Dresden: Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme [Reprint 2021 ed.] 9783112529805


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German Pages 314 [320] Year 2023

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INHALTSVERZEICHNIS
AUTORENVERZEICHNIS
VERZEICHNIS DER SUCHPUNKTE
Überschau
Der Naturrahmen
Erdgeschichtliche Grundlagen
Natur räumliche Feingliederung
Klimatische Besonderheiten
Vegetation
Tierwelt
Der Siedlungsraum
Siedlungsgang in ur- und frühgeschichtlicher Zeit
Gründung Dresdens und historische Züge im Bild der Stadt
Differenzierung des Stadtgebiets im 19. und 20. Jahrhundert
Überblick zur baugeschichtlichen Entwicklung
Zerstörung und Wiederaufbau
Zur Geschichte der Arbeiterbewegung
Einzeldarstellung
Anhang
A. Einwohnerzahlen vom 16. bis 20. Jahrhundert
B. Gedenkstätten der Arbeiterbewegung, des antifaschistischen Widerstandskampfes und der Befreiung durch die Sowjetarmee
C. Baumarten auf Straßen und in Parkanlagen
D. Literaturverzeichnis
E. Abbildungsverzeichnis
F. Verzeichnis der Personennamen
G. Verzeichnis der topographischen Namen
Tafel
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Dresden: Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme [Reprint 2021 ed.]
 9783112529805

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DRESDEN

Akademie der Wissenschaften der DDR Institut für Geographie und Geoökologie Arbeitsgruppe Heimatforschung

Werte unserer Heimat Heimatkundliche Bestandsaufnahme in der Deutschen Demokratischen Republik

Band 42

Dresden Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme Von Alfred Hahn und Ernst Neef

Mit 51 Abbildungen, 32 Kunstdrucktafeln, 1 Übersichtskarte

Akademie-Verlag • Berlin 1985

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats für Heimatforschung des Instituts für Geographie und GeoÖkologie der Akademie der Wissenschaften der D D R Prof. Dr. habil. Dr. eh. Edgar Lehmann, Leipzig (Geographie, Vorsitzender), Prof. Dr* sc. Heinz Lüdemann, Leipzig (Geographie, Direktor des Instituts), Prof. Dr. habil. Ludwig Bauer, Halle (Geographie, Naturschutz), Dr. habil. Karlheinz Blaschke, Dresden (Geschichte), Prof. Dr. sc. Werner Coblenz, Dresden (Ur- und Frühgeschichte), Prof. Dr. sc. Karl Czok, Leipzig (Geschichte), Prof. Dr. habil. Ernst Ehwald, Eberswalde (Bodenkunde), Prof. Dr. Edgar Lehmann, Berlin (Kunstgeschichte), Prof. Dr. habil. Hermann Meusel, Halle (Botanik), Prof. Dr. sc. Günter Möbus, Greifswald (Geologie), Prof. Dr. Hans Nadler, Dresden (Denkmalpflege), Prof. Dr. habil. Ernst Neef, Dresden (Geographie), Prof. Dr. Werner Radig, Berlin (Hausforschung), Dr. sc. Rudolf Weinhold, Dresden (Volkskunde), Dr. sc. Dietrich Zühlket, Dresden (Geographie)

Leitung der wissenschaftlichen Bearbeitung und Redaktion: Dr. sc. Dietrich Zühlket, Akademie der Wissenschaften der D D R , Institut für Geographie und Geoökologie, Arbeitsgruppe Heimatforschung, 8010 Dresden, Augustusstr. 2

2., berichtigte Auflage Erschienen im Akademie-Verlag, D D R - 1 0 8 6 Berlin, Leipziger Straße 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1984 Lizenznummer: 202 * 100/189/85 Printed in the German Democratic Republic Satz: V E B Druckhaus „Maxim Gorki", D D R - 7 4 0 0 Altenburg Druck und buchbinderische Weiterverarbeitung: V E B Druckerei „Gottfried Wilhelm Leibniz", 4450 Gräfenhainichen X^SV 5235 • P 121/83 Bestellnummer: 754 050 6 (2084/42) 01250

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort Autorenverzeichnis Verzeichnis der Suchpunktc Überschau Der Naturrahmen Erdgeschichtliche Grundlagen Naturräumliche Feingliederung Klimatische Besonderheiten Vegetation Tierwelt Der Siedlungsraum Siedlungsgang in ur- und frühgeschichtlicher Zeit Gründung Dresdens und historische Züge im Bild der Stadt Differenzierung des Stadtgebiets im 19. und 20. Jahrhundert Überblick zur baugeschichtlichen Entwicklung Zerstörung und Wiederaufbau Zur Geschichte der Arbeiterbewegung Einzeldarstellung Anhang A. Einwohnerzahlen vom 16. bis 20. Jahrhundert B. Gedenkstätten der Arbeiterbewegung C. Baumarten auf Straßen und in Parkanlagen D. Literaturverzeichnis E. Abbildungsverzeichnis F. Verzeichnis der Personennamen G. Verzeichnis der topographischen Namen

. . . . . . . .

VII IX XI 1 3 3 5 11 12 16 19 19 22 26 30 35 45 55 240 240 243 248 251 256 258 266

V

VORWORT

Die langjährige Beschäftigung mit der geschichtlichen Entwicklung Dresdens während der Tätigkeit von Herrn Alfred Hahn als Lehrer und Stadtarchivar fand ihren Niederschlag in einem für die Zwecke der heimatkundlichen Bestandsaufnahme 1950—55 geschaffenen inhalts- und umfangreichen Manuskript über die Stadt. Da sich um diese Zeit der Wiederaufbau der zerstörten Stadt noch in seinem Anfangsstadium befand, hätte eine Veröffentlichung damals im wesentlichen nur die historischen Perioden in der Entwicklung Dresdens berücksichtigen können. D a aber das Werden und die Perspektive auch der sozialistischen Stadt im Sinne einer umfassenden Bestandsaufnahme nicht unberücksichtigt bleiben sollten, mußte die Veröffentlichung noch aufgeschoben werden. Die Zeit wurde genutzt, um das Manuskript auf einen für die Drucklegung vertretbaren Umfang zu reduzieren, eine Fassung, die Alfred H a h n zu Lebzeiten 1971 noch autorisiert hat. In der Folge haben Fachwissenschaftler Spezialbeiträge mit besonderer Blickrichtung abgefaßt und fehlende Sachverhalte ergänzt. Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Heimatforschung waren um eine Aktualisierung der Aussagen des Hahnschen Manuskriptes bemüht. Außerdem konnte mit Hilfe der beratenden und begutachtenden Tätigkeit der Dresdner Arbeitsstelle des Instituts für Denkmalpflege eine Form gefunden werden, die bei der Stadt Dresden außerordentlich große Fülle der Bau- und Kunstdenkmäler in einem noch vertretbaren Rahmen zu würdigen. In diesem Fall wie auch bei verständlichen W ü n schen nach weitergehenden Fakten zur geschichtlichen Entwicklung muß auf Spezialliteratur verwiesen werden. Die Methodik der Buchreihe verlangt diese Beschränkung; doch mit der Neugliederung der Einzeldarstellung wurde ein Ausgleich versucht, der das entwicklungsgeschichtliche Phänomen und die vielfältigen strukturmäßigen Beziehungen innerhalb des Stadtkomplexes berücksichtigt. Die in den Bänden 9, 21, 22 und 27 bereits ausführlich beschriebenen Vororte wurden mit Kurzfassungen einbezogen. Wir können Herrn Prof. Dr. Ernst Neef nicht dankbar genug sein, daß er als kompetenter Dresdner Geograph die Bitte erfüllte, das Manuskript in eine endgültige Fassung zu bringen, die durch sinnvolles Inbeziehungsetzen von vorhandenen Beiträgen mit seinen eigenen Landschaft und Kulturgeschichte dieser einzigartigen Stadt, ihre Physiognomie, ihre wesentliche Struktur, aber auch bemerkenswerte Details lebendig werden läßt. Der Ruhm, den Dresden über die Grenzen unseres eigenen Landes hinaus in aller Welt genießt, machte die Herausgabe eines Bandes über diese Stadt in der Reihe „Werte unserer Heimat" nicht einfach. U m so dankbarer dürfen wir VII

der verständnisvollen Mitwirkung der Autorenschaft über einen verhältnismäßig langen Zeitraum gedenken. Aber auch ohne vielfältige Hilfestellungen örtlicher Institutionen hätte das W e r k nicht vollendet werden können, so daß wir uns — stellvertretend für weitere — bedanken beim Botanischen Garten, beim Büro des Stadtarchitekten, beim Institut für Denkmalpflege, Arbeitsstelle -Dresden, beim Staatsarchiv Dresden und bei den Staatlichen Kunstsammlungen. Herzlichen Dank wissen wir auch zwei mit der Stadt besonders eng verbundenen und vertrauten Wissenschaftlern, dem Architekten und leitenden Denkmalpfleger Prof. Dr. Hans Nadler und dem Historiker und emeritierten Direktor des Staatsarchivs Dr. Horst Schlechte, daß sie sich der Mühe der abschließenden Durchsicht des gesamten Manuskriptes unterzogen; als Ergebnis ihrer umfangreichen Sachkenntnis konnten zahlreiche Verbesserungen, Berichtigungen und Ergänzungen in die Endfassung einfließen. Prof. Dr. sc. H. Lüdemann

VIII

Prof. Dr. habil. Dr. eh. E. Lehmann

Dr. sc. D. Zühlket

AUTORENVERZEICHNIS

Alfred Hahnf Prof. Dr. habil. Ernst Neef, 8019 Dresden, Florian-Geyer-Straße 44 Spezialbeiträge von: Prof. Dr. sc. Werner Coblenz, Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden (Ur- und Frühgeschichte) Dr. Werner Hempel, Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der D D R , Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz Halle, Zweigstelle Dresden (Botanik) Dipl.-Ing. Johannes Hunger, Büro des Stadtarchitekten Dresden (Zerstörung und Wiederaufbau) Hans F . Kammeyerf (Baum- und Gehölzarten) Dr. Walter May, Deutsche Fotothek Dresden (Überschau: Baugeschichtliche Entwicklung) Rolf Otte, Museum für Geschichte der Stadt Dresden (Geschichte der Arbeiterbewegung) Dr. habil. Heinz Schiemenz, Akademie der Landwirtschaftswissenschaften d e r D D R , Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz Halle, Zweigstelle Dresden (Zoologie) Prof. Dr. sc. Hans Walther, Wissenschaftsbereich Namenforschung der K a r l Marx-Universität Leipzig (Ortsnamen) Textbearbeitung: Dr. sc. Dietrich Z ü h l k e j und Dr. Werner Schmidt Kartenredaktion: Dipl.-Geogr. Joachim Bieler und Dr. Werner Schmidt Manuskript abgeschlossen am 15. 4. 1981

IX

VERZEICHNIS DER SUCHPUNKTE

Die Nummern entsprechen denen am Rande des Textes sowie denen auf der Übersichtskarte A

. . . . . . . .

55 55 58 61 62

Zwinger Theaterplatz Schloßkomplex Neumarkt Brühische Terrasse . . . Elbe Neu erbaute Altstadt. . .

64 70 73 76 78 81 84

Innere Vorstädte der Altstadt . . .

87

B

1 Pirnaische Vorstadt . . . 2 Seevorstadt . . . . . . . 3 Wilsdruffer Vorstadt . .

87 91 93

C

Äußere Vorstädte der Altstadt

A

Stadtkern der Altstadt Griindungszeit. . . . . Altstadt als Festung . Entwicklung zur City Neuaufbau 1 2 3 4 5 6 7

B

E E

Äußere Neustadt

Nordwestliche Vororte .

C

1 Friedrichstadt 2 Industriegasse westens 3 Südvorstadt 4 Großer Garten 5 Johannstadt

D D

Innere Neustadt 1 2 3 4 5

99 99

des

Süd107 108 114 118

. . . .

124

Neustädter Markt . . . . 126 Straße der Befreiung . . 127 . . . 129 Japanisches Palais Nord-Süd-Achse . . . . 131 Ehemaliger Festungsring 132

1 2 3 4

H H

J J

133 134 136 138 143

.144

144 1 Kaditz 2 Elbwinkel südlich der Flutrinne 148 3 Ubigau und Mickten . . . 150 4 Pieschen 152 5 Trachau 155 6 Trachenberge 157

G G

133

1 Leipziger Vorstadt (Neudorf) 2 Neustädter Bahnhof und Umgebung 3 Mittlerer Norden . . . . 4 Beiderseits der Bautzner Straße 5 Äußerer Norden

F F

. . . .

1 2 3 4

Nördliche Vororte . . . .

159

Wilschdorf Rähnitz Hellerau Klotzsche

160 160 160 161

Der Nordosten

161

Dresdner Heide Weißer Hirsch Bühlau Rochwitz

161 163 164 164

Nordöstliche der Elbe 1 Loschwitz 2 Wachwitz 3 Niederpoyritz

Vororte

an 164 165 170 170 XI

J

4 5 6 7

Hosterwitz Pillnitz Oberpoyritz Söbrigen

170 170 170 171

K — M D e r Osten bis Südosten

171

K

172 175 176 178 181 181

L

M

1 2 3 4 5 6

Striesen Neugruna Blasewitz Tolkewitz Laubegast Zschieren

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Gruna Seidnitz Dobritz Leuben Niedersedlitz Großzschachwitz Kleinzschachwitz Sporbitz Meußlitz

1 2 3 4 5 6 7 8

Strehlen Reick Torna Prohlis Nickern Lockwitz Kleinluga Großluga

. . .

181 183 184 185 187 189 .189 189 190 190 192 194 194 197 197 198 198

N - O Der Süden

198

N

199

XII

1 Zschertnitz

N

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Räcknitz Kleinpestitz Kaitz Mockritz Leubnitz-Neuostra Gostritz Nöthnitz Rosentitz Boderitz Cunnersdorf

O

1 2 3 4 5 6

Plauen Hoher Stein Plauenscher Grund. Coschütz Heidenschanze Gittersee

P P

1 2 3 4 5 6

Q Q

200 203 203 205 . . . 206 210 210 211 212 212

. .

213 215 .216 219 221 222

Der Westen

223

Löbtau Wölfnitz Gorbitz Naußlitz Roßthal mit Neunimptsch Dölzschen

223 226 226 228 229 230

Der Altstädter Nordwesten 231 1 2 3 4 5 6

Cotta Leutewitz Omsewitz Briesnitz Kemnitz Stetzsch

231 234 236 236 238 239

Überschau

Dresden wird mit Recht als eine der schönsten Städte der Erde gerühmt. In der glücklichsten Weise verbinden sich hier der Naturrahmen und das reiche Kulturwerk der Stadt mit ihren Kostbarkeiten. Diese einzigartige Kombination von Natur und Menschenwerk ist das Ergebnis der geschichtlichen Entwicklung im doppelten Sinne. E s ist einmal die E r d g e s c h i c h t e , die durch eine Folge bedeutender Ereignisse, insbesondere auch der jüngsten geologischen Vergangenheit, verschiedenartige Bildungen auf engem Raum und damit den Formenreichtum der Dresdner Landschaft entstehen ließ. E s ist das Ergebnis zugleich der K u l t u r g e s c h i c h t e bzw. der Stadtgeschichte, die der Gegenwart als Erbe vieler schöpferischer Generationen in einander ablösenden Gesellschaftsordnungen eine Stadtgestalt voller Reize und Schönheiten hinterließ. Mit diesem Erbe muß sich unsere Zeit auseinandersetzen, Wertvolles bewahren und das Ganze als eine den heutigen Lebensbedingungen entsprechende Großstadt weiterentwickeln oder umbauen, wo es erforderlich ist. Die unvergleichliche Schönheit Dresdens beruht sicher auf vielen reizvollen Einzelheiten. Das Ganze aber wird bei aller Vielfalt durch die harmonischen Proportionen in Natur und Bauwerken bestimmt. Ehe die natürlichen und kulturgeschichtlichen Bezüge im einzelnen dargestellt werden, muß dieses Maßwerk hervorgehoben werden, das sich von den verschiedensten Aussichtspunkten aus immer wieder überraschend und wechselnd erleben läßt. W e n n der Dresdner Rathausturm als geeigneter zentraler Standort für die Überschau über Dresden besonders genannt wird, so nur deswegen, weil sich von hier besonders die Entwicklung vom Stadtzentrum aus gut erfassen und der Naturrahmen in seinen großen Zügen überblicken läßt. Aber die Möglichkeiten, dem Stadtbild Dresdens in seiner Landschaft immer wieder neue Reize abzugewinnen, sind auch von vielen anderen Punkten aus in reichem Maße vorhanden. Die höher gelegenen Aussichtspunkte haben überdies den Vorteil, Dresdens Lage in einem größeren Landschaftsrahmen zu würdigen, wenn auch dieser Rahmen weit über das hier zu erläuternde Stadtgebiet hinausgreift. Der Schwung der Linien der Höhenzüge, die die Dresdner Elbtalweitung begrenzen, läßt den anmutigen Wechsel hervortreten, der jede Eintönigkeit oder Gleichförmigkeit ausschließt. So weicht die nördliche Umrandung der Talweitung, die oberhalb und unterhalb Dresdens als schroffer Steilhang emporragt, gerade bei Dresden in sanftem Bogen zurück und gibt der breiten, vermittelnden Hellerterrasse R a u m (s. Seite 5); der weite amphitheatralische Bogen des Westrandes schwingt von dem kleinen Steilhang an der E l b e bei Briesnitz bis zu den Südhöhen. So läßt die Elbtalweitung der Siedlung größere Ausdehnungsmöglichkeiten, die durch die Einmündung der Weißeritz und ihre 1

sw Freftal-Burgk Coschütz

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Abb. l. Geologisches Profil durch die Elbtalweitung (Entwurf K.-D. J Ä G E R , nach Geologischer Karte von Sachsen 1:25000, Nr. 66, 1892, vereinfacht und überhöht, sowie nach P I E T Z S C H 1963) 1 Syenodiorite 2 Granodiorite 3 Silur:

Tonschiefer des Elbtalschiefergebirges

Rotliegendes: 4

Stufe der vulkanischen Basisbildungen

Untere

5 6

Hornblendenporphyrit von Freital-Potschappel

Abteilung

„Steinkohlengebirge" mit Haupt-Steinkohlenflöz Stufe der Schieferletten (Sandsteine, „ L e t t e n " , Konglomerate) Stufe der Konglomerate und Brekzientuffe

Obere Abteilung

Pläner und Sandstein Planer des Unterturon (Stufe mit Inoceramus labiatus)

Cenoman Turon

Mergel des Mittelturon (Stufe mit Inoceramus lamarcki) Quartär: Terrassenschotter der Weißeritz

13 14

Talsande, Talkiese der Elbe Heidesand

Pleistozan

Nutzung als Wasserkraftquelle noch verstärkt worden sind. Nirgends kann man die große, nahezu 40 km lange Elbtalweitung mit einem Blick erfassen. Überall', schieben sich Teile der umrahmenden Höhen in das Blickfeld, nur nach SO ist der Blick frei und kann bei guter Sicht über die Tafelberge der Sächsischen Schweiz bis zu einigen Vulkankuppen des Böhmischen Mittelgebirges schweifen. Selbst die Elbe wirkt maßstabbildend. Sie belebt die Landschaft nicht nur als Strom und durch ihre grünen Talauen, sie bereichert die landschaftlichen Reize dadurch, daß sie oberhalb und unterhalb der Stadt hart an die steilen Hänge herantritt und sie eindrucksvoll ins Blickfeld setzt und daß sie im Inneren der2

NO

Dresdner

Heide

Stadt, wo sie in großen Windungen dahinfließt, immer neue Ausblicke sowie wechselnde Fluß- und Stadtbilder entstehen läßt. Mit einer durchschnittlichen Breite von 120 m rückt sie die Gegenstände so weit vom Beschauer ab, daß das städtebauliche Ensemble und einzelne größere Baugruppen mit einem Blick erfaßt werden können, doch wiederum nicht so weit, daß nicht bauliche Details noch wirksam würden. Einige Bilder C A N A L E T T O S zeigen das in hervorragender Weise.

Der Naturrahmen Erdgeschichtliche Grundlagen (Abb. 1) Schon im variszischen Gebirge, das vor rund 300 Millionen Jahren entstand, war das heutige Elbtalgebiet besonders kompliziert gebaut und ist seither immer wieder als Schwächezone, als geologisches Lineament, wirksam geworden. Im Rotliegenden, also zur Zeit der Abtragung des variszischen Gebirges, bestand hier eine Senke, in die die Abtragungsprodukte als meist rot gefärbte Konglomerate, Schiefertone oder feldspatreiche Sandsteine sedimentiert wurden. Stellenweise, wie im benachbarten Döhlener Becken in Freital, entstanden Steinkohlen. Die vulkanischen und tektonischen Kräfte der ausklingenden variszischen Gebirgsbildungsära waren noch stark genug, um vulkanische Ergüsse, ebenfalls im Freitaler Becken, und insgesamt eine starke tektonische Zerstückelung des Rotliegenden herbeizuführen. Dabei kam es durch die Heraushebung einer von Tiefengesteinen (Syenodiorit) aufgebauten Schwelle zur Trennung der Dresdner Rotliegendmulde von dem geräumigeren Rotliegendbecken von Kreischa—Freital (s. Bd. 21, C 2). Dieses Ereignis wirkt heute im Formenbild des Plauenschen Grundes (s. O 3) durch die unterschiedliche Widerstandsfähigkeit der Gesteine nach. Nach längerer Zeit ohne bemerkenswerte Hinterlassenschaften kam es in der 3

Kreidezeit vor rund 100 Millionen Jahren zu einer Einsenkung der Elbtalzone, und es lagerte sich vom Cenoman an die Gesteinsserie ab, die der Sächsischen Schweiz durch die Vorherrschaft der Quadersandsteine ihr Gepräge gibt. Der Dresdner Raum aber war tiefer abgesenkt worden, so daß hier vorwiegend eine mergelige Fazies zur Ausbildung kam. Deren Gesteine, vor allem die sogenannten P l a n e r , treten landschaftlich wenig hervor; sie sind im Ratssteinbruch bei Dresden-Plauen in einem klassischen Profil aufgeschlossen, gegenüber am Hohen Stein (s. O 2) als Klippenfazies entwickelt. Der Pläner, als dünnplattiger Kalkmergel ausgebildet, ist als Baustein zwar nur sekundär verwendbar, aber wegen seines Kalkgehaltes günstig für die Bodenfruchtbarkeit. Wo er zu tiefgründigem Lehm zersetzt ist, wurde er in Ziegeleigruben mit für die Ziegelherstellung abgebaut. Diese Lehme sind wenig wasserdurchlässig und geben den flachen Talgründen der kleinen Nebenflüsse im W und S der Stadt eine höhere Grundieuchte. Gegen Ende der Kreidezeit (früher ins Alttertiär gelegt) setzten sich mit Beginn •der alpidischen Gebirgsbildung wieder starke tektonische Kräfte durch. Sie beendeten die Sedimentation und schufen in der alten Schwächezone eine tiefgreifende Störungslinie, die L a u s i t z e r Ü b e r s c h i e b u n g . Hierbei wurde die Lausitzer tektonische Einheit mit ihren Graniten bzw. Granodioriten südwäxts auf die Kreidesandsteine aufgeschoben. Schon zu Anfang des Tertiärs war eine weitgehende Einebnung der Störungslinie erfolgt. So bleibt als Hauptergebnis die markante Gesteinsgrenze zwischen Granodioriten und Sandstein bzw. Pläner wirksam. Bis ins mittlere Tertiär hinein bestand offenbar unter tropischen Klimabedingungen ein weitgespanntes flaches Relief. Erst vom Miozän an begann sich das Erzgebirge als Pultscholle herauszuheben, doch blieb der Dresdner Bereich in randlicher Lage zu den geologischen Hauptereignissen, die sich vor allem mit dem Erzgebirgsabbruch im S und in der lebhaften vulkanischen Tätigkeit mit ihrem Zentrum im Böhmischen Mittelgebirge abzeichnen. Die nördliche Abdachung entstand, und ein entsprechendes Gewässernetz bildete sich heraus. Auch der Elbelauf war bis ins Quartär hinein nach N gerichtet, wie alte Elbschotter nördlich von Dresden bezeugen (s. Bd. 22, M 1). Für das heutige Formenbild wurden zwei Ereignisse von einschneidender Bedeutung. Sie fanden etwa gleichzeitig statt, und ihre Wirkungen ergänzten sich. Erstens kam es zu Beginn der E l s t e r k a l t z e i t zu einer Wiederbelebung der tektonischen Kräfte an der Lausitzer Störung, wobei der Nordflügel um wenigstens 40 m herausgehoben wurde. Am somit morphologisch stärker betonten Nordrand der Elbtalweitung wurde die Elbe aus der alten Nordrichtung in die heutige Laufrichtung nach NW umgelenkt. Auch die Heraushebung des Südflügels der Elbtalweitung dürfte durch eine entsprechende tektonische Heraushebung an der Wilisch-Linie, der Wendischcarsdorfer Störung, verstärkt worden sein (s. Bd. 2 1 , R 3). Zweitens und etwa gleichzeitig drang während der Elsterkaltzeit das n o r d i s c h e I n l a n d e i s von N her bis ins Elbtal vor und erreichte seine Maximalausdehnung südlich von Dresden. Damit wurde — in nicht leicht zu klärendem Zusammenwirken mit der Tektonik — das alte Flußnetz weitgehend neugestaltet. Die Moränenablagerungen blieben allerdings verhältnismäßig gering. E s sind vor 4

allem die elsterkaltzeitlichen Schotter, die für die Ausbildung der Elbtalweitung Zeugnis ablegen. Da sie am südlichen Elbtalrand bei 160 bis 200 m ü. N N liegen, muß in der der Elsterkaltzeit folgenden Warmzeit, der HolsteinWarmzeit, in Verbindung mit weiteren tektonischen Bewegungen eine beträchtliche erosive Tieferlegung des Tales erfolgt sein, denn als die S a a l e k a l t z e i t zur Aufschotterung der Flüsse Anlaß gab, lag die Basis der Schotter bereits unter dem heutigen Talniveau. Die saalekaltzeitlichen Ereignisse haben das Bild der Dresdner Landschaft weiter verwickelt und bereichert. Der Eisrand des saalezeitlichen Inlandeises lag zwar nördlich von Meißen und Dresden, aber er mußte auf die geologischen Vorgänge im Dresdner Raum starken Einfluß ausüben. Welchen Lauf damals die Elbe unterhalb von Meißen nahm, läßt sich mit Sicherheit nicht mehr entscheiden. Sicher aber ist, daß zeitweise ein Eisstausee bestanden haben muß, wie aus Bändertonen in der saalekaltzeitlichen Sedimentationsserie hervorgeht. Im Ergebnis bedeutsamer ist, daß vom nördlichen Eisrand her mächtige Sandeinschwemmungen stattfanden, die sich mit den Aufschüttungen der Elbe verbanden. E s entstand eine breite und mächtige, schräge Terrasse, die H e i d e s a n d - oder H e l l e r t e r r a s s e . Sie begleitet den ganzen Nordhang der Elbtalweitung als charakteristisches Bauglied und ist bei Dresden besonders breit entwickelt. Da gleichzeitig die Aufschotterung und die Bildung von Terrassen südlich der Elbe in bescheidenem Rahmen blieben, entstand damals die Voraussetzung für die zweite große Asymmetrie der Dresdner Talweitung: Zu der Ungleichseitigkeit der Reliefform trat ein krasser Unterschied in den die Bodengüte maßgeblich beeinflussenden Gesteinssubstraten, die Vorherrschaft des Sandes auf dem Nordflügel. Allerdings hat erst die letzte Kaltzeit, die W e i c h s e l k a l t z e i t , diesen Gegensatz vervollständigt. Denn die kaltzeitliche Vegetationsarmut ließ dem Wind freies Spiel. Während durch die äolischen Prozesse im sandigen Nordteil vorwiegend Treibsand aufgelagert und Dünen gebildet wurden, entstand südlich der Elbe aus dem Flugstaub eine Decke von L ö ß oder sandigem Löß. Die Elbe selbst erhöhte ihr Bett durch Aufschotterung. Mit der Eintiefung der Elbe im Postglazial entstand auch die N i e d e r t e r r a s s e , der Hauptsiedlungsraum der Innenstadt. Mehrere der damals angelegten Elbarme sind bei dem großen Hochwasser 1845 noch aktiv gewesen (Abb. 3). Dieser erdgeschichtliche Werdegang hat dem Dresdner Raum eine ungewöhnliche Vielfalt geologischer und geomorphologischer Verhältnisse hinterlassen. Denn weist die gesamte Reliefentwicklung das Elbtalgebiet bis unterhalb von Meißen dem Mittelgebirge bzw. dem Mittelgebirgsvorland zu, so verleiht die Lößbedeckung den Südhängen der Elbtalweitung den Charakter der Gefildezone, während der nördliche Teil mit seiner Überformung durch die glaziären Ereignisse Wesenszüge des nördlichen Flachlandes zeigt. Natur räumliche Feingliederung Dementsprechend vielgestaltig ist auch die naturräumliche Feingliederung (Abb. 2). Sie spiegelt die Unterschiede im Relief, Substrataufbau, in der Bodenfruchtbarkeit, geländeklimatischen Differenzierung und ursprünglichen 2

Dresden

5

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A b b . 2. Naturräumliclie Gliederung (Entwurf Arbeitsgruppe Prof. Dr. E . N E E F , nach Untersuchungen in den Jahren 1976 — 78) 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 1.12 2.

Lausitzer Platte Friedewald-Lindenauer Kuppengebiet Wahnsdorfer Lößhügelgebiet Wilschdorf er Sandhügelgebiet Klotzsche-Medingener Schotterplatten Langebrücker Granithügelgebiet Sandhügelgebiet am Dachsenberg Radeberger Granithügelgebiet Südliche Dresdner Heide Gönnsdorfer Lößhügelgebiet Weißiger Berge Schönfelder Hochfläche Triebenberg-Borsberg-Rücken Dresdner Elbtalwanne Steilabfall der Lausitzer Platte 2.1 Lößnitzsteilhänge 2.2 Heller-Randhöhen 2.3 Pillnitz-Loschwitzer Steilhänge

6

Heidesandterrasse 3. 3-1 Dresden-Radebeuler Heidesandterrasse 3-2 Graupaer Tännicht-Terrasse Elbtalniederung zwischen Pirna und Meißen 4Westhang 5Plauenscher Grund 6. Rotliegendbecken 7. 7-1 Freitaler Rotliegendbecken 7.2 Kreischaer Rotliegendbecken Südhang Leubnitzer Lößhügelgebiet 8.2 Goppelner Lößplatte 8.3 Lockwitzgrund 8.4 Lugaer Landstufe

Vegetation wider. Gleichzeitig vermittelt sie das für Dresden charakteristische Grundgerüst der Lagebeziehungen. Nach naturräumlichen Einheiten unterscheiden wir: 1. Der NO gehört der Haupteinheit L a u s i t z e r P l a t t e an, und zwar jenem Teil der flachwelligen Granithochfläche in einer Höhenlage zwischen 210 und 250 m ü. NN, der weithin mit pleistozänem Material überdeckt ist, das vorwiegend aus Heidesanden und daraus aufgewehten Dünensanden besteht. Vor allem in den Tälchen, die den Rand der Platte mäßig stark gliedern, spielt der Heidesand eine erhebliche Rolle; im Prießnitztal baut er mehrere junge Terrassen auf (s. Bd. 27, K 2). Die flachen Senken der Hochfläche mit vielfach gehemmtem Wasserabfluß sind oft anmoorig. Der nördliche Teil wird von der Dresdner Heide (s. H 1) eingenommen, der südliche Teil ist mit den Siedlungen Weißer Hirsch und Oberloschwitz zu einem charakteristischen Teil des Großstadtrandes umgestaltet worden. 2. Zur nördlichen Umrandung der Dresdner Elbtalwanne gehört der S t e i l a b f a l l d e r L a u s i t z e r P l a t t e , der im nordwestlichen Abschnitt wenig markant ist, da er sich über der breiter entwickelten Heidesandterrasse erhebt, dadurch nur relative Höhen von 50 bis 60 m erreicht und außerdem von Wald bedeckt ist. Ganz anders wirkt der südöstliche Abschnitt, der an die Elbe herantritt und mit 130 bis 150 m Höhenunterschied einen imposanten Rahmen der Dresdner Elbtalweitung bildet, der durch die reiche Besiedlung noch besonders betont wird. Die Heidesandterrasse ist hier durch Unterschneidung zurückgedrängt und bildet in etwa 140 m Höhe eine Reihe von Terrassenabsätzen zwischen den tief eingeschnittenen kleinen Seitentälern der Elbe. Die Südwestexposition des Steilhanges bringt nur mäßige Insolationsvorteile, so daß sicli der Weinbau mehr inselhaft auf bevorzugte Hangteile beschränkte. 3. Zur Elbtalniederung vermittelt die H e i d e s a n d t e r r a s s e , d i e mit dem Zurücktreten der Elbe vom Steilhang westlich von Loschwitz Selbständigkeit gewinnt. Ihre nur vom Prießnitztal durchschnittene Oberfläche steigt von etwa 130 m an der Vorderkante auf über 160 bis 175 m an und zeigt allenthalben die Wirkung der Sandumlagerungen durch den Wind, obwohl die starken Eingriffe durch den Menschen vieles von der ursprünglichen Vegetation zum Verschwinden gebracht haben und wesentliche Teile überbaut worden sind. Von besonderer Bedeutung ist für das Landschaftsbild Dresdens, daß alte Elbarme die Heidesandterrasse unterschnitten haben, so daß sie — zum Unterschied vom flachen Auslaufen der Terrasse weiter westlich — einen deutlichen Steilabfall gegen das Elbtal richtet, der durch die Bebauung von den Albrechtschlössern an über das Waldschlößchen und den Zug der Kasernenbauten bis hin zum Wilden Mann noch eine architektonische Überhöhung erfahren hat. 4. Die E l b t a l n i e d e r u n g wird von der weichselkaltzeitlich aufgeschütteten Niederterrasse gebildet, in die sich die Elbe im Holozän wieder mit einer größeren Zahl von Flußarmen eingesenkt hat. Diese Auen zeichnen sich durch einen höheren Grundwasserstand aus, und bei Hochfluten kann stellenweise das Wasser in diesen alten Armen wieder empordringen. Man kann zwei um nur wenige Meter Höhenlage unterschiedene Auen erkennen. Die höheren Auen werden von Normalhochwassern nicht mehr überspült, während das Hochwasser die unteren auch heute noch überflutet. Die Elbe selbst hat bei ihrem 2*

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größten Hochwasser 1845 (Abb. 3) noch einen erheblichen Teil dieser alten Elbarme wieder aktiviert, doch seit der technischen Verbauung hat sich der Strom um etwa 1 m tiefer eingeschnitten. Dadurch ist auch der Grundwasserspiegel um etwa den gleichen Betrag abgesenkt worden, und die Rinnen der alten Elbläufe sind weniger stark vom Grundwasser beeinflußt; das hat dazu verleitet, mit der Bebauung in sie hinabzusteigen. Für das ursprüngliche Siedlungsbild ist die Aufgliederung des Talbodens durch die alten Stromarme von großer Bedeutung, denn die Siedlungen mieden die feuchten Auen. Die Niederterrasse, die den Hauptteil der Siedlungen trägt, liegt in etwa 110 bis 115 m Meereshöhe. Doch haben die Nebenflüsse, vor allem die Prießnitz rechtselbisch und Lockwitz und Weißeritz linkselbisch, flache Schwemmfächer aufgesetzt, so daß sich hier das Niveau des alten Talbodens etwas erhöht hat. Im S der Talweitung haben sich saalekaltzeitliche Schotter in einer Höhenlage von 120 bis 140 m erhalten, die an der Weißeritz in Löbtau stellenweise deutliche Terrassenkanten besitzen, in der Regel aber vom Lößlehm überdeckt sind und etwas verwaschene Formen zeigen. Am Südrand der Stadt gehen diese Terrassen ohne scharfe Grenzen in den Geländeanstieg zu den Randhöhen über, da sich breite Schürzen abgeschwemmten Lößlehms als Kolluvialdecken vermittelnd einschalten. Insgesamt aber sind diese Terrassen wenig auffällig. Sie bilden für die Bebauung kein Hindernis und heben sich meist von dem Talboden wenig ab. Daher werden sie hier zum Naturraum des Talbodens gestellt, obwohl sie nach ihrer Alterseinordnung der Heidesandterrasse im N entsprechen. 5. Die südliche Umrandung der Dresdner Elbtalwanne unterscheidet sich grundlegend von der nördlichen. Der W e s t h a n g der Talweitung wird durch die stetig abfallende Abdachung des Wilsdruffer Lößplateaus gebildet, das sich wiederum in die Gesamtabdachung des Erzgebirges eingliedert. Über Pläner, der nur wenig aufgeschlossen ist, liegt eine mehrere Meter mächtige Löß-

Abb. 3. Verbreitung des Hochwassers von 1845 ( n a c h E l b s t r o m k a r t e 1 : 4 8 0 0 v o n W . G . LOHRMANN 1 8 2 1 — 2 8 , m i t A n g a b e

des

durch das Hochwasser vom 3 1 . März 1845 erreichten Überschwemmungsgebietes) 8

lehmdecke, die durch fast parallel nach NO gerichtete und meist wasserleere, aber grundfeuchte Dellen und Tälchen flach aufgegliedert wird. Diese fruchtbare, mit den Sandgebieten der nördlichen Talseite kontrastierende, in sich recht einheitliche Fläche erreicht bei Dölzschen mit 267 m ü. N N den höchsten Punkt. Hier machen sich allerdings bereits die für den Südrand der Talweitung charakteristischen pleistozänen Schotter stärker bemerkbar. 6. Zunächst aber unterbricht der P l a u e n s c h e G r u n d (s. O 3), das Durchbruchstal der Weißeritz durch den Syenodioritrücken zwischen dem Freitaler und dem Dresdner Rotliegendbecken, den geschlossenen Rahmen der Randhöhen. Wegen seines anderen Landschaftscharakters, der großen Zahl geologischer Bauelemente und seines Formenreichtums unterscheidet er sich mit seinen Flanken so stark von den benachbarten Teilen der Randhöhen, daß er trotz seiner geringen Ausdehnung als eigene Landschaftseinheit ausgeschieden werden muß. Auch der Weißeritzlauf folgt im größten Teil seines Durchbruchs der Nordostrichtung. E r liegt daher fast parallel zum Anstieg der Südhöhen, so daß eine markante Unterbrechung des Höhenrandes — selbst vom Rathausturm aus — nicht sichtbar ist. 7. Durch diese Situation wird der Blick in das F r e i t a l e r R o t l i e g e n d b e c k e n — Teil des Rotliegendbeckens, zu dem auch das Kreischaer Becken zählt — verwehrt, dessen Nordostteil ins Dresdner Stadtgebiet vorstößt. Das ebene Kernstück dieses Ausräumungsbeckens wird vom Freitaler Stadtteil Potschappel eingenommen. Der größere Teil steigt mit reicher Reliefgliederung zur östlichen Wasserscheide empor und bietet für Verkehr und geschlossene Besiedlung erhebliche Schwierigkeiten. 8. Der S ü d h a n g der Dresdner Elbtalweitung ist ein Ausschnitt der lößlehmbedeckten Kreideplatte, die bis zu den kleinen Schichtstufen der Goldenen Höhe (s. Bd. 21, D 7) oder der Babisnauer Pappel (s. Bd. 2 1 , E 9) emporführt. Aber der Nordrand dieser Einheit zeigt einige Besonderheiten. Eigenartig erscheint, daß die Täler auch hier vorherrschend in Nordostrichtung auslaufen. Sie münden in spitzem Winkel am Elbtalrand aus und lösen den Hang in einzelne Rücken und Sporne auf. Beispielsweise trennt das Kaitzbachtal die Südhöhe schroff ab, so daß die Fernstraße 170 gebirgswärts von dieser in einer großen Kehre wieder absteigen muß, ehe der Anstieg südwärts endgültig emporführt. Zu den allgemein vertretenen Bauelementen Pläner, der vielfach in Ziegeleigruben aufgeschlossen ist, und Lößlehm gesellen sich hier noch elsterkaltzeitliche Grundmoränen und Schmelzwassersande bzw. -kiese. Der Sporn von LeubnitzNeuostra, durch die alte Kirche markiert, senkt sich ostwärts allmählich ab zu etwas flacheren Hangteilen bei Prohlis, deren Ziegeleigruben unter verschwemmtem Löß Kulturschichten (s. M 4) aufgeschlossen und damit Zeugen für die noch in historischer Zeit beträchtliche Abtragung im Löß geliefert haben. An Ort und Stelle durch die feine Aufgliederung des Reliefs schwer, aber von den höheren Standorten im S auffallend deutlich erkennbar ist die Tatsache, daß in knapp 200 m Höhe auch hier wie weiter östlich des Lockwitztales ebene Flächen auftreten, die einem früheren Niveau des Elbtalbodens entsprechen dürften.

9

1970

1975

°C

10-1 98-

7-

6 1951

1955

—i—i—i—r1960

Dr»sden-Strehlen

1965

—i—i—i—i— 1970

Abb. 4. Klimadiagramme von Dresden-Strehlen und Meßreihe 1951 — 75 (Entwurf J . B I E L E R ) 1 Mittlere monatliche Niederschläge 2 Mittlere monatliche Lufttemperatur 3 Mittlere jährliche Niederschläge 4 Mittlere jährliche Lufttemperatur

IO

1975

- Radebeul-Wahnsdorf

Radebeul-Wahnsdorf,

Klimatische Besonderheiten Das Klima Dresdens ordnet sich, der Lage der Stadt entsprechend, in die bereits schwach kontinental getönten Klimabezirke des Hügellandes ein, wird aber durch die Besonderheiten der Reliefgestaltung nach der kontinentalen Seite hin abgewandelt. Die Temperaturen liegen infolge der Beckenlage etwas höher als in der Umgebung. Diese allgemeine Klimalage kann durch die langjährigen Mittel der Klimaelemente der Stationen Dresden-Neustadt bzw. -Strehlen und Wahnsdorf bzw. Dresden-Klotzsche beschrieben werden (Abb. 4). I m einzelnen sind als Effekte der Reliefgestaltung einige lokale Unterschiede innerhalb des Talraumes und Abweichungen von den Mittelwerten des Großklimas bemerkenswert. Erstens machen sich die Höhenunterschiede recht deutlich geltend. F ü r die nordöstlichen Teile, die über 200 m aufragen, sind die Werte von DresdenKlotzsche oder Wahnsdorf besser kennzeichnend als die von Dresden-Neustadt/ Strehlen, obwohl die genannten Stationen gegenüber dem bewaldeten Teil der Dresdner Heide stärker windexponiert und anfälliger für die Ausstrahlung sind. Die Wirkung des Höhenunterschieds wird noch dadurch verstärkt, daß der geschlossen überbaute Stadtraum im Talbecken ein sogenanntes S t a d t k l i m a besitzt, das heißt eine positive Temperaturabweichung, die auch in der Talaue erst an der Grenze geschlossener Bebauung auf normale Werte zurückgeht. Vor allem im Winter bei Temperaturen um o°C ergeben sich schon zwischen dem Hauptbahnhof und dem nur 60 m höher gelegenen Dresden-Plauen markante Unterschiede, da die Stadt selbst unten o f t noch schneefrei ist, wenn in den höheren Lagen bereits eine feste Schneedecke liegt. Das macht sich für den Kraftfahrer besonders nachteilig an dem Anstieg der Autobahn in Richtung Wilsdruff bemerkbar; denn sehr oft wird der Straßenzustand außerhalb Dresdens von der Stadt aus falsch eingeschätzt. Zweitens führt selbstverständlich die Exposition an den südgerichteten Hängen der Nordseite zu besonders günstigen Einstrahlungsverhältnissen. Das zeichnet sich am deutlichsten in der Eignung für den Weinbau und anspruchsvolle Obstarten ab. Drittens bildet sich die Konfiguration der Elbtalweitung in der Häufigkeit der Windrichtungen auffällig ab. Die langgestreckte Talweitung lenkt die Winde in der Richtung der Talachse ab, so daß ein überdurchschnittlich hoher Anteil der Winde aus W N W und OSO zu verzeichnen ist. Zusätzlich sorgt die offene Gasse der Elbe für Durchlüftung in dieser Richtung. Der steile Nordhang schützt das Stadtgebiet vor den Nordwinden. D a die West- und Nordwestwinde meist mit einer größeren Turbulenz verbunden sind, auch höhere Windstärken häufiger auftreten, machen sich diese Winde weniger unangenehm bemerkbar als die Südostwinde, die im Sommer durch trockene und staubreiche L u f t bei hohen Temperaturen lästig wirken. Erwähnt werden müssen auch die reliefgebundenen Hangwinde, die sowohl am Nordhang wie am Südhang des Talkessels entlangstreichen und hier oft eine Luftbewegung bringen, wenn in der Innenstadt Windstille herrscht. Diese Hangwinde haben allerdings auch für die Verteilung von Luftverunreinigungen Bedeutung, wobei die Verunreinigungsquellen des Radebeuler Industriegebietes für die Nordseite, die des Löbtauer Industriegebietes für die Südhänge verantwortlich zeichnen. 11

Eine für Dresden erwähnenswerte Erscheinung ist das Auftreten von Föhn. Bei südlichen Winden übersteigen die Luitmassen das Erzgebirge, und bei ihrem Abstieg kommt es zur typischen Föhnerwärmung, so daß besonders die Elbtalweitung von Dresden durch Auflösung der Wolkendecke eine Föhnlücke und zusätzliche Erwärmung genießen kann, die vor allem im Winter die Ursache positiver Temperaturanomalien ist. Bezüglich der Niederschläge geben die Mittelwerte der Meßstationen nur ein unvollkommenes Bild, denn innerhalb des Stadtgebietes treten vor allem bei sommerlichen Schauerwetterlagen ganz erhebliche Unterschiede der Niederschlagsmengen auf. Bei Gewitterlagen werden oft nur die Nord- oder die Südseite der Talweitung betroffen. E. Neef Vegetation Die Unterschiede in den standörtlichen Voraussetzungen der einzelnen naturräumlichen Einheiten sind ursprünglich selbstverständlich auch in einer entsprechenden Vegetation und ihr angepaßten Tierwelt zum Ausdruck gekommen. Doch hat die starke Überbauung die ursprünglichen Verhältnisse in den meisten Teilen des Stadtgebietes von Dresden zerstört oder bis zur Unkenntlichkeit entstellt, sofern man von Felspartien im Plauenschen Grund absieht. Reste der Laubwald Vegetation befinden sich im Plauenschen Grund, am Grundbach und Nöthnitzer Bach, jedoch vielfach parkartig, mittel- oder niederwaldartig bewirtschaftet und stark verändert. Die noch vorhandenen Bestände gehören zu Eichen-Hainbuchen-Winterlinden-Wäldern in frischen und grundwasserfernen Ausbildungsformen, wie sie ehemals die Gründchen um Kaitz und Nöthnitz kennzeichneten. Charakteristische Laubwaldpflanzen sind noch allenthalben anzutreffen, so Maiglöckchen (Convallaria majalis), Zittersegge (Carex brizoides), Sternmiere (Stellaria holostea), Gamanderehrenpreis (Veronica chamaedrys) und Hainrispe (Poa nemoralis). Die Wiesen in den Gründen stellen in unmittelbarem Grundwassereinflußbereich hochgräserreiche Wirtschaftswiesen mit Fuchsschwanz (Alopecurus pratensis), Glatthafer (Arrhenaterum elatius), Wiesenrispe (Poa pratensis) und anderen Arten dar. An Hangkanten und in grundwasserfernen Bereichen gehen diese in relativ trockene Grünlandpartien über, die mit Zittergras (Briza media), Flaumhafer (Helictotrichon pubescens), Wucherblume (Chrysanthemum leucanthemum), Wiesenglockenblume (Campanula patula), Knolligem Hahnenfuß (Ranunculus bulbosus) und Mittlerem Wegerich (Plantago media) viele Elemente der Mager- und Halbtrockenrasen enthalten. Für den ganzen Elbbereich typische Grünlandpflanzen, heute jedoch mehr an Straßen- und Wegrändern verbreitet, sind Bocksbart (Tragopogon pratensis), Wiesenstorchschnabel (Geranium pratense), Zweijähriger Pippau (Crepis biennis) und Pastinak (Pastinaca sativa), die auch oft noch im südlichen Stadtgebiet an Ruderalstandorten vorkommen. Reste der ursprünglichen xerothermen Laubwaldvegetation existieren an den besonnten Hängen im Bebauungsgebiet von Loschwitz und Wachwitz nicht mehr, ihre Bestandteile sind in Park- und Gartenanlagen aufgegangen, oder es 12

wurden bereits in früherer Zeit an ihrer Stelle Weinberge angelegt. Jedoch hält sich noch als Seltenheit die südosteuropäische Hainnelke (Silene nemoralis), die hier ihren einzigen Fundort in der D D R hat. Für die Fels- und Trockenhangpartien des Plauenschen Grundes waren ehemals xerotherme Eichenmischwälder und lindenreiche Steilhangwälder typisch. Von bemerkenswerten, noch vorhandenen Arten seien aus den Resten der stets kleinflächig entwickelten Schluchtwälder Haselwurz (Asarurn europeaum), Lungenkraut (Pulmonaria obscura), Christophskraut (Actaea spicata), der osteuropäische Betäubende Kälberkropf (Chaerophyllum aromaticum), die sudeto-karpatische Sterndolde (Astrantia major) und die Türkenbundlilie (Lilium martagon) genannt. Erloschen sind die sarmatischen und kontinentalen wärmeliebenden Laubwaldpflanzen Wenigblütiges Vergißmeinnicht (Myosotis sparsiflora), Gedenkemein (Omphalodes scorpioides) und Kleiner Goldstern (Gagea minima) an den Coschützer Hängen. Im Kontakt zu den xerothermen Laubwaldgesellschaften stehen Schlehengebüsche und Trockenfluren. Letztere zeichnen sich zur Blütezeit durch das Rot der Pechnelke (Viscaria vulgaris) aus, der das Nickende Leimkraut (Silene nutans) beigesellt sein kann. In Steinschuttfluren (Steinbrüchen) und in Trockenrasenfragmenten treten noch hin und wieder die typischen wärmeliebenden Arten der Elbhügellandflora auf, wie Aufrechtes Fingerkraut (Potentilla recta), Färberhundskamille (Anthemis tinctoria), Sparriger Alant (Inula conyza), Gelbe Skabiose (Scabiosa ochroleuca) und der für das Windberggebiet typische submediterrane Drüsige Gamander (Teucrium botrys). Verschwunden sind die interessanten Reliktstandorte des kontinentalen Gefleckten Ferkelkrautes (Hypochoeris maculata) bei Coschütz und Kaitz. Die eigentlichen Felspartien zeichnen sich durch Blauschwingelfluren (Abb. 5) aus, in denen stellenweise die Pfingstnelke (Dianthus gratianopolitanus) zu finden ist. Diese subatlantische Felspflanze, eine kennzeichnende Art der Durchbruchstäler, kommt in der D D R nur an wenigen Fundorten vor, beispielsweise im vogtländischen Elstertal, im Bodetal und oberen Saaletal. Zur Blütezeit — alljährlich um Pfingsten — bildet diese Nelke einen prächtigen Schmuck der Felsen um die Felsenkellerbrauerei im Weißeritztal. An der Weißeritz entlang werden gelegentlich Arten beobachtet, deren Hauptverbreitung flußaufwärts erst um Tharandt einsetzt, so die Bachufer- und Schluchtwaldpflanzen Mondviole oder Silberblatt (Lunaria rediviva), Geißbart (Aruncus dioicus), Waldstorchschnabel (Geranium silvaticum), Akeleiblättrige Wiesenraute (Thalictrum aquilegifolium), Weiße Pestwurz (Petasites albus) und Quellschaumkresse (Cardaminopsis halleri). Der eigentliche Siedlungsbereich zeichnet sich — abgesehen von Kulturen und Pflanzungen — nur durch Ruderalgeseilschaften aus, die mit zunehmender Bebauung immer mehr verschwinden. Auf dem Trümmerschutt der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg fanden viele Pflanzen Existenzbedingungen, die in der Umgebung an ihren natürlichen Wuchsplätzen (Trockenrasen) längst ausgestorben sind, so das dealpine Brillenschötchen (Biscutella laevigata) und die Sprossende Felsnelke (Petrorhagia prolifera), eine submediterrane, unbeständig auftretende Art. Stark vertreten sind die Arten der RaukenRuderalgesellschaften auf lockeren, leicht durchwärmbaren Böden. In ihnen dominieren Wege- und Lösels Rauke (Sisymbrium officinale, S. loeselii), So-

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phienrauke (Descurainia sophia), Bastardsenf (Hirschfeidia incana), Dach- und Taube Trespe (Bromus tectorum, B. sterilis), verschiedene Nachtkerzen (Oenothera-Arten) und Fuchsschwanz-Arten (Gattung Amaranthus), Schmaler Doppelsame (Diplotaxis tenuifolia), Dachpippau (Crepis tectorum) und Lackschöterich (Erysimum cheiranthoides). Große Bestände auf Trümmerschutt bildet gelegentlich die Glanzmelde (Atriplex nitens). Auf stickstoffbeeinflußten Böden dominieren schließlich Arten der Gänsefußgesellschaften, wie Weißer, Steifer und Schneeballblättriger Gänsefuß (Chenopodium album, Ch. strictum, Ch. opulijolium), in den alten Siedlungskernen treten noch Mäusegerste (Hordeum murinum) und Einjähriges Bingelkraut (Mercurialis annua) auf. In floristischer Hinsicht immer wieder interessant sind die Güterbahnhöfe, Hafenanlagen und die Großmarkthalle, in deren Umgebung häufig mit Transportgut und Südfrüchten eingeschleppte Arten aus aller W e l t gedeihen. In Dresden wurden bisher fast 200 dieser Adventivpflanzen beobachtet, die aber nie für längere Zeit F u ß fassen konnten. Die eigentliche Elbaue zeichnet sich heute durch Wirtschaftswiesen und Weiden ohne bemerkenswerte Arten aus. Auf gelegentlich entstandenen Schlammbänken treten kurzlebige Arten der Zweizahnfluren auf, denen der früher an der Elbe verbreitete mediterran-atlantische Hirschsprung (Corrigiola litoralis), eine kleine, zu den Nelkengewächsen gehörende, nach Chlor riechende Pflanze, beigemischt sein kann. Nur vereinzelt und in Resten sind noch Uferriede vorhanden, die durch Scharfe Segge (Carex gracilis) und Rohrglanzgras (Typhoides arundina,cea) gebildet werden. Typische Elbuferpflanzen stellen heute Schnittlauch (Allium schoenoprasum), Weidenalant (Inula britannica) und die aus Nordamerika stammende Spitzklette (Xanthium riparium) dar, ebenso die an den A b b . 5. Pflanzenarten im Plauenschen Grund Pfingstnelke {oben links), Blauschuingel (oben rechts), Drüsiger Gamander

M

Elbbereich gebundene südosteuropäische Österreichische Kresse (Rorippa austriaca). Von den Altwässern, die im vorigen Jahrhundert noch Fundorte der Nixkrautarten (Najas major, N. minor), von Laichkräutern (Potamogeton acutifolius, P. compressus, P. lucens) und des Teichfadens (Zannichellia palustris) — sämtlich untergetaucht lebende Wasserpflanzen — waren, ist nichts mehr vorhanden. Sofern noch Weidengebüsche und Schwarzpappelbestände als Reste der ehemaligen Auwaldvegetation vorhanden sind, treten gelegentlich noch die subkontinentalen Stromtalpflanzen Knolliger Kälberkropf (Chaerophyllum bulbosum) und Rohrschwingel (Festuca arundinacea) auf, sehr selten sind die südosteuropäischen Arten Weidenkreuzkraut (Senecio fluviatilis) und Steife Rauke (Sisymbrium strictissimum). Die im vorigen Jahrhundert vorhandenen Sandflächen um Blasewitz und Tolkewitz als Wuchsorte der Sandtrockenrasenpflanzen, wie der Wiesenkuhschelle (Pulsatilla pratensis), des Illyrischen Hahnenfußes (Ranunculus illyricus), der Mannsschildarten (Androsace septentrionale und A. elongata) sowie der Heidesegge (Carex ericetorum) sind nicht mehr vorhanden. Reste dieser Vegetation stellen der Blasewitzer Waldpark und vielleicht die Kiefern des Tolkewitzer Friedhofes dar. Die wärmebegünstigte Lage des Dresdner Elbtalkessels äußert sich heute sichtbar in dem starken Auftreten der Mistel (Viscum album) auf allen Laubbäumen, besonders eindrucksvoll im Großen Garten. Dresden gilt seit langer Zeit als Zentrum floristischer Tätigkeit in Sachsen, deren Traditionen bis zum Jahre 1806 zurückgehen ( B U C H E R ) . Ihre Blütezeit erreichte die Floristik im vorigen Jahrhundert durch die Arbeiten des Hofbotanikers L. R E I C H E N B A C H (1842), durch H . F I C I N U S (1821) sowie F . H O L L und G. H E Y N H O L D (1842). In Dresden wurden auch die übrigen sächsischen Landesfloren erarbeitet ( O . W Ü N S C H E und B. S C H O R L E R , 1. Auflage 1869, 12. Auflage 1956). Weiterhin begründete O. D R U D E an der Technischen Hochschule Dresden die Ökologische Pflanzengeographie. Unter der Regie v o n B. S C H O R L E R wurde das gesamte Material zur sächsischen Pflanzenkartierung seit den zwanziger Jahren gesammelt, die noch heute Hauptaufgabe der sächsischen Floristen ist. IV. Hempel Für Dresden bemerkenswert und aus seiner historischen Stellung als Residenzstadt erklärlich ist die Tatsache, daß Garten- und Parkanlagen, aber auch Anpflanzungen an den Straßen eine große Zahl seltener Baum- und Gehölzarten aufweisen. In all den Gärten und Parks, die meist außerhalb der eigentlichen Befestigungsanlagen entstanden waren, sind Baumpflanzungen durchgeführt worden. In starkem Maße etfolgten sie seit Beginn des 18. Jh., als in der Barockzeit das Gartenschaffen zu einer großen Mode wurde und gerade im höfischen Dresden eine besondere Pflege fand. Wenn auch um diese Zeit schon einzelne Exoten (ausländische Gehölze) in Europa bekannt waren, so wurden in Dresden zur Zeit A U G U S T S D E S S T A R K E N (1673 — 1733) bei Neupflanzungen fast ausschließlich noch immer heimische Baumarten verwendet. Eine gewisse Ausnahme machte die Roßkastanie vom Balkan, die in dieser Zeit in Dresden und Umgebung an Straßen und in Parks mit Vorliebe gesetzt wurde. Ganz allmählich erst erfolgte bis in die zweite Hälfte des 19. Jh. die Einführung von

