Die Verwertbarkeit gem. 28 USC 1782(a) erlangter Beweismittel im deutschen Zivilprozess: Dissertationsschrift 9783161576218, 9783161576225, 3161576217

Im deutschen Zivilprozess gilt der Beibringungsgrundsatz. Danach obliegt es den Parteien, die für sie vorteilhaften Info

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Titel
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil: Einleitung
§ 1 Einführung in das Thema
Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)
§ 2 Die discovery
A. Ablauf
B. Formen
I. Depositions
II. Written Interrogatories
III. Physical and Mental Examinations
IV. Requests for Admission
V. Entry onto Land or other Property
VI. Production of Documents
C. Voraussetzungen
I. Relevanz und Verhältnismäßigkeit
II. Ausnahmen von der discovery: Privileges und work product rule
III. Schutz im Einzelfall: protective orders und confidentiality orders
D. Discovery außerhalb der USA belegener Beweismittel
E. Sanktionen
F. Kosten
§ 3 28 USC § 1782(a)
A. Tatbestand
I. Antragsberechtigter Personenkreis
II. Zuständigkeit im Rahmen von 28 USC § 1782(a)
III. Kein foreign discoverability requirement
IV. 28 USC § 1782(a) und außerhalb der USA belegene Beweismittel
B. Rechtsfolge
C. Umfang der verfügbaren discovery
D. Privileges von 28 USC § 1782(a)
E. Exkurs
Dritter Teil: Bestimmung des Prüfungsmaßstabs
§ 4 Volle Geltung deutschen Rechts, keine Reduktion auf den ordre public
A. Keine direkte Anwendung von § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO
B. Keine analoge Anwendung von § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO
I. Keine vergleichbare Interessenlage
II. Erst-Recht-Schluss unzulässig
III. Kein Argument aus § 369 ZPO
IV. Kein Argument aus der prozessualen Maßgeblichkeit der lex fori
V. Zwischenergebnis
C. Zwischenergebnis
§ 5 Prüfungsmaßstab des deutschen Rechts
A. Materiell-rechtliche Ansätze
I. Darstellung
II. Analyse
1. Kein Verstoß gegen materielles Recht
a) Strafrecht
b) Zivilrecht
c) Kein Verstoß gegen deutsches öffentliches Recht
2. Kritik an den materiell-rechtlichen Ansätzen
a) Verhältnis von materiellem Recht und Prozessrecht
aa) Keine Bezugnahme auf §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 BGB
bb) Keine Bezugnahme auf den Schutzzweck des materiellen Rechts
cc) Keine Bezugnahme auf Treu und Glauben
b) Weitere Kritikpunkte
aa) § 1004 BGB
bb) Schutzzweck des materiellen Rechts
cc) Treu und Glauben
B. Prozessrechtlicher Ansatz
I. Darstellung
II. Analyse
C. Verfassungsrechtlicher Ansatz
I. Darstellung
II. Analyse
III. Kritik am verfassungsrechtlichen Ansatz
1. Geltung der Grundrechte
a) Keine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte
b) Mittelbare Drittwirkung der Grundrechte
c) Folgen für die Verwertbarkeit von Beweismitteln
d) Zwischenergebnis
2. Anwendungsvorrang des einfachen Rechts
3. Legitimatorische Grenzen richterlicher Rechtsanwendung
IV. Zwischenergebnis
Vierter Teil: Bestimmung der Verwertbarkeit gem. 28 U. S. C. § 1782(a) erlangter Beweismittel anhand des verfassungsrechtlichen Ansatzes
§ 6 Eingriff
A. Schutzbereich der relevanten Grundrechte
I. Natürliche Personen
II. Juristische Personen
1. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
2. Anderweitige Informationen
a) Streitstand
aa) Durchgriffsthese
bb) Grundrechtstypische Gefährdungslage
b) Grundrechtlicher Schutz nach beiden Auffassungen
c) Zwischenergebnis
III. Kein Schutz offenkundiger Informationen
IV. Anwendung auf gem. 28 USC § 1782(a) erlangte Beweismittel
B. Beeinträchtigung des Schutzbereichs
C. Zwischenergebnis
§ 7 Rechtfertigung
A. Gesetzliche Grundlage des Eingriffs
I. Erhebung und Verwertung gem. §§ 355 ff. ZPO und § 286 ZPO
II. Keine Verwertung gem. § 493 ZPO
1. Keine direkte Anwendung von § 493 ZPO
2. Keine analoge Anwendung von § 493 ZPO
III. Zusammenfassung
B. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
I. Legitimer Zweck
II. Geeignetheit
III. Erforderlichkeit
1. Subsidiarität gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel
2. Kritik
3. Zwischenergebnis
IV. Angemessenheit
1. Bildung der praktischen Konkordanz der widerstreitenden Grundrechte
2. Kritik an der Methode der Bildung praktischer Konkordanz
3. Konsequenzen für die Bildung praktischer Konkordanz
4. Beweisrechtliche Geheimverfahren
a) Zulässigkeit beweisrechtlicher Geheimverfahren im Zivilprozess
aa) Streitstand
bb) Stellungnahme
b) Keine geeignete Lösung für 28 USC § 1782(a)
c) Zusammenfassung
5. Sammlung der relevanten Wertungen
a) Für die Verwertbarkeit sprechende Wertungen
aa) „Wahrheitszweck“ des Zivilprozesses
bb) Notwehr des Beweisführers
cc) Grundsatz der Prozessökonomie
dd) Drohende Verlagerung von Prozessen in die USA
ee) Zusammenfassung
b) Gegen die Verwertbarkeit sprechende Wertungen
aa) Grundsatz der Waffengleichheit
(1) Historische Entwicklung und normative Verankerung
(2) Inhaltliche Anforderungen
(3) Konsequenzen für die Bildung praktischer Konkordanz
bb) Verbot ausforschender Beweisanträge
cc) Nemo contra se edere tenetur
(1) Geltung des nemo tenetur-Grundsatzes im Zivilprozess
(a) Keine Verallgemeinerung punktueller Aufklärungspflichten
(b) Kein prozessualer Wahrheitszweck
(c) Historische Grundlagen
(d) Zwischenergebnis
(2) Konsequenzen für die Bildung praktischer Konkordanz
dd) Beweislastverteilung
ee) Datenschutz
(1) Anwendbarkeit des europäischen Datenschutzrechts
(a) Sachlicher Anwendungsbereich
(aa) Personenbezogene Daten
(bb) Ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung von Daten
(b) Räumlicher Anwendungsbereich
(c) Zwischenergebnis
(2) Rechtsfolge: Allgemeines Verbot mit Erlaubnisvorbehalt
(a) Datenübermittlung in einen Drittstaat, Art. 44 ff. DSGVO
(aa) Art. 45 DSGVO
(bb) Art. 46 DSGVO
(cc) Art. 47 DSGVO
(dd) Art. 48 DSGVO
(ee) Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO
(ff) Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 lit. e) DSGVO
(gg) Art. 49 Abs. 1 UAbs. 2 und Abs. 6 DSGVO
(hh) Zwischenergebnis
(b) Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung gem. Art. 6 DSGVO
(aa) Keine Einwilligung der Betroffenen
(bb) Keine gesetzliche Verpflichtung gem. Art 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO
(cc) Interessenabwägung, Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO
(c) Zwischenergebnis
(3) US-Recht: Vorlagepflicht auch entgegen Datenschutzrecht
(4) Konsequenzen für die Bildung praktischer Konkordanz
ff) Vorbehalt gem. Art. 23 Haager Beweisübereinkommen
(1) Geltendes Recht
(2) Gescheiterte Reform von § 14 Abs. 2 AGHBÜ
(3) Konsequenzen für die Bildung praktischer Konkordanz
§ 8 Ergebnis der verfassungsrechtlichen Prüfung
§ 9 Folgeproblem: Sachvortragsverwertungsverbot
A. Grundrechtliche Relevanz der Verwertung von Sachvortrag
B. Prozessuale Konsequenzen
C. Ergebnis
Fünfter Teil: Schlussbetrachtungen
§ 10 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Die Verwertbarkeit gem. 28 USC 1782(a) erlangter Beweismittel im deutschen Zivilprozess: Dissertationsschrift
 9783161576218, 9783161576225, 3161576217

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Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 163 herausgegeben von

Rolf Stürner

Fabian Klein

Die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel im deutschen Zivilprozess

Mohr Siebeck

Fabian Klein, geboren 1986; Studium der Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und an der Université Paris 2 Panthéon-Assas; Rechtsreferendariat am Kammergericht Berlin; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Ökonomik, Humboldt-Universität zu Berlin; seit 2017 Rechtsanwalt in Berlin. orcid.org/0000-0001-6312-6418

ISBN 978-3-16-157621-8 / eISBN 978-3-16-157622-5 DOI 10.1628/978-3-16-157622-5 ISSN 0722-7574 / eISSN 2568-7255 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzu­lässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen aus der Times New Roman gesetzt und von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden Printed in Germany.

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin im Wintersemester 2018/2019 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind im Wesentlichen auf dem Stand von September 2017. Für die Druckfassung wurde die am 25. Mai 2018 in Kraft getretene Datenschutz-Grundverordnung berücksichtigt. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater, Professor Dr. Gerhard Wagner. Er hat die Arbeit angeregt und hat ihre Entstehung mit großem Engagement und wertvollem Rat begleitet. Die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl hat mich sowohl fachlich als auch persönlich geprägt und bereichert. Professor Dr. Christoph Paulus hat das Zweitgutachten erstellt. Dafür möchte ich auch ihm herzlich danken. Großer Dank gilt auch Simon Welzel für seine vielfältigen Anregungen zur Dissertation und für das umfangreiche Korrekturlesen des Manuskripts. Schließlich danke ich dem Arbeitskreis Wirtschaft und Recht im Stifterverband für die deutsche Wissenschaft, der das Entstehen dieser Arbeit mit einem Promotionsstipendium gefördert hat. Berlin, im Mai 2019

Fabian Klein

Inhaltsverzeichnis Vorwort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .VII Abkürzungsverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV

Erster Teil: Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 § 1 Einführung in das Thema  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1

Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a) . . . . . . . . . .7 § 2 Die discovery  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7 A. B.

C.

D. E. F.

Ablauf  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8 Formen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 I. Depositions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 II. Written Interrogatories . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 III. Physical and Mental Examinations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 IV. Requests for Admission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 V. Entry onto Land or other Property. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 VI. Production of Documents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 Voraussetzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13 I. Relevanz und Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13 II. Ausnahmen von der discovery: Privileges und work product rule . . . .15 III. Schutz im Einzelfall: protective orders und confidentiality orders . . . .16 Discovery außerhalb der USA belegener Beweismittel  . . . . . . . . . . . . . . . .17 Sanktionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19 Kosten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20

§ 3 28 USC § 1782(a)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22 A.

B. C. D.

Tatbestand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23 I. Antragsberechtigter Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 II. Zuständigkeit im Rahmen von 28 USC § 1782(a) . . . . . . . . . . . . . . . . 24 III. Kein foreign discoverability requirement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28 IV. 28 USC § 1782(a) und außerhalb der USA belegene Beweismittel . . .29 Rechtsfolge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31 Umfang der verfügbaren discovery  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35 Privileges von 28 USC § 1782(a)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36

X

E.

Inhaltsverzeichnis

Exkurs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36

Dritter Teil: Bestimmung des Prüfungsmaßstabs  . . . . . . . . . . . . . . . . . .39 § 4 Volle Geltung deutschen Rechts, keine Reduktion auf den ordre public  39 A. B.

C.

Keine direkte Anwendung von § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO  . . . . . . . . . . . . . . . 40 Keine analoge Anwendung von § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO  . . . . . . . . . . . . . . .41 I. Keine vergleichbare Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .41 II. Erst-Recht-Schluss unzulässig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44 III. Kein Argument aus § 369 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .45 IV. Kein Argument aus der prozessualen Maßgeblichkeit der lex fori . . . .47 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48 Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48

§ 5 Prüfungsmaßstab des deutschen Rechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49 A.

B. C.

Materiell-rechtliche Ansätze  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50 I. Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50 II. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51 1. Kein Verstoß gegen materielles Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52 a) Strafrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52 b) Zivilrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52 c) Kein Verstoß gegen deutsches öffentliches Recht . . . . . . . . . . . .54 2. Kritik an den materiell-rechtlichen Ansätzen  . . . . . . . . . . . . . . . . .54 a) Verhältnis von materiellem Recht und Prozessrecht  . . . . . . . . . .54 aa) Keine Bezugnahme auf §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 BGB  . . . .56 bb) Keine Bezugnahme auf den Schutzzweck des materiellen Rechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57 cc) Keine Bezugnahme auf Treu und Glauben  . . . . . . . . . . . . .57 b) Weitere Kritikpunkte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59 aa) § 1004 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59 bb) Schutzzweck des materiellen Rechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . .59 cc) Treu und Glauben  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 Prozessrechtlicher Ansatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .61 I. Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .61 II. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62 Verfassungsrechtlicher Ansatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .63 I. Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .64 II. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .66 III. Kritik am verfassungsrechtlichen Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .66 1. Geltung der Grundrechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .66 a) Keine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte  . . . . . . . . . . .67 b) Mittelbare Drittwirkung der Grundrechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . .68 c) Folgen für die Verwertbarkeit von Beweismitteln  . . . . . . . . . . .70



Inhaltsverzeichnis

XI

d) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .72 2. Anwendungsvorrang des einfachen Rechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .72 3. Legitimatorische Grenzen richterlicher Rechtsanwendung  . . . . . . .73 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .74

Vierter Teil: Bestimmung der Verwertbarkeit gem. 28 U. S. C. § 1782(a) erlangter Beweismittel anhand des verfassungsrechtlichen Ansatzes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .75 § 6 Eingriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .75 A.

B. C.

Schutzbereich der relevanten Grundrechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .75 I. Natürliche Personen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .76 II. Juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .78 2. Anderweitige Informationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .79 a) Streitstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .79 aa) Durchgriffsthese  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .79 bb) Grundrechtstypische Gefährdungslage  . . . . . . . . . . . . . . . .80 b) Grundrechtlicher Schutz nach beiden Auffassungen  . . . . . . . . .80 c) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82 III. Kein Schutz offenkundiger Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82 IV. Anwendung auf gem. 28 USC § 1782(a) erlangte Beweismittel . . . . . 83 Beeinträchtigung des Schutzbereichs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .85 Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .87

§ 7 Rechtfertigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .87 A.

B.

Gesetzliche Grundlage des Eingriffs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .87 I. Erhebung und Verwertung gem. §§ 355 ff. ZPO und § 286 ZPO . . . . .88 II. Keine Verwertung gem. § 493 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .88 1. Keine direkte Anwendung von § 493 ZPO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .89 2. Keine analoge Anwendung von § 493 ZPO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .89 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .90 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .90 I. Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .91 II. Geeignetheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .93 III. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .93 1. Subsidiarität gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel  . . . . .94 2. Kritik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .94 3. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 IV. Angemessenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .96 1. Bildung der praktischen Konkordanz der widerstreitenden Grundrechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .97 2. Kritik an der Methode der Bildung praktischer Konkordanz  . . . . .98

XII

Inhaltsverzeichnis

3. Konsequenzen für die Bildung praktischer Konkordanz  . . . . . . . . .99 4. Beweisrechtliche Geheimverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .100 a) Zulässigkeit beweisrechtlicher Geheimverfahren im Zivilprozess  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .101 aa) Streitstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 bb) Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .103 b) Keine geeignete Lösung für 28 USC § 1782(a)  . . . . . . . . . . . . .105 c) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .106 5. Sammlung der relevanten Wertungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .107 a) Für die Verwertbarkeit sprechende Wertungen  . . . . . . . . . . . . . .107 aa) „Wahrheitszweck“ des Zivilprozesses  . . . . . . . . . . . . . . . . .107 bb) Notwehr des Beweisführers  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .111 cc) Grundsatz der Prozessökonomie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .113 dd) Drohende Verlagerung von Prozessen in die USA  . . . . . . .114 ee) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .115 b) Gegen die Verwertbarkeit sprechende Wertungen  . . . . . . . . . . .115 aa) Grundsatz der Waffengleichheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .115 (1) Historische Entwicklung und normative Verankerung  .115 (2) Inhaltliche Anforderungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .117 (3) Konsequenzen für die Bildung praktischer Konkordanz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .121 bb) Verbot ausforschender Beweisanträge  . . . . . . . . . . . . . . . . .123 cc) Nemo contra se edere tenetur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .124 (1) Geltung des nemo tenetur-Grundsatzes im Zivilprozess  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .125 (a) Keine Verallgemeinerung punktueller Aufklärungspflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .125 (b) Kein prozessualer Wahrheitszweck  . . . . . . . . . . . .127 (c) Historische Grundlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .128 (d) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .128 (2) Konsequenzen für die Bildung praktischer Konkordanz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .129 dd) Beweislastverteilung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .130 ee) Datenschutz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .131 (1) Anwendbarkeit des europäischen Datenschutzrechts  . .132 (a) Sachlicher Anwendungsbereich  . . . . . . . . . . . . . . .132 (aa) Personenbezogene Daten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .132 (bb) Ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung von Daten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .134 (b) Räumlicher Anwendungsbereich  . . . . . . . . . . . . . .135 (c) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .135 (2) Rechtsfolge: Allgemeines Verbot mit Erlaubnisvorbehalt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136



Inhaltsverzeichnis

XIII

(a) Datenübermittlung in einen Drittstaat, Art. 44 ff. DSGVO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137 (aa) Art. 45 DSGVO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137 (bb) Art. 46 DSGVO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .139 (cc) Art. 47 DSGVO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .140 (dd) Art. 48 DSGVO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .141 (ee) Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO  . . . . . . .142 (ff) Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 lit. e) DSGVO  . . . . . . .142 (gg) Art. 49 Abs. 1 UAbs. 2 und Abs. 6 DSGVO  . . . . . .144 (hh) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149 (b) Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung gem. Art. 6 DSGVO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149 (aa) Keine Einwilligung der Betroffenen  . . . . . . . . . . .149 (bb) Keine gesetzliche Verpflichtung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .151 (cc) Interessenabwägung, Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO  .151 (c) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .152 (3) US‑Recht: Vorlagepflicht auch entgegen Datenschutzrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .152 (4) Konsequenzen für die Bildung praktischer Konkordanz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .154 ff) Vorbehalt gem. Art. 23 Haager Beweisübereinkommen  . . .154 (1) Geltendes Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .154 (2) Gescheiterte Reform von § 14 Abs. 2 AGHBÜ  . . . . . . .156 (3) Konsequenzen für die Bildung praktischer Konkordanz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .158

§ 8 Ergebnis der verfassungsrechtlichen Prüfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .160 § 9 Folgeproblem: Sachvortragsverwertungsverbot  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .161 A. Grundrechtliche Relevanz der Verwertung von Sachvortrag . . . . . . . .162 B. Prozessuale Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .164 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .165

Fünfter Teil: Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .167 § 10 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .167 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .171 Sachregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .189

Abkürzungsverzeichnis 1st Cir. United States Court of Appeals for the First Circuit 2d Cir. United States Court of Appeals for the Second Circuit 3d Cir. United States Court of Appeals for the Third Circuit 5th Cir. United States Court of Appeals for the Fifth Circuit 7th Cir. United States Court of Appeals for the Seventh Circuit 9th Cir. United States Court of Appeals for the Ninth Circuit a.A. andere Ansicht a.a. O. am angegebenen Ort a.E. am Ende a.F. alte Fassung ABl. Amtsblatt Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis AK Alternativkommentar Alt. Alternative Am. J. Int’l L. American Journal of International Law AöR Archiv des öffentlichen Rechts Art. Artikel B.C. L. Rev. Boston College Law Review BAG Bundesarbeitsgericht BB Betriebsberater Begr. Begründer BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BR‑Drs. Bundesratsdrucksache BT‑Drs. Bundestagsdrucksache Buff. L. Rev. Buffalo Law Review BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bzw. beziehungsweise Cal. L. Rev. California Law Review Chi.‑Kent. L. Rev. Chicago-Kent Law Review Colum. L. Rev. Columbia Law Review Cornell L. Rev. Cornell Law Review D.C. Cir. United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit D.D. C. United States District Court for the District of Columbia

XVI

Abkürzungsverzeichnis

d.h. das heißt DB Der Betrieb ders. derselbe dies. dieselbe DJT Deutscher Juristentag DRiZ Deutsche Richterzeitung DuD Datenschutz und Datensicherheit DVBl Deutsches Verwaltungsblatt E.D. Ark. United States District Court for the Eastern District of Arkansas E.D. N. Y. United States District Court for the Eastern District of New York E.D. Pa. United States District Court for the Eastern District of ­Pennsylvania EG Europäische Gemeinschaft Einf. Einführung Einl. Einleitung EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof f./ff. folgende/fortfolgende F.R. D. Federal Rules Decisions FA Fachanwalt Arbeitsrecht FIU L. Rev. Florida International University College Law Review Fn. Fußnote Fordham J. Corp. & Fordham Journal of Corporate & Financial Law  Fin. L. FRCP Federal Rules of Civil Procedure FS Festschrift Geo. J. Legal Ethics Georgetown Journal of Legal Ethics GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR Int. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil GRUR‑Prax Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im ­Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht GS Gedächtnisschrift h.M. herrschende Meinung Harv. L. Rev. Harvard Law Review HdB Handbuch Hrsg. Herausgeber i.E. im Ergebnis i.e. S. im engeren Sinne I.L. M. International Legal Materials i.V. m. in Verbindung mit IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts IZPR Internationales Zivilprozessrecht IZVR Internationales Verfahrensrecht J. Arb. Stud. Journal of Arbitration Studies JöR Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart JR Juristische Rundschau



Abkürzungsverzeichnis

XVII

Jura Juristische Ausbildung JuS Juristische Schulung JZ JuristenZeitung K&R Kommunikation & Recht KG Kammergericht KOM Dokumente der Kommission KritV Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft LG Landgericht lit. littera, Buchstabe m.w. N. mit weiteren Nachweisen m.z. N. mit zahlreichen Nachweisen MDR Monatsschrift für Deutsches Recht MMR Multimedia und Recht Mont. L. Rev. Montana Law Review MüKo Münchener Kommentar N.D. Cal. United States District Court for the Northern District of California N.D. Ill. United States District Court for the Northern District of Illinois N.D. Tex. United States District Court for the Northern District of Texas NJW Neue Juristische Wochenschrift Nr. Nummer NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht OK Onlinekommentar OLG Oberlandesgericht ÖsterrJZ Österreichische Juristen-Zeitung RDV Recht der Datenverarbeitung Rich. J. L. & Tech. Richmond Journal of Law & Technology RIW Recht der Internationalen Wirtschaft RL Richtlinie Rn. Randnummer S. Satz (in Gesetzeszitaten); Seite (in Literaturzitaten) S. Cal. L. Rev. Southern California Law Review S.D. Florida United States District Court for the Southern District of Florida S.D. Texas United States District Court for the Southern District of Texas S.D. N. Y. United States District Court for the Southern District of New York SchiedsVZ Zeitschrift für Schiedsverfahren SJZ Schweizerische Juristen-Zeitung Syracuse J. Int’l Syracuse Journal of International Law and Commerce  L. & Com. Tenn. L. Rev. Tennessee Law Review Tex. L. Rev. Texas Law Review Transnat’l L. & Transnational Law & Contemporary Problems  Contemp. Probs. U. Chic. L. Rev. University of Chicago Law Review UAbs. Unterabsatz US Vereinigte Staaten

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

USC United States Code v. versus Va. J. Int’l L. Virginia Journal of International Law VersR Versicherungsrecht vgl. vergleiche Willamette L. Rev. Willamette Law Review WL Westlaw WM Wertpapier-Mitteilungen z.B. zum Beispiel ZD Zeitschrift für Datenschutz ZDAR Zeitschrift für Deutsches und Amerikanisches Recht ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zit. zitiert ZStV Zeitschrift für Stiftungs- und Vereinswesen ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ZZP Zeitschrift für Zivilprozess ZZPInt Zeitschrift für Zivilprozess International

Erster Teil

Einleitung § 1  Einführung in das Thema „Recht haben und Recht bekommen sind zweierlei.“ Diese Spruchweisheit hat einen wahren Kern. Der Rechtssuchende „bekommt“ nur dann Recht, wenn er beweisen kann, dass er Recht „hat“. Mit anderen Worten: Die verfahrensmäßige Durchsetzung materiellen Rechts erfordert Kenntnis des relevanten Sachverhalts auf Seiten des zur Entscheidung berufenen Gremiums. Die verschiedenen Verfahrensordnungen begegnen dieser Anforderung auf unterschiedliche Weise: Im Strafverfahren etwa ist es nach dem Ermittlungsgrundsatz Aufgabe des Gerichts, die tatsächliche Entscheidungsgrundlage zu schaffen, indem es Maßnahmen zur Erforschung der Wahrheit ergreift.1 Im Zivilprozess hingegen liegt es nach dem Beibringungsgrundsatz an den Parteien, die relevanten Tatsachen vorzutragen.2 Das Gericht überprüft die Tatsachenbehauptungen der Parteien ggf. durch Beweiserhebung, nimmt aber darüber hinaus keine eigenständige Ermittlung des Sachverhalts vor.3 Im Regelfall ist der zivilprozessuale Beibringungsgrundsatz geeignet, eine befriedigende Entscheidungsgrundlage zu schaffen: Die Parteien haben die größte Nähe zum streitrelevanten Sachverhalt und kennen diesen daher am besten. Aufgrund ihres Eigeninteresses am Obsiegen im Prozess tragen sie den entscheidungserheblichen Tatsachenstoff regelmäßig auch umfassend vor.4 Das gilt aber nicht, wenn eine Partei nicht alle ihr Rechtsschutzbegehren tragenden Tatsachen kennt. Kennt z. B. der Anspruchsteller nicht alle anspruchsbegründenden Umstände, kann er diese im Prozess auch nicht darlegen. Unabhängig von der Rechtslage nach materiellem Recht hat sein Rechtsschutzbegehren dann keine Aussicht auf Erfolg. Die prozessuale Informationsnot der Partei schafft hier ein Spannungsverhältnis zwischen Beibringungsgrundsatz und materieller Gerechtigkeit.5 1 

Fischer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, Einleitung Rn. 12. aller Leipold, in: Stein/Jonas22, vor § 128 Rn. 146; Reichold, in: Thomas/Putzo, Einl I Rn. 1 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 77 Rn. 1 ff. 3  Leipold, in: Stein/Jonas22, vor § 128 Rn. 155; Reichold, in: Thomas/Putzo, Einl I Rn. 2. 4  Leipold, in: Stein/Jonas22, vor § 128 Rn. 151. Vgl. zu Einschränkungen des Beibringungsgrundsatzes Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 77 Rn. 15 ff. 5  Stürner, Aufklärungspflicht, S. 47. 2  Statt

2

Erster Teil: Einleitung

Dieses Spannungsverhältnis versucht das deutsche Recht auf vielfältige Weise zu entschärfen. Das materielle Recht kehrt verschiedentlich die Darlegungs- und Beweislast um, bzw. stellt (widerlegbare) Rechts- und Tatsachenvermutungen auf,6 und gewährt dem Anspruchsteller gesetzliche und richterrechtlich entwickelte Informationsansprüche7. Das Prozessrecht verpflichtet die Parteien dazu, sich im Prozess vollständig und der Wahrheit gemäß zu erklären (§ 138 Abs. 1 ZPO), und zwar auch über die vom Gegner behaupteten Tatsachen (§ 138 Abs. 2 ZPO),8 und gewährt darüber hinaus punktuell Ansprüche auf Urkundenedition, insbesondere gem. §§ 422, 423, 142 Abs. 1 ZPO9. Die genannten Instrumente haben aber jeweils nur einen begrenzten Anwendungsbereich.10 Ein allgemeiner Anspruch auf Mitwirkung und Aufklärung durch den Prozessgegner besteht nicht.11 Vielmehr beharrt der BGH unter Verweis auf die zivilprozessuale Verhandlungsmaxime darauf, dass im Grundsatz „keine Partei […] gehalten [ist], dem Gegner für seinen Prozeßsieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt“12. Im Zusammenhang damit steht auch das Verbot prozessualer Ausforschung. Danach müssen Beweisangebote dazu dienen, das Gericht von der Wahrheit bereits behaupteter Tatsachen zu überzeugen, und dürfen nicht dazu missbraucht werden, dem Beweisführer neue Tatsachen oder Erkenntnisquellen zu erschließen.13 Anschaulich heißt es insofern, dass das deutsche Recht sog. „Beweisfischzüge“14 verbiete.15 6  Z. B. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB, vgl. auch die Übersicht bei Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten bei der Sachverhaltsaufklärung, S. 147 f. 7  Z. B. § 1605 Abs. 1 BGB, vgl. auch die Übersicht bei Brandt, Das englische DisclosureVerfahren, S. 84 ff. 8  Daraus hat die Rechtsprechung die Grundsätze der sekundären Darlegungslast abgeleitet, vgl. Fritsche, in: MüKo-ZPO, § 138 ZPO Rn. 21 ff. 9  Vgl. zur Bedeutung der Editionspflicht gem. § 142 n. F. ZPO Wagner, JZ 2007, 706. 10  Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten bei der Sachverhaltsaufklärung, S. 163 ff.; Stürner, Aufklärungspflicht, S. 27. 11  BGH NJW 1990, 3151. In diesem Sinne unter Bezugnahme auf das Urteil auch die h. M. in der Literatur, statt aller Wagner, JZ 2007, 706 (707). A. A. vor allem Stürner, Aufklärungspflicht, passim. 12  BGH NJW 1958, 1491 (1492). Seitdem st. Rspr., vgl. BGH NJW 1964, 1414 (1414); NJW 1990, 3151 (3151); NJW 2007, 155 (156). Ebenso die Rechtsprechung des BAG, vgl. z. B. NJW 2004, 2848 (2851). In diese Richtung auch schon RGZ 63, 408 (410): „Keine Partei ist verpflichtet, sich, um der Gegenpartei den Beweis zu erleichtern, als Beweismittel benutzen zu lassen […]“. Dieser Rechtssatz wird in Anlehnung an die strafprozessuale Regel nemo tenetur se ipsum accusare auch formuliert als nemo contra se edere tenetur, vgl. statt aller Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 83 ff. m. w. N. 13  Das gilt auch und gerade dann, wenn diese Tatsachen in der Folge zum Gegenstand von prozessualem Sachvortrag gemacht werden sollen. Vgl. die Übersichten bei Schumann, in: Stein/Jonas20, Einl. Rn. 42 ff.; Greger, in: Zöller, vor § 284 Rn. 8c. 14  Engl. „fishing expeditions“, vgl. zum Begriff Junker, Discovery, S. 119 f. m. w. N. 15  Vgl. z. B. Sachs, SchiedsVZ 2003, 193.



§ 1  Einführung in das Thema

3

Das US-amerikanische Recht ist davon grundlegend verschieden. Im Rahmen der sogenannten discovery16 schulden die Parteien eines Zivilprozesses einander grundsätzlich umfassende gegenseitige Information und Aufklärung bzgl. aller relevanten Tatsachen und Beweismittel.17 Das gilt auch (und gerade) für solche Informationen bzw. Beweismittel, die der jeweils offenlegenden Partei zum Nachteil gereichen.18 Junker charakterisiert die discovery daher zustimmungswürdig als „Verfahrensabschnitt mit eingebautem Ausforschungselement“.19 Brisant wird die geschilderte Divergenz aus deutscher Perspektive, weil die discovery auch für hierzulande geführte Prozesse nutzbar gemacht werden kann. 28 USC § 1782(a)20 ermöglicht es, mit Hilfe der discovery Beweismittel für Rechtsstreitigkeiten außerhalb der USA zu beschaffen. Auch die Parteien eines deutschen Rechtsstreits können sich bei Vorliegen der Voraussetzungen von 28 USC § 1782(a)21 mithin der Instrumente der discovery bedienen, um von ihrem Prozessgegner Informationen zu erlangen. Dieser Befund erscheint auf den ersten Blick begrüßenswert. Die umfassende Ermittlung des relevanten Sachverhalts verringert prozessuale Informationsnot, erlaubt den Parteien vollständigeren Tatsachenvortrag und fördert mithin die Verwirklichung des materiellen Rechts.22 Für die aufklärungspflichtige Person folgen aus der discovery aber potenziell erhebliche Belastungen. Es sind mitunter Informationen preiszugeben, deren Geheimheit durch das deutsche Recht geschützt ist. Das ist jedenfalls dann problematisch, wenn ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der in Rede stehenden Informationen besteht, etwa wenn diese wettbewerblich relevante Berufs- oder Geschäftsgeheimnisse zum Gegenstand haben, oder, soweit natürliche Personen betroffen sind, deren Privat- bzw. Intimsphäre berühren.23 Darüber hinaus ist die discovery ausgesprochen zeit- und kostenintensiv.24 Das ist vor allem deshalb heikel, weil nach der sog. American Rule of Costs eine Er16 

Vgl. zur discovery insgesamt die aus dt. Perspektive grundlegende Darstellung bei Junker, Discovery, passim. 17  Dabei ist wiederum ein sehr weites Verständnis von „Relevanz“ zugrunde zu legen, vgl. Marcus, in: Wright/Miller, 8B Fed. Prac. & Proc. Civil, § 2008. 18  Vgl. zum Umfang der discovery im Einzelnen unten, § 2 C. 19  Junker, ZZPInt 1 (1996), 235 (238). 20  § 1782 des 28. Titels des United States Code. Der United States Code ist das allgemeine Bundesrecht der Vereinigten Staaten, sein 28. Titel regelt das Justizsystem des Bundes. Die Vorschrift ist an späterer Stelle im Wortlaut wiedergegeben, vgl. unten, § 3. 21 Vgl. hierzu aus dt. Perspektive die sehr ausführliche Darstellung bei Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 217 ff. 22  Stürner, Aufklärungspflicht, S. 42 ff.; Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 115 ff. 23  Vgl. dazu aus datenschutzrechtlicher Perspektive jüngst Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, passim. 24 Vgl. Schack, Einführung, S. 46.

4

Erster Teil: Einleitung

stattung der Prozesskosten grundsätzlich nicht stattfindet. Die Parteien tragen ihre Kosten unabhängig von Obsiegen oder Unterliegen im Rechtsstreit regelmäßig selbst.25 In den USA hat es sich deshalb als Prozesstaktik etabliert, möglichst weitgehende und für den Gegner kostenintensive discovery-Maßnahmen zu beantragen, um diesen so zum Abschluss eines Vergleichs zu drängen.26 Sind die Parteien aber aus wirtschaftlichen Gründen genötigt, einen Vergleich abzuschließen, anstatt die Rechtslage durch das Gericht klären zu lassen, so erweist sich die discovery als der Verwirklichung des materiellen Rechts insofern abträglich27 und „truth defeating“28. Weiterhin kann die Informationsbeschaffung über 28 USC § 1782(a) in objektiv-rechtlicher Hinsicht eine Umgehung der Grenzen prozessualer Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht nach deutschem Recht bedeuten.29 Sie birgt daher das Risiko des Missbrauchs zum Zweck einer nach deutschem Recht verbotenen prozessualen Ausforschung. Schließlich sind Konstellationen vorstellbar, in denen nur bezüglich einer der Parteien des deutschen Rechtsstreits die Voraussetzungen gem. 28 USC § 1782(a) erfüllt sind. Erlangt aber nur eine Partei Aufklärung in den USA, so besteht ein Spannungsverhältnis zwischen 28 USC § 1782(a) und dem Grundsatz prozessualer Waffengleichheit. Vor diesem Hintergrund soll die vorliegende Untersuchung klären, ob die Früchte des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) taugliche Beweismittel in einem deutschen Zivilprozess darstellen. Damit steht die Verwertbarkeit der entsprechend erlangten Beweismittel in Rede. Die Frage war – soweit ersichtlich – bislang nicht Gegenstand richterlicher Erkenntnis. Im Schrifttum finden sich monografische Auseinandersetzungen mit dem Thema bei Eschenfelder30, Rollin31, Adler32 und Reiling33 sowie eini25 

Vgl. die Übersicht bei Thueson, 40 Mont. L. Rev. 308 (1979). „nuisance value“ („Belästigungswert“) der discovery. Vgl. dazu Lorenz, ZZP 111 (1998), 35 (49 f.), der auch davon spricht, dass die discovery von den Parteien „pervertiert“ werde. Vor diesem Hintergrund kann es auch nicht überraschen, dass es 2015 nur bei 1,1 % der bei den US‑Bundesgerichten in Zivilsachen anhängig gemachten Klagen zu einer mündlichen Verhandlung gekommen ist, Federal Judicial Caseload Statistics 2015, Table C-4, online verfügbar unter http://www.uscourts.gov/sites/default/files/c04mar15_0.pdf, zuletzt abgerufen am 16. Mai 2019. 27  In diesem Sinne auch Lorenz, ZZP 111 (1998), 35 (50). 28  Langbein, U. Chic. L. Rev. 823 (1985). 29  Wagner, FS Leipold, S. 801 (817): „Was sind die Konsequenzen einer extensiven Interpretation von 28 U. S. C. § 1782(a) für das deutsche Verfahrensrecht? Sie bestehen kurz gesagt darin, dass sich die Voraussetzungen und Grenzen des § 142 ZPO beliebig unterlaufen lassen, indem ein Rechtshilfeersuchen an das zuständige Gericht gestellt wird.“ 30  Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 155 ff., 255 ff. 31  Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 117 ff. 32  Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 457 ff. 33  Reiling, Das US-amerikanische Discovery-Verfahren im Rahmen deutscher gerichtlicher Auseinandersetzungen, S. 271 ff. 26  Sog.



§ 1  Einführung in das Thema

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ge Aufsatzliteratur.34 Die bislang einhellige Meinung im Schrifttum befürwortet die Verwertung gem. 28 U. S. C. § 1782(a) erlangter Beweismittel.35 Dabei wird zwar meistens nicht in Abrede gestellt, dass zwischen den Aufklärungsmöglichkeiten gem. 28 USC § 1782(a) und gewissen Wertungen des deutschen Rechts zumindest ein Spannungsverhältnis besteht.36 Das sei aber im Ergebnis nicht ausschlaggebend. Es folge nämlich aus dem internationalen Zivilprozessrecht, dass gem. 28 USC § 1782(a) erlangte Beweismittel nur dann von der Verwertung im Prozess ausgeschlossen seien, wenn andernfalls gegen den ordre public verstoßen würde.37 Ein solcher Verstoß sei bei Erhebung bzw. Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel aber grundsätzlich nicht gegeben.38 Insgesamt gelte es, die „Andersartigkeit des ausländischen Verfahrens“ zu akzeptieren.39 Dieser Konsens soll im Folgenden einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Dabei werden ausschließlich solche Verfahren untersucht, bei denen zwischen den Parteien des deutschen Rechtsstreits und des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) Identität besteht. Damit sind erstens solche Fälle ausgeschlossen, in denen das Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) nicht auf den Antrag einer Prozesspartei zurückgeht, sondern auf ein Rechtshilfeersuchen des deutschen Gerichts. In dieser Konstellation handelt es sich bei dem Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) um eine Beweisaufnahme im Ausland gem. § 363 Abs. 1 ZPO entsprechend dem Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen von 1971 (im Folgenden: „HBÜ“).40 An der Ver34  Adler, ZDAR 2014, 138; Brinkmann, IPRax 2015, 109; Dombrowski, GRUR‑Prax 2016, 319; Eschenfelder, RIW 2006, 443; Kraayvanger/Richter, RIW 2007, 177; Kraayvanger/Richter/Wendler, SchiedsVZ 2008, 161; Martinez-Fraga, SchiedsVZ 2010, 85; MüllerStoy, GRUR Int 2005, 558; Myers/Valen/Weinreich, RIW 2009, 196; Rieckers, RIW 2005, 19; Schönknecht, GRUR Int 2011, 1000; Wagner, FS Leipold, S. 801. 35  Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 464 f.; Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 195; ders., RIW 2006, 443 (447); Müller-Stoy, GRUR Int 2005, 558 (564); Reiling, Das US-amerikanische Discovery-Verfahren im Rahmen deutscher gerichtlicher Auseinandersetzungen, S. 303; Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 144; Schönknecht, GRUR Int 2011, 1000 (1007); Wagner, FS Leipold, S. 801 (817 f.). 36  Vgl. z. B. Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 461; Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 191; Reiling, Das US-amerikanische Discovery-Verfahren im Rahmen deutscher gerichtlicher Auseinandersetzungen, S. 285 ff. 37  Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 162 ff., 229 ff.; ders., RIW 2006, 443 (445); Müller-Stoy, GRUR Int 2005, 558 (564); Reiling, Das US-amerikanische DiscoveryVerfahren im Rahmen deutscher gerichtlicher Auseinandersetzungen, S. 276 ff.; Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 138 f.; Schönknecht, GRUR Int 2011, 1000 (1007 f.). 38  Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 183 ff., 208 ff., 229 ff.; ders., RIW 2006, 443 (447); Müller-Stoy, GRUR Int 2005, 558 (564); Reiling, Das US-amerikanische Discovery-Verfahren im Rahmen deutscher gerichtlicher Auseinandersetzungen, S. 301; Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 149; Schönknecht, GRUR Int 2011, 1000 (1007); Wagner, FS Leipold, S. 801 (817 f.), die insofern auf BGHZ 118, 312 verweisen. Vgl. dazu unten, § 4 C. 39  Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 205 ff. 40  Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handels-

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Erster Teil: Einleitung

wertbarkeit entsprechend erlangter Beweismittel besteht kein Zweifel.41 Zweitens schließt die Untersuchung Konstellationen aus, in denen der Antrag gem. 28 USC § 1782(a) sich nicht gegen den Prozessgegner richtet, sondern gegen einen Dritten. In diesen Fällen kann die subjektiv-rechtliche Gemengelage, die es im Folgenden darzustellen gilt, von der hier zu untersuchenden Konstellation abweichen; die Bearbeitung der sich daraus ergebenden Fragen soll anderen Untersuchungen vorbehalten bleiben. Die nachstehende Untersuchung geht folgendermaßen vor: Im ersten Schritt wird der Untersuchungsgegenstand dargestellt. Zu diesem Zweck wird zunächst die pre-trial discovery im Allgemeinen skizziert (§ 2), um sodann aufzuzeigen, unter welchen Voraussetzungen 28 USC § 1782(a) den Rückgriff auf die discovery zum Zweck der Unterstützung von Rechtsstreitigkeiten im Ausland erlaubt (§ 3). Anschließend gilt es, den zur Bestimmung der Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel einschlägigen Prüfungsmaßstab zu identifizieren. Dabei wird sich ergeben, dass die Verwertbarkeit – anders als im o. g. Schrifttum angenommen – in keinem Zusammenhang mit dem ordre public steht (§ 4), sondern unter Rückgriff auf das Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte der Prozessparteien, zu bestimmen ist (§ 5). In Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs ist sodann zu klären, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel mit einem Eingriff in die Grundrechte des Beweisgegners verbunden ist (§ 6), und ob dieser ggf. gerechtfertigt ist (§ 7). Dabei wird sich als Ergebnis zeigen, dass die Verwertung der in Rede stehenden Beweismittel nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig ist (§ 8). Das führt zu der prozessualen Folgefrage nach der Verwertbarkeit von Sachvortrag, der auf gem. 28 USC § 1782(a) erlangten Informationen beruht (§ 9). Abschließend werden die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit noch einmal zusammengefasst (§ 10).

sachen vom 18. März 1970, BGBl. 1977 II, S. 1472, in Deutschland seit dem 26. Juni 1979 in Kraft, vgl. die Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens vom 21. Juni 1979, BGBl. 1979 II, S. 780. 41  Bzgl. der Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel im schweizer Zivilprozess ebenso Müller-Chen, FS Tercier, S. 925 (934).

Zweiter Teil

Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a) Das US-amerikanische Beweisverfahren der discovery kann unter den Voraussetzungen gem. 28 USC § 1782(a) durchgeführt werden, um Beweismittel für einen außerhalb der USA anhängigen Rechtsstreit zu beschaffen. Im Folgenden werden die Modalitäten dieser Beweisbeschaffung dargestellt.1 Zu diesem Zweck wird zunächst das Verfahren der discovery beschrieben (§ 2), um sodann die Voraussetzungen aufzuzeigen, unter denen discovery gem. 28 USC § 1782(a) für außerhalb der USA anhängige Rechtsstreitigkeiten nutzbar gemacht werden kann (§ 3).

§ 2  Die discovery Die discovery bezeichnet ein Verfahren zur möglichst umfassenden Erforschung des streitrelevanten Sachverhalts im US‑Zivilprozessrecht. Der Supreme Court hat in Hickman v. Taylor die Funktion der 1938 durch eine Reform der Federal Rules of Civil Procedure (im Folgenden: „FRCP“) eingeführten discovery folgendermaßen beschrieben: „The pretrial deposition-discovery mechanism established by Rules 26 to 37 is one of the most significant innovations of the Federal Rules of Civil Procedure. Under the prior federal practice, the pretrial functions of notice-giving, issue-formulation, and fact-revelation were performed primarily and inadequately by the pleadings. Inquiry into the issues and the facts before trial was narrowly confined, and was often cumbersome in method. The new rules, however, restrict the pleadings to the task of general notice-giving, and invest the deposition-discovery process with a vital role in the preparation for trial. The various instruments of discovery now serve (1) as a device, along with the pretrial hearing under Rule 16, to narrow and clarify the basic issues between the parties, and (2) as a device for ascertaining the facts, or information as to the existence or whereabouts of facts, relative to those issues. Thus, civil trials in the federal courts no longer need be carried on in the dark. The way is now clear, consistent with recognized privileges, for the parties to obtain the fullest possible knowledge of the issues and facts before trial.“2 1  Die

Beschreibung des US-amerikanischen Rechts ist bewußt auf das zum Verständnis der vorliegenden Untersuchung Notwendige beschränkt. Für eine weitergehende Darstellung der discovery aus deutscher Perspektive vgl. v. a. Junker, Discovery, passim. Tatbestand und Rechtsfolge von 28 USC § 1782(a) sind in sehr ausführlich dargestellt bei Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 211 ff. 2  Hickman v. Taylor, 329 US 495, 501 (1947).

