zustand, eine Steinplatte an der Stelle des Richtblocks sowie eine ergreifende Bronzeplastik, die fünf vor der Hinrichtung stehende Antifaschisten darstellt. Die bedeutendste Erweiterung erfuhr das Hochschulgelände am Zelleschen W e g in östlicher Richtung. Hier entstand, 1979/80 durch einen K o p f b a u für die Mensa an der Bergstraße ergänzt, südlich des Zelleschen Weges der neue Komplex für Mathematik und Physik, dem ein Hörsaalgebäude zugeordnet ist. A n dessen Stirnseite ist eine große astronomische Uhr angebracht, die mehrere astronomische Daten anzeigt, östlich anschließend folgt der Hochschulsportplatz, eine Erweiterung des Anfang der dreißiger Jahre von Studenten in freiwilliger Arbeit geschaffenen alten Sportplatzes. In seinem Hinterland sind Institute der Akademie der Wissenschaften der D D R angesiedelt. Die freie Fläche, die zur Räcknitzer Flur gehört, hat einen Versuchsbau der Bauingenieure 111

Abb. 26. Hochschulviertel der Technischen Universität und Hochschule für Verkehrswesen (Entwurf J . B I E L E R ) 1 Georg-Schumann-Bau mit Mahnund Gedenkstätte

13

Königbau

14

Fritz-Foerster-Ban

2 Zeunerbau

15

Universitätsbibliothek

3 Mollierbau

16

R e k t o r a t und Mensa

4 Beyerbau

17

Willersbau

5 Merkelbau

17 a Physikbau

6 Berndtbau

1 7 b Neue Mensa

7 Kutzbachbau

18

Andreas-Schubert-Bau

8 Neufferbau

19

Drudebau

9 Barkhausenbau

20

Sportanlagen der T U

10 Görgesbau

21

Studentenwohnheime

11 Toepler- und Binderbau

22

Gebäudekomplex Weberplatz

12 Erich-Müller-Bau

23

Gebäudekomplex Landtechnik

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aufgenommen. Das folgende Forschungsinstitut? für Holztechnologie gehört C 3 als Industrie-Institut nicht zur Technischen Universität, wohl aber der gegenüberstehende Andreas-Schubert-Bau, der Anfang der sechziger Jahre für die Kerntechnik entstand. Durch ältere Villenbebauung und neuere mehrgeschossige Wohnbauten beiderseits der Ackermann-/Paradiesstraße getrennt, folgt dann der Drude-Bau für die biologischen Fachrichtungen, unter besonderer Betonung der Hydrobiologie, die wegen ihrer engen Verbindung zur Wasserwirtschaft in die Sektion Wasserwesen eingegliedert ist. Auf der Nordseite des Zelleschen Weges schließt sich ein neuerer Teil der Technischen Universität an. Sein Mittelpunkt ist das Gebäude am Weberplatz, aufgebaut aus der Ruine des ehemaligen Lehrerseminars Dresden-Strehlen (s. M 1). Nach dem zweiten Weltkrieg fand hier die Arbeiter- und Bauernfakultät (ABF) Unterkunft, an der jungen Menschen die bis dahin vorenthaltenen Möglichkeiten der Schulbildung bis zur Hochschulreife gegeben wurden. Die Unterkünfte für die Studierenden waren in den bescheidenen Häuschen im Zwickel zwischen Teplitzer Straße und Zelleschem Weg gelegen. Daneben entstanden 5 Wohnhochhäuser als Studentenunterkünfte, nachdem die Aufgaben der A B F erfüllt waren und das Gebäude am Weberplatz der Sektion Kulturwissenschaften übergeben worden war. Von der Technischen Hochschule abgezweigt, wurden 1952 die verkehrstechnischen Fachrichtungen zur Basis der Hochschule für Verkehrswesen Friedrich List. Während die Westseite der Juri-Gagarin-Straße durch 2 Studentenwohnhäuser bestimmt wird, erhielt die östlich parallel verlaufende Hochschulstraße ihren Charakter durch die Neubauten der Verkehrshochschule und deren Mensa nahe der Reichenbachstraße. Auf dem freien Platz zwischen Strehlener und Reichenbachstraße haben sich Nebenbauten der Verkehrshochschule und ein Verwaltungsbau des Baukombinats Dresden niedergelassen. Eine städtebaulich geschlossene Form gewinnt die Südvorstadt jedoch erst wieder am Ernst-Thälmann-Platz durch die Ingenieurschule für Verkehrstechnik und durch das Interhotel Astoria, das aus dem Wiederaufbau der ausgebrannten Städtischen Jugendherberge entstanden ist und als eines der ersten Dresdner Hotels nach der Zerstörung Bedeutung hatte. Der umfangreiche Wohnungsbau in der Südvorstadt begann 1953/54 a n der Nürnberger Straße, einem günstigen Standort für die Arbeiter des damaligen Wismut-Bergbaus. Nach und nach wurden alle total- und teilzerstörten Flächen in meist traditioneller Ziegelbauweise bebaut. An der Nürnberger Straße entstand ein kleines örtliches Zentrum mit Läden und der Gaststätte Nürnberger Ei. Durch die Errichtung der Brücke der Jugend wurde der äußere Tangentenring möglich, eine Umgehungsstraße, die den mehrspurigen Ausbau des Zelleschen Weges erforderlich machte und Anschluß an den inneren Ring über die sogenannte Hochstraße gefunden hat.

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C 4 Großer Garten Im SO erfährt der Kranz der Vorstädte eine Unterbrechung durch die Parkanlage des Großen Gartens (Abb. 27). Seit dem Ende des 16. Jh. begannen Hof und Adel, sich vor den Stadtmauern Lustgärten zu schaffen. So entstanden der ehemalige Pomeranzengarten (1591) an der Ostra-Allee, der Türkische Garten (seit 1668) an der Reitbahnstraße, der Rechenbergsche Garten (vor 1653) an der Bürgerwiese, heute Blüherpark, und schließlich der Große Garten. E r wurde seit 1676 für den Kurprinzen, den späteren J O H A N N G E O R G III., auf Feldern Strehlener, Grunaer und Striesener Bauern angelegt. Zuerst stellte er ein Quadrat von 700 Ellen Seitenlänge dar, nicht viel mehr als das Gelände um das Palais. Der Garten sollte dann wesentlich erweitert werden (etwa 2 km mal 2 km), aber aufgrund dringender Klagen der betroffenen Bauern wurde ein kleineres Quadrat von knapp 1 km Seitenlänge geschaffen, das durch Verlängerungen längs der Hauptallee Kreuzform annahm, die so bis 1861 blieb. Die erste Einteilung des Gartens nahm (bis 1683) M A R X I N G Ö T T L E R vor. E r ließ nach den Grundsätzen der Waldvermessung des Leipziger Professors J O H A N N E S H U M E L I U S von einer Lichtung im Mittelpunkt 8 Wege strahlenförmig ausgehen. Fast zu gleicher Zeit entstand seit 1678 auch das frühbarocke Palais. Ebenfalls von J. G. S T A R C K E stammen auch 8 quadratische Kavalierhäuser zu beiden Seiten des Palais, von 1684—94 als Spiel- und Erfrischungsräume für die Hofgesellschaft errichtet. Die Umgestaltung des Gartens in barockem Sinne führte der spätere Oberlandbaumeister J O H A N N F R I E D R I C H K A R C H E R durch. E r beseitigte die Sternwege und schuf nach Art des französischen Gartenkünstlers A N D R É L E N Ô T R E , dessen Versailler Garten er 1714 besichtigte, eine Anlage mit dem Palais (Bild 34) und einem schmalen Blumenparterre im Mittelpunkt, davor einen ebenen Platz für Ringrennen, Bauernwirtschaften und andere Vergnügungen, dahinter ein großes Wasserbecken. Im Garten entstanden schnurgerade Alleen (Abb. 27), gestutzte Hecken, durch hohe Heckenwände abgeschlossene Spielgärten, eine Orangerie, ein Labyrinth, ein Naturtheater, und über 150 Marmorstatuen und Riesenvasen fanden ihren Platz. A U G U S T D E R S T A R K E ließ 1698 den Garten über die alte Pirnaische Landstraße, die etwas nördlich der Herkulesallee (Steinkreuz am Friedrich-Bouché-Weg beim Dahliengarten) verlief, hinausrücken und eine neue Straße nach Pirna anlegen, die heutige Stübelallee. Sie erhielt aber erst 1897 —1901 ihre heutige Breite. 1715 entstand der Palaisteich, 1716 verlegte man die Fasanerie vom Ostravorwerk und vom Neudorfer Elbwerder in den Großen Garten. Für die 1716 erweiterte Fasanenzucht wurden Strauchdickichte, Fasanengräben, Schießgänge, Futtergärten und ein Fasanenwärterhaus angelegt. Zum Schutz der Fasanen vor Mardern und anderem Raubwild umgab man den Großen Garten, der vorher nur eingezäunt war, 1718 mit einer 21/2 m hohen Mauer, die zugleich das Betreten des Gartens durch die Bevölkerung verhinderte. Nur „Personen von Kondition, nicht aber Tagelöhner, Musketiere und Weibspersonen von dergleichen S t a n d " fanden noch Zutritt. Ein Bierausschank, der den Torwärtern zur Aufbesserung ihres geringen Einkommens gestattet war, wurde an Sonntagen von allen Einwohnerkreisen besucht. 114

Abb. 27. Volkspark Großer Garten (aus Unterstützung des Y E B Tourist Verlag)

WOTTE/HOYER

1978, mit freundlicher

Der Große Garten wurde Schauplatz glänzender Hoffeste, unter denen das Venusfest zur Vermählung des Kurprinzen mit der österreichischen Prinzessin J O S E F A am 23. September 1 7 1 9 hervorzuheben ist. Für eine Schlittenfahrt zum Karneval 1721 mußten die Bauern den Schnee heranfahren. 1730 wurde in 4 der Kavalierhäuser die Antikensammlung aufgestellt, durch die J O H A N N J O A C H I M W I N C K E L M A N N (s. N 8 ) , der Bibliothekar zu Nöthnitz, die Anregung zu seiner „Geschichte der Kunst des Altertums" (1764) fand. Im Dezember 1745, als während der Schlacht bei Kesselsdorf das Hauptquartier der Österreicher in der Grünen Wiese (s. L i ) , dem späteren Rothermundpark, lag, erlitt der Große Garten schweren Schaden. Im Siebenjährigen Krieg fanden Kämpfe im Großen Garten statt. Die Preußen fällten 610 der stärksten Linden in den Alleen, deckten das Kupferdach des Palais ab, zertrümmerten zahlreiche Bildwerke oder entführten sie nach Sanssouci. Nach dem Krieg stellte der Oberlandbaumeister J U L I U S H E I N R I C H S C H W A R Z E den Park in kurzer Zeit wieder her, aber nunmehr im englischen Stil. Seit 1764 standen die Anlagen außerhalb der Fasanengehege auch dem Bürgertum offen. In der Schlacht bei Dresden im August 1 8 1 3 war der Große Garten wieder Kampfplatz. Die Verwüstungen waren so schwer, daß der russische Generalgouverneur N I K O L A U S V O N R E P N I N eine besondere Behörde einsetzte, die die Anlagen — zum größten Teil im Frondienst — wiederherstellen ließ. Die zerstörte Mauer wurde ganz abgetragen, ihre Steine blieben den Bauern von Gruna und Striesen zum Aufbau ihrer niedergebrannten Gehöfte überlassen. Als die Fasanenzucht 1 8 1 5 aufgehoben wurde, entstand aus dem Haus des Fasanen115

Wärters die Große Wirtschaft. A u c h die Torhäuser wandelte m a n in Gaststätten um. Der Hofgärtner J O H A N N G O T T H E L F H Ü B L E R schuf aus dem Ringrennenund Spielplatz vor dem Palais das große Rasen- und Blumenparterre. Südlich der Hauptallee wurde eine Obstbaumschule angelegt. Der K a t a l o g von 1819 weist unter anderen 225 Sorten Apfel-, 132 Sorten Birn- und 91 Sorten Kirschbäume auf. B e i der Besetzung Dresdens 1866 fällten die Preußen die meisten Obstbäume z u m B a u einer Schanze am heutigen Fucikplatz. I m Großen Garten, jetzt unter der V e r w a l t u n g des Forstrentamtes, fällten Waldarbeiter die B ä u m e ohne R ü c k sicht auf die Parkgestaltung. U m die Erträgnisse zu erhöhen, wurden neue Schankstätten eröffnet und die 8 Pavillons um das Palais zu Wohnungen für Sommergäste ausgebaut. Der Fischfang und die Eisbahn des Palaisteiches wurden verpachtet, Erwerbsgärtner kauften die Laubstreu. 1873 wurde ein junger Obergärtner als Leiter des verwahrlosten Königlichen Großen Gartens eingestellt, F R I E D R I C H B O U C H E , der bis zu seinem E i n t r i t t in den Ruhestand 1922 den Garten erneuerte und erweiterte. E r zog 1878 Strehlener Felder im SO z u m Großen Garten und schuf 1881 — 86 aus den Kiesgruben an der K r ä h e n h ü t t e den Carolasee (Bild 35), 1880 gab der Durchbruch der Grunaer Straße dem Garten die längst erwünschte günstige Verbindung zur Innenstadt. A l s 1885 auf den Feldern an der Grunaer Straße das 6. Deutsche Turnfest stattfand, tauchte bei der Stadtverwaltung der Gedanke auf, ein ständiges Ausstellungsgebäude auf diesem Gelände zu errichten, das 1896 eingeweiht wurde. Hier f a n d 1911 die in aller W e l t beachtete Internationale Hygieneausstellung statt. 1890—97 gelang es, 15 ha Grunaer Wiesen, die sich in den Händen einer privaten Baugesellschaft befanden, zu erwerben und z u m P a r k auszugestalten. 1894 legte BOUCHE darin den Neuteich an. Nunmehr besaß der Große Garten anstelle seiner alten Kreuzform die heutige Gestalt von nahezu einem Rechteck. Die L ä n g e beträgt 1900 m, die Breite 1000 m, an der Karcherallee 900 m. Seine Fläche m i ß t damit fast 2 km 2 und bildet eine Ebene in 113 m ü. N N . D a s Gebiet des Carolasees und des Kaitzbaches ist einem alten Elblauf zuzuordnen und e t w a um 1 m eingetieft. Dieser Elblauf erstreckte sich von Seidnitz her unter dem N a m e n Seegraben zwischen Herkules- und Winterbergstraße und setzte sich unterhalb des Großen Gartens im Verlauf der Bürgerwiese fort. Heute wird er v o n der Querallee an v o m K a i t z b a c h durchflössen. Teile des Großen Gartens dienen besonderen öffentlichen Anliegen: als Zoologischer Garten und als Botanischer Garten. A l s nach dem ersten Bombenangriff am 13. 2. 1945 Zehntausende verzweifelter Menschen aus der brennenden S t a d t im Großen Garten Zuflucht gesucht hatten, warf die zweite Welle der Bomber ihre Phosphorkanister und B o m b e n über d e m dunklen Viereck ab und verwüstete den Park. Zahllose Menschen fanden den Tod. Die historischen Bauwerke, wie das Palais, die Kavalierhäuser, die Torhäuser, auch die meisten Gaststätten sanken in Schutt und A s c h e ; vernichtet wurden die Gebäude, Gewächshäuser und Freilandkulturen des Botanischen Gartens ebenso wie die B a u t e n und Tiergehege des Zoologischen Gartens mit nahezu dem gesamten Tierbestand. B a l d nach Kriegsende wurde begonnen, die einmalige Parkanlage aufzuräumen und wieder nutzbar zu machen. Noch waren in den ersten Jahren nach 1945 116

Teilflächen als „Grabeland" bestellt, um so die komplizierten Ernährungspro- C 4 bleme mit lösen zu helfen. Unter schwierigen Umständen wurden am Palais unter Leitung des Instituts für Denkmalpflege zunächst Sicherungsarbeiten, seit 1954 Wiederaufbauarbeiten durchgeführt. Von den Kavalierhäusern wurden 5 wieder errichtet, bei den 3 übrigen und einigen der ehemaligen Gaststätten war ein Wiederaufbau unmöglich. Jedoch wurden die Gaststätte Carolaschlößchen sowie eine Sommergaststätte neben dem Palaisteich in Betrieb genommen. Die Bombentrichter wurden verfüllt, die Wege instand gesetzt, wobei die Dresdner Bevölkerung in großem Umfang freiwillige Hilfe leistete. Das natürliche Wachstum, durch sorgsame Pflege und Ersatzpflanzungen unterstützt, läßt heute nichts mehr von der Verwüstung des Baumbestandes erkennen. Nach 1950 begann die Umwandlung des Großen Gartens in einen Kulturpark. Neue Anlagen entstanden, so in unmittelbarer Nähe des Palais der Dahliengarten und der Staudengarten, Kinderspielplätze und Sportanlagen. A m 1. 6. 1950, dem ersten Internationalen Tag des Kindes, wurde der Betrieb der Pioniereisenbahn aufgenommen, die als weitere Bereicherung der Erholung und zugleich der vorberuflichen Ausbildung der Jungen Pioniere dient. Die Anlage erstreckt sich mit 5,6 km Länge und 5 Bahnhöfen über den südlichen Teil des Volksparks. 1954/55 wurde nahe der ehemaligen Pikardie, einer alten Gaststätte am Südostausgang der Hauptallee, unter Nutzung einer alten Kiesgrube das Freilichttheater Junge Garde erbaut, dessen Architektur sich an Vorbilder des Barocks anlehnt. Die in Art eines Amphitheaters ansteigenden Sitzreihen bieten 5000 Zuschauern Platz. 1955 wurde an der Herkulesallee auch das Freilichtpuppentheater Sonnenhäusl mit etwa 350 Zuschauerplätzen eröffnet. Auf dem beräumten Gelände der früheren Ausstellung, wo die Pioniereisenbahn Anfang und Ende findet, sind häufig Volksbelustigungen organisiert. Hier findet auch das alte Dresdner Volksfest, die V o g e l w i e s e , statt. Vor dem zweiten Weltkrieg wurde sie am Johannstädter Elbufer abgehalten. Das überschwemmungsgefährdete Gelände dort wurde nach 1945 durch Trümmerschutt aufgefüllt. Die Ausstellungstradition weiterführend, entstand ferner 1969 eine 100 m lange, stützenfreie Doppelhalle, der 1,3 ha Fläche für Freiraumausstellungen vorgelagert ist. Zoologischer Garten Ein 1955 im Zoologischen Garten errichteter Gedenkstein trägt die Inschrift: ,,Zur Erinnerung an die Gründung des Dresdner Geflügelzüchtervereins 1855, aus dem der Zoologische Garten hervorging." Ausstellungen von Vögeln und Säugetieren, die dieser Verein an der heutigen Maxstraße zeigte, waren der Anlaß zur Gründung eines Aktienvereins, der am 9. 5. 1861 mit 39 Säugetieren und 184 Vögeln den Zoologischen Garten eröffnete. A L B I N S C H O E P F , ein Apotheker, war sein erster Direktor. Zu den anfänglichen großen Erwerbungen gehörte ein Elefant. Die ersten bedeutenden Erfolge gelangen bei der Zucht von Löwen und Tigern. Der folgende Direktor, S C H O E P F S Sohn A D O L P H , brachte die ersten Menschenaffen (Orang-Utan) nach Dresden. Hier gelang unter Direktor 9

Dresden

117

C 4 GUSTAV BRANDES in den zwanziger Jahren z u m ersten Male die A u f z u c h t eines O r a n g - U t a n s in einem Zoo. D e r völlig vernichtete Zoo öffnete bereits 1946 wieder seine Pforten, w e n n a u c h m i t einem B e s t a n d v o n nur wenigen Tieren. Schritt f ü r Schritt wurden Freiflächen und Gehege wieder hergestellt und neue angelegt. 1950/51 w u r d e n die E i n g a n g s g e b ä u d e in B e t r i e b genommen, A q u a r i u m , A f f e n h a u s und R a u b t i e r haus, viele weitere G e b ä u d e f ü r Tierhaltung und B e w i r t s c h a f t u n g sowie ein Café entstanden. Zahlreiche Plastiken m i t T i e r m o t i v e n wurden aufgestellt. 1976 w a r der B e s t a n d auf 2 870 Tiere angewachsen. So ist der Dresdner Zoo heute wieder zu einem interessanten und g u t gestalteten A n z i e h u n g s p u n k t f ü r Einheimische und Touristen — 1976 w u r d e n l 1 ^ Millionen Besucher, darunter 7 000 Ausländer, gezählt — sowie einer S t ä t t e wissenschaftlicher A r b e i t geworden.

Botanischer Garten Dresden besaß einen Botanischen G a r t e n seit 1820. E r w a r für die Z w e c k e der Chirurgisch-Medizinischen A k a d e m i e (damals i m K u r l ä n d e r Palais) auf d e m P l a t z der ehemaligen B a s t i o n Mars gegenüber d e m heutigen Volkspolizeikreisa m t Schießgasse durch Professor LUDWIG REICHENBACH, den H o f g ä r t n e r CARL ADOLF TERSCHECK und dessen B r u d e r angelegt worden. N a c h d e m 1879 OSKAR DRUDE, Professor a m Botanischen Institut des P o l y t e c h n i k u m s , die L e i t u n g ü b e r n o m m e n hatte, begann er ihn seit 1889 auf ein Gelände a n der Stübelallee zu verlegen. D e r neue Garten erhielt ein fünfteiliges G e w ä c h s h a u s für W a r m und K a l t h a u s p f l a n z e n , seit 1907 auch ein eigenes V i c t o r i a - R e g i a - H a u s ; er h a t t e ein Freigelände v o n reichlich 3 h a und eine landwirtschaftlich-gärtnerische Versuchsstation. Die Freilandanlagen bestehen aus Florengruppen (Ostasien, N o r d a m e r i k a usw.), aus Quartieren n a c h dem natürlichen P f l a n z e n s y s t e m , a u s Gruppen v o n N u t z - und Arzneipflanzen sowie einer genetischen u n d ökologischen Abteilung. N a c h der Zerstörung aller Häuser und großer Teile der Freilandanlagen 1945 wurde der Botanische G a r t e n (Abb. 28), der nunmehr der Technischen Universit ä t unterstellt ist, 1950 wieder eröffnet. Die V e r w a l t u n g s g e b ä u d e und Gewächshäuser w u r d e n wieder aufgebaut, die Freilandanlagen in m ü h s a m e r A r b e i t v e r v o l l s t ä n d i g t und zum Teil neu angelegt. D e r Botanische G a r t e n erfüllt wissenschaftliche A u f g a b e n — in i h m ist auch eine Zweigstelle des Instituts für L a n d s c h a f t s f o r s c h u n g und N a t u r s c h u t z untergebracht — u n d ist zu einer bei der B e v ö l k e r u n g beliebten A n l a g e für B i l d u n g und E r h o l u n g geworden. E i n e Besonderheit ist die alljährlich im Juni stattfindende B l ü t e der „ K ö n i g i n der N a c h t " (Selenicereus grandifloras) im Sukkulentenhaus, öffentlich angekündigt und w e g e n des regen Besuchs a u c h bis in die N a c h t hinein zu besichtigen.

C 5 Johannstadt D i e J o h a n n s t a d t heißt so nach K ö n i g JOHANN (S. A 2) u n d entwickelte sich relativ spät auf dem Teil der Stadtflur, der östlich v o n Sachsenallee u n d Güntzstraße, westlich der K r e n k e l - und H u t t e n s t r a ß e , zwischen G r o ß e m G a r t e n und E l b e 118

Schauhäuser I II III lila IV V

Tropisches Nutzpflanzenhaus Victoriahaus Sukkulentenhaus Sukkulenten (Freilandaufstellung) KalthauspflanzenlFreilandaufttellung) Tropische Nutzhölzer

Freilandquartiere 1 2 3 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Südhemisphäre Ostasien Nordamerika Südeuropa Orient Alpinum Kaukasus Heimische Flora System: Gehölze und Stauden System: Einjährige Nutz-und Heilpflanzen Biologische Gruppen Geschützte Pflanzen

A

Anzuchthaus

Gebäude Teich

A b b . 20. Botanischer Garten (nach

LINKE,

SCHRÖDER,

SPANOWSKY

1978)

gelegen ist. Bis 1877 zählte dieses Gebiet zur Pirnaischen Vorstadt. Bis 1874 bestand für große Teile z u m Schutz des Königlichen Großen Gartens B a u v e r bot. Daher war hier offenes Land mit einigen wenigen Vorwerken oder ähnlichen Niederlassungen. A u c h dieser Teil der Elbtalweitung zeigt den charakteristischen Unterschied zwischen den vorwiegend sandigen, stellenweise sogar mit Dünen besetzten 9*

119

C 5 ebenen Flächen und den darin flach eingesenkten alten Elbläufen mit schweren Aulehmböden. Hier handelt es sich um den von Striesen herkommenden Elbarm, der über Holbein- und Dürerstraße zur Pirnaischen Vorstadt zieht, wo seine Aulehmdecke den Rohstoff für die städtischen Ziegeleien lieferte. Dieser flachen Senke folgte bis 1875 der Landgraben. Als Landgraben bezeichnete man technisch umgestaltete und mehrfach auch verlegte Entwässerungswege, die sich an die vom Südhang kommenden Abflüsse im Talbodenbereich des Elbtals anschlössen. Sie dienten stellenweise auch dem Hochwasserabfluß (Flutgraben) und in früheren Zeiten auch der Landesverteidigung. Im N W des Großen Gartens lag 1498 nahe dem heutigen Fucikplatz der Kranichsee. Etwas höher stieg das Gelände in den Sandgebieten an, beispielsweise am Windmühlenberg zwischen Dürer- und Wormser Straße und vor allem im Tatzberg in der Nähe der Elbe, wo um 1800 eine große Sandgrube am Rande der Niederterrasse lag, die mit einem 4 m hohen Abfall gegen die Elbwiesen absetzte. Dieser sandige Streifen trug das Tännicht, ursprünglich vorwiegend Kiefernwald, der später in das Birkenwäldchen überging. Vor der Gründung der Stadt Dresden lag auf dem Gebiet der Johannstadt das Dorf Ranvoltitz (1310 Ranuoltycz = dt.-sorb. Mischname: Leute des Ram(w)alt), wahrscheinlich in der Nähe der Kreuzung Striesener Straße/Hans-GrundigStraße. 1316 wurde es letztmalig genannt. Seine Flur ging zum großen Teil in den Besitz des Maternihospitals über (Spittelfelder, Spittelholz). Weiterhin besaßen auch die Kreuzkirche (Brückenamt) und das Neustädter Augustinerkloster Liegenschaften, besonders Weinberge am Tatzberg und Waldstücke im Tännicht, das um 1760 noch bis an die Fetscherstraße reichte. Noch im 19. Jh. führten nur wenige Wege durch das weite Gelände: der Lämmchenweg (Blumenstraße), der Blasewitzer Weg und die Striesener Straße. Verstreut lagen daran einige Besitztümer. Hopfgartens Vorwerk haben wir zwischen Bönischplatz und Gerokstraße zu suchen. Nach 1813 wurde das Vorwerk von der Familie Lidecke bewirtschaftet, die einen gern besuchten Wintergarten pflegte. Die Straßennamen haben die Erinnerung an diese Zeit festgehalten: Blumenstraße, Wintergartenstraße, Hopfgartenstraße. Ein weiteres Vorwerk war 1737 von dem Stück- und Glockengießer J O H A N N G O T T F R I E D W E I N H O L D gekauft worden und hieß seitdem Stückgießers. Die damit verbundene Gaststätte an der Blumenstraße nahe der heutigen Kaufhalle trug seit 1866 den Namen Die Güldene Aue und seit 1901 Blumensäle, in denen sich die sozialdemokratischen Arbeiter zur Maifeier und zu politischen Versammlungen trafen. Hier hielt A U G U S T B E B E L am 31. 1. 1907 seine letzte Rede in Dresden. Beide Vorwerke waren von dem 1640 gegründeten Vorwerk Tatzberg abgetrennt worden, das Schankrecht besaß und seit 1742 Lämmchen hieß. Das Gut wurde 1866 beim Bau der preußischen Schanze V abgebrochen und 1868 Blasewitzer Straße 48 wieder erbaut. Als Wahrzeichen der Elbaue erhob sich zwischen mächtigen mistelbewachsenen Balsampappeln das spätbarocke Schlößchen Antons. Der Oberinspektor der erzgebirgischen Elsterflößerei C H R I S T I A N G O T T L I E B A N T O N hatte es sich 1754 an der Stelle eines eingegangenen Kalkofens erbaut. A m Elbufer unterhalb der Hertelstraße gegenüber dem Waldschlößchen gelegen, ist es auf allen älteren 120

Bildern ein B l i c k f a n g . A n t o n s w a r zeitweise ebenfalls G a s t s t ä t t e . 1922 rieh- C 5 t e t e die S t a d t nahebei ein F r e i b a d ein. A l s in Dresden 1813/14 infolge v o n E n t b e h r u n g e n und S e u c h e n die Sterblichkeit so zunahm, daß die Todesfälle — abgesehen v o n den militärischen V e r l u s t e n — fast das Dreifache der G e b u r t e n betrugen, legte die S t a d t Dresden w e i t a u ß e r h a l b einen neuen Friedhof an, der zunächst der W e i t e Friedhof, seit 1834 T r i n i t a t i s f r i e d h o f hieß. H o f b a u m e i s t e r THORMEYER entwarf 1814 n a c h d e m V o r bild des Herrnhuter Friedhofs den P l a n dazu. W i r k l i c h a u s g e f ü h r t w u r d e aber d a n a c h nur der E i n g a n g , ein Torpfeiler m i t P a l m z w e i g e n a m heutigen z w e i t e n T o r . Mehrere alte D e n k m ä l e r ü b e r f ü h r t e m a n v o m alten Johannisfriedhof hierher. D u r c h seine G e s t a l t u n g ist besonders bemerkenswert der Obelisk f ü r 76 Gefallene der R e v o l u t i o n s k ä m p f e im Mai 1849. A u c h Persönlichkeiten des Dresdner K u l t u r l e b e n s f a n d e n hier ihre letzte R u h e s t ä t t e : der B i l d h a u e r E . RIETSCHEL (1804—61), die Maler C. D . FRIEDRICH (1774—1840) u n d F . v . RAYSKI (1806 — 90), der Philosoph, A r z t und Maler C. G. CARUS ( 1 7 8 9 — 1 8 6 9 ) , die Musiker F . WIECK (1785 — 1873), C. G. REISSIGER (1798—1859), der D i c h t e r O . L U D W I G (1813 — 65), die S ä n g e r i n n e n WILHELMINE (1804 — 60) u n d T H E R E S E M A L T E N s.

SCHRÖDER-DEVRIENT

( 1 8 5 5 — 1 9 3 0 ) s o w i e F . STRUVE (1781 — 1840,

B 3).

N e b e n d e m Trinitatisfriedhof b e f i n d e t sich seit 1866 der neue J ü d i s c h e F r i e d h o f . I n der faschistischen Zeit w u r d e n Halle und Grabstellen schwer beschädigt. 1950 stellten Landesregierung und S t a d t Mittel f ü r den A u s b a u der H a l l e zur S y n a g o g e zur V e r f ü g u n g . Viele Grabinschriften k ü n d e n v o n d e m unermeßlichen Leid, das die jüdische Gemeinde 1933 — 45 zu ertragen hatte. A l s 1872 die erste Pferdeeisenbahn nach Blasewitz eröffnet wurde, standen nur a m A n f a n g der Gerokstraße und in der N ä h e des K ö n i g s h e i m p l a t z e s einige Häuser, sonst f u h r m a n durch freies Feld. N a c h A u f h e b u n g des B a u v e r b o t e s 1874 und besonders nach der A n l a g e der Grunaer S t r a ß e schritt die B e b a u u n g rasch vorwärts. Kapitalistische Terraingesellschaften suchten das L a n d spekulat i v zu erschließen. Die Dresdner Ostend-Gesellschaft b e b a u t e die G e g e n d a n der Stübelallee, die Aktiengesellschaft Germania die 1876 angelegte P f o t e n h a u e r straße. Bodenspekulation trieb die Preise für B a u l a n d bis 120 M a r k pro Q u a d r a t m e t e r empor. In der N ä h e des Großen Gartens entstanden H ä u s e r in offener B a u w e i s e , sonst aber gaben geschlossene Fronten vierstöckiger Mietskasernen den älteren Straßen der J o h a n n s t a d t das Gepräge. N a c h der J a h r h u n d e r t w e n d e g e w a n n e n die N e u b a u t e n ein erfreulicheres Gesicht. V i e l f a c h überwogen hierbei allerdings die großen „ h o c h h e r r s c h a f t l i c h e n " W o h n u n g e n . D i e J o h a n n s t a d t lag m i t Striesen in der wichtigsten W a c h s t u m s r i c h t u n g der G r o ß s t a d t . Hier n a h m die B e v ö l k e r u n g s z a h l außerordentlich rasch zu, v o n 1870 bis 1890 auf das 27fache, bis 1910 auf das 32fache. D i e Gärtnereien, die u m 1870 aus der Pirnaischen V o r s t a d t hierher verlegt worden waren, w a n d e r t e n 25 Jahre später weiter landwärts. U m 1900 w a r kein B a u l a n d mehr zu haben. D i e J o h a n n s t a d t w a r m i t Striesen völlig zusammengewachsen. N u r S t r a ß e n knicke in der dicht b e b a u t e n Gegend u m die H u t t e n s t r a ß e lassen erkennen, d a ß hier zwei nicht aufeinander a b g e s t i m m t e B e b a u u n g s p l ä n e aneinanderstoßen. J o h a n n s t a d t gehörte nach dem Ortsgesetz v o n 1878 nicht zu den F a b r i k b e z i r k e n . N u r längs der B l a s e w i t z e r S t r a ß e zog sich ein B a n d industrieller A n l a g e n hin. 121

Aber auch dort, wo die Vorstadt das Bild ausgesprochener Wohnstraßen bot, beherbergte sie in Hintergebäuden und Hinterhöfen zahlreiche Gewerbebetriebe, vielfach aus Handwerksbetrieben herausgewachsen, zum Teil aber erst später durch die Umgestaltung geeigneter Baulichkeiten entstanden. Vertreten waren vor allem das graphische Gewerbe, die Photo- und die Zigarettenindustrie. Als nach dem Feuersturm der Bombennacht von 1945 die Vordergebäude in Schutt und Asche gesunken waren, konnte man die zahlreichen Schornsteine und Fabrikgebäude in den Hinterhöfen sehen. 1891 — 94 erhielt die Johannstadt die Trinitatiskirche. 1904 zweigte sie sich von der Andreasparochie ab, deren 1902 erbaute Kirche am früheren Stephanienplatz 1945 völlig zerstört wurde. Auch die Schulen der Johannstadt sind bis auf die 1934 bezogene Berufsschule an der Gerokstraße sämtlich vernichtet worden: 4 höhere Schulen und 4 Volksschulen. Mit dem Bau der Albertbrücke 1875 — 77, der heutigen Brücke der Einheit, bekam deren Vorfeld besondere Bedeutung. Hier entstanden einige öffentliche Gebäude in der Zeit des Stadtbaurats ERLWEIN, nämlich das Stadthaus Johannstadt, das heute der Sparkasse dient, und das Kunstgewerbemuseum mit der Kunstgewerbeschule. Heute birgt es das berühmte Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen und das Studiendepot des Münzkabinetts sowie Abteilungen der Hochschule für Bildende Künste. Anschließend folgen Einrichtungen für Gewerbeschule und Technische Lehranstalten, aus denen später die Ingenieurhochschule hervorging. Ergänzt wurde dieser Komplex öffentlicher Gebäude durch das Postamt 16 mit der Bezirksdirektion der Deutschen Post und die Berufsschule, Bauten aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg. Die Johannstadt spielt auch im Gesundheitswesen eine große Rolle. Außer dem 1894 gegründeten Krankenhaus St.-Joseph-Stift bestand seit 1878 im alten Pavillonsystem das Carolahaus an der Gerokstraße. Als die städtischen Krankenanstalten mit dem ständigen Wachstum der Bevölkerung nicht mehr Schritt halten konnten, mußte sich die Stadt zur Errichtung eines neuen Krankenhauses entschließen. Im Birkenwäldchen erwarb sie 63 415 m 2 des ehemaligen Maternifeldes, auf dem 1898 — 1901 das Johannstädter Krankenhaus nach dem Entwurf des Stadtbaurats EDMUND BRÄTER mit 10 Kranken- und 6 Wirtschaftsgebäuden entstand, die man durch einen fast 1 km langen unterirdischen Gang miteinander verband. Nördlich der Terscheckstraße wurde die Staatliche Frauenklinik errichtet. An der Pfotenhauerstraße entstand als eine weitere gemeinnützige Einrichtung das Bürgerheim, das nach seiner Zerstörung 1945 wieder ausgebaut wurde, vorübergehend Teile der städtischen Verwaltung beherbergte und als Feierabendheim Clara Zetkin wieder seiner alten Bestimmung dient. Auf der Elbseite der Pfotenhauerstraße kam vor dem ersten Weltkrieg eine Reihe von Ateliers für die Hochschule für Bildende Künste hinzu, die auch nach ihrer Zerstörung wieder ausbaufähig waren. 1945 wurde die Johannstadt bis auf wenige kleine Teilgebiete, wie am Bönischplatz, am Thomas-Müntzer-Platz und um den Johannes-R.-Becher-Platz, völlig zerstört. Eine Reihe öffentlicher Gebäude, vor allem an der Gerokstraße, konnte wiederaufgebaut werden. Die gesamte Johannstadt beherbergte damals in überfüllten und zum Teil notdürftig bewohnbar gemachten Wohnungen nur 4000 M e n s c h e n .

122

Die Johannstadt wurde für mancherlei Wiederaufbaustadien Modellgebiet, C 5 zuerst für die planmäßige Enttrümmerung, später für die Entwicklung großer neuer Wohngebiete. Das typische Bild jener ersten Jahre sei festgehalten: — am Johannstädter Elbufer entlang wurden große Mengen von Trümmerschutt abgelagert, so auf dem Gelände der früheren Vogelwiese; — in diesem Stadtteil wurde bereits frühzeitig mit einer großflächigen komplexen Beräumung begonnen; — am Dürerplatz wurde eine Trümmerverwertungsanlage geschaffen; die Straßen säumten große Mengen abgeputzter und gestapelter Ziegel. An der Gerokstraße wurden riesige Halden von Ziegelbrocken geschüttet als Vorrats lager für ein Betonwerk, das Bauteile für den Wiederaufbau fertigt und noch in Betrieb ist, wenn auch das Trümmermaterial längst aufgebraucht ist. Die Anlage steht an der Stelle des früheren Carolahauses. Damit war die Zeit des pausenlosen Betriebes von Trümmerzügen vorbei. Auf den beräumten Flächen wirbelte der Wind lange Staubfahnen auf; Melde, Goldrute und Robiniengestrüpp überzogen als typische Trümmerflora die Flächen, bis Wohnhäuser an die Stelle der größten Trümmerfläche Dresdens traten. Zwar wurde bereits Ende der fünfziger Jahre südlich der Striesener Straße mit dem Wohnungsbau begonnen, aber erst in der ersten Hälfte der siebziger Jahre entstanden in den beiden Gebieten Johannstadt-Nord und Johannstadt-Süd über 6300 Neubauwohnungen. Mit überwiegend vielgeschossigen Bauten veranschaulicht vor allem Johannstadt-Nord typische städtebauliche und architektonische Formen dieses Zeitabschnitts. Johannstadt-Nord, das an der Elsässer und zwischen Gerok- und Pfotenhauerstraße geschlossene Häuserfronten um Innenplätze, an der Elbseite jedoch aufgelockerte, durch Punkthäuser markierte Bebauung zeigt, hat an der Pfotenhauerstraße ein Zentrum mit Kaufhalle, Dienstleistungsgebäude, 3 Schulen und später noch einer Gaststätte erhalten. In Johannstadt-Süd entstand ein Streifen Wohnbebauung längs der Comeniusstraße mit einem kleinen, schon früh angelegten Einkaufszentrum und der 6. POS Otto Grotewohl (in der alten aufgelockerten Bauweise, ehe der allgemeine Schultyp entwickelt wurde) an der Fetscherstraße. Der Schwerpunkt ist mit massierten Hochhäusern zum Fucikplatz verschoben (früher Stübelplatz), an dem ein Denkmal an den tschechoslowakischen Widerstandskämpfer und Literaturkritiker JULIUS FUÖIK erinnert. Längs der Güntzstraße werden die beiden Wohnbaudominanten durch eine Reihe von Hochschulbauten verbunden, die teils der Technischen Universität, teils der Ingenieurhochschule zugehören. Vor dem Studentenwohnheim Ecke Pillnitzer Straße ist ein Denkmal aufgestellt, das den ersten Weltraumflug am 12. 4. 1961 von JURI GAGARIN symbolisiert. Der Wiederaufbau hat außer den öffentlichen Gebäuden um die Gerokstraße, darunter die Hochschule für Bildende Künste, Gerokstraße 34, mit Bauteilen des 1900 abgebrochenen Palais Brühl (s. A 5), nicht nur die Industriezeile zwischen Blasewitzer und Fiedlerstraße sowie an der Arnoldstraße (Karosseriewerk) funktionstüchtig gemacht, sondern auch den Krankenhauskomplex erneuert und beträchtlich erweitert (Bild 33). Neubauten für die Orthopädische Klinik, das Pathologische Institut, Rekonstruktion der Chirurgischen Klinik und Ein123

5 beziehung der Poliklinik a m ehemaligen Fiedlerplatz werden ergänzt durch die Verwaltungsgebäude, die für die 1954 a u s dem Johannstädter K r a n k e n h a u s hervorgegangene Medizinische Akademie Carl Gustav Carus notwendig wurden, und die schon jenseits der Blasewitzer Straße liegenden Studentenwohnheime, die Mensa und ein 1962 — 64 erbautes Schwesternheim.

Innere Neustadt Der rechtselbische Stadtkern wird als Innere Neustadt bezeichnet. I m Innern der Elbkrümmung, deren flaches Ufer heute noch unbebaut ist und wegen regelmäßiger Überflutung nur Wiesennutzung erlaubt, lag etwas abseits des früher nicht hochwasserfreien Neustädter Marktes das 1350 zum ersten Mal in einer Urkunde als Alden Dresden erwähnte Dorf. Der Dorfbrunnen befand sich auf dem bis 1945 erhaltenen P l a t z Im Grunde. V o n dem ältesten Dorf, das den N a m e n Dresdens trug (s. A), ist nichts mehr vorhanden. Der große Brand von 1685 war der A n l a ß zu einer großartigen Umgestaltung, die 1732 dem bescheidenen Altendresden den N a m e n Neustadt eintrug. Die erheblichen Zerstörungen von 1945 haben viel alte Substanz vernichtet, so daß eine den heutigen Anforderungen entsprechende städtebauliche Neugestaltung unter Erhaltung der historisch bedeutsamen Bauwerke und des Grundrisses erfolgte. Altendresden besaß bis 1483 ein Vorwerk, das zwischen Großer Meißner und Körnerstraße gelegen hat. Die Vorwerksfelder reichten zu beiden Seiten der Leipziger Straße bis e t w a an die Erfurter Straße zwischen E l b e und Großenhainer Straße. Die Felder der Bauern schlössen sich ostwärts an und lagen z u m Teil noch im Bereich der heutigen Inneren Neustadt. Altendresden erhielt 1403 das Weichbildrecht. E s wurde damit zwar Stadt, blieb aber eine arme Ackerbürgersiedlung ohne Schutz durch Mauern und Türme. Nur ein bewallter Stadtgraben umgab es. 1404 gründete Markgraf W I L H E L M I . das Augustinerkloster an der Klostergasse (Köpckestraße), bald darauf auch die Dreikönigskirche. 1546 begann Herzog M O R I T Z , W a l l und Graben des Städtchens ausbauen zu lassen. D a z u m u ß t e eine Reihe Dresdner Bürger nach Neudorf (s. E 1) umsiedeln. Der Befestigungsring zog sich v o m K o h l m a r k t , der jetzigen Körnerstraße, zum Obergraben und Niedergraben, sollte weiter zu dem 1546 abgebrochenen Kloster geführt werden, blieb aber unvollendet liegen. E r s t im Dreißigjährigen Krieg baute W I L H E L M D I L I C H 1632 die Befestigungsanlagen weiter aus, die 1684 von dem Oberlandbaumeister W O L F C A S P A R V O N K L E N G E L verstärkt wurden. Der ganze Halbring, der zwischen Dr.-Conert- und Hospitalstraße stadtwärts und zwischen Anton- und Togliattistraße landwärts gerichtet war, hatte rund 1800 m Länge. Außer 3 Ausgängen zur E l b e gab es im N das Schwarze T o r und im W das Meißner oder W e i ß e Tor. 1549 wurde das Städtchen in das linkselbische Dresden eingemeindet. Die wirtschaftlichen Verhältnisse Altendresdens besserten sich damit aber nicht. Der Ort besaß nur Holzhäuser mit Schindeldächern. A m Markt, der sich erst mit dem Brückenverkehr entwickelt hatte, stand ein bescheidenes Rathaus, in einem Stich von M E R I A N um 1650 dargestellt. Die Kirche erhob sich auf einem verwinkelten P l a t z mitten auf der späteren Hauptstraße. 124

A b b . 29. Bebauungsplan Dresden-Neustadt (Original im Staatsarchiv Dresden)

1685 von

W . C.

VON

KLENGEL

A m 6. 8. 1685 brach im Haus des Kunsttischlers T O B I A S E D L E R auf der Meißnischen Gasse ein Brand aus, der das ganze rechtselbische Dresden bis auf Jägerhof, Rathaus und wenige Häuser in Asche legte. Für den Wiederaufbau entwarf W . C. v. K L E N G E L aufgrund seiner Erfahrungen in weiträumig gebauten Städten Italiens, Frankreichs und der Niederlande eine großzügige Stadtplanung (Abb. 29), die allerdings dem heftigen Widerstand der Bürgerschaft begegnete, da ein Drittel der Grundstücke in das neue Straßenland fiel und nicht wieder bebaut werden konnte. Schon 1686 begann K L E N G E L mit dem Durchbruch der künftigen Allee vom Markt zum Schwarzen Tor, der späteren Hauptstraße, der jetzigen Straße der Befreiung. Nach K L E N G E L S Tod geriet der Wiederaufbau ins Stocken. Da nur ein Teil der Bürger in der Lage war, die Häuser nach den neuen Vorschriften in Stein aufzuführen, stand 1693 erst ein Drittel der Häuser wie1714 wurde die Bebauung durch Erleichterungen gefördert. Der mittelalterliche Grundriß Altendresdens wandelte sich in einen großzügigen barocken Stadtplan um. An der Stelle der kleinen Behausungen der Ackerbürger entstanden stattliche Barockhäuser, großräumig und mehrstöckig, wie wir sie an der Straße der Befreiung und an der Friedrich-Engels-Straße noch sehen: das Erdgeschoß nach 125

D

dem Baureglement von 1720 gewölbt, die Zimmer im Streben nach Repräsentation 3,50 m hoch. Hatte vor dem Brand fast jede Altendresdner Familie in ihrem eigenen Haus gelebt, so wurde nun das Miethaus Kennzeichen der neuen Stadt, in dem auch sozial bessergestellte Schichten wohnten. Zu den Bürgerhäusern gesellten sich mehrere große Bauwerke: das Japanische Palais (s. D 3), das Blockhaus (s. D 1), die Dreikönigskirche (s. D 2), die 1945 zerstörte Ritterakademie (Ritterstraße) und im Ostteil Kasernen. Nach dem Wiener Kongreß erfolgte 1817 die weitere Abtragung der Wälle und Tore, mit der man bereits 1809 begonnen hatte. Auf dem Vorgelände der Festung, dem Glacis, entstanden Alleen und Gärten. Daher prägte die offene Bauweise die Umgebung der neu entstehenden Bahnhöfe, der Leipziger Bahn 1839 und der Schlesischen Bahn 1847 (s. E 2). Für einige Jahrzehnte wurde die Neustadt das erste Ziel der Besucher Dresdens. Es entstanden Hotels am Bahnhof, auf der damaligen Hauptstraße und in der Nähe der Torhäuser, am Eingang in die Robert-Blum-Straße, Hotel Stadt Coburg, in dem KARL MARX am 24. 9. 1874 abstieg. Die revolutionären Erhebungen von 1830, 1831 und 1849 fanden in der Neustadt mit ihren vielen Kasernen keinen Nährboden. Das Geschäftsleben entwickelte sich nur langsam. Während sich die innere Altstadt zur City umbildete, veränderte die Neustadt ihre Struktur nur wenig. Die damalige Hauptstraße besaß außer der Markthalle nur Wohnhäuser mit kleinen oder mittleren Geschäften im Erdgeschoß. Die breiten Straßen blieben ohne nennenswerten Verkehr. Als gegen Ende des 19. Jh. die Kasernen an den Heiderand verlegt wurden, entstand östlich des Jägerhofes freier Raum. Er wurde unter gleichzeitiger Gestaltung der Elbfront mit Ministerialgebäuden bebaut, und noch 1912 fand sich am Carolaplatz eine genügend große Freifläche für den viel bewunderten, 1945 völlig zerstörten massiven Rundbau des Zirkus Sarrassani. Im Februar 1945 wurde der größte Teil der Inneren Neustadt zerstört. Nur eine halbe Seite der jetzigen Friedrich-Engels-Straße und die Rähnitzgasse blieben unversehrt. Unter Wahrung der ursprünglichen Anlage der Neustadt wurde eine moderne städteplanerische Lösung erarbeitet, die bis zum Stadtring Antonstraße— Bautzner Straße —Hoyerswerdaer Straße ausgedehnt wurde und auch dringende Verbesserungen für den Verkehr einschließt.

D 1 Neustädter Markt Der alte Marktplatz, den ein Bild C A N A L E T T O S zeigt, wurde bei der Neugestaltung Altendresdens wesentlich erweitert. 1738 wurde er durch Aufschüttung auf 112 m ü. NN hochwasserfrei gemacht. Seine baukünstlerische Ausgestaltung als Brückenkopf war das Leitmotiv der damaligen Konzeption. Teile dieser Konzeption blieben erhalten: die Ausrichtung auf die große Achse der Neustadt, die Straße der Befreiung, die durch das Reiterdenkmal A U G U S T S D E S S T A R K E N und das Blockhaus bestimmt wird. Die Verkehrsachse der früheren Zeit, die Georgi-Dimitroff-, die ehemalige Augustusbrücke und einzige damalige Brücke Dresdens, ist einbezogen worden in die Fußgängerzone Hauptbahnhof—Platz der Einheit; andere Elbbrücken haben die Hauptlast des Verkehrs übernommen, 126

so daß der heutige verkehrstechnische Ausbau der West-Ost-Verbindung voran- D stehen mußte. Der Fußgänger erreicht die Neustadt von der B r ü c k e her durch einen Tunnel. Das B l o c k h a u s , ursprünglich von A U G U S T D E M S T A R K E N als Demonstration seiner Macht in Pyramidenform und seinem Reiterdenkmal als K r ö n u n g gedacht, wurde nach mehreren Plänen in einfacher Gestalt von L O N G U E L U N E 1737 als quadratischer Blockbau mit 5 Achsen begonnen, 1749 durch ein Halbgeschoß, 1892 durch Ausbau des Dachgeschosses ergänzt. Seit 1755 diente es als Neustädter Wache. 1945 völlig ausgebrannt, ist es seit 1978 wieder a u f g e b a u t worden. Das R e i t e r s t a n d b i l d A U G U S T S D E S S T A R K E N ' w u r d e nach einem Modell v o n J. J. V I N A C H E von dem Schmied L U D W I G W I E D E M A N J M aus Friedrichstadt in K u p f e r getrieben, feuervergoldet und 1736 aufgestellt. Statisch ist das sich aufbäumende Pferd durch ein Eisengerüst im Innern gesichert. A l s besonders charakteristisches Denkmal Dresdens wurde es nach dem zweiten Weltkrieg restauriert und 1957 wieder aufgestellt. Der bauliche R a h m e n des Neustädter Marktes wird auf seiner Nordseite völlig durch die moderne W o h n b e b a u u n g beherrscht (Bild 27), die auch die alten Straßenausgänge Altendresdens endgültig verschließt, die Rähnitzgasse und die frühere, nach Radeberg führende Kasernenstraße, vorher Breite Gasse. Dagegen läßt die breite Verkehrsachse der Köpckestraße dem B l i c k nach W und O ungehindert R a u m , bis auch hier neue städtebauliche Lösungen gefunden werden. D a s alte Kanzleigebäude in der Großen Meißnischen Straße 15 — j e t z t Westteil der Köpckestraße — ist das einzige erhaltene von mehreren charakteristischen Barockhäusern, entstanden unter Mitwirkung v o n P Ö P P E L M A N N .