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ExQten; erst von 1875 an setzte eine stürmische Entwicklung bei der Einbürgerung dieser Arten ein. Hofgärtner, die die Gartenanlagen des Hofes oder des Staates planten, gestalteten und pflegten, gab es schon vor der Zeit des Kurfürsten A U G U S T (1526—1586), aber für die städtischen Anlagen war kein leitender gärtnerischer Fachmann angestellt. Um Rückstände auf diesem Gebiet zu beseitigen, berief die Stadt endlich 1875 den Hofgärtner D E G E N H A R D aus Großsedlitz in die Stelle eines Stadtgärtners. Er war die geeignete Persönlichkeit, um einen großen Teil der städtischen Straßen mit seltenen und abwechslungsreichen Bäumen zu bepflanzen. Durch ihn wurden 84 verschiedene Baumarten oder deren spezielle Wuchsformen in Dresden eingeführt, und im Laufe der Jahre stieg der Bestand an Straßenbäumen in Dresden auf über 50000 an. Natürlich haben sich nicht alle für städtische Straßen bewährt, aber man hatte durch diese Maßnahmen viel gelernt. Das Dresdner Vorbild wirkte sich auf andere Städte aus, denn kaum eine andere Stadt konnte am Ende des vorigen Jahrhunderts eine solche Mannigfaltigkeit in der Straßenbepflanzung aufweisen. Die schon vorhandenen staatlichen Gärten wurden von dieser Zeit an nachträglich mit Exoten bepflanzt. Eine besonders reiche Ausstattung zeigt der Schloßgarten Pillnitz (s. Bd. 27, Q 6). Aber auch die Vor- und Hausgärten weisen heute noch ein reiches Sortiment an ausländischen Bäumen und Sträuchern auf, wobei solche aus Nordamerika, dem Kaukasus und Ostasien besonders vertreten sind. Im Anhang (C) ist eine Liste der seltenen, wenig bekannten und beachtenswerten Bäume des Dresdner Stadtgebietes aufgeführt. H. F. Kammeyer

Tierwelt Trotz der dichten Besiedlung und Bebauung lebt in Dresden und Umgebung eine artenreiche Tierwelt. Unter den S ä u g e r n ist das Reh besonders in den südlichen Stadtrandgebieten häufig, kommt aber auch bis in die Gärten an den Elbhängen im NO. Das Wildschwein zählt nur zum Wechselwild im S der Stadt. Häufig sind Steinmarder, Hermelin und Wiesel, verbreitet kommen der Fuchs, seltener der Dachs vor, der Iltis ist im Gebiet sehr selten, der Baummarder scheint zu fehlen. Den Hasen trifft man überall an, auch im Großen Garten, desgleichen das Kaninchen, dessen Bestand durch die Myxomatose, eine Viruskrankheit, alle paar Jahre stark reduziert wird. Von den Mäusen leben Rötel-, Brand- und Gelbhalsmaus in Parkanlagen und Hecken, die Wald- und die östliche Ährenmaus mehr im offenen Gelände. Auch Wanderratte und Hausratte sind nicht selten. In Getreidefeldern auf lehmigen Böden fehlt auch der Hamster nicht. Das Eichhörnchen ist nicht nur in den Parkanlagen — dort oft „handzahm" —, sondern auch allenthalben in Vorgärten der Stadtrandgebiete anzutreffen, sofern Bäume vorhanden sind. In den gleichen Lebensräumen befindet sich auch der Igel, dessen Ost- und Westrasse sich bei uns überschneiden. Der Maulwurf verrät seine Anwesenheit vor allem durch die Erdhaufen auf Wiesen und in Gärten. Unter den Spitzmäusen ist die Hausspitzmaus von Inter16

esse, für die Dresden der östlichste Fundort in Mitteleuropa ist, während sich die Gartenspitzmaus hier an der Westgrenze ihres Verbreitungsgebietes aufhält. Rund 10 Fledermausarten sind aus dem Dresdner Raum bekannt, darunter das Graue und das Braune Langohr, das Mausohr, die Wasser- und die Zwergfledermaus sowie der Abendsegler, der seine Wochenstuben und Sommerquartiere in Baumhöhlen im Großen Garten hat. Bis zu ihrer Zerstörung 1945 befand sich in der Dresdner Frauenkirche der Winterschlafplatz einer großen Abendseglergesellschaft. Groß ist die Zahl der B r u t v ö g e l . An Gebäuden brütet der Mauersegler, der um den 1. Mai eintrifft und uns um den 1. August bereits wieder verläßt. E r paart sich im Fluge und schläft manchmal sogar, in großen Höhen segelnd, in der Luft. Auf Kirchtürmen, Simsen hoher Gebäude, in Ruinen und in den aufgelassenen Steinbrüchen des Plauenschen Grundes brüten Turmfalke wie auch Dohle, die in Dresden als Brutvogel nur zerstreut vorkommt. Weitere Brutvögel an oder in Gebäuden sind Haussperling, Hausrotschwanz, Türkentaube, die erst 1951 in Dresden eingewandert, aber heute zur „Landplage" geworden ist, sowie in wenigen Paaren die Schleiereule. Am Stadtrand und in ländlichen Gemeinden kommen Feldsperling, Rauch- und Mehlschwalbe hinzu. In Hausgärten, Kleingärten und kleinen Parkanlagen sind Star und Amsel die häufigsten Brutvögel, die in den letzten Jahren überall zugenommen haben, auch das Rotkehlchen zählt dazu. Regelmäßig sind hier Buchfink, Hänfling, Grünfink, Girlitz, Kernbeißer, Blau- und Kohlmeise, Gelbspötter, Trauerund Grauschnäpper, Singdrossel und Gartenrotschwanz sowie Dorn- und Klappergrasmücke anzutreffen. Auch die Ringeltaube ist hier nicht selten, die Türkentaube meist zahlreich. Oft begegnet man dem Buntspecht, seltener der Elster. Fast alle diese Arten treffen wir im Großen Garten, im Blasewitzer Waldpark und anderen Parkanlagen wieder. Dort kommen weitere Vögel hinzu: Eichelhäher, Nonnenmeise, Waldbaumläufer und der Kleiber, der als einziger heimischer Vogel an Baumstämmen auch kopfabwärts klettern kann. Garten- und Mönchsgrasmücke, Zaunkönig, Fitis, Zilpzalp und Waldlaubsänger sind in den großen Parkanlagen mit Sicherheit anzutreffen. Die Nachtigall brütet vereinzelt im Großen Garten, in Prohlis und in Räcknitz, der Grauspecht im Großen Garten und im Beutlerpark. Häufiger als dieser Specht ist der Grünspecht, dessen gellender Ruf auch in größeren Obstbaumanlagen zu hören ist. Abends und nachts läßt unsere häufigste Eule, der Waldkauz, seinen heulenden Ruf ertönen; seine Paarung geht schon im Februar vonstatten. Der Fasan hält sich vor allem im Waldpark auf; dorthin fliegt er vom Aussetzungsgebiet jenseits der Elbe zu. In den Stadtrandgebieten, auf Feldern und Wiesen leben Feldlerche, Stieglitz, Goldammer, Bachstelze und Rebhuhn, im S und SO auch die Schafstelze. In Getreidefeldern brütet der Sumpfrohrsänger, auf Ödland — auch mitten in der Stadt — die Haubenlerche. Sehr selten ist der Steinkauz geworden, der in Leuben, auf der Südhöhe und an der Bergstraße noch beheimatet ist. Auf den Teichen im Großen Garten und in Prohlis schreitet die Teichralle zur Brut, während die Stockente auf allen Gewässern, auch an der Weißeritz und dem Kaitzbach, angetroffen wird. An der Elbe sind regelmäßig Lachmöwen zu 17

sehen, die im Frühling und Vorsommer abends in ihr Brutgebiet auf dem Dippelsdorfer Teich (rund 3000 Paare; s. Bd. 22, J 6). zurückkehren. In milden Wintern bleiben viele Lachmöwen bei uns und bevölkern dann die Elbufer, wo auch zahlreiche Entenarten überwintern. Auffällige Wintergäste sind ferner die aus dem N O zuwandernden Schwärme von Saatkrähen, in manchen Wintern die nordischen Seidenschwänze und Bergfinken. Unter den K r i e c h t i e r e n und L u r c h e n kommen an Südhängen von Bahndämmen, am Weißeritzsteilufer, in Kiesgruben und an ähnlichen Stellen die Zauneidechse, oft auch die Wechselkröte vor, während die Blindschleiche feuchtere Stellen bevorzugt, die Erdkröte überall, auch in Gärten, zu Hause ist. Kammund Teichmolch sind zur Laichzeit im Frühling in kleinen Wasseransammlungen zu finden, doch verschwinden solche Laichplätze mehr und mehr. A m westlichen Stadtrand lebt eine Population des Feuersalamanders. In Gewässernähe begegnet man gelegentlich der Ringelnatter, auf den Südhängen der kleinen Tälchen im W und S der Glatt- oder Schlingnatter. Erstaunlich ist immer noch der F i s c h r e i c h t u m der Elbe im Stadtbereich, trotz des reichlich verunreinigten Wassers: Karpfen, Karausche, Schleie, Gründling, Hasel, Plötze, Rotfeder, Blei, Güster und Ukelei leben hier, vereinzelt auch Barbe und eingebürgerte Graskarpfen. Im Unterlauf der Weißeritz halten sich einzelne Bachforellen auf, im Kaitzbach setzt der Anglerverband der D D R regelmäßig Bachforellenbrut ein. Von den zahlreichen w i r b e l l o s e n T i e r e n sollen nur wenige genannt werden, die durch ihren Aufenthalt in Gebäuden mit dem Menschen direkt in Berührung kommen. Der Hygieneschädling, dessen Bekämpfung die höchsten Kosten verursacht, ist die Küchenschabe. Sie lebt in ständig warmen Räumen, in Hotels, Gaststätten und Krankenhäusern vor allem in Heizungskellern, genauso wie das Heimchen, eine Grille, die sich durch ihr monotones Zirpen verrät. Unangenehm werden in vielen Wohnungen die Ameisen, besonders die aus Indien eingeschleppten Pharao-Ameisen, die nur in Häusern, vor allem in Krankenhäusern, Gaststätten und Bäckereien lästig werden und mit Kontaktgiften nicht zu bekämpfen sind. Der der Stubenfliege (Musca domestica) sehr ähnliche Wadenstecher (Stomoxys) tritt erst im Hochsommer auf und kann im Gegensatz zu anderen Fliegen (Stuben-, Schmeiß-, Goldfliege) stechen, genauso wie die Stechmücken, die an schwülen Abenden oft in erleuchtete Räume kommen und in Kellern überwintern. Regelmäßige Überwinterer in Wohnhäusern, die besonders im Herbst und Frühjahr in den Zimmern erscheinen, sind Marienkäfer und die goldäugigen zarten Florfliegen; gelegentlich überwintern Tagfalter, wie Tagpfauenauge (Inachisio), Distelfalter (Vanessa cardui), Kleiner Fuchs (Aglais urticae) und C-Falter (Polygonia c-album). Durch Vertilgung von Ungeziefer in Häusern nützlich sind die große Kellerspinne (Meta menardi) in Kellern, die an Zimmerwänden und -decken laufende Hausspinne (Tegenaria domestica) und die sehr langbeinige Zitterspinne (Pholcus phalangioides), die bei Belästigung in ihrem lockeren Netz so stark zittert, daß sie fast unsichtbar wird. H. Schiemenz

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Der Siedlungsraum Siedlungsgang in ur- und frühgeschichtlicher Zeit Die durch Bodenfunde nachweisbare ur- und f r ü h g e s c h i c h t l i c h e Besiedlung Dresdens (Abb. 6) ist außerordentlich reich. Die tatsächliche Siedlungsdichte dürfte noch größer gewesen sein als wir heute feststellen können, aber durch die frühe Besiedlung des alten Stadtkerns und mangels einer systemati-

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Abb. 6. Ur- und frühgeschichtliche Fundstätten (nach Unterlagen des Landesmuseums für Vorgeschichte Dresden) 19

sehen Fundbeobachtung vom Mittelalter bis in das vergangene Jahrhundert wird vieles unbeachtet geblieben sein. Auch dürfte in der jüngsten Aufbauphase mit den industriellen Baumethoden manches verlorengehen. Andererseits hat die systematische Stadtkernforschung viele neue Befunde erbracht. Die klimatischen Bedingungen des Dresdner Elbtales waren zumindest in den letzten 10 bis 8 Jahrtausenden stets günstig, und die Wärmeinsel hat zu allen Zeiten einen besonderen Anziehungspunkt gebildet. In erster Linie gehört hierher der linkselbische Lößbereich. Dagegen behinderten die Überflutungsflächen der unregulierten Elbe und die fast ständig versumpften Gewässerränder wechselnder Breite die Nutzung. Hochwassergebiet (Abb. 6) und ur- und frühgeschichtliches Besiedlungsland schließen sich aus, und zwar so g;enau, daß auch die einzelnen Hochwasserinseln wichtige Siedlungen tragen, beispielsweise an den Flurgrenzen von Leuben (s. L 4), Dobritz und Laubegast. Siedlungsgünstig wirkte sich weiterhin die Verkehrslage des Dresdner Raumes aus. Schon in ältesten Zeiten berührten die Wege zwischen Böhmen und dem Norddeutschen Tiefland das heutige Stadtgebiet. Auch für die Verbindung zur Oberlausitz spielte es eine große Rolle, wenn auch mit größeren Einschränkungen, wie etwa in der Zeit der ältesten Feldbauern und der Anfänge der Viehzucht (bandkeramische Kultur, von der die Oberlausitz offenbar lange Zeit unberührt blieb). Das gilt auch für die wesentlich spätere historische Epoche der Einwanderung slawischer Stämme, die für die Lausitz vom Odergebiet her erfolgte, für den Elbe-Saale-Raum aber über Böhmen. Besonders am Ende der Jungsteinzeit sowie in der gesamten Bronze- und frühen Eisenzeit bestand zwischen der Lausitz und dem Elbtal von Dresden flußabwärts ein zusammenhängendes Siedlungsgebiet. Der älteste Fund aus dem Dresdner Stadtbereich stammt vom Anfang der letzten pleistozänen Kaltzeit. Dieser altsteinzeitliche Lagerplatz einer Jägerhorde erbrachte Knochen von Mammut, Nashorn und Wildpferd, Feuersteingeräte und Feuerspuren; er befand sich im Gebiet der Felsenkellerbrauerei in Dresden-Plauen, am sogenannten Eiskeller. Erst viele Jahrtausende später, als in der ersten Phase der Nacheiszeit zum Nahrungserwerb durch J a g d und Sammelwirtschaft das Fischen an den Schmelzwasserseen und an den Bachufern kam, sind nördlich von Dresden, so bei Wilschdorf, kurzfristig genutzte Niederlassungen von Menschengruppen der Mittelsteinzeit nachzuweisen. Bereits im 5. Jahrtausend v. u. Z. wurden bei uns durch die Anfänge der Nahrungsmittelproduktion — Getreideanbau und Viehzucht wurden aus dem Südosten (Ursprungsgebiete im Vorderen Orient) vermittelt — die Voraussetzungen zur Seßhaftigkeit geschaffen. Besonders auf den fruchtbaren und auch mit primitiven Geräten leicht zu bearbeitenden linkselbischen Löß- und Lößlehmböden entstanden in einer zusammenhängenden Kette von Heidenau über Niedersedlitz bis zum Stadtteil Kemnitz viele Siedlungen mit großen Rechteckhäusern und Speichern. Die reichen Funde der sogenannten Bandkeramik (Gefäße, Steingeräte, Getreide, Hülsenfrüchte) werden durch die Inventare der Skelettgräber ergänzt. Jüngere erfolgreiche Ausgrabungen auf relativ großen Flächen fanden vor allem in den Stadtteilen Nickern (s. Bd. 21, F i ) und Prohlis statt. 20

In den jüngeren Abschnitten der Jungsteinzeit, als die Viehzucht eine größere Bedeutung gewann und sich damit auch weitere Siedlungsgebiete außerhalb der günstigen Ackerbauzonen zur Nutzung anboten, wurde der Dresdner Raum von den Leuten der Kugelamphoren- und schnurkeramischen Kultur aufgesucht. Die ergiebigsten Fundstellen liegen auch hier vom Altsiedeiland vor, beispielsweise vom Beutlerpark und von Cossebaude: Kugelamphoren; von Prohlis, Mockritz, Leuben und Striesen: Schnurkeramik. Schon vor der Wende zum 2. Jahrtausend v. u. Z. kennen wir Nachweise für erstes Metall, das bei den Glockenbecherleuten (etwa 1800 v. u. Z.) zum Gemeininventar der Gräber gehörte. Glockenbecher sind unter anderen von Leuben und Friedrichstadt bekannt. Die Vorteile des neuen Metalls wurden nun systematisch genutzt, und es entwickelte sich die Vollbronzezeit. Schon vor der Mitte des 2. Jahrtausends v. u. Z. sind beachtliche Nachweise für die Besiedlung durch die Aunjetitzer Kultur von der Dresdner Flur vorhanden, so von Reick und Johannstadt, wozu auch der bekannte verzierte Bronzedolch von Dresden-Briesnitz gehört. Die intensivste Besiedlung setzte etwa im 14. Jh. v. u. Z. mit der sogenannten lausitzischen Kultur ein. Weit über 50 Fundstellen in allen Stadtbezirken — von ehemaligen Hügelgräbern, von Flachgräberfeldern sowie Siedlungen — sind hier anzuführen. Dazu gehört auch das älteste überlieferte archäologische Fundgebiet auf Dresdner Stadtflur im Bereich des späteren Böhmischen Bahnhofs, des jetzigen Hauptbahnhofs (Carola-, heute Dr.-Karl-Rüdrich-Straße/ Reitbahnstraße). Dieses Gräberfeld ist seit 1666 bekannt, erste Abbildungen davon liegen seit 1726 vor. Das'bedeutendste Bodendenkmal ist die Befestigung auf der Heidenschanze (s. O 5) in Dresden-Coschütz, deren Siedlungsfläche durch die Sprengarbeiten eines inzwischen stillgelegten Steinbruchs allerdings wesentlich reduziert ist. Kleinere Burgwälle der gleichen Zeit befinden sich außerhalb des Stadtgebiets zwischen dem Vogel- und Friedrichsgrund (s. Bd. 27, Q 12) über Pillnitz und bei Krieschendorf (s. Bd. 27, Q 10). E s handelt sich dabei um Zentren von Siedlungskammern mit der Möglichkeit des Schutzes bei Gefahr, weiterhin um Austauschplätze, Produktionsstätten und sicherlich auch um Kultplätze. In der Bronzezeit sind gerade im Dresdner Raum weitreichende Handelsverbindungen bis zum Balkan und zur Ostseeküste nachweisbar, belegt durch eine größere Anzahl von Bronzeschatzfunden, darunter einen Bronzegeschirrfund von Dresden-Dobritz. Die lausitzische Kultur klingt im 3. J h . v. u. Z. aus. Inzwischen war aber längst das Eisen zum vorherrschenden Werkstoff geworden und wurde auch bald in unserem Gebiet gewonnen und verarbeitet. Wir können schon von den letzten Jahrhunderten v. u. Z. an von einer germanischen Besiedlung sprechen, die bis in das 6. Jh. u. Z. andauerte. Die jüngsten germanischen Funde, unter anderem mit 2 goldenen langobardischen Gewandspangen, liegen von Dresden-Nickern vor. Schon am Ende des 6. Jh. begann in mehreren Wellen die friedliche slawische Landnahme des in der Völkerwanderungszeit von den Germanen zu einem großen Teil verlassenen Gebietes. Die Einwanderung ins Elbtal erfolgte aus dem böhmischen Raum über die Osterzgebirgspässe, während die Oberlausitz vom O her besiedelt wurde. Mit der Dresdner Heide begann der breite Grenzwald zwischen 3

Dresden

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den Elbgauen Daleminzien mit Nisan und dem Oberlausitzer Gau Milska. Viele alte Ortsteile vom heutigen Groß-Dresden gehen auf sorbische Siedlungskerne zurück, so Briesnitz, Coschütz, Leuben, Leubnitz, Löbtau, Nickern, Plauen, Prohlis, Strehlen. Reste slawischer Wehranlagen sind heute noch gut erkennbar in Coschütz, Lockwitz, Niederwartha und am Kanapee bei Pillnitz; einen stark eingeebneten Wall gibt es in Briesnitz. Das engere Stadtzentrum und das Gebiet um die Frauenkirche, meist als ältester Siedlungsplatz angesehen, lieferten bisher noch keine Funde, dagegen besteht ein einzelner Nachweis für den Bereich des Taschenberges. Die reichen Funde und Befunde aus der Stadtkernforschung (s. A), besonders am Altmarkt, reichen kaum wesentlich vor die Zeit der ersten historischen Erwähnung zurück. W. Coblenz

Gründung Dresdens und historische Züge im Bild der Stadt Die Expansionspolitik des deutschen Feudalstaates hatte im 10. Jh. zur Gründung der Burg Meißen (s. Bd. 32, M 8.2) geführt, die ihm als militärisches, kirchliches und administratives Zentrum diente, um seine Macht an der Ostflanke sichern und ausbauen zu können. Zur Beherrschung des sorbisch besiedelten Landes dienten die Burgwardbezirke mit ihren befestigten Zentren Briesnitz (s. Q 4), an der Weißeritz (Bristrizi 1068) sowie der Stützpunkt Leubnitz. Gegen Ende des 12. Jh. erfolgte eine wesentliche Änderung der ökonomischen Verhältnisse. A n die Stelle des bisher vorherrschenden Tauschverkehrs im Rahmen der bestehenden Naturalwirtschaft trat, von Oberitalien ausgehend, der Handel auf der Basis von Ware-Geld-Beziehungen. U m die Erzeugnisse der damaligen Produktion, vorwiegend aus Landwirtschaft und Bergbau, erfassen zu können, entstand ein ausgedehntes Netz von Handelswegen. Es bedurfte einer großen Anzahl von Verkehrsstützpunkten, deren Distanz wesentlich von der Länge einer Tagesreise mit den schwerfälligen Lastfuhrwerken jener Zeit abhing. Das fast gleichzeitige Entstehen zahlreicher Städte kennzeichnet diese Situation. Die G r ü n d u n g D r e s d e n s (s. A) um 1200, 1206 als Ort, 1216 erstmalig als Stadt erwähnt, ordnet sich in diesen Zusammenhang ein. Im Gebiet von Dresden kreuzten sich der Schiffahrtsweg der Elbe und die Straße von Meißen nach Böhmen mit der bedeutenden Frankenstraße, die von Nürnberg am Fuße der Mittelgebirge entlang nach Krakau führte. Die geographischen Voraussetzungen für die Ortswahl waren bei Dresden besonders günstig: der allmähliche Abstieg der Freiberger Straße vom Erzgebirge her zum Elbtal, der durch die breite Hellerterrasse erleichterte Aufstieg der Straße zur Lausitzer Hochfläche, hinreichend Raum für eine größere Neusiedlung (zum Unterschied von Meißen) und das Bestehen eines guten Elbübergangs (zunächst Furt oder Fähre) in der Weitung des Elbtals. A n dieser Furt lag das kleine sorbische Dorf Drezd'ane, das sich dadurch auszeichnete, daß hier' eine der damals wenigen, dem Bischof von Meißen unterstehenden Kirchen des Gebietes als Mittelpunkt kirchlicher Macht gelegen war. Der herrschende Adel sah in dieser neuen Entwicklung mit Recht eine Quelle des Reichtums und der politischen Macht. E r begünstigte die Gründung von 22

Städten, deren Funktionen in Handwerk, Verkehr und Handel von den Bürgern ausgeübt wurden, die zu einer neuen Klasse heranwuchsen. Gleichzeitig erweiterte vor allem der niedere Adel durch die Begründung von Bauerndörfern seine ökonomische Basis. Die Markgrafen von Meißen, die oft mit den Burggrafen von Dohna in Fehde lagen, schalteten sich in diese Entwicklung ein, errichteten auf der flachen

A b b . 7. Stadtgründung und erste (nach S C H L Ü T E R / A U G U S T 1958—61) B Ba F FG FS FT H K Kr

Markgrafenburg Ratsbaderei Frauenkirche Frauengasse Frauentorsee Frauentor Hospital Kauf- und Rathaus Kreuzkirche

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Entwicklung

Dorf an der Meißner Straße Neithart (Sumpf) Seetor Taschenberg Taschenbergtümpel Ufertümpel Altenfischersdorf Wilsdruffer Tor

1 Burg (B) und Marktsiedlung (FG) des 12. Jh. 2 Planmäßig angelegte Stadt mit großem rechteckigem Markt. Begründung Anfang 13. Jh. 3 Späterer Ausbau am Taschenbergtümpel (Tt) und östlich der Kreuzkirche (Kr)

3*

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Erhebung des Taschenberges nahe der Elbe eine Burg, gründeten inmitten älterer dörflicher Siedlungen um die Frauenkirche eine neue Stadt, die sie mit einer Reihe von Rechten und Privilegien ausstatteten. Sie erbauten eine Brücke, die bereits 1287 als steinerne Brücke (s. A) genannt wird, und zogen damit den Handelsverkehr in ihren Machtbereich und unter ihre Kontrolle. Mit dieser Stadtgründung (Abb. 7) beginnt die Geschichte der Stadt Dresden, die in rund 700 Jahren zur Großstadt heranwächst und durch die Arbeit von vielen Generationen die Gestalt gewinnt, die nach vielen und wechselvollen Schicksalen den heutigen Einwohnern als Heimat und den zahlreichen fremden Besuchern als hervorragende Stätte der Kultur vertraut ist. Es ist im Rahmen dieser Überschau nicht möglich, eine Darstellung der Geschichte der Stadt Dresden zu geben. Einen Abriß der Baugeschichte aus der Sicht des Architekten lassen wir auf den Seiten 30 und 40 folgen. Hier muß sich die Beschreibung auf das beschränken, was aus der Geschichte der Stadt noch jetzt sichtbare Spuren hinterlassen hat und unser heutiges Stadtbild mitgestaltet. Wer aufmeksam durch Dresden wandert, wird allenthalben mit dem Auge Zeugen für den W e r d e g a n g d e r S t a d t wahrnehmen. Denn jede Epoche hat wesentlich mitgebaut und mit ihren Vorstellungen und Lebensformen charakteristische Elemente der Stadtgestalt geschaffen. Vieles davon ist vergangen, doch manches hat sich bis auf die Gegenwart erhalten. Dabei ist der Grundriß, in dem sich die Entstehung des Straßennetzes und der Stadtteile widerspiegelt, beständiger als der Aufriß der Stadt, die Stadtsilhouette, die sich mit dem Wandel der einzelnen Gebäude rasch ändert. Beide aber lassen wertvolle Schlüsse auf die Bedeutung der einzelnen Gesellschaftssysteme- für das heutige Stadtbild, speziell die räumliche und soziale Differenzierung des Stadtkörpers zu. Dabei geht es nicht allein um hervorragende Bauwerke und um das, was sie in ihrem Inneren an Schätzen bergen — das ist Sache der Architektur- und Kunstführer —, sondern um das Lebensmilieu, das die Stadt und ihre einzelnen Teile einst formte und das sie auch jetzt darbietet, sind es doch vielfach gerade die Wohnviertel der Besitzlosen, die heute noch einen beredten Ausdruck der jeweiligen sozialökonomischen Bedingungen vermitteln. Zum Unterschied von der Betrachtung Dresdens als Kunststadt gestattet ein solches Herangehen an die Stadt als etwas historisch Gewachsenes im Sinne einer vielschichtigen Kulturleistung tiefe und breitere Einsichten in die Arbeit vieler Generationen von Menschen, die nicht nur an der Stadt mitbauten, sondern auch in ihr und ihren Stadtteilen lebten. E s kommt also darauf an, in einer stark begrenzten Auswahl die wichtigsten Epochen zu charakterisieren und ihren Beitrag zur heutigen Gestalt der Stadt zu erfassen, während die Einzelheiten in die Beschreibung der Stadtteile eingehen. 1. Aus dem M i t t e l a l t e r überliefert und bis zur Bombardierung der Stadt 1945 noch in vielen Einzelheiten erhalten geblieben war der Grundriß der alten Stadtanlage. Die Zerstörung der Stadt 1945 hat nur wenig davon übriggelassen. Der Neuaufbau konnte die den Verkehrsbedingungen des Mittelalters entsprechende Dichte und die geringe Breite der Neben- und selbst der Hauptstraßen nicht in die Bebauungskonzeption aufnehmen. So blieben, wenn auch verbreitert und daher nicht grundrißgetreu, nur der Altmarkt und die sich recht24

•winklig kreuzenden Hauptstraßen erhalten (Abb. 21). Die kleinen Gassen verschwanden. Die Kreuzkirche behielt (s. A 7) ihren Platz, rückte infolge der Erweiterung des Altmarktes aus ihrer Randlage jedoch in die Häuserfront des Marktes vor. Die Linienführung der Augustusstraße mit ihrer charakteristischen Biegung am Eingang zum Stallhof ist die letzte Andeutung des Verlaufes der Stadtmauer im Mittelalter. Beständiges Element ist ferner die Lage der heutigen Georgi-Dimitroff-Brücke. Mittelalterliche Bausubstanz hatte Dresden von jeher nur wenig aufzuweisen. Mit gewissem Recht sagt man, daß die gotischen Bauwerke der früheren Residenzstadt in Meißen stünden. 2. Bedeutsam für die Gestalt des Grundrisses bis in die Gegenwart sind cüe B e f e s t i g u n g s a n l a g e n des 16. Jh., die nach niederländisch-italienischem Vorbild eine mächtige Ausweitung der Stadtfläche mit sich brachten, nicht zuletzt durch die weit ausladenden Bastionen. Von Bedeutung ist besonders, daß Teile der Festungsmauern unmittelbar sichtbar sind (s. A 5). Merkwürdig mag erscheinen, daß sich der Dresdner und mancher Fremde, der in anderen Städten die Reste alter Stadtmauern bewundert, dieser Tatsache kaum bewußt ist. Das liegt wohl daran, daß die erhaltenen Festungsmauern nicht als fossile Überbleibsel früherer Zustände erscheinen, sondern organisch in die spätere Ausgestaltung der Stadt einbezogen worden sind. Man geht zur Brühischen Terrasse (s. A 5) oder zum Zwinger (s. A 1). Im Gegensatz zur Altstadt sind die Befestigungsanlagen in Dresden-Neustadt ohne wesentliche sichtbare Zeugen geblieben. 3. Als Dresden 1485 zur ständigen Residenz der Landesherren wurde, begann die Erweiterung der bisherigen Burg zu einem Schloß (s. A 3), und im Zeitalter des Absolutismus trat eine ganze Reihe weiterer P r a c h t b a u t e n hinzu. So erweiterte sich der landesherrliche Bereich und umfaßte letztlich einschließlich der Palais maßgebender Adliger den ganzen elbseitigen Teil der Stadt vom Zwingerwall bis zum Kurländer Palais an der Ostflanke der Brühischen Terrasse. Das Schloß selbst und das Taschenbergpalais drängten die bürgerliche Bebauung zurück. Neben der Umgestaltung des Grundrisses wird die fürstliche Repräsentation ' durch einmalige künstlerische Bauwerke im Stadtbild und besonders in der Stadtsilhouette der Elbseite wirksam. Das Bürgertum hat mit einigen hervorragenden Bauwerken (Frauenkirche 1743, Altstädter Rathaus 1745, Neustädter Rathaus 1754, Gewandhaus 1770) zur Entwicklung des Stadtbildes beigetragen. Die monumentale Frauenkirche (s. A 4) beherrschte mit ihrer gewaltigen Kuppel bis zur Zerstörung die Stadtsilhouette. 4. Noch durch eine andere Zeiterscheinung wurde der barocke Lebensstil für Dresden nachhaltig von Bedeutung: die Anlage von L u s t g ä r t e n und L a n d h ä u s e r n vor der Stadt. Viele von diesen Gärten sind später der Überbauung zum Opfer gefallen, andere sind geblieben und von den Dresdner Bürgern weiter gepflegt und ausgebaut worden. Die umfangreichste Anlage ist die des Großen Gartens (s. C 4), der nicht nur mit rund 2 km 2 Fläche die größte zusammenhängende Parkanlage ist, sondern durch seine Lage auch die weitere Ausbreitung der Stadt mit beeinflußt hat. Vom Großen Garten erstreckt sich, in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts (1838—69) angelegt und planmäßig gestaltet, die Bürgerwiese bis an den inneren Ring. Ein schöner Park grenzt unter Nutzung 25

der alten Befestigungsanlagen an das Japanische Palais (s. D 3 ) . Die Pflege des städtischen Grüns hat bis in die jüngste Vergangenheit hinein Dresden zu einer Stadt mit besonders viel Grünanlagen gemacht. 5. Bleibende Folgen für die Entwicklung der Stadt hatte der soziale Aufstieg der sächsischen G r o ß b o u r g e o i s i e seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges. Dresden behielt zwar bis 1918 den Charakter einer Residenzstadt, in der nach wie vor der Adel eine erhebliche Rolle spielte, doch gewann nach dem militärischen und finanziellen Zusammenbruch von 1763 das kapitalistische Großbürgertum ein erheblich größeres soziales Gewicht und bedeutenden Einfluß auf die Staatspolitik. Führende großbürgerliche Kreise forderten aus politischen Gründen schon 1762 im Programm zu einer umfassenden Staatsreform die Schleifung der Befestigungswerke Dresdens. Der im Wiener Kongreß um zwei Drittel seines Territoriums verkleinerte Staat führte diese Schleifung nach 1815 durch. Dabei blieben die Hauptlinien der Festungswerke in den breiten Ringstraßen vom Postplatz über den Georgplatz bis zur Auffahrt zur Dr.-RudolfFriedrichs-Brücke erhalten. Die bis ins 19. Jh. hinein unbebauten Areale der Festungswerke luden zur Anlage von Straßen geradezu ein. Wenn Dresden es auch versäumte, an ihrer Stelle einen begrünten Promenadenring um den Stadtkern anzulegen, so konnte doch in der Gegenwart der ehemals von den Befestigungsanlagen eingenommene Raum östlich des Stadtkerns — nach der Zerstörung der im 19. Jh. dort erfolgten Bebauung — für die Anlage einer äußerst verkehrsgünstigen Nord-Süd-Tangente genutzt werden. , 6. Eine weitere, für das räumliche Gefüge der Stadt entscheidende Entwicklung vollzog sich im 19. Jh. mit der Fixierung der Linien für die E i s e n b a h n . Selbstverständlich konnten Trassen zunächst nur dort angelegt werden, wo noch nicht überbautes Gelände verfügbar war. Und so schlingt sich der Bogen der Eisenbahnstrecken im W und S um das Stadtzentrum und bewirkte eine Vorentscheidung über die alsbald eintretende Differenzierung des Stadtkörpers, besonders hinsichtlich der Industrie- und Wohngebiete. Besonderen Einfluß auf die gewerbliche und industrielle Entwicklung hatten die Steinkohlenschätze des Freitaler Reviers, die günstig zum älteren Gewerbeviertel am Weißeritzmühlgraben lagen und die Verdichtung der Industrie im W der Stadt verstärkten (s. C 2). Gleichzeitig förderte die Kohlenbahn die Lagerhaltung, und es entstand ein eigenartiger Zwickel an der Freiberger Straße, der durch die alte Berliner Strecke über Friedrichstadt und die dort errichteten Umschlageinrichtungen der späteren Reichsbahn noch betont wird. E.

Neef

Differenzierung des Stadtgebiets im 19. u n d 20. Jahrhundert Die Festlegung der Eisenbahntrassen war der letzte einschneidende Akt, der die Gestalt der ganzen Stadt maßgeblich beeinflußt hat. Was später an Umgestaltungen im Gefüge der Stadt vor sich ging, blieb mehr oder weniger auf einzelne Stadtteile beschränkt, wie der Bau weiterer Elbbrücken, die Straßendurchbrüche in der Innenstadt oder die Neuanlage der Prager Straße. A m bedeutendsten für die Neustadt waren die Verlegung der Kasernen aus der Inneren 26

Neustadt an den Rand der Dresdner Heide und die Errichtung der Albertstadt (s. E 5). Die mit der Industrialisierung verschärft einsetzende Zunahme der B e v ö l k e r u n g (in einem Jahr durchschnittlich 4000 bis 5000 Zuwanderer) führte zu einer raschen Ausweitung der bebauten Flächen, wobei die Vororte noch vor ihrer Eingemeindung nach Dresden (Abb. 8) meist eine eigene Bebauungspolitik betrieben (s. K 1, K 3). Die soziale Differenzierung, in der alten Stadt meist nur vertikal geschichtet, zeigte sich nunmehr immer deutlicher im Charakter der einzelnen Stadtteile und Wohnviertel. Mit der Festlegung der Eisenbahntrassen wurden zugleich die Flächen vorgegeben, auf denen die Möglichkeit des Gleisanschlusses größere I n d u s t r i e a n l a g e n anzog und zur Ausbildung von Industrievierteln Anlaß gab. Neben der im W der Altstadt längs der Kohlenbahn entstand auch im SO an der Böhmischen Bahn eine Industriezeile, wobei die Gaswerke in Reick (s. M 2), die Textilindustrie von Dobritz (s. L 3) und das Sachsenwerk in Niedersedlitz (s. L 5) auf heutigem Stadtgebiet Schwerpunkte waren. Auf der Neustädter Seite verstärkte sich der Ausbau industrieller Anlagen in der Leipziger Vorstadt, an die sich längs der Leipziger Strecke eine Industriezeile anschloß (s. E 2), die freilich ihre dichteste Besetzung erst in Radebeul erreicht. Im N der Stadt entstand, relativ spät und durch den Militärbezirk der Albertstadt zunächst einseitig orientiert (Arsenal), das Industriegelände an der Otto-Buchwitz-Straße. Die Industrieentwicklung beschränkte sich keineswegs auf die Großindustrie mit Gleisanschluß. Viel allgemeiner und weit verbreitet wuchsen aus ehemaligen Handwerksbetrieben kleine und mittlere Industriebetriebe heran, die — soweit die Bauordnung der Stadt das zuließ — ihren alten Standort behielten und die Hinterhöfe der Wohnblöcke besetzten (s. C 5). Die Zerstörung der Vorderhäuser durch den Feuersturm der Schreckensnacht 1945 hat viele dieser versteckten Gewerbeanlagen erst sichtbar gemacht. Aber auch Neuanlagen innerhalb der Straßenviertel entstanden in größerer Zahl durch die Niederlassung von Spezialindustrien, die wegen ihres hohen Veredlungsgrades keinen Massengüterumschlag und daher auch keinen Gleisanschluß benötigten. Dazu gehörten viele der Dresdner Gewerbezweige, wie etwa die Strohflechterei und deren Weiterverarbeitung oder die Zigarettenindustrie oder — heute noch besonders kennzeichnend — die feinmechanischen Werke (s. K 1). An die Industrieflächen schlössen sich alsbald A r b e i t e r w o h n v i e r t e l an, die meist einen eintönigen Charakter zeigen, obwohl extreme Mietskasernenviertel in Dresden kaum entstanden sind. Demgegenüber wurden die etwas industrieferneren Stadtteile bevorzugte Wohngebiete, die oft als „Beamtenviertel" (s. F 5, K 1) bezeichnet worden sind. Ausgesprochene V i l l e n v i e r t e l bildeten sich um den Großen Garten, im Schweizer Viertel (s. C 3) südlich vom Hauptbahnhof, in den Randgebieten der inneren Neustadt und weiter entfernt in Oberlößnitz (s. Bd. 22, P 1.7) und in Bad Weißer Hirsch (s. H 2) heraus. Später entstanden meist wesentlich bescheidenere Einzelhäuser im Grün der randlich gelegenen Vorstädte. Oft sind Mischgebiete entstanden, an denen mehrere Generationen gebaut haben. Meist aber kann man die einzelnen Bauepochen recht gut unterscheiden. Der Baustil verrät die Baugesinnung des 27

Altstadt 1549 1835 1892-1913 1921"1934 1945-1950

• Wüstungen I Lonnßevvitz II Auswik III Boskau IV Ranvoititz V Gleina VI Poppewitz VII Bortzschen VlIlRostagk X Praschütz IX W e r n t e n XI Lippen

Abb. 8. Eingemeindungen — Legende s. Seite 29 —, Wüstungen (links) sowie 1945 zerstörte Flächen (nach S C H L Ü T E R / A U G U S T 1958—61) 28

J a h r e der Eingemeindungen 1

Altstadt 1549 2 Neustadt 3 Vorstädte 3 a Neudorf 3 b Pirnaische Vorstadt 3 c Seevorstadt 3d Wilsdruffer Vorstadt 3e—g übrige Fläche {meist unbebautes Land) 1835 4 a Antonstadt 4 b Leipziger Vorstadt 5 Friedrichstadt 1892 6 Strehlen 7 Striesen 1897 8 Pieschen 9 Trachenberge 10

1899

Albertpark 1901 11 Gruna

1902 12 Räcknitz 13 Seidnitz 14 Zschertnitz 1903 15 Cotta 16 Kaditz 17 Löbtau 18 Mickten 19 Naußlitz 20 Plauen 21 Trachau 22 Ubigau 23 Wölfnitz 1912 24 Tolkewitz 1913 25 Reick 1&21 26 Blasewitz 27 Briesnitz 28 Bühlau 29 Coschütz 30 Dobritz

31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52

Gorbitz Gostritz Kaitz Kemnitz Kleinpestitz Kleinzschachwitz Laubegast Leuben Leubnitz-Neuostra Leutewitz Losch witz Mockritz Prohlis Rochwitz Stetzsch Torna Weißer Hirsch 1930 Lockwitz Nickern Omsewitz Wachwitz 1934 Heidefriedhof

53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66

67 68

69 70 71 72

1945 Albertstadt Dölzschen Gittersee Roßthal 1949 Dresdner Heide 1950 Großluga Großzschachwitz Hellerau Hosterwitz Kleinluga Klotzsche Meußlitz Niederpoyritz Niedersedlitz Oberpoyritz Pillnitz Söbrigen Sporbitz Wilschdorf Zschieren

29

Weixdorf!

^Weinböhla

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Hellerau \Kötzschenbroda

Hellerau Post 1 /Schänkhübel

~~1872~ Pferde(eisen)bahn stadt

^Jriedrictistadti

Leutewitz

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.Waldschlößchen

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Straßenbahn

~1899" Schmalspurbahn

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1

Wachwitz

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Zschertnitz

Pillnitz

Leubnitz-Neuostra Niedersedlitz,

Kleinzschach-Wi witz

A b b . 9. Straßenbahnliniennetz (nach WOTTE/HOYER 1977; F ü n f u n d s i e b z i g Jahre S t r a ß e n b a h n in Dresden 1947 und S t a d t p l a n Dresden 1979) ¥

1 Fetscherplatz

7 Postplatz

2 Fucikplatz 3 Hauptbahnhof (Leninplatz;

8 Schillerplatz 9 Schweriner/Paul-Gruner-Straßc

4 Kesselsdorfer/Tharandter Straße 5 Pirnaischer Platz

10 Straßenbahnhof Mickten N A Neuer Annenfriedhof

6 Platz der Einheit

Zeitalters und gestattet o f t sehr interessante Vergleiche. Die V e r f l e c h t u n g der verschiedenartigen S t a d t g e b i e t e brachte notwendigerweise die E n t w i c k l u n g des innerstädtischen Verkehrsnetzes mit sich (Abb. 9). E. Neef

Überblick zur baugeschichtlichen Entwicklung D i e S t a d t g r ü n d u n g des frühen 13. Jh. w a r eine p l a n m ä ß i g e A n l a g e auf einem bisher unbesiedelten Gelände, erschlossen und gegliedert durch ein auf B u r g und E l b ü b e r g a n g ausgerichtetes Straßenkreuz, über dessen westlichen und 30

nördlichen Arm (Westteil Ernst-Thälmann-Straße, Schloßstraße) die Fernstraße die Stadt durchlief. A m Schnittpunkt dieser beiden Straßenachsen wurde im südöstlichen Quadranten der Markt angeordnet, der bis 1945 die durch den Gründungsplan festgelegte Größe behielt. Auf einem an die Südostecke des Marktes anschließenden zweiten Platz wurde die Pfarrkirche der neuen Siedlung, eine Nikolaikirche — die spätere Kreuzkirche —, errichtet. Die U m m a u e r u n g der Stadt, 1299 erstmals bezeugt, richtete sich nicht nach der geradlinigen Führung der Gassen, die in der westlichen Stadthälfte vorwiegend westöstlich, in der östlichen dagegen nordsüdlich orientiert war, sondern folgte den topographischen Gegebenheiten. D a ß die ältere Siedlung um die Frauenkirche nicht einbezogen wurde, läßt erkennen, daß sie ein eigenes, an Bedeutung aber völlig hinter die Neugründung zurücktretendes Gemeinwesen blieb. Die Verbindung zwischen beiden spielte im Stadtgrundriß nur eine untergeordnete Rolle. Sie wurde zudem erschwert durch sumpfige, siedlungsunfreundliche Stellen, •die im Ostteil der Stadt auch zu einem Abgehen von der geradlinigen Straßenführung zwangen. Der östliche Arm des Straßenkreuzes endete blind in einer nach S abgebogenen Gasse. Zum Ostausgang der Stadt führte, ebenfalls leicht nach S ausschwingend, die von der Südostecke des Marktes ausgehende Kreuzstraße. Das von der Stadtmauer umgebene Gebiet dürfte erst im Laufe des 15. Jh. vollständig überbaut worden sein. A u f ' d e r nordwestlichen Randfläche wurde das 1265 gegründete Franziskanerkloster errichtet. Zu ihm gehörte die 1945 .zerstörte Sophienkirche, eine 1351 begonnene zweischiff ige Halle, ungewöhnlich durch den selbständigen polygonalen Ostschluß beider Schiffe. Seit 1471 wurde unter der Leitung A R N O L D S V O N W E S T F A L E N die Burg ausgebaut, die nach der 1485 erfolgten Landesteilung ständige R e s i d e n z der Albertiner wurde. Die Anwesenheit des Hofes beeinflußte und förderte von diesem Zeitpunkt an in starkem Maße die bauliche Entwicklung Dresdens, das bis dahin eine wenig bedeutende Ackerbürgerstadt gewesen war. Die nach dem großen Brand von 1491 erlassene Bauordnung forderte für die Neubauten massive Erdgeschosse, Ziegeldächer und durchgehend massiv errichtete Eckhäuser. Bis 1499 erfolgte der Neubau der Kreuzkirche als eine der für die obersächsische Spätgotik charakteristischen Hallen, die den älteren Westbau und den aus der ersten Hälfte des 15. Jh. stammenden Chor beibehielt. Mit dem Georgenbau des Schlosses (1530 — 35) hielt die R e n a i s s a n c e ihren Einzug in Dresden, wobei sich die mittelalterliche Architekturtradition mit Anregungen aus dem französischen Schloßbau und der oberitalienischen Renaissance verband, von deren betont dekorativer Auffassung noch das an die Westseite des heutigen Baues versetzte Portal der Elbseite zeugt. Nach der Erlangung der Kurwürde durch Herzog MORITZ (1547) war Dresden zur Hauptstadt des bedeutendsten protestantischen Territoriums im Reiche geworden. Der neu erworbene fürstliche Rang fand seinen Ausdruck in einem großzügigen Umund Erweiterungsbau des Schlosses, der dessen Umfang verdoppelte. Der nach dem Entwurf C A S P A R V O I G T S V O N W I E R A N D T entstandene Vierflügelbau war eines der prachtvollsten Bauwerke der deutschen Renaissance, ausgezeichnet durch einen reichen plastischen Schmuck und die Sgraffitodekoration der Fassaden.