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Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)

Entsprechende Verfahren sind im Zivilverfahrensrecht des Bundes (d. h. den FRCP), sowie in allen Gliedstaaten vorgesehen.3 Im Folgenden wird allerdings ausschließlich die in FRCP 26–38 geregelte discovery nach Bundesrecht dargestellt, da gem. 28 USC § 1782(a) stets die Bundesgerichte zur Durchführung der discovery berufen sind.4

A. Ablauf Die discovery findet vor der mündlichen Verhandlung (trial) statt, gehört also zum Verfahrensabschnitt des pre-trial. Bis zum Beginn der discovery stellt sich das pre-trial folgendermaßen dar: Gem. FRCP 3 beginnt das Verfahren durch Einreichung der Klageschrift (complaint) bei Gericht und ihre Zustellung an den Beklagten.5 Die Klageschrift hat in den USA aber einen anderen Inhalt als in Deutschland. Während in Deutschland gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO durch die Klageschrift bereits der Streitgegenstand im Wesentlichen festgelegt wird,6 ist in den USA gem. FRCP  8(a) nur ein „short and plain statement of the claim“ erforderlich. Nach Zustellung der Klageschrift muss sodann der Beklagte auf die Klage antworten (Klageerwiderung, answer), FRCP 8(b). Tatsachenbehauptungen bzw. Beweisangebote finden sich im complaint regelmäßig nicht, dieser hat nur die Aufgabe, den Beklagten „grob ins Bild zu setzen“.7 Nach Austausch der gegenseitigen Schriftsätze tritt das Verfahren in das Stadium der pre-trial discovery ein. Diese beginnt ihrerseits gem. FRCP 26(a) (1) mit der sog. initial disclosure.8 In diesem Rahmen müssen die Parteien einander unaufgefordert gewisse im Gesetz definierte Informationen offenlegen.9 Konkret verpflichtet FRCP  26(a)(1) zu folgender disclosure: Nennung von Namen, Anschrift und Telefonnummer aller Personen, die über Informationen und Beweismittel verfügen, auf die die offenlegende Partei sich im Pro3 

Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 334. Im Übrigen sind die Zivilverfahrensrechte der Gliedstaaten weitestgehend identisch mit den FRCP, vgl. Schack, Einführung, S. 16. Die Regelung zur discovery haben viele Gliedstaaten (wie auch die FRCP insgesamt) wortgleich übernommen, so z. B. Kalifornien, Illinois und New York, vgl. Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 335 m. w. N. 5  Die Klageschrift und die diesbezüglich vom Gericht ausgestellte Ladung werden grundsätzlich im Parteibetrieb zugestellt, Rule 4(c)(1) FRCP, vgl. auch Schack, Einführung, S. 37 Fn. 273 m. w. N. 6  Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 ZPO Rn. 66. 7  Schack, Einführung, S. 41. Vgl. auch die im Anhang zur FRCP (Appendix of Forms), No. 10, abgedruckte Musterklageschrift, die nur wenige Zeilen umfasst. 8  Dieser Verfahrensabschnitt wurde durch die FRCP‑Reform 1993 eingeführt. Vgl. dazu Lasso, 36 B. C. L. Rev. 479, 488 ff. (1995). 9  Nämlich solche Informationen, deren Offenlegung eine vernünftige Partei in einem normalen Zivilverfahren ohnehin beantragt hätte, Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 351. 4 



§ 2  Die discovery

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zess beziehen will; Übergabe bzw. Benennung von Dokumenten und anderen Gegenständen, auf die die Partei sich im Prozess beziehen will; soweit Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, eine Berechnung des Schadens inkl. ggf. erforderlicher Belege; Vorlage von Verträgen über etwaig bestehende Versicherungen, die durch das Urteil ggf. entstehende Zahlungspflichten abdecken.10 Im Rahmen der initial disclosure sind mithin nur solche Informationen und Beweismittel aufzudecken, auf die die offenlegende Partei sich selbst beziehen will. Die initial disclosure betrifft also nur die Offenlegung von für die offenlegende Partei vorteilhaften Informationen; in der späteren discovery im engeren Sinne sind hingegen auch solche Informationen offenzulegen, die dem Prozessgegner zum Vorteil gereichen.11 Sodann beginnt die eigentliche discovery. Diese wird zentral von den Parteien bzw. deren Prozessvertretern betrieben und besteht darin, dass die Parteien einander nach entsprechender Aufforderung durch den jeweiligen Prozessgegner gegenseitig für den Prozess relevante Informationen bzw. Beweismittel offenlegen.12 Das Gericht wird in dieser Phase nur tätig, soweit zwischen den Parteien Streit über die Zulässigkeit bestimmter discovery-Begehren entsteht, bzw. wenn eine Partei ihren Verpflichtungen im Rahmen der discovery nicht gerecht wird.13 Nach Abschluss des gegenseitigen Austausches der relevanten Informationen und Beweismittel endet das discovery-Verfahren mit der sog. final pretrial disclosure, in deren Rahmen die Parteien einander unaufgefordert offenlegen müssen, welche Beweismittel sie in der späteren mündlichen Verhandlung vorzulegen gedenken, FRCP 26(a)(3). Der Prozessgegner hat sodann die Gelegenheit, innerhalb von 14 Tagen potenzielle Einwände gegen die Zulässigkeit der in Rede stehenden Beweismittel vorzubringen. Auf diese Weise soll die mündliche Verhandlung von Streitigkeiten um die Zulässigkeit von Beweismitteln freigehalten werden.14 Beweismittel, die nicht schon Gegenstand der discovery waren, können in der späteren mündlichen Verhandlung nicht mehr in das Verfahren eingeführt werden.15 Die Parteien haben also einen starken Anreiz, möglichst weitgehende Aufklärung zu verlangen, um so nicht den späteren Verlust von Beweismitteln zu riskieren.16 Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass die discovery sich regelmäßig als besonders langwieriger und kostenintensiver Verfahrensabschnitt darstellt.17 10  Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 352; Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 42. 11  Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 352. 12  Schack, Einführung, S. 45. 13  Vgl. zu den dem Gericht zur Verfügung stehenden Sanktionsmöglichkeiten unten, § 2 E. 14  Vgl. dazu Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 48. 15  Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, S. 228. 16  Schack, Einführung, S. 46. 17  Vgl. unten, § 2 F.

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Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)

B. Formen Der Informationsaustausch im Rahmen der discovery vollzieht sich innerhalb der in FRCP 27–37 geregelten Formen. Sie sollen hier kurz skizziert werden.18

I. Depositions Depositions sind mündlich erteilte und beeidete Erklärungen einer Auskunftsperson. Im Regelfall werden diese Erklärungen als Antwort auf mündlich gestellte Fragen erteilt, Depositions by Oral Examination (FRCP  30).19 Ausnahmsweise können die entsprechenden Fragen der Auskunftsperson aber auch schriftlich unterbreitet werden, Depositions by Written Questions (FRCP 31).20

II.  Written Interrogatories Im Rahmen der Written Interrogatories werden gem. FRCP 33 der auskunftspflichtigen Partei Fragen in schriftlicher Form vorgelegt, die diese auch schriftlich beantworten muss.21 Soweit zur Beantwortung der Written Interrogatories erforderlich, ist die auskunftspflichtige Partei zur Durchführung auch umfangreicher Nachforschungen verpflichtet.22

III.  Physical and Mental Examinations Die ärztliche oder psychologische Untersuchung einer Partei ist als Mittel der discovery nur zulässig, wenn sie vom Gericht „for good cause“ besonderes angeordnet wird, FRCP 35.23 In diesem Fall steht der Verwertung der so gewonnenen Erkenntnisse dann aber nicht das ansonsten zu beachtende doctor-patientprivilege24 entgegen, FRCP 35(b)(2).

IV.  Requests for Admission Ein weiteres Mittel der discovery liegt im Request for Admission gem. FRCP 36.25 Dabei handelt es sich um eine Aufforderung an die Gegenpartei, die Richtigkeit bestimmter Tatsachen einzugestehen. Diese Form der discovery 18  19 

Vgl. ausführlich Junker, Discovery, S. 145 ff. Vgl. zur Praxis der oral depositions aus der Perspektive eines Sachverständigen für das deutsche Recht Göpfert, FS Schlosser, S. 215. 20 Die depositions by written questions sind deutlich seltener, vgl. Junker, Discovery, S. 163. 21  Vgl. eingehend Junker, Discovery, S. 175 ff. 22  Schack, Einführung, S. 47 f. 23  Marcus, in: Wright/Miller, 8B Fed. Prac. & Proc. Civil, § 2234.1; Junker, Discovery, S. 183 ff.; Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 45. 24  Vgl. dazu unten, § 2 F. 25  Vgl. dazu Junker, Discovery, S. 186 ff.



§ 2  Die discovery

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wird in der Praxis nur wenig verwendet.26 Ihre Bedeutung liegt aber darin, dass wenn der Gegner sich weigert, ein der Wahrheit entsprechendes Geständnis abzulegen, das Gericht ihm die Kosten der dadurch notwendigen weiteren discovery Maßnahmen auferlegen kann, FRCP 37(c)(2).27

V.  Entry onto Land or other Property Gem. FRCP  34(a)(2) sind die Parteien zur Duldung der Besichtigung von Grundstücken und nicht vorlagefähigen Gegenständen (Entry onto Land or other Property) verpflichtet.28 Auch dieses Instrument der discovery ist in der Praxis von eher nachgeordneter Bedeutung.29

VI.  Production of Documents Schließlich kann im Rahmen der discovery gem. FRCP  34(a)(1) die Vorlage von Urkunden, elektronisch gespeicherten Daten und Augenscheinsobjekten verlangt werden (Production of Documents, Electronically Stored Information (ESI) and Tangible Things, im Folgenden: „production of documents“). Seit der FRCP‑Reform 2006 erfasst die Vorschrift ausdrücklich auch elektronisch oder digital produzierte oder gespeicherte Daten jeder Art, insbesondere auch sog. Metadaten30 elektronischer Dokumente.31 Unabhängig vom konkreten Vorlagegegenstand läuft die Production of Documents folgendermaßen ab: Die die Vorlage begehrende Partei übermittelt dem Vorlagepflichtigen ihr Vorlageersuchen.32 Daraufhin muss der Vorlagepflichtige innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Vorlageersuchens zu diesem Stellung nehmen, FRCP  34(b)(2)(A) Satz 1. Lehnt er die beantragte Vorlage ab, und können die Parteien diesbezügliche keine Einigung erzielen,33 so kann die die Vorlage begehrende Partei gem. FRCP  37(a)(3) beantragen, dass das Gericht den Antragsgegner zur Vorlage verpflichte. Soweit die Vorlagepflicht besteht,34 sind die Vorlagegegenstände gem. FRCP 34(b)(2) der Gegenseite zu 26 

Marcus, in: Wright/Miller, 8B Fed. Prac. & Proc. Civil, § 2252. Marcus, in: Wright/Miller, 8B Fed. Prac. & Proc. Civil, § 2290. Vgl. dazu Junker, Discovery, S. 173 ff. 29  Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 45. 30  Dabei handelt es sich um Informationen über die Eigenschaften anderer Daten, z. B. das Datum der letzten Bearbeitung, die Identität des letzten Bearbeiters, etc. Vgl. zur besonderen Bedeutung der Metadaten im Rahmen der eDiscovery Wescott, 14 Rich. J. L. & Tech. 10 (2008). 31  FRCP 34, Advisory Committee Notes (2006), passim; Brisch/Laue, RDV 2010, 1 (2). 32  Ist das Ersuchen gegen eine Partei gerichtet, so genügt insofern ein schriftliches Vorlageersuchen. Richtet sich das Ersuchen hingegen gegen einen Dritten, so ist das Vorlageersuchen durch subpoena zu übermitteln, FRCP 34(c), 45. 33  Vgl. die entsprechende Voraussetzung in FRCP 37(a)(1) Satz 2. 34  Vgl. zum Umfang der Vorlagepflicht im Rahmen der discovery unten, § 2 C. 27  28 

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Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)

übermitteln bzw. zur Einsichtnahme an einem vereinbarten Ort bereitzustellen.35 Eine mögliche production of documents ist für den potenziell Vorlagepflichtigen schon vor Beginn der discovery zu beachten. Nach der Rechtsprechung ist jedermann verpflichtet, Dokumente und Daten, die mit vernünftiger Wahrscheinlichkeit im Rahmen eines zukünftigen Rechtsstreits vorzulegen sein werden, aufzubewahren (sog. litigation hold).36 Das ist insbesondere für große Unternehmen sehr aufwendig, weil diese – wollen sie sich nicht dem Vorwurf der Beweisvereitelung (spoliation)37 aussetzen  – technisch und administrativ sicherstellen müssen, dass relevante Informationen unternehmensweit vor Vernichtung bzw. Veränderung geschützt werden, sobald absehbar wird, dass sie für einen Rechtsstreit relevant sein könnten.38 In der Praxis mit Abstand am Wichtigsten ist mittlerweile die Vorlage elektronisch gespeicherter Daten, die sog. electronic discovery (im Folgenden: eDiscovery39).40 Das liegt zum einen daran, dass insbesondere die Kommunikation im Geschäftsverkehr mittlerweile überwiegend auf elektronischem Wege durchgeführt wird. Darüber hinaus bieten elektronisch gespeicherte Daten gegenüber Dokumenten in Papierform einige Vorteile, z. B. die Möglichkeit, Informationen maschinell zu durchsuchen und auf die Metadaten der Informationen zuzugreifen.41 Allerdings verursacht die eDiscovery auch besondere Probleme. So bereitet die Aufbewahrung ggf. zu übermittelnder Daten insb. bei großen Unternehmen einen erheblichen logistischen und finanziellen Aufwand.42 Microsoft etwa hat im Rahmen einer Anhörung mitgeteilt, dass es im Jahr 2016 mit Blick auf laufende discovery-Verfahren ca. 261 Terabyte43 Daten aufbewahrt hat.44

35 

Vgl. dazu Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 59. Maßgeblich insofern die Entscheidungen des District Courts for the Southern District of New York in den Rechtssachen Zubulake I–V, insb. Zubulake IV = Zubulake v. UBS Warburg LLC, 220 F. R. D. 212, 216 (S. D. N. Y. 2003). Vgl. auch Faklaris/Hook, 33 Computer & Internet Lawyer 1, 2 ff. (2016). 37  Vgl. dazu unten, § 2 E. 38  Vgl. zu diesem Problem auch Spies/Schröder, MMR 2008, 275 (275 f.). Die insofern erforderlichen Vorkehrungen werden unter dem Begriff der Document Retention Policies diskutiert, vgl. dazu den Überblick bei Chase, 8 Fordham J. Corp. & Fin. L. 721 (2003). 39  Der Begriff hat sich in der Diskussion in den USA und in Deutschland (in mitunter abweichender Schreibweise) durchgesetzt, vgl. allein aus deutscher Perspektive z. B. Brisch/ Laue, RDV 2010, 1 (2); Spies/Schröder, MMR 2008, 275; Rath/Klug, K&R 2008, 596; Hanloser, DuD 2008, 785. 40  Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 51. 41  Vgl. dazu auch Brisch/Laue, RDV 2010, 1 (2). 42  Spies/Schröder, MMR 2008, 275 (275). 43  Die genannte Datenmenge entspricht in etwa 11,5 Milliarden DIN‑A4 Seiten. 44  So berichtet von Stuart, 35 American Bankruptcy Institute Journal 34, 34 (2016). 36 



§ 2  Die discovery

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C. Voraussetzungen FRCP 26(b)(1) Satz 1 definiert den Umfang der im Rahmen der discovery geschuldeten Offenlegung.45 Die Vorschrift lautet folgendermaßen: „Rule 26. Duty to Disclose; General Provisions Governing Discovery […] (b) Discovery Scope and Limits. 1) Scope in General. Unless otherwise limited by court order, the scope of discovery is as follows: Parties may obtain discovery regarding any nonprivileged matter that is relevant to any party’s claim or defense and proportional to the needs of the case, considering the importance of the issues at stake in the action, the amount in controversy, the parties’ relative access to relevant information, the parties’ resources, the importance of the discovery in resolving the issues, and whether the burden or expense of the proposed discovery outweighs its likely benefit. Information within this scope of discovery need not be admissible in evidence to be discoverable. […]“

I.  Relevanz und Verhältnismäßigkeit Von zentraler Wichtigkeit ist das Relevanz-Kriterium (relevancy). Danach kann die Offenlegung einer Information verlangt werden, wenn diese mit einem von einer Partei geltend gemachten Anspruch oder einer Einwendung in Zusammenhang steht (relevant to any party’s claim or defense). Bis zur FRCP‑Reform im Jahr 2000 bezog sich das Relevanz-Kriterium auf den Streitgegenstand insgesamt (subject matter). Die neue Fassung von FRCP  26(b)(1) scheint demgegenüber einschränkend formuliert zu sein. Diese Einschränkung hat sich aber als bloß theoretisch erwiesen, in der Praxis hat sie keine Auswirkung auf die Auslegung von FRCP 26(b)(1) gehabt.46 Das Tatbestandsmerkmal der Relevanz wird sehr weit ausgelegt.47 Informationen sind nicht nur dann relevant im Sinne von FRCP 26(b)(1), wenn sie unmittelbar auf den Streitgegenstand bezogen sind, sondern auch dann, wenn ihre Offenlegung auf Umstände schließen lassen könnte, die ihrerseits (potenziell) mit dem Streitgegenstand in Verbindung stehen.48 Gem. FRCP 26(b)(1) Satz 2 ist es für die Zulässigkeit eines discovery-Antrags auch nicht erforderlich, dass die Beweismittel, auf die sich die discovery bezieht, in der mündlichen Verhandlung verwertbar wären. Insofern sind auch Kenntnisse vom Hörensagen, 45  46 

Vgl. dazu ausführlich Junker, Discovery, S. 117 ff. Rowe, 69 Tenn. L. Rev. 13, 18 f. (2001). 47  Schack, Einführung, S. 45. 48 Vgl. Supreme Court in Oppenheimer Fund Inc. v. Sanders: „The key phrase in this definition [of FRCP 26(b)(1)] – ‚relevant to the subject matter involved in the pending action‘ – has been construed broadly to encompass any matter that bears on, or that reasonably could lead to other matter that could bear on, any issue that is or may be in the case.“, 437 U. S. 340, 351 (1978). Vgl. dazu auch Marcus, in: Wright/Miller, 8B Fed. Prac. & Proc. Civil, § 2008.

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Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)

die nach US‑Zivilprozessrecht nicht als Beweismittel verwertbar sind, zulässige Gegenstände eines Antrags zur Offenlegung im Rahmen der discovery.49 Mit der FRCP‑Reform 2015 wurde in FRCP 26(b)(1) Satz 1 neben der Relevanz als weitere Voraussetzung die Verhältnismäßigkeit der beantragten discovery-Maßnahme bzgl. der Gesamtumstände des Rechtsstreits eingeführt.50 Allerdings enthielten die FRCP an anderer Stelle (FRCP 26(b)(2)(C)) auch schon vor der Reform von 2015 ein beinahe wortgleiches51 Verhältnismäßigkeitserfordernis.52 Dieses wurde durch die Reform von 2015 also bloß verschoben. Es ist zu früh, um abschließend zu beurteilen, ob diese Änderung eine erhebliche Einschränkung der discovery nach sich ziehen wird.53 Das Civil Rules Advisory Committee hat während des Reformprozesses die Position vertreten, dass die Reform keine Änderung der von Parteien und Gericht im Rahmen der discovery zu beachtenden Umstände bewirke.54 Anderseits mag die Verschiebung des Verhältnismäßigkeitserfordernisses an die prominentere Stelle in Rule 26(b)(1) Satz 1 FRCP dazu führen, dass die – auch vorher schon bestehende – Verpflichtung zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit von den Gerichten eher ernstgenommen wird.55

49  Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 339. 50  Konkret bezieht sich das Verhältnismäßigkeitserfordernis

auf die Anforderungen und die Bedeutung des Rechtsstreits, die Höhe des Streitwertes, den relativen Informationszugang der Parteien und ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten, die Wichtigkeit der beantragten discovery für die Lösung des Rechtsstreits, sowie die mit ihr einhergehenden Kosten. Vgl. dazu den Überblick bei Allman, The Proportionality Principle after the 2015 Amendments, in: Defense Counsel Journal, online verfügbar unter http://www.iadclaw.org/publications-news/ defensecounseljournal/the-proportionality-principle-after-the-2015-amendments/, zuletzt abgerufen am 16. Mai 2019. 51  FRCP 26(b)(1) Satz 1 n. F. weicht nur insofern von FRCP 26(b)(2)(C) a. F. ab, als dass nunmehr auch auf den relativen Informationszugang der Parteien abgestellt wird. 52  Miles, Proportionality under Amended Rule 26(b)(1): A New Mindset, in: American Bar Association, Pretrial Practice & Discovery E‑Newsletter, online verfügbar unter http:// apps.americanbar.org/litigation/committees/pretrial/articles/spring2016-0516-proportionalityamended-rule-26b1-new-mindset.html, zuletzt abgerufen am 16. Mai 2019. 53 Zweifelnd Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 53, in Erwartung größerer Veränderungen aber z. B. Losey, 2015 e-Discovery Rule Amendments: Dawning of the „Goldilocks Era“, in: e-Discovery Team, online verfügbar unter https://e-discoveryteam. com/2015/11/11/2015-e-discovery-rule-amendments-dawning-of-the-goldilocks-era/, zuletzt abgerufen am 16. Mai 2019. 54  FRCP  26, Advisory Committee Notes (2015): restoring proportionality „does not change the existing responsibilities of the court and the parties to consider proportionality.“ In diesem Sinne haben sich auch verschiedene Bezirksgerichte geäußert, vgl. z. B. Dwayne Curtis v. Metro. Life Ins. Co., 2016 WL 687164, at *3 (N. D. Tex. 2016); McKinney/Pearl Rest. Partners, L. P. v. Metro. Life Ins. Co., 2016 WL 98603, *4 (N. D. Tex. 2016); State Farm Mut. Auto. Ins. Co. v. Fayda, 2015 WL 7871037, *2 (S. D. N. Y. 2015). 55  In diesem Sinne Gilead Scis., Inc. v. Merck & Co., Inc., 2016 WL 146574, at *1 (N. D. Cal. 2016): „[w]hat will change – hopefully – is mindset.“



§ 2  Die discovery

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II.  Ausnahmen von der discovery: Privileges und work product rule Gem. FRCP 26(b)(1) Satz 1 sind Informationen, bezüglich derer sog. privileges bestehen, von der discovery ausgeschlossen. Privileges sind bei der discovery zu beachtende Weigerungsrechte,56 die von der Rechtsprechung entwickelt wurden.57 Die in der Rechtsprechung traditionell anerkannten Weigerungsrechte betreffen Umstände, deren Offenlegung eine strafrechtlich relevante Selbstbezichtigung zulasten des Offenlegenden bedeuten würde (privilege against self-incrimination) und Informationen aus dem Verhältnis zwischen Mandanten und Rechtsanwalt (attorney-client privilege); Arzt bzw. Psychotherapeuten und Patienten (doctor/psychotherapist-patient privilege); Beichtvater und Beichtendem (priest-penitent privilege) sowie zwischen Ehepartnern (privileges among spouses).58 Von der discovery ausgeschlossen sind weiterhin solche Dokumente, die eine Partei bzw. ihre Prozessvertreter in Bezug auf den Rechtsstreit und die bevorstehende mündliche Verhandlung erstellt haben (work product rule).59 Das Gleiche gilt für mit Sachverständigen-(Partei-)Gutachtern (expert witnesses) im Vorfeld der mündlichen Verhandlung und mit Blick auf diese ausgetauschte Informationen.60 Diese work product rule unterscheidet sich von den o. g. privileges insofern, als dass sie nicht dem Schutz der Partei dient, sondern vielmehr die zivilprozessuale Rechtspflege im Rahmen des adversary system als solche schützt.61 Aus diesem Grund kann das Gericht die eigentlich aufgrund der work product rule weigerungsberechtigte Partei im Einzelfall zur Durchführung der beantragten discovery Maßnahme verpflichten.62 Die work product rule ist in FRCP 26(b)(3) und (4) kodifiziert worden, wobei (4) besondere Regeln für expert witnesses formuliert.63 Insgesamt sind die privileges deutlich restriktiver als die vom deutschen Zivilprozessrecht vorgesehenen Weigerungsrechte gem. §§ 383 f. ZPO.64 Insbesondere bestehen in den USA auf Bundesebene keine privileges für die Informationen von Journalisten65 und für Betriebs- und Geschäftsgeheim56 

Schack, Einführung, S. 49 f. Reiling, Das US-amerikanische Discovery-Verfahren im Rahmen deutscher gerichtlicher Auseinandersetzungen, S. 129. Vgl. auch die informative Übersicht bei Stadler, Schutz des Unternehmensgeheimnisses, S. 128 ff. 58  Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 340. 59 Grundlegend Hickman v Taylor 329 US 495 (1947). 60  Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 345 f. 61  Schack, Einführung, S. 50 m. w. N. dort Fn. 432. 62  Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 342. 63  Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 342 ff.; Advisory Committee’s Explanatory Statement Concerning Amendment of the Discovery Rules, 48 F. R. D. 487, 500 (1970). 64  Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 543 ff.; Schlosser, ZZP 94 (1981), 369 (401 ff.); Stürner, ZVglRWiss 81 (1982), 160 (203 ff.). 65 Vgl. Bruns, Informationsansprüche gegen Medien, S. 125. Das Prozessrecht einzelner Gliedstaaten kennt zusätzliche Weigerungsrechte, z. B. für Journalisten und für Informationen 57 

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Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)

nisse66, während in Deutschland beide Kategorien von Informationen geschützt sind, vgl. § 383 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 384 Nr. 3 ZPO.67 Auch personenbezogene Informationen natürlicher Personen, die in Deutschland datenschutzrechtlich geschützt wären, sind in den USA nicht durch ein privilege geschützt.68

III.  Schutz im Einzelfall: protective orders und confidentiality orders Auch soweit die Offenlegung einer Information gem. FRCP  26(b)(1) Satz 1 verlangt werden kann, kann das Gericht im Einzelfall zugunsten der Beweisperson Schutzmaßnahmen erlassen, sog. protective orders.69 Diese Schutzmaßnahmen sind geregelt in FRCP 26(c). Danach sind Erlass und inhaltliche Ausgestaltung der protective order in das Ermessen des Gerichts gestellt.70 So kann das Gericht die beantragte discovery-Maßnahme vollständig ausschließen, dem Antragsteller die Weitergabe der in Rede stehenden Informationen an alle oder bestimmte Dritte verbieten71 oder – abweichend von der allgemeinen Kostenregel72 – dem Antragsteller die Kosten der Maßnahme auferlegen.73 Das Gericht kann auch anordnen, dass vorrangig Beweismittel zu erheben sind, die keine geheimhaltungsbedürftigen Informationen enthalten.74 Wichtig sind protective orders in der Praxis v. a. zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, sowie zur Vermeidung allzu großer Kostenbelastung im Rahmen der eDiscovery.75 Der Erlass von protective orders, die ein Auskunftsbegehren aus dem Verhältnis zwischen Buchhalter und Klienten, vgl. Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 340. 66  Stadler, Schutz des Unternehmensgeheimnisses, S. 133; Mann, Anwaltliche Verschwiegenheit und Corporate Governance, S. 105. Vgl. zur Definition der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unten, § 6 A. II.1. Diese entspricht in der Sache im Wesentlichen der Konzeption der US-amerikanischen trade secrets, die ebenfalls das Vorliegen von Nichtoffenkundigkeit, Geheimhaltsungswille und Geheimhaltungsinteresse geknüpft sind, wobei US‑Gerichte die einzelnen Tatbestandmerkmale regelmäßig enger auslegen als deutsche Gerichte, vgl. Stadler, Schutz des Unternehmensgeheimnisses, S. 17 ff. 67  Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 542 ff.; Schack, Einführung, S. 50; Stadler, NJW 1989, 1202 (1205); Schlosser, ZZP 94 (1981), 369 (401 ff.); Stürner, ZVglRWiss 81 (1982), 160 (203 ff.). Vgl. auch differenzierend, aber im Ergebnis zustimmend Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im internationalen Wirtschaftsrecht, S. 133. 68  Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 46. Vgl. zum Datenschutz insgesamt auch unten, § 7 B. IV. 5.b)bb). 69  Vgl. die ausführliche Darstellung der protective orders bei Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 87 ff. 70  Spies/Schröder, MMR 2008, 275 (277). 71  Vgl. zu solchen sog. confidentiality orders den Überblick bei Erichson, 81 Chi.‑Kent L. Rev. 357 (2006). 72  Vgl. dazu unten, § 2 F. 73 Vgl. Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 350. 74  Vgl. dazu Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess, S. 55; Stadler, Schutz des Unternehmensgeheimnisses, S. 218 f. 75  Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 350 f. Vgl. insbesondere zum Schutz von



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erheblich einschränken, ist aber eher selten.76 Eine protective order kann nach ihrem Erlass jederzeit vom Gericht im Nachhinein wieder aufgehoben werden.77 Über den Erlass einer protective order wird im Rahmen eines in cameraVerfahrens entschieden.78

D.  Discovery außerhalb der USA belegener Beweismittel Besondere Fragen stellen sich, wenn die discovery außerhalb der USA belegene Beweismittel betrifft. Nach der kontinentaleuropäischen Tradition wird die Beweisaufnahme im Zivilprozess durch das Gericht vorgenommen und stellt eine hoheitliche Tätigkeit dar.79 Kontinentaleuropäische Staaten sehen in der Durchführung einer ausländischen Beweisaufnahme auf ihrem Hoheitsgebiet deshalb eine Verletzung ihrer Souveränität.80 Beweisaufnahmen können nach diesem Verständnis grundsätzlich nur im Forumstaat stattfinden,81 die Erhebung eines im Ausland belegenen Beweismittels ist nur mit Zustimmung bzw. durch Mithilfe des ausländischen Staates möglich (sog. Rechtshilfe).82 Eine Vielzahl von Staaten haben die Bedingungen für die gegenseitige Erbringung von Rechtshilfe in Zivilsachen völkerrechtlich geregelt. Im Verhältnis zwischen Deutschland und den USA regelt das HBÜ die völkerrechtlichen Grundlagen der beweismäßigen Rechtshilfe.83 Das Übereinkommen sieht zwei Modalitäten der Beweisaufnahme im Ausland vor. Erstens kann jeder Vertragsstaat durch seine im Territorium eines anderen Vertragsstaats vertretenen diplomatischen und konsularischen Beamten Beweise erheben, wobei die Beamten allerdings keinen hoheitlichen Zwang ausüben dürfen (Art. 15 ff. HBÜ). ZweiBetriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch protective orders auch Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess, S. 53 ff. 76  Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 350. 77  Vgl. dazu Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 96 ff. 78  Vgl. zu verschiedenen Möglichkeiten der Gestaltung des in camera-Verfahrens Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess, S. 54 f. 79 Vgl. zu diesem Verständnis z.  B. BGH NJW 1999, 3788 (3789); Geimer, IZPR, Rn. 2347. Anders ist es in den common law-Staaten, wo die Beweiserhebung zu einem großen Teil durch die Parteien selbst ausgeführt wird, vgl. Geimer, IZPR, Rn. 2268. 80  Vgl. z. B. die amicus curiae-Stellungnahme der Bundesrepublik in Sachen Aérospatiale, nach der das HBÜ die Modalitäten der Beweisaufnahme abschließend regelt und insofern Exklusivität beansprucht, Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. US District Court for the Southern District of Iowa, Brief for the Federal Republic of Germany as Amicus Curiae, 1986 WL 727492 (U. S.). 81  Geimer, IZPR, Rn. 2347; Stürner, JZ 1987, 42 (45). 82  Geimer, IZPR, Rn. 2347. 83  Das Völkergewohnheitsrecht enthält keine Pflicht, ausländische Gerichte in entsprechender Weise zu unterstützen, Geimer, IZPR, Rn. 2016, 2350; Pfeil-Kammerer, Deutschamerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, S. 57. Eine Liste der Vertragsstaaten des HBÜ ist bei der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht online abrufbar unter https:// www.hcch.net/de/instruments/conventions/status-table/print/?cid=82, zuletzt abgerufen am 16. Mai 2019.

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Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)

tens können die gerichtlichen Behörden eines Vertragsstaats gem. Art. 1 Abs. 1 HBÜ bei den zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaats um die Durchführung der Beweisaufnahme im Wege der Amtshilfe nachsuchen. Die Beweisaufnahme wird dann durch die Behörden des ausländischen Staates durchgeführt.84 Vor diesem Hintergrund wird mitunter vertreten, dass Beweiserhebung in Deutschland für in den USA geführte Zivilverfahren exklusiv in den vom HBÜ vorgesehenen Formen möglich sei. Im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten stelle das HBÜ eine abschließende Regelung der Beschaffung von Beweismitteln aus einem anderen Vertragsstaat dar. Discovery Maßnahmen in Deutschland außerhalb der vom HBÜ vorgesehenen Formen seien durch das HBÜ insofern ausgeschlossen.85 In den USA hat sich allerdings die gegenteilige Auffassung durchgesetzt. In Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. US District Court for the Southern District of Iowa hat der Supreme Court 1987 entschieden, dass das HBÜ die Beweisaufnahme im Ausland nicht abschließend regele, sondern nur alternativ neben die discovery gem. FRCP  26–37 trete.86 Discovery-Maßnahmen im Ausland sind danach grundsätzlich auch ohne Inanspruchnahme der vom HBÜ vorgesehenen Modalitäten der Rechtshilfe zulässig.87 Insofern gilt allerdings einschränkend, dass es den US‑Gerichten verwehrt ist, im Rahmen extraterritorialer discovery-Maßnahmen Zwangsmittel anzuwenden bzw. anzudrohen. Hier sind die US‑Gerichte nach Aérospatiale also auf die Kooperation des ausländischen Staates und auf die Einhaltung des HBÜ angewiesen.88 Diese Beschränkung der Auslands-discovery auf „freiwillige“ Herausgabe von Beweismitteln ist aber bei Lichte besehen nur theoretisch: In der Praxis erfüllt die große Mehrheit ausländischer Prozessparteien auf das Ausland bezogene discovery-Begehren, weil sie (zu Recht) befürchten, dass das US‑Ge84 

Vgl. den Überblick bei Berger, in: Stein/Jonas23, Anhang zu § 363 Rn. 3 f. diesem Sinne Heck, ZVglRWiss 84 (1985), 208 (221); Stadler, Schutz des Unternehmensgeheimnisses, S. 308 ff., 319. Auch die Bundesregierung hat sich in diesem Sinne geäußert, vgl. Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. US District Court for the Southern District of Iowa, Brief for the Federal Republic of Germany as Amicus Curiae, 25 I. L. M. 1539 (1986). A. A. aber Berger, in: Stein/Jonas23, Anhang zu § 363 Rn. 8; Pabst, in: MüKo-ZPO, Vorbemerkung zu Art. 1 ff. HBÜ Rn. 10 ff.; Junker, Discovery, S. 401 f.; Schack, IZVR, Rn. 808; ders., Einführung, S. 54. Differenzierend Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery, passim, insb. S. 69 f. 86  Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. US District Court for the Southern District of Iowa, 482 U. S. 522, 539 (1987). 87  Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. US District Court for the Southern District of Iowa, 482 U. S. 522, 539 (1987). Vgl. auch die umfangreichen Nachweise zu Kommentierungen der Entscheidung bei Trittmann, Anwendungsprobleme, S. 200 dort Fn. 637 und bei Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 47 f. 88  Gerber, 82 Am. J. Int’l L. 521 (1988); Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 47. 85  In



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richt ihnen gegenüber andernfalls Sanktionen verhängen werde.89 Im Zusammenhang mit US-amerikanischen Zivilverfahren sind Rechtshilfeersuchen nach HBÜ deshalb die große Ausnahme.90

E. Sanktionen Kommt es zwischen den Parteien zu Streit um die Zulässigkeit bzw. Erfüllung bestimmter discovery-Begehren, können diese das Gericht anrufen. Stellt das Gericht fest, dass eine der Parteien ihre discovery-Pflichten verletzt, so kann es gegenüber dieser Partei Sanktionen verhängen.91 Dabei stehen dem Gericht zwei Arten von Sanktionen zur Verfügung. Erstens kann das Gericht derjenigen Partei, die ihre discovery-Pflichten verletzt, einen Prozessnachteil zuordnen (sog. innerprozessuale bzw. indirekte Sanktionen). Gem. FRCP 37(b)(2)(A) Satz 2 lit. (i) bis (vi) kann das Gericht folgende innerprozessuale Sanktionen verhängen: Unterstellung der in Rede stehenden Tatsache als wahr (sog. Adverse Inference Order); Ausschluss bestimmter rechtlicher Angriffs- oder Verteidigungsmittel und tatsächlichen Vorbringens; Aussetzung des Verfahrens bis zur Erfüllung der discovery-Pflichten; vollständige oder teilweise Klageabweisung; Erlass eines Versäumnisurteils. Bei der Auswahl der angemessenen indirekten Sanktionen genießt das Gericht weites Ermessen.92 Neben den innerprozessualen Sanktionen kann das US‑Gericht außerprozessuale Sanktionen gegen die vorlagepflichtige Partei verhängen. Gem. FRCP 37(b)(2)(A) Satz 2 (vii) kann ein Verstoß gegen discovery-Pflichten als Missachtung des Gerichts (contempt of court) geahndet werden. Dann kann das Gericht zur Erzwingung der Pflichtbefolgung Ordnungsgelder bzw. -haft verhängen; zusätzlich kann die Verletzung von discovery-Pflichten eine Straftat darstellen (criminal contempt of court), FRCP 42.93 Auch Beweisvereitelung (spoliation) ist mit empfindlichen Sanktionen bedroht. So kann das Gericht zulasten der den Beweis vereitelnden Partei eine Adverse Inference Order erlassen.94 Zusätzlich drohen auch bei spoliation Geldbußen und sogar strafrechtliche Sanktionen.95 Das ist deshalb besonders 89 

Insofern kommen sowohl innerprozessuale Sanktionen wie das Unterliegen im Prozess und Beweisnachteile sowie die außerprozessuale Sanktion des contempt of court in Betracht. Außerprozessuale Sanktionen können aber in der Bundesrepublik nicht vollzogen werden, vgl. Berger, in: Stein/Jonas23, Anhang zu § 363 Rn. 10. 90  Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 47. 91  Vgl. auch Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 372 f. 92  Junker, Discovery, S. 192 ff. 93  Junker, Discovery, S. 194. 94  Spies/Schröder, MMR 2008, 275 (276). 95  Eine Übersicht der möglichen Sanktionen der spolitation findet sich bei Koesel/Turnbull/Gourash, Spoliation of evidence, S. 61 ff. Vgl. auch die rechtsvergleichende Betrachtung

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Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)

heikel, weil der Tatbestand der spoliation schon vor Rechtshängigkeit verwirklicht werden kann. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Partei eines zukünftigen Rechtsstreits nicht rechtzeitig einen litigation hold96 einrichtet, und deshalb unabsichtlich (ggf. fahrlässig) im späteren Rechtsstreit vorzulegende Dokumente vernichtet. Vor diesem Hintergrund wird die besondere Wichtigkeit der Einrichtung ausreichender document retention policies ersichtlich.97

F. Kosten Rechtsstreitigkeiten in den USA sind bekanntermaßen mit hohen Kosten verbunden. Zwar sind die Gerichtskosten im Vergleich zu Deutschland sehr niedrig.98 Die auf beiden Seiten eines Rechtsstreits anfallenden Anwaltskosten sind aber regelmäßig deutlich höher als bei vergleichbaren Verfahren in Deutschland.99 Schätzungen zufolge verursacht die discovery 20–50 % der gesamten Kosten,100 wobei der weitaus größte Teil auf die eDiscovery entfällt.101 Das RAND Institute for Civil Justice hat ermittelt, dass Aufbewahrung, Sichtung, Übermittlung und Auswertung elektronisch gespeicherter Daten in der discovery im Durchschnitt zwischen USD 12.000 und 18.000 pro Gigabyte kosten.102 Die Menge der zu übermittelnden Daten hängt naturgemäß sehr stark vom Einzelfall ab. Das Institute for the Advancement of the American Legal System schätzte aber 2008, dass bei einem durchschnittlichen Rechtsstreit eDiscovery von ca. 500 Gigabyte Daten anfalle.103 Bei Zugrundelegung dieser Zahlen ergibt sich für jede Prozesspartei eine Kostenlast zwischen USD 6 und 9 Mio. alvon Beweisvereitelung nach deutschem Zivilprozessrecht und spoliation nach US-amerikansichem Recht bei Paulus, AcP 197 (1997), 136 (145 ff.). 96  Vgl. oben, § 2 B. VI. 97  Vgl. dazu nochmals oben, § 2 B. VI. 98  Unabhängig vom Streitwert entstehen neben der filing fee in Höhe von USD 350,00 – 28 USC § 1914(a) – lediglich Kosten für die Protokollierung der Partei- und Zeugenaussagen, die Zustellungen, die Auslagen der Zeugen, gerichtlich bestellte Sachverständige, Dolmetscher sowie eine docket fee für die jeweiligen Anwälte in Höhe von USD 20,00 (28 USC § 1923), vgl. Schack, Einführung, S. 7 f. 99  Aktuell fallen mitunter Stundensätze von bis zu EUR 2.000 an, vgl. Hall, Anwaltshonorare in den USA – Guter Rat wird immer teurer, in: Legal Tribune Online, online verfügbar unter http://www.lto.de/persistent/a_id/19467/, zuletzt abgerufen am 16 Mai 2019. Vgl. allgemein zu Anwaltskosten in den USA Pera, Anwaltshonorare in Deutschland und den USA (1995). 100  Lee/Willging, 60 Duke Law Journal 765, 781 (2010). 101  Stuart, 35 American Bankruptcy Institute Journal 34 (2016). 102  Pace/Zakaras, Where the Money Goes – Understanding Litigant Expenditures for Producing Electronic Discovery, S. 20. Danach sind in Einzelfällen allerdings auch deutlich höhere Kosten von bis zu USD 358.000 pro Gigabyte angefallen. 103  Institute for the Advancement of the American Legal System, Electronic Discovery: A View from the Front Lines, S. 5. Aufgrund der andauernden Zunahme der Verbreitung von EDV ist davon auszugehen, dass der Umfang einer durchschnittlichen eDiscovery in der Zeit seit 2008 noch deutlich gestiegen ist.



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leine für die eDiscovery. Zwar dürfte diese Schätzung insbesondere von großen Wirtschaftsstreitigkeiten geprägt sein. Dennoch ist ersichtlich, dass die eDiscovery für die Parteien mit einer erheblichen Kostenlast verbunden ist. Dieser Befund wiegt deshalb besonders schwer, weil nach US-amerikanischem Recht grundsätzlich keine prozessuale Kostenerstattung stattfindet. Nach der sog. American rule of costs kann das Gericht zwar bezüglich einzelner Kostenpositionen insb. in Fällen missbräuchlichen Prozessverhaltens ausnahmsweise punktuell Kostenerstattung anordnen.104 In der Regel tragen die Parteien ihre jeweiligen Kosten aber selbst, unabhängig von Obsiegen oder Niederlage im Prozess.105 Das eröffnet den Parteien Prozesstaktiken, die Junker zurecht als „Erpressung“ bezeichnet hat.106 Da auch im Falle des Obsiegens Prozesskosten regelmäßig nicht erstattet werden, ist es nicht selten selbst für den zu Unrecht Beklagten wirtschaftlich sinnvoller, sich mit dem Kläger zu vergleichen, als sich auf eine zeit- und kostenintensive discovery einzulassen. Bösgläubige Kläger können daher bewusst unbegründete Klagen erheben und durch besonders weitgehende discovery-Anträge den Beklagten gezielt zum Abschluss eines Vergleichs „nötigen“.107 In der US-amerikanischen Diskussion ist insofern vom Belästigungswert (nuisance value) der discovery die Rede.108 Vor diesem Hintergrund wird im US-amerikanischen Schrifttum seit geraumer Zeit immer wieder eine Einschränkung der discovery gefordert.109 Es ist denn auch erklärtes Ziel aller FRCP‑Reformen der jüngeren Zeit gewesen, die mit der discovery verbundenen Kosten zu reduzieren.110 Ob die FRCP‑Reform von 2015 dieses Ziel erreichen wird, kann noch nicht beurteilt werden; an früherer Stelle wurde aber bereits die Vermutung geäußert, dass eine durchgrei104 Vgl. Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 51 ff. Das ist z. B. dann der Fall, wenn im Rahmen der discovery die offenlegungspflichtige Partei zu Unrecht die Abgabe einer admission of facts verweigert, vgl. dazu oben, § 2 B. VI. 105 Vgl. dazu insgesamt Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S. 49 ff.; Neufang, Kostenverteilung im US-amerikanischen Zivilprozess und Urteilsanerkennung in Deutschland, S. 31 ff. 106  Junker, Discovery, S. 90. 107  Beisner, 60 Duke Law Journal 547, 547 (2010): „Rather than promoting fairness and efficiency in the American legal system, plaintiffs today often use discovery in an abusive and vexatious manner to coerce defendants into accepting quick settlements.“ 108  Vgl. z. B. Eisenberg/Miller, 98 Cornell L. Rev. 327, 334 (2013). 109  In diesem Sinne mit rechtsvergleichendem Blick auf Deutschland schon Langbein, U. Chic. L. Rev. 823 (1985). Vgl. in neuerer Zeit z. B. Beisner, 60 Duke Law Journal 547 (2010). Auch in der außer-juristischen US-Öffentlichkeit findet das Thema große Beachtung, vgl. z. B. aus der New York Review of Books den Beitrag von Rakoff, Why You Won’t Get Your Day in Court, in: The New York Review of Books, online verfügbar unter http://www. nybooks.com/articles/2016/11/24/why-you-wont-get-your-day-in-court/, zuletzt abgerufen am 16. Mai 2019. 110  Vgl. zur FRCP‑Reform 2015 z. B. Jablonski/Dahl, 82 Defense Counsel Journal 411, 412 (2015).