Straße der Befreiung

D

A l s K L E N G E L nach 1685 die niedergebrannte Stadt Altendresden als moderne Stadtanlage plante (Abb. 29), wurde eine prächtige Allee als zentrale Achse vorgesehen. U m den B l i c k auf das Blockhaus wirksamer zu gestalten, sollte die 540 m lange Straße nicht in gleichbleibender Breite verlaufen, sondern sich v o n 38 m am Schwarzen T o r bis auf 57 m am Neustädter M a r k t verbreitern. In umgekehrter R i c h t u n g ergab das eine Erhöhung des perspektivischen E f f e k t s , die Straße erscheint länger. Die anfangs mit Linden bepflanzte Allee w a r i m 18. Jh. die glanzvollste Straße Dresdens und bis zur Ö f f n u n g der Brühischen Terrasse (s. A 5) zusammen mit der Brücke die Hauptpromenade der S t a d t (Bild 25). Mit der Zerstörung der Häuser a m Eingang der Allee, der heutigen Straße der Befreiung, ist auch das Neustädter Rathaus, ein 1750 — 54 nach E n t w ü r f e n von J O H A N N C H R I S T O P H K N Ö F F E L und J O H A N N C H R I S T O P H B E R G E R errichtetes, sehr ebenmäßiges B a u w e r k mit hohem Mansardendach und Dachreiter, völlig zerstört worden. Doch blieb der E c k b r u n n e n erhalten, den G O T T F R I E D K N Ö F F L E R 1739—42 schuf. E r zeigt eine N y m p h e mit einem wasserspeienden Delphin und einen K n a b e n mit einem Fisch. W i e das beschädigte Gegenstück an der gegenüberliegenden Straßenecke w a r er nach dem verwitterten Original 1938 127

Abb. 3 0 . Brunnen: 1 Brunnenplastik, Neustädter Markt, von B. T H O M A E ; 2 Gänsediebbrunnen, Weiße Gasse, von R . D I E Z ; 3 Queckbrunnen, ElsaFenske-Straße; 4 Mosaikbrunnen im Großen Garten von H. P O E L Z I G 128

von dem Bildhauer P A U L P O L T E aus Kirchleithener Sandstein neu geschaffen D 2 worden. An der westlichen, rekonstruierten Straßenseite (Bild 26) blieben die Häuser 9 — 19 erhalten, darunter das Haus Nr. 13 von 1712. Es zeigt in großen Goldbuchstaben die Worte: „ A n Gottes Segen ist alles gelegen." Darin wohnte im zweiten Obergeschoß die Familie des Malers G E R H A R D V O N K Ü G E L G E N von 1808 bis nach dessen Tod 1820. Sein Sohn W I L H E L M hat uns durch seine ,,Jugenderinnerungen eines alten Mannes" ein lebendiges Bild des Lebens jener Zeit überliefert. In Nr. 17 wohnten der Bildhauer B E N J A M I N T H O M A E (Abb. 30) und sein Schwiegersohn, der Hofbildhauer G O T T F R I E D K N Ö F F L E R ; ihre Werkstatt lag im Hintergebäude Straße der Befreiung 19. Das Gebiet um die Rähnitzgasse bis zur Friedrich-Engels-Straße ist im wesentlichen erhalten geblieben und durch den Bestand an barocken Bürgerhäusern gekennzeichnet. Es wird unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten als Mischgebiet rekonstruiert, in dem neben den für die Modernisierung vorgesehenen Wohnungen und gesellschaftlichen Einrichtungen geeignete Handwerks- und Gewerbebetriebe verbleiben bzw. aufgenommen werden. Bei diesem vorwiegend für den Fußgängerverkehr erschlossenen Gebiet kommen mit den angrenzenden Straßen durch Enge und Weite reizvolle räumliche Kontraste zur Geltung. Die Dreikönigskirche, die nach dem Brand von 1685 bereits 1688 wieder errichtet worden war, mußte 1732 auf Befehl A U G U S T S D E S S T A R K E N abgerissen werden, da sie der Anlage der Hauptstraße hinderlich war. 1732 —39 wurde sie nach Plänen von M. D. P Ö P P E L M A N N und G. B Ä H R vom Ratsmaurermeister G O T T F R I E D F E H R E am Rand der Hauptstraße neu errichtet. 1945 blieben von ihr nur die Umfassungsmauern und der an der Westseite liegende, erst 1854 — 57 fertiggestellte Turm erhalten. Auf der Ostseite der Straße ist neben einem Eckgebäude aus den Gründerjahren die Markthalle stehengeblieben. Sie stammt von 1899, nachdem eine Kaserne — seit 1877 mit Notwohnungen für 2000 Menschen, Elendsquartieren ohne Küchen und Keller, eingerichtet — abgebrochen worden war. Dieser Ostteil der Neustadt war durch militärische Anlagen bestimmt gewesen. Heute ist er wichtigster Teil des Wohngebietes Neustadt geworden. Während an der Straße der Befreiung die Geschoßhöhen mit 6 Stockwerken sich den historisch vorgegebenen Proportionen einfügen, sind an der Werner-Seelenbinder-Straße vielgeschossige Wohnbauten in durchgehender Flucht zu einem Element der städtebaulichen Führung an der Nord-Süd-Verkehrsachse geworden.

Japanisches Palais

D3

Das Japanische Palais bildet einen der markantesten Punkte der Neustadt. Einbezogen in die Neugestaltung Altendresdens, müssen Palais mit Park, der Karl-Marx-Platz vor dem Palais und die hinführende Friedrich-Engels-Straße als Einheit betrachtet werden. Vorgänger des heutigen Palais war ein 1715 vom Grafen J A K O B H E I N R I C H V O N F L E M M I N G erbautes Landhaus, das — an den holländischen Gesandten vermietet — Holländisches Palais bezeichnet wurde. 1717 kaufte es A U G U S T D E R S T A R K E und ließ es durch M. D. P Ö P P E L M A N N , 129

und Z. L O N G U E L U N E ZU einem vierflügeligen Palast umbauen, der das Holländische Palais als Elbfront einschloß, einen Arkadenhof umgab und durch die geschwungenen Dächer der Eckpavillons den „japanischen" Stil gewinnen sollte. Die Ausgestaltung mit Porzellanen kam jedoch nicht zustande. Zeitweise als Magazin benutzt, wurden 1785 Umbauten durchgeführt und die kurfürstliche Bibliothek, die spätere Landesbibliothek (bis 1945, s. E 5), aus dem Zwinger hierher überführt. Aus der gleichen Zeit stammt die Inschrift im Giebelfeld: M U S E U M U S U I P U B L I C O P A T E N S (Museum, dem öffentlichen Gebrauch geöffnet). Von 1786 bis 1887 war auch die Antikensammlung hier untergebracht. Der Garten zwischen Palais und Elbe war als französischer Barockgarten angelegt, mit verschnittenen Hecken und Laubengängen. Er enthielt zahlreiche Skulpturen, die später in den Großen Garten kamen. Bei der Beseitigung der Festungswerke wurde der Garten nach W hin erweitert und im englischen Stil gestaltet. Als letzter Rest der Festungswerke blieb ein Stück des Walles erhalten. Das Palais war 1945 ausgebrannt, der Park durch Bomben verwüstet. Seit 1952 ist das Gebäude schrittweise wieder errichtet, der Park instand gesetzt worden. Allerdings befinden sich anstelle der französischen Zieranlagen heute große Rasenflächen mit einigen prächtigen Bäumen. Vom Japanischen Palais aus, das heute dem Museum für Völkerkunde und dem Landesmuseum für Vorgeschichte dient, bietet sich einer der schönsten Blicke auf die Silhouette der Altstadt und auf die technischen Anlagen des Packhofviertels. Völlig zerstört wurde östlich des Japanischen Palais das am früheren Kohlmarkt (Verkauf von Holzkohle), später Körnerstraße, gelegene Körnerhaus mit dem Körnermuseum. Im Hause Körnerstraße 7 wohnte 1783—93 G O T T F R I E D K Ö R N E R mit seiner jungen Frau. Hier wurde am 23. 9. 1791 der spätere Freiheitsdichter T H E O D O R K Ö R N E R geboren. 1785 — 87 wohnte F R I E D R I C H S C H I L L E R bei seinem Freund K Ö R N E R . Auch andere berühmte Persönlichkeiten kehrten hier ein, so 1789 W. A. M O Z A R T , 1790 J. W. G O E T H E . Die erste Befestigung der Neustadt lag etwa in der östlichen Häuserfront des heutigen Karl-Marx-Platzes, aber die späteren Befestigungen schoben sich weiter nach W vor. Als Nachfolger des einstigen Weißen Tores hatte, da auch in der entfestigten Stadt Torkontrollen erfolgten, der Hofbaumeister G O T T L O B F R I E D R I C H T H O R M E Y E R zwei Häuser am Leipziger Tor errichtet (Abb. 31), von denen das nördliche in seiner ursprünglichen klassizistischen Gestalt wieder aufgebaut wurde und heute als Standesamt dient.

J. DE BODT

Nahe dem Eingang zum Palaisgarten befindet sich das Denkmal F R I E D R I C H A U G U S T S I . (seit 1763 Kurfürst, seit 1806 König, gest. 1827), das von 1843 bis i92gim Zwingerhofstand. Es war das erste Monumentalwerk E R N S T R I E T S C H E L S . A n d e m E n t w u r f w a r CHRISTIAN DANIEL RAUCH b e t e i l i g t . D i e H a u p t f i g u r i s t

in Lauchhammer gegossen, das Postament von K A R L F R I E D R I C H S C H I N K E L und GOTTFRIED SEMPER geschaffen worden. Die 4 Eckfiguren stellen Gerechtigkeit, Milde, Weisheit und Frömmigkeit dar. Die Friedrich-Engels-Straße, in der Achse des Japanischen Palais angelegt, sollte den Eindruck des Palais steigern. Deshalb erhielten alle Häuser Gesimsund Stockwerkhöhen vorgeschrieben. Der Eingang in der Mitte und die Mittel130

Abb. 31. Leipziger Tor (kolorierter Stich von J . C. A. RICHTER, um 1845)

fenster des ersten und zweiten Stockwerks durften architektonisch hervorgehoben werden. Auf der westlichen Straßenseite ist diese einheitliche Gestaltung noch gut zu erkennen. Die Nieritzstraße wurde in geschlossener Bauweise 1844 angelegt.

Nord-Süd-Achse

D 4

Durch die Gestaltung der großen Nord-Süd-Verkehrsachse hat der Ostflügel der Neustadt eine neue Bedeutung gewonnen, nicht nur verkehrsmäßig, sondern auch architektonisch. Abseits liegt der alte J ä g e r h o f , der von 1568 bis 1617 neben dem 1546 abgetragenen Augustinerkloster als größere Anlage entstand. Das heutige, dem Staatlichen Museum für Volkskunst dienende Gebäude ist nur ein Rest davon, der ehemalige Westflügel, in einfachen Formen der Renaissance gehalten. Die Elbfront wird bestimmt durch zwei Ministerialgebäude. Das ehemalige Finanzministerium, das 1896 errichtet und nach 1945 wieder aufgebaut wurde, dient der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei und der Ingenieurschule f ü r Geodäsie und Kartographie als Unterkunft. Der Giebel an der Elbseite zeigt auf Majolikaplatten um die Saxonia gruppierte symbolische Gestalten der wirtschaftlichen und kulturellen Kräfte des damaligen Landes Sachsen. Das Ministerialgebäude östlich des früheren Carolaplatzes wurde 1904 eingeweiht und beherbergt heute den R a t des Bezirkes Dresden. 131

D 4 Als Dominante an der Neustädter Brückenabfahrt erscheint gegenüber den geschlossenen Wohnblöcken an der Werner-Seelenbinder-Straße das Hochhaus der Pädagogischen Hochschule Karl Friedrich Wilhelm Wander, das mit Hörsaal, Turnhallen und Sozialgebäuden eine Einheit bildet, angelehnt an den ersten Kern, das heutige Lehrgebäude I I I an der Wigardstraße. Dieses wurde dreistöckig auf dem Grundriß der ausgebrannten Dreikönigsschule errichtet, der ältesten Neustädter Schule, die schon 1465 erwähnt wird und in ähnlichem Verhältnis zur Dreikönigskirche stand wie die ältere Kreuzschule zur Kreuzkirche. An der breiten Straße der Einheit tritt auch sichtbar das Staatsarchiv, Archivstraße 14, durch seine eigenartige, an den Zweck des Magazingebäudes gebundene Fassadengestaltung hervor. Es wurde 1915 nach dreijähriger Bauzeit eröffnet und enthält Urkunden, Akten, Karten und Risse, die im Geschäftsbereich der sächsischen Regierung und ihrer Dienststellen entstanden sind. Die älteste Originalurkunde stammt aus dem Jahre 948. Das 1834 gegründete Archiv war an verschiedenen Stellen, so im Komödien- und Ballhaus sowie Albertinum, untergebracht. Die Akten der Stadt befinden sich im Stadtarchiv, Marienallee 3.

D 5 Ehemaliger Festungsring Der breite Festungsgürtel hatte seinen Hauptausgang am Schwarzen oder Lausitzer Tor. Von dort führten die wichtigen Straßen stadtauswärts, und dort entstand bei der Neugestaltung ein zentraler Platz, von dem aus sternförmig nach Plänen von Hofbaumeister T H O R M E Y E R weitere Straßen angelegt wurden. Der westliche Flügel wurde in Gartengrundstücke aufgeteilt und locker bebaut. Typische Biedermeierhäuser stehen noch Dr.-Conert-Straße 9, 1 1 , 21, Bästleinstraße 5, Carolinenstraße 2, Oberer Kreuzweg 8. Gegen die alte Innere Neustadt war dieses Landhausviertel durch eine hohe Quadermauer abgeschlossen, die Akzisemauer. Hier steht an der Dr.-Conert-Straße nahe der Hainstraße — nach einem alten Birkenhain benannt — das 1878 enthüllte Denkmal für den Jugendschriftsteller und Armenschullehrer G U S T A V N I E R I T Z . Am Haus OttoWagner-Straße 3 erinnert eine Gedenktafel an A M A L I E M A R S C H N E R (gest. 1883), die Begründerin des 1846 entstandenen Frauenschutzes, eines Altersheimes für Frauen. Der Platz der Einheit, früher Bautzner Platz bzw. Albertplatz genannt, galt in der Mitte des 19. Jh. als einer der schönsten Rundplätze Deutschlands. Durch den zunehmenden Verkehr hat er allerdings seine vornehme Ruhe eingebüßt. Geblieben aber sind die reich mit Bäumen ausgestatteten Grünflächen im Inneren. Von den beiden Prachtbrunnen von R O B E R T D I E Z hat sich auf der Osthälfte des Platzes das Stille Wasser erhalten, während der westliche Brunnen, die Stürmischen Wogen (Abb. 22), nach Bombenschäden vom Institut für Denkmalpflege sichergestellt wurde. An seiner Stelle erhebt sich das am 7. 1 1 . 1945 enthüllte, vom Dresdner Bildhauer O T T O R O S T geschaffene Sowjetische Ehrenmal. Südlich des Rundplatzes befindet sich das 1 9 1 3 eingeweihte Schillerdenkmal von S E L M A R W E R N E R . Die Gestalt des Dichters steht inmitten eines Marmorrundes, dessen Innenflächen in 9 Reliefs Werke S C H I L L E R S zeigen. 132

Auf der Nordseite des Platzes, dessen Bebauung fast restlos den Bomben zum D Opfer fiel, erhebt sich das elfgeschossige Hochhaus, in Stahlskelettbauweise 1929 errichtet, das erste Hochhaus Dresdens. In Mitleidenschaft gezogen ist auch der Artesische Brunnen, der heute lediglich eine kleine Wassersäule fördert. Westlich des Hochhauses zeigt in der Antonstraße das schiefergedeckte kleine Pyramidendach den eigentlichen Standort der Brunnenbohrung. Mit einem Bohrer der Freiberger Zeche Himmelsfürst wurde 1832 — 36 der Brunnen erbohrt. In 234 m Tiefe stieß man auf artesisch gespanntes Wasser mit einer Ergiebigkeit von 561 1/min. Das Wasser entstammt den Niederschlägen, die südlich von Dresden in die anstehenden Kreideschichten einsickern und der Nordostabdachung der muldenförmig gelagerten Schichten bis unter das Elbtal folgen. Der bedeutendste Bau am Platz der Einheit war das_Neustädter Schauspielhaus, das Alberttheater. Es ist von Bomben 1945 völlig zerstört worden. An der Togliattistraße, der früheren Glacisstraße, ist die Tonhalle bereits im Juli 1945 als Kleines Haus der Staatstheater eröffnet worden.

Äußere Neustadt

Vor dem Festungsgürtel der Neustadt erstreckten sich bis ins 18. Jh. hinein weithin offene Flächen. Von einzelnen Bauwerken abgesehen, prägten im N und O Weingärten und bescheidene Häuschen (s. E 4) das Gelände bis an den nahen Rand der Dresdner Heide. Im W der Stadt lagen die Felder der Ackerbürger, deren, feuergefährdete Gebäude nach dem Stadtbrand von 1685 in den Scheunenhöfen nördlich der Lößnitzstraße zusammengezogen worden waren (s. E 3). Dort hatte auch der neue Friedhof der Dreikönigskirche seinen Standort gefunden. Den Außensaum bildete die Flur von Neudorf (s. E 1), das 1546 beim Festungsbau gegründet worden war. Die weitere Entwicklung wurde im W durch die neuen Anlagen der Eisenbahn (s. E 2) bestimmt, während für den Ostteil die Verlegung der Militäranlagen aus der Neustadt an den Rand der Dresdner Heide maßgebend wurde (s. E 5). Die verschiedenartige Entwicklung fand im Ortsgesetz vom 5. 2. 1878 ihren Ausdruck, das die Leipziger Vorstadt bis zur Otto-Buchwitz-Straße, der früheren Königsbrücker Straße, zum Industriebezirk erklärte und damit das weitere Geschehen festlegte.

Leipziger Vorstadt (Neudorf)

E

An der Ostseite der Moritzburger Straße lassen einige Reste alter dörflicher Anwesen aus dem Anfang des 19. Jh. die Ortslage von Neudorf erkennen. Die Höfe waren zum Teil miteinander verbunden und zum Teil außerordentlich tief. Die 65 ha große Flur erstreckte sich über den heutigen Pestalozziplatz und die Hansastraße (Autobahnzufahrt) hinweg bis an die Häuser des Hechtviertels. Wegstücke der alten Viehtreibe haben sich in den dortigen Kleingartenanlagen noch erhalten. Der westliche Teil zwischen Erfurter Straße und Oschatzer 10

Dresden

133

E l

Straße w u r d e dicht b e b a u t und schließt ohne L ü c k e an Pieschen an, zu d e m Neudorf heute allgemein gerechnet wird. Neudorf besaß nur K l e i n b a u e r n ; 1551 w u r d e n insgesamt 39 Gärtner registriert. A m 18. 8. 1550 wurde die Siedlung in das Weichbild a u f g e n o m m e n und Nawe Stadt oder Nawen Sorge genannt. Die B ü r g e r behielten das Altendresdner Bürgerrecht. Ihre N a c h k o m m e n verloren es wieder bis auf einige kleine V e r günstigungen wie Zollfreiheit auf der E l b b r ü c k e . Sie d u r f t e n keine städtischen Gewerbe betreiben und bildeten eine selbständige L a n d g e m e i n d e (1625: ufn Newen Stadt Dorffe). Die Neudorfer Schiffsmühle lag oberhalb der E r f u r t e r Straße a m A u s g a n g des späteren Neustädter Elbhafens. N a c h der Mühlenordnung v o n 1661 ü b t e sie den M a h l z w a n g über Pieschen, T r a c h a u und Mickten aus. B i s 1874 w a r sie auf den S t a d t p l ä n e n verzeichnet. B e i Hochwasser und E i s g a n g k o n n t e das Mühlrad abgenommen, das Wellschiff an das Hausschiff herangezogen und die g a n z e Mühle in die Mühlweiche, einen kleinen H a f e n , hereingezogen werden. A m 1 . 1 . 1866 wurde der O r t m i t 2000 E i n w o h n e r n als V o r s t a d t Neudorf nach Dresden eingemeindet und 1875 einschließlich des Gebietes bis zur Görlitzer Eisenbahnlinie Leipziger V o r s t a d t benannt. D u r c h die neuen Eisenbahntrassen wurde der engere Ortsbereich zerschnitten m i t der Folge, d a ß sich die Dresdner nunmehr an den großen Ausfallstraßen orientierten, ohne a n die alte Gemeinde Neudorf zu denken. Die 1888 erbaute Petrikirche an der Großenhainer S t r a ß e ist die Neudorfer Kirche b z w . die der Leipziger V o r s t a d t . Demgegenüber liegen die alten Schulbauten a n der Konkordienstraße (1805, N e u b a u 1865, j e t z t 8. P O S ) nahe der alten Dorfanlage.

£ 2 Neustädter Bahnhof und Umgebung A u f A n r e g u n g FRIEDRICH LISTS b a u t e die 1835 gegründete Leipzig — D r e s d n e r Eisenbahn-Compagnie als p r i v a t e Aktiengesellschaft 1836 — 38 die erste deutsche F e r n b a h n v o n Leipzig nach Dresden. D i e Oberleitung h a t t e der Dresdner Wasserbaudirektor THEODOR KUNZ. Eine B r o n z e t a f e l a m N e u s t ä d t e r B a h n h o f , E c k e Hansastraße, t r ä g t sein Reliefbild und eine Inschrift. A m 19. 7. 1838 f u h r der erste Eisenbahnzug v o n Dresden bis R a d e b e u l - W e i n t r a u b e (s. B d . 22, P 1.8), a m 7. 4. 1839 fuhren die ersten Züge zwischen Leipzig und Dresden. D e r alte Leipziger Bahnhof (Abb. 32) in Dresden, Eisenbahnstraße 1 und 2, w a r außerhalb der damaligen Bebauungsgrenze angelegt worden; er wurde 1857 umgebaut. A m 10. 6. 1844 begann der B a u der Görlitzer Bahnlinie. A m 23. 6. 1846 f u h r der erste Z u g nach B a u t z e n . D e r zugehörige Schlesische B a h n h o f s t a m m t e aus d e m Jahre 1847. Z u r V e r b i n d u n g der beiden Neustädter B a h n h ö f e mit d e m A l t s t ä d t e r B ö h m i schen B a h n h o f , dem späteren H a u p t b a h n h o f , wurde 1846 — 52 im A u f t r a g des S t a a t e s die M a r i e n b r ü c k e d u r c h THEODOR K U N Z u n d JOHANN GOTTLIEB

LOHSE

errichtet (13 Pfeiler, Spannweite für die S c h i f f a h r t 26,80 m, G e s a m t b r ü c k e n länge 434 m). Die B r ü c k e diente zur einen H ä l f t e der Eisenbahn, zur anderen dem Straßenverkehr. ' D a die Züge v o n der B r ü c k e zum Leipziger oder Schlesischen B a h n h o f auf Straßenebene hinfuhren und den übrigen V e r k e h r immer mehr

134

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A b b . 32. Gebiet um Bahnhof Dresden-Neustadt (Ausschnitt, aus H E S S L E R 1837, revidiert 1852, veröffentlicht bei L Ö F F L E R 1956)

behinderten, plante man eine besondere, viergleisige Eisenbahnbrücke. Sie wurde 50 m unterhalb der Marienbrücke durch Bauinspektor B E R N H A R D K R Ü G E R seit 1898 erbaut. Die Stadt hatte bereits 1894 die alte Marienbrücke für 1,25 Millionen Mark gekauft, um sie in voller Breite für den Straßenverkehr nutzen zu können. A m 1. 10. 1901 wurde sie nach einer Bauzeit von 7 Monaten dem Straßenverkehr übergeben. 1945 zu 30% beschädigt, konnte sie nach ihrer Wiederherstellung am 21. 12. 1946 freigegeben werden. In dem umfangreichen Bauprogramm war auch die Vereinigung der beiden Neustädter Bahnhöfe zu einem Personenbahnhof vorgesehen. A m 1. 5. 1898 wurde ein Interimsbahnhof in Betrieb genommen, der Schlesische Bahnhof danach abgebrochen und an seiner Stelle der jetzige Bahnhof Dresden-Neustadt errichtet, der am 1. 3. 1901 zugleich mit der Eisenbahnbrücke dem Verkehr übergeben werden konnte. Der Bahnkörper wurde bei der Neuordnung hochgelegt. So entstanden die Bahnbögen, die vor allem auf Neustädter, aber auch auf Altstädter Seite heute noch verschiedenen Zwecken, beispielsweise als Lager, dienen. Mit der Umwandlung der Eisenbahntrassen und der Neuanlage eines beiden Strecken dienenden Bahnhofs machte sich für die Leipziger Strecke eine neue Linienführung erforderlich, um den Verkehr von N her in den Neustädter Bahnhof einmünden zu lassen (Abb. 32). Dadurch wurden die Anlagen des alten Leipziger Bahnhofs frei und zum Güterbahnhof der Neustadt umgewandelt. Viele Industrieniederlassungen bevorzugten die Nähe der Bahn und die großen 10*

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2

E 2 Ausfallstraßen, die Leipziger Straße und die Großenhainer Straße. An der Leipziger Straße verband sich der Vorteil des Eisenbahnanschlusses mit der Versorgung auf dem Wasserwege. Diese Gunst nutzte beispielsweise ein großes Sägewerk in der Nähe der ehemaligen Schiffsmühle, das das Holz damals noch in großen Flößen zugeführt bekam. Die herrschaftliche Villa des Besitzers am Alexander-Puschkin-Platz (früher Erfurter Platz) dient heute der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Eingangs der Leipziger Straße ließ sich 1866 die Drogenappretur-Anstalt des L U D W I G G E H E nieder, aus der ein bedeutender pharmazeutischer Betrieb entstand, heute Betriebsteil des V E B Arzneimittelwerk. Zwischen Leipziger Straße und Bahn entwickelte sich das geschlossene Industriegebiet, in dem die Steingutfabrik Villeroy und Boch, gegründet 1854, heute V E B Sanitärporzellan — auf ihrem Gelände Ringkammerbrennöfen von etwa 1860, wegen ihrer Form Bienenkorböfen genannt und als technische Denkmale ausgewiesen —, und der alte Dresdner Schlachthof seit 1873 (s. C 1) die beiden wichtigsten Betriebe waren. Heute noch ist dieser Baublock von der Industrie und den transportabhängigen Lagerbetrieben besetzt. Eine zweite Industriezeile entwickelte sich längs der Großenhainer Straße, gleich eingangs beherrscht durch die ehemalige Nähmaschinenfabrik von C L E M E N S M Ü L L E R , die lange Zeit die bedeutendste Produktionsstätte ihrer Art darstellte (heute V E B Reglerwerk). Von den weiter folgenden Betrieben der linken Straßenseite sei nur das ehemalige Dampfhammerwerk an der Liststraße erwähnt, das später aufgelassen worden und verschwunden ist — weil störend für die Bewohner —, entstanden doch an der Großenhainer und Fritz-ReuterStraße große Blöcke mit Eisenbahnerwohnungen. Die rechte Straßenseite blieb fast völlig frei. Hier siedelten sich später der Orgelbaubetrieb der Gebrüder Jehmlich (heute V E B Orgelbau Dresden) und ein pharmazeutisch-chemischer Betrieb — heute zum V E B Arzneimittelwerk Dresden gehörend — an.

E

3 Mittlerer Norden Eine eigenartige Entwicklung zeigt der Zwickel zwischen Großenhainer und Otto-Buchwitz-Straße. Während Leipziger und Großenhainer Straße zu bedeutenden Ausfallstraßen wurden, verkümmerte die nächste nach N führende Straße, die alte Radeburger Landstraße. Von der Rähnitzgasse ausgehend, war sie schon beim Ausbau der Festungsanlagen Altendresdens ohne eigenes Tor geblieben. Nach dem Stadtbrand von 1685 entstanden aber im Bereich der heutigen Friedensstraße an ihr zwei Neuanlagen: die Scheunenhöfe und der Innere Neustädter Friedhof. Wegen der Brandgefahr wurden die Scheunen der Ackerbürger aus der Stadt verbannt und in der Nähe des alten Bischofsweges an der Friedensstraße neu angelegt. Leider sind von den Scheunenhöfen kaum noch erhaltenswerte Reste als Zeugen der ehemaligen ackerbürgerlichen Tätigkeit übriggeblieben. Doch ist die alte Dresdner Bezeichnung Scheunenhofviertel noch gelegentlich zu hören. Auf der anderen Seite der Friedensstraße wurde 1732 der (Innere) Neustädter Friedhof eröffnet, da der alte Dreikönigskirchhof der neuen Hauptstraße Altendresdens (s. D 2) weichen mußte. Auf keinem anderen sächsischen Friedhof 136

ist eine vergleichbare Fülle bemerkenswerter barocker Grabplastiken erhalten E 3 geblieben. Hier befand sich bis 1980 auch ein einmaliges Denkmal der Dresdner Renaissanceplastik, der Totentanz, ein Sandsteinrelief von 1,20 m Höhe, 12 m Länge und mit 27 Figuren. An bekannten Persönlichkeiten sind bestattet A D A M Z Ü R N E R (1680—1742), der Hofgeograph A U G U S T S D E S S T A R K E N , der Bildhauer G O T T F R I E D K N Ö F F L E R (1715 — 79), der Bildhauer R O B E R T D I E Z (1844-1922). Durch den Schlesischen Bahnhof, die hinter ihm entstehenden Eisenbahnwerkstätten und die Dresdner Gasversorgungsanstalt an der Lößnitzstraße (1865 bis 1926 in Betrieb), noch mehr durch die neue Eisenbahntrasse der Leipziger Strecke, geriet dieser Teil der Neustadt in einen toten Winkel, der wegen seiner schweren Erreichbarkeit weithin unbebaut blieb. An der Fritz-Reuter-Straße siedelten sich flächenbedürftige Lagerbetriebe an (Holzhandel, Baubetriebe), nördlich der Eisenbahn entstand eine Sportanlage, die nach dem zweiten Weltkrieg als Stadion der Bauarbeiter mit einer Radrennbahn ausgestaltet wurde. Im übrigen wurde der ausgedehnte Freiraum zu wohlorganisierten Kleingartenkolonien ausgebaut. Bemerkenswerterweise drang die Besiedlung von den Außenrändern in die Freiflächen vor. Schon 1836 hatte der Dresdner Polizeidirektor H A N S L U D W I G V O N O P P E L L ein 82 Scheffel großes Sandfeld und 1841 weitere 9 Scheffel, insgesamt also etwa 23 ha Land, zwischen Buchenstraße, Otto-Buchwitz-Straße (Königsbrücker Straße) und Platz der Thälmannpioniere (Alaunplatz) gekauft, das bis 1833 als Artillerieübungsplatz gedient hatte. Das Areal hieß Auf dem Hecht, weil ein Weg nach Hechts Weinberg in Trachenberge bzw. seinem Gasthaus Zum Blauen Hecht (s. F 6) hindurchführte. 1842 erhielt O P P E L L einen Bebauungsplan für Kleinhäuser in offener Bauweise genehmigt. Die Besiedlung ging aber nur langsam vor sich. Bis 1846 gab es keine Schleuse, bis 1876 kein Straßenpflaster und keine Steinfußwege. 1872 stiftete ein Großkaufmann 100000 Mark zum Bau von Arbeiterwohnhäusern, die in bescheidenster Form auf der nach ihm benannten Johann-Meyer-Straße stehen (Nr. 40—54). 1875 wurde die Errichtung hoher Mietshäuser in geschlossener Bauweise gestattet. Zwar lagen an der Otto-Buchwitz- (Königsbrücker), Rudolf-Leonhard-(Oppell-) und Hechtstraße noch große Gärtnereien, doch hatte die Oppellvorstadt, wie sie nichtamtlich hieß, 1875 schon 6793, im Jahre 1890 aber 13200 Bewohner. Es entstand ein ausgesprochenes Arbeiterviertel mit der höchsten Wohndichte in Dresden (1910: 672 Personen je ha), durch das seit 1881 die gelbe Pferdebahn mit Oberdeckwagen vom Postplatz bis zum Arsenal (Industriegelände) verkehrte. 1901—45 fuhr durch die Hechtstraße eine elektrische Straßenbahn zur Buchenstraße und zum St.-Pauli-Friedhof, der 1862 angelegt worden war. Die Bevölkerung der Oppellvorstadt erhielt 1891 die St.-Pauli-Kirche, 1945 zur Ruine geworden. Der St .-Pauli-Friedhof, zuerst als Äußerer Neustädter Friedhof bezeichnet, war bereits 1862 am Hang der Hellerterrasse geschaffen worden. Die Bauten wurden nach Entwürfen des Landbaumeisters K A R L C A N Z L E R ausgeführt. Der Friedhof diente auch als Begräbnisstätte der Soldaten, die Opfer der Kriege von 1866 und 1870 — 71 geworden waren. Im Februar 1945 entstanden im nördlichen Teil des Hechtviertels auf größeren

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E3

Flächen Totalschäden. Sie wurden durch moderne Wohnbauten ersetzt. A n die Stelle der früheren Schule aus der Zeit der Jahrhundertwende trat ein lichter moderner Bau, die 30. POS Wilhelm Pieck. Wie die an der Schanzenstraße auf Trümmerflächen geschaffenen Grünanlagen, so bilden die neuen Wohnhäuser einen sehr wirksamen Kontrast zu älteren, engbebauten, wenn auch traditionsreichen Arbeitervierteln am Roten Hecht. Nach dem ersten Weltkrieg war an der Hechtstraße vor dem bewaldeten Steilhang der Hellerterrasse eine moderne genossenschaftliche Wohnsiedlung entstanden, auf einem Gelände, das im 19. Jh. zum Gutsbezirk des Wilden Mannes gehört hatte (s. F 6 ) . Von den ausgebauten Straßen entspricht die westliche Begrenzungsstraße, die Bärnsdorfer Straße, der alten Radeburger Landstraße. Die Bebauungslücke in Fortsetzung der Hansastraße bot eine günstige Gelegenheit, die Zufahrt zur Autobahnauffahrt Dresden-Nord großzügig anzulegen. Dieser Straße mußte der alte Gasthof Zum Blauen Hecht weichen.

E 4 Beiderseits der Bautzner Straße Im Mittelalter war Altendresden im N u n d O vom Heidewald'umschlossen. Nach allmählicher Rodung wurden Felder und Weingärten vom Elbufer bis zur Prießnitz angelegt. Raubbau an den verbliebenen Waldflächen im Dreißigjährigen Krieg ließ große Kahlflächen entstehen, von denen der Wind den bloßgelegten Sand weitertrug. Dadurch versandeten Äcker und Weinberge, so daß sich um 1700 eine weite unbebaute Fläche, der Sand genannt, vor dem Schwarzen Tor ausbreitete. Die wichtige Straße nach Stolpen und Bautzen führte nahe der Elbe ostwärts, die weniger bedeutungsvolle Straße nach Langebrück und Königsbrück vom Schwarzen Tor nach N. 1687 entstand als erste Anlage der kurfürstliche Holzhof. Eine größere Anzahl von Gaststätten, die die vor den Toren der Neustadt sich erholenden Dresdner stark anzogen, bildeten die Erstbesiedlung. Dazu gehörten an der Bautzner Straße ein längst eingegangenes Ballhaus und der Coselsche Garten an der Holzhofgasse. 1734 kam das spätere Linckesche Bad dazu,das 1764 Kurbad wurde und 1776 daneben ein Sommertheater erhielt. C A R L M A R I A V O N W E B E R weilte wiederholt in den Sommermonaten auf Altcosels Garten (Südseite der Holzhofgasse) und schuf hier 1820 seine „Preziosa" und 1825 die Ouvertüre und die Schlußfassung der Wolfsschluchtszene vom „Freischütz". Das Weberhäuschen wurde 1945 beim Luftangriff zerstört, ebenso Holzhofgasse 20, gegenüber dem Diakonissenkrankenhaus, die Villa Rosa von G. S E M P E R (1839), die als T y p für den Villenbau bis zum Ende des 19. Jh. bestimmend war. 1753 entstand im alten Glacis die Goldene Brezel, aus der schließlich nach vielerlei Zwischennutzungen das Kleine Haus der Staatstheater an der Togliattistraße wurde. 1758 zählte der ganze Anbau auf dem Sande (Abb. 33) mit seinen 348 ha Fläche nur 49 Besitzer, von denen 20 innerhalb der Weichbildgrenze von der Lessing-, früher Carlstraße, bis zu den Scheunenhöfen wohnten und damit dem Rat der Stadt, 29 weiter außerhalb Wohnende dem kurfürstlichen A m t unterstanden. Störende Einrichtungen, wie die Pulverhäuser (1750 — 64) und der Galgen (bis 1732), hemmten die Besiedlung. Erst nach Verlegung der Pulverhäuser 138

wurden die spätere Alaunstraße und die Louisenstraße angelegt. Die Zerstörung E 4 Dresdens 1760 durch die Preußen veranlaßte obdachlos gewordene Bürger, sich auf dem Sande anzusiedeln. Dazu gehörten wahrscheinlich auch die böhmischen Gärtner aus den 1760 niedergebrannten Vorstädten, was zu dem Namen Böhmische Straße führte. Einzelne Gewerbebetriebe ließen sich nieder, so die im Straßennamen noch weiterlebende Alaunflußsiederei am Alaunplatz, dem heutigen Platz der Thälmannpioniere, eine Eisengießerei am Ende der Bautzner Straße, die 1787 zu einer Meierei des Grafen M A R C O L I N I umgewandelt wurde. Sein Landhaus, der erste neugotische Bau Dresdens aus der Zeit um 1790 (Radeberger Straße 60), gab der 1836 gegründeten Brauerei den Namen Zum Waldschlößchen. 1830 besaß der Neue Anbau auf dem Sande 354 Häuser und wurde 1835 als Antonstadt — benanrft nach König A N T O N (Regierungszeit 1827 — 36) — nach Dresden eingemeindet. Die Bewohnerzahl stieg zwischen 1831 und 1910 von 3745 auf 56674. Die einstige Gartenvorstadt zwischen Alaun- und Prießnitzstraße wandelte sich mit der Industrialisierung in ein übervölkertes Arbeiterwohnviertel um. 1833 wurde die Schokoladenfabrik Jordan und Timäus gegründet, nach deren Inhabern heute 2 Straßen heißen. Da sich die planmäßige Ordnung um einen zwischen Alaun- und Martin-Luther-Straße vorgesehenen zentralen Marktplatz nicht verwirklichen ließ, wuchs die Antonstadt recht planlos. Die heutige Rothenburger Straße beispielsweise wurde erst 1869 bis zur Louisenstraße durchgeführt. Auf den Grundstücken Prießnitzstraße g undPulsnitzer Straße 12 liegt der Alte Israelitische Friedhof, der von 1751 bis 1868 benutzt wurde. Die Schulgeschichte wirft manch bezeichnendes Licht auf die sozialen Verhältnisse des Anbaus. 1777 richtete der Oberkonsistorialrat Dr. R Ä D L E R in seinem Gartenhaus auf der Louisenstraße die erste Schule auf dem Sande ein. 1789 wurde für sie das noch vorhandene Haus Louisenstraße 59 gebaut. E s war eine Arbeitsschule, in der die Kinder, die kein Schulgeld bezahlten, von nachmittags 13 bis 18 Uhr in einer von drei Arbeitsklassen arbeiten mußten (eine Flachsspinnerei-, eine Schafwollspinnerei- und eine Strick- und Nähklasse). Es war also eine Form der Kinderarbeit. Aus dieser Schule ging 1823 die Armenschule Louisenstraße 37 hervor. Im Grundstück Louisenstraße 37 wurde 1857 durch einen Kinderbeschäftigungsverein eine Holzspalterei eingerichtet. Die weitere Schulgeschichte der Antonstadt widerspiegelt die Bevölkerungskonzentration des 19. Jh. Aus Mitteln der Stiftung des Hofarztes Dr. N E I D E entstand 1787 auf der Wasserstraße (Reichpietschufer 6) eine Schule für die böhmische Gemeinde, die 1843 in die Togliattistraße 30 verlegt wurde. Weiter war 1841 die Schule Görlitzer Straße 10 (15. POS) hinzugekommen und 1864 die Aushilfsschule auf dem Sande Görlitzer Straße 8 (Haus B der 15. POS). 1874 wurde die Bürgerschule Rothenburger Straße 35 (13. POS) errichtet und 1889 die heutige 22. P O S Dr. Richard Sorge, Louisenstraße 42. Unmittelbar daneben ist die Medizinische Fachschule des Stadtkrankenhauses DresdenNeustadt eingerichtet. Einen Neubau bezog die 4. POS Karl Stein in der Löwenstraße am Elbufer. In diesen Jahrzehnten bildete sich im Bebauungsbild die soziale Differenzierung in der Antonstadt deutlich ab. Die recht eintönige Bauweise (Bilder 28 u. 29),

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A b b . 33. Neuer Anbau auf dem Sande 1797 (Ausschnitt, Original in Sächsischer revidiert 1852, veröffentlicht bei L Ö F F L E R 1956)

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1 4 1

die um die 1887 eingeweihte Martin-Luther-Kirche und in der Nähe der Bautzner Straße etwas gehobenere Wohnansprüche befriedigte, reicht im N bis an den historischen Bischofsweg, auf dem die Meißner Bischöfe ihren Weg nahmen, wenn sie das Betreten des Dresdner Stadtgebietes vermeiden wollten. Hier entstand im Zusammenhang mit der Verlagerung der Militäranlagen nach dem Heiderand der Alaunplatz als Exerzierplatz, hinter dem die bereits 1870 errichtete, heute verschwundene Schützenkaserne lag. Nach Ende der Kriegshandlungen 1945 diente der Platz zunächst der Ablagerung von Schutt und Trümmern; dann wurde er großzügig zu einer schönen Grünanlage, besonders für die Jugend, umgestaltet und erhielt den Namen Platz der Thälmannpioniere. Dieses typische Mischgebiet, das vorwiegend in den Gründerjähren entstand, wurde 1945 nur auf einzelnen Flächen zerstört. Die Bausubstanz ist in unterschiedlichem Maße überaltert, so daß dieser Stadtteil ebenso wie die Friedrichstadt (s. C 1) als großes Umgestaltungsgebiet vorgesehen ist. Innerhalb desselben entstand als bedeutender Neubau an der Otto-Buchwitz-Straße 1962 — 64 das derzeitige Hauptpostamt 6. Auf diesen Flächen sind neben vielen kleinen und mittleren Industrie- und Gewerbebetrieben auch einzelne größere Objekte angesiedelt und rekonstruiert worden, so der V E B Elbechemie. Innerhalb der Wohnbebauung wurden in den letzten Jahren in geringem Umfang baufällige, meist niedrige Häuser aus den Anfängen der Vorstadt abgerissen. Instandsetzungen von Einzelgebäuden und Straßenzügen gestalten das Stadtbild freundlicher. Die Bebauung der Rothenburger Straße, die in ihrem ursprünglichen Aussehen wiederhergestellt wurde, besitzt eine gute künstlerische Qualität ihrer Fassadengliederung. Im Mittelpunkt des Viertels, Alaunstraße 36 — 40, wurde das Haus des Zentralen Klubs der Jugend und Sportler, das seit 1960 den Namen Martin Andersen Nexö trägt, errichtet. Besondere Beachtung verdienen die komplex modernisierten Gevierte an der Jordanstraße, die als Versuchsobjekte unter wissenschaftlicher Planung und Leitung der Technischen Universität Dresden wichtige Aufschlüsse und Erfahrungen für die künftige Umgestaltung der Altbaugebiete vermitteln. Die elbwärts gelegenen Teile der Neustadt südlich der Bautzner Straße erhielten ein anderes Gesicht. Zwar hatte 1872 die Dresdner Baugesellschaft die Tieckstraße in geschlossener Bebauung angelegt, aber die 1824 versteigerten Grundstücke im ehemaligen Festungsgelände der Inneren Neustadt (s. D) und die weiter ostwärts bis zur Prießnitzmündung liegenden Privatgrundstücke wurden zu Villengrundstücken mit großen Gärten ausgestaltet. Hier entstand 1774 das Königliche Gymnasium später Staatsgymnasium genannt, auf dem Gelände des ehemaligen Holzhofes. Zwischen Bautzner Straße und Holzhofgasse erbaute man den Komplex der Diakonissenanstalt. Im Mai 1844 hatte der Dresdner Frauenverein ein kleines Krankenhaus mit 2 Schwestern aus dem DiakonissenMutterhaus Kaiserswerth auf der Böhmischen Gasse eröffnet. Die Anstalt wurde 1847 nach der Bautzner Straße verlegt. 1858 errichtete man ein neues Gebäude, dem 1879 das benachbarte Johanniterhospital und 1893 das große Krankenhaus Holzhofgasse 29 angeschlossen wurden. 1927 erhielt dieser Komplex die Kirche der Diakonissenanstalt von W. L o s s o w und H. M. K Ü H N E hinzuge142

fügt. Die 1945 zerstörte Kirche wurde bis 1962 wieder aufgebaut, die Rekon- E struktion des Krankenhausteiles ist noch im Gange. Das Dreieck zwischen Prießnitz, Elbe und Kasernengelände wurde ebenfalls in offener Bauweise errichtet und war bevorzugtes Wohngebiet höherer Militärs. Auch hier macht sich wie in allen vor rund 100 Jahren entstandenen Villenvierteln die bauliche Überalterung stark bemerkbar. Im Haus Nordstraße 28 wohnte von 1879 bis 1885 der polnische Schriftsteller J Ö Z E F I G N A C Y K R A S Z E W SKI, der durch zahlreiche historische und zeitgenössische Romane, so „Gräfin Cosel" (1874), „ B r ü h l " (1875), bekannt geworden ist und in der polnischen Literaturgeschichte einen bemerkenswerten Platz einnimmt. Wegen Beteiligung am polnischen Aufstand 1863 aus Polen ausgewiesen, schrieb er einen großen Teil seiner Romane in diesem Haus, das als Gedenkstätte eingerichtet ist. Zwischen Marienallee und Prießnitztal hatten pädagogische Einrichtungen Platz gefunden. An der Marienallee 5 wurde 1880 das aus einer Stiftung hervorgegangene, vorher an der Freiberger Straße gelegene Fletchersche Lehrerseminar in einem Neubau untergebracht. Im gleichen Waldgrundstück an der Jägerstraße 34 wurde 1876 der Neubau des Pestalozzistiftes eröffnet, das vom Pädagogischen Verein schon 1837 in Löbtau gegründet worden war, um arme Waisen zu erziehen. Später nahm es fast ausschließlich Waisen von Volksschullehrern auf, konnte aber nach der Inflation 1923 nicht aufrechterhalten werden. Heute dienen beide Anlagen der 1. P O S Dr. K u r t Fischer und der 104. POS.

Äußerer Norden

E

Das Gebiet zwischen Antonstadt und Dresdner Heide bildete bis 1945 den selbständigen Gutsbezirk Albertstadt, als Dresdner Kasernenstadt 1873 — 77 erbaut, nach König A L B E R T (Regierungszeit 1873 — 1902) benannt und mit einer 3 km langen und 30 m breiten Heerstraße, der heutigen Dr.-Kurt-Fischer-Allee, von der Radeberger bis zur Radeburger Straße ausgestattet. An ihr liegt die Martinskirche, durch W . L o s s o w und H. V I E H W E G E R als Simultankirche erbaut und 1900 als Garnisonkirche eingeweiht. An der Marienallee fand die Sächsische Landesbibliothek in einer ehemaligen Kaserne ein Domizil (s. D 3). A m Kannenhenkelweg liegen der Nord-, der frühere Garnisonfriedhof und der Sowjetische Garnisonfriedhof. A m Dr.-Kurt-Fischer-Platz und an der Otto-Buchwitz-Straße entlang entstanden um 1875 auch die Bauten und technischen Anlagen des Arsenals. Der am Dr.-Kurt-Fischer-Platz befindliche repräsentative Gebäudeteil, der nur wenig Schaden gelitten hatte, wurde nach 1945 als Stadthalle für große Versammlungen und Ausstellungen genutzt. Heute beherbergt er das neugestaltete Armeemuseum der D D R . Das längs der Otto-Buchwitz-Straße liegende Werkstättengelände ist nach dem ersten Weltkrieg und nach 1945 durch Instandsetzung, Wiederaufbau und Erweiterungen zum Industriegelände entwickelt worden, in dem zahlreiche Betriebe der sozialistischen Produktion ihren Standort gefunden haben. Mit der Errichtung des S-Bahnverkehrs ist an der vorbeiführenden Eisenbahnlinie Dresden —Arnsdorf ein Haltepunkt Industriegelände

143

E 5 geschaffen worden, von dem aus eine Fußgängerbrücke den Werktätigen einen Übergang über die verkehrsreiche Ausfallstraße nach Klotzsche und Königsbrück gestattet.

F

Nordwestliche Vororte Der N W der heutigen Stadt zwischen Elbe und Hellerterrasse war bis in die erste Hälfte des ig. Jh. hinein ein rein ländliches Gebiet. Das Kirchdorf war Kaditz, zu dessen Kirchspiel die kleinen Dörfer Pieschen, Trachau, Mickten, Übigau und die Gemeinde Trachenberge gehörten, wie auch die heute zur Stadt Radebeul zählenden Dörfer Serkowitz und Radebeul mit Oberlößnitz. Die ausgedehnten Flächen der Niederterrasse der Elbe mit ihren vorwiegend lehmigsandigen Böden gestatteten nicht nur einen befriedigenden Ackerbau, sie wurden vielfach wegen der Gunst des Klimas auch für den Weinbau genutzt. Ausschließlich sandige Stellen auf Dünen und am Fuß der Hellerterrasse waren von Kiefernheide bedeckt. Unangenehmer waren die häufigen Überschwemmungen, die nicht nur in Elbnähe, sondern auch längs alter, heute meist nicht mehr erkennbarer Elbarme auftraten. So gibt es in Alttrachau Hochwassermarken. Vom Seegraben bei Kaditz aus reichte ein solcher alter Elbelauf bis in die Gegend des heutigen St.-Pauli-Friedhofes. E r füllte sich 1845 mit Stauwasser, und im Gärtnereigelände in der Nähe der heutigen 28. P O S gab es zu Beginn des Jahrhunderts noch Schilfbestände. • Erst im 19. Jh. zeigte die Entwicklung der einzelnen Dörfer größere Unterschiede. Mitentscheidend war die Verlegung der alten Meißner Landstraße um 1780 auf hochwasserfreies Gelände, so daß K a d i t z in eine Abseitslage geriet. Die Trasse der Leipziger Eisenbahnlinie aber zog Gewerbe und Industrie an sich; an den großen Ausfallstraßen, der Leipziger Straße in Richtung Radebeul und der Großenhainer Straße zum Wilden Mann, breiteten sich die neuen Wohnviertel aus. Immer mehr verringerten sich die verbliebenen Freiflächen. Soweit sie nicht in späteren Phasen überbaut wurden, tragen sie heute meist Kleingartenkolonien . Mit der fortschreitenden Besiedlung lösten sich die alten Bindungen mehr und mehr auf. Die einzelnen Gemeinden errichteten eigene Schulen, das Kirchspiel Kaditz zerfiel in mehrere Parochien. Bedeutsamer war, daß mit der Entstehung neuer Wohnviertel die alten Dorfkerne völlig umbaut wurden (Abb. 34), als Relikte einer in die moderne Stadt nicht mehr passenden Wirtschaftsform abseits der Hauptverkehrsstraßen wenigstens teilweise erhalten blieben und das Zugehörigkeitsgefühl zu den alten Dorffluren dahinschwand.

F 1 Kaditz hat seinen dörflichen Charakter am längsten erhalten können. Das große Platzgassendorf (Abb. 35) ist 1269 als Kayticz (aso. Leute des Kojeta) belegt. Die Kirche in Altkaditz wird 1273 zum ersten Mal genannt und heißt seit 1904 144

Abb. 34. Fluren und Dörfer im Nordwesten (Entwurf plänen von 1900 und 1976)

J. BIELER,

nach Stadt-

Emmauskirche. Die ältesten Teile des jetzigen Gebäudes stammen aus der Zeit um 1500. Der 44,5 m hohe Turm wurde 1869 umgebaut. Kaditz stand unter der Gerichtsbarkeit der Meißner Domkirche und nach der Reformation unter der des Prokuraturamtes Meißen. Da aber auch das kurfürstliche A m t bestimmte Rechte besaß, gab es neben dem Meißner Dorfrichter noch einen Dresdner Amtsrichter. Beide waren Kaditzer Bauern. Ursprünglich saßen in K a d i t z vermutlich 6 Bauern; die Flur bestand nur aus dem Ackerland östlich des Dorfes bis zum Riegelplatz, den Hufen, erhalten im Straßennamen A n den Hufen. Nachdem das als Weideland genutzte Überschwemmungsgebiet südlich der Flutrinne mit unter den Pflug genommen worden war, wuchs die Flur auf i5 1 / 2 Hufen an. Eine weitere Vergrößerung erfuhr Kaditz durch die Einbezirkung von Poppewitz und Gleina. Das Vorwerk P o p p e w i t z schloß sich nördlich an den Kaditzer Dorfplatz an.