31

1546 begann unter der Leitung C A S P A R V O I G T S V O N W I E R A N D T die vollständige Erneuerung der S t a d t b e f e s t i g u n g , wobei an die Stelle des mittelalterlichen Mauerringes hohe Wälle mit flankierenden Bastionen traten. 1591 wurden die Arbeiten von P A U L B U C H N E R vollendet. Die neuen Festungswerke, die auch die Siedlung um die Frauenkirche einschlössen, legten den Umfang der Stadt für mehr als 2 Jahrhunderte fest. Die fehlende Ausdehnungsmöglichkeit und die völlige Abschließung von den Vorstädten führten in der Folge zu einer immer stärkeren Überbauung. Die Einbeziehung des Frauenkirchviertels in die Befestigung hatte die Trennung zwischen ihm und der mittelalterlichen Stadt hinfällig gemacht, und der im Verlauf der bisherigen Stadtmauer angelegte Straßenzug Augustusstraße — Neumarkt — ehemalige Moritzstraße wurde zu einer der Hauptverkehrsadern der Stadt, die den Verkehr zur Elbbrücke vermittelte. Auf dem Gelände der ehemaligen Befestigung entstanden 1586—91 als Erweiterung des Schloßkomplexes der Stallhof und das durch den Langen Gang mit dem Georgenbau verbundene Stallgebäude. Der Entwurf der Anlage dürfte auf den Italiener G. M. N O S S E N I zurückgehen, dessen vielseitige Tätigkeit für den Hof die Dresdner Kunst des ausgehenden 16. und des beginnenden 17. Jh. nachhaltig beeinflußte. Die künstlerische Blüte der Stadt erstreckte sich auch auf das bürgerliche Bauwesen. An ihm waren vielfach dieselben Künstler und Handwerker beteiligt, die an den höfischen Bauaufgaben mitwirkten. Der erneute Aufschwung des Bauschaffens nach dem Dreißigjährigen Krieg ist mit der Berufung W O L F C A S P A R V O N K L E N G E L S 1655 zum Oberlandbaumeister verbunden. E r bereicherte das Stadtbild durch die Erhöhung des Schloßturmes (1674 — 76) und schuf die nach den Grundsätzen des b a r o c k e n S t ä d t e b a u e s angelegte Planung für den Wiederaufbau vom rechtselbischen Altendresden, das 1685 nahezu völlig abgebrannt war. Durch 3 strahlenförmig vom Neustädter Markt ausgehende Straßen (Rähnitzgasse, Straße der Befreiung, ehemalige Kasernenstraße) brachte er eine klare Ordnung in dessen vordem unregelmäßige Anlage. Das Palais im Großen Garten, 1678 — 83 von K L E N G E L S Amtsnachfolger J. G. S T A R C K E erbaut, leitete den Kranz der barocken Gartenpalais rings um die Stadt ein. E s ist eines der ersten großen an der Schwelle zum Hochbarock von deutschen Künstlern geschaffenen Bauwerke. Die 1676 begonnene Gartenanlage wurde seit 1683 durch J. F. K A R C H E R im Sinne der französischen Gartenkunst verändert und erweitert (s. C 4). Unter der Regierung A U G U S T S D E S S T A R K E N k a m es zu einem Höhepunkt höfischer Prachtentfaltung, die sich aber auf seine beiden Residenzstädte Dresden --und Warschau verteilen mußte, so daß der größte Teil der hochfliegenden Baupläne auf dem Papier blieb, darunter auch die Entwürfe für einen Neubau des Residenzschlosses westlich des alten. Seit etwa 1703 bis zum Ausbruch des Siebenjährigen Krieges beschäftigte dieser Plan alle bedeutenden Architekten des Oberbauamtes. In unmittelbarer Nachbarschaft des Schlosses entstand nach den Entwürfen von K A R C H E R und P Ö P P E L M A N N zunächst nur das Taschenbergpalais (1706—11), bedeutsam als künstlerisches Bindeglied zwischen dem Palais im Großen Garten und dem 1709 von P Ö P P E L M A N N als Orangerie begonnenen Zwinger, der in kongenialer Zusammenarbeit mit PERMOSER zu einer triumphalen Festarchitektur weitergeführt wurde, aber unvollendet blieb (s. A 1). Dagegen wurde der Ausbau der Neustadt auf der 32

Grundlage der KLENGELschen Planung, der nach 1685 ins Stocken geraten war, seit 1727 zielstrebig vorangetrieben. Neu angelegt wurde die auf die Mittelachse des Japanischen Palais zuführende heutige Friedrich-Engels-Straße. Durch eine musterhafte Baugesetzgebung ( G E Y E R 1964), die in der Bauordnung von 1720 gipfelte, war die Gestaltung der Stadt nach einheitlichen Gesichtspunkten gewährleistet. Es entstanden Straßenbilder von so eindrucksvoller Geschlossenheit, wie sie bis 1945 die Rampische Gasse und die Große Meißner Straße zeigten, in denen sich die künstlerische Vielfalt der einzelnen Bürgerhäuser zu einer über den individuellen Auffassungen stehenden Ordnung zusammenfügte. Seine Krönung fand das bürgerliche Bauwesen der barocken Stadt in der von G E O R G E B Ä H R errichteten Frauenkirche (1726—43), durch die sich der protestantische Kirchenbau zu einer bisher nicht erreichten monumentalen Großartigkeit und Originalität aufschwang (s. A 4). Im Hinblick auf den noch immer beabsichtigten, aber nie verwirklichten Schloßneubau entstand 1739—55 die von G A E T A N O C H I A V E R I entworfene Hofkirche (s. A 2). Ihr römischer Spätbarock steht in keinem stilistischen Zusammenhang mit der gleichzeitigen Dresdner Architektur, die in zunehmendem Maße unter den Einfluß der zurückhaltenden, rationalen Formensprache des Oberlandbaumeisters J. C. K N Ö F F E L geriet. Von ihm wurden unter anderem das Kurländer (1728/29) und das Brühische Palais (1737 begonnen) erbaut sowie die Entwürfe für das Altstädter (1740) und das Neustädter Rathaus (1750) überarbeitet. Mit der Anlage des Brühischen Gartens auf dem Festungswall über der Elbe (1739 begonnen) vollzog er die durch den Bau der Hofkirche eingeleitete Hinwendung der Stadt zum Fluß, die sich auf den Wällen mit einem Kranz von Gärten schmückte. Bereits 1736 war das Verbot der massiven Bauweise in den Vorstädten aufgehoben worden. Typenentwürfe, unterschieden nach 3 Bauzonen, sollten ihre einheitliche Bebauung • sichern. Nach der schon 1670/71 westlich der Wilsdruffer Vorstadt gegründeten Friedrichstadt (s. C 1) erfolgte 1744/45 durch den Neuen Anbau auf dem Sande, der späteren Antonstadt (s. E 4), eine weitere planmäßige Stadterweiterung im NO der Neustadt. Der Wiederaufbau der Stadt nach den Zerstörungen des Siebenjährigen Krieges wurde bestimmt durch den von L O N G U E L U N E und K N Ö F F E L eingeführten k l a s s i z i e r e n d e n S p ä t b a r o c k . Der aus dieser Schule hervorgegangene F R I E D R I C H A U G U S T K R U B S A C I U S , als Professor der 1763 gegründeten Kunstakademie von großem Einfluß auf die nachfolgende Architektengeneration, errichtete 1770 — 76 das Landhaus (s. A 7). Die Auseinandersetzungen zwischen dem traditionellen handwerklich-bürgerlichen Barock, vertreten durch den Ratsbaumeister J O H A N N G E O R G S C H M I D , einen Schüler und Amtsnachfolger G E O R G E B Ä H R S , und den vom Oberbauamt und der Kunstakademie verfochtenen klassizistischen Tendenzen wurden im Verlauf des Neubaues der Kreuzkirche (1764—92) endgültig zugunsten der letzteren entschieden. Auch der Entwurf S C H M I D S für das Gewandhaus (s. A 7), erbaut 1768—70, mußte sich die Überarbeitung durch einen Architekten des Oberbauamtes, J O H A N N F R I E D R I C H K N Ö B E L , gefallen lassen. Die Zeit um die Jahrhundertwende blieb ohne größere bauliche Unternehmungen, bis die endgültige Schleifung der Festungswerke seit 1815 die Trennung der 33

Innenstadt von den Vorstädten aufhob. Auf der Altstädter Seite gelang auf die Dauer nur die Freihaltung des Pirnaischen und des Postplatzes und die Anlage einer Ringpromenade, das übrige Glacis wurde überbaut. Dagegen schuf G O T T L O B F R I E D R I C H T H O R M E Y E R in der Neustadt mit der offenen Bebauung des Festungsgeländes (1817 — 31) und der Anlage eines Sternplatzes (Platz der Einheit) ein charakteristisches Beispiel des k l a s s i z i s t i s c h e n S t ä d t e b a u s , das einen Gegenpol zu dem barocken Straßensystem KLENGELS bildete. Weitere, seit Jahrzehnten anstehende bauliche Probleme nahm G O T T F R I E D S E M P E R in Angriff. Den geplanten Bau eines Theaters und eines Museums verband er mit der städtebaulichen Gestaltung des Gebietes zwischen Zwinger, Elbe und Schloß, wobei er die schon von P Ö P P E L M A N N beabsichtigte Erweiterung des Zwingerhofes bis zur Elbe vorschlug. Diesem Plan entsprach der Standort des 1838 — 41 erbauten Hoftheaters, mit dem S E M P E R die Formen der italienischen Renaissance in die Dresdner Architektur des 19. Jh. einführte. Nachdem aber sein Galeriebau 1847 — 54 als nördlicher Abschluß des Zwingers errichtet worden war, entstand der Theaterplatz (s. A 2) als ein selbständiger, von monumentalen Einzelbauten umgebener Platzraum, der nach dem Brand des Hoftheaters (1869) mit dem zweiten S E M P E R S c h e n Theaterbau 1871 — 78 seine endgültige Form erhielt. S E M P E R S Bauten für private Auftraggeber (Villa Rosa 1838/39; Palais Oppenheim 1845 — 48) verschafften seiner R e n a i s s a n c e r e z e p t i o n Eingang in das bürgerliche Bauwesen der Stadt. Von seinem Schüler H E R M A N N N I C O L A I weitergegeben, prägte dieser Stil in starkem Maße die Bebauung der Vorstädte um und nach 1850. Die industrielle Revolution, verbunden mit der Entwicklung des Verkehrswesens und einem starken Zuzug vom Lande, führte in der zweiten Hälfte des 19. Jh. zu einem sprunghaften Wachstum der Stadt. Dabei wurde aber grundsätzlich an einer einheitlichen Bebauungsweise der S t a d t e r w e i t e r u n g s g e b i e t e festgehalten. Bis 1862 war die geschlossene Bebauung auf das Gebiet innerhalb des inneren Environweges, des heutigen Innenringes, die Anton- und die Friedrichstadt beschränkt. Zwischen dem inneren und dem bis zur Jahrhundertwende im wesentlichen ausgebauten äußeren Environweg (Bischofsweg, Fetscherstraße, Zellescher Weg, Nürnberger, Waltherstraße) war nur die offene Bebauungsweise zugelassen, und das Gebiet jenseits des äußeren Environweges sollte überhaupt unbebaut bleiben. Nach 1862 mußte aber auch hier die geschlossene Bebauung zugelassen werden, die in der Zeit von 1870 bis 1890 vorherrschte. Danach erfolgte eine Rückkehr zur aufgelockerten Bebauung. Die Forderung von Bebauungsplänen und die Vorschriften über die Art der Bebauung engten in Dresden den Spielraum für Spekulationsbauten vergleichsweise ein, und die Festlegung von Industriestandorten, vor allem im W und N, verhinderte die Ausbreitung störender Industrieanlagen über das gesamte Stadtgebiet, so daß eine planmäßige Erweiterung der Stadt bis zu einem gewissen Grad gesichert war. Neben dieser von innen nach außen gehenden Ausdehnung der bebauten Flächen vollzog sich eine in umgekehrter Richtung laufende Entwicklung infolge des Wachstums der in den Zuwanderungsstrom einbezogenen umliegenden Ortschaften. Die Eingemeindungspolitik der Jahrhundertwende schuf die Voraussetzung für die einheitliche städtebauliche Planung. 34

Die notwendigen städtebaulichen Verbesserungen in der Innenstadt und den anliegenden Vorstädten wurden durch die Eigentumsverhältnisse erschwert, doch kam eine durchgehende Ost-West-Verbindung seit 1872 abschnittsweise zustande. Nach dem Durchbruch der Schweriner (1872 — 75) und der Grunaer Straße (1878 — 80) wurde sie 1885 — 88 mit dem Durchbruch der König-JohannStraße, heute Abschnitt der Ernst-Thälmann-Straße, v o m Altmarkt z u m Pirnaischen Platz vollendet. Zusammen mit der Prager Straße, die bereits 1853 zum Böhmischen Bahnhof durchgebrochen worden war,stellte sie eine sinnvolle und konsequente Weiterführung des Achsenkreuzes dar, das die Grundlage des mittelalterlichen Stadtgrundrisses bildete. Die tiefgreifenden gründerzeitlichen Veränderungen des Stadtbildes führten am Ende des 19. Jh. zu einer neuen Besinnung auf seine historischen Werte, wobei der Altstädter Elbfront besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. So konnte unter anderem die Abtragung eines Teils der Brühischen Terrasse für den Bau des Ständehauses (1901 — 06, P A U L W A L L O T ) verhindert werden. Im Zusammenhang mit der Elbuferkorrektur 1869 — 72 war es gelungen, die Elbwiesen von einer Bebauung frei zu halten und den landschaftlichen Charakter des Elbraumes zu wahren. Durch die Erhaltung und Erweiterung der Bürgerwiese (1838—69) war das Grün des Großen Gartens bis an den Stadtkern herangeführt worden. Zu Beginn des 20. Jh. bereicherte H A N S E R L W E I N , Stadtbaurat von 1905 bis 1914, das Stadtbild durch eine Reihe feinempfundener Bauten in der traditionsgebundenen Gestaltungsweise der süddeutschen Architekturschule (Italienisches Dörfchen, Oberschule Weintraubenstraße), die er auch auf Industrieanlagen ausdehnte (Schlachthof, 1906—11). R I C H A R D R I E M E R S C H M I D schuf 1907 den Bebauungsplan für die in Verbindung mit den Deutschen Werkstätten angelegte Gartenstadt Hellerau (s. Bd. 22, R 3) nach den Grundsätzen des romantisierenden Städtebaus, der sich in Dresden, wo an der geradlinigen Straßenführung der Stadterweiterungsgebiete festgehalten worden war, sonst nicht hatte durchsetzen können. Nach 1920 übersprang die Stadterweiterung den Ring der gründerzeitlichen Bebauung. In den äußeren Vororten mit ihren mehr oder weniger gut erhaltenen Dorfkernen (Abb. 10) standen aufgelockerte W o h n s i e d l u n g e n , zum überwiegenden Teil in zurückhaltend-traditioneller Gestaltungsweise wie die größte Siedlung jener Jahre, die des Bauvereins Gartenheim in Gruna (besonders 1925/26, P A U L B E C K ) . Teilweise vertraten sie auch die moderne funktionelle Architektur (Wohngebiet Kopernikusstraße in Trachau, 1927 — 29 von H A N S R I C H T E R ) . P A U L W O L F , Stadtbaurat seit 1923, förderte diese Bestrebungen auch durch eine Reihe eigener Bauten. Dagegen wurde der umfangreichste Neubau imBereich des Stadtzentrums, das Hygienemuseum, 1927 — 30 von W I L H E L M K R E I S in einer betont monumentalisierenden Auffassung errichtet. W. May Zerstörung u n d W i e d e r a u f b a u Fast bis zum Ende des zweiten Weltkriegs war Dresden von Luftangriffen verschont geblieben. Die ersten Bomben wurden am 7. 10. 1944 über Stadtteilen westlich des Zentrums abgeworfen. Über 400 Menschen verloren ihr Leben. 35



denkmalgeschützter

O

erhaltenswerter

Dorfkern

AA

Baudenkmal-

Ensemble

A

Baudenkmal -

Einzelobjekte

A

ohne

Dorfkern

Denkmalwert

Abb. 10. Historische Dorfkerne (aus Denkmale in Sachsen. Weimar 1979) Am 13-/14- 2. 1945 wurde Dresden durch 3 anglo-amerikanische Terrorangriffe, die mit dem Ausgang des Krieges nichts mehr zu tun hatten, planmäßig auf einer Fläche von 15 km2 in Schutt und Asche gelegt. Nach einem teuflischen Plan wurden Spreng- und Brandbomben so eingesetzt, daß ein furchtbarer Feuersturm entstand, der durch Flächenbrände ein Maximum an Vernichtung, vor allem in den dicht bebauten Wohnvierteln, bewirkte. Die zerstörte Fläche lag zentral zwischen Friedrichstadt und Gruna, der Südvorstadt und der Inneren Neustadt (Abb. 8).

36

V o n 220 000 Wohnungen wurden 75000 völlig zerstört, Zehntausende mehr oder weniger schwer beschädigt. Alle kulturhistorischen Gebäude der Innenstadt, dazu 20 Kirchen, 8 Kapellen, 35 Schulen, 114 öffentliche Gebäude und 40 Krankenhäuser und Kliniken wurden vernichtet. B o m b e n rissen nicht nur die Straßendecken auf, sondern zerstörten auch vielfach die unterirdischen Leitungsnetze für die Wasser-, Gas- und Stromversorgung. Die unsinnige Sprengung der Elbbrücken unmittelbar vor dein Einzug der sowjetischen T r u p p e n vermehrte noch zusätzlich die Schwierigkeiten. D a zu dieser Zeit der B o m b e n angriffe ungezählte Flüchtlinge und Soldaten in der S t a d t weilten, ist die Zahl der Todesopfer nicht genau zu ermitteln. Die amtlichen Schätzungen sprechen von 35000. A m 8. 5. 1945, am Waffenstillstandstag, wurde die S t a d t v o n sowjetischen Truppen besetzt. A m 10. 5. übernahm Dr. R U D O L F F R I E D R I C H S auf B e f e h l des sowjetischen Stadtkommandanten das A m t des Oberbürgermeisters. D e r neugebildete Magistrat bemühte sich mit tatkräftiger Unterstützung durch die sowjetischen Dienststellen u m die Sicherung der Lebensgrundlagen der B e völkerung, das heißt u m die Versorgung mit Lebensmitteln, mit Wasser, G a s und elektrischem Strom, sowie u m die Ingangsetzung der Verkehrseinrichtungen. E s w a r eine gewaltige Leistung, d a ß E n d e Mai bereits 180000 k W h Strom, 70000 m 3 Wasser und 41300 m 3 Gas abgegeben werden konnten, die Straßenb a h n täglich 150000 Fahrgäste befördern konnte. Marienbrücke und die heutige B r ü c k e der Einheit wurden behelfsmäßig aufgebaut. Bereits 1945 w u r d e n 50000 der leicht beschädigten und 3000 der mittelschwer beschädigten W o h nungen wiederhergestellt. T r o t z aller materiellen Schwierigkeiten k a m das Kulturleben wieder in G a n g . I m Sommer 1945 gaben Staatskapelle und Philharmonie ihre ersten K o n z e r t e (Kurhaus Bühlau, s. B d . 27, N 1), der Feenpalast in Leuben wurde z u m Operettentheater (s. L 4) umgestaltet. Denkmalpfleger, Architekten, Bildhauer und viele andere freiwillige Helfer räumten an Sonntagen und Feierabenden T r ü m m e r zur Seite und bargen Plastiken, schmiedeeiserne Gitter und Architekturteile. Mit dem Wiederaufbau von Baudenkmalen, wie Zwinger (s. A 1) und ehemaliger Katholischer Hofkirche (s. A 2), wurde begonnen. Die s t ä d t e b a u l i c h e P l a n u n g , Grundvoraussetzung für einen geordneten A u f b a u , vollzog sich in einem kontinuierlichen Prozeß, in dem zunächst die Vorstellungen v o n einer weitgehenden Wiederherstellung des Zustandes v o r 1945 bis zu völlig neuen Strukturen reichten. Eine Reihe v o n Rechtsgrundlagen wurde geschaffen. So enthielt der erste A u f b a u p l a n (1946) bereits w i c h t i g e Elemente der Planung für die Innenstadt, die Verkehrsführung, die Versorgungsnetze, für den Wiederaufbau kulturhistorisch bedeutsamer Gebäude und die Rolle der Grünanlagen. Die Grundakte von 1951 brachte Aussagen über die künftige Bedeutung der S t a d t und die wichtigsten Planvorhaben, insbesondere für den Stadtkern und den zentralen Bezirk, das Gebiet innerhalb des S t a d t ringes, über den A l t m a r k t als zentralen P l a t z und die Ernst-Thälmann-Straße als Fest- und Demonstrationsstraße (s. A 7). In den folgenden Jahren wurde die städtebauliche Planung folgerichtig weitergeführt, wobei solche F a k t o r e n wie industrielle Entwicklung, industrialisiertes Bauen, W a c h s t u m des Verkehrs und der kulturellen Bedürfnisse, sozialpolitische 4

Dresden

37

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Aspekte, insbesondere im Wohnungsbau, nicht zuletzt auch der bewußtseinsbildende Charakter des Städtebaus eine Rolle spielten. Der Generalbebauüngsplan von 1974 erfuhr eine Fortschreibung bis 1976 unter Abstimmung mit dem Generalverkehrsplan (Abb. 11). Dabei wird das Wesen der Stadt gekennzeichnet durch: — — — — — — —

sozialistische Großindustrie Wissenschaft, Lehre und Forschung Kultur und Kunst nationalen und internationalen Touristenverkehr Konzentration der Arbeiterklasse Funktion als Bezirksstadt Knotenpunkt im Transitverkehr.

Das Kernstück des Generalbebauungsplanes ist die langfristige Konzeption Wohnungsbau, deren Durchsetzung von ausschlaggebender Bedeutung für die Erfüllung des sozialpolitischen Programms ist. Auch die Rekonstruktion von Altbaugebieten wurde mehr und mehr in den A u f b a u einbezogen. Der A u f b a u d e r S t a d t läßt sich in verschiedene Abschnitte gliedern: 1. Enttrümmerung Die gesamte Trümmermenge wird auf 18 Millionen m 3 geschätzt. Nach der vorrangigen Freilegung wichtiger Verkehrsstraßen folgte die Flächenberäumung, deren größte Leistungen Anfang der fünfziger Jahre lagen und die Anfang der sechziger Jahre auslief. Aus den Trümmern wurden verwendbare Baustoffe geborgen, teilweise zwischenzeitlich in Halden abgelagert und in Betonwerken, wie beispielsweise in Johannstadt (s. C 5), verarbeitet. Nicht verwendbarer Schutt wurde auf Großflächen, so am Johannstädter Ufer und am Stadtrand, später zu Trümmerbergen aufgeschüttet. Aus ästhetischen und stadthygienischen Gründen wurden beräumte Flächen oder Streifen längs der Straßen begrünt. Eine Reihe von Jahren bestimmte die Enttrümmerung mit das Stadtbild. Die Trümmerfrau wurde zu einem Symbol. Ihr wurde ein Denkmal vor dem Rathaus gesetzt. /. Hunger 2. Städtebaulich architektonische Grundsätze Die Zerstörung der Stadt am 13. 2. 1945 bedeutete einen tiefen und schmerzlichen Einschnitt in ihrer Entwicklung, nicht aber ihr Ende. Nach den Anfangsjahren des Wiederaufbaus, die zunächst durch naheliegende Wiederherstellungsprobleme der städtischen Funktionen bestimmt wurden, kam es ab 1955, aus-

A b b . 11. Flächennutzungskarte auf S. 38/39 (nach Generalbebauungsplan und Generalverkehrsplan der Stadt Dresden 1967, aktualisiert nach den Flächennutzungskarten des Büros des Stadtarchitekten, Stand 1979) 40

gehend von der I. Baukonferenz, zu grundsätzlichen Diskussionen über die Gestaltungsgrundsätze und Gestaltungsmöglichkeiten. Mit der Einführung der Plattenbauweise Anfang der sechziger Jahre und mit den Zielstellungen der Perspektivpläne bis 1970 bzw. 1975 gelang die Synthese zwischen Ökonomie und Gestaltung'wie auch zwischen Architektur und bildender Kunst. Der Neuaufbau des Stadtkerns übernahm die Grundstruktur des mittelalterlichen Grundrisses und ersetzte die kleinteilige Gliederung durch eine großflächige Bebauung, hielt am Achsenkreuz als der Grundlage der städtebaulichen Gliederung — ein Werk des 19. Jh. — fest, wobei die Ost-West-Achse als etwa 50 m breite, vom Pirnaischen Platz zum Postplatz durchgehende Magistrale ausgebildet wurde. Die Arbeiten am Altmarkt erfolgten seit 1953 und bezogen die Westfront der Kreuzkirche in die neue Umbauung ein. Aus der Einsicht, daß an der charakteristischen Erscheinung eines Stadtbildes das bauliche Zeugnis seiner Geschichte einen entscheidenden Anteil hat, lehnte sich die Fassadengestaltung an die Dresdner Architekturtradition des 18. Jh. an. Während sie bald von einer sachlicheren Formensprache abgelöst wurde, hat sich die Einheitlichkeit und Geschlossenheit der städtebaulichen Anlage, die infolge der Aufhebung der Grundstücksgrenzen möglich war, als die eigentliche architektonische Leistung erwiesen. In sie f ü g t sich auch der als Zentrum des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens 1966—69 an der Nordseite des Altmarktes ohne jedes Zugeständnis an traditionsgebundene Bauformen errichtete Kulturpalast ( L E O P O L D W I E L , W O L F G A N G H Ä N S C H , H E R B E R T L Ö S C H A U , S. A

7).

Die Nord-Süd-Achse (s. D 4) geht in beiden Richtungen über den Stadtkern hinaus, der sich durch die Anlage einer breiten Grünzone von dem angrenzenden Stadtgebiet absetzt. Ihre südliche Fortsetzung verläuft über die Prager Straße, deren großflächiger A u f b a u in einer abwechslungsreichen Gruppierung freistehender Baukörper mit unterschiedlichen Funktionen 1964 in Angriff genommen wurde ( P E T E R S N I E G O N , K U R T R Ö T H I G , H A N S K O N R A D ) , zum H a u p t bahnhof und weiter zur Technischen Universität. Ihre nördliche, zum Platz der Einheit und zum Neustädter Bahnhof führende Verlängerung, die unmittelbar vor dem Erreichen der Elbe eine zweite, durch die historischen Bauten der Elbfront gebildete Querachse kreuzt, erhält ihre architektonische Fassung durch den 1974 begonnenen A u f b a u der Inneren Neustadt (s. D 2), in der die Gedanken der Denkmalpflege berücksichtigt werden konnten. Die städtebauliche Hauptachse bleibt in ihrem gesamten Verlauf zwischen Hauptbahnhof und Platz der Einheit dem Fußgänger vorbehalten. Der Fahrverkehr fließt auf einer 1971 mit dem Bau der Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke fertiggestellten Tangente östlich am Stadtkern vorbei. Diese schon in den fünfziger Jahren getroffene grundsätzliche Entscheidung der Trennung v o n Fußgänger* und Fahrverkehr ist für die städtebauliche Entwicklung des neuen Dresdens von entscheidender Bedeutung gewesen. 3. Der Wohnungsbau Nach der Wiederherstellung teilzerstörter Wohnungen seit 1945 folgte um 1949 der Wiederaufbau totalzerstörter Wohnbauten mit guten Grundrissen u n d in günstiger städtebaulicher Lage, so am Falkensteinplatz. 1951 wurde a n der 41

Grunaer Straße, 1953 am Altmarkt begonnen. Die in traditionellen Bauweisen errichteten vier- bis fünfstöckigen schlichten Reihenhäuser lassen sich sehr gut in der Pirnaischen Vorstadt an der Pillnitzer Straße oder in der Südvorstadt beobachten. Ab 1956 setzte das industrielle Bauen in Großblock-, später in Plattenbauweise ein, beginnend an der Borsbergstraße, später fortgesetzt in anderen Stadtteilen, besonders auch im Zentrum. Mit dem Übergang zu zehnbis fünfzehngeschossigen Häusern wurde die Möglichkeit, städtebauliche Ensembles auch in Wohngebieten zu schaffen, ausgenutzt. Die seit 1969 entstehenden innerstädtischen Wohngebiete gehen in zunehmendem Maße zu einer kompakteren und geschlosseneren Bebauung über, die im Panorama der Stadt kräftige Akzente setzt (Johannstadt Nord und Süd, 1969 — 75; Budapester Straße, 1973 — 75; Innere Neustadt, 1974—80). Seit 1970 hat sich der Wohnungsbau auf bisher unbebaute Flächen ausgedehnt (Leuben, 1970—75; Zschertnitz, 1971 — 76; Seidnitz, 1974—76; Prohlis seit 1976), wobei es darauf ankommt, durch landschaftliche Freiflächen die großräumliche Gliederung des Stadtgebiets zu bewahren und zu unterstreichen. Das Gesicht einer Stadt wird geprägt durch die topographischen und die im Laufe ihrer Entwicklung entstandenen städtebaulichen und architektonischen Gegebenheiten. Es in seiner Eigenart zu erhalten und zu steigern, ist Aufgabe der Gegenwart und der Zukunft. Gebaut wurden in Dresden in den Jahren 1945 — 78 61000 neue Wohnungen. Mit den Wohnungen werden komplex alle gesellschaftlichen Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten und -krippen, Kaufhallen geschaffen. f J . Hunger, W. May 4. Die zentralen Funktionen Neben dem Wohnungsbau vollzog sich — wegen der Streuung der einzelnen Objekte nicht so auffällig — der Wiederaufbau der gesellschaftlichen Bereiche, mit denen der Weltruf Dresdens aufs engste verknüpft war. Insgesamt hat Dresden trotz mancherlei Verlusten und Veränderungen die zentralen Funktionen in Verwaltung, Verkehr, industrieller und gärtnerischer Produktion, in Fremdenverkehr und Touristik, im Hochschulwesen und als Stadt der Künste schrittweise zurückgewonnen (Abb. 11). Nur wenige alte Traditionen sind verlorengegangen, so beispielsweise mit der totalen Zerstörung des Ausstellungsgeländes (s. C 4) an der Stübelallee die großen, alljährlich wechselnden Ausstellungen, unter denen die Gartenschau für Dresden mit seiner umfangreichen Kunst- und Handelsgärtnerei besonders repräsentativ erschien. V e r w a l t u n g s z e n t r u m : 1945 wurde in Dresden nach der faschistischen Machtausübung eine demokratische Landesregierung aufgebaut, die ihren Sitz in Dresden-Strehlen in dem wenig zerstörten Komplex der heutigen Militärakademie Friedrich Engels nahm. Mit der Verwaltungsreform der D D R 1952, die die alten Länder endgültig beseitigte und die Deutsche Demokratische Republik in 15 Bezirke gliederte, verlor Dresden die Funktion als Landeshauptstadt, nachdem bereits 1918 der Charakter der Residenzstadt ein Ende gefunden hatte. Dresden nimmt aber heute als Bezirksstadt nicht nur die Funktionen 42

administrativer Art wahr, sondern beherbergt auch zahlreiche Leitungsorgane von gesellschaftlichen Organisationen, Industriekombinaten und anderen Einrichtungen. V e r k e h r s k n o t e n : Dresdens Stellung im Verkehrssystem ist — geographisch vorgezeichnet — im Grunde genommen dieselbe geblieben. Sie hat sich jedoch gegenüber früheren Jahrzehnten noch verstärkt. Das alte Tor nach dem SO Europas über Bad Schandau hat durch. die wirtschaftliche Zusammenarbeit der sozialistischen Länder an Bedeutung gewonnen. Die Elektrifizierung der wichtigsten Bahnstrecken hat deren Leistungsfähigkeit erhöht. Der Flugverkehr der Interflug über Dresden-Klotzsche (s. Bd. 22, R 4.4) bedient Strecken nach der Sowjetunion und südosteuropäischen Ländern; außerdem ist Dresden wichtiger Ausweichplatz für Berlin-Schönefeld. Auch die Führung der Autobahn von Berlin nach dem Erzgebirge hat Dresdens Verkehrsgunst gestärkt. P r o d u k t i o n s z e n t r u m : Merkmale der Dresdner Industrie waren ihre Vielseitigkeit — es gab kaum einen Produktionszweig, der hier nicht vertreten gewesen wäre — und die Vorherrschaft vieler kleiner und mittlerer Betriebe, die vielfach als sogenannte Hinterhofindustrie verborgen war. Die Zerstörung Dresdens hat gerade bei diesen kleinen Spezialbetrieben große Lücken gerissen. Dadurch ist das vielseitige Spektrum der industriellen Produktion etwas eingeschränkt worden. Die Großbetriebe sind im Zuge der gesamten Entwicklung stark in den Vordergrund gerückt. Einige ältere, für Dresden einst charakteristische Produktionszweige sind zurückgetreten oder ganz verschwunden, wie beispielsweise Strohflechterei, Strohhutproduktion und Putzmacherei; die Zigarettenindustrie (s. K i),die schon in den dreißiger Jahren des 20. J h . durch den Reemtsma-Konzern in Hamburg ausgehöhlt worden war; die Süßwarenindustrie, die durch die Bomben den größten Teil der Kapazität verloren hatte. Die Kartonagen- und Verpackungsindustrie, die einst eine Unzahl kleiner Betriebe beschäftigt hatte, ist heute durch industrielle Produktionsformen ersetzt worden, wofür Dresden (s. L 3) Leitfunktionen besitzt. Andere traditionelle Dresdner Industriezweige sind planmäßig gefördert worden, vor allem die optische Industrie (s. K 1) und der Feingerätebau, der durch die elektronische Industrie (Kombinat Robotron) eine moderne Entwicklungsrichtung eingeschlagen hat. An erster Stelle aber steht nach wie vor der sehr vielseitige Maschinenbau (s. L 5) einschließlich des Werkzeugmaschinen-, des Elektrogerätebaus (Röntgenapparaturen; s. F 3 ) , und des Elektromotorenbaus. Der Wiederbeginn in der industriellen Produktion nach 1945 gestaltete sich durch den Umstand günstig, daß die Großbetriebe in den Außenbezirken durch die Bombenwürfe weniger in Mitleidenschaft gezogen wurden als die flächenhaft zerstörte Bausubstanz in der Mitte der Stadt. Ein charakteristischer Produktionszweig Dresdens war die Kunstgärtnerei (s. L 2), die sich besonders auf die Anzucht von Rosen, Azaleen, Rhododendren und Kamellien spezialisiert hatte. Dazu zählten auch andere Zweige der Handelsgärtnerei (1835 verzeichnete Dresden schon 107 Gärtnereien, 1896 bereits 154). In dieser Hinsicht hat Dresden seinen Ruf als Stadt der Blumen wieder erworben (s. N 7). H o c h s c h u l s t a d t : Eine wesentliche Steigerung hat das Hochschulwesen der 43

S t a d t erfahren. W a r e n früher nur die K u n s t a k a d e m i e (heute H o c h s c h u l e f ü r B i l d e n d e K ü n s t e , s. A 5) und die Technische Hochschule (seit 1964 Technische Universität, s. C 3) die einzigen Hochschulen Dresdens, so sind heute die H o c h schule f ü r Verkehrswesen Friedrich List, die Pädagogische H o c h s c h u l e K a r l Friedrich W i l h e l m W a n d e r (s. D 4), die Medizinische A k a d e m i e Carl G u s t a v Carus u n d die Hochschule f ü r Musik Carl Maria v o n W e b e r sowie die Ingenieurhochschule (s. C 5) hinzugekommen, so d a ß Dresden rund 40000 S t u d e n t e n aufweist, w o b e i die Technische U n i v e r s i t ä t sich zu einem g a n z e n S t a d t v i e r t e l e n t w i c k e l t h a t . A u c h in anderen Bildungsbereichen h a t Dresden eine positive E n t w i c k l u n g genommen, so i m Fachschulwesen. S t a d t d e r K ü n s t e : 1945 schien das Dresdner K u n s t l e b e n völlig zusammengebrochen zu sein, waren doch alle T h e a t e r , K o n z e r t s ä l e u n d größeren V e r s a m m l u n g s r ä u m e zerstört, die Staatlichen K u n s t s a m m l u n g e n geschlossen, ihre B e s t ä n d e z u m Teil verloren, z u m großen Teil ausgelagert. A b e r der v o n der T r a d i t i o n des Dresdner K u l t u r l e b e n s getragene K u l t u r w i l l e ü b e r w a n d alle Schwierigkeiten. Selbst w e n n heute noch wesentliche Teile der baulichen V o r aussetzungen und der A u s s t a t t u n g fehlen, k a n n nicht d a r a n gezweifelt werden, daß Dresden als S t a d t der K u l t u r wieder sehr lebendig geworden ist. A u c h hier spielt die P f l e g e alter Traditionen eine wesentliche Rolle. B e i den bildenden K ü n s t e n w a r das relativ rasch möglich, das H o c h s c h u l g e b ä u d e a m B r ü h i s c h e n G a r t e n k o n n t e bald wieder funktionsfähig geipacht werden. E i n e wesentliche B e l e b u n g erfuhren die bildenden K ü n s t e durch die in regelmäßigem T u r n u s s t a t t f i n d e n d e n Kunstausstellungen der D D R im A l b e r t i n u m , ergänzt durch international beachtete Sonderausstellungen (s. A 5). D i e musikalische T r a d i t i o n b e r u h t v o r allem auf der S t a a t s o p e r m i t ihrer hervorragenden Staatskapelle, dem Orchester der Dresdner Philharmonie, die beide z w a r ihre H ä u s e r verloren hatten, a b e r bald wieder die volle Leistungsfähigkeit erreichen konnten. Eine weitere f ü r Dresdens musikalischen R u f b e d e u t s a m e Institution ist der w e l t b e r ü h m t e K r e u z c h o r (s. A 7 ) , der j e d o c h nur einen T e i l v o n Dresdens reichhaltiger K i r c h e n m u s i k — einschließlich eines hohen A n g e b o t s an Orgelmusik — verkörpert. Mit der Hochschule f ü r Musik Carl M a r i a v o n W e b e r ist der Musik a u c h eine akademische B i l d u n g s s t ä t t e zuteil geworden. D i e A u s b i l d u n g im künstlerischen T a n z h a t durch die F ö r d e r u n g der T a n z s c h u l e v o n GRET PALUCCA (s. M 1) eine gültige F o r t s e t z u n g gefunden. Mit d e m K u l t u r p a l a s t a m A l t m a r k t besitzt Dresden ein großes V e r a n s t a l t u n g s zentrum. 1985 wird a u c h die stark zerstörte Semperoper wieder zur V e r f ü g u n g stehen. Seit 1978 werden jährlich die Dresdner Musikfestspiele d u r c h g e f ü h r t . N i c h t z u l e t z t aber sind es die R e i c h t ü m e r der S t a a t l i c h e n K u n s t s a m m l u n g e n (s. A 5), die t r o t z aller Kriegsverluste n a c h der R ü c k g a b e der 1945 v o n der S o w j e t u n i o n geborgenen ausgelagerten K u n s t s c h ä t z e zwischen 1955 u n d 1958 sowie m i t d e m W i e d e r a u f b a u des Zwingers (s. A 1) und der G e m ä l d e g a l e r i e wieder der Öffentlichkeit zugänglich sind. F r e m d e n v e r k e h r s s t a d t : D e r A n r e i z z u m B e s u c h D r e s d e n s ist in vielfältiger W e i s e gegeben. D o c h steht d e m die T a t s a c h e gegenüber, d a ß die Zerstörung der S t a d t v o r allem a u c h die H o t e l s und Pensionen b e t r o f f e n h a t . E . HARTSCH (1962) gibt f ü r 1961 an, d a ß damals in Hotels u n d F r e m d e n h e i m e n 870 B e t t e n zur V e r f ü g u n g standen, gegenüber rund 5000 v o r der Zerstörung. 44

Dabei hatten im gleichen Jahr rund 2 Millionen Gäste die Stadt aufgesucht. Neue Hotels (s. B 2) entstanden, weitere sind notwendig und vorgesehen, da der Zustrom, vorwiegend in der Form eines von Reisebüros organisierten Massentourismus, angestiegen ist. Alle diese Betrachtungen von der Rolle Dresdens in der Gegenwart sollten berücksichtigen, daß die Großstadt Dresden nur den Kern einer großen Siedlungsballung darstellt, die mit weiteren Städten (Meißen, Coswig, Radebeul, Heidenau und Pirna in der Elbtalweitung, Radeberg und Freital) und zahlreichen volkreichen Gemeinden nicht nur rund 800000 Menschen beherbergt, sondern auch in Industrie, Verkehr, Erholungswesen und Kultur mit Dresden in enger Verbindung steht. E. Neef

Zur Geschichte der Arbeiterbewegung Im Mai 1843 weilte K A R L M A R X zum ersten Mal in Dresden. Nach seinem Ausscheiden aus der Rheinischen Zeitung beriet er hier mit A R N O L D R Ü G E die Vorbereitung der Deutsch-Französischen Jahrbücher. Die Anfänge der organisierten Arbeiterbewegung liegen in Dresden im Revolutionsjahr 1848. In der Residenzstadt hatte sich im Unterschied zur Industriestadt Chemnitz und der weltoffenen Handelsstadt Leipzig die sozialökonomische Umwälzung recht langsam vollzogen. Unter dem frühen Dresdner Proletariat sind darum vor allem Handwerksgesellen, Tagelöhner und Dienstboten zu verstehen; der Anteil der Arbeiter aus Fabriken und Manufakturen war noch gering, die Bindung an das Kleinbürgertum sehr eng. Die Märzereignisse bewirkten auch hier die ersten gewerkschaftlichen Forderungen, Organisationen und Streiks. Der am 1 . 5 . 1848 gegründete Dresdner Arbeiterverein gewann schnell einen großen Anhang und starken Einfluß auf die junge Arbeiterbewegung in Sachsen. Sein Vorsitzender W I L H E L M T I R N S T E I N war als Vizepräsident des ersten Deutschen Arbeiterkongresses im August/ September 1848 in Berlin maßgeblich an der Gründung der Arbeiter Verbrüderung beteiligt, der Dachorganisation aller deutschen Arbeiter- und Gewerbevereine. Im Kampf um die demokratischen Ziele der Revolution hatte sich der Dresdner Arbeiterverein bei Wahrung seiner Selbständigkeit dem hiesigen Vaterlandsverein angeschlossen. A m Vortag des Maiaufstandes 1849 bekannte er in einem Aufruf seine Entschlossenheit zum bewaffneten Kampf gegen die vereinigte preußische und sächsische Reaktion. In den erbitterten Kämpfen v o m 3. bis 9. 5. (Abb. 12) bildeten die Arbeiter den Kern der Kämpfenden und stellten aus ihren Reihen fähige militärische Führer. An der Hauptbarrikade in der Schloßgasse und später als Oberkommandant aller Barrikaden kämpfte der Schriftsetzer S T E P H A N B O R N , ein Mitglied des Bundes der Kommunisten. Von den 869 gerichtlich verfolgten Teilnehmern am Dresdner Maiaufstand stammten 569 aus der Arbeiterklasse. Die junge revolutionäre Arbeiterbewegung war nach dem Verbot der Arbeitervereine in Sachsen 1850 auch in Dresden nicht völlig ausgeschaltet. Davon zeugt die Tatsache, daß das Mitglied der Kölner Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten H E I N R I C H B Ü R G E R S , einer der Hauptangeklagten im Kölner 45

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Abb. 12. Gedenkstätten der Arbeiterbewegung: Tafel Ernst-Thälmann-Straße/ Ecke Wallstraße (links oben); Gedenkschriftgitter am Georg-Schumann-Bau der TU Dresden, George-Bähr-Straße 5 (links unten); Gedenksäule am Kurhaus Bühlau, Siegfried-Rädel-Platz 1

Kommunistenprozeß, im Mai 1851 in Dresden verhaftet wurde, als er neue Verbindungen aufnehmen wollte. Als in der Folge der ökonomischen und sozialen Veränderungen Anfang der sechziger Jahre die Arbeiterbewegung wieder auflebte, kam es auch hier 1861 zur Gründung eines Bildungsvereins für Gewerbetreibende unter dem Vorsitz des Schuhmachermeisters R O B E R T K N Ö F E L . Der Verein nannte sich schon 1862 nach der Zurückdrängung des kleinbürgerlichen Einflusses von Handwerksmeistern und Intellektuellen unter dem Kupferschmied E M I L F Ö R S T E R L I N G Arbeiterbildungsverein. Im folgenden Jahr zählte er bereits 300 Mitglieder. Auf seinem zweiten Stiftungsfest kam es zum heftigen Meinungsstreit zwischen 46

den Vertretern der beiden Leipziger Bildungsvereine: Der junge Drechsler A U G U S T B E B E L plädierte noch für allgemeine Bildung, der Schuhmacher J U L I U S V A H L T E I C H für die Förderung des politischen Bewußtseins der Arbeiter. Bei der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins ( A D A V ) im März 1863 in Leipzig war aus Dresden R O B E R T L Ä S S I G vertreten, der mit F Ö R S T E R L I N G auch einen aktiven Ortsverein der Lassalleaner ins Leben rief. Zwischen diesem und dem Arbeiterbildungsverein bestand anfangs starke Rivalität. 1864 kam V A H L T E I C H als Bevollmächtigter des A D A V nach Dresden, nachdem er sich als Sekretär des Vereins mit dem Präsidenten L A S S A L L E überwürfen hatte. Sein Kampf um die Demokratisierung des Vereins endete mit seinem Ausschluß aus dem A D A V . Berliner Freunde halfen ihm: Durch W I L H E L M L I E B K N E C H T lernte er das Kommunistische Manifest kennen! A U G U S T V O G T vermittelte ihm eine Verbindung zu J O H A N N P H I L I P P B E C K E R in Genf, dem Leiter der deutschen Sektionsgruppe der Internationalen Arbeiter-Association (IAA). 1867 wurde V A H L T E I C H Vorsitzender des Dresdner Arbeiterbildungsvereins und gründete hier eine Sektion der I A A mit 16 Mitgliedern. Als 1868 B E B E L und L I E B K N E C H T im Verband Deutscher Arbeitervereine (VDAV) danach strebten, den Einfluß der liberalen Bourgeoisie zu überwinden, kam der erste direkte Antrag aus Dresden, „sich dem Programm und der Organisation der Internationalen Arbeiter-Association anzuschließen". Der Leiter der Berliner Sektion W I L H E L M E I C H H O F F informierte M A R X davon und sandte den Dresdnern seine Übersetzung der MARXschen „Inauguraladresse", des Programms der Internationale. Auf dem Nürnberger Verbandstag des V D A V im September 1869 begründete V A H L T E I C H den Dresdner Antrag auch als Grundlage für die Vereinigung der beiden Strömungen in der deutschen Arbeiterbewegung. Im selben Jahr entstanden in Dresden die ersten Ortsvereine der von B E B E L begründeten Internationalen Gewerksgenossenschaften. 1869 gehörten V A H L T E I C H , der Lassalleaner A U G U S T O T T O - W A L S T E R und andere Dresdner Arbeiterfunktionäre zu den Einberufern eines allgemeinen deutschen sozialdemokratischen Arbeiterkongresses nach Eisenach und wirkten mit bei der Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP). N a c h ihrer Rückkehr bildeten die Dresdner Delegierten sofort mit den aktivsten Mitgliedern des Arbeiterbildungsvereins und ehemaligen Lassalleanern einen Sozialdemokratischen Arbeiterverein für Dresden, der anfangs 70 Mitglieder zählte. Die junge Dresdner Parteiorganisation trat 1870 nach dem Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges in einer Massenversammlung gegen die annexionistischen Kriegsziele der herrschenden Klassen auf. Als der Parteivorstand in Braunschweig von den preußischen Militärbehörden verhaftet worden war, erhielten Dresdner Funktionäre den Auftrag, als Provisorischer Ausschuß die Leitung der Partei zu übernehmen. I m April 1871 erschien als eines der ersten örtlichen Arbeiterblätter der Dresdner Volksbote unter Leitung von O T T O - W A L S T E R . In seinen ersten Ausgaben bekannte er sich mutig zum Heldenkampf der Pariser Kommune. I m August 1871 war Dresden Tagungsort des zweiten Parteikongresses der SD A P , der die internationalistische Haltung der jungen deutschen Arbeiterpartei bekräftigte. 47

Die Dresdner Arbeiterbewegung entwickelte sich trotz zahlloser Widerstände und Schikanen der arbeiterfeindlichen Polizei- und Justizorgane. Davon überzeugte sich auch K A R L M A R X , als er 1874 nach seinem Karlsbader Kuraufenthalt mit seiner Tochter E L E A N O R zum zweiten Mal in Dresden weilte und in der Centralhalle an einer öffentlichen Volksversammlung teilnahm, die rigoros aufgelöst wurde. 1877 gewann B E B E L den Reichstagswahlkreis Dresden-Altstadt in der Stichwahl, 1878 erneuerte er seinen Erfolg bereits im ersten Wahlgang. Mit dem Inkrafttreten des Sozialistengesetzes 1878 erfolgten schlagartig die Verbote aller Dresdner Arbeiterorganisationen, ihrer Zeitung und zahlreicher Druckschriften. Dem Schlag ausweichend, hatte die Partei illegale Organisationen gebildet, die schnell konspirativ zu arbeiten lernten. Der verbotenen Dresdner Volkszeitung folgten 1879 die Dresdner Presse, bis 1881 die Dresdner Abendzeitung und das satirische Blatt Hiddigeigei, seit 1883 das Sächsische Wochenblatt und zeitweilig noch andere Organe. Besondere Verdienste erwarben sich als Redakteure H E R M A N N S C H L Ü T E R , der 1883 als Leiter des Parteiverlages nach Zürich ging, sowie MAX KEGEL, der Dichter des Sozialistenmarsches und anderer bekannter Arbeiterlieder. Seit 1881 gehörten B E B E L und L I E B K N E C H T dem Sächsischen Landtag an. B E B E L wohnte mit seiner Familie von 1884 bis 1890 in Plauen (s. O 1); auch P A U L S I N G E R zog nach Dresden. Sie halfen den Dresdner Parteiorganisationen, die illegale Arbeit geschickt mit legalen Möglichkeiten zu verbinden und den Masseneinfluß der Partei ständig zu erhöhen. Bei den Reichstagswahlen 1890 konnte die Sozialdemokratie ihre Stimmen in den Dresdner Wahlkreisen gegenüber 1878 um 70% steigern. Noch bevor das Ausnahmegesetz gefallen war, beteiligten sich am 1 . 5 . 1890 Zehntausende von Dresdner Arbeitern an der ersten Maifeier in Loschwitz, wo B E B E L sprach. In diesen Jahren der Bewährung hatte sich der Marxismus in der Arbeiterbewegung erfolgreich durchgesetzt. Eine halbanarchistische Fraktion der „ J u n g e n " — von E N G E L S eine Literaten- und Studentenrevolte in der Partei genannt —, die auch in Dresden vorübergehend die Redaktion der 1889 gegründeten Sächsischen Arbeiterzeitung in der Hand hatte, wurde schnell überwunden. Im letzten Jahrzehnt des 19. Jh. wurde Sachsen zur Hochburg der sozialdemokratischen Bewegung. Von 1889/90 bis 1893 verdoppelte sich die Zahl ihrer Landtagsabgeordneten von 7 auf 14. 1898 siegten A U G U S T K A D E N und G E O R G GRADNAUER in den Reichstagswahlkreisen Dresden-Neustadt und -Altstadt. Die Sächsische Arbeiterzeitung, seit 1896 von P A R V U S ( A L E X A N D E R H E L P H A N D ) und 1898 zeitweilig von R O S A L U X E M B U R G geleitet, griff energisch in die Auseinandersetzungen mit dem Revisionismus ein. Zu ihren Redakteuren zählten in dieser Zeit auch der polnische Revolutionär J U L I A N M A R C H L E W S K I - K A R S K I und E M I L E I C H H O R N , der am 9. 11. 1918 in Berlin Polizeipräsident wurde. Im Jahre 1900 trat K A R L L I E B K N E C H T kurz nach dem Tod seines Vaters zum ersten Mal in Dresden als Referent in einer Versammlung auf. Ein Höhepunkt wurde der Parteitag der deutschen Sozialdemokraten im Jahre 1903, der im Dresdner Trianon-Saal stattfand. B E B E L führte hier, unterstützt von den Linken in der Partei, seine leidenschaftliche Auseinandersetzung mit den Revisionisten um B E R N S T E I N , ohne daß jedoch eine konsequente Trennung von 48

ihnen vollzogen wurde. K u r z zuvor hatte die Partei bei den Reichstagswahlen im Juni 1903 ihren überwältigenden Wahlsieg errungen: Im ,,roten Königreich" Sachsen waren 22 von 23 Wahlkreisen durch Arbeiterabgeordnete vertreten. Der Eintritt in das imperialistische Stadium führte auch in Dresden zur Verschärfung der Widersprüche und zu zunehmenden Klassenauseinandersetzungen. Allein 1905 streikten 10000 Arbeiter, davon 3000 Frauen in 25 Dresdner Zigarettenfabriken. Unter dem Einfluß der russischen Revolution 1905 entwickelte sich in Sachsen die Bewegung für ein demokratisches Wahlrecht, die in Dresden in machtvollen Massenversammlungen und Straßendemonstrationen ihren Ausdruck fand. Dabei zeigten sich die zunehmenden Widersprüche zwischen den Linken und den Reformisten in der Partei in der Auseinandersetzung um die Anwehdung des Generalstreiks und des politischen Massenstreiks. Von 1905 bis 1907 war H E R M A N N D U N C K E R in Dresden als erster Arbeitersekretär {Rechtsberater) des Gewerkschaftskartells tätig. Seinem Wirken verdankt die Dresdner Arbeiterjugend ihre Erziehung zur antimilitaristischen Haltung K A R L LIEBKNECHTS. 1908 g r ü n d e t e sie d e n J u g e n d b i l d u n g s v e r e i n d e r D r e s d n e r

Arbeiterschaft, der sich gegen viele Widerstände und Bevormundungsversuche der Reformisten seine Selbständigkeit bewahrte und eine große Anzahl junger Klassenkämpfer erzog. 1909 verteidigte L I E B K N E C H T vor dem Dresdner Landgericht eine Gruppe russischer Studenten der Technischen Hochschule Dresden, die der Geheimbündelei angeklagt waren und als Auslandskomitee der S D A P R bezeichnet wurden. Beim Beginn des ersten Weltkriegs offenbarte sich der verderbliche Einfluß des Reformismus in der Sozialdemokratie auch in Dresden. Die rechten Führer um den Reichstagsabgeordneten und Chefredakteur der Dresdner Volkszeitung G R A D N A U E R vertraten die Positionen der Burgfriedenspolitik und rechtfertigten denVerrat der Parteiführung. Die Empörung der klassenbewußten Arbeiter wurde unterdrückt, erste Antikriegsaktionen wurden verhindert. Die Opposition gegen die Verräter vom 4. 8. 1914 sammelte sich bei den Proletarischen Freidenkern, in der sozialdemokratischen Frauenbewegung sowie im Dresdner Jugendbildungsverein. O T T O R Ü H L E , der als Abgeordneter von Pirna im Reichstag mit L I E B K N E C H T die dritte Kriegskreditvorlage abgelehnt hatte, beteiligte sich an den Reichskonferenzen der Gruppe Internationale bzw. der Spartakusgruppe 1915/16 in Berlin. A U G U S T E L E W I N S O H N und M I N N A N A U M A N N organisierten Demonstrationen der Dresdner Arbeiterfrauen gegen den Hunger. E R I C H L E W I N S O H N und andere beteiligten sich maßgeblich an der Jenaer Jugendkonferenz Ostern 1916 mit L I E B K N E C H T und leiteten am 1. 5. 1917 die Antikriegsdemonstration im Plauenschen Grund sowie eine Flugblattaktion der Arbeiterjugend, die in ganz Deutschland zu einem machtvollen Streik gegen den imperialistischen Krieg aufrief. 12 von ihnen, darunter auch der Buchdrucker MAXIMILIAN HÜNIG (S. Bd. 22, K 2), der in Dresden viele Spartakusflugblätter hergestellt hatte, wurden im Frühjahr 1918 zu fast 30 Jahren H a f t verurteilt. Auf die Kunde vom. Sieg der Oktoberrevolution 1917 in Rußland schickte der Parteivorstand der S P D den Vorsitzenden P H I L I P P S C H E I D E M A N N nach Dresden, 49

um die spontanen Sympathiekundgebungen der Arbeiter zu verhindern. A m Massenstreik im Januar/Februar 1918 beteiligten sich unter den Losungen der Spartakusgruppe auch in Dresdner Betrieben, im Plauenschen Grund und im Gebiet Heidenau—Mügeln—Pirna mehrere tausend Arbeiter, die für einen Frieden mit Sowjetrußland ohne Annexionen und Kontributionen eintraten. Die Führer der sächsischen Sozialdemokratie versuchten wie in Berlin, mit Forderungen nach Parlamentarisierung die Monarchie zu retten. J U L I U S F R Ä S S D O R F und M A X H E L D T traten Anfang November 1918 in die königliche Regierung ein. Doch am 8. 11. wurde auch Dresden von der Woge der Revolution erfaßt. Unter Führung der Linksradikalen und Unabhängigen Sozialdemokraten wurden die öffentlichen Gebäude besetzt. Die rechten S P D - und Gewerkschaftsführer bildeten einen Arbeiterrat, proklamierten Ruhe und Ordnung und erklärten sich demagogisch für die Einheit aller Sozialisten. Der so entstandene Vereinigte Revolutionäre Arbeiter- und Soldatenrat von Groß-Dresden geriet unter ihren Einfluß. Die Dresdner Linksradikalen, die sich als Fraktion der Internationalen Kommunisten Deutschlands (IKD) konstituiert hatten, überließen den Rechten durch ihren Austritt das Feld. In Sachsen trat an die Spitze des alten Staatsapparates eine Regierung der Volksbeauftragten aus Führern der S P D und U S P D . Delegierte der Dresdner Ortsgruppe der I K D beteiligten sich Ende 1918 in Berlin an der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands. Im Januar 1919 bildeten sich in verschiedenen Stadtteilen die ersten Gruppen der jungen K P D . Eine Protestdemonstration Dresdner Arbeiter gegen die antikommunistische Hetze des SPD-Organs, die am 10. 1. 1919 vor dem Haus der Dresdner Volkszeitung stattfand, wurde auf Befehl der rechten SPD-Führer zusammengeschossen; 14 Tote und 50 Verletzte waren das Fazit dieses Feuerüberfalls. Die USPD-Vertreter traten aus der sächsischen Regierung aus. Unter konterrevolutionärem Terror fanden im Januar/Februar 1919 die Wahlen zur Nationalversammlung, zur sächsischen Volkskammer und zur Stadtverordnetenversammlung statt. Damit wurde die Machtfrage zugunsten der Bourgeoisie entschieden, deren Geschäfte in Sachsen zunächst ein Minderheitskabinett aus rechten SPD-Führern unter GRADNAUER führte. Der Dresdner Oberbürgermeister Dr. B L Ü H E R blieb an der Spitze der bürgerlichen Stadtverwaltung im A m t , obwohl die S P D und U S P D auch im Stadtparlament eine Mehrheit erreicht hatten. Die junge KPD-Organisation hatte die Teilnahme an den Wahlen abgelehnt. Die sektiererische Haltung RÜHLES und seiner Anhänger in Dresden zur Arbeit in den bürgerlichen Parlamenten, in den reformistisch geleiteten Gewerkschaften und zu anderen Fragen der politischen Massenarbeit, die die K P D an der Verbreiterung ihres Masseneinflusses unter den Werktätigen hinderten, führte nach Auseinandersetzungen in der Parteiführung Anfang 1920 zum Ausschluß des Bezirkes Ostsachsen aus der K P D . Die klassenbewußten Mitglieder wurden aufgefordert, sich auf der Grundlage der Parteitagsbeschlüsse neu zu organisieren. Das hatte gerade erst begonnen, als im März 1920 der monarchistisch-militaristische Kapp-Putsch die Ergebnisse der Novemberrevolution 1918 zu vernichten drohte. Die Reichsregierung floh nach Dresden, reiste jedoch sofort 5°

nach Stuttgart weiter, da die sächsische Reichswehr ihr keine Sicherheit bot. Als Arbeiter die bürgerliche Einwohnerwehr aus dem Telegrafenamt am Postplatz vertrieben hatten, rückte die Reichswehr im Einvernehmen mit dem sächsischen Ministerpräsidenten G R A D N A U E R mit Panzerwagen und Artillerie in das Stadtzentrum ein und schoß wahllos in die vieltausendköpfige Menge auf dem Postplatz. Über 50 tote (s. K 4) und 200 verletzte Demonstranten lagen in ihrem Blut. Die Teilnahme der Dresdner Arbeiter am Generalstreik trug aber dazu bei, den konterrevolutionären Putsch zu vereiteln. Die Erfahrungen aus dieser machtvollen Einheitsfrontaktion der Arbeiterklasse führten dazu, daß sich noch Ende 1920 der linke Flügel der U S P D , überwiegend aus Arbeitern Dresdner Großbetriebe bestehend, mit der K P D vereinigte. Die V K P D entwickelte sich nun auch im Bezirk Ostsachsen unter Führung von S I E G F R I E D R Ä D E L , R U D O L F R E N N E R und anderen bewährten Arbeiterfunktionären zur revolutionären Massenpartei. Die Verhinderung von Waffentransporten in Dresden-Friedrichstadt in der Aktion „Hände weg von Sowjetrußland!" und die Solidaritätsleistungen zur Uberwindung einer Hungerkatastrophe und zur Unterstützung des wirtschaftlichen Aufbaus der Sowjetunion zeugten vom wachsenden Einfluß der K P D in den Jahren 1921/22. Die SPD-Regierung in Sachsen war nach dem Ausscheiden des. kompromittierten G R A D N A U E R unter Ministerpräsident W I L H E L M B U C K zu einigen demokratischen Reformen gezwungen. Die wachsende wirtschaftliche Not der Werktätigen führte dann 1922/23 zur Stärkung des linken Flügels in der sächsischen SPD, der sich am 15. 3. 1923 zu einem Einheitsfrontabkommen mit der K P D bereit fand. Auf dieser Basis bildete E R I C H Z E I G N E R sein Kabinett. In der revolutionären Situation im Herbst 1923 traten die Kommunisten P A U L B Ö T T C H E R und F R I T Z H E C K E R T in eine sächsische Arbeiterregierung ein. Die Reaktion antwortete mit dem Verbot der Proletarischen Hundertschaften und schließlich mit der Absetzung der verfassungsmäßigen sächsischen Regierung durch eine Reichsexekutive. Der Einmarsch der Reichswehr verbreitete den weißen Terror, die Konterrevolution, in Sachsen. Die Kapitulation der Rechtsopportunisten in der KPD-Führung um H E I N R I C H B R A N D L E R hatte zur Niederlage der Arbeiterklasse beigetragen. In den Jahren der relativen Stabilisierung des Kapitalismus verstärkten die bürgerlichen Parteien ihren Einfluß im Landtag und im Stadtparlament. _ Rechte SPD-Führer um M A X H E L D T bereiteten über die Große Koalition den Weg zur Bürgerblockregierung und verursachten eine politische Krise in der sächsischen SPD. Die K P D überwand linkssektiererische und rechtsopportunistische Abweichungen und kämpfte unter E R N S T T H Ä L M A N N um die Durchsetzung des Leninismus. Neben R Ä D E L und R E N N E R unterstützten ihn in Ostsachsen solche bewährte Funktionäre wie M A R T I N H O O P , A N T O N S E A F K O W , O T T O S C H Ö N und B R U N O S I E G E L . In den Betriebszellen, Gewerkschaften und im Stadtparlament wirkten P A U L G R U N E R , O L G A K Ö R N E R , A R N O L A D E , P A U L S C H W A R Z E und viele andere für die Arbeiterinteressen. Seit 1925 erschien unter Leitung von R E N N E R die Arbeiterstimme als Bezirksorgan der K P D . T H Ä L M A N N sprach 1925 und 1926 in großen Kundgebungen zu den Dresdner Arbeitern. In einem Volksentscheid gegen die Fürstenabfindung gewann die Aktionseinheit der K P D und SPD in Dresden über 200000 Stimmen.

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Unter Führung der K P D entwickelten sich vielfältige Beziehungen zur Sowjetunion auf politischem, kulturellem, sportlichem und anderen Gebieten, Aktionen der internationalen Solidarität und zur Abwehr imperialistischer Aggressionen. Ihre Massenorganisationen gewannen Einfluß in allen werktätigen Schichten und erfaßten auch fortschrittliche Vertreter des Bürgertums. 1928 bildete sich aus revolutionären Künstlern eine Dresdner Gruppe der Assoziation revolutionärer bildender Künstler (ASSO), die den Kampf der K P D wirksam unterstützte. Zu der Gruppe gehörten beispielsweise H A N S und L E A G R U N D I G , WILHELM LACHNIT, OTTO

EUGEN HOFFMANN,

EVA KNABE,

FRITZ SCHULZE

und

WINKLER.