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Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)

fende Änderung der discovery-Praxis aufgrund der Reform nicht zu erwarten ist.111

§ 3  28  USC § 1782(a) 28 USC § 1782(a) regelt, unter welchen Voraussetzungen die discovery durchgeführt werden kann, um Beweismittel für einen außerhalb der USA anhängigen Rechtsstreit zu beschaffen. Die aktuelle Fassung von 28 USC § 1782(a) geht zurück auf eine Reform aus dem Jahr 1964.112 Im Zuge dieser Reform wurde das US-amerikanische Recht der Rechtshilfe in Beweissachen zentral an seiner aktuellen Stelle in 28 USC § 1782 geregelt und ist seitdem inhaltlich – mit der Ausnahme einer auf Strafverfahren bezogenen Reform aus dem Jahr 1996113 – unverändert geblieben.114 28 USC § 1782(a) lautet: „28 U. S. Code § 1782 – Assistance to foreign and international tribunals and to litigants before such tribunals (a) The district court of the district in which a person resides or is found may order him to give his testimony or statement or to produce a document or other thing for use in a proceeding in a foreign or international tribunal, including criminal investigations conducted before formal accusation. The order may be made pursuant to a letter rogatory issued, or request made, by a foreign or international tribunal or upon the application of any interested person and may direct that the testimony or statement be given, or the document or other thing be produced, before a person appointed by the court. By virtue of his appointment, the person appointed has power to administer any necessary oath and take the testimony or statement. The order may prescribe the practice and procedure, which may be in whole or part the practice and procedure of the foreign country or the international tribunal, for taking the testimony or statement or producing the document or other thing. To the extent that the order does not prescribe otherwise, the testimony or statement shall be taken, and the document or other thing produced, in accordance with the Federal Rules of Civil Procedure. A person may not be compelled to give his testimony or statement or to produce a document or other thing in violation of any legally applicable privilege.“ 111 

Vgl. oben, § 2 C. I. zur Reform von 1964 insgesamt Smit, 65 Colum. L. Rev. 1015 (1965). Das US‑Recht erlaubte internationale Rechtshilfe durch Beweiserhebung in Zivilsachen zwar schon seit 1855. Die damalige Regelung war aber inhaltlich vom aktuellen 28 USC § 1782(a) derart verschieden, dass sich keine direkten Verbindungslinien feststellen lassen, vgl. zur Rechtslage vor 1964 Robertson/Friedman, 25 J. Arb. Stud. 59, 60 f. (2015) m. w. N. 113  28 USC § 1782(a) Satz 1 wurde 1996 um einen Halbsatz ergänzt, der es erlaubt, in Strafverfahren schon vor Anklageerhebung Beweishilfe zu leisten, vgl. dazu Robertson/Friedman, 25 J. Arb. Stud. 59, 61 (2015) m. w. N. 114 Siehe insgesamt zur historischen Entwicklung der Vorschrift Smit, 25 Syracuse J. Int’l. L. & Com. 1 (1998); ders., 65 Colum. L. Rev. 1015 (1965); Perez/Cruz-Alvarez, 5 FIU L. Rev. 177, 179 f. (2009). 112 Vgl.



§ 3  28  USC § 1782(a)

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Das Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) beginnt mit einem entsprechenden Antrag an das zuständige Gericht in den USA. Stellt dieses fest, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind (A.), entscheidet es in Ausübung des ihm eingeräumten Verfahrensermessens über die Eröffnung des Verfahrens (B.). Soweit das Verfahren eröffnet wird, stehen dem Antragsteller die zuvor dargestellten Mittel der discovery nach Maßgabe von 28 USC § 1782(a) zur Verfügung (C.). Dabei sind auch im Rahmen von 28 USC § 1782(a) gewisse privileges zu beachten (D.).

A. Tatbestand Der Tatbestand von 28 USC § 1782(a) nennt vier Voraussetzungen: Erstens muss der Antragsgegner der Zuständigkeit des district court unterfallen; zweitens müssen die zu erhebenden Beweise dazu bestimmt sein, in einem Verfahren vor einem ausländischen oder internationalen tribunal verwendet zu werden; drittens muss der Antragsteller zum antragsberechtigten Personenkreis gehören; viertens darf die beantragte discovery nicht gegen einschlägige Weigerungsrechte des Antragsgegners verstoßen. In Schrifttum und Rechtsprechung wird erwogen, ob das Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) neben diesen geschriebenen Voraussetzungen an weitere, ungeschriebene Voraussetzungen geknüpft ist. Insbesondere wurde vertreten, dass das Verfahren nur dann stattfinden dürfe, wenn die beantragte Beweisbeschaffung auch nach dem Verfahrensrecht des Forumstaates zulässig wäre (sog. foreign discoverability requirement). Weiterhin wird diskutiert, ob das Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) nur bezüglich in den USA belegener Beweismittel durchgeführt werden dürfe. Für die vorliegende Untersuchung ist zunächst zu klären, wer zu dem gem. 28 USC § 1782(a) antragsberechtigten Personenkreis gehört (I.), und unter welchen Voraussetzungen ein Antragsgegner der Zuständigkeit des district court unterfällt (II.). Daneben steht zu fragen, ob discovery gem. 28 USC § 1782(a) tatsächlich nur unter den o. g. ungeschriebenen Voraussetzungen verfügbar ist (III. und IV.). Das Tatbestandsmerkmal der Bestimmung zur Verwendung vor einem tribunal wird hingegen nicht näher dargestellt. Es ist in allen hier interessierenden Fällen erfüllt. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist nämlich die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel in Rechtsstreitigkeiten vor deutschen (staatlichen) Zivilgerichten. Staatliche Gerichte sind aber unproblematisch tribunals im Sinne der Vorschrift.115 115  In der US‑Lehre und Rechtsprechung aktuell hoch umstritten ist die für die vorliegende Untersuchung irrelevante Frage, ob auch private Schiedsgerichte zu den tribunals im Sinne der Vorschrift gehören. Vgl. dazu den Streitstand bei Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 265 ff.

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Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)

I.  Antragsberechtigter Personenkreis 28 USC § 1782(a) S. 2 setzt ein Rechtshilfeersuchen des ausländischen tribunal oder einen Antrag einer am ausländischen Rechtsstreit interessierten Person voraus.116 Interested person im Sinne der Vorschrift sind jedenfalls die Parteien des ausländischen Rechtsstreits.117 Das ergibt sich schon aus der amtlichen Überschrift von 28 USC § 1782(a): „Assistance to foreign and international tribunals and to litigants before such tribunals“.118 Darüber hinaus gehören nach der Leitentscheidung des Supreme Court zu 28 USC § 1782(a) von 2004 in Sachen Intel v. AMD119 aber auch alle sonstigen Personen, die ein vernünftiges Interesse an der Beschaffung der Rechtshilfe haben, zum antragsberechtigten Personenkreis.120 Z. B. ist bei einem Wettbewerbsverfahren der Europäischen Kommission der Wettbewerber, auf dessen Antrag hin das Verfahren eröffnet wurde, eine interested person im Sinne der Vorschrift.121 Bezogen auf Rechtsstreitigkeiten in Zivilsachen122 ist dieses weite Verständnis des antragsberechtigten Personenkreises bislang v. a. insofern relevant geworden, als dass auch Stellvertreter (agents) einer Partei als interested person im Sinne von 28 USC § 1782(a) qualifiziert wurden.123

II.  Zuständigkeit im Rahmen von 28 USC § 1782(a) Allgemein wird in den USA zwischen drei Arten der Zuständigkeit unterschieden: Subject matter jurisdiction (sachliche Zuständigkeit), territorial bzw. personal jurisdiction (internationale und innerstaatliche Zuständigkeit) und venue (örtliche Zuständigkeit).124 116 Konstellationen, in denen ein Rechtshilfeersuchen vorliegt, sind allerdings von der vorliegenden Untersuchung ausgeschlossen, vgl. oben, § 1. Im Folgenden wird mithin ausschließlich das Merkmal der am ausländischen Rechtsstreit interessierten Person dargestellt. 117  Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 256 (2004): „No doubt litigants are included among, and may be the most common example of, the ‚interested person[s]‘ who may invoke § 1782“. Der Begriff der person umfasst entsprechend der Legaldefinition in 1 USC § 1 natürliche und juristische Personen. Auch ausländische Staaten sind antragsberechtigt gem. 28 USC § 1782(a), vgl. ausführlich Adler, S. 221 ff. m. w. N. 118  Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 53. 119  Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241 (2004). 120  Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 242 (2004). 121  Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 242 (2004). 122  Vgl. zum Merkmal der interested person in Straf- bzw. Familienverfahren Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 54, m. w. N. 123  Lancaster Factoring Co. Ltd. v. Mangone, 90 F. 3d 38, *42 (2nd Cir. 1996). Hier handelte es sich um ein Insolvenzverfahren. Der 2. Circuit hat a. a. O. auch klargestellt, dass der Insolvenzverwalter des Masseschuldners interested person im Sinne von 28 USC § 1782(a) ist. 124  Allgemein wird in den USA zwischen drei Arten der Zuständigkeit unterschieden: Subject matter jurisdiction (sachliche Zuständigkeit), territorial bzw. personal jurisdiction (internationale und innerstaatliche Zuständigkeit) und venue (örtliche Zuständigkeit), vgl. den Über-



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Die subject matter jurisdiction für das Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) ist im Gesetz ausdrücklich den district courts zugewiesen.125 Venue und personal jurisdiction fallen bezüglich des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) zusammen126 und können durch zwei verschiedene Umstände begründet werden: (1) Der Wohn- oder Gesellschaftssitz des Antragsgegners liegt im Gerichtsbezirk (district in which a person resides); (2) der Antragsgegner wird im Gerichtsbezirk angetroffen (district in which a person […] is found). Hinsichtlich der die Zuständigkeit begründenden Umstände trägt der Antragsteller die Darlegungsund Beweislast.127 Die Zuständigkeitsbegründung qua residence spielt in der Praxis kaum eine Rolle:128 Soweit ersichtlich, ist sie bezüglich 28 USC § 1782(a) in nur zwei Fällen Gegenstand einer Gerichtsentscheidung gewesen.129 Das liegt daran, dass die Voraussetzungen der residence  – unabhängig davon, wie sie konkret definiert sind – jedenfalls restriktiver sind als diejenigen, die das Angetroffensein des Antragsgegners begründen.130 Die Zuständigkeit hängt damit zentral davon ab, unter welchen Voraussetzungen der Antragsgegner als im Gerichtsbezirk angetroffen (found) anzusehen ist.131 Natürliche Personen sind zumindest dann found im Gerichtsbezirk, wenn ihnen die subpoena, die die Beweiserhebung anordnet, während ihrer physischen Anwesenheit im Gerichtsbezirk persönlich übergeben wird.132 Unerheblich ist blick bei Schack, Einführung, S. 17 ff. Für 28 USC § 1782(a) ist die subject matter jurisdiction im Gesetz ausdrücklich den district courts zugewiesen, und personal jurisdiction und venue sind gemeinsam durch die nachfolgend besprochenen Tatbestandsmerkmale definiert, fallen also zusammen. Aus diesem Grund wird im Folgenden ohne weitere Differenzierung nur von „Zuständigkeit“ im Sinne von 28 USC § 1782(a) gesprochen. Vgl. zur Zuständigkeit gem. 28 USC § 1782(a) auch sehr ausführlich Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 230 ff. 125 Vgl. Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 54 f. 126  Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 260. 127  In re Application of Godfrey, 526 F. Supp.2d 417, 419 (S. D. N. Y. 2007); In re Application of Inversiones y Gasolinera Petroleos Valenzuela, 2011 WL 181311, *7 (S. D. Florida 2011); In re Application of Thai-Lao Lignite, 821 F. Supp.2d 289, 295 (D. D. C. 2011). 128  Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 58. Im allgemeinen U. S.‑Zuständigkeitsrecht findet die Frage hingegen durchaus Beachtung, vgl. z. B. U. S. v. Venturella, 391 F. 3d 120, 124 ff. (2d. Cir. 2004). 129  In re Kolomoisky, 2006 WL 2404332, *2 f. (S. D. N. Y. 2006); In re Application of Microsoft Corp., 428 F. Supp. 2d 188, 193 (S. D. N. Y. 2006). 130  Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 58. 131  Der US-amerikanische Staat und seine Behörden sind keine tauglichen Antragsgegner im Sinne von 28 USC § 1782(a), vgl. Al-Fayed v. CIA, 229 F. 3d 272, 274 ff. (D. C. Cir. 2000); McKevitt v. Mueller, 689 F. Supp. 2d 661, 668, dort Fn. 1 (S. D. N. Y. 2010). Ausländische Staaten könnten zwar grundsätzlich taugliche Antragsgegner sein; entsprechende Anträge würden aber an der dann nicht gegebenen personal jurisdiction scheitern, Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 230 dort Fn. 95. 132  Die diesbezügliche Leitentscheidung ist In Re Application of Edelman, 295 F. 3d 171 (2d Cir. 2002). Die Frage war noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Erkenntnis.

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insofern, ob der Antragsgegner auch zum Zeitpunkt der Antragstellung bzw. der Entscheidung über den Antrag im Gerichtsbezirk anwesend war.133 Eine Ersatzzustellung der subpoena im Gerichtsbezirk reicht demgegenüber nicht aus, um das Angetroffensein des Antragsgegners im Sinne von 28 USC § 1782(a) zu begründen.134 Die Auslegung der Zuständigkeitszuweisung gem. 28 USC § 1782(a) entspricht insofern der Rechtsprechung zur Hauptsachezuständigkeit.135 Diese geht unter dem Schlagwort der transient jurisdiction davon aus, dass die personal jurisdiction eines Gerichts eröffnet ist, wenn der Beklagte sich physisch im Gerichtsbezirk aufhält, und zwar auch dann, wenn dies nur vorübergehend und nur zufällig der Fall ist, und der Beklagte keine weiteren Kontakte als den bloßen physischen Aufenthalt zum Gerichtsbezirk unterhält.136 Daneben gelten natürliche und juristische Personen auch dann als found im Gerichtsbezirk, wenn sie ausreichende Kontakte (minimum contacts) zu diesem unterhalten.137 Das ist der Fall, wenn der Antragsgegner im Gerichtsbezirk kontinuierliche und systematische (Geschäfts-)Aktivitäten entfaltet.138 Ob dieses Merkmal erfüllt ist, ist jeweils durch eine Gesamtschau der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.139 Eine vereinzelte geschäftliche Handlung im Gerichtsbezirk reicht aber jedenfalls nicht aus, um minimum contacts zu begründen.140 Bezogen auf juristische Personen ist auch die bloße physische Anwesenheit eines Gesellschaftsorgans nicht geeignet, um minimum contacts zu begründen.141 Wie auch bei natürlichen Personen reicht auch bei ju133  Das ergebe sich aus dem von 28 USC § 1782(a) verfolgten Ziel effizienter Beweishilfe und sei zur Vermeidung unnötiger Förmeleien notwendig, vgl. In Re Application of Edelman, 295 F. 3d 171, 178 (2d Cir. 2002). 134  In re Application of Godfrey, 526 F. Supp.2d 417, 421 (S. D. N. Y. 2007). 135  So ausdrücklich In Re Application of Edelman, 295 F. 3d 171, 180 (2d Cir. 2002). Vgl. aber dazu kritisch Smit, 25 Syracuse J. Int’l. L. & Com. 1, 9 (1998), der meint, die Zuständigkeitsregelung in 28 USC § 1782(a) sei eigenständig auszulegen. 136 Vgl. grundlegend Burnham v. Superior Court of California, 495 U. S. 604 (1990). Diese Rechtsprechung treibt mitunter absurd anmutende Blüten. So hat sich z. B. in Grace v. MacArthur, 170 F. Supp. 442 (E. D. Ark. 1959) ein Bezirksgericht in Arkansas für zuständig erklärt, weil dem Beklagten (der ansonsten keine Kontakte zum Gerichtsbezirk unterhielt) die Klageschrift im Flugzeug übergeben wurde, als dieses sich über dem Gerichtsbezirk befand. 137  Vgl. in diesem Sinne z. B. In re Application of Thai-Lao Lignite, 821 F. Supp.2d 289, 294, dort Fn. 4 (D. D. C. 2011); In re Application of Inversiones y Gasolinera Petroleos Valenzuela, 2011 WL 181311, *7 (S. D. Florida 2011). Insofern zustimmend zu einer Auslegung des found in Übereinstimmung mit dem allg. Zuständigkeitsrecht Smit, 25 Syracuse J. Int’l. L. & Com. 1, 10 (1998). 138  International Shoe v. State of Washington, 326 U. S. 310, 316 (1945): „continuous and systematic activities“, aber bezogen auf das allg. Zuständigkeitsrecht. 139  Trennscharfe abstrakte Kriterien lassen sich zu dieser Frage nicht formulieren. Insofern ist Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 231 zuzustimmen: „Die Rechtsprechung ist, gelinde gesagt, unübersichtlich.“ 140  International Shoe v. State of Washington, 326 U. S. 310, 316 (1945). 141  O’Brien v. Eubanks, 701 P. 2d 614, 616 f. (Colo. App. 1984); Restatement (Second) of Conflicts, § 42(e).



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ristischen Personen eine Ersatzzustellung nicht aus, um das Angetroffensein im Sinne von 28 USC § 1782(a) zu begründen.142 Andererseits ist es zur Begründung der minimum contacts aber jedenfalls nicht erforderlich, dass der Gesellschaftssitz der juristischen Person im Forumstaat liegt.143 Mitunter können auch die Aktivitäten einer Tochtergesellschaft minimum contacts einer selber nicht im Gerichtsbezirk vertretenen Muttergesellschaft begründen. Ein solcher gesellschaftsrechtlicher „Durchgriff“ (sog. piercing of the corporate veil144) ist aber nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen zulässig, nämlich dann, wenn Mutter und Tochtergesellschaft eine Einheit darstellen, weil es sich bei der Tochtergesellschaft um eine reine Scheingesellschaft handelt (alter ego theory), bzw. dann, wenn die Tochtergesellschaft als Vertreterin der Muttergesellschaft handelt (agency theory).145 Noch nicht abschließend geklärt ist, ob minimum contacts schon dann gegeben sind, wenn der Antragsgegner seinerseits einen Antrag gem. 28 USC § 1782(a) im betreffenden Gerichtsbezirk gestellt hat. Das Berufungsgericht für den 9th Circuit hat sich diesbezüglich im Sinne einer Zuständigkeitsbegründung geäußert,146 im Schrifttum erfährt diese Ansicht hingegen eher Ablehnung.147 Der Supreme Court hat sich zu der Frage nicht ausdrücklich geäußert. Intel v. AMD scheint aber nahezulegen, dass das Betreiben eines Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) nicht ausreicht, um minimum contacts zu begründen. Dort weist der Supreme Court nämlich ausdrücklich darauf hin, dass die Gerichte bei Ausübung des ihnen gem. 28 USC § 1782(a) eröffneten Ermessens berücksichtigen können, ob der Antragsgegner vom Antragsteller ebenfalls discovery erlangen kann.148 Diese Frage würde sich aber nicht stellen, wenn die Stellung eines Antrags gem. 28 USC § 1782(a) die jurisdiction eröffnen würde, denn dann könnte der Antragsgegner immer discovery vom Antragsteller erlangen.149 142  Das gilt unabhängig davon, ob eine entsprechende Ersatzzustellung nach dem Recht des in Rede stehenden Gliedstaates personal jurisdiction hinsichtlich eines Rechtsstreits in der Hauptsache zu begründen vermag, In re Application of Godfrey, 526 F. Supp.2d 417, 421 (S. D. N. Y. 2007). 143  Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 231. 144  Vgl. dazu den Überblick bei Barber, 17 Willamette L. Rev. 371 (1980). 145  Vgl. dazu ausführlich speziell für Muttergesellschaften mit Sitz außerhalb der USA Schwartz, 96 Cal. L. Rev. 731 (2008). 146  Astronics Advanced Electronics v. Lufthansa Technik AG, Docket No. 12–35820, S. 2, (9th. Cir. 2014), nicht veröffentlicht, unter Verweis auf Yahoo! Inc. v. La Ligue Contre Le Racisme et L’antisemitisme, 433 F. 3d 1199 (9th Cir. 2006). Die Durchführung des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) wurde in Astronics Advanced Electronics v. Lufthansa Technik AG, Docket No. 12–35820, (9th. Cir. 2014) aber aus anderen Gründen abgelehnt. 147  Vgl. in diesem Sinne unter Verweis auf die mit 28 USC § 1782(a) verfolgte gesetzgeberische Absicht auch Perez/Cruz-Alvarez, 5 FIU L. Rev. 177, 187 f. (2009). 148  Vgl. dazu unten, § 3 B. 149  In diesem Sinne unter Verweis auf eine teleologische Auslegung von 28 USC § 1782(a) auch Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 450 ff., 456.

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Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)

III.  Kein foreign discoverability requirement Unter dem Schlagwort „foreign discoverability requirement“ wurde diskutiert, ob das Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) unter der (ungeschriebenen) Voraussetzung steht, dass die in den USA beantragte discovery auch nach dem Zivilprozessrecht des Forumstaats zu erreichen wäre.150 Für das foreign discoverability requirement wurden zentral zwei Argumente vorgebracht: Erstens gelte es, das Gebot internationaler Rücksichtnahme (comity) zu berücksichtigen. Sieht das Prozessrecht des Forumstaates keine der US-discovery entsprechende Sachverhaltsermittlung vor, so stelle dies eine bewusste Entscheidung des dortigen Gesetzgebers dar. Diese Entscheidung sei durch die USA zu respektieren. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kongress beabsichtigt habe, diese Entscheidung des Forumstaats zu ignorieren und die USA so auf einen „Kollisionskurs“ mit dem Recht und Gericht des Forumstaats zu setzen.151 Zweitens stehe zu befürchten, dass wenn im Forumstaat keine der discovery vergleichbare Sachverhaltsermittlung möglich sei, dies zu einer Störung der Waffengleichheit („parity“ bzw. „equality of arms“) im Hauptsacheprozess führe, wenn nur eine der Parteien des Hauptsacheprozesses der Zuständigkeit152 der US‑Gerichte unterfalle.153 Der Supreme Court hat in Intel v. AMD beide Argumente verworfen. Der Umstand, dass die Offenlegung bestimmter Informationen im Forumstaat nicht verlangt werden kann, lasse nicht ohne Weiteres auf einen Verstoß gegen die comity schließen. Es sei vielmehr vorstellbar, dass das ausländische Gericht den gem. 28 USC § 1782(a) gewonnenen Informationen positiv gegenüberstehe. Dann aber bestehe kein Konflikt mit den von der ausländischen Rechtsordnung verfolgten Zielen.154 Soweit das (ausnahmsweise) doch einmal der Fall sein sollte, könne das district court diesen Umstand bei der Ausübung des ihm gem. 28 USC § 1782(a) eingeräumten Ermessens berücksichtigen.155 Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus den Anforderungen der Waffengleichheit. Ist das district court nur gegenüber einer der Parteien des ausländischen Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) zuständig, könne das district court diesem Umstand ebenfalls in Ausübung des ihm gem. 28 USC § 1782(a) eingeräumten Ermessens Rech150 Vgl. auch die ausführliche Übersicht über den damaligen Streit bei Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 282 ff. 151  In diesem Sinne z. B. In re Application of Asta Medica, S. A., 981 F. 2d 1, 6 (1st Cir. 1992): „Congress did not seek to place itself on a collision course with foreign tribunals and legislatures, which have carefully chosen the procedures and laws best suited to their concepts of litigation.“ 152  Vgl. dazu oben, § 3 A. II. 153  In diesem Sinne bezogen auf Verfahren vor Schiedsgerichten, deren Verfahrensordnungen keine der discovery entsprechende Sachverhalts-ermittlung erlauben NBC v. Bear Stearns, 165 F. 3d 184, 191 (2nd Cir. 1999). 154  Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 261 f. (2004). 155  Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 262 (2004), vgl. dazu unten, § 3 B.



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nung tragen. Denkbar sei etwa, dem Antrag nur unter der Bedingung der freiwilligen Verpflichtung des Antragstellers zu einer der discovery entsprechenden Offenlegung stattzugeben.156 Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass eine potenzielle Störung der Waffengleichheit durch 28 USC § 1782(a) vom ausländischen Gericht ausgeglichen werde.157 Weiterhin weist der Supreme Court darauf hin, dass die letzte Reform von 28 USC § 1782(a) eine Ausweitung der im Rahmen der Vorschrift möglichen Rechtshilfe bezweckt habe; hätte der Kongress den Anwendungsbereich der Vorschrift im Sinne eines foreign discoverability requirement einschränken wollen, so wäre diese Absicht im neu gefassten Gesetzeswortlaut ausdrücklich geworden.158 Insgesamt enthält 28 USC § 1782(a) nach Intel v. AMD also kein tatbestandliches foreign discoverability requirement.159

IV.  28 USC § 1782(a) und außerhalb der USA belegene Beweismittel Weiterhin wird diskutiert, ob 28 USC § 1782(a) auch die discovery außerhalb der USA belegener Beweismittel erlaubt.160 Der Supreme Court hat sich diesbezüglich bislang nicht ausdrücklich geäußert. Einerseits wird vertreten, 28 USC § 1782(a) unterliege keinen territorialen Beschränkungen. Dieses Ergebnis folge indirekt aus dem Urteil des Supreme Court in Sachen Intel v. AMD.161 Dort hat der Supreme Court entschieden, dass 28 USC § 1782(a) nicht von einem ungeschriebenen foreign discoverability requirement abhängt.162 Wenn aber die foreign discoverability kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal darstelle, dann gelte das auch für den Belegenheitsort der in Rede stehenden Beweismittel.163 Weiterhin wird auf 28 USC § 1782(a) S. 5 verwiesen. Danach ist vorbehaltlich abweichender Anordnung die discovery im Rahmen von 28 USC § 1782(a) entsprechend der allgemeinen 156  157 

Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 262 (2004). Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 262 (2004), dort Fn. 14: „A civil-law court, furthermore, might attend to litigant-parity concerns in its merits determination […]“. 158  Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 260 (2004): „If Congress had intended to impose such a sweeping restriction on the district court’s discretion, at a time when it was enacting liberalizing amendments to the statute, it would have included statutory language to that effect.“ 159  Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 261 (2004): „A foreign nation may limit discovery within its domain for reasons peculiar to its own legal practices, culture, or traditions – reasons that do not necessarily signal objection to aid from United States federal courts.“. In diesem Sinne auch schon In re Application of Bayer AG, 146 F. 3d 188, 194 (3d Cir. 1998): „[T]here is no reason to assume that because a country has not adopted a particular discovery procedure, it would take offense at its use.“ 160  Zur Frage der Zulässigkeit extraterritorialer discovery i. A., s. oben, § 2 D. 161  Intel Corp. v. AMD, Inc. 542 U. S. 241 (2004). 162  Vgl. dazu soeben, § 3, A., III. 163  In re Application of Gemeinschaftspraxis Dr. med. Schottdorf, 2006 WL 3844464, *5 (S. D. N. Y. 2007).

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Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)

Regeln der FRCP durchzuführen. Weil die FRCP aber die discovery auch außerhalb der USA belegener Beweismittel erlauben, müsse das auch im Rahmen von 28 USC § 1782(a) der Fall sein.164 Nach der Gegenauffassung ist Intel v. AMD keine Aussage dazu zu entnehmen, ob 28 USC § 1782(a) die discovery außerhalb der USA belegener Beweismittel erlaubt.165 Aus der Ablehnung der foreign discoverability als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal könne nicht geschlossen werden, dass auch der Belegenheitsort der in Rede stehenden Beweismittel kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal darstelle.166 Darüber hinaus spreche die mit 28 USC § 1782(a) verfolgte gesetzgeberische Absicht gegen die extraterritoriale Anwendung der Vorschrift. Hans Smit, der Leiter der Kommission, die den Text von 28 USC § 1782(a) in seiner aktuellen Fassung erarbeitet hat, drückt es prägnant aus: „[…] the evident purpose of Section 1782 is to make available to foreign and international tribunals and litigants evidence to be obtained in the United States. Thus, a harmonious scheme is established: Evidence in Spain is obtained through proceedings in Spain, evidence in Great Britian [sic] is obtained through proceedings in Great Britain, and evidence in the United States is obtained through proceedings in the United States.“167

Zudem stelle eine extraterritoriale Anwendung von 28 USC § 1782(a) eine ungebührliche Einmischung in ausländische Rechtsstreitigkeiten dar, drohe, ausländisches Beweiserhebungsrecht zu untergraben, und berge die Gefahr, dass US‑Gerichte aufgrund der einzigartig großzügigen Informationsbeschaffung der discovery zum weltweiten „clearing house“ ausländischer Rechtsstreitigkeiten würden.168 Der Tatbestand der Vorschrift sei daher so auszulegen, dass er nur die discovery in den USA belegener Beweismittel erlaube.169 Auf eine eigene Stellungnahme wird angesichts der geringen Wahrscheinlichkeit einer Rezeption dieser Zeilen in den USA verzichtet. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Frage in der US-amerikanischen Diskussion noch nicht abschließend geklärt ist.170 Es ist insofern jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass discovery im Rahmen von 28 USC § 1782(a) auch auf in Deutschland belegene Beweismittel erstreckt wird. 164  In

diesem Sinne z. B. Adler, ZDAR 2014, 138 (144); McClellan, 17 Transnat’l L. & Contemp. Probs. 809, 824 (2008). Vgl. zur Möglichkeit der extraterritorialen discovery allgemein oben, § 2 D. 165  In re Application of Godfrey, 526 F. Supp.2d 417, 421, 423 f. (S. D. N. Y. 2007); In re Kreke Immobilien KG, 2013 WL 5966916, *4 (S. D. N. Y. 2013). 166  In re Application of Godfrey, 526 F. Supp.2d 417, 421, 423 f. (S. D. N. Y. 2007). 167  Smit, 25 Syracuse J. Int’l. L. & Com. 1, 11 (1998). 168  Smit, 25 Syracuse J. Int’l. L. & Com. 1, 11 (1998). 169  Smit, 25 Syracuse J. Int’l. L. & Com. 1, 11 (1998). 170  Perez/Cruz-Alvarez, 5 FIU L. Rev. 177, 184 f. (2009); Wagner, FS Leipold, S. 801 (816 f.).



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B. Rechtsfolge Ist der Tatbestand der Vorschrift erfüllt, so stellt 28 USC § 1782(a) die Entscheidung über den Antrag in das Ermessen des district courts (may order).171 Der Supreme Court hat in Intel v. AMD vier172 bei der Ausübung des Ermessens zentral zu beachtende Faktoren benannt.173 Obwohl diese Faktoren ausdrücklich als für die Instanzgerichte nicht verbindlich gekennzeichnet sind, legen diese sie ihrer Rechtsprechung seit Intel v. AMD beinahe ausnahmslos zugrunde.174 Erstens ist zu berücksichtigen, ob es sich beim Antragsgegner um eine Partei des ausländischen Rechtsstreits handelt. Ist das der Fall, spreche das gegen die Eröffnung des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a). Dann sei nämlich davon auszugehen, dass der Antragsgegner der personal jurisdiction des ausländischen Gerichts unterfalle. Somit liege es näher, zum Zweck der Beschaffung der in Rede stehenden Informationen das ausländische Gericht anzurufen. Die Notwendigkeit der Inanspruchnahme der Hilfe der US‑Justiz gem. 28 USC § 1782(a) leuchte in diesem Fall nicht ohne Weiteres ein.175 Die Instanzgerichte formulieren dieses Kriterium mitunter abweichend. So stellen einige Gerichte darauf ab, ob die Anordnung der in Rede stehenden Informationsbeschaffung innerhalb der Zuständigkeit des ausländischen Gerichts läge,176 bzw. darauf, ob sich dessen „jursidictional reach“ auf den Antragsgegner erstreckt.177 Zweitens ist die Haltung des ausländischen Gerichts gegenüber der Informationsbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a) zu berücksichtigen. Zwar bestehe kein tatbestandliches foreign-discoverability requirement. Hat das ausländische Gericht aber eine negative Haltung gegenüber 28 USC § 1782(a), so sei im Rahmen der Ermessensausübung die internationale Rücksichtnahme (comity) als gegen die Eröffnung des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) sprechender Umstand zu berücksichtigen.178 Eine negative Einstellung des ausländischen Gerichts zu 28 USC § 1782(a) wird aber nur unter sehr engen 171  Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 264 ff. (2004); Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 298 ff.; ZDAR 2014, 138 (140); Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 254; Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 80 ff.; Smit, 25 Syracuse J. Int’l. L. & Com. 1, 15 (1998). 172 Der Supreme Court fasst die folgenden Kriterien zwar in zwei Gruppen zusammen, Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 264 ff. (2004) in der Sache lassen sich aber die folgenden Merkmale differenzieren. 173  Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 264 ff. (2004). 174  Vgl. die umfangreiche Übersicht der entsprechenden Rechtsprechung bei Adler, USdiscovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 302 dort Fn. 434 m. z. N. 175  Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 264 (2004). 176  Z. B. In re Application of Gemeinschaftspraxis Dr. med. Schottdorf, 2006 WL 3844464, *5 (S. D. N. Y. 2007): „[…] documents sought are within the reach of the foreign tribunal“. 177  Z. B. In re Republic of Ecuador, 2011 WL 736868, *7 (N. D. Cal. 2010). 178  Vgl. dazu oben, § 3 A. III.

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Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)

Voraussetzungen angenommen. Grundsätzlich gehen die US‑Gerichte davon aus, dass das ausländische Gericht der Informationsbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a) positiv gegenüberstehe.179 Macht der Antragsgegner die ablehnende Haltung des ausländischen Gerichts geltend, so trifft ihn die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast.180 Das wiegt besonders schwer, weil Sachverständigengutachten zum Recht des Forumstaats insofern nicht als ausreichende Beweismittel angesehen werden.181 Vor Intel v. AMD lehnten die US‑Gerichte es auch ab, die Einstellung des ausländischen Gerichts durch eine eigene Analyse des Rechts des Forumstaats zu ermitteln. Erforderlich war danach vielmehr eine ausdrückliche Stellungnahme des ausländischen Gerichts bzw. von Vertretern der Exekutive oder Legislative des Forumstaates, aus der die ablehnende Haltung gegenüber gem. 28 USC § 1782(a) erlangten Beweismitteln eindeutig hervorgeht (sog. Euromepa-Standard).182 Diese Rechtsprechung genügt aber nicht den von Intel v. AMD an die Ermessensausübung gestellten Anforderungen.183 Ein neuer einheitlicher Standard zur Bemessung der Haltung des ausländischen Gerichts gegenüber den gem. 28 USC § 1782(a) erlangten Beweismitteln hat sich in der Rechtsprechung bislang allerdings noch nicht herausgebildet.184 Drittens ist zu berücksichtigen, ob der Antrag gem. 28 USC § 1782(a) einen Versuch der Umgehung des ausländischen Beweisrechts darstellt.185 Sofern das der Fall ist, spreche das wiederum gegen die Eröffnung des Verfahrens.186 Eine 179 

Adler, ZDAR 2014, 138 (141). In re Application of Gushlak, 2011 WL 3651268, *4 (E. D. N. Y. 2011). 181  Ausdrücklich z. B. In re Servicio Pan Americano, 354 F. Supp. 2d 269, 276 (S. D. N. Y. 2004), dort Fn. 2: „[…] this Court will not speculate further regarding the complexities of Venezuelan law, or permit its decision to be influenced by a ‚battle-by-affidavit of international legal experts …‘.“, mit Zitat aus Euromepa, S. A. v. R. Esmerian, Inc., 51 F. 3d 1095, 1099 f. (2d Cir. 1995). 182  Euromepa, S. A. v. R. Esmerian, Inc., 51 F. 3d 1095, 1100 (2d Cir. 1995): „[…] we believe that a district court’s inquiry into the discoverability of requested materials should consider only authoritative proof that a foreign tribunal would reject evidence obtained with the aid of section 1782. Such proof, as embodied in a forum country’s judicial executive or legislative declarations that specifically address the use of evidence gathered under foreign procedures, would provide helpful and appropriate guidance to a district court in the exercise of its discretion. Absent this type of clear guidance, however, a district court’s ruling should be informed by section 1782’s overarching interest in providing ‚equitable and efficacious procedures for the benefit of tribunals and litigants involved in litigation with international aspects.“ Vgl. dazu kritisch Massen, 83 S. Cal. L. Rev. 875, 902 ff. (2009). 183  Massen, 83 S. Cal. L. Rev. 875, 901 (2009). 184  Vgl. ausführlich zu den verschiedenen Ansätzen Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 308 ff.; Massen, 83 S. Cal. L. Rev. 875, 901 ff. (2009). 185  Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 264 f. (2004): „Specifically, a district court could consider whether the § 1782(a) request conceals an attempt to circumvent foreign proofgathering restrictions or other policies of a foreign country or the United States.“ 186  Auch hier ist der Supreme Court wohl von Erwägungen zu comity und parity geleitet, vgl. dazu nochmals oben, § 3 A. III. 180 



§ 3  28  USC § 1782(a)

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einheitliche Auslegung dieses Kriteriums hat sich in der Rechtsprechung der Instanzgerichte bislang nicht durchsetzen können.187 Vor diesem Hintergrund spielte das dritte Intel-Kriterium in der Ermessensausübung der Gerichte zunächst keine große Rolle.188 Für Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang dann aber die Entscheidung des Bundesberufungsgerichts für den 7th Circuit in Sachen Heraeus Kulzer GmbH v. Biomet Inc. aus dem Jahr 2011.189 Danach sei eine Umgehung des ausländischen Rechts im Sinne des dritten Intel-Faktors grundsätzlich nicht gegeben, wenn das ausländische Recht dem Antragsteller die Erlangung der in Rede stehenden Informationen verwehrt.190 Im Gegenteil spreche dieser Umstand sogar dafür, dem Antrag gem. 28 USC § 1782(a) stattzugeben, weil der Antragsteller die begehrten Informationen ansonsten nicht erlangen könne.191 Diese Rechtsprechung ist zumindest überraschend: Ermöglicht das US‑Gericht bewusst die Erforschung solcher Informationen, die dem Zugriff des Antragstellers nach dem Recht des Forumstaates entzogen sind, dann werden die vom ausländischen Beweisrecht gezogenen Grenzen gegenseitiger Aufklärung obsolet.192 Das legt es zumindest nahe, hier eine Umgehung des ausländischen Beweisrechts anzunehmen.193 Diese Einsicht scheint sich auch in der neueren Rechtsprechung durchzusetzen. So hat das Bezirksgericht für New York in Sachen Kreke Immobilien KG im Jahr 2013 entschieden, dass es für eine Umgehung des ausländischen Beweisrechts im Sinne des dritten Intel-Kriteriums spreche, wenn die beantragte discovery nach dem ausländischen Beweisrecht nicht zu erreichen wäre.194 Zusätzlich verwies das Gericht aber darauf, dass die in Rede stehenden Beweismittel im Forumstaat belegen waren, und dass die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der deutschen Gerichte geschlossen hatten. Welcher der genannten Umstände für die Annahme der Umgehung des ausländischen Beweisrechts im Ergebnis ausschlaggebend war, bleibt dabei offen.195 Es erscheint deshalb vorschnell, wenn einzelne Kommentatoren meinen, im Lichte 187  Vgl. die umfangreiche Übersicht der verschiedenen Ansätze bei Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 358 f. m. z. N. 188  Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 357. 189  Heraeus Kulzer, GmbH v. Biomet, Inc., 633 F. 3d 591 (7th Cir. 2011). 190  Es bleibe dem Antragsgegner aber unbenommen, im Einzelfall die Missbräuchlichkeit des Antrags darzulegen und zu beweisen, Heraeus Kulzer, GmbH v. Biomet, Inc., 633 F. 3d 591, 594 ff. (7th. Cir. 2011). 191  Heraeus Kulzer, GmbH v. Biomet, Inc., 633 F. 3d 591, 596 (7th. Cir. 2011). 192  Vgl. zu den Auswirkungen auf den deutschen Zivilprozess diesbzgl. Wagner, FS Leipold, S. 801 (817): „Was sind die Konsequenzen einer extensiven Interpretation von 28 U. S. C. § 1782(a) für das deutsche Verfahrensrecht? Sie bestehen kurz gesagt darin, dass sich die Voraussetzungen und Grenzen des § 142 ZPO beliebig unterlaufen lassen, indem ein Rechtshilfeersuchen an das zuständige Gericht gestellt wird.“ 193  In diesem Sinne auch Adler, ZDAR 2014, 138 (142): Heraeus Kulzer, GmbH v. Biomet, Inc., 633 F. 3d 591, 594 ff. (7th. Cir. 2011) sei „paradox“. 194  In re Kreke Immobilien KG, 2013 WL 5966916, *6 (S. D. N. Y. 2013). 195  In re Kreke Immobilien KG, 2013 WL 5966916, *7 (S. D. N. Y. 2013).

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Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)

der Kreke-Rechtsprechung könne discovery außerhalb der USA belegener Beweismittel gem. 28 USC § 1782(a) nicht mehr erreicht werden.196 Die neueste Rechtsprechung bezieht sich mit Blick auf Kreke vielmehr zentral auf das Bestehen einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der ausländischen Gerichte, nicht auf den Belegenheitsort der in Rede stehenden Beweismittel.197 Schließlich ist zu prüfen, ob die Durchführung der beantragten discovery verhältnismäßig ist.198 Die Verhältnismäßigkeit im Sinne der Intel-Rechtsprechung entspricht den Anforderungen der bei der discovery gem. FRCP 26(b) (1)199 allgemein zu wahrenden Verhältnismäßigkeit.200 Dementsprechend kann das Gericht im Fall eines unverhältnismäßig weitgehenden discovery-Antrags diesen nicht ohne Weiteres ablehnen. Vielmehr müssen die Gerichte soweit möglich Verhältnismäßigkeit herstellen, indem sie den Umfang der beantragten discovery einschränken.201 Eine vollständige Ablehnung des Antrags gem. 28 USC § 1782(a) kommt hingegen nur bei besonders grober Unverhältnismäßigkeit in Betracht.202 Die Darlegungs- und Beweislast für die Unverhältnismäßigkeit der beantragten discovery trägt der Antragsgegner.203 Im letzten Schritt der Ermessensausübung gilt es, die genannten Faktoren in der Gesamtschau zu betrachten. Die Stattgabe des Antrags gem. 28 USC § 1782(a) setzt dabei nicht voraus, dass alle Faktoren für den Antragsteller sprechen.204 Vielmehr ist festzustellen, dass die Gerichte 28 USC § 1782(a) als Soll-Vorschrift im Sinne der Eröffnung des Verfahrens auslegen.205 Ein Antrag gem. 28 USC § 1782(a) wird regelmäßig nur dann abgelehnt, wenn die gegen die Eröffnung des Verfahrens sprechenden Faktoren deutlich überwiegen. Das kann sich insbesondere aus dem Vorliegen einer (an sich nicht mehr erforderlichen206) Erklärung nach dem Euromepa-Standard ergeben, aus der sich eine 196  In diesem Sinne aber Dombrowski, GRUR‑Prax 2016, 319 (321). Vgl. allgemein zur Zulässigkeit der discovery außerhalb der USA belegener Beweismittel oben, § 3 A. III. 197  In re Application of Bloomfield Investment, 315 F. R. D. 165 (S. D. N. Y. 2016). 198  Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 265 (2004): „Also, unduly intrusive or burdensome requests may be rejected or trimmed.“ 199  Vgl. dazu oben, § 2 C. I. 200  Heraeus Kulzer, GmbH v. Biomet, Inc., 633 F. 3d 591 *598 (7th Cir. 2011), allerdings zur Rechtslage vor der FRCP‑Reform von 2015, als das Verhältnismäßigkeitskriterium noch in FRCP 26(b)(2)(C) geregelt war. 201  Euromepa SA v. R. Esmerian, 51 F. 3d 1095, 1101 (2d Cir. 1995). 202  Euromepa SA v. R. Esmerian, 51 F. 3d 1095, 1101 (2d Cir. 1995): „[…] it is far preferable for a district court to […] [issue] a closely tailored discovery order rather than […] simply [deny] relief outright.“ 203  Vgl. z. B. Heraeus Kulzer, 633 F 3d 591, 598 (7th Cir. 2011); In re Application of Chevron Corp, 2010 WL 5173278, *5 (E. D.Pa. 2010). 204  In re FG Wilson, CASE NO. 10–20839–MC‑SEITZ/O’SULLIVAN, S. 2 (S. D. Florida 2011), nicht veröffentlicht. 205  Der Vergleich zum intendierten Ermessen nach deutschem Verwaltungsrecht stammt von Adler, ZDAR 2014, 138 (142). 206  Vgl. dazu oben, § 3 B.



§ 3  28  USC § 1782(a)

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ablehnende Haltung des ausländischen Gerichts gegenüber dem Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) ergibt.207 Das gleiche gilt für den Fall, dass das US‑Gericht in dem Antrag gem. 28 USC § 1782(a) eine Umgehung des ausländischen Beweisrechts erblickt.208

C.  Umfang der verfügbaren discovery 28 USC § 1782(a) S. 1 ermächtigt das Bezirksgericht, den Antrags-gegner zu verpflichten, eine Aussage zu tätigen oder Dokumente bzw. Augenscheinsgegenstände vorzulegen („The district court […] may order [a person] to give his testimony or statement or to produce a document or other thing […]“). Der einschränkende Wortlaut von 28 USC § 1782(a) legt nahe, dass die anderen Mittel der discovery im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) nicht verfügbar sind.209 Es finden sich aber mitunter Entscheidungen, in denen Bezirksgerichte gegen den scheinbar klaren Wortlaut der Vorschrift eine medizinische Untersuchung und das Betreten von Grundstücken angeordnet haben.210 Die Beweiserhebung verläuft gem. 28 USC § 1782(a) S. 5 vorbehaltlich anderweitiger Anweisung des Gerichts nach den allgemeinen Regeln der discovery nach FRCP. Es ist kein Fall bekannt, in dem das Gericht ein abweichendes Verfahren angeordnet hätte,211 das Verfahren richtet sich in der Praxis also stets nach den Regeln der FRCP.212 Insbesondere gelten der von FRCP 26(b)(1) definierte Umfang der discovery sowie dessen Einschränkungen in Form von privileges, work product rule und protective bzw. confidentiality orders.213 Die Aussagen verlaufen entsprechend den Regeln zur deposition in FRCP 30, 31, die Vorlage von Dokumenten entspricht der einschlägigen Vorschrift zur discovery, FRCP 34.

207 

Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 376 f.; ders., ZDAR 2014, 138 (142). 208 Zentral auf dieses Kriterium beziehen sich z.  B. Heraeus Kulzer, GmbH v. Biomet, Inc., 633 F. 3d 591 (7th Cir. 2011); In re Kreke Immobilien KG, 2013 WL 5966916, *7 (S. D. N. Y. 2013); In re Ex Parte Application of Qualcomm Incorporated, 162 F. Supp.3d 1029, *1041 f. (2016 N. D. Cal.); In re Application of Bloomfield Investment, 315 F. R. D. 165 (S. D. N. Y. 2016); In re Application of RSM Production Corporation v. Noble Energy, Inc., 195 F. Supp.3d 899, *906 f. (S. D. Texas 2016). 209  Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 43 f. Vgl. zu den Formen der discovery nochmals oben, § 2 B. 210  Z. B. In re Letters Rogatory from the Local Court of Ludwigsburg, 154 F. R.D 196, 200 (N. D. Ill. 1994).Vgl. zustimmend bezüglich des Betretens von Grundstücken, ablehnend aber bezüglich medizinischer Untersuchungen Stahr, 30 Va. J. Int’l L. 597, 628 (1989) m. w. N. 211  Adler, ZDAR 2014, 138 (142). 212  Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 85. 213 Ausdrücklich Heraeus Kulzer, GmbH v. Biomet, Inc., 633 F. 3d 591, 595 (7th Cir. 2011).