Jahre der Güterteilung 11547 2.1616 3.1622 4.1635 5.1659

Abb. 35. Plan des Dorfes Kaditz 1835 (nach

TRAUTMANN

1909)

Als Herrengut von Kaditz gehörte es dem Meißner Domstift. Im 15. Jh. wurden seine Felder an die Kaditzer Bauern ausgegeben. Die Puppsfelder (Poppsen) an der Kreuzung der Spitzhaus- und der Kötzschenbrodaer Straße hielten den Namen bis ins 20. Jh. lebendig. Das Dorf G l e i n a lag zwischen Kaditz und Trachau und wurde Ende des 14. Jh. aufgegeben. Seine Flur (7 Hufen), die bis an die Leipziger Straße heranreichte, wurde von Kaditz aus bewirtschaftet. K l e i n k a d i t z in der nordwestlichen Ecke der Kaditzer Flur bestand bis 1939 aus 3 Wirtschaften einschließlich des Bischofsgartens. Seit 1940 wurde es von einer Siedlungsgesellschaft mit einer Kleinhaussiedlung bebaut. Der Bischofsgarten war eine Weinpflanzung der Meißner Bischöfe nahe der Elbfähre wie 146

auch die südlich vom Bischofsgarten gelegene flache Erhebung, der Goppitz, F l auch Guppitz oder Gucksberg. Weingärten sind an mehreren Stellen der Flur noch gegenwärtig an ihren verfallenen Mauern zu erkennen. An der Grenze zwischen Kaditz und Radebeul zieht sich der heute ausgetrocknete Seegraben mit den Seewiesen hin, der das Tännicht in ein nördliches und ein südliches Stück teilt. E r ist der letzte Rest eines alten Elbarmes. Heute sind die Seewiesen Gartenland, und der Seegraben ist zum Teil nur an den Beständen von Erlen, Pappeln und Weiden zu erkennen. Das Kaditzer Tännicht reichte noch 1890 bis nahe an den Riegelplatz und die heutige Autobahn. E s war mit Kiefern, in älterer Zeit auch mit zahlreichen Eichen bestanden. Das Nordstück des Tännichts auf Radebeuler Flur wurde nach 1890 bebaut. Das Südstück war erst um 1927 vollständig gerodet. Seit 1937 wurde darauf eine ausgedehnte Kleinhaussiedlung angelegt mit Straßen wie Am Kaditzer Tännicht, Lange Felder, Seewiesenweg, Sandbodenweg und Am Kesselgrund. Länger als andere Dörfer behauptete Kaditz seine bäuerliche Abgeschlossenheit. Die durch Erbteilung bis 1635 auf 30 Bauern angewachsene Nachbarschaft (Abb. 35) ließ fortan weder das weitere Zerfallen der Güter in kleine Gärtnerund Winzernahrungen noch die Niederlassung fremder Häusler zu. Das Minorat wurde streng eingehalten, das heißt, nur der jüngste Sohn erbte das Gut; der geringe Bevölkerungsüberschuß mußte abwandern. Die Einwohnerzahl blieb deshalb jahrhundertelang nahezu gleich. Die Bauern waren durch Abgaben und Frondienste schwer belastet. Um 1700 mußten sie beispielsweise an Zinsen und Steuern jährlich 269 Taler an das Amt Dresden und 579 Taler an das Prokuraturamt Meißen zahlen, der einzelne Bauer also im Durchschnitt 28 Taler. Da der Scheffel Korn (rund 75 kg) etwa

Abb. 36. Teilansicht von Altkaditz 147

Fi

2 Taler kostete, entsprach das dem Wert von 1050 kg Korn. Dazu kamen die Dienste, beispielsweise im Kammergut Ostra 1 1 4 4 Handtage im Jahr — für den einzelnen Hof also durchschnittlich 38 —, weiter 32 Spannfuhren in 3 Wochen, 32 Sicheltage im Jahr, darüber hinaus noch Weinbergdienste (Mostund Düngerfahren), Jagddienste und andere Fronen. Das Holz mußte bis 1580 aus dem Tharandter Wald geholt werden. Der Dorfplatz, mit Linden und Nußbäumen bestanden, hat den bäuerlichen Charakter bis heute noch gut bewahrt (Abb. 36). Bei den Erbteilungen zwischen 1547 und 1635 spaltete man die Höfe gleich den Äckern der Länge nach in zwei Hälften. Die Anwesen wurden dadurch eng, und man mußte in der Tiefe des Hofes einen besonderen Platz zum Wenden der Wagen schaffen. Die quergestellte Scheune greift in das Nachbargrundstück über (Altkaditz 1 1 , 16 — 20, 22, 30), so daß die Hofräume an der Rückseite mauerartig abgeschlossen werden. Die Wohnhäuser richten die Giebel zur Straße, und einige von ihnen tragen Spruchtafeln, so Nr. 23 (1799) und 30. Das Obergeschoß springt über das Erdgeschoß vor und zeigt mehrfach eine Galerie, die Laube, von der aus man Mägde- und Knechtekammern erreichte. Die große Einfahrt und die kleine Pforte des Hoftores sind meist gewölbt, manchmal auch durch einen geraden Balken mit kleinem Ziegeldach abgedeckt. Der Schlußstein zeigt oft die Anfangsbuchstaben von Namen der Besitzer und eine Jahreszahl, bei Nr. 15 auch bäuerliche Geräte (Sechmesser). In mehreren Schlußsteinen und Tafeln tritt das Jahr 1818 (letzter großer Dorfbrand) auf. Weinspaliere und tiefe Keller erinnern an den ehemaligen Weinbau. Ackerbau und Weinbau sind heute weitgehend verschwunden. Die günstige Lage zu den Absatzmärkten hat in Kaditz schon frühzeitig die Orientierung auf Gemüsebau ermöglicht, wozu die leichten Böden besonders gut geeignet waren. Heute ist die L P G Frühgemüsezentrum mit Betriebsteilen in Radebeul und Kaditz rechtselbisch sowie Gohlis und Weistropp linkselbisch einer der leistungsstärksten Lieferanten des Dresdner Marktes. Die Genossenschaft bewirtschaftet insgesamt 1620 ha, davon 22,5 ha unter Glas und Folie (Bild 39).

F 2 Elbwinkel südlich der Flutrinne Dieser abgelegene, ständig von Hochwasser bedrohte Teil des großen Elbbogens war früher meist als Grasland genutzt worden. Nach der Eingemeindung der Dörfer Kaditz, Mickten und Übigau im Jahre 1902 erwarb die Stadt den Flurteil Großstücke von den Kaditzer Besitzern und schuf einen Bebauungsplan. Darin war der Ausbau der Kaditzer Flutrinne enthalten und auch die spätere Nutzung der Flächen durch Kläranlage und Flugplatz. Zur Verminderung der Überschwemmungsschäden wurde schon 1902 geplant, zwei F l u t r i n n e n zu bauen; die südliche im Zuge des alten Elbarmes bei Mickten, die sich bei jedem Hochwasser mit Wasser füllte (Bild 37), wurde 1918 bis 1921 angelegt und, da der Bau der nördlichen Radebeuler Rinne über den Seegraben nicht zustande kam, 1925 bis 1927 von 40 m auf 1 1 9 m Sohlenbreite erweitert. 1927 entstand auf Micktener Flur die 132 m lange Flutrinnenbrücke aus rotem Meißner Granit im Zuge der Sternstraße. Die ausgebaggerten Massen 148

wurden auf Kähnen nach Tolkewitz verladen, wo sie zum Ausfüllen des Wasser- F 2 werksgeländes (s. K 4) Verwendung fanden. Die großen Quader der Flutrinnenböschung stammen aus der Bastion Merkur an der Wallstraße. Oberhalb der Mündung der Flutrinne lag bis in die Mitte des 19. Jh. ein Werder. In seiner Nähe befand sich der Lachszug. Hier errichteten die Dresdner Fischer Anfang jeden Jahres Hütten, die im Mai wieder abgebrochen wurden. 1908 durch den Stadtarchitekten H. E R L W E I N errichtet, hat die K l ä r a n l a g e die Aufgabe, die Dresdner Abwässer, die hier an der tiefsten Stelle der Stadt zusammenströmen (Trockenwetterabfluß täglich rund 100000 m 3 ), zu reinigen. Die Dresdner Stadtschleusen münden auf beiden Seiten der Elbe in einen A b fangkanal. Die Altstädter Abwässer werden in 2 Dükerrohren oberhalb der Flügelwegbrücke bei Cotta unter dem Elbgrund nach Kaditz geführt. Sie durchfließen 2 Sandfänge, in denen die schweren Stoffe zu Boden sinken, und gelangen dann in die Vorreinigungsanlage, in der die Schaummassen durch einen Schwimm-

Abb. 37. Flurplan von Mickten 1835 1 Hinterberge 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Sippchen Vorderberge Kräuter Kräuterwiesen Auf dem Grunde Angelegte A n der Burg Burgwiesen Galken Lehmstücke Lange Viertel Striemchen Teichstücke

1X Dresden

15 16 17 18 19 20 21 22

Toschten Meergärtchen Vorwerk Dobergründchen Hinterforbrig Schmale Höhe Rabestücke

28 Scheibe 29 Obere Sandstücke 30 Lehnstücke 31 Einstoßwiesen 32 Elb wiesen 33 Elbstücke unterm Ufer 34 Hintermick tener Rasenwegstücke

23 24 25 26 27

Krummfelder Niedere Sandstücke Hinterhälsige Sandstücke Pritzschge

35 Vierbeete 36 A n den Trachauer Gärten 37 Queren 38 Sauwinkel

149

F 2 körper und die Sperrstoffe durch einen Grobrechen entfernt werden. In der eigentlichen Reinigungsanlage, einer 60 m langen und u m breiten Halle, werden durch 4 langsam rotierende Separatorscheiben (Siebscheiben mit 230000 Schlitzen) von 8 m Durchmesser die Schmutzstoffe ausgesiebt. Der anfallende Schlamm gelangt in den Faulturm, bis er nach 30 Tagen als geruchloser Humusdünger entnommen wird. Das dabei entstehende Sumpfgas (Faulgas, Methangas) wird zur Heizung im Betrieb verwendet. Die geklärten Abwässer flössen zunächst in einem 2 m weiten Dükerrohr in die Strommitte der Elbe. Da dieses Reinigungsverfahren der Elbe eine noch zu hohe Abwasserlast brachte, wurde 1952 ein durchgreifender Umbau der Kläranlage begonnen. Die nach dem neuen Verfahren geklärten Wässer werden nicht der Elbe zugeführt, sondern in einem Kanal nach Sörnewitz, einem Stadtteil von Coswig, geleitet und auf landwirtschaftlichen Flächen verrieselt. 1911 fanden über der Micktener und Kaditzer Flur Flugveranstaltungen statt. 1913 wurde der städtische F l u g p l a t z gegründet, der 1925 nach dem Heller in der Nähe des Industriegeländes verlegt wurde und 1935 seinen endgültigen Standort in Dresden-Klotzsche (s. Bd. 22, R 4.4) erhielt. Ein regulärer Flugdienst bestand vor dem ersten Weltkrieg noch nicht; für Zeppelin-Luftschiffe war eine Luftschiffhalle errichtet, aber die 1928 demontiert worden. Da der nördliche Teil des Flugplatzes für die Militärfliegerei vorgesehen war (auch eine kleinere Luftschiffhalle stand zeitweise hier), entstanden an der Washingtonstraße in Übigau die Gebäude der „Fliegerkaserne".

F 3 Übigau und Mickten Bei Überschwemmungen auf allen Seiten von Wasser umschlossen, liegen im Ostteil des Kaditzer Elbbogens die beiden alten Dörfer Mickten und Übigau. Die Flur Micktens erstreckt sich zum größten Teil nördlich der Flutrinne, und dort hat auch entlang der Leipziger Straße (mit dem Straßenbahnhof Mickten) die Bebauung eingesetzt, so daß der Name Mickten heute meist nur auf den Nord teil der alten Flur bezogen wird (s. F 4). A l t m i c k t e n ist ein zum Platzgassendorf erweiterter Rundling, 1378 als Migtin (aso. Leute des Mikota) erwähnt, und vermittelt noch heute ein dörfliches Bild. Das Gehöft Nr. 10 mit Fachwerk zeigt im Türschlußstein JCCV und 1823 (Brandjahr), die frühere Scheune des Fachwerkgehöftes Nr. 9 eine Oberlaube. Die Bauern Micktens bewirtschafteten eine Flur mit schmalen Langstreifen (Abb. 37), die sich zu gewannartigen Verbänden zusammenschlössen. Einbezogen war die wüste Flur von Bortzschen im N der Micktener Flur. Neben dem Ackerbau spielte der Fischfang eine Rolle. Die Micktener mußten, einer Erwähnung von 1648 zufolge, neben ihren sonstigen Diensten auch beim Ausfischen der Lachen auf den Ostrawiesen (im Bereich des heutigen Hafens) Fronen mit dem K a h n leisten. Bei Besitzwechsel wurden ihre Güter „mit Schiff und Geschirr" übergeben. Im Dorf befand sich in der Frühzeit ein Vorwerk, an das noch bis ins 19. Jh. hinein der Name Vorwerkshufen nördlich der Flutrinne nahe der Sternstraße erinnerte. Das Dorf stand unter der Gerichtsbarkeit des Meißner Domstifts, später des Meißner Prokuraturamtes, 150

z u m Teil a u c h des Landesherrn (1485), so d a ß es hier wie in K a d i t z (s. F 1) bis 1836 zwei A m t s r i c h t e r gab. W e i n b e r g e werden 1414 g e n a n n t ; später b e s a ß e n die B a u e r n a u c h W e i n b e r g e a m S t r a k e n in Radebeul. D i e F l u r v o n U b i g a u beginnt a n der Scharfenberger Straße. D e r Ortskern, heute A l t ü b i g a u , bildet eine e t w a 8 m über der E l b e hochwasserfrei gelegene, zur E l b e offene Sackgasse und hieß früher D i e T r ä n k e . V o n den 6 G e h ö f t e n wurden bei einem L u f t a n g r i f f a m 2. 3. 1945 4 zerstört, so d a ß das alte D o r f b i l d nicht mehr besteht. A l s einziges Zeichen der V e r g a n g e n h e i t h a t sich ein Schlußstein v o n 1720 in der W a n d des Seitengebäudes v o n Nr. 8 erhalten. I n f o l g e der geringen Größe des alten D o r f p l a t z e s w u r d e n schon frühzeitig a n der T r i e b e (Viehtreibe), der heutigen Rethelstraße, H ö f e errichtet. D i e ältesten S c h l u ß steine zeigen die Jahreszahlen 1693 (Nr. 28, j e t z t v o n der Z B E A g r o b a u D r e s d e n genutzt) und 1695. D a s Dorf Vbegowe (zu aso. ubeg = Flußarm) gelangte 1324 m i t einer F a n g s t e l l e in der Elbe, einem sogenannten W a c h , a n das Meißner D o m s t i f t , das es seiner Stiftsbaumeisterei überwies. E s blieb a u c h nach der R e f o r m a t i o n S t i f t s b a u meistereidorf. A n der Flurgrenze gegen Mickten zog sich im Z u g e der heutigen Scharfenberger S t r a ß e der B i s c h o f s w e g hin (s. E 4, Q 4). D i e A n w e s e n R e t h e l straße 17 und 19 hießen die Bischofsgüter, 1559 k a m Ü b i g a u z u m k u r f ü r s t l i c h e n A m t Dresden. Schloß Ubigau, R e t h e l s t r a ß e 47, w u r d e 1 7 2 4 — 2 6 durch JOHANN FRIEDRICH VON EOSANDER, genannt GÖTHE, f ü r den Grafen FLEMMING, d e m a u c h das Japanische Palais zeitweilig gehörte (s. D 3), als L u s t s c h l o ß auf den W e i n b e r g g r u n d s t ü c k e n v o n 4 enteigneten B a u e r n errichtet. E i n e zweiläufige T r e p p e f ü h r t zwischen einer statuenbesetzten B r ü s t u n g s m a u e r in einen kleinen französischen P a r k , in dessen Mittelachse sich das zweigeschossige Schloß m i t g F e n s t e r a c h s e n befindet. In der H a u p t a c h s e t r ä g t eine große Figurengruppe d a s sächsischpolnische W a p p e n . S p ä t e r b e f a n d sich das Schloß in kurfürstlichem B e s i t z und w a r S c h a u p l a t z großer H o f f e s t e und 1753 eines Campements, eines militärischen Lustlagers. N a c h längerer V e r w a h r l o s u n g w u r d e es 1831 versteigert u n d v o n d e m Dresdner Ratszimmermeister PAUL SIEMEN erworben und a u s g e b a u t . V o n 1836

bis

1845

war

es V e r w a l t u n g s g e b ä u d e

des

von ANDREAS

SCHUBERT

(an

ihn erinnert i m V o r r a u m eine Bronzetafel) begründeten A k t i e n - M a s c h i n e n b a u Vereins. Hier w u r d e 1837 das erste sächsische Personendampfschiff und 1839 die erste deutsche L o k o m o t i v e erbaut. D e r S t a n d o r t an der E l b e , abseits v o n den Eisenbahnstrecken, b r a c h t e allerdings mancherlei Schwierigkeiten und z w a n g zur K o n z e n t r a t i o n auf die Bedürfnisse der Schiffahrt. Seit 1877 betrieb die Elbeschiffahrts-Gesellschaft K e t t e eine W e r f t , die 1910 rund 1100 Arbeiter und über 100 Angestellte beschäftigte. E i n K r a n blieb als technisches D e n k m a l bis heute erhalten. Ü b i g a u wurde d a m i t zu einem der charakteristischsten Industrie- und Arbeiterwohnvororte, der schon zeitig S t r a ß e n b a h n anschluß erhielt. 1930 wurde der B e t r i e b während der W i r t s c h a f t s k r i s e stillgelegt und das Schloß v o n der K P D gepachtet. H e u t e n u t z t ein neues W e r k , der V E B D a m p f k e s s e l b a u , das U b i g a u e r Schloß f ü r seine V e r w a l t u n g . Spätere P l ä n e der Industrialisierung des M i c k t e n — K a d i t z e r Freilandes f ü r industrielle Z w e c k e k a m e n nur teilweise zur D u r c h f ü h r u n g . A u f M i c k t e n e r F l u r a n der W a s h i n g t o n s t r a ß e erstand 1823 ein Zweigunternehmen der F i r m a K o c h II"

151

F3

F 3 und Sterzel, aus dem sich der heutige Industriekomplex des V E B Transformatoren- und Röntgenwerk Hermann Matern (Bilder 37, 38) als führendem Betrieb auf diesem Gebiet entwickelt hat. Zwischen Mengs-, Werft- und Rethelstraße wurden 1979/80 6 Blocks mit 320 Wohnungen vor allem für Arbeiter errichtet. Die unangenehme Lage in der Sackgasse des Kaditzer Elbwinkels wurde erst 1929/30 durch den Bau der F l ü g e l w e g b r ü c k e oder Kaditzer Brücke gemildert. Diese ruht auf 5 Landpfeilern und hat eine einzige Stromöffnung. Bei ihrer Erbauung war sie die weitest gespannte Blechträgerbrücke der Welt mit einer Spannweite von 115 m bei einer Gesamtlänge von 308 m. Da sich bei io°C Temperaturzunahme der 285 m lange stählerne Überbau um 43 mm verlängert, ruht die Brücke nur auf dem Neustädter Uferpfeiler fest, auf den anderen 4 Pfeilern aber verschiebbar auf Rollenlagern. Die Fugen an den Enden zwischen Stahlkörper und Betonlager sind durch Gleitplatten überdeckt.

F 4 Pieschen Die Flur des Dorfes erstreckt sich von der damaligen Stadtgrenze bei Neudorf (s. E i ) bis zur Bolivarstraße und Leipziger Straße, von der Elbe bis an die Hänge von Trachenberge. Durch die Verkehrslage an der Leipziger Eisenbahnlinie und den beiden Ausfallstraßen Leipziger Straße und Großenhainer Straße wurde der Ort durch die Umwandlungen in der zweiten Hälfte des 19. Jh. von den nordwestlichen Vorstädten am stärksten betroffen. Im Mittelalter (1292 Peschen, zu aso. pesk = Sand) stand das Dorf unter der Gerichtsbarkeit des Meißner Hochstifts; daneben hatten das Dresdner Augustinerkloster, die Kreuzkirche und einzelne Adlige Besitzungen. Nach der Reformation traten an die Stelle des Domkapitels das Prokuraturamt Meißen sowie andere Gerichtsherrschaften, das kurfürstliche A m t Dresden, das Dresdner Brückenamt, das Altstädter und Neustädter Religionsamt. Infolge der N ä h e der Landstraße erlebte das Dorf oft Durchmärsche fremder Truppen, so im Dreißigjährigen Krieg (Bau einer Schiffsbrücke 1637), im Nordischen K r i e g ( K A R L X I I . von Schweden am 6. 9. 1707), im Siebenjährigen Krieg (Gefecht am 5. 9. 1758; österreichische Schiffsbrücke 1760) und im Befreiungskrieg 1813 (russische Floßbrücke im Mai 1813, die dann abgebrannt wurde und bis Mickten schwamm). Pieschen war kein reiches Bauerndorf; die Zahl der Gartennahrungsbesitzer, Häusler und Hausgenossen ( = Mieter) überwog die der Hufenbauern. 1701 gab es 14 Hufen Land, aber 49 Familien mit 140 Personen, also dreimal — 1801 sogar fünfmal — so viele landarme und landlose Einwohner wie Gutsbesitzer. Die Häusler arbeiteten zum großen Teil als Winzer auf den herrschaftlichen Weinbergen östlich vom Wilden Mann, auf denen sich später Trachenberge (s. F 6) entwickelte, aber auch im Ort selbst, wo es eine ganze Reihe Weingärten gab. Die Osterbergstraße führte bis 1877 mitten durch Weinpflanzungen. Noch 1860 schreibt H. L E U P O L D in einem Wanderbuch von Pieschen: „Schön in seinen Gärten an der Elbe gelegen, mit Weinbau und vieler Bienenzucht, zieht es viele Städter an." 152

Als letzten Rest des alten Dorfes sehen wir auf der Ostseite Altpieschens und in der angrenzenden Robert-Matzke-Straße Anwesen von Kleinbauern, meist Zweiseithöfe. Da gibt es Lehmfachwerk, Oberlaubengänge (Robert-MatzkeStraße 34 von 1803), das Weinspalier am Hause, eine überdachte Außentreppe, einige Hausinschriften und Schlußsteine (Altpieschen 2 von 1710). Vereinzelte Häuslerwohnungen finden wir noch auf Bürger-, Osterberg- und Konkordienstraße. Die industrielle Entwicklung erfaßte zunächst die stadtnähere Leipziger Vorstadt (s. E 1). Als größere geschlossene Anlage entstand 1868 der „Maschinenbahnhof" Pieschen, der zunächst der Leipziger Eisenbahn diente. Als um 1900 die neue Eisenbahntrasse in Betrieb genommen wurde, gewann der Güterverkehr hier die Vorhand, zog das alte Bahngelände Spedition, Lagerbetriebe und Altstoffhandel an. In der Nähe des Pieschener Haltepunktes entstanden mit den Malzfabriken und dem heutigen Teilbetrieb vom V E B Nähmaschinenteile an der Riesaer und Barbarastraße größere Fabrikkomplexe. Sonst richtete man vor allem längs der Großenhainer Straße locker aufgereihte, verschiedenartige Industriebetriebe ein. Viele Kleinbetriebe entwickelten sich aus alten handwerklichen Produktionsstätten und wurden so zu typischen Hinterhof betrieben. Erst später, als Pieschen schon dicht bewohnter Vorort war, traten einzelne größere Betriebe hinzu: im Freigelände an der Trachenberger Straße der Straßenbahnhof Trachenberge mit den Werkstätten, in denen bis in die zwanziger Jahre die Dresdner Straßenbahnwagen gebaut wurden, dicht dabei an der Kleiststraße der feinmechanische Betrieb von Heyde, heute V E B Feinmeß, die Wäschereinigung des heutigen V E B Purotex in der Heidestraße und mehrere andere. In erster Linie aber wuchs Pieschen zum Arbeiterwohnort. 1834 noch ein bescheidenes Dorf mit 347 Einwohnern, zählte es 1867 bereits 1425, 13 Jahre später schon über 6000 Einwohner, und die chaotischen Wohnungsverhältnisse zwangen angesichts des weiter wachsenden Wohnraumbedarfs die Gemeindeverwaltung 1879 zu einem Bebauungsplan. E s entstanden ganze Straßenzüge in geschlossener Bauweise mit dreistöckigen Häusern mit Mansardenwohnungen und vielfach auch Hintergebäuden. Zunächst erfaßte die Bebauung vor allem den Südteil zwischen Leipziger Straße und Eisenbahnlinie, später auch das Gebiet nördlich der Großenhainer Straße bis zum Hubertusplatz. Die Mehrzahl der Zugezogenen bestand aus wenig verdienenden Arbeiterfamilien. Das Einkommensteuermittel betrug demzufolge 1895 nur 3,58 Mark wöchentlich pro Kopf gegenüber 16 Mark in Dresden. Die finanzielle Lage des Ortes veranlaßte die Gemeinde, 1893 die Eingemeindung nach Dresden zu beantragen. A l s Pieschen 1897 Stadtteil wurde, hatte es rund 17000 Einwohner. Schon die Dorfgemeinde ließ 1890/91 ein größeres Rathaus im Stil der deutschen Renaissance von S C H I L L I N G und G R Ä B N E R (Bürgerstraße 63) errichten. Die 5 Weinstöcke im Bildsiegel des Mittelbaus verweisen nicht nur auf die Bedeutung des Weinbaus, sondern zugleich auf die 5 alten Grundherrschaften. Vorwärtsweisend war 1879 die Gründung des ersten Konsumvereins durch Pieschener Arbeiter. Diese brachten auch dem Bildungswesen großes Interesse entgegen. Schon 1613 hatte sich wegen der großen Entfernung zur Kaditzer Kirchschule ein Kinderlehrer niedergelassen. An der alten Pieschener Schule (Bürgerstraße 76)

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wirkte 1832 — 61 G O T T L I E B M O H N (1811—81), nach dem die Mohnstraße benannt wurde. E r unterrichtete als einziger Lehrer die Jugend von Pieschen, Trachau und Trachenberge, zuletzt 250 Schulkinder. Erst 1861 wurde das Schulhaus Bürgerstraße 68 — heute Kindertagesstätte — und 1873 das Hintergebäude dazu erbaut. 1879 entstand die jetzige 26. P O S Arno Lade, Osterbergstraße 22, 1891 eine Mädchenschule Robert-Matzke-Straße 14 (27. P O S Robert Matzke) und 1902 die Schule Wurzener Straße 5, die heutige Poliklinik. 1905 wurde die katholische Schule Leisniger Straße 76 errichtet, in der jetzt die Sonderschule untergebracht ist. 1915 schließlich wurde der Erlweinbau am Pestalozziplatz — heute Erweitere Oberschule Pestalozzi — eingeweiht. Entsprechendes erfolgte in der kirchlichen Organisation. A m 1. 1. 1884 schied Pieschen mit Trachenberge aus der Parochie Kaditz aus, legte zunächst einen eigenen Friedhof (Markusfriedhof) an und erbaute 1886 — 88 als Ziegelrohbau nach dem Entwurf des Architekten C . G . S C H R A M M im neugotischen Stil mit einem 45 m hohen Turm die Markuskirche. Wegen des Zuzugs zahlreicher Katholiken aus Böhmen und Schlesien wurde 1903 eine katholische Expositur gegründet. Sie weihte am 2. 10. 1910 an der Rehefelder Straße die St.-JosephsKirche, die von A L E X A N D E R T A N D L E R als Basilika in Eisenbeton errichtet wurde. Die zunächst verbliebenen Freiflächen wurden vorwiegend von Gärtnereien und in zunehmendem Maße von Kleingartenkolonien genutzt. Nach dem ersten Weltkrieg überbauten Wohnungsbaugenossenschaften einen erheblichen Teil dieser Freiflächen mit modernen Siedlungen. So entstanden 1925 die Kleinhaussiedlung an der Duckwitzstraße, der Häuserblock mit Flachdächern zwischen Rehefelder und Arno-Lade-Straße, später die Siedlungsbauten nördlich des Markusfriedhofs. 1929 kamen das moderne Hallenbad an der Wurzener Straße sowie das Gebäude der Städtischen Bücherei hinzu. Der rasche Bevölkerungszuwachs der Vorstadt ließ an der Oschatzer Straße ein gut ausgestattetes Nebenzentrum des Geschäftslebens entstehen. Die Anlage des Elbhafens am Pieschener Winkel von 1856 bis 1859 blieb ohne größere Wirkung auf die Entwicklung Pieschens. Sein Einfluß war wesentlich stärker auf die Micktener Flur (s. F 3 ) . Hier war 1804 das erste Haus außerhalb des alten Dorfes Mickten errichtet worden. Es erhielt 1821 Schankkonzession. 1897 errichtete PAUL WATZKE darauf den Neubau eines Ballsaales, der große Anziehungskraft besaß. Neben den noch auf der Flößerei beruhenden Sägewerken bestanden hier mehrere andere Fabrikbetriebe, so der Lebensmittelindustrie, die heute verschiedenen Produktionen dienen (Elektrohaushaltgeräte, Konservenfabrik, Großreinigung). Im Hof Kötzschenbrodaer Straße 2 ist noch der steinerne Unterbau einer Holländer-Windmühle erhalten geblieben. Diese kleine Industrieballung trug wesentlich zur Aufsiedlung der Micktener Flur an der Leipziger Straße bei, die ohne sichtbare Grenze an die Wohnviertel Pieschens anschließt, längs der Leipziger Straße bis nach Trachau reicht und ihren optischen Mittelpunkt im Straßenbahnhof Mickten hat, bis zum Ende des ersten Weltkrieges Ausgangspunkt der schmalspurigen Lößnitzbahn nach Radebeul. Aufgrund dieser Entwicklung ist Pieschen — ebenso wie die benachbarten Teile Micktens — ein typisches städtisches Mischgebiet, in dem Wohnen,

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Arbeiten, V e r k e h r , Geschäftsleben und der E r h o l u n g dienende G r ü n f l ä c h e n und F 4 K l e i n g ä r t e n eng b e n a c h b a r t sind. E s gehört zu den wichtigsten A u f g a b e n der weiteren S t a d t e n t w i c k l u n g , diese S t r u k t u r zu verbessern und v o r allem a u c h der Modernisierung der A l t b a u s u b s t a n z große A u f m e r k s a m k e i t zu schenken.

Trachau

F5

Die F l u r v o n T r a c h a u reicht v o n der B o l i v a r s t r a ß e i m N O bis zur Leipziger Straße, h a t a m F u ß e der Trachenberger H ä n g e eine H ö h e v o n 122 m ü. N N und s e n k t sich n a c h A l t t r a c h a u zu bis auf 108 m im sogenannten Grund. V o n d e m alten Relief k a n n m a n noch den Mittelberg a n einer f l a c h e n Geländeanschwellung bei den G r u n d s t ü c k e n K r o n e n s t r a ß e 21 bis 27 und die T ä n n i c h t b e r g e nördlich der E i s e n b a h n a m A u s g a n g der G a u ß s t r a ß e erkennen. V o n den D ü n e n a m B a u m w i e s e n w e g ist nur ein geringer R e s t (Schützenhofstraße 102 bis 106) erhalten gebheben. T r a c h a u , 1242 Trachennowe (zu m h d . trache = D r a c h e als Fabeltier, also w o h l Siedlung bei den Drachenbergen) genannt, bestand ursprünglich aus einem Bauerndorf und einem V o r w e r k . Dieses unterstand d e m Meißner H o c h s t i f t und seit 1541 dem A l t s t ä d t e r R e l i g i o n s a m t des Dresdner R a t e s . 1607 w u r d e n seine Felder an 3 B a u e r n ausgegeben. 1 6 1 7 bildeten 5, später 7 B a u e r n die Ratsgemeinde, a u c h Ratsteil, Vorwerksteil oder F o r b r i g e g e n a n n t : Ihre F l u r bestand aus 3 v o n S nach N verlaufenden Schlägen, in denen jeder B a u e r entsprechend der Dreifelderwirtschaft einen A n t e i l besaß. D i e A m t s g e m e i n d e bestand aus 8 B a u e r n . I m Gegensatz zu allen D ö r f e r n der U m g e b u n g w u r d e hier die Dreifelderwirtschaft nicht d u r c h g e f ü h r t und das ,,dritte F e l d " , die Brache, nicht gehalten. D a es den B a u e r n a n W e i d e p l ä t z e n fehlte, schickten sie das V i e h auf der Triebe ( = Wilder-Mann-Straße) zur W a l d w e i d e in die Junge Heide. Frühzeitig w u r d e a u c h W e i n g e b a u t , zuerst v o n A u g u s t i n e r m ö n c h e n , die v o r 1446 a m A l t e n Trachenberge R e b e n pflanzten. D e r Mönchsweinberg hieß später R o t e r Ochse oder W e i ß e K u h (Schützenhofstraße 2). N e b e n i h m l a g der A m p a c h i s c h e B e r g (Schützenhofstraße 38), der 1874 als Ü b u n g s s t ä t t e der D r e s d ner Scheibenschützengesellschaft eingerichtet w u r d e (Schützenhof). 1661 erhielten die B a u e r n der A m t s g e m e i n d e gegen Zinszahlung an den K u r f ü r sten die Erlaubnis, auf den nordwestlichen H ä n g e n den W a l d zu roden und auf den Neuländern (Neuländer Straße) Felder und W e i n b e r g e anzulegen. D i e Forbrigbauern b a u t e n ihre R e b e n auf d e m Angelegten, d e m über 1 h a großen Gelände zwischen Schützenhof-, Klee-, Gebler- und oberer R i c h a r d - R ö s c h Straße. A l t e W e i n b e r g s m a u e r n bei S c h ü t z e n h o f s t r a ß e 155 erinnern n o c h daran. A l t t r a c h a u , ein Straßenangerdorf m i t Gewannflur, ist a n einem alten Elbelauf gegründet worden. Dessen Reste, die Dorfteiche Große und K l e i n e P f ü t z e , die später durch ein kreisförmiges W a s s e r b e c k e n ersetzt w o r d e n waren, lagen a n der Stelle des heutigen Kinderspielplatzes. A u f der Westseite des D o r f p l a t z e s stehen noch alte Zwei- und Dreiseithöfe, die später zu Gärtnereien, K o h l e n handlungen, F u h r g e s c h ä f t e n u m g e s t a l t e t und f ü r W o h n z w e c k e a u s g e b a u t

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5 worden sind. Wir finden hier stattliche Einfahrtstore (Nr. 41 von 1807), vorkragende Obergeschosse, Außentreppen, Weinspaliere und tiefe Weinkeller. A n der Rückseite des Hofes Nr. 17 trägt eine Steinsäule die Hochwassermarken von 1784 (85 cm) und 1845 (120 cm). Etwas abseits vom Dorfplatz steht Henricistraße 4 das älteste Haus Trachaus von 1642 mit einer alten Balkendecke und den Initialen J. G. S. Das zierliche Gebäude mit Walmdach, Rietzstraße 14, war das Herrenhaus einer alten Ziegelei und hieß Wasserschloß, weil es 1845 vom Hochwasser verschont blieb.

A b b . 38. Bebauung Kopernikusstraße (nach W O L F , P . : Das neue Sachsen. Die neuere Entwicklung des Städtebaues und Siedlungswesens in Sachsen. Dresden-Hellerau 1930)

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Die Erweiterung des Ortskerns begann 1614, als M A R T I N S C H U M A N N ZU Dracha den Kurfürsten um Genehmigung zum B a u eines Häusleins ersuchte. Sein Stück L a n d war l / 4 A c k e r (knapp 14 a) groß und lag an der Stelle des heutigen Grundstücks Leipziger Straße 210. Zu diesem ersten Häusler kamen bis 1675 noch weitere 8 hinzu, z u m Teil Winzer v o n den Neuländern. D a n n stockte die B a u tätigkeit bis 1723 wegen der zu hohen jährlichen A b g a b e n ( 2 2 % Taler f ü r das Haus, dazu noch 1 F a ß Bier und anderes). 1801 hatte sich die Zahl der Häusler aber auf 25 erhöht, darunter waren auch die ersten beiden Trachauer H a n d werker an der 1781 eröffneten neuen Meißner Poststraße, ein Fleischhauer und zugleich Gastwirt im Goldenen L a m m und ein Schmied, der seine W e r k s t a t t 1788 auf einem Weinberg an der Leipziger Straße (Nr. 206) errichtete. 1878 gründete der Dresdner Seifensiedermeister MORITZ GEBLER an der Leipziger Straße 300 eine vielbesuchte Gaststätte (Waldvilla), U m diese Zeit wurde die Leipziger Straße im Anschluß an Mickten von der allgemeinen geschlossenen B e b a u u n g erfaßt. In der Nähe des Goldenen L a m m e s entstanden u m die Jahrhundertwende einige großstädtische Geschäftshäuser, die den K e r n eines kleinen Geschäftszentrums bildeten. Industrielle Anlagen blieben vereinzelt, da auf Trachauer Flur keine Industriebahngleise v o n der Hauptstrecke abzweigten. Die Mitte der Flur blieb zunächst noch freies Feld. Hier waren dicht beieinander kurz v o r dem ersten Weltkrieg die beiden Schulen (40. P O S E d m u n d F i n k und 56. POS) und 1927 — 29 die Apostelkirche entstanden. E r s t nach I928»setzte eine lebhafte B e b a u u n g durch Baugenossenschaften ein, nachdem zunächst der Ostteil bis zur Aachener Straße mit Mehrfamilienhäusern in offener Bauweise besetzt worden war. D a s Gebiet westlich der Aachener Straße zeigt die verschiedenen Versuche, zu Lösungen zu kommen, so die 50 Einfamilienhäuser an der Schützenhofstraße mit flachen Dächern, die der V o l k s m u n d als KleinMarokko charakterisierte, Kleinhäuser für Kinderreiche und als geschlossene Anlagen v o n H A N S R I C H T E R konzipierte, der neuen Sachlichkeit verpflichtete mehrstöckige W o h n k o m p l e x e an der Kopernikusstraße (Abb. 38, Bild 40). Hier w a r auch den Versorgungseinrichtungen Aufmerksamkeit geschenkt worden. A n der Industriestraße entstand 1928 ein Altersheim (Güntzheim), das heute als Stadtkrankenhaus N e u s t a d t dient.

F

Trachenberge

F

(Name s. F 5) ist erst A n f a n g des 19. Jh. entstanden. Ursprünglich gehörte der N o r d h a n g des Elbtales als W a l d zum landesherrschaftlichen E i g e n t u m . A u s diesem W a l d sind im L a u f e mehrerer Jahrhunderte herrschaftliche Weinberge herausgeschnitten worden, deren Besitzer — Edelleute, kurfürstliche B e a m t e , reiche Bürger der S t a d t — mehrfach wechselten. Die Weinbergnamen sind heute vergessen bis auf zwei, die in den noch üblichen Bezeichnungen WilderMann-Viertel und Hechtviertel weiterleben. D a s W e i n g u t am Wilden Mann (Döbelner Straße 1 0 8 — 1 1 6 ) ist wegen B a u fälligkeit 1934 abgebrochen worden. A m Wohnhaus Döbelner Straße 110 verr ä t ein Relief ,,1680—1934 stand an dieser Stelle das G u t Wilder M a n n " . D a s W e i n g u t hatte der Dresdner Bürgermeister P H I L I P P S T R O B E L (F 1702) n a c h dem

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F

6 Dreißigjährigen Krieg angelegt. Sein Schwiegersohn L Ü D E R H I L D E B R A N D (t 1732), Generaladjutant A U G U S T S D E S S T A R K E N , vergrößerte es und erlangte 1722 die Schriftsässigkeit seines Vorwerks, das damit nicht mehr dem kurfürstlichen A m t Dresden, sondern der Landesregierung unmittelbar unterstellt wurde. Seit 1710 hing als Wirtszeichen an der Gutsschenke das Bild des Wilden Mannes und gab vermutlich den Anlaß zur Lokalisierung der Sage vom Wilden Mann. 1773 wurde der Schankbetrieb von der Gutswirtschaft getrennt und zur Döbelner Straße 130 an den steilen Aufstieg der Großenhainer Straße verlegt. Das Weingut selbst erzielte 1875 insgesamt 152 Botten ( = 68 hl) Most. Bis 1883 wurde der Weinbau betrieben, und nach der von der Reblaus erzwungenen Aufgabe der Rebkulturen diente das Gut noch bis 1898 landwirtschaftlichen Zwecken. Der Wilde Mann bildete seit 1722 bis zur Eingemeindung 1897 einen selbständigen Gutsbezirk. Zu seiner Flur gehörte auch das abseits gelegene Gelände zwischen Bärnsdorfer Straße und St.-Pauli-Friedhof. Es hieß Jeßnitz, war 1638 gerodet worden und wird jetzt von den um 1930 entstandenen Wohnvierteln zwischen Oberauer und Berbisdorfer Straße eingenommen. Der andere namengebende Weinberg gehörte dem Förster A U G U S T H E C H T , der schon 1732 einzelne Weinbergsteile parzellierte und stark zersplittert (bis V256 Hufe = rund 600 m2) an Winzer und Gärtner aus Pieschen veräußerte. Sein Name »blieb erhalten in einem alten Gasthof Zum Blauen Hecht, der am Fuße des Steilanstiegs der Radeburger Straße gelegen war und seinen Namen an die Hechtstraße weitergab, so daß bald das ganze dicht bebaute Wohnviertel an der Hechtstraße den Namen annahm. Um 1800 begann eine stärkere Besiedlung der Trachenberge durch Häusler, die sich allmählich zu einer Gemeinde zusammenschlössen. Diese entwickelte sich zum Gartenbauort und zur beliebten Sommerfrische. Einzelne größere Villen mischten sich in diesen ländlich anmutenden Ort. Das schöne Weinberghaus Döbelner Straße 24, 1738—43 erbaut, gehörte von 1831 bis 1858 dem Ornithologen Dr. L U D W I G T H I E N E M A N N . Nordwestlich wuchs seit etwa 1890 am Wilden Mann ein Villenviertel empor, das ebenfalls als Sommerfrische empfohlen wurde (Sommerfrische Phönix, Großenhainer Straße 194). E s läßt alle Wandlungen des Zeitgeschmacks vom ausgehenden 19. Jh. bis in die Zeit nach dem ersten Weltkrieg erkennen. Schon vor der Eingemeindung Trachenberges hatte die Stadt Dresden begonnen, einzelne Sozialeinrichtungen an den Höhenrand zu legen. Auf dem Gelände des Marienhofs, heute Maxim-Gorki-Straße 2 — 4, war 1873 die Besserungsanstalt für Jugendliche entstanden, wo sich heute die Gehörlosen- und Sprachheilschule befindet. Kurz vor der Jahrhundertwende traten die Städtische Kinderpflegeanstalt, die Kinder aufnahm, deren Eltern zeitweilig für ihre Kinder nicht selbst sorgen konnten, und das Findelhaus am Eingang der Weinbergstraße hinzu. A m oberen Ende des tiefen Erosionseinschnitts der Trachenschlucht, die am Hellerrand durch einen Damm vor weiteren Wasserfluten geschützt wird, entstand 1894 der Hellerhof, meist Eselhof genannt, weil hier 50 Eselstuten gehalten wurden, mit deren Milch man versuchte, schwere Verdauungsstörungen an Säuglingen zu heilen. Auf der anderen Seite der Trachenschlucht entstanden für gehbehinderte Kinder das Maria-Anna-Kinderhospital 158

und das Städtische Krüppelheim, in dem die Kinder auch Unterricht erhielten. F 6 H e u t e bilden diese Einrichtungen das Rehabilitationszentrum f ü r Berufsbildung (Weinbergstraße 52/54). V o n dem Dorf Pieschen durch,freie Felder getrennt, griff die Besiedlung v o n Trachenberge aus auch auf die benachbarten Teile der Pieschener F l u r über, vor allem durch eine Reihe v o n Gärtnereien, die die relativ tief gelegenen Flächen eines alten Elbelaufs nutzten. Bis zur Großenhainer Straße wurde dieser Teil Pieschens meist zu Trachenberge gerechnet (vergleiche die Bezeichnung Straßenbahnhof Trachenberge, s. F 4 ) . 1876 schuf sich Trachenberge eine eigene Schule (Döbelner Straße 8). 1900 wurde das große Gebäude der jetzigen 28. P O S Otto B u c h w i t z bezogen (MaximGorki-Straße 39). Kirchlich gehörte Trachenberge mit zu K a d i t z , w a r seit 1884 nach Pieschen gepfarrt. Seit 1915 ist es eine eigene Kirchgemeinde, die sich an der Albert-Hensel-Straße die kleine, nach einem B r a n d 1958 wieder aufgebaute sehenswerte Weinbergskirche schuf. Der abseits stehende Glockenturm wurde 1950 aus Quadern zerstörter Dresdner Kirchen errichtet, er ist auf diese Weise ein Mahnmal eigener Art. Neue W o h n b l o c k s entstanden seit 1974 nördlich der Großenhainer und Weinbergstraße.

Nördliche Vororte

G

Jenseits der Hellerterrasse, die wegen ihrer militärischen N u t z u n g unbesiedelt blieb, liegen die nördlichen Stadtteile Dresdens, die aus den alten Dörfern Wilschdorf, R ä h n i t z und Klotzsche hervorgegangen sind. Sie haben verschiedene Entwicklungswege eingeschlagen und sind erst 1950 eingemeindet worden. Nur zwei stark belastete Straßen tragen den Verkehr dorthin, die Radeburger Straße, die zugleich als A u t o b a h n z u f a h r t nach Dresden-Nord ausgebaut ist, und die Fernverkehrsstraße 97, die als Königsbrücker Landstraße den Verkehr nach Klotzsche und Hellerau übernimmt. Beide Straßen haben die Höhenunterschiede zur Hellerterrasse und zur Lausitzer P l a t t e zu überwinden und weisen verkehrsungünstige Steilstrecken auf. W i l s c h d o r f und R ä h n i t z waren typische Stadtranddörfer. Ihre B a u e r n hatten sich auf den städtischen M a r k t eingestellt. Sie erzeugten Gemüse und versorgten mit eigenen kleinen Pferdefuhrwerken die nahe gelegenen V o r s t ä d t e mit frischer Milch, bis der A u s b a u der dortigen Versorgungseinrichtungen und die strengen hygienischen Bestimmungen dieser alten traditionellen Versorgungsweise ein Ende bereiteten. Ein zweites charakteristisches Merkmal bestand in der großen Zahl v o n B a u handwerkern, die hier als Häusler mit etwas L a n d und bescheidener Selbstversorgung billig wohnten und als Saisonarbeiter im wachsenden Dresden reichlich Verdienstmöglichkeiten fanden. E i n großer Teil der berühmten Putzerbrigaden jener Jahrzehnte stammte aus den nördlichen Stadtranddörfern. Nach dem zweiten W e l t k r i e g ' g i n g die Parzellierung weiter voran und drang auch mit Wochenend- und Behelfswohnhäusern in die Kiefernforste a m Höhenrand vor. Eine andere Entwicklungsrichtung zeigt K l o t z s c h e . Bereits u m 1880 wurde 159

G es durch seine Lage am Rand der Dresdner Heide zunehmend attraktiv für Sommerfrischen. Es entwickelte sich im Ortsteil Königswald in der Nähe des Bahnhofs Klotzsche ein Villenviertel mit Kureinrichtungen. Ebenso wie Oberlößnitz, heute Stadtteil von Radebeul, wurde Königswald bevorzugter Wohnsitz begüterter Familien. Allerdings ist die Bausubstanz aus jenen Jahrzehnten gegenwärtig überaltert. Andersartig wiederum verlief die Entwicklung auf der Flur von Rähnitz. Hier und auf den benachbarten Geländeteilen des einst zur Dresdner Heide gehörenden Hellers und Klotzsches wurde 1908 die Gartenstadt H e l l e r a u gegründet. Der Gartenstadtidee lagen vor allem sozialreformerische Vorstellungen zugrunde. Dies zeigte sich in der Bauart der vorwiegend kleinen und durchweg mit Gärtchen umgebenen Häuser und dementsprechend auch in dem bescheidenen sozialen Milieu der Bewohner. Daß sich die neue Wohn- und Lebensgesinnung auch in der Produktion neuartiger Wohnungseinrichtungen niederschlug und der dafür repräsentative Produktionsbetrieb seinen Standort in den Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst fand, daß weiterhin der sich entwickelnde Ausdruckstanz in Hellerau heimisch wurde und in einem Festsaal sogar festes Quartier erhielt, machte den Namen Hellerau so bekannt, daß er heute dem Gesamtstadtteil Rähnitz-Hellerau allein dient und der Name Rähnitz offiziell verschwunden ist. Die ausführliche Darstellung der 4 Gemeinden ist in Band 22 gegeben. Hier sollen nur wenige Hinweise wiederholt werden:

G 1 Wüschdorf (s. Bd. 22, R 1) 1330 Wilesdorf. Straßenangerdorf, seit 1900 an Radeburger Straße erweiterte Dorfkirche mit Bauformen vor 1650. Erste Schule 1829, 1899 Neubau. Ehemals Gelängeflur mit Wüstung Cunnersdorf, i960 gegründete L P G seit 1969 der L P G in Hellerau angeschlossen. Dresdner Stadtteil seit 1950.

G 2 Rähnitz (s. Bd. 22, R 2) 1268 Ranis. Straßenangerdorf, auf dessen Flur 1935 Flugplatz Klotzsche und 1938 Autobahn angelegt. Bevölkerungsanstieg 1890 — 1910 ließ Vorstadtvillenviertel um Hellerstraße zwischen Dorfkern und Heller entstehen. 1919 mit Hellerau vereinigt. 1953 L P G K u r t Schlosser gegründet, heute L P G Pflanzenproduktion Dresden-Nord mit etwa 2000 ha und L P G Tierproduktion Kurt Schlosser.

G 3 Hellerau (s. Bd. 22, R 3) Seit 1908 entstanden. 1912 Vollendung Festspielhaus, 1913 Ortsschule. Bis 1913 400 Familien in Hellerau niedergelassen. Rathaus 1924 entstanden, 1929—31 Marktgestaltung durch R I C H A R D R I E M E R S C H M I D . 1950 nach Dresden eingemeindet. Heutiger V E B Deutsche Werkstätten, Stammbetrieb eines Kombinats, fertigt Typensätze wie individuelle Inneneinbauten. 160

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Klotzsche (s. Bd. 22, R 4) 1309 Kloiczowe. Straßenangerdorf (Hauptstraße). Nach Schadenfeuern 1802 und 1868 Gehöftverlegung bis zur Königsbrücker Landstraße. Von waldhufenartiger Schmalstreifenflur nur Restfelder vorhanden. 1875 Bahnstation, seit 1880 Anlage von Villen- und K u r o r t Königswalde sowie Alberthöhe an Königsbrücker Landstraße. Weiterer Ortsausbau nach Straßenbahnverbindung (1911); Schulbauten: 1888, 1892, 1896, 1914, Steinackersiedlung (1920—30), Trobischbergsiedlung (Dörnichtweg 1927—31), Nord-(Eigenwerk-)Siedlung (1928 — 31) nordwärts Boltenhagener Straße. Wohnblocks der Karl-MarxStraße um 1935. 1935 Einweihung Flugplatz und 1950 Eingemeindung n a c h Dresden. Industriegebiet Klotzsche seit 1955, 1 9 7 4 — z w i s c h e n Karl-MarxStraße und Boltenhagener Straße etwa 3000 Neubauwohnungen sowie die 105. POS entstanden.

Der Nordosten

H

Hinter dem Waldschlößchen t r i t t die Heidesandterrasse an die Elbe heran. An der Mordgrundbrücke beginnt der Steilanstieg der Bautzner Straße, der Fernverkehrsstraße 6, auf das Lausitzer Granitplateau, das in Loschwitz so nahe a n die Elbe herantritt, daß die Heidesandterrasse nur noch eine m e h r oder weniger breite sandige Leiste a m Steilhang bildet. Die landschaftlichen Reize haben, verstärkt durch den h a r t an den H a n g herantretenden Elbstrom, den N O Dresdens mit Weißer Hirsch, Bühlau und Rochwitz zu bevorzugten W o h n vierteln und einem immer stärker besuchten Erholungsgebiet werden lassen.

Dresdner Heide

H

Die Dresdner Heide, in den Bänden 22 und 27 ausführlich dargestellt, dehnte sich im Zuge des alten Grenzwaldes zwischen E l b t a l (Gau Nisan) und der Lausitz (Gau Milska) aus, dessen E c k p u n k t e durch Masseneiwald u n d Friedewald gekennzeichnet sind. Sie h a t vor allem seit 1827 durch die Abholzung des Hellers (s. Bd. 22, R 7) u n d die Kasernenbauten der siebziger J a h r e des 19. J h . (s. E 5) r u n d 1000 h a Waldfläche verloren. Ein isoliertes Stück blieb in der Jungen Heide (s. Bd. 22, Q 7) bestehen, die durch Autobahn u n d N e u b a u t e n auf der H ö h e hinter dem Wilden Mann und an der Neuländer Straße weiter an Substanz verloren hat, während sich der Heidefriedhof dem Kiefernwald gut einfügt. Der Heller erlitt nicht nur durch die Abholzung Veränderungen. Die Sanddünen, die die Terrassenkante begleiteten u n d durch eine verlehmte dunkle K u l t u r schicht ausgezeichnet waren, wurden abgebaut u n d zum Teil dem an der Radeburger Straße neben dem Hammerweg liegenden Mörtelwerk zugeführt. Dieses h a t über Jahrzehnte bis nach dem ersten Weltkrieg viele entstehende B a u t e n versorgt. Vorübergehend diente der Ostteil des Hellers a m Industriegelände als Flugplatz. H e u t e sind d o r t Kleingärten zu finden. Das Bild des Hellers

161

H 1 wird weithin durch die Aufschüttungen von Halden aus Trümmerschutt und Abfallstoffen sowie durch große tiefe Sandgruben bestimmt. E r ist daher zum größten Teil nicht zugänglich und trennt die nördlichsten Vororte Wilschdorf, Rähnitz, Hellerau undKlotzsche bis auf die Straßenverbindungen über Industriegelände und St.-Pauli-Friedhof vom Stadtkörper ab. Die Wiederherstellung und Einordnung in das Gefüge der Stadt bleibt einer späteren Zeit vorbehalten. Auch das Gelände hinter den Kasernen ist teilweise durch die alten Schießstände nutzungsbeschränkt. Sonst aber ist die Dresdner Heide das nächstgelegene und größte Naherholungsgebiet der Großstadt (s. Bd. 27, G 3 ) . Seit 1949 gehört sie auch administrativ zum Stadtgebiet. Aber bereits vorher hatte die Stadt kleine Randflächen an der Radeberger Straße und hinter dem Weißen Hirsch für soziale Einrichtungen erworben. Durch das stadtnahe Gebiet der Heide verläuft der Steilhang an der Lausitzer Störung. Der einzige früher bestehende Aussichtspunkt innerhalb des geschlossenen Waldgebietes, der Wolfshügel (211m), ist durch die Zerstörung des Aussichtsturms 1945 verlorengegangen. Der Name erinnert an die Gruben früherer Jahrhunderte zum Wolfsfang. A n bemerkenswerten einzelnen örtlichkeiten sind hervorzuheben P r i e ß n i t z : (auch Brießnitz, nach breza = altsorbisch Birkenbach) quert in etwa 40 m eingeschnittenem bewaldetem T a l mit mehreren kleinen Sandterrassen; Heidesandterrasse im Zuge der Dr.-Kurt-Fischer-Allee von 23 m hoher Brücke überspannt; Mündung 106 m nahe Holzhofgasse; breiter Schwemmfächer mit großen Teilen der Dresdner Neustadt (s. E 4), hat Elbe nach S abgedrängt und großen Dresdner Elbbogen geschaffen. Küchenbrücke gehört zu den alten schönen Steinbrücken des Tales; entstand im Zuge des 1767 angelegten Moritzburg — Pillnitzer Weges. H e i d e p a r k : 1893 als Volkserholungsstätte mit Kinderspielplatz vom Verein Volkswohl eingerichtet. Darin Böhmert-Stein zum Gedenken an V I C T O R BÖHMERX (1829—1918), Gründer des 1888 gestifteten Vereins Volkswohl. 1923 hier Waldschule in Baracken, 1928 massives Schulgebäude eröffnet, heute Sonderschule für Körperbehinderte. A l b e r t p a r k : 1898 zum Schutz des Heidewaldes und des Quellgebietes der Saloppe vom R a t der Stadt aufgekauft; alte Laubwaldbestände, besonders Rotbuchen. M o r d g r u n d b r ü c k e : Über Stechgrund, 1420 genannt (1466 Mordtgrund), 1587 in Stein. Nach Einsturz erneuert, 1784 in Holz, 1828 steinern. Unweit Napoleonschanze als Beobachtungsposten ani 26. 8. 1813; aufgeworfen schon 1758 von Preußen gegen die Österreicher. F i s c h h a u s : 1575 im Dienste der Fischversorgung des Dresdner Hofes genannt, Fischmannsteiche am Eisenbornbach als Fischhälter angelegt. Später Forsthaus mit Schankgerechtigkeit. Gegenüber Wasserhochbehälter, Eisenbornbachwasser 1476 erstmals durch Holzröhren nach Dresden-Neustadt geleitet; 1568 Röhrfahrt zum Jägerhof, 1626 Röhrfahrt für Bürgerschaft. S c h w a r z e s K r e u z : Angeblich Erinnerung an Erschießung eines schwedischen Offiziers im Nordischen Krieg (1706) oder an Duell zweier Offiziere (1715). 162

Wahrscheinlich hier älteres Gebetskreuz, 1572 Drebischkreuz und 1602 Schwar- H 1 zes Kreuz genannt. D r e s d n e r S a u g a r t e n : Lichtung, nach der hin seit 1601 Schwarzwildtreibjagden des Hofes erfolgten. 1710 Jagdhaus von M. D. P Ö P P E L M A N N , 1850—54 abgerissen, Steine für Elbmauer am Albrechtsschloß verwendet. Im Mittelpunkt des 1560 von J O H A N N E S H U M E L I U S angelegten ersten Wegenetzes der Heide; abgehende Wege strahlenförmig: Alte Eins (nach O, Ullersdorf), Alte Zwei (SO, Bühlau), Alte Drei (S, Weißer Hirsch), stellenweise Diebsteig, Alte Vier (SW, auf Schloßturm Dresden orientiert und 1832 von H E I N R I C H C O T T A als Grundlinie heutigen quadratischen Wegenetzes mit Flügeln [A bis H] und Schneisen [1 — 20] gewählt), Alte Fünf (W.Trachau), Alte Sechs (NW, Klotzsche), Alte Sieben (N, Langebrück), Alte Acht (NO, Radeberg).