Die Weltwirtschaftskrise führte auch in Dresden zur Zuspitzung aller sozialen und politischen Widersprüche. 100000 Arbeiter litten als Erwerbslose oder Kurzarbeiter mit ihren Familien bittere Not. Die K P D kämpfte gegen die Wiedererstarkung des Monopolkapitals und Militarismus, entlarvte die nationale und soziale Demagogie der Hitlerpartei und organisierte die Abwehr des zunehmenden faschistischen Terrors. Im Dezember 1929 sprach T H Ä L M A N N im Ausstellungspalast über die imperialistische Versklavung Deutschlands, im Juli 1932 in der Radrennbahn über die Ziele und Aufgaben der Antifaschistischen Aktion. Die reformistischen Führer in den Gewerkschaften und anderen Massenorganisationen begegneten dem wachsenden Einfluß der K P D mit Ausschlüssen. 1930 wurde beispielsweise die gesamte Vereinigte Kletterabteilung ( V K A ) in Dresden wegen ihrer Sportbeziehungen zur Sowjetunion aus dem Touristenverein „Die Naturfreunde" ausgestoßen. Angebote zur gemeinsamen Abwehr der Gefahr einer faschistischen Diktatur wurden von der Führung der S P D hartnäckig abgelehnt. Als am 25. 1. 1933 ein Polizeiüberfall auf eine Versammlung des Kampfbundes gegen den Faschismus im Keglerheim (s. C 1) 9 Arbeiter getötet und 12 schwer verletzt hatte, bekundeten am Tage der Beisetzung der Ermordeten tausende sozialdemokratische und gewerkschaftlich organisierte Arbeiter an der Seite der Kommunisten ihre Kampfbereitschaft gegen die faschistische Diktatur. A m Tage zuvor war den Führern der Hitlerpartei bereits die Regierungsgewalt übertragen worden. Der von den Faschisten inszenierte Reichstagsbrand in Berlin löste eine Welle .von Verhaftungen und Verfolgungen kommunistischer und anderer Arbeiterfunktionäre aus. A m 8. 3. 1933 wurden das Dresdner Volkshaus, das Gebäude der Dresdner Volkszeitung und andere Arbeiterheime besetzt. Dort und im Polizeigefängnis sowie in den Haftanstalten Mathildenstraße und George-BährStraße wurden Hunderte Arbeiter gefoltert. Eines der ersten Schutzhaftlager wurde auf der Jugendburg Hohnstein (s. Bd. 1, C 1) eingerichtet. Der faschistische Terror forderte auch unter Dresdner Antifaschisten weitere Todesopfer: den Reichsbannerfunktionär B E R T H O L D H A U P T , den Bergsteiger der V K A W I L H E L M D I E C K M A N N , den Sozialdemokraten E M M E R I C H A M B R O S S , den Jungkommunisten H E L M U T G A N S A U G E und viele andere. Die K P D , sozialdemokratische Gruppen und andere Organisationen, wie ¿ie Rote Hilfe, die Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit und der Kommunistische Jugendverband, setzten ihren antifaschistischen Kampf illegal fort. Seit Herbst 1933 bildeten R O L F A X E N , H E I N Z D O S E , R U D O L F L I N D A U und andere

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die Bezirksleitung Ostsachsen der K P D . Die Arbeitersportler der V K A leisteten umfangreiche Arbeit im deutsch-tschechoslowakischen Grenzgebiet (s. B d . 2, H 3). Eine illegale Widerstandsorganisation der K P D in Dresden wirkte unter Anleitung der Parteiführung und schuf Kontakte zu 30 Betriebszellen. Nach der Verhaftung und Hinrichtung ihrer führenden Mitglieder H E R B E R T B O C H O W , A L B E R T H E N S E L , F R I T Z S C H U L Z E (S. O 2) und K A R L S T E I N im Juni 1942 bildete sich ein neues Führungszentrum um H E R B E R T B L O C H W I T Z , O T T O G A L L E , K U R T S C H L O S S E R und A R T H U R W E I N E C K , die im August 1944 unter dem Henkerbeil fielen. Sie hatten Verbindung zur Operativen Leitung der K P D , besonders zu G E O R G S C H U M A N N in Leipzig, hergestellt. Andere Kontakte führten von A N T O N SAEFKOwin Berlin über Dresden nach Bautzen, W O T H Ä L M A N N 1943/44 inhaftiert war. Eine bedeutende Rolle im Widerstandskampf spielten auch die Dresdner Sozialdemokraten A L F R E D A L T H U S und H A N S - L U D W I G S I E R K S , die 1943 bzw. im April 1945 ermordet wurden. In der letzten Phase der faschistischen Herrschaft wirkten in Dresden zahlreiche Kommunisten, Sozialdemokraten und andere Hitlergegner, so auch der A r z t Prof. Dr. R A I N E R F E T S C H E R , unter Leitung von H E R M A N N E C K A R D T und E L S A F R Ö L I C H . Als unter den Schlägen der Sowjetarmee der Zusammenbruch des imperialistisch-faschistischen deutschen Staates unaufhaltsam näher rückte, sammelten sich in allen Stadtteilen Dresdens neue antifaschistische Gruppen, die die Evakuierung der Bevölkerung und sinnlose Zerstörungen verhinderten und die K r ä f t e für die Stunde der Befreiung und des Neubeginns sammelten. Als Dresden am 8. 5. 1945 von der Sowjetarmee befreit wurde, fiel noch in letzter Stunde R A I N E R F E T S C H E R unter den Schüssen fliehender SS-Leute, als er mit H E R M A N N E C K A R D T den einrückenden sowjetischen Truppen entgegenging, um mit der Stadtkommandantur Verbindung aufzunehmen. Zusammen mit der Sowjetarmee traf eine Gruppe von Beauftragten des Zentralkomitees der K P D und von Mitgliedern des Nationalkomitees Freies Deutschland unter Leitung von A N T O N A C K E R M A N N und H E R M A N N M A T E R N in Dresden ein, die gemeinsam mit den Dresdner Widerstandskämpfern und den aus H a f t anstalten und Konzentrationslagern befreiten Antifaschisten die Kriegsfolgen zu überwinden und das Leben in der schwer zerstörten Stadt zu normalisieren begannen. Der Sozialdemokrat R U D O L F F R I E D R I C H S wurde als Oberbürgermeister eingesetzt. Die sowjetischen Organe leisteten umfangreiche Hilfe. Minister A N A S T A S I W A N O W I T S C H M I K O J A N und Marschall I W A N S T E P A N O W I T S C H K O N E W leiteten entscheidende Maßnahmen zur Versorgung der Dresdner Bevölkerung ein (s. Bd. 22, P 10). Unter Leitung von H E R M A N N M A T E R N und O T T O B U C H W I T Z begann im Juni/ Juli 1945 der Neuaufbau der K P D und der S P D in Sachsen, deren kameradschaftliche Zusammenarbeit beim Aufbau der antifaschistisch-demokratischen Ordnung am 7. 4. 1946 im Kurhaus Bühlau (s. H 3, A b b . 12) mit der Vereinigung der beiden Landesorganisationen zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands ihre Krönung erfuhr. R.

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Dresden

Otte

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Nachtrag von Herrn Prof. Dr. W. Coblenz nach Redaktionsschluß zu Seite 56: Bei größeren Bauarbeiten wurden 1982 zwischen dem Blockhaus und dem Japanischen Palais im Bereich des späteren Kohlmarktes umfangreiche Siedlungsreste der Bronze- und ältesten Eisenzeit, germanische Funde aus den ersten Jahrhunderten u . Z . und slawische Keramik vom 1 1 . J h . an gesichert, die die Bedeutung der Neustädter Uferzone unterstreichen.

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Einzeldarstellung

Stadtkern der Altstadt Den Stadtkern der Altstadt rechnen heutige Städtebauer und Stadtplaner zu dem größeren S t a d t z e n t r u m , das von dem Straßenring (sogenannter 26er Ring) Hauptbahnhof — Wiener Straße — Dr.-Richard-Sorge-Straße — Güntzstraße — Brücke der Einheit — Platz der Einheit — Bahnhof Neustadt — Marienbrücke — Ammonstraße — Hauptbahnhof umschlossen wird. Das Stadtzentrum umfaßt also den alten Stadtkern der Neustadt (s. D) und die alten Vorstädte: Wilsdruffer Vorstadt, Seevorstadt und Pirnaische Vorstadt (s. B). Die modernen Gesichtspunkte der funktionalen und architektonischen Gestaltung bestimmen diese Zusammenfassung zu einer Einheit, obwohl historisch gesehen sehr unterschiedliche Teile der alten Stadt daran beteiligt sind. Die heutigen städtebaulichen Probleme, insbesondere aber die der Verkehrsführung, lassen sich in dem engen alten Stadtkern allein nicht bewältigen. Gründungszeit

Als Dresden 1206 zum ersten Mal in einer Urkunde genannt wurde, bestand es aus der markgräflichen Burg und auch aus einem Dorf am heutigen Neumarkt mit einer Furt über die Elbe. Sein Name Bresdene (altsorbisch Brezd'ane = Waldbewohner) deutet auf einen Auenuferwald hin. Die einzige Kirche der Gegend stand an der Stelle der Frauenkirche, die zu ihrer Ausstattung das Dorf Poppitz (s. B und B 3) erhalten hatte. Ihre Parochie war sehr groß und umfaßte am Ende des Mittelalters 22 ganze und 2 halbe Dörfer. Zu ihr gehörten Orte wie Laubegast (bis 1670), Loschwitz und Wachwitz (bis 1706), Dölzschen (bis 1878), Naußlitz (zum Teil bis 1891); bis 1321 war sogar das Heidedorf Klotzsche eingepfarrt. Markgraf D I E T R I C H stellte 1216 eine Urkunde „in civitate nostra Breseden" aus, also „in unserer Stadt Dresden". In dieser Zeit muß die neue Stadt gegründet worden sein mit dem Zentrum am Altmarkt. Kaufleute des Fernhandels waren vermutlich an ihrer Gründung beteiligt. Mit der Burgsiedlung war sie nicht unmittelbar verbunden, sondern durch eine Sumpffläche mit Tümpel und Teich von ihr getrennt. Ein 1898 in 2,5 m Tiefe unter der Schloßstraße aufgedeckter Knüppeldamm verband aber beide. Die totale Zerstörung des Stadtkerns 1945 gestattete eine systematische archäologische S t a d t k e r n f o r s c h u n g . Diese setzte in Dresden 1952 ein und stand mit dem Wiederaufbau der zerstörten Zentren in enger Verbindung. Die Durchführung lag seit 1953 in den Händen des Landesmuseums für Vorgeschichte und war schwerpunktmäßig auf das erweiterte Altmarktgebiet mit dem ältesten 5*

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Stadtkern, dem Bereich der Frauenkirche vor der ältesten Stadt und das rechte Elbufer (ehemalige Meißner Gassen) gerichtet. Wesentliche Anhaltspunkte, j a Keimzellen, stellten die markgräfliche Burg, der Markt und die Brücke bzw. die Fährstelle dar, denn das Terrain des späteren Dresdens war wohl schon lange vor 1200 Brückenkopf an der Elbe. Aufgrund von über 200 Bohrungen im Stadtgebiet, alten Karten — darunter auch der Hochwasserkarte von 1845 (Abb. 3) —, der Auswertung ungezählter Bodenaufschlüsse, aber auch früherer Straßennivellements konnte das ursprüngliche Relief des alten Stadtgebietes erarbeitet werden, wie es im Zusammenhang mit den Sanierungsarbeiten im Marktstraßenbereich schon in den dreißiger Jahren begonnen worden war. Das hochwasserfreie und siedlungsgünstige Gebiet des ältesten Dresdner Stadtkerns befand sich nahe am Altstädter Ufer und war von der Elbe, dem ehemaligen Weißeritzlauf und dem Kaitzbach, der damals die Stadt noch westlich und nicht wie später im O umfloß, sowie von vielen Altwassertümpeln abgegrenzt bzw. regelrecht eingeengt. Die Tümpel wurden erst bei der Erweiterung der Stadt verfüllt und damit in den Siedlungsbereich einbezogen. E s muß bemerkt werden, daß alle mit der Entstehung und der ältesten Entwicklung der Stadt im Zusammenhang stehenden Funde (13. Jh.) aus dem eben beschriebenen hochwasserfreien Terrain auf einer leichten Erhebung am linken Elbufer unter besonderer Betonung des Marktes und der Straßen nach SW und W beschränkt blieben. E s verdient hervorgehoben zu werden, daß das Stadtgründungsgelände in den unmittelbar vorangegangenen Jahrhunderten nicht systematisch besiedelt war, wie auch die bisher stets als Ausgangspunkte für die Entstehung Dresdens genannten Bereiche um die Frauenkirche und zunächst (s. Seite 54) auch die Neustädter Uferzone (ehemalige Meißner Gassen) bisher ohne klare archäologische Nachweise blieben, dafür aber, wenn auch nur wenige, Siedlungsreste aus dem Neolithikum und der Bronzezeit lieferten. Trotzdem nimmt man weiterhin an, daß im Frauenkirchgebiet schon vor der Stadtgründung eine Überfährstelle zum anderen Elbufer gelegen hatte. Der älteste, für die Zeit um und kurz nach 1200 rekonstruierbare Stadtgrundriß entspricht denen der typischen mittelalterlichen Stadtgründungen aus der Zeit der zweiten deutschen Ostexpansion mit dem Markt als Mittelpunkt, der klaren Nord-Süd-Achse — als Verbindung zur Burg des Markgrafen — und dem Gitterschema der Straßen und Gassen. Im Altmarktgebiet stehen als archäologische Quellen fast ausschließlich Brunnen und Gruben zur Verfügung (über 200 Einzelbauten), aus deren füllenden Materialschichten in Verbindung mit münzdatierten Funden und anderen geschlossenen Keramikkomplexen sowie historisch überlieferten Brandhorizonten auch eine annähernd absolute Chronologie erreicht wird. Auf runde und rechteckige Holzbrunnen folgen solche aus Plänerplatten und zuletzt aus Sandsteinquadern in Ringspannung. Die Brunnen wurden bei Unbrauchbarkeit als Abfallgruben benutzt und die letzten nach Einführung der Wasserleitung ebenfalls als Fäkal- und Abfallgruben. Zu den ersten Ergebnissen der Stadtkernforschung gehörte die Entdeckung dreier sich ablösender Wasserleitungssysteme (1. Holzröhrenleitung, 2. Blochmannsche Sandsteinleitung, 3. moderne Wasserleitung aus dem 19. Jh.) und gotischer Hausreste. 56

Die Keramik stellt in allen Fundverbänden den überwiegenden Teil des Materials. Besonders interessant ist dabei gut datierte Importware, dazu kommen Glas, wenig Metall und ausreichende Holzfunde. Bedeutend sind die Nachweise von Töpferwerkstätten vor den Toren der Stadt und vor allem auf dem Neustädter Ufer, dort allerdings nicht vor dem 14. Jh. Die technischen Untersuchungen an Werkstattresten und an Fehlbränden erlauben eine Rekonstruktion der Brenntechnik und den Nachweis vieler Verbesserungen am Verarbeitungsmaterial und bei der Herstellung. Im frühen 13. Jh. ergeben sich noch Verbindungen mit der spätslawischen Produktion; dann bereits lassen sich für Dresden typische Formen und Techniken feststellen. Inzwischen hatte auch die schnellrotierende Blockscheibe die einfache Handtöpferscheibe verdrängt und war man vom Reduktionsbrand zum Oxydationsbrand übergegangen. Besondere Schwierigkeiten ergaben sich aus der Tatsache, daß im Dresdner Stadtkern nur kleine und kurze Originalprofile, die bis in die Stadtgründungszeit zurückreichten, vorhanden waren, da die jüngeren Kellereintiefungen zusammenhängende Beobachtungen weitgehend unmöglich machten, und daß dazu die Aufzeichnungen der früheren Grabungen nicht mehr zur Verfügung standen. Eine Rekonstruktion des ältesten Dresdens mit dem Gründungsgelände im Altmarktbereich um 1200, der systematischen Erweiterung innerhalb des ältesten Stadtrings und dem Übergriff auf das rechte Elbufer vom 14. Jh. an war trotzdem möglich. Die Aufschlüsse über die folgenden Jahrhunderte entsprechen den schriftlichen Überlieferungen dieser Zeit und den ältesten Abbildungen und Karten. Die Kaufherren, die später Ratsmannen und Bürgermeister wählten, errichteten ihrem Schutzpatron St. Nikolaus eine Kapelle, die spätere Kreuzkirche. Ihr auf der Nordhälfte des Marktes freistehendes Kaufhaus diente zunächst lediglich dem Tuchhandel, später als Rathaus und wurde erst 1707 abgebrochen. Diese Marktsiedlung wurde von einer Stadtmauer umgeben, die das Dorf mit der Frauenkirche und das Maternihospital (s. Abb. 7) nicht mit einschloß. 1329 erwarb der Rat zu Dresden vom Kloster Seußlitz das Maternihospital, zu dessen reichem Besitz unter anderem die Vorwerke Prohlis, Coschütz, Rosentitz, Serkowitz, ferner Besitzrechte in den Dörfern Plauen, Gohlis, Loschwitz, Lockwitz und Strehlen gehörten. Ein natürlicher Schutzgürtel bestimmte den Umfang der neuen Stadt, das Niederungsgebiet der Viehweide im NW, ein See im SW, der Jüdenteich im SO und sumpfiges Gelände im NO (Abb. 7). Der Südostteil der Stadt blieb zunächst unbebaut und ohne klares Straßennetz. 4 Stadttore fügten sich der Stadtmauer ein, deren Verlauf durch Georgentor, Augustusstraße, Neumarkt, Neues Rathaus, Dr.-Külz-Ring, Wallstraße, Postplatz und Sophienstraße beschrieben wird. An die Stelle der Elbfurt trat eine von der Burg auf dem Taschenberg beherrschte Brücke, 1275 genannt und 1287 als steinern bezeichnet. Den Brükkenkopf auf dem rechten Elbufer bildete Altendresden (s. D), die spätere Neustadt, in dem die Wege von Meißen, Großenhain, Radeburg und Bautzen zusammenliefen. Trotz des Stadtbrandes von 1491, der Zerstörungen in Kriegen und der lebhaftesten Bautätigkeit blieb der Grundriß des mittelalterlichen Dresdens im wesentlichen bis 1945 erhalten. Dresden besaß anfangs nur eine kleine Flur. Aber es gelang ihm, bis zum 15. J h . 57

A

die Gemarkungen der unmittelbar benachbarten Siedlungen an sich zu bringen (s. B 3, C 3, C 5). So gehörte schließlich zu der 79 ha großen Fläche der Marktsiedlung eine Gemarkung von 1482 ha, die bis an die Flurgrenzen von Blasewitz, Striesen, Gruna, Strehlen, Zschertnitz, Räcknitz, Plauen, Löbtau und Ostra — der späteren Friedrichstadt — reichte. A l t s t a d t als F e s t u n g Dresden, das 1485 durch die Übersiedlung der Wettiner aus Meißen Residenzund Hauptstadt geworden war, wandelte sich seit dem 16. Jh. zu einer nach italienisch-niederländischem Vorbild ausgerüsteten Festung um. Mächtige, mit Quadermauern umkleidete Erdwälle, in die tiefe Kasematten eingebaut waren, einzelne Erdschanzen und vorgeschobene starke Bastionen oder Basteien bildeten den Befestigungsgürtel. In gewundenen Tunnelanlagen durchbrachen die Stadttore den Wall. Herzog G E O R G ließ 1519—29 den Mauerring erweitern. E r nahm dabei das Dorf an der Frauenkirche in die Umwallung auf, ließ aber die alte Mauer zwischen Stadt und Dorf noch stehen. Sie wurde erst seit 1546 beseitigt und dadurch Raum für den Neumarkt und die breite Moritzstraße gewonnen. Auch die Schießgasse am damaligen Schießhaus der Bogenschützen entstand dabei. Damals wurde das Seetor vermauert (1747 wieder geöffnet), das neue Ziegeltor ausgebaut und das Salomonistor errichtet, das 1590 durch das Pirnaische Tor am Ausgang der Landhausstraße ersetzt wurde. Das Ziegeltor hat man 1589 überbaut (s. A 5 ) . Damit besaß die Stadt 3 Tore: das Brückentor am Anfang der Elbbrücke, das Wilische Tor und das Pirnaische Tor. Im N W wurde die Festungslinie weiter hinausgeschoben und der heutige Zwingerwall aufgeschüttet, im N O der Grundstein zur „Neuen Vestung am Ziegeltor" (Jungfernbastei, Belvedere) und damit zur Brühischen Terrasse gelegt. Dadurch erhöhte sich die Zahl der Bastionen auf 7. Sie wurden 1721 nach den Planeten benannt: Sol (Sonne) im N W am Bellevue, Luna an der Scharfen Ecke des Zwingerwalles, Saturn in der Umgebung des Postplatzes, Merkur Ecke Wallstraße/Dr.-Külz-Ring, Jupiter beim Neuen Rathaus, Mars beim Gebäude der Staatsbank der D D R Leningrader Straße und Venus am Belvedere (Abb. 13). Vor der Festungslinie entwickelten sich mehrere Vorstadtgemeinden (s. B). Während der Zuzug von Kunsthandwerkern, Künstlern, Kaufleuten, Hof- und Staatswürdenträgern, aber auch von Gesellen, Tagelöhnern und Dienstboten ständig wuchs, entstanden innerhalb des Festungsringes nur bis zu einem gewissen Grad neue Wohnhäuser. Dann stiegen die Stockwerkzahl und entsprechend die Belegung wie folgt: 8 Bastion Saturn 9 Bastion Merkur

15 Katholische Hofkirche

22 Weißes Tor

16 Zwinger

23 Japanisches Palais

10 Bastion Jupiter

17 Kurfürstliches Schloß 18 Brühlsches Palais 19 Annenkirche

24 Ritterakademie 25 Jägerhof

5 Pirnaisches Tor

11 Bastion Mars 12 Bastion. Venus

6 Bastion Sol 7 Bastion Luna

13 Kreuzkirche

20 Neustädter Markt

14 Frauenkirche

21 Schwarzes Tor

1 Altmarkt 2 Neumarkt 3 Wilsdruffer Tor 4 Seetor

58

Abb. 13. Dresden im 18. Jahrhundert (Ausschnitt, nach 1958-61)

SCHLÜTER/AUGUST

(Legende zu dieser Abbildung Seite 58)

59

Bevölkerungszunahme in % i-

500

5001-10000

501-1000 1001 - 2000

>10 000 Bevölkerungsabnahme i n %

2001 - 3000

Wald

3001 - 5000 A b b . 14. Bevölkerungsentwicklung (nach FEHRE 1944)

Einwohner

davon Hausgenossen

von

Dresden

Häuser

zwischen

Behausungsdichte

7,2

1453

3100

620

430

»546 1608

4200

1250

489

8168

3000

775

10,5

1699

11 270

792

14,2

60

1833 und

8,6

1934

Im barocken 18. Jh. nahm die Wohndichte weiter zu. Die Einwohnerzahl der A Altstadt wuchs auf 22291 im Jahre 1755 (in ganz Dresden 63 209). Die Bewohnerzahl sank wieder, als die preußische Beschießung im Jahre 1760 fast den ganzen O der Altstadt mit 226 Häusern vernichtet hatte. Nur langsam beräumte man die Straßen. Der junge G O E T H E sah noch 1768 die Moritzstraße in Schutt liegen. Das Brühische Belvedere blieb bis 1814 Ruine. An größeren Neubauten entstanden beispielsweise das Gewandhaus und das Landhaus. In den engen Gassen aber beschränkte sich der Wiederaufbau auf das Notwendigste. Im Jahre 1781 gab es wieder 789 bewohnte Häuser. Für ein Haus rechnet man jetzt mit durchschnittlich 20 bis 22 Bewohnern. Das Renaissancebürgerhaus mit mehreren Hausgenossen wandelte sich in der Altstadt immer mehr in das dicht bewohnte Barockmietshaus mit 4 oberen Stockwerken und 2, selbst 3 Reihen von Mansarden, wie wir auf den Bildern C A N A L E T T O S sehen. Die Bewohner der Häuser entsprachen der sozialen Gliederung Dresdens. Wohnten in den Vorstädten in der Regel die ärmeren Schichten für sich, so waren in der Altstadt — abgesehen von den Adelspalästen — die Bevölkerungsklassen im gleichen Haus vereinigt, vom Staatswürdenträger in der Herrschaftswohnung des ersten Obergeschosses bis hin zur Tagelöhnerwitwe mit ihrer Kinderschar in den Mansarden des fünften oder sechsten Stockwerks. Der höfische Bereich im N der Altstadt umfaßte etwa ein Drittel des von den Festungsanlagen umschlossenen Geländes. Hier entstanden neben dem Schloßdie repräsentativen Bauten, von denen der Zwinger (s. A 1) die großartigste Anlage ist. Die Verbindung zwischen Postplatz und Theaterplatz bestand noch nicht. Der Zwinger war durch das angebaute alte Opernhaus nahe der Sophienkirche mit dem Taschenbergpalais und dieses mit dem Schloß verbunden, d a s sich bis zum Stallhof und dem Museum Johanneuni erstreckte. Ebenso bildete die Brühische Terrasse (Brühlscher Garten) mit dem Brühischen Palais, dem Zeughaus, der Bastion Mars und dem Kurländer Palais ein geschlossenes Viertel. Dieser höfische Bereich machte die Ausdehnung der Bürgerwohnviertel unmöglich und wirkt bis in die Gegenwart hinein durch die Scheidung der Altstadt in ein Kulturviertel um Zwinger und Brühische Terrasse und einen. Geschäfts- und Wohnbezirk.

E n t w i c k l u n g zur City Erst 1830 erreichte Dresden die Einwohnerzahl wieder, die es vor der B e schießung 1760 besessen hatte. Bis 1871 stieg die Bevölkerungszahl in ganz Dresden, das sich in dieser Zeit durch einige Villenviertel (Forststraße, Bürgerwiesenund Schweizer Viertel) erweiterte, von 68886 auf 177040 an, somit um reichlich 150%, in der inneren Altstadt jedoch nur um 25%. Seit 1871 ging dann die Bewohnerzahl ständig zurück und war bis 1933 um etwa 50% gesunken. (Abb. 14). Voraussetzung für die Umgestaltung der Altstadt war die Schleifung der Festungsanlagen. Da im 18. Jh. der Festungsschutz ohnehin zweifelhaft geworden war, hatte man die Bastionen schon beim Bau des Zwingers und der Katholischen Hofkirche (s. A 2) durchbrochen. Nicht nur auf dem Außenwall, sondern auch auf dem Hauptwall waren Gärten und Häuser errichtet worden. 6t

Tabelle: Einwohner der inneren Altstadt 1831

21885

1880

25266

1852

25668

1900

19992

1864

26668

1925

14149

1933

13606

»871

27359

Der Kurfürst hatte geplant, die Festungswerke 1760, noch im Krieg, abtragen zu lassen und Dresden zur offenen Stadt zu erklären, doch kam ihm das preußische Bombardement zuvor. 1809 verlangte dann NAPOLEON, die Festungswerke zu schleifen. Die Demolition wurde nach einem abermaligen Ausbau beim Rückzug NAPOLEONS 1812 schließlich 1817—28 zu Ende geführt. Erhalten blieb die Brühische Terrasse (s. A 5) mit der Bastion Venus, ein Teil der Bastion Luna und einiges Gemäuer der Bastion Sol am Elbufer. Die Abtragung der Festungswerke verschaffte der Altstadt (Abb. 15) neue Räume. An dem mächtigen Wilsdruffer Tor, vor dem jahrelang der Demolitionsplatz zwischen Dr.-Otto-Nuschke-Straße und Wallstraße lag, wurde 1832 das Postgebäude, das spätere Telegraphenamt, errichtet. Im Zuge des zugeschütteten Stadtgrabens entstanden Wall- und Marienstraße, die jetzige Dr.-Otto-NuschkeStraße, und die Allee, die beim Bau des Neuen Rathauses zu der geräumigeren Ringstraße erweitert wurde. Ein umfassender Promenadenring wie in Wien oder Leipzig wurde jedoch damals nicht geschaffen, da große Teile der früheren Festungsflächen für die Bebauung freigegeben wurden. Eine völlige Umgestaltung erfuhr der Platz zwischen Zwinger und Elbe (s. A 1). Dann erfolgte der Durchbruch der Ost-West-Achse (s. Seite 35). Neue Züge erhielt das Stadtbild im Jahrzehnt vor dem ersten Weltkrieg durch den Neubau der Augustusbrücke, durch das Italienische Dörfchen, das Neue Schauspielhaus an der Julian-Grimau-Allee v o n W . L o s s o w und HANS MAX KÜHNE und v o r

allem durch den umfangreichen Komplex des Neuen Rathauses mit seinem die Stadt beherrschenden Turm. Als neue Elemente im Bild der Altstadt entstanden auch das Ständehaus mit seinem Turm, das Georgentor, die Sekundogenitur und das alte Fernheizwerk. Viele Neubauten und vor allem Umbauten älterer Häuser zu Geschäftshäusern veränderten das Straßenbild der Altstadt (Bild 7), doch ist davon nichts erhalten geblieben. Neuaufbau Mit dem Terrorangriff der anglo-amerikanischen Bomber in der Nacht vom 13. zum 14. 2. 1945 sank die gesamte innere Altstadt in Schutt und Asche (Abb. 8). Die weltberühmten Baudenkmale, die städtebaulichen Ensembles und die charakteristischen Plätze und Straßen wurden vernichtet, zu einem großen Teil so gründlich, daß an einen Wiederaufbau nicht zu denken war. Vor allem die zahlreichen Bürgerhäuser des 18. Jh. gingen endgültig verloren. So war zu entscheiden, welche Bauwerke wieder erstehen konnten und sollten. Es ist bewundernswert, daß trotz der zwingenden Notwendigkeit, zuerst die technischen Versorgungsanlagen wieder funktionsfähig zu machen, die Produktion von Sachgütern wieder in Gang zu bringen und wenigstens provisorisch wieder Wohnungen herzurichten, alsbald mit dem Wiederaufbau von Kultur62

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Abb. 1 5 . Altstadt (Ausschnitt, bei LÖFFLER 1956)

aus

HESSLER 1837,

revidiert 1849, veröffentlicht

Objekten begonnen wurde; weitere waren für eine spätere Entscheidung wenigstens in ihrer Bausubstanz zu sichern. Es machte sich aber auch notwendig, für den Wiederaufbau des Altstädter Stadtkerns Konzeptionen zu erarbeiten und die große städtebauliche Linie für den späteren A u f b a u klarzulegen. Die Denkmalpfleger bemühten sich innerhalb des Aufbauwerkes um eine weit-

63

A

gehende Bewahrung der Grundstruktur der Stadt, den Wiederaufbau der zerstörten kulturhistorischen Bauten im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten und um die Bewahrung auch von Ruinen der einstmals das Stadtbild bestimmenden historischen Bauten. Sie waren bemüht, die Dresdner Atmosphäre wiederzugewinnen. Das alles war eine Aufgabe bisher unbekannten Umfangs. Von dem aus dem Mittelalter überlieferten Stadtgrundriß konnten nur die Hauptelemente, der viereckige Markt und das Hauptstraßennetz, übernommen werden. Doch mußten die Abmessungen den heutigen Bedürfnissen städtischen Lebens angepaßt werden. So wurden die Hauptstraßen verbreitert, der Altmarkt vergrößert, und die engen Gassen verschwanden ohne Ausnahme (Abb. 1 5 u. 21). Von der städtebaulichen Konzeption für das Stadtzentrum seien hervorgehoben : — die Erhaltung bzw. der Wiederaufbau der künstlerisch und stadtgestalterisch wertvollen historischen Bauwerke, — die Verbreiterung der Ernst-Thälmann-Straße, — die Führung des Nord-Süd-Verkehrs in einer leistungsfähigen Trasse vom Hauptbahnhof über den Pirnaischen Platz zur Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke, — die Ausbildung des alten Stadtkerns weitgehend als Fußgängerzone. Wer heute die Altstadt besucht, wird erkennen, daß trotz der zahlreichen vielgeschossigen neuen Gebäude und gerade wegen der Notwendigkeit, diese in offene Flächen einzuordnen und hierfür die richtigen Proportionen zu finden, der Stadtkern verblüffend „durchsichtig" geworden ist (Bild 8). Viele im alten, engen Straßennetz verdeckte Sichtbeziehungen gehören zu den Erlebnisinhalten eines Ganges durch die Innenstadt. Der Stadtkern der Altstadt kann heute in mehreren Teilbereichen erlebt werden. Im Gebiet zwischen Ernst-Thälmann-Straße und Elbe finden wir nach Beseitigung der Schäden von 1945 einen Teil der berühmten Bauwerke restauriert wieder (s. A 1—5). Südlich der Magistrale dagegen erstrecken sich Neubaugebiete, in denen nur vereinzelt noch historische Bausubstanz anzutreffen ist (s. A 7 ) .

A 1

Zwinger Der Zwinger (Abb. 16 u. 18), wohl das berühmteste Bauwerk Dresdens, das den Namen der Kunststadt in aller Welt bekannt gemacht hat und als eines der hervorragendsten Bauwerke der ganzen Erde gilt, ist nach der grauenhaften Zerstörung im Februar 1945 in seinem Äußeren in unermüdlicher präziser Kleinarbeit bis auf alle Details wieder hergestellt worden. Seine Anziehungskraft beruht auf drei Tatsachen: Erstens ist das Bauwerk selbst in seiner Schönheit unvergleichlich, zweitens bergen die Innenräume (einschließlich des die Nordseite abschließenden Galeriebaus) einen wesentlichen Teil der Dresdner Kunstsammlungen, und drittens repräsentiert der Zwinger in seiner Gesamtanlage ein StückDresden des 18. Jh., also ein Stück Stadtgeschichte. Denn die südwestliche Langgalerie mit dem Kronentor erhebt sich über der alten Festungsmauer der Bastion Luna — als Zwinger wurde der freie Raum zwischen der inneren 64

-Ringmauer und der äußeren Stadtmauer bezeichnet — , und der Wallpavillon A 1 «und die anschließenden Galerien lehnten sich an den alten Festungswall an; sein Abfall ist zu den kunstvollen Anlagen des Nymphenbades genutzt worden. Zwingerteich und Zwingergraben (Abb. 16) sind aus dem alten Festungsgraben hervorgegangen, wenn auch nicht unmittelbar, da mehrmals Veränderungen vorgenommen worden sind. Das Bauwerk, ein Meisterwerk des höfischen Barocks, war für Hoffeste aller A r t vorgesehen, die in der ersten Hälfte des 18. Jh. bei jedem Anlaß gefeiert wurden. Ein solcher Anlaß war der Besuch des dänischen Königspaares im Jahre 1709. Es wurde ein rechteckiger Festplatz mit provisorischen hölzernen Galerien und Pavillons errichtet. Dieses Provisorium muß so gut gefallen haben, daß es alsbald eine endgültige Form erhielt. Die Umrisse des Zwingerbaus steigen von den eingeschossigen Galerien zu den .zweigeschossigen Pavillons auf und nieder. Die beschwingten Linien der zierlichen, lichterfüllten Architektur verschmelzen mit dem phantastischen Skulpturenschmuck der reich gegliederten Fassaden zu völliger Harmonie. Überall treten uns Blumengehänge und Fruchtkörbe, Weinranken, Muscheln, Masken und Vasen entgegen, auch Symbole der Barockzeit, wie Kurhüte, Ordenssterne, Schilde und Wappen, dazu menschliche Gestalten als Liebesgötter, Putten, Faune und Nymphen, Darstellungen der Künste und Tugenden, mehrfach auch Statuen des Herkules. Die prächtige Zwiebelkuppel des Kronentores gipfelt in der goldenen, von Adlern bewachten polnischen Königskrone.

A b b . 16. Zwinger und Zwingergraben (Kupferstich von B E R N A R D O B E L L O T T O , genannt C A N A L E T T O , 1758, Original im Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden) 65

A 1 1709 war der Auftrag zum Bau einer Orangerie erteilt worden. Von 1 7 1 0 bis 1 7 1 2 entstanden die Bogengalerien der NordWestseite, die man zunächst auch für die kostbaren Pflanzen nutzte (1729 Verlegung der Orangerie in die heute nahezu zerstörte Orangerie in der Herzogin Garten). 1 7 1 1 wurden die Eckpavillons der Wallseite begonnen, 1 7 1 4 — 1 8 entstanden das Kronentor und die Langgalerien trotz des Widerspruchs der Generale F L E M M I N G und W A C K E R B A R T H , die die Öffnung der Festungsanlagen für gefährlich hielten, 1 7 1 6 — 1 8 wurde die Westseite durch den Wallpavillon geschlossen, 1717/18 erfolgte der Bau der beiden Eckpavillons auf der Stadtseite sowie des Opernhauses zwischen Zwinger und Taschenbergpalais. Von 1720 bis 1722 ruhte der Bau, dann wurde der Stadt- oder Glockenspielpavillon zwar fertiggestellt, jedoch ohne den bildhauerischen Schmuck. 1738 wurde der Bau ganz eingestellt. Sieht man von dem Abschluß des Zwingerraumes durch den späteren Galeriebau G O T T F R I E D S E M P E R S ab, so sind Grundriß des Ganzen und Aufriß der einzelnen Bauglieder seither nur wenig verändert worden. Die größte Länge des Zwingerhofs beträgt 204 m, die größte Breite 1 1 6 m. Die Bezeichnungen gehen aus Abb. 18 hervor. Die höchste Kunst barocker Architektur und Bildhauerarbeit vereinigt sich im Wallpavillon. Geschwungene Stufen führen zu den reich verzierten Arkaden hinauf. Ihre Pfeiler gehen in Hermen über. Der sechzigjährige B A L T H A S A R P E R M O S E R hat sie ohne Modell aus dem Block gemeißelt. Uber dem Giebelaufsatz mit dem riesigen sächsisch-polnischen Wappen trägt Herkules die Weltkugel — eine Verherrlichung A U G U S T S D E S S T A R K E N . Diese von P E R M O S E R selbst gezeichnete Originalarbeit wurde 1945 zerstört, aber sie ist aus einem 200 Zentner schweren Sandsteinblock nach alten Vorlagen neu geschaffen worden. Rechts und links vom Wappen ist eine griechische Sage abgewandelt dargestellt: Hier hält der lorbeerbekränzte Paris ( = A U G U S T D E R S T A R K E ) statt eines Apfels den Zankapfel jener Zeit in der Hand, die polnische Königskrone. Hinter dem Französischen Pavillon liegt das Nymphenbad, mit dessen Bau bereits 1 7 1 1 begonnen wurde. Vor allem wurde das Wasserreservoir für die Kaskade im Turm des Wilsdruffer Tores errichtet, dessen Wasser von Gorbitz zugeleitet wurde. Blickt man vom Eingang zur Kaskade, so stehen links die Originalfiguren aus P E R M O S E R S Zeit, rechts die um 1930 von der Zwingerbauhütte hinzugefügten, von den Bildhauern G E O R G W R B A , P A U L P O L T E und A L E X A N D E R H Ö F E R geschaffenen Plastiken. Reizvolle Bilder ergeben sich beim Blick sowohl vom Grottenhof wie von der Terrasse des Nymphenbades aus, wenn das Wasser rauscht: Aus den großen Muschelschalen des Brunnens auf der Terrasse fließt es, die Stufen der Kaskade springt es herab, in den beiden Nischen daneben speien es Delphine aus, und in dem Becken inmitten des Hofes steigt es in vielen Strahlen auf. Bald nach dem Tode A U G U S T S D E S S T A R K E N begann die Vernachlässigung des Zwingers. Mitten im Zwingerhof wurde 1746 ein hölzernes Privattheater gebaut, das 1748 niederbrannte. Im Siebenjährigen Krieg dienten die Gebäude als Speicher und wurden durch Beschuß beschädigt. Dem Verfall und der Gefahr des Abbruchs begegnete man erst 1783. J O H A N N D A N I E L S C H A D E leitete diese erste Wiederherstellung; die Bildhauer B A P T I S T A D O R S C H , T H A D D E U S I G N A Z W I S K O T S C H I L L und J O H A N N F E R D I N A N D F E I G E schufen dabei auch neue 66

Skulpturen, vor allem für den unvollendeten Glockenspielpavillon. Leider wurden dabei auch Sandsteine mit Ölfarbe überstrichen. In den Maikämpfen 1849 brannte das alte Opernhaus im S des Zwingers nieder. Das Feuer griff auf den Glockenspielpavillon über. 1852—57 erfolgte der Wiederaufbau der zerstörten und verfallenen Bauteile durch den Oberlandbaumeister C A R L M O R I T Z H Ä N E L . Dabei wurde die Statue des Herkules mit der Keule am Glockenspielpavillon durch eine Kopie des Herkules mit der Weltkugel vom Wallpavillon ersetzt. Um das „fleckige Aussehen" des Zwingers gegenüber der inzwischen erbauten Gemäldegalerie zu beseitigen, wurde der Sandstein wieder mit Ölfarbe bestrichen. Dieser zweiten Wiederherstellung bis 1863 folgte 1880—98 eine dritte, bei der man die Schäden mit Zement und Ölfirnis ausbesserte und dadurch den Verfall nur beschleunigte. Erst 1910 wiesen H A N S E R L W E I N , G E O R G W R B A und G U S T A V F R Ö L I C H auf die verhängnisvolle Wirkung des Zements hin. Die Restaurierung wurde erneut begonnen, aber durch den ersten Weltkrieg unterbrochen. Erst 1924—36 erfolgte die Rettung des ganzen Bauwerks durch die Zwingerbauhütte unter Leitung von H U B E R T G E O R G E R M I S C H . Als Bildhauer wirkten G E O R G W R B A mit P A U L P O L T E und A L E X A N D E R H Ö F E R . Nach Möglichkeit wurde der von P Ö P P E L M A N N benutzte Sandstein von der Kirchleithe zwischen Rathen und Königstein verwendet. Auch die Wasserkünste wurden wieder instandgesetzt. Die Unterlagen der Zwingerbauhütte, die glücklicherweise zu einem großen Teil erhalten geblieben sind, und die Erfahrungen der noch lebenden Mitarbeiter bei der Restaurierung bis 1936 haben die Wiederherstellung der Pavillons und der Galerien nach 1945 wesentlich erleichtert. Der seit 1822 zugeschüttete Zwingergraben wurde 1929 zum Teil ausgeschachtet, die alte Festungsmauer freigelegt und die alte Holzbrücke nach historischen Bildern wieder errichtet. Nach dem zweiten Weltkrieg erhielt der Zwingergraben mit dem nach 1820 im ehemaligen Grabengelände angelegten Zwingerteich eine Verbindung. Die rauschenden Hoffeste, denen der Zwinger als Festplatz seine Entstehung verdankte, wurden seit den Schlesischen Kriegen seltener. Die Mittel zur weiteren Ausgestaltung des Festplatzes bis zur Elbe begannen zu fehlen, aber die Räumlichkeiten dienten seit 1728 den Sammlungen der Kunst- und Naturalienkammer. Bis 1782 fanden auch die königliche Bibliothek und bis 1945 das Kupferstichkabinett hier Unterkunft, ebenso der Mathematisch-Physikalische Salon, der seit 1728 im gleichen Pavillon untergebracht ist. Es ist durchaus möglich, daß diese Funktion der Kunstsammlungen den Zwinger über die Zeit hinweggerettet hat, in der die barocke Baukunst kein Verständnis fand, hatte doch 1780 selbst der Oberlandbaumeister gefordert, die Bildhauerarbeiten abzutragen. Erst G O T T F R I E D S E M P E R beschäftigte sich wieder mit dem alten Plan (Abb. 17) des Forums bis zur Elbe hin und seiner geschlossenen baukünstlerischen Gestaltung. Diese Pläne wurden 1837 jedoch bis auf die Errichtung eines Hoftheaters (s. A 2) abgelehnt. So kam als eine vermittelnde Lösung der Bau der Gemäldegalerie als Abschluß des Zwingers nach der Elbseite zustande, eine Lösung, die zugleich dem Theaterplatz die notwendige Geschlossenheit gab. Der Bau der im Stil der italienischen Hochrenaissance gehaltenen Galerie 67

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A b b . 17. Forumplan

GOTTRIED SEMPERS

1 Denkmal Friedrich Augusts III. 2 Orangerie 3 Gemäldegalerie

(nach

MÜTTERLEIN

1913)

4 Hoftheater 5 Wache

begann 1847. Da sich S E M P E R an den Maikämpfen des Jahres 184g beteiligt hatte (Barrikadenbau), mußte er nach dem unglücklichen Ausgang der Revolution fliehen. Der Bau wurde von C . M . H Ä N E L und F . A . K R Ü G E R 1854 vollendet, aber mit gewissen Abweichungen von S E M P E R S ersten Entwürfen. Der reiche Skulpturenschmuck von E R N S T H Ä H N E L und E R N S T R I E T S C H E L stellt auf der Zwingerhofseite christliche, nach dem Theaterplatz zu antike Themen dar. Die Gemäldegalerie, 1722 entstanden, als A U G U S T D E R S T A R K E die besten Bilder aus seinem Besitz im östlichen Trakt des Stallhofes am Jüdenhof vereinigte, und unter seinem Sohn durch den Kauf berühmter Gemälde bereichert, zog 1855 in dieses Neue Museum am Zwinger ein. Als man 1926 die erste Zwingerserenade durchführte, erhielt der ursprüngliche Festplatz wieder eine neue Bestimmung. 1945 sank der Zwinger in Trümmer. Die Pavillons und Galerien waren ausgebrannt, die Gemäldegalerie im Westflügel durch Bomben schwer geschädigt. A m schlimmsten war durch eine Luftmine der Wallpavillon betroffen. Nur das Nymphenbad blieb weitgehend verschont. Bereits in den Jahren 1945/46, als es noch an Wohnungen, Schulen und Krankenhäusern fehlte, wurde mit dem Wiederaufbau des Zwingers begonnen. Im Sommer 1945 wurden zunächst Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Reste und der Bergung noch wertvoller Bauteile aus den Trümmern begonnen. Die sowjetische Kommandantur förderte das Vorhaben und sorgte für die Beräumung des Geländes von verbliebenen Sprengkörpern. Eine schlichte, eindrucksvolle Tafel am Nordeingang der Gemäldegalerie gibt Zeugnis von dieser Hilfe: „ D a s Museum wurde geprüft — keine Minen — geprüft von C H A N U T I N . " Für den Wiederaufbau stellte H U B E R T G E O R G E R M I S C H seine großen Erfahrungen zur Verfügung. Bis 1951 war das 68

A I

Abb. 18. Zwinger, Grundriß und Nutzung (aus W O T T E / H O Y E R freundlicher Unterstützung des V E B Tourist Verlag)

1978, mit

Kronentor, eines der Wahrzeichen der Stadt, mit den anschließenden Langgalerien wieder hergestellt. 1952 folgte der Mathematisch-Physikalische Salon, 1953 der Glockenspielpavillon, der von der Meißner Porzellanmanufaktur ein neues Glockenspiel mit 40 Glocken erhielt. 1954 wurden der Wallpavillon und der Französische Pavillon vollendet. Als 1955 die Sowjetunion die von ihr geretteten und zum Teil restaurierten Kunstwerke der Dresdner Gemäldegalerie an die D D R übergab, wurde sofort mit dem Wiederaufbau der Sempergalerie begonnen, so daß der ausgebrannte Ostflügel bereits 1956 zur 750-Jahr-Feier der Stadt und i960 der von Sprengbomben vernichtete Westflügel ihre traditionelle Bestimmung von neuem erhalten konnten. Heute beherbergt der Zwinger wieder Sammlungen von nationaler und internationaler Bedeutung (Abb. 18, Bild 21). Seit 1963 erfreuen erneut die Wasserspiele des Nymphenbades Tausende von Schaulustigen. In den Parkanlagen und dem kunstvoll ausgestalteten Zwingerhof finden die Dresdner und ihre zahllosen Gäste Erholung und Entspannung. Ballettaufführungen und Zwingerserenaden vor der Architektur von P Ö P P E L M A N N und PERMOSER (Bild 20) bilden an warmen Sommerabenden besondere Höhepunkte. 6 Dresden

69

A2

Theaterplatz Der Theaterplatz, ursprünglich zum freien Gelände vor dem Schloß gehörend, wurde erst mit den großen Vorhaben zum Bau eines neuen Schlosses in architektonische Pläne einbezogen, die indes nicht Wirklichkeit wurden. Nachdem die Katholische Hofkirche um die Mitte des 18. Jh. entstanden war, verblieben hier allerlei kleine Niederlassungen. Erst mit dem Abschluß des Zwingers durch die Gemäldegalerie begann schrittweise die Gestaltung zu einem geschlossenen Platz; dessen Flanken wurden im O durch Schloß und Katholische Hofkirche, im S W durch das Galeriegebäude und die Reste des Zwingerwalles und im N O durch die Calberlasche Zuckerfabrik, die 1853 zum Hotel Bellevue — 1945 durch Bomben zerstört — umgebaut wurde, bestimmt. 1838—41 baute G O T T F R I E D S E M P E R an der im Forum-Projekt vorgeschlagenen Stelle sein erstes H o f t h e a t e r in den anmutigen Formen der italienischen Frührenaissance, dem Zwinger und der Katholischen Hofkirche etwas näher als das spätere Opernhaus. Dieses erste Sempertheater stellte Dresden in den Mittelpunkt des deutschen Kunstlebens und wurde geradezu eine europäische Berühmtheit. An ihm wirkten R I C H A R D W A G N E R (von 1842 bis 1849), G O T T L I E B R E I S S I G E R und J U L I U S R I E T Z als Dirigenten, die Sängerinnen W I L H E L M I N E SCHRÖDER-DEVRIENT, JENNY NEY, ALOYSE KREBS-MICHALESI, die Sänger A N T O N M I T T E R W U R Z E R , J O S E P H T I C H A T S C H E K , L U D W I G SCHNORR VON

CAROLS-

die Schauspielerinnen F R A N Z I S K A B E R G , M A R I A B A Y E R - B Ü R C K , U L R I C H , die Schauspieler E M I L D E V R I E N T , B O G U M I L D A W I S O N und

PAULINE

FELD,

GUSTAV

RÄDER.

Am

2 1 . 9 . 1869 b r a n n t e

der wundervolle

Bau

nieder.

GOTTFRIED

SEMPER

leitete von Zürich und Wien aus (s. A 1) den Neubau im Stil der italienischen Hochrenaissance, den sein Sohn M A N F R E D 1871 — 78 ausführte. Auch das zweite Theater diente anfangs der Oper und dem Schauspiel. Dieser Zweckbestimmung entsprachen an beiden Seiten des früheren Haupteingangs R I E T S C H E L S Statuen von S C H I L L E R und G O E T H E . Erst seit 1888, nachdem das Schauspielhaus am Platz der Einheit, dem früheren Albertplatz, in Dresden-Neustadt eröffnet worden war, blieb das neue Haus ausschließlich der Oper vorbehalten. An der plastischen und malerischen Ausgestaltung des Inneren haben fast alle Dresdner Künstler von Rang mitgewirkt. Die Außenplastiken stammen vor allem von J O H A N N E S S C H I L L I N G , SO die Pantherquadriga mit Dionysos und Ariadne, und ERNST

HÄHNEL.

Für die Gestaltung des Platzes ist besonders wichtig, daß S E M P E R seine zweite Oper etwas weiter nach N W herausrückte, um den Galeriebau voll zur Geltung kommen zu lassen und durch die breite Anlage der Front einen wirksamen Abschluß des Theaterplatzes nach N W zu erreichen. Der prächtige Bau war 1878—1914 die Wirkungsstätte des Generalmusikdirektors E R N S T V O N S C H U C H . E r brachte 51 Uraufführungen heraus, so von R I C H A R D S T R A U S S Salome am 9. 2. 1905, Elektra am 25. 1. 1909 und Rosenkavalier am 26. 1. 1911 mit M A X R E I N H A R D T als Regisseur. V o n den großen Sängerinnen seien genannt T H E R E S E M A L T E N , M A R C E L L A S E M B R I C H , M A R I E WITTICH,

EVA

VON D E R O S T E N ,

ELISABETH

RETHBERG,

META

SEINEMEYER,

MARIA CEBOTARI, v o n d e n S ä n g e r n LORENZO RIESE, ANTON ERL, K A R L

70

PERRON,

K A R L S C H E I D E M A N T E L und F R I E D R I C H P L A S C H K E . Einen weiteren Höhepunkt A 2 erlebte die Dresdner Oper unter Generalmusikdirektor F R I T Z B U S C H (1922 bis zur Entlassung durch die Nazis 1933) mit zahlreichen Uraufführungen und der Pflege von Verdi- und Mozartopern. Sein Nachfolger K A R L B Ö H M konnte die Leistungsfähigkeit der Staatskapelle, die zu den besten Orchestern der Welt gehörte und durch ihren selbst herangezogenen Nachwuchs ihre traditionelle Leistung bis auf den heutigen T a g zu wahren versteht, erhalten. In der Schreckensnacht von 1945 wurde diese weltberühmte Kunststätte stark zerstört. Wegen ihrer hohen Bedeutung als Baudenkmal im Ensemble des Theaterplatzes und als Stätte des traditionsreichen Dresdner Theaterlebens erfolgten schon 1950 — 53 umfassende Sicherungsmaßnahmen, so Instandsetzung des Außenmauerwerkes, statische Sicherung bzw. Wiederaufbau des Giebels sowie Überdachung von Zuschauer- und Bühnenhaus als Voraussetzung für den späteren Wiederaufbau. Dieser wurde im Fünf jahrplanzeitraum 1976—80 begonnen. Die Rekonstruktion wird nach den erhaltenen Originalplänen sowie nach modernen theatertechnischen Erfordernissen durchgeführt. So werden beispielsweise Seitenbühnen geschaffen, und der Zuschauerraum wird erweitert. Entgegen früheren Vorstellungen, den Hauptbaukörper zu erweitern, wird nunmehr an der Rückseite (Nordwestseite) ein dreigeschossiger Funktionsbau errichtet, der unter anderem Probebühnen und Künstlergarderoben enthält. Mit diesem Bauwerk werden die Proportionen des historischen Opernhauses gewahrt und ein besserer städtebaulicher Massenaufbau erreicht. Dort, wo zwischen Galeriegebäude und Opernhaus der Blick auf die Grünanlagen des Zwingerwalles einen guten Kontrast zu den Großbauten des Theaterplatzes gewährt, steht an versteckter Stelle das von E R N S T R I E T S C H E L geschaffene Bronzestandbild C A R L M A R I A V O N W E B E R S (Abb. 45), der seit 1816 Musikdirektor der Dresdner Oper war.