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Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)

D.  Privileges von 28 USC § 1782(a) 28 USC § 1782(a) S. 6 stellt klar, dass die Beweiserhebung im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) nicht gegen Weigerungsrechte des Antragstellers verstoßen darf.214 Dementsprechend sind solche Informationen, die im Sinne von FRCP  26(b)(1) privileged sind,215 von vornherein vom Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) ausgeschlossen. Dabei sind auch vom ausländischen Recht gewährte Weigerungsrechte zu beachten.216 Die Berufung auf ausländische Weigerungsrechte ist aber regelmäßig eine bloß theoretische Möglichkeit: Die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen von Weigerungsrechten nach ausländischem Recht liegt nämlich beim Antragsgegner.217 An den Beweis der entsprechenden Rechtslage im Ausland stellen die Gerichte aber sehr hohe Anforderungen. Konkret bedarf es auch hier eines authoritative proof des ausländischen Weigerungsrechts, der nur durch eine entsprechende Erklärung eines ausländischen Justiz-, Regierungs- oder Legislativorgans erbracht werden kann.218 Eine entsprechende Erklärung ist regelmäßig schwer (rechtzeitig) zu erlangen, sodass die Berufung auf Weigerungsrechte nach ausländischem Recht in der Praxis nur höchst selten erfolgreich ist.219

E. Exkurs Wird die discovery gem. 28 USC § 1782(a) zum Zweck der Unterstützung eines Rechtsstreits in Deutschland durchgeführt, stellt sich die Frage, ob die in den USA in diesem Zusammenhang angefallenen Kosten gem. §§ 91 ff. ZPO erstattungsfähig sind. Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei dem Prozessgegner die Kosten des Rechtsstreits insoweit zu erstatten, wie diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung notwendig waren. Notwendig sind die Kosten der Rechtsverfolgung, soweit ihre Eingehung für die Rechtsverfolgung geeignet und objektiv erforderlich war.220 Diese Frage ist aus der 214  „A person may not be compelled to give his testimony or statement or to produce a document or other thing in violation of any legally applicable privilege.“ 215  Vgl. zu den privileges im Rahmen der discovery oben, § 2 C. II. 216  Ecuadorian Plaintiffs v Chevron Corp, 619 F. 3d 373, 378 (5th Cir. 2010); Adler, ZDAR 2014, 138 (144 f.). 217  Ecuadorian Plaintiffs v Chevron Corp, 619 F. 3d 373, 378 (5th Cir. 2010); In re Application for an Order Permitting Metallgesellschaft AG to take Discovery, 121 F. 3d 77, 80 (2d Cir. 1997). 218  Ecuadorian Plaintiffs v Chevron Corp, 619 F. 3d 373, 378 (5th Cir. 2010) und In re Application for an Order Permitting Metallgesellschaft AG to take Discovery, 121 F. 3d 77, 80 (2d Cir. 1997) unter Bezugnahme auf Euromepa, S. A. v. R. Esmerian, Inc., 51 F. 3d 1095, 1099 (2d Cir. 1995). Das entspricht in der Sache dem Euromepa-Standard, vgl. dazu und zu der Frage, ob dieser mit Intel v. AMD vereinbar ist nochmals oben, § 3 B. 219  In diesem Sinne auch Adler, ZDAR 2014, 138 (145). 220  Darüber hinaus müssen die Parteien und der Streitgegenstand des Hauptsacherechts-



§ 3  28  USC § 1782(a)

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ex ante-Perspektive zu beantworten.221 Das gilt auch für die Kosten eines selbständigen Beweissicherungsverfahrens.222 Die Erstattung der in diesem Rahmen entstandenen Kosten setzt mithin nicht voraus, dass die Ergebnisse des Beweisverfahrens im späteren Rechtsstreit tatsächlich verwertet werden. Ausreichend ist vielmehr, dass zum Zeitpunkt der Anstrengung des Verfahrens eine begründete Vermutung in Richtung einer zukünftigen Verwertung bestand.223 Diese Maßstäbe sind auch auf ausländische Beweisverfahren wie z. B. 28 USC § 1782(a) anzuwenden. Zwar wird mitunter vertreten, dass eine Erstattung der Kosten ausländischer Beweisverfahren von vornherein ausscheide.224 Diese Ansicht ist aber mit § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht vereinbar. Die Vorschrift differenziert nicht danach, ob Kosten im Ausland oder im Inland anfallen. Entscheidend ist vielmehr ausschließlich, ob die Kosten für die Rechtsverfolgung notwendig waren. Das ist bei Kosten einer Beweiserhebung – unabhängig davon, ob diese im Ausland oder im Inland durchgeführt wird – der Fall, wenn ex ante die berechtigte Vermutung bestand, dass die Beweismittel im späteren Rechtsstreit verwertet werden.225 Für diese Vermutung ist aber von vornherein kein Raum, wenn die in Rede stehenden Beweismittel aus rechtlichen Gründen unverwertbar sind.226 In diesem Fall kann die Durchführung der discovery gem. 28 USC § 1782(a) nicht im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO notwendig sein. Die Erstattung der in den USA entstandenen Kosten scheidet dann aus. Hält man demgegenüber die Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel für zulässig, so wäre ex ante davon auszugehen, dass die gewonnenen Beweismittel im deutschen Rechtsstreit verwertet werden. Die Durchführung der discovery gem. 28 USC § 1782(a) wäre dann zur Rechtsverfolgung geeignet. Sie wäre auch objektiv erforderlich, wenn die in Rede stehenden Beweismittel in Deutschland nicht zu erlangen gewesen wären. Die Kosten der streits und des selbstständigen Beweisverfahrens identisch sein, BGH NJW 2006, 2557; Herget, in: Zöller, § 493 Rn. 13, Unterpunkt „Selbständiges Beweisverfahren“. 221  Roth, in: Stein/Jonas23, § 328 Rn. 48. 222  OLG Hamburg MDR 1986, 591 (592); OLG Nürnberg NJW 1972, 771 f. 223  OLG Hamburg MDR 1986, 591 (592). 224  Berger, in: Stein/Jonas23, § 493 Rn. 9; Weise, Selbstständiges Beweisverfahren im Baurecht, Rn. 604. Im Ergebnis in diesem Sinne auch OLG Köln NJW 1983, 2779 = IPRax 1984, 315, allerdings insofern mit abweichender Begründung, als dass auf die mangelnde Verwertbarkeit der Ergebnisse ausländischer Beweisverfahren gem. § 493 ZPO abgestellt wird. Zu Unrecht wird insofern aber verwiesen auf OLG Hamburg MDR 2000, 53 = IPRax 2000, 530. Auch hier wurde zwar die Erstattung der Kosten eines ausländischen Beweisverfahrens abgelehnt. Das OLG Hamburg bezieht sich aber insofern nicht auf eine etwaige grundsätzlich mangelnde Erstattungsfähigkeit der Kosten, sondern darauf, dass die Durchführung des ausländischen Beweisverfahrens in Wahrheit nicht der Vorbereitung des späteren deutschen Rechtsstreits gedient habe. Mit dieser Begründung ist aber zu der hier diskutierten Frage keine Stellung bezogen. 225  Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 242 f. 226  Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 106.

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Zweiter Teil: Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a)

discovery wären dann zur Rechtsverfolgung notwendig und gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zu ersetzen.227 Die Erstattungsfähigkeit der gem. 28 USC § 1782(a) entstehenden Kosten hängt mithin von der Verwertbarkeit der erlangten Beweismittel ab.228 Sind die Beweismittel verwertbar, können auch die entsprechenden Kosten ersetzt werden; andernfalls scheidet eine Kostenerstattung gem. §§ 91 ff. ZPO aus.

227  In diesem Sinne Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 258; Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 101 ff. 228  Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 242 f., 258. In diesem Sinne für durch ausländische Beweisverfahren erlangte Beweismittel im Allgemeinen Ahrens, FS Schütze, S. 1 (13); Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rn. 310; Stürner, IPRax 1984, 299 (301).

Dritter Teil

Bestimmung des Prüfungsmaßstabs Nunmehr ist der rechtliche Maßstab der Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel zu bestimmen. Dabei gilt es zunächst, zu zeigen, dass es  – auch trotz des gebotenen Respekts vor der „Andersartigkeit des ausländischen Verfahrens“1  – nicht auf einen Verstoß gegen den ordre public ankommt, sondern dass das deutsche Recht insofern voll Geltung beansprucht (§ 4). Sodann ist der einschlägige Prüfungsmaßstab innerhalb des deutschen Rechts zu identifizieren (§ 5).

§ 4  Volle Geltung deutschen Rechts, keine Reduktion auf den ordre public Gem. 28 USC § 1782(a) erlangte Beweismittel wurden von einem ausländischen Gericht im Ausland nach den Vorschriften des ausländischen Rechts erhoben.2 Dieser Zusammenhang könnte es nahe legen, den Geltungsanspruch des deutschen Rechts wegen der Verwertbarkeit der in Rede stehenden Beweismittel zurück zu nehmen, um so der Andersartigkeit des ausländischen Verfahrens Rechnung zu tragen.3 Einen entsprechenden Ansatz verfolgt die ZPO hinsichtlich der Anerkennung ausländischer Urteile. Gerichtliche Urteile wirken als Akte hoheitlicher Gewalt grundsätzlich nur in den Grenzen des Urteilsstaates. Sie entfalten im Ausland nur Wirkung, wenn die dortige hoheitliche Gewalt sie für verbindlich erklärt. Für Deutschland definiert § 328 ZPO die Voraussetzungen der Anerkennung ausländischer Urteile.4 Liegt keiner der dort genannten Ausschlussgründe vor, so ist das Urteil ipso iure anerkannt, ohne dass es insofern eines 1 

Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 208 f. Vgl. dazu oben, § 3. So ausdrücklich Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 161 ff.; ders., RIW 2006, 443 (445), ihm folgend Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 458 f.; Reiling, Das US-amerikanische Discovery-Verfahren im Rahmen deutscher gerichtlicher Auseinandersetzungen, S. 276 ff.; Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 141; Müller-Stoy, GRUR Int 2005, 558 (564); Schönknecht, GRUR Int 2011, 1000 (1007); Wagner, FS Leipold, S. 801 (817 f.). Für die Schweiz in diesem Sinne Müller-Chen, FS Tercier, S. 925 (943). 4  Vgl. statt aller Roth, in: Stein/Jonas23, § 328 Rn. 29. 2  3 

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Dritter Teil: Bestimmung des Prüfungsmaßstabs

förmlichen Exequaturverfahrens bedürfte.5 Gem. § 722 ZPO findet die Zwangsvollstreckung aus einem anerkannten ausländischen Urteil allerdings nur statt, wenn ihre Zulässigkeit durch ein Vollstreckungsurteil ausgesprochen ist. In diesem Rahmen ist über das Vorliegen der Voraussetzungen der Anerkennung gem. § 328 ZPO inzident mit zu entscheiden.6 Für die Anerkennung des ausländischen Urteils ist aber nicht erforderlich, dass sich dieses als gemessen am deutschen Recht „richtig“ darstellt.7 Gem. § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist die Anerkennung lediglich dann ausgeschlossen, wenn sie „zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist“ (sog. ordre public-Prüfung).8 Bezüglich der Verwertbarkeit im Ausland erlangter Beweismittel gibt es aber keine entsprechende Regelung. § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist weder direkt auf die in Rede stehenden Frage anwendbar (A.), noch lassen sich die Wertungen des § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO im Wege der Analogie für die vorliegende Problematik fruchtbar machen (B.). Mithin ist die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel im vollem Umfang am deutschen Recht zu messen, nicht nur am reduzierten Maßstab der ordre public-Prüfung gem. § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (C.).

A.  Keine direkte Anwendung von § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO § 328 ZPO regelt die Anerkennung von Urteilen. Gemeint sind damit Entscheidungen in der Sache, also „Erkenntnisse, die der Klage stattgeben oder diese als unbegründet abweisen“.9 Andere Entscheidungen, insbesondere solche über prozessuale Fragen, sind demgegenüber nicht anerkennungsfähig.10 Gem. 28 U. S. C. § 1782(a) erlangte Beweismittel können mithin nicht gem. § 328 ZPO anerkannt werden. Es fehlt insofern schon an einer potenziell anzuerkennenden gerichtlichen Entscheidung. Die Beweismittel stellen keine Entscheidung des US‑Gerichts dar, sondern sind lediglich vom zur Entscheidung berufenen (deutschen) Gericht im Rahmen seiner Überzeugungsbildung als Erkenntnisquellen heranzuziehen.11 Auch der Beschluss, mit dem das US‑Gericht dem Antrag gem. 28 USC § 1782(a) stattgibt, kann nicht gem. § 328 ZPO anerkannt werden. Zwar liegt 5 

Gottwald, in: MüKo-ZPO, § 722 Rn. 7 f. Vgl. statt aller Gottwald, in: MüKo-ZPO, § 722 Rn. 1 f. Roth, in: Stein/Jonas23, § 328 Rn. 29. 8 Vgl. Roth, in: Stein/Jonas23, § 328 Rn. 100 ff. 9  Geimer, IZPR, Rn. 2788, m. z. N., dort Fn. 118. 10  Geimer, IZPR, Rn. 2788. 11  In diesem Sinne auch Geimer, IZPR, Rn. 2825: „Es geht nicht um die Frage der ‚Anerkennung‘, sondern darum, ob die Ergebnisse der ausländischen Beweisaufnahme Gegenstand freier Beweiswürdigung […] sein können.“ 6  7 



§ 4  Volle Geltung deutschen Rechts, keine Reduktion auf den ordre public 

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insofern eine gerichtliche Entscheidung vor. Diese ist aber keine gem. § 328 ZPO erforderliche „Entscheidung in der Sache“. Das US‑Bezirksgericht befindet in der Entscheidung über den Antrag ausschließlich über das Vorliegen der Voraussetzungen von 28 USC § 1782(a). Eine Entscheidung über die Begründetheit des Rechtsschutzbegehrens ist damit nicht verbunden.12 Eine direkte Anwendung von § 328 ZPO auf die in Rede stehende Frage scheidet mithin aus.13

B.  Keine analoge Anwendung von § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO Es wird aber vertreten, dass die Maßstäbe des § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO analog auf die Verwertung gem. 28 U. S. C. § 1782(a) erlangter Beweismittel anzuwenden seien.14 Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, können die hierfür vorgebrachten Argumente allerdings nicht überzeugen.

I.  Keine vergleichbare Interessenlage Allen voran Eschenfelder hält eine analoge Anwendung von § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO für zulässig, weil die zugrundeliegende Interessenlage identisch sei.15 Das kann nicht überzeugen. Die Interessenlagen bei der Anerkennung eines Urteils einerseits und bei der Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel andererseits sind – anders als von Eschenfelder behauptet16 – nicht vergleichbar. Die Anerkennung ausländischer Urteile berührt eine Vielzahl verschiedener Interessen.17 Die wichtigsten Gründe für die vergleichsweise liberale Einstellung der deutschen Rechtsordnung zur Anerkennung ausländischer Urteile sind die folgenden: Erstens dient sie der Erleichterung des internationa12  Aus diesem Grund können auch allgemein ausländische Beweisbeschlüsse, -urteile und -ergebnisse nicht Gegenstand einer Anerkennung im Rahmen von § 328 ZPO sein, vgl. Geimer, IZPR, Rn. 2825. 13  Das gestehen auch Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 163 und Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 142 zu. In diesem Sinne in Bezug auf ausländische Beweisverfahren allgemein auch Berger, in: Stein/Jonas23, § 493 Rn. 8. 14  Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 162 ff.; ders., RIW 2006, 443 (447 f.); ders., IPRax 2006, 89 (97); Reiling, Das US-amerikanische Discovery-Verfahren im Rahmen deutscher gerichtlicher Auseinandersetzungen, S. 284 f.; Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 141 ff. Ebenfalls in diesem Sinne, aber nicht bezogen auf den speziellen Fall des 28 USC § 1782(a), sondern auf ausländische Beweisverfahren im Allgemeinen, Berger, in: Stein/Jonas23, § 493 Rn. 8; Dörschner, Beweissicherung im Ausland, S. 201 ff.; Gronstedt, Grenzüberschreitender einstweiliger Rechtsschutz, S. 222; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rn. 308; Stürner, IPRax 1984, 299 (301). 15  Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 163 f., ihm folgend Adler, US-discovery und deutscher Patentverletzungsprozess, S. 458 f. und Reiling, Das US-amerikanische Discovery-Verfahren im Rahmen deutscher gerichtlicher Auseinandersetzungen, S. 282 ff. 16  Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 163 f. 17  Geimer, Anerkennung, S. 1 ff.; Martiny, Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, Rn. 75 ff.; Schack, IZVR, Rn. 876 ff.

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Dritter Teil: Bestimmung des Prüfungsmaßstabs

len Wirtschaftsverkehrs.18 Würden Urteile ausländischer Gerichte in Deutschland nicht oder nur unter engen Voraussetzungen anerkannt, so wären Ausländer bei Streit mit einem deutschen Geschäftspartner häufig darauf angewiesen, in Deutschland Rechtsschutz zu suchen. Das könnte für Ausländer negative Anreize gegen die Eingehung von Geschäftsbeziehungen mit Deutschen setzen, da es regelmäßig deutlich attraktiver ist, den Gerichtsweg im Heimatstaat zu beschreiten.19 Diese negative Anreizwirkung wird durch die liberale Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile weitgehend vermieden, da der ausländische Geschäftspartner so die in seinem Heimatstaat festgestellte Rechtslage auch in Deutschland durchsetzen kann. Der auf diese Weise erreichte Schutz wirtschaftlicher Betätigung im Ausland ist für eine auf Export ausgerichtete Volkswirtschaft wie Deutschland von besonderer Bedeutung.20 Zweitens ist eine liberale Anerkennung ausländischer Entscheidungen auch im Sinne eines möglichst weitgehenden Entscheidungseinklangs erforderlich.21 Würden ausländische Entscheidungen im Inland nicht anerkannt, so stünde die bereits im Ausland entschiedene Frage im Inland erneut zur Disposition. Ein deutsches Gericht könnte dann zu einem anderen Ergebnis kommen, als das zuvor angerufene ausländische Gericht. Abweichende Entscheidungen verschiedener Gerichte führen aber stets zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Justiz, welche zu vermeiden im öffentlichen Interesse liegt.22 Besonders wichtig ist die Herstellung von Entscheidungseinklang bei Gestaltungsurteilen. Hier droht ohne Anerkennung ausländischer Entscheidungen die Entstehung „hinkender Rechtsverhältnisse“,23 die erhebliche Verwerfungen hervorrufen können. Vgl. z. B. folgendes Beispiel von Geimer: Wird ein Scheidungsurteil aus Staat A in Staat B nicht anerkannt, so entsteht eine „hinkende Ehe“. Will nun einer der Ehepartner erneut heiraten, so wäre dies in Staat A möglich, würde in Staat B aber eine (verbotene) Bigamie darstellen. Auch hinsichtlich Unterhaltsanspruch und Erbrecht der Ehegatten stehen erhebliche Probleme zu befürchten. Das gilt es zu vermeiden.24 Drittens ist die liberale Anerkennung ausländischer Urteile auch mit einer Arbeitsentlastung der inländischen Gerichte verbunden. Wird die ausländische Entscheidung anerkannt, so müssen inländische Gerichte sich mit dort entschie18  19 

Schack, IZVR, Rn. 880. Vgl. zum Phänomen des sog. „hometown bias“ Wagner, 62 Buffalo Law Review 1085, 1108 ff. (2014). 20  Martiny, Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, Rn. 95; Schack, IZVR, Rn. 880. 21  Geimer, Anerkennung, S. 1 f.; Martiny, Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, Rn. 104 ff.; Schack, IZVR, Rn. 879. 22  Schack, IZVR, Rn. 878. 23  Geimer, Anerkennung, S. 3; Martiny, Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, Rn. 105. 24  Geimer, Anerkennung, S. 3.



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denen Streitigkeiten nicht beschäftigen. Insofern ist eine möglichst weitgehende Anerkennung ausländischer Urteile auch im Sinne einer effizienten Alloka­ tion von Justizressourcen geboten.25 Schließlich dient die liberale Anerkennung ausländischer Urteile auch dem Schutz der Parteien des ausländischen Rechtsstreits vor immer weiter steigenden Rechtsverfolgungskosten. Würde die internationale Anerkennung eines einmal erstrittenen Urteils verweigert, so müsste der Rechtsstreit ggf. in jeder Jurisdiktion neu geführt werden. Diese Belastungen sollen durch eine liberale Anerkennung ausländischer Urteile vermieden werden.26 Bei der Verwertung im Ausland erlangter Beweismitteln ist eine vergleichbare Interessenlage nicht gegeben. Eine Erleichterung des internationalen Wirtschaftsverkehrs im oben beschriebenen Sinne ist hier nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Da discovery gem. 28 USC § 1782(a) nur gegenüber solchen Personen verfügbar ist, die im Bezirk eines district court angetroffen (found) sind,27 kann die Vorschrift eine Bevorteilung einer Partei bedeuten, die nicht in den USA found ist.28 Sieht die US‑Partei sich aber aufgrund der Verwertung gem. 28 USC 1782(a) erlangter Beweismittel einer Benachteiligung ausgesetzt, dann setzt dies für die US‑Partei keine Anreize, am deutschen Markt zu partizipieren, sondern hält sie im Gegenteil sogar davon ab. Auch dem Ziel eines möglichst weitgehenden Entscheidungseinklangs ist durch die Verwertung ausländischer Beweisergebnisse nicht gedient. Anders als bei Vorliegen eines ausländischen Urteils gibt es nach Durchführung des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) noch gar keine ausländische Entscheidung, mit der ein möglicher Einklang hergestellt werden könnte. Die Gefahr eines das Ansehen der Justiz gefährdenden Auseinanderfallens verschiedener Entscheidungen ist also von vornherein ausgeschlossen. Die Entstehung „hinkender Rechtsverhältnisse“ ist auch dann nicht zu befürchten, wenn die Verwertung der in Rede stehenden Beweismittel abgelehnt wird.29 Die Verwertung der in Rede stehenden Beweismittel fördert schließlich auch nicht die effiziente Allokation von Justizressourcen. Während nämlich die Anerkennung ausländischer Urteile den inländischen Gerichten Arbeit erspart, indem es sie davor bewahrt, erneut in der Sache über die Rechtsfrage befinden zu müssen, ermöglichen Erhebung und Verwertung im Ausland erlangter 25 

Geimer, Anerkennung, S. 2; Schack, IZVR, Rn. 878. Schack, IZVR, Rn. 877. 27  Vgl. oben, § 3 A. II. 28  Nämlich dann, wenn das Bezirksgericht sein Ermessen nicht im Sinne einer Auflage zur freiwilligen discovery ausübt, vgl. oben, § 3 B. 29  A. A. Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 163 f. und Reiling, Das US-amerikanische Discovery-Verfahren im Rahmen deutscher gerichtlicher Auseinandersetzungen, S. 284. Danach soll auch die Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel dem internationalen Entscheidungseinklang dienen. Auf welche Entscheidung des US‑Gerichts dieser „Einklang“ bezogen sein soll, lassen Eschenfelder und Reiling freilich offen. 26 

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Dritter Teil: Bestimmung des Prüfungsmaßstabs

Beweismittel keine Arbeitsersparnis. Im Gegenteil: Müssen Beweismittel, die nach deutschem Recht nicht zu erlangen gewesen wären, vom deutschen Gericht erhoben und verwertet werden, dann hat dieses einen erheblichen Mehraufwand zu bewältigen.30 Schließlich begünstigt die Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel auch nicht den mit der liberalen Urteilsanerkennung verfolgten Schutz der Parteien. Während die Anerkennung eines Urteils es den Parteien erspart, neben den Kosten des ausländischen Verfahrens noch die zusätzlichen Kosten eines weiteren Verfahrens in Deutschland zu tragen, liegt die Situation bei der Verwertung der in Rede stehenden Beweismittel genau umgekehrt: Werden diese im deutschen Prozess verwertet, dann schafft das einen Anreiz zur Durchführung des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a). Dieses Verfahren, das zusätzlich zum deutschen Hauptsacheverfahren stattfindet, ist aber für die Parteien mit ganz erheblichen zusätzlichen Kosten verbunden.31 Die Verwertung der in Rede stehenden Beweismittel ließe also sogar eine kostenmäßige Mehrbelastung der Parteien erwarten. Insgesamt weichen die Interessenlagen bei der Verwertung ausländischer Beweismittel einerseits und bei der Anerkennung ausländischer Urteile andererseits erheblich voneinander ab. Aus der Interessenlage lässt sich folglich kein Argument für die Übertragung der Wertungen des § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gewinnen.

II.  Erst-Recht-Schluss unzulässig Rollin meint, die Anwendbarkeit der ordre public-Prüfung gem. § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf die untersuchte Problematik ergebe sich aus einem erst-rechtSchluss.32 Wenn schon ganzen Urteilen die Anerkennung nur im Falle eines ordre public-Verstoßes verwehrt werden könne, dann müsse das erst Recht für die Verwertung einzelner Beweismittel gelten. Diese stellten gegenüber dem Urteil nämlich ein „Minus“ dar: „[Der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen und der Verwertung gem. 28 U. S. C. § 1782(a) erlangter Beweismittel] ist gemeinsam, dass das deutsche Recht mit einem bereits abgeschlossenen ausländischen Verfahren konfrontiert wird, die Parteien und der Richter des deutschen Verfahrens also bereits vor vollendeten Tatsachen stehen. Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung gibt dem ausländischen Beweisrecht aber einen noch viel weitergehenden Einfluss als die bloße Verwertung erlangter Beweise in einem inländischen Prozess. In dem einen Fall übernimmt das Anerkennungsgericht die Entscheidung, im 30  31 

Vgl. zum Umfang der gem. 28 U. S. C. § 1782(a) vorzulegenden Dokumente oben, § 3 C. Vgl. oben, § 2 F. 32  Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 138.



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anderen bleiben dem deutschen Richter noch die freie Beweiswürdigung und sonstige Urteilsfindung überlassen. Wenn schon im Vollstreckbarerklärungsverfahren aus guten Gründen die Durchsetzung deutscher Rechtsvorstellungen mit der Brechstange des Ignorieren ausländischer Ergebnisse für nicht sinnvoll gehalten wird, lässt das bereits erwarten, dass auch und erst recht bei der Verwertung im Ausland erhobener Beweise eine im Grundsatz liberale Haltung angezeigt ist.“33 Das kann nicht überzeugen. Ein erst-Recht Schluss ist methodisch nur dann zulässig, wenn die ratio legis der in Rede stehenden Vorschrift auf den von ihrem Wortlaut nicht erfassten Fall in noch stärkerem Maße zutrifft, als auf die von ihrem Wortlaut unmittelbar erfasste Konstellation.34 Das ist hier aber nicht der Fall. Wie gezeigt dient die liberale Anerkennung ausländischer Urteile verschiedenen legitimen Zwecken, deren Verfolgung ein punktuelles Zurückweichen der Wertungen des deutschen Rechts bis zu den Grenzen des ordre public-Verstoßes rechtfertigt. Die Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel fördert diese Zwecke hingegen in keiner Weise. Die ratio legis des § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO trifft auf die vorliegend untersuchte Konstellation dementsprechend gar nicht zu. Der von Rollin vorgeschlagene erst-Recht Schluss ist folglich abzulehnen.

III.  Kein Argument aus § 369 ZPO Eschenfelder meint, es folge auch aus § 369 ZPO, dass die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel am Maßstab des ordre public im Sinne von § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu messen sei.35 Nach dem Wortlaut von § 369 ZPO steht es der Verwertbarkeit eines im Wege der Rechtshilfe erhobenen Beweismittels nicht entgegen, wenn das ausländische Gericht bei der Beweiserhebung zwar sein eigenes Verfahrensrecht verletzt, dafür aber das deutsche Verfahrensrecht beachtet. Darüber hinaus enthält § 369 ZPO nach allgemeiner Auffassung das sog. „Meistbegünstigungsprinzip“.36 Danach ist es für die Verwertbarkeit des Beweismittels ebenso unschädlich, wenn das ausländische Gericht bei der Beweisaufnahme zwar das deutsche Verfahrensrecht verletzt, dafür aber die Anforderungen seines eigenen Rechts beachtet.37 33  34 

Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 138, Hervorhebung hinzugefügt. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 389. 35  Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 160, allerdings bezogen auf ausländische selbständige Beweisverfahren allgemein. 36 Synonym: Grundsatz des minderen Erfordernisses, Berger, in: Stein/Jonas22, § 370 Rn. 2. 37  Berger, in: Stein/Jonas22, § 369 Rn. 2; Heinrich, in: MüKo-ZPO, § 369 Rn. 3 f.; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, § 369 Rn. 3 f.

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Dritter Teil: Bestimmung des Prüfungsmaßstabs

Daraus folgert Eschenfelder, § 369 ZPO bringe zum Ausdruck, dass das deutsche Recht „prinzipiell auch andere Verfahrensweisen akzeptiert.“38 Etwas anderes gelte nur, wenn das ausländische Verfahren „den Mindestanforderungen der deutschen Rechtsauffassung an ein geordnetes und rechtsstaatliches Verfahren nicht genügt und anerkannten Standards widerspricht“.39 Daraus ergebe sich, dass nur bei Verstoß gegen den ordre public im Sinne von § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Verwertung gem. 28 U. S. C. § 1782(a) erlangter Beweismittel unterbleiben dürfe.40 Das kann jedenfalls bezüglicher solcher Beweismittel, deren Erlangung gem. 28 USC § 1782(a) auf den Antrag einer interested person zurückgeht – und nur mit diesen ist die vorliegende Untersuchung befasst41 – nicht überzeugen. Auf diese Konstellation ist § 369 ZPO schon nicht anwendbar. Die Vorschrift bezieht sich nur auf Beweiserhebungen aufgrund gerichtlicher Rechtshilfeersuchen.42 Das folgt aus dem systematischen Zusammenhang mit §§ 363, 364 ZPO,43 die ihrerseits ein entsprechendes Rechtshilfeersuchen voraussetzen.44 Geht die Beweiserhebung auf den Antrag einer interested person zurück, ist ein solches Rechtshilfeersuchen aber gerade nicht gegeben. Zweitens betrifft das von § 369 ZPO ausgedrückte „Meistbegünstigungsprinzip“ nur die formale Gestaltung der Beweisaufnahme: „§ 369 ZPO geht von dem Grundsatz aus, dass jede Prozesshandlung hinsichtlich ihrer Förmlichkeit nach dem Recht des Orts der Vornahme zu beurteilen ist[.]“45 In Rede stehen insofern z. B. die Öffentlichkeit bzw. das Fragerecht bei einer Zeugenvernehmung,46 die Benachrichtigung der Parteien vom Beweistermin47 oder die Modalitäten der Anfertigung eines Sachverständigengutachtens48. Die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel im deutschen Zivilprozess steht aber nicht wegen der Formalitäten des US-amerikanischen Beweisrechts in Frage. Anlass zu entsprechenden Zweifeln bietet vielmehr der besondere Umfang der Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten im Rahmen der discovery.49 Es geht also nicht um das Wie der Beweiserlangung, sondern um die Frage nach deren Ob. Dazu trifft das auf Formalitäten bezogene Meistbegünstigungsprinzip gem. § 369 ZPO aber keine Aussage. 38  39 

Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 160. Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 162. 40  Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 162. 41  Vgl. oben, § 1. Zum Begriff vgl. oben, § 3 A. I. 42  Das gesteht auch Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 160 zu. 43  Gemeinsam mit diesen Vorschriften bildet § 369 ZPO das Recht der Beweisaufnahme im Ausland, Berger, in: Stein/Jonas22, § 363 Rn. 1. 44  Schreiber, in: MüKo-ZPO, § 493 Rn. 1. 45  Berger, in: Stein/Jonas22, § 369 Rn. 1, Hervorhebung im Original. 46  BAG BeckRS 2016, 72235 Rn. 24 ff. 47  BGH NJW 1960, 1950 (1951). 48  KG Berlin VersR 1967, 446. 49  Vgl. oben, § 2.



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Diesen Unterschied anerkennt an anderer Stelle auch Eschenfelder, indem er einerseits auf „die erhebliche rechtspolitische Bedeutung der Ausgestaltung der Informations- und Beweisgewinnung“ hinweist, und ausführt, eine „mehr oder weniger rigorose Zulassung von Restriktionen und die damit einhergehende automatische Beschränkung der Möglichkeit einer gründlichen Wahrheitserforschung bedeuten gleichzeitig den bewussten Verzicht auf ein wichtiges Rechtsgut zugunsten eines anderen“,50 andererseits aber bezogen auf § 369 ZPO dartut, die Bedeutung des verfahrensmäßigen Ablaufs der Beweisaufnahme im Ausland sei für das in Deutschland anhängige Verfahren ohne große Bedeutung.51 Im Ergebnis ist § 369 ZPO keine Aussage zum rechtlichen Maßstab der Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel zu entnehmen.

IV.  Kein Argument aus der prozessualen Maßgeblichkeit der lex fori Schließlich wird vertreten, es folge aus dem Grundsatz der verfahrensrechtlichen Maßgeblichkeit der lex fori, dass gem. 28 USC § 1782(a) erlangte Beweismittel nur im Fall eines Verstoßes gegen den ordre public von der Verwertung ausgeschlossen werden dürfen.52 Die Beweiserhebung im Rahmen von 28 USC § 1782(a) sei nämlich aufgrund des genannten Grundsatzes nur am amerikanischen Recht zu messen.53 Darüber könne das deutsche Verfahrensrecht sich nur bei Verletzung des „beweisrechtlichen ordre public“ hinwegsetzen.54 Auch dieser Begründungsansatz kann nicht überzeugen. Zwar ist trotz einiger Kritik in jüngerer Zeit55 nach wie vor davon auszugehen, dass sich die Rechtmäßigkeit der Verfahrenshandlungen des Gerichts nach dem Recht des Forums richtet.56 Das steht aber in keinem Zusammenhang mit den Bedingungen der Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel. In Rede steht hier nämlich nicht die rechtliche Bewertung der Verfahrenshandlungen 50 

Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 230. Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 160 f. Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 139 ff. In diesem Sinne bezogen auf ausländische Beweisverfahren allgemein Dörschner, Beweissicherung im Ausland, S. 204 ff. 53  Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 140. 54  Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 142. 55  Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rn. 102 ff., insb. 144; Grunsky, ZZP 89 (1976), 241 (254 f.); Schack, IZVR, Rn. 44. 56 BGHZ 59, 23 (26); 125, 196 (199); BGH MDR 1985, 215; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, Einl. III Rn. 74; Schumann, in: Stein/Jonas20, Einl. Rn. 736; Geimer, IZPR, Rn. 319 ff.; Jaeckel, Die Reichweite der lex fori im internationalen Zivilprozessrecht, S. 23 ff., 52; Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery, S. 25 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht § 6 Rn. 2 ff.; Schütze, Deutsches internationales Zivilprozessrecht, Rn. 51 ff.; Wagner, Prozeßverträge, S. 348 f. Noch nicht abschließend geklärt ist allerdings die dogmatische Begründung des Grundsatzes, vgl. dazu Geimer, IZPR, Rn. 320 ff. und Wagner, Prozeßverträge, S. 349 ff., jeweils m. w. N. 51  52 

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Dritter Teil: Bestimmung des Prüfungsmaßstabs

des US-amerikanischen Gerichts. Vielmehr geht es um die Bestimmung der rechtlichen Voraussetzungen von Verfahrenshandlungen des deutschen Gerichts, nämlich der Erhebung bzw. Verwertung der in Rede stehenden Beweismittel. Wenn es aber um die rechtliche Bewertung von Verfahrenshandlungen des deutschen Gerichts geht, dann ergibt sich aus dem Grundsatz der verfahrensrechtlichen Maßgeblichkeit der lex fori richtigerweise gerade die Anwendbarkeit des deutschen Rechts. Aus diesem Grund ist der Grundsatz der Anwendbarkeit der lex fori im Zusammenhang beweisrechtlicher Rechtshilfe insgesamt unergiebig.57

V. Zwischenergebnis Die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel kann nicht in analoger Anwendung der ordre public Prüfung gem. § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bestimmt werden.

C. Zwischenergebnis § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist also weder unmittelbar noch analog auf die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel anwendbar. Deutsche Gerichte dürfen sich bei der Entscheidung über die Verwertung der in Rede stehenden Beweismittel mithin nicht auf eine ordre public-Prüfung beschränken, sondern müssen das deutsche Recht vollumfänglich zur Anwendung bringen. Es liegt nämlich so: Deutsche Gerichte sind grundsätzlich in vollem Umfang an deutsches Recht gebunden. Es reicht nicht aus, dass ihre Handlungen im Sinne der ordre public-Prüfung mit der deutschen Rechtsordnung „gerade noch“ vereinbar sind, bzw. dieser nicht „unerträglich“ widersprechen; vielmehr müssen die Gerichte angesichts ihrer Bindung an Recht und Gesetz gem. Art. 20 Abs. 3 GG rechtmäßig handeln, d. h. in (voller) Übereinstimmung mit dem deutschen Recht.58 Etwas anderes gilt nur dann, wenn das deutsche Recht seinen Wirkungsanspruch ausnahmsweise selbst zurücknimmt. Hinsichtlich der Überprüfung anzuerkennender ausländischer Urteile ist das geschehen in § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Bezüglich der Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel ist das hingegen, wie gezeigt, nicht der Fall. 57 Vgl. Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, S. 1, Rn. 1, dort Fn. 1. Diese Erkenntnis setzt sich auch bei Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 205 durch („Muss die Überprüfung der Beweiserlangung im US‑Verfahren doch sehr begrenzt werden, so ist im Stadium der Beweisaufnahme für die Beurteilung deutscher Gerichtstätigkeit die ganze Palette deutscher Beweisverbote anwendbar“, Hervorhebung hinzugefügt), der aus dieser Einsicht aber freilich nicht die entsprechenden Schlüsse zieht. 58  Schröder, Gesetzesbindung des Richters und Rechtsweggarantie im Mehrebenensystem, S. 45 f.



§ 5  Prüfungsmaßstab des deutschen Rechts

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Dementsprechend steht – anders als mitunter angedeutet59 – das Urteil des BGH vom 4. Juni 199260 in keinem Zusammenhang mit der Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel.61 Hier hat der BGH lediglich entschieden, dass der ordre public im Sinne von § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht schon deshalb verletzt sei, weil dem anzuerkennenden Urteil eine pre-trial discovery vorausgegangen ist.62 Nach dem Vorstehenden ist das für die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel irrelevant. Diese hängt ja gerade nicht vom Vorliegen eines ordre public-Verstoßes ab. Das gleiche gilt für den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 24. Januar 200763. Dort hat das BVerfG festgestellt, dass die Durchführung einer pre-trial discovery nicht im Sinne von Art. 13 des Haager Zustellungsübereinkommens64 (im Folgenden: HZÜ) geeignet ist, die Hoheitsrechte oder die Sicherheit der Bundesrepublik zu gefährden.65 Auch diese Frage ist für die vorliegend untersuchte Frage ohne Belang, weil die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel nicht von einem Verstoß gegen Art. 13 HZÜ abhängt.

§ 5  Prüfungsmaßstab des deutschen Rechts Die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel richtet sich also nach den Maßstäben des deutschen Rechts. Eine Vorschrift zu dieser Frage sucht man im deutschen Recht aber vergebens. Tatsächlich enthält die ZPO – anders als das Strafprozessrecht66 – überhaupt keine Regelung zur Verwertbarkeit von Beweismitteln.67 Bevor die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) er59 

Eschenfelder, RIW 2006, 443 (447), ihm folgend Schönknecht, GRUR Int 2011, 1000 (1007); Wagner, FS Leipold, S. 801 (817 f.). 60  BGHZ 118, 312 = NJW 1992, 3096. 61  In diesem Sinne auch Müller-Stoy, GRUR Int 2005, 558 (563), dort Fn. 62, der meint, das genannte Urteil stelle keine „die Verwertbarkeit generell bestätigende oder ablehnende Gerichtsentscheidung“ dar. 62  BGH NJW 1992, 3096, LS 3. A. A. Schütze, WM 1979, 1174 (1175), der die Durchführung der discovery für einen Verstoß gegen den ordre public gem. § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hält. 63  BVerfG JZ 2007, 1046. 64 Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965, BGBl. 1977 II, S. 1452 ff. 65  BVerfG JZ 2007, 1046 Rn. 15. In diesem Sinne in jüngerer Zeit auch BVerfG JZ 2016, 796 Rn. 43. 66  Z. B. verbietet § 136a Abs. 3 S. 2 StPO ausdrücklich die Verwertung von Beweismitteln, die unter Verstoß gegen die in Abs. 1 und 2 aufgeführten verbotenen Vernehmungsmethoden erlangt wurden, vgl. dazu Diemer, in: Karlsruher Kommentar StPO, § 136a Rn. 38 ff. m. w. N. 67  Vgl. statt aller BAG NJW 1983, 1691 (1692); BGH NJW 1991, 1180; Reichenbach, § 1004 BGB, S. 5; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 141 ff.; Werner, NJW 1988, 993 (999). Die entsprechende Feststellung ist hier jeweils auf die Frage der Verwertbarkeit materiell rechtswidrig erlangter Beweismittel bezogen.

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Dritter Teil: Bestimmung des Prüfungsmaßstabs

langter Beweismittel untersucht werden kann, ist also zunächst zu klären, auf welche Vorschriften des deutschen Rechts insofern abzustellen ist. Dabei wird nicht der Versuch unternommen, das „Rad neu zu erfinden“. Stattdessen wird auf Schrifttum und Rechtsprechung zur Frage der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel Bezug genommen, um so gleichsam die Partikulardebatte um 28 USC § 1782(a) an die übergeordnete Frage der Verwertbarkeit von Beweismitteln im Allgemeinen anzuschließen. Damit ist ausdrücklich nicht gesagt, dass das Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) der materiell-rechtswidrigen Erlangung von Beweismitteln gleichzustellen sei. Vielmehr haben beide Konstellationen der Beweiserlangung mitunter sehr unterschiedliche Charakteristika, denen im Folgenden Rechnung zu tragen sein wird.68 In Bezug auf die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel lassen sich im Wesentlichen drei Ansätze unterscheiden. Erstens wird vertreten, die Verwertbarkeit sei mit Blick auf das verletzte materielle Recht zu ermitteln (A.) Eine zweite Ansicht will insofern auf das Prozessrecht abstellen (B.). Schließlich wird vertreten, die Verwertbarkeit sei unter unmittelbarem Rückgriff auf das Verfassungsrecht in Abwägung der widerstreitenden Grundrechte der Verfahrensparteien zu bestimmen (C.).

A.  Materiell-rechtliche Ansätze Verschiedentlich wird vertreten, die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismitteln sei unter Rückgriff auf das materielle Recht zu bestimmen. Ihren Ausgangspunkt haben entsprechende Überlegungen in der Argumentationsfigur der Einheit der Rechtsordnung. Was materiell-rechtlich verboten ist, könne nicht prozessual zulässig sein. Kellner formuliert paradigmatisch: „Man muß […] prozeßwidrig und gesetzwidrig gleichstellen. Die Prozeßwidrigkeit ist nur ein Unterfall der Gesetzwidrigkeit überhaupt. Das gesamte Recht bildet eine Einheit.“69

I. Darstellung In der aktuellen Debatte finden sich im Wesentlichen drei dogmatische Ausformungen dieses Zusammenhangs: Reichenbach bringt § 1004 BGB als materiellrechtliches subjektives Abwehrrecht des Beweisgegners gegen die prozessuale Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel in Stellung.70 Werden Beweismittel unter Verstoß gegen das (zivilrechtliche) allgemeine Persönlichkeitsrecht 68  69 

Vgl. unten § 5 A. II.; § 5 B. II.; § 5 C. II. Kellner, JR 1950, 270 (271). 70  Reichenbach, § 1004 BGB, S. 224 ff. und passim; ders., AcP 206 (2006), 599 (623), ähnlich auch Reinecke, NZA 1989, 577 (581), der aus §§ 12, 862, 1004 BGB analog ein gegen die Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel sprechendes allgemeines Rechtsprinzip ableitet.