Weißer Hirsch

H 2

Die Besiedlung des Weißen Hirsches begann, als der Oberküchenmeister G E O R G E R N S T V O N D Ö L A U 1664 auf einem „wüsten Platz", an dem 1572 eine Bierschenke gestanden hatte, einen Weinberg' mit einem Winzerhaus anlegte. Darin errichtete der kurfürstliche Kapellmeister CHRISTOPH BERNHARD, ein Schüler von H E I N R I C H S C H Ü T Z , ein Haus, das er Zum Weißen Hirsch nannte und für das er 1688 das Schankrecht erhielt. In der Nähe des Gutes-befand sich seit 1685 die Lohschenke, 1733 Zum Weißen Adler umbenannt. Unter dem Oberlandweinmeister H E I N R I C H R o o s wurde der Weiße Hirsch neu erbaut (Mittelteil des Kurhauses). 1769—1802 stand südlich davon eine holländische Windmühle. Um 1775 ließen sich hier auch Häusler nieder, die von 1838 an eine eigene Landgemeinde bildeten. Nach 1856 entstand gegenüber dem Gut ein Gasthof, dessen Nachfolgebau das heutige Parkhotel ist, 1867 daneben das Fridabad. Nach der Stillegung der Gutswirtschaft entwickelte sich der Weiße Hirsch zunächst zur Sommerfrische. Für den Ausbau des Ortes und für die Gestaltung des Waldparks wurde MAX L U D W I G K Ü N T Z E L M A N N bedeutungsvoll, der 1874 das Gut kaufte, das Herrenhaus zum Kurhaus erweiterte und auf seinem Gelände eine Villenkolonie anlegte. Nach seinem Tode 1881 wurde ihm ein Denkstein mit einem von HEINRICH SCHANUDER gestalteten Bronzerelief, Bautzner Landstraße/Ecke Luboldtstraße, gesetzt. 1883 eröffnete der junge A r z t Dr. H E I N R I C H L A H M A N N im Fridabad ein Sanatorium, das bald Weltruf erlangte. 1905 hatte es gegen 4 000 Kurgäste. Im Stechgrund befinden sich die Schwesternquelle, früher wurde hier Osterwasser geholt, und die Degelquelle. Der größte Teil vom Weißen Hirsch breitet sich südlich der Bautzner Landstraße aus. Die ältesten Villen, teilweise als Mietzinshäuser gebaut, säumen Luboldtstraße und Rißweg, von dem aus ostwärts bis zum Anfang Bühlaus an der Eibauer Straße sich die Häuser an den zur Grundstraße abfallenden Hängen bereits auf Loschwitzer Flur befinden. A n der Kurparkstraße entstand 1876 die heutige 59. P O S Max Zimmering, 1889 an der Stangestraße eine evangelische Kapelle. Wesentlich aufwendigere Gebäude in vielfach ausgedehnten Gartenanlagen säumen Lahmannring, Küntzelmannstraße, Wolfshügel163

H 2 straße und die auf Loschwitzer Gemarkung hinüberführenden Collenbuschstraße und Plattleite. An der Plattleite liegen die Gebäude des Forschungsinstituts Manfred von Ardenne. Die Fahrstraße dorthin endet am berühmten Luisenhof, wegen seiner Aussicht Balkon Dresdens genannt. Den früheren Kurortcharakter unterstreichen hier zahlreiche Fremdenheime. Nördlich der Bautzner Landstraße durchziehen vielbegangene Wege den Kurpark mit seinem Konzertplatz und den Tennisplätzen. Weiter ostwärts führt die Straße A m Hochwald an der katholischen Kirche vorbei zum 1898 eingeweihten Waldfriedhof. Zwischen diesem und dem Krankenhaus an der HeinrichCotta-Straße breitet sich die jüngste Erweiterung des Weißen Hirsches mit meist Einfamilienhäusern aus. Längs der Bautzner Landstraße geht der Weiße Hirsch ostwärts ohne spürbare Grenzen in das seit 1894 entstandene Villenviertel Neubühlau über.

H 3 Bühlau (s. Bd. 27, N 1) besteht aus Oberdorf Altbühlau (1349 Bele) an Quohrener Straße mit ehemals waldhufenartiger Gelängeflur, anschließendem Ortsteil Quohren (1365 Quorne) und Niederdorf Neubühlau um Bautzner Landstraße, davon in die Grundstraße hinein Adelig-Bühlau, nach der Ullersdorfer Straße die Amtsgemeinde als Förster- und Waldarbeitersiedlung. 1839 alle Gemeindeteile vereinigt. Im Kurhaus Bühlau, schon 1642 Schenke, am 7. 4. 1946 Vereinigung der Landesleitungen von S P D und K P D zur S E D auf Beschluß der Delegierten des Landes Sachsen (Abb. 12).

H 4 Rochwitz (s. Bd. 27, N 3) besteht aus Oberrochwitz (1378 Rochewicz), Angerdorf als ehemaliges Zubehör des Rittergutes Helfenberg, und früherer Häuslersiedlung Niederrochwitz. Neurochwitz seit 1884 entstanden.

J

Nordöstliche Vororte an der Elbe Von Loschwitz aus wird die hart an den Höhenrand herantretende Elbe von alten Dörfern begleitet, die alle durch den Weinbau, teilweise durch die Fischerei und Schiffahrt auf dem Strom und im späteren Gang der Besiedlung wegen ihrer landschaftlichen Reize durch eine große Anzahl von Garten- und Villengrundstücken gekennzeichnet sind. Oberhalb von Loschwitz folgt über der Überschwemmungsaue der Elbe das schmale Band der Niederterrasse, der an der Ausmündung kurzer steiler Kerbtäler, wie Wachwitzgrund, Helfenberger Grund, Keppgrund, kleine, aber steile Schwemmfächer aufgesetzt sind, so daß die Pillnitzer Landstraße sich in stetigem Auf und A b durch die dichte Bebauung schlängeln muß. Von Hosterwitz an verbreitert sich die Niederterrasse, so daß die ausgedehnten Wassergewinnungsanlagen (s. J 4) Platz finden konnten und 164

in Pillnitz neben d e m Lustschloß und Schloßpark ausgedehnte agrare A n b a u f l ä c h e n auf dem Gelände des ehemaligen K a m m e r g u t s zur V e r f ü g u n g stehen.

Loschwitz h a t sich aus einem in E l b n ä h e (Friedrich-Wieck-Straße) gelegenen R u n d w e i l e r z u m Platzdorf m i t abgetrennten Häuslergrundstücken entwickelt. Seine F l u r reicht v o m W a l d s c h l ö ß c h e n bis z u m W a c h w i t z e r H o h e n b e r g und n o r d w ä r t s bis zur B a u t z n e r L a n d s t r a ß e zwischen Steglichstraße u n d N e u g e r s d o r f e r S t r a ß e . D i e Grundstraße gehört rechts bis Nr. 84 (Ullrichstraße) und links bis N r . 137 (Säugrundweg) zu L o s c h w i t z und liegt auf d e m Steilabfall des L a u s i t z e r G r a n o diorits, der unterhalb des 1862 erbauten Hafens a m K ö r n e r w e g i m Prallufer a n den Strom herantritt. D a s reich gegliederte Relief steigt v o n 105 m a n der M ü n d u n g des Grundbaches, a u c h Trille genannt, bis zu 265 m gegen W a c h w i t z an. D e r B u r g b e r g ist ein spätslawischer B u r g w a l l . U r k u n d l i c h wird der O r t zuerst 1 3 1 5 (Loscuicz = aso. L e u t e des Lozek) e r w ä h n t . D a s im 13. Jh. gegründete Dresdner Maternihospital h a t t e v o n seinen A n f ä n g e n bis 1833 reichen Besitz in L o s c h w i t z , darunter die Spittelberge zwischen Veilchenweg und Pillnitzer L a n d s t r a ß e . A u ß e r d e m besaßen a u c h die A l t e n d r e s d n e r Augustinermönche, die Pirnaer Stadtkirche und weltliche H e r r e n W e i n b e r g e an den L o s c h w i t z e r H ä n g e n . Seit 1569 erfolgten auf der H u t u n g , a n w ü s t e n F l e c k e n und im L o s c h w i t z g r u n d R o d u n g e n durch Förster u n d F o r s t k n e c h t e f ü r die A n l a g e v o n W e i n g ä r t e n . A l s 1680 die Pest z u m letzten M a l D r e s d e n heimsuchte, fanden viele begüterte Familien Z u f l u c h t in den W e i n b e r g e n , w o sich Edelleute und w o h l h a b e n d e B ü r g e r Sommersitze geschaffen h a t t e n , so der

Kreuzkantor

H E I N R I C H SCHÜTZ,

der

Oberlandbaumeister

WOLF

CASPAR

VON KLENGEL, später a u c h der Goldschmied MELCHIOR DINGLINGER. I m 19. Jh. waren zahlreiche K ü n s t l e r in L o s c h w i t z ansässig oder weilten als G ä s t e dort. Genannt

s e i e n d i e M a l e r G E R H A R D VON K Ü G E L G E N ,

AUGUST GRAHL,

RICHTER, HERMANN PRELL, JULIUS HÜBNER, EDUARD LEONHARDI, VOGEL, OSKAR

LUDWIG

HERMANN

ZWINTSCHER.

D u r c h die L a g e a m S t r o m drang o f t Hochwasser bis a n den D a m m ( D a m m s t r a ß e , Körnerplatz) vor, so a m 29. 2. 1784 u n d a m 24. 2. 1799 m i t h o h e m E i s g a n g , aus dem die E r r e t t u n g zweier Menschen gelang — dargestellt v o n JOSEF HERMANN 1869 in einem Marmorrelief im Innern des R u n d b a u s auf der FriedrichW i e c k - S t r a ß e (Abb. 39) — , d a n n wieder a m 31. 3. 1845 u n d a m 7. 9. 1890. A u f den H ä n g e n richteten W o l k e n b r ü c h e mehrfach schwere V e r w ü s t u n g e n an, besonders a m 12. 5. 1844, a m 17. 6. 1875 und a m 12. 6. 1876. D e r A c k e r b a u blieb u n b e d e u t e n d ; es g a b nur 2 B a u e r n g ü t e r . D i e meisten E i n w o h n e r waren arme Häusler, deren Anwesen über die kleinen W e i n b e r g parzellen der H ä n g e verstreut lagen. 20 Häusler, die L o s c h w i t z e r Zwanziger, waren z u m T r a n s p o r t des Jagdzeugs, zu Treiber- und anderen Diensten in den benachbarten W ä l d e r n verpflichtet. Die Zwanzigerstraße h ä l t die E r i n n e r u n g an sie aufrecht. E t w a s gedrängter standen die F a c h w e r k h ä u s c h e n a n der G r u n d straße. Hier floß die Trille, ein heute kanalisierter B a c h , der auf seinem 4,6 k m 12 Dresden

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langen Lauf 134 m Gefälle überwindet. 4 Mühlen, die Hentschelmühle (Rote Amsel), die Vettermühle (1840 mit Hochofen, dann Glasfabrik, Gold- und Silberschmelze, 1854 Chemische Fabrik Leonhardi, 1945 zerstört), die Hänsel-Mahlund Schneidemühle, die Damm- oder Nudelmühle, sowie 3 auf Bühlauer Flur standen daran. Bis 1838 unterschied man 3 Ortsteile: die Ratsgemeinde an der Elbe, die Amtsgemeinde vom Rietschelweg an den Grund hinauf und die Winzergemeinde auf den Hängen nach Wachwitz zu (Ratsstraße, Amtsstraße, Winzerstraße). K u r z vorher hatte der Dresdner R a t die Weinberge des Maternihospitals veräußern lassen : den Vorderberg über der Kirche, den Mittelberg mit dem Mittelkessel (Robert-Diez-Straße) und den Hausberg mit dem Winzerhaus (Calberlastraße). Als die Reblaus die Weinstöcke vernichtet hatte, fand die Winzerei ein Ende. Erinnerungen blieben erhalten in Form von Weinbergmauern, Winzerhäuschen, Bergstufen und Terrassen, Weinspalieren, der Weintraube als Schlußstein (Körnerweg 8 von 1808) und im Gemeindesiegel von 1697 oder der Winzersäule (Veilchenweg 9). Die Weinberge waren schon im Laufe des 19. Jh. allmählich mit Landhäusern bebaut worden, und Loschwitz entwickelte sich in rascher Folge zum bevorzugten Villenort Dresdens. Auch als Kurort erlangte es einen Ruf durch die Gründung der Sanatorien von Dr. SIEGFRIED M Ö L L E R (1904, Alpenstraße) und von Dr. E U G E N W E I D N E R (1918, Wachwitzer Höhenpark), die heute als Krankenhäuser dienen. Der Verkehr zwischen Loschwitz und Dresden erfolgte über die Fähre, auf dem Stadtweg (Schillerstraße) oder auf der Ledergasse an der Elbe, dem heutigen Körnerweg. A n Markttagen fuhren Kähne, Kaffer oder Käffer genannt, zur Stadt. Die Pillnitzer Landstraße, erst kaum 3 m breit, wurde 1885 ausgebaut. 1891 — 93 entstand die heutige Elbbrücke (s. K 3). Die Loschwitzer Flur besitzt zahlreiche erwähnenswerte Einzelobjekte: Das erste Dresdner Wasserwerk Saloppe wurde 1871 — 75 durch den Ingenieur BERNHARD SALBACH und den Stadtbaurat T H E O D O R F R I E D R I C H errichtet (Gedenktafeln am Gebäude). Um das Grundwasser der Elbtalweitung zu sammeln, wurde eine 1438 m lange Sickergalerie mit gußeisernen Sickerröhren im Schotter des Elbufers eingesenkt, dazu kamen später noch 57 Rohrbrunnen. Das Wasser wird in das Werk gehoben, gereinigt, aufbereitet und durch 2 Rohre von 650 mm Durchmesser zu den Hochbehältern am Fischhaus gedrückt, wohin auch eine 800-mm-Leitung des Wasserwerkes Hosterwitz führt. Vom Fischhaus gehen die Hauptleitungen des Stadtnetzes (750 mm Durchmesser) ab. Bis zur Eröffnung des Werkes Tolkewitz (s. K 4) oblag die Wasserversorgung Dresdens der Saloppe allein. Unterhalb der Saloppe mündet der Eisenbornbach durch die Öffnung einer Gartenmauer in die Elbe. Das Gartengrundstück gehörte dem einflußreichen Literaten T H E O D O R W I N K L E R , der unter dem Namen T H E O D O R H E L L die „Abendzeitung" herausgab und das literarische Leben der Dresdner Biedermeierzeit beherrschte. 1848 erwarb es H E I N R I C H B R O C K H A U S , dessen Vater den Verlag F. A . Brockhaus in Leipzig gegründet hatte; von ihm stammen die Villa (Brockhausstraße) und die noch erhaltenen Reste der Gartenanlage. Auf dem Platz eines zweistöckigen Landhauses, seit 1821 als Gaststätte nach seinem ersten Besitzer, einem schottischen Lord, Findlaters Weinberg genannt. 166

ließ 1850—54 Prinz A L B R E C H T V O N P R E U S S E N durch den preußischen L a n d baumeister A D O L F L O H S E einen bemerkenswerten Bau des Berliner Spätklassizismus errichten; dieses stattliche dreigeschossige Schloß Albrechtsberg ist mit seinen beiden Flankentürmen symmetrisch angelegt und folgt dem Vorbild der Villa Medici in Rom als dem Grundtyp derartiger Gebäude. E s steht mit seinen Terrassen auf einer 35 m hohen Düne und mußte deshalb durch kostspielige Gründungsmauern und Wasserstollen gesichert werden. 1930 wurde der schöne Park durch Wegeanlagen der Öffentlichkeit erschlossen, 1951 das Haus als Pionierpalast Walter Ulbricht für die Jungen Pioniere eingerichtet. Neben diesem Schloß ließ Prinz A L B R E C H T durch denselben Baumeister 1850 bis 1853 noch die Villa Stockhausen errichten (Bild 54), die 1891 von dem Nähmaschinenfabrikanten B R U N O N A U M A N N (Firma Seidel und Naumann) und 1906 von K A R L A U G U S T L I N G N E R gekauft wurde. L I N G N E R war 1885 nach Dresden gekommen, begründete eine Reihe sozialer Einrichtungen Dresdens, so Kinderpoliklinik, Säuglingsheim, Desinfektionsanstalt, Schulzahnklinik sowie eine Lesehalle (s. B 2 ) , führte die 1. Internationale Hygiene-Ausstellung 1911 (s. C 4) durch und stiftete das Hygienemuseum (s. B 1). In seinem Testament vermachte L I N G N E R das Schloß der Stadt Dresden als Volkserholungsstätte. Heute ist der Dresdner K l u b des Kulturbundes der D D R der Hausherr. A m Fuß des Berghanges befindet sich das Mausoleum von L I N G N E R , ein kleiner Bau von ovalem Grundriß. Die Reliefs der Frauengestalten auf den Wandungen s t a m m e n v o n GEORG K O L B E .

A n den Park dieses Lingnerschlosses grenzt Schloß Eckberg (Bild 54), wahrscheinlich auf dem Weinberg des Hofkapellmeisters H E I N R I C H S C H Ü T Z gelegen. Der Großkaufmann J O H N D A N I E L S O U C H A Y ließ 1859 — 61 das burgartige Schloß im Tudorstil durch C H R I S T I A N F R I E D R I C H A R N O L D bauen. Unter den kulturgeschichtlichen Erinnerungen an bedeutende Künstler erwähnen wir einen Gedenkstein an den Oberlandbaumeister W O L F C A S P A R V O N KLENGEL (S. D 2, Abb. 45) in der Stützmauer unterhalb des Ausgangs des Heilstättenweges. Daneben befindet sich in der Mauer die Mündung des Stech(Mord-)grundbaches. Auf der östlichen Hangseite des Stechgrundbaches steht auf dem Grundstück Schevenstraße 59 das ehemalige Landhaus des Goldschmieds M E L C H I O R D I N G L I N G E R (S. A 7). Im Deckenspiegel des Saales des ersten Obergeschosses hat sich eine Wind- und Wetterrose erhalten. Der Bildhauer J O S E F H E R M A N N ließ 1852 in dem alten Weinberg Schillerstraße 12 die Villa Thorwald bauen, die er nach seinem Lehrer, dem dänischen Meister B E R T E L T H O R W A L D S E N , nannte. Die in der Art eines normannischen Kastells gehaltene Villa Schillerstraße 4 wurde 1848 — 53, damals inmitten von Weinbergen, errichtet. Collenbuschstraße 4 war das Haus des dänischen Arbeiterdichters M A R T I N A N D E R S E N N E X Ö (1869—1954), seit 1951 Ehrenbürger der Stadt Dresden. 1958 wurde darin eine Gedenkstätte eingeweiht. Der Jurist Dr. C H R I S T I A N G O T T F R I E D K Ö R N E R kaufte 1785 den Weinberg Körnerweg 6. Hier gewährte er seinem Freund F R I E D R I C H S C H I L L E R von 1785 bis 1787 Gastfreundschaft, der in dieser Zeit das „Lied an die Freude" schuf und oft in dem als Schillerhäuschen (Bild 55) bekannten Gartenhaus (Schillerstraße 19) arbeitete, vor allem am „Don Carlos". Gelegentlich ließ sich S C H I L L E R 12*

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über die Elbe setzen und besuchte das Blasewitzer Schenkgut (s. K 3). Im August 1790 weilte auch G O E T H E im Körnerhaus (Abb. 39). Von der alten Loscliwitzer Erbschenke ist nur noch ein Fachwerkhaus, Friedrich-Wieck-Straße 18, übriggeblieben, in dessen Gebälk die Jahreszahl 1648 eingeschnitzt ist. A m alten Fährgut, Friedrich-Wieck-Straße 45, erfolgte eine Erweiterung, wie uns die Inschrift H B 1697 lehrt. Das Obergeschoß steht mit kräftigen Balkenköpfen 80 cm vor. A m Hause zeigen Wasserstandsmarken verschiedene Hochfluten an. Das Fährgut war zugleich ein Weingut; der Teil, in dem die Weinpresse bis 1839 betrieben wurde, heißt noch die Presse. Zu dem Anwesen gehört das eigentliche Fährhaus an der Elbe, ein Fachwerkhaus mit Mansardendach. Das Untergeschoß nahm bei Hochfluten die Fähre auf.

Abb. 39 a. Loschwitz, Körnerhaus, Körnerweg 6 198

Friedrich-Wieck-Straße 10 steht das Sterbehaus des Leipziger Musikpädagogen (1785 — 1873), der nach der Verheiratung seiner Tochter C L A R A mit R O B E R T S C H U M A N N nach Dresden zog. Andere Häuser der FriedrichWieck-Straße tragen Inschriften und berufsbedingte Symbole, so Nr. 21 einen Anker. Die Standseilbahn (545 m lang, 95 m Höhenunterschied = 1 7 , 5 % Steigung, 1 m Spurweite) wird seit dem 29. 9. 1895 betrieben, erst mit Dampfkraft, seit 1905 elektrisch. Durch "Verwendung zahlreicher Batterien ist sie wie die Schwebebahn vom Stadtnetz fast unabhängig. An ihrer oberen Kopfstation entstand der Luisenhof (s. H 2). Die Schwebeseilbahn nach Oberloschwitz (Bild 57), die zweite Loschwitzer Bergbahn, ist 280 m lang und hat 84 m = 33% Steigung. Sie wurde am 6. 5. 1901 eröffnet. Die Eisenkonstruktion besteht aus 33 bis 13 m hohen Jochen, die, mit Ausnahme des sogenannten Ankerjoclies, zum Temperaturausgleich beweglich gehalten sind. Die beiden rückwärtig gelegenen Gebäude in der Roten Amsel, Grundstraße 26, sind von dem Landschaftsmaler und Tintenfabrikanten E D U A R D L E O N H A R D I 1884 bzw. 1896 als Atelier- und Ausstellungsräume für seine eigenen Gemälde errichtet worden. An die Mühle erinnert noch ein Tisch mit einem Mühlstein als Platte. L E O N H A R D I war Schüler L U D W I G R I C H T E R S , der seit 1852 bis zu seinem Tod 1884 jeden Sommer nach Loschwitz kam. Im Garten daneben steht ein für ihn am 28. 9. 1884 enthülltes Denkmal. Das verwinkelte Haus Pillnitzer Landstraße 59 von 1897/98, das mit seinen Stilelementen zwischen Historismus und Jugendstil steht, enthält 16 Künstlerwohnungen und -ateliers, von denen eines auch J O S E F H E G E N B A R T H nutzte. Einige der Maler fanden auf dem gegenüberliegenden Friedhof ihre letzte Ruhestätte. Viele von diesen Gräbern sind mit wertvollen Denkmälern ausgestaltet. FRIEDRICH WIECK

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J l Loschwitz war in die Frauenkirche eingepfarrt, bis 1704 der Ratszimmermeister G E O R G E B Ä H R den Auftrag erhielt, eine Kirche für das Dorf zu entwerfen. A m 29. 6. 1705 wurde der Grundstein gelegt (Abb. 19), am 3. 8. 1708 der Bau eingeweiht. Er war gleichsam eine Vorstufe der Dresdner Frauenkirche B Ä H R S : ein achteckiger Zentralbau mit abgewalmtem Mansardendach und einem Dachreiter. Die Kirche, hochwasserfrei an der Berglehne gelegen, wurde 1945 durch Bomben zerstört. Schon 1668 bestand in Loschwitz eine Schule, sie befand sich bis 1710 in einem 1892 abgebrochenen Haus nahe dem Dorfbach, von 1710 bis 1887 war sie in dem Haus Pillnitzer Landstraße 8, dann Nr. 14 (1945 zerstört) untergebracht. 1909 wurde die Schillerschule, Fidelio-F.-Finke-Straße 15, gebaut, die jetzige 62. POS.

J 2 Wachwitz (s. Bd. 27, N 6) Ursprünglich Rundling (1350 Wachwicz) und zunächst den Wachwitzgrund aufwärts erweitert. Später Landhausbau an den Hängen auf parzellierten Weinbergsanlagen, seit 1928 auch Siedlungshäuser auf Hochplateau (Waldmüllerstraße), daneben 1969 der 252 m hohe Fernsehturm in Betrieb genommen.

J 3 Niederpoyritz (s. Bd. 27, Q 4) 1414 Podegriczsch. Ehemaliges Rittergut in Eugen-Dieterich-Straße, heute als Fabrik genutzt. Weinberge auf Heidesandterrasse. 1894 Schulhausbau.

J 4 Hosterwitz (s. Bd. 27, Q 5) 1406 Hostembricz. Sackgassendorf. Erster Ausbau am Keppbach, später an Dresdner Straße (mit Weberhaus Nr. 44) auf Pillnitz zu. Kirche erstmals 1406 erwähnt. 1905 — 08 Bau des Wasserwerks Hosterwitz.

J 5 Pillnitz (s. Bd. 27, Q 6) 1335 Belenewitz, eine Bauern- und Fischersiedlung. Neben Gassendorf schon 1403 altes Schloß, mehrfach umgebaut und 1694 aus Hand der Grundherren (Familie von Bünau) an Landesherrn. Seit 1918 Schloß und Kammergut in Hand des Staates. Seit 1946 Ausstellungen der Staatlichen Kunstsammlungen in Schloßräumen. Kammergut 1948 in Volkseigentum.

J 6 Oberpoyritz (s. Bd. 27, R 1) 1378 Padegritz. Rundweiler mit Bauern und später auch Winzern. Anfangs Besitz der Burggrafen zu Dohna, seit 1587 Zubehör von Pillnitz. 170

Söbrigen (s. Bd. 9, A 5) 1378 Cebegrin. Ursprünglich wohl Fischerort anstelle der heutigen Siedelzeile unmittelbar am nördlichen Elbehochufer, dahinter Rundweiler Altsöbrigen. Kursächsisches Forsthaus Elbeweg 8. Intensiver Obst- und Gartenbau, beliebtes Naherholungsziel für Fußgänger und Wassersportler.

Der Osten bis Südosten

K—M

Der O Dresdens erstreckt sich auf der Altstädter Seite über die mehrere Kilometer breite Talweitung der Elbe. Sie wird aufgebaut von breitflächigen, vorwiegend sandigen bis sandig-lehmigen Teilen der Niederterrasse, durchschnitten von ehemaligen Elbarmen, deren flache Senken meist mit Aulehm ausgefüllt und vielfach grundfeucht sind, wenn auch Elbhochwasser nur noch äußerst selten diese alten Wege benutzen. Die Talsandflächen der Niederterrasse sind alter Siedlungsraum, die Senken dazwischen blieben bis in die jüngste Zeit hinein unbebautes Grasland. Der SO unterscheidet sich wesentlich von diesen Niederterrassenteilen der Talweitung, weil hier bei langsamem Anstieg des Geländes die alten Elbarme fehlen, als neues Landschaftselement jedoch die Abschwemmungsprodukte des Lösses den Boden überkleiden. Die städtische Erschließung dieser Bereiche erfolgte zunächst von den alten

Grenze der Stadtteile

Abb. 40. Fluren und Dörfer im Osten (Entwurf von 1900 und 1976)

J. BIELER,

nach Stadtplänen

K — M Dorf kernen aus, wurde später aber völlig v o m W a c h s t u m der G r o ß s t a d t bes t i m m t und vollzog sich d a n n v o r allem längs der Ausfallstraßen. I m allgemeinen lassen sich aber die alten Siedlungskerne weiter s t a d t a u s w ä r t s g u t erkennen. E i n schließlich geschlossenes W o h n g e b i e t v o n J o h a n n s t a d t u n d Striesen nach T o l k e w i t z und L a u b e g a s t (s. K ) entstand auf der breiten Elbeniederung in uneinheitlichem W a c h s t u m ; es umging zunächst B l a s e w i t z und h a t t e längs des Stromes einen sandigen, streckenweise dünenbesetzten W a l d s t r e i f e n zu berücksichtigen. Die zweite S t a d t e r w e i t e r u n g über Gruna, Seidnitz (Abb. 40) und D o b r i t z folgte der B o d e n b a c h e r S t r a ß e (s. L ) . Ihr G e p r ä g e erhielt sie m i t S c h w e r p u n k t in Niedersedlitz durch die Industrialisierung längs der „ B ö h m i s c h e n " Eisenbahn, während bis auf kleine Gewerbebetriebe a n der Pirnaer L a n d s t r a ß e vorwiegend Arbeiter, schließlich a u c h in Großzschachwitz, Sporbitz und Meußlitz, ihren W o h n s i t z nahmen. Der südöstliche W e g w a r die alte D o h n a ische S t r a ß e a m R a n d der T a l w e i t u n g entlang (s. M), w o das alte Kirchdorf L o c k w i t z über Jahrhunderte eine Vorrangstellung einnahm u n d noch in seiner heutigen S t r u k t u r die alte historische V e r w u r z e l u n g gegenüber den j u n g e n Industriegemeinden erkennen l ä ß t . A u c h in dieser S t a d t e r w e i t e r u n g spielte der E i n f l u ß der Eisenbahn n a c h P i r n a eine Rolle.

K 1 Striesen D i e Grenze der Striesener F l u r v e r l ä u f t gegen die J o h a n n s t a d t ungefähr auf der H u t t e n - , K r e n k e l - und Heubnerstraße, im S, gegen Gruna, nördlich der Comenius-, H e p k e - und Eibenstocker Straße, i m N, gegen B l a s e w i t z , nördlich der Otto-Galle-, Niederwald- und T e u t o b u r g s t r a ß e . I m S W , zwischen B e r g mann-, Schlüter- und Schandauer Straße, lagen bis z u m E n d e des 19. Jh. große L e h m - u n d Kiesgruben, die, seitdem sie wieder aufgefüllt sind, K l e i n g a r t e n anlagen tragen. A u f T a l s a n d e n breitete sich im O das T ä n n i c h t aus. Schräg durch die F l u r zieht sich v o n A l t g r u n a nach Altstriesen und weiter n a c h Johannstadt ein breiter Aulehmstreifen, der einen ehemaligen E l b a r m nachzeichnet. I h m f o l g t der u m 1300 zur E n t w ä s s e r u n g und Verteidigung angelegte L a n d graben. E r t r e n n t die Ortsausbauten Neustriesens v o n d e m alten B a u e r n dorf. 1445 gehörte Striesen dem Meißner D o m s t i f t . I m 16. Jh. standen 9 H u f e n unter dem kurfürstlichen A m t , 14 unter dem Dresdner Religionsamt. B e i der A n l a g e des Großen Gartens und nochmals bei der V e r l e g u n g der Pirnaischen L a n d straße (s. C 4) verloren die Striesen er B a u e r n einen Teil ihrer F l u r . Striesen w a r ein armes Dorf m i t vielen Häuslern. 1708 zählte es 69 selbständige H a u s haltungen, d a v o n 28 B a u e r n und Gärtner, 22 Tagelöhner, 9 H a n d w e r k e r , 8 Häuslerwitwen und 2 Dresdner Röhrmeister. Bis 1768 f ü h r t e die Pillnitzer L a n d s t r a ß e v o n der Geisingstraße a b durch das Dorf bis in die N ä h e des P o h landplatzes. D e r K n i c k der S c h a n d a u er S t r a ß e dort erinnert noch heute an die V e r l e g u n g der L a n d s t r a ß e auf Veranlassung des sächsischen Hofes, der 1765 Pillnitz zur Sommerresidenz b e s t i m m t h a t t e und das Dorf m i t seinen engen Gassen u m g e h e n wollte. V o n dem alten Platzdorf m i t V o r w e r k (1350 Stresen = aso. L e u t e des Streza), 172

das eine Gewannflur besaß, blieben nach dem Luftangriff vom 13. 2. 1945 K 1 nur 2 Häusleranwesen (Rosa-Menzer-Straße 3 und 7) und ein Fachwerkhaus (Merseburger Straße 17) erhalten, die 1980 nicht mehr vorhanden waren. Mit dem Anwachsen Dresdens seit der Mitte des 19. Jh. begann die Besiedlung der Striesener Feldflur, nicht im gleichmäßigen Fortschreiten von der Stadt aus, sondern unter Auslassung der Johannstadt (s. C 5 ) . Von 1858 (Haus Teutoburgstraße 4) bis 1880 erfolgte im N W der Aufbau von Neustriesen zwischen Hutten- und Rosa-Menzer-Straße. Die von N näch S verlaufenden Straßen wurden zunächst mit Zahlen, die von W nach O verlaufenden mit Buchstaben bezeichnet. Das Ortsstatut der Gemeinde (1860) und der Bebauungsplan (1872) sahen für die Häuser 2 bis 3 Stockwerke und offene Bauweise vor. Als 1874 die Bausperre für Johannstadt fiel, verlegten die dort ansässigen Gärtner ihre Betriebe zunächst nach Striesen, das um 1890 mehr als 50 große Kunst- und Handelsgärtnereien zählte. Berühmt waren ihre Züchtungen von Azaleen, Kamelien, Eriken und Rhododendren., Die meisten lagen auf dem besten Ackerland an der Borsberg- und Geisingstraße, solche für Spezialkulturen auch auf dem Sandboden des Tännichts. Als nach der Einverleibung Striesens (1892) das Gartenland bebaut werden sollte, wanderten die Gärtner weiter ostwärts. So verlegte J. H E R M A N N S E I D E L seine Anlagen nach Laubegast; von hier aus gründete sein Sohn R U D O L F 1897 die bekannten Rhododendronpflanzungen von Grüngräbchen bei Schwepnitz, Kreis Kamenz. Andere Gärtner gingen nach Tolkewitz, Reick, Leuben und Dobritz. 1910 waren alle Gärtnereien an der Borsbergstraße verschwunden. A m längsten hielten sie sich an der Geisingstraße. U m 1890 war Striesen noch nicht mit dem großstädtischen Häusermeer verschmolzen; erst um 1900 war die Baulücke im N zwischen Blasewitzer und Dürerstraße geschlossen. Mittlerweile hatte sich Neustriesen weiter nach O entwickelt. E s war um 1880 bereits in das Tännicht vorgedrungen. Gab es auch 1898 dort noch größere Waldparzellen, so war um 1900 das nördliche Striesen bis nach Blasewitz überall mit Wohnhäusern besetzt, oft mit Fabrikanlagen in den Hintergebäuden. Die Grenze gegen Blasewitz ist heute noch deutlich an der plötzlichen Verbreiterung der Straßen auf Striesener Seite zu erkennen. Die Erlöserkirche an der Wittenberger, Ecke Paul-Gerhardt-Straße entstand für die Nachfahren böhmischer Exulanten, die ihre Gottesdienste seit 1650 in der alten Johanniskirche gehalten hatten, bis diese 1860 wegen Baufälligkeit geschlossen wurde. Für den Neubau wählten sie, die ein erhebliches Kirchenvermögen besaßen, den neuen Standort wohl mit Rücksicht auf die zahlreichen Exulantenfamilien unter den Striesener Gärtnern. Sie ließen durch den Architekten L U D W I G M Ö C K E L den Bau in neugotischen Formen errichten und benannten ihn bei der Weihe 1880 in Erinnerung an ihre Prager Salvator- (Erlöser-) Kirche. Infolge der stürmischen Bevölkerungszunahme erbaute die Striesener Gemeinde 1905 — 09 noch die Versöhnungskirche, bei der sich Jugendstilelemente mit romanisierenden mischen (Architekten G U S T A V R Ü M P E L und A R T H U R K R U T Z S C H ) . D a die Industrialisierung eine starke Zuwanderung auch von Katholiken brachte, wurde 1905 die Herz-Jesu-Kirche errichtet. Das erste Striesener Schulhaus bestand seit 1839 am Landgraben (Nr. 3, 1945

173

l

zerstört), auch die zweite Schule von 1869 in der Tittmannstraße fiel dem Bombenangriff zum Opfer. Der 1874 eingeweihte Schulbau Wartburgstraße 23 beherbergt heute die Betriebsleitung des V E B Technische Gebäudeausrüstung. 1886 entstand die jetzige 51. POS Rosa Menzer, Rosa-Menzer-Straße 24, 1892 die 25. P O S Ernst Thälmann am Pohlandplatz. Die 24. P O S Johannes R . Becher, Haydnstraße 49, wurde von Stadtbaurat H A N S E R L W E I N erbaut und 1907 eröffnet, zum ersten Mal für Dresden mit 2 Turnhallen und einer Dachterrasse sowie mit Schulbrausebäd, Kochlehrküche und Handfertigkeitsräumen. Die Kreuzschule fand nach 1945 ein Unterkommen in dem 1897—99 im gotisierenden Stil erbauten Freimaurerinstitut Eisenacher Straße 21. Im S W der Striesener Flur lag um die Jahrhundertwende noch kilometerweit freies Land, das nach 1900 und nach dem ersten Weltkrieg zum Großen Garten hin mit meist geschlossenen Häuserfronten (Mittelpunkt Johannes-R.-BecherPlatz) bebaut wurde. Im O ließen sich weltbekannte Betriebe der Leichtindustrie — Foto-, Zigaretten-, Kartonagen-, Kunstdruckfertigung — an der Schandauer Straße nieder und stießen an der Glashütter und Bärensteiner Straße in freies Land vor. Der Teilbetrieb des V E B Pentacon an der Schandauer Straße ist aus einer Tischlerei von H E I N R I C H E R N E M A N N hervorgegangen, die zunächst im Hintergebäude Güterbahnhofstraße 10 begonnen hatte, mit 6 Arbeitern Kameras herzustellen (später Pirnaische Straße 16). Der Betrieb entwickelte sich so rasch, daß E R N E M A N N 1897 eine große Fabrik Schandauer Straße 48 errichten ließ. 1913 wurde nach Entwürfen von R I C H A R D M Ü L L E R und R U D O L F H O E G G ein Neubau mit Überbrückung der Junghansstraße begonnen, der 1923 mit dem bekannten hohen Kuppelturm abgeschlossen wurde, dem Wahrzeichen des östlichen Dresdens (Bild 50). 1926 fand unter der Führung v o n Carl Zeiß Jena und anderer optischer Betriebe die Verschmelzung der Ernemann-Werke mit der Ica (Schandauer Straße 76) unter dem Namen Zeiß Ikon, heute Kombinat V E B Pentacon, statt. Das jetzige Fotopapierwerk des V E B Filmfabrik Wolfen gehört zum Striesener Industriebezirk, liegt aber auf Grunaer Flur (Bärensteiner Straße 31). Die 1898 gegründete Rheinische Emulsionspapierfabrik hatte ihre Produktion 1904 von Köln-Ehrenfeld nach Dresden verlegt und nannte sich seit 1913 Mimosa. Dresden, in günstiger Verkehrslage zur Eisenbahnstrecke aus den Balkanländern, war Hauptsitz des deutschen Orienttabakhandels und wichtiger Standort der deutschen Zigarettenindustrie. Noch bis 1900 war Johannstadt das Zentrum dieses Industriezweiges. Die Firma Jasmatzi wanderte aber in diesem Jahr nach Striesen in die neu erbaute Fabrik Schandauer Straße 68 und bezog 1912 den großen Bau Glashütter Straße 94. 1924 ging die Firma in den Besitz des Reemtsma-Konzerns über. Die Vertrustung, die in den folgenden Jahren fast alle Dresdner Zigarettenfabriken erfaßte, brachte 1929 der Tabakbranche eine schwere Wirtschaftskrise. Der Neuerburg-Reemtsma-Konzern schaltete durch direkten Einkauf im Orient den Dresdner Tabakhandel in großem Umfang aus. Im Jahre 1900 war auch die Zigarettenfabrik von W I L H E L M L A N D E von Halberstadt nach Dresden übergesiedelt und bezog 1912 das Gebäude der früheren Zigarettenmaschinenfabrik Junghansstraße 5. Beide Werke gehören heute zum V E B Vereinigte Zigarettenfabriken Dresden.

174

Durch den Bombenangriff vom Februar 1945 wurde der alte Ortskern Striesens mit den Gloria-Lichtspielen, dem früheren Lokal Zum Sächsischen Prinzen, der Versammlungsstätte der Striesener Arbeiterklasse, deren Kampf sich mit Namen wie R O S A M E N Z E R , O T T O G A L L E (s. Seite 53) und L E N E G L A T Z E R verbindet, vernichtet. Völlig zerstört wurden auch die Flächen an der Borsbergund Schandauer Straße. Fast 800 Häuser mit rund 7000 Wohnungen, Fabriken und Werkstätten fielen in Schutt und Asche. Das nordöstliche Wohngebiet, dessen Schäden geringer waren, mußte mehr Menschen aufnehmen, als vorher ganz Striesen zählte. Der Wiederaufbau galt zuerst den Produktionsstätten, die schon bald viele Arbeitskräfte beschäftigten, so vor allem der V E B Pentacon (Bild 51) an der Junghansstraße. Neue Industriebauten kamen hinzu, wie das 1962/64 erbaute Lagergebäude des Kontors für Maschinenerzeugnisse an der Spenerstraße. Der Schwerpunkt des Aufbaus lag jedoch beim volkseigenen und genossenschaftlichen Wohnungsbau, der 1956 für das Gebiet Striesen vom R a t der Stadt beschlossen wurde. Striesen wurde zum ersten Großstandort, auf dem der Großblockbauweise zum ersten Mal in Dresden entscheidender Anteil zukam. Nach und nach wurden die Flächen an der Holbein- und Müller-Berset-Straße bis zur Bergmann- und Eilenburger Straße bebaut. Dabei gelang mit dem ersten neu errichteten örtlichen Zentrum an der Borsbergstraße sowohl funktionell wie auch städtebaulich-architektonisch eine ansprechende Lösung. A m Ende der Ladenfluchten wurde dem Café Borsberg gegenüber eines der achtgeschossigen Häuser Dresdens, ein Appartementhaus, erbaut, das als T y p auch an anderen Stellen des Stadtgebietes wieder verwendet wurde. Die heranwachsenden Baumpflanzungen längs der Läden sollen der Borsbergstraße eine weitere reizvolle Note verleihen.

Neugruna

K

K

Zwischen Landgraben, Altenberger Straße und dem Johannisfriedhof lagen das Dorf Praschütz (1307 Praschytz = aso. Leute eines Pravek oder Pravo§), vermutlich an der Kreuzung Schandauer/Ludwig-Hartmann-Straße, und das Vorwerk Grünpraschütz, die 1310 als wüst nachzuweisen sind. Die Bauern von Gruna und Seidnitz, wohl auch die von Striesen und Blasewitz, teilten sich in die Wüstung und nutzten die schmalen Flurteile als Bauernbusch. Als nach 1871 der Landgraben einen neuen Lauf erhielt und nach der Spohrstraße verlegt wurde, begannen Unternehmer sich für das Grunaer Tännicht zu interessieren, darunter der Musikkritiker LUDWIG HARTMANN. Sie erwarben Waldparzellen, teilten sie in Grundstücke auf und verkauften sie als Bauplätze, nachdem sie mit Hilfe der von ihnen begründeten Baugesellschaft Daheim 1876 fünf Straßen durch den Wald gelegt hatten. Neugruna wurde Wohnbezirk der Arbeitskräfte für die Striesener Industrie. Der alte Ziegelweg von Blasewitz nach Seidnitz, der das entstandene Straßennetz diagonal querte, mußte auf Anordnung der Amtshauptmannschaft 1896 ausgebaut werden und heißt seitdem Altenberger Straße. Die Kinder Neugrunas besuchten die Blasewitzer Schule, bis 1876 der Dresdner

175

,K 2 Eierhändler JOSEPH TRAUBE in seinem G r u n d s t ü c k T a u s c h e r s t r a ß e Klassenzimmer und L e h r e r w o h n u n g zur V e r f ü g u n g stellte. D i e a n f a n g s zweiklassige Schule w u c h s rasch an, blieb aber noch bis 1900 unzureichend in verschiedenen M i e t r ä u m e n u n t e r g e b r a c h t : I m H i n t e r h a u s H o f m a n n s t r a ß e 1 8 , Altenberger S t r a ß e 19 und Tauscherstraße 16. 1 9 0 7 — 0 9 errichtete der S t a d t b a u r a t HANS ERLWEIN die heutige 32. P O S P a u l Gruner, H o f m a n n s t r a ß e 34.

K 3 Blasewitz n i m m t insofern eine Sonderstellung ein, als es sich viele Jahre gegen die Eingemeindung nach Dresden sträubte und erst 1921, als es schon ringsum von der S t a d t umschlossen war, zwangsweise eingemeindet wurde. B i s über die Mitte des 19. Jh. w a r die F l u r v o n B l a s e w i t z z u m größten Teil K i e f e r n w a l d des Tännichts. D a s Dorf an der Elbe, ein R u n d w e i l e r (1350 Blasenwicz = aso. L e u t e des Blazen) m i t G e w a n n f l u r , stand auf einer kleinen R o d u n g s insel und u m f a ß t e zunächst w o h l 6 H u f e n . 1384 w u r d e der Dresdner B ü r g e r PETER MÜNZMEISXER m i t dem O r t belehnt. W i e alle sorbischen D ö r f e r w a r B l a s e w i t z zur Lieferung des sogenannten W a c h k o r n s verpflichtet, erst an die B u r g g r a f e n v o n Dohna, nach der Zerstörung der B u r g D o h n a a n den Markgrafen. 1480 gelangte B l a s e w i t z in die H a n d der K r e u z k i r c h e . D a d u r c h k a m e n die B a u e r n unter die Gerichtsbarkeit des B r ü c k e n a m t e s , das die E i n k ü n f t e zur U n t e r h a l t u n g der K r e u z k i r c h e und der E l b b r ü c k e verwendete. N a c h der R e f o r m a t i o n ging die Erbgerichtsbarkeit über B l a s e w i t z an das A l t s t ä d t e r R e l i g i o n s a m t über (bis 1832 b z w . 1851). 1618 g a b es in B l a s e w i t z schon 16 Besitzer. B e i einer genauen A u s m e s s u n g der F l u r im Jahr 1709 bestand der bäuerliche B e s i t z neben G ä r t e n und Wiesen aus rund 71 h a A c k e r l a n d , 78 ha W a l d und 22 W e i n g ä r t e n m i t zusammen 5 h a Fläche. D e r Schillerplatz w a r der alte D o r f p l a t z ; an ihm steht heute noch der alte Gasthof (Nr. 11). E r w a r z u n ä c h s t Jagdhaus, wurde aber 1683 als kurfürstliche S c h e n k e erwähnt. E i n späterer Besitzer vergrößerte das S c h e n k g u t durch ein S o m m e r s c h a n k h a u s an der Elbe, den heutigen Schillergarten. E i n e 1763 geb o r e n e W i r t s t o c h t e r , JOHANNE JUSTINE SEGEDIN, d i e n t e SCHILLER a l s V o r b i l d

f ü r seine Gustel v o n Blasewitz, die er in „ W a l l e n s t e i n s L a g e r " a u f t r e t e n l ä ß t . F ü r den W i r t s h a u s g a r t e n stiftete der E r f i n d e r der Reklamesäule, der Berliner E R N S T L I T F A S S ( 1 8 1 6 — 74), e i n e n S c h i l l e r g e d e n k s t e i n .

I m 19. Jh. n a h m die Z a h l der Sommergäste und der L a n d h ä u s e r zu. D i e B a u e r n v e r k a u f t e n ihre A c k e r - und Waldparzellen an Bauherren, die ihre G e b ä u d e ins freie F e l d oder ins T ä n n i c h t hineinsetzten. Die ältesten H ä u s c h e n a n der B r u c k n e r s t r a ß e s t a m m e n aus dieser Zeit. D a s erste B a u r e g u l a t i v v o n 1863, die

Bemühungen

des

1867

von

ARTHUR WILIBALD KÖNIGSHEIM

(t

1886)

gegründeten W a l d p a r k v e r e i n s und der B e b a u u n g s p l a n v o n 1876 geboten dem wilden B a u e n Einhalt, entwickelten Blasewitz zu einem p l a n v o l l angelegten V i l l e n o r t der Oberschicht und erhielten den letzten Teil des T ä n n i c h t s . E s ließen sich Fabrikbesitzer, K o m m e r z i e n r ä t e , K o n s u l n , hohe S t a a t s b e a m t e und Offiziere, Wissenschaftler und K ü n s t l e r nieder. A l s beste W o h n l a g e galt die G e g e n d a m W a l d p a r k , der seine E n t s t e h u n g (1874) d e m W a l d p a r k v e r e i n 176

verdankt. Starke Förderer waren A. W . K Ö N I G S H E I M und sein Sohn J O H A N N E S A. E. K Ö N I G S H E I M (f 1923). Der Königsheimplatz erinnert heute noch an sie. Das Parkgelände ist 23 ha groß und war ursprünglich ein natürlicher Kiefernwald, der allmählich durch Laubholzpflanzungen in einen Mischwald verwandelt wurde. In der Nähe entstanden um die Jahrhundertwende inmitten parkähnlicher Gärten große Villen nach Entwürfen solcher bekannter Dresdner Architekten w i e K U R T DESTEL, JULIUS GRÄBNER, KONSTANTIN LIPSIUS, JOHANNES SCHILLING,

oder der Blasewitzer Baumeister E M I L S C H E R Z und E M I L Die Bauordnung von 1880 gestattete auch geschlossene Häuserreihen, besonders am Schillerplatz, der dadurch seinen ländlichen Charakter allmählich verlor. Schon 1879 gab es dort keinen bäuerlichen Betrieb mehr. U m 1900 zählte man unter den 774 Häusern des Ortes 714 Villen. Mit der Umwandlung des Dorfes in einen Villenort wurde 1863 die heutige Loschwitzer Straße auf 18 Ellen (über 10 m) verbreitert. Die erste Pferdebahn (1872) mit einem Fahrpreis von 2 Neugroschen, dem damaligen Stundenlohn eines gelernten Arbeiters, diente allein dem Ausflugs- und Vergnügungsverkehr der Wohlhabenden. Nach Erlaß des Schulgesetzes von 1835 begann die Gemeinde, Mittel für ein eigenes Schulgebäude anzusammeln, das zugleich als Erinnerungsstätte für den Hofkapellmeister J O H A N N G O T T L I E B N A U M A N N (1741 — 1801, als Häuslersohn in Blasewitz geboren) gelten sollte, und legte zu dessen 100. Geburtstag am heutigen Schillerplatz den Grundstein zu einem Schulgebäude. Dieser Bau kam jedoch nicht zustande. Nachdem das Kapital der Naumann-Stiftung noch durch die Erträgnisse eines Konzertes von F R A N Z L I S Z T 1844 erheblich vermehrt worden war, erfolgte die Errichtung einer Schule 1850/51 unter Verwendung eines Entwurfs von G O T T F R I E D S E M P E R aus dem Jahr 1844. Dieses spätere Gemeindeamt, ein kleiner neugotischer Bau mit einem Staffelgiebel, gehört heute zum Verwaltungskomplex des Rates des Stadtbezirks Dresden-Ost, Naumannstraße 5, dessen neueres Stadthaus nach Plänen des einheimischen Architekten EMIL SCHERZ vom Anfang des 20. Jh. stammt. Infolge der wachsenden Kinderzahl baute die Gemeinde 1876 ein zweites Schulhaus an der heutigen Wägnerstraße 9, das 1900 von S C H E R Z erweitert wurde. Der Schule wurden 1903 Realgymnasialklassen angeschlossen, die 1908 in das Haus Kretschmerstraße 27 (heute E O S Martin Andersen Nexö, Spezialschule physikalisch-technischer Richtung) übersiedelten. R I C H A R D SCHLEINITZ

WÄGNER.