Die Weite des Theaterplatzes wird durch das Reiterstandbild König J O H A N N S (regierte 1854 — 73) unterbrochen, das in der Achse de« Opernhauses steht und vom Zwingerhof aus durch die Durchgänge des Galeriegebäudes sichtbar ist. Das von J O H A N N E S S C H I L L I N G geschaffene Denkmal kennzeichnet mit seinen Reliefs am Sockel den Übersetzer der „Göttlichen Komödie" von A L I G H I E R I D A N T E . Die A l t s t ä d t e r W a c h e wurde nach dem Entwurf F R I E D R I C H S C H I N K E L S 1830—32 von J O S E P H T H Ü R M E R errichtet. Der Längsseite ist schloßwärts eine Tempelfassade mit ionischen Säulen vorgelagert. 1945 ausgebrannt, wurde die Schinkelwache 1955/56 wieder aufgebaut. Bei der Gestaltung der Elbseite des Platzes standen sich um 1900 zwei Auffassungen gegenüber, entweder den Theaterplatz offen bis zur Elbe zu führen oder den Platz durch Gebäude gegen die Elbe abzuschließen. Auf dem Platz hatten die am Hofkirchenbau beschäftigten italienischen Handwerker seit 1739 ein Gewirr von 32 verwinkelten Häuschen erbaut. Hier fand C A R L M A R I A V O N W E B E R 1817 im Haus des Kastraten C E C C A R E L L I , eines Sopransängers, seine erste Wohnung in Dresden. Beim Bau des ersten Sempertheaters wurde das I t a l i e n i s c h e D ö r f c h e n abgebrochen. Nur einige Häuser am Elbufer blieben stehen, in denen sich mehrere Gaststätten befanden. A n ihnen blieb der Name Italienisches Dörfchen haften, vor allem an der seit 1851 bestehenden Wirtschaft, die unmittelbar über dem Elbufer am damaligen Landeplatz der 6*

7i

A 2 Dampfschiffe nach Meißen lag. 1912/13 wurde durch H A N S E R L W E I N das jetzige Gaststättengebäude errichtet. Ihm war es damit gelungen, durch das Gebäude zwar den Theaterplatz deutlich abzuschließen, aber die Nähe des Stromes ahnen zu lassen. Außerdem gibt eine Terrasse den Blick auf Brücke und Strom frei, und eine Freitreppe führt zum Elbufer hinab. Die ehemalige K a t h o l i s c h e H o f k i r c h e — heute Kathedrale des Bistums Meißen — wurde errichtet, da es nach dem Übertritt des Kurfürsten zur katholischen Kirche an einem repräsentativen katholischen Kirchenbau fehlte. Er mußte in enger Verbindung zum Schloß stehen. Der mit dem Bau beauftragte römische Baumeister G A E T A N O C H I A V E R I ordnete das Bauwerk aus baukünstlerischen Gründen der Hauptseite des Schlosses zu, mit dem es durch einen Übergang verbunden ist. So kam es zu einer reizvollen Schrägstellung, die das Bauensemble um das Schloß belebt und zugleich einen markanten Blickpunkt von der Brücke aus darbietet, vornehmlich durch den 85,5 m hohen durchbrochenen Turm. Diese Lösung bedingte eine Abweichung von der üblichen Ostorientierung der Kirche (der Hochaltar liegt im SW der fünfschiffigen Basilika), erforderte die Zuschüttung der ersten Bögen der alten Elbbrücke vor dem Georgentor, die Beseitigung des Elbtores und der anschließenden Teile des Festungswalles und eine sehr tiefe, bis 9 m reichende Gründung des Bauwerks. Da Prozessionen im protestantischen Sachsen unter freiem Himmel damals nicht zulässig waren, legte C H I A V E R I das Innere als Prozessionskirche an, das heißt der Prozessionsumgang war innerhalb der Kirche möglich. Der fein gegliederte Bau läßt nicht ahnen, daß er mit 4800 m2 die größte Kirche Sachsens ist. Dazu tragen neben der plastischen Gliederung der Umfassungswände und dem hoch aufragenden Mittelschiff die zahlreichen Statuen bei, die die Dachkanten krönen. Der Turm, nur im Hauptstockwerk mit dem Kirchenschiff verbunden, ragt in 4 durchbrochenen und nach oben leichter werdenden Stockwerken frei bis zur abschließenden Zwiebelkuppel empor. Der Bau begann 1739. Da C H I A V E R I 1749 Dresden verließ, wurde die Kirche von J O H A N N C H R I S T O P H K N Ö F F E L und J U L I U S H E I N R I C H S C H W A R Z E zu Ende geführt. Berühmt waren die Kirchenmusiken in der Hofkirche. Außer den Kapellknaben wirkten die spätere Staatskapelle und erste Kräfte der Oper mit. Unter den Leitern der Kirchenmusik finden wir J O H A N N A D O L P H H A S S E (bis 1763), C A R L M A R I A V O N W E B E R (f 1826), R I C H A R D W A G N E R (bis 1849), C A R L G O T T L I E B R E I S S I G E R (f 1859) und K A R L P E M B A U R (f 1939). 1945 wurde auch dieses herrliche Bauwerk verwüstet. Sprengbomben durchschlugen das Dach des Mittelschiffes, das Innere brannte aus. Bereits 1945 begann der Wiederaufbau unter der Leitung des Instituts für Denkmalpflege. Mit staatlichen, städtischen, kirchlichen Mitteln und privaten Spenden wurden die Schäden beseitigt, die Kirche neu eingewölbt, und 1962 konnte das Mittelschiff zum ersten Mal wieder für kirchliche Zwecke genutzt werden. Glücklicherweise waren wertvolle Teile der künstlerischen Innenausstattung ausgelagert worden. So konnten das Bild des Hochaltars von A N T O N R A P H A E L M E N G S und die Bilder der Seitenaltäre sowie die Silbermannorgel wieder ihren alten Platz finden. Zerstörte Teile wie der Orgelprospekt oder die zum Teil schwer beschädigten Skulpturen von L O R E N Z O M A T T I E L L I wurden durch Kopien ersetzt. 72

Schloßkomplex

Das S c h l o ß ist der älteste Bauzeuge der fast 8oojährigen Geschichte der Stadt Dresden. Es ist aus einer markgräflichen Burg hervorgegangen, die sich auf dem Nordteil des Taschenberges erhob und den Elbübergang decken sollte. Der Hausmannsturm gehört bis zur Höhe seines Konsolgesimses Bauphasen vor 1500 an und dürfte in seinem unteren Teil der älteste Bauteil der Burg sein, damit auch zugleich der Stadt. Wahrscheinlich stammen die ältesten Mauerteile vom Ende des 12. Jh. Der Flügel an der Schloßstraße entstand im 14. Jh. 1471 — 76 errichtete der Erbauer der Meißner Albrechtsburg, A R N O L D V O N W E S T F A L E N , den Süd- und Westflügel. 1528 kam an der Südostecke der runde Schössereiturm hinzu. Der Georgenbau (1533 — 35) erweiterte das Schloß nach O. Von ihm stammt das Relief des Totentanzes von C H R I S T O P H W A L T H E R I., bis 1980 auf dem Inneren Neustädter Friedhof (s. E 3). Als 1547 begonnen wurde, den Großen Schloßhof nach W auf das Doppelte zu erweitern, rückte der Schloßturm in die Mitte der Nordostfront. Zu sehen sind aus jener Zeit die Treppentürme des Großen Schloßhofes. Von der Innenausstattung sind im Pretiosensaal und im Silberzimmer des Grünen Gewölbes Stukkaturen aus der Zeit um 1544 und um 1560 sowie Teile der Ausstattung des 18. Jh. erhalten. Der Kleine Schloßhof wurde zwischen 1590 und 1594 geschaffen. Damals entstand auch das Torhaus auf der Ostseite des Schlosses, das heute noch bis in das zweite Obergeschoß ursprüngliche Formen zeigt. W O L F C A S P A R V O N K L E N G E L gestaltete 1674 — 76 den Hausmannsturm um und versah ihn mit einer kuppeligen Haube und langen Spitze, die dem Turm eine Höhe von 101 m gab und ihn zu einem Wahrzeichen Dresdens machte (Abb. 19). 1701 vernichtete ein Brand den Ostflügel mit dem Riesensaal und dem Georgenbau. Die Wiederherstellung erfolgte in einfachsten Formen, doch dieses Provisorium blieb bis zum Umbau von 1889 bestehen. Die 1721 — 25 von R A Y M O N D L E P L A T in der Nordwestecke des Schlosses gestalteten Räume, nach ihrem Anstrich schon seit 1638" Grünes Gewölbe genannt, nahmen nun als repräsentative Schausammlung einen Teil der Kunstwerke der Schatzkammer auf. Fünf der acht Räume überstanden dank der im 18. Jh. getroffenen Sicherheitsvorkehrungen die Kriegszerstörungen. Die weltberühmte Schausammlung des Grünen Gewölbes befindet sich heute im Albertinum (s. A 5 ) . Der uneinheitliche äußere Zustand des Schlosses wurde durch den Umbau von 1889 bis 1901 beseitigt. Die Außenfassaden erhielten Dekorationsformen der deutschen Renaissance vorgeblendet. Die Arbeiten wurden von G U S T A V D U N G E R und G U S T A V F R Ö L I C H geleitet, von dem auch die Skizzen für die Übergänge zum Taschenbergpalais und zur Hofkirche herrühren. Der zuletzt vollendete Teil des Schloßumbaus ist der Georgenbau. Das alte Nordtor wurde in den Winkel nach der Hofkirche zu versetzt und ein hoher, von zahlreichen Skulpturen geschmückter Schaugiebel errichtet. Das alte Südtor des Georgenbaues kam in den Stallhof. Unmittelbar südlich des Schlosses entstand auf dem Gelände von 7 ehemaligen Bürgergrundstücken 1 7 0 6 — 1 1 ein Palais für die Gräfin C O S E L , das T a s c h e n b e r g p a l a i s . Mit diesem Bau erhielt M. D. P Ö P P E L M A N N seinen ersten größeren 73

A u f t r a g von

D E M S T A R K E N , an dessen Verwirklichung wohl J O H A N N beteiligt war. Das Palais wurde später mehrfach erweitert und umgestaltet. Eine hervorragend gegliederte Fassade bestimmte seinen architektonischen Wert. Der C h o l e r a b r u n n e n zwischen Taschenbergpalais und Zwinger wurde 1843 von G . S E M P E R in F o r m eines neugotischen 18 m hohen Turms geschaffen. E r geht auf eine Stiftung des E U G E N V O N G U T S C H M I D zurück, als D a n k dafür, daß Dresden von der Choleraepidemie Anfang der vierziger Jahre verschont geblieben war, und wurde 1927 v o n seinem ursprünglichen Standort am Postplatz hierher verlegt. Das J o h a n n e u m führte als Teil des Stallhofes — 1586—91 entstanden — P A U L B U C H N E R auf (s. Seite 32). V o n einem Umbau im Jahr 1729 stammt die doppelläufige Freitreppe. Ein dritter Umbau durch C. M. H Ä N E L gab dem B a u seine jetzige Gestalt. A n den Georgenbau schlössen sich, an die alte Stadtbefestigung im Zuge der Augustusstraße angelehnt, weitere Zweckbauten des AUGUST

FRIEDRICH KARCHER

A b b . 19. Medaillen der Dresdner Münzstätte (zusammengestellt und erläutert von P A U L A R N O L D . Die Medaillen befinden sich im Münzkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Von oben nach unten, linke Reihe: Vorderseiten; rechte Reihe: Rückseiten): E R N S T C A S P A R D Ü R R und M A R T I N H E I N R I C H O M E I S , Medaille 1676 auf die Erhöhung des Hausmannsturmes im Dresdner Residenzschloß, 0 67,6 mm, Silber. HEINRICH P A U L GROSKURT, M e d a i l l e 1 7 0 5 a u f d i e G r u n d s t e i n l e g u n g d e r

von

erbauten Kirche zu Dresden-Loschwitz, 0 43,9 mm, Silber. C H R I S T I A N J O S E P H K R Ü G E R , Verdienstmedaille 1786 anläßlich der Eröffnung des ersten öffentlichen Museums im Japanischen Palais, 0 6 1 mm, Silber. GEORGE BÄHR

JOHANN FRIEDRICH STIELER, M e d a i l l e 1 7 8 5 a u f d i e G r ü n d u n g d e r R e a l - u n d

Armenschule in Dresden-Friedrichstadt, 0 33,6 mm, Silber. Die Münzstätte Dresden war 1556 von Kurfürst AUGUST gegen den Widerspruch der Bergstädte Annaberg, Freiberg und Schneeberg, die dadurch ihre Münzstätten verloren, als zentrale Münzstätte für das Kurfürstentum Sachsen gegründet worden. Sie bestand ursprünglich aus zwei Gebäudeanlagen, dem Schmelzhaus und dem Münzhof, die beide in unmittelbarer Nähe des Residenzschlosses am Elbufer lagen. Zu diesen Gebäuden k a m im ersten Viertel des 17. Jh. noch der außerhalb der Festungsmauern vor dem Wilischen Tor gelegene Silber- und Münzhammer hinzu, der zu Beginn des 19. Jh. durch einen Neubau ersetzt wurde. Als nach 1733 der Platz zwischen Schloß und Elbbrücke zum Bau der Katholischen Hofkirche (Kathedrale) benötigt wurde, erhielt die Münze 1738 ein neues Gebäude hinter der Frauenkirche. Dort bestanden Münzamt und Münzstätte bis zum Jahre 1886; danach wurden sie aus Rentabilitätsgründen in die Nähe der staatlichen Muldener Hütten bei Freiberg verlegt. Jahrhundertelang zählte die Dresdner Münzstätte zu den leistungsstärksten deutschen Münzstätten und hatte seit dem 17. Jh. großen Anteil an der Herausbildung einer Dresdner Medailleurschule.

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A 3 Hofes an. Seit 1864 befindet sich links neben dem Johanneum das alte Portal der Schloßkapelle, das 1555 nach einem Entwurf von J U A N M A R I A D A P A D U A vollendet wurde und zu den bedeutendsten Leistungen jener Zeit in Mitteleuropa gerechnet wird. Wie die meisten Baulichkeiten hat auch das Johanneum verschiedenen Zwecken gedient. Das Obergeschoß war zunächst Rüstkammer; es beherbergte 1722—1856 die Gemäldegalerie, später das Historische Museum und teilweise die Porzellansammlung. Nach dem Wiederaufbau in den fünfziger Jahren dient es nunmehr als viel besuchtes Verkehrsmuseum. Zwischen Georgenbau und Johanneum zieht sich der 102 m Lange Gang hin, der im Erdgeschoß in 21 Arkadenbögen gegliedert ist; das Obergeschoß beherbergte die Gewehrgalerie. Die 1979 abgeschlossene Restaurierung brachte den reichen Schmuck der Anlage wieder zur Geltung. Die ungegliederte Außenwand in der Augustusstraße wurde 1871 — 76 von W I L H E L M W A L T H E R mit dem F ü r s t e n z u g geschmückt. Ursprünglich in Sgraffitotechnik ausgeführt, wurde diese 1905/06 durch Fliesen aus Meißner Porzellan ersetzt. Der gesamte Schloßkomplex wurde 1945 bis auf ganz geringe Teile zerstört. Erhalten blieb unter anderem der Fürstenzug. Die totale Zerstörung der inneren Stadtgebiete sowie die Erfordernisse des Wohnens, der Produktion, der Stadttechnik und der Kultur einerseits sowie die Vielzahl der zerstörten kulturhistorischen Bauten andererseits zwangen dazu, sich beim Wiederaufbau auf die wichtigsten Baudenkmale zu beschränken. Die Verteilung der Baukapazitäten und der zur Verfügung stehenden Fonds mußte nach volkswirtschaftlichen Möglichkeiten und nach Stellung und Zerstörungsgrad der betreffenden Gebäude vorgenommen werden. Zwinger, Hofkirche und andere wiederaufbaufähige Kunstwerke verdienten Vorrang vor dem Schloßkomplex. Trotzdem wurde eine Vielzahl von Maßnahmen durchgeführt: — Im Hauptbau wurde der Schloßturm wiederhergestellt und durch eine Abdeckung so gesichert, daß zu einem späteren Zeitpunkt Dachhaube und Laterne rekonstruiert werden können; der Pretiosensaal wurde ausgebaut, das Löwentor an der Schloßstraße wiederhergestellt. — Am Taschenbergpalais wurden die Umfassungswände gesichert. — Am Georgentor war die Gestaltung insbesondere der Elbfassade nach einer Restauration um die Jahrhundertwende so sehr Bestandteil des Dresdner Stadtbildes geworden, daß das Gebäude nach dieser Konzeption in den Jahren 1963—66 erneut aufgebaut wurde. — Im Stallhof wurden die gröbsten Schäden bereits bis 1950 beseitigt. Weitere Wiederherstellungsarbeiten erfolgten seit 1959, insbesondere an der Hofseite mit den Arkaden. 1976—79 wurden auch Malereien im Sinne der historischen Bemalung angebracht. — Am Johanneum, das in den fünfziger Jahren wiederaufgebaut wurde, wurden 1966 die Hauptfassaden restauriert und farbig gestaltet.

A 4 Neumarkt Dieser Stadtraum ist so schwer getroffen worden, daß eine Wiederherstellung nicht mehr möglich ist. Insbesondere die berühmten Bürgerhäuser in den Nachbarstraßen, einst mit zu den schönsten Stadtbildern Dresdens gehörend, wie

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die Rampische Straße, sind endgültig verloren. Der Neumarkt als architek- A 4 tonisch gestalteter städtischer Raum existiert nicht mehr, in der Innenstadt wohl der schwerste Verlust nach der sinnlosen Bombardierung. Über beräumte Flächen geht der Blick meist auf die Rückseiten der Gebäude von Brühlscher Terrasse, Ernst-Thälmann-Straße oder auf die Baumasse des ehemaligen, 1895—98 errichteten Königlichen Polizeigebäudes, das heute das V o l k s p o l i z e i k r e i s a m t beherbergt. Sein Erweiterungsbau in Richtung Frauenkirche schließt einen Teil der Baulücken. Von dem ehemaligen C o s e l s c h e n P a l a i s , 1762 — 64 von J U L I U S H E I N R I C H S C H W A R Z E für den Grafen F R I E D R I C H A U G U S T V O N C O S E L errichtet, sind die beiden Torbauten wieder hergestellt worden. Sie bildeten einst die Seitenflügel des 1945 völlig zerstörten Prachtbaus im Rokokostil. Den von den Seitenflügeln begrenzten Hof hatte G O T T F R I E D K N Ö F F L E R durch kunstvolle Gitter und Sandsteinpfeiler mit Kinderplastiken abgeschlossen. Von der F r a u e n k i r c h e , wohl dem bedeutendsten Wahrzeichen der alten Dresdner Stadtsilhouette (Bild 23), ist nach ihrem Zusammenbruch am 15. 2. 1945 nur ein gewaltiger Trümmerhaufen von Sandsteinquadern übriggeblieben, aus dem zwei Reste der Umfassungsmauern emporragen: ein bedrückendes Mahnmal, das die Barbarei des Terrorangriffs auf die Kunststadt Dresden eindringlich sichtbar macht. Die einfache Kirche des Mittelalters wurde im 18. Jh. ersetzt durch den großartigen protestantischen Kirchenbau, den Ratszimmermeister G E O R G E B A H R 1726—38 als Zentralkirchenbau schuf, und den nach seinem Tod J. G. S C H M I D 1743 vollendete. 1728 wurde mit dem Bau der barocken Kuppel begonnen, 1738 vollendete G O T T F R I E D S I L B E R M A N N die Orgel, die als sein bestes Werk galt und verlorengegangen ist. In den Katakomben unter der Kirche ist auch das Grab G E O R G E B Ä H R S verschüttet. Im Siebenjährigen Krieg hielt die Kuppel dem Bombardement durch den Preußenkönig F R I E D R I C H II. stand. Auch beim Luftangriff im Februar 1945 zerstörten nicht Sprengbomben den Kirchenbau, sondern das Feuer, das vom Coselpalais aus in die Kirche eindrang. Ausgeglüht brach sie am 15. 2. 1945 in sich zusammen. Das 95 m hohe Bauwerk, ein Kuppelbau mit 5 Emporen, bot 4000 Menschen Platz und besaß eine unvergleichlich gute Akustik. Vor der Frauenkirche wurde das L u t h e r d e n k m a l , das nach E R N S T R I E T S C H E L S Modell für das Wormser Lutherdenkmal 1885 gegossen worden war, am 13. 2. 1955 wieder aufgestellt. Etwas vereinsamt, weil nicht mehr in die alte Gestalt des Platzes eingebunden, steht im SO das B r o n z e s t a n d b i l d F R I E D R I C H A U G U S T S I I . von E R N S T H Ä H N E L . Der König hält in der Hand die sächsische Verfassungsurkunde vom 4. 9. 1831; das Bürgertum hatte ihm die neue Verfassung abgerungen. Zum Gedenken an die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges stellte 1649 die Stadt auf dem Neumarkt am Jüdenhof einen Friedensbrunnen auf. Weil Kurfürst J O H A N N G E O R G III. 1683 als Sieger über die Türken aus Wien zurückkehrte, wurde die Friedensgöttin Irene in eine Siegesgöttin mit Fahne und Lorbeerkranz statt des Ölzweiges umgewandelt, das Denkmal vor das Johanneum versetzt und T ü r k e n b r u n n e n genannt.

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A 5

Brühische Terrasse Mit der Brühischen Terrasse (Abb. 20) hat Dresden einen Anziehungspunkt von einmaligem Reiz. Ihre Geschichte, ihre städtebauliche Ausgestaltung durch historische Gebäude auf der Stadtseite und der Blick auf Strom und Elbtal verbinden sich zu einem einzigartigen Erlebnisbereich (Bild 1). Die Brühische Terrasse ist über 400 Jahre alt. Ihre Anfänge fallen bereits in die Zeit der Erweiterung der Dresdner Festungswerke in der Mitte des 16. Jh. (s. Seite 32). U m 1553 entstand eine kleine Bastion, deren Spitze im Knick der Terrassenmauer gegenüber dem Ostende der Hochschule für Bildende Künste lag. Von ihr sind noch der runde Postenaustritt und vier große Schießscharten für Geschütze am Fuß erhalten. Von hier führt eine Böschungsmauer bis in die Nähe der Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke. In dieser Mauer beobachten wir einen niedrigen angesetzten Bogen. Dort verlief ein schiffbarer Durchlaß nach eiuem kleinen Hafen im Hof des Zeughauses, der später versandete und zugemauert wurde. 1589 wurde der Grundstein zur neuen Festung am Ziegeltor (Jungfernbastei, Belvedere) gelegt und damit der Festungsgürtel um rund 150 m nach O hinausgeschoben und verbreitert. Nach dem Bau seines 1737 begonnenen Palais hatte H E I N R I C H Graf V O N B R Ü H L auf der Festungsmauer einen Garten anlegen lassen; bis 1747 schenkte ihm der König nach und nach die gesamte heutige Terrasse, die nun Brühlscher Garten hieß. Nach B R Ü H L S Tod (1763)

Abb. 20. Brühische Terrasse (nach Stadtplan Dresden 1979) 1 Ständehaus

7 Moritzmonument

2 Rietscheldenkmai 3 Sekundogenitur

8 Bärenzwinger

4 Hochschule für Bildende Künste

9 Hofgärtnerhaus 10 Aibertinum

5 Semperstandbild

11 Synagoge, Denkmal

6 Jungfembastei (Belvederehügel)

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k a m die Anlage wieder in den Besitz des Landesherrn; der Name Brühische Terrasse blieb bestehen. A m Georg-Treu-Platz führt unter dem vorspringenden Teil der Jungfernbastei ein Zugang zu dem einzigen noch erhaltenen Stadttor Dresdens, dem von der Terrasse überbauten Ziegeltor. Es stammt aus der Zeit um 1550 und wurde beim B a u der Jungfernbastei als Kasematte in die Festungsmauer einbezogen. Torhallen und Wachstuben sind noch unversehrt. Der einzige noch erhaltene Kasematteneinstieg heißt im Volksmund Bärenzwinger. E r wurde von Studenten der Technischen Universität zu einem Studentenklub ausgestaltet. Der frühere Gondelhafen am Ostende der Mauer begegnet uns jetzt als Grünanlage. Das Ostufer am Hasenberg, auf dem die von GOTTFRIED S E M P E R 1840 geschaffene Synagoge stand (Erinnerungsmal für die in der Kristallnacht am 9. 11. 1938 von den Nazis zerstörte Synagoge), ist in die Brückenauffahrt einbezogen worden. Unter dem Vorsprung an der Nordostecke der Jungfernbastei befindet sich das älteste Denkmal Dresdens, das Moritzmonument. Kurfürst A U G U S T ließ es für seinen am 9. 7. 1553 in der Schlacht bei Sievershausen gefallenen Bruder errichten. E s stand ursprünglich an der Bastion Mars und wurde 1895 an die Brühische Terrasse versetzt. Die Brühische Terrasse war lange Zeit nur von ihrer Rückseite zugänglich. Erst 1814 ließ der russische Generalgouverneur Fürst R E P N I N die große Freitreppe mit 41 niedrigen Stufen nach dem Entwurf von G O T T L O B F R I E D R I C H T H O R M E Y E R bauen. An ihrem Fuße lagen zwei stilisierte Löwen von Bildhauer C H R I S T I A N G O T T L I E B K Ü H N . Sie stehen heute am Südausgang der Querallee im Großen Garten. Aufgrund eines Wettbewerbs schuf der Bildhauer J O H A N N E S S C H I L L I N G (1828—1910) die vier Tageszeiten in Sandstein; sie wurden 1883 vergoldet und wegen Verwitterungsgefahr 1908 durch Bronzeabgüsse ersetzt. W o heute das 1876 von J. S C H I L L I N G geschaffene, in Lauchhammer gegossene Rietscheldenkmal (Abb. 20) steht, lag früher der Brühische Gartensaal. Darin eröffnete W I L H E L M G O T T H E L F L O H R M A N N 1828 die Technische Bildungsanstalt, die Keimzelle der heutigen Technischen Universität Dresden (s. C 3). Bis 1833 diente das Häuschen dem Bildhauer E R N S T R I E T S C H E L als Werkstatt. A n der Freitreppe beim Ziegeltor am Georg-Treu-Platz steht das Bronzestandbild d e s A r c h i t e k t e n GOTTFRIED SEMPER ( A b b . 20), 1892 v o n J . SCHILLING g e s c h a f -

fen. Als letzter Rest des Brühischen Gartens befindet sich ein Brunnen, wahrscheinlich ein Werk G O T T F R I E D I V N Ö F F L E R S , zwischen zwei kleinen Freitreppen, die zum Belvederehügel auf der Jungfernbastei, 1721 Bastion Venus genannt, führen. Hier stand ein nach den Plänen G I O V A N N I M A R I A N O S S E N I S errichtetes prächtiges Renaissancelusthaus. Auf der Jungfernbastei befand sich auch das geheime Laboratorium J O H A N N F R I E D R I C H B Ö T T G E R S , der hier unter scharfer Bewachung seine Versuche anstellte und 1708 das Porzellan, zunächst das rotbraune Böttger-Steinzeug, erfand. A m 22. 9. 1747 wurde das Lusthaus infolge einer Explosion des darunterliegenden Pulvermagazins zerstört. Mehrfach entstand das Belvederegebäude neu. Das letzte, als vierter B a u 1842 von OTTO V O N W O L F R A M S D O R F geschaffen, fiel 1945 den Luftangriffen zum Opfer. Die Reihe der Bauwerke an der Südseite der Brühischen Terrasse beginnt

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A 5 nahe der Freitreppe mit dem Landtagsgebäude, das 1901—06 für die 1. und 2. Kammer des Sächsischen Landtages, daher auch S t ä n d e h a u s genannt, errichtet wurde. Der Baumeister war P A U L W A L L O T , der Erbauer des Reichstagsgebäudes in Berlin. Heute befinden sich in dem Haus Einrichtungen von Kultur und Wissenschaft: das Institut für Denkmalpflege, die Deutsche Fotothek, Arbeitsstellen der Akademie der Wissenschaften der D D R sowie das Museum für Mineralogie und Geologie und das Museum für Tierkunde. Die älteren Bilder von Dresden zeigen noch die Vorgänger des Landtagsgebäudes, das Brühische Palais und das Fürstenbergsche Palais am Schloßplatz, in dem 1764—91 die Kunstakademie und dann bis 1896 das Finanzministerium untergebracht waren. Das folgende Gebäude, die S e k u n d o g e n i t u r , liegt an der Stelle der ehemaligen Brühischen Bücherei, deren 62000 Bände 1768 an die Landesbibliothek verkauft wurden. Seit 1791 beherbergte es die Kunstakademie. Hier wirkten die Maler

ANTON GRAFF,

SCHNORR

CASPAR DAVID FRIEDRICH,

VON CAROLSFELD,

die Bildhauer

LUDWIG

RICHTER,

FRANZ PETTRICH, ERNST

JULIUS

RIETSCHEL,

R O B E R T H E N Z E und die Architekten und K O N S T A N T I N L I P S I U S . 1897 baute G U S T A V F R Ö L I C H das Gebäude so geschickt um, daß es sich in den Rahmen der alten Bauwerke einfügte und daher auch in gleicher Form nach 1945 wieder errichtet wurde. Bis 1931 enthielt es Bibliothek und Kupferstichsammlung des zweitgeborenen Prinzen (daher Sekundogenitur), dann diente es der Gemäldegalerie als Abteilung Neue Meister; heute beherbergt es gastronomische Einrichtungen. 1887—93 entstand das Gebäude der neuen K u n s t a k a d e m i e an der Stelle der früheren Brühischen Gemäldegalerie und des Cafés Reale. Von L I P S I U S entworfen und im Stile der Hochrenaissance gehalten, ist es überreich mit Plastiken und Ornamenten geschmückt. Die 1968 neu verglaste Kuppel mit der vergoldeten Plastik der Nike, der griechischen Siegesgöttin, stammt von R O B E R T H E N Z E . Die Bedeutung der Kunstakademie, heute Hochschule für Bildende Künste, schwankte im Lauf der Geschichte stark. Ende des 19. Jh. herrschte eine naturalistische Genremalerei vor, doch später machte eine jüngere Malergeneration mit C A R L B A N T Z E R , G O T T H A R D T K U E H L (Bild 3), E U G E N B R A C H T , später R O B E R T S T E R L , O T T O G U S S M A N N , O S K A R Z W I N T S C H E R Dresden wieder zu einer der führenden Kunststädte. Der mächtige Block des A l b e r t i n u m s ist das umgebaute alte Zeughaus, das 1559—63 C A S P A R V O I G T V O N W I E R A N D T und M E L C H I O R T R O S T als zunächst eingeschossigen Bau errichtet hatten. Bis 1747 wurden zwei weitere Stockwerke aufgesetzt. 1884—89 baute es K A R L A D O L F C A N Z L E R für Museumszwecke um. Das repräsentative Gebäude erhielt reichen plastischen Schmuck. Das Albertinum, nach dem damals regierenden König benannt, nahm die Skulpturensammlung auf. Bis zum Bau des Archivgebäudes in der Neustadt befand sich hier auch das Sächsische Staatsarchiv (s. D 4). Im 1945 stark beschädigten Gebäude konnte nach dem ersten Ausbau 1953 die III. Deutsche Kunstausstellung eröffnet werden. Seit 1959 sind Teile der Staatlichen Kunstsammlungen in diesem Gebäude untergebracht: die Gemäldegalerie Neue Meister, das Grüne Gewölbe und die Skulpturensammlung. ERNST

HÄHNEL,

JOHANNES SCHILLING,

GOTTFRIED SEMPER, HERMANN NICOLAI

80

Gegenüber dem Albertinum zieht ein einfaches Haus durch seine wohlproportio- A 5 nierten Formen den Blick auf sich: das wiedererrichtete ehemalige H o f g ä r t n e r h a u s , das seit 1954 der evangelisch-reformierten Gemeinde dient, östlich des Albertinums steht am Tzschirnerplatz (nach dem Mitglied der Provisorischen Regierung von 1849 benannt) die Ruine des K u r l ä n d e r P a l a i s , nach einem Vorläufer 1728/29 v o n CHRISTOPH KNÖFFEL errichtet. Unter seinen hochadligen Besitzern war ein sächsischer Prinz, der den Titel eines Herzogs von Kurland führte. Wichtiger ist, daß das Gebäude kulturgeschichtlich Bedeutung hat. Von 1815 bis 1863 beherbergte es die Dresdner Chirurgisch-Medizinische Akademie, an der bis 1827 der A r z t , Naturforscher und Maler CARL GUSTAV CARUS wirkte. Dessen Namen trägt die 1954 gegründete Medizinische Akademie (s. C 5). Verbunden war mit ihr der 1820 durch LUDWIG REICHENBACH gegründete Botanische Garten, der hinter dem Palais auf dem ehemaligen Wallgelände lag. Im Kurländer Palais hatte 1924—45 der Landesverein Sächsischer Heimatschutz seinen Sitz.

Elbe

A 6

Zu den großen Eindrücken, die der Besucher in Dresden empfängt, gehört der Blick von der Brühischen Terrasse auf die Elbe. Hier konzentriert sich alles, was der Strom zur Schönheit der Stadt beitragen kann. Schon in der Überschau (s. Seite 2) war darauf hingewiesen worden, welche harmonischen Proportionen Strom und Architektur zu einer Einheit verbinden. Dazu gehört die Breite der Elbe, die beim technischen Ausbau ab 1861 auf durchschnittlich 113 m festgelegt worden war. Der Neustädter Ufersaum fügt sich mit reichlich 100 m Breite in dieses Maßwerk ein, belebt es aber kräftig durch den Gegensatz zwischen den steinernen Kunstbauten der A l t städter Seite und dem flachen Neustädter Ufer mit seinem Saum von Elbgeröllen und dem grünen Wiesenstreifen. Der Blick von der Brühischen Terrasse läßt auch die Schwingungen des Flusses erkennen, die sich freilich an anderen Stellen noch besser darbieten, so am Schlachthof — Pieschener Winkel, bei Briesnitz und am Waldschlößchen. In die breite Elbtalwanne hat sich der Fluß bis auf 100 m ü. N N eingetieft, und die unterste eiszeitliche Schotterlage auf den Gesteinen der Kreidezeit gehört der Saalekaltzeit an, der gleichen Zeit, deren Endphase auch die breite Hellerterrasse (s. Seite 5) zugehört. In die saalekaltzeitlichen Sedimente hat sich dann die Elbe erneut eingeschnitten und in einem etwas engeren B e t t die weichselkaltzeitlichen Schotter aufgeschüttet, die heute weithin den Talboden als Niederterrasse bilden. Nach der kaltzeitlichen Aufschüttungsphase hat sich die Elbe wieder eingeschnitten, meist in mehreren Armen. Diese alten Elbläufe gliedern die breiten Niederterrassenflächen auf. Von diesen alten Elbwegen hat sich einer als die heutige Strombahn durchgesetzt, die sich auch noch etwas weiter eingetieft hat. Die heutige Überschwemmungsaue läßt in ihren einfachen Formen freilich nicht den verwickelten Werdegang dieses Talabschnittes erkennen. Der Nullpunkt des Dresdner Pegels liegt nach einer Neufestlegung am 1 . 1 . 1935 bei 103 m ü. NN. Der erste Brückenpfeiler der Georgi-Dimitroff-Brücke auf 81

A 6 Altstädter Seite zeigt den ablesbaren Lattenpegel, das kleine Basteischlößchen auf altem Festungsmauerwerk unter dem Italienischen Dörfchen birgt das registrierende Schreibwerk des Wasserstraßenamtes. Mit dieser Tieferlegung des Pegelnulls konnten bei den Wasserstandsangaben Plus- und Minuswerte vermieden werden. Außerdem hatte sich die Elbe seit der technischen Korrektion in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts infolge der dadurch bewirkten Beschleunigung des Abflusses um rund 90 cm tiefer eingeschnitten, so daß der Wasserstand bei Pegelnull bereits recht hoch war. Durch diese Tieferlegung sind Maximalhochwasser wie die von 1845 oder auch 1890 heute selbst dann nicht zu erwarten, wenn zusätzlich keine Regulierungsbauwerke, beispielsweise Staustufen, errichtet worden wären. Bei einem Pegelstand von 4,70 m muß die Schiffahrt wegen der Brückendurchlässe eingestellt werden, bei 5,30 m wird das Terrassenufer überflutet. Eine Übersicht über die schiffahrtsbeeinflussenden Zustände des Elbstromes bietet die folgende Tabelle. Tabelle: Schiffahrtssperren im 25jährigen Mittel 1947—1961 a) durch Hochwasser

Jan. März

0—14 Tage, 0—18 Tage,

Febr. 0 — 11 Tage = Winterhochwasser April o — 2 Tage = Frühjahrshochwasser ) — 13 Tage = Sommerhochwasser Mittel pro Jahr 13,1 — 14 Tage

Der Querschnitt eines Stromes in einer Krümmung ist asymmetrisch. Hier in Dresden befinden sich daher steiles Ufer, tiefes Wasser und die Möglichkeit, mit Wasserfahrzeugen dicht an Land heranzufahren, zu löschen und zu laden auf der Altstädter Seite, die alle Verkehrs- und Handelseinrichtungen an sich gezogen hat, während die Neustädter Seite mehr die Ruhe- oder Erholungszone darstellt. Das Altstädter Ufer war in der Festungszeit absolut verkehrsfeindlich, die Festungsmauer wurde vom Strom bespült. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jh. in Verbindung mit dem Bau der Hofkirche und der Zerstörung Dresdens durch die Preußen 1759/60 bzw. mit den dabei anfallenden Schuttmassen erfolgte eine erste Aufschüttung von den Rändern her. Aber die Lande- und Ausschiffungsplätze lagen seitlich der Altstadt und waren außerdem klein und auf mehrere Stellen verstreut. Erst mit der Konzentration des Wirtschaftslebens am Ende des 19. Jh. entstanden größere zentralisierte Anlagen, zunächst das Packhofviertel, dessen mächtiger von H. E R L W E I N 1912/13 entworfener Silo sich über die von Stadtbaurat P. W O L F 1926 geschaffenen ufernahen Häuser der Zoll- und Finanzverwaltung erhebt, und dann das Gelände des Elbhafens (s. C 1). Die alten Ausschiffungsplätze in Alt- wie in Neustadt, die sich meist durch Bepflasterung des Uferstreifens verraten, sind überflüssig geworden. Vor der Pirnaischen Vorstadt und an der Brücke der Einheit, wo noch alte Brückenbögen Lagergut aufnehmen konnten, sind Teile dieser Bepflasterung bereits in Rasenstreifen verwandelt worden. Viel stärker als auf der Altstädter Seite und auch viel früher hat sich das Bestreben gezeigt, das Neustädter Elbufer zum Erholungs- und Freizeitzentrum 82

auszugestalten. Auch wenn die hier einst tätigen Wäscherinnen nicht mehr die A 6 Wäsche zum Bleichen auf die Grasflächen breiten, der Ufersaum nicht mehr von Frei- und Schwimmbädern in großer Zahl belebt ist, das Baden verbietet angesichts der Verunreinigungen des Elbwassers heute die Hygieneinspektion, bleibt der Eindruck eines naturnahen Flußufers vollauf erhalten. Park- und Gartenanlagen, die durch einige schöne Plastiken besonderen Reiz erhalten, wie den Bogenschützen unterhalb der Brücke der Einheit und die Plastiken im Rosengarten oberhalb dieser Brücke, sind wahre Anziehungspunkte geworden. Sie sind jedoch nur Teilstücke einer Elbuferpromenade, die vom Japanischen Palais mit einer kleinen Unterbrechung an der Loschwitzer Brücke bis über Pillnitz hinaus Spaziergänge in beliebigem Umfang gestattet. Wie die Stadt Dresden, so haben auch die Technik und das Verkehrswesen am Fluß eine lange Entwicklung hinter sich, eine Entwicklung freilich, die zunächst den biologischen Wert der Elbe, ihren Fischreichtum, nicht eingeschränkt hat. Die historischen Lachsfänge unterhalb der Stadt — die letzten Lachse wurden 1916 gefangen — und die auf alten Bildern nicht nur als Staffage abgebildeten Fischer bezeugen das. Erst die industriellen Abwässer haben diesen Reichtum zerstört. Ehe die ersten Dampfer — seit 1837 — auf der Elbe fuhren, bestand ein starker Bootsverkehr für den Warentransport, glitten bis etwa Ende des ersten Weltkriegs viele Flöße die Elbe abwärts, gab es aber auch zahlreiche Luxusfahrzeuge, Gondeln aller Art für die Fremden oder die begüterten Kreise der Stadt. D a ß sich der fürstliche Hof dem Genuß einer Elbfahrt hingab, bezeugt die in Pillnitz museal aufbewahrte Schmuckgondel. Eine technische Besonderheit, die ebenfalls nach dem ersten Weltkrieg einging, muß noch erwähnt werden: die Kettenschiffahrt der Elbeschiffahrtsgesellschaft Kette, die ihren Stützpunkt in Übigau (s. F 3) hatte und zeitweise einen Frachtverkehr rasselnd und klappernd zwischen Hamburg, später nur Magdeburg, und Böhmen betrieb. Leider fehlt ein auch die wirtschaftliche und technische E n t wicklung berücksichtigendes Werk über die Elbe im engeren sächsischen Raum. Die älteste Dresdner Elbbrücke (Bilder 4, 5), die heutige G e o r g i - D i m i t r o f f - B r ü c k e , war im Mittelalter als Steinbrücke von mehr als 300 m Länge und mit 25 Pfeilern weltberühmt; nach dem Umbau nach Entwürfen von P Ö P P E L M A N N (1727—30) galt sie als die schönste Brücke Europas. Im Zeitalter der Technik erwies sie sich jedoch mit ihren engen Bögen als Schiffahrtshindernis. Sie wurde schließlich 1907 abgebrochen und unter Wahrung der künstlerischen Traditionen 1907—10 neu erbaut. Die edle Formgebung ist vormittags von der Brühischen Terrasse aus bei schrägem Sonnenlicht besonders wirksam. A m Altstädter Landpfeiler befindet sich außer alten, von der früheren Brücke übertragenen Hochwassermarken die primitive Skulptur des Brückenmännchens, eine Nachbildung einer 1813 verlorengegangenen alten Plastik, die wohl den Erbauer darstellen sollte. Dem Namenspatron seit 1946, dem Mitbegründer der Kommunistischen Partei Bulgariens, G E O R G I D I M I T R O F F , ist an der Brüstung des höchsten Pfeilers ein Bronzebildnis von E. H O F F M A N N gewidmet. Im Zuge der neuen städtebaulichen Konzeption ist die Brücke in die Fußgängerzone einbezogen worden (s. Seite 41). An ihrem Neustädter Ende führen Fußgängertunnel unter der Verkehrstrasse der Koepckestraße hindurch.

83

A 7 Neu erbaute Altstadt Während der historische Bereich längs der Elbe bereits zu einem großen Teil in historischer Treue wieder restauriert worden ist, hat der Grad der Zerstörung in den anderen Teilen der Altstadt eine völlig neue Gestaltung ermöglicht. Nur wenige ältere Bauwerke von künstlerischem Rang sind hier erhalten geblieben bzw. rekonstruiert worden: Landhaus, Gewandhaus, Kreuzkirche und Neues Rathaus. Am deutlichsten wird die neue Konzeption in der zur Magistrale erweiterten Ernst-Thälmann-Straße (Bild 17) und in der Vergrößerung des Altmarkts sichtbar (Abb. 21, Bilder 8, 9). Bei der Bebauung am Altmarkt wurde versucht, in der Gestaltung der Fassaden und in der Verwendung der Dachmansarde das alte Lokalkolorit zu wahren, während die Nordseite des Altmarkts nicht im baulichen Detail, sondern unabhängig davon nur in den Proportionen der Baukörper die Einheit der Gestaltung sucht. Das bedeutendste neue Bauwerk der Innenstadt ist zweifellos der K u l t u r p a l a s t , der den nördlichen Abschluß des Altmarkts bildet und zugleich den Mittelpunkt der Ernst-Thälmann-Straße. Durch die Glasfassade entsteht eine wechselseitige Beziehung von Gebäudeinnerem (insbesondere bei Beleuchtung) und Platzraum. Neben dem flexibel nutzbaren großen Saal mit maximal 2 740 Plätzen, dessen Grundrißform sich in dem über dem Hauptgesims erhebenden Kupferdach zu erkennen gibt, enthält das Gebäude unter anderem ein Studiotheater, gastronomische Einrichtungen, Klub- und Gesellschaftsräume, Orche-

I

Ernst - Thalmann'-''Straße!

Abb. 21. Altmarkt — vor der Zerstörung 1945 und heute (Ausschnitt, nach VOLK

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1976)

sterprobesaal und Ausstellungsräume. Die Türen des Haupteingangs sind als Bronzeflügel mit Motiven aus der Entwicklung Dresdens ausgeführt. Der Kulturpalast wurde am 20. Jahrestag der D D R der Bevölkerung übergeben. Die Ernst-Thälmann-Straße wird durch repräsentative Läden — an der Nordseite zum Teil mit vorgesetzten Arkaden — und Wohnungen in den oberen Geschossen der Häuser gekennzeichnet. An Besonderheiten sind zu nennen: die Gaststätte A m Zwinger mit vielseitigen gastronomischen Einrichtungen und insgesamt 1416 Plätzen, der Abschluß am Pirnaischen Platz durch einen achtgeschossigen Verwaltungsbau auf der Südseite, das 1963—66 wiederaufgebaute ehemalige L a n d h a u s , ehemals Tagungsort der sächsischen Landstände. E s ist ein Werk von F R I E D R I C H A U G U S T K R U B S A C I U S , das er in spätbarockem Stil an der Stelle eines 1760 zerstörten Palais erbaute. Die Schauseite mit hohem Portal und 6 toskanischen Säulen zeigt zur engen Landhausstraße. Durch den Straßendurchbruch der Johannstraße 1875, der jetzigen Ernst-Thälmann-Straße, trat die Rückseite stärker hervor. Das wiederhergestellte Gebäude, das vom Museum für Geschichte der Stadt Dresden genutzt wird, zeichnet sich durch eine der schönsten Treppenhausanlagen Dresdens aus (Bild 24). Völlig neu gestaltet wurde der Südwestteil der Altstadt. Zwischen A l t m a r k t und Wallstraße entstand eine Fußgängerzone mit Läden, überwiegend für Lebensmittel, so die Tradition der früheren Webergasse mit modernen Gestaltungsmitteln wieder aufnehmend. Kinderkaufhaus und Gaststätte Wallterrasse bilden einen besonderen Baukörper. Der Gebäudekomplex auf der Ostseite des Altmarkts hat ebenfalls eine völlige Umgestaltung erfahren. A n Stelle der früheren engen Gassen befinden sich zwei attraktive erweiterte Seitenstraßen (Weiße Gasse und Gewandhausstraße), von denen die eine als besonders wertvollen Schmuck den G ä n s e d i e b b r u n n e n ( A b b . 30), 1 8 7 6 — 8 0 v o n ROBERT DIEZ g e s c h a f f e n , z e i g t , w ä h r e n d d i e a n d e r e

vom 1963—66 als Hotel wiederaufgebauten G e w a n d h a u s flankiert wird. Der jetzt nach W geöffnete Innenhof wurde unter Verwendung geborgener Skulpturen ausgestaltet, die Westfassade durch den restaurierten D i n g l i n g e r b r u n n e n (nach 1718) bereichert. Das Gewandhaus, 1768 — 70 (s. Seite 33) erbaut, diente zunächst den Fleischhauern und Gewandschneidern als Verkaufsstätte. Bei den revolutionären Auseinandersetzungen 1849 (s. Seite 45) war es hart umkämpft. Das R a t h a u s

wurde

1905 — 10 v o n K A R L ROTH u n d S t a d t b a u r a t

EDMUND

auf der Bastion Jupiter erbaut. E s bedeckt eine Fläche von 9 255 m 2 und schließt 5 Höfe ein. Der 100 m hohe Rathausturm nahe der Ostfront, heute der höchste Turm der Dresdner Innenstadt, bietet in 65 m Höhe v o n einem Umgang eine umfassende Aussicht. Das Zifferblatt der Uhr hat einen Durchmesser von 4,25 m . Die kupfergedeckte Dachhaube ist gekrönt mit dem von R I C H A R D G U H R entworfenen 5,35 m hohen Standbild des Dresdner Schutzpatrons. E r stellt einen bärtigen Mann mit einer Mauerkrone auf dem H a u p t dar. Seine Rechte streckt er über die Stadt zu seinen Füßen aus, in der Linken hält er ein Füllhorn. Seit 1950 wurde der 1945 schwer getroffene Rathauskomplex schrittweise wiederaufgebaut. Dabei wurde vor allem die Front zum Rathausplatz verändert. 1962—65 wurde der Flügel mit dem Abgeordnetensaal und einem Festsaal auf- und ausgebaut. Der Ratskeller mit 500 Plätzen ist v o n der BRÄTER

7

Dresden

85

Südostecke aus zugänglich. Sein Eingang wird von dem Rathausesel, einer populären Skulptur „Bacchus auf dem trunkenen Esel", betont. Auf dem Rathausvorplatz steht das für Dresdens Wiederaufbau kennzeichnende Denkmal der Trümmerfrau. Die K r e u z k i r c h e als alte Stadtkirche ist mit der Geschichte Dresdens eng verbunden. Sein Kreuzchor hat den Ruf Dresdens in alle Welt hinausgetragen. Die Kirche ist aus einer älteren Nikolaikapelle hervorgegangen. Sie erhielt ihren Namen, weil in einer der Kapellen des Bauwerks ein Splitter vom Kreuze Christi als Reliquie verehrt wurde. 1491 ging der gotische Kirchenbau beim Stadtbrand verloren. Der Neubau von C O N R A D P F L Ü G E R wurde von H A N S R E I N H A R T fortgeführt und 1499 geweiht. 1579 erhielt der Turm die schmale rechteckige Form, die die Bilder C A N A L E T T O S zeigen. 1760 fiel diese Kirche der preußischen Kanonade zum Opfer. Der Wiederaufbau durch J. G. S C H M I D und C. F. E X N E R erfolgte 1764—92, die Gestaltung des 91 m hohen Turmes durch G. A . H Ö L Z E R . Die neubarocken Formen mit Anklängen an den Jugendstil erhielt der Kirchenraum nach dem Brand von 1897. Nach der Instandsetzung der 1945 abermals ausgebrannten Kirche konnte 1955 der Kreuzchor zum ersten Mal wieder seine allwöchentliche Vesper an der altgewohnten Stätte abhalten. Ein neues Element der Innenstadt ist der große Verkehrstrakt der modernen Nord-Süd-Verbindung, der L e n i n g r a d e r S t r a ß e (Bild 15). Sie führt vom Hauptbahnhof im Zuge der früheren Christianstraße zum Georgplatz, wodurch die Prager Straße vom Verkehr frei gehalten wird, und in großer Breite über den Pirnaischen Platz (anstelle der früheren Ringstraße, Johannesstraße und Amalienstraße) zur neu erbauten Dr.-Rudolf-FriedrichsBrücke. Wie sich die Proportionen verschoben haben, zeigen eindrucksvoll die beiden Plastiken (Abb. 22), die zwar noch am selben Platz — dem einstigen Rand der Auffahrt zur Carolabrücke — stehen, aber heute in der Weite des Verkehrsraumes recht verloren wirken. Durch die Verbreiterung der Straßen an der Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke konnte die Ostseite des Gondelhafens nicht wieder bebaut werden. Die Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke ist die einzige Dresdner Brücke, die nach 1945 völlig neu gestaltet wurde. Ihr Aufbau begann anstelle der früheren Carolabrücke im Jahre 1967. Die moderne, den heutigen Verkehrsanforderungen angepaßte Konstruktion weist zwei getrennte Brücken auf, wie man vor allem von unten, von den Elbufern aus, gut zu sehen vermag, die den Straßenbahnund den Autoverkehr getrennt über den Strom leiten. Der Pirnaische Platz ist heute der verkehrsstärkste Platz der Altstadt und hat durch das achtstöckige Eckhaus an der Ernst-Thälmann-Straße und den diagonal gegenüberliegenden vierzehngeschossigen Baukörper mit dem vorgelagerten Flachbau eine architektonisch ansprechende Gestalt gefunden. Seit 1973 verbindet ein Fußgängertunnel die entfernt liegenden Fußgängerbahnen und führt unter der ehemaligen Stadtmauer hindurch.

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Innere Vorstädte der Altstadt Unmittelbar vor dem Mauerring Dresdens entstanden schon frühzeitig Vorortgassen mit kleinen, leichtgebauten Häusern, die in Kriegszeiten meist der Zerstörung anheimfielen. Diese Vorstadtgassen bildeten 2 dem Kurfürsten unterstehende Amtsgemeinden und 10 Ratsgemeinden, Wir haben zu unterscheiden : 1. Fischergemeinde (Elbberg und Elbufer oberhalb der Festungsmauer); 2. Rampische Gemeinde (Ziegel-, Pillnitzer Straße, Neue Gasse); 3. Pirnaische Gemeinde (Grunaer, Pirnaische, Zinzendorfstraße); 4. Borngassengemeinde (um die Borngasse nahe dem Georgplatz); 5. Halbeulengassengemeinde (nach der einseitig bebauten Halben Gasse und der Eulengasse = Bankstraße, Westseite der Bürgerwiese); 6. Oberseer Gemeinde (südlich des um 1500 trockengelegten Alten oder Oberen Sees, also beiderseits der späteren nördlichen Prager Straße); 7. Poppitzer Gemeinde (Kleine Plauensche Gasse bis Rosenstraße); 8. Entenpfütze (am Freiberger Platz); 9. A m See (Westufer des 1746 aufgefüllten Unteren Sees); 10. Fischersdorfer Gemeinde (nördlich der Annenkirche, um den Fischhofplatz bis zur Hundsgasse = Palmstraße = Oswald-Rentzsch-Straße); 11. Gerbergemeinde (Gerbergasse = Elsa-Fenske-Straße, Palmstraße); 12. Viehweidegemeinde (um die Laurin- und Ritzenbergstraße). Erst im Laufe des 18. Jh. faßte maii diese nun schon volkreichen Gemeinden zu 3 Vorstädten zusammen, die — amtlich seit 1835 — als Pirnaische Vorstadt (1.—4.), Seevorstadt oder Seetorvorstadt (5. und 6.) und Wilsdruffer Vorstadt (7. —12.) bezeichnet wurden. Die äußeren Teile dieser Vorstadtfluren, die erst in der zweiten Hälfte des 19. Jh. stärker bebaut wurden, erhielten später ihre eigenen Namen Johannstadt (s. C 5) und Südvorstadt (s. C 3). Die drei Vorstädte unterschieden sich von Anfang an in ihrem Charakter, wobei die geographische Ausstattung eine große Rolle spielte. Die Wilsdruffer Vorstadt (s. B 3) im W war durch die Weißeritz und die von ihr abzweigenden Mühlgräben reich mit Nutzwasser und Wasserenergie ausgestattet und zog dadurch die Gewerbe an sich. Die Straßenführung wurde weitgehend durch das Netz von Mühlgräben und älteren Weißeritzläufen bestimmt. Die Pirnaische Vorstadt (s. B 1), die sieh, mit den Holzplätzen und den Ziegelgruben der Stadt beginnend, längs der Elbe erstreckte, galt als die reichste der Vorstädte. Demgegenüber lag die Seevorstadt (s. B 2) abseits und war bevorzugter Wohnsitz des Adels oder reichen Bürgertums, die hier größere Gartenanlagen und Landhäuser angelegt hatten. Erst der Bau der Böhmischen Eisenbahn rückte diesen Stadtteil in den Vordergrund. Für alle diese Stadtteile gewann der 1874 aufgestellte Bebauungsplan entscheidende Bedeutung.