§ 5  Prüfungsmaßstab des deutschen Rechts

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des Beweisgegners erlangt, so beeinträchtige auch die prozessuale Beweisführung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners.71 Gegen diese Beeinträchtigung stehe dem Beweisgegner ein Abwehranspruch gem. §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 BGB zu.72 Die Erhebung des entsprechenden Beweises sei dem Gericht daher verboten.73 Erhebt das Gericht den fraglichen Beweis (unter Missachtung des Beweiserhebungsverbots) aber dennoch, so folge daraus allerdings nicht die Unverwertbarkeit des Beweismittels.74 Stellt sich im Ergebnis der Beweisaufnahme der streitige Sachvortrag des Beweisführers nämlich als wahrheitsgemäß heraus, so sei der Beweisgegner gem. § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung der Beweisführung verpflichtet. Die Verwertung des Beweismittels sei dann zulässig.75 Zweitens wird versucht, die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel nach dem Schutzzweck des bei Erlangung des Beweismittels verletzten materiellen Rechts zu bestimmen.76 Das Beweismittel ist danach unverwertbar, wenn Sinn und Zweck der verletzten Vorschrift dies erfordern.77 Schließlich soll die Verwertbarkeit anhand des materiell-rechtlichen Grundsatzes von Treu und Glauben bestimmt werden. Danach sind Beweismittel unverwertbar, wenn ihre Verwertung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt.78

II. Analyse Die materiell-rechtlichen Ansätze sind zur Bestimmung der Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel nicht geeignet. Ausgangspunkt 71 

Reichenbach, § 1004 BGB, S. 133 ff., 163 f. Reichenbach, § 1004 BGB, S. 226. Reichenbach, § 1004 BGB, S. 203 ff., 227. Ähnlich schon Larenz/Canaris, Schuldrecht II 2, S. 507. 74  Reichenbach, § 1004 BGB, S. 207. 75  Reichenbach, § 1004 BGB, S. 205 ff., 227. 76  In diesem Sinne zum Zivilprozess OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799 (2800); Schumann, in: Stein/Jonas20, Einl. Rn. 58, 245; Foerste, in: Musielak/Voit ZPO, § 286 Rn. 6; Baumgärtel, Beweislastpraxis, S. 64; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, S. 45 (§ 42 III 2); Peters, ZZP 76 (1963), 145 (164) und zum Arbeitsprozess BAG NJW 1983, 1691 (1693); 105, 356 (364 f.); Gross/Lorenz, FA 2003, 229; Helml, in: Hauck/Helml/Biebl, § 58 ArbGG Rn. 23; Rhotert, BB 1999, 1378. 77  Dieser Ansatz entspricht der strafprozessualen „Rechtskreistheorie“ und ist von dieser inspiriert, vgl. dazu Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 40; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 190; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (389). 78  Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89 (103 f.); ders., Beweislastpraxis, Rn. 90, 107; ders., FS Klug, S. 477 (484). In diesem Sinne, aber ohne Nennung des Begriffs Treu und Glauben, auch Baumgärtel, MDR 1994, 767 (768) und Pleyer, ZZP 69 (1956), 321 (334). Bezogen auf den Arbeitsprozess so auch Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 163 ff. und für das schweizerische Zivilprozessrecht Hauser, FS Habscheid, S. 139 (149). 72  73 

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Dritter Teil: Bestimmung des Prüfungsmaßstabs

der Überlegungen zur Verwertbarkeit ist nämlich jeweils die materiell-rechtliche Rechtswidrigkeit der Beweiserlangung. Die Beschaffung von Beweismitteln gem. 28 USC § 1782(a) verstößt aber nicht gegen materielles Recht (1.). Zusätzlich sind die materiell-rechtlichen Ansätze ohnehin (d. h. auch wegen materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel) abzulehnen (2.).

1.  Kein Verstoß gegen materielles Recht Die Beschaffung von Beweismitteln gem. 28 USC § 1782(a) verstößt nicht gegen materielles Recht. Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass US-amerikanische Recht nicht verletzt ist. Dieses sieht die discovery gem. 28 USC § 1782(a) ja gerade vor. Es liegt aber auch kein Verstoß gegen deutsches Recht vor:

a) Strafrecht Ein Verstoß gegen deutsches Strafrecht scheitert schon daran, dass dieses auf die in den USA stattfindende discovery nicht anwendbar ist. Gem. § 3 StGB ist deutsches Strafrecht anwendbar auf Taten, die im Inland begangen werden.79 Gem. § 9 StGB ist eine Tat im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat bzw. der tatbestandliche Erfolg im Inland eingetreten ist oder hätte eintreten sollen. Unabhängig von den insofern im Einzelnen zu stellenden Anforderungen80 ist das bei der Beweiserlangung gem. 28 USC § 1782(a) nicht der Fall, weil das relevante Geschehen ausschließlich in den USA stattfindet. Deutsches Strafrecht ist darüber hinaus auch nicht gem. §§ 5 ff. StGB anwendbar. Die potenziell verwirklichten Tatbestände haben weder einen besonderen Inlandsbezug im Sinne von § 5 StGB, noch sind sie gegen international geschützte Rechtsgüter im Sinne von § 6 StGB gerichtet. Schließlich gilt deutsches Strafrecht auch nicht gem. § 7 StGB. Das US-amerikanische Recht stellt die Beweiserlangung gem. 28 USC § 1782(a) nicht unter Strafe (§ 7 Abs. 1 1. Fall StGB) und der Tatort unterliegt der US-amerikanischen Strafgewalt (§ 7 Abs. 1 2. Fall StGB).

b) Zivilrecht Die Beweisbeschaffung gem. 28 USC § 1782(a) verstößt auch nicht gegen zivilrechtliche Vorschriften. Es kann offen bleiben, ob insofern deutsches oder USamerikanisches Deliktsrecht zur Anwendung kommt.81 In beiden Fällen stellt 79  Sog. Territorialitätsgrundsatz, vgl. Eser, in: Schönke/Schröder, 80 Vgl. Eser, in: Schönke/Schröder, § 9 StGB Rn. 4 ff.

§ 9 StGB Rn. 1.

81  Die Frage ist nach deutschem internationalem Privatrecht zu beantworten. Weil vorliegend aus Sicht des deutschen Rechts ein potenzieller deliktischer Eingriff in die Rechte des Beweisgegners in Rede steht, liegt das relevante Kollisionsrecht insofern grundsätzlich in der Rom-II‑Verordnung, Junker, in: MüKo-BGB, Art. 1 Rom II‑VO Rn. 5, 10, 15. Diese



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die Beweiserlangung im Ergebnis keine unerlaubte Handlung dar. Wegen des US-amerikanischen Rechts liegt das auf der Hand.82 Aber auch bei Anwendung deutschen Deliktsrechts ist keine unerlaubte Handlung gegeben. Es ist schon fraglich, ob die Inanspruchnahme des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) eine Rechtsgutsverletzung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB begründen würde.83 Diese Frage kann aber offen bleiben. Eine potenzielle Rechtsgutsverletzung wäre nämlich jedenfalls nicht rechtswidrig. Die Beschaffung von Beweismitteln gem. 28 USC § 1782(a) geschieht in Wahrnehmung einer dem Antragsteller durch das US‑Recht eingeräumten Befugnis. Eine aus der Ausübung verfahrensrechtlicher Befugnisse resultierende Beeinträchtigung fremder Rechtsgüter ist aber nicht rechtswidrig.84 Dieser Rechtfertigungsgrund bezieht sich zwar grundsätzlich nur auf vom deutschen Recht vorgesehene Verfahren. Weil die potenzielle Verletzungshandlung hier aber in den USA stattfindet, sind nach deutschem internationalem Privatrecht ausnahmsweise auch die vom US‑Recht gewährten verfahrensrechtlichen Befugnisse zu beachten. Diese stellen nämlich ein bei der Anwendung des deutschen Deliktsrechts zu beachtendes local datum im Sinne der von Ehrenzweig entwickelten Datum-Theorie85 dar.86 Die Ausübung der vom gilt als loi uniforme auch im Verhältnis zu Drittstaaten wie den USA, Junker, in: MüKo-BGB, Art. 40 EGBGB Rn. 16. Allerdings liegt hier, wenn überhaupt, eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Antragsgegners vor, vgl. unten, § 6. Verletzungen des Persönlichkeitsrechts sind aber gem. Art. 2 Abs. 2 lit. g) Rom-II‑VO vom Anwendungsbereich der Rom-II‑VO ausgenommen; in diesen Fällen ist Art. 40 EGBGB das anwendbare Kollisionsrecht, Junker, in: MüKo-BGB, Art. 40 EGBGB Rn. 20. Gem. Art. 40 Abs. 1. S. 1 EGBGB ist grundsätzlich das Recht desjenigen Staates anwendbar, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Weil die relevanten Handlungen im Rahmen der Beweiserlangung gem. 28 USC § 1782(a) in den USA stattfinden, wäre gem. Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB also US-amerikanisches Deliktsrecht anzuwenden. Der Verletzte kann zwar gem. Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB verlangen, dass das Recht desjenigen Staates angewendet wird, in dem der Erfolg eingetreten ist. Da das Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) in den USA stattfindet, führt auch diese Vorschrift zur Anwendung des USamerikanischen Rechts. Hatten der Ersatzpflichtige und der Verletzte zur Zeit des Haftungsereignisses aber ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat, so ist gem. Art. 40 Abs. 2 EGBGB das Recht dieses Staates anzuwenden. In der hier untersuchten Konstellation könnte im Ergebnis dieser Regel mitunter deutsches Deliktsrecht auf die in Rede stehende Frage anzuwenden sein. 82  In Betracht käme vor allem eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Vgl. zu den Voraussetzungen der Verletzung des „deliktsrechtlichen Datenschutzes“ umfassend Ruppel, Persönlichkeitsrechte an Daten?, passim, insb. S. 203 ff. 83  In Betracht käme vor allem eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Vgl. zu den Voraussetzungen der Verletzung des „deliktsrechtlichen Datenschutzes“ umfassend Ruppel, Persönlichkeitsrechte an Daten?, passim, insb. S. 203 ff. 84  BGHZ 54, 76 = NJW 1970, 1459 (1461); Münzberg, in: Stein/Jonas22, § 717 Rn. 10; Götz, in: MüKo-ZPO, § 717 Rn. 7. 85  Ehrenzweig, 16 Buff.L. Rev. 55 (1966). 86 Die Datum-Theorie ist nach wie vor umstritten, vgl. v. Bar/Mankowski, IPR I, § 4

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Dritter Teil: Bestimmung des Prüfungsmaßstabs

US‑Recht gem. 28 USC § 1782(a) gewährten Befugnis ist mithin nicht rechtswidrig im Sinne des deutschen Deliktsrechts.

c)  Kein Verstoß gegen deutsches öffentliches Recht Die discovery in den USA gem. 28 USC § 1782(a) verstößt ebenfalls nicht gegen deutsches öffentliches Recht. Auch dieses ist aufgrund des im internationalen öffentlichen Recht geltenden Territorialitätsgrundsatzes87 auf das in den USA stattfindende Verfahren nicht anwendbar.

2.  Kritik an den materiell-rechtlichen Ansätzen Die materiell-rechtlichen Ansätze sind auch bzgl. der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel abzulehnen. Sie beruhen auf einem unrichtigen Verständnis des Verhältnisses von materiellem und Prozessrecht, a). Zusätzlich können die verschiedenen Ansätze auch aus anderen Gründen nicht überzeugen, b).

a)  Verhältnis von materiellem Recht und Prozessrecht Spätestens seit Windscheid88 unterscheidet das deutsche Zivilrecht in Abkehr von der römisch-rechtlichen actio zwischen materiell-rechtlichem Anspruch und prozess-rechtlicher Durchsetzung desselben.89 Das materielle Recht regelt, welche Rechte den Privatrechtssubjekten gegeneinander zustehen, während das Prozessrecht die Institutionen und Verfahren zu deren Durchsetzung bereitstellt.90 Entsprechend ihrer abweichenden Gegenstände operieren materielles und Prozessrecht mit verschiedenen Kategorien: Das materielle Recht unterscheidet rechtmäßiges von rechtswidrigem Verhalten, das Prozessrecht hingegen fragt nach Zulässigkeit und Begründetheit von Prozesshandlungen. Das Verhältnis dieser Kategorien zueinander wurde zunächst so verstanden, dass zwischen ihnen keine Verbindungslinie bestehe: Rechtmäßigkeit und RechtsRn. 126 m. w. N. Allgemeine Einigkeit besteht aber dahingehend, dass bei Vorliegen normativer Tatbestandsmerkmale mitunter das nicht anwendbare ausländische Recht zu beachten ist, ggf. als sog. Vorfrage, vgl. dazu Rauscher, Internationales Privatrecht Rn. 483 ff. Im Ergebnis wäre in der hier untersuchten Konstellation nach allen Ansichten das US‑Recht als Rechtfertigungsgrund einer potenziellen Verletzungshandlung zu berücksichtigen. Für die vorliegende Untersuchung ist diese Feststellung ausreichend. 87 Vgl. zu diesem Begriff kritisch aber in der Sache zustimmend v. Bar/Mankowski, IPR I Rn. 135 ff. 88  Windscheid, Die Actio des römischen Zivilrechts, passim, paradigmatisch z. B. S. 4: „Man kann eine Actio haben, ohne ein Recht zu haben, und keine Actio, wenn einem ein Recht zusteht.“ 89  Vgl. zur historischen Entwicklung des Verständnisses von materiellem und Prozessrecht den Überblick bei Zöllner, AcP 190 (1990), 471. 90  Im Grundsatz schon Windscheid, Die Actio des römischen Zivilrechts, S. 3 und passim.



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widrigkeit wurden als schlechthin „außerprozessuale Wertungen“ begriffen.91 Der „moralinfreie“92 Prozess sei ihnen gegenüber stets „unempfindlich“.93 In jüngerer Zeit hat sich allerdings wieder verstärkt die Erkenntnis durchgesetzt, dass materielles und Prozessrecht trotz ihrer andersartigen Regelungsgegenstände eine Gesamtheit bilden. Es gelte insofern, die vielfältigen „Wechselbeziehungen zwischen Zivilprozeßrecht und Zivilrecht“ zu beachten,94 und so zu verhindern, dass ersteres sich vollständig von letzterem löse.95 Im Vergleich zu der noch von Windscheid, Goldschmidt und Niese geprägten Position hat die Prozessrechtswissenschaft insofern eine „Rückwendung hin zum materiellen Recht“ vollzogen.96 Die Einzelheiten des Verhältnisses von materiellem und Prozessrecht bleiben viel diskutiert und weitgehend ungeklärt. Schon die definitorischen und terminologischen Fragen der Abgrenzung von materiellem und Prozessrecht bereiten der Wissenschaft nach wie vor erhebliche Probleme.97 Diese Fragen können im vorliegenden Rahmen nicht geklärt werden. Es ist aber auch nicht erforderlich. Für die vorliegende Untersuchung reicht folgende Feststellung aus: Es ist umstritten, ob materielles Recht auf die prozessuale Zulässigkeit überhaupt Einfluss haben kann. Lehnt man das ab,98 so kann die Verwertbarkeit von Beweismitteln (mit anderen Worten: die Zulässigkeit der auf diese Beweismittel bezogenen Beweisanträge) nicht von materiell-rechtlichen Erwägungen abhängen. Die materiellrechtlichen Ansätze zur Bestimmung der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel wären dann schon aus diesem Grund zu verwerfen. Auch bei Zugrundelegung der h. M., wonach die Erheblichkeit materiellrechtlicher Erwägungen für die prozessuale Zulässigkeit zumindest nicht kategorisch ausgeschlossen ist, bleibt die „Transformation“99 der materiell-rechtlichen Wertung in die prozessuale Sphäre aber ein begründungsbedürftiger 91  92 

Siegert, Die Prozeßhandlungen, ihr Widerruf und ihre Nachholung, S. 37. Goldschmidt, Prozess als Rechtslage, S. 292. 93  Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen  – Ein Beitrag zur allgemeinen Prozeßrechtslehre, S. 77. 94  Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, S. 26. 95  Zöllner, AcP 190 (1990), 471. 96  Häsemeyer, ZZP 188 (1988), 140 (144). Dagegen regt sich aber auch Widerstand, vgl. jüngst Fleck, Die Redlichkeitspflichten der Parteien im Zivilprozess, S. 90: „Die Kategorie der Zulässigkeit besagt nichts über die der Rechtmäßigkeit, wie umgekehrt die Kategorie der Rechtmäßigkeit nichts über die der Zulässigkeit oder Begründetheit einer prozessualen Handlung besagt. Deswegen lassen sich die beiden Kategorien nicht in die jeweils andere transformieren.“ 97  Vgl. nur die 691 Seiten umfassende Darstellung der Problemgeschichte bei Kollmann, Begriffs- und Problemgeschichte des Verhältnisses von formellem und materiellem Recht. 98  In diesem Sinne z. B. Häsemeyer, ZZP 188 (1988), 140, der eine Übertragung materiell-rechtlicher Wertungen in die prozessuale Sphäre insgesamt kategorisch ablehnt („Unvertauschbarkeit materieller und formeller Rechtssätze“). 99  Fleck, Die Redlichkeitspflichten der Parteien im Zivilprozess, S. 90.

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Dritter Teil: Bestimmung des Prüfungsmaßstabs

Vorgang.100 Das drückt eine Selbstverständlichkeit aus: Eine Norm hat grundsätzlich nur die im Normtext angeordnete Rechtsfolge. Soll aus ihr in analoger Anwendung oder auf anderem methodischen Wege eine abweichende Rechtsfolge abgeleitet werden, so bedarf die insofern unternommene Rechtsfortbildung besonderer Begründung.101 Da vorliegend die Ableitung prozessualer Rechtsfolgen in Rede steht, muss die Begründung dieser „Transformation“ aus dem Prozessrecht folgen.102 Dementsprechend ist materielles Recht nur dann maßgeblich für die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel, wenn das Prozessrecht insofern auf das materielle Recht Bezug nimmt.103 Das ist indes nicht der Fall.

aa)  Keine Bezugnahme auf §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 BGB Eine Bezugnahme des Prozessrechts auf die Wertungen der §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 BGB ist nicht ersichtlich.104 Sie wird von Reichenbach auch nicht behauptet. Vielmehr geht dieser in Abweichung vom oben entwickelten Maßstab von einem gegenteiligen Regel-Ausnahme-Verhältnis zur Maßgeblichkeit materiellen Rechts im Prozessrecht aus. Danach seien materiell-rechtliche Wertungen für die prozessuale Zulässigkeit grundsätzlich erheblich, es sei denn, das Prozessrecht ordne ausnahmsweise das Gegenteil an.105 Das sei aber bei § 1004 BGB nicht der Fall.106 Diese These begründet Reichenbach zentral mit der Gesetzesbindung der Gerichte gem. Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG, die sich auch auf materielles Recht und damit auch auf § 1004 BGB erstrecke.107 Das kann nicht überzeugen. Die (unbenommene) Gesetzesbindung der Gerichte geht nur so weit wie der Geltungsbereich des in Rede stehenden Gesetzes. § 1004 BGB regelt aber einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, und 100  In diesem Sinne im Ergebnis auch Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, S. 34 und Zöllner, AcP 190 (1990), 471 (495), die ein Regel-Ausnahme-Verhältnis aber zumindest vordergründig ablehnen. Zöllner, AcP 190 (1990), 471 (495): „Keine Patentformel […], mühsames Detailgeschäft“. 101 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 366 ff. 102 In diesem Sinne auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1, Rn. 23; Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 37. 103  Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (471); Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 37; Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozessparteien, S. 537 f.; Lang, Ton- und Bildträger, S. 176, 193; Roth, FS Henckel, S. 281 (287 f.); Recht der Persönlichkeit, S. 279 (287). In diesem Sinne im Ergebnis auch Muthorst, Das Beweisverbot, S. 114. 104  Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (751); Kodek, FS Kaissis, S. 523 (529); Muthorst, Das Beweisverbot, S. 113; Störmer, JuS 1994, 334 (336). Ähnlich Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 189. 105  Reichenbach, § 1004 BGB, S. 114 unter Bezugnahme auf Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 23 I, S. 207. 106  Reichenbach, § 1004 BGB, S. 114 ff., insb. S. 130. 107  Reichenbach, § 1004 BGB, S. 110.



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nicht etwa die Voraussetzungen der gerichtlichen Erhebung und Verwertung von Beweismitteln. Frei nach Doehring formuliert: Die Gerichte haben § 1004 BGB zu beachten, soweit er gilt; nicht etwa gilt § 1004 BGB, weil ein Gericht entscheidet.108 Der von Reichenbach entwickelte Ansatz ist somit schon aus Gründen des Verhältnisses von materiellem und Prozessrecht abzulehnen.109

bb)  Keine Bezugnahme auf den Schutzzweck des materiellen Rechts Das Prozessrecht nimmt auch nicht auf den Schutzzweck des bei Erlangung des Beweismittels verletzten materiellen Rechts Bezug. Das Prozessrecht enthält keine Regelung, die ausdrücklich an die materielle Rechtswidrigkeit der Erlangung eines Beweismittels anknüpft.110 Auch in analoger Anwendung des Prozessrechts lässt sich diesem keine Regel entnehmen, die an die materielle Rechtswidrigkeit der Beweiserlangung Rechtsfolgen knüpft.111 Die Verletzung materiellen Rechts bei der Erlangung eines Beweismittels wird vom Prozessrecht gar nicht angesprochen; dann kann das Prozessrecht aber auch keine Bezugnahme auf den Schutzzweck des verletzten materiellen Rechts enthalten. Daher kann auch der Schutzzweck des bei Beweiserlangung verletzten materiellen Rechts aus Gründen des Verhältnisses von materiellem und Prozessrecht nicht zur Bestimmung der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel herangezogen werden.112

cc)  Keine Bezugnahme auf Treu und Glauben Auch der Ansatz, die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zu bestimmen, scheitert an dem oben dargestellten Verhältnis von materiellem und Prozessrecht.113 Zwar ist nach der h. M. der aus § 242 BGB abgeleitete Grundsatz von Treu und Glauben auch im Prozessrecht anwendbar.114 Danach ist arglistiges Verhalten einer Prozesspartei 108  Angelehnt an Doehring, Staatsrecht, D IV 2 a, S. 209: „Das Gericht hat die Grundrechte zu beachten, soweit sie gelten; nicht etwa gelten sie, weil ein Gericht entscheidet.“ 109  Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (751); Kodek, FS Kaissis, S. 523 (529); Muthorst, Das Beweisverbot, S. 113. Aus diesem Grund kann aus § 1004 Abs. 1 BGB auch nicht die prozessuale Unzulässigkeit Prozesslügen abgeleitet werden, vgl. dazu Fleck, Die Redlichkeitspflichten der Parteien im Zivilprozess, S. 96 f. 110  Vgl. oben § 5. 111  Vgl. unten, § 5 B. 112  Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 40. In diesem Sinne bezogen auf den Schutzzweck verletzten materiellen Strafrechts Muthorst, Das Beweisverbot, S. 100. 113  Im Ergebnis auch Wais, Die Verwertbarkeit fehlerhaft erzielter Beweisergebnisse und rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 140; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 171. 114  BGHZ 31, 77 = NJW 1960, 194 (196); BGHZ 112, 345 = NJW 1991, 1176 (1177); BGH NJW 1987, 138 (139); Wagner, Prozeßverträge, S. 342 m. w. N. dort Fn. 293. A. A. aber Zeiss, Die arglistige Prozesspartei, S. 19, und Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozess-

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vom Gericht zurückzuweisen und ihm so der Rechtserfolg zu versagen.115 Das verdient grundsätzlich Zustimmung: Verschiedene Regelungen der ZPO, insbesondere die prozessuale Wahrheitspflicht gem. § 138 Abs. 1 ZPO und die aus §§ 282, 296 ZPO folgende Prozessförderungspflicht,116 lassen erkennen, dass auch das Prozessverhalten unter der generellen Herrschaft von Treu und Glauben steht.117 Die nach dem oben entwickelten Maßstab erforderliche prozessuale Bezugnahme auf das materielle Recht ist mithin grundsätzlich gegeben.118 Diese Bezugnahme gilt aber nicht pauschal, sondern ist inhaltlich qualifiziert. Die o. g. Vorschriften, die die prozessuale Anwendung von Treu und Glauben rechtfertigen, sanktionieren ausschließlich Verhalten, welches die Erreichung der Zwecke des Zivilprozesses gefährdet.119 Das Prozessrecht bezieht sich mit anderen Worten nur insoweit auf den materiell-rechtlichen § 242 BGB, wie es um den Schutz prozessualer Wertungen geht. Dementsprechend sind auch die von Rechtsprechung und h. M. anerkannten vier Fallgruppen der Anwendung von Treu und Glauben im Prozessrecht jeweils auf prozessuale Wertungen bezogen.120 Die (außerprozessuale) rechtswidrige Erlangung von Beweismitteln begründet aber keinen Verstoß gegen prozessuale Wertungen; vielmehr geht es um eine Verletzung des materiellen Rechts. Die Anwendung von § 242 BGB in diesem Zusammenhang bedeutet dann eine doppelte Bezugnahme auf materielles Recht: Erstens wird der Grundsatz von Treu und Glauben aus dem materiell-rechtlichen § 242 BGB abgeleitet, und zweitens wird er durch die materiell-rechtlichen Wertungen der bei Beweiserlangung verletzten Vorschriften parteien, S. 81, der die Anwendung von Treu und Glauben im Prozessrecht als „Systembruch“ ablehnt. 115  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rn. 49 m. w. N. dort Fn. 87. 116 Die terminologische Diskussion darum, ob § 282 ZPO eine prozessuale Last oder Pflicht begründet, ist für die vorliegende Untersuchung ohne Bedeutung, vgl. dazu aber Fleck, Die Redlichkeitspflichten der Parteien im Zivilprozess, S. 214 ff. m. w. N. 117 Weitere Beispiele sind § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO (keine Prozesskostenhilfe bei missbräuchlicher Rechtsverfolgung), § 93 ZPO (Kostentragung bei sofortigem Anerkenntnis und keinem Anlass zur Klageerhebung), §§ 263, 269 ZPO (besondere Voraussetzungen der Klageänderung und -rücknahme nach mündlicher Verhandlung) und § 296 Abs. 3 ZPO (Unzulässigkeit verspäteter Zulässigkeitsrügen, vgl. insgesamt Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 2 Rn. 16. 118  Das Prozessrechtsverhältnis stellt demgegenüber keine ausreichende Begründung der Geltung von § 242 BGB im Prozess dar, weil ein solcher Schluss eine unzulässige Ableitung inhaltlicher Konsequenzen aus begrifflichen Kategorien darstellen würde. Sehr deutlich Fleck, Die Redlichkeitspflichten der Parteien im Zivilprozess, S. 16 f.: „methodisch wertlose, weil zirkuläre Scheinbegründung“. 119  Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 37. 120  (1) Das Verbot der arglistigen Schaffung prozessualer Rechtslagen, (2) das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, (3) die Verwirkung prozessualer Befugnisse, sowie (4) das Verbot des Missbrauchs prozessualer Befugnisse, vgl. dazu Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rn. 50 ff. m. w. N.



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ausgefüllt. Der Anwendung eines dergestalt „doppelt materiell-rechtlichen“ Grundsatzes von Treu und Glauben würde nach den vorstehenden Erwägungen aber die erforderliche Rechtfertigung aus prozessualen Gründen fehlen.

b)  Weitere Kritikpunkte Auch abgesehen vom Verhältnis von materiellem und Prozessrecht können die materiell-rechtlichen Ansätze nicht überzeugen.

aa)  § 1004 BGB Der von Reichenbach vorgeschlagene Ansatz führt zu Ergebnissen, die wertungsmäßig nicht überzeugen.121 Verbietet § 1004 BGB nämlich dem Gericht die Erhebung eines Beweismittels, hindert es aber nicht an der Verwertung eines verbotswidrig erhobenen Beweismittels, so wird dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, die von ihm rechtswidrig vorgenommene Beweiserhebung durch die anschließende Verwertung des Beweismittels selbst zu rechtfertigen: „Was zunächst rechtswidrig und unzulässig ist, wird durch die ebenfalls (verfahrens-) rechtswidrige Handlung des Richters (Zulassung des Beweismittels) im Nachhinein legitimiert […]. Pathetisch ausgedrückt wird hier Unrecht durch Unrecht scheinbar zu Recht.“122

bb)  Schutzzweck des materiellen Rechts Der Ansatz, der die Verwertbarkeit von Beweismitteln nach dem Schutzzweck des bei ihrer Erlangung verletzten materiellen Rechts beurteilen will, scheitert schon daran, dass dem materiellen Recht kein auf die Verwertbarkeit von Beweismitteln bezogener Schutzzweck zu entnehmen ist.123 Der Regelungsgehalt des materiellen Rechts erschöpft sich in der Anordnung materiell-rechtlicher Rechtsfolgen. Ihm sind keine auf den Verfahrensablauf bezogenen Aussagen zu entnehmen.124 Der referierte Ansatz ist somit schon in methodischer Hinsicht 121  In diesem Sinne auch Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 189 f. 122  Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 190 (Hervorhebung hinzugefügt). 123  Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 60; Muthorst, Das Beweisverbot, S. 96; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 118 f.; ders., JuS 1994, 334 (338); Werner, NJW 1988, 993 (999); Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (389). Ähnlich auch Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 40; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 191. 124  Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 118; Werner, NJW 1988, 993 (999). In Bezug speziell auf §§ 242 ff. StGB als durch die Beweiserlangung verletztes materielles Recht auch Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 40; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess,

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Dritter Teil: Bestimmung des Prüfungsmaßstabs

nicht zur Bestimmung der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel geeignet.

cc)  Treu und Glauben Schließlich ist auch der auf Treu und Glauben bezogene Ansatz abzulehnen. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist inhaltlich nicht zur Bestimmung der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel geeignet.125 Die von Treu und Glauben geforderte Zurückweisung arglistigen Verhaltens einer Prozesspartei durch das Gericht dient dem Schutz der treugemäß handelnden Partei vor dem treuwidrigen Verhalten des Prozessgegners. Beim Problem der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel trifft der Vorwurf treuwidrigen Verhaltens aber beide Parteien: Die Treuwidrigkeit des Beweisführers besteht in der rechtswidrigen Beschaffung des Beweismittels, diejenige des Beweisgegners im wahrheitswidrigen Bestreiten der zu beweisenden Umstände.126 In dieser Situation ist keine der Prozessparteien besonders schutzwürdig. Die vom Grundsatz von Treu und Glauben vorausgesetzte Interessenlage ist bezüglich der Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel also nicht gegeben. Treu und Glauben erlauben mithin keine Entscheidung über die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel. Zwar wird versucht, die Bedenken bezüglich der Beidseitigkeit der prozessualen Treuwidrigkeit dadurch zu entkräften, dass die Treuwidrigkeit des Beweisgegners zum Zeitpunkt der potenziellen Beweiserhebung noch nicht feststehe.127 Dem ist zuzugeben, dass der Wahrheitsgehalt des Sachvortrags (naturgemäß) erst im Ergebnis der Beweisaufnahme bewertet werden kann. Dass das Gericht die Treuwidrigkeit erst später feststellt, ändert aber nichts daran, dass sie – soweit der Vortrag des Beweisgegners wahrheitswidrig ist – tatsächlich auch schon vor der Beweisaufnahme vorliegt. Die Gerichte verfügen mithin angesichts der verfahrensmäßigen Gestaltung der Beweiserhebung nicht über ausreichende Erkenntnismöglichkeiten, um den Grundsatz von Treu und Glauben in interessengerechter Weise auf die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel anzuwenden. Dann stellt der Grundsatz von Treu und Glauben keine adäquate Grundlage für eine Entscheidung über die VerwertbarS. 191. Zumindest bezogen auf den bei Erlangung des Beweismittels verletzten Schutzzweck zustimmend auch Muthorst, Das Beweisverbot, S. 96. 125  Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 161; Gamp, Die Ablehnung von Beweisanträgen im Zivilprozess, S. 54; Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozessparteien, S. 83; Lang, Ton- und Bildträger, S. 130 ff. Im Ergebnis auch Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 49. 126  Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (472); Gamp, DRiZ 1981, 41 (42); Peters, ZZP 76 (1963), 145 (150 f.); Werner, NJW 1988, 993 (999). 127  Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 48 f.; Muthorst, Das Beweisverbot, S. 101 f.; Pleyer, ZZP 69 (1956), 321 (334 f.); Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (383).



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keit rechtswidrig erlangter Beweismittel dar: „Was sich im Prozess einer Erkenntnis entzieht, kann nicht zugleich Geltungsgrundlage einer Norm sein.“128

B.  Prozessrechtlicher Ansatz Auf das Prozessrecht bezogene Ansätze zur Bestimmung der Verwertbarkeit von Beweismitteln gehen davon aus, dass das Prozessrecht eine abschließende Sonderregelung des Verfahrensablaufs darstelle, sodass auch die Verwertbarkeit von Beweismitteln nur nach Maßgabe des Prozessrechts zu beurteilen sei.129 Da aber das Prozessrecht die Verwertbarkeit in keiner Vorschrift explizit regelt, müssten insofern andere Regelungen des Prozessrechts analog zur Anwendung kommen.

I. Darstellung Der maßgebliche Vorschlag in diese Richtung stammt von Dilcher.130 Danach sei die Verwertbarkeit von Beweismitteln in analoger Anwendung von §§ 422, 423 ZPO zu bestimmen.131 Gem. §§ 422, 423 ZPO ist der Prozessgegner zur Vorlegung einer Urkunde verpflichtet, wenn der Beweisführer entweder nach materiellem Recht die Herausgabe oder Vorlegung der Urkunde verlangen kann (§ 422 ZPO), oder er sich zuvor im Prozess zur Beweisführung selber auf die in Rede stehende Urkunde bezogen hat (§ 423 ZPO).132 Aus die128 

Fleck, Die Redlichkeitspflichten der Parteien im Zivilprozess, S. 86. diesem Sinne z. B. Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (471): „Die unterschiedliche Bedeutung von materieller Rechtswidrigkeit und prozessualer Unzulässigkeit zeigt, daß sich beide Begriffe in ihrer Ausgestaltung keineswegs zwangsläufig decken müssen und daß für die Zulässigkeit von Prozeßhandlungen nur das Prozeßrecht als eine lex specialis maßgebend sein kann.“ 130  Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (475 ff.). Kellner hat vertreten, dass sich aus analoger Anwendung von § 444 ZPO ergebe, dass rechtswidrig erlangte Beweismittel stets unverwertbar seien. § 444 ZPO regelt die beweisrechtlichen Folgen der Beweisvereitelung durch Urkundenunterdrückung. Danach gelten zulasten desjenigen, der eine Urkunde beseitigt, um dem Prozessgegner die Beweisführung unmöglich zu machen, die von letzterem aufgestellten Tatsachenbehauptungen als bewiesen. Daraus folge „[i]n einer Art Umkehrschluß […], daß aus Gleichheit des Rechtsgrundes auch derjenige keinen Beweiserfolg haben darf, der rechtswidrig ein Beweismittel herbeischafft“, Kellner, JR 1950, 270 (271). Der vermeintliche „Umkehrschluss“ zu § 444 ZPO ist indes unzulässig und der von Kellner vorgeschlagene Ansatz erfährt allgemeine Ablehnung, vgl. nur Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (472); Gamp, Die Ablehnung von Beweisanträgen im Zivilprozess, S. 53; ders., DRiZ 1981, 41 (42); Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 41; Lang, Tonund Bildträger, S. 129 f.; Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 31; Muthorst, Das Beweisverbot, S. 104; Werner, NJW 1988, 993 (1001); Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (383). 131  Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (475 ff.). 132 Vgl. Schreiber, in: MüKo-ZPO, § 422 ZPO Rn. 1 ff.; ders., in: MüKo-ZPO, § 423 ZPO Rn. 1 f. 129  In

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sem Zusammenhang folge, dass (auch rechtswidrig erlangte) Beweismittel verwertbar seien, soweit der Beweisführer bei analoger Anwendung der §§ 422, 423 ZPO ihre Vorlegung (hypothetisch) hätte verlangen können.133 Die Vorlagepflicht gem. §§ 422, 423 ZPO entspreche nämlich einer „prozessualen Verwendungsbefugnis“134 des Beweisführers, die durch die Rechtswidrigkeit der Erlangung des Beweismittels nicht berührt werde.135 Jenseits der (hypothetischen) Vorlegungspflicht gem. §§ 422, 423 ZPO seien (rechtswidrig erlangte) Beweismittel demgegenüber unverwertbar, weil die Grenzen der Vorlegungspflicht die „prozeßrechtlich normierte Garantie einer Freiheitssphäre des Beweisgegners“136 darstellten und so gleichsam eine „prozeßfreie Sphäre“137 für diesen begründeten. Um dieser Freiheitssphäre auch im Fall rechtswidriger Beweiserlangung Geltung zu verschaffen, sei es erforderlich, das Beweismittel mit der Sanktion der Unverwertbarkeit zu belegen.138

II. Analyse Der von Dilcher vertretene Ansatz wäre – anders als die o. g. materiell-rechtlichen Ansätze – zur Bestimmung der Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel operabel. Die Idee einer prozessfreien Sphäre des Beweisgegners als Grenze der Verwertbarkeit von Beweismitteln lässt sich vom Phänomen der rechtswidrigen Erlangung eines Beweismittels abstrahieren und auf das vorliegend untersuchte Problem übertragen. In diesem Sinne wäre die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel davon abhängig, ob auch nach deutschem Recht die Vorlegung der betreffenden Beweismittel hätte verlangt werden können. Insofern wäre seit der ZPO‑Reform von 2001 neben §§ 422, 423 ZPO allerdings auch die Editionspflicht gem. § 142 ZPO n. F. zu berücksichtigen.139 Der von Dilcher vertretene Ansatz ist aber nicht in der Lage, die wertungsmäßige Gemengelage bezüglich der Beweiserlangung gem. 28 USC § 1782(a) in ihrer Gesamtheit angemessen abzubilden. §§ 422, 423 und § 142 ZPO bestimmen den Umfang prozessualer Editionspflichten. Sie treffen insofern eine 133  In diesem Sinne zuerst Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (482 f.), in jüngerer Zeit Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 205, 226 ff. Ähnlich Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozessparteien, S. 248 f. 134  Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (478). 135  Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (482, 503). 136  Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (478), ohne im Original befindliche Hervorhebung. 137  Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (480). 138  Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (488). Im Ergebnis auch Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozessparteien, S. 244 ff., der zur Begründung aber zusätzlich auf die ansonsten angeblich drohende Vereitlung eines Schadensersatzanspruchs des Beweisgegners gem. § 823 Abs. 1 BGB abstellt. 139  Darauf weist (bezogen auf rechtswidrig erlangte Beweismittel) zurecht auch Reichenbach, § 1004 BGB, S. 29 f. hin.



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Abwägung der widerstreitenden Geheimhaltungs- und Aufklärungsinteressen von Beweisführer und Beweisgegner.140 Dabei handelt es sich auch bezüglich der Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel um einen zentralen Aspekt.141 Wie an späterer Stelle zu zeigen sein wird, berührt die untersuchte Problematik daneben allerdings zusätzlich andere Wertungen, nämlich insbesondere den zivilprozessualen Grundsatz der Waffengleichheit und das Datenschutzrecht.142 Diesen Wertungen gegenüber verhalten sich die prozessualen Editionspflichten gem. §§ 422, 423 ZPO und § 142 ZPO allerdings neutral: Bzgl. der Waffengleichheit sind Editionspflichten neutral, weil sie beiden Parteien in gleicher Weise zur Verfügung stehen;143 das Datenschutzrecht ist auf die Editionspflichten gem. §§ 422, 423 ZPO und § 142 ZPO nicht anwendbar, weil die ZPO insofern das BDSG als bereichsspezifisches Recht verdrängt, § 1 Abs. 3 BDSG.144 Die (analoge) Anwendung der §§ 422, 423 ZPO und § 142 ZPO auf die Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel bietet also keine Gewähr für die angemessene Beachtung aller für das vorliegend untersuchte Problem relevanten Wertungen. Auch der von Dilcher vertretene Ansatz ist im Ergebnis also nicht zur Bestimmung der Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel geeignet.145

C.  Verfassungsrechtlicher Ansatz Der verfassungsrechtliche Ansatz bestimmt die Verwertbarkeit von Beweismitteln in unmittelbarer Anwendung der Grundrechte der Verfahrensparteien. Danach stellen die Erhebung bzw. Verwertung von Beweismitteln durch das Gericht mitunter einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Grundrechte des Beweisgegners dar. Für eine Rechtfertigung sprechen dabei ggf. die Grundrechte des Beweisführers, deren Verwirklichung die Erhebung bzw. Verwertung der 140  Im Entwurf zur CPO heißt es zur Begründung der Vorgängerreglung der §§ 422 f. ZPO, § 374 CPO‑E: „Das Streben nach materieller Wahrheit darf nicht dahin führen, daß in das freie Verfügungsrecht des Inhabers von Urkunden eingegriffen wird, und ein solcher ungerechtfertigter Eingriff würde vorliegen, wenn die Vorlegung von Urkunden erzwungen werden könnte, auf deren Einsicht nur der Inhaber, nicht auch der Gegner ein Recht hat.“, Hahn, Materialien II/1, S. 325. 141  Vgl. unten, § 7 B. IV. 5.b)cc). 142  Vgl. unten, § 7 B. IV. 5.b)aa) und ee). 143  Vgl. zu den Anforderungen der Waffengleichheit im Zivilprozess unten, § 7 B. IV. 5.b) aa). 144  Schöttle, in: Elektronischer Rechtsverkehr, S. 186 Rn. 47 f. Vgl. zur Subsidiarität des BDSG gem. § 1 Abs. 3 BDSG allgemein Gola/Klug/Körffer, in: Gola/Schomerus BDSG, § 1 BDSG Rn. 23 f. 145  Der von Dilcher vertretene Ansatz wird auch bezüglich des Problems der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Ergebnis zurecht ganz überwiegend abgelehnt, vgl. nur Reichenbach, § 1004 BGB, S. 29 m. w. N. dort Fn. 20; Werner, NJW 1988, 993 (1001); Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (386).

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in Rede stehenden Beweismittel erfordern kann. Welches Recht sich in Bezug auf ein konkretes Beweismittel durchsetzt, ist in Ansehung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls nach ggf. typisierten Abwägungskriterien zu entscheiden.

I. Darstellung Der verfassungsrechtliche Ansatz wurde im Wesentlichen in der Rechtsprechung entwickelt. Der BGH hat schon in einem Urteil von 1958 festgestellt, dass die heimliche Anfertigung einer Tonbandaufnahme einen Eingriff in das von der Verfassung garantierte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners darstellen könne, und dass das „private Interesse an der Beweismittelbeschaffung“ in der Regel nicht ausreiche, um diesen Eingriff zu rechtfertigen.146 Demgegenüber sei der Eingriff bei heimlicher Anfertigung einer Tonbandaufnahme eines Telefongesprächs gerechtfertigt, wenn nur auf diese Weise für Zwecke eines zivilrechtlichen Ehrenschutzprozesses der passivlegitimierte Anrufer festgestellt werden konnte.147 Einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht hat der BGH ebenfalls festgestellt bei heimlicher Beobachtung des Ehegatten durch einen unbemerkt in die gemeinsame Ehewohnung eingeschleusten „Ehespion“.148 Das BVerfG hat sich erstmals in einem Beschluss von 1991 zur Verwertbarkeit von Beweismitteln im Zivilprozess geäußert.149 Auch nach dem BVerfG hängt die Verwertbarkeit der Beweismittel von den widerstreitenden Grundrechten der Verfahrensparteien ab. Allerdings sieht das BVerfG den Eingriff in die Grundrechte des Beweisgegners nicht in der Beschaffung des Beweismittels durch den Beweisführer, sondern in der „gerichtlichen Verwertung der Kenntnisse, die der [Beklagte] aus dem mitgehörten Telefongespräch gewonnen hat“.150 Auch in seiner jüngsten Entscheidung zu der Frage verfolgt das BVerfG diesen Ansatz.151 In dem zugrundeliegenden Fall hatte der spätere Beweisführer seine Mutter heimlich ein Telefongespräch zwischen ihm und dem späteren Beweisgegner belauschen lassen. Die Zivilgerichte hatten die Mutter des Beweisführers als Zeugin vernommen und ihre Aussage verwertet. Darin erblickt das BVerfG eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beweisgegners.152 Erhebung und Verwertung der Zeugenaussage seien ein Ein146  BGH NJW 1958, 1344 (Leitsatz c). Im Ausgangspunkt ebenso, einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzgl. des konkret in Rede stehenden Mithörens eines Telefongesprächs aber ablehnend BGH NJW 1964, 165 (166). 147  BGH NJW 1982, 277. 148  BGH NJW 1970, 1848 (1848 f.). 149  BVerfG NJW 1992, 815. 150  BVerfG NJW 1992, 815. 151  BVerfGE 106, 28 = NJW 2002, 3619. 152  BVerfG NJW 2002, 3619 (3622).



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griff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners.153 Dieser Eingriff sei auch nicht gerechtfertigt. Zwar sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht schrankenlos gewährleistet, sondern stehe unter dem Vorbehalt der Einschränkung durch die verfassungsmäßige Ordnung. Dazu gehöre auch das Zivilverfahrensrecht, dessen Vorschriften dem Eingriff in die Grundrechte des Beweisgegners zugrunde liegen.154 Ob diese Vorschriften einen Eingriff in die Grundrechte des Beweisgegners im Ergebnis rechtfertigen können, hänge aber von einer Abwägung der widerstreitenden Grundrechte ab. Dabei sei auf Seiten des Beweisgegners dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht in die Abwägung einzustellen, und auf Seiten des Beweisführers dessen Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG. Bei dieser Abwägung setze sich im Grundsatz das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners durch. Das „stets bestehende ‚schlichte‘ Beweisinteresse“155 sei nicht geeignet, einen Eingriff zu rechtfertigen. Ist das Beweisinteresse aber ausnahmsweise gesteigert, so könne es sich gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht durchsetzen und sei geeignet, einen Eingriff in dasselbe zu rechtfertigen.156 Das sei etwa der Fall, wenn der Beweisführer sich „in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befindet“, oder wenn es dem Beweisführer darum geht, erpresserische Drohungen festzustellen oder „einem auf andere Weise nur schwer, möglicherweise überhaupt nicht abwehrbaren kriminellen Angriff auf seine berufliche Existenz zu begegnen“.157 Diese Rechtsprechung des BVerfG hat sich der BGH in der Folge zu eigen gemacht, und entschieden, dass die Erhebung und Verwertung der Aussage eines heimlichen Lauschzeugen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beweisgegners darstelle.158 Aus demselben Grund hat der BGH entschieden, dass heimlich eingeholte Vaterschaftsgutachten als Beweismittel unverwertbar sind.159 Das gleiche gilt für aus einer von einem Detektiv vorgenommenen GPS-Überwachung gewonnenen Daten.160 Auch das BAG hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen.161

153  154 

BVerfG NJW 2002, 3619 (3622). Nämlich bezüglich der Erhebung des Beweismittels die Vorschriften über die Vernehmung von Zeugen (§§ 373 ff. ZPO) und bezüglich der Verwertung die freie richterliche Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO, BVerfG NJW 2002, 3619 (3624). 155  BVerfG NJW 2002, 3619 (3624). 156  BVerfG NJW 2002, 3619 (3624). 157  BVerfG NJW 2002, 3619 (3624) unter Bezugnahme u. a. auf die oben genannte zivilgerichtliche Rechtsprechung. 158  BGH NJW 2003, 1727 (1728). 159  BGH NJW 2005, 497 (499), bestätigt durch BVerfG NJW 2007, 753. 160  BGH NJW 2013, 2668 Rn. 15 ff. 161  BAG NJW 2008, 2732 Rn. 30; NJW 2012, 3594 Rn. 27 f.; NJW 2014, 720; NJW 2014, 810 Rn. 44.