Viele Kinder der Blasewitzer Familien besuchten nicht die „einfache" Volksschule, sondern Privatschulen: ein Knaben-Lehr- und Erziehungsinstitut Loschwitzer Straße 34, eine Höhere Töchterschule Kretschmerstraße 13, eine Schule für Töchter höherer Stände Loschwitzer Straße 13. Als sich 1887 Blasewitz mit Neugruna als selbständige Parochie von der Kreuzkirche abzweigte, baute es sich 1893 auf dem Grundstück eines Gärtners nach dem Entwurf von E . S C H E R Z seine neugotische Heilig-Geist-Kirche. Der Villenvorort (Bilder 56, 57) widersetzte sich deshalb der Eingemeindung in die Großstadt, weil die maßgebenden Kreise eine Verringerung ihres Einflusses, dagegen aber höhere städtische Abgaben fürchteten. Das reiche Blasewitz, das fast keine Armenlasten zu tragen hatte, konnte an öffentlichen Ein177

K 3 richtungen mehr leisten als die Großstadt, o b w o h l der Steuerhebesatz k a u m zwei Drittel v o m Dresdner betrug. W ä h r e n d das Steuersoll i m Jahre 1900 im Durchschnitt j e K o p f der B e v ö l k e r u n g in Dresden bei 18,54 M a r k lag, errechnete sich für B l a s e w i t z ein B e t r a g v o n 37,92 Mark. D e r Dresdner R a t versuchte, die E i n g e m e i n d u n g 1903 m i t d e m B e s c h l u ß durchzusetzen, Blasewitzer K i n d e r nicht mehr in Dresdner Schulen aufzunehmen. B l a s e w i t z gründete daraufhin die eigene höhere Schule und blieb weiterhin selbständig. Z u den beliebten Sportarten der begüterten Schichten gehörte das Rudern. In B l a s e w i t z waren daher Rudervereine f ü r Männer und für F r a u e n ansässig geworden. Sie richteten a u c h die R e g a t t a s t r e c k e auf der E l b e ein, deren Ziel an der Regerstraße liegt. H e u t e sind die zerstörten R u d e r a n l a g e n wieder hergestellt, und der Rudersport, vertreten durch den S p o r t k l u b E i n h e i t Dresden, h a t seinen H a u p t s i t z in B l a s e w i t z und ist international sehr erfolgreich. A u f den E l b wiesen unterhalb des B l a u e n W u n d e r s zieht der Segelflugsport a n W o c h e n e n d e n viele Zuschauer an. Die B o m b e n a n g r i f f e 1945 haben östlich des Schillerplatzes u n d a u c h gegen Joh a n n s t a d t zu L ü c k e n gerissen. Öffentliche G e b ä u d e w u r d e n restauriert und durch N e u b a u t e n , so die Poliklinik N a u m a n n s t r a ß e , ergänzt. D a s einstige Ausflugsziel B l a s e w i t z h a t nach d e m A u s b a u der Elbuferstraße, des K ä t h e - K o l l w i t z Ufers, starken D u r c h g a n g s v e r k e h r nach den östlichen V o r s t ä d t e n zu tragen und leitet a m Schillerplatz a u ß e r d e m den V e r k e h r zu den rechtselbischen V o r s t ä d t e n über die B r ü c k e . Diese w a r 1891 — 93 v o n B a u r a t CLAUS KÖPCKE als eiserne H ä n g e b r ü c k e errichtet worden, überspannte pfeilerlos die E l b e m i t einer lichten W e i t e v o n 141,5 m und galt als technisches W u n d e r w e r k ; w e g e n des ersten Farbanstrichs wurde sie Blaues W u n d e r genannt. D i e zunehmende Verkehrsbelastung forderte m e h r f a c h Verbreiterungen, schwierige A u f g a b e n angesichts der Schwere der K o n s t r u k t i o n , die nur noch geringe zusätzliche B e l a s t u n g e n zuließ. D i e beiden F u ß g ä n g e r w e g e w u r d e n erst 1935 a u ß e n angesetzt. Die B r ü c k e m i t einer Gesamtlänge v o n 270 m entging der Sprengung 1945 durch die N a z i s d a n k des m u t i g e n Einsatzes des K l e m p n e r m e i s t e r s ERICH STÖCKEL

und

des Telegrafenarbeiters

die Sprengsätze erung.

zerschnitten.

PAUL ZICKLER,

1957/58

die

die Z ü n d k a b e l

erfolgte eine durchgreifende

für

Erneu-

K 4 Tolkewitz D i e u n b e b a u t e Wiesenaue des Niedersedlitzer F l u t g r a b e n s gliedert die F l u r v o n T o l k e w i t z in einen östlichen Teil, in dem das kleine Gassendorf zu suchen ist, und einen westlichen Teil, der Johannisfriedhof, K r e m a t o r i u m , W a s s e r w e r k und neue W o h n v i e r t e l u m f a ß t . D a s Dorf, 1350 als Tolkenwicz (aso. L e u t e des Tolkan) erwähnt, k a m 1396 an das K l o s t e r Altzella. D e r Besitzer des L a u b e g a s t e r V o r w e r k s Dürrhof, der Dresdner Bürgermeister LORENZ BUSMANN, stiftete 1398 Zinsen des V o r w e r k s der Kreuzkapelle. Die K r e u z k i r c h e und n a c h der R e f o r m a t i o n das Religionsamt des R a t e s ü b t e n die L e h n s h e r r s c h a f t über einen großen Teil des Dorfes aus, bis es schließlich zu einem der 8 R a t s d ö r f e r wurde. D a die Ä c k e r , v o n Ü b e r s c h w e m m u n g e n bedroht, v o n Sanddünen durchzogen,

178

von Kieferngebüsch unterbrochen, geringen Ertrag brachten, betrieben die K 4 Einwohner außer der Arbeit am Strom die Zwirnerei als Heimgewerbe. Bei dem Zwirner und Garnhändler C H R I S T I A N G Ä R T N E R , der von Jugend an der Sternkunde ergeben war, sah der Bauernastronom J O H A N N G E O R G P A L I T Z S C H (S. M 4) aus Prohlis 1745 zum ersten Mal den Sternhimmel durch ein Fernrohr. Das Schleifen von optischen Linsen, das er in Leipzig erlernt hatte, und der Bau von Fernrohren machten G Ä R T N E R weithin bekannt. In der Zeit der Romantik entdeckten die Dresdner die Schönheit der Landschaft um Tolkewitz. Der Kabinettsminister Graf V O N L O E B E N legte im Jahre 1800 einen über 40 a großen Lustgarten mit einem zweigeschossigen Landhaus an ( 1 8 1 3 durch Kriegshandlung zerstört), in dem G O T T F R I E D H E R D E R ZU Besuch weilte. Obwohl Tolkewitz einige Landhäuser besaß, blieb es im 19. Jh. ein Bauern- und Häuslerdorf, das 1873 von einer schweren Feuersbrunst heimgesucht wurde. Von Alttolkewitz sind heute noch einige kleine Häusleranwesen, so Nr. 16, 18 und 23, die Bauerngehöfte Nr. 21 und 22 sowie der alte Dorfgasthof, der unter dem Namen Donaths Neue Welt (Nr. 26) als ein vielbesuchtes Tanzetablissement galt, erhalten geblieben. 3 Bauern verlegten beim Wiederaufbau ihre Gehöfte in das damalige Tännicht. Aus dem einen Gut entstand 1893 eine Baumschule, das jetzige V E G Saatzucht-Baumschulen in der Kipsdorfer Straße. Auf dem Platz der beiden anderen stehen heute der Straßenbahnhof und das Krematorium. Der benachbarte Johannisfriedhof wurde von den Gemeinden der Kreuz-, Frauen- und Johanniskirche mitten im Tännicht angelegt, am 16. 5. 1881 mit der von PAUL WALLOT als Zentralbau errichteten Kapelle eingeweiht und später erheblich erweitert. A n die politische Geschichte Dresdens seit 1920 mahnen uns die vielen Opfer, die hier beigesetzt wurden: 22 Tote des Kapp-Putsches aus den Kämpfen des 19. 3. 1920 auf dem Postplatz und 8 Tote aus dem Keglerheim vom 25. 1. 1933 (s. Seite 52); 396 im wesentlichen in den Jahren 1943 — 45 hingerichtete Widerstandskämpfer, 68 verstorbene KZ-Häftlinge. Im N W des Friedhofs befindet sich der Ehrenhain für die Opfer des Luftangriffs von 1945. Auf dem Johannisfriedhof hat auch eine große Zahl der für Dresdens Entwicklung seit der zweiten Hälfte des 19. Jh. bedeutsamen Persönlichkeiten ihre letzte Ruhestätte gefunden, darunter die Oberbürgermeister O T T O B E U T L E R (1853 bis 1926), B E R N H A R D B L Ü H E R (1864—1938) und F R I E D R I C H W I L H E L M P F O T E N H A U E R (1812 — 77), die Kammersängerin E V A P L A S C H K E - V O N D E R O S T E N (1881 bis 1936), der Gründer des Museums für Volkskunst O S K A R S E Y F F E R T (1862 bis 1940), der Direktor der Gemäldegalerie K A R L W O E R M A N N (1844—1933). 1908 kaufte der R a t der Stadt Dresden 3 ha Kiefernwald im Tännicht zur Anlage eines Krematoriums, einer der bedeutendsten Monumentalbaue Deutschlands am Anfang des 20. Jh., der nach dem Entwurf von F R I T Z S C H U M A C H E R errichtet und 1911 eingeweiht wurde (Abb. 41). Gegenüber dem Friedhof entstanden Kranzbindereien und Bildhauerwerkstätten. Dazu gesellten sich seit 1894 v o n Striesen verlegte Gartenbaubetriebe. Aber noch um 1900 führte die Wehlener Straße zwischen Straßenbahnhof und Wasserwerk zum Teil auf beiden Seiten durch Wald. An der Wehlener Straße steht unweit des Flutgrabens ein Steinkreuz aus Sandstein. Von 1900 bis 1905 verdreifachte sich die Einwohnerzahl vor allem durch das 179

Abb. 41. Krematorium Tolkewitz Anwachsen der neuen westlichen Ortsteile. In den zwanziger Jahren setzte hier auch das genossenschaftliche Bauen intensiv ein. Als erste entstanden seit -.925 insgesamt 96 Häuser mit rund 600 Wohnungen. Am Treffpunkt der Tolkewitzer mit der Wehlener Straße, wo das Tännicht der Niederterrasse aufhört und das Schwemmland an der Mündung des alten Tolkewitzer Elbarmes (Flutgraben) beginnt, erwarb die Stadt 1891 Elbwiesen zur Anlage eines Wasserwerkes, des zweiten nach dem Wasserwerk Saloppe (s. J 1). Nach Aufschüttung des hochwassergefährdeten Geländes wurde es 1896—98 gebaut und am 22. 9. 1898 eingeweiht. Auf den 35 ha großen Wiesen wurden über 30 Brunnen 15 m tief bis in den Grundwasserstrom innerhalb der pleistozänen Kies- und Sandschichten eingesenkt. 2 Druckrohrleitungen von 700 mm Durchmesser führten das Wasser in 2 Hochbehälter von Räcknitz ( 1 6 6 m ü. NN). 1926 wurde das Fassungsgelände auf Leinpfadhöhe gebracht und eingeebnet, um die Zunahme des Keimgehalts bei Elbhochfluten herabzusetzen. Die Wasserversorgung Dresdens zwingt immer wieder dazu, die alten Wasserwerke zu modernisieren und ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. 1902 erhielt Tolkewitz eine eigene Schule, deren Gebäude 1 9 1 2 von Stadtbaurat H A N S E R L W E I N erweitert wurde (44. POS). Seit 1951 besitzt Tolkewitz eine von W O L F G A N G R A U D A entworfene Betlehemkirche. Es war der erste Kirchenneubau in der D D R nach 1945.

In den Planjahrfünften 1961/65 und 1966/70 entstanden an der Marienberger bzw. Altenberger Straße über 2000 Neubauwohnungen in Großblock- und Plattenbauweise mit den zugehörigen gesellschaftlichen Einrichtungen. Damit hat sich das geschlossene Stadtgebiet von dem Stadtring an der Güntzstraße über Striesen bis an den Tolkewitzer Flutgraben auf fast 5 km ausgedehnt.

Laubegast (s. Bd. 27, Q 1)

K4

K5

1408 Lubegast. Zeilendorf an Elbe mit Fischer- und Bauernbevölkerung. 1501 Vorwerk Dürrhof und Elbfähre genannt. 1613 — 1765 Schiffsmühle in Betrieb. 1899 Gründung der Schiffswerft. Erste Schule 1836. Seit 1893 Anlagen von Erwerbsgartenbau.

Zschieren (s. Bd. 9, A 4)

K6

1242 Schirin. Älteste Häuslerzeile parallel zur Elbe (Elbstraße, Feldweg), wohl Fischerwohnplatz, nur 1 m über Stromspiegel gelegen und hochwassergefährdet (Großzschieren), Ortserweiterungen Kleinzschieren (straßendorfartig = Struppener Straße) und Trieske (Häuslergruppe). Ursprünglich Streifen- und Blockflur in lehmigem Auen- und sandigem Niederterrassenbereich. Neuere Wohnsiedlungen von Meußlitz und Kleinzschachwitz her.

Gruna

L 1

1370 Grunow (deutsch, Ort in der grünen Aue), früher ein Platzdorf mit Blockund Streifenflur, erstreckte sich von der Winterbergstraße bis an den Striesener Friedhof und die Wehlener Straße sowie vom Hepkeplatz bis an die Enderstraße. Es lag zwischen zwei Altwässern der Elbe. Flurnamen wie Alte Elbe, Blanschfeld (Planschfeld), Blanschwiese, Blanschgraben weisen darauf hin. Der südliche Arm zwischen Bodenbacher und Winterbergstraße führte zum Großen Garten und zur Bürgerwiese. Das nördliche Elbbett, heute noch stellenweise 2 m tiefer als seine Umgebung, ist bis zum Frauensteiner Platz von Gartenland eingenommen, wo man 1928 als Muster einer Dauerkleingartenanlage Alte Elbe gründete. In diesem Altwasser hatten die deutschen Siedler den schon 1309 bezeugten Landgraben angelegt. Er diente als Entwässerungsanlage für die Hänge um Leubnitz und Nickern, als Flutrinne, als Nutz- und Löschwasserkanal, aber auch als Landwehr. Er kam als Koitzschgraben von Leubnitz her und vereinigte sich zwischen Seidnitz und Gruna nahe der Reicker Gasanstalt mit dem Prohliser Landgraben. Gruna unterstand im Mittelalter dem Meißner Hochstift, nach der Reformation dem Religionsamt des Dresdner Rates und dem kurfürstlichen Amt. Neben ihren 81/2 Hufen Land um 1547 hatten die Bauern noch das Buschland von Praschütz erworben (s. K 2). Die kürzeste Verbindung nach Dresden war der Kirchsteig, 13

Dresden

181

L 1

die heutige Comeniusstraße. Bei der Anlage des Großen Gartens mußten die Grunaer 1678 einen großen Teil ihrer Felder abtreten (s. C 4) und dann jahrelang auf Entschädigung warten. Zum Wiederaufbau des Dorfes nach dem Brand vom 11. 10. 1813 — einen T a g vor dem A b z u g der französischen Besatzung — erhielten die Bauern die Erlaubnis, Bausteine aus dem Großen Garten zu holen, dessen Mauer abgebrochen wurde. Die Pirnagr Landstraße, schon 1315 erwähnt, wurde nach der Zerstörung der Burg Dohna 1402 die Hauptverbindung nach Böhmen. Sie führte vom Pirnaischen Platz als Pirnaische Straße zwischen Lingnerallee und Grunaer Straße und dann durch das Gebiet des späteren Großen Gartens hindurch zur heutigen Bodenbacher Straße. Das Steinkreuz im Großen Garten (s. C 4) erinnert noch an den alten Verlauf der Straße. Eine Brücke an der Kreuzung der Pirnaer (Bodenbacher) Straße mit dem Landgraben wird 1439 als „brücke bie Grunow" genannt. Eine Schmiede daneben, die bald auch Schankrecht und das Privileg des Gastierens, Ausspannens, Backens, Schlachtens und Branntweinbrennens erhielt, war die Grüne Wiese, die 1876 an die Zwinglistraße verlegt und 1945 zerstört wurde. I m 19. Jh. bildete Gruna ein beliebtes Ausflugsziel für die Dresdner. Auch als Sommerfrische wurde es aufgesucht. 1862 hatten die Sommergäste für 1 — 3 Monate Aufenthalt 10 Groschen in die Armenkasse zu zahlen. Seit 1873 fuhr eine Pferdebahn vom Neumarkt ins Dorf. Als auch außerhalb des Ortskerns Wohnhäuser errichtet wurden, erließ die Gemeinde ihren ersten Bebauungsplan. Von 1867 bis 1890 stieg die Einwohnerzahl auf mehr als das Vierfache. Im Gegensatz zu Strehlen oder Blasewitz entwickelte sich Gruna aber nicht zum Villenort der Oberschicht; außer dem Parkhaus von J U L I U S L U D W I G R O T H E R MUND an der Stelle der alten Schmiede — 1945 durch Bomben zerstört, der Rothermundpark besteht noch — und dem Akazienhof überwogen als Neubauten schlichte Wohnhäuser. Bei der lebhaften Bautätigkeit im Ort und in Dresden fanden 2 Ziegeleien guten Absatz. Die eine lag zwischen Großem Garten und Zwinglistraße; ihre Grube wurde nach 1886 mit Schutt der abgebrochenen Badergasse aufgefüllt. Die andere befand sich nahe der Bergmannstraße. An der Bodenbacher Straße und nach Striesen zu entstanden Gärtnereien. Gruna verlor seinen ländlichen Charakter nur allmählich. Nach dem ersten Weltkrieg änderte sich aber besonders durch das genossenschaftliche Bauen das Ortsbild sehr rasch. Bestanden um 1900 noch drei Viertel der Flur aus Ackerland, so waren im Jahre 1938 drei Viertel des Bodens mit Häusern besetzt. Der Bauverein Gartenheim errichtete seit 1925 nach Plänen von P A U L B E C K unter der Leitung von MAX OERTEL zwischen Junghansstraße und Landgraben eine kleine Gartenstadt mit mehr als 800 Wohnungen (Bild 59). Andere Bauvereine legten 1924—28 über 100 Häuser östlich des Landgrabens sowie zahlreiche Häuserblocks im N der Flur an (Haenel-Clauß-Straße, Hepke-, Schlüterstraße, Bild 50). 1945 gab es noch 3 Bauerngehöfte; Gruna war Wohnviertel vorwiegend für Angestellte, Geschäftsleute und Arbeiter geworden. Die erste, 1865 eingeweihte Grunaer Schule stand Bodenbacher Straße 29. 1884 wurde das Schulhaus vergrößert. D a es sich bald wieder als zu klein erwies, errichtete die Stadt Dresden nach einem Entwurf E R L W E I N S den großen Bau der heutigen 5. POS K u r t Schlosser, Junghansstraße 15, der am 21. 4. 1914 182

bezogen wurde. Die 1892 eingeweihte Thomaskirche wurde nach schwerer L Beschädigung durch Bomben schon 1950 wiederhergestellt. Durch die Luftangriffe am 13. /14. 2. 1945 wurden in Gruna vor allem das Gebiet des alten Ortskerns und die heute zum Stadtbezirk Mitte gehörenden Flächen um den Falkensteinplatz getroffen. Die Gunst der städtebaulichen Situation sowie die vorteilhaften Grundrisse der schwer beschädigten Wohngebäude waren Anlaß, mit deren Aufbau als Aktivistenwohnungen bereits 1949 zu beginnen. In den folgenden Jahren wurden im Gebiet der alten Elbaue Trümmer verkippt. 1975 wurde mit dem A u f b a u eines größeren Wohnkomplexes am Standort des alten Ortskerns zwischen Zwinglistraße, Rothermundstraße und Volkspark begonnen. Dieser Wohnkomplex, dem ein örtliches Zentrum mit einer Vielzahl gesellschaftlicher Einrichtungen zugeordnet ist, schließt die Ost-West-Magistrale hinter der Stübelallee durch eine Gruppe siebzehngeschossiger Hochhäuser als zugleich farbige Höhendominante ab.

Seidnitz

L

Die Flur von Seidnitz reicht im S ungefähr bis zur Eisenbahnlinie nach Pirna, im W bis an den Grunaer Landgraben, im N über den Altenberger Platz hinaus bis an die Wehlener Straße und im O bis zur Paracelsusstraße. Altseidnitz (1378 Syticz — aso. Leute des Zideta) liegt als Platzdorf zwischen zwei alten Elbarmen auf einer 115 m hohen, flachen Erhebung. Im südlichen Arm, zwischen Bodenbacher und Winterbergstraße, befand sich 1370 der See am Pirnischen Weg, bis 1898 breiteten sich dort die Seewiesen und der Seegraben mit offenem Wasser und Nistplätzen im Schilf für Wasservögel aus. Als nach Erbauung des Tolkewitzer Wasserwerkes (s. K 4) das Grundwasser um 1 m sank, trockneten diese Tümpel aus. Das mittelalterliche Dorf besaß ein Vorwerk, von dem 1388 der Burggraf von Dohna dem Frauenkirchhof Zinsen stiftete. 1445 gehörte Seidnitz den Meißner Domherren, 1546 kam es an das Religionsamt und Brückenamt des Dresdner Rats. Bei Errichtung des Ostra-Vorwerks wurden die Bauern mit Pflugdiensten belastet. Zu einem ersten Schulhaus (Marienberger Straße 5), das 1876 eingerichtet wurde, kam 1898 ein zweites Gebäude (33. POS), als sich Seidnitz zur vorstädtischen Wohngemeinde zu entwickeln begann. Auf hiesiger Flur legte man 1891 die Pferderennbahn an. U m 1900 zählte Seidnitz 90 Häuser. Das ehemalige Spritzenhaus mit einer Inschrifttafel von 1765 blieb bis heute erhalten (Altseidnitz 2). Nach 1924 setzte eine rasche Bebauung ein, im wesentlichen auf genossenschaftlicher Grundlage und vor allem südlich der Bodenbacher Straße. A n der Einmündung der Marienberger in die Bodenbacher Straße steht ein Steinkreuz mit einer eingeritzten 'hirschfängerähnlichen W a f f e . ' Hatte Seidnitz bis zum ersten Weltkrieg industrielle Anlagen nur längs der Eisenbahn aufzuweisen, so erfuhr der Vorort in den sechziger Jahren eine wesentliche Umgestaltung durch große Betriebe des V E B Chemieanlagen südlich der Bodenbacher Straße und des V E B Robotron-Elektronik auf deren Nordseite. Durch diese Industriewerke und eine Vielzahl von Wohnungsbauten 13*

183

L 2 mit den zugehörigen Gemeinschaftseinrichtungen, zunächst in Großblockbauweise, nach 1970 mehr und mehr in Plattenbauweise errichtet und auf Standorte an der Bodenbacher und Liebstädter Straße sowie an der Marienberger Straße verteilt, erhielt Seidnitz ein völlig neues Gesicht.

L3

Dobritz, 1378 Doberwicz (aso. Leute des Dobr), ist aus der Vereinigung des älteren Großdobritz, eines erweiterten Sackgassendorfes mit Blockflur, der Wüstung Lippen und Kleindobritz entstanden, einem Bauernweiler im S der Flur an dem alten Langen Weg von Seidnitz nach Nickern. Dobritz besitzt einige Gutshöfe im O (Altdobritz 2 und 3), Kleinhäuser mit Fachwerk (Altdobritz 15) auf der Westseite und schmalgiebelige Drescherhäuser an der Pirnaer Landstraße, so Nr. 30, 32 und 34. Das ehemalige Vorwerk oder Stadtgut, Pirnaer Landstraße 38, wurde nach der demokratischen Bodenreform 1945 Zweigbetrieb des Volksgutes Pillnitz. Breitscheidstraße 1 steht ein altes Haus von Kleindobritz. Das Dorf gehörte im Laufe der Zeit zunächst anteilweise verschiedenen Lehnsherren zu Bärenstein, Rottwerndorf und Borthen, dem R a t zu Pirna und dem Dresdner Religionsamt. Seit 1582 übten die Bünaus zu Weesenstein bis Anfang des 19. Jh. die Erbgerichtsbarkeit über Großdobritz aus, das Religionsamt über Kleindobritz. Im 18. Jh. betrieben besonders die Häusler das Spinnen, Zwirnen und Strohflechten als Heimgewerbe. Erst Ende des 19. Jh. begann Dobritz sein bäuerliches Gepräge zu verlieren. Aus Striesen verdrängte Gärtner verlagerten ihre Betriebe hierher. Bis 1895 entstanden 7 große Gärtnereien, die später teilweise mit den Laubegaster Gartenbaubetrieben verschmolzen. Dobritz wurde zunächst Wohngebiet für die Niedersedlitzer Industriearbeiter. Ihr Anteil stieg auf zwei Drittel der Bevölkerung. 1884 wurde das bedeutendste Industrieunternehmen des Ortes, eine Gardinenfabrik, gegründet, heute V E B Plauener Spitze, Breitscheidstraße 78/84. In dem volkstümlich kurz als Die Gardine bezeichneten Betrieb arbeiten überwiegend weibliche Beschäftigte, die 1909 aus 38 verschiedenen Orten kamen. Wohnungsbauvereine errichteten hauptsächlich nördlich der Breitscheidstraße 120 und zum Teil in Verbindung mit der Gardinenfabrik weitere 500 Wohnungen. Dobritz erhielt 1883 eine eigene Schule, ein Neubau entstand 1908, ein Anbau folgte 1923. Die 67. P O S wurde nach dem Lehrer und Reichstagsabgeordneten E R N S T S C H N E L L E R benannt, den die Faschisten 1944 im K Z Sachsenhausen ermordeten. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der industrielle Sektor stark gefördert, so durch Rekonstruktion der Gardinenfabrik des V E B Plauener Spitze oder durch den Neubau für den V E B Schokopack (Schokoladen- und Verpackungsmaschinen) auf einem bisher unbebauten Standort an der Breitscheidstraße in den Jahren 1957 — 64. Sein Hochhaus bildet in der Weite des Elbtals einen weithin sichtbaren Orientierungspunkt. Im Zusammenhang mit der industriellen Entwicklung machte sich für den Berufsverkehr ein Haltepunkt Dobritz des Stadt- und Vorortverkehrs der Reichsbahn erforderlich. Seit 1966 wurde auch der Wohnungsbau in größerem Umfang gefördert. 184

Leuben A l s Kirchdorf spielte L e u b e n seit J a h r h u n d e r t e n i m S O der S t a d t eine ähnliche R o l l e wie K a d i t z (s. F l) im N W . D e r Ort, ein P l a t z d o r f m i t einer gelängeähnlichen Streifenflur, wird 1349 als Sitz eines V o r w e r k s und bischöflicher R a s t p l a t z Lüben (aso. O r t eines Luba(e)n) e r w ä h n t . I m 14. u n d 15. Jh. t r e t e n viele adlige und bürgerliche Lehnsherren auf. U m 1800 u n t e r s t a n d L e u b e n 4 G e richtsbarkeiten: d e m Dresdner Religionsamt, dem L e u b n i t z e r A m t und d e n Grundherren in Weesenstein u n d L o c k w i t z . M i t der Industrialisierung v o n Niedersedlitz (s. L 5) und der I n b e t r i e b n a h m e der elektrischen S t r a ß e n b a h n Niedersedlitz — L a u b e g a s t e n t s t a n d e n im O der L e u b e n e r F l u r F a b r i k e n (Asbest-, F e t t s t o f f - , S t r o h h u t - und F i l z h u t - , Möbel-, Metallindustrie) und als F o l g e der B e b a u u n g Striesens auf den Ä c k e r n der B a u e r n — 1867 noch 11, 1898 nur 4 B a u e r n — große Gärtnereien m i t Moorbeet-, Rosen-, P a l m e n - und anderen Spezialkulturen, besonders auf d e m Gelände in R i c h t u n g L a u b e g a s t . H e u t e sind sie z u m g r ö ß t e n T e i l i m V E G Saatzucht-Zierpflanzen zusammengefaßt. D u r c h die w i r t s c h a f t l i e h e E n t w i c k l u n g im O r t selbst, in Niedersedlitz, D o b r i t z und L a u b e g a s t stieg die E i n w o h n e r z a h l zwischen 1895 und 1900 auf m e h r als das D o p p e l t e . W a r u m 1895 nur der Ortskern m i t seiner U m g e b u n g b e b a u t , so e n t s t a n d e n d a n a c h in der Stephensonstraße zahlreiche Mietshäuser, zu denen seit 1925 W o h n b a u t e n auf genossenschaftlicher G r u n d l a g e k a m e n , besonders u m f a n g r e i c h m i t x n n d 1500 W o h n u n g e n in der B e r t h o l d - H a u p t - S t r a ß e . D e r D o r f p l a t z , auf dem früher 2 T e i c h e lagen, erinnert nur durch 3 ehemalige B a u e r n h ö f e an das alte ländliche Siedlungsbild. A l t l e u b e n N r . 10 ist das frühere S t a d t g u t , j e t z t städtisches Pflegeheim. D a s G u t N r . 11 dient als K i n d e r h o r t f ü r die 1894 gebaute, 1909 und 1923 erweiterte h e u t i g e 66. P O S . E i n i g e a l t e A n w e s e n v o n ehemaligen Häuslern s ä u m e n noch die Pirnaer L a n d s t r a ß e , so Nr. 141, 142, 144 und 146. Die alte L e u b e n e r K i r c h e , wahrscheinlich 1 5 1 2 erbaut, w u r d e 1900 a b g e b r o c h e n . D e r T u r m blieb i n m i t t e n v o n G r a b m a l e n des ersten F r i e d h o f s erhalten. D i e neue K i r c h e w u r d e v o n d e m A r c h i t e k t e n E . SCHERZ in neugotischen F o r m e n m i t 75 m hohem T u r m e r b a u t u n d 1901 eingeweiht. I m Innern b e f i n d e n sich aus der alten K i r c h e der T a u f s t e i n v o n 1610 und ein F e n s t e r in Glasmalerei m i t d e m A l n p e c k s c h e n W a p p e n auf rotem Grund. D a s E p i t a p h des HANS DEHNROTHFELSER (f 1561) s t a m m t aus der alten Dresdner F r a u e n k i r c h e , w u r d e n a c h deren A b b r u c h 1722 auf d e m L e u b e n e r Friedhof e i n g e m a u e r t und 1876 wieder aufgefunden. D e r 1675 angelegte Friedhof b i r g t die G r a b s t ä t t e der S c h a u s p i e l e r i n C A R O L I N E N E U B E R (S. B d . 2 7 , Q

1).

1945 erlitt L e u b e n nur vereinzelt Schäden. N a c h 1945 erweiterte sich d a s Sachsenwerk, heute V E B K o m b i n a t E l e k t r o m a s c h i n e n b a u S a c h s e n w e r k (s. L 5), auf L e u b e n e r Flurteile. M i t d e m dazugehörigen K l u b h a u s w u r d e 1951/52 eine der ersten gesellschaftlichen E i n r i c h t u n g e n dieser A r t geschaffen, die in den Jahren v o r dem W i e d e r a u f b a u des S t a d t z e n t r u m s mehr als n u r örtliche B e d e u t u n g besaß. Nördlich v o m D o r f p l a t z stand der alte Gasthof v o n L e u b e n , Pirnaer L a n d s t r a ß e 131, früher als F e e n p a l a s t der g r ö ß t e T a n z s a a l des Dresdner Ostens. D i e V e r -

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nichtung aller im Stadtzentrum gelegenen Bühnen im Februar 1945 erforderte für das wieder einsetzende Theaterleben eine Stätte für Operettenaufführungen. Sie wurde in dem Feenpalast gefunden. Schon im Herbst 1945 konnten nach Aus- und Umbauten erste Aufführungen stattfinden. 1947 als Apollotheater eröffnet, wird es seit dem 2. 10. 1954 a ls Staatliches Operettentheater weitergeführt. Außerdem wird der Name Leuben oft genannt, seit hier in den Jahren 1970 — 74 zwischen Breitscheid- und Pirnaer Landstraße das verbliebene Freigelände der Leubener Flur für den ersten großangelegten Wohnstandort Dresdens genutzt wurde. Auf das nach der weitgehenden Verfügung über die Flächen des Stadtinnern in den äußeren Stadtteilen noch unbebaute Land war (Bild 48) mußte zurückgegriffen werden, da viele der einst sehr dicht besetzten Stadtteile in den inneren Vorstädten nicht wieder die große Menschenzahl wie ehemals aufnehmen konnten. Sieht man von den Vorstadtbebauungen in Johannstadt (s. C 5) ab, so ist hier in Leuben zum ersten Mal in Planung, Durchführung des Bauprogramms und Einbindung in Versorgungs- und Verkehrsbeziehungen einheitlich vorgegangen worden. Straßenbahn und Eisenbahn gewähren günstige Verkehrsverbindungen. Im Lageplan des Leubener Wohnkomplexes treten zwei Diagonalen hervor, die bereits vor der Bebauung das Gelände gliederten, nämlich die Zamenhofstraße, nunmehr ausgebaut als Wohnsammelstraße, und der Flutgraben. Diese beiden Diagonalen sind mit den Formen der Baublocks abgestimmt. Als weiteres Gestaltungselement treten die differenzierten Bauhöhen hinzu. Aus der überwiegend fünfgeschossigen Bebauung heben sich in der Konkave der Pirnaer Landstraße ein elfgeschossiges Haus zusammen mit einem fünfzehngeschossigen Punkthaus und eine weitere Gruppe von 3 Fünfzehngeschossern heraus. Sie sind für das Blickfeld wichtige Akzente und betonen das örtliche Zentrum an der Einmündung der Zamenhofstraße. Im S und W sind in guter funktioneller Zuordnung die niedrigeren Bauten für Kindereinrichtungen und Sport vorgelagert. Eines der siedlungsintensivsten Gebiete aus ur- u n d f r ü h g e s c h i c h t l i c h e r Z e i t liegt im Grenzbereich der Stadtteile Leuben, Dobritz und Laubegast, mit dem Mittelpunkt in der ehemaligen Knoblochschen Kiesgrube an der Salzburger Straße östlich der Senke des Flutgrabens. Von hier stammen Gräber und Siedlungsreste aus der jüngsten Steinzeit mit Schnurkeramik und Glockenbechern, aus dem Beginn der Bronzezeit, aus der Lausitzer Kultur, von der germanischen Besiedlung (Latönezeit und germanische Gräber des 4. Jh.) sowie von intensiver slawischer Besiedlung, besonders in Altleuben. Die wichtigste bronzezeitliche Siedlung aus der Zeit vor etwa 3 000 Jahren verbreitet sich über das genannte Gesamtgebiet mit der dichtesten Belegung bei der Kiesgrube. Von dort stammen weit mehr als 300 größere Fundverbände, deutliche Reste von Pfostenhäusern und eingetieften Hütten, beispielsweise ein Weberhaus mit Spulständern und Webstuhlgewichten. Für örtliche Keramikherstellung spricht ein großes Tongeschirrservice mit satzweise ineinandergestellten Schüsseln gleicher Form und Größe. Am auffälligsten sind die Bronzedepotfunde mit weit mehr als 100 Sicheln, dazu Beilen, Ringen, Lanzenspitzen, Gußformen für Stangenbarren. Bronzebarren und Gußkuchen sowie Schmelz186

fluß und Abfall sprechen für eine Stätte der Bronzeverarbeitung. Von europä- L 4 ischer Bedeutung ist ein großer Bronzegefäßfund mit 18 dünnwandig getriebenen Einzelteilen (Sieb, Eimer, 2 Schöpfgefäße und 14 meist reich verzierte Schalen — Punkt-/Buckelornamente, Perlschnüre, Rippenkombinationen mit Tannenzweigverzierungen). Hier liegt ein deutliches Zeichen für Einflüsse aus dem Karpatenbecken auf die mittel- und nordeuropäische Zivilisation vor, dazu ein Nachweis intensiven Handels mit dem Südosten.

Niedersedlitz

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Niedersedlitz ist eines der markantesten Beispiele für den Bedeutungswandel eines Dorfes unter dem Einfluß günstiger Yerkehrsbedingungen, hier also der wichtigen Eisenbahnstrecke Dresden—Prag—Südosteuropa. Trotz der Eisenbahnverbindung seit 1845 blieb der Ort zunächst aber noch lange Zeit ein unbedeutendes Bauerndorf, das postalisch „bei L o c k w i t z " lag und nicht einmal eine Bäckerei oder einen Gasthof besaß. Die Niedersedlitzer Flur wird vom Lockwitzbach durchflössen, der an der Eisenbahnüberführung höher liegt als die Straße. Vorher zweigt zwischen Dorfund Windmühlenstraße der Niedersedlitzer Flutgraben ab, der bei Alttolkewitz in die Elbe mündet. Niedersedlitz gehörte anfangs (1350 Sedelicz, zu aso. sedlica = Siedlung) den Dohnaer Burggrafen. Nach 1402 kam es unter die Lehnshoheit der Markgrafen, die in öfterem Wechsel verschiedene Edelleute, aber auch Bürger von Dresden mit Teilen des Dorfes belehnten. Bis 1832 besaß auch das Rittergut Gamig Rechte im Ort. U m 1870 begann der Wandel. 1871 zog mit der Chemischen Fabrik von Otto Kauffmann, heute V E B Platten- und Chemiewerk, der erste Industriebetrieb ein. In demselben Jahr erhielt Niedersedlitz einen Güterbahnhof, 1872 ein Postamt. 1872 entstand eine Fabrik für künstliche Düngemittel. 1873 wurde die Wassermühle am Mühlgraben, Mühlenstraße 107, zur Dampfmühle von A . Danckelmann ausgebaut, jetzt V E B Weizenin. Es entstanden als neues Element in dem bescheidenen Dorf die ersten Fabrikantenvillen. I n d e n folgenden Jahren der wirtschaftlichen Hochkonjunktur nach 1871 nahm die Zahl der Fabrikgründungen weiter zu. Entlang der Eisenbahn reihte sich Betrieb an Betrieb: eine Fabrik für Elektromaschinen, ein Sägewerk, aus dem die spätere Schulbankfabrik hervorging, die Malzfabrik, eine Stein- und Buchdruckerei, eine Aktiengesellschaft für Kunstdruck, eine Bunt- und Chrompapierfabrik, die Goldmundstückbobinen-Gesellschaft, ein Unternehmen für Gewächshausbau und Heizungsanlagen sowie Betriebe der chemischen, Süßwaren-, Strohhut-, Kartonagen- und später auch der Fotoindustrie. Einige dieser Betriebe des Niedersedlitzer Industriebezirkes sind weit über die nähere Umgebung hinaus bekannt geworden. Der heutige V E B Kombinat Elektromaschinenbau wurde nördlich der Bahnlinie als Fabrik für Elektromaschinen 1887 eröffnet und 1894 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 1893 hatte der Betrieb den Bau der elektrischen Straßenbahn Blasewitz — Laubegast sowie den Umbau der Pferdebahnwagen der „ G e l b e n " Dresdner Straßenbahn-Gesellschaft auf elektrischen Betrieb vorgenommen und führte den B a u 187

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der elektrischen Linien Niedersedlitz —Laubegast (1899) und Loschwitz —Pillnitz (1901) durch. Das Werk beschäftigte Anfang 1901 etwa 900 Personen. Nach Konkurs wurde 1903 das Sachsenwerk gegründet, das umfangreiche Aufträge besonders für staatliche Elektrizitätswerke übernahm und in Radeberg (s. Bd. 27, H 5.5) eine Zweigfabrik eröffnete. 1946 wurde der Betrieb Sowjetische Aktiengesellschaft, die 1953 große neue Hallen errichten ließ. 1954 übergab die sowjetische Regierung das Werk an die D D R . Ein Gang durch den Betrieb mit seinen zahlreichen Gebäuden läßt uns Stanzerei, Schleiferei, Setzerei, Montagehallen, Schleudergrube erkennen, in denen heute vorwiegend Bahnmotoren, Turbogeneratoren und Isolatoren gefertigt werden. Südlich der Eisenbahn erwecken besonderes Interesse die nach dem Übergang in den volkseigenen Besitz erheblich erweiterten Kamerawerke Niedersedlitz, die heute dem V E B Kombinat Pentacon (s. K l ) angehören. Der V E B Metallleichtbaukombinat, Niedersedlitzer Straße 54, ist aus dem Unternehmen für Gewächshaus- und Heizungsanlagen Höntsch und Co. entstanden. Der Gründer machte sich 1895 in einer Feldscheune auf dem Platz seiner späteren Fabrik selbständig und vergrößerte bis 1908 das Fabrikareal auf 180000 m 2 . E r stellte Gewächshäuser, Wintergärten, Heizungsanlagen und Wohnholzhäuser her und errichtete zahlreiche Zweigstellen, so in der Tschechoslowakei, in Österreich, Ungarn, Jugoslawien, Rußland, China und Nordamerika. 1946 wurde das Werk volkseigen, das Holz, Glas und Stahl zu Bauteilen, Hausgiebeln, ganzen Gewächsund Wohnhäusern industriemäßig verarbeitet. Die industrielle Entwicklung griff über Niedersedlitz hinaus nach Leuben (s. L 4) unfl Laubegast; auch entlang der Eisenbahnstrecke nach Pirna entstanden große Betriebe nach Luga (Kelle und Hildebrandt, jetzt V E B Stahlhochbau) und Sporbitz zu (Gebrüder Seck, heute V E B Mühlenbau). So erhielt dieser Fabrikbezirk im Südostraum Dresdens Verbindung zum Industrierevier der jungen Stadt Heidenau. Aber obwohl die Gemeinde schon 1881 einen Bebauungsplan aufgestellt hatte, bestand Niedersedlitz 1890 noch immer nur aus diesem Fabrikbezirk an der Hennigsdorfer Straße, einigen Häusern an der Bahnhofstraße und dem abseits gelegenen Bauerndorf. Der alte Dorfkern war ein gassenartig erweiterter Rundling. Das ländliche Bild hat sich vor allem auf seiner Nordseite mit Vier- und Zweiseithöfen, von denen einige gewerblich genutzt werden, mit schmalen Pforten (Dorfstraße 13 und 26) und mit Scheunen erhalten, die teilweise bis nahe an die Pfarrer-SchneiderStraße reichen. Allerdings haben sich Häusleranwesen und neuere Bauten dazwischengeschoben. Bis zum ersten Weltkrieg entstanden die Wohnstraßen zwischen altem Dorf, und der Eisenbahn, baumbestanden, in offener Bauweise mit Vor- und Hausgärten. Ein großer Teil der Werktätigen fand in Leuben zwischen Sachsenwerkstraße und Pirnaer Landstraße Wohnung in Mietshäusern (s. L 4 ) , so daß die Gemeinden Niedersedlitz und Leuben hier nahtlos zusammenwuchsen. In Niedersedlitz selbst schufen auch baugenossenschaftliche Siedlungen auf freiem Feld Wohnraumzuwachs. Trotz der regen Bautätigkeit war und ist der Arbeiterpendelverkehr nach Niedersedlitz sehr beträchtlich. Von Kreischa her führte seit 1906 die elektrische Lockwitztalbahn, die 1978 durch eine Omnibuslinie ersetzt wurde, die Arbeitskräfte den Niedersedlitzer Betrieben zu. 188

Eine wichtige Wachstumsspitze des Ortes liegt im S W an der W i n d m ü h l e n - L 5 straße, die zugleich eine gute Z u f a h r t z u m Ort v o n der Dohnaer Straße her gestattet. Der N a m e Windmühlenstraße geht auf die Holländermühle zurück, die 1825 nach A u f h e b u n g des Mahlzwangs in der L a u b e g a s t e r Schiffsmühle (seit 1661) an der höchsten Stelle des Hinterberges entstand, mit steinernem Unterbau, drehbarem D a c h und fünfflügeligem R a d , 1859 brannte sie nieder. Nach ihrem Wiederaufbau diente sie lange Zeit dem Farbholzmahlen. N a c h einem weiteren B r a n d 1894 trug m a n sie bis auf das W o h n h a u s Windmühlenstraße 49 ab. Zwischen Windmühle (138 m) und Dorf (121 m) begann nach dem ersten Weltkrieg eine Genossenschaft, die Felder längs der Straße mit einfachen H ä u sern zu bebauen. Seit 1935 wurde die kleine Häuserreihe zu der heutigen großen Siedlung erweitert. Die Niedersedlitzer Jugend erhielt noch 1875 Unterricht im G u t des Gemeindevorstandes. A m 7. 8. 1876 erfolgte die Einweihung der heutigen, mehrfach erweiterten 89. P O S in der Sosaer Straße, schräg gegenüber v o n dem 1901 erbauten hochtürmigen R a t h a u s gelegen. N a c h Niedersedlitz wurden 1922 Groß- und Kleinluga eingemeindet. Seit 1930 war es auf drei Seiten v o m Dresdner Stadtgebiet umschlossen, aber erst 1950 ging es in Dresden auf. Die ehemaligen Freiflächen zwischen Niedersedlitz und Großzschachwitz sind mit dem Wohngebiet Försterlingstraße b e b a u t worden.

Großzschachwitz (s. B d . 9, Q 3)

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1350 Schachwicz. 1791 Groß-Zschachwitz. Bauern- und Häuslergemeinde. Straßenangerdorf mit Mühle a m L o c k w i t z b a c h . 1898 erste Schule. 1921 Großgemeinde mit Sporbitz und Meußlitz.

Kleinzschachwitz (s. B d . 9, Q 2)

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1310 Schyzewycz. 1400 — 1700 W ü s t u n g , dann von Handarbeitern wiederbegründet. Fähre seit 1727. E r s t e Schule 1822. 1886 Dampfschiffhaltestelle, danach Villenvorort.

Sporbitz (s. B d . 9, A 2)

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1350 Sperwicz. In lehmbedeckter „ A u e " = Brüchichtgraben. I m K e r n sackgassenartiges Rundplatzdorf, früher gewannähnliche Streifenflur. Bäuerliche Gehöfte mehr und mehr funktionslos infolge Inanspruchnahme der G e m a r k u n g durch Wohnsiedlungen. 1900 eigene Schule.

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Meußlitz (s. Bd. 9, A 3) 1350 Miselicz. Auf Talsand (Am Sand) nördlich Brüchichtgraben. Ursprünglich Weiler mit Blockflur. Alte Volksarchitektur im Dorfkern, Struppener Straße, A m Teich. Seit etwa 1900 neue Wohnsiedlungen in offener Bauweise nach Zschieren und Zschachwitz zu.

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Strehlen Strehlens ehemalige Gewannflur (Abb. 42) erstreckte sich von der Bürgerwiese und dem Großen Garten bis zum Koitschgraben. Sie bestand aus zwei Teilen. Die Herren- oder Vorwerksflur lag auf dem Frankenberg, der von 125 m an der Lockwitzer Straße auf 140 m bei Mockritz ansteigt. Die Bauernflur gliederte sich in die Erbhufen Vor dem Steine zwischen Dorf und Bürgerwiese und die Hufen Hinter dem Steine zu beiden Seiten der Reicker Straße. Unter Stein verstand man in 127 m ü. N N zutage tretende versteinerungsreiche Plänerkalksteine ( B E C K und H A Z A R D 1917), die in Steinbrüchen abgebaut und in einem nach der Eisenbahn zu stehenden Kalkofen gebrannt wurden. Auf dieser Höhe steht heute die Christuskirche. Die Elsa-Brandström-Straße hieß früher Auf dem Berge; hier befanden sich 2 Weichbildsteine, von denen sich einer bei dem Haus Elsa-Brandström-Straße 16 (Eingang des Schindergäßchens) erhalten hat. Urkundlich wird der Ort erstmalig 1288 als Strowelin (aso. Ort eines Strovela) genannt, als das Meißner Lorenzhospital Zinsen in Strehlen erhielt. 1307 erwarb das Kloster Altzella für seinen Klosterhof in Leubnitz den größten Teil des

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Dorfes, 1312 dazu noch die Hälfte des Vorwerks. Nach der Reformation kam M i der Besitz des Klosterhofs — und damit auch Strehlen — 1550 als Leubnitzer A m t unter die Lehnshoheit des Dresdner Rates, von dem Dresdner Bürger Felder und Wiesen in Strehlen erwarben. Den schwersten Eingriff in seine Flur erfuhr das Dorf 1676 bei der Anlage des Großen Gartens (s. C 4), für den es 235 Scheffel ( = 59 ha) Land abgeben mußte. Seit der Mitte des ig. Jh. entwickelte sich Strehlen zum Wohnort einer Oberschicht. In seinen Villenbauten blieb teilweise erhalten, was im Schweizer Viertel (s. C 3) und an der Bürgerwiese (s. B 1) zerstört wurde; Beispiele sind Tiergartenstraße 8 und 28. Bei strenger Beschränkung der gewerblichen Niederlassungen entstanden auch an der Parkstraße und Wiener Straße mehrere Prachtbauten und um den Wasaplatz einige Häuser im Stil der Jahrzehnte von 1870 bis 1900 mit vielen Türmchen und bunten Glasurziegeln. Eine königliche Villa wurde um die Jahrhundertwende in dem Gelände errichtet, auf dem das Rote Haus, ein Forsthaus mit Schenke, stand. In den dreißiger Jahren bebauten die Nazis dieses Gelände mit militärischen Verwaltungsgebäuden. Die wenig geschädigten Anlagen waren von 1945 bis 1952 Sitz der Sächsischen Landesregierung, und heute beherbergen sie die Militärakademie Friedrich Engels. Die Eingemeindung 1892 wurde unter anderem mitbestimmt durch häufige Überschwemmungen im Kaitzbachgelände, die den B a u eines Flutkanals bis zur Lingnerallee notwendig machten. Auch der R a t der Stadt Dresden ließ in seinem Bebauungsplan von 1899 Strehlen von größeren gewerblichen Anlagen frei. Der alte Ortskern Strehlens (Abb. 42) ist einer der größten Dorfplätze Dresdens. E r umfaßt nicht nur das heute Altstrehlen genannte Dreieck, sondern auch die Kreischaer Straße sowie die Anfänge der Dohnaer und Mockritzer Straße. Der durch mehrere Stege überbrückte Kaitzbach durchfließt den Anger, der neben Kleingärten einen Wiesenhang und Schmuckanlagen aufweist. Große Vierund Dreiseithöfe mit Torbögen und Pforten (Altstrehlen 10, 13) haben sich erhalten, dienen meist gewerblichen Zwecken (Kreischaer Straße 30, Altstrehlen 5 und 13) und werden mehr und mehr durch Umbauten den neuen Funktionen angepaßt. U m 1800 unterrichtete ein Kinderlehrer in einer selbstgemieteten Strehlener Bauernstube. Die Gemeinde baute ihre erste Schule nach dem Entwurf des Hofbaumeisters T H O R M E Y E R Dohnaer Straße 16 im Jahre 1829 und erweiterte sie 1858 durch einen Anbau. Heute dient das Gebäude gewerblichen Zwecken. Mit dem Wachstum der Einwohnerzahl wurde ein größeres Schulhaus erforderlich. E s entstand 1874 an der Mockritzer Straße 19 (heute 47. POS). In der Nachbarschaft kam nach dem zweiten Weltkrieg die 23. P O S mit einem Neubau hinzu. Die Christuskirche, 1905—07 durch die Architekten S C H I L L I N G und G R Ä B N E R als eines der bedeutendsten Werke des späten, zum Monumentalen strebenden Jugendstils im damaligen Deutschland errichtet, ist mit ihren beiden 66 m hohen Türmen ein Wahrzeichen der Gegend geworden. Sie konnte nach schweren Bombenschäden 1954 wieder eingeweiht werden. Größere Bedeutung für das Gemeindeleben und für die Öffentlichkeit kommt dem mit einem zierlichen 191

M 1 Dachreiter geschmückten Kirchgemeindehaus zu, das 1937 erbaut wurde und einen vielgenutzten Vortragssaal hat. 1910 bezog das Friedrichstädter Lehrerseminar (s. C 1) die Neubauten Teplitzer Straße 16. Die Gebäude dienten 1923 — 35 als Pädagogisches Institut, dann als Hochschule für Lehrerbildung. Damit wurde hier zum ersten Mal die Hochschulausbildung der Lehrer verwirklicht und damit das alte Lehrerseminar überwunden. Das Gebäude wurde 1945 schwer beschädigt und für die Zwecke der Technischen Hochschule, Sektion Berufspädagogik, bzw. der damaligen Arbeiterund-Bauern-Fakultät wieder aufgebaut (s. C 3). Strehlen hat neben dem alten Villencharakter in den zwanziger und dreißiger Jahren ein anderes Gepräge erhalten, als Wohnblocks und Kleinhaussiedlungen an der Teplitzer und Lockwitzer Straße sowie deren Seitenstraßen in großem Umfang entstanden. Während längs der Eisenbahn 1945 größere Bombenschäden zu verzeichnen waren, blieben diese Wohnviertel glücklicherweise im wesentlichen erhalten. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde nördlich der Eisenbahnstrecke am Basteiplatz ein neues Schulgebäude für die Fachschule für künstlerischen Tanz erbaut. Diese weltbekannte Einrichtung entstand 1925, als Dresden mit M A R Y W I G M A N und G R E T P A L U C C A eine führende Rolle im Ausdruckstanz innehatte, wurde 1939 durch die Nazis geschlossen, 1945 wiedereröffnet. An der Winterbergstraße bzw. am Grunaer W e g ließen sich 1958 das damalige Institut für Reinststoffe der Akademie der Wissenschaften der D D R sowie 1965 der V E B Hochvakuum als nichtstörender Betrieb nieder. In dieser Zeit wurden landwirtschaftlich genutzte Flächen im O der Strehlener Flur an der Reicker Straße in Wahrung einer alten Tradition der Dresdner Gärtnereien der Gärtnerischen Produktionsgenossenschaft Floradres zugewiesen.