Pirnaische Vorstadt Zwischen Ring und Großem Garten, Bürgerwiese und Elbe gelegen, wurde die Pirnaische Vorstadt von einem alten Elbarm durchzogen. E r kam von Striesen her, verlief über Holbein- und Dürerstraße und wurde bis 1875 vom Landgraben 7*

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l durchflössen. Seine Aulehmablagerungen waren schon in alten Zeiten die Grundlage der Z i e g e l e i , die nördlich der Ziegelstraße mit der Rats- und Amtsziegelscheune ihren Schwerpunkt hatte und in mehreren Betrieben bis ins 19. Jh. hinein fortgeführt wurde. Durch diesen Bereich führten die Rampische, die spätere Pillnitzer, und die Pirnaer Straße, die im Mittelalter nur mit einzelnen Häusern besetzt waren. Nach der Erweiterung der Festungswerke im 16. Jh. siedelten sich zahlreiche Ackerbürger und Gärtner an, am Elbberg auch Fischer, hier befand sich der B ö h m i s c h e H o l z h o f als Stapelplatz des Floßholzes. Für die Bedeutung der Pirnaischen Vorstadt spricht die Tatsache, daß es bereits 1703 eine Apotheke gab, Vorläuferin der späteren M o h r e n a p o t h e k e am Pirnaischen Platz. Als die Pest 1680 in Dresden mehrere tausend Menschen dahingerafft hatte, legte die Kreuzkirche einen Pestfriedhof am Ende der Ziegelstraße an, den E l i a s f r i e d h o f . Er verlor seinen Charakter als Armenfriedhof, als er 1721—25 erweitert und mit Grüften ausgestattet wurde. An bekannten Dresdnern fanden hier die letzte Ruhestätte: WILHELM GOTTHELF LOHRMANN, Gründer der Technischen Bildungsanstalt (s. A 5), 1796—1840; JUSTINE RENNER, geborene

SEGEDIN, die Gustl von Blasewitz (s. K 3), 1763 — 1855; der Hofbaumeister GOTTLOB FRIEDRICH THORMEYER, 1 7 5 7 — 1 8 4 2 ; JUSTUS FRIEDRICH GÜNTZ, d e r

Begründer der Güntzstiftung, 1801 — 75. Die Pirnaische Vorstadt wurde im Siebenjährigen Krieg fast vollständig vernichtet. Allein am 10. November 1758 brannte die preußische Besatzung Dresdens in der Vorstadt 256 Häuser nieder. Im August 1813 tobte an den französischen Schanzen und im Großen Garten die Schlacht bei Dresden. Nach dem Krieg entstanden bei der Niederlegung der Festungswerke, insbesondere nach der Abtragung des Pirnaischen Tores 1820/21, auf dem Vorgelände mehrere Häuserreihen mit Gärten und größere Gärtnereien. Etwa um 1870 änderte sich der Charakter der Vorstadt in dem Maße, wie sie zum Geschäfts- und Wohnviertel wurde. Zu Pillnitzer und Ziegelstraße traten im Zuge der Entwicklung Dresdens zur Großstadt neue Straßendurchbrüche, im N die Marschallstraße, die nach 1945 nicht wieder erstanden ist, und die Grunaer Straße (1880), die zur Hauptausfallstraße nach O geworden ist. Die heutige B r ü c k e der E i n h e i t entstand 1875 — 77. I m südlichen Teil der Vorstadt blieben die Flächen vor dem Großen Garten offen und begrünt. Hier hatte der alte Johannisfriedhof bis zu seiner Verlegung nach Tolkewitz die Bebauung verhindert. Die südwestliche Ecke zeigt heute nichts mehr von der Vereinigung von Schulen (Turnlehrerbildungsanstalt, Kreuzschule, Altstädter Höhere Mädchenschule, Volksschule am Georgplatz) dem Christlichen Hospiz und dem Vereinshaus mit einem der wichtigsten Konzertsäle der Stadt. Da die Pirnaische Vorstadt 1945 fast restlos zerstört wurde, sind die vielfältigen Funktionen, die dieser Stadtteil ausübte, nur an wenigen Zeugen erkennbar. Neben den Schulen waren Kulturstätten, wie das Residenztheater (Zirkusstraße), das Künstlerhaus (Albrechtstraße) und der Palmengarten (Pirnaische Straße), oder das Gerichtswesen stark vertreten. Im Südteil der Vorstadt steht das H y g i e n e m u s e u m . Es geht auf Ideen des Großindustriellen KARL AUGUST LINGNER (S. J 1) zurück. Während der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 war der Hygiene die Ausstellungshalle 88

A b b . 22. Plastiken. 1 Auf dem Haupttor zum Großen Garten im Osten; aus der Schule von L . M A T T I E L L I ; 2 Teil der Brunnenplastik Stürmische Wogen von R . DIEZ in der Bürgerwiese, am Standort des zerstörten Mozartbrunnens; 3 Brückenreiter an der Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke von F . O F F E R M A N N 89

B 1 „ D e r Mensch" gewidmet. Krieg und Inflation verzögerten den vorgesehenen planmäßigen Ausbau. Das Museum wirkte aber schon vor Errichtung der Hauptgebäude im In- und Ausland durch Wanderausstellungen und neuartige Lehrmittel. 1927—30 schuf dann W I L H E L M K R E I S den monumentalen Museumsbau (Bild 34). Bei der Zerstörung Dresdens 1945 wurden große Teile des Hauses mit Schausammlungen und Werkstätten vernichtet. Die internationale Bedeutung dieses Museums führte bald nach dem Krieg zur Wiederaufnahme und Erweiterung der Lehrmittelproduktion und der Anschauungsgruppen, von denen der Gläserne Mensch das bekannteste Werk ist. Zu dem Museum gehört ein Pflanzengarten mit Arznei-, Gift- und Gewürzpflanzen, der auf dem Gelände des früheren Zinzendorfgartens mit seinen Barockvasen steht. Bis 1918 war dieses Gelände mit einer bescheidenen Villa im Blüherpark der Wohnsitz des zweitgeborenen Sohnes des Königshauses (s. A 5). Auf den 1896 von der Stadt erworbenen Wiesen entstanden in den zwanziger Jahren Sportstätten, 1923 die Ilgen-Kampfbahn, das heutige Dynamo-Stadion, 1926 das Georg-Arnhold-Bad, die auch heute noch wichtige Teile der Grünanlagen sind, die vom Großen Garten über die Bürgerwiese bis an den Stadtkern heranreichen. Die B ü r g e r w i e s e , die in der feuchten Niederung des ehemaligen Seidnitzer Elbarmes liegt und vom Kaitzbach durchflössen wurde, war schon in frühen Zeiten Grünland und vorwiegend als Viehweide genutzt. Nach Schleifung der Festungsanlagen entstanden an ihrer Westseite vornehme Wohnhäuser des Großbürgertums. 1843—50 wurden durch den Hofgärtner C. A . T E R S C H E C K künstlerische Anlagen geschaffen, die auch einen reichen Skulpturenschmuck (Abb. 22) erhielten, von denen einiges bis heute erhalten geblieben ist. 1857 erweiterte die Stadt die Parkanlagen nach einem Plan des Gartendirektors P E T E R J O S E P H L E N N E weiter nach O hin. Ihm zu Ehren wurde 1874 der ehemalige Environweg Lenn6straße genannt, heute Dr.-Richard-Sorge-Straße. 1927 wurden Teile des ehemaligen Gartens der Sekundogenitur als Blüherpark angegliedert. Mit Bürgerwiese (10 ha), Blüherpark (5,9 ha), den Sportanlagen auf den ehemaligen Güntzwiesen (7,4 ha) besteht zwischen Großem Garten (170 ha) und Stadtkern eine ausgedehnte zusammenhängende Grünfläche. Beim N e u a u f b a u wurde der Teil nördlich der Grunaer Straße als Wohngebiet entwickelt. Dieses wird heute im allgemeinen unter der Bezeichnung Pirnaische Vorstadt verstanden. Das Gebiet südlich der Grunaer Straße weist andere Gestaltungsprinzipien auf, die sich zu einem großen Teil mit der Erweiterung der früheren Funktionen für Sport und Kultur verbinden. Nördlich der Grunaer Straße blieb nur wenig von der alten Bausubstanz erhalten: so die vom heutigen V E B Sächsisches Serumwerk Dresden genutzten Gebäude, in denen früher die Tierärztliche Hochschule untergebracht war (Herbert-Bochow-Straße), die Musikhochschule an der Blochmannstraße und das alte Amtsgerichtsgebäude, heute Kreis- und Bezirksgericht an der Lothringer Straße, das trotz schwerer Brandschäden wieder aufbauwürdig war und heute seine wirksame Architektur durch die Freistellung weithin zur Geltung bringt, erbaut 1890—92 durch A R W E D R O S S B A C H im Stile der Florentiner Renaissance. Alles andere konnte neu gestaltet werden, doch zwangen die im Untergrund liegenden technischen Leitungssysteme vielfach dazu, die alte Straßenführung weitgehend beizubehalten. 90

Die Pirnaische V o r s t a d t wurde mit über 2 000 W o h n u n g e n in einzelnen E t a p p e n , beginnend 1951 an der Grunaer Straße, aufgebaut, so d a ß unterschiedliche f ü r die Aufbauphase typische Bauweisen das Stadtbild bestimmen. A u f f ä l l i g sind die breiten Grünflächen längs der Straße bei nur 4 bis 5 Geschossen der vorwiegend sehr' einfach gestalteten Bebauung. Diese Zurücksetzung der neuen Häuser half, erhebliche K o s t e n einzusparen, die die B e r ä u m u n g der Kellerstockwerke verursacht hätte. Dieser Stadtteil dokumentiert den noch geringen Grad der Ausstattung und technischen Möglichkeiten der Bauindustrie nach 1950. Völlig neu gestaltet wurde der stadtnahe Teil der ehemaligen V o r s t a d t a m Ring, der zur Nord-Süd-Verkehrsachse (s. A 7) ausgebaut worden ist. Der städtebaulichen Bedeutung dieses Vorstadtteiles entspricht die bauliche Gestaltung. B e t o n t durch zwei zwölfgeschossige Punkthäuser nahe der Elbe, erstreckt sich eine achtgeschossige Wohnhauszeile, deren Fassaden durch farbige K e r a m i k e n repräsentativ hervorgehoben werden, bis z u m Pirnaischen Platz. W e i t e r südlich schließen sich an der Leningrader Straße die Baukörper des V E B R o b o t r o n an, der das Produktionsprofil der S t a d t mitbestimmt. Der südliche Teil der Pirnaischen V o r s t a d t konnte mit dem W i e d e r a u f b a u und der Erweiterung der Sportanlagen und des Hygienemuseums a n die frühere Gestalt anknüpfen. Städtebaulich wurde dabei die konseqiiente H e r a n f ü h r u n g des Grüns an die S t a d t ins A u g e gefaßt. Daher hat der östliche Teil der Grunaer Straße beim W i e d e r a u f b a u keine geschlossene B e b a u u n g erfahren. Drei vielgeschossige Punkthäuser lassen den B l i c k und die V e r b i n d u n g z u m südlichen Teil der V o r s t a d t offen. D a s Hygienemuseum erhielt bei seinem W i e d e r a u f b a u 1 9 5 7 — 5 9 einen Kongreßsaal, wie es den Bedürfnissen jener Zeit entsprach. I n ihm hat sich ein wesentlicher Teil des kulturellen Lebens der S t a d t abgespielt. Eine Reihe auch internationaler Tagungen fand hier statt. Bis zur E r b a u u n g des Kulturpalastes (s. A 7) w a r er der wichtigste Konzertsaal Dresdens.

B

Seevorstadt

B

Die Seevorstadt, u m 1800 auch Seetorvorstadt geheißen und benannt nach den ehemaligen Seen, die sich e t w a parallel zum Ring dahinzogen, liegt zwischen dem D r . - K ü l z - R i n g und der Eisenbahntrasse mit dem Hauptbahnhof und reicht von der Annen- und Falkenstraße im W bis zur Bürgerwiese im O. Die V o r s t a d t liegt 113 — 1 1 4 m ü. N N . In ihrem Nordteil zog sich eine E i n t i e f u n g in e t w a 112 —106 m Höhe hin, darin erstreckte sich im Mittelalter ein langer See (1324 urkundlich erwähnt), der an der Berührungsstelle von Budapester Straße und D r . - K ü l z - R i n g am ehemaligen Dippoldiswalder P l a t z scharf nach N zur Annenstraße umbog. Durch Zuschütten des Knies wurde er in den A l t e n (Oberen) und Neuen (Unteren) See geteilt, beide u m 1500 bzw. 1746 trockengelegt. A m Nordausgang der Bürgerwiese befand sich bis 1849 der Jüdenteich, östlich v o m Leninplatz breitete sich noch u m 1870 die „ L a c h e am Böhmischen B a h n h o f " aus. Die Seevorstadt lag 200 Jahre abseits v o m Verkehr, weil v o n 1548 bis 1747 das Seetor vermauert war. A l s in den höfischen Kreisen die Freude a m Landleben Mode wurde, entstanden hier vornehme Landhäuser (Boxbergsches Palais 1752) und große Herrschaftsgärten (Türkischer Garten 1668, Mosczinsky-Garten

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B 2 und Palais 1742). Nach Schleifung der Festungswälle legte Dr. F. S T R U V E , der Erfinder des künstlichen Mineralwassers, 1820 zwischen Oberseer Gasse und Sidonienstraße seinen „Gesundheitsgarten" an. In der Mitte des 19. Jh. war die Seevorstadt in ihrem Kernstück bereits weitgehend erschlossen. Als mit dem Bau der Böhmischen Bahn und des Hauptbahnhofs sprunghaft die bauliche Entwicklung einsetzte, parzellierte der Rittergutsbesitzer KURT V O N L Ü T T I C H A U seinen umfangreichen Feldbesitz. Hier entstanden von 1846 an die geschlossenen Hausfronten der Lüttichau- (jetzt Hans-Dankner-Straße), der Struve-, der Räcknitz- und der Mosczinskystraße (jetzt Herbert-BlochwitzStraße). Für die noch fehlende geradlinige Verbindung zum Böhmischen Bahnhof legte man 1851 die Prager Straße an. Die Seevorstadt wurde für die nächsten zwei Jahrzehnte, vor allem in ihrem Ostteil, das bevorzugte Wohnviertel der Oberschichten. Für die vielen reichen Engländer, die hier lebten, baute S. A U B Y N 1869 eine eigene englische Kirche an der Ecke Anton-Saefkowund Wiener Straße im gotischen Stil einer englischen Dorfkirche des 13. Jh. Als aber dem Großbürgertum die enge Bauweise des Englischen Viertels nicht mehr zusagte, ließ es sich in den Gärten zwischen Wiener und Parkstraße großartige Renaissancevillen erbauen. Die Gegend der Lüttichaustraße überließ es der Geschäftswelt und den Fremdenpensionen. Die Prager Straße (Bild 18) wurde nach 1880 zur belebtesten und glanzvollsten Geschäftsstraße Dresdens. Nach den großen Hotels und den Vergnügungsetablissements am Bahnhof reihten sich in der geschlossenen Häuserfront Läden an Läden für wohlhabende Käufer: elegante Modesalons, Schmuck-, Kunst-, Blumen- und Delikateßgeschäfte, Reisebüros und Cafés. Nahe dem nördlichen Ende entstanden 1912 und 1913 Waren- und Konfektionshäuser in Eisenbetonkonstruktionen. Die Waisenhausstraße, benannt nach dem früher an ihrem Ostende stehenden Waisenhaus, vereinigte neben der Börse und mehreren Bankhäusern zahlreiche Vergnügungsstätten: Varietés, Tanzgaststätten, Cafés, Kinos und das Centrai-Theater, das 1898 an der Stelle des Boxbergschen Palais errichtet wurde. 1903 wurde als Stiftung L I N G N E R S in der Waisenhausstraße die Dresdner Volkslesehalle eröffnet, die erste allen Bürgern zugängliche Freihandbücherei Dresdens. Sie zählte in der ersten Zeit bis zu 1000 Besucher am Tage. Der Westteil der Seevorstadt blieb hinter dieser Entwicklung zurück. A n neueren Einrichtungen sind hier der Neubau der Verwaltung der Sozialversicherung, der früheren Ortskrankenkasse, am Hans-Beimler-Platz, Hauptpost- und Telegraphenamt neben dem Postplatz und Verwaltungsgebäude der Reichsbahndirektion in der Nähe des Hauptbahnhofs zu nennen. Die Bombennacht vom 13. 2. 1945 ließ von der Seevorstadt nur wenige Gebäude im wiederaufbaufähigen Zustand bestehen, darunter ein Bankgebäude, das als einziger und ein wenig störender Rest die einst enge Bebauung zwischen Dr.Külz-Ring und Waisenhausstraße bezeugt. Für alle übrigen Flächen bestand die Möglichkeit einer grundsätzlichen Neugestaltung. Die städtebauliche Konzeption hat sich diesen Umstand zunutze gemacht. Zuerst wurde ein dringend notwendiger leistungsfähiger Straßenzug in SüdNord-Richtung geschaffen (Bild 14), der vom Hauptbahnhof über die Leningrader Straße, die ehemalige Christianstraße, zum Georgplatz gerichtet ist

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und als zentrale Achse die Prager Straße ohne Verkehrsbelastung läßt. Damit B konnte eine Fußgängerzone geschaffen werden, die sich dem vom Hauptbahnhof Kommenden breit öffnet. Die Gestaltung dieser Fußgängerzone ist ein wesentlicher A k t der städtebaulichen Neugestaltung (Bild 19). Der Vorplatz des Hauptbahnhofs, heute Leninplatz, wurde 1974 durch das vom sowjetischen Bildhauer G. D . J A S T R E B E N E Z K I aus rotem karelischem Granit gestaltete Lenindenkmal, eine Gruppenplastik, geschmückt. Dahinter beleben die Fronten der Hotels Newa und Bastei durch ihre Wandbilder den Abschluß des Leninplatzes und gestatten gleichzeitig den Durchblick auf die Prager Straße, die wie ein Innenhof gestaltet ist, im W flankiert von 3 Hotelbauten, zwölfgeschossigen Hochhäusern, zwischen denen eingeschossige Verbindungstrakte Geschäfte beherbergen, auf der Ostseite an der Leningrader Straße von einem langgestreckten Wohnhausbau abgeschlossen, in dessen Erdgeschoß Postamt, Informationszentrum Dresden-Information und Geschäfte untergebracht sind. Der freie R a u m in der Mitte ist durch einen niedrigen Baukörper mit exklusiven Geschäften für Konfektion und Lebensmittel gegliedert. Das Schönste aber sind die Wasserspiele, die einen besonderen Reiz auf die Dresdner wie auf die Besucher der Stadt ausüben und wohl schon heute zu einem Wahrzeichen Dresdens geworden sind. Der nördliche Abschluß der Prager Straße ist noch nicht beendet. Auf der Ostseite ist der architektonisch eigenartige Bau des Rundkinos ein Blickfang. Hinter ihm dehnt sich bis zur Leningrader Straße eine große Rasenfläche mit Promenadenwegen und zahlreichen Plastiken aus. Die Westseite wird durch die Gaststätte International und den modernen Neubau des Kaufhauses Zentrum, das am 4. 10. 1978 eröffnet wurde, beherrscht. Westlich des Komplexes Prager Straße schließen sich bis zum Hans-Beimler-Platz neugestaltete Wohngebiete an, durchzogen vom neuen Zug der Budapester Straße, die sich, von der Südwestecke des Dr.-Külz-Ringes ansteigend, über die Gleisanlagen westlich des Hauptbahnhofs zur Südvorstadt erstreckt und eine wichtige neue Verbindung darstellt. Diese Lösung, oft als Hochstraße bezeichnet, wurde auch notwendig durch die Elektrifizierung der Eisenbahn, für die die drei früheren Brücken zu niedrig waren und abgebrochen werden mußten, östlich der Leningrader Straße entstanden dort, wo sich einst die auf L Ü T T I C H A U zurückgehenden Straßenzüge mit geschlossener Bebauung befanden, moderne Wohngebiete mit einem kleinen Geschäftszentrum. Nach O anschließend erstrecken sich freie begrünte Anlagen mit flachen Bauten für Schule und Vorschuleinrichtungen. 4 Punkthäuser, vor allem als Wohnheime dienend, schaffen städtebauliche Akzente, 2 an der Leningrader Straße und 2 am Ende der Vorstadt an der Parkstraße.

Wilsdruffer Vorstadt

B

Zwischen Annenstraße, Paul-Gruner-Straße, der Elbe und dem Postplatz entwickelte sich die westliche Vorstadt in Anlehnung an die Wasserkraft der Weißeritz zu einem gewerbereichen Stadtbezirk. Diese Tendenz verschärfte sich noch wesentlich, als die Steinkohle des Freitaler Reviers (s. B d . 21, C 3.4) 93

B 3 erschlossen wurde und über die Kohlenbahn nach Dresden gelangte, sowohl für die aufblühende Dresdner Industrie, als auch, um auf der Elbe verschifft zu werden, wofür sich Anschlußgleise notwendig machten. Der Zwickel zwischen altem Weißeritzlauf und der Tharandter Eisenbahnstrecke erhielt dadurch sein eigenartiges Gepräge (s. C 2). Die Wilsdruffer Vorstadt liegt im ehemaligen Mündungsgebiet der Weißeritz, und zwar auf dem östlichen Teil des von ihr aufgebauten Schwemmfächers, in dem noch Reste alter Weißeritzläufe und viele sumpfige Stellen vorhanden waren. In frühgeschichtlicher Zeit gab es in dem weiten Gelände nur das sorbische Dorf Poppitz am Rand der Niederung in der Nähe der heutigen Annenkirche. Den Verlauf des Weißeritzmühlgrabens zeigt noch die Rosenstraße an. Bereits im Mittelalter wurde er nach O auf höheres Gelände verlegt (Brücke der Jugend, Annenkirche, Zwingergraben). E r trieb 1378 schon 12 Mühlenwerke. In der Wilsdruffer Vorstadt lagen die Kunadmühle an der Kunadstraße, 1569 vom Kurfürsten A U G U S T der Witwe Kunad abgekauft, und die Papiermühle, von Herzog A L B R E C H T 1500 erbaut. A m Weißeritzmühlgraben standen weiter die Tabakmühle bei Poppitz, die Hofmühle am Freiberger Platz, 1538 erwähnt, und die Damm-Mühle an der Großen Zwingerstraße. Dann folgte der Kuttelhof, also der Schlachthof (1474 — 1881), hinter dem heutigen Großen Haus der Staatstheater. Vor dem Wilsdruffer Tor hatten sich schon vor 1410 die Gerber niedergelassen. Der Brunnen der Gerbergemeinde war der 1461 erwähnte Queckborn (Abb. 30). Die Viehweide lag als feuchte Niederung zwischen Schloß, Marienbrücke und Freiberger Platz. Noch im 13. Jh. stand hier ein grasreicher Auenwald voller Wasserläufe und Tümpel. Im Laufe der städtischen Entwicklung ging die Viehhaltung zurück. Das Wiesenland, auf dem nun Gärten und Gassen angelegt wurden, schrumpfte immer mehr, der Name Viehweide aber blieb erhalten und beschränkte sich zuletzt auf die heutige Laurin- und Ritzenbergstraße. Hier, damals weit entfernt von der Stadt, brachte man die Aussätzigen und die Armen, Elenden und Findelkinder unter. So befand sich am Anfang der Freiberger Straße seit dem 13. Jh. das Spital für aussätzige Frauen, das spätere Bartholomäushospital mit der ersten Kirche der Vorstadt. Schräg gegenüber errichtete J O H A N N G E O R G E E H R L I C H 1743 das Ehrlichsche Gestift als Armenschule für 50 Jungen und 50 Mädchen. Ein Armenhaus und ein Findelhaus standen auf der Stiftsstraße, der heutigen Alfred-Althus-Straße. A n ihrem Ausgang nach dem Fritz-Heckert-Platz fand 1568 das Pestkrankenhaus seinen Ort, daneben, auf dem Raum des späteren Wettiner Gymnasiums, der Pest- und Armenfriedhof, der erst 1823 aufgelöst wurde. Auch die Richtstätte, der Rabenstein, stand hier. Das Maternihospital erhielt 1838 einen Neubau von G O T T F R I E D S E M P E R , heute das Feierabendheim Elsa Fenske. Als letzte Zeugen der Bebauung der alten Viehweide stehen einige niedrige Häuser aus dem 18. Jh. in der Schützengasse, an deren östliches Ende sich das Schießhaus (Abb. 23) der Scheibenschützen anschließt, 1767 errichtet. Der Streifen zwischen Julian-Grimau-Allee und Elbe gehörte nicht zur städtischen Flur. E r unterstand dem Kurfürsten. Der Nordwestteil wurde von dem Vorwerk Klein-Ostra (s. C 1) eingenommen. Es wurde 1573 wegen Hochwasserschäden abgebrochen. Später befand sich hier eine Schmelzmühle. Seit 1890 entstanden 94

A b b . 23. Wohnhaus A m Schießhaus 19 auf der etwa 6 ha großen Wiesenfläche die Speicher und Lagerhäuser der Devrientstraße und eine Turnhalle. Im östlichen Teil lag der Marstall, in dessen •weitem Hof die von C H R I S T I A N T R A U G O T T W E I N L I G 1 7 9 5 geschaffene Reithalle erhalten blieb. Gegenüber der Maxstraße stand bis 1890 das Max-Palais genau in der Achse des Japanischen Palais. C H I A V E R I , der Erbauer der Hofkirche, hatte es sich 1748 als Wohnhaus errichtet, 1783 wurde es in klassizistischer Form umgebaut. Bei Klein-Ostra lag an einer nicht mehr zu ermittelnden Stelle die Siedlung A l t e n f i s c h e r s d o r f . 1480 tauschten die Bewohner auf Veranlassung des Landesherrn ihren Elbwerder gegen einen Garten an der Annenstraße ein. Hier entwickelte sich nun das neue Fischersdorf (Abb. 24), das 1550 Dresdner Ratsgemeinde wurde. Der Dorfkern hipß seit 1855 Fischhofplatz; die Bewohner trieben bis ins 19. Jh. hinein im Mühlgraben und in der Weißeritz von Plauen bis zur Mündung ihr Gewerbe weiter. Die letzten Fischbehälter in ihren Grundstücken wurden 1927 zugeschüttet. Der lebhafte Fahrverkehr auf der Fernverkehrsstraße nach Nürnberg, der Freiberger Straße, staute sich vor dem Wilischen Tor und ließ in dem Bauerndorf Poppitz (1315 Popuicz, 1350 Popuwicz = aso. Leute des Priesters) Gasthöfe und Botenherbergen entstehen. Der ursprüngliche Name des Dorfes lautete 1495 Lonnßewitz (zu lom = Geröllfeld, Bruch). Für die Weißeritzwasserleitung, die durch Poppitz führte, richtete die Stadt einen Röhrhof an der Ecke Röhr95

B 3 hofsgasse gegenüber der Annenkirche ein, in dem die Holzröhren der Röhrfahrten für die Wasserleitung gebohrt und gelagert wurden, einen der ältesten städtischen Betriebe. So gaben Verkehr, Handel und Gewerbe dem Ort immer mehr ein vorstädtisches Gepräge. An den Verkehrsadern entstanden Häuslersiedlungen: Rosengasse, Annenstraße, die beiden Plauenschen Gassen. Auch Herrschaftsgärten legte man auf Poppitzer Flur an. Poppitz als volkreichste Gemeinde vor dem Wilischen Tor bildete den Kern der Wilsdruffer Vorstadt (Abb. 24). Die Wilsdruffer Vorstadt wurde elbwärts von der 1744 angelegten Prachtstraße Ostra-Allee, der heutigen Julian-Grimau-Allee, begrenzt, wie es die Darstellung auf C A N A L E T T O S Bild (Abb. 16) vom Zwingergraben aus dem Jahre 1758 zeigt. Am Ende der heutigen Maxstraße, der einzigen Straßenverbindung zur Friedrichstadt und damals als Teil der Ostra-Allee verstanden, befand sich nahe der Weißeritzbrücke eine Glashütte, in der E H R E N F R I E D W A L T H E R V O N T S C H I R N H A U S (1651 — 1708) und A N D R E A S G Ä R T N E R (1654—1727) ihre großen Hohlspiegel und Brenngläser herstellten. An der linken Seite der Ostra-Allee stand gegenüber dem Zwinger an der Stelle des Großen Hauses der Staats-

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Abb. 24. Wilsdruffer Vorstadt (Ausschnitt, aus veröffentlicht bei L Ö F F L E R 1956) 96

HESSLER

1837, revidiert 1849,

theater der Silberhammer, in dem die Silbermünzen zur Prägung vorbereitet B 3 wurden; das Prägen selbst erfolgte in der Silbermünze an der Frauenkirche. Jenseits des Malergäßchens stellten im Malersaal seit 1739 die Theatermaler die Kulissen für die Opern her. An seiner Stelle steht jetzt die Betriebsberufsschule für Datenverarbeitung des V E B Datenverarbeitungszentrum Dresden, am 29. 10. 1916 als Haus der Kaufmannschaft mit beliebtem Kammermusiksaal eröffnet. Daneben stand das Gewerbehaus, in dessen Saal die Dresdner Philharmonie vor dem zweiten Weltkrieg ihre Konzerte gab. An der Parallelstraße dahinter, der ehemaligen Gerbergasse, jetzt Elsa-Fenske-Straße, wurde an der Stelle des sogenannten Mätressenhäuschens 1923 das Stadthaus mit einer gerundeten Front von H A N S P O E L Z I G gebaut. Außer Behörden des Stadtbezirks Mitte sind hier auch die Hauptbibliothek und die Musikbibliothek der Stadtund Bezirksbibliothek untergebracht. Die Vorstadt hatte schon im 18. Jh. ihr ländliches Gepräge verloren. Nach dem Adreßbuch von 1797 gab es nur noch 3 Landwirte und rund 30 Gärtner. Unter den Gewerben standen an erster Stelle die großen kurfürstlichen Industriewerke am Weißeritzmühlgraben, die 1 7 1 5 aus einem Eisenhammer entstandene Spiegelschleife, die Pulvermühle (1576—1875) und der 1574 gegründete und 1763 zum Kanonenbohrwerk umgebaute Kupferhammer — seit 1870 Windmotorenfabrik —, die verschiedenen Mahlmühlen und die Papiermühle. An selbständigen Handwerksmeistern zählte man 27 Loh- und Weißgerber, 80 Schuhmacher, 7 Sattler und Beutler, 35 Tuchmacher und Weber, 21 Strumpfwirker und 3 Färber, 28 Branntweinbrenner, 24 Schmiede, Schlosser und Nadler, 3 Zinnund Gelbgießer sowie 6 Seifensieder. Im Siebenjährigen Krieg ließ der preußische Kommandant von Dresden am 30. 8. 1759 zur Abwehr einer Belagerung 85 Häuser der Vorstadt niederbrennen. Als die Preußen im nächsten Jahr vor der inzwischen von den Österreichern besetzten Stadt lagen, steckten sie am 2 1 . 7 . die restlichen Häuser an. Annenschule und zahlreiche Wohnhäuser wurden zerstört, ebenso die 1578 geweihte Annenkirche, die 1764—69 wiedererstand (Ratsbaumeister J . G. S C H M I D ) ; 1823 errichtete G. F . T H O R M E Y E R den 57 m hohen Turm. Der bei der Kirche angelegte Annenfriedhof bestand bis 1 7 1 7 , der zweite, am heutigen HansBeimler-Platz, wurde 1914 eingeebnet, nachdem man seit 1848 den Alten Annenfriedhof an der Chemnitzer, der heutigen F.-C.-Weißkopf-Straße, nutzte. Mit der Errichtung der Albertbahn (s. C 2) und des Kohlenbahnhofs wurde die Industrialisierung in der Wilsdruffer Vorstadt gefördert, wenn auch die Neuanlagen sich vorwiegend weiter stadtauswärts zu geschlossenen Industriebändern ordneten. In der engeren Vorstadt trat neben die überlieferten Gewerbe die Metallindustrie. Um 1900 gab es am Fischhofplatz eine Glockengießerei, an der Falkenbrücke eine Eisengießerei und eine Blechwarenfabrik. Dem mit der zunehmenden wirtschaftlichen Entwicklung rasch steigenden Verkehr genügte das alte Straßennetz nicht mehr. 1843 wurde der Dorfweg nach Plauen zur Chaussee ausgebaut und 1855 Chemnitzer Straße benannt. 1869 vereinigte man die Annenstraße, die bis dahin eine Sackgasse war, durch einen Durchbruch mit der Falken- und Chemnitzer Straße zu einem Straßenzug. 1873 — 75 wurde der Straßendurchbruch zur Friedrichstadt (s. C 1) ausgeführt. 97

B 3 Auch für die Geschichte der Stadttechnik spielt die Wilsdruffer Vorstadt eine Rolle. Nachdem 1839 R U D O L F S I G I S M U N D B L O C H M A N N die erste, 1828 eröffnete Gasanstalt vom Zwingerwall auf das Areal des Ehrlichschen Gestifts an der Stiftsstraße verlegt hatte, blieb sie dort bis Februar 1895 in Betrieb. 1883 baute die Stadt außerdem ein Lichtwerk zur Erzeugung von einphasigem Wechselstrom. Die allgemeine Umwandlung der Pferdebahnen in elektrische Straßenbahnen erforderte eine höhere Stromerzeugung. Zu diesem Zweck wurde im Gelände des Lichtwerkes an der Schweriner Straße 1900 das Westkraftwerk angelegt, dessen Versorgung mit Kohle durch die Eisenbahnanlagen gesichert wurde, die vom Kohlenbahnhof ausgingen. U m den Abdampf für die Stadtheizung verwenden zu können, wurden 1927 die Leitungen des Dampf- und Heißwassernetzes vom Westkraftwerk aus gelegt und 1928 die Fernheizung in Betrieb genommen. Das bisherige Staatliche Fernheizwerk an der Großen Packhofstraße, dessen ummantelter Schornstein auf vielen alten Bildern zu sehen ist, ging in städtische Verwaltung über und wurde zum Umformerbetrieb' umgebaut, der Schornstein abgebrochen. Der sozialen Struktur der Vorstadt entsprechend, entwickelte sich das Schulwesen. Die ersten Volksschulen (1555, 1562) waren armselige Winkelschulen. 1669 gab es deren 11. 1716 gründete der R a t der Stadt 2 Armenschulen. Die Nachfolge einer Bürger- und einer Bezirksschule sowie einer mit dem Ehrlichschen Gestift verbundenen Armenschule traten die 6. und 21. Volksschule an (Ehrlichstraße 1862, Freiberger Platz 1888). Die bedeutendste Schule aber war die Annenschule, 1563 vom R a t als deutsche Schule im Bartholomäushospital gegründet. Sie wurde vor 1603 als Chorschule an die Annenkirche verlegt und 1619 zur Lateinschule umgestaltet, 1870 erhielt sie ein neues Schulhaus an der Humboldtstraße, wurde aber 1936 mit der Oberrealschule Seevorstadt in deren Gebäude vereinigt. D a die Kreuzschule überfüllt war, gründete die Stadt 1879 ein zweites städtisches Gymnasium, zunächst im alten Waisenhaus am Georgplatz. Es wurde Wettiner Gymnasium genannt und bezog 1884 den Schulneubau am heutigen Fritz-HeckertPlatz. Das Gebäude, 1945 zur Hälfte vernichtet, wurde wieder aufgebaut und dient heute der 9. Polytechnischen Oberschule (POS) Fritz Heckert. Die Zerstörungen durch die Terrorangriffe der angloamerikanischen Bomberverbände am 13. und 14. 2. 1945 waren erheblich. E s blieben nur einige kleine Inseln mindergeschädigt und daher nach Beseitigung der Schäden nutzbar. Doch hat die Wilsdruffer Vorstadt noch keine geschlossene Gestalt erhalten. In diesem Teil des Stadtzentrums müssen erst der Ausbau des Stadtringes, die Gestaltung des Postplatzes und manche Fragen der Neugestaltung der verbliebenen Altbausubstanz entschieden werden, was angesichts der früheren Struktur der Vorstadt erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Dennoch wurde in den überwiegend total zerstörten Gebieten aus ökonomischen Gründen und unter dem Zwang, die Lagegunst zu nutzen, eine Vielzahl von Baumaßnahmen durchgeführt. An ihrem Beginn stand der durch die Sowjetische Militäradministration unterstützte Aufbau des ausgebrannten und im Innern völlg zerstörten ehemaligen Schauspielhauses, des heutigen Großen Hauses der Dresdner Staatstheater. Es wurde schon am 22. 9. 1948 mit einer denkwürdigen Fidelio-Aufführung 98

eröffnet und dient bis zur Wiederherstellung der Semperoper auch als Opern- B 3 haus. Auf den bereits beräumten Flächen an der neu gestalteten Freiberger Straße entstanden in den Jahren 1961—65 innerstädtische Wohnbauten in industrieller Bauweise. Versorgungswichtig war die Rekonstruktion des Kraftwerkes West. Der Wiederaufbau des 1927/28 von den Dresdner Arbeitern geschaffenen Volkshauses erfolgte als Haus des F D G B , Ritzenbergstraße 17. Weitere bedeutsame Wiederaufbauten und Neubauten sind: im Bereich Postplatz der Wiederaufbau des Stadthauses von 1923, Elsa-Fenske-Straße, an dessen Hauptfassade eine Gedenktafel an E L S A F E N S K E , die verdienstvolle Aktivistin der ersten Stunde, erinnert, die Wiederaufstellung des alten Queckbrunnens, vor allem aber die Neubauten im Bereich der Julian-Grimau-Allee, so des Amtes für Wasserwirtschaft und der Wasserwirtschaftsdirektion Obere Elbe—Mulde und des V E B Mansfeld-Industrieanlagen. Auf der Nordseite wurde als städtebaulich markanter Punkt an der Südrampe der Marienbrücke der große Komplex für den Grafischen Großbetrieb Völkerfreundschaft und die Verlage Sächsische Zeitung und Zeit im Bild in der ersten Hälfte der sechziger Jahre gestaltet. Mit dem dreizehngeschossigen Haus entstand eine städtebauliche Dominante, vor allem aus der Sicht der Elbbrücken, des Neustädter Ufers und der breiten Julian-Grimau-Allee; sie korrespondiert mit dem jenseits des Bahndammes gelegenen Kuppelbau der Yenidze (s. C 1). In der Nachbarschaft werden Teile des ehemaligen Marstalls, insbesondere die Reithalle, als Theaterwerkstätten aufgebaut.

Äußere Vorstädte der Altstadt

C

Friedrichstadt

C1

Wenige Stadtteile Dresdens weisen eine so reiche innere Gliederung und Vielseitigkeit auf wie die Friedrichstadt (Abb. 25) — Ergebnis einer langen Geschichte,die vom alten Bauerndorf über ein kurfürstliches Vorwerk, merkantilistische Siedlungsversuche und schließlich bis zur Konzentration von Verkehrseinrichtungen der Reichsbahn und des Schiffsverkehrs (Elbhafen) geführt hat. Schroffe Gegensätze liegen nahe beieinander: der prächtigste Brunnen Dresdens, der Neptunbrunnen, steht in einem Stadtteil, für den die Armenfürsorge Geschichte gemacht hat; neben technischen Großanlagen, wie dem Ablaufberg des Verschiebebahnhofs und dem Güterbahnhof, erstrecken sich die naturnahen Flächen des Großen Ostrageheges. Der hochwasserfreie Teil der Friedrichstädter Flur (Abb. 6) gehört der Niederterrasse der Elbe an und liegt bei 117 m ü. NN. Er setzt nördlich von Friedrichstraße und Bremer Straße gegen den Schwemmfächer der Weißeritz ab, die bis 1893 an der Stelle der heutigen Eisenbahnbrücke in die Elbe mündete. Dieses Gebiet liegt, von der künstlichen Aufschüttung der Schlachthofinsel abgesehen, 106 — 109 ni hoch, ist deshalb Überschwemmungen in hohem Maße ausgesetzt und wurde bis in die Gegenwart vorwiegend als Wiesenland genutzt. 99

C i Dorf und Vorwerk Ostra Die Urkunde von 1206 (s. A), in der der Name Dresden zum ersten Male auftaucht, nennt auch ein Dorf Oztrov. E s befand sich auf hochwasserfreiem Gelände (aso. ostrov = Flußinsel) am Ende der heutigen Friedrichstraße. Bei der Hochflut vom 31. März 1845 ragte das Land hier wie eine Insel aus dem Überschwemmungsgebiet heraus. Ostra bestand aus einem Herrenhof, 11 Bauerngütern und einigen kleinen Wirtschaften. Als das Herrengut um 1510 vom Meißner Bischof übernommen wurde, verweigerten die Bauern dem Erbherrn die Huldigung, der sie mit dem Bann belegte und auf Stolpen so lange gefangenhielt, bis sie sich unterwarfen. Nach Cotta zu lagen die beiden Dörfchen Rostagk (im Bereich der Bahnanlagen zwischen Hamburger Straße und dem jetzigen Weißeritzbett, 1326 Rodstok, zu aso. rostok = Flußgabel oder deutsch Rodestock) und Wernten (an der Elbe vom Hafen bis zur Flügelwegbrücke, 1071 Wirnotine, aso. Besitz des Vßrnota), die zu Wüstungen wurden. In der Ostraer Gemarkung lag auch ein Vorwerk Klein-Ostra (Ostro minor, Ostrav Parvum) auf dem rechten alten Weißeritzufer in der Gegend der Kleinen Packhofstraße im sogenannten K l e i n e n G e h e g e . 1535 befand es sich in der Hand des herzoglichen Rates G E O R G V O N K O M E R S T Ä D T . Von ihm erwarb es Kurfürst M O R I T Z , ohne sich um das bischöfliche Lehenrecht zu bekümmern. D a der „Baumgarten zu Klein-Ostra" für eine kurfürstliche Gutswirtschaft zu klein war, veranlaßte der folgende Kurfürst AUGUST den Bischof, ihm 1559 Ostra und die Nachbardörfer im Tauschwege abzutreten, und beschloß 1568, das Dorf Ostra in einen landwirtschaftlichen Großbetrieb für die Versorgung der Festung Dresden umzuwandeln. A n 8 Ostraer Bauern und Gärtner teilte er das Vorwerk Zschertnitz aus (s. N i ) ; 11 andere setzte er auf die Flur des aufgelösten Klostergutes Leubnitz um, wo sie das Dorf Neuostra (s. N 6) gründeten ; die übrigen fand er mit Geld ab. Das Vorwerk Ostra ließ der Kurfürst mit Gebäuden, einem Viehhof und einem Obstgarten sowie einer eigenen Mühle, der Hofmühle zu Plauen, ausstatten und vergrößerte die Flur noch durch Enteignung von Cottaer und Löbtauer Bauern (s. P 1) auf mehr als 600 ha. Die Arbeitskräfte für 2 500 Pflugtage, für Spannfuhren und Handdienste gewann er aus dem Frondienst, zu dem er außer den Bauern der Dörfer um Dresden auch die der Ämter Moritzburg, Radeberg und Pirna heranzog (s. Bd. 9, P 8; Bd. 22, F 5, H i , J 8; Bd. 27, G l , N 1). D a die Fronarbeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang währte, mußten enfernt wohnende Bauern die Nacht auf dem Frönerhof am Freiberger Platz zubringen. 1614 wurde ein neuer Frönerhof am Anfang der Schäferstraße errichtet, der bis 1903 stand. E r hieß die Schäferei, weil er zugleich der Schafzucht diente. Da die Frondienste zur Bewältigung der Feldarbeiten nicht ausreichten, führte der Kurfürst 1568 den Gesindezwangsdienst ein. Die Kinder aller Untertanen des Dresdner Amtes mußten 2 Jahre lang in Ostra als Knechte oder Mägde dienen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg stellte das Vorwerk auch böhmische Exulanten als Tagelöhner ein, für die es nahe bei Löbtau die Drescherhäuser baute. Im 17. und 18. Jh. diente Ostra dem kurfürstlichen Hof vor allem auch als Fasanerie und Tiergarten, der 1696 eingehegt wurde, woraus der Name G r o ß e s ( O s t r a - ) G e h e g e hervorging. 100

Die merkantilistische Handwerkersiedlung (Abb. 25) Eine neue Etappe der Entwicklung setzte 1670 ein. Kurfürst J O H A N N G E O R G II. forderte Handwerker auf, sich an der Straße nach Ostra niederzulassen und versprach ihnen geräumige Baustellen von etwa 900 m 2 unentgeltlich, Gewerbefreiheit und andere Vergünstigungen. Wegen eines von den Dresdner Innungen durchgeführten Boykotts blieben die Handwerker der neuen Siedlung jedoch fern. Auch 10 Jahre später befanden sich unter 25 Grundstücksbesitzern erst 3 Handwerker. Dafür hatten jedoch Edelleute, Hofbeamte und wohlhabende Bürger Dresdens die Gelegenheit genutzt, sich kostenlos einen schönen Sommergarten zu schaffen. Vom Oberhofmarschall bis zum Amtsschreiber saßen sie zu beiden Seiten der Ostrastraße. Der Kurfürst eröffnete 1692 eine Salpeterhütte an der Schäferstraße, der

Kill MDIti C l i m i l T

T^mtr, Abb. 25. Friedrichstadt (Ausschnitt, Original im Staatsarchiv Dresden 8

Dresden

aus

HESSLER

1832,

revidiert

1837); 101

C I

Baron V O N B L U M E N T H A L 1 7 1 8 eine Wachsbleiche an der Wachsbleichstraße, die Gräfin V O N M A N T E U F F E L 1720 ein Brauhaus an der Bräuergasse. Zählte man 1722 erst 60 Besitzer von Häusern und unbebauten Gärten, so nahm die Siedeltätigkeit von dieser Zeit an stark zu. An der Weißeritz und hinter den Gärten der Ostrastraße bis zur Schäferei entstanden in einem regelmäßig angelegten Straßennetz niedrige Yorstadthäuser. Sie 'durften anfangs nur aus Holz gebaut werden; denn sie lagen im Vorgelände der Festung und sollten im Kriegsfall leicht niedergebrannt werden können. Erst seit 1734 war für das Erdgeschoß Steinbau erlaubt. Nun entstanden auch stattliche Barockhäuser der heutigen Friedrichstraße, so Nr. 29 und 33. Nahe dem Kammergut wurde die „Menagerie" eingerichtet, der kurfürstliche Küchengarten, heute eine Kleingartenanlage. Daneben ließ der Hof 1721 ein Stück Land als Begräbnisplatz einfriedigen, den I n n e r e n K a t h o l i s c h e n F r i e d h o f . E r zählt wegen der vielen Grabstätten bekannter Dresdner zu den bemerkenswerten Kulturstätten der Stadt. Neben anderen liegen hier begraben: an der Westmauer in einem Gemeinschaftsgrab im Konzentrationslager Dachau (AnhangB) und bei der Zerstörung Dresdens 1945 gestorbene katholische Priester, ferner der Tenor J O S E P H T I C H A T S C H E K (1807 — 86), der Musiker A N T O N D R E Y S S I G (1774—1815), der Dichter F R I E D R I C H V O N S C H L E G E L (1772 — 1829); an der Ostmauer der Sohn A U G U S T S D E S S T A R K E N , der C H E V A L I E R D E S A X E (1704—44), die Pianistin M A R Y K R E B S (1851 — 1900); an der Nordseite die Gräfin C H A R L O T T E V O N K I E L M A N N S E G G E (1777—1863), C A R L M A R I A V O N WEBER (1786—1826) und in den Grabreihen der Bildhauer B A L T H A S A R PERMOSER (1651 — 1732), der Kunstakademiedirektor G I O V A N N I B A T T I S T A C A S A N O V A (1730—95), der Maler G E R H A R D V O N K Ü G E L G E N (1772 — 1820). Auf dem 1 km entfernten Ä u ß e r e n K a t h o l i s c h e n F r i e d h o f befindet sich das Grab L U D W I G R I C H T E R S (J 1884), der 1803 im großen Gartenhaus Friedrichstraße 44 geboren wurde. A n den Inneren Katholischen Friedhof schloß sich der Garten des Hofmalers A D O L P H P Ö P P E L M A N N mit seinem Miniaturpalast an, den ihm sein Vater, der Zwingerbaumeister, errichtet hatte. In diesem Grundstück, Friedrichstraße 56, entstand 1820 die 1839 von L U D W I G B R A M S C H übernommene Spiritusfabrik, der heutige V E B Bramsch. I m Nachbargrundstück, Friedrichstraße 50, baute 1738 der Hofzahlmeister A U G U S T F R A N Z E S S E N I U S das erste Haus ganz aus Stein. Von 1747 bis zur Zerstörung 1945 diente es als katholisches Krankenstift. In seinem Hintergarten nach der Magdeburger Straße zu stand seit 1749 die katholische Pfarrkirche St. Michael. Der Glanzpunkt der ganzen Vorstadt aber entwickelte sich auf dem Gelände des heutigen Bezirkskrankenhauses. Zunächst hatten Mitglieder der Hofgesellschaft seit 1670 Lustgärten angelegt, die 1736 Minister Graf H E I N R I C H V O N B R Ü H L erwarb. E r ließ durch J O H A N N C H R I S T O P H K N Ö F F E L (1686—1752) das schon vorhandene Kleine Palais ausbauen und den Garten mit Anlagen und Skulpturen schmücken und zum Schauplatz glänzender Feste ausgestalten. Die Hauptachse des Gartens führte auf den 1741—44 nach Entwürfen von L O N G U E L U N E und M A T T I E L L I geschaffenen Neptunbrunnen hin. Nach B R Ü H L S Tod 1763 stand der Garten verlassen, bis ihn 1774 Graf C A M I L L O M A R C O L I N I erwarb. E r Heß das Palais (Bild 32) durch den Hofbaumeister JOHANN DANIEL 102

und durch die Bildhauer J O H A N N E S B A P T I S T A D O R S C H und T H A D D E U S C mit Skulpturen ausgestalten. C H R I S T I A N T R A U G O X T W E I N L I G schuf dekorative Malereien. Das Wappen des Grafen M A R C O L I N I und das seiner Frau, geb. V O N O ' K E L L Y , befinden sich an der Straßenseite des Ostflügels. 1813 nahm N A P O L E O N I. im Marcolini-Palais Wohnung. Im chinesischen Zimmer fand am 28. 6. 1813 die denkwürdige Unterredung zwischen ihm und dem österreichischen Minister Fürst V O N M E T T E R N I C H statt, als deren Ergebnis der Anschluß Österreichs an die Verbündeten erfolgte. M A R C O L I N I mußte Dresden verlassen. Das Palais verödete, bis es 1835 der Hofbuchdrucker und Stadtrat E R N S T W E R N E R kaufte. E r vermietete die schönsten Räume an reiche Engländer, den Ostflügel an Dresdner, so an den Bildhauer E R N S T H Ä H N E L , den Schöpfer des Körner-Denkmals. Im 2. Stock wohnte 1847—49 der Hofkapellmeister R I C H A R D W A G N E R , der hier am „Lohengrin" arbeitete. Im November 1849 errichtete dje Stadt im Palais ein Krankenhaus. Die ersten Patienten waren Verwundete der Dresdner Maikämpfe. Seitdem ist das Grundstück mehrfach erweitert worden, das Manteuffelsche Brauhaus und die alte staatliche Frauenklinik wurden einbezogen, Neubauten errichtet und alle Einrichtungen eines modernen Krankenhauses geschaffen. SCHADE

WISKOTSCHILL

I m schärfsten Gegensatz zu der Pracht dieses Barockgartens und der Behäbigkeit einzelner Bürgerhäuser der Friedrichstraße standen die armseligen Wohnungen der meisten Einwohner. Mit Mühe suchte sich die Gemeinde gegenüber der Stadt Dresden zu behaupten. Sie legte 1730 einen weitläufigen Marktplatz an, den jetzigen Christian-Beham-Platz, ließ 1728 — 30 von P Ö P P E L M A N N die Matthäuskirche erbauen und nannte sich seit 1731 nach dem Kurprinzen Friedrichstadt, obwohl ihr nie das Stadtrecht zuteil wurde. A n die schließlich 1835 erfolgte Eingemeindung nach Dresden erinnert ein Denkmal des Königs A N T O N von E R N S T R I E T S C H E L , früher an der Weißeritzstraße, jetzt auf dem Christian-Beham-Platz aufgestellt (Eisenguß des Dölzschener Eisenhammers). Durch die Weißeritz von der Stadt Dresden getrennt und nur über eine einzige Brücke erreichbar, behielt die Friedrichstadt auch nach der Eingemeindung eine Sonderstellung. Sie war vom Verkehr so abgeschnitten, daß am Ende der Schäferstraße die militärischen Pulvermagazine angelegt wurden. Das Vorwerk ging zur Milchwirtschaft über, die Ostrawiesen wurden mit Fäkalien der Stadt gedüngt. Erst 1917 wurde der Betrieb eingestellt. Nach der Ablösung der Frondienste auf dem Ostravorwerk (1828) hatten auch Vertreter der Dresdner Intelligenz in der frei gelegenen Vorstadt Wohnung genommen. Außer E. H Ä H N E L und R . W A G N E R war es beispielsweise Professor A N D R E A S S C H U B E R T (s. F 3), der Erbauer der ersten deutschen Lokomotive und des ersten sächsischen Personendampfers, im Haus Friedrichstraße 46. Bei ihm mietete der Hofkapellmeister AUGUST ROCKEL Räume. I m Ostragut wohnte der Vermessungsdirektor M O R I T Z P R E S S L E R , dem die Friedrichstadt letzten Endes ihr heutiges Gepräge verdankt. Als die Elbehochflut Ende März 1845 große Teile der Friedrichstadt überschwemmt hatte, schlug P R E S S L E R vor, die Weißeritz nach Cotta umzuleiten, auf dem trockengelegten Flußbett den Dresdner Bahnhof Mitte und in seiner Nähe einen großen Elbhafen anzulegen und die Schäferstraße, die noch keine Verbindung zur Stadt hatte, bis zum Postplatz zu verlängern. 8*

103

I

Der neue Ausbau Nach einem Viertel] ahrhundert begann man zögernd, P R E S S L E R S Vorschläge zu verwirklichen. 1873—75 wurde die Schweriner, die damalige Wettiner Straße durchgebrochen und die Friedrichstadt dadurch dem Verkehr geöffnet, 1875 der Bahnhof der Berliner Privatbahn an der Waltherstraße und 1884 die Nähmaschinenfabrik Seidel und Naumann, der jetzige V E B Schreibmaschinenwerk, gebaut. 1878 erklärte der R a t der Stadt Dresden die Friedrichstadt ausdrücklich zum Fabrikbezirk. Erneute Überschwemmungen, zuletzt 1890, nötigten schließlich in den Jahren 1891—93 zur Verlegung der Weißeritzmündung nach Cotta. I m Zusammenhang damit führten Stadt und Staat 1890—1900 ein umfassendes Bauprogramm in der Friedrichstadt durch: Der große Elbhafen, der Verschiebebahnhof und die Eisenbahnwerkstätten (das heutige Reichsbahnausbesserungswerk), die Großmarkthalle und der Bahnhof Mitte wurden errichtet und der Eisenbahnverkehr von der Marienbrücke auf die neu erbaute Eisenbahnbrücke und gleichzeitig der Bahnkörper nach oben verlegt. Schließlich haben auch der neue Schlachthof und die Hafenmühle die Arbeit aufgenommen. Das Gelände des alten Weißeritzlaufes nahm im nördlichen Teil außer der Großmarkthalle und dem Bahnhof Mitte Industriebetriebe auf, unter denen die Kühlhallen (1911) und die moscheeartig — im pseudoorientalischen Stil — gestaltete Zigarettenfabrik, ehemals Yenidze (1909), besonders hervortreten. Der südliche Teil ist wenig repräsentativ gestaltet worden. In Anlehnung an den Kohlenbahnhof (s. C 2) wurden hier städtische Betriebseinrichtungen mit größerem Bedarf an Lagerflächen angesiedelt, so der Straßenbauhof. Nur die Straßennamen Floßhofstraße und Flußstraße erinnern noch in dieser Gegend an den ehemaligen Lauf der sprudelnden Weißeritz. Schließlich ist es charakteristisch, daß das grüne Große Gehege, altes Naherholungsgebiet der Friedrichstädter und — mit Hilfe der Elbfähren — auch der Pieschener, nach dem ersten Weltkrieg Sportanlagen an sich zog, die, immer weiter ausgebaut, heute als Sportforum mit Heinz-Steyer-Stadion und Eislaufhalle einen Komplex bilden. Der D r e s d n e r E l b h a f e n , heute V E B Binnenhäfen Oberelbe, wurde 1891—95 errichtet. E r bedeckt eine Fläche von 15 ha, das Hafenbassin ist 1100 m lang und bis 150 m breit. Die. Oberkante der 12 m hohen Kaimauern liegt 30 cm über dem höchsten bekannten Wasserstand der Elbe vom 31. 3. 1845, die Sohle des Beckens reichlich 2 m unter dem niedrigste^ Elbwasserstand von 1904. Mit dem Hafen wurde zugleich eine 300 m breite Flutrinne durch das Ostragehege angelegt. Die von 2 Trockenbaggern ausgeschachteten Massen (1,5 Millionen m 3 ) wurden zum Aufschütten des Rangierberges im Verschiebebahnhof verwendet. Die H a f e n m ü h l e , jetzt V E B Mühlenwerke, wurde von der Firma Bienert (s. O 1) nach dem Entwurf von W I L L I A M L O S S O W und H A N S M A X K Ü H N E in Eisenbeton errichtet: nach der Wassermühle an der Weißeritz in Dresden-Plauen und am gleichen Standort einer Dampfmühle erfolgte der Standortwechsel hierher, wo das Getreide zu Schiff anlangt. Der 64 m hohe Siloturm ist zu einem Wahrzeichen des Hafens geworden. 104

Die E i s e n b a h n a n l a g e n haben sich allmählich aus kleinen Anfängen entwickelt. Der heute so bescheiden anmutende Bahnhof Dresden-Friedrichstadt war ursprünglich Endpunkt (Berliner Bahnhof) einer in privaten Händen liegenden Eisenbahngesellschaft, die die Linie Berlin — Dresden über die Brücke in Niederwartha erbaut hatte. Mit der Übernahme der Berliner Bahn durch den sächsischen Staat konnte eine Konzentration der bahntechnischen Anlagen erfolgen, und da Friedrichstadt noch Reserveland anzubieten hatte, fanden Güterbahnhof, Rangierbahnhof und Ausbesserungswerk hier ihren Platz. Die bedeutendste Anlage ist der Ablaufberg im Rangierbahnhof, der bei 2,5 km Länge sich bis 17 m über das Straßenniveau erhebt. Eine unmittelbare Folge der Verkehrsbedeutung Friedrichstadts ist, daß sich in großem Umfang Anlagen der Lagerwirtschaft eingefunden haben. D a ß das alte Vorwerk Ostra 1917 von der Transport- und Lagerhaus-Gesellschaft übernommen wurde, ist symptomatisch. Heute reihen sich längs der Magdeburger und Bremer Straße die meist wenig ansehnlichen Flächen dieser Sparte fast ohne Unterbrechung aneinander. Der S t ä d t i s c h e V i e h - u n d S c h l a c h t h o f , der einen unzureichenden Betrieb in der Leipziger Vorstadt ersetzte, fand im Großen Ostragehege einen idealen Standort insofern, als ohne Rücksichtnahme auf bereits bestehende Objekte der Umgebung geplant werden konnte. H A N S E R L W E I N , der Stadtbaumeister der Jahre vor dem ersten Weltkrieg, schuf eine geschlossene Anlage (Bild 30), die als Schlachthofring rund 70 Gebäude umfaßt. Dazu gehören Viehhof mit Eisenbahnanschluß, Markthallen, Ställe für Groß- und Kleinvieh, die Schlachthallen mit Nebeneinrichtungen, Kessel- und Maschinenhaus, Kühlhaus sowie eine Gaststätte. Die Kapazität des Schlachthofs, heute V E B Dresdner Fleischkombinat, war 1910 auf die Schlachtung von 550 Rindern, 3450 Kälbern und Schafen und 2 500 Schweinen pro T a g berechnet worden. Die Plastik des Schweinetreibers vor dem Haupteingang hat A L E X A N D E R H Ö F E R geschaffen. Noch in einer anderen Hinsicht hat Friedrichstadt Bedeutung gewonnen: in der Entwicklung des Schulwesens. Die arme Gemeinde hatte immer Schulsorgen. Im Jahre 1782 besuchten in Friedrichstadt 339 Kinder Armen- und Winkelschulen; 758 aber wuchsen ohne jeden Unterricht auf. Endlich gelang es der unbemittelten Gemeinde, mit Hilfe von Stiftungen einiger Bürger 1784 vier Klassen in gemieteten Räumen unterzubringen, 1785 ein eigenes Schulgebäude zu errichten und darin am 31. 10. 1785 eine Armen- und Realschule zu eröffnen. Diese Schule ist von größter Bedeutung für die Volksbildung Sachsens geworden; denn mit ihr wurde 1787 das erste sächsische Lehrerseminar verbunden, das sich bis 1865 hier und dann bis 1910 Waltherstraße 26 befand. A n ihm wirkte 1797—1807 der bekannte Pädagoge F R I E D R I C H D I N T E R als Direktor. Das Gebäude von 1827, mit Inschriften, einem Relief und einem Türmchen geschmückt, steht heute noch als 48. P O S an der alten Badergasse, der jetzigen Seminarstraße 11. Später kamen die 1945 zerstörte 3. Volksschule, Fröbelstraße 3, und die heutige 17. P O S Christian Beham, Wachsbleichstraße 6, hinzu. Nach der Hungersnot von 1771/72 gründeten Freimaurerlogen eine Armenschule (Abb. 19), in der 30 Knaben und Mädchen nicht nur unterrichtet, sondern auch verpflegt wurden. Entgegen den Absichten ihrer Stifter wurde diese Anstalt 105

C i als Freimaurerinstitut in eine höhere Heimschule umgewandelt, die 1899 von der Institutsgasse nach der Eisenacher Straße in Dresden-Striesen verlegt und nach dem zweiten Weltkrieg zur Heimstatt der Kreuzschule und des Kreuzchores wurde. Die sozialen Verhältnisse wurden trotz einiger feudaler und großbürgerlicher Einwohner vor allem durch Einkommensschwache bestimmt. In dieser Hinsicht hat sich die heutige Friedrichstraße von den engen Wohnstraßen der Vorstadt unterschieden. Mit der Errichtung der Reichsbahnanlagen und der Industrieunternehmen an der Hamburger Straße, der Erklärung der Friedrichstadt zum Fabrikbezirk wurde diese ein ausgesprochenes Arbeiterwohngebiet, in dem auch die Traditionen der Arbeiterbewegung stark gepflegt wurden. Nicht zufällig hatte die später weltbekannt gewordene Dresdner Künstlervereinigung „ D i e Brücke", 1905 von den Architekturstudenten E R I C H H E C K E L , E R N S T L U D W I G K I R C H N E R und K A R L S C H M I D T - R O T T L U F F gegründet, ihr erstes Gemeinschaftsatelier in einem früheren Schuhmacherladen, Berliner Straße 78, nahe am Friedrichstädter Güterbahnhof. Mit ihrer Themenwahl aus der Arbeitervorstadt und ihrer expressionistischen Formensprache protestierte sie bewußt gegen spätbürgerliche Dekadenz und gewann damit zeitweilig führenden Einfluß auf die europäische Kunstentwicklung. Vor allem nach dem ersten Weltkrieg war die organisierte Arbeiterschaft sehr aktiv. Die letzte ihrer Versammlungen im Keglerheim endete mit der Blutnacht vom 25. 1. 1933, bei der 9 Arbeiter ihr Leben verloren. Eine Gedenkanlage an der Stelle des 1945 zerstörten Keglerheims in der,Grünanlage E c k e Friedrich-/Weißeritzstraße hält die Erinnerung an das Geschehen aufrecht. Im zweiten Weltkrieg wurden 440 Gebäude Friedrichstadts durch Luftangriffe zerstört, darunter die Matthäuskirche mit der Gruft des Zwingererbauers P Ö P P E L M A N N und das Goethehaus, Friedrichstraße 5. Nach 1945 wurden erhaltbare Wohnungen im Rahmen des Möglichen wiederhergestellt. Schwerpunkte des Aufbaus waren jedoch — unter teilweiser Rekonstruktion und Erweiterung — die lebenswichtigen Verkehrs- und Industrieanlagen. /Hierbei sind zu nennen: der V E B Schreibmaschinenwerk Dresden, Hamburger Straße, die Kühlhallen mit Erweiterungsbau, die Markthalle, wiederaufgebaute und neu errichtete Objekte am Hafen und im Schlachthofgelände, der Straßenbahnhof Waltherstraße, die bahntechnischen Anlagen im Verschiebebahnhof und im Güterbahnhof sowie im Reichsbahnausbesserungswerk am Emmerich-Ambroß-Ufer. Dazu kamen noch kleinere gewerbliche Anlagen. Ein weiterer bedeutender Schwerpunkt des Aufbaus waren die ersten Abschnitte der Rekonstruktion des Friedrichstädter Krankenhauses einschließlich mehrerer Erweiterungsbauten. In unmittelbarer Nachbarschaft des Krankenhauses erfolgte eine Reihe von denkmalpflegerischen Maßnahmen: der Wiederaufbau der Matthäuskirche seit 1974; der Auf- und Ausbau des Duckwitzhauses, Friedrichstraße 36, als Kindergarten 1953; Instandsetzungen von Fassaden von Wohnhäusern aus dem 18. Jh. an der Friedrichstraße. Damit wurde die alte Struktur der Friedrichstadt beibehalten und zum Teil in ihren Funktionen noch gestärkt. Ein wesentlicher Wandel trat jedoch hinsichtlich der Erhaltung und Pflege der Wohnbausubstanz des alten Arbeiterwohnviertels ein. 1976 begann die Rekonstruktion des ersten Abschnittes an 106

der Berliner und Vorwerkstraße mit dem Ziel der Modernisierung, also auch der C 1 Ausstattung mit Bad, WC und Zentralheizung. Die hier gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse sind als Beispiel ausgewertet und zum Teil schon für die Altbausanierung anderer Stadtteile und Städte in der D D R genutzt worden. Durch die wesentliche Erhöhung des Komforts gewannen die neugestalteten Straßenzüge einen verbesserten Wohnwert gegenüber denen der einstmaligen grauen Friedrichstadt.