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II. Analyse Der verfassungsrechtliche Ansatz ist für die Bestimmung der Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel operabel. Zwar sind die entsprechenden Überlegungen in der Rechtsprechung bislang ausschließlich auf rechtswidrig erlangte Beweismittel bezogen. Die zugrundeliegende allgemeine Grundrechtsdogmatik und die Kategorien von Eingriff und Rechtfertigung erlauben es aber, die Verwertbarkeit von Beweismitteln auch unabhängig von der Rechtswidrigkeit ihrer Erlangung zu untersuchen. Die Frage lautet insofern, ob bzw. unter welchen Umständen die Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel einen Eingriff in die Grundrechte des Beweisgegners darstellt, und ob bzw. unter welchen Voraussetzungen dieser Eingriff gerechtfertigt ist. Im Gegensatz zur prozessrechtlichen Lösung von Dilcher ist dieser Ansatz auch nicht auf einzelne punktuelle Aspekte der Verwertbarkeit beschränkt. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit des potenziellen Grundrechtseingriffs kann (und muss) alle relevanten subjektiven Rechte und objektiv-rechtlichen Wertungen berücksichtigen.162

III.  Kritik am verfassungsrechtlichen Ansatz Die Heranziehung von Verfassungsrecht zur Bestimmung der Verwertbarkeit von Beweismitteln wird im Schrifttum mitunter vehement kritisiert. Die entsprechenden Kritiken sollen im Folgenden auf Ihre Überzeugungskraft untersucht werden.

1.  Geltung der Grundrechte Eine erste Kritik lautet, dass die Grundrechte auf die Frage der Verwertbarkeit von Beweismitteln nicht anwendbar seien. Das folge daraus, dass Beweise im Zivilprozess nicht durch staatliche Stellen, sondern durch Subjekte des Privatrechts beschafft werden. Diese seien aber nicht an die Grundrechte gebunden,163 und „woran man nicht gebunden ist, dagegen kann man auch nicht verstoßen.“164 Damit ist die unter dem Stichwort der unmittelbaren bzw. mittelbaren Drittwirkung diskutierte Frage nach der Geltung der Grundrechte im Verhältnis der Privatrechtssubjekte untereinander angesprochen.

162  163 

Vgl. dazu unten, § 7 B. In diesem Sinne z. B. Reichenbach, § 1004 BGB, S. 48. 164  Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 179.



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a)  Keine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte Nach der Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte verpflichten diese neben dem Staat auch die Subjekte des Privatrechts.165 Danach sind nicht nur Handlungen des Staates am Maßstab der Grundrechte zu messen, sondern auch diejenigen der Privatrechtssubjekte. Träfe dies zu, so wäre dem oben referierten Einwand die Grundlage entzogen. In diesem Sinne wird teilweise formuliert, die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel hänge davon ab, ob die rechtswidrige Beschaffung des Beweismittels die Grundrechte des Beweisgegners verletzt habe.166 Die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte kann indes als überholt gelten.167 Die Grundrechte stellen gegenüber den Subjekten des Privatrechts kein unmittelbar geltendes Recht dar. Das ergibt sich erstens aus dem Wortlaut des Grundgesetzes: Art. 1 Abs. 3 GG statuiert die Bindung der Grundrechte nur für Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung. Aus der abschließenden Formulierung dieser Aufzählung folgt im Umkehrschluss, dass die Grundrechte für die Privatrechtssubjekte kein „unmittelbar geltendes Recht“ darstellen. Ebenso macht Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG die Achtung und den Schutz der Würde des Menschen nicht „jedermann“ zur Aufgabe, sondern bezieht sich lediglich auf „all[e] staatlich[e] Gewalt“. In diese Richtung weist schließlich der allgemeine Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG, der die Gleichheit nur „vor dem Gesetz“, nicht aber vor „jedermann“ anordnet.168 Die Auslegung des Grundgesetzes unter historischen Gesichtspunkten spricht ebenfalls gegen eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte. Das Grundgesetz entstand als Gegenentwurf zur nationalsozialistischen Diktatur und bezweckte eine Neuordnung der Verhältnisse des Staats zu seinen Bürgern, die zentral in den Grundrechten zum Ausdruck kommt. Von diesem Anliegen nicht erfordert – und vom Parlamentarischen Rat auch nicht beabsichtigt – war aber eine Neuordnung der Verhältnisse der Privaten untereinander auf Grundlage der Grundrechte.169 165  Vgl. in diesem Sinne etwa Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 332 ff.; Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, S. 13 f.; (mit abweichender Begründung) Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971, passim. 166  Vgl. in diesem Sinne aus der Rechtsprechung etwa BGH NJW 1991, 1180; NJW 1994, 2289 (2292); VersR 1997, 1422; NJW 1998 155; BAGE 41, 37 (41); BAGE 105, 356 (360). Auch in der Literatur finden sich entsprechende Ansätze, z. B. bei Gamp, Die Ablehnung von Beweisanträgen im Zivilprozess, S. 58; ders., ZZP 96 (1983), 115 (116); ders., DRiZ 1981, 41 (42); Reichold, in: Thomas/Putzo, § 286 Rn. 7. 167 Anschaulich Isensee, FS Großfeld, S. 485 (491): „Fossilienkabinett der Rechtsdogmatik“. 168  Canaris, AcP 184 (1984), 201 (203 f.). 169  Canaris, AcP 184 (1984), 201 (205). Vgl. auch Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (225), der unter Bezugnahme auf die Weimarer Reichsverfassung ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, die historische Auslegung des Grundgesetzes spreche gegen eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte.

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Weiterhin lässt die teleologische Funktion der Grundrechte erkennen, dass diese nur den Staat unmittelbar binden. Die Grundrechte sollen dem Einzelnen als Mittel zur Abwehr der Fremdbestimmung durch den Staat und seine Zwangsmittel in Form von Gesetz, Verwaltungsakt und (Straf-)Urteil dienen. Die Privaten verfügen aber anders als der Staat nicht über diese Zwangsmittel. Von ihnen geht daher auch keine vergleichbare Gefahr für die Fremdbestimmung anderer Privater aus, die mithilfe der Grundrechte abzuwehren wäre.170 Schließlich ist auch die Systematik der Gesetzesvorbehalte nur bezüglich des Staats als Adressaten der Grundrechte zu verstehen. Nur dem Staat steht die Handlungsform des Gesetzes zur Verfügung, nur dieser kann von dem Schrankenvorbehalt profitieren. Bezogen auf die Subjekte des Privatrechts hingegen sind die Gesetzesvorbehalte sinnlos und nicht zu erklären.171

b)  Mittelbare Drittwirkung der Grundrechte Die Grundrechte binden die Subjekte des Privatrechts also nicht unmittelbar. Die Grundrechte sind aber auch für das Verhältnis der Privaten untereinander nicht ohne jede Auswirkung.172 Vielmehr ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass die Grundrechte im Privatrechtsverkehr eine mittelbare Drittwirkung entfalten. Das Lüth-Urteil des BVerfG von 1958 begründet das mit der objektiven Werteordnung, die das Grundgesetz mit dem Grundrechtsabschnitt aufgerichtet habe, und die „als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts“ gelte.173 Diese Geltung finde im Privatrecht über einfachgesetzliche Vorschriften Ausdruck, insbesondere über die Generalklauseln.174 Die Grundrechte hätten insofern eine „Ausstrahlungswirkung“ auf das einfache Recht.175 Weiterhin sei die Suprematie des Verfassungsrechts gegenüber den einfachgesetzlichen Vorschriften des Privatrechts zu beachten.176 Das Modell hat im zivilrechtlichen Schrifttum massive Kritik erfahren. Die Überwölbung des Privatrechts durch die mittelbare Geltung der Grundrechte 170  Canaris, AcP 184 (1984), 201 (206). In diesem Sinne unter Betonung der Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte auch Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (225 f.). 171  Canaris, AcP 184 (1984), 201 (204). 172 In diesem Sinne noch z.  B. Schmidt-Rimpler/Gieseke/Friesenhahn/Knur, AöR 76 (1950), 165 (169 ff.). Diese Meinung kann aber mittlerweile ebenso wie die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung als überwunden gelten, Säcker, in: MüKo-BGB, Einl. Rn. 62. 173  BVerfGE 7, 198 (205 ff.) = NJW 1958, 257. 174  BVerfG NJW 1958, 257. Mit dieser Rechtsprechung hat sich das BVerfG in der Sache der Position von Dürig, FS Nawiasky, S. 157 (176 ff.) vertretenen Position angeschlossen. 175  BVerfG NJW 1958, 257 (258). 176  BVerfG NJW 1958, 257: „keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift darf in Widerspruch [zum Wertesystem des Grundrechtsabschnitts] stehen, jede muß in seinem Geiste ausgelegt werden.“ Zu Zweifeln an der widerspruchslosen Vereinbarkeit der Argumente von der objektiven Werteordnung einerseits und der Suprematie des Verfassungsrechts andererseits vgl. Wagner, in: Obligationenrecht im 21. Jahrhundert, S. 13 (64 ff.).



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stelle eine abzuwehrende „Usurpation“ dar.177 Diederichsen hat dem BVerfG in diesem Zusammenhang sogar einen „methodologischen Staatsstreich“ vorgeworfen.178 Diese Kritik erweist sich als überzogen. Canaris hat gezeigt, dass obwohl die dogmatische Konstruktion von „Werteordnung“ und „Ausstrahlungswirkung“ begrifflich und dogmatisch unklar und daher zurückzuweisen ist,179 die mittelbare Geltung der Grundrechte im Privatrechtsverhältnis im Ergebnis Zustimmung verdient.180 Zwar sind die Privaten in ihrem Horizontalverhältnis selbst nicht an die Grundrechte gebunden. Soweit das Verhältnis zwischen den Privaten aber durch gesetzgeberische Rechtsetzung und gerichtliche Rechtsanwendung staatlich vermittelt ist, erlangt dieses Verhältnis eine neue Dimension. Dann stehen die Privaten nämlich zusätzlich zu der zwischen ihnen bestehenden Horizontalbeziehung jeweils auch in einem Vertikalverhältnis zum Staat. Die Geltung der Grundrechte in diesen jeweiligen Vertikalverhältnissen unterliegt keinem Zweifel. Es kommt zu einer „Horizontalwirkung übers Eck“181: Die Privaten sind zwar nicht an die Grundrechte gebunden, der Staat aber hat die Grundrechte beider Privater gleichermaßen zu achten, und zwar auch im Umgang mit dem jeweils anderen. Die von Canaris entwickelte Konzeption hat sich in Schrifttum182 und Rechtsprechung183 weitgehend durchgesetzt. Sie überzeugt auch gemessen am Maßstab des Art. 1 Abs. 3 GG. Einerseits vermeidet sie in Übereinstimmung mit dem oben erzielten Auslegungsergebnis, den Privaten als solchen der Bindung an die Grundrechte zu unterwerfen. Andererseits garantiert sie aber die von Art. 1 Abs. 3 GG geforderte staatliche Beachtung der Grundrechte auch im Zivilprozess und in ihrer Funktion als Schutzrechte des Bürgers. 177  Wagner, in: Obligationenrecht im 21. Jahrhundert, S. 13 (79), unter Bezugnahme auf Picker, JZ 2002, 880. 178  Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (226). 179  „[Der Ausdruck von der Ausstrahlungswirkung] bildet schon deshalb nicht mehr als eine Verlegenheitslösung, weil er keinen juristischen Begriff bildet, sondern lediglich eine bildhafte Wendung aus der Umgangssprache darstellt und entsprechend vage ist.“, Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 30, Nachweise weggelassen. 180  Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 30 ff. 181  Wagner, in: Obligationenrecht im 21. Jahrhundert, S. 13 (67) unter Verweis auf Canaris, in: Umwelt, Wirtschaft und Recht, S. 29 (39); Pietzcker, FS Dürig, S. 345. 182  Vgl. statt aller Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, III/1, § 76 III 4 b, S: 1560 f.; § 76 IV 5, S. 1572 ff. m. z. N. Dieses Verständnis liegt auch erkennbar vielen Stimmen in der Diskussion um die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel zugrunde, vgl. z. B. Morgenroth, ZStV 2012, 212 (213); ders., NZA 2014, 408 (409); Muthorst, Das Beweisverbot, S. 111; Reichenbach, § 1004 BGB, S. 48; Störmer, JuS 1994, 334 (337); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 179 ff.; Werner, NJW 1988, 993 (1000); Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (395). 183  Vgl. z. B. BVerfGE 81, 242 (254 ff.); BVerfG NJW 2002, 2619 (2632 f.); BGH NJW 2003, 1727 (1728); NJW 2005, 497 (499); NJW 2013, 2668 (2670); BAG NJW 2014, 810 Rn. 44; NZA 2014, 143 Rn. 21.

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Dritter Teil: Bestimmung des Prüfungsmaßstabs

c)  Folgen für die Verwertbarkeit von Beweismitteln Nach dem Gesagten ist die Beschaffung der Beweismittel durch die Privatrechtssubjekte mangels unmittelbarer Drittwirkung tatsächlich nicht an den Grundrechten zu messen. Die Privatrechtssubjekte sind nicht durch die Grundrechte verpflichtet.184 Wenn aber die Privaten nicht dem Normbefehl der Grundrechte unterliegen, dann können ihre Handlungen auch nicht gegen die Grundrechte verstoßen.185 Es ist daher ausgeschlossen, dass der Beweisgegner durch die – wie auch immer geartete – Beschaffung eines Beweismittels in seinen Grundrechten verletzt ist.186 Eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass im Verfahren später ein Gericht über die Verwertbarkeit der Beweismittel entscheidet. Dem entspricht das (hier unmittelbar relevante187) Diktum Doehrings: „Das Gericht hat die Grundrechte zu beachten, soweit sie gelten; nicht etwa gelten sie, weil ein Gericht entscheidet.“188 Demgegenüber stellen die Erhebung bzw. Verwertung der Beweismittel einen tauglichen Ansatzpunkt für die grundrechtliche Bestimmung der Verwertbarkeit dar. Als gerichtliche Verfahrensakte unterliegen sie gem. Art. 1 Abs. 3 GG der staatlichen Bindung an die Grundrechte. Dabei hat das Gericht nach der zustimmungswürdigen Konzeption von Canaris auch im Umgang mit der einen Prozesspartei (z. B. mit dem Beweisführer) die Grundrechte der jeweils anderen Prozesspartei (z. B. des Beweisgegners) zu wahren.189 Brinkmann hält dem aber entgegen, dass die Grundrechtsbindung der Gerichte gem. Art. 1 Abs. 3 GG sich nicht auf die Verfahrenshandlungen der Beweiserhebung und -verwertung erstrecke.190 Erhebung und Verwertung von Beweisen seien nämlich nicht eigentlich Handlungen des Gerichts, sondern der Prozessparteien. Diese handelten insofern „durch das Gericht“.191 Im Lichte von Dispositionsmaxime und Beibringungsgrundsatz seien die Regeln über die Beweisaufnahme nämlich lediglich als „formale Aufgabenzuweisung“ zu verstehen, nicht als „materielle Funktionszuschreibung“ an das Gericht.192 Die Be184  In diesem Sinne zur Frage der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel Reichenbach, § 1004 BGB, S. 44 ff.; Muthorst, Das Beweisverbot, S. 111, jeweils m. w. N. 185  Vgl. oben § 5 C. III.1. 186  Balthasar, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 229 (230); Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (753, dort Fn. 40); Muthorst, Das Beweisverbot, S. 110 f.; Reichenbach, § 1004 BGB, S. 48; Roth, in: Recht der Persönlichkeit, S. 279 (283); Störmer, JuS 1994, 334 (335 f.). 187  Vgl. zu der entsprechenden Heranziehung dieses Satzes in Bezug auf § 1004 BGB oben § 5 A.  III.1.a). 188  Doehring, Staatsrecht, D IV 2 a, S. 209. 189  In diesem Sinne auch Kiethe, MDR 2005, 965 (968). 190  Brinkmann, AcP 206 (2006), 746. 191  Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (760). 192  Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (760).



§ 5  Prüfungsmaßstab des deutschen Rechts

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weisaufnahme sei daher kein an den Grundrechten zu messender hoheitlicher Eingriff in die Rechte der Parteien.193 Das kann nicht überzeugen. Art. 1 Abs. 3 GG bietet für die Differenzierung von „formaler Aufgabenzuweisung“ und „materieller Funktionszuschreibung“ keinen normativen Ansatzpunkt. Die Grundrechtsverpflichteten, zu denen die Rechtsprechung und damit auch die Zivilgerichte gehören, sind den Grundrechten umfassend unterworfen. Die Vorschrift bezweckt eine lückenlose Grundrechtsbindung der staatlichen Gewalt.194 Eine Unterteilung gerichtlicher Aufgaben und Handlungen in solche, die an die Grundrechte gebunden sind, und solche, die es nicht sind, ist damit unvereinbar. Auch das BVerfG differenziert diesbezüglich nicht, sondern nimmt eine umfassende Grundrechtsbindung der Gerichte an: „Im gerichtlichen Verfahren tritt der Richter den Verfahrensbeteiligten formell und in unmittelbarer Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Er ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet. Das gilt nicht nur für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, sondern auch für den Zivilprozeß.“195 Die Grundrechtsbindung gilt danach ausdrücklich auch für die Erhebung und Verwertung von Beweismitteln im Zivilprozess.196 Im Übrigen überzeugt die referierte Kritik auch hinsichtlich ihrer zivilprozessualen Annahmen nicht. Zwar mag es bezüglich der Beweiserhebung im Lichte von Dispositionsmaxime und Beibringungsgrundsatz noch vertretbar sein, anzunehmen, dass die Parteien „durch das Gericht“ handelten.197 Das gilt aber jedenfalls nicht für die Verwertung der Beweismittel. Diese besteht darin, die erhobenen Beweise nach Abschluss der mündlichen Verhandlung im Wege freier richterlicher Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Die gerichtliche Überzeugungsbildung ist dem Einfluss der Parteien aber entzogen, Dispositionsmaxime und Beibringungsgrundsatz haben hier keine Geltung. Es handelt sich um eine originär gerichtliche Pflicht, von einer Handlung der Parteien kann hier keine Rede sein. Im Ergebnis ist die Verwertung von Beweismitteln also mit den besseren Argumenten als hoheitliches Handeln des Gerichts gegenüber den Parteien an193  Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (760). Ähnlich Reichenbach, § 1004 BGB, S. 57 ff., der in der Beeinträchtigung des Beweisgegners durch die Verwendung des Beweismittels einen „typisch privatrechtliche[n] Akt“ erblickt, der nicht an öffentlich-rechtlichen Normen, sondern an den Maßstäben des Privatrechts zu messen sei (Zitat S. 76). 194  Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Abs. 3 Rn. 11; Höfling, in: Sachs GG, Art. 1 Rn. 86; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 1 Rn. 35. 195  BVerfGE 52, 203 (207). 196  BVerfG NJW 2002, 3619 (3623). 197  Die besseren Gründe sprechen aber auch hier gegen diese Annahme, Schwab, FS Hubmann, S. 421 (429).

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Dritter Teil: Bestimmung des Prüfungsmaßstabs

zusehen und somit gem. Art. 1 Abs. 3 GG am Maßstab der Grundrechte zu messen.198

d) Zwischenergebnis Der auf die Geltung der Grundrechte bezogene Einwand gegen den verfassungsrechtlichen Ansatz kann nicht überzeugen.

2.  Anwendungsvorrang des einfachen Rechts Weiterhin wird dem verfassungsrechtlichen Ansatz mitunter vorgeworfen, er missachte den Anwendungsvorrang des einfachen Rechts vor dem Verfassungsrecht.199 Zwar genieße das Verfassungsrecht gem. Art. 31 GG Geltungsvorrang gegenüber dem einfachen Recht und stelle gem. Art. 1 Abs. 3 GG für die Gerichte auch unmittelbar geltendes Recht dar. Es folge aber aus dem Prinzip der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) und der Gesetzesbindung des Richters (Art. 20 Abs. 3 GG), dass dieser bei Bestehen einschlägiger einfachgesetzlicher Vorschriften diese anzuwenden habe. Ein unmittelbarer Rückgriff auf das Verfassungsrecht sei den Gerichten dann verwehrt.200 Dies trifft (selbstverständlich) zu. Indes hat sich an früherer Stelle ergeben, dass das einfache Recht gerade keine geeigneten Kriterien zur Bestimmung der Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel zur Verfügung stellt.201 Es besteht also keine einschlägige einfachgesetzliche Vorschrift, die dem Verfassungsrecht gegenüber Anwendungsvorrang beanspruchen könnte. Dem Gericht ist mithin der unmittelbare Rückgriff auf das Verfassungsrecht nicht nur nicht verboten, dieser ist aufgrund des verfassungsrechtlichen Rechtsverweigerungsverbots im Gegenteil sogar geboten.202 Andernfalls müsste das Gericht nach der Feststellung, dass das einfache Recht für die in Rede stehende Frage keine Antwort bereithält, die Rechtsfindung aufgeben. Damit käme es be198 

BVerfGE 52, 203 (207); BVerfG NJW 1992, 815; NJW 2002, 3619 (2632 f.); BGH NJW 2003, 1727 (1728); NJW 2005, 497 (499); NJW 2006, 1657 (1659); NJW 2013, 2668 (2670); BAG NJW 2003, 3436 (3438); NJW 2008, 2732 (2735); NJW 2014, 810 (814); NZA 2014, 143 Rn. 21; Habscheid, GS H. Peters, S. 840 (857); Morgenroth, ZStV 2012, 212 (213); ders., NZA 2014, 408 (409); Muthorst, Das Beweisverbot, S. 111; Reichenbach, § 1004 BGB, S. 48; Reichold, in: Thomas/Putzo, § 286 Rn. 7; Störmer, JuS 1994, 334 (337); Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 45 ff.; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 179 ff.; Werner, NJW 1988, 993 (1000); Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (395). 199  Reichenbach, § 1004 BGB, S. 48 ff.; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 180 f. 200  Reichenbach, § 1004 BGB, S. 50. 201  Vgl. oben, § 5. A. und B. 202  Vgl. zu Begriff, Geltungsgrund und geschichtliche Entwicklung des Rechtsverweigerungsverbots Schumann, ZZP 81 (1968), 79 (81); Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung durch den Zivilprozess, S. 90 ff.



§ 5  Prüfungsmaßstab des deutschen Rechts

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züglich einer Rechtsfrage (nämlich derjenigen der Verwertbarkeit) gewissermaßen zu einem non liquet. Gerade diese Situation schließt das Rechtsverweigerungsverbot aber aus.203 Der verfassungsrechtliche Ansatz scheitert also auch nicht am Anwendungsvorrang des einfachen Rechts gegenüber der Verfassung.

3.  Legitimatorische Grenzen richterlicher Rechtsanwendung Weiterhin wird vertreten, der verfassungsrechtliche Ansatz missachte die legitimatorischen Grenzen richterlicher Rechtsanwendung.204 Dieser Ansatz bedinge nämlich eine Abwägung verschiedener Rechtsgüter von Verfassungsrang. Zu dieser Abwägung sei aber ausschließlich der parlamentarische Gesetzgeber ausreichend demokratisch legitimiert.205 Dem ist zuzugeben, dass es im Rahmen der Gewaltenteilung tatsächlich in erster Linie die Aufgabe des Gesetzgebers ist, widerstreitende Verfassungsgüter in einen abwägenden Ausgleich zu bringen.206 Seinen Entscheidungen kommt insofern (selbstverständlich) Vorrang zu.207 Andererseits sind gem. Art. 1 Abs. 3 GG aber neben der Gesetzgebung ausdrücklich auch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Diese Bindung realisiert sich zwar regelmäßig in Form der Anwendung der vom Gesetzgeber beschlossenen Gesetze.208 Die Gerichte sind aber nicht aus ihrer diesbezüglichen Verantwortung entlassen, wenn das einfache Recht einen grundrechtlich relevanten Konflikt ausnahmsweise nicht auflöst. Vielmehr folgt aus der von Art. 1 Abs. 3 GG angeordneten Bindungswirkung, dass die Gerichte in dieser Situation verpflichtet sind, ausnahmsweise selbst „das rechte Maß zu wahren“209 und den angemessenen Ausgleich zwischen den verschiedenen Verfassungsgütern herzustellen.210 Das einfache Recht regelt die Verwertbarkeit von Beweismitteln im Zivilprozess nicht. Die Gerichte sind also gem. Art. 1 Abs. 3 GG verpflichtet und dementsprechend auch legitimiert, die potenziell widerstreitenden Grundrechte von Beweisführer und Beweisgegner in einen möglichst schonenden Ausgleich zu bringen.211 203 

Schumann, ZZP 81 (1968), 79 (80, 101).

204  Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (319). 205  In diesem Sinne auch Prütting/Weth, DB

1989, 2273 (2278), die davon sprechen, nur dem Gesetzgeber komme bezüglich der Grundrechte die „Beschränkungszuständigkeit“ zu, nicht aber den Gerichten. Dagegen ausdrücklich Wagner, ZZP 108 (1995), 193 (214). 206  Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 184. 207  Wagner, ZZP 108 (1995), 193 (214) dort Fn. 94 m. w. N. 208  Vgl. zum Anwendungsvorrang des einfachen Rechts oben, § 5 C. III.2. 209  Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung durch den Zivilprozess, S. 86. 210 Bezogen auf Beweisverwertung in diesem Sinne ausdrücklich z. B. BVerfG NJW 2002, 3619 (3623 f.), bezogen auf andere Grundrechtskollisionen vgl. z. B. BVerfG NJW 2000, 1021 (1024). Vgl. in diesem Sinne bezogen auf die verfassungsrechtliche Gemengelage bei Einschränkung der Verfahrensöffentlichkeit Wagner, ZZP 108 (1995), 193 (213 f.). 211  BVerfG NJW 2002, 3619 (3623 f.).

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Dritter Teil: Bestimmung des Prüfungsmaßstabs

Das entspricht auch der Rechtsprechung des BVerfG zum Verhältnis von Gesetzgeber und Rechtsprechung im System der Gewaltenteilung des GG. Besonders deutlich ist diesbezüglich der sog. Soraya-Beschluss des BVerfG: „Die traditionelle Bindung des Richters an das Gesetz, ein tragender Bestandteil des Gewaltentrennungsgrundsatzes und damit der Rechtsstaatlichkeit, ist im Grundgesetz jedenfalls der Formulierung nach dahin abgewandelt, daß die Rechtsprechung an ‚Gesetz und Recht‘ gebunden ist (Art. 20 Abs. 3). Damit wird nach allgemeiner Meinung ein enger Gesetzespositivismus abgelehnt. Die Formel hält das Bewusstsein aufrecht, daß sich Gesetz und Recht zwar faktisch im Allgemeinen, aber nicht notwendig und immer decken. […] Die Aufgabe der Rechtsprechung kann es insbesondere erfordern, Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent, aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt sind, in einem Akt des bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen, ans Licht zu bringen und in Entscheidungen zu realisieren. […]“212

IV. Zwischenergebnis Die gegen den verfassungsrechtlichen Ansatz vorgebrachten Einwände überzeugen insgesamt nicht. Die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel wird deshalb im Folgenden unter Zugrundelegung des verfassungsrechtlichen Ansatzes untersucht.213

212  BVerfGE 34, 269, Nachweise weggelassen. 213  Soweit sich die bisherige Literatur zu 28 USC

§ 1782(a) überhaupt zur normativen Grundlage der entsprechenden Prüfung äußert, entspricht das der dort vertretenen Auffassung. Vgl. in diesem Sinne (sehr verkürzt) Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 205 ff. und Reiling, Das US-amerikanische Discovery-Verfahren im Rahmen deutscher gerichtlicher Auseinandersetzungen, S. 298 ff.

Vierter Teil

Bestimmung der Verwertbarkeit gem. 28 U. S. C. § 1782(a) erlangter Beweismittel anhand des verfassungsrechtlichen Ansatzes Im Folgenden wird die Verwertbarkeit gem. 28  USC § 1782(a) erlangter ­Beweismittel in Anwendung der Grundrechte der Verfahrensparteien untersucht. Zu diesem Zweck gilt es zu ermitteln, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die gerichtlichen Verfahrensakte der Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel einen Eingriff in die Grundrechte des Beweisgegners darstellen (§ 6), und ob bzw. unter welchen Umständen dieser Eingriff gerechtfertigt ist (§ 7). Abschließend wird das Ergebnis der verfassungsrechtlichen Prüfung formuliert (§ 8).

§ 6  Eingriff Im Folgenden soll zunächst der Schutzbereich der relevanten Grundrechte des Beweisgegners dargestellt werden (A.), um sodann zu klären, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel in diesen Schutzbereich eingreifen (B.).

A.  Schutzbereich der relevanten Grundrechte Die grundrechtliche Prüfung der Erhebung bzw. Verwertung von Beweismitteln knüpft an die in den Beweismitteln enthaltenen Informationen an. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, ist die Verfügungsgewalt über Informationen, die die eigene Person betreffen, grundrechtlich geschützt. Insofern ist aber danach zu unterscheiden, ob die Informationen einer natürlichen Person oder einer juristischen Person in Rede stehen. Im ersten Fall sind sämtliche nicht-öffentlichen Informationen in den Beweismitteln ohne weiteres grundrechtlich geschützt (I.). In welchem Umfang auch juristische Personen grundrechtlichen Informationsschutz genießen, ist hingegen Gegenstand anhaltender grundrechtsdogmatischer Diskussionen (II.) Ausgenommen vom grundrechtlichen Schutz sind aber in jedem Fall offenkundige Informationen (III.). Abschließend

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

sind die gefundenen Maßstäbe anzuwenden auf gem. 28 USC § 1782(a) erlangte Beweismittel bzw. die in ihnen enthaltenen Informationen (IV.).

I.  Natürliche Personen Der grundrechtliche Schutz von Informationen ist in der Rechtsprechung des BVerfG seit dem Mikrozensus-Beschluss von 1969 anerkannt.1 Dabei ging es zunächst ausschließlich um den Schutz von Informationen aus der Privat- bzw. Intimsphäre des Grundrechtsberechtigten. Im Volkszählungsurteil von 1983 hat das BVerfG diesen Schutz auf die normative Grundlage des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gestellt, welches wiederum aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) abgeleitet ist.2 Gleichzeitig hat das BVerfG den grundrechtlichen Schutz von Informationen erheblich ausgeweitet. Dieser hängt nach dem Volkszählungsurteil nicht mehr von einem „besonderen personalen Kommunikationsgehalt“ ab.3 Geschützt sind nicht mehr nur Informationen, die der Privat- bzw. Intimsphäre zuzurechnen sind, sondern alle personenbezogenen Informationen, unabhängig von ihrer qualitativen Aussagekraft.4 In diesem Sinne hat auch der BGH festgestellt, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beschränke sich nicht „auf bestimmte Inhalte“, und sei unabhängig davon, „ob es sich bei den ausgetauschten Informationen um personale Kommunikationsinhalte oder gar um besonders persönlichkeitssensible Daten handelt“.5 Vereinzelt wird aber vertreten, dass sog. „unternehmensbezogene“ Informationen an diesem grundrechtlichen Schutz nicht teilnähmen.6 Diese Informationen seien nämlich ohne Bezug zur Persönlichkeit und daher nicht vom Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umfasst.7 Das kann nicht überzeugen: „Eine ‚Bereichsausnahme‘ für Geschäftsdaten widerspräche […] der Kernaussage des Volkszählungsurteils, wonach grundsätzlich nicht ‚sensible‘ und ‚weniger sensible‘ Daten zu unterscheiden sind, da alle personenbezogenen Daten, entsprechend miteinander kombiniert, sensibel sein können.“8 Gegen eine entsprechende Differenzierung spricht auch, dass gem. Art. 19 Abs. 3 GG auch juristische Personen über ein Recht auf informationel1  2 

BVerfGE 27, 1 = NJW 1969, 1707. BVerfGE 65, 1 = NJW 1984, 419. 3  BVerfG NJW 2002, 3619 (3623). 4  Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Abs. 1 Rn. 174. 5  BGH NJW 2003, 1727 (1728). 6  Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 41 f.; Siekmann, ZIP 1994, 651 (652). 7  Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 41; Ploch-Kumpf, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Zivilprozeß, S. 24. 8  Wartenburger, in: Rechnungslegung und Wettbewerbsschutz im deutschen und europäischen Recht, S. 49 (59 f.), Hervorhebung im Original.



§ 6  Eingriff

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le Selbstbestimmung verfügen.9 Juristische Personen verfügen aber nicht über eine „Persönlichkeit“. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung setzt also richtigerweise keinen Bezug zur Persönlichkeit voraus.10 Mithin sind auch unternehmensbezogene Informationen natürlicher Personen von deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt.11 Letztlich kann die Frage aber offen bleiben. Unabhängig davon, ob unternehmensbezogene Informationen vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung umfasst sind, genießen entsprechende Informationen jedenfalls den Schutz der Berufs- bzw. Eigentumsfreiheit gem. Art. 12 bzw. 14 GG.12 Im Ergebnis sind also nach allen Auffassungen auch unternehmensbezogene Informationen grundrechtlich geschützt. Diese Feststellung reicht für die vorliegende Untersuchung aus. Es ist nicht erforderlich, das Konkurrenzverhältnis der verschiedenen Grundrechte zu klären. Die an die Rechtfertigung eines Eingriffs zu stellenden Anforderungen sind unabhängig davon, welches der genannten Grundrechte im Einzelnen für einschlägig gehalten wird.13 Es besteht insofern keine „Schrankendivergenz“.14 Im Ergebnis ist der Eingriff in die Informationen einer natürlichen Person vielmehr stets an den im Volkszählungsurteil entwickelten Maßstäben zu messen.15 Damit ist ausdrücklich nicht in Abrede gestellt, dass die Intensität des den verschiedenen Informationen zukommenden Schutzes je nach Inhalt und Sozialbezug variiert. Unabhängig davon, welches Grundrecht einschlägig ist, kann (und muss) diesen Kriterien aber mit Blick auf das Übermaßverbot16 bei der Prüfung einer möglichen Rechtfertigung ohnehin stets Rechnung getragen werden.17 Vor diesem Hintergrund soll in Anlehnung an terminologische Vorschläge aus dem Schrifttum18 im Sinne der Übersichtlichkeit im Folgenden einheitlich 9 

Vgl. dazu unten, § 6 A. II.

10  In diesem Sinne auch Becker, FS Stern, S. 1233 (1241 f.). 11  Becker, FS Stern, S. 1233 (1240 ff.); Beyerbach, Die geheime

Unternehmensinformation, S. 137 ff.; Wartenburger, in: Rechnungslegung und Wettbewerbsschutz im deutschen und europäischen Recht, S. 49 (59 f.). In diesem Sinne auch Wagner, ZZP 108 (1995), 193 (197), der aber bei Betroffenheit unternehmensbezogener Informationen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ableitet, sondern aus Art. 12 bzw. 14 GG. 12  Beyerbach, Die geheime Unternehmensinformation, S. 42; Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 37. 13  In diesem Sinne auch BVerfGE 118, 168, Rn. 161, wo die Abgrenzung unter Verweis auf das identische Schutzniveau offen gelassen wird. 14  Beyerbach, Die geheime Unternehmensinformation, S. 155 f. A. A. Wilms/Roth, JuS 2004, 577 (579 f.). 15  Wagner, ZZP 108 (1995), 193 (198). 16  Vgl. dazu unten, § 7 B. 17  Wagner, ZZP 108 (1995), 193 (198) unter Bezugnahme auf Breuer, NVwZ 1986, 171 (174). 18 Vgl. die entsprechende Terminologie bei Wagner, ZZP 108 (1995), 193 (198) unter

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

von einem an den Maßstäben des Volkszählungsurteils ausgerichteten „Grundrecht auf Datenschutz“ die Rede sein.

II.  Juristische Personen Hinsichtlich juristischer Personen ist nach der inhaltlichen Qualität der in Rede stehenden Informationen zu differenzieren. Es ist allgemein anerkannt, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse19 durch die Berufs- bzw. Eigentumsfreiheit grundrechtlich geschützt sind (1.). Nach wie vor umstritten ist aber, ob juristische Personen auch bzgl. solcher Informationen, die keine Geheimnisse im o. g. Sinne darstellen, grundrechtlichen Schutz genießen (2.).

1.  Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Der Begriff der Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse wird zwar verschiedentlich einfachgesetzlich in Bezug genommen,20 ist aber nicht legaldefiniert.21 Der BGH versteht Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse als „jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten, auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll“.22 Es ist nach wie vor umstritten, ob der grundrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen normativ im Recht auf informationelle Selbstbestimmung, in der Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG oder in der Eigentumsfreiheit gem. Art. 14 GG verankert ist.23 Im Ergebnis ist aber allgemein anerkannt, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse jedenfalls grundrechtlich geschützt sind.24 Diese Feststellung reicht für die vorliegende Untersuchung aus.25 Verweis auf BVerfGE 84 239 = NJW 1991, 2129 (2132): „Der in Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I und Art. 14 GG verbürgte grundrechtliche Datenschutz gibt einen Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe individualisierter oder individualisierbarer Daten.“ 19  Vgl. Beispiele für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und ihre wirtschaftliche Bedeutung bei Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 2 ff. 20 Vgl. die Übersicht bei Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 10 dort Fn. 86. 21  Beyerbach, Die geheime Unternehmensinformation, S. 87 f. 22 So z. B. BGH NJW 2009, 1420. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung aller Gerichtsbarkeiten, vgl. Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 11 m. w. N. dort Fn. 94. 23  Vgl. den ausführlichen Streitstand bei Beyerbach, Die geheime Unternehmensinformation, S. 175 ff. 24  Vgl. nur BVerfGE 115, 205 Rn. 81, aus dem Schrifttum statt aller Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 37; Stadler, ZZP 123 (2010), 261 (265). 25  Da hinsichtlich informatorischer Maßnahmen keine Schrankendivergenz zwischen den verschiedenen Grundrechten besteht, ist es nicht erforderlich, die verschiedenen Schutzbereiche gegeneinander abzugrenzen bzw. eventuelle Konkurrenzfragen aufzulösen, vgl. oben, § 6 A.I.



§ 6  Eingriff

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2.  Anderweitige Informationen Fraglich ist aber, ob Informationen juristischer Personen auch außerhalb des engen Bereichs der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse grundrechtlich geschützt sind, ob also auch juristische Personen über ein (Grund-)Recht auf informationelle Selbstbestimmung verfügen.26 Die Antwort auf diese Frage richtet sich nach Art. 19 Abs. 3 GG. Im ersten Zugriff dienen die Grundrechte dem Schutz der Menschen- und Bürgerrechte natürlicher Personen.27 Gem. Art. 19 Abs. 3 GG gelten sie aber auch für juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Unter welchen Voraussetzungen das der Fall ist, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum kontrovers diskutiert. Der Streitstand soll im Folgenden kurz skizziert werden, a). Es wird aber nicht erforderlich sein, dazu Position zu beziehen. Denn darauf kommt es für die vorliegende Untersuchung nicht an. Im Ergebnis genießen juristische Personen nach allen Ansichten den Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, b).

a) Streitstand aa) Durchgriffsthese Nach der sog. Durchgriffsthese des BVerfG ist der grundrechtliche Schutz einer juristischen Person unter „Durchgriff“ auf die hinter ihr stehenden natürlichen Personen zu bestimmen.28 Das ist aus zivilrechtlicher Sicht terminologisch verwirrend: Im Zivilrecht ist vom „Durchgriff“ die Rede, wenn die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften sollen. Der „Durchgriff“ bezeichnet also eine für die Gesellschafter nachteilige Durchbrechung der Trennung des Gesellschaftsvermögens vom Vermögen der Gesellschafter. Nach der Terminologie des BVerfG wirkt der „Durchgriff“ umgekehrt: Aus den Freiheiten der Gesellschafter wird der Schutzanspruch der Gesellschaft abgeleitet.29 Wo der Schutz der natürlichen Personen es erfordert, sind auch die Grundrechte der juristischen Person geschützt.30 In der Sache dient Art. 19 Abs. 3 GG danach dem Schutz der „korporativen Betätigung“ der Grundrechte der natürlichen Personen.31 Das BVerfG beschreibt das im Sozialversicherungsträger-Beschluss folgendermaßen: 26  Vgl. den Streitstand bei Beyerbach, Die geheime Unternehmensinformation, S. 121 ff., insb. S. 135 ff. 27  Vgl. statt aller Stern, in: Grundrechte-Kommentar, Einl. Rn. 59. 28  In diesem Sinne erstmals ausdrücklich BVerfGE 21, 362 (369). 29  Ackermann, JöR n. F. 65 (2017), S. 113 (119). 30  BVerfGE 21, 362 (369); 68, 193 (205 f.); 75, 192, (196). In diesem Sinne auch Isensee, in: HdB des Staatsrechts V, § 118 Rn. 4. Im Ergebnis ebenso Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Abs. 1 Rn. 26 ff., 113. 31  BVerfGE 106, 28 (42 f.).