M 2 Reick war ursprünglich ein Rundplatzdorf mit Blockgewannflur. Die Gemarkung reichte von der Dohnaer Straße nach N bis über die Eisenbahnstrecke Dresden — Pirna hinaus. 1288 wird der Ort als Rykh (zu aso. ryk = Graben) erstmals erwähnt, als das Meißner Lorenzhospital hier ein Legat erhielt. 1318 erwarb das Kloster Altzella einige Felder und 1396 auch das Vorwerk. Seitdem unterstand Reick dem Altzellaer Hofemeister zu Leubnitz (s. N 6). 1550 ging das Dorf als Zubehör von Leubnitz an den Dresdner R a t über, der es mit Unter- und Obergericht seinem Leubnitzer A m t eingliederte. 1682 wird berichtet, daß die Bauern, zusammen mit denen von Strehlen und Prohlis, die Ackertage für Leubnitz verweigerten. Beim Bau der Bahnlinie Dresden —Pirna wurde 1846 in Reick eine Haltestelle errichtet, die aber 1857 eingezogen und erst 1906 für den Güterverkehr, 1907 für den Personenverkehr wieder eröffnet wurde. 1872 kaufte die Stadt Dresden in Reick 12 ha Land, um darauf 1878 — 81 ein Gaswerk mit Bahnanschluß zu errichten, dem seit 1923 die alleinige Gasversorgung der Großstadt oblag. E s wurde zunächst mit 2 Behältern zu je 30000 m 3 erbaut. Der große, von Stadtbaurat E R L W E I N gestaltete Gasometer entstand 1909 mit einem Glockendurch192

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messer von 62 m und einem Fassungsvermögen von 115000 m 3 . Ein 85 m hoher M 2 Scheibengasbehälter, eine deutsch-tschechoslowakische Gemeinschaftsarbeit, steht seit 1959. Das Werk war mit allen Einrichtungen für Zufuhr, mechanische und chemische Aufbereitung der Kohle, für Reinigung, Erzeugung von Steinkohlen- und Wassergas und Gewinnung von Nebenprodukten versehen und auch an die Ferngasversorgung angeschlossen. 1973 stellte das Gaswerk, das den Namen Joliot Curie trägt, nach mehr als 90 Jahren die Eigenerzeugung von Gas ein. Die Behälter werden für die Speicherung von Ferngas genutzt. Gleichzeitig entstand an der Gasanstaltstraße ein neues Fernheizwerk hauptsächlich für die Versorgung der südöstlichen Stadtgebiete. Die Höhe des weithin sichtbaren Schornsteins beträgt 220 m. 1909 wurde vor der Gasanstalt an der Eisenbahnlinie eine Radrennbahn angelegt; sie bestand bis 1939. Auf einer Großkundgebung am 19. 7. 1932 rief hier ERNST THÄLMANN z u r E i n h e i t s f r o n t g e g e n d e n F a s c h i s m u s a u f .

Die Gunst der Eisenbahnverbindung ließ zahlreiche Industrie Zugang zum Ort finden. Ein Fabrikbezirk bildete sich an der Mügelner Straße mit V E B Pentacon, V E B Stanzila, dem 1925 erbauten Straßenbahnhof und dem V E B Mikromat, dessen große Hallen seit 1952 entstanden und denen Bauten für Fertigung, Konstruktion und Verwaltung folgten. Außerdem entstand das Heizwerk für das Neubauviertel Dresden-Leuben (s. L 4 ) . Stadtwärts schließt sich der V E B Elektromat an. Ein zweiter Lager- und Produktionsbezirk besteht unmittelbar südlich vom Bahnhof Reick mit dem V E B Vereinigte Holzindustrie, der Bäuerlichen Handelsgenossenschaft, einem Betrieb für Schleifkörper des V E B Werkzeugmaschinenkombinat, dem V E B Kühlanlagenbau und einer Firma für Eisenbau. 1969 — 75 entstand an der Liebstädter Straße eine neue große Anlage für den V E B Autoreparatur werk. Zwischen 1925 und 1933 errichteten Baugenossenschaften ausgedehnte Wohnblocks an der Prohliser Straße und vor allem westlich der Tornaer Straße und südlich der Reicker Straße. Die Bombenangriffe 1945 zerstörten einen Teil der Wohnbauten; auch das Gaswerk und die Fabriken erlitten schwere Schäden. Leider hat auch die alte Dorfanlage, die bis dahin einer der am besten erhaltenen alten Dorf kerne in Dresden war, ihren geschlossenen Charakter verloren. Wiederholt fanden in Reick große landwirtschaftliche Tierausstellungen statt. 1956 eröffnete Dr. S T E U E R zwischen Bahnhof und Pferderennbahn eine Tierklinik mit Boxen für 40 Großtiere, die heutige Tierklinik des Bezirksinstituts für Veterinärwesen. Die erste Schule für Reick, die heute als Haus der Pioniere dient, war 1889/90 errichtet worden (Reicker Straße 89). 1927—29 folgte der Bau des großen Schulgebäudes Hülßestraße 16, das jetzt die 45. P O S Klement Gottwald sowie die E O S Bertolt Brecht beherbergt. Das Haus trägt als Wahrzeichen außer einer Sonnenuhr das Bild J O H A N N G E O R G P A L I T Z S C H S (S. M 4).

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M3

Torna, ein straßendorfartiger Bauernweiler zwischen Leubnitz-Neuostra, Reick, Prohlis und Nickern, gehörte im Mittelalter dem Klosterhof, nach der Reformation dem Dresdner Ratsamt Leubnitz (s. N 6). Neben den üblichen Diensten und Abgaben war Torna zum „ B e s t h a u p t " verpflichtet, das heißt beim Tod des Bauern mußte das beste Pferd, beim Tod der Bäuerin die beste K u h an die Leubnitzer Grundherrschaft abgegeben werden. 1493 schrieb man den Ortsnamen Tornaw, von aso. torn = Dorngesträuch. 1547 lagen alle 7 Hufen wüst; noch 1564 bestellten die Prohliser Bauern Felder in Torna. Infolge der Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges gab es 1642 nur noch 2 Bauern im Dorf. Die Straße A m Goldenen Stiefel ist nach der gleichnamigen Gaststätte über dem Dorf (Abb. 43) genannt. Ursprünglich galt die Bezeichnung einer Schuhmacherei und Einkehrstätte Alttorna 3. Neue Wohnstraßen mit Eigenheimen entstanden benachbart dazu mit Tornaer Ring und A m Dorngraben sowie weiter südwärts um die Kauschaer Straße. Der auf Tornaer Flur verbreitete Lößlehm ließ wie in Prohlis Ziegeleien entstehen.

M 4 Prohlis Das kleine Runddorf Prohlis und sein Vorwerk kamen schon frühzeitig in geistliche Hand. Wie in Reick erhielt das Meißner Lorenzhospital Zinsen im Ort. 1311 erwarb das Dresdner Brückenamt Gefälle in Proles (1288 Propos, zu aso. prolog = Aue, Wiesen- oder Buschland). 1313 schenkte die Markgräfin E L I S A B E T H ihre Güter dem Kloster Altzella für dessen Klosterhof zu Leubnitz. Als 1 3 1 5 Markgraf F R I E D R I C H Teile des Dorfes mit dem Vorwerk dem Dresdner

A b b . 43. Alttorna 2 194

Maternihospital übereignete, unterstand Prohlis schließlich 3 geistlichen Grund- M 4 herrschaften. Da nach dem großen Stadtbrand von 1491 das Brückenamt in Dresden dringend finanzielle Mittel für den Wiederaufbau der Kreuzkirche benötigte, löste Prohlis auf 10 Jahre seine Pflugdienste durch eine Geldzahlung ab. Mit der Übernahme des Leubnitzer Amtes durch den R a t zu Dresden kam ein großer Teil des Prohliser Besitzes 1550 an die Stadt. Wie die anderen Brückenamtsdörfer genossen die Bewohner bis Anfang des 19. Jh. Zollfreiheit auf der Dresdner Brücke. 1868 kaufte sich die Familie von Kap-her in Prohlis an und ließ 1887 das Schloß erbauen. Prohlis erlitt 1945 erhebliche Bombenschäden. Von den Gebäuden am alten Rundplatzdorf blieben zunächst auf der Westseite 3 Höfe erhalten, die der Neugestaltung weichen mußten. Auf dem Platz steht ein 1877 errichtetes Denkmal für J O H A N N G E O R G P A L I T Z S C H mit Himmelsglobus, Fernrohr, Zirkel und Winkelmesser. Im Gut der Familie Palitzsch in Altprohlis wurde P A L I T Z S C H am 11. 6. 1723 geboren (f 21. 2. 1788). Nach Übernahme des väterlichen i 1 / 2 -HufenGutes baute er als einer der ersten um Dresden die Kartoffel an. In seinen Mußestunden widmete er sich den Wissenschaften, besonders der Mathematik, Astronomie, Physik und Botanik sowie dem Latein. A m 25. 12. 1758 beobachtete er die Wiederkehr des Halleyschen Kometen und 1783 die Lichtveränderlichkeit des Fixsternes Algol im Sternbild des Perseus. E r stand mit F R I E D R I C H W I L H E L M H E R S C H E L , dem größten Astronomen seiner Zeit, und mit den Akademien zu Paris, London und Petersburg im Briefwechsel. Verdient machte sich P A L I T Z S C H auch durch die Einführung des Blitzableiters in Dresden. Ein größeres Wachstum hatte Prohlis zwischen 1926 und 1930 zu verzeichnen. 102 von der Firma Hönisch in Niedersedlitz gelieferte Holzhäuser bildeten eine Gartensiedlung südlich der Straße A m Anger beiderseits des Torweges. Die Gebäude fielen bis auf eins dem Luftangriff 1945 zum Opfer und wurden nach 1950 durch massive Eigenheime und Reihenhäuser ersetzt. Eingefaßt ist dieses Gelände von Wohnblocks an der Tornaer Straße und am Dohnaer Platz. Häusleranwesen säumten einseitig die Gamigstraße. Die alte Schule, Prohliser Straße 34, dient als Kindergarten. Eine Besonderheit der Prohliser Flur waren die zahlreichen Lehm- und Kiesgruben. Allein 6 davon entstanden an der Dohnaer Straße. Sie erbrachten reichlich urgeschichtliche Funde. Ein dunkel gefärbter Kulturhorizont, der die ehemaligen Siedlungen mit ihren Feuerstellen an der Erdoberfläche belegt, ist durch eine bis fast 2 m mächtige Schicht von Lößlehm überdeckt, der seit jener Zeit durch Bodenabspülung am Hang über dem alten Kulturhorizont zur Ablagerung kam. Die ehemalige Kiesgrube Dohnaer Straße 121 wurde zu einem 7 ha großen Naturpark ausgestaltet (reiche Pflanzenwelt mit Seerosen, Riesenbärenklau, Sal- und Korbweiden, die infolge des stark gesunkenen Grundwasserstandes Saugwurzeln entwickelt haben). Im Gelände der 1923 stillgelegten Ziegelei Dohnaer Straße 135 wurde ein Freibad angelegt. In Prohlis entstand im Fünfjahrplan 1976/80, Montagebeginn der ersten Wohnbauten war am 26. 2. 1976, ein Neubaugebiet mit rund 10000 Wohnungen für etwa 30000 Einwohner (Abb. 44). Das entspricht der Größenordnung von Mittelstädten wie Quedlinburg, Wittenberge oder Glauchau. Auf diesen Standort entfallen 50% der in diesem Fünfjahrplan in Dresden gebauten Wohnungen.

195

M

4

Geschoßhöhen d e r ^^ngebäude

[^¡Gesellschaftliche Einrichtungen ... F=Feierabendheim S= Schule K=Kindergarten,-krippe i«=»V= P Parkplatz "—Straßenbahn E 3 3 Altbauten ® Haltestelle C _ J Reservestandorte f. a 631 , wnsserflnrhp Kaufhaus u. Gaststätte W a s s e r T l a c h e

A b b . 4 4 . B e b a u u n g s p l a n Prohlis (nach U n t e r l a g e n des B ü r o s des S t a d t a r c h i t e k ten, Bearbeitungsstand 30. 1 1 . 1 9 7 9 )

196

Seine Fläche von 140 ha wird begrenzt von der Dohnaer Straße (F 172), von Gamig-, Prohliser, Reicker, Mügelner, Niedersedlitzer Straße und Langem Weg. Die Gestaltung dieses Wohngebietes repräsentiert nach Ansicht der Architekten und Städtebauer eine Etappe im Wiederaufbau Dresdens. Für die Ausweisung des Standorts sprachen die günstige Lage zu den Arbeitsstätten im südöstlichen Stadtgebiet, geeignete Bedingungen für einen leistungsfähigen öffentlichen Personenverkehr (S-Bahn, Straßenbahn, Omnibus), insbesondere auch mit schneller Erreichbarkeit des Stadtzentrums. E s sprachen ferner dafür günstige Bedingungen für die stadttechnische Primärerschließung sowie schließlich für die Naherholung durch Einbeziehung des Prohliser Bades, des Parks Prohlis sowie einer ausgedehnten stillgelegten Kiesgrube mit Wasserfläche und Baumbestand.

M4

Städtebauliche Struktur und Komposition werden bestimmt durch einen zusammenhängenden Zentrumsbereich mit Passagen und Plätzen, der der Hauptkommunikationslinie zwischen der Dohnaer Straße im S und der S-Bahn sowie Industrieflächen im N entspricht und in guter Erreichbarkeit zu den Teilkomplexen liegt. Sie werden ferner gekennzeichnet durch sechs-, zehn- und siebzehngeschossige Wohnbauten, letztere in Gruppen zusammengefaßt, mit den zugehörigen Kindereinrichtungen und Kaufhallen, durch die bereits erwähnte Zuordnung zu Erholungsflächen mit Freizeitzentrum sowie die Beziehungen zwischen Wohnbebauung und Landschaftsraum des Elbtals. Das Zentrum erhält seine spezifische Gestalt durch eine abgewinkelte Linienführung, differenzierte Raumfolgen, abwechslungsreiche Einordnung gesellschaftlicher Bauten, wie Kaufhallen, Mehrzwecksaal, Gaststätten, durch den Wohnbauten vorgelagerte Ladenfronten und Flachbauten sowie schließlich durch Grünanlagen und Alleen. Farbgebung der Bauten sowie die Gestaltung der Freiräume erhöhen die Wohnqualität. Die Flächen für den ruhenden Verkehr sind am Rande des Gebietes ausgewiesen, um Lärm- und Abgasbelästigungen der Bewohner zu vermeiden.

Nickern (s. Bd. 21, F i )

M5

1288 Nicur. 1360 Rittergut, 1622 und 1693 umgebaut; Glockenturm von 1870; Nutzung als Kulturhaus. V o m Dorf ein Vierseithof (Nr. 16) erhalten, sonst Häuslersiedlung (Altnickern und A m Geberbach). Veränderung der Sozialstruktur im 19. Jh. durch Zuzug von Händlern, Handwerkern und Arbeitern. Wohnkolonie Neu-Nickern (Langobardenstraße) mit Ein- und Zweifamilienhäusern seit etwa 1925. 1952 L P G , i960 G P G (Obstplantagen) gegründet.

Lockwitz (s. Bd. 21, F 3)

M6

1288 Lucawitz. Niederlockwitz ( = Großlockwitz) neben Rittergut (1349 eingerichtet) am Lockwitzbach, Oberlockwitz ( = Kleinlockwitz) im Bereich A m Galgenberg/Tögelstraße. Gutsarbeiterhäuser in Altlockwitz und an Maxener 14

Dresden

197

M 6

Straße. Herrenhaus (1867 Umbau) mit ursprünglicher Schloßkapelle, 1699 bis 1702 zur Gemeindekirche ausgebaut. Im 19. Jh. Industriearbeiterwohnort. Eigenheimzeile A m Galgenberg nach Eingemeindung 1930 zu umfangreicher Siedlung erweitert. Örtliche Industrie: Obstverarbeitung, Mühlen, chemische Industrie. Bodenreform 1946: 23 Neubauernstellen; 1952 LPG-Gründung.

M7

Kleinluga (s. Bd. 21, F 6) Rundweiler Lug (1378). Seit 1860 Ziegeleibetrieb, seit 1880 Zunahme der nichtbäuerlichen Bevölkerung, seit 1936 Bau von Stadtrandsiedlungen. Oberhalb des Ortes Ausflugsgaststätte Lugturm (s. Bd. 9, A 13).

M8

Großluga (s. Bd. 9, A 6) 1321 Luge. Rundweilerartiger Dorfkern (Lugaer Platz) nach N W zum Gasthof hin erweitert. >922 nach Niedersedlitz eingemeindet. Auf Lugaer Flur V E B Sächsischer Brücken- und Stahlhochbau und Hauptumspannwerk Dresden-Süd. 1953 Gründung L P G 1. Mai.

N/0

Der Süden Die Bebauung Dresdens ist nach N rascher und viel weiter vorangeschritten als nach S. Das lag in erster Linie an den fruchtbaren Böden im S, deren Preis für Bauland recht hoch war und außerdem von den Bauern nur ausnahmsweise in größeren zusammenhängenden Flächen preisgegeben wurde. So kommt es, daß man vom Hauptbahnhof nach wenigen Kilometern an der Kohlenstraße und der Südhöhe freies Land erreicht und eine Reihe kleinerer Dörfer, die heute zur Gemeinde Bannewitz gehören, noch weitgehend den dörflichen Charakter bewahrt hat. Der Südrand der Stadt gehört im weitesten Sinne bereits zu der südwärts ansteigenden Scholle des Erzgebirges, und zwar hier des nördlichsten Abschnitts, der bis zur Karsdorfer Verwerfung reicht. Sein Anstehendes ist allerdings im S von Dresden von der sanft nach N einfallenden kreidezeitlichen Platte aus Plänerkalken und Plänermergeln verdeckt, der tiefere Untergrund tritt nur in einem sehr kleinen Granit-Auf Schluß am Gamighübel südlich von LeubnitzNeuostra in 187 m ü. N N und im Engtal der Weißeritz im Plauenschen Grund zutage (s. O 3), wo unter dem Pläner der Syenodiorit aufgeschlossen ist und auch noch Teile der Rotliegendmulde von Freital übergreifen. Das Bild der Oberflächengestaltung ist reichlich kompliziert und unterscheidet sich auch in dieser Hinsicht von den einfachen Linien der Nordseite der Elbtalweitung. Offensichtlich überlagern sich zum Teil schwer deutbare Effekte früheren geologischen Geschehens. Da zeigt die Talanlage eine eigentümliche nordöstliche Richtung, die im Plauenschen Grund und im Kaitzbachtal fast in eine östliche übergeht, so daß man den Austritt der Weißeritz aus dem Gebirge in die Talweitung der Elbe gar nicht als Öffnung des Südhanges wahrnimmt und das 198

Kaitzbachtal die Südhöhe als einen west-östlich verlaufenden Riegel abgliedert. Eiszeitliche Wirkungen von Eisrandlagen in der Elsterkaltzeit könnten beteiligt sein, aber die dafür kennzeichnenden Schotter und Kiesmoränen befinden sich erst weiter südlich in Bannewitz und bei Dölzschen. Dort aber muß der Einschnitt der Weißeritz eindeutig älter sein als die elsterzeitlichen Ereignisse, so daß die Vermutung große Wahrscheinlichkeit besitzt, tektonische Ursachen, eine Kippung der Scholle gegen O in Verbindung mit der Anlage der Elbtalzone, müßten diese Besonderheit der Talanlage bedingt haben. Daß die Elsterkaltzeit, während der der Eisrand wenig weiter südlich lag, Schotter und Geschiebemergel hinterlassen hat, geht aus der geologischen Spezialkarte hervor, aber im Relief bilden diese Sedimente keine selbständigen Formen. Die Abtragung hat seither stark ausgleichend gewirkt, und überdies hat die Ablagerung einer Lößdecke, von der wir zumindest die Anteile aus der Weichselkaltzeit noch vorfinden, die Formen verhüllt. Vielfach ist der Löß stark verwittert, verlehmt, aber zum Teil auch umgelagert worden. Fast alle alten Straßen und Wege verlaufen wenigstens streckenweise in Lößhohlwegen; der Boden ist zwar fruchtbar aber auch schwer und nach Regen durch abrinnendes Wasser leicht zu transportieren. So ist das Relief meist ausgeglichen. In den kleinen Tälchen aber macht sich das Anschneiden des liegenden Pläners sofort in etwas steileren Hängen und markanteren Hangkanten bemerkbar.

N/O

Die Fruchtbarkeit des Bodens läßt die ackerbauliche Nutzung vorherrschen, die Besiedlungsgeschichte hat viele kleine Wohnplätze entstehen lassen, die in Stadtnähe seit dem vergangenen Jahrhundert in den Einflußbereich der Großstadt gelangt sind und mannigfache Formen des Ausbaus zeigen.

Zschertnitz,

N 1

seinem Namen nach eine sorbische Gründung, war bis 1569 nur Herrengut, das sich als markgräfliches Lehen und später als Erbgut im Besitz von Dresdner Bürgerfamilien befand. 1308 gehörte es einem Dresdner Ratsmann, der sich nach Scherschicz (aso. Leute eines Srsa o. ä.) nannte, 1408 der Familie Münzmeister, die als Pächter der Freiberger Münze großen Reichtum erworben hatte. Seit 1569 befand sich das Anwesen in der Hand des Kurfürsten A U G U S T , der bei der Gründung des Kammergutes Ostra (s. C 1) 4 Bauern und 4 Gärtner, die dort ihre Anwesen aufgeben mußten, in Zschertnitz ansiedelte. Die alte Zschertnitzer Flur reichte im O bis an die Caspar-David-FriedrichStraße, im S bis zur Südhöhe (190 m ü. NN), im W bis an den Räcknitzer Marktweg und im N bis an den Zelleschen W e g (135 m ü. NN). Der Lößboden zeigt an mehreren Stellen die charakteristischen Hohlwegbildungen. Die knappe Hälfte der nur 74 ha großen Gemarkung ging an die Lehmgruben zweier jetzt stillgelegter Ziegeleien verloren. Westlich der Münzmeisterstraße ist die gegen 10 ha große Lehmgrube der früheren Ziegelei Dammüller zu suchen, der späteren Stadtziegelei. Heute befinden sich hier die kleinen Wohnhäuser der Bibrachstraße — 1939 und 1940 von dem Dresdner Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerk erbaut. An der Stelle eines Lehrbauhofs und alter Gärten steht heute das Motel, vor ihm eine Nachbildung der Distanzsäule vom Wilischen Tor, deren Original 14*

199

N

1

auf C A N A L E T T O S Bild der Festungswerke Dresdens 1750 zu sehen ist. Zwischen Altzschertnitz, Münzmeisterstraße, Südhöhe und Caspar-David-FriedrichStraße lag die seit etwa 1880 betriebene Lehmgrube der früheren Vereinigten Dresdner Baugesellschaft mit etwa 20 ha Fläche. Seit Beginn der Enttrümmerung der Innenstadt hat man sie mit Bauschutt aufgefüllt. Mitte des 19. Jh. entstand an der Paradiesstraße als bekanntes Ausflugsziel der Paradiesgarten, im Volksmund Z bleibt Z genannt, ein beliebtes Tanzlokal. Durch Kriegsschäden unbrauchbar geworden, wurden 1978 die letzten Reste beseitigt. Noch 1923 befanden sich auf Zschertnitzer Flur nur wenige Gebäude: die Höfe des alten Gutsweilers, die Ziegelschuppen, 4 Häuser an der Paradiesstraße und einige Gärtnereien. U m 1938 entstanden moderne Einzelhäuser an den meist nach Künstlern benannten Nebenstraßen der Paradiesstraße, darunter Rungestraße 45 das Haus des Widerstandskämpfers R A I N E R F E T S C H E R , der am 8. 5. 1945 von SS-Leuten erschossen wurde (s. Seite 53). Nach 1970 entstand auf den Flächen des zerstörten Altzschertnitz und seinen aufgeschütteten alten Lehmgruben ein neuer Stadtteil (Bild 47) mit mehr als 2000 Wohnungen. Fünfgeschossige Wohnbauten werden von dominanten Gruppen siebzehnstöckiger Wohnhochhäuser an der Räcknitzhöhe beherrscht. Sie bilden in der Stadtsilhouette ein neues, bisher nicht vorhandenes Element, dem sich 5 fünfzehngeschossige Internatshäuser für Studenten an der Wundtstraße unterordnen. An der Einmündung der Paradiesstraße in die Räcknitzhöhe entstand nahe dem Berghof Zschertnitz ein neues Komplexzentrum mit Oberschulen, Kaufhalle und Dienstleistungseinrichtungen.

N 2 Räcknitz, am Südhang der Elbtalweitung in 135 bis 200 m Höhe zwischen Plauen und Zschertnitz gelegen, reicht mit seiner Flur im N bis an den Zelleschen Weg und in das Universitätsgelände hinein, im S bis auf die Südhöhe. In den Lehmgruben an der Grenze nach Plauen waren vom kreidezeitlichen Gesteinssockel Plänermergel aufgeschlossen. Über ihm folgen in ungleichmäßiger Verbreitung und Mächtigkeit eiszeitliche Vorstoßschotter und Geschiebemergel der Elsterkaltzeit, meist von einer nur wenige Meter mächtigen Decke verlehmten Lösses verhüllt.

Abb. 45. Denkmale: 1 Rietschel-Denkmal, Brühische Terrasse, von J. S C H I L 2 Moreau-Denkmal, Räcknitzhöhe, Entwurf von G. F. T H O R M E Y E R , Ausführung von C . G. K Ü H N ; 3 Klengel-Denkmal, Körnerweg, nördlich neben der Einfassung des Mordgrundbaches. Umschrift auf der Kugel : W O L F C A S P A R V O N K L E N G E L O B R I S T E R ; 4 Carl-Maria-von-Weber-Denkmal, neben dem Zwinger, von E. R I E T S C H E L ; 5 Gottfried-Semper-Denkmal, Brühische Terrasse, von LING;

J. SCHILLING

200

201

2 Räcknitz bestand im Mittelalter nur aus einem Herrengut, anfangs markgräfliches Lehen, das später zum Erbgut wurde (1305 Rekenicz = aso. Leute eines Rakon o. ä.). 1465 — 67 kaufte es der R a t zu Dresden zugleich mit dem an der Flurgrenze gelegenen Vorwerk Auswick (s. C 3) auf und teilte an 38 Dresdner Bürger Äcker gegen Erbzins aus. Den Hof und die verbleibenden Felder übernahm 1468 ein Bauer als Stadtzinsgut, heute Versuchsgut der Technischen Universität. 1764 erlangte die Gemeinde unter Berufung auf den ehemaligen Vorwerkscharakter Zollfreiheit für die Dresdner Brücke. Die Stadt Dresden setzte im Gebiet ihrer gerichtlichen Zuständigkeit mehrfach Weichbildsteine, die mit dem Stadtwappen und meist mit einer Jahreszahl bezeichnet sind, so- 1555, 1679 und 1729. Solche Steine haben sich besonders am Zelleschen Weg und in seiner Umgebung erhalten: am Stadtgut, am Räcknitzer Marktweg bei der Südhöhe und am ehemaligen Bienertschen Gut E c k e Räcknitzhöhe und Bergstraße. Einige solcher Weichbildsteine wurden im Westhof des Dresdner Rathauses aufgestellt. Auf dem Scheitelpunkt der Fernverkehrsstraße 170 nach Dippoldiswalde stand an der Südhöhe das frühere Einnehmerhaus, 1847 errichtet, um die Erhebung der damals fälligen staatlichen Chausseegebühren durchzuführen. Es wurde später Gasthaus, nach 1945 Schulungsstätte und war zuletzt Teil der landwirtschaftlichen Institute der Technischen Universität. A m Verbindungsweg Räcknitzhöhe — Südhöhe steht das Moreau-Denkmal (Abb. 45), entworfen von G O T T L O B F R I E D R I C H T H O R M E Y E R (1775 — 1842) und ausgeführt von C H R I S T I A N G O T T L I E B K Ü H N (1780—1828). Auf dem Granitwürfel steht: „ M O R E A U / D E R H E L D / F I E L H I E R A N D E R S E I T E / A L E X A N D E R S / D E N X X V I I . A U G U S T / M D C C C X I I I . " 3 Eichen, ein Hinweis auf die 3 Verbündeten von 1813, beschatten den Platz. J E A N - V I C T O R M O R E A U , Franzose und Gegner der Diktatur N A P O L E O N S , war erst 1813 in russische Dienste getreten und in dem Augustgefecht schwer verwundet worden. Im Gut des Bauern Palitzsch in Kleinpestitz (s. N 3) erhielt er den ersten Verband. E r starb am 2. 9. 1813 im böhmischen Laun an den Folgen der erlittenen Verletzung. Südlich vom Moreau-Denkmal steht die 1906 von W I L H E L M K R E I S geschaffene Bismarcksäule. Von ihrem Sockel hat man einen weiten Blick bis in das Elbsandsteingebirge, aber auch auf die Neubauviertel am Südrand der Stadt. Die Stadt Dresden errichtete beim Bau des Wasserwerkes in Tolkewitz (s. K 4) 1898 Hochbehälter in Räcknitz in 166 m Höhe. Zum Schutz der wasserwirtschaftlichen Anlagen wurden sie mit einer Parkanlage umgeben, dem Volkspark Räcknitz. Schon vor der Jahrhundertwende entstanden erste mehrgeschossige Wohnhäuser unterschiedlicher Stilformen an der westlichen Zeunerstraße, von wo die Bebauung in Richtung Mommsenstraße fortschritt, an der sich eine Reihe stattlicher Villen befand, die heute der Universität dienen. Diesem Villenviertel westlich der Bergstraße steht die einheitlich gestaltete Siedlung zwischen Haeckelund Stadtgutstraße gegenüber. Sie besteht aus Mehrfamilienhäusern, zum Teil auch Einfamilienhäusern mit Vor- und Hausgärten. 1980 begann die Erschließung eines neuen Wohnviertels zwischen Münzmeisterstraße, Südhöhe und Bergstraße. 202

Kleinpestitz Die Kleinpestitzer Flur zieht sich von der Höhe des Tonberges (200 m) nach dem Kaitzbachtal hin (160 m). Der kleine weilerartige Dorfkern liegt nur 400 m vom Dorfplatz in Mockritz entfernt. 1370 schrieb man Pestewicz (aso. Leute des Pest). Bis 1495 war der Wohnplatz auf 3 Bauernanwesen gewachsen, die 1620 der Bauer Palitzsch allein besaß; 6 Häuser hatte er mit Tagelöhnern besetzt. Im Dorfbild erhielten sich bis in die Gegenwart stattliche Toreinfahrten, teilweise mit Schlußsteinen, so Nr. 1 von 1777 mit springendem Pferd, Nr. 3 mit der Angabe „Erneuert H. H. 1946", Nr. 5 von 1776, das eigentliche Palitzschsche Gut, Schlußstein mit Pflugschar und gekreuzten Messern (Vorschneidemessern am Pflug, sogenannten Sechen). Zu Kleinpestitz gehört auch die Moreauschenke (Schlußstein J G L 1813; in der Gaststube Bilder der Schlacht bei Dresden, s. N 2). Ortserweiterungen erfolgten nach dem ersten Weltkrieg und nach 1945.

Kaitz

N4

Die Kaitzer Flur (Abb. 46) breitet sich im Grund und an den Hängen: von Boderitzer Wasser und Kaitzbach aus. Das Dorf, 1206 Kiz, wohl zu aso. chyz = Haus, Hütte, war ursprünglich ein Weiler mit Blockflur. 1473 hatte die Stadt Dresden f ü r i h r Rathaus auf dem Altmarkt Plänersteine in K a i t z brechen lassen. Ein Zweihufengut gelangte 1656 an den Hauptsalzkassen Verwalter M A R T I N L E H M A N N , der hier bereits ein Mühlengut besaß. A m Kaitzbach gab es außerdem 3 weitere Mühlen. 1667 überließ ihm der Kurfürst J O H A N N G E O R G I I . noch 4 Amtsuntertanen in K a i t z und auch das Schutzgeld für die Arbeiterwohnhäuser, die L E H M A N N für seine Tagelöhner an der Possendorfer Straße 27 bis 5 1 bauen ließ. So bildete sich in K a i t z ein Herrschaftsgut heraus, 1672 Erb- und Allodialgut, später Amtslehngut genannt. Seit 1670 durften die Kaitzer Bäcker an 3 Markttagen in Dresden Brot- und Mehlhandel treiben, ein Recht, das ihnen und den anderen zugelassenen Dörfern trotz vielfältiger Widerstände bis in das 19. Jh. hinein gewahrt blieb. A m Kaitzer Weinberg 12 steht im Garten der Gaststätte ein altes Winzerhaus, das mit seiner Inschrift von 1686 an der Wetterfahne auf die frühere Bedeutung des Weinbaus in K a i t z hinweist. Das Amtslehngut gehörte bis 1920 nicht zur Dorfgemeinde, sondern bildete einen selbständigen Gutsbezirk, der um 1900 mit 111 ha fast die ganze Kaitzer Dorfflur (113 ha) umfaßte. 1945 wurde das Gut im Zuge der demokratischen Bodenreform unter 12 Neubauern aufgeteilt. Am 12. Dezember 1952 gründeten 15 Bauern die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft Fortschritt, die sich später auf die Tierproduktion spezialisierte. Die Felder werden von der L P G (P) Vorgebirge Bannewitz bearbeitet. Wegen der großen Entfernung zur Leubnitzer Schule hielt schon 1736 ein Kaitzer Häusler eine Winkelschule im Dorf, die aber erst 1840 als Nebenschule anerkannt wurde (Schulstube Altkaitz 5, 1. Stock). 1844 baute die Gemeinde 203

Abb. 46. Flurplan von Kaitz 1835 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Mutterfeld Nautelfeld Langes Stück Mühlleite Mühlfeld Buschwiese Saure Wiese Grundwiese Vorderwiese Hopperand

11 12 13 14 15 16 17 18 ig 20

Am Busch Großes Stück Am Graben Boderitzer Stück An der Zschanke Berg Läuseberg Latz Am Leichen weg Wiesenfeld

21 22 23 24 25 26 27 28 29

Pfaffenstück Spitzwiese Am Weinberg Straßenberg Schmiedeberg Gräbenwiese Niedergarten Kirchberg Kleiner Berg

das erste Schulhans, Franzweg 4, das 1868, 1888 und 1906 erweitert wurde und heute die 71. POS Wilhelm Dieckmann beherbergt. Kaitz hat sich als vorstädtische Siedlung an zwei Stellen erweitert. Während die Tagelöhnerhäuser an der Possendorfer Straße durch Einbau von Geschäften und Gewerberäumen ein bescheidenes Zentrum bildeten, entstanden an der Boderitzer Straße mehrere Mehrfamilienhäuser und am Kaitzer Weinberg auch Eigenheime. Ehe die große Kehre der F 170, der Innsbrucker Straße, in den zwanziger Jahren des 20. Jh. angelegt wurde, querte die alte Straße nach Dippoldiswalde das 204

Kaitzbachtal in der Ortslage mit zwei gefährlichen Steilstrecken. Der Bergbau N 4 und der V E B Stadtreinigung haben Teile des Tales oberhalb von K a i t z zur Deponie von Abraum verwendet.

Mockritz

N 5

grenzt im N mit der Südhöhe an Zschertnitz, im W an Kleinpestitz (Römclienstraße, Kaitzbach) und Kaitz, im S raint es mit der Stadtgrenze an Bannewitz und mit dem Nöthnitzbach an Gostritz; im O springt die Flur über die Zschertnitzer Straße fast bis zur Teplitzer Straße vor. Das Gelände steigt von der Mulde des Kaitzbachtales in 140 m Höhe nach N auf 180 m, nach S bis 200 ni an. Der nach S gerichtete Hang ist etwas steiler und diente bis nach 1880 auch dem Weinbau. Kennzeichnend für den Lößboden ist der Hohlwegcharakter mancher alter Straßen, so von Teilen der Boderitzer, Babisnauer und Eigenheimstraße. Wie viele andere slawische Ortsgründungen und Dorfkerne im Dresdner Stadtgebiet weist Mockritz reiche archäologische Befunde auf. Der Ort hegt noch in der siedlungsgünstigen Lößlehmzone und nahe dem alten Verbindungsweg nach Böhmen. Größere Siedlungsreste — teilweise mit Hausgrundrissen — liegen vor vom Gebiet Julius-Scholtz-/Otto-Pilz-Straße, v o m Bereich des Bozener Weges bis zur Südhöhe und aus dem Raum zwischen der Boderitzer Straße und dem Kaitzbach. Die ältesten Spuren gehen bis ins 7. Jh., also kurz nach der slawischen Landnahme, zurück. Über die Wasserversorgung gibt schon der Ortsname Auskunft (1350 Mokerus, zu aso. mokry — naß, feucht). In dem platzartig angelegten Dorf stand in frühdeutscher Zeit, als es zum Burgward Pesterwitz gehörte, ein Herrengut. Bis auf einige neue Einbauten hat Altmockritz noch sein ländliches Gepräge bewahrt. Wir sehen Gehöfte mit Torbogen und Pforte (Altmockritz 12), Torpfeilern und Fachwerk (Altmockritz 1 und 8, Babisnauer Straße 1). Nr. 14 zeigt in den Schlußsteinen die Jahreszahlen 1783 und 1861, über den Stalltüren bescheidene Reliefs von Pferd und Rind. Die heutige Boderitzer Straße teilte die Flur in 2 Hälften mit verschiedener Gerichtsbarkeit. Der nördliche Teil umfaßte das 4 Hufen große Vorwerk, aus dessen Erträgnissen der Dresdner Bürgermeister B U S M A N N 1398 Mittel für die Kreuzkirche stiftete. Über die Kreuzkirche kam die Nordhälfte von Mockritz mit zusammen 5 Hufen an den R a t zu Dresden (Altstädter Religionsamt), der das Vorwerk auflöste und unter die Bauern verteilte. Der südliche Teil wurde 1481 von einem kurfürstlichen Obermarschall an den Dekan des Meißner Bistums abgetreten, der hier die Sammelstelle für seinen Garbenzehnten errichtete. Die Bauern aus dem Zehntbezirk des Dekans — aus Coschütz, Döhlen, Dölzschen, Kaitz, Löbtau, Mockritz, Räcknitz, Strehlen, Zschertnitz, aus der Stadt Dresden und einigen anderen Orten — mußten hierher Korn und Hafer in Garben liefern, die in 4 Mockritzer Scheunen aufgeschüttet und ausgedroschen wurden. Schon 1394 stand am Kaitzbach eine Mühle. Oberhalb davon ließ Kurfürst J O H A N N G E O R G I . den Münzteich anlegen. E r diente zur Verstärkung der Wasserkraft der Dresdner Münze am Schloß und besaß 3 Abflüsse: den Kaitzbach, den Mittleren Ständer und den Flutgraben. Seit 1646 nutzte die Stadt den Teich 205

N5

zur Fischzucht. Seit 1882 gewannen in ihm die Dresdner Eiswerke im Winter Eis, das in 3 gegen Wärme isolierten Scheunen aufbewahrt und im Sommer in Dresden verkauft wurde. Als um 1920 die Kristalleisherstellung aufkam, wurde der Münzteich 1925 zum Badeteich umgebaut und zu einem vielbesuchten Erholungsziel. E r erhält sein Wasser nicht mehr vom Kaitzbach, sondern nur durch die Tiefen Börner, Quellen mit einer gleichmäßigen Temperatur von 8 °C. Benachbart liegt der Internationale Auto-Campingplatz. Mockritz gehörte bis 1850 zu dem Rothäuser Jagdrevier, dessen Mittelpunkt das Rote Haus in Strehlen (s. M i ) war. Im W schloß sich das Plauener, im O das Blasewitzer Revier an. Zur Erleichterung des landesherrlichen Jagens im Gelände wurden Reitsteige, schmale Sandsteinplatten, und 2,5 m breite Jagdfahrbrücken mit niedriger Brüstung über die Gräben und Bäche gelegt. Dazu gehörten die Osterbrücke (Ostrabrücke) an der Zschertnitzer/Gostritzer Straße und die Brücke oberhalb des Bades. Um die Brücken im Feld leichter zu finden, errichtete man neben ihnen 2 hohe Säulen. Eine davon ist im Mockritzer B a d auf der Westseite nahe der Umzäunung noch erhalten. Sie stand früher außerhalb des Bades an der Brücke, stammt von 1751 und trägt zwischen den Kurschwertern die Nummer 61. Im 19. Jh. blieb Mockritz ohne Fabriken. Für die Arbeitskräfte der Ziegeleien und Lehmgruben von Zschertnitz und Gostritz entstanden um 1890 die ersten Wohnhäuser außerhalb des alten Dorfes (Südhöhe, östliche Münzmeisterstraße). Die weitere Entwicklung der Besiedlung spiegelt sich in der Bauart der Häuser wider: An der Münzmeisterstraße und zwischen Badeteich und Boderitzer Straße entstanden zwischen 1900 und 1914 Mietshäuser, an der Welschhufer und Rippiener Straße, am Bozener Weg und nach Kleinpestitz zu wurden vor allem Kleinhäuser in den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg gebaut. Die neuen Straßen zwischen Mockritz und dem benachbarten Kleinpestitz tragen zum Teil die Namen mittelalterlicher Dresdner Ratsgeschlechter, die im Leben der Stadt und ihrer Umgebung eine bedeutungsvolle wirtschaftliche und politische Rolle gespielt haben: Berner-, Isfried-, Ziegler-, Römchen-, Tirmann-, Bibrach- und Münzmeisterstraße. Die Straßen nach Strehlen zu sind nach Kunstmalern benannt. Mockritz erhielt nach der Zerstörung der Wohngebiete der Stadt 1945 starken Zuzug. Die Mockritzer Kinder besuchten die Leubnitzer Kirchschule bis 1892. Der Schulverband Mockritz, Kleinpestitz, Zschertnitz und Räcknitz baute auf Mockritzer Flur die Schule Südhöhe 31, die heutige 70. POS. Sie stand anfangs mit ganz wenigen Gebäuden allein auf der Höhe, weil sie möglichst gleichweit von den einzelnen Dörfern entfernt liegen sollte. 1922/23 wurden zwei Flügel angebaut.

N 6 Leubnitz-Neuostra

Die markante Lage des Doppelortes und die große Bedeutung, die Leubnitz über Jahrhunderte mit seinem Klosterhof innehatte, haben die Vermutung entstehen lassen, daß hier ein alter Burgwardmittelpunkt gelegen habe. Dafür gibt es jedoch keinen Nachweis. Dagegen ist der gegenüberliegende Hang des 206

Fuchsberges spätestens vom n . J h . an besiedelt; infolge seiner Lage können dort auch ehemalige Befestigungsreste vermutet werden, und es besteht Grund zu der Annahme eines befestigten Sitzes spätestens um 1200. Das Dorf Leubnitz ist nach Ausweis umfangreicher Funde zweifellos eine slawische Gründung.

Flur Leubnitz ] Flur Neuostra 37E

rn

Abb. 47. Flurplan von Leubnitz-Neuostra 1835 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Im tollen Graben In der Zunge Heiliger Brunnen Kuhberge Schlemmen Am Gamlghübel Peinliches Gericht Am Kreuzstein An den hohen Rändern Hinter der Kirche Pfarrfeld

12 13 14 15 16 17 18 ig

Pfaffenberge Am Dorngraben Wiesen bei Reick Sauerwiesen Kraut wiesen Schmalwiesen Krautwiesen Gerstgärten

23 24 25 26

Am Röhr weg Weidicht An den hohen Rainen Sperrwinkel

20 Strehlener Wiesen 2 t Im Boden 22 Am Rasen weg

207

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L e u b n i t z - N e u o s t r a besteht aus 2 verschieden alten Ortskernen (Abb. 47), d e m älteren L e u b n i t z (1227 Lubanitz = aso. L e u t e des L u b a n , s. L 4) und d e m jüngeren Neuostra. D i e frühesten geschichtlichen Zeugnisse nennen die Herren v o n S c h ö n b u r g als Besitzer v o n L e u b n i t z , einem z u m Gassendorf erweiterten Rundweiler. 1233 überließen sie L e u b n i t z dem K l o s t e r Geringswalde. Ü b e r den M a r k g r a f e n HEINRICH DEN ERLAUCHTEN und seine F r a u ELISABETH VON MALTITZ gelangte das Dorf s a m t V o r w e r k , K i r c h e und B l u t g e r i c h t 1288 an das K l o s t e r A l t z e l l a bei Nossen, das das H e r r e n g u t z u m Klosterhof u m w a n d e l t e und den B e s i t z zu einer G r o ß w i r t s c h a f t erweiterte. A m A u s g a n g des Mittelalters unterstanden d e m Klosterhof a u c h Goppeln, Gostritz, R e i c k , Strehlen, T o r n a , K r e b s bei P i r n a und Einzelbesitz oder R e c h t e in G o m p i t z , K a u s c h a , Prohlis, K l e i n z s c h a c h w i t z und anderen Orten. D a s K l o s t e r beließ i m allgemeinen die D ö r f e r in ihrer alten W i r t s c h a f t s v e r f a s s u n g , nur in L e u b n i t z , T o r n a und Strehlen bildete es eine eigene K l o s t e r h o f f l u r v o n ungefähr 130 h a . D e r K l o s t e r hof b e s c h ä f t i g t e nur wenige K n e c h t e und M ä g d e und ließ die A r b e i t e n in H a u s u n d F e l d vorwiegend i m Frondienst der untertänigen B a u e r n ausführen. D i e Erträgnisse w u r d e n z u m größten Teil über den Zelleschen W e g n a c h A l t z e l l a geschafft. D i e S t r a ß e A l t l e u b n i t z zeigt a u c h in der G e g e n w a r t noch viele dörfliche Züge, G u t s h ö f e m i t T o r und P f o r t e (Nr. 1 1 , 3 1 , 3 8 ) und F a c h w e r k (Nr. 9) sowie Häusleranwesen. I m Oberdorf ist die S t r a ß e teilweise hohlwegartig in den Geschiebelehm eingeschnitten. A m D o r f e i n g a n g steht der alte Pfarrhof (Nr. 1) aus dem 16. Jh. (im W e s t t e i l des Erdgeschosses gotisches Gewölbe, R u n d b o g e n t ü r m i t Sitzplätzen, i m H o f heute funktionsloser W a s s e r t r o g der alten R ö h r f a h r t aus d e m Heiligen Grund). Gegenüber der P f a r r e finden w i r die D o r f s c h m i e d e (Nr. 2) v o n 1 7 1 7 m i t B e s i t z e r n a m e n u n d 2 Ziegenböcken im Schlußstein sowie mit Beschlagschuppen, in N r . 14 die ehemalige Mühle. D e r K l o s t e r h o f oder D a s Steinerne H a u s , A l t l e u b n i t z 12, s t a n d auf einem Teil des alten Klosterhofes. E r n a h m m i t seinem großen Ochsenstall und anderen W i r t s c h a f t s g e b ä u d e n das Gelände zwischen L e u b n i t z b a c h und N e u o s t r a ein, durch das der W e g A m Klosterhof führt. B e i der Säkularisierung n a c h E i n f ü h r u n g der R e f o r m a t i o n überließ 1550 K u r f ü r s t MORITZ d a s K l o s t e r a m t L e u b n i t z d e m R a t zu Dresden als E n t s c h ä d i g u n g f ü r dessen A u f w e n d u n g e n beim Dresdner F e s t u n g s b a u . D a m i t w u r d e die S t a d t L e h n - und Gerichtsherr über den Klosterhof u n d die ihm Untertanen Dörfer, die b a l d das L e u b n i t z e r A m t bildeten. Einzelne S t ü c k e des B e s i t z e s w u r d e n an B a u e r n abgegeben, die auf der Westseite des K l o s t e r g a r t e n s neue H o f s t ä t t e n anlegten, der A n f a n g des späteren Neuostras. I m nicht m e h r v o r h a n d e n e n Steinernen H a u s richtete der Dresdner R a t eine S c h e n k e f ü r Dresdner B i e r ein u n d ließ 1572 das Dresdner W a p p e n einmauern. A l s K u r f ü r s t AUGUST 1568 das O s t r a v o r w e r k (s. C 1) anlegte u n d die dortigen B a u e r n ihren B e s i t z verloren, entschädigte er sie m i t den bereits veräußerten K l o s t e r h o f f e l d e r n ( A b b . 47), die er wieder z u r ü c k k a u f t e . D e r K u r f ü r s t siedelte den D o r f r i c h t e r GEORG FEHRMANN m i t 12 anderen B a u e r n und Gartennahrungsbesitzern auf diesen Stellen und auf einigen neuen H o f s t ä t t e n auf der W e s t s e i t e der S t r a ß e an. Parallel zur D o r f s t r a ß e v o n L e u b n i t z entstanden 1569 in gassenartiger A n o r d n u n g die N e u e n V o r w e r k s g ü t e r als unabhängiges Dorf, d a s 208

bald N e u o s t r a genannt wurde. Die breite, zum Teil baumbestandene Straße Neuostra zeigt in ihrem unteren Teil die planmäßig angelegten großen Güter in geschlossener Reihe, am Anfang — Ecke Spitzwegstraße — den alten Dorfgasthof, jetzt V E B Polstermöbel Variant. Erst mit der Übernahme der Gerichtsbarkeit durch den Staat am 1. 10. 1851 fand das Leubnitzer Ratsamt nach fast dreihundertjährigem Bestehen sein Ende. Leubnitz und Neuostra kamen unter staatliche Verwaltung, nach 1875 unter die Amtshauptmannschaft Dresden (-Altstadt). 1898 vereinigten sich beide Dörfer zu dem Ort Leubnitz-Neuostra. Die Doppelgemeinde bewahrte noch lange ihr dörfliches Gepräge und blieb bis zum ersten Weltkrieg im wesentlichen auf die nächste Umgebung von Altleubnitz und Neuostra beschränkt. Nach der Inflation entstand die Eigenheimsiedlung an den Hängen nach Torna auf den alten Pfaffenbergen. U m 1930 wurde das Gelände am Fuchsberg zwischen Heiligem Grund und Friebelstraße mit Kleinhäusern bebaut, um 1935 die Leubnitzer Höhe und die Robert-Sterl-Straße, wo auf verbliebenen Freiflächen 1978—80 Wohnblocks entstanden. Nach Ausbau der Fernverkehrsstraße 172, der Dohnaer Straße, bildeten sich auch dort neue Wohngebiete aus. Außer Betriebsteilen des V E B Apogepha in der früheren Chemischen Fabrik Dr. Klopfer und im Dreiseithof Altleubnitz 39 sowie der neuen Schweinemästerei am Platz einer alten Ziegelei fehlen größere Wirtschaftsuntemehmen. Leubnitz besitzt eine der schönsten Dorfkirchen der Dresdner Gegend. Sie ist im Äußeren mit Ausnahme des wehrhaften Turmes mehrfach verändert worden. 1318 kam die Pfarrkirche an das Kloster Altzella. Turm, Schiff und Sakristei stammen aus der ersten Hälfte des 15. Jh., der Chor ist von 1511. Die Kassettendecke im Inneren (Bild 36) wurde 1671 und 1672 von GOTTFRIED LUCAS mit biblischen Szenen bemalt. Von ihm stammt auch die Bemalung an den Emporen der Südseite und an der oberen Nordseite. Der reiche Säulenaltar von 1731 ist ein Werk von J O H A N N B E R N H A R D T R E I N B O T H und J O H A N N C H R I S T I A N E B H A R D T . Nach Leubnitz waren 15 Dörfer eingepfarrt: Eutschütz, Gaustritz, Golberode, Goppeln, Gostritz, Kaitz, Kauscha, Leubnitz, Neuostra, Räcknitz, Prohlis, Reick, Rosentitz, Sobrigau und Torna, bis 1623 auch Lockwitz und Nickern, seit 1855 auch Mockritz. Auf dem Friedhof steht der Gedenkstein für J O H A N N G E O R G P A L I T Z S C H (S. M 4), den Bauernastronomen. Die Leubnitzer Schule, schon 1575 bezeugt, war damals die einzige in der ganzen Kirchfahrt. 1868 wurde die Schule Menzelgasse 2 (heute als Wohnhaus und Kirchgemeindesaal genutzt) und 1907 eine neue am Eingang zum Heiligen Born, die heutige 68. POS, eingeweiht. Zwischen den Straßen nach Goppeln und Gostritz zieht sich das Tälchen des Heiligen Borns hin, das untere Ende mehrerer, weiter südlich gelegener Trockengräben, so des Britschen-, Keul- und Zauchgrabens. E t w a 300 m vor dem Eingang in das Tal liegt in 150 m ü. N N ein 1835 errichtetes Brunnenhaus. Ob der Brunnen, an den sich mancherlei Sagen heften (Quellennixe, Nonnenbad, Osterwasser), als kultischer Mittelpunkt bis in frühgeschichtliche Zeiten zurückreicht, ist nicht nachgewiesen. Das Quellwasser, das auch im Winter nicht einfriert, wurde wahrscheinlich schon 1516 v o m Klosterhof genutzt. 1 5 5 1 — 5 5 ließ eine Dresdner Gewerkschaft, der neben Bürgern und Hofbeamten der 209

N6

N 6 K u r f ü r s t angehörte, das W a s s e r in hölzernen Doppelröhren n a c h Dresden leiten, w o es beispielsweise B r u n n e n im Schloßhof und später bis 1939 die Pferdes c h w e m m e im Stallhof speiste. 1875 ersetzte m a n die Holzröhren d u r c h gußeiserne Rohre. D i e Quelle g i b t in der Minute i m Mittel (1966—80) 2 1 1 ab. A m A b z w e i g der K a u s c h a e r S t r a ß e v o n der Goppelner S t r a ß e stand in alter Zeit der L e u b n i t z e r Galgen, noch bei OBERREIT (1821) als Gerichtsplatz bezeichnet. Reichlich 100 m vorher sehen w i r a m Ostrand des H o h l w e g e s v o n A l t l e u b n i t z ein Steinkreuz. D a r ü b e r ist überliefert: 1525 erschlug der WENZEL HANTSCH a u s G o p p e l n d e n B a u e r n

BERNHARD W Y G A N D T a u s d e m

gleichen

Dorf. A u f g r u n d einer zu L i c h t m e ß (2. 2.) 1525 im Herrenhaus des K l o s t e r h o f e s erfolgten V e r h a n d l u n g m u ß t e der T ä t e r 23 S c h o c k 8 Groschen B u ß e zahlen und das Steinkreuz setzen.