Industriegasse des Südwestens

C2

Die Weißeritz und der an der Biedermannstraße von ihr abgeleitete Weißeritzmühlgraben (s. B 3) haben schon frühzeitig Gewerbe auf der Basis der Wasserkraft an sich gezogen. Als im 19. Jh. die Dampfkraft die Technik zu beherrschen begann und die Steinkohle (s. B 3) wichtiger Energieträger geworden war, erhielt der SW der Stadt kräftige Entwicklungsimpulse. Voraussetzung für die Industrialisierung war der Ausbau der Transportwege. Zwischen den Wohnvierteln der Wilsdruffer Vorstadt, der Südvorstadt, der Friedrichstadt und Löbtaus bildete sich, überwältigt vom Einfluß der Standortvorteile, ein von Verkehrsanlagen der Reichsbahn und von Industriebetrieben beherrschter Stadtteil von besonderer Eigenart heraus. Unter der Bezeichnung Albertbahn hatte eine Aktiengesellschaft 1853, also nach Fertigstellung der Böhmischen Bahn (s. C 3) und des späteren Hauptbahnhofs, begonnen, eine Eisenbahnstrecke Tharandt — Dresden mit dem besonderen Ziel zu errichten, die Kohlenschätze des Freitaler Reviers der Stadt Dresden und der Verschiffung auf der Elbe leicht zugänglich zu machen. 1855 wurde die Bahnlinie, die dann später bis ins Vogtland verlängert wurde, in Betrieb genommen. 1868 ging sie in Staatsbesitz über, der bisherige Endbahnhof an der Kunadstraße wurde Güterbahnhof. Von der Albertbahn zweigte die sogenannte Kohlenbahn ab. Ihr Endpunkt war der Kohlenbahnhof nordwestlich der Freiberger Straße; Anschlußgleise führten von da bis an die Elbe weiter, wo sowohl westlich wie östlich der Marienbrücke Ausschiffungsplätze vorhanden waren. Neben die umfangreichen Gleisanlagen der Eisenbahn trat die Industrie, die an der Rosenstraße einen traditionellen Schwerpunkt hatte und an der Fabrikstraße in den neunziger Jahren mit der vormals Siemensschen Glasfabrik einen ihrer größten Betriebe in Dresden aufwies. Wichtig war auch die Lage am Stadtrand, wo sich in der Regel extensive flächenbeanspruchende Einrichtungen niederließen, wie solche der Lagerwirtschaft und des Fuhrwesens. Die Lagerplätze des Kohlehandels behielten ihre Funktion auch bei, als die Steinkohlenvorräte des Freitaler Reviers erschöpft waren. Von der Fernverkehrsstraße nach Freiberg durchzogen, tritt in der Industriegasse die Wohnbebauung zurück. Sie beschränkt sich auf den Löbtauer Anteil nahe dem Willi-Ermer-Platz. Neben den nüchternen, oft mit Mansarden ausgestatteten Mietskasernen mit Stallungen und anderen Nebengebäuden im Hofraum muß der Baublock zwischen Saxoniastraße und Willi-Ermer-Platz

107

C 2 hervorgehoben werden, 1910 vom Dresdner Spar- und Bau-Verein geschaffen, einer der ersten Zeugen genossenschaftlichen Wohnungsbaus. Die ehemalige Nossener Brücke über das Bahngelände wurde 1960—64 als Brücke der Jugend mit einer Breite von 26,5 m neu aufgebaut. Dicht neben ihr entstand 1961 — 66 ein modernes Heizkraftwerk, das als Kompaktbau errichtet wurde und stündlich 625 t Dampf und 100000 M W Elektroenergie erzeugt. Zur Vermeidung von Staubbelästigungen sind die 140 m hohen Schornsteine mit Elektrofiltern ausgerüstet. Der Impuls zur Anlage von Industriewerken ergriff auch den Westrand der Südvorstadt. Zwischen der F.-C.-Weiskopf-Straße (früher Chemnitzer Straße) und dem Bahngelände entstand ein breites Band von Industriebetrieben, das sich südlich an die alten am Weißeritzlauf befindlichen Fabriken auf Plauener Flur anschloß. Auffällig war die Vielseitigkeit der Produktionsrichtungen, die sich hier vereinigt hatten. Der Bombenkrieg 1945 hat allerdings erhebliche Lücken entstehen lassen. Noch vor der Industrialisierung, die durch das Ortsgesetz von 1878 sanktioniert wurde, war 1848 an der ehemaligen Chemnitzer Straße im freien Gelände vor der Stadt der A l t e A n n e n f r i e d h o f angelegt worden. Zu den ersten hier bestatteten Toten gehörten auch die durch einen Obelisken in der Mitte des Friedhofs geehrten Opfer der Revolutionskämpfe im Mai 1849. An bekannten Persönlichkeiten sind hier bestattet der Maler J U L I U S S C H N O R R V O N C A R O L S F E L D (1794—1872), die Schauspieler E M I L D E V R I E N T (1803 — 72) und B O G U M I L D A W I S O N (1818 — 72), das Mitglied der Provisorischen Regierung v o n 1849 L E O N H A R D H E U B N E R (1812—93), der Oberbürgermeister A L F R E D S T Ü B E L (1827 bis 1895), der Geologe B R U N O G E I N I T Z (1814 — 1900), der Erbauer der Göltzschtalbrücke R . W I L K E (1804—89). Die Ausweitungen nach O waren zunächst durch den alten Lauf der Weißeritz begrenzt. Erst nach deren Verlegung entstanden hier auf Friedrichstädter Flur städtische Einrichtungen, unter anderem an der Roßthaler Straße der Kohlenlagerplatz für das Kraftwerk Mitte an der Schweriner Straße.

C 3 Südvorstadt Bis in die Mitte des 19. Jh. blieb der S der Dresdner Flur zwischen heutiger F.-C.-Weiskopf-Straße und Strehlen fast unbesiedelt. Das Dorf Boskau (1315 Boscoü = aso. Dorf des Boiek, nördlich des jetzigen Beutlerparks) unter dem Bornberg im Ostteil lag schon 1449 wüst. Auch hatte die Stadt das Vorwerk Auswick (1350 Uzmik, zu aso. usmyk = Stelle, wo man in ein Tal schlüpft) in der Nähe der Münchner Straße schon früh an sich gezogen. Das Gelände steigt südwärts an. Die anstehenden pleistozänen Ablagerungen, Grundmoränen und Schotter aus der Elsterkaltzeit und ein schmales B a n d von Terrassenschottern aus der Saalekaltzeit, etwa im Zuge des Zelleschen Weges, sind meist von einer Lößlehmdecke verhüllt. Nur wenige Wege durchquerten das Gelände, darunter der alte Zellesche Weg, den die Altenzeller Mönche gern benutzten, da sie ihre Besitztümer in Leubnitz (s. N 6) erreichen konnten, ohne das Weichbild Dresdens zu berühren. Im N, nahe der späteren Eisenbahnlinie, 108

führte der Kälberweg, wohl wegen der Viehtransporte so genannt, im Zuge der C 3 heutigen Strehlener Straße nach Strehlen. 1836 wurde im Bereich der heutigen Budapester Straße 24 die Blindenanstalt, ein Jahr später daneben die Gehörlosenschule gegründet. Die 1879 erweiterte Gehörlosenschule (Taubstummenanstalt) wie die seit 1 9 1 0 als Schwerhörigenschule genutzte Blindenanstalt wurden 1945 völlig zerstört. 1841 erfolgte diei Anlage der neuen Dippoldiswalder Straße, 1855 Bergstraße genannt, an der ein Einnehmerhaus am heutigen Fritz-Foerster-Platz stand. Nahe der Blindenanstalt hatten sich wohlhabende Dresdner die ersten Villen des Schweizer Viertels — genannt nach der vielbesuchten Gastwirtschaft Zum Schweizerhäuschen und der 1856 angelegten Schweizerstraße — gebaut. Im Preußisch-Österreichischen Krieg 1866 warfen die Preußen im SO am Bornberg eine Schanze auf, aus der eine Parkanlage, der Schanzenpark, später Beutlerpark bezeichnet, hervorging. Die Prager Straße, die ursprünglich nur bis zum Böhmischen Bahnhof führen sollte, wurde 1868 über die Eisenbahn hinaus verlängert und 1871 Reichsstraße genannt. Sie heißt jetzt Juri-Gagarin-Straße. Die Böhmische Eisenbahn war 1848 — 52 entstanden. Der erste Bahnhof war ein Fachwerkbau, seine Gastwirtschaft mit ihren Gartenkonzerten ein beliebtes Ausflugsziel. 1864 wurde ein Steinbau im italienischen Renaissancestil aufgeführt. 1892 begann man, die Gleise am Bahnhof höher, am Hahnebergeinschnitt aber tiefer zu legen und den Böhmischen Bahnhof nach dem Vorbild des Gare du Nord in Paris zum Hauptbahnhof auszubauen. Jetzt war auch eine Unterführung zwischen Prager und Juri-Gagarin-Straße möglich. Von Winckelmann- bis Franklinstraße und von der Strehlener bis zur Reichenbachstraße entstand in einförmiger Bauweise ein Wohnviertel mit rechtwinklig sich schneidenden Straßen. In der Nähe des Hauptbahnhofs siedelten sich mehrere Hotels und Pensionen an, die auch viele Ausländer beherbergten. F ü r diese errichtete man 1872 — 74 die Russisch-orthodoxe Kirche, die heute völlig wiederhergestellt ist, während die Amerikanische Kirche (1884) an der Bergstraße wie auch die Englische Kirche an der Wiener Straße nicht wieder aus den Trümmern erstanden sind. 1875 hatte die Technische Hochschule an der JuriGagarin-Straße (Reichsstraße) zwischen Lindenau- und Schnorrstraße ein neues Gebäude erhalten. Bis zur Reichenbachstraße führte seit 1883 eine Pferdebahn. Als diese 1896 auf elektrischen Betrieb umgestellt wurde, mußte sie hier ohne Oberleitung, nur mit Akkumulatoren, fahren, um Störungen der Apparaturen der Hochschule zu vermeiden. Den Westteil zwischen Eisenstuckstraße und Plauen bzw. Räcknitz schloß die Dresdner Baugesellschaft, nachdem erst 1899 der Bebauungsplan für die 30 m breite Nürnberger und die 40 m breite Münchner Straße genehmigt worden war. Einzel- und Gruppenhäuser mit herrschaftlichen Großwohnungen herrschten vor; denn dieser Stadtteil wurde bevorzugter Wohnsitz des gehobenen Bürgertums. Nach dem ersten Weltkrieg griffen die Wohnsiedlungen auf den Hang nach Räcknitz über, wo besonders Einzelhäuser in Gärten errichtet wurden, während nach Plauen zu (zwischen Münchner und Nöthnitzer Straße) ein Bauverein Reihenhäuser erstellte. E s verblieben jedoch noch Freiflächen für größere Baukomplexe. Außer der Technischen Hochschule sind die Justizbehörden mit dem Komplex des Ober109

C 3 landesgerichtes (1902 — 07) am Münchner, dem heutigen Salvador-Allende-Platz, und die Gebäude der Kirchenverwaltung um die Lukaskirche (1903 fertig) zu nennen. Die Kirche selbst ist nach schweren Beschädigungen durch die Bomben nach 1945 wieder ausgebaut worden und dient heute wegen ihrer hervorragenden akustischen Möglichkeiten für Schallplattenaufnahmen. A n ihrer Außenmauer befindet sich Qin Steinkreuz. Die Bomben des 13./14. 2. 1945 ließen hinter dem Hauptbahnhof bis zur Reichenbach- und Nürnberger Straße nicht viel übrig. Insbesondere das dicht bebaute und geschlossene Wohnviertel zwischen Strehlener und Reichenbachstraße war völlig zerstört. Ein einziges Haus an der Rabener Straße überstand den Feuersturm. Merkwürdigerweise blieb auch die beliebte Frauenfigur des Brunnens von G E O R G W R B A am Bayrischen, dem heutigen Friedrich-List-Platz, unbeschädigt. Die nach Räcknitz und Plauen zu gelegenen Teile der Vorstadt waren nur teilweise geschädigt. Der Wiederaufbau vollzog sich unter mehreren städtebaulichen Zielsetzungen: 1. Rekonstruktion und beträchtliche Erweiterung der Technischen Hochschule, seit 1. 10. 1961 Technische Universität, sowie der Hochschule für Verkehrswesen. Die Südvorstadt sollte den Charakter des Hochschulviertels annehmen (Abb. 26). 2. Errichtung umfangreicher Wohnbauten zwischen Hauptbahnhof und Nürnberger Straße; 3. Ausbau des Zelleschen Weges zu einer leistungsfähigen Verbindungsstraße zwischen Pirna und Meißen unter Umgehung des Stadtzentrums. Die erste Aufgabe schloß an die Entwicklung der Technischen Hochschule an, die mangels guter Erweiterungsmöglichkeiten bereits vor dem ersten Weltkrieg am Hang zwischen George-Bähr- und Mommsenstraße Neuland besetzt hatte. Hier steht der Beyer-Bau — die meisten Gebäude der T e c h n i s c h e n U n i v e r s i t ä t wurden nach hervorragenden Technikern benannt —, mit seiner 40 m hohen Kuppel für das Fernrohr der geodätischen Astronomie das Wahrzeichen der Technischen Hochschule (Bild 45), die mit Stolz auf eine bemerkenswerte Entwicklung zurückblicken kann. 1828 in bescheidenem Umfang im Pavillon auf der Brühischen Terrasse (s. A 5) als Technische Bildungsanstalt eröffnet, 1847 am Antonsplatz (an der jetzigen Wallstraße) mit einer größeren Unterkunft ausgestattet, die sich für die 1852 zum Polytechnikum erhobene Anstalt bald wieder als zu eng erwies, bezog sie 1875 endlich repräsentative Gebäude am Friedrich-List-Platz hinter dem Hauptbahnhof. Sie trug wesentlich zu Dresdens Ruf als Wissenschaftszentrum bei, wurde 1890 zur Technischen Hochschule erhoben und 1900 mit dem Promotionsrecht ausgestattet. 1898 erhielt sie am Räcknitzer Hang ein 12 ha großes Gelände für die Erweiterungsbauten zugewiesen. Zunächst entstanden 1900 — 05 an der Helmholtzstraße (Ostseite) mehrere Institute, sehr einfache Rohziegelb a u t e n , v o n d e m A r c h i t e k t e n K A R L WEISSBACH g e s t a l t e t .

Später entwarf MARTIN DÜLFER einen Gesamtplan mit dem Schwergewicht am Fritz-Foerster-Platz. 1910—13 errichtete er das Bauingenieurgebäude (Beyer-Bau). Nach dem ersten Weltkrieg setzte er sein Werk mit der 1926 fertiggestellten hufeisenförmigen Anlage des Chemischen Instituts fort. 1925 ließ das Studentenwerk durch den Stadtbaurat P A U L W O L F das Studentenhaus 110

an der Mommsenstraße bauen. 1928 entstand die Hochspannungshalle, 1953 C 3 nach L U D W I G B I N D E R benannt. 1930 wurde das Hauptgebäude der Mechanischen Abteilung zum Zeuner-Bau erweitert, 1937—40 das Institut für Kraftfahr- und Flugwesen errichtet. 1945 waren die Gebäude der Technischen Hochschule zu 85% zerstört, noch 13000 m 2 von 100000 m 2 Nutzfläche brauchbar. Am 1. 10. 1946 begann jedoch bereits wieder, zunächst an drei Fakultäten mit 450 Studierenden, der Lehrbetrieb. In den folgenden Jahren entwickelte sich die Hochschule weit über ihre Bedeutung vor 1945 hinaus. 1975 betrug die Anzahl der Studierenden etwa 18000, darunter 11000 Direktstudenten, und die der Hochschullehrer und wissenschaftlichen Mitarbeiter 2700 in 62 Fachrichtungen an 22 Sektionen. Die Bildungsund Forschungsstätte nahm immer engere Verbindungen zur Produktion auf und wurde zu einem Zentrum internationaler Zusammenarbeit sowie zum Tagungsort internationaler Kongresse und Veranstaltungen. Diesem inneren Wachstum an Lehr- und Forschungstätigkeit entspricht auch die territoriale Erweiterung der Technischen Universität (Abb. 26). Aufbau und Rekonstruktion begannen zunächst im alten Geviert zwischen George-BährStraße und Mommsenstraße. Neubauten an der Hettnerstraße (von der Hochschule für Verkehrswesen genutzt), auf der Westseite der Helmholtzstraße (Merkel- und Barkhausen-Bau, Bild 46) und an der Nöthnitzer Straße, die Erweiterung des ehemaligen Studentenhauses an der Mommsenstraße zum Rektoratsgebäude mit anschließendem Mensatrakt und Festsaal an der Dülferstraße blieben noch im Bereich des alten Hochschulgeländes, jedoch trat eine wesentliche Erweiterung in der West-Ost-Richtung auf. Symbolhafte Bedeutung kommt der Einbeziehung des ehemaligen Gerichtskomplexes am Salvador-Allende-Platz in die Universität zu: Die einst berüchtigte Stätte der Nazijustiz wurde zu einer Stätte der Lehre und Forschung (Abb. 26). Das Gerichtsgebäude dient vor allem als Lehrgebäude, während der ehemalige Kreuzbau des Gefängnisses, dessen Zellen durch Zusammenlegung und Vergrößerung der Fenster zu Arbeitsräumen umgestaltet wurden, vorwiegend Einrichtungen der Sektionen, beispielsweise Architektur und Geodäsie/ Kartographie, enthält. In dem früheren Gefängnishof, 1939—45 Hinrichtungsstätte von 1069 Widerstandskämpfern, wurde eine Gedenkstätte geschaffen. Sie zeigt 6 Todeszellen in unverändertem Zustand, eine Steinplatte an der Stelle des Richtblocks sowie eine ergreifende Bronzeplastik, die fünf vor der Hinrichtung stehende Antifaschisten darstellt. Die bedeutendste Erweiterung erfuhr das Hochschulgelände am Zelleschen Weg in östlicher Richtung. Hier entstand, 1979/80 durch einen Kopfbau für die Mensa an der Bergstraße ergänzt, südlich des Zelleschen Weges der neue Komplex für Mathematik und Physik, dem ein Hörsaalgebäude zugeordnet ist. An dessen Stirnseite ist eine große astronomische Uhr angebracht, die mehrere astronomische Daten anzeigt. Östlich anschließend folgt der Hochschulsportplatz, eine Erweiterung des Anfang der dreißiger Jahre von Studenten in freiwilliger Arbeit geschaffenen alten Sportplatzes. In seinem Hinterland sind Institute der Akademie der Wissenschaften der D D R angesiedelt. Die freie Fläche, die zur Räcknitzer Flur gehört, hat einen Versuchsbau der Bauingenieure 111

Abb. 26. Hochschulviertel der Technischen Universität und Hochschule für Verkehrswesen (Entwurf J . B I E L E R ) 1 Georg-Schumann-Bau mit Mahnund Gedenkstätte

13

Königbau

14

Fritz-Foerster-Bau

2 Zeunerbau

15

Universitätsbibliothek

3 Mollierbau

16

R e k t o r a t und Mensa

4 Beyerbau

17

Willersbau

5 Merkelbau

17a Physikbau

6 Berndtbau

1 7 b Neue Mensa

7

18

Andreas-Schubert-Bau

8 Neufferbau

ig

Drudebau

9

20

Sportanlagen der T U

Kutzbachbau Barkhausenbau

10 Görgesbau

21

Studentenwohnheime

11 Toepler- und Binderbau

22

Gebäudekomplex Weberplatz

12

23

Gebäudekomplex Landtechnik

Erich-Müller-Bau

112

•aufgenommen. Das folgende Forschungsinstitut für Holztechnologie gehört C 3 als Industrie-Institut nicht zur Technischen Universität, wohl aber der gegenüberstehende Andreas-Schubert-Bau, der Anfang der sechziger Jahre für die Kerntechnik entstand. Durch ältere Villenbebauung und neuere mehrgeschossige Wohnbauten beiderseits der Ackermann-/Paradiesstraße getrennt, folgt dann der Drude-Bau für die biologischen Fachrichtungen, unter besonderer Betonung der Hydrobiologie, die wegen ihrer engen Verbindung zur Wasserwirtschaft in die Sektion Wasserwesen eingegliedert ist. Auf der Nordseite des Zelleschen Weges schließt sich ein neuerer Teil der Technischen Universität an. Sein Mittelpunkt ist das Gebäude am Weberplatz, aufgebaut aus der Ruine des •ehemaligen Lehrerseminars Dresden-Strehlen (s. M 1). Nach dem zweiten Weltkrieg fand hier die Arbeiter- und Bauernfakultät (ABF) Unterkunft, an der jungen Menschen die bis dahin vorenthaltenen Möglichkeiten der Schulbildung bis zur Hochschulreife gegeben wurden. Die Unterkünfte für die Studierenden waren in den bescheidenen Häuschen im Zwickel zwischen Teplitzer Straße und Zelleschem Weg gelegen. Daneben entstanden 5 Wohnhochhäuser als Studentenunterkünfte, nachdem die Aufgaben der A B F erfüllt waren und das Gebäude am Weberplatz der Sektion Kulturwissenschaften übergeben worden war. Von der Technischen Hochschule abgezweigt, wurden 1952 die verkehrstechnischen Fachrichtungen zur Basis der Hochschule für Verkehrswesen Friedrich List. Während die Westseite der Juri-Gagarin-Straße durch 2 Studentenwohnhäuser bestimmt wird, erhielt die östlich parallel verlaufende Hochschulstraße ihren Charakter durch die Neubauten der Verkehrshochschule und deren Mensa nahe der Reichenbachstraße. Auf dem freien Platz zwischen Strehlener und Reichenbachstraße haben sich Nebenbauten der Verkehrshochschule und ein Verwaltungsbau des Baukombinats Dresden niedergelassen. Eine städtebaulich geschlossene Form gewinnt die Südvorstadt jedoch erst wieder am Ernst-Thälmann-Platz durch die Ingenieurschule für Verkehrstechnik und durch das Interhotel Astoria, das aus dem Wiederaufbau der ausgebrannten Städtischen Jugendherberge entstanden ist und als eines der ersten Dresdner Hotels nach der Zerstörung Bedeutung hatte. Der umfangreiche Wohnungsbau in der Südvorstadt begann 1953/54 a n der Nürnberger Straße, einem günstigen Standort für die Arbeiter des damaligen Wismut-Bergbaus. Nach und nach wurden alle total- und teilzerstörten Flächen in meist traditioneller Ziegelbauweise bebaut. An der Nürnberger Straße entstand ein kleines örtliches Zentrum mit Läden und der Gaststätte Nürnberger Ei. Durch die Errichtung der Brücke der Jugend wurde der äußere Tangentenring möglich, eine Umgehungsstraße, die den mehrspurigen Ausbau des Zelleschen Weges erforderlich machte und Anschluß an den inneren Ring über die sogenannte Hochstraße gefunden hat.

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Großer Garten Im SO erfährt der Kranz der Vorstädte eine Unterbrechung durch die Parkanlage des Großen Gartens (Abb. 27). Seit dem Ende des 16. Jh. begannen Hof und Adel, sich vor den Stadtmauern Lustgärten zu schaffen. So entstanden der ehemalige Pomeranzengarten (1591) an der Ostra-Allee, der Türkische Garten (seit 1668) an der Reitbahnstraße, der Rechenbergsche Garten (vor 1653) an der Bürgerwiese, heute Blüherpark, und schließlich der Große Garten. E r wurde seit 1676 für den Kurprinzen, den späteren J O H A N N G E O R G III., auf Feldern Strehlener, Grunaer und Striesener Bauern angelegt. Zuerst stellte er ein Quadrat von 700 Ellen Seitenlänge dar, nicht viel mehr als das Gelände um das Palais. Der Garten sollte dann wesentlich erweitert werden (etwa 2 km mal 2 km), aber aufgrund dringender Klagen der betroffenen Bauern wurde ein kleineres Quadrat von knapp 1 km Seitenlänge geschaffen, das durch Verlängerungen längs der Hauptallee Kreuzform annahm, die so bis 1861 blieb. Die erste Einteilung des Gartens nahm (bis 1683) M A R T I N G Ö T T L E R vor. E r ließ nach den Grundsätzen der Waldvermessung des Leipziger Professors J O H A N N E S H U M E L I U S von einer Lichtung im Mittelpunkt 8 Wege strahlenförmig ausgehen. Fast zu gleicher Zeit entstand seit 1678 auch das frühbarocke Palais. Ebenfalls von J. G. S T A R C K E stammen auch 8 quadratische Kavalierhäuser zu beiden Seiten des Palais, von 1684 — 94 als Spiel- und Erfrischungsräume für die Hofgesellschaft errichtet. Die Umgestaltung des Gartens in barockem Sinne führte der spätere Oberlandbaumeister J O H A N N F R I E D R I C H K A R C H E R durch. E r beseitigte die Sternwege und schuf nach Art des französischen Gartenkünstlers A N D R É L E N Ô T R E , dessen Versailler Garten er 1714 besichtigte, eine Anlage mit dem Palais (Bild 34) und einem schmalen Blumenparterre im Mittelpunkt, davor einen ebenen Platz für Ringrennen, Bauernwirtschaften und andere Vergnügungen, dahinter ein großes Wasserbecken. Im Garten entstanden schnurgerade Alleen (Abb. 27), gestutzte Hecken, durch hohe Heckenwände abgeschlossene Spielgärten, eine Orangerie, ein Labyrinth, ein Naturtheater, und über 150 Marmorstatuen und Riesenvasen fanden ihren Platz. A U G U S T D E R S T A R K E ließ 1698 den Garten über die alte Pirnaische Landstraße, die etwas nördlich der Herkulesallee (Steinkreuz am Friedrich-Bouché-Weg beim Dahliengarten) verlief, hinausrücken und eine neue Straße nach Pirna anlegen, die heutige Stübelallee. Sie erhielt aber erst 1897 —1901 ihre heutige Breite. 1715 entstand der Palaisteich, 1716 verlegte man die Fasanerie vom Ostravorwerk und vom Neudorfer Elbwerder in den Großen Garten. Für die 1716 erweiterte Fasanenzucht wurden Strauchdickichte, Fasanengräben, Schießgänge, Futtergärten und ein Fasanenwärterhaus angelegt. Zum Schutz der Fasanen vor Mardern und anderem Raubwild umgab man den Großen Garten, der vorher nur eingezäunt war, 1718 mit einer 21/2 m hohen Mauer, die zugleich das Betreten des Gartens durch die Bevölkerung verhinderte. Nur „Personen von Kondition, nicht aber Tagelöhner, Musketiere und Weibspersonen von dergleichen S t a n d " fanden noch Zutritt. Ein Bierausschank, der den Torwärtern zur Aufbesserung ihres geringen Einkommens gestattet war, wurde an Sonntagen von allen Einwohnerkreisen besucht. 114

Abb. 27. Volkspark Großer Garten (aus Unterstützung des V E B Tourist Verlag)

WOTTE/HOYER

1978, mit freundlicher

Der Große Garten wurde Schauplatz glänzender Hoffeste, unter denen das Venusfest zur Vermählung des Kurprinzen mit der österreichischen Prinzessin J O S E F A am 23. September 1719 hervorzuheben ist. F ü r eine Schlittenfahrt zum Karneval 1721 mußten die Bauern den Schnee heranfahren. 1730 wurde in 4 der Kavalierhäuser die Antikensammlung aufgestellt, durch die J O H A N N J O A C H I M W I N C K E L M A N N (S. N 8), der Bibliothekar zu Nöthnitz, die Anregung zu seiner „Geschichte der Kunst des Altertums" (1764) fand. Im Dezember 1745, als während der Schlacht bei Kesselsdorf das Hauptquartier der Österreicher in der Grünen Wiese (s. L 1), dem späteren Rothermundpark, lag, erlitt der Große Garten schweren Schaden. Im Siebenjährigen Krieg fanden Kämpfe im Großen Garten statt. Die Preußen fällten 610 der stärksten Linden in den Alleen, deckten das Kupferdach des Palais ab, zertrümmerten zahlreiche Bildwerke oder entführten sie nach Sanssouci. Nach dem Krieg stellte der Oberlandbaumeister J U L I U S H E I N R I C H S C H W A R Z E den Park in kurzer Zeit wieder her, aber nunmehr im englischen Stil. Seit 1764 standen die Anlagen außerhalb der Fasanengehege auch dem Bürgertum offen. In der Schlacht bei Dresden im August 1813 war der Große Garten wieder Kampfplatz. Die Verwüstungen waren so schwer, daß der russische Generalgouverneur N I K O L A U S V O N R E P N I N eine besondere Behörde einsetzte, die die Anlagen — zum größten Teil im Frondienst — wiederherstellen ließ. Die zerstörte Mauer wurde ganz abgetragen, ihre Steine blieben den Bauern von Gruna und Striesen zum A u f b a u ihrer niedergebrannten Gehöfte überlassen. Als die Fasanenzucht 1815 aufgehoben wurde, entstand aus dem Haus des Fasanen115

Wärters die Große Wirtschaft. Auch die Torhäuser wandelte man in Gaststätten um. Der Hofgärtner J O H A N N G O T T H E L F H Ü B L E R schuf aus dem Ringrennenund Spielplatz vor dem Palais das große Rasen- und Blumenparterre. Südlich der Hauptallee wurde eine Obstbaumschule angelegt. Der Katalog von 1819 weist unter anderen 225 Sorten Apfel-, 132 Sorten Bim- und 91 Sorten Kirschbäume auf.' Bei der Besetzung Dresdens 1866 fällten die Preußen die meisten Obstbäume zum Bau einer Schanze am heutigen Fucikplatz. Im Großen Garten, jetzt unter der Verwaltung des Forstrentamtes, fällten Waldarbeiter die Bäume ohne Rücksicht auf die Parkgestaltung. Um die Erträgnisse zu erhöhen, wurden neue Schankstätten eröffnet und die 8 Pavillons um das Palais zu Wohnungen für Sommergäste ausgebaut. Der Fischfang und die Eisbahn des Palaisteiches wurden verpachtet, Erwerbsgärtner kauften die Laubstreu. 1873 wurde ein junger Obergärtner als Leiter des verwahrlosten Königlichen Großen Gartens eingestellt, F R I E D R I C H B O U C H É , der bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1922 den Garten erneuerte und erweiterte. E r zog 1878 Strehlener Felder im SO zum Großen Garten und schuf 1881 — 86 aus den Kiesgruben an der Krähenhütte den Carolasee (Bild 35), 1880 gab der Durchbruch der Grunaer Straße dem Garten die längst erwünschte günstige Verbindung zur Innenstadt. Als 1885 auf den Feldern an der Grunaer Straße das 6. Deutsche Turnfest stattfand, tauchte bei der Stadtverwaltung der Gedanke auf, ein ständiges Ausstellungsgebäude auf diesem Gelände zu errichten, das 1896 eingeweiht wurde. Hier fand 1 9 1 1 die in aller Welt beachtete Internationale Hygieneausstellung statt. 1890—97 gelang es, 15 ha Grunaer Wiesen, die sich in den Händen einer privaten Baugesellschaft befanden, zu erwerben und zum Park auszugestalten. 1894 legte B O U C H É darin den Neuteich an. Nunmehr besaß der Große Garten anstelle seiner alten Kreuzform die heutige Gestalt von nahezu einem Rechteck. Die Länge beträgt 1900 m, die Breite 1000 m, an der Karcherallee 900 m. Seine Fläche mißt damit fast 2 km 2 und bildet eine Ebene in 1 1 3 m ü. NN. Das Gebiet des Carolasees und des Kaitzbaches ist einem alten Elblauf zuzuordnen und etwa um 1 m eingetieft. Dieser Elblauf erstreckte sich von Seidnitz her unter dem Namen Seegraben zwischen Herkules- und Winterbergstraße und setzte sich unterhalb des Großen Gartens im Verlauf der Bürgerwiese fort. Heute wird er von der Querallee an vom Kaitzbach durchflössen. Teile des Großen Gartens dienen besonderen öffentlichen Anliegen : als Zoologischer Garten und als Botanischer Garten. Als nach dem ersten Bombenangriff am 13. 2. 1945 Zehntausende verzweifelter Menschen aus der brennenden Stadt im Großen Garten Zuflucht gesucht hatten, warf die zweite Welle der Bomber ihre Phosphorkanister und Bomben über dem dunklen Viereck ab und verwüstete den Park. Zahllose Menschen fanden den Tod. Die historischen Bauwerke, wie das Palais, die Kavalierhäuser, die Torhäuser, auch die meisten Gaststätten sanken in Schutt und Asche; vernichtet wurden die Gebäude, Gewächshäuser und Freilandkulturen des Botanischen Gartens ebenso wie die Bauten und Tiergehege des Zoologischen Gartens mit nahezu dem gesamten Tierbestand". Bald nach Kriegsende wurde begonnen, die einmalige Parkanlage aufzuräumen und wieder nutzbar zu machen. Noch waren in den ersten Jahren nach 1945

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Teilflächen als „ G r a b e l a n d " bestellt, um so die komplizierten Ernährungsprobleme mit lösen zu helfen. Unter schwierigen Umständen wurden am Palais unter L e i t u n g des Instituts für Denkmalpflege zunächst Sicherungsarbeiten, seit 1954 Wiederaufbauarbeiten durchgeführt. V o n den Kavalierhäusern w u r d e n 5 wieder errichtet, bei den 3 übrigen und einigen der ehemaligen Gaststätten w a r ein Wiederaufbau unmöglich. Jedoch wurden die Gaststätte Carolaschlößchen sowie eine Sommergaststätte neben dem Palaisteich in Betrieb genommen. Die Bombentrichter wurden verfüllt, die W e g e instand gesetzt, wobei die Dresdner B e v ö l k e r u n g in großem U m f a n g freiwillige Hilfe leistete. D a s natürliche W a c h s t u m , durch sorgsame Pflege und Ersatzpflanzungen unterstützt, l ä ß t heute nichts mehr v o n der Verwüstung des Baumbestandes erkennen. N a c h 1950 begann die U m w a n d l u n g des Großen Gartens in einen K u l t u r p a r k . Neue Anlagen entstanden, so in unmittelbarer Nähe des Palais der Dahliengarten und der Staudengarten, Kinderspielplätze und Sportanlagen. A m 1. 6. 1950, dem ersten Internationalen T a g des Kindes, wurde der Betrieb der Pioniereisenbahn aufgenommen, die als weitere Bereicherung der Erholung und zugleich der vorberuflichen Ausbildung der Jungen Pioniere dient. Die A n l a g e erstreckt sich mit 5,6 k m L ä n g e und 5 Bahnhöfen über den südlichen Teil des Volksparks. 1954/55 wurde nahe der ehemaligen Pikardie, einer alten Gaststätte a m Südostausgang der Hauptallee, unter N u t z u n g einer alten Kiesgrube das Freilichttheater Junge Garde erbaut, dessen Architektur sich a n Vorbilder des B a r o c k s anlehnt. Die in A r t eines Amphitheaters ansteigenden Sitzreihen bieten 5000 Zuschauern Platz. 1955 wurde an der Herkulesallee auch das Freilichtpuppentheater Sonnenhäusl mit e t w a 350 Zuschauerplätzen eröffnet. Auf dem beräumten Gelände der früheren Ausstellung, w o die Pioniereisenbahn A n f a n g und Ende findet, sind häufig Volksbelustigungen organisiert. Hier findet auch das alte Dresdner Volksfest, die V o g e l w i e s e , statt. V o r dem zweiten Weltkrieg wurde sie am Johannstädter E l b u f e r abgehalten. D a s überschwemmungsgefährdete Gelände dort wurde nach 1945 durch T r ü m m e r s c h u t t aufgefüllt. Die Ausstellungstradition weiterführend, entstand ferner 1969 eine 100 m lange, stützenfreie Doppelhalle, der 1,3 ha Fläche f ü r Freiraumausstellungen vorgelagert ist. Zoologischer G a r t e n E i n 1955 im Zoologischen Garten errichteter Gedenkstein t r ä g t die Inschrift: „ Z u r Erinnerung an die Gründung des Dresdner Geflügelzüchtervereins 1855, aus dem der Zoologische Garten hervorging." Ausstellungen v o n Vögeln und Säugetieren, die dieser Verein an der heutigen M a x s t r a ß e zeigte, w a r e n der A n l a ß zur Gründung eines Aktienvereins, der am 9. 5. 1861 m i t 39 Säugetieren und 184 Vögeln den Zoologischen Garten eröffnete. A L B I N S C H O E P F , ein A p o t h e ker, w a r sein erster Direktor. Zu den anfänglichen großen Erwerbungen gehörte ein Elefant. Die ersten bedeutenden Erfolge gelangen bei der Z u c h t von L ö w e n und Tigern. Der folgende Direktor, S C H O E P F S Sohn A D O L P H , brachte die ersten Menschenaffen (Orang-Utan) nach Dresden. Hier gelang unter Direktor 9

Dresden

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C4

C 4

GUSTAV BRANDES in den zwanziger Jahren z u m ersten Male die A u f z u c h t eines O r a n g - U t a n s in einem Zoo. D e r völlig vernichtete Zoo ö f f n e t e bereits 1946 wieder seine-Pforten, w e n n auch m i t einem B e s t a n d v o n nur wenigen Tieren. Schritt f ü r Schritt w u r d e n Freif l ä c h e n und Gehege wieder hergestellt und neue angelegt. 1950/51 w u r d e n die E i n g a n g s g e b ä u d e in B e t r i e b genommen, A q u a r i u m , A f f e n h a u s und R a u b t i e r haus, viele weitere G e b ä u d e f ü r T i e r h a l t u n g und B e w i r t s c h a f t u n g sowie ein C a f é entstanden. Zahlreiche Plastiken m i t T i e r m o t i v e n wurden aufgestellt. 1976 w a r der B e s t a n d auf 2 870 Tiere angewachsen. So ist der Dresdner Z o o heute wieder zu einem interessanten und g u t gestalteten A n z i e h u n g s p u n k t für Einheimische und Touristen — 1976 w u r d e n l 1 /^ Millionen Besucher, darunter 7 000 Ausländer, gezählt — sowie einer S t ä t t e wissenschaftlicher Arbeit geworden.

Botanischer Garten Dresden b e s a ß einen Botanischen G a r t e n seit 1820. E r w a r f ü r die Z w e c k e der Chirurgisch-Medizinischen A k a d e m i e (damals im K u r l ä n d e r Palais) auf dem P l a t z der ehemaligen B a s t i o n Mars gegenüber d e m heutigen Volkspolizeikreisa m t Schießgasse durch Professor LUDWIG REICHENBACH, den H o f g ä r t n e r CARL ADOLF TERSCHECK und dessen B r u d e r angelegt worden. N a c h d e m 1879 OSKAR DRUDE, Professor a m Botanischen I n s t i t u t des P o l y t e c h n i k u m s , die L e i t u n g ü b e r n o m m e n hatte, b e g a n n er ihn seit 1889 auf ein Gelände a n der Stübelallee zu verlegen. D e r neue G a r t e n erhielt ein fünfteiliges G e w ä c h s h a u s f ü r W a r m und K a l t h a u s p f l a n z e n , seit 1907 a u c h ein eigenes V i c t o r i a - R e g i a - H a u s ; er h a t t e ein Freigelände v o n reichlich 3 h a und eine landwirtschaftlich-gärtnerische Versuchsstation. Die Freilandanlagen bestehen aus Florengruppen (Ostasien, N o r d a m e r i k a usw.), aus Quartieren nach d e m natürlichen P f l a n z e n s y s t e m , aus G r u p p e n v o n N u t z - und Arzneipflanzen sowie einer genetischen und ökologischen Abteilung. N a c h der Zerstörung aller Häuser und großer Teile der Freilandanlagen 1945 w u r d e der Botanische G a r t e n (Abb. 28), der nunmehr der Technischen Universit ä t unterstellt ist, 1950 wieder eröffnet. Die V e r w a l t u n g s g e b ä u d e und Gewächshäuser w u r d e n wieder a u f g e b a u t , die Freilandanlagen in mühsamer A r b e i t v e r v o l l s t ä n d i g t und zum Teil neu angelegt. D e r Botanische G a r t e n erfüllt wissenschaftliche A u f g a b e n — in ihm ist a u c h eine Zweigstelle des I n s t i t u t s f ü r L a n d s c h a f t s f o r s c h u n g und N a t u r s c h u t z untergebracht — und ist zu einer bei der B e v ö l k e r u n g beliebten A n l a g e f ü r B i l d u n g und E r h o l u n g geworden. E i n e Besonderheit ist die alljährlich im Juni stattfindende B l ü t e der „ K ö n i g i n der N a c h t " (Selenicereus grandiflorus) im Sukkulentenhaus, öffentlich a n g e k ü n d i g t und wegen des regen Besuchs auch bis in die N a c h t hinein zu besichtigen.

C 5 Johannstadt D i e J o h a n n s t a d t heißt so nach K ö n i g JOHANN (S. A 2) und entwickelte sich relativ spät auf dem Teil der Stadtflur, der östlich v o n Sachsenallee und Güntzstraße, westlich der Krenkel- und H u t t e n s t r a ß e , zwischen G r o ß e m G a r t e n und E l b e 118

S t ü b e I a 11 e e

Schauhäuser 1 II III lila IV V

Tropisches Nutz pflanzen haus Victoriahaus Sukkulentenhaus Sukkulenten IFreilandaufsteUung) KalthauspflanzenlFreilandaufstellung) Tropische Nutzhölzer

Freilandquartiere ^ 2 3 . * 5 6 7 8 9 10 +1 M 43

Abb. 28. Botanischer Garten (nach

Sudhemisphäre Ostasien Nordamerika Südeuropa Orient Alpinum Kaukasus Heimische Flora System: Gehölze und Stauden System: Einjährige Nutz-und Heilpflanzen Biologische Gruppen Geschützte Pflanzen

LINKE, SCHRÖDER, SPANOWSKY

1978)

gelegen ist. Bis 1877 zählte dieses Gebiet zur Pirnaischen Vorstadt. Bis 1874 bestand für große Teile zum Schutz des Königlichen Großen Gartens Bauverbot. Daher war hier offenes Land mit einigen wenigen Vorwerken oder ähnlichen Niederlassungen. Auch dieser Teil der Elbtalweitung zeigt den charakteristischen Unterschied zwischen den vorwiegend sandigen, stellenweise sogar mit Dünen besetzten 9*

119

C 5 ebenen Flächen und den darin flach eingesenkten alten Elbläufen mit schweren Aulehmböden. Hier handelt es sich um den von Striesen herkommenden Elbarm, der über Holbein- und Dürerstraße zur Pirnaischen Vorstadt zieht, wo seine Aulehmdecke den Rohstoff für die städtischen Ziegeleien lieferte. Dieser flachen Senke folgte bis 1875 der Landgraben. Als Landgraben bezeichnete man technisch umgestaltete und mehrfach auch verlegte Entwässerungswege, die sich an die vom Südhang kommenden Abflüsse im Talbodenbereich des Elbtals anschlössen. Sie dienten stellenweise auch dem Hochwasserabfluß (Flutgraben) und in früheren Zeiten auch der Landesverteidigung. Im N W des Großen Gartens lag 1498 nahe dem heutigen Fucikplatz der Kranichsee. E t w a s höher stieg das Gelände in den Sandgebieten an, beispielsweise am Windmühlenberg zwischen Dürer- und Wormser Straße und vor allem im Tatzberg in der Nähe der Elbe, wo um 1800 eine große Sandgrube am Rande der Niederterrasse lag, die mit einem 4 m hohen Abfall gegen die Elbwiesen absetzte. Dieser sandige Streifen trug das Tännicht, ursprünglich vorwiegend Kiefernwald, der später in das Birkenwäldchen überging. Vor der Gründung der Stadt Dresden lag auf dem Gebiet der Johannstadt das Dorf Ranvoltitz (1310 Ranuoltycz = dt.-sorb. Mischname: Leute des Ram(w)alt), wahrscheinlich in der Nähe der Kreuzung Striesener Straße/Hans-GrundigStraße. 1316 wurde es letztmalig genannt. Seine Flur ging zum großen Teil in den Besitz des Maternihospitals über (Spittelfelder, Spittelholz). Weiterhin besaßen auch die Kreuzkirche (Brückenamt) und das Neustädter Augustinerkloster Liegenschaften, besonders Weinberge am Tatzberg und Waldstücke im Tännicht, das um 1760 noch bis an die Fetscherstraße reichte. Noch im 19. Jh. führten nur wenige Wege durch das weite Gelände: der Lämmchenweg (Blumenstraße), der Blasewitzer W e g und die Striesener Straße. Verstreut lagen daran einige Besitztümer. Hopfgartens Vorwerk haben wir zwischen Bönischplatz und Gerokstraße zu suchen. Nach 1813 wurde das Vorwerk von der Familie Lidecke bewirtschaftet, die einen gern besuchten Wintergarten pflegte. Die Straßennamen haben die Erinnerung an diese Zeit festgehalten: Blumenstraße, Wintergartenstraße, Hopfgartenstraße. Ein weiteres Vorwerk war 1737 von dem Stück- und Glockengießer J O H A N N G O T T F R I E D W E I N H O L D gekauft worden und hieß seitdem Stückgießers. Die damit verbundene Gaststätte an der Blumenstraße nahe der heutigen Kaufhalle trug seit 1866 den Namen Die Güldene Aue und seit 1901 Blumensäle, in denen sich die sozialdemokratischen Arbeiter zur Maifeier und zu politischen Versammlungen trafen. Hier hielt A U G U S T B E B E L am 31. 1. 1907 seine letzte Rede in Dresden. Beide Vorwerke waren von dem 1640 gegründeten Vorwerk Tatzberg abgetrennt worden, das Schankrecht besaß und seit 1742 Lämmchen hieß. Das Gut wurde 1866 beim Bau der preußischen Schanze V abgebrochen und 1868 Blasewitzer Straße 48 wieder erbaut. Als Wahrzeichen der Elbaue erhob sich zwischen mächtigen mistelbewachsenen Balsampappeln das spätbarocke Schlößchen Antons. Der Oberinspektor der erzgebirgischen Elsterflößerei C H R I S T I A N G O T T L I E B A N T O N hatte es sich 1754 an der Stelle eines eingegangenen Kalkofens erbaut. A m Elbufer unterhalb der Hertelstraße gegenüber dem Waldschlößchen gelegen, ist es auf allen älteren 120

Bildern ein Blickfang. Antons war zeitweise ebenfalls Gaststätte. 1922 rieh- C 5 tete die Stadt nahebei ein Freibad ein. Als in Dresden 1813/14 infolge von Entbehrungen und Seuchen die Sterblichkeit so zunahm, daß die Todesfälle — abgesehen von den militärischen Verlusten — fast das Dreifache der Geburten betrugen, legte die S t a d t Dresden weit außerhalb einen neuen Friedhof an, der zunächst der Weite Friedhof, seit 1834 T r i n i t a t i s f r i e d h o f hieß. Hofbaumeister T H O R M E Y E R entwarf 1814 nach dem Vorbild des Herrnhuter Friedhofs den Plan dazu. Wirklich ausgeführt wurde aber danach nur der Eingang, ein Torpfeiler mit Palmzweigen am heutigen zweiten Tor. Mehrere alte Denkmäler überführte man vom alten Johannisfriedhof hierher. Durch seine Gestaltung ist besonders bemerkenswert der Obelisk für 76 Gefallene der Revolutionskämpfe im Mai 1849. A u c h Persönlichkeiten des Dresdner Kulturlebens fanden hier ihre letzte R u h e s t ä t t e : der Bildhauer E . RIETSCHEL ( 1 8 0 4 — 6 1 ) , d i e M a l e r C . D . FRIEDRICH (1774—J.840) u n d F . v . R A Y S K I (1806—90), der Philosoph, A r z t und Maler C . G . C A R U S (1789—1869), die Musiker F. W I E C K (1785—1873), C . G. R E I S S I G E R (1798 — 1859), der Dichter O. L U D W I G (1813 — 65), die Sängerinnen W I L H E L M I N E S C H R Ö D E R - D E V R I E N T (1804—60) und T H E R E S E M A L T E N (1855 — 1930) sowie F. S T R U V E (1781 — 1840, s. B 3).