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

„Das Wertsystem der Grundrechte geht von der Würde und Freiheit des einzelnen Menschen als natürlicher Person aus. Die Grundrechte sollen in erster Linie die Freiheitssphäre des Einzelnen gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt schützen und ihm insoweit zugleich die Voraussetzungen für eine freie aktive Mitwirkung und Mitgestaltung im Gemeinwesen sichern. Von dieser zentralen Vorstellung her ist auch Art. 19 Abs. 3 GG auszulegen und anzuwenden. Sie rechtfertigt eine Einbeziehung der juristischen Personen in den Schutzbereich der Grundrechte nur, wenn ihre Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der natürlichen Personen sind, besonders wenn der ‚Durchgriff‘ auf die hinter den juristischen Personen stehenden Menschen dies als sinnvoll oder erforderlich erscheinen läßt.“32

bb)  Grundrechtstypische Gefährdungslage Das wird im Schrifttum immer wieder kritisiert. Art. 19 Abs. 3 GG bringe zum Ausdruck, dass juristische Personen aufgrund ihrer organisatorischen Verselbständigung und der darin begründeten autonomen Willensbildung einen Eigenwert haben.33 Diesen Eigenwert schütze Art. 19 Abs. 3 GG: „Die Schutzwürdigkeit der juristischen Person ergibt sich gerade aus der Abstraktion.“34 Die Anwendbarkeit der Grundrechte hänge deshalb nicht von der Schutzbedürftigkeit der natürlichen Personen ab. Maßgeblich sei vielmehr, ob die juristische Person einer grundrechtstypischen Gefährdungslage ausgesetzt ist, die derjenigen einer natürlichen Person vergleichbar ist.35

b)  Grundrechtlicher Schutz nach beiden Auffassungen Die Frage muss vorliegend nicht entschieden werden. Juristische Personen verfügen nach beiden Ansichten gem. Art. 19 Abs. 3 GG über ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Eine grundrechtstypische Gefährdungslage ist gegeben. Becker führt zustimmungswürdig aus: „In demselben Maße wie private Individuen verfügen Unternehmen und andere juristische Personen über individuelle Daten, deren Erhebung, Speicherung, Verknüpfung oder Veröffentlichung ihren Interessen zuwiderlaufen kann. […] Es besteht aus dem Blickwinkel einer grundrechtlichen Gefährdungslage kein Unterschied zwischen einer Datensammlung, die Kundenadressen enthält und die von einem Unternehmen gepflegt wird, einerseits und einem privaten Adressbuch mit Freunden andererseits. Analoges läßt sich 32 

BVerfGE 21, 362 (369). Huber, in: Mangoldt/Klein/Starck GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 219 f.; Dreier, in: Dreier GG, Art. 19 III Rn. 33 f.; Becker, FS Stern, S. 1233 (1243 ff.); Erichsen/Scherzberg, NVwZ 1990, 8 (11). Vgl. auch den Streitstand bei Beyerbach, Die geheime Unternehmensinformation, S. 122 ff. m. w. N. 34  Becker, FS Stern, S. 1233 (1245). 35  Dreier, in: Dreier GG, Art. 19 III Rn. 32 f.; Becker, FS Stern, S. 1233 (1246); Beyerbach, Die geheime Unternehmensinformation, S. 122 ff., 280; Erichsen/Scherzberg, NVwZ 1990, 8 (11); Kröger, JuS 1981, 26 (29); Mertens, JuS 1989, 857 (859 f.). 33 



§ 6  Eingriff

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von der Information über den privaten Kontostand und den Kontostand eines betrieblichen Kontos sagen.“36

Dagegen wird teilweise eingewendet, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zentral dem Schutz der Menschenwürde diene. Da juristische Personen aber keine Würde besäßen, seien sie insofern keiner Gefährdung ausgesetzt.37 Das kann aber nicht überzeugen. Zwar trifft es zu, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung u. a. dem Schutz der Menschenwürde dient.38 Es liegt auch auf der Hand, dass juristische Personen über keine zu schützende Menschenwürde verfügen. Daraus folgt aber kein Einwand gegen die Geltung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung für juristische Personen. Es schützt nämlich nicht nur das Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Menschenwürde. Vielmehr dienen alle Grundrechte (jedenfalls auch) dem Schutz dieses „tragenden Konstitutionsprinzips“39 der Verfassung.40 Der Bezug eines Grundrechts zur Menschenwürde kann also kein ausreichender Grund sein, um die Erstreckung des Grundrechts auf juristische Personen abzulehnen. Andernfalls wäre Art. 19 Abs. 3 GG insgesamt funktionslos.41 Zu diesem Ergebnis kommt auch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung. Das BVerfG hat im Kontostammdatenbeschluss von 2007 ausdrücklich festgestellt, dass juristische Personen den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung genießen.42 Allerdings sei die informationelle Selbstbestimmung juristischer Personen nur insoweit geschützt, wie die in Rede stehenden Informationen die „Zwecksetzung“ der Körperschaft43 bzw. deren „grundrechtlich geschützten Tätigkeitskreis“ berühren.44 Diese Voraussetzung 36 

Becker, FS Stern, S. 1233 (1246). Kroschwald, Informationelle Selbstbestimmung in der Cloud, S. 55; Schoch, Jura 2008, 352 (356). Davon zu trennen ist die Frage, ob juristische Personen Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts insgesamt sein können. Vgl. dazu den Streitstand bei Di Fabio, in: Maunz/ Dürig, Art. 2 Abs. 1 Rn. 224 f. 38  So hat das BVerfGE im Volkszählungsurteil das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausdrücklich aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1. Abs. 1 GG abgeleitet, BVerfGE 65, 1 (43). Vgl. dazu auch Becker, FS Stern, S. 1233 (1235). 39  BVerfGE 87, 209 (228). 40  Becker, FS Stern, S. 1233 (1245); Bleckmann, DVBl 1988, 938 (942); Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 264. Vgl. zur Bedeutung der Menschenwürde als „Grundlage eines grundrechtlichen Wertesystems“ Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Abs. 1 Rn. 21 ff. 41  Prägnant formuliert Becker, FS Stern, S. 1233 (1245): „Es muß gerade der Sinn von Art. 19 Abs. 3 GG sein, den Menschenwürdebezug eines Grundrechts zurücktreten zu lassen und [dieses] damit für die juristische Person anwendbar zu machen. Art. 19 Abs. 3 GG erweitert somit den anthropozentrischen Grundrechtsschutz.“ In diesem Sinne auch schon Stern, in: Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, III/1, § 71 IV 3, S. 1116 ff., insb. 1119 f. 42  BVerfGE 118, 168 = NJW 2007, 2646 Rn. 153. In diesem Sinne auch bereits BVerfGE 67, 100 (142); 77, 1 (38); BVerwGE 115, 319 (325). 43  BVerfGE 118, 168 Rn. 154. 44  BVerfGE 118, 168 Rn. 157. 37 

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

war nach Auffassung des BVerfG im entschiedenen Fall nicht erfüllt, weil die Abfrage der Kontostammdaten ausschließlich für Ermittlungen gegen die Kunden der die Daten verwaltenden juristischen Person diente, nicht aber gegen diese selbst. Die Interessen der juristischen Person seien daher nicht betroffen gewesen.45

c) Zwischenergebnis Es bleibt festzuhalten, dass soweit die Zwecksetzung der Körperschaft berührt ist, auch juristische Personen über den engen Bereich der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hinaus grundrechtlichen Schutz ihrer Informationen genießen. Insoweit verfügen auch juristische Personen gem. Art. 19 Abs. 3 GG über ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach den Maßstäben des Volkszählungsurteils.46 In Anknüpfung an die zuvor entwickelte Terminologie wird deshalb im Folgenden auch bezüglich juristischer Personen vom Grundrecht auf Datenschutz gesprochen.47

III.  Kein Schutz offenkundiger Informationen Der Schutzgehalt des Grundrechts auf Datenschutz besteht darin, selbst zu bestimmen, welche anderen Personen von den geschützten Informationen Kenntnis erlangen.48 Das ist dem Grundrechtsberechtigten aber nur dann sinnvoll 45  BVerfGE 118, 168 Rn. 159 f. Interessanterweise argumentiert das BVerfG damit, dass in diesem Fall eine „grundrechtlich erhebliche Gefährdungslage“ fehle, BVerfGE 118, 168 Rn. 157. Auf eine „grundrechtstypische Gefährdungslage“ beziehen sich auch BVerfGE 45, 63 (79), 61, 82 (101 f.); 106, 28 (43). Der Rückgriff auf die im Schrifttum geprägte Terminologie zeigt aber wohl keine inhaltliche Annäherung an. Vielmehr nutzt das BVerfG die „grundrechtstypische Gefährdungslage“ wohl nur dazu, die Durchgriffsthese neu zu formulieren und zu bestätigen, Ackermann, JöR n. F. 65 (2017), S. 113 (119): „Paraphrase“; Huber, in: Mangoldt/ Klein/Starck GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 216: „tautlogische Umschreibung“. 46  In diesem Sinne auch die h. M. im Schrifttum, vgl. emblematisch Sodan, in: Sodan GG, Art. 19 Rn. 9: „Unzweifelhaft ist mittlerweile, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf juristische Personen anwendbar ist.“ In diesem Sinne auch Dreier, in: Dreier GG, Art. 19 III Rn. 38; Sachs, in: Sachs GG, Einführung Rn. 70; Kunig, in: Münch/Kunig GG, Art. 2 Rn. 39; Becker, FS Stern, S. 1233 (1247); Beyerbach, Die geheime Unternehmensinformation, S. 143; Wagner, ZZP 108 (1995), 193 (198); Wilms/Roth, JuS 2004, 577 (580). In der Rechtsprechung besonders deutlich OVG Lüneburg, NJW 2009, 2697, Leitsatz: „Auch juristische Personen können Träger des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Teilbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein.“ In diesem Sinne auch VerfGH Rheinland-Pfalz in einem Urteil vom 13. 05. 2014 (Aktenzeichen VGH B 35/12). A. A. aber bei Huber, in: Mangoldt/Klein/Starck GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 319; Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 41 f.; Kroschwald, Informationelle Selbstbestimmung in der Cloud, S. 55 f. 47 Im Sinne eines rechtsvergleichenden Seitenblicks sei angemerkt, dass auch in der Schweiz, vgl. dazu Beyerbach, Die geheime Unternehmensinformation, S. 142, dort Fn. 151 m. w. N., und in Österreich, vgl. Tuner, DuD 1985, 20 (23 f.), m. w. N., die informationelle Selbstbestimmung juristischer Personen umfassenden verfassungsrechtlichen Schutz genießt. 48  BGH NJW 2003, 1727 (Ls. 1) formuliert diesbezüglich in Bezug auf das aus dem Recht



§ 6  Eingriff

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möglich, wenn die betreffende Information nicht ohnehin allgemein bekannt ist. Das Grundrecht auf Datenschutz schützt mithin nur nicht-offenkundige Informationen: „Die Nichtoffenkundigkeit einer Information begründet also ihre Schutzwürdigkeit und Schützbarkeit im System des Geheimnisschutzes.“49 Das gilt unabhängig vom inhaltlichen Gegenstand der in Rede stehenden Information. Aus diesem Grund kann die umfangreiche Judikatur zur (Nicht-)Offenkundigkeit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zur Bestimmung der Schutzfähigkeit von Informationen durch das Grundrecht auf Datenschutz herangezogen werden.50 Danach setzt die Nichtoffenkundigkeit einer Information nicht voraus, dass nur der Geheimnisinhaber die in Rede stehenden Informationen kennt. Vielmehr bleibt der Geheimnischarakter einer Information auch bei Kenntnis einer Mehr- und Vielzahl von Personen erhalten, solange es sich noch um einen geschlossenen Personenkreis handelt.51 Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn die Information allgemein bekannt52 bzw. dem beliebigen Zugriff durch Dritte preisgegeben ist.53

IV.  Anwendung auf gem. 28 USC § 1782(a) erlangte Beweismittel Gemessen am nunmehr entwickelten Maßstab sind alle nicht-offenkundigen Informationen in gem. 28 USC § 1782(a) erlangten Beweismitteln grundrechtlich geschützt. Das gilt unabhängig davon, ob es sich beim Beweisgegner um eine natürliche oder eine juristische Person handelt. Wie gezeigt, genießen sowohl natürliche als auch juristische Personen umfassenden grundrechtlichen Schutz ihrer personenbezogenen Informationen, und zwar auch bezüglich geschäftsbzw. unternehmensbezogener Umstände. Die vom BVerfG im Kontostammdaten-Beschluss54 für juristische Personen formulierte Einschränkung des Grundrechts auf Datenschutz55 kommt bei der untersuchten Konstellation nicht zum Tragen. Die vorliegende Untersuchung bezieht sich nur auf solche Fälle, in denen die Parteien des deutschen Rechtsauf informationelle Selbstbestimmung abgeleitete Recht am gesprochenen Wort treffend, der Grundrechtsberechtigte habe „die Befugnis, selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll.“ 49  Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im öffentlichen Recht, S. 41. 50 Vgl. Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im öffentlichen Recht, S. 41, dort Fn. 116. 51  BGH GRUR 1955, 422 (425); Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG, § 17 Rn. 7a; Beyerbach, Die geheime Unternehmensinformation, S. 93 f.; Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 15. 52  BayObLG NJW 1991, 438 (439). 53  BGH NJW 1958, 671; NJW‑RR 2008, 1214 Rn. 19; BayObLG NJW 1991, 438 (439); Beyerbach, Die geheime Unternehmensinformation, S. 94; Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 15. 54  BVerfGE 118, 168. 55  Vgl. oben, § 6 A. II.2.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

streits und der US-amerikanischen discovery identisch sind.56 Die Verwertung der in Rede stehenden Informationen ist für die juristische Person deshalb stets mit dem Risiko des Prozessverlustes verbunden, sodass immer gerade ihre Interessen betroffen sind. Die offenzulegenden Informationen betreffen also stets die Zwecksetzung der juristischen Person im Sinne des Kontostammdatenbeschlusses57 des BVerfG.58 Die Schutzfähigkeit der in Rede stehenden Informationen entfällt auch nicht deshalb, weil diese dem Beweisführer bereits im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) bekannt geworden sind.59 Die Informationen werden durch die Kenntniserlangung des Beweisführers nicht offenkundig. Eine Information ist nämlich erst dann offenkundig, wenn sie einem nicht mehr überschaubaren Personenkreis bekannt ist.60 Die Kenntniserlangung durch einen begrenzten Personenkreis reicht gerade nicht aus, um die Offenkundigkeit der in Rede stehenden Informationen zu begründen.61 Im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) erlangt aber nur ein klar umrissener, geschlossener Personenkreis Kenntnis von den Informationen, nämlich der Antragsteller und dessen Prozessvertreter. Dementsprechend begründet das Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) nicht die Offenkundigkeit der dort offengelegten Informationen. Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, dass der Beweisgegner durch eine einseitige Handlung (nämlich die Stellung des Antrags gem. 28 USC § 1782(a)) den Schutzbereich der Grundrechte des Beweisgegners schmälern könnte. Es ist aber nicht ersichtlich, warum der Beweisführer über die Grundrechte des Beweisgegners disponieren können sollte. Dieses Ergebnis korrespondiert zudem mit der h. M. zur Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel. Danach greift das Gericht durch Erhebung bzw. Verwertung entsprechender Beweismittel in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Beweisgegners ein.62 Dabei wird in Rechtsprechung und Lehre nicht danach differenziert, ob der Beweisführer den Inhalt der Beweismittel infolge der rechtswidrigen Erlangungshandlung bereits kannte. Die Rechtsprechung geht also offensichtlich davon aus, dass der grundrechtliche Schutz von Informationen unabhängig von der vorprozessualen Kenntniserlangung durch den Prozessgegner ist. 56 

Vgl. oben, § 1. BVerfGE 118, 168. Vgl. dazu nochmals oben, § 6 A. II.2. 59  In diesem Sinne aber Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 207. 60  Vgl. oben § 6 A. III. 61  BGH GRUR 2012, 1048 Rn. 31; Brammsen, in: MüKo-Lauterkeitsrecht, § 17 UWG Rn. 18. 62  BVerfG NJW 2002, 3619 (3622 ff.); BGH NJW 1982, 277; 1994, 2289 (2292 f.); BAG NJW 2008, 2732 Rn. 34 ff.; KG KGR Berlin 1993, 179 = OLGZ 1994, 360; OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578; Gamp, ZZP 96 (1983), 115 (116); Heinemann, MDR 2001, 137 (138); Muthorst, Das Beweisverbot, S. 154 ff.; Reinecke, NZA 1989, 577 (581); Schreiber, ZZP 122 (2009), 227 (229 f.). A. A. aber Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 286 Teil B Rn. 25. 57  58 



§ 6  Eingriff

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Im Ergebnis kann also festgehalten werden, dass alle im Rahmen von 28 USC § 1782(a) offenzulegenden nicht-öffentlichen Informationen vom Grundrecht auf Datenschutz des Beweisgegners umfasst sind.

B.  Beeinträchtigung des Schutzbereichs Nunmehr gilt es, festzustellen, ob die Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel in den vorstehend definierten grundrechtlichen Schutzbereich eingreift. Dabei sind die im Volkszählungsurteil63 vom BVerfG für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entwickelten Maßstäbe anzulegen, und zwar unabhängig davon, ob es sich beim Beweisgegner um eine natürlich oder um eine juristische Person handelt, und auch ohne Rücksicht auf die inhaltliche Qualität der in Rede stehenden Informationen.64 Die Ausübung des Grundrechts auf Datenschutz besteht u. a. darin, zu steuern, wer von den geschützten Informationen Kenntnis erlangt.65 Nimmt eine grundrechtsverpflichtete Stelle ohne bzw. gegen den Willen des Grundrechtsberechtigten Kenntnis von den in Rede stehenden Informationen, oder macht sie diese Dritten zugänglich, greift sie in dieses Recht ein.66 In diesem Fall kann der Grundrechtsberechtigte nämlich nicht selbst darüber bestimmen, wer Kenntnis von den geschützten Informationen erlangt.67 Gemessen an diesen Kriterien greift die Erhebung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel in das Grundrecht auf Datenschutz des Beweisgegners ein, soweit diese nicht-offenkundige Informationen enthalten. Durch die Beweisaufnahme werden die in den Beweismitteln enthaltenen Informationen gegen den Willen des Beweisgegners anderen Personen bekannt, nämlich erstens den Mitgliedern des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers, zweitens den Parteien des Rechtsstreits und deren Prozessbevollmächtigten68 sowie drittens ggf. anwesenden Zuhörern69. Der Beweisgegner kann infolge der Beweisaufnahme mithin nicht effektiv darüber bestimmen, wer Kenntnis von den in Rede stehenden Informationen erlangt.

63 

BVerfG NJW 1984, 419. Vgl. oben, § 6 A I. und II. Vgl. oben, § 6, A. III. 66  Vgl. statt aller Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1 Rn. 175. 67  Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1 Rn. 175. 68  Die Parteien haben ebenso wie ggf. vorhandene Nebenintervenienten gem. § 357 ZPO das Recht, der Beweisaufnahme beizuwohnen. 69  Die Beweisaufnahme findet grundsätzlich in der mündlichen Verhandlung statt, es gilt mithin der Öffentlichkeitsgrundsatz gem. § 169 S. 1 GVG, vgl. Zimmermann, in: MüKo-ZPO, § 169 GVG Rn. 15. Es hat also grundsätzlich (vgl. die Ausnahmen in §§ 361 ff. ZPO) jedermann das Recht, als Zuhörer der Beweisaufnahme beizuwohnen, vgl. Zimmermann, in: MüKo-ZPO, § 169 GVG Rn. 1. 64  65 

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

Eschenfeder meint demgegenüber, die Erhebung der Beweismittel im deutschen Prozess stelle keinen „neuerlichen Eingriff“ in die Grundrechte des Beweisgegners dar, weil der relevante Eingriff durch die Offenlegung der Beweismittel in den USA im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) „vollends abgeschlossen“ sei.70 Das kann nicht überzeugen. Die Erhebung der Beweismittel im deutschen Prozess bedeutet nicht lediglich einen „neuerlichen“ Eingriff. Als „ursprünglicher“ Grundrechtseingriff käme insofern nämlich nur das Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) in Betracht. Es liegt aber auf der Hand, dass die Grundrechte des deutschen Grundgesetzes in den USA nicht gelten.71 Dann kann dort aber auch kein Eingriff in die Grundrechte stattfinden. Richtigerweise handelt es sich bei der Erhebung der Beweismittel im deutschen Prozess also um den erstmaligen Grundrechtseingriff. Mithin kann der – im Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) eben nicht gegebene  – vorherige Grundrechtseingriff auch nicht „vollends abgeschlossen“ sein. Darüber hinaus erlangen im Rahmen der Beweisaufnahme durch das deutsche Gericht neben dem Beweisführer und dessen Prozessvertreter zusätzliche Personen Kenntnis vom Inhalt des Beweismittels. Außerdem muss das Gericht die erhobenen Beweismittel in den Entscheidungsgründen des Urteils erörtern. Da das Urteil und die Entscheidungsgründe öffentlich sind, können Dritte durch die Lektüre des Urteils auch nach Abschluss der Beweisaufnahme Kenntnis vom Inhalt der Beweismittel erlangen.72 Das Grundrecht auf Datenschutz garantiert aber bezüglich jeder Person die Möglichkeit, steuern zu können, ob diese von den geschützten Informationen Kenntnis erlangt. Der grundrechtliche Schutz der Information endet nicht mit der Kenntniserlangung durch (irgend-)eine Person, wie z. B. den Beweisführer. Der Schutz bleibt vielmehr erhalten, und jede zusätzliche Kenntniserlangung stellt einen eigenständigen Eingriff in die Grundrechte des Beweisgegners dar.73 Darüber hinaus greift auch die kognitive Einbeziehung grundrechtlich geschützter Informationen in staatliche Entscheidungs- und Handlungsvorgänge in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ein.74 70  71 

Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 207. Das GG bindet nur die deutsche staatliche Gewalt und sein räumlicher Geltungsbereich ist auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt, Sachs, in: Sachs GG, Einführung Rn. 28 f. 72 Aus diesem Grund wäre auch bei Durchführung einer nicht-öffentlichen Beweisaufnahme ein Eingriff in die Grundrechte des Beweisgegners gegeben, vgl. Habscheid, ZZP 96 (1983), 306 (321). Vgl. zu beweisrechtlichen Geheimverfahren auch unten, § 7 B. IV. 4. 73  In diesem Sinne für den Fall der Vernehmung eines zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen Habscheid, ZZP 96 (1983), 306 (321). Vgl. auch nochmals die Ausführungen zum Schutzbereich des Grundrechts auf Datenschutz oben, § 6 A. 74  In diesem Sinne bezogen auf rechtswidrig erlangte Beweismittel BVerfG NJW 2002, 3619; Heinemann, MDR 2001, 137 (138); Gamp, ZZP 96 (1983), 115; Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 297 ff.; Muthorst, Das Beweisverbot, S. 155 ff.;



§ 7  Rechtfertigung

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Di Fabio nennt die staatliche Verwertung von Bildern zur Sachverhalts­aufklärung sogar einen „klassischen Eingriff“75 in das allgemeine Persönlichkeits­recht. Neben der Erhebung des Beweismittels bewirkt also auch seine ­Verwertung einen eigenständigen Eingriff in die Grundrechte des Beweisgegners.

C. Zwischenergebnis Soweit nicht-offenkundige Informationen des Beweisgegners betroffen sind, stellen die Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel durch ein deutsches Gericht stets einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in dessen Grundrecht auf Datenschutz dar.

§ 7  Rechtfertigung Ist ein Grundrechtseingriff gegeben, so stellt sich die Frage nach seiner Rechtfertigung. Die Rechtfertigung eines Eingriffs in das Grundrecht auf Datenschutz richtet sich nach den Maßstäben, die das BVerfG im Volkszählungsurteil76 für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entwickelt hat.77 Danach ist das Grundrecht auf Datenschutz nicht schrankenlos gewährleistet. Sein Schutz darf aber „nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weitergehen, als zum Schutz öffentlicher Interessen unerläßlich ist.“78 Die Rechtfertigung eines Eingriffs ist mithin an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich erstens das Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage (A.) und zweitens die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (B.).

A.  Gesetzliche Grundlage des Eingriffs Die gesetzliche Grundlage der Erhebung und Verwertung von Beweismitteln liegt allgemein in den Vorschriften über die Beweisaufnahme (§§ 355 ff. ZPO) und die freie richterliche Beweiswürdigung (§ 286 ZPO).79 Aufgrund dieser Vorschriften können auch solche Beweismittel erhoben bzw. verwertet werden, Reinecke, NZA 1989, 577 (581); Schreiber, ZZP 122 (2009), 227 (229 f.); Stürner, Aufklärungspflicht, S. 214 ff.; Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 108. 75  Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1 Rn. 198. 76  BVerfGE 65, 1. 77  Vgl. oben, § 6 A. 78  BVerfG NJW 1991, 2129 (2132). 79  BVerfG NJW 2002, 3619 (3624), unter Bezugnahme speziell auf die Vorschriften zur Zeugenvernehmung (§§ 373 ff. ZPO).

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

die durch ausländische Beweisverfahren erlangt wurden.80 Auch gem. 28 USC § 1782(a) in den USA erlangte Beweismittel können auf dieser Rechtsgrundlage erhoben bzw. verwertet werden.81

I.  Erhebung und Verwertung gem. §§ 355 ff. ZPO und § 286 ZPO Eine Beweisaufnahme gem. §§ 355 ff. ZPO muss dem Unmittelbarkeitsgrundsatz gem. § 355 Abs. 1 S. 1 ZPO genügen.82 Danach haben die erkennenden Richter die Erhebung der Beweismittel selbst durchzuführen,83 und dürfen sich bei der Urteilsfindung im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO nur auf solche Beweismittel beziehen, die sie selbst erhoben haben.84 Dementsprechend können in den USA erlangte Beweismittel vom deutschen Gericht nicht ohne weiteres bei der Urteilsfindung zugrunde gelegt werden. Vielmehr ist erforderlich, dass das deutsche Gericht die in Rede stehenden Beweismittel selbst erhebt. So könnte z. B. die von einem Zeugen im Rahmen der discovery getätigte Zeugenaussage nicht als Zeugenbeweis verwertet werden, weil die Aussage nicht vor dem erkennenden (deutschen) Gericht, sondern in den USA stattgefunden hat. Der Inhalt der Aussage kann dem Gericht mithin nur im Wege des Urkundenbeweises durch Vorlegung des Vernehmungsprotokolls zur Kenntnis gebracht werden.85

II.  Keine Verwertung gem. § 493 ZPO Rollin meint, gem. 28 USC § 1782(a) erlangte Beweismittel könnten darüber hinaus gem. § 493 ZPO ohne eigene Beweiserhebung des deutschen Gerichts verwertet werden.86 Der Unmittelbarkeitsgrundsatz gem. § 355 Abs. 1 S. 1 ZPO kennt verschiedene Ausnahmen.87 Eine dieser Ausnahmen regelt § 493 Abs. 1 ZPO.88 Danach ist die Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren der Beweiserhe80  Berger, in: Stein/Jonas23, § 493 Rn. 8; Schreiber, in: MüKo-ZPO, § 493 Rn. 2; Ahrens, FS Schütze, S. 1 (13); Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 256 ff.; Geimer, IZPR, Rn. 2541; Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 127. 81  Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 256 ff.; Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 127. 82  Vgl. dazu Berger, in: Stein/Jonas23, § 355 Rn. 1 ff. 83  Berger, in: Stein/Jonas23, § 355 Rn. 9; Reichold, in: Thomas/Putzo, § 355, Rn. 1. 84  Heinrich, in: MüKo-ZPO, § 355 Rn. 1 ff. 85  Berger, in: Stein/Jonas23, § 493 Rn. 8; Ahrens, FS Schütze, S. 1 (13); Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 159; Geimer, IZPR, Rn. 2541; Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 127. 86  Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 124 ff. 87  Berger, in: Stein/Jonas23, § 355 Rn. 13 ff.; Heinrich, in: MüKo-ZPO, § 355 Rn. 1; Reichold, in: Thomas/Putzo, § 355 Rn. 2 ff. 88  Berger, in: Stein/Jonas23, § 355 Rn. 25.



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bung durch das Prozessgericht gleichgestellt.89 Das Gericht der Hauptsache kann die Beweisergebnisse des selbständigen Beweisverfahrens so verwerten, als hätte es die Beweise selbst erhoben,90 d. h. je nach Natur des in Rede stehenden Beweismittels handelt es sich um Augenschein, Zeugen- oder Sachverständigenbeweis.91 Das Beweisergebnis tragen die Parteien dem Gericht zu diesem Zweck gem. § 285 Abs. 2 ZPO vor.92 Bei Anwendung von § 493 ZPO könnte das deutsche Gericht gem. 28 USC § 1782(a) erlangte Beweismittel mithin ohne eigene Beweiserhebung unmittelbar verwerten.

1.  Keine direkte Anwendung von § 493 ZPO Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift auf das Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) scheidet aus. Das folgt aus dem systematischen Zusammenhang von § 493 ZPO mit §§ 485 ff. ZPO. Dieser lässt erkennen, dass „selbständige Beweiserhebungen“ im Sinne von § 493 ZPO nur solche im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens gem. §§ 485 ff. ZPO sind.93

2.  Keine analoge Anwendung von § 493 ZPO Rollin meint aber, § 493 ZPO könne auf die gem. 28 USC § 1782(a) erlangten Beweismittel analog angewendet werden.94 Das kann nicht überzeugen. Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung der Vorschrift liegen nicht vor. Zwar ist die erforderliche Regelungslücke gegeben. Denn die ZPO enthält keine Regelung zur Verwertung der Ergebnisse ausländischer Beweisverfahren.95 Geht die Beweiserhebung gem. 28 USC § 1782(a) aber auf den Antrag einer interested person zurück, so fehlt es an der für die Analogie erforderlichen vergleichbaren Interessenlage:96 Bzgl. des selbständigen Beweisverfahrens gem. §§ 485 ff. ZPO ist die in § 493 ZPO begründete Ausnahme vom Unmittelbarkeitsgrundsatz deshalb hinzunehmen, weil auch die Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren den Regeln der ZPO unterliegt. Sie gehorcht also nach Form und Umfang denselben Maßstäben wie das Hauptsacheverfahren. Das ist bei der Beweiserlangung gem. 28 USC 89 

Berger, in: Stein/Jonas23, § 493 Rn. 1. Herget, in: Zöller, § 493 Rn. 1. 91  Berger, in: Stein/Jonas23, § 355 Rn. 25. 92  Berger, in: Stein/Jonas23, § 493 Rn. 1. 93  Das anerkennen auch Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 235 ff. und Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 124. 94  Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 126. 95  Berger, in: Stein/Jonas23, § 493 Rn. 8. 96  Geht die Beweiserhebung im Ausland hingegen auf ein im deutschen selbstständigen Beweisverfahren gestelltes Rechtshilfeersuchen zurück, steht der Anwendung von § 493 ZPO nichts entgegen, Berger, in: Stein/Jonas23, § 493 Rn. 11. Diese Konstellation ist aber nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, vgl. oben, § 1. 90 

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

§ 1782(a) aufgrund des Antrages einer interested person nicht der Fall. Die discovery kann sich in diesem Rahmen auf Umstände erstrecken, über die nach deutschem Recht Beweis nicht hätte erhoben werden dürfen. Die von § 493 ZPO vorausgesetzte Identität der Modalitäten der Beweiserhebung innerhalb und außerhalb des Hauptsacheverfahrens ist dann nicht gegeben. Aus den gleichen Gründen lehnt die wohl überwiegende Zahl der Stimmen in Rechtsprechung und Schrifttum eine analoge Anwendung von § 493 ZPO auf ausländische Beweisverfahren insgesamt ab.97 Das überzeugt: Die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme stellt mit Blick auf die Qualität der Rechtspflege einen der „wichtigsten Beweisgrundsätze überhaupt“ dar.98 Ausnahmen von diesem Grundsatz sind daher eng auszulegen.99 § 493 ZPO kann im Ergebnis auch nicht analog auf gem. 28 USC § 1782(a) erlangte Beweismittel angewendet werden.100

III. Zusammenfassung Im Ergebnis kommen als gesetzliche Grundlage für Erhebung und Verwertung der gem. 28 USC § 1782(a) in den USA erlangten Beweismittel nur §§ 355 ff. ZPO und § 286 ZPO in Betracht.

B. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Wie jede Grundrechtseinschränkung ist auch der bei Erhebung und Verwertung eines Beweismittels gegebene Eingriff nur gerechtfertigt, wenn die Beschränkung des Grundrechts ihrerseits die „Schranken, die der Begrenzung von Grundrechten gezogen sind“, beachtet.101 Als „Schranken-Schranke“102 ist insofern stets der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (synonym: „Übermaßverbot“103) zu 97  OLG Köln NJW 1983, 2779 = IPRax 1984, 315; OLG Hamburg IPRax 2000, 530 = MDR 2000, 53 Rn. 6; Schreiber, in: MüKo-ZPO, § 493 Rn. 2 (will aber bei Vorliegen eines Rechtshilfeersuchens gem. § 363 ZPO die Anwendung zulassen); Hartmann, in: Baumbach/ Lauterbach, § 493 Rn. 2; Reichold, in: Thomas/Putzo, § 493 Rn. 1; Huber, in: Musielak/Voit, § 493 Rn. 2; Ahrens, FS Schütze, S. 1 (13); Försterling, IPRax 2000, 499 (500); Geimer, IZPR, Rn. 2541; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rn. 334 f.; Spickhoff, IPRax 2001, 37 (40 f.); Weise, Praxis des selbständigen Beweisverfahrens, Rn. 541, 575; ders., Selbstständiges Beweisverfahren im Baurecht, Rn. 604. A. A. aber Stürner, IPRax 1984, 299 (301). 98  Berger, in: Stein/Jonas23, § 355 Rn. 7. 99  Vgl. aber zu methodischen Bedenken an der Auslegungsregel singularia non sunt extendenda unten, § 7 B. IV. 5.b)ee)(2)(a)(ee). 100  In diesem Sinne auch Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 256 ff. 101  Stern, in: Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, III/1, § 83 I 7, S. 762 ff. 102  Vgl. zum Begriff Stern, in: Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, III/1, § 83 I 7, S. 711. 103  Vgl. zur Terminologie Stern, in: Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, III/1, § 83 I 7, S. 762 f.



§ 7  Rechtfertigung

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beachten.104 Das ergibt sich „aus dem Rechtsstaatsprinzip, im Grunde bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist“.105 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt, „dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist.“106 Das gilt es im Folgenden zu klären.

I.  Legitimer Zweck Der mit der Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel verfolgte Zweck ist legitim, weil der Beweisführer einen grundrechtlichen Anspruch darauf hat, seine Tatsachenbehauptungen vor Gericht unter Beweis zu stellen. In Rede steht insofern das sog. „Recht auf (den) Beweis“. Der Begriff wurde in der deutschen Zivilprozesswissenschaft maßgeblich von Habscheid geprägt.107 Historisch gesehen lassen sich rechtliche Garantien der Beweismöglichkeiten aber bis zum Codex Justitianus zurückverfolgen.108 Auch in anderen europäischen Rechtsordnungen finden sich vergleichbare Ansätze.109 Das Recht auf Beweis ist eine notwendige Folge des Gewaltmonopols des Staates.110 Der mit dem Gewaltmonopol ausgestattete Staat schuldet es den zum Gewaltverzicht verpflichteten Bürgern, ihre subjektiven Rechte effektiv durchzusetzen.111 Effektive Rechtsdurchsetzung erfordert, dass das zur Rechtsdurchsetzung berufene staatliche Organ die dem Streitverhältnis zugrundeliegenden Tatsachen feststellt.112 Das Recht auf Beweis dient dieser „Abklärung der tat-

104  105 

Stern, in: Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, III/1, § 83 I 7, S. 764 f. BVerfGE 19, 342 (348 f.). 106  BVerfGE 120, 274 (318 f.) m. w. N. In diesem Sinne auch Stern, in: Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, III/1, § 84 II 1, S. 775. 107  Habscheid, ZZP 96 (1983), 306. 108  Habscheid, SJZ 1984, 381 (387), unter Verweis auf Cod. Just. 1, 5, 21 § 3: Die Möglichkeit, etwas zu beweisen, darf nicht eingeschränkt werden (lat. „Facultas probationum non est angustanda.“, Übersetzung von Liebs, Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, S. 82). Zur geschichtlichen Entwicklung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im All­ gemeinen vgl. den Überblick bei Kolb, Das rechtliche Gehör als verfassungsmässiges Recht, S. 1 ff. 109  Vgl. den rechtsvergleichenden Überblick unter Bezugnahme auf Frankreich, Italien und die Schweiz bei Diakonis, Grundfragen der Beweiserhebung von Amts wegen im Zivilprozess, S. 46 ff. 110  Habscheid, ZZP 96 (1983), 306 (306 ff.). 111  Es handelt sich um den Justizgewährungsanspruch des Bürgers gegen den Staat, vgl. dazu allgemein Rauscher, in: MüKo-ZPO, Einl. Rn. 18 f. m. w. N. 112  Habscheid, ZZP 96 (1983), 306 (306 ff.); Stürner, Aufklärungspflicht, S. 31 ff.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

sächlichen Grundlage der Entscheidung“113. Da die Gerichte die Tatsachenfeststellung auf dem Wege des Beweises betreiben, haben die Bürger ein Recht auf Beweis ihrer Tatsachenbehauptungen114: „Zur aggressiven Komponente des Äußerungsrechts gehört nicht nur die Möglichkeit, Tatsachenbehauptungen aufzustellen, sondern auch, Beweise dafür anzubieten. Die Aufstellung von Behauptungen allein bringt der Partei nämlich keinen Vorteil. Ohne das Beweisantragsrecht wäre das Äußerungsrecht sinn- und zwecklos.“115 Die Existenz des Rechts auf Beweis als subjektives (Grund-)Recht von Verfassungsrang ist mittlerweile allgemein anerkannt.116 Noch nicht abschließend geklärt ist aber die genaue normative Lozierung dieses Rechts im Grundgesetz.117 Verwiesen wird in diesem Zusammenhang u. a. auf das Rechtsstaatsprinzip i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG,118 auf das Rechtsstaatsprinzip i. V. m. den jeweils betroffenen materiellen Grundrechten,119 auf das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG),120 auf das Rechtsstaatsprinzip i. V. m. dem Recht auf rechtliches Gehör,121 oder auch auf Art. 19 Abs. 4 GG122. Verkompliziert wird die Frage dadurch, dass das Recht auf Beweis teilweise als Ausfluss des Justizgewährungsanspruchs verstanden wird, dessen normative Grundlage ihrerseits ebenfalls umstritten ist.123 Die genaue normative Ableitung des Rechts auf Beweis und des Justizgewährungsanspruchs sind für die vorliegende Untersuchung aber ohne Belang. Der 113 BVerfGE 55, 1 (5 f.), allerdings bezogen auf das Verwaltungsprozessrecht und mit Blick auf „das Recht auf rechtliches Gehör“. 114  Habscheid, ZZP 96 (1983), 306 (307 f.). 115  Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, Rn. 72, Nachweise weggelassen, Hervorhebung hinzugefügt. 116  Vgl. BVerfGE 84, 82 (84), aus der Literatur statt aller Habscheid, ZZP 96 (1983), 306; Diakonis, Grundfragen der Beweiserhebung von Amts wegen im Zivilprozess, S. 49; Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 58. 117 Vgl. den Meinungsstand bei Diakonis, Grundfragen der Beweiserhebung von Amts wegen im Zivilprozess, S. 45 ff. 118  BVerfGE 85, 337 = NJW 1992, 673; BVerfGE 88, 118 = NJW 1993, 1635; BVerfGE 93, 117 = NJW 1995, 3173. 119  Kwaschik, Die Parteivernehmung und der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozess, S. 34; Wagner, FS Leipold, S. 801 (811); ders., Prozeßverträge, S. 407 f., spricht insofern vom „Rechtsschutzinteresse der Prozesspartei“ und verortet dies ebenso im Rechtsstaatsprinzip i. V. m. den materiellen Grundrechten. 120  BVerfG NJW 2002, 3619 (3624) verortet die verfassungsrechtliche Garantie der Möglichkeit der Beweisführung hier, ohne ausdrücklich von einem „Recht auf den Beweis“ zu sprechen. In diesem Sinne auch Habscheid, ZZP 96 (1983), 306 (307); Schlewing, NZA 2004, 1071 (1072); Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, Rn. 72. 121  Remmert, in: Maunz/Dürig, Art. 103 Abs. 1 Rn. 4; Dzida/Grau, NZA 2010, 1201 (1202). 122  Roth, in: Recht der Persönlichkeit, S. 279 (284). Für Art. 19 Abs. 4 GG als Grundlage des Anspruchs auf zivilgerichtliche Rechtsschutzgewährung Bötticher, ZZP 74 (1961), 314 (317); ders., ZZP 75 (1962), 28 (43 f.). 123  Vgl. zum Streitstand bezüglich des Justizgewährungsanspruchs Diakonis, Grundfragen der Beweiserhebung von Amts wegen im Zivilprozess, S. 68 ff.



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Inhalt des Rechts auf Beweis ist davon nämlich unabhängig. Ein zivilprozessuales Gehörsrecht war bereits vorkonstitutionell anerkannt. Der Verfassungsgeber bezweckte erklärtermaßen mit der verfassungsrechtlichen Verankerung dieses Rechts keine inhaltliche Änderung desselben, sondern wollte diesem lediglich Verfassungsrang verleihen.124 Wenn aber der Verfassungsgeber das als bestehend anerkannte Gehörsrecht lediglich deklaratorisch kodifiziert hat, dann können aus seiner genauen Lozierung und Formulierung keine Rückschlüsse auf seinen Inhalt und Umfang gezogen werden. Auf eine genaue Lozierung des Rechts auf Beweis wird vorliegend aus diesem Grund verzichtet.125

II. Geeignetheit Weiterhin müssen die Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel geeignet sein, den soeben identifizierten Zweck zu erreichen. Das Kriterium der Geeignetheit versteht das BVerfG in ständiger Rechtsprechung folgendermaßen: „Ein Mittel ist […] dann im verfassungsrechtlichen Sinne [zur Zweckerreichung] geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt.“126 Diesen Anforderungen genügen die Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel. Das Recht auf Beweis verbürgt einen Anspruch gegen den Staat auf gerichtliche Erhebung und Verwertung vom Beweisführer angebotener Beweismittel. Die Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel ist damit nicht bloß geeignet, die Verwirklichung des Rechts auf Beweis zu fördern, sondern stellt die unmittelbare Erfüllung des in Rede stehenden Anspruchs dar. Der Eingriff ist mithin jedenfalls geeignet im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

III. Erforderlichkeit Der Eingriff muss weiterhin zur Erreichung des verfolgten Zwecks erforderlich sein. Das ist der Fall, wenn „nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das 124 Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, S. 94: „Der Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht […] ist für den Rechtsstaat an sich selbstverständlich. Aber angesichts der Vorkommnisse in der jüngsten Vergangenheit erscheint es dem Ausschuß angebracht, beide Rechte unter den besonderen Schutz des Grundgesetzes zu stellen.“ Vgl. dazu auch Schwartz, Gewährung und Gewährleistung des rechtlichen Gehörs durch einzelne Vorschriften der Zivilprozessordnung, S. 11. 125  Eine genaue Bestimmung der normativen Grundlage ist für die vorliegende Untersuchung auch mit Blick auf die Schranken des Rechts auf Beweis entbehrlich, weil bzgl. der Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel stets die praktische Konkordanz mit dem Grundrecht auf Datenschutz des Beweisgegners zu bilden ist, vgl. oben, § 6 A. 126  BVerfGE 115, 276 (308) unter Verweis auf BVerfGE 63, 88 (115); 67, 157 (175); 96, 10; 103, 293 (307).

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes [d. h. milderes] Mittel“ zur Verfügung steht.127

1.  Subsidiarität gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel Ein milderes Mittel zur Verwirklichung des Rechts auf Beweis steht potenziell zur Verfügung, wenn der Beweisführer neben den gem. 28 USC § 1782(a) erlangten Beweismitteln zusätzlich über Beweismittel verfügt, deren Erhebung und Verwertung nicht in die Grundrechte des Beweisgegners eingreift. Kann der Beweisführer den angestrebten Beweis mithilfe dieser Beweismittel führen, so ist sein Recht auf Beweis bereits dadurch effektiv durchgesetzt. Die Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel ist dann nicht erforderlich. Daraus folgt eine Subsidiarität der Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel. Bietet der Beweisführer neben gem. 28 USC § 1782(a) erlangten Beweismitteln andere Beweismittel an, so hat das Gericht diese vorrangig zu würdigen. Die gem. 28 USC § 1782(a) erlangten Beweismittel dürfen nur dann erhoben und verwertet werden, wenn die anderen Beweismittel nicht ausreichen, um das Gericht von der Wahrheit der in Rede stehenden Tatsachenbehauptung zu überzeugen.128

2. Kritik Astrid Stadler hat in anderem Zusammenhang Überlegungen zur subsidiären Erhebung von Beweismitteln in dreifacher Hinsicht kritisiert:129 Erstens sei die Subsidiarität nur theoretisch. Aufgrund der engen Begrenzung amtswegiger Beweisaufnahme könne das Gericht nämlich nur auf die von den Parteien angebotenen Beweismittel zurückgreifen.130 Zweitens verstoße die Subsidiarität gegen das Recht auf Beweis des Beweisführers.131 Schließlich sei die Subsidiarität unvereinbar mit der gem. § 445 Abs. 1 ZPO angeordneten Nachrangigkeit der Parteivernehmung des Gegners. Diese stelle nämlich stets das mit dem geringsten Eingriff verbundene Beweismittel dar und wäre daher anderen Beweismitteln gegenüber stets vorrangig. Damit werde die von § 445 Abs. 1 ZPO angeordnete Nachrangigkeit unzulässig in ihr Gegenteil verkehrt.132 127  BVerfGE 30, 292 (316). 128 Ähnlich Berger, in: Stein/Jonas23,

§ 371 Rn. 41: Beweismittel, deren Erhebung mit einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Beweisgegners einhergeht, sind nur subsidiär zu erheben und verwerten. Für Subsidiarität von Beweismitteln, deren Erhebung im Patentverletzungs-prozess in Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Beweisgegners eingreift Grabinski/Zülch, in: Benkard PatG, § 139 PatG Rn. 123. 129  Stadler, Schutz des Unternehmensgeheimnisses, S. 217 f. 130  Stadler, Schutz des Unternehmensgeheimnisses, S. 218. 131  Stadler, Schutz des Unternehmensgeheimnisses, S. 217 f. 132  Stadler, Schutz des Unternehmensgeheimnisses, S. 218 f.



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Das kann jedenfalls bezogen auf gem. 28 USC § 1782(a) erlangte Beweismittel nicht überzeugen. Zwar ist zuzugeben, dass sich die Subsidiarität nur auswirkt, wenn der Beweisführer zusätzliche Beweismittel anbietet, die ihrerseits keine grundrechtlich geschützten Informationen berühren. Damit sind aber lediglich die Bedingungen der Subsidiarität benannt; eine Aussage über ihre Richtigkeit lässt sich daraus nicht ableiten.133 Auch das Recht auf Beweis ist kein taugliches Argument gegen die Subsidiarität. Die Subsidiarität führt nicht zum Ausschluss eines Beweismittels von der gerichtlichen Würdigung, sondern macht diese lediglich davon abhängig, dass anderweitige Beweismittel zuvor ausgeschöpft werden. Die Subsidiarität bedeutet also keinen Eingriff in das Recht auf Beweis, sondern begründet allenfalls eine zeitliche Verzögerung seiner Verwirklichung.134 Auch der Hinweis auf die Subsidiarität der Parteivernehmung geht fehl. Zwar stünde die Parteivernehmung des Gegners theoretisch stets als Beweismittel zur Verfügung. Das widerspricht aber nicht den Wertungen von § 445 Abs. 1 ZPO. Die Subsidiarität der Parteivernehmung des Gegners ist kein Selbstzweck. Die Regelung in § 445 Abs. 1 ZPO dient in erster Linie dem Schutz des Beweisgegners. Dieser ist im Rahmen seiner Aussage nämlich gem. § 446 ZPO dazu verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Er läuft damit Gefahr, auch solche Dinge wiedergeben zu müssen, die seinem eigenen Rechtsschutzbegehren abträglich sind. Diesem Interessenkonflikt soll der Beweisgegner nur im Notfall ausgesetzt werden.135 Die Subsidiarität gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel dient ebenfalls dem Schutz des Beweisgegners, nämlich vor einem Eingriff in sein grundrechtliches Recht auf Datenschutz. Es kann mithin keine Rede davon sein, dass die Subsidiarität der Parteivernehmung in ihr Gegenteil verkehrt würde; vielmehr wird dem Schutz des Beweisgegners nur ein weiteres Instrument zur Verfügung gestellt.136 Darüber hinaus kann der Beweisgegner, der die Parteivernehmung scheut und sich deshalb auf die Subsidiarität derselben gem. § 445 Abs. 1 ZPO berufen will, dies stets tun; er muss zu diesem Zweck nur auf den Schutz der durch die anderen Beweismittel betroffenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verzichten.137 Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem (vermeintlich) geringeren Beweiswert der Parteivernehmung. Insofern geht es nämlich um den Schutz des Be133 

Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 303. diesem Sinne auch Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 302 f. 135  Schreiber, in: MüKo-ZPO, § 445 Rn. 6; Greger, in: Zöller, vor § 445 Rn. 5. 136  In diesem Sinne bezogen auf Beweismittel, deren Erhebung mit einem Eingriff in die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Beweisgegners einhergeht, Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 307. 137  Die Verzichtbarkeit des Grundrechts auf Datenschutz unterliegt keinen Zweifeln. Dieses schützt die Verfügungsgewalt des Grundrechtsberechtigten über die vom Grundrecht umfassten Informationen, vgl. dazu oben § 6. 134  In

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

weisführers vor einer unwahren Aussage des Beweisgegners.138 Hat der Beweisführer Sorgen wegen der Zuverlässigkeit der Aussage des Beweisgegners, so wird er die Parteivernehmung nicht als Beweismittel anbieten. Bietet er aber die Parteivernehmung nicht als Beweismittel an, kommt die Subsidiarität gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel ohnehin nicht zum Tragen.

3. Zwischenergebnis Die Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel ist nur dann im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich, wenn der in Rede stehende Beweis nicht mit Beweismitteln geführt werden kann, deren Erhebung bzw. Verwertung nicht mit einem Eingriff in die Grundrechte des Beweisgegners verbunden ist. Liegen solche Beweismittel vor, hat das Gericht zunächst diese (sowie ggf. angebotene Gegenbeweismittel) zu erheben. Nur sofern das Gericht nach Würdigung dieser Beweismittel nicht von der Wahrheit der Tatsachenbehauptung des Beweisführers überzeugt ist, dürfen gem. 28 USC § 1782(a) erlangte Beweismittel erhoben und verwertet werden. Rechtsgrundlage der subsidiären Heranziehung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel ist die gerichtliche Befugnis zur materiellen Prozessleitung gem. § 139 ZPO und der daraus erwachsende Ermessensspielraum.139

IV. Angemessenheit Schließlich müsste der Eingriff in Form der Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel auch angemessen sein. Das ist der Fall, wenn Zweck und Mittel der Grundrechtsbeeinträchtigung zueinander nicht außer Verhältnis stehen.140 Mit anderen Worten muss „das Maß der den Einzelnen […] treffenden Belastung noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen“ stehen.141 Die vorliegend untersuchte Konstellation ist dabei insofern besonders, als dass sich hier nicht auf der einen Seite private Grundrechte und auf der anderen Seite Allgemeingüter gegenüberstehen. Vielmehr geht es um die Kollision der widerstreitenden Grundrechte zweier Privater: Auf der einen Seite steht das Recht auf Beweis des Beweisführers, dessen Durchsetzung die Erhebung und Verwertung des in Rede stehenden Beweismittels erfordert. Auf der anderen Seite stehen die Grundrechte des Beweisgegners, bezüglich derer dieselben Verfahrensakte einen Eingriff darstellen. 138 

Habscheid, ZZP 96 (1983), 306 (327). aber auch Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 309 ff. mit Überlegungen zu anderen möglichen Rechtsgrundlagen. 140  St. Rspr., vgl. nur BVerfGE 50, 217 (227); 80, 103 (107); 99, 202 (212 f.). Das BVerfG spricht insofern anstelle nicht von der Angemessenheit des Eingriffs, sondern von der „Verhältnismäßigkeit (im engeren Sinn)“. 141  BVerfGE 76, 1 (51). 139  Vgl.