N 7 Gostritz D i e F l u r steigt aus dem T ä l c h e n des N ö t h n i t z b a c h e s und des Heiligen B o r n s v o n 150 m a m F u c h s b e r g auf 180 m, n a c h N ö t h n i t z zu auf 200 m an. I m W d u r c h f l i e ß t der schmale N ö t h n i t z b a c h an der Grenze gegen M o c k r i t z ein d e m V e r k e h r nicht erschlossenes T a l m i t . K o r b w e i d e n , E r l e n und B l a u f i c h t e n . D e r Ortskern, ein Gassendorf, w u r d e 1378 als Gosterticz (aso. L e u t e des Gostirad) bezeichnet. E s gehörte den B u r g g r a f e n v o n D o h n a bis 1402, d a n a c h verschiedenen Adelsfamilien. F r ü h z e i t i g h a t t e der den A l t z e l l a e r Mönchen gehörende K l o s t e r hof zu L e u b n i t z (s. N 6) B e s i t z in Gostritz erworben (1399, 1404), den er weiter vermehrte, so d a ß a m E n d e des Mittelalters das Dorf wirtschaftlich, politisch und kirchlich in seiner H a n d war. N a c h A u f l ö s u n g des K l o s t e r s A l t z e l l a im Jahre 1540 k a m Gostritz m i t den anderen D ö r f e r n des L e u b n i t z e r A m t e s an den K u r f ü r s t e n , der es 1550 an den R a t zu Dresden a b t r a t . I n A l t g o s t r i t z h a t sich die geschlossene F r o n t der B a u e r n h ö f e erhalten, in die mächtige, teilweise ü b e r w ö l b t e H o f t o r e führen (Altgostritz 8, Friebelstraße 80). Sie lockert sich n a c h der H ö h e zu auf und s e t z t sich an der Friebelstraße mit G a r t e n b a u b e t r i e b e n fort, meist B a u m - u n d Rosenschulen ( V E G S a a t z u c h t Zierpflanzen, G P G Floradres). A m A n w e s e n R o s e n t i t z e r S t r a ß e 18 zeigt der T o r b o g e n ein springendes P f e r d in barocker U m r a h m u n g . Die P f o r t e m i t Besitzerinitialen s t a m m t v o n 1755. Ausschließlich W o h n h ä u s e r säumen in lockerer B a u w e i s e auf h ä n g i g e m Gelände die Gostritzer Straße, w o a n der F l u r grenze gegen L e u b n i t z zu die großen G e b ä u d e eines Betriebsteils des V E B Vereinigte Ziegelwerke auffallen.

N 8 Nöthnitz,

Ortsteil von

Bannewitz,

Kreis Freital

Jenseits der Dresdner Stadtgrenze ist das agrarische G e p r ä g e der D ö r f e r auf der l ö ß b e d e c k t e n A b d a c h u n g v o n der Goldenen H ö h e her erhalten geblieben. W i r beschreiben hier einige Ortsteile v o n B a n n e w i t z , die bis auf Cunnersdorf schon 1922 eingemeindet w u r d e n und noch nicht in B d . 21 A u f n a h m e fanden. 210

N 8 Nöthnitz, auf der Westseite des Nöthnitzbaches gelegen, erscheint zum ersten Mal 1378 im Zinsregister des Markgrafen von Meißen als Netenicz bzw. Notelicz (wohl nach einem aso. Personennamen). 1453 überließ der Meißner Bischof die Lehnsrechte am Dorf dem Kurfürsten. Grundherren von Nöthnitz, seit dem 17. Jh. zugleich von Rosentitz, waren — nach vielen anderen Familien — die Bünaus. 1740 ließ Graf H E I N R I C H V O N B Ü N A U , Staatsmann und Geschichtsforscher, seine große Bibliothek nach Schloß Nöthnitz bringen, wo sie von dem Bibliothekar J O H A N N M I C H A E L F R A N C K E verwaltet wurde, der später durch sein Katalogsystem im Bibliothekswesen Bedeutung erlangte. Seit 1748 arbeitete auch J O H A N N J O A C H I M W I N C K E L M A N N (1717 — 68) 6 Jahre lang in dieser Bibliothek, der sich 1755 — 68 in Italien aufhielt und als Begründer der neueren archäologischen Wissenschaft gilt. Während des Siebenjährigen Krieges erlitt das Schloß Nöthnitz schwere Schäden. Nach dem Krieg verkaufte B Ü N A U seine Bibliothek für 40000 Taler an den Kurfürsten. 1769 wurden die 42000 Bände nach Dresden gebracht und in der kurfürstlichen Bibliothek im Zwinger aufgestellt, die damals 70000 Bände zählte. Sie sind heute noch ein wertvoller Bestandteil der Sächsischen Landesbibliothek. Das Schloß besteht aus einem Mittelbau und 2 Seitenflügeln, stammt aus der Renaissancezeit, ist aber mehrfach umgebaut worden. Das Innere hat sich i m r zum Teil erhalten. Die Wendeltreppe zeigt unter dem steinernen Handlauf Delfter Kacheln aus dem 17. Jh. mit landschaftlichen und militärischen Darstellungen, das Erdgeschoß ein Kreuzgewölbe. Heute befindet sich im Schloß eine Ingenieurschule für Zierpflanzenwirtschaft. In den Kriegswirren von 1813 brannten 6 von 25 Häusern in Nöthnitz nieder. Während der Schlacht bei Dresden war das Schloß am 25. und 26. 8. Hauptquartier des russischen Kaisers A L E X A N D E R und des Fürsten S C H W A R Z E N BERG.

1837 wurden die Frondienste der Nöthnitzer Bauern abgelöst. Das Rittergut mit 246 ha Land blieb bis zum ersten Weltkrieg selbständiger Gutsbezirk. 1900 zählte Nöthnitz in 35 Häusern 586 Einwohner, dazu 72 im Rittergut. Kirchlich und schulisch gehörte die Gemeinde nach Leubnitz. Seit 1852 gingen die Nöthnitzer Kinder in die Schule zu Kaitz, heute werden sie in Bannewitz unterrichtet.

Rosentitz, Ortsteil von Bannewitz, Kreis Freital,

N 9

1288 als Rosentitz (aso. Leute des Grozneta), 1539 als Rostitz belegt, ein kleiner Rundweiler mit einem Rittergut, einer blockförmig aufgeteilten Flur in 200 bis 250 m Höhe auf Lößboden, hatte bis zum 18. Jh. nachweislich 5 Familien bzw. Feuerstätten und zählte 1900 nur 96 Einwohner in 9 Häusern. Seit dem 17. Jh. war es Pertinenz ( = Zubehör) von Nöthnitz, war bis 1670 in die Frauenkirche, seitdem nach Leubnitz eingepfarrt. Seine jüngere Geschichte entspricht damit der von Nöthnitz (s. N 8 ) . Aus der älteren Geschichte ist bekannt, daß das 211

N 9 Dresdner Maternihospital das Vorwerk zu Rosentitz besaß. 1329 trat das Seußlitzer Klarissinnenkloster das Hospital und damit auch das Vorwerk an den Rat zu Dresden ab (s. A).

N 10 Boderitz, Ortsteil von Bannewitz, Kreis Freital, das 1350 als Podebrese (aso. Ort beim Birkenhain), 1400 als Bodebriß genannt wird, ist ein altes Rundplatzdorf mit Blockflur, die auf Lößlehm steht, während sich der Dorfplatz selbst bereits auf dem cenomanen Quader befindet, aus dem sich auch der Horkenberg aufbaut. Das Boderitzer Wasser hat sich teilweise mit scharfer Kerbe in den cenomanen und unterturonen Pläner eingetieft. Die Lehnshoheit über die Bewohner stand im Mittelalter dem Bischof in Meißen zu. Das Dorf, früher in die Kreuz- bzw. Frauenkirche eingepfarrt, gehört kirchlich zu Bannewitz. Dorthin gehen auch die Kinder seit dem Anfang des 19. Jh. zur Schule.

N 11 Cunnersdorf, Ortsteil von Bannewitz, Kreis Freital, liegt am Fuß des Horkenberges 200—300 m ü. NN. Die geologische Zusammensetzung seiner Flur erklärt, warum sie sowohl Acker- als auch altes Bergbaugebiet ist. Wir finden das Rotliegende vor, oberflächlich mit bunten Schieferletten und Breccientuffen, in der Tiefe mit Steinkohlenflözen, ferner die Schichten der Oberen Kreide mit dem Plänersandstein und Labiatuspläner sowie als Decke weit verbreitet den Lößlehm. Während die Lößlandschaft schon in urgeschichtlicher Zeit dem Ackerbau diente, waren die Gebiete auf dem Rotliegenden bis in das 12. Jh. hinein Waldland. Cunnersdorf, 1299 zuerst als Cunratesdorf (Dorf eines Konrad) erwähnt, ist von deutschen Siedlern gegründet worden und gehört damit zu den Dresden am nächsten gelegenen Dörfern, in denen im Mittelalter der Wald gerodet wurde. Daher hebt sich auch der deutsche Ortsname deutlich von den Namen der sorbischen Dörfer (s. N 8, 9, 10) der Umgebung ab. Das hoch gelegene, weithin sichtbare ehemalige Rittergut umfaßte Ende des 18. J h . 100 ha. Neben ihm gab es nur Gartennahrungsbesitzer und Häusler, keine Bauern im Dorf. Ältere Beschreibungen bringen Abbildungen von einer am Herrenhaus eingemauerten Kreuzigungsszene und des Wappens über dem Torbogen. Cunnersdorf gehörte in alter Zeit zur Frauenkirche und wurde 1674 nach Plauen eingepfarrt. Dort besuchten die Kinder auch die Schule. Von 1786 bis 1804 führte die Gemeinde unter dem damaligen Gutsherrn einen hartnäckigen Rechtsstreit mit Plauen wegen der Kostenbeteiligung am Umbau der Plauener Schule. Um die Mitte des 19. Jh. gingen die Kinder nach Bannewitz in die Schule, 1861 baute die Gemeinde ein eigenes Schulhaus. Charakteristisch ist die Entwicklung der Einwohnerzahlen. Noch 1846 gab es 212

108 Einwohner in 12 Häusern, aber igoo bereits 57 Häuser mit 586 Einwohnern N (ohne Rittergut). Der Einfluß des Freitaler Bergbaus hatte sich bemerkbar gemacht. Die Eingemeindung nach Bannewitz erfolgte 1950.

Plauen

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Die 207 ha große Flur Plauens ist heute völlig bebaut. Sie erstreckt sich von der Weißeritz bis an das Ende des Plauenschen Rings, von der Bamberger Straße bis an die Kohlenstraße und steigt von 120 m auf 210 m ü. N N an. Altplauen war ein Sackgassendorf. Es wird erstmalig 1206 durch einen Johannes, der sich nach Plawen (zu aso. ptaviti = schwemmen, flößen, also Leute, Dorf an der Flöße) nannte, belegt und gehörte 1315 als Besitz des Maternihospitals unter das Klarissinnenkloster Seußlitz, das 1329 das Hospital an die Stadt Dresden abtrat (s. A). Somit wurde auch Plauen mit Erbgerichten und Kirchenpatronat dem Dresdner R a t unterstellt. Ein Weichbildstein steht Kaitzer Straße/Ecke Bamberger Straße. 1541 legte der kurfürstliche Festungsbaumeister C A S P A R V O I G T V O N W I E R A N D T eine Röhrwasserleitung von Plauen bis zum Dresdner Schloß (s. N 6) und zur Apotheke auf dem Altmarkt. Der alte Wasserfang im Garten des Werkes 1 des V E B Mühlen werke ist noch erhalten. Bis 1755 entstanden 25 solcher Röhrfahrten, die bis 1888 benutzt wurden. Als Dresden 1760 zerstört worden war (s. A), suchten viele Obdachlose in Plauen Zuflucht, das damals 39 Ansässige zählte; Krankheiten brachen aus, so daß 1 1 1 Personen starben. Die Bauern Plauens mußten 1761 täglich 50 Fuhren für die Enttrümmerung Dresdens ausführen. 1828 begann die Ablösung der mannigfachen bäuerlichen Lasten. F ü r 17 5/6 Ackertage im Kammergut Ostra waren 15 Taler, für die Getreidelieferungen an das Maternihospital 140 Taler im Jahr zu zahlen. Die Regierung ließ nur zögernd die Ansiedlung von Handwerkern zu, und noch 1839 mußten die sogenannten Dresdner Semmelweiber ihre Ware nach Plauen tragen, weil Dorfbäcker kein Weißbrot backen durften. 1845 wurde die damalige Chemnitzer Straße, heute F.-C.-Weiskopf-Straße, zur Chaussee ausgebaut und am Ende der Nöthnitzer Straße ein Chausseehaus errichtet. Seitdem der Döhlener Pfarrer M A R T I N K Ü N Z E L M A N N (s. Bd. 21, C 3.2) im 16. Jh. den Obstbau im Plauenschen Grund angeregt hatte, standen in Plauen ganze Alleen und Wäldchen von B i m - und Kirschbäumen, zur Zeit der Baumblüte ein beliebtes Ausflugsziel der Dresdner. Als 1855 erstmals die Albertbahn durch den Plauenschen Grund fuhr, befand sich der Bahnhof Plauen noch oberhalb der Forsthausbrücke neben der Felsenkellerbrauerei und wurde erst 1923 — 26 an seinen jetzigen Platz zwischen die Gebäude des heutigen V E B Mühlenwerke Dresden verlegt. Schon 1366 stand in Plauen eine Mahlmühle, 1541 errichteten die Dresdner Tuchmacher eine Walkmühle unterhalb der Hofmühlenbrücke. Kurfürst A U G U S T kaufte sie bei der Gründung des Ostravorwerkes, ließ sie abbrechen und als Mahlmühle mit 16 Mahlgängen 1571 wieder aufbauen. A n diese erste Hofmühle erinnert noch das kurfürstliche Doppelwappen in der Hofwand des heutigen Gebäudes und das Wappenschild des ersten Mühlmeisters Z A C H A R I A S 15

Dresden

213

O i

von 1570 (Engel im Giebel). Der Kurfürst führte den Mahlzwang ein, der 1569 schon 32, 1661 aber 66 Dörfer umfaßte, sogar solche im Radebeuler Gebiet (s. Bd. 22, P 1.1). Nach Aufhebung des Mahlzwanges 1841 beschäftigte die Hofmühle nur noch 8 Leute. Sie war verwahrlost und verfallen, als sie der Eschdorfer Müller T R A U G O T T B I E N E R T (S. Bd. 27, O 6) 1852 pachtete. E r führte in der Mahlmühle wie in der Ölpresse technische Neuerungen ein und kaufte die Mühle 1872. Der folgende Aufschwung kam auch dem Ort zugute, als B I E N E R T 1874 eine Gasanstalt, 1876 eine Wasserleitung und 1883 eine Kinderbewahranstalt bauen ließ. Seine Söhne erweiterten den Großbetrieb, der längst von der ursprünglichen Wasserkraft zur Dampfkraft übergegangen war, durch den Neubau einer Mühle am Dresdner Elbhafen (s. C 1). An Industrieunternehmen entstanden in Plauen außerdem 2 Brauereien (Zum Felsenkeller 1857 und Zum Lagerkeller 1872, jetzt V E B Dresdner Brauereien, Werke Felsenkeller und Falkenbrauerei), 2 Schokoladenfabriken, darunter die von Petzold und Aulhorn (1843), die 1897 den Reisewitzer Park (s. P 1) dazukaufte, eine Waffelfabrik (1873), die Blechwarenfabrik Anton Reiche, die die ersten Schokoladenautomaten herstellte, eine Konservenfabrik und die Altstädter Dampfmolkerei (1907), heute Betriebsteil 1 des V E B Dresdner Milchwerke. Diese Betriebe setzten den Industriestreifen zwischen der alten Chemnitzer Straße und dem Reichsbahngelände (s. C 2) auf Plauener Flur fort. Plauen, 1863 noch ein stilles Dorf von 1200 Einwohnern, wuchs bis 1899 zu einem Villenort mit 12000 Einwohnern heran. Seit 1872 bebaute die Aktiengesellschaft Dresden-Westend das Gelände um Würzburger und Kaitzer Straße. Als A U G U S T B E B E L unter dem Sozialistengesetz aus Leipzig ausgewiesen worden war, wohnte er vom 24. 9. 1884 bis zum 16. 9. 1890 in Plauen, Hohe Straße 22, Ecke Bamberger Straße. Das Gebäude wurde 1945 wie viele andere Häuser durch Bomben zerstört. ZIMMERMANN

1898 begann der Ausbau der Münchner Straße. 1911 gründeten die Söhne Bienerts die Baugesellschaft Südwest. Aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg stammen die Wohnviertel zwischen Münchner und Nöthnitzer Straße sowie in Hohenplauen. Das Überwiegen der damals herrschenden Schicht in Plauen beleuchtet die Tatsache, daß im Jahre 1900 von den 275 Kindern, die aus 12 Vororten die höheren Schulen Dresdens besuchten, 124 allein von hier stammten. Die Kirche zu Plauen, seit 1903 Auferstehungskirche genannt, steht auf dem gleichen Platz wie die erste Kapelle. Schon für 1296 ist ein Geistlicher bezeugt. 1466 ließ der R a t die im Hussitenkrieg 1429 verbrannte Kirche erneuern und erweitern. Der Turm stand bis 1893. Von 1902 bis 1904 errichteten W . L o s s o w und H. V I E H W E G E R einen neuen, 49 m hohen Turm und bauten die Kirche völlig um. Beide Architekten lieferten auch die Pläne für das 1893/94 im Stil der deutschen Renaissance erbaute Rathaus. Seit der Mitte des 16. Jh. sind in Plauen Schule und Lehrer nachweisbar. Das Schulhaus unterhalb der Kirche war ein feuchtes, enges Gebäude, die Schulstube diente lange Zeit der Lehrerfamilie zugleich als Wohnraum. Trotz seiner Baufälligkeit stand es bis 1903. Die Gemeinde errichtete 1876 und 1898 die Gebäude der heutigen 39. P O S Fritz Schulze, Schleiermacherstraße 8, 1884 ein Haus für die aufgestockte höhere Volksschule, die jetzige 55. P O S Heinz Steyer, Nöthnitzer Straße 6. Seit 1896 besaß Plauen als erstes sächsisches 214

Dorf ein Lehrerseminar mit Internat, das 1922 in eine Oberschule umgewandelt O wurde, die heutige EOS Friedrich Engels, Kantstraße 2. Durch die Bombenangriffe 1945 wurden der Industriestreifen längs der Eisenbahntrasse und das dichtere Wohngebiet im unteren Teil Plauens stark betroffen. Ein großer Teil der Schäden ist inzwischen beseitigt, oder Baulücken sind durch Neubauten ersetzt worden. In Hohenplauen, einem ruhigen Villenviertel, wurde noch vor der Bebauung ein Park angelegt, der, bei seiner Entstehung 1891 Westendpark genannt, heute Fichtepark heißt. Der 25 m hohe Aussichtsturm, 1896 erbaut, gewährt eine hervorragende Rundsicht, vor allem über die Nordflanke des Dresdner Elbtals bis weit hinein in die Sächsische Schweiz. Das Fichte-Medaillon am Turm wurde 1962 aus Anlaß der 200. Wiederkehr des Geburtstags von J O H A N N G O T T L I E B F I C H T E angebracht. Unweit der scharfen Kurve des Plauenschen Rings entstand 1936 eine Aussichtsbastion, die auf eine ältere Anlage zurückgeht. Die jüngste bauliche Entwicklung betrifft den letzten noch freien Teil der alten Flur zwischen Plauenschem Ring und Kohlenstraße, wo an der Arltstraße Wohnhäuser in den siebziger Jahren entstanden sind.

Hoher Stein

O

Über dem Plauenschen Grund ragt jäh der Aussichtspunkt Hoher Stein bis 190 m auf. Der Syenodioritklotz neben dem Turm war eine Brandungsklippe im Kreidemeer. In einer Tasche des Gesteins haben sich Ablagerungen des kreidezeitlichen Meeres mit fossilen Austern erhalten. In urgeschichtlicher Zeit befand sich am Hohen Stein eine Siedlung vermutlich der Billendorfer Zeit. Im Mittelalter soll die Erhebung als Kalvarienberg gedient haben. Im 19. Jh. befand sich auf dem Hohen Stein ein Steinbruch, den 1862 der Schmiedemeister F . A. F R O H B E R G kaufte. E r errichtete die ehemalige Gastwirtschaft, vor der heute ein Gedenkstein die Erinnerung an den Antifaschisten F R I T Z S C H U L Z E wachhält, und baute 1864 den Aussichtsturm. Auf dem Weg nach Plauen lag das Tännicht, in dem 1906 der Bienertpark angelegt wurde. In seinem mittleren Teil entstand in den sechziger Jahren eine Schulsternwarte. Von besonderem Reiz ist der Blick vom Hohen Stein sowie von mehreren, seit 1882 gangbar gemachten Basteien in den Plauenschen Grund. Schon bei der großen Hofjagd zum Saturnusfest 1 7 1 9 wurden hier zum Vergnügen der Hofgesellschaft Hirsche und ein Bär in den Abgrund getrieben. Man erkennt, daß in den fast senkrecht abstürzenden, durch Steinbruchbetrieb verschärften Hängen Turmfalken horsten, daß auf unzugänglichen Gesteinsvorsprüngen noch vereinzelt die Pfingstnelke (Abb. 5) blüht, einst eine Charakterpflanze der trockenen Felshänge. Man sieht ferner, in welchem Umfang Verkehrs- und Industrieanlagen sich im engen Tal eingenistet haben. Der Höhenunterschied zur Weißeritzbrücke am Forsthaus (früher Hegereiter) beträgt 47 m, die Talsohlenbreite 140 m, die Distanz zum nächsten Punkt der gegenüberliegenden Talseite 240 m. Besonders lehrreich ist der Blick auf den Ratssteinbruch. E s ist schwer vorstell15*

215

Lamprophyrgang Konglomerat

1

Horst

Syenodiorit

2

Klippe

Abb. 48. Schematisches Profil durch den Ratssteinbruch bei Plauen Dresdner Wanderbuch, Teil 2, 1934)

(nach

bar, daß an seiner Stelle am Beginn des 19. J h . noch ein relativ sanfter Hang mit Rinderweiden bestand. Der Steinbruchbetrieb hat geologisch interessante Profile aufgeschlossen (Abb. 48, Bild 43). Der Syenodiorit des Grundgebirges ist von mehreren K l ü f t e n und auch von dunklen Gesteinsgängen — L a m p r o p h y r mit viel dunklem Glimmer — durchsetzt und wird von einem graugelben Schichtgestein überlagert, einem Sediment der Oberkreide, das als Pläner bezeichnet wird und eine kalkige bis mergelige Fazies aufweist. E s wurde in tieferen Meeresteilen als der Elbsandstein abgelagert. Zwischen dem Sediment mit seiner deutlichen Schichtung und dem Syenodiorit befindet sich stellenweise ein Konglomerat aus großen Syenodioritgeröllen, eine Hinterlassenschaft aus der Zeit, als das Meer vorrückte und zeitweilig die Brandungszone hier gelegen hat. D a die Plänerschichten mit etwa 10 Grad nach N einfallen, müssen sie durch tektonische K r ä f t e aus der horizontalen Lagerung gebracht worden sein, wohl durch dieselben K r ä f t e , die den Anstieg zum Erzgebirge bewirkt haben. Als Abschluß des Profils kann man noch eine fahlgelbe Deckschicht erkennen, die vorwiegend von Löß und seinem Verwitterungsprodukt, dem Lößlehm, gebildet wird. Bemerkenswert ist der Unterschied zwischen den steilen Hängen des Erosionstales und den über der Talkante flachwellig dahinziehenden Oberflächenteilen. Diese tragen bei Dölzschen noch Schotter- und Kiesmoränen aus der Elsterkaltzeit und belegen damit, daß die Landoberfläche zu jener Zeit in etwa 180 bis 200 m ü. N N der heutigen Landoberfläche gelegen war.

0 3 Plauenscher Grund Der Plauensche Grund im engeren Sinne — von dem Werk 1 des V E B Mühlenwerke in Altplauen bis zum Dölzschener Eisenhammer — liegt völlig im Dresdner Stadtgebiet. E r ist das Durchbruchstal der Weißeritz zwischen der Ausräumungs216

landschaft des Freitaler Beckens (s. Seite 3) im Rotliegenden und dem Dresd- O 3 ner Elbtalbecken durch den hier höher aufragenden Sockel des Grundgebirges (Bild 43). Der emporgehobene Horst aus Syenodiorit wird von tektonischen Linien begrenzt, die in variszischer Richtung auch das Kohlengebirge des Freitaler Beckens durchziehen. Bis zum Beginn der Industrialisierung war der Plauensche Grund ein wildes Engtal, Inbegriff einer romantischen Landschaft, die man in W o r t und Bild feierte. HASCHE (1783) bezeichnete den Plauenschen Grund als „Sächsische Schweiz im Kleinen". Unter den literarischen Zeugen nennen wir den volkstümlichen Lyriker W I L H E L M M Ü L L E R (F 1827; Lit. 1837) und H A N S C H R I S T I A N A N D E R S E N (1847), unter den Malern A D R I A N ' Z I N G G , A N T O N G R A F F , C A S P A R D A V I D F R I E D R I C H , C A R L W I Z A N I , C A R L A U G U S T R I C H T E R und seinen Sohn L U D W I G R I C H T E R . Zu den malerischen Reizen kommen die speziellen Reichtümer an Mineralien, seltenen Pflanzen und Brutvögeln. 1560 bahnte man den ersten Fußweg in die von Wald erfüllte Wildnis. 1745 waren nach wiederholtem Ersuchen der Anwohner 600 Freiberger Bergleute damit beschäftigt, einenFahrweg, zum Teil mitHilfe von Sprengungen, zu schaffen. Erst 1807 — 09 wurde er zur Yerkehrsstraße ausgebaut, weil es nun die wirtschaftlichen Belange der Besitzer der Steinkohlenschächte verlangten. Als 1805 die Bergwerke im heutigen Freital (s. Bd. 21, C 3.4) schon 409 Bergleute beschäftigten, entstanden auch der Dölzschener Eisenhammer und andere Werke der industriellen Frühzeit. Weitere solche Anlagen aber ließen sich nur unter Beeinträchtigung der Naturreize des Tales unterbringen. Es wurde mehr und mehr zur Industriegasse. Auch die zahlreichen Steinbrüche veränderten das Bild des Tales völlig. 1930 wurden auf der nordwestlichen Talseite 12 Syenodioritbrüche gezählt; dazu kamen weitere 4 auf der rechten Talseite (s. O 4 ) . Der Syenodiorit gelangte als Schotter und Splitt auf viele Dresdner Straßen und fand als Betonfüllung beim Bau von Schlachthof, Schauspielhaus und Rathaus Verwendung. 1854/55 baute eine Privatgesellschaft durch den Grund die Albertbahn von Tharandt nach Dresden, die 1868 verstaatlicht wurde. Schon 1856 war die Windbergbahn zu den Kohlenschächten abgezweigt worden, die in zahlreichen Windungen — volkstümlich oft Semmeringbahn genannt — die Hochfläche hinter dem Windberg erklomm (s. Bd. 21, D 1). Die Enge des Tales und Hochfluten der Weißeritz zwangen immer wieder zu neuen Lösungen. 1895 wurde der Eisenbahntunnel am Forsthaus abgebrochen, 1897 mußten die schweren Schäden des Weißeritzhochwassers beseitigt werden, was auf längere Strecken neue Uferbauten bedeutete, 1918 — 21 wurde die alte Landstraße vom Forsthaus an auf die linke Talseite verlegt, wodurch die schöne Weißeritzbrücke am Hegereiter entlastet wurde. Schritt für Schritt erhielt so das Tal sein heutiges Gepräge. Die Naturschönheiten wurden zurückgedrängt, allerdings auch andere, neue Einblicke in die Natur möglich. So kaufte der R a t zu Dresden den unteren Forsthausbruch 1872 und erweiterte ihn in der folgenden Zeit als Ratssteinbruch bis fast an die Forsthausbrücke. In ihm (s. O 2) haben so bekannte Geologen wie H A N S B R U N O G E I N I T Z und E R N S T F Ü R C H T E G O T T Z S C H A U zählreiche Mineralien gesammelt; er gehört zu den Natursehenswürdigkeiten der Dresdner U m gebung. 217

O 3 Auch biologisch war der Plauensche Grund sehr reich, allerdings sind von den ursprünglichen Charaktergesellschaften nur noch Reste vorhanden. Die artenreichen Bachufergesellschaften der Weißeritz sind verarmt, die ehemaligen Waldgesellschaften fast völlig zerstört und die trockeneren Nachfolgeformationen, die vor allem an den Steilhängen trockenheitsliebende Arten (s. Seite 13) aufwiesen, finden wir nur noch an wenigen unzugänglichen Stellen vor. Noch 1927 hat B E R N H A R D H O F F M A N N (1860—1948) etwa 70 Arten von Brutvögeln festgestellt, als häufigsten den Fitislaubsänger. Besondere Beachtung verdient der Turmfalke, der unter der Begerburg und am Hohen Stein seine Horste durch weiße Kotstreifen verrät. Von dem einstigen Weinbau an den Steilhängen der Dölzschener Seite zeugen nur noch einige verfallene Terrassen. Der Plauensche Grund war ein beliebtes Jagdrevier des königlichen Hofes. 1722 wurde das Forsthaus als Wohnung für die Hegereiter erbaut, die das erst 1850 aufgelöste Forstrevier Plauen zu verwalten hatten. Die Forsthausbrücke, auch Brücke am Hegereiter genannt, war anfänglich nur aus Holz und wurde 1779 — 82 aus Pirnaer Sandstein erbaut. Sie galt damals als Sehenswürdigkeit und war zusammen mit dem Weißeritzwehr beliebtes Motiv vieler Maler. Bis zur Straßenverlegung im Jahr 1921 ging der gesamte Verkehr des Plauenschen Grundes über diese Brücke, die damals auf den Außenseiten noch Gangbahnen trug. A m Platz der weitläufigen Brauereigebäude Zum Felsenkeller stand früher die Buschmühle. Sie war auf dem linken Weißeritzufer auf Dölzschener Flur 1559 als Schleifmühle erbaut, aber bald auf Müllerei umgestellt worden. Man nannte sie auch Schweizermühle nach dem Schweizerbett, einer darüberliegenden Felsbastion. Bis in die Mitte des 19. Jh. wurde sie wegen ihrer idyllischen Lage rege besucht. Das malerische Tal bildete auch den Rahmen für glanzvolle Hoffeste. 1698 veranstaltete A U G U S T D E R S T A R K E in der Nähe der Buschmühle zur Feier des Geburtstages des russischen Zaren P E T E R I. einen glanzvollen Aufzug der Freiberger Bergknappen und 1719 in der Nähe der später (1747) erbauten Königsmühle das prunkhafte Saturnusfest aus Anlaß der Vermählung des Kurprinzen. Neben der Buschmühle wurde am rechten Flußufer ein Huthaus errichtet, das alsbald Wohnzwecken diente und das um 1800 der Maler G I U S E P P E G R A S S I , 1799 — 1816 Professor an der Kunstakademie, mietete. In der Schlucht, die heute als Eiswurmlager der Felsenkellerbrauerei bekannt ist, erbaute G R A S S I ein Badehäuschen und einen Aussichtstempel. A n der Stelle der Villa Grassi, die bis 1855 einen beliebten Kaffeegarten hatte, steht jetzt das Kulturhaus der Eisenbahner. Die 1857/58 gegründete Brauerei Zum Felsenkeller heißt so nach 9 im Jahre 1856 in den Syenodiorit 66 m tief getriebenen Stollen, die am Ende in einen 140 m langen Gang auslaufen. Das Wasser empfing die Brauerei zuerst aus einem Brunnen im Grundstück, später aus zwei Brunnen des Kaitzbachtales bei Kleinnaundorf. Hinter der Königsmühle führt ein Steig über die Weißeritz nach der Coschützer Schlucht. 1767 kaufte Graf F R I E D R I C H A U G U S T V O N C O S E L , ein Sohn A U G U S T S D E S S T A R K E N und der Gräfin C O S E L , von einem Coschützer Bauern die Schlucht, um ein Kupferbergwerk anzulegen. Da der Bergsegen ausblieb, ließ er das Huthaus zum Landhaus umbauen — ein Gegenstück zur Carlsburg (s. P 6) auf der 218

anderen Seite des Grundes. Das Gebäude stand auf Steinbögen, die dem Wasser O 3 den Durchfluß gestatteten. Der Stollen ist noch erhalten und 16 m weit begehb a r ; a m E i n g a n g s t o r ist zu lesen ,,17 DER N E U E SEGEN GOTTES 6 7 " .

An der Stelle des heutigen Betriebsteiles des Konsum-Backwarenkombinats (Tharandter Straße 117) ließ AUGUST DER STARKE die Dölzschener Neumühle erbauen. Im Hof nahe dem Eingang ist ein großes sächsisch-polnisches Wappen in die Hausmauer eingelassen. Die Inschrift läßt erkennen, daß der Bau „den 30. May 1728 vollendet worden durch CASPAR RICHTERN der Zeit Mühlen Voigt in Dresden". Seit 1874 war der Bäckermeister GOTTFRIED BRAUNE Besitzer, dessen Söhne 1903 die Garnisonmühle am Südhang der Heidenschanze dazukauften und das Werk zu einer Großmühle umbauten. Verbunden damit war eine Brotfabrik. Ursprünglich führte die Landstraße durch den Hof. Unterhalb der Heidenschanze liegt am rechten Weißeritzufer die Weizenmühle des V E B Getreidewirtschaft Dresden (Heidenschanze 3). Daneben erhebt sich der 1903 — 05 erbaute wuchtige Getreidesilo, der die Talweitung westlich des Plauenschen Grundes beherrscht. An der Stelle der Mühle stand ursprünglich ein Kupferhammer, der 1770 — 1830 als Pulvermühle und seit 1830 als Mahlmühle für die Dresdner Garnison diente. Von der ehemaligen Pulvermühle ist das Wohnhaus (Birkigter Straße 2) der Pulvermühlenarbeiter noch erhalten geblieben. Unmittelbar vor Freital liegt der V E B Eisenhammerwerk Dresden-Dölzschen. Als 1765 der Löbtauer Kupferhammer zum Kanonenbohrwerk umgebaut und später der Kupferhammer im Plauenschen Grund als Pulvermühle verwendet wurde, entschloß sich der Hammerschmied JOHANN GOTTFRIED ULBRICHT, einen Eisenhammer auf den Gitterseer Wiesen zu errichten. E r baute seit 1792 den Hammer und 1795 die bis heute erhaltene Hüttenschenke gegenüber. Das Unternehmen arbeitete mit 2 Wasserrädern und 2 Hämmern. ULBRICHT verkaufte das Werk an 2 Dresdner Bürger, die daneben 1823 — 73 ein Schlackenbad betrieben, dessen Gäste in der Hüttenschenke Unterkunft und Verpflegung fanden. Das Löschwasser der Rohschlacke galt damals als Heilmittel gegen Gicht und Rheuma. 1827 erwarb der Besitzer der Burgker

Kohlenschächte,

CARL FRIEDRICH

A U G U S T K R E B S , g e n a n n t D A T H E (S. B d . 2 1 , C 3 . 4 ) , d e n H a m m e r . K R E B S ,

1829

als Freiherr von Burgk geadelt, baute das Werk zur größten Eisenhütte des Plauenschen Grundes aus. E r legte 1828 eine Eisengießerei mit Kupolofen an, 1835 eine Maschinenbauwerkstatt, 1840—42 den ersten sächsischen Kokshochofen. Nach seinem Tod ging die Hütte an die Dresdner B a n k über. Das Werk arbeitete im ersten Weltkrieg als Rüstungsbetrieb. Nach 1918 erfolgte der Niedergang und teilweise eine Stillegung. Nach dem zweiten Weltkrieg erstand der Eisenhammer als volkseigener Betrieb aufs neue und steigerte schon in wenigen Jahren seine Produktion erheblich.

Coschütz

0 4

besitzt eine der ausgedehntesten Fluren im SW Dresdens, 297 ha groß und in 140 bis 240 m ü. N X gelegen. Altcoschütz (1284 Coswiz = aso. Leute eines Kos) ist als sackgassenartig erweiterter Rundweiler zu erkennen und weist bemerkens219

Abb. 49. Altcoschütz werte alte Anwesen auf (Abb. 49). F a s t alle Gebäude zeigen noch F a c h werk an den Hofseiten, das ehemalige Gehöft Nr. 1 auch an den Giebeln. Tafeln mit teilweise umfangreichen Inschriften über Brände und Besitzer sind bei Nr. 7, 10, 1 1 (mit Taubenhaus), 1 3 und 23 erhalten. Schlußsteine in Hausmauern, die früher in den Rundbogentoren eingesetzt waren und Initialen und Baujahre verzeichnen, sind an f a s t allen Anwesen vorhanden. Einzelne Bauern und das Vorwerk gehörten 1 3 1 5 dem Maternihospital; die Spitalfelder lagen am Collmberg, der auch Spittelberg hieß. Andere Teile des Dorfes unterstanden gleichzeitig oder nacheinander verschiedenen Adelsund Patriziergeschlechtern. Als Weinberge waren Frankenberg, Lachenberg, Müllers und Steffens Berg eingerichtet. 1580 erwarb K u r f ü r s t A U G U S T neben anderen Dörfern auch Coschütz, das in der Folgezeit dem A m t Dresden zinsen mußte. 1738 ließ die Regierung die Coschützer Steinkohlenvorkommen vermessen und kartographisch aufnehmen. Nach Gründung des Eisenhammers 1792 (s. O 3) im Weißeritztal entstand auf Coschützer Flur an der Grenze gegen Potschappel die Arbeitersiedlung Neucoschütz. D a der dicht bewohnte Ortsteil gegenüber dem Bauerndorf von ganz anderer Struktur und die Verbindung zu ihm schlecht war, wurde er 1896 Potschappel angeschlossen. 1780 wurden bei Coschütz 2 Kohlenschächte und 1836 ein weiteres Bergwerk angelegt. Das Herrschaftliche Claus'sche Kohlenwerk beschäftigte um 1840 gegen 50 Mann. Auf der Coschützer Flur wurden auch 4 Syenodioritbrüche aufgeschlossen, 3 an der Heidenschanze und ein Bruch am Collmberg. Anfang des 19. J h . war Coschütz eine beliebte Sommerfrische der Dresdner. 1924 — 28 baute der Deutsche Siedlerbund die Reihensiedlungen nördlich und südlich des Achtbeeteweges. Bis zur zeitweiligen Verwendung des Collmberges für den Bergbau (Abbrände) 220

nach dem zweiten Weltkrieg war die Salbeipflanzung des Bombastuswerkes O 4 bedeutungsvoll; sie war gegen 25 ha groß und erbrachte 90% der deutschen Salbeierzeugung. Als bedeutendste öffentliche Anlage wurde das Wasserwerk 1937 begonnen und 1947 fertiggestellt. Es erhält sein Wasser aus der Talsperre Klingenberg, von wo es — unter Einschaltung der 3 Kraftwerke Klingenberg, Dorfhain und Tharandt — bis Coßmannsdorf durch Stollen, dann durch eine Rohrleitung fließt (s. Bd. 10, B 3 ) . Das Gebirgswasser wird in Coschütz in Filteranlagen gereinigt, aufgehärtet und seine Kohlensäure gebunden. Ein besonderer Hochbehälter wie für die Wasserwerke im Elbtal ist infolge der hohen Lage nicht erforderlich. Das Coschützer Werk liefert etwa die Hälfte des täglichen Wasserverbrauchs in Dresden. Die benachbarten Zweifamilienwohnhäuser werden als Wasserwerkssiedlung bezeichnet. Im 18. Jh. diente das Hirtenhaus zugleich als Schule. 1838 baute die Gemeinde das erste Schulhaus und bildete mit Gittersee eine Schulgemeinde. Dieser schlichte Bau steht heute noch Kleinnaundorfer Straße 2. 1875 errichtete Coschütz das Vordergebäude der heutigen 72. POS, Kleinnaundorfer Straße 6, und 1907 das Hintergebäude.

Heidenschanze

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Von Coschütz springt gegen das Weißeritztal ein Bergsporn vor, die Heidenschanze (Bild 43). Sie fällt nach 3 Seiten steil ab und ist von Coschütz her zugänglich. Die 224 m hohe Erhebung gewährt einen Blick auf die gegenüberliegende Begerburg und die steilen Wände des Plauenschen Grundes, auf Dresden und die Tafelberge der Sächsischen Schweiz, auf die Goldene Höhe und den Windberg, auf das Freitaler Becken bis zum Tharandter Wald im Hintergrund. Mehr als 70 m über dem rechten Weißeritzufer liegt hier eine der ältesten befestigten Siedlungen der sächsisch- lausitzischen Gruppe aus der jüngeren Bronzezeit mit Nachnutzung in slawischer bis frühdeutscher Zeit. Offenbar befindet sie sich im Bereich der alten Straße von Böhmen über Dohna—Lockwitz — Südhöhe — Plauen — Briesnitz zur Elbfurt bei Serkowitz. Die durch einen noch heute deutlich sichtbaren, bis 1 1 m hohen Sperrwall mit vorgelagertem Graben gekennzeichnete Spitze der besiedelten Geländezunge, die sich von Altcoschütz nach der Weißeritz zu erstreckt, ist schon seit der zweiten Hälfte des 19. J h . durch Steinbrucharbeiten außerordentlich reduziert worden. Die Innenfläche der befestigten Anlage dürfte ehedem etwa 5 ha betragen haben. Das jahrzehntelange Ringen um den Schutz dieses bedeutendsten Kulturdenkmals aus ur- und frühgeschichtlicher Zeit im Dresdner Raum konnte vor nunmehr 20 Jahren erfolgreich abgeschlossen werden. Grabungen haben hier schon seit 1851 stattgefunden, die letzten größeren Untersuchungen vor der Stillegungsphase des Steinbruchs 1956/57. E s konnte eine Dauersiedlung von besonderer Bedeutung festgestellt werden, deren Alter 3000 Jahre ausmacht. Pfostenlöcher, verziegelter Hausestrich (Lehmtennen), Herde, von den Hauswänden Lehmverstrichreste mit Holzabdrücken, 221

O 5 Getreidemühlen, große Mengen v o n Speiseabfällen (vor allem Tierknochen), Gebrauchskeramik, Spinnwirtel und anderer H a u s r a t k o n n t e n in großer A n z a h l geborgen werden. A u ß e r d e m b e f a n d sich über d e m W e i ß e r i t z u f e r eine W e r k s t a t t zur Herstellung v o n Pfeilspitzen aus K n o c h e n und H o r n m i t über 200 H a l b - und F e r t i g f a b r i k a t e n , v o r allem aber a u c h ein Z e n t r u m der Bronzep r o d u k t i o n m i t großen Bronzeschmelzgruben, Gußresten, Metallbarren, G u ß formen, T o n d ü s e n für den B l a s e b a l g der Schmelzen, Metallschrott zur Wiederv e r w e n d u n g und einer A n z a h l v o n B r o n z e s a m m e i f u n d e n . Zweifellos diente das geschützte A r e a l nicht nur als wichtige W e r k - und gesicherte W o h n s t ä t t e sowie als Yerteidigungsplatz, sondern a u c h als O r t f ü r den A u s t a u s c h v o n P r o d u k t e n und Materialien. Die befestigte Heidenschanze fungierte als Z e n t r u m der bronzezeitlichen Siedlungskammer zwischen d e m E l b t a l u n d der Gegend v o n T h a r a n d t . D i e lange und intensive Besiedlung wird durch stellenweise mehr als 5 m hohe K u l t u r s c h i c h t e n mit vielen Siedlungshorizonten belegt. W a l l u n t e r s u c h u n g e n ergaben ein m i t E r d e und Steinen gefülltes H o l z k a m m e r s y s t e m . I n slawischer bis frühdeutscher Zeit, d. h. n a c h e t w a 2000jähriger Pause, w u r d e die Heidenschanze w i e d e r u m intensiv genutzt. E i n e absolute Sicherheit f ü r zusätzliche B e f e s t i g u n g e n aus dieser E p o c h e b e s t e h t bisher nicht, doch m u ß m a n d a m i t rechnen, d a ß auf den steilen W a l l k r o n e n der v e r g a n g e n e n J a h r t a u s e n d e lediglich Zusatzsicherungen a u f g e f ü h r t w e r d e n m u ß t e n . D i e Besiedlung reichte einer beachtlichen Z a h l v o n Funden, darunter Sachsenpfennigen, zufolge mindestens bis z u m E n d e des 11. Jh. I m Gegensatz zu früheren A u f f a s s u n g e n spricht vieles dafür, d a ß der M i t t e l p u n k t des B u r g w a r d b e z i r k e s Bvistrizi ( = Weißeritz) — f ü r 1068 überliefert — auf der Heidenschanze l a g und nicht auf d e m B u r g w a r t b e r g (s. P 6) bei Pesterwitz, dessen archäologischer B e f u n d v o m Gelände her frühestens ins 12. Jh. weist und v o n d e m Fundmaterialien erst aus der Periode nach 1200 vorliegen.

0 6 Gittersee w a r ein Platzdorf (heutige P o t s c h a p p l e r Straße) und 1350 (Geterssin = aso. B e s i t z eines Jutros) im B e s i t z der Familie v o n Maltitz. 1370 gehörte es der K r e u z k i r c h e und unterstand d a m i t dem Dresdner B r ü c k e n a m t . N a c h d e m großen S t a d t b r a n d v o n 1491 lösten die B a u e r n 1494 ihre F r o n d i e n s t e durch G e l d z a h l u n g e n ab, d a die S t a d t Mittel z u m W i e d e r a u f b a u dringend benötigte. D e r O b s t b a u w u r d e im 16. Jh. durch den P f a r r e r MARTIN KÜNZELMANN (S. O 1 und B d . 21, C 3.2), der das g r ö ß t e G e h ö f t in Gittersee besaß, s t a r k gefördert. 1809 erfolgte in Nieder-Gittersee erstmals der A b b a u v o n Steinkohle. Seit 1837 betrieb ihn der Gitterseer Steinkohlen-Bauverein, der 1840 183 B e r g l e u t e beschäftigte. N e b e n einigen kleineren G r u b e n bestanden 3 größere S c h ä c h t e : der Meiseischacht, heute W o h n h a u s a m Meiselschachtweg/Ecke K a r l s r u h e r Straße, der Moritzschacht, später Gasthaus Cornelius-Gurlitt-Straße 18, u n d der E m m a s c h a c h t , K a r l - S t e i n - S t r a ß e 10/11. 1861 w u r d e der A b b a u eingestellt, n a c h 1945 wieder a u f g e n o m m e n u n d ein neuer S c h a c h t im V E B Steinkohlenwerk Will}' A g a t z g e t e u f t . 222

Gittersee, das noch im 19. Jh. d u r c h den B e r g b a u enger m i t d e m heutigen O 6 Freital v e r b u n d e n war, geriet in den E i n f l u ß b e r e i c h der G r o ß s t a d t , als 1 8 4 1 — 4 4 bei der A n l a g e der Chemnitzer Straße, der heutigen F . - C . - W e i s k o p f - S t r a ß e , a u c h die jetzige K a r l s r u h e r S t r a ß e als Chaussee a u s g e b a u t wurde. Seit 1880 stieg die E i n w o h n e r z a h l v o n Gittersee rasch an. U m 1910 w u r d e n die Nagelf a b r i k (heute W e r k 2 des V E B K o m p r e s s o r e n b a u B a n n e w i t z ) u n d die Wellp a p p e n f a b r i k (heute W e r k 5 des V E B P o l y p a c k Dresden) gegründet. U m 1932 entstand die Siedlung a m B i r k i g t e r H a n g . 1946 — 50 spielte die V o l k s o p e r — V o r läufer der L a n d e s b ü h n e n Sachsen — in einem Gasthof in der K a r l s r u h e r Straße, der heutigen H O - G a s t s t ä t t e F r i e d e n s w a c h t .

Der Westen

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Der W e s t r a n d der Dresdner E l b t a l w e i t u n g , der wie ein A m p h i t h e a t e r v o n Dölzschen bis Briesnitz die E l b t a l n i e d e r u n g u m s p a n n t , ist allgemein weniger a t t r a k t i v als die anderen Ränder, die sich steiler herausheben oder, wie die Heidesandterrasse, vorherrschend W ä l d e r tragen. H i e r fehlen a u c h größere Flüsse, die das Relief prägnanter a u s g e f o r m t haben könnten. V o n den H o c h flächen zwischen T h a r a n d t e r W a l d u n d der A u t o b a h n senken sich die H ä n g e m i t geringer N e i g u n g nach O N O . D e r i m U n t e r g r u n d anstehende P l ä n e r ist meist v o n L ö ß l e h m überdeckt, und die F r u c h t b a r k e i t dieser F l ä c h e n l ä ß t den A c k e r b a u hervortreten. F l a c h e T ä l c h e n , meist noch weniger a u s g e p r ä g t als die im S der S t a d t (s. N 5), gliedern die H ä n g e auf und zeigen n u r dort, w o sie das Liegende der L ö ß l e h m d e c k e angeschnitten haben, e t w a s m a r k a n t e r e F o r m e n . Ausblicke auf die S t a d t g i b t es in großer Zahl, aber die weite E n t f e r n u n g m i n d e r t ihren R e i z bereits erheblich. N u r langsam h a t sich die S t a d t in die agrarintensiven G e b i e t e m i t kleinen D ö r f e r n slawischen U r s p r u n g s vorgeschoben. Größere A u s f a l l s t r a ß e n , a n die sich das S i e d l u n g s w a c h s t u m der G r o ß s t a d t anschließen könnte, fehlen m i t A u s n a h m e der Kesselsdorfer S t r a ß e (F 173). D a h e r ist L ö b t a u der A u s g a n g s p u n k t der Siedlungsentwicklung im W gewesen, während C o t t a im N W nur eine sekundäre Rolle spielte, da hier die Meißner L a n d s t r a ß e die H a u p t r i c h t u n g der Siedlungsentwicklung angab. So herrschen a u ß e r h a l b der geschlossenen Siedlungsflächen i m U m k r e i s v o n L ö b t a u kleinere W o h n p l ä t z e i n m i t t e n noch freien Geländes v o r (s. P 5).