Neben dem Trinitatisfriedhof befindet sich seit 1866 der neue Jüdische Friedhof. In der faschistischen Zeit wurden Halle und Grabstellen schwer beschädigt. 1950 stellten Landesregierung und Stadt Mittel für den Ausbau der Halle zur Synagoge zur Verfügung. Viele Grabinschriften künden von dem unermeßlichen Leid, das die jüdische Gemeinde 1933—45 zu ertragen hatte. A l s 1872 die erste Pferdeeisenbahn nach Blasewitz eröffnet wurde, standen nur am Anfang der Gerokstraße und in der Nähe des Königsheimplatzes einige Häuser, sonst fuhr man durch freies Feld. Nach Aufhebung des Bauverbotes 1874 und besonders nach der Anlage der Grunaer Straße schritt die Bebauung rasch vorwärts. Kapitalistische Terraingesellschaften suchten das L a n d spekulat i v zu erschließen. Die Dresdner Ostend-Gesellschaft bebaute die Gegend an der Stübelallee, die Aktiengesellschaft Germania die 1876 angelegte Pfotenhauerstraße. Bodenspekulation trieb die Preise für Bauland bis 120 Mark pro Quadratmeter empor. In der Nähe des Großen Gartens entstanden Häuser in offener Bauweise, sonst aber gaben geschlossene Fronten vierstöckiger Mietskasernen den älteren Straßen der Johannstadt das Gepräge. N a c h der Jahrhundertwende gewannen die Neubauten ein erfreulicheres Gesicht. Vielfach überwogen hierbei allerdings die großen „hochherrschaftlichen" Wohnungen. Die Johannstadt lag mit Striesen in der wichtigsten Wachstumsrichtung der Großstadt. Hier nahm die Bevölkerungszahl außerordentlich rasch zu, von 1870 bis 1890 auf das 27fache, bis 1910 auf das 32fache. Die Gärtnereien, die um 1870 aus der Pirnaischen Vorstadt hierher verlegt worden waren, wanderten 25 Jahre später weiter landwärts. U m 1900 war kein Bauland mehr zu haben. Die Johannstadt war mit Striesen völlig zusammengewachsen. Nur Straßenknicke in der dicht bebauten Gegend um die Huttenstraße lassen erkennen, daß hier zwei nicht aufeinander abgestimmte Bebauungspläne aneinanderstoßen. Johannstadt gehörte nach dem Ortsgesetz von 1878 nicht zu den Fabrikbezirken. Nur längs der Blasewitzer Straße zog sich ein Band industrieller Anlagen hin. 121

Aber auch dort, wo die Vorstadt das Bild ausgesprochener Wohnstraßen bot, beherbergte sie in Hintergebäuden und Hinterhöfen zahlreiche Gewerbebetriebe, vielfach aus Handwerksbetrieben herausgewachsen, zum Teil aber erst später durch die Umgestaltung geeigneter Baulichkeiten entstanden. Vertreten waren vor allem das graphische Gewerbe, die Photo- und die Zigarettenindustrie. Als nach dem Feuersturm der Bombennacht von 1945 die Vordergebäude in Schutt und Asche gesunken waren, konnte man die zahlreichen Schornsteine und Fabrikgebäude in den Hinterhöfen sehen. 1891 — 94 erhielt die Johannstadt die Trinitatiskirche. 1904 zweigte sie sich von der Andreasparochie ab, deren 1902 erbaute Kirche am früheren Stephanienplatz 1945 völlig zerstört wurde. Auch die Schulen der Johannstadt sind bis auf die 1934 bezogene Berufsschule an der Gerokstraße sämtlich vernichtet worden: 4 höhere Schulen und 4 Volksschulen. Mit dem Bau der Albertbrücke 1875 — 77, der heutigen Brücke der Einheit, bekam deren Vorfeld besondere Bedeutung. Hier entstanden einige öffentliche Gebäude in der Zeit des Stadtbaurats ERLWEIN, nämlich das Stadthaus Johannstadt, das heute der Sparkasse dient, und das Kunstgewerbemuseum mit der Kunstgewerbeschule. Heute birgt es das berühmte Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen und das Studiendepot des Münzkabinetts sowie Abteilungen der Hochschule für Bildende Künste. Anschließend folgen Einrichtungen für Gewerbeschule und Technische Lehranstalten, aus denen später die Ingenieurhochschule hervorging. Ergänzt wurde dieser Komplex öffentlicher Gebäude durch das Postamt 16 mit der Bezirksdirektion der Deutschen Post und die Berufsschule, Bauten aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg. Die Johannstadt spielt auch im Gesundheitswesen eine große Rolle. Außer dem 1894 gegründeten Krankenhaus St.-Joseph-Stift bestand seit 1878 im alten Pavillonsystem das Carolahaus an der Gerokstraße. Als die städtischen Krankenanstalten mit dem ständigen Wachstum der Bevölkerung nicht mehr Schritt halten konnten, mußte sich die Stadt zur Errichtung eines neuen Krankenhauses entschließen. Im Birkenwäldchen erwarb sie 63 415 m 2 des ehemaligen Maternifeldes, auf dem 1898—1901 das Johannstädter Krankenhaus nach dem Entwurf des Stadtbaurats E D M U N D B R Ä T E R mit 1 0 Kranken- und 6 Wirtschaftsgebäuden entstand, die man durch einen fast 1 km langen unterirdischen Gang miteinander verband. Nördlich der Terscheckstraße wurde die Staatliche Frauenklinik errichtet. An der Pfotenhauerstraße entstand als eine weitere gemeinnützige Einrichtung das Bürgerheim, das nach seiner Zerstörung 1945 wieder ausgebaut wurde, vorübergehend Teile der städtischen Verwaltung beherbergte und als Feierabendheim Clara Zetkin wieder seiner alten Bestimmung dient. Auf der Elbseite der Pfotenhauerstraße kam vor dem ersten Weltkrieg eine Reihe von Ateliers für die Hochschule für Bildende Künste hinzu, die auch nach ihrer Zerstörung wieder ausbaufähig waren. 1945 wurde die Johannstadt bis auf wenige kleine Teilgebiete, wie am Bönischplatz, am Thomas-Müntzer-Platz und um den Johannes-R.-Becher-Platz, völlig zerstört. Eine Reihe öffentlicher Gebäude, vor allem an der Gerokstraße, konnte wiederaufgebaut werden. Die gesamte Johannstadt beherbergte damals in überfüllten und zum Teil notdürftig bewohnbar gemachten Wohnungen nur 4000 Menschen. 122

Die Johannstadt wurde für mancherlei Wiederaufbaustadien Modellgebiet, zuerst für die planmäßige Enttrümmerung, später für die Entwicklung großer neuer Wohngebiete. Das typische Bild jener ersten Jahre sei festgehalten: — am Johannstädter Elbufer entlang wurden große Mengen von Trümmerschutt abgelagert, so auf dem Gelände der früheren Vogelwiese; — in diesem Stadtteil wurde bereits frühzeitig mit einer großflächigen komplexen Beräumung begonnen; — am Dürerplatz wurde eine Trümmerverwertungsanlage geschaffen; die Straßen säumten große Mengen abgeputzter und gestapelter Ziegel. A n der Gerokstraße wurden riesige Halden von Ziegelbrocken geschüttet als Vorratslager für ein Betonwerk, das Bauteile für den Wiederaufbau fertigt und noch in Betrieb ist, wenn auch das Trümmermaterial längst aufgebraucht ist. Die Anlage steht an der Stelle des früheren Carolahauses. Damit war die Zeit des pausenlosen Betriebes von Trümmerzügen vorbei. Auf den beräumten Flächen wirbelte der Wind lange Staubfahnen auf; Melde, Goldrute und Robiniengestrüpp überzogen als typische Trümmerflora die Flächen, bis Wohnhäuser an die Stelle der größten Trümmerfläche Dresdens traten. Zwar wurde bereits Ende der fünfziger Jahre südlich der Striesener Straße mit dem Wohnungsbau begonnen, aber erst in der ersten Hälfte der siebziger Jahre entstanden in den beiden Gebieten Johannstadt-Nord und Johannstadt-Süd über 6300 Neubauwohnungen. Mit überwiegend vielgeschossigen Bauten veranschaulicht vor allem Johannstadt-Nord typische städtebauliche und architektonische Formen dieses Zeitabschnitts. Johannstadt-Nord, das an der Elsässer und zwischen Gerok- und Pfotenhauerstraße geschlossene Häuserfronten um Innenplätze, an der Elbseite jedoch aufgelockerte, durch Punkthäuser markierte Bebauung zeigt, hat an der Pfotenhauerstraße ein Zentrum mit Kaufhalle, Dienstleistungsgebäude, 3 Schulen und später noch einer Gaststätte erhalten. In Johannstadt-Süd entstand ein Streifen Wohnbebauung längs der Comeniusstraße mit einem kleinen, schon früh angelegten Einkaufszentrum und der 6. POS Otto Grotewohl (in der alten aufgelockerten Bauweise, ehe der allgemeine Schultyp entwickelt wurde) an der Fetscherstraße. Der Schwerpunkt ist mit massierten Hochhäusern zum Fucikplatz verschoben (früher Stübelplatz), an dem • ein Denkmal an den tschechoslowakischen Widerstandskämpfer und Literaturkritiker JULIUS F U C I K erinnert. Längs der Güntzstraße werden die beiden Wohnbaudominanten durch eine Reihe von Hochschulbauten verbunden, die teils der Technischen Universität, teils der Ingenieurhochschule zugehören. Vor dem Studentenwohnheim Ecke Pillnitzer Straße ist ein Denkmal aufgestellt, das den ersten Weltraumflug am 12. 4. 1961 von J U R I G A G A R I N symbolisiert. Der Wiederaufbau hat außer den öffentlichen Gebäuden um die Gerokstraße, darunter die Hochschule für Bildende Künste, Gerokstraße 34, mit Bauteilen des 1900 abgebrochenen Palais Brühl (s. A 5), nicht nur die Industriezeile zwischen Blasewitzer und Fiedlerstraße sowie an der Arnoldstraße (Karosseriewerk) funktionstüchtig gemacht, sondern auch den Krankenhauskomplex erneuert und beträchtlich erweitert (Bild 33). Neubauten für die Orthopädische Klinik, das Pathologische Institut, Rekonstruktion der Chirurgischen Klinik und Ein123

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beziehung der Poliklinik am ehemaligen Fiedlerplatz, werden ergänzt durch die Verwaltungsgebäude, die für die 1954 a u s dem Johannstädter Krankenhaus hervorgegangene Medizinische Akademie Carl Gustav Carus notwendig wurden, und die schon jenseits der Blasewitzer Straße liegenden Studentenwohnheime, die Mensa und ein 1962 — 64 erbautes Schwesternheim.

Innere Neustadt Der rechtselbische Stadtkern wird als Innere Neustadt bezeichnet. Im Innern der Elbkrümmung, deren flaches Ufer heute noch unbebaut ist und wegen regelmäßiger Überflutung nur Wiesennutzung erlaubt, lag etwas abseits des früher nicht hochwasserfreien Neustädter Marktes das 1350 zum ersten Mal in einer Urkunde als Alden Dresden erwähnte Dorf. Der Dorfbrunnen befand sich auf dem bis 1945 erhaltenen Platz Im Grunde. Von dem ältesten Dorf, das den Namen Dresdens trug (s. A), ist nichts mehr vorhanden. Der große Brand von 1685 war der Anlaß zu einer großartigen Umgestaltung, die 1732 dem bescheidenen Altendresden den Namen Neustadt eintrug. Die erheblichen Zerstörungen von 1945 haben viel alte Substanz vernichtet, so daß eine den heutigen Anforderungen entsprechende städtebauliche Neugestaltung unter Erhaltung der historisch bedeutsamen Bauwerke und des Grundrisses erfolgte. Altendresden besaß bis 1483 ein Vorwerk, das zwischen Großer Meißner und Körnerstraße gelegen hat. Die Vorwerksfelder reichten zu beiden Seiten der Leipziger Straße bis etwa an die Erfurter Straße zwischen Elbe und Großenhainer Straße. Die Felder der Bauern schlössen sich ostwärts an und lagen zum Teil noch im Bereich der heutigen Inneren Neustadt. Altendresden erhielt 1403 das Weichbildrecht. Es wurde damit zwar Stadt, blieb aber eine arme Ackerbürgersiedlung ohne Schutz durch Mauern und Türme. Nur ein bewallter Stadtgraben umgab es. 1404 gründete Markgraf W I L H E L M I . das Augustinerkloster an der Klostergasse (Köpckestraße), bald darauf auch die Dreikönigskirche. 1546 begann Herzog M O R I T Z , Wall und Graben des Städtchens ausbauen zu lassen. Dazu mußte eine Reihe Dresdner Bürger nach Neudorf (s. E 1) umsiedeln. Der Befestigungsring zog sich vom Kohlmarkt, der jetzigen Körnerstraße, zum Obergraben und Niedergraben, sollte weiter zu dem 1546 abgebrochenen Kloster geführt werden, blieb aber unvollendet liegen. Erst im Dreißigjährigen Krieg baute W I L H E L M D I L I C H 1632 die Befestigungsanlagen weiter aus, die 1684 von dem Oberlandbaumeister W O L F C A S P A R V O N K L E N G E L verstärkt wurden. Der ganze Halbring, der zwischen Dr.-Conert- und Hospitalstraße stadtwärts und zwischen Anton- und Togliattistraße landwärts gerichtet war, hatte rund 1800 m Länge. Außer 3 Ausgängen zur Elbe gab es im N das Schwarze Tor und im W das Meißner oder Weiße Tor. 1549 wurde das Städtchen in das linkselbische Dresden eingemeindet. Die wirtschaftlichen Verhältnisse Altendresdens besserten sich damit aber nicht. Der Ort besaß nur Holzhäuser mit Schindeldächern. Am Markt, der sich erst mit dem Brückenverkehr entwickelt hatte, stand ein bescheidenes Rathaus, in einem Stich von M E R I A N um 1650 dargestellt. Die Kirche erhob sich auf einem verwinkelten Platz mitten auf der späteren Hauptstraße. 124

Abb. 29. Bebauungsplan Dresden-Neustadt (Original im Staatsarchiv Dresden)

1685 von

W . C.

VON

KLENGEL

A m 6. 8. 1685 brach im Haus des Kunsttischlers T O B I A S E D L E R auf der Meißnischen Gasse ein Brand aus, der das ganze rechtselbische Dresden bis auf Jägerhof, Rathaus und wenige Häuser in Asche legte. Für den Wiederaufbau entwarf W. C . v. K L E N G E L aufgrund seiner Erfahrungen in weiträumig gebauten Städten Italiens, Frankreichs und der Niederlande eine großzügige Stadtplanung (Abb. 29), die allerdings dem heftigen Widerstand der Bürgerschaft begegnete, da ein Drittel der Grundstücke in das neue Straßenland fiel und nicht wieder bebaut werden konnte. Schon 1686 begann K L E N G E L mit dem Durchbruch der künftigen Allee v o m Markt zum Schwarzen Tor, der späteren Hauptstraße, der jetzigen Straße der Befreiung. Nach K L E N G E L S Tod geriet der Wiederaufbau ins Stocken. D a nur ein Teil der Bürger in der Lage war, die Häuser nach den neuen Vorschriften in Stein aufzuführen, stand 1693 erst ein Drittel der Häuser wieder. 1714 wurde die Bebauung durch Erleichterungen gefördert. Der mittelalterliche Grundriß Altendresdens wandelte sich in einen großzügigen barocken Stadtplan um. A n der Stelle der kleinen Behausungen der Ackerbürger entstanden stattliche Barockhäuser, großräumig und mehrstöckig, wie wir sie an der Straße der Befreiung und an der Friedrich-Engels-Straße noch sehen: das Erdgeschoß nach

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dem Baureglement von 1720 gewölbt, die Zimmer im Streben nach Repräsentation 3,50 m hoch. Hatte vor dem Brand fast jede Altendresdner Familie in ihrem eigenen Haus gelebt, so wurde nun das Miethaus Kennzeichen der neuen Stadt, in dem auch sozial bessergestellte Schichten wohnten. Zu den Bürgerhäusern gesellten sich mehrere große Bauwerke: das Japanische Palais (s. D 3), das Blockhaus (s. D 1), die Dreikönigskirche (s. D 2), die 1945 zerstörte Ritterakademie (Ritterstraße) und im Ostteil Kasernen. Nach dem Wiener Kongreß erfolgte 1817 die weitere Abtragung der Wälle und Tore, mit der man bereits 1809 begonnen hatte. Auf dem Vorgelände der Festung, dem Glacis, entstanden Alleen und Gärten. Daher prägte die offene Bauweise die Umgebung der neu entstehenden Bahnhöfe, der Leipziger Bahn 1839 und der Schlesischen Bahn 1847 (s. E 2). Für einige Jahrzehnte wurde die Neustadt das erste Ziel der Besucher Dresdens. Es entstanden Hotels am Bahnhof, auf der damaligen Hauptstraße und in der Nähe der Torhäuser, am Eingang in die Robert-Blum-Straße, Hotel Stadt Coburg, in dem KARL MARX am 24. 9. 1874 abstieg. Die revolutionären Erhebungen von 1830, 1831 und 1849 fanden in der Neustadt mit ihren vielen Kasernen keinen Nährboden. Das Geschäftsleben entwickelte sich nur langsam. Während sich die innere Altstadt zur City umbildete, veränderte die Neustadt ihre Struktur nur wenig. Die damalige Hauptstraße besaß außer der Markthalle nur Wohnhäuser mit kleinen oder mittleren Geschäften im Erdgeschoß. Die breiten Straßen blieben ohne nennenswerten Verkehr. Als gegen Ende des 19. Jh. die Kasernen an den Heiderand verlegt wurden, entstand östlich des Jägerhofes freier Raum. E r wurde unter gleichzeitiger Gestaltung der Elbfront mit Ministerialgebäuden bebaut, und noch 1912 fand sich am Carolaplatz eine genügend große Freifläche für den viel bewunderten, 1945 völlig zerstörten massiven Rundbau des Zirkus Sarrassani. Im Februar 1945 wurde der größte Teil der Inneren Neustadt zerstört. Nur eine halbe Seite der jetzigen Friedrich-Engels-Straße und die Rähnitzgasse blieben unversehrt. Unter Wahrung der ursprünglichen Anlage der Neustadt wurde eine moderne städteplanerische Lösung erarbeitet, die bis zum Stadtring Antonstraße—Bautzner Straße —Hoyerswerdaer Straße ausgedehnt wurde und auch dringende Verbesserungen für den Verkehr einschließt.

D 1 Neustädter Markt Der alte Marktplatz, den ein Bild C A N A L E T T O S zeigt, wurde bei der Neugestaltung Altendresdens wesentlich erweitert. 1738 wurde er durch Aufschüttung auf 112 m ü. N N hoch wasserfrei gemacht. Seine baukünstlerische Ausgestaltung als Brückenkopf war das Leitmotiv der damaligen Konzeption. Teile dieser Konzeption blieben erhalten: die Ausrichtung auf die große Achse der Neustadt, die Straße der Befreiung, die durch das Reiterdenkmal A U G U S T S D E S S T A R K E N und das Blockhaus bestimmt wird. Die Verkehrsachse der früheren Zeit, die Georgi-Dimitroff-, die ehemalige Augustusbrücke und einzige damalige Brücke Dresdens, ist einbezogen worden in die Fußgängerzone Hauptbahnhof—Platz der Einheit; andere Elbbrücken haben die Hauptlast des Verkehrs übernommen, 126

so daß der heutige verkehrstechnische Ausbau der West-Ost-Verbindung voran- D stehen mußte. Der Fußgänger erreicht die Neustadt von der Brücke her durch einen Tunnel. Das B l o c k h a u s , ursprünglich von A U G U S T D E M S T A R K E N als Demonstration seiner Macht in Pyramidenform und seinem Reiterdenkmal als Krönung gedacht, wurde nach mehreren Plänen in einfacher Gestalt von L O N G U E L U N E 1737 als quadratischer Blockbau mit 5 Achsen begonnen, 1749 durch ein Halbgeschoß, 1892 durch Ausbau des Dachgeschosses ergänzt. Seit 1755 diente es als Neustädter Wache. 1945 völlig ausgebrannt, ist es seit 1978 wieder aufgebaut worden. Das R e i t e r s t a n d b i l d A U G U S T S D E S S T A R K E N wurde nach einem Modell von J . J . V I N A C H E von dem Schmied L U D W I G W I E D E M A N N aus Friedrichstadt in Kupfer getrieben, feuervergoldet und 1736 aufgestellt. Statisch ist das sich aufbäumende Pferd durch ein Eisengerüst im Innern gesichert. Als besonders charakteristisches Denkmal Dresdens wurde es nach dem zweiten Weltkrieg restauriert und 1957 wieder aufgestellt. Der bauliche Rahmen des Neustädter Marktes wird auf seiner Nordseite völlig durch die moderne Wohnbebauung beherrscht (Bild 27), die auch die alten Straßenausgänge Altendresdens endgültig verschließt, die Rähnitzgasse und die frühere, nach Radeberg führende Kasernenstraße, vorher Breite Gasse. Dagegen läßt die breite Verkehrsachse der Köpckestraße dem Blick nach W und O ungehindert Raum, bis auch hier neue städtebauliche Lösungen gefunden werden. Das alte Kanzleigebäude in der Großen Meißnischen Straße 15 — jetzt Westteil der Köpckestraße — ist das einzige erhaltene von mehreren charakteristischen Barockhäusern, entstanden unter Mitwirkung von P Ö P P E L M A N N .

Straße der Befreiung

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Als K L E N G E L nach 1685 die niedergebrannte Stadt Altendresden als moderne Stadtanlage plante (Abb. 29), wurde eine prächtige Allee als zentrale Achse vorgesehen. U m den Blick auf das Blockhaus wirksamer zu gestalten, sollte die 540 m lange Straße nicht in gleichbleibender Breite verlaufen, sondern sich von 38 m am Schwarzen Tor bis auf 57 m am Neustädter Markt verbreitern. In umgekehrter Richtung ergab das eine Erhöhung des perspektivischen Effekts, die Straße erscheint länger. Die anfangs mit Linden bepflanzte Allee war im 18. Jh. die glanzvollste Straße Dresdens und bis zur Öffnung der Brühischen Terrasse (s. A 5) zusammen mit der Brücke die Hauptpromenade der Stadt (Bild 25). Mit der Zerstörung der Häuser am Eingang der Allee, der heutigen Straße der Befreiung, ist auch das Neustädter Rathaus, ein 1750—54 nach Entwürfen von J O H A N N C H R I S T O P H K N Ö F F E L und J O H A N N C H R I S T O P H B E R G E R errichtetes, sehr ebenmäßiges Bauwerk mit hohem Mansardendach und Dachreiter, völlig zerstört worden. Doch blieb der Eckbrunnen erhalten, den G O T T F R I E D K N Ö F F L E R 1739 — 42 schuf. E r zeigt eine Nymphe mit einem wasserspeienden Delphin und einen Knaben mit einem Fisch. Wie das beschädigte Gegenstück an der gegenüberliegenden Straßenecke war er nach dem verwitterten Original 1938 127

Abb. 30. Brunnen: 1 Brunnenplastik, Neustädter Markt, von B . T H O M A E 2 Gänsediebbrunnen, Weiße Gasse, von R . D I E Z ; 3 Queckbrunnen, Elsa Fenske-Straße; 4 Mosaikbrunnen im Großen Garten von H . P O E L Z I G 128

von dem Bildhauer P A U L P O L T E aus Kirchleithener Sandstein neu geschaffen worden. A n der westlichen, rekonstruierten Straßenseite (Bild 26) blieben die Häuser 9 — 19 erhalten, darunter das Haus Nr. 13 von 1712. E s zeigt in großen Goldbuchstaben die Worte: ,,An Gottes Segen ist alles gelegen." Darin wohnte im zweiten Obergeschoß die Familie des Malers G E R H A R D V O N K Ü G E L G E N von 1808 bis nach dessen Tod 1820. Sein Sohn W I L H E L M hat uns durch seine „ J u genderinnerungen eines alten Mannes" ein lebendiges Bild des Lebens jener Zeit überliefert. In Nr. 1 7 wohnten der Bildhauer B E N J A M I N T H O M A E (Abb. 30) und sein Schwiegersohn, der Hofbildhauer G O T T F R I E D K N Ö F F L E R ; ihre Werkstatt lag im Hintergebäude Straße der Befreiung 19. Das Gebiet um die Rähnitzgasse bis zur Friedrich-Engels-Straße ist im wesentlichen erhalten geblieben und durch den Bestand an barocken Bürgerhäusern gekennzeichnet. E s wird unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten als Mischgebiet rekonstruiert, in dem neben den für die Modernisierung vorgesehenen Wohnungen und gesellschaftlichen Einrichtungen geeignete Handwerks- und Gewerbebetriebe verbleiben bzw. aufgenommen werden. Bei diesem vorwiegend für den Fußgängerverkehr erschlossenen Gebiet kommen mit den angrenzenden Straßen durch Enge und Weite reizvolle räumliche Kontraste zur Geltung. Die Dreikönigskirche, die nach dem Brand von 1685 bereits 1688 wieder errichtet worden war, mußte 1732 auf Befehl A U G U S T S D E S S T A R K E N abgerissen werden, da sie der Anlage der Hauptstraße hinderlich war. 1732—39 wurde sie nach Plänen von M. D. P Ö P P E L M A N N und G. B Ä H R vom Ratsmaurermeister G O T T F R I E D F E H R E am Rand der Hauptstraße neu errichtet. 1945 blieben von ihr nur die Umfassungsmauern und der an der Westseite liegende erst 1854—57 fertiggestellte Turm erhalten.

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2

Auf der Ostseite der Straße ist neben einem Eckgebäude aus den Gründerjahren die Markthalle stehengeblieben. Sie stammt von 1899, nachdem eine Kaserne — seit 1877 mit Notwohnungen für 2000 Menschen, Elendsquartieren ohne Küchen und Keller, eingerichtet — abgebrochen worden war. Dieser Ostteil der Neustadt war durch militärische Anlagen bestimmt gewesen. Heute ist er wichtigster Teil des Wohngebietes Neustadt geworden. Während an der Straße der Befreiung die Geschoßhöhen mit 6 Stockwerken sich den historisch vorgegebenen Proportionen einfügen, sind an der Werner-Seelenbinder-Straße vielgeschossige Wohnbauten in durchgehender Flucht zu einem Element der städtebaulichen Führung an der Nord-Süd-Verkehrsachse geworden.

Japanisches Palais

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Das Japanische Palais bildet einen der markantesten Punkte der Neustadt. Einbezogen in die Neugestaltung Altendresdens, müssen Palais mit Park, der Karl-Marx-Platz vor dem Palais und die hinführende Friedrich-Engels-Straße als Einheit betrachtet werden. Vorgänger des heutigen Palais war ein 1715 vom Grafen J A K O B H E I N R I C H V O N F L E M M I N G erbautes Landhaus, das — an den holländischen Gesandten vermietet — Holländisches Palais bezeichnet wurde. 1717 kaufte es A U G U S T D E R S T A R K E und ließ es durch M. D. P Ö P P E L M A N N , 129

und Z. L O N G U E L U N E zu einem vierflügeligen Palast umbauen, der das Holländische Palais als Elbfront einschloß, einen Arkadenhof umgab und durch die geschwungenen Dächer der Eckpavillons den „japanischen" Stil gewinnen sollte. Die Ausgestaltung mit Porzellanen kam jedoch nicht zustande. Zeitweise als Magazin benutzt, wurden 1785 Umbauten durchgeführt und die kurfürstliche Bibliothek, die spätere Landesbibliothek (bis 1945, s. E 5), aus dem Zwinger hierher überführt. Aus der gleichen Zeit stammt die Inschrift im Giebelfeld: M U S E U M U S U I P U B L I C O P A T E N S (Museum, dem öffentlichen Gebrauch geöffnet). Von 1786 bis 1887 war auch die Antikensammlung hier untergebracht. Der Garten zwischen Palais und Elbe war als französischer Barockgarten angelegt, mit verschnittenen Hecken und Laubengängen. E r enthielt zahlreiche Skulpturen, die später in den Großen Garten kamen. Bei der Beseitigung der Festungswerke wurde der Garten nach W hin erweitert und im englischen Stil gestaltet. Als letzter Rest der Festungswerke blieb ein Stück des Walles erhalten. Das Palais war 1945 ausgebrannt, der Park durch Bomben verwüstet. Seit 1952 ist das Gebäude schrittweise wieder errichtet, der Park instand gesetzt worden. Allerdings befinden sich anstelle der französischen Zieranlagen heute große Rasenflächen mit einigen prächtigen Bäumen. V o m Japanischen Palais aus, das heute dem Museum für Völkerkunde und dem Landesmuseum für Vorgeschichte dient, bietet sich einer der schönsten Blicke auf die Silhouette der Altstadt und auf die technischen Anlagen des Packhof vierteis. Völlig zerstört wurde östlich des Japanischen Palais das am früheren Kohlmarkt (Verkauf von Holzkohle), später Körnerstraße, gelegene Körnerhaus mit dem Körnermuseum. Im Hause Körnerstraße 7 wohnte 1783—93 G O T T F R I E D K Ö R N E R mit seiner jungen Frau. Hier wurde am 23. 9. 1791 der spätere Freiheitsdichter T H E O D O R K Ö R N E R geboren. 1785 — 87 wohnte F R I E D R I C H S C H I L L E R bei seinem Freund K Ö R N E R . Auch andere berühmte Persönlichkeiten kehrten hier ein, so 1789 W. A. M O Z A R T , 1790 J. W . G O E T H E . Die erste Befestigung der Neustadt lag etwa in der östlichen Häuserfront des heutigen Karl-Marx-Platzes, aber die späteren Befestigungen schoben sich weiter nach W vor. Als Nachfolger des einstigen Weißen Tores hatte, da auch in der entfestigten Stadt Torkontrollen erfolgten, der Hofbaumeister G O T T L O B F R I E D R I C H T H O R M E Y E R zwei Häuser am Leipziger Tor errichtet (Abb. 31), von denen das nördliche in seiner ursprünglichen klassizistischen Gestalt wieder aufgebaut wurde und heute als Standesamt dient. J. DE BODT

Nahe dem Eingang zum Palaisgarten befindet sich das Denkmal F R I E D R I C H A U G U S T S I. (seit 1763 Kurfürst, seit 1806 König, gest. 1827), das von 1843 bis 1929 im Zwingerhof stand. Es war das erste Monumentalwerk E R N S T R I E T S C H E L S . A n d e m E n t w u r f w a r CHRISTIAN DANIEL RAUCH b e t e i l i g t . D i e H a u p t f i g u r i s t

in Lauchhammer gegossen, das Postament von K A R L F R I E D R I C H S C H I N K E L und GOTTFRIED SEMPER geschaffen worden. Die 4 Eckfiguren stellen Gerechtigkeit, Milde, Weisheit und Frömmigkeit dar. Die Friedrich-Engels-Straße, in der Achse des Japanischen Palais angelegt, sollte den Eindruck des Palais steigern. Deshalb erhielten alle Häuser Gesimsund Stockwerkhöhen vorgeschrieben. Der Eingang in der Mitte und die Mittel130

Abb. 31. Leipziger Tor (kolorierter Stich von J. C.

A . RICHTER,

um 1845)

fenster des ersten und zweiten Stockwerks durften architektonisch hervorgehoben werden. Auf der westlichen Straßenseite ist diese einheitliche Gestaltung noch gut zu erkennen. Die Nieritzstraße wurde in geschlossener Bauweise 1844 angelegt.

Nord-Süd-Achse

D 4

Durch die Gestaltung der großen Nord-Süd-Verkehrsachse hat der Ostflügel der Neustadt eine neue Bedeutung gewonnen, nicht nur verkehrsmäßig, sondern auch architektonisch. Abseits liegt der alte J ä g e r h o f , der von 1568 bis 1617 neben dem 1546 abgetragenen Augustinerkloster als größere Anlage entstand. Das heutige, dem Staatlichen Museum für Volkskunst dienende Gebäude ist nur ein Rest davon, der ehemalige Westflügel, in einfachen Formen der Renaissance gehalten. Die Elbfront wird bestimmt durch zwei Ministerialgebäude. Das ehemalige Finanzministerium, das 1896 errichtet und nach 1945 wieder aufgebaut wurde, dient der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei und der Ingenieurschule für Geodäsie und Kartographie als Unterkunft. Der Giebel an der Elbseite zeigt auf Majolikaplatten um die Saxonia gruppierte symbolische Gestalten der wirtschaftlichen und kulturellen Kräfte des damaligen Landes Sachsen. Das Ministerialgebäude östlich des früheren Carolaplatzes wurde 1904 eingeweiht und beherbergt heute den R a t des Bezirkes Dresden. 131

D 4 Als Dominante an der Neustädter Brückenabfahrt erscheint gegenüber den geschlossenen Wohnblöcken an der Werner-Seelenbinder-Straße das Hochhaus der Pädagogischen Hochschule K a r l Friedrich Wilhelm Wander, das mit Hörsaal, Turnhallen und Sozialgebäuden eine Einheit bildet, angelehnt an den ersten Kern, das heutige Lehrgebäude I I I an der Wigardstraße. Dieses wurde dreistöckig auf dem Grundriß der ausgebrannten Dreikönigsschule errichtet, der ältesten Neustädter Schule, die schon 1465 erwähnt wird und in ähnlichem Verhältnis zur Dreikönigskirche stand wie die ältere Kreuzschule zur Kreuzkirche. A n der breiten Straße der Einheit tritt auch sichtbar das Staatsarchiv, Archivstraße 14, durch seine eigenartige, an den Zweck des Magazingebäudes gebundene Fassadengestaltung hervor. E s wurde 1915 nach dreijähriger Bauzeit eröffnet und enthält Urkunden, Akten, Karten und Risse, die im Geschäftsbereich der sächsischen Regierung und ihrer Dienststellen entstanden sind. Die älteste Originalurkunde stammt aus dem Jahre 948. Das 1834 gegründete Archiv war an verschiedenen Stellen, so im Komödien- und Ballhaus sowie Albertinum, untergebracht. Die Akten der Stadt befinden sich im Stadtarchiv, .Marienallee 3.

D 5 Ehemaliger Festungsring Der breite Festungsgürtel hatte seinen Hauptausgang am Schwarzen oder Lausitzer Tor. Von dort führten die wichtigen Straßen stadtauswärts, und dort entstand bei der Neugestaltung ein zentraler Platz, von dem aus sternförmig nach Plänen von Hofbaumeister THORMEYER weitere Straßen angelegt wurden. Der westliche Flügel wurde in Gartengrundstücke aufgeteilt und locker bebaut. Typische Biedermeierhäuser stehen noch Dr.-Conert-Straße 9, 11, 21, Bästleinstraße 5, Carolinenstraße 2, Oberer Kreuzweg 8. Gegen die alte Innere Neustadt war dieses Landhausviertel durch eine hohe Quadermauer abgeschlossen, die Akzisemauer. Hier steht an der Dr.-Conert-Straße nahe der Hainstraße — nach einem alten Birkenhain benannt — das 1878 enthüllte Denkmal für den Jugendschriftsteller und Armenschullehrer GUSTAV NIERITZ. A m Haus OttoWagner-Straße 3 erinnert eine Gedenktafel an AMALIE MARSCHNER (gest. 1883), die Begründerin des 1846 entstandenen Frauenschutzes, eines Altersheimes für Frauen. Der Platz der Einheit, früher Bautzner Platz bzw. Albertplatz genannt, galt in der Mitte des 19. Jh. als einer der schönsten Rundplätze Deutschlands. Durch den zunehmenden Verkehr hat er allerdings seine vornehme Ruhe eingebüßt. Geblieben aber sind die reich mit Bäumen ausgestatteten Grünflächen im Inneren. Von den beiden Prachtbrunnen von ROBERT DIEZ hat sich auf der Osthälfte des Platzes das Stille Wasser erhalten, während der westliche Brunnen, die Stürmischen Wogen (Abb. 22), nach Bombenschäden v o m Institut für Denkmalpflege sichergestellt wurde. An seiner Stelle erhebt sich das am 7. 11. 1945 enthüllte, vom Dresdner Bildhauer OTTO ROST geschaffene Sowjetische Ehrenmal. Südlich des Rundplatzes befindet sich das 1913 eingeweihte Schillerdenkmal von SELMAR WERNER. Die Gestalt des Dichters steht inmitten eines Marmorrundes, dessen Innenflächen in 9 Reliefs Werke SCHILLERS zeigen. 132

Auf der Nordseite des Platzes, dessen B e b a u u n g fast restlos den B o m b e n z u m D 5 Opfer fiel, erhebt sich das elfgeschossige Hochhaus, in Stahlskelettbauweise 1929 errichtet, das erste Hochhaus Dresdens. In Mitleidenschaft gezogen ist auch der Artesische Brunnen, der heute lediglich eine kleine Wassersäule fördert. Westlich des Hochhauses zeigt in der Antonstraße das schiefergedeckte kleine Pyramidendach den eigentlichen Standort der Brunnenbohrung. Mit einem Bohrer der Freiberger Zeche Himmelsfürst wurde 1832 — 36 der Brunnen erbohrt. In 234 m Tiefe stieß man auf artesisch gespanntes Wasser mit einer Ergiebigkeit von 5611/min. D a s Wasser e n t s t a m m t den Niederschlägen, die südlich von Dresden in die anstehenden Kreideschichten einsickern und der Nordostabdachung der muldenförmig gelagerten Schichten bis unter das E l b t a l folgen. Der bedeutendste B a u a m P l a t z der Einheit war das Neustädter Schauspielhaus, das Alberttheater. E s ist von B o m b e n 1945 völlig zerstört worden* A n der Togliattistraße, der früheren Glacisstraße, ist die Tonhalle bereits im Juli 1945 als Kleines Haus der Staatstheater eröffnet worden.

Äußere Neustadt

E

V o r dem Festungsgürtel der N e u s t a d t erstreckten sich bis ins 18. Jh. hinein weithin offene Flächen. V o n einzelnen B a u w e r k e n abgesehen, prägten im N und O Weingärten und bescheidene Häuschen (s. E 4) das Gelände bis an den nahen R a n d der Dresdner Heide. I m W der S t a d t lagen die Felder der Ackerbürger, deren feuergefährdete Gebäude nach dem Stadtbrand v o n 1685 in den Scheunenhöfen nördlich der Lößnitzstraße zusammengezogen worden waren (s. E 3). Dort hatte auch der neue Friedhof der Dreikönigskirche seinen Standort gefunden. Den Außensaum bildete die F l u r von Neudorf (s. E 1), das 1546 beim Festungsbau gegründet worden war. Die weitere E n t w i c k l u n g wurde im W durch die neuen Anlagen der Eisenbahn (s. E 2) bestimmt, während für den Ostteil die Verlegung der Militäranlagen aus der Neustadt an den R a n d der Dresdner Heide maßgebend wurde (s. E 5). Die verschiedenartige E n t w i c k l u n g fand im Ortsgesetz v o m 5. 2. 1878 ihren Ausdruck, das die Leipziger V o r s t a d t bis zur Otto-Buchwitz-Straße, der früheren Königsbrücker Straße, zum Industriebezirk erklärte und damit das weitere Geschehen festlegte.

Leipziger Vorstadt (Neudorf)

E 1

A n der Ostseite der Moritzburger Straße lassen einige Reste alter dörflicher Anwesen aus dem A n f a n g des 19. Jh. die Ortslage von Neudorf erkennen. Die H ö f e waren zum Teil miteinander verbunden und z u m Teil außerordentlich tief. Die 65 ha große Flur erstreckte sich über den heutigen Pestalozziplatz und die Hansastraße (Autobahnzufahrt) hinweg bis an die Häuser des Hechtviertels. W e g s t ü c k e der alten Viehtreibe haben sich in den dortigen Kleingartenanlagen noch erhalten. Der westliche Teil zwischen Erfurter Straße und Oschatzer 10

Dresden

133

E 1 Straße wurde dicht bebaut und schließt ohne Lücke an Pieschen an, zu dem Neudorf heute allgemein gerechnet wird. Neudorf besaß nur Kleinbauern; 1551 wurden insgesamt 39 Gärtner registriert. A m 18. 8. 1550 wurde die Siedlung in das Weichbild aufgenommen und Nawe Stadt oder Nawen Sorge genannt. Die Bürger behielten das Altendresdner Bürgerrecht. Ihre Nachkommen verloren es wieder bis auf einige kleine Vergünstigungen wie Zollfreiheit auf der Elbbrücke. Sie durften keine städtischen Gewerbe betreiben und bildeten eine selbständige Landgemeinde (1625:- ufn Newen Stadt Dorf je). Die Neudorfer Schiffsmühle lag oberhalb der Erfurter Straße am Ausgang des späteren Neustädter Elbhafens. Nach der Mühlenordnung v o n 1661 übte sie den Mahlzwang über Pieschen, Trachau und Mickten aus. Bis 1874 war sie auf den Stadtplänen verzeichnet. Bei Hochwasser und Eisgang konnte das Mühlrad abgenommen, das Wellschiff an das Hausschiff herangezogen und die ganze Mühle in die Mühlweiche, einen kleinen Hafen, hereingezogen werden. A m 1 . 1 . 1866 wurde der Ort mit 2000 Einwohnern als Vorstadt Neudorf nach Dresden eingemeindet und 1875 einschließlich des Gebietes bis zur Görlitzer Eisenbahnlinie Leipziger Vorstadt benannt. Durch die neuen Eisenbahntrassen wurde der engere Ortsbereich zerschnitten mit der Folge, daß sich die Dresdner nunmehr an den großen Ausfallstraßen orientierten, ohne an die alte Gemeinde Neudorf zu denken. Die 1888 erbaute Petrikirche an der Großenhainer Straße ist die Neudorfer Kirche bzw. die der Leipziger Vorstadt. Demgegenüber liegen die alten Schulbauten an der Konkordienstraße (1805, Neubau 1865, jetzt 8. POS) nahe der alten- Dorfanlage.

E 2 Neustädter Bahnhof und Umgebung Auf Anregung F R I E D R I C H L I S T S baute die 1835 gegründete Leipzig—Dresdner Eisenbahn-Compagnie als private Aktiengesellschaft 1836—38 die erste deutsche Fernbahn von Leipzig nach Dresden. Die Oberleitung hatte der Dresdner Wasserbaudirektor T H E O D O R K U N Z . Eine Bronzetafel am Neustädter Bahnhof, Ecke Hansastraße, trägt sein Reliefbild und eine Inschrift. A m 19. 7. 1838 fuhr der erste Eisenbahnzug von Dresden bis Radebeul-Weintraube (s. B d . 22, P 1.8), am 7. 4. 1839 fuhren die ersten Züge zwischen Leipzig und Dresden. Der alte Leipziger Bahnhof (Abb. 32) in Dresden, Eisenbahnstraße 1 und 2, war außerhalb der damaligen Bebauungsgrenze angelegt worden; er wurde 1857 umgebaut. A m 10. 6. 1844 begann der Bau der Görlitzer Bahnlinie. A m 23. 6. 1846 fuhr der erste Zug nach Bautzen. Der zugehörige Schlesische Bahnhof stammte aus dem Jahre 1847. Zur Verbindung der beiden Neustädter Bahnhöfe mit dem Altstädter Böhmischen Bahnhof, dem späteren Hauptbahnhof, wurde 1846—52 im Auftrag des Staates die Marienbrücke durch T H E O D O R K U N Z und J O H A N N G O T X L I E B L O H S E errichtet (13 Pfeiler, Spannweite für die Schiffahrt 26,80 m, Gesamtbrückenlänge 434 m). Die Brücke diente zur einen Hälfte der Eisenbahn, zur anderen dem Straßenverkehr. Da die Züge von der Brücke zum Leipziger oder Schlesischen Bahnhof auf Straßenebene hinfuhren und den übrigen Verkehr immer mehr

134

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Abb. 32. Gebiet um Bahnhof Dresden-Neustadt (Ausschnitt, aus H E S S L E R 1837, revidiert 1852, veröffentlicht bei L Ö F F L E R 1956)

behinderten, plante man eine besondere, viergleisige Eisenbahnbrücke. Sie wurde 50 m unterhalb der Marienbrücke durch Bauinspektor B E R N H A R D K R Ü G E R seit 1898 erbaut. Die Stadt hatte bereits 1894 die alte Marienbrücke für 1,25 Millionen Mark gekauft, um sie in voller Breite für den Straßenverkehr nutzen zu können. Am 1. 10. 1901 wurde sie nach einer Bauzeit von 7 Monaten dem Straßenverkehr übergeben. 1945 zu 30% beschädigt, konnte sie nach ihrer Wiederherstellung am 21. 12. 1946 freigegeben werden. In dem umfangreichen Bauprogramm war auch die Vereinigung der beiden Neustädter Bahnhöfe zu einem Personenbahnhof vorgesehen. Am 1 . 5 . 1898 wurde ein Interimsbahnhof in Betrieb genommen, der Schlesische Bahnhof danach abgebrochen und an seiner Stelle der jetzige Bahnhof Dresden-Neustadt errichtet, der am 1. 3. 1901 zugleich mit der Eisenbahnbrücke dem Verkehr übergeben werden konnte. Der Bahnkörper wurde bei der Neuordnung hochgelegt. So entstanden die Bahnbögen, die vor allem auf Neustädter, aber auch auf Altstädter Seite heute noch verschiedenen Zwecken, beispielsweise als Lager, dienen. Mit der Umwandlung der Eisenbahntrassen und der Neuanlage eines beiden Strecken dienenden Bahnhofs machte sich für die Leipziger Strecke eine neue Linienführung erforderlich, um den Verkehr von N her in den Neustädter Bahnhof einmünden zu lassen (Abb. 32). Dadurch wurden die Anlagen des alten Leipziger Bahnhofs frei und zum Güterbahnhof der Neustadt umgewandelt. Viele Industrieniederlassungen bevorzugten die Nähe der Bahn und die großen 10*

135

E 2 Ausfallstraßen, die Leipziger Straße und die Großenhainer Straße. A n der Leipziger Straße verband sich der Vorteil des Eisenbahnanschlusses mit der Versorgung auf dem Wasserwege. Diese Gunst nutzte beispielsweise ein großes Sägewerk in der Nähe der ehemaligen Schiffsmühle, das das Holz damals noch in großen Flößen zugeführt bekam. Die herrschaftliche Villa des Besitzers am Alexander-Puschkin-Platz (früher Erfurter Platz) dient heute der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Eingangs der Leipziger Straße ließ sich 1866 die Drogenappretur-Anstalt des L U D W I G G E H E nieder, aus der ein bedeutender pharmazeutischer Betrieb entstand, heute Betriebsteil des V E B Arzneimittelwerk. Zwischen Leipziger Straße und Bahn entwickelte sich das geschlossene Industriegebiet, in dem die Steingutfabrik Villeroy und Boch, gegründet 1854, heute V E B Sanitärporzellan — auf ihrem Gelände Ringkammerbrennöfen von etwa 1860, wegen ihrer Form Bienenkorböfen genannt und als technische Denkmale ausgewiesen —, und der alte Dresdner Schlachthof seit 1873 (s. C 1) die beiden wichtigsten Betriebe waren. Heute noch ist dieser Baublock von der Industrie und den transportabhängigen Lagerbetrieben besetzt. Eine zweite Industriezeile entwickelte sich längs der Großenhainer Straße, gleich eingangs beherrscht durch die ehemalige Nähmaschinenfabrik von C L E M E N S M Ü L L E R , die lange Zeit die bedeutendste Produktionsstätte ihrer Art darstellte (heute V E B Reglerwerk). Von den weiter folgenden Betrieben der linken Straßenseite sei nur das ehemalige Dampfhammerwerk an der Liststraße erwähnt, das später aufgelassen worden und verschwunden ist — weil störend für die Bewohner —, entstanden doch an der Großenhainer und Fritz-ReuterStraße große Blöcke mit Eisenbahnerwohnungen. Die rechte Straßenseite blieb fast völlig frei. Hier siedelten sich später der Orgelbaubetrieb der Gebrüder Jehmlich (heute V E B Orgelbau Dresden) und ein pharmazeutisch-chemischer Betrieb — heute zum V E B Arzneimittelwerk Dresden gehörend — an.

E

3 Mittlerer Norden Eine eigenartige Entwicklung zeigt der Zwickel zwischen Großenhainer und Otto-Buchwitz-Straße. Während Leipziger und Großenhainer Straße zu bedeutenden Ausfallstraßen wurden, verkümmerte die nächste nach N führende Straße, die alte Radeburger Landstraße. Von der Rähnitzgasse ausgehend, war sie schon beim Ausbau der Festungsanlagen Altendresdens ohne eigenes Tor geblieben. Nach dem Stadtbrand von 1685 entstanden aber im Bereich der heutigen Friedensstraße an ihr zwei Neuanlagen: die Scheunenhöfe und der Innere Neustädter Friedhof. Wegen der Brandgefahr wurden die Scheunen der Ackerbürger aus der Stadt verbannt und in der Nähe des alten Bischofsweges an der Friedensstraße neu angelegt. Leider sind von den Scheunenhöfen kaum noch erhaltenswerte Reste als Zeugen der ehemaligen ackerbürgerlichen Tätigkeit übriggeblieben. Doch ist die alte Dresdner Bezeichnung Scheunenhof viertel noch gelegentlich zu hören. Auf der anderen Seite der Friedensstraße wurde 1732 der (Innere) Neustädter Friedhof eröffnet, da der a l t e ' Dreikönigskirchhof der neuen Hauptstraße Altendresdens (s. D 2) weichen mußte. Auf keinem anderen sächsischen Friedhof 136

ist eine vergleichbare Fülle bemerkenswerter barocker Grabplastiken erhalten E 3 geblieben. Hier befand sich bis 1980 auch ein einmaliges Denkmal der Dresdner Renaissanceplastik, der Totentanz, ein Sandsteinrelief von 1,20 m Höhe, 12 m Länge und mit 27 Figuren. An bekannten Persönlichkeiten sind bestattet ADAM ZÜRNER Bildhauer

(1680—1742),

der Hofgeograph

GOTTFRIED KNÖFFLER

( 1 7 1 5 — 79),

AUGUSTS DES der

Bildhauer

STARKEN,

der

ROBERT DIEZ

(1844-1922).

Durch den Schlesischen Bahnhof, die hinter ihm entstehenden Eisenbahnwerkstätten und die Dresdner Gasversorgungsanstalt an der Lößnitzstraße (1865 bis 1926 in Betrieb), noch mehr durch die neue Eisenbahntrasse der Leipziger Strecke, geriet dieser Teil der Neustadt in einen toten Winkel, der wegen seiner schweren Erreichbarkeit weithin unbebaut blieb. An der Fritz-Reuter-Straße siedelten sich flächenbedürftige Lagerbetriebe an (Holzhandel, Baubetriebe), nördlich der Eisenbahn entstand eine Sportanlage, die nach dem zweiten Weltkrieg als Stadion der Bauarbeiter mit einer Radrennbahn ausgestaltet wurde. Im übrigen wurde der ausgedehnte Freiraum zu wohlorganisierten Kleingartenkolonien ausgebaut. Bemerkenswerterweise drang die Besiedlung von den Außenrändern in die Freiflächen vor. Schon 1836 hatte der Dresdner Polizeidirektor HANS LUDWIG VON OPPELL ein 82 Scheffel großes Sandfeld und 1841 weitere 9 Scheffel, insgesamt also etwa 23 ha Land, zwischen Buchenstraße, Otto-Buchwitz-Straße (Königsbrücker Straße) und Platz der Thälmannpioniere (Alaunplatz) gekauft, das bis 1833 als Artillerieübungsplatz gedient hatte. Das Areal hieß Auf dem Hecht, weil ein Weg nach Hechts Weinberg in Trachenberge bzw. seinem Gasthaus Zum Blauen Hecht (s. F 6) hindurchführte. 1842 erhielt OPPELL einen Bebauungsplan für Kleinhäuser in offener Bauweise genehmigt. Die Besiedlung ging aber nur langsam vor sich. Bis 1846 gab es keine Schleuse, bis 1876 kein Straßenpflaster und keine Steinfußwege. 1872 stiftete ein Großkaufmann 100000 Mark zum Bau von Arbeiterwohnhäusern, die in bescheidenster Form auf der nach ihm benannten Johann-Meyer-Straße stehen (Nr. 40—54). 1875 wurde die Errichtung hoher Mietshäuser in geschlossener Bauweise gestattet. Zwar lagen an der Otto-Buchwitz- (Königsbrücker), Rudolf-Leonhard-(Oppell-) und Hechtstraße noch große Gärtnereien, doch hatte die Oppellvorstadt, wie sie nichtamtlich hieß, 1875 schon 6793, im Jahre 1890 aber 13200 Bewohner. Es entstand ein ausgesprochenes Arbeiterviertel mit der höchsten Wohndichte in Dresden (1910: 672 Personen je ha), durch das seit 1881 die gelbe Pferdebahn mit Oberdeckwagen vom Postplatz bis zum Arsenal (Industriegelände) verkehrte. 1901—45 fuhr durch die Hechtstraße eine elektrische Straßenbahn zur Buchenstraße und zum St.-Pauli-Friedhof, der 1862 angelegt worden war. Die Bevölkerung der Oppellvorstadt erhielt 1891 die St.-Pauli-Kirche, 1945 zur Ruine geworden. Der St.-Pauli-Friedhof, zuerst als Äußerer Neustädter Friedhof bezeichnet, war bereits 1862 am Hang der Hellerterrasse geschaffen worden. Die Bauten wurden nach Entwürfen des Landbaumeisters KARL CANZLER ausgeführt. Der Friedhof diente auch als Begräbnisstätte der Soldaten, die Opfer der Kriege von 1866 und 1870—71 geworden waren. Im Februar 1945 entstanden im nördlichen Teil des Hechtviertels auf größeren

137

E 3 Flächen Totalschäden. Sie wurden durch moderne Wohnbauten ersetzt. An die Stelle der früheren Schule aus der Zeit der Jahrhundertwende trat ein lichter moderner Bau, die 30. POS Wilhelm Pieck. Wie die an der Schanzenstraße auf Trümmerflächen geschaffenen Grünanlagen, so bilden die neuen Wohnhäuser einen sehr wirksamen Kontrast zu älteren, engbebauten, wenn auch traditionsreichen Arbeitervierteln am Roten Hecht. Nach dem ersten Weltkrieg war an der Hechtstraße vor dem bewaldeten Steilhang der Hellerterrasse eine moderne genossenschaftliche Wohnsiedlung entstanden, auf einem Gelände, das im 19. Jh. zum Gutsbezirk des Wilden Mannes gehört hatte (s. F6). Von den ausgebauten Straßen entspricht die westliche Begrenzungsstraße, die Bärnsdorfer Straße, der alten Radeburger Landstraße. Die Bebauungslücke in Fortsetzung der Hansastraße bot eine günstige Gelegenheit, die Zufahrt zur Autobahnauffahrt Dresden-Nord großzügig anzulegen. Dieser Straße mußte der alte Gasthof Zum Blauen Hecht weichen.

E 4 Beiderseits der Bautzner Straße Im Mittelalter war Altendresden imN undO vom Heidewald umschlossen. Nach allmählicher Rodung wurden Felder und Weingärten vom Elbufer bis zur Prießnitz angelegt. Raubbau an den verbliebenen Waldflächen im Dreißigjährigen Krieg ließ große Kahlflächen entstehen, von denen der Wind den bloßgelegten Sand weitertrug. Dadurch versandeten Äcker und Weinberge, so daß sich um 1700 eine weite unbebaute Fläche, der Sand genannt, vor dem Schwarzen Tor ausbreitete. Die wichtige Straße nach Stolpen und Bautzen führte nahe der Elbe ostwärts, die weniger bedeutungsvolle Straße nach Langebrück und Königsbrück vom Schwarzen Tor nach N. 1687 entstand als erste Anlage der kurfürstliche Holzhof. Eine größere Anzahl von Gaststätten, die die vor den Toren der Neustadt sich erholenden Dresdner stark anzogen, bildeten die Erstbesiedlung. Dazu gehörten an der Bautzner Straße ein längst eingegangenes Ballhaus und der Coselsche Garten an der Holzhofgasse. 1734 kam das spätere Linckesche Bad dazu,das 1764 Kurbad wurde und 1776 daneben ein Sommertheater erhielt. C A R L M A R I A V O N W E B E R weilte wiederholt in den Sommermonaten auf Altcosels Garten (Südseite der Holzhofgasse) und schuf hier 1820 seine „Preziosa" und 1825 die Ouvertüre und die Schlußfassung der Wolfsschluchtszene vom „Freischütz". Das Weberhäuschen wurde 1945 beim Luftangriff zerstört, ebenso Holzhofgasse 20, gegenüber dem Diakonissenkrankenhaus, die Villa Rosa von G. S E M P E R (1839), die als T y p für den Villenbau bis zum Ende des 19. Jh. bestimmend war. 1753 entstand im alten Glacis die Goldene Brezel, aus der schließlich nach vielerlei Zwischennutzungen das Kleine Haus der Staatstheater an der Togliattistraße wurde. 1758 zählte der ganze Anbau auf dem Sande (Abb. 33) mit seinen 348 ha Fläche nur 49 Besitzer, von denen 20 innerhalb der Weichbild grenze von der Lessing-, früher Carlstraße bis zu den Scheunenhöfen wohnten und damit dem Rat der Stadt, 29 weiter außerhalb Wohnende dem kurfürstlichen Amt unterstanden. Störende Einrichtungen, wie die Pulverhäuser (1750—64) und der Galgen (bis 1732), hemmten die Besiedlung. Erst nach Verlegung der Pulverhäuser 138

wurden die spätere Alaunstraße und die Louisenstraße angelegt. Die Zerstörung E 4 Dresdens 1760 durch die Preußen veranlaßte obdachlos gewordene Bürger, sich auf dem Sande anzusiedeln. Dazu gehörten wahrscheinlich auch die böhmischen Gärtner aus den 1760 niedergebrannten Vorstädten, was zu dem Namen Böhmische Straße führte. Einzelne Gewerbebetriebe ließen sich nieder, so die im Straßennamen noch weiterlebende Alaunflußsiederei am Alaunplatz, dem heutigen Platz der Thälmannpioniere, eine Eisengießerei am Ende der Bautzner Straße, die 1787 zu einer Meierei des Grafen M A R C O L I N I umgewandelt wurde. Sein Landhaus, der erste neugotische Bau Dresdens aus der Zeit nm" 1790 (Radeberger Straße 60), gab der 1836 gegründeten Brauerei den Namen Zum Waldschlößchen. 1830 besaß der Neue Anbau auf dem Sande 354 Häuser und wurde 1835 als Antonstadt — benannt nach König A N T O N (Regierungszeit 1827—36) — nach Dresden eingemeindet. Die Bewohnerzahl stieg zwischen 1831 und 1910 von 3745 auf 56674. Die einstige Gartenvorstadt zwischen Alaun- und Prießnitzstraße wandelte sich mit der Industrialisierung in ein übervölkertes Arbeiterwohnviertel um. 1833 wurde die Schokoladenfabrik Jordan und Timäus gegründet, nach deren Inhabern heute 2 Straßen heißen. Da sich die planmäßige Ordnung um einen zwischen Alaun- und Martin-Luther-Straße vorgesehenen zentralen Marktplatz nicht verwirklichen ließ, wuchs die Antonstadt recht planlos. Die heutige Rothenburger Straße beispielsweise wurde erst 1869 bis zur Louisenstraße durchgeführt. Auf den Grundstücken Prießnitzstraße 9 und Pulsnitzer Straße 12 liegt der Alte Israelitische Friedhof, der von 1751 bis 1868 benutzt wurde. Die Schulgeschichte wirft manch bezeichnendes Licht auf die sozialen Verhältnisse des Anbaus. 1777 richtete der Oberkonsistorialrat Dr. R Ä D L E R in seinem Gartenhaus auf der Louisenstraße die erste Schule auf dem Sande ein. 1789 wurde für sie das noch vorhandene Haus Louisenstraße 59 gebaut. Es war eine Arbeitsschule, in der die Kinder, die kein Schulgeld bezahlten, von nachmittags 13 bis 18 Uhr in einer von drei Arbeitsklassen arbeiten mußten (eine Flachsspinnerei-, eine Schafwollspinnerei- und eine Strick- und Nähklasse). Es war also eine Form der Kinderarbeit. Aus dieser Schule ging 1823 die Armenschule Louisenstraße 37 hervor. Im Grundstück Louisenstraße 37 wurde 1857 durch einen Kinderbeschäftigungsverein eine Holzspalterei eingerichtet. Die weitere Schulgeschichte der Antonstadt widerspiegelt die Bevölkerungskonzentration des 19. Jh. Aus Mitteln der Stiftung des Hofarztes Dr. N E I D E entstand 1787 auf der Wasserstraße (Reichpietschufer 6) eine Schule für die böhmische Gemeinde, die 1843 in die Togliattistraße 30 verlegt wurde. Weiter war 1841 die Schule Görlitzer Straße 10 (15. POS) hinzugekommen und 1864 die Aushilfsschule auf dem Sande Görlitzer Straße 8 (Haus B der 15. POS). 1874 wurde die Bürgerschule Rothenburger Straße 35 (13. POS) errichtet und 1889 die heutige 22. POS Dr. Richard Sorge, Louisenstra£\e 42. Unmittelbar daneben ist die Medizinische Fachschule des Stadtkrankenhauses DresdenNeustadt eingerichtet. Einen Neubau bezog die 4. POS Karl Stein in der Löwenstraße am Elbufer. In diesen Jahrzehnten bildete sich im Bebauungsbild die soziale Differenzierung in der Antonstadt deutlich ab. Die recht eintönige Bauweise (Bilder 28 u. 29),

139

Abb. 33. N e u e r A n b a u auf dem Sande 1797 (Ausschnitt, Original in Sächsischer revidiert 1852, veröffentlicht bei L Ö F F L E R 1956)

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