Löbtau

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Die volkreiche V o r s t a d t L ö b t a u g e h t auf eine slawische Siedlung z u r ü c k , die schon 1068 als Livbitvwa (aso. L e u t e eines L u b e t a , L u b o t a o. ä.) e r w ä h n t wurde, als der deutsche K ö n i g HEINRICH I V . das Meißner H o c h s t i f t m i t 2 K ö n i g s h u f e n belehnte. 1350, 1445 und 1468 gehörte d e m D o m k a p i t e l das g a n z e D o r f , dessen G ü t e r es gegen E r b z i n s an 12 B a u e r n v e r g e b e n hatte. L ö b t a u w a r ein P l a t z d o r f mit einer B l o c k g e w a n n f l u r , die bis z u r A n l a g e des N e u e n A n n e n f r i e d h o f s zu erkennen war. A n d e m alten D o r f p l a t z stehen n o c h einige h e u t e gewerblich g e n u t z t e Dreiseithöfe m i t Plänermauern, z u m Teil a u c h m i t T o r b o g e n (Nr. 4). 1559 k a m L ö b t a u aus der bischöflichen unter die k u r f ü r s t l i c h e Oberhoheit. 223

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1568 mußte es 42 ha, also ein Sechstel seiner Flur, an das neu gegründete K a m mergut Ostra (s. C 1) abtreten. Daraus erklärt sich die eigenartige Lage des Dorfplatzes hart am Rand seiner Flur. Insgesamt bildet die Löbtauer Flur einen sanften Hang, der sich von Wölfnitz und Naußlitz her von 150 m auf 120 m ü. N N abdacht. Die saalekaltzeitlichen Weißeritzterrassen, die etwa im Zuge der Reisewitzer Straße liegen, werden trotz der meist überbauten Flächen oft durch den recht deutlichen Abfall zur Weißeritzaue erkennbar. Zwischen Tharandter und Zwickauer Straße erstreckte sich der rund 1 km breite Weißeritzanger, der alte Löbtauer Weideplatz, woran allein noch die volkstümliche Bezeichnung Kuh-Löbtau erinnert. An der Weißeritz erwarb Kurfürst J O H A N N G E O R G IV. 1692 von einem Mühlengrundstück einen großen Garten, an dessen Südende, in der Nähe der heutigen Straßenbahnhaltestelle Fritz-Schulze-Straße, er das Wasserpalais, ein nicht mehr existierendes Schlößchen, errichten ließ. 1702 — 09 besaß ein Adliger den parkähnlichen Garten, nach dem dieser seinen Namen Reisewitzer Garten trug. Wegen des prächtigen Baumbestandes und der Laubengänge am Fluß bildete er mehr als 100 Jahre lang eines der beliebtesten Ausflugsziele der Dresdner Bürger und des kurfürstlichen Hofes. 1844—56 befand sich darin ein vielbesuchtes Sommertheater. Auch politische Versammlungen fanden hier statt, so am 4. 9. 1848 die erste große Massenversammlung Dresdner Demokraten mit 8000 Teilnehmern. 1861 wurde auf der Löbtauer Seite eine Ziegelei, 1869 die Aktienbrauerei Reisewitz eröffnet, die bis 1931 in Betrieb war. Schon im 16. Jh. befanden sich am Weißeritzanger neben den Kuhweiden einige Gewerbeanlagen, die die Wasserkraft der Weißeritz bzw. des Weißeritzmühlgrabens nutzten, darunter eine Walkmühle. Der Weißeritzmühlgraben (s. B 3) — 1937 trockengelegt — zweigte 200 m unterhalb der Würzburger Straße vom Fluß ab. Im 1 ha großen- Holzhof wurde das aus dem Osterzgebirge geflößte Holz eingelagert. Mit dem Wegfall der Dienstbarkeit 1832, mit dem Dismembrationsgesetz von 1843, das die Teilung landwirtschaftlicher Grundstücke ermöglichte, und mit der Einführung der Gewerbefreiheit 1862 fielen die gesellschaftlichen Hindernisse fort, die der Industrie den Eingang in das Dorf versperrten. In Löbtau siedelten sich 1857 eine Zementfabrik, 1858 eine Eisengießerei, 1862 eine Schokoladenfabrik an. Die ersten Löbtauer Arbeiterwohnhäuser wurden 1858 an der Flußstraße gebaut; 1870 entstanden Häuser auf der Freiberger, Kesselsdorfer, Löbtauer und Lübecker Straße, dem früheren Kirchweg nach Briesnitz, wo vorwiegend Arbeiter der nahen Wilsdruffer Vorstadt Wohnung fanden. 1874 gab es in Löbtau nur noch 4 Bauerngüter; 40 ha der Flur waren zu Gärtnereien umgewandelt worden, die sich namentlich an der Tharandter und Lübecker Straße sowie nördlich der Kesselsdorfer Straße erstreckten. 1875 wurde der Neue Annenfriedhof eröffnet. Auf seinem Südteil ruhen in 400 beetweise angeordneten Gräbern Opfer der Luftangriffe vom 17. 4. 1945. Die Bebauung mit Mietshäusern (Bild 42) hatte 1890 die Reisewitzer Straße und das Dreieck zwischen Kesselsdorfer Straße und Wernerstraße erreicht. 1900 standen die ersten Häuser an der Ostseite des heutigen Rudolf-RennerPlatzes; südlich der Grillenburger Straße befand sich noch freies Feld. Die Industrie konzentrierte sich im alten Gewerbebezirk an der Tharandter Straße: 224

Nr. 31/33, heute V E B Kupplungs- und Triebwerkbau, Nr. 41, heute V E B Vereinigte Metallgußwerke. Im nördlichen und westlichen Löbtau waren die Wohnstraßen von mancherlei Kleingewerbe durchsetzt. Löbtau gehörte kirchlich ursprünglich zu Briesnitz. Als die Bevölkerung schon stark angewachsen war, entstand 1890/91 nach dem Entwurf von F R I E D R I C H A R N O L D die Friedenskirche an der Wernerstraße. Sprengbomben am 16. 1. 1945 und Brandbomben am 14. 2. 1945 zerstörten den Bau. 1949 wurde in der Ruine eine von O T T O B A R T N I N G entworfene Notkirche zusammengesetzt, deren vorgefertigte Holzteile der Weltkirchenbund anlieferte. Die katholische Kirche St. Antonius, Otto-Franke-Straße 10, besteht seit 1914. Seit 1770 besaß Löbtau einen eigenen Lehrer, der reihum bei den Bauern oder im Gemeindehirtenhaus, das vor dem heutigen Gebäude Altlöbtau 2 stand, Unterricht hielt. 1832 baute die Gemeinde daneben in der Lübecker Straße das erste Schulhaus, und als es 1866 bereits 233 Schüler gab, mußte ein neues, Ecke Lübecker und Wernerstraße, errichtet werden. Die Aufgaben der Schule Otto-Franke-Straße 32, 1888 gegründet, wurden nach der Zerstörung 1945 von der 1877 gebauten Wallwitzschule mit übernommen, heute 35. P O S Clara Zetkin, Clara-Zetkin-Straße 20. Löbtau ist eines der großen traditionsreichen Arbeiterwohngebiete Dresdens. Im Haus Columbusstraße 9, dem ehemaligen Sitz der Leitung der K P D Ostsachsens, wurde 1963 eine Gedenktafel enthüllt. Zu Ehren R U D O L F R E N N E R S wurde 1964 auf dem nach ihm benannten Platz, der bald nach dem zweiten Weltkrieg durch eine der ersten Grünanlagen vorbildlich gestaltet wurde, eine Gedenkstätte eingeweiht. Eine weitere Grünanlage entstand an der Stelle des total zerstörten Löbtauer Rathauses zwischen Tharandter Straße und Weißeritz. Die Zerstörungen 1945 betrafen vor allem die weißeritznahen Teile an der Tharandter und Löbtauer Straße, während die westlichen und nordwestlichen Bezirke der Vorstadt weniger hart getroffen wurden. Eine durchgehende städtebauliche Lösung wird im Zusammenhang mit der Aufschließung neuer Wohnviertel nordwestlich von Löbtau auf der Flur von Gorbitz gesehen. Alle Löbtauer Wohngebiete sind verkehrsmäßig an die Kesselsdorfer Straße angeschlossen. Diese wurde schon vor dem ersten Weltkrieg stärker mit Geschäften ausgestattet, entwickelte sich bis 1939 zu einem Nebenzentrum des Geschäftslebens und erhielt 1945, als die Geschäfte der Innenstadt zerstört waren, eine erhöhte Bedeutung neben anderen Nebenzentren der Stadt, wie Schillerplatz -oder Oschatzer Straße (s. F 4). Zerstörungen durch Kriegseinwirkungen wurden daher hier rasch, wenn vielfach auch nur behelfsmäßig, beseitigt, und auch heute übt noch die Kesselsdorfer Straße einen hohen Anreiz auf K a u f lustige aus. Als sogenannte Freibergische Straße bestand sie schon seit dem Beginn des Freiberger Silberbergbaus um 1200. D a sich mit dem Verkehr zwischen Freiberg und Dresden auch der Handelsverkehr mit Süddeutschland verband, war die Straße von vorrangiger Bedeutung. Ecke Tharandter und Kesselsdorfer Straße stand bis 1837 das Einnehmerhäuschen. E s erbrachte die höchste Chausseegeldeinnahme in Sachsen, zuletzt jährlich 20000 Mark. In Dresden selbst war demzufolge das Tor im W , das Wilische Tor, der wichtigste Zugang zur Stadt. Von großer Bedeutung war auch die Brücke über die Weißeritz, die, ursprünglich 225

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aus H o l z gebaut, schon 1550 steinerne Pfeiler erhielt. D e r u n g e s t ü m e Gebirgsf l u ß bereitete o f t große Sorgen. E x t r e m e H o c h w a s s e r t r a t e n h ä u f i g auf, so beispielsweise 1897. N a c h diesem Ereignis w u r d e daher v o n einer Stelle kurz unterhalb dieser B r ü c k e an ein neues, nordwestlich verlaufendes F l u ß b e t t der W e i ß e r i t z geschaffen. Die f a s t vollständige Ü b e r b a u u n g der L ö b t a u e r F l u r h a t den R e i z der schönen A u s b l i c k e auf die S t a d t v e r s c h w i n d e n lassen u n d auf einige randlich gelegene P u n k t e reduziert. D e r f ü r die E n t w i c k l u n g der Geologie als selbständige W i s s e n s c h a f t maßgebliche und w e l t b e r ü h m t e Professor der Geologie a n der B e r g a k a d e m i e Freiberg GOTTLOB ABRAHAM WERNER ließ auf seinen häufigen F a h r t e n nach Dresden gern auf dem oberen Teil der Kesselsdorfer S t r a ß e halten, u m den B l i c k auf die S t a d t zu genießen. N a c h seinem plötzlichen T o d in Dresden a m 30. 6. 1807 w u r d e bei der Ü b e r f ü h r u n g n a c h F r e i b e r g a m 2. 7. in L ö b t a u eine Totenfeier gehalten. Nördlich v o r dem L ö b t a u e r Friedhof setzte m a n i h m einen Gedenkstein.

P 2 Wölfnitz, ein Bauernweiler, 1357 als Wolfticz (dt.-sorb. Mischname = L e u t e eines Wolf) genannt, unterstand der H e r r s c h a f t des V o r w e r k s , später des K a m m e r g u t s Gorbitz. D o r t h a t t e n die B e w o h n e r jährlich 42 A c k e r t a g e u n d 40 H a n d t a g e neben anderen Diensten zu leisten. E i n E r b g u t W ö l f n i t z k a m 1647 in die H a n d des kurfürstlichen L e i b a r z t e s ; es w u r d e 1666 v o n Spann- und H a n d d i e n s t e n befreit. D e r frühere, v o m K a m m e r g u t G o r b i t z v e r w a l t e t e Lehnhof oder das B e i g u t ( A l t w ö l f n i t z Nr. 2 — 4) stand bis 1945 u n t e r der V e r w a l t u n g des K a m m e r gutes G o r b i t z und w u r d e n a c h der demokratischen B o d e n r e f o r m v o n N e u b a u e r n b e w i r t s c h a f t e t . A m A u s g a n g des Dorfplatzes, Olbernhauer S t r a ß e 1, s t e h t ein v o n einem Dresdner A r z t 1748 errichtetes L a n d h a u s m i t der F r o n t n a c h A l t w ö l f n i t z zu, ein schlichter, sehr g e s c h m a c k v o l l e r B a r o c k b a u . D a s K o r b b o g e n gewölbe über der ehemaligen E i n f a h r t t r ä g t eine m i t R o k o k o o r n a m e n t e n , Muscheln und B l u m e n g e h ä n g e n umgebene K a r t u s c h e m i t der I n s c h r i f t : ,,Das H a u s der Z u f r i e d e n h e i t . " D e r W ö l f n i t z e r Gasthof wird 1816 z u m ersten Mal e r w ä h n t ; er ist wahrscheinlich u m 1810 b e i m A u s b a u der Kesselsdorfer Straße entstanden. W ö l f n i t z zählte 1895 n u r 14 Häuser. 1896 besaß es noch keinen Gemeinderat, die Beschlüsse f a ß t e die V e r s a m m l u n g aller Männer im Dorf. D i e ersten D o r f a u s b a u ten erfolgten 1896 u n m i t t e l b a r neben dem K e r n in der Olbernhauer und Dessauer S t r a ß e , w o ein B a u u n t e r n e h m e r einige Mietshäuser errichtete. Ostwärts, zur S t a d t zu, schließen sich noch heute ausgedehnte K l e i n g a r t e n a n l a g e n bis zur W e n d e l - H i p l e r - S t r a ß e an, die, wie a u c h die S t r a ß e A m Stieglitzgrund, 1925/26 durch 2 Siedlungsgesellschaften m i t Einfamiliendoppelhäusern b e b a u t wurde.

P 3 Gorbitz D i e Gorbitzer F l u r steigt v o n e t w a 170 m a n der Grenze zu W ö l f n i t z auf 253 m ü. N N in Obergorbitz an. E i n e U r k u n d e v o n 1206 f ü h r t einen Z e u g e n H a r t l i p aus Gwbewiz (aso. gorb = kleiner Hügel, Anhöhe) auf. D e r O r t selbst w i r d z u m 226

ersten Mal 1412 erwähnt. Ein Verzeichnis der „ E r b a r m a n n s c h a f t " von 1445 P 3 führt den Dresdner Bürger L O R E N Z B U S M A N N als Besitzer des Vorwerks (Nieder-) Gorbitz mit 9 Bauern auf. Kurfürstin M A G D A L E N A S Y B I L L A kaufte 1644 das Gorbitzer Vorwerk. Sie vergrößerte es 1648/49 durch Zukaufe von 2 ganzen Gütern und einzelnen Feldern in Wölfnitz um fast 30 ha, tauschte Felder aus, erwirkte Steuerbefreiung für ihren, Besitz, legte 2 Weinberge an, die sie von einem Winzer aus Württemberg pflegen ließ, und errichtete eine Gutsbrauerei. Nach ihrem Tod blieb das Vorwerk in der Hand der kurfürstlichen Familie. Infolge der neuen Landesverfassung von 1832 ging das Kammergut an den Staatsfiskus über, der 1857 — 86 weitere 4 Güter dem Besitz hinzufügte. Die 153 ha große Flur des Kammergutes reichte zuletzt von der Kesselsdorfer Straße bis Hirtenstraße. Weidental- und Gottfried-Keller-Straße. Sie bildete eine Sperre gegen die von Dresden ausgehende Wohnbebauung. Durch die demokratische Bodenreform erhielten Neubauern Land aus diesem Besitz. A m 27. 12. 1952 gründeten 12 werktätige Bauern in Niedergorbitz die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft Einheit. Die L P G Bergland faßte die Bauern in Obergorbitz zusammen. Für die Tagelöhnersiedlung des Vorwerks an der unteren Uthmannstraße war seit 1573 der Name Niedergorbitz in Gebrauch. Darin gab es nur Gartennahrungsbesitzer und Häusler. Als 1691 der „ W e g hinterm D o r f " , die heutige Kesselsdorfer Straße, auszubessern war, konnten die Niedergorbitzer keinerlei Fuhren ausführen, weil sie nicht ein einziges Zugtier besaßen. A u s einem Einwohnerverzeichnis von 1708 ersehen wir, daß in diesem Dorfteil 147 Gartennahrungsbesitzer und Häusler sowie 8 Hausgenossen mit ihren Familien wohnten. 103 waren Tagelöhner, 14 Zimmerleute, 13 Maurer, 6 Branntweinbrenner; 15 Söhne dienten als Knechte, unter den übrigen befanden sich ein Schmied und ein Wagner, die nicht nur für das Kammergut, sondern auch für Fuhrwerke und Reisewagen arbeiteten, die auf der vorbeiführenden Freiberger Landstraße verkehrten. Damit gehörte Niedergorbitz zu den volkreichsten Dörfern bei Dresden. 1744 gab es darin 4 Viertel: das Straßenviertel (an der Uthmannstraße), das Dammviertel, das Grabenviertel (am Geyersgraben) und das Gassenviertel. Dem stark hängigen Gelände passen sich die Gassen und Wege an, die nach S zu in den Stadtteil Neunimptsch übergehen. Die Zunahme des Steinkohlenbergbaus im Plauenschen Grund (s. O 3 u. O4) erhöhte die Einwohnerzahl in Niedergorbitz weiter. 1840 waren unter den 1300 Bewohnern des Ortes 108 Bergarbeiter und 94 Tagelöhner. 1827 hatte Niedergorbitz sein erstes Schulhaus erbaut, 1860 ein zweites, 1890 das Gebäude Leßkestraße 1, jetzt Schulhort der 74. POS. In der Unterrichtsstätte wirkte der Chronist der Gegend, F R I E D R I C H A U G U S T L E S S K E . Der obere Teil der Uthmannstraße verläuft durch das ehemalige Bauerndorf Obergorbitz. Es weist mehrere Gehöfte auf, die meist von Plänermauern umgeben sind. Einige haben schöne Torbogen (Nr. 34) oder Pfeilerköpfe am Tor (Nr. 75), Türstöcke mit profilierten Stich- oder Korbbogen und Schlußsteinen (Nr. 32 mit fünfzackiger Krone und den Jahreszahlen 1825 und 1826). A m Wirtschaftsgebäude des dreiseitigen Fachwerkgehöfts Uthmannstraße 40 trägt der Eingang zur ehemaligen Weinpresse einen Schlußstein mit einer Wein227

P 3 traube. An der 1810 — 12 ausgebauten Kesselsdorfer Straße — vorher führte der Fernverkehr durch die Uthmannstraße — sind weitere Höfe bemerkenswert: Nr. 179 (Torpfeiler mit Vasenbekrönung, Schlußstein am Wohnhaus: siebenzackige Krone, J. G. T. 1825), Nr. 185 (stattliche, überbaute Einfahrt), Nr. 187 (2 Reliefs über den Schlußsteinen). Stadtwärts schließen sich ältere Mietswohnhäuser an. 1900 baute Obergorbitz, dessen Kinder bis dahin den Unterricht im Niederdorf besuchten, sein eigenes Schulhaus, Uthmannstraße 28 (74. POS K u r t Aschenbach). Die Anstaltskapelle einer 1872 gegründeten Diakonenanstalt dient heute für Obergorbitz als Gemeindekirche. Im Gasthof Obergorbitz an der Kesselsdorfer Straße hat die D E F A ihr Studio für Trickfilme eingerichtet. Von hier aus führt die Hirtenstraße nach N, an der 1933/34 e ' n e ausgedehnte Kleinhaussiedlung entstand. Wenig später erschloß man an der Stadtgrenze gegenüber dem früheren Ziegelwerk südlich der Kesselsdorfer Straße ebenfalls Gelände für eine Stadtrandsiedlung (Margeritenstraße). Nachdem die demokratische Bodenreform 1945 die privatrechtlichen Besitzverhältnisse des ehemaligen Kammerguts beseitigt hatte, steht nunmehr der freie Raum zwischen Gorbitz und Weidental westlich der Gottfried-KellerStraße der Besiedlung offen. Die weit fortgeschrittene Planung für ein neues großes Wohngebiet Obergorbitz mit mehreren tausend Bewohnern wurde der Bevölkerung 1979/80 vorgelegt.

P 4 Naußlitz ist heute an mehreren Stellen mit Löbtau zusammengewachsen, so an der Kesselsdorfer Straße (ab Nr. 53 und 80 zu Naußlitz), Clara-Zetkin- und Wiesbadener Straße. Den alten Kern bildete ein Gassendorf, 1144 Nuendorf, 1311 Nuzadeliz genannt, das (aso. und dt. Entsprechung zu Novo sedlec = Neudorf) zusammen mit Altfranken, Dölzschen, Kaditz und Pesterwitz zur Domherrenpfründe des Meißner Hochstiftes gehörte. 1547 zählte man 9 Bauern, 3 davon waren Doppelhüfner, einer besaß 1 Hufe, die anderen 1 / i bis l/2 Hufe Land. Noch heute lassen die Ausmaße der Gehöfte in Altnaußlitz diese unterschiedlichen Besitzgrößen erkennen. Als nach dem Dreißigjährigen Krieg Bauern ihre Notlage durch Verkauf von einzelnen Flurstücken beheben wollten, so 1655 und 1672, untersagte man jede weitere Besitzzersplitterung. Das heute abgetragene Gebäude Altnaußlitz 8 hieß im Volksmund Polnische Villa, eine Schnitterkaserne für die polnischen Saisonarbeiter des Gutes Altnaußlitz Nr. 10, das heute nur Wohnungen beherbergt. Dahinter befand sich früher ein Plänersteinbruch, der Bausteine für Häuser und Gartenmauern in Naußlitz, Roßthal, Dölzschen und Gorbitz lieferte. Der heute gewerblich genutzte Dreiseithof Nr. 11 trägt am Schlußstein der kleinen Pforte die Inschrift I G P D 1782 und eine fünfzackige Krone. 1858 gehörten zu Naußlitz nur 13 Wohnhäuser mit 134 Bewohnern. Nach 1871 entstanden die ersten Wohngebäude außerhalb des alten Dorfes an der Kesselsdorfer und an der Pietzschstraße. Um 1890 gab es 3 Ziegeleien. 1910 wurde der Straßenbahnhof Naußlitz nach Wölfnitz verlegt. Bis 1928 waren im wesentlichen nur der Anfang der Saalhausener Straße und der Ortsteil an der Kesselsdorfer, 228

Wendel-Hipler- und Pietzschstraße bebaut. In den folgenden Jahren errichteten P 4 verschiedene Baugenossenschaften große Siedlungen an der Saalhausener, Lange-, Oskar-Mai-, Düsseldorfer und Mühlheimer Straße. Der Name Holzhausen für das Gebiet an der Wiesbadener, Rüdesheimer und Alfred-Thiele-Straße rührt von der Holzbauweise der Häuser her. Eine Filialschule eröffnete Naußlitz in einem gemieteten Zimmer der Williamstraße 1877 für 37 Schüler. Im Jahre 1879 weihte die Gemeinde das erste Schulhaus in der heutigen Wendel-Hipler-Straße ein. Es diente später als Gemeindeamt und dann als Hilfsschule, bevor es abgerissen wurde. A m 1 1 . 9 . 1899 wurde die heutige 38. P O S Alfred Thiele, Saalhausener Straße 61, ihrer Bestimmung übergeben.

Roßthal mit Neunimptsch

P5

Roßthal war ein Platzdorf (1319 Rostyl = aso. Leute eines Rostyl oder aso. Rozdel = Gabelung, Zerteilung) und unterstand im Mittelalter dem Meißner Domkapitel. 1547 hatte es 9 Bauern, darunter 2 Doppelhüfner. 1628 belehnte der evangelische Dompropst — auch nach der Reformation bestand der Grundbesitz des Bistums weiter — den kurfürstlichen Kammerdiener U L L M A N N mit Roßthal, das zum Rittergut erhoben wurde. 1657 ließ A L E X A N D E R V O N K R Ä H E das Schloß errichten. Unter seiner Herrschaft hatten die Einwohner — 13 Bauern und 3 Häusler — neben Röhrfahrts- und anderen Diensten 74 Ackertage und 189 Handtage zu leisten, ihre Kinder als Zwangsgesinde dienen zu lassen und einen Knecht für das Ostragut zu stellen. Seit 1736 besaß die Familie von Nimptsch das Rittergut, C A R L S I E G M Ü N D V O N N I M P T S C H , Direktor der Meißner Porzellanmanufaktur, schmückte den Park mit Wasserkünsten, Grotten und Vexierspiegeln, erhöhte den Schloßturm, nur um die Aussicht in das weite Land genießen zu können. Das Äußere des Schlosses und der achtseitige Turm wurden 1858 von C A R L M O R I T Z H Ä N E L im Stil der deutschen Renaissance umgebaut. Dem Schloß gegenüber steht im Park eine Einsiedelei, die auch als Kapelle bezeichnet wird, ein kleiner rechteckiger Bau mit Zeltdach. Daneben befindet sich der Zugang zum Park, ein spitzbogiges Tor, das durch ein barockes Gitter abgeschlossen ist. Nach 1945 wurde das 224 ha große Gut volkseigen; vorübergehend war die Verwaltung der volkseigenen Güter Sachsens hier untergebracht. Die landwirtschaftliche Nutzfläche, übernahm später das V E G Gartenbau Pesterwitz, das auch Rinderhaltung betreibt. Um Facharbeiternachwuchs ausbilden zu können, richtete das Volksgut in einem der Gebäude seine Betriebsberufsschule ein, im ehemaligen Schloß ein Internat. Unweit davon hat das Wissenschaftliche Zentrum der Abteilung Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft beim R a t des Bezirkes Dresden seinen Sitz. Der landwirtschaftliche Charakter von Roßthal und Dölzschen wird durch Ställe des V E G Mastkömbinat Dresden noch verstärkt. So befindet sich in Roßthal eine Quarantänestation und an der Kreuzung Wurgwitzer Straße/Jochhöh ein Betriebsteil des Kombinats'. An der Stelle eines 1430 untergegangenen Dorfes Beerhut steht heute Neunimptsch. Es geht auf G Ü N T E R K A R L A L B R E C H T V O N N I M P T S C H zurück, der nahe der Niedergorbitzer Grenze um 1785 Drescherhäuser anlegen ließ, sowie 16

Dresden

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P 5 auf die alten Jägerhäuser, die Roten Häuser, in Fortsetzung der Beerenhut an der Pesterwitzer Grenze. Bergleute aus dem Plauenschen Grund fanden in der neuen Siedlung nur ungern Aufnahme, weil sie bei Krankheit und Arbeitsunfähigkeit ohne Unterstützung blieben und von der Gemeinde versorgt werden mußten. Erst nach Begründung der Knappschaftskasse traten sie seit 1816 häufiger als Mieter auf, später auch als Besitzer von kleinen Häusern, die der Beerenhut und der unteren Neunimptscher Straße einen besonderen Charakter verleihen und sich kaum von der Bebauung in Niedergorbitz unterscheiden. Nur südlich des Cafés Grießbach, das wegen seiner umfassenden Aussicht auf Dresden beliebt ist, säumen einige Mietshäuser und Villen die Straße nach Roßthal. 1826 betrugen die Frondienste der Neunimptscher Häusler für das Rittergut 81 Manns- und 100 Weibstage, die nach W a h l der Gutsherrschaft entweder von früh 6 bis abends 6 Uhr abzuarbeiten oder in Geld abzustatten waren, der Mannstag zu 4, der Weibstag zu 2 und 3 Groschen. An Erbzinsen waren über 190 Taler, von einigen Grundstücken auch noch Zinsgetreide zu entrichten.

P 6 Dölzschen Die Dölzschener Flur hebt sich vom Weißeritztal in 130 m Höhe bis auf 240 m ü. N N empor. Eine reiche Hinterlassenschaft kaltzeitlicher Ablagerungen, vor allem auch von Kiesmoränen, die den alten Eisrand bezeugen, kennzeichnen hier die Dresdner Randhöhen. Die verbreitete Decke aus Lößlehm und die darunterliegenden Schichten des Pläners hat die Dölzschener Flur mit dem gesamten Westrand gemeinsam. Hervorragend sind die prächtigen Fernsichten bis zur Wantewitzer Kirche im N W , über die Lausitzer Berge, den Höhenrand bei Pillnitz und Teile der Sächsischen Schweiz, ergänzt durch Nahblicke auf das Industriegebiet von Freital, den Windberg und Teile des Erzgebirges nach S, auf Dresden im N. Dölzschen gliedert sich in das alte Rundplatzdorf mit seinen jüngeren Ausbauten, das tiefer gelegene Landhausviertel um die Hohendölzschener Straße und an beiden Seiten der Grenzallee und in die Industrieanlagen im Plauenschen Grund (s. O 3). Als 1144 Deltsan (aso. Delcane = Burgbewohner) durch König KONRAD III. dem Meißner Hochstift zugesprochen wurde, war Dresden noch in keiner Urkunde erwähnt worden. Nach der Auflösung des Bistums galt das Prokuraturamt Meißen als Besitzer. 1742 ließ ein späterer Grundherr, C A R L S I E G M U N D V O N N I M P T S C H (S. P 5 ) , die Carlsburg am Platz der späteren Begerburg bauen. Diese weithin sichtbare, 1842 errichtete spätromantische Villa vermittelt eine Vorstellung davon, wie man sich in jener Zeit mittelalterliche Burgen dachte. Das alte Weinbergschlößchen Juchhöh oder Jochhöh geht auf G. K A R L A L B R E C H T V O N N I M P T S C H zurück, der 1794 den Bau an der Grenze gegen das heutige Freital errichten ließ. Das barocke Bauwerk bildet mit seinem Walmdach und seinem Dachreiter ein Wahrzeichen dieser Gegend und bekrönt wirkungsvoll den Talrand des Freitaler Beckens. V o m Türmchen bietet es eine Aussicht bis in das Elbsandsteingebirge. Der Terrassengarten weist auf früheren Weinbau hin. Seit einem 1953 erfolgten Umbau dient es heute dem R a t des Kreises Freital als Feierabendheim. 230

A n die Weinberge an den H ä n g e n des Plauenschen Grundes erinnern z w a r noch einige Terrassen, aber der Steinbruchsbetrieb h a t diese Anlagen weitgehend vernichtet. D o c h noch 1891 gab es in Dölzschen einen Winzer. N a c h dem ersten Weltkrieg legte der Naturheilverein L ö b t a u auf der H ö h e das 9 h a große L u f t b a d an. 1816 gründeten Dölzschen mit R o ß t h a l und N a u ß l i t z einen Schulverband. Die Schulstube für 43 K i n d e r befand sich in einem D o r f h a u s Wurgwitzer Straße 28. 1840 wurde das erste Schulhaus mit 2 Klassen eingeweiht, 1898 das Gebäude der jetzigen 81. P O S Willi Ermer. Mangels ausreichender archäologischer Funde k a n n auch heute noch nicht eindeutig entschieden werden, ob der Burgwartberg zwischen Dölzschen und Pesterwitz der Standort des befestigten Sitzes Thorun ist. Die älteste U r k u n d e , die den Namen Dresden erwähnt (1206), enthält einen Schiedsspruch des Markgrafen D I E T R I C H in einem Streit zwischen dem Bischof v o n Meißen und dem Burggrafen von Dohna, der eine B u r g Thorun auf bischöflichem B o d e n wieder aufgebaut hatte. Der Altstädter Nordwesten Der Altstädter Nordwesten wird durch eine Reihe v o n Dörfern längs der E l b e geprägt, die N u t z e n ebenso v o m Strom wie v o n der Straße nach Meißen (heute F 6) zogen. D a die E l b e nach dem großen Bogen u m K a d i t z das linke U f e r unterschneidet, sind hier wieder Steilhänge an der E l b e vorhanden, freilich nicht vergleichbar mit den mächtigeren Elbhängen oberhalb der S t a d t , denn sie sind wesentlich niedriger, o f t nur 20 bis 30 m hoch, und sie liegen auf der Schattenseite. Uber den Steilhängen findet sich das gleiche Relief vor, wie es den Westrand der E l b t a l w e i t u n g charakterisiert und am besten v o n der Trasse der A u t o b a h n oberhalb v o n K e m n i t z nachgezeichnet w i r d : weit ausladender flacher Anstieg auf nur wenig gegliederten Plänerplatten mit Lößlehmdecke. Der erste Bergsporn auf der linken Elbseite h a t schon in sehr alten geschichtlichen Zeiten den Menschen Schutz geboten. Daher w a r er durch W a l l a n l a g e n gesichert, später Standort einer der ältesten Kirchen des Elbgaues und Sitz eines Burgwards (s. Q 4). E r s t die E n t w i c k l u n g der S t a d t Dresden h a t Briesnitz seiner Vorrangstellung b e r a u b t ; die größeren Reserven an Wohngebietsland und das Entstehen eines innerstädtischen Straßenknotens beim weiteren Ausbau der Wohnsiedlungen haben Cotta einen gewissen V o r r a n g gegeben. V o n hier aus sind auch die nördlichsten Teile des Westrandes der E l b t a l w e i t u n g in L e u t e w i t z und Omsewitz aufgeschlossen worden. Mit dem A u f b a u eines modernen Wohngebiets auf Obergorbitzer F l u r (s. P 3) werden sich die Relationen freilich ändern. Denn diese große Siedlungszelle l ä ß t die noch weitgehend freien Flächen i m W verschwinden, und W ö l f n i t z , L ö b t a u und Cotta werden mehr oder weniger zusammenwachsen. Cotta mit seiner F l u r zwischen Friedrichstadt (Weißeritz), L ö b t a u (Bramschstraße), Leutewitz (Gottfried-Keller-Straße/Klaus-Groth-Straße), Gorbitz (Weidentalstraße) und Briesnitz (Gottfried-Keller-Platz) ist erst 1893 durch die V e r l e g u n g 16*

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l des Weißeritzlaufes zu einem Ort an diesem Fluß geworden. Sein flach gegliedertes Gelände, dessen zahlreiche Sümpfe dem Dorf die Bezeichnung Frosch-Cotta einbrachten, wurde bis dahin allein vom Cotter- oder Weidigtbach durchflössen, der am Schusterhaus in Cotta, also an der heutigen Weißeritzmündung, die Elbe erreichte. Teile dieses Baches fließen oberhalb und unterhalb der Steinbacher Straße noch offen dahin. Der neue Weißeritzlauf brachte Cotta 1897 allerdings durch das Weißeritzhochwasser beträchtlichen Schaden; das Schusterhaus mußte abgerissen werden. Bis zum Anfang des 19. Jh. war Cotta noch als Gassendorf zu erkennen. Erstmalig genannt wurde es 1328, als Hermann der Ältere von Kottowe (aso. Ort des Kot oder Chot) ein Drittel des Dorfes und später noch das Herrengut, ungefähr am Platz der 34. POS gelegen, verkaufte. Das Dorf stand unter bischöflicher Lehenshoheit und unter dem Dingstuhl zu Briesnitz (s. Q 4). Die Güter aber gehörten unter die Botmäßigkeit verschiedener feudaler Herren. Seit 1416 begann das Domstift, die grundherrschaftlichen Rechte von den weltlichen Herren zurückzuerwerben. Das erfolgte bis 1 5 1 2 . Dann wurde der Vorwerksbesitz aufgelöst und an Bauern verteilt. Als der Bischof 1559 seine Dörfer um Briesnitz dem Kurfürsten übergab, ging auch Cotta an den Landesherrn über. Bei der Gründung des Kammergutes Ostra (s. C 1) mußten die Cottaer 1568 fast die Hälfte ihrer Flur, gegen 100 ha, dorthin abtreten. Die meisten Enteigneten wurden nur mit Geld abgefunden; ein kleiner Teil erhielt als Ersatz 40 ha aus den Restfeldern des Großen Vorwerks zu Briesnitz. Die Enteignungen veränderten die soziale Struktur des Dorfes, das nun neben wenigen Hufenbauern mehr kleine Wirtschaftsbesitzer — Gärtner — und Häusler unter seinen Einwohnern zählte. Von der alten dörflichen Bausubstanz hat sich kaum noch etwas erhalten. Hebbelstraße 26 befindet sich das Faustsche Weingut mitRundbogentor und -pforte sowie einem Rebstock im Türschlußstein. An seinem Straßengiebel wird die Geschichte dieses Hauses in einer langen Inschrift beschrieben. Weniger durch die eigene industrielle Entwicklung als durch die Industrialisierung von Löbtau und die neuen Funktionen der Friedrichstadt entwickelte sich das Bauern- und Häuslerdorf im 19. Jh. zum Arbeiterwohnort. Die wirtschaftliche Lage der Bewohner zeigte sich in dem niedrigen Steuereinkommensoll Cottas von 5 Mark pro Einwohner im Jahre 1900 gegenüber 18,54 Mark in Dresden und 37,92 Mark in Blasewitz. Das alte Dorf besaß nur wenige Straßen: den Löbtauer Kirchweg (Lübecker/ Cossebauder Straße), den Wölfnitzer (Gottfried-Keller-Straße) und den Gorbitzer Leichenweg (Gorbitzer Straße). Die Meißner Landstraße erlangte ihre jetzige Bedeutung erst nach dem Durchbruch der Schweriner Straße, der damaligen Wettiner Straße, 1875. Das Ansteigen der Einwohnerzahl auf das Sechsfache zwischen 1867 und 1900 zwang zum Ausbau eines Straßennetzes. Die von N nach S führenden Straßen erhielten ihre Namen nach deutschen Dichtern, die von O nach W verlaufenden nach Dörfern der Umgebung. Spekulationsbauten und Erhöhung der Bodenpreise auf das Zwanzigfache (1 m 2 kostete 1879 0,50 Mark, 1899 aber 10 Mark) kennzeichnen diese Zeit. 1862 hatte die Stadt Dresden am Lerchenberg zum Mißvergnügen der Löbtauer und Cottaer die Cavillerei, eine Abdeckerei, errichtet, die erst 1915 in den neuen 232

Schlachthof verlegt wurde. Daneben warfen die Preußen 1866 eine Schanze auf, Q 1 die man 1875 abtrug (Schanzenviertel, Schanzenapotheke). Die DüngerexportGesellschaft entleerte die Fäkalien der Dresdner Abortgruben bei Cotta in die Elbe, ein Übelstand, der von der Stadt Dresden 1907 — 10 durch Ausbau der Schwemmkanalisation beseitigt wurde. Dabei machte sich die Versenkung von 2 Dükerröhren (Düker = Wasserleitung unter Gewässern) von 1,15 m und 2 m Durchmesser notwendig, die nahe der Flügelwegbrücke quer durch die Elbe geführt wurden (s. F 2). 1897 löste Cotta seine vielhundertjährige Zugehörigkeit zur Briesnitzer Kirche und bildete eine eigene Parochie. Schon 1895 hatte es eine heute gewerblich genutzte Interimskirche Hebbelstraße 18 errichtet. Mit dem Bau der heutigen Heilandskirche wurde 1914 kurz vor Beginn des ersten Weltkriegs nach dem Entwurf des Loschwitzer Architekten R U D O L F K O L B E begonnen. Die Arbeiten ruhten dann 11 Jahre, und erst 1927 erfolgte die Weihe. Nach 1945 erhielt der Turm die Stahlglocken der zerstörten Jakobikirche. Die katholische Marienkirche liegt auf einer Anhöhe der Gottfried-Keller-Straße. Sie wurde nach Plänen des Dombaumeisters A R N O L D G Ü L D E N P F E N N I G aus Paderborn durch den Architekten H E I N O O T T O erbaut und 1906 eingeweiht. 1869 schon hatte Cotta den Briesnitzer Schulverband verlassen und eine eigene Schule gegründet. 1873 und 1880 wurde das Schulhaus erweitert, 1889 ein zweites Schulgebäude und 1891 die erste Turnhalle errichtet. Die heutige 12. POS Arthur Weineck wurde 1891 als drittes Schulgebäude Cottas eingeweiht. Die Schulräume genügten aber bei der sprunghaften Bevölkerungszunahme nicht. Deshalb ließ die Stadt nach der Eingemeindung 1909/10 ein neues stattliches Schulgebäude durch Stadtbaurat E R L W E I N errichten, die jetzige 34. POS, damals die größte Volksschule Sachsens, nach einem früheren Freskobild auch Rübezahlschule genannt. Über einer Tür an der Cossebauder Straße brachte E R L W E I N ein Majolikarelief an. E s zeigt einen damaligen Stadtrat, der aus Sparsamkeitsgründen die Ausgaben für den Schulneubau kürzen wollte, mit einer riesigen Schere, während der Baumeister seine Hände schützend über sein Werk hält. Das 1945 schwer beschädigte Gebäude wurde 1949 wiederhergestellt. Das Hebbelbad wurde 1899 errichtet, 1922 von der Stadt übernommen und 1929 umgebaut. Das Luftbad, eine Gründung des Naturheilvereins Cotta, ging 1946 in städtischen Besitz über. A n der Mündung der alten Wasserschöppe, einem B a c h im Zug der heutigen Warthaer Straße, wurde 1872 das Hofbrauhaus mit einer Front von 120 m Länge an der Hamburger Straße erbaut. E s beschäftigte 1899 gegen 250 Leute. Die Brauerei wurde 1921, der Schankbetrieb 1922 eingestellt. Das Gebäude beherbergte dann die Pianofortefabrik Hupfeld-Zimmermann und seit 1935 ein Werk, das mit etwa 250 Arbeitern beispielsweise Rohre, säurebeständige Armaturen und Lötmittel herstellte. Der größte Teil des alten Hofbrauhauses wurde zu Wohnungen ausgebaut. Im Keller befindet sich das erste Lichtloch des 6 km langen Tiefen Erbstollens, in den man hier einsteigen kann. Zu diesem Stollenbau entschloß man sich, als es im Zauckeroder Kunstschacht 1808 zu einem großen Wassereinbruch gekommen war, bei dem 9 Bergleute ihr Leben einbüßten. Wegen der Kriegszeiten entstand die Anlage erst 1817 — 37. Dabei arbeitete man, um Schutt und Wasser

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Q l abführen und Frischluft zuführen zu können, von 9 Lichtlöchern (s. Q 2) aus; Reste des 4. Loches befinden sich im Garten Gottfried-Keller-Straße 35, das 7. bei Obergorbitz — Altfranken, das 8. und 9. am Burgwartberg bei Zauckerode. Obwohl man die Stollensohle nach dem bis dahin höchsten Elbwasserstand von 1784 festgelegt hatte, drang am 31. 3. 1845, als die Elbe noch höher stieg, das Wasser bis in den Frei taler Oppelschacht ein. Nach der Zerstörung des Dresdner Zentrums und seiner Theater 1945 war der Bedarf an geeigneten Sälen groß. In Cotta bot sich in der ehemaligen Tanzgaststätte Constantia die Möglichkeit, 1947 darin die Volksbühne zu eröffnen, das heutige Theater der Jungen Generation, das 1967 in seinem Theater auf der Treppe eine zusätzliche Spielstätte erhielt.

Q 2 Leutewitz wurde erst um die Jahrhundertwende von der Großstadt Dresden mit den ersten Ausläufern ihrer Wohnungsbautätigkeit erreicht. Die Flur des kurzen Straßendorfes liegt auf dem schwach ansteigenden Westhang der Elbtalweitung zwischen 130 und 160 m ü. NN. Plänersandstein, der auf der Nordhälfte der Flur von Lößlehm überdeckt ist, tritt auf der Südhälfte zutage und wurde um 1900 in mehreren Steinbrüchen zu beiden Seiten der Steinbacher Straße gebrochen, der Lehm in Ziegeleien verarbeitet. Die erste Erwähnung (1071 Luciwice) weist den Ort als Wohnsitz der Leute eines L u t aus. 1311 unterstand Lucewicz dem Domstift Meißen. 1378 zinsten die Bauern (Abb. 50) von Leutewitz an das Domkapitel Geld, Korn und Hafer und entrichteten dem Landesherrn Huthafer für Weiderechte in den markgräflichen Waldungen des Zschonergrundes. 1559 gelangte der Ort mit anderen Meißner Stiftsdörfern unter das A m t Dresden. 1839 entstand eine holländische Windmühle mit eingebauter Wohnung auf der Schutthalde des 5. Lichtloches des Tiefen Erbstollens (s. Q 1). 1844 kaufte sie WILHELM FELGENTREFF mit zugehörigem Ackerland und Weinberg und erbaute neben ihr eine Gastwirtschaft, die besonders in der Zeit der Baumblüte und der Mostherstellung ein beliebtes Ausflugsziel wurde. Wie bedeutend noch 1868 der Weinbau war, ersehen wir daraus, daß FELGENTREFF im eigenen kleinen Weinberg 25 Zentner Reben erntete und in Briesnitz 28 Zentner und 12 Pfund kaufte und ebenfalls kelterte. 1914 wurde die Mühle stillgelegt. Nahe der Steinbacher Straße gelegen, besteht sie heute als technisches Denkmal. Bis zur Gründung der Cottaer Parochie gehörte der Ort zur Kirche in Briesnitz, wohin auch die Kinder zur Schule gingen. 1876 baute Leutewitz mit Burgstädtel, Ockerwitz und Omsewitz zusammen eine Schule, die heutige 75. POS, Warthaer Straße 60. Damals bestand der Ort hauptsächlich aus Altleutewitz, dessen Bauernhäuser gegenwärtig ausschließlich Wohnungen beherbergen, während die Wirtschaftsgebäude zu Garagen oder für gewerbliche Zwecke umgebaut worden sind. Die ersten Ortserweiterungen erfolgten um 1900 an der Wilhelm-Müller-Straße und der Droste-Hülshoff-Straße, zwischen denen noch umfangreiche Gärtnereiflächen bestehen.

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Abb. 50. Gemeindesiegel (jeweils von links nach rechts) oben: Coschütz, "Ubigau; Mitte: Prohlis, Loschwitz, Poppitz; unten: Leutewitz, Altendresden

1906 erwarb die Stadt Dresden ein fast 7 ha großes Stück der Leutewitzer Flur und legte darauf 1 9 1 1 einen Volkspark mit Promenaden, Sport- und Spielplätzen an. Zwischen 1925 und 1935 entstand zwischen dem Park und Altleutewitz eine größere Anzahl von Eigenheimen. 235

Q 3 Omsewitz In frühdeutscher Zeit gehörte das Dorf Omsewitz (1317 Omasuwitz = aso. Leute des Omaz) dem Besitzer eines Vorwerks, das später den Namen Burgstädtel erhielt. Das Herrengut erwarb der Archidiakon von Nisan, der es 1317 dem Meißner Dom stiftete, Dieses Borckstadtel (1511) erhebt sich burgartig steil aus dem Omsewitzer Grund; das Herrengut wurde im 16. Jh. aufgelößt. 1390 und 1392 erwarb das Domkapitel auch zum großen Teil das benachbarte Bauerndorf Omsewitz, das 1559 unter das A m t Dresden kam. 1905 vereinigten sich Burgstädtel und das Dorf. A m Haus Altburgstädtel 7 hat sich ein Sitznischenportal aus der Renaissance erhalten. Jenseits vom Omsewitzer Grund stehen noch heute in Altomsewitz einige größere Gehöfte, so der burgähnliche Vierseithof Altomsewitz 2. Im Schlußstein des Rundbogentores ist unter einer fünfzackigen Krone und den Besitzerinitialen die Jahreszahl 1783 zu sehen. Die Omsewitzer Flur reicht aus dem Omsewitzer Grund bis auf die Höhen über Briesnitz in rund 200 m Höhe, die einen weiten Fernblick über das Elbtal gewähren. Nach dem ersten Weltkrieg entwickelte sich Omsewitz zur Wohnsiedlung für die Großstadt. Von den alten Ortsteilen aus entstanden die ersten Mehrfamilienhäuser an der Warthaer und an der Gompitzer Straße sowie an der Freiheit als Verbindungsstraße. Von dieser aus wurden nach W weite Teile der Flur in Erwerbsgartenland umgewandelt. Zwischen den Gärtnereien ziehen sich längs der Roitzscher, Gompitzer und Ziegeleistraße Kleinhaussiedlungen entlang. Die jüngste Omsewitzer Ortserweiterung, überwiegend mit 2- und 3-Familien-Villen, um die Martin-Opitz-Straße geht auf das Jahrzehnt zwischen 1920 und 1930 zurück.

Q 4 Briesnitz Die sorbische Siedlung Bresnice (1071, zu aso. breza = Birke) war in slawischer Zeit wahrscheinlich der Mittelpunkt einer Supanie. Darauf deuten auch Reste eines Burgwalles auf einem steil abfallenden Geländevorsprung dicht über der Elbe nahe der jetzigen Straßenbahnhaltestelle hin. Nach der Gründung der Mark und des Bistums Meißen 965/68 (s. Bd. 32, M 8.2) wurde die Anlage als Burgward übernommen und — weil am alten Bischofsweg nach O ( M e i ß e n Briesnitz—Stolpen—Göda—Bautzen) gelegen — ausgebaut. Bei der Verlegung der Eisenbahntrasse der Berliner Bahn im vorigen Jahrhundert, durch den Bau der neuen Dresdner Straße und der Straßeneinbindungen zur Autobahn wurde der Burgwall weitgehend zerstört, so daß nur noch kümmerliche Reste zu erkennen sind. Nach alten Unterlagen ist mit einem Durchmesser von reichlich 50 m zu rechnen. Sicherungsgrabungen vor 40 Jahren ergaben eine Befestigung mit Vorgraben und einem Wall mit einer steinernen Blendmauer an der Außenfront, mit hölzern gesicherten Lehmfüllungen und einer rückwärtigen mehrfachen Holzplankenwand. Verstärkungen der Anlage erfolgten spätestens im 11. Jh. Die Funde gehen in slawische Zeit zurück; älteste Münzen, Denare der Herzöge von Bayern, H E I N R I C H S I . (948 — 55) und H E I X 236

RICHS II. (955 — 76), stammen aus der ersten Zeit deutscher Herrschaft und den Q 4 Anfängen der Mark Meißen. Briesnitz war spätestens um 1100 wichtigster kirchlicher Stützpunkt des Dresdner Tieflandgaues Nisan. Die erste Kirche fand 1273 erstmals Erwähnung. Auf die Zeit um das Ende des 1 3 . J h . gehen das Chorpolygon, der Triumphbogen und das Ostfenster zurück. Das gesamte Gebäude wurde jedoch 1474 stark umgestaltet; aus dieser Zeit stammt das Chorgewölbe. Ihre heutige Form erhielt die Kirche 1882 durch den Umbau von L U D W I G GOTTHILF MÖCKEL.

1269 wird Briesnitz als Mittelpunkt des Archidiakonats Nisan genannt, in dem auch der Erzpriester von Dresden zeitweise seinen Sitz hatte. Hier tagte auch das bischöfliche Gericht, der Dingstuhl, dem 40 Dörfer unterstanden. Der Bischof hatte in diesen Dörfern die Obergerichtsbarkeit inne, in manchen auch das niedere oder Erbgericht, das in der Regel der Gutsherrschaft zustand. Briesnitz bestand im wesentlichen aus 2 Vorwerken, dem großen des Archidiakonats und dem kleinen des Bischofs. Die Erinnerung an die später vereinigten Vorwerke hält das Bennogut fest, Altbriesnitz 4, mit einem turmartigen Torhaus, einer Tafel zufolge nach dem Brand von 1769 neu errichtet. Auch der

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Großstücke Am Marktweg Schwarze Matter Tammes Großstücke

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Spitze zwischen zwei Wegen Auf dem Tännich t Förderbüsche Wolfszug Hinterbüsche

20 Galgenberg 21 Am Kemnitzer

237

Q 4 heutige V o l k s p a r k , 1768 angelegt, w a r ursprünglich V o r w e r k s g e l ä n d e . A u f ihren Reisen n a c h der B u r g Stolpen, die sich 1222 — 1 5 5 9 in bischöflichem B e sitz b e f a n d , f u h r e n die Bischöfe auf d e m linken E l b u f e r n a c h Briesnitz, stiegen hier a m B o r n g r a b e n , der bis e t w a 1930 als H o h l w e g u n m i t t e l b a r z u m S t r o m führte, zur Eisernen F u r t nieder u n d überquerten den Strom. E r s t als der Bischof 1555 u n d 1559 die V o r w e r k e auflöste u n d die Felder z u m g r o ß e n T e i l a n B a u e r n v e r g a b , entwickelte sich Briesnitz z u m eigentlichen bäuerlichen Gassendorf (Abb. 51). Infolge eines T a u s c h v e r t r a g s zwischen Bischof und K u r f ü r s t gelangte a u c h Briesnitz m i t seinen N a c h b a r d ö r f e r n u n t e r das kurfürstliche A m t in Dresden. U m 1850 b e s t a n d das Dorf (Bild 41) aus Altbriesnitz, den H ä u s e r n nahe der K i r c h e und einigen G r u n d s t ü c k e n a n der Meißner L a n d s t r a ß e bis z u m heutigen V o l k s p a r k . D e r 1 9 1 1 gegründete V e r e i n E i g e n h e i m b e b a u t e den S der F l u r a n der C o t t a e r Grenze. Dieser Ortsteil zählte schon 1919 ü b e r 2500 B e w o h n e r und 1936 insgesamt 364 H ä u s e r m i t 775 W o h n u n g e n . A n den in der ersten H ä l f t e des 19. Jh. betriebenen R e b b a u erinnert ein W e i n b e r g h ä u s c h e n in der Meißner L a n d s t r a ß e 2 b, ein schlichter zweigeschossiger B a u m i t Zeltdach. D i e älteste namentliche N e n n u n g eines Schulmeisters s t a m m t aus d e m Jahre 1 5 1 1 . 1602 brannte die Schule zugleich m i t d e m K i r c h t u r m d u r c h B l i t z s c h l a g ab. 1695 m u ß t e der L a n d b a u m e i s t e r MATTHÄUS SCHUMANN ein neues G e b ä u d e errichten. Dorthin schickte das ganze Kirchspiel m i t seinen 27 D ö r f e r n v o n der W e i ß e r i t z bis z u m T ä n n i c h t g r u n d bei N i e d e r w a r t h a K i n d e r z u m U n t e r r i c h t . D i e alte Schule, Merbitzer S t r a ß e 9 (76. P O S ) , w u r d e 1880, die T u r n h a l l e 1903 errichtet. D i e neue Schule a m Schulberg bezog m a n 1903. 1927 w u r d e ihr ein 3 000 m 2 großer Schulgarten angegliedert. A u f d e m G r u n d s t ü c k der ehemaligen Stadtgärtnerei nahe d e m V o l k s p a r k richteten Lehrer und Schüler m i t städtischer U n t e r s t ü t z u n g den S p o r t p l a t z der J u n g e n Pioniere her. D i e Gemeinde Briesnitz ließ 1904 nahe d e m B o r n g r a b e n einen 64 m tiefen B r u n n e n bohren, u m T r i n k w a s s e r zu gewinnen. D a b e i erbohrte m a n einen eisenhaltigen Säuerling. Zu dessen A u s n u t z u n g w u r d e 1910 eine Gesellschaft m i t beschränkter H a f t u n g gegründet. D a s W a s s e r v e r w e n d e t e m a n a u c h als Heilwasser; heute wird das Briesnitzer Mineralwasser enteisent u n d dient der B e r e i t u n g alkoholfreier G e t r ä n k e im V E B B r a m s c h .

ß 5 Kemnitz, ein ehemaliges P l a t z d o r f und 1254 als Kemeniz (aso. kamenica = Steinbach) erstmalig genannt, w u r d e 1324 v o n den Meißner D o m h e r r e n HEINRICH und ALBRECHT VON GUBEN erworben. E s u m f a ß t e 6 H u f e n , eine Mühle und einen G a r t e n . A u c h P f a h l w e r k e m i t W e i d e n g e f l e c h t z u m F i s c h f a n g in der E l b e geh ö r t e n d a z u . Sie w u r d e n w e i t in den S t r o m h i n a u s g e b a u t und erst i m 17. Jh. w e g e n der B e h i n d e r u n g der S c h i f f a h r t beseitigt. D e r alte D o r f k e r n , a n der K r e u z u n g der Zschonergrundstraße m i t der S t r a ß e A m K i r c h b e r g gelegen, wurde 1935 d u r c h den B a u der A u t o b a h n a n s c h l u ß s t e l l e D r e s d e n - A l t s t a d t f a s t völlig beseitigt. E i n e Mühle wird 1324 e r w ä h n t . Sie lag 238

wohl mitten im Dorf in der N ä h e des Zschonergrundbach.es und w a r nicht mit der erst 1566 erbauten Weltemühle identisch. E r s t u m 1900 erfolgte eine stärkere Zunahme der Einwohnerschaft. Die Häuser aus jener Zeit säumen die Straßen im E l b t a l und a m linken H a n g des Zschonergrundbaches. Jüngere Siedlungen besetzen die oberen Hangteile. Die Häuser beim Lindenplatz entstanden u m 1925, die weiter westlich gelegenen und die an der Merbitzer Straße um 1930. A m A u s g a n g des Zschonergrundes, der wegen seiner Naturschönheit z u m Landschaftsschutzgebiet erklärt worden ist, wurde 1927 unmittelbar an der Stadtgrenze das vielbesuchte Zschonergrundbad geschaffen.

Stetzsch, 1260 erstmals als Steiz (aso. staja — Stall, Gehöft) genannt, stand unter bischöflich-meißnischer Oberhoheit und gehörte unter den Dingstuhl v o n Briesnitz (s. Q 4) bis zum Jahre 1559, als der Bischof auch Stetzsch an den K u r f ü r s t e n abtrat. 1568 wurde es dem neugegründeten K a m m e r g u t Ostra (s. C 1) dienstpflichtig und blieb es bis zur Ablösung der Fronen 1828. Die bis z u m Siebenjährigen Krieg dicht bewaldeten Berghänge v o m Zschonergrund bis Cossebaude waren ein wildreiches Revier, seit 1667 kurprinzliches Jagdgehege. Bis gegen 1880 bestand das Dorf, das heutige Altstetzsch, nur aus 2 kurzen Häuserreihen eines Platzgassendorfes, die ein D a m m gegen Elbhochwasser schützt. Seine schlichten Häuser dienen heute ausschließlich W o h n - u n d Gewerbezwecken. Die Gartenmauern bestehen teilweise aus Pläner, einige H ä u s e r haben verputztes F a c h w e r k , so Nr. 2 aus dem Jahre 1827, einige sichtbares Fachwerk, wie Nr. 12 und 13. N a c h dem B a u der Berliner B a h n 1875 stieg die Einwohnerzahl rasch an. Die älteren Wohnhäuser entstanden zunächst zwischen Dorf und Meißner L a n d straße. Eine Schule, die heutige 77. P O S Oswald Rentzsch, A m Urnenfeld 27, besteht seit 1877, ein neuer B a u seit 1902. Neben Kiesgruben wurden Gartenbaubetriebe und Baumschulen angelegt, so daß die aufgelockerte B a u w e i s e des Stadtteiles auffällt. B i s e t w a 1930 w a r die Stetzscher F l u r zwischen Flensburger Straße und Meißner L a n d s t r a ß e völlig parzelliert und b e b a u t , so d a ß jüngere Siedlungsteile fehlen. D u r c h die E n t d e c k u n g eines ausgedehnten Urnenfeldes (vergleiche den Straßennamen A m Urnenfeld) wurde die urgeschichtliche Besiedlung belegt.

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