§ 7  Rechtfertigung

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1.  Bildung der praktischen Konkordanz der widerstreitenden Grundrechte Eine abstrakt-allgemeine Auflösung dieses Konflikts ist nicht möglich. Zwischen den Grundrechten besteht kein abstraktes Hierarchieverhältnis.142 Die Verfassung bildet ebenso wie die von ihr aufgerichtete Werteordnung eine Einheit.143 Daraus folgt, dass alle Grundrechte (mit der möglichen Ausnahme der Garantie der Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 GG144) den gleichen rechtlichen Rang genießen.145 Sie stellen insofern „konkretisierungsoffene und konkretisierungsbedürftige Verfassungspositionen“ dar, deren exakter Schutzgehalt nur abhängig von anderen Verfassungspositionen und in Ansehung einer konkreten Kollisionssituation ermittelt werden kann.146 Die Einheit der Verfassung schließt also aus, dass sich eines der widerstreitenden Rechte vollkommen auf Kosten des anderen Rechts entfaltet, die Rechte sind vielmehr in einen „möglichst schonenden Ausgleich“147 zu bringen. Es gilt, „kollidierende Grundrechtspositionen […] in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und […] so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden“.148 Dieser Vorgang wird gemeinhin mit dem von Konrad Hesse geprägten149 Begriff der Bildung der praktischen Konkordanz der kollidierenden Grundrechte bezeichnet.150 142  Sachs, JuS 1995, 984 (988); Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 114. 143 Grundlegend Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 20, 71. In diesem Sinne auch Schladebach, Der Staat 2014, 263 (268); Stern, in: Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, III/1, § 84 IV 4. 144  In diesem Sinne Sachs, JuS 1995, 984 (988), unter Verweis auf BVerfGE 75, 369 (380), wonach dem „durch Art. 1 I GG geschützten Kern menschlicher Ehre“ unbedingter Vorrang gegenüber Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG zukommt. 145  Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 114. 146  Schladebach, Der Staat 2014, 263 (269). 147  So zuerst Lerche, Übermass und Verfassungsrecht: zur Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und der Erforderlichkeit, S. 153. 148  BVerfGE 134, 204 (223, st. Rspr. seit BVerfGE 28, 243 (261); 41, 29 (51); 52, 223 (247); 77, 240 (253); 81, 278 (292); 83, 130 (143); 89, 214 (232); 97, 169 (176); 129, 78 (101 f.). 149  Vgl. ausführlich zur historischen Entwicklung und neuen Perspektiven des Prinzips der praktischen Konkordanz Schladebach, Der Staat 2014, 263. 150  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 317 ff.; Stern, in: Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, III/1, § 82 II 4, S. 625. Zwar wird dieses Prinzip in der Rechtsprechung des BVerfG nur zur Beschränkung von ihrem Wortlaut nach unbeschränkt formulierten Grundrechten verwendet, Schladebach, Der Staat 2014, 263 (270). Die besseren Gründe sprechen aber dafür, auch bei der Beschränkung von Grundrechten, die mit einem Schrankenvorbehalt ausgestattet sind, offen die Anwendung der Technik der Bildung der praktischen Konkordanz anzuerkennen, vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland Rn. 317. Jedenfalls handelt es sich nur um eine terminologische Frage, in der Sache löst auch das BVerfG die Kollision der hier in Rede stehenden Grundrechte durch ausgleichende Abwägung auf, vgl. BVerfG NJW 2002, 3619 (3624).

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

Inhaltlich beschreibt Hesse die Methode der Bildung praktischer Konkordanz folgendermaßen: „Wo Kollisionen entstehen, darf nicht in vorschneller ‚Güterabwägung‘ oder gar abstrakter ‚Wertabwägung‘ [ein verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut] auf Kosten des anderen realisiert werden. Vielmehr stellt das Prinzip der Einheit der Verfassung die Aufgabe einer Optimierung: beiden Gütern müssen Grenzen gezogen werden, damit beide zu optimaler Wirksamkeit gelangen können.“151 Das gilt auch für Kollisionen verschiedener Rechtsgüter von Verfassungsrang im besonderen Zusammenhang des Zivilprozesses.152

2.  Kritik an der Methode der Bildung praktischer Konkordanz Die Methode der Bildung praktischer Konkordanz wird aber mitunter vehement kritisiert.153 Der zentrale Einwand lautet, praktische Konkordanz stelle in Wahrheit lediglich eine „Verhüllungsformel für richterlichen bzw. interpretatorischen Dezisionismus“ dar154 und drohe, den „parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat“ werden zu lassen.155 Diese Kritik fußt auf der von der Schmitt-Schule insgesamt formulierten Angst vor einer Verschiebung der Entscheidungsgewalt hin zur Judikative.156 Dem ist zuzugeben, dass die Bildung praktischer Konkordanz eine vom Rechtsanwender vorzunehmende Abwägung beschreibt. Diese ist (wie jede Abwägung) zu einem gewissen Grad von den subjektiven Vorstellungen des Abwägenden geprägt und rational-juristischer Kontrolle insofern nur eingeschränkt zugänglich.157 Damit verschiebt sich die Aufgabe der Gerichte als 151  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 72, Hervorhebung im Original, Nachweise weggelassen. 152 In diesem Sinne BVerfG NJW 2002, 3619 (3624); BVerfGE 115, 205 (230). Vgl. aus dem Schrifttum statt aller Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 139 ff.; Wagner, ZZP 108 (1995), 193 (213) (bezogen auf den Geheimnisschutz im Zivilprozess) und Morgenroth, NZA 2014, 408; Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, passim (bezogen auf die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel). 153  Vgl. in jüngster Zeit v. a. Fischer-Lescano, Kritische Justiz 2008, 166. Vgl. auch die Kritik aus der Perspektive der ökonomischen Analyse des Rechts bei Hofmann, Abwägung im Recht, passim und insb. S. 377, der die Grenzen „natürlich-sprachlicher“ Abwägung verschiedener Rechtsgüter aufzeigt und für Abwägung mithilfe eines numerischen Systems plädiert. 154  Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1534). 155  Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 (25 ff.) und wortgleich ders., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 402. 156  Vgl. insbesondere Forsthoff, in: Rechtsstaat im Wandel, S. 202; Schmitt, FS Forsthoff, S. 37. Bezogen auf die spezielle Methode der Bildung praktischer Konkordanz entspricht diese Kritik dem an früherer Stelle erörterten Einwand gegenüber verfassungsrechtlichen Ansätzen zur Bestimmung der Verwertbarkeit von Beweismitteln, nach denen diese die legitimatorischen Grenzen richterlicher Rechtsanwendung verletzten, vgl. oben, § 5 C. III.3. 157 Diese Schwäche der praktischen Konkordanz anerkennen auch Stern, FS 50 Jahre BVerfG, S. 1 (15) („[…] könnte grundrechtsdogmatisch noch verfeinert werden […]“) und



§ 7  Rechtfertigung

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Rechtsanwender tatsächlich in gewissem Maße in Richtung der Rechtsfortbildung bzw. Rechtsetzung. Gemessen am Prinzip der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 97 Abs. 1 GG) ist das nicht unproblematisch.158 Aufgrund des ebenfalls in der Verfassung verankerten Rechtsverweigerungsverbots sind die Gerichte aber auch bei Fehlen einfachgesetzlicher Regelungen verpflichtet, Rechtsschutz zu gewähren.159 Den Gerichten bleibt dann nichts Anderes übrig, als auf Grundlage des Verfassungsrechts zu entscheiden. Stellt die Verfassung widerstreitende Anforderungen, so muss das Gericht diese notwendig ausgleichen. Als Methode dieses Ausgleichs ist die Bildung praktischer Konkordanz bislang ohne Alternative geblieben.160

3.  Konsequenzen für die Bildung praktischer Konkordanz Die berechtigte Kritik kann durch eine angemessene inhaltliche Ausrichtung der Bildung praktischer Konkordanz weitgehend entschärft werden. Die richterliche Abwägung widerstreitender Grundrechte ist nämlich umso eher mit der Gewaltenteilung vereinbar, je enger sie an den Wertungsentscheidungen des objektiven Verfassungsrechts und des einfachen Rechts orientiert ist. In diesem Sinne hat der BGH feststellt, der Grundsatz der Gewaltenteilung wäre zwar „verletzt, wenn der Richter es unternähme oder angewiesen würde, kraft bloßer Willensentschlüsse rein nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten allgemeinverbindliches Recht zu erzeugen“.161 Gleichzeitig beharrt der BGH aber darauf, dass die Gewaltenteilung „die Bildung von Richterrecht dann nicht [ausschließt], wenn der Richter durch die Entfaltung allgemeiner ihm durch den Gesetzgeber, die Rechtsordnung oder die allgemeine Werteordnung vorgegebener und vollziehbarer Rechtssätze Recht findet.“162 Dieser Maßstab ist im Folgenden zu beachten. Die zu bildende praktische Konkordanz muss mithin sowohl das relevante Verfassungsrecht als auch die Wertungsentscheidungen des einfachen Rechts berücksichtigen.163 Schladebach, Der Staat 2014, 263 (279 ff.), der sie zum Zwecke der Steigerung der „Entscheidungsrationalität“ (S. 281) um die von Alexy entwickelte Gewichtsformel ergänzen will, vgl. dazu Alexy, GS Sonnenschein, S. 771. 158  Badura, in: Rechtsfortbildung durch die sozialgerichtliche Rechtsprechung, S. 40 (55 f.); Hirsch, JR 1966, 334 (339); Redeker, NJW 1972, 409 (413); Stickelbrock, Inhalt und Grenzen richterlichen Ermessens im Zivilprozeß, S. 281 f. 159  Vgl. zum Rechtsverweigerungsverbot oben, § 5 C. III.2. 160  Vgl. die Kritik an im Schrifttum vereinzelt formulierten abweichenden Ansätze bei Schladebach, Der Staat 2014, 263 (276 ff.). 161  Gutachten des I. Zivilsenats des BGH vom 6. September 1953, BGHZ 11, Anhang B, 34* (35*, 49 * ff.), Zitat bei S. 35*. 162  Gutachten des I. Zivilsenats des BGH vom 6. September 1953, BGHZ 11, Anhang B, 34* (35*, 49* ff.), Zitat bei 35*. 163  Eine entsprechende Konzeption des Rückgriffs auf einfaches Recht bei der Auslegung der Grundrechte hat bereits Majewski, Auslegung der Grundrechte durch einfaches Gesetzes-

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

4.  Beweisrechtliche Geheimverfahren Stehen die durch Erhebung und Verwertung von Beweismitteln betroffenen Grundrechte der Verfahrensparteien in Rede, so wird die praktische Konkordanz in Rechtsprechung und Schrifttum regelmäßig dahingehend gebildet, dass im Ergebnis das Beweismittel entweder voll verwertbar oder gänzlich von der Verwertung ausgeschlossen ist. Das ist gemessen an dem o. g. Ziel, beiden Grundrechten durch gegenseitige Grenzziehung jeweils zu optimaler Entfaltung zu verhelfen, problematisch. Eine binäre Entscheidung über die Verwertbarkeit von Beweismitteln verwirklicht nämlich stets nur dasjenige Grundrecht, in dessen Sinne im Einzelfall entschieden wird. Das andere Grundrecht kommt dann in keiner Weise zur Entfaltung. Diesem Problem könnte womöglich durch eine besondere verfahrensmäßige Gestaltung der Beweiserhebung abgeholfen werden. In Betracht käme insofern die Erhebung der in Rede stehenden Beweismittel unter Ausschluss der Öffentlichkeit und des Beweisführers. Zwei verschiedene Gestaltungen entsprechender „beweisrechtlicher Geheimverfahren“ werden diskutiert: Erstens könnte die Beweisaufnahme einem zu Neutralität und Verschwiegenheit verpflichteten Dritten übertragen werden. Der als „Beweismittler“ fungierende Dritte nimmt die in Rede stehenden Informationen unter Ausschluss der Parteien (und ggf. sogar des Gerichts) eigenständig zur Kenntnis, wertet diese aus, und stellt sodann Zusammenfassungen zur Verfügung, die keine Geheimnisse enthalten.164 Daneben kommt eine Beweiserhebung in camera in Betracht. Hier erhebt das Prozessgericht die Beweise, es ist dabei aber nur der Geheimnisinhaber zugegen, während der Prozessgegner (sowie etwaige andere Beteiligte) von der Beweiserhebung ausgeschlossen sind.165 Auf diese Weise werden beide widerstreitenden Grundrechte teilweise verwirklicht: Das Grundrecht auf Datenschutz findet insofern Berücksichtigung, als dass die Geheimnisse so wenigen Personen wie möglich zugänglich gemacht werden. Das Rechtsschutzinteresse wird ebenfalls gefördert, weil das recht?, 1971, passim entwickelt. Bezogen auf das spezielle Problem der Verwertbarkeit von Beweismitteln im Zivilprozess finden sich entsprechende Überlegungen bei Muthorst, Das Beweisverbot, S. 177 ff. und Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 297. 164  Vgl. die Übersicht zu Rechtsprechung und Literatur zu diesem Modell bei Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 372 ff. m. w. N. Im Patentverletzungsprozess hat sich ein entsprechendes Vorgehen als „Düsseldorfer Verfahren“ etabliert, vgl. Grabinski/Zülch, in: Benkard PatG, § 140c Rn. 22; Bahner, Geheimnisschutz im Zivilprozess, S. 176 ff. 165  In diesem Sinne z. B. Stürner, Aufklärungspflicht, S. 223 ff. Daneben werden sog. „relative“ in camera-Verfahren diskutiert, bei denen zumindest Vertreter der Naturalpartei bei der Beweiserhebung anwesend sind, vgl. in diesem Sinne z. B. Leppin, GRUR 1984, 695 (697); Stadler, NJW 1989, 1202 (1204). Vgl. auch den Vorschlag der Durchführung sog. „arca-nigra“-Verfahren bei Rausch, Stärkung des Informationsanspruchs durch das arca-nigra-Verfahren, S. 141 ff.



§ 7  Rechtfertigung

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Gericht bei seiner Entscheidung über die in Rede stehenden Informationen verfügt. Ein entsprechendes Vorgehen würde mithin gegenüber einer binären Entscheidung über die Verwertbarkeit einen schonenderen Ausgleich der widerstreitenden Grundrechte bedeuten. Aus der Perspektive der praktischen Konkordanz ist dieses Ergebnis grundsätzlich zu bevorzugen.166 Es ist allerdings umstritten, ob die Durchführung beweisrechtlicher Geheimverfahren mit dem geltenden Zivilprozessrecht und dessen grundrechtlichen Grundlagen vereinbar ist. Die entsprechende Diskussion soll im Folgenden kurz dargestellt werden (a.). Es wird insofern aber nicht erforderlich sein, abschließend Position zu beziehen. Beweisrechtliche Geheimverfahren sind nämlich unabhängig von ihrer Zulässigkeit im Allgemeinen nicht als Lösung für das vorliegend untersuchte Problem geeignet. Das folgt daraus, dass sie die rechtliche Gemengelage bei Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel nicht angemessen abbilden können (b.).

a)  Zulässigkeit beweisrechtlicher Geheimverfahren im Zivilprozess Die ZPO sieht beweisrechtliche Geheimverfahren nicht vor. Zwar kann gem. § 172 Nr. 2 GVG abweichend vom Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit (§ 169 S. 1 GVG) die Öffentlichkeit von der Verhandlung oder für einen Teil derselben ausgeschlossen werden, wenn „ein wichtiges Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungsoder Steuergeheimnis zur Sprache kommt, durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden“.167 Der Ausschluss der Öffentlichkeit bezieht sich aber nicht auf die Parteien. Gem. § 357 Abs. 1 ZPO ist es den Parteien gestattet, der Beweisaufnahme beizuwohnen. Als Ausnahmen von diesem Grundsatz sind zwei Fälle anerkannt: Erstens kann eine Partei gem. § 177 GVG von der Beweisaufnahme ausgeschlossen werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der mündlichen Verhandlung erforderlich ist. Zweitens kann das Gericht analog § 247 StPO eine Partei ausschließen, wenn zu befürchten steht, dass bei Anwesenheit der Partei der Zeuge nicht die Wahrheit sagen werde.168 Im Anschluss an die Vernehmung ist die Partei dann aber über den Inhalt der Beweisaufnahme zu unterrichten.169 Auch bei Ausschluss einer Partei von der Beweisaufnahme kann mithin keine Geheimhaltung der dort erhobenen Informationen erreicht werden. Eine Vor166  Vgl. in diesem Sinne unabhängig von 28 USC § 1782(a) bezogen auf einen möglichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Wagner, ZZP 108 (1995), 193 (212 ff.); ders., JZ 2007, 706 (718); ders., FS Leipold, S. 801 (810 ff.). 167  Vgl. zu Einschränkungen der Gerichtsöffentlichkeit aus Gründen des Datenschutzes auch Wagner, ZZP 108 (1995), 193 (209). 168  OLG Frankfurt a. M. OLGR 2003, 130; Berger, in: Stein/Jonas23, § 355 Rn. 15; Heinrich, in: MüKo-ZPO, § 357 Rn. 9; Greger, in: Zöller, § 357 Rn. 3a. 169  Berger, in: Stein/Jonas23, § 357 Rn. 15 f.; Heinrich, in: MüKo-ZPO, § 357 Rn. 9; Greger, in: Zöller, § 357 Rn. 3a.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

schrift, die den Ausschluss einer Partei aus Gründen der Geheimhaltung vorsieht, findet sich im deutschen Zivilprozessrecht nicht.170

aa) Streitstand Die wohl herrschende Meinung im Schrifttum geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass die Durchführung eines beweisrechtlichen Geheimverfahrens im Zivilprozess unzulässig sei.171 Entsprechende Verfahren seien mit dem Anwesenheitsrecht der Parteien gem. § 357 Abs. 1 ZPO unvereinbar172 und verstießen zusätzlich gegen das Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG173. Auch die Rechtsprechung des BGH steht beweisrechtlichen Geheimverfahren nach wie vor ablehnend gegenüber. Der BGH hat zu der Frage erstmals in einem Urteil von 1991 Stellung genommen.174 Die hier vom Berufungsgericht zugelassene Einschaltung eines „Beweismittlers“ hat der BGH als mit Art. 103 Abs. 1 GG unvereinbar abgelehnt.175 In der Faxkarte-Entscheidung von 2005 hat der BGH sich dann zwar scheinbar beweisrechtlichen Geheimverfahren gegenüber geöffnet, indem er entschied, eine Besichtigung gem. § 809 BGB könne zur Wahrung berechtigter Geheimhaltunsgsinteressen unter Ausschluss des Besichtigungs-Gläubigers alleine durch einen Sachverständigen durchgeführt werden.176 Das neueste Urteil des BGH in diesem Zusammenhang aus dem Jahr 2007 legt allerdings wieder den gegenteiligen Schluss nahe.177 Dort hatte der Sachverständige unter Ausschluss der Parteien ein Gutachten angefertigt. Dazu entschied der BGH, die Parteien müssten die Möglichkeit haben, die dem Gutachten zugrundeliegenden Tatsachen nachzuprüfen. Der 170  Beyerbach, Die geheime Unternehmensinformation, S. 341; Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 367; Sawang, Geheimhaltung und rechtliches Gehör im Schiedsverfahren nach deutschem Recht, S. 38. 171  Heinrich, in: MüKo-ZPO, § 357 Rn. 9; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, § 357 Rn. 5; Reichold, in: Thomas/Putzo, § 286 Rn. 6; ders., in: Thomas/Putzo, § 357 Rn. 1; Baumgärtel, FS Habscheid, S. 1 (5 ff.); Kürschner, NJW 1992, 1804 (1805); Lachmann, NJW 1987, 2206 (2208 ff.); Prütting, ZZP 106 (1993), 427 (461); Prütting/Weth, DB 1989, 2273 (2276 ff.); dies., NJW 1993, 576 (576 f.). Nach Berger, in: Stein/Jonas (23), § 355 Rn. 17 ff. sind Geheimverfahren zulässig, wenn sie ausschließlich zu einer Verbesserung der Rechtsschutzmöglichkeiten führen. Greger, in: Zöller, § 357 Rn. 4 spricht sich zwar gegen in camera-Verfahren aus, hält die Einführung einer Zeugenaussage über einen Beweismittler aber für zulässig. 172  Heinrich, in: MüKo-ZPO, § 357 Rn. 9; Greger, in: Zöller, § 357 Rn. 4. 173  Berger, in: Stein/Jonas23, § 357 Rn. 17 ff.; Prütting, in: MüKo-ZPO, § 285 Rn. 12 f.; Greger, in: Zöller, § 357 Rn. 4; Baumgärtel, FS Habscheid, S. 1 (5 ff.); Kürschner, NJW 1992, 1804 (1805); Lachmann, NJW 1987, 2206 (2210); Osterloh-Konrad, in: Rechnungslegung und Wettbewerbsschutz im deutschen und europäischen Recht, S. 9 (38 ff.); Prütting, ZZP 106 (1993), 427 (456, 460 f.); Prütting/Weth, NJW 1993, 576 (577). 174  BGHZ 116, 47 = NJW 1992, 1817. 175  BGH NJW 1992, 1817 (1819). 176  BGHZ 150, 377 (386 f.). Vgl. hierzu auch Wagner, FS Leipold, S. 801 (811) m. w. N. dort Fn. 64. 177  BGH WM 2007, 1901.



§ 7  Rechtfertigung

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Sachverständige müsse diese deshalb regelmäßig offenlegen.178 Dann ist die Geheimheit der Beweiserhebung aber natürlich nicht mehr gewahrt. In jüngerer Zeit mehren sich aber die Stimmen, die von der Zulässigkeit beweisrechtlicher Geheimverfahren ausgehen. Dabei sind wiederum zwei Auffassungen zu unterscheiden. Einerseits wird vertreten, dass das Geheimverfahren aufgrund seiner grundrechtlichen Relevanz einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürfe. Eine solche bestehe aber nicht. Deshalb seien Geheimverfahren de lege ferenda zu befürworten, müssten aber de lege lata ausscheiden.179 Die Gegenposition hält Geheimverfahren auch de lege lata für möglich. Danach könne das Verfahren auch ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage in analoger Anwendung verschiedener Vorschriften außerhalb der ZPO durchgeführt werden.180

bb) Stellungnahme Die besseren Gründe sprechen für die Zulässigkeit beweisrechtlicher Geheimverfahren schon de lege lata. Zwar haben entsprechende Verfahren tatsächlich keine einfachgesetzliche Grundlage.181 Mitunter erlauben Geheimverfahren aber einen schonenderen Ausgleich widerstreitender Grundrechte, als bei einer binären Entscheidung möglich wäre.182 Dann wären Geheimverfahren mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen der Bildung praktischer Konkordanz aber nicht nur zulässig, sondern sogar geboten.183 Zumindest bestehen vor diesem Hintergrund keine prinzipiellen Bedenken gegen die Durchführung beweisrechtlicher Geheimverfahren im Wege richterlicher Rechtsfortbildung.184 Jedenfalls dann, wenn es sich bei der ausgeschlossenen Partei um den Beweisführer handelt, dürfte entgegen verbreiteter Auffassung auch kein Verstoß

178  BGH WM 2007, 179  In diesem Sinne

1901, Rn. 29 ff. z. B. Beyerbach, Die geheime Unternehmensinformation, S. 341 ff.; Heinze, FS Wannagat, S. 155 (171). 180  Vgl. in jüngerer Zeit insbesondere Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 416; Schlosser, FS Großfeld, S. 997 (1005); Wagner, JZ 2007, 706 (717 f.); ders., FS Leipold, S. 801 (812); Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess, S. 333 ff., 375. In diesem Sinne aber auch schon Stürner, Aufklärungspflicht, S. 223 ff. 181 Vgl. die Übersicht über die im Schrifttum mitunter (unzutreffend) herangezogenen Rechtsgrundlagen bei Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 419 ff. 182  Vgl. oben § 7 B. IV. 4. 183  Vgl. oben § 7 B. IV. 1. 184  Vgl. in diesem Sinne den oben zitierten Soraya-Beschluss des BVerfG zum Verhältnis von Rechtsprechung und Gesetzgebung, oben, § 5 C. III.3.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

gegen das Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG vorliegen.185 Zwar greift die Beweisaufnahme unter Ausschluss einer Partei in deren Recht auf rechtliches Gehör ein.186 Das führt aber nicht zur Unzulässigkeit des beweisrechtlichen Geheimverfahrens. Das Recht auf rechtliches Gehör stellt nämlich keinen grundrechtlichen Selbstzweck dar, sondern ist Mittel zum Zweck der Verfolgung des Rechtsschutzbegehrens. Das Recht auf rechtliches Gehör hat mithin im Verhältnis zum Recht auf effektiven Rechtsschutz dienenden Charakter. Wenn die Durchführung des Geheimverfahrens aber erforderlich ist, um das „herrschende“ Rechtsschutzinteresse zu verwirklichen, wäre es ein Wertungswiderspruch, wenn die Erreichung dieses Ziels aufgrund des „dienenden“ Rechts auf Beweis unterbleiben müsste.187 Darüber hinaus kann die Stellung eines Beweisantrags, dem nur unter der Bedingung der geheimen Beweiserhebung entsprochen werden kann, als (zulässiger) Verzicht auf das Recht auf rechtliches Gehör gesehen werden.188 In diese Richtung deutet auch die Rechtsprechung des BVerfG zum Verwaltungsprozessrecht. Hier hat das BVerfG ausdrücklich die Durchführung von in camera-Verfahren für möglich erklärt.189 Wenn aber im Verwaltungsprozess die Durchführung eines in camera-Verfahrens mit dem Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar ist, ist nicht ersichtlich, warum das im Zivilprozess nicht der Fall sein sollte.190 Dem entspricht auch die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung. Das BAG hat in einem Beschluss von 1992 ein beweisrechtliches Geheimverfahren in Form der Beweismittlung durch einen unabhängigen Dritten als für im arbeitsgerichtlichen Verfahren zulässig erklärt.191 Die Verfassungsmäßigkeit dieser Entscheidung wurde vom BVerfG durch Nichtannah185 Vgl.

Berger, in: Stein/Jonas23, § 357 Rn. 17 und Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 399 ff. 186  Stadler, Schutz des Unternehmensgeheimnisses, S. 235 ff.; Wagner, FS Leipold, S. 801 (811); ders., JZ 2007, 706 (717 f.); ders., ZZP 108 (1995), 193 (212 ff.). A. A. aber Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 434 ff., insb. S. 446 f., wonach Art. 103 Abs. 1 GG nur die Anwesenheit eines Prozessvertreters bei der Beweisaufnahme garantiert. 187  Wagner, ZZP 108 (1995), 193 (212 ff.); ders., JZ 2007, 706 (718). In diesem Sinne auch Gaier in seinem Sondervotum in BVerfGE 15, 205 (250 ff.). 188  Allen voran Stürner, Aufklärungspflicht, S. 225 ff., in diesem Sinne aber z. B. auch Berger, in: Stein/Jonas23, § 357 Rn. 18. A. A. aber z. B. Baumgärtel, FS Habscheid, S. 1 (6 f.), der den Verzicht wegen des Verbots des vorweggenommenen Rügeverzichts (vgl. statt aller Prütting, in: MüKo-ZPO, § 295 Rn. 32) für nicht statthaft hält. 189  Bezogen auf in camera-Zwischenverfahren gem. § 99 VwGO hat das BVerfG festgestellt, dass dieses mit dem Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar sei, BVerfG NJW 2000, 1175 (1178). Vgl. in diesem Sinne für in camera-Verfahren in der Hauptsache auch BVerfG NVwZ 2006, 1041, Rn. 112. 190  Wagner, JZ 2007, 706 (717 f.); ders., FS Leipold, S. 801 (810 ff.). A. A. aber Greger, in: Zöller, § 357 Rn. 4. 191  Vgl. zustimmend Greger, in: Zöller, § 357 Rn. 4; Wagner, ZZP 108 (1995), 193 (210 ff.); Zeuner, FS Gaul, S. 845 (853 ff.). Ablehnend aber z. B. Prütting/Weth, DB 1989, 2273 (2277); Schilken, SAE 1993, 308 (313) (Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG).



§ 7  Rechtfertigung

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mebeschluss ausdrücklich bestätigt.192 Auch die Rechtsprechung des EuGH lässt große Sympathie gegenüber beweisrechtlichen Geheimverfahren erkennen. Nach der Mobistar-Entscheidung von 2006193 sind die nationalen Gerichte im Anwendungsbereich der Rahmenrichtlinie 2002/21/EG194 sogar zur Durchführung von in camera-Verfahren verpflichtet.195 Beweisrechtliche Geheimverfahren sind im Übrigen auch international nicht ohne Beispiel. Das Zivilverfahrensrecht der Schweiz z. B. kennt beweisrechtliche in camera-Verfahren.196

b)  Keine geeignete Lösung für 28 USC § 1782(a) Eine abschließende Entscheidung ist für die vorliegende Untersuchung nicht erforderlich. Denn unabhängig von ihrer Zulässigkeit im Allgemeinen sind beweisrechtliche Geheimverfahren jedenfalls nicht geeignet, die spezielle Grundrechtskollision bei Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel aufzulösen. Die Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel beeinträchtigt nicht nur die Geheimhaltungsinteressen des Beweisgegners. Wie im Folgenden darzustellen sein wird, steht die Verwertung entsprechender Beweismittel auch im Widerspruch zu anderen subjektiven Rechten des Beweisgegners sowie zu objektiv-rechtlichen Wertungen des Grundgesetzes und des einfachen Rechts.197 Anders als der Widerspruch zwischen Rechtsschutz- und Geheimhaltungsinteresse werden diese Konflikte aber nicht entschärft, wenn die Beweiserhebung geheim durchgeführt wird. Das Geheimhaltungsinteresse wird gerade dadurch gestört, dass die in Rede stehenden Informationen im Zuge der Beweiserhebung an die (Partei-)Öffentlichkeit gebracht werden.198 Beweisrechtliche Geheimverfahren verhindern bzw. minimieren das Öffentlichwerden der Informationen und lösen diesen Konflikt somit auf. Sind andere Wertungen betroffen, liegt das Problem aber anders. Der Verstoß gegen diese Wertungen liegt eben nicht darin, dass die Informationen Drit192 

BVerfG NJW 1994, 2347.

193  EuGH MMR 2006, 803. 194  Richtlinie des Europäischen

Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. L 108, 33. 195  Osterloh-Konrad, in: Rechnungslegung und Wettbewerbsschutz im deutschen und europäischen Recht, S. 9 (39). Das BVerwG hat im Lichte des Urteils des EuGH § 138 TKG europarechtskonform ausgelegt in BVerwGE 127, 282, Rn. 12, vgl. dazu Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess, S. 235 f. 196  Wagner, ZZP 108 (1995), 193 (211). Vgl. auch die Übersichten bei Bahner, Geheimnisschutz im Zivilprozess, S. 187 ff.; Sawang, Geheimhaltung und rechtliches Gehör im Schiedsverfahren nach deutschem Recht, S. 206 ff. 197  Vgl. sogleich unten, § 7 B. IV. 5.b). 198  Vgl. oben, § 6 B.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

ten bekannt werden. Hier geht es z. B. darum, dass eine informationsmäßige Diskrepanz zwischen Beweisgegner und Beweisführer geschaffen wird, bzw. darum, dass dem Beweisführer die Umgehung der vom deutschen Recht gesetzten Grenzen prozessualer Aufklärung und Mitwirkung ermöglicht wird.199 Diese Probleme bleiben bei geheimer Durchführung der Beweiserhebung unverändert bestehen. Beweismäßige Geheimverfahren sind also keine Antwort auf die vorliegend untersuchte Frage. Dem entspricht auch die Rechtsprechung des BVerfG zu rechtswidrig erlangten Beweismitteln im Zivilprozess.200 Das BVerfG fordert von den Gerichten eine (binäre) Entscheidung über die Verwertbarkeit der in Rede stehenden Beweismittel.201 Auch hier würden beweisrechtliche Geheimverfahren aber grundsätzlich ein schonenderes Mittel zum Ausgleich der widerstreitenden Grundrechte darstellen. Das BVerfG geht also offensichtlich davon aus, dass die geheime Erhebung rechtswidrig erlangter Beweismittel keine befriedigende Lösung des Problems wäre. Das verdient Zustimmung. Hier sind nämlich das bei Erlangung des Beweismittels verletzte materielle Recht und dessen Wertungen zu beachten. Der Verstoß gegen das materielle Recht entfällt aber nicht etwa, wenn das Beweismittel im Geheimen erhoben und verwertet wird. Deshalb sind beweisrechtliche Geheimverfahren nicht dazu geeignet, den Wertungen des verletzten materiellen Rechts Geltung zu verschaffen.

c) Zusammenfassung Die Angemessenheit des Eingriffs in die Grundrechte des Beweisgegners ist im Wege der Bildung praktischer Konkordanz zu ermitteln. Dieser Vorgang ist mit Blick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung gem. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG zwar nicht unproblematisch. Werden bei Bildung der praktischen Konkordanz aber alle relevanten Wertungen der Verfassung und des einfachen Rechts berücksichtigt, ist sie mit den staatsrechtlichen Bedingungen der Rechtsprechung im Rahmen der Gewaltenteilung vereinbar. Im Ergebnis der Bildung praktischer Konkordanz muss eine binäre Entscheidung über die Verwertbarkeit der gem. 28 USC § 1782(a) erlangten Beweismittel stehen. Zwar bieten beweisrechtliche Geheimverfahren theoretisch die Möglichkeit eines schonenderen Ausgleichs der widerstreitenden Grundrechte. Die besseren Gründe sprechen auch für die Zulässigkeit beweisrechtlicher Geheimverfahren im Zivilprozess. Sie sind aber nicht in der Lage, alle durch die Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel aufgeworfenen Probleme befriedigend aufzulösen. 199  200 

Vgl. dazu unten, § 7 B. IV. 5.b). BVerfG NJW 2002, 3619. 201  BVerfG NJW 2002, 3619 (3624).



§ 7  Rechtfertigung

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5.  Sammlung der relevanten Wertungen Im Folgenden gilt es, die bei der Bildung der praktischen Konkordanz der widerstreitenden Grundrechte von Beweisführer und Beweisgegner zu beachtenden Wertungen in Verfassung und einfachem Recht zu identifizieren. In einem ersten Schritt soll dabei nach Wertungen gesucht werden, die für die Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel streiten (a.), um im Folgenden potenziell gegen die Verwertung sprechende Wertungen in den Blick zu nehmen (b.).

a)  Für die Verwertbarkeit sprechende Wertungen aa)  „Wahrheitszweck“ des Zivilprozesses Der Zivilprozess dient (unter anderem) der Schaffung materieller Gerechtigkeit in Form der Durchsetzung subjektiver Rechte.202 Ist ein Rechtsschutzbegehren begründet, so ist diesem im Prozess stattzugeben. Andernfalls gilt es, den zu Unrecht in Anspruch Genommenen zu schützen, und das unberechtigte Rechtsschutzbegehren abzuweisen. Das Gericht ermittelt die Berechtigung des Rechtsschutzbegehrens durch syllogistische Anwendung des materiellen Rechts auf die relevante Tatsachengrundlage. Dieser Zusammenhang begründet nach verbreiteter Ansicht den sog. „Wahrheitszweck“ des Zivilprozesses.203 Weil es für die Schaffung materieller Gerechtigkeit auf die Begründetheit des Rechtsschutzbegehrens ankommt, und weil diese wiederum vom relevanten Lebenssachverhalt abhängt, müsse dem Gericht größtmögliche Kenntnis des „wahren“ Sachverhalts eröffnet werden.204 Unter Bezugnahme auf diese Überlegungen wird hinsichtlich rechtswidrig erlangter Beweismittel mitunter vertreten, diese seien stets verwertbar. Wenn im Interesse materieller Gerechtigkeit der relevante Lebenssachverhalt möglichst weitgehend zu erforschen ist, dann seien nämlich alle verfügbaren Beweismittel in die Entscheidungsfindung des Gerichts einzubeziehen, und zwar unabhängig von den Modalitäten ihrer Erlangung.205 Sollte das zutreffen, so würde der 202 Das ist eine Selbstverständlichkeit und allgemein anerkannt, vgl. Brehm, in: Stein/ Jonas23, vor § 1 Rn. 9 m. w. N. Kontrovers diskutiert wird zwar, ob insofern (primär) auf die Durchsetzung subjektiver Rechte oder auf die Bewährung des objektiven Rechts abzustellen ist, vgl. Gaul, AcP 168 (1968), 27 (46 ff.). Diese Frage kann hier nicht vertieft werden. Es spricht aber einiges dafür, dass der diskutierte Unterschied nur ein scheinbarer ist, denn „Bewährung der Rechtsordnung und Individualrechtsschutz sind nur verschiedene Seiten derselben Medaille“, Brehm, in: Stein/Jonas23, vor § 1 Rn. 12 m. w. N. 203  Allen voran Stürner, Aufklärungspflicht, S. 43, 50. In neuerer Zeit Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 119. 204  Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 119; Stürner, Aufklärungspflicht, S. 32 ff. 205  Roth, JR 1950, 715; Werner, NJW 1988, 993 (1002).

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

Wahrheitszweck des Zivilprozesses auch für die Verwertung von gem. 28 USC § 1782(a) erlangten Beweismitteln streiten. Tatsächlich kommt dem Zivilprozess ein „Wahrheitszweck“ dieses Inhalts aber nicht zu.206 Zwar ist es (selbstverständlich) eine der Aufgaben des Zivilprozesses, materielle Gerechtigkeit herzustellen. Daraus kann aber kein Rückschluss auf den Umfang der im Zivilprozess erforderlichen Wahrheitserforschung gezogen werden.207 In tatsächlicher Hinsicht ist die herzustellende Gerechtigkeit nämlich nicht auf den (historisch) „wahren“ Sachverhalt bezogen.208 Der gerichtlichen Entscheidung ist vielmehr der (rechtlich) „richtige“ Sachverhalt zugrunde zu legen, d. h. derjenige Sachverhalt, den das Gericht in Anwendung des Verfahrensrechts ermittelt hat.209 Maßgeblich für den Zivilprozess ist mit anderen Worten nicht die „absolute“ bzw. „materielle“ Wahrheit.210 Vielmehr begnügt der Zivilprozess sich mit der Anwendung des Rechts auf die im Verfahren ermittelte „forensische“ bzw. „prozessuale“ Wahrheit.211 Die Maßgeblichkeit des prozessualen Wahrheitsbegriffs im Zivilprozess ergibt sich aus dem Verhandlungs- bzw. Beibringungsgrundsatz. Danach obliegt es den Parteien, dem Gericht den relevanten Tatsachenstoff zur Kenntnis zu bringen, während das Gericht von sich aus grundsätzlich keine Maßnahmen zur Ermittlung des in Rede stehenden Sachverhalts ergreift.212 Die Bedeutung 206  Brehm, in: Stein/Jonas23, vor § 1 Rn. 25 ff.; ders., Bindung des Richters an den Parteivortrag und Grenzen freier Verhandlungswürdigung, S. 28 ff.; Leipold, FS Nakamura, S. 301 (320); Reischl, ZZP 116 (2003), 81 (89); Schumann, FS Bötticher, S. 289 (305 ff.); Wach, Grundfragen und Reform des Zivilprozesses, S. 26 f.; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 13 ff., insb. S. 31 f., 42. Vgl. in diesem Sinne auch aus der Perspektive der Systemtheorie Luhmann, Legitimation durch Verfahren, passim, insb. S. 17 f. m. w. N. und die (auf das Strafverfahren bezogenen) erkenntnistheoretischen Überlegungen dazu bei Hassemer, KrtiV 1990, 260 (268 f.). 207  Vgl. allgemein kritisch zu Versuchen, prozessuale Einzelprobleme unter Rückgriff auf den Prozesszweck zu lösen Gaul, AcP 168 (1968), 27. 208  Überhaupt ist die Frage nach der Wahrheit keine rechtliche Frage: „Man mag das Ergebnis [der gerichtlichen Erkenntnisbildung] ‚richtig‘ d. h. dem Rechte gemäß, nennen; aber ob es als ‚wahr‘ zu bezeichnen ist, stellt keine vom Recht zu beantwortende Frage dar.“, Schumann, FS Bötticher, S. 289 (306). Vgl. zur philosophischen Dimension des Wahrheitsbegriffs auch Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 19 f. m. w. N., zum religiösen Hintergrund, insb. zur sog. Pilatus-Frage, siehe Leipold, FS Nakamura, S. 301 (303 f.). 209  Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 19 ff., insb. 31 ff., 42. 210  Vgl. zum Begriff Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 30 f. 211  Diakonis, Grundfragen der Beweiserhebung von Amts wegen im Zivilprozess, S. 38 ff. spricht insofern unter Berufung auf Wach, Grundfragen und Reform des Zivilprozesses, S. 26 von „formeller“ Wahrheit gesprochen. In der Sache folgen aus der abweichenden Begrifflichkeit keine Unterschiede. 212  Leipold, in: Stein/Jonas22, vor § 128 Rn. 146. Freilich hat das Gericht im Rahmen der Pflicht zur materiellen Prozessleitung und der möglichen Anordnungen gem. §§ 141–144 ZPO auch einen gewissen Einfluss auf die Tatsachenermittlung. Das ändert aber nichts daran, dass die Tatsachenbeschaffung im Grundsatz Aufgabe der Parteien bleibt, Leipold, in: Stein/ Jonas22, vor § 128 Rn. 147. Die entsprechenden Einschränkungen bezwecken im Übrigen nicht eine umfassendere Wahrheitserforschung, sondern verfolgen „den Zweck, die Effektivität der



§ 7  Rechtfertigung

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des Verhandlungsgrundsatzes für die vorliegende Frage kommt insbesondere in § 288 Abs. 1 ZPO zum Ausdruck. Gem. § 288 Abs. 1 ZPO bedürfen von einer Partei behauptete Tatsachen keines Beweises, soweit sie vom Gegner zugestanden sind. Entspricht eine von einer Partei behauptete Tatsache nicht der historischen Wahrheit, gesteht der Gegner sie aber trotzdem zu, so hat das Gericht gem. § 288 ZPO also über einen Sachverhalt zu entscheiden, der keinen Bezug zur historischen Wahrheit hat.213 In der Rechtsprechung des BGH heißt es dazu ausdrücklich: „Die bindende Wirkung eines Geständnisses ist unabhängig von der Wahrheitspflicht. Auch ein bewußt unwahres Geständnis ist grundsätzlich wirksam.“214 Die historische Wahrheit ist im Zivilprozess unter Geltung des Beibringungsgrundsatzes mithin nicht entscheidend; maßgeblich ist vielmehr stets die prozessuale Wahrheit.215 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der prozessualen Wahrheitspflicht gem. § 138 Abs. 1 ZPO. Diese verbietet der Partei nach zutreffender Ansicht nämlich nur, für sie günstige „Unwahrheiten“ zu behaupten. Der Partei ist es gem. § 138 Abs. 1 ZPO hingegen nicht verboten, eine für sie ungünstige „unwahre“ Behauptung der Gegenseite zuzugestehen.216 Die zivilprozessuale Wahrheitspflicht bezweckt also nicht eigentlich, dass die „historische Wahrheit“ der Entscheidung des Gerichts zugrunde gelegt werde; sie dient vielmehr dazu, die Parteien vor unredlichem Verhalten des Prozessgegners zu schützen. Auch weitere zivilprozessuale Vorschriften lassen erkennen, dass es sich bei dem prozessual relevanten Sachverhalt nicht um die historische Wahrheit handelt. Zu denken ist insofern insbesondere an die Präklusionsvorschrift des § 296 ZPO, wonach verspäteter Tatsachenvortrag unabhängig von seinem Wahrheitsgehalt zurückzuweisen ist, sowie an die Beweishindernisse in Form der Zeugnisverweigerungsrechte (§§ 383 f. ZPO).217 Mit Leipold ist festzuhalten: Verhandlungsmaxime zu sichern und ihrem Missbrauch zu wehren“, Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, S. 144. 213 Vgl. Prütting, in: MüKo-ZPO, § 288 Rn. 3 m. w. N., dort Fn. 3.; Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (317) m. w. N., dort Fn. 39. 214  BGH NJW 1995, 1432 (1433). 215  Diakonis, Grundfragen der Beweiserhebung von Amts wegen im Zivilprozess, S. 41. Ähnlich Leipold, in: Stein/Jonas22, vor § 128 Rn. 152, der hinzufügt, sogar bei Geltung einer richterlichen Untersuchungspflicht könne stets nur von einer „relativen“ Wahrheit gesprochen werden. A. A.  aber Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 119, die meint, der Zivilprozess müsse die historische Wahrheit erforschen, weil „die Akzeptanz von Urteilen höher [ist], wenn sie auf einer zutreffenden Rekonstruktion der Tatsachen beruhen“. Dem ist zu widersprechen. Entgegen Osterloh-Konrad steht die „Wahrheit“ der Entscheidungsgrundlage in keinem zwingenden Zusammenhang mit der „Legitimationsleistung“ des Verfahrens, vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 26. 216  BGHZ 37, 154; Kern, in: Stein/Jonas23, § 138 Rn. 6; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rn. 67; Diakonis, Grundfragen der Beweiserhebung von Amts wegen im Zivilprozess, S. 43. Olzen, ZZP 98 (1985), 403 (421) meint hingegen, dass nur nach Überzeugung des Gestehenden wahre Tatsachen vom Begriff des Geständnisses erfasst seien. 217  Brehm, in: Stein/Jonas23, vor § 1 Rn. 25; Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (473). Vgl. zu

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

„Versucht man, der Bedeutung von Wahrheit und Beweis im Zivilprozess auf die Spur zu kommen, so zeigt sich rasch, daß von einer Erkenntnis der Wahrheit grundsätzlich nur in einem sehr eingeschränkten, relativen Sinn gesprochen werden kann. […] Vielmehr erweist sich als das eigentliche Ziel des richterlichen Bemühens die Konstituierung des Sachverhalts als Grundlage der rechtlichen Würdigung. Diese Sachverhaltskonstituierung durch Selektion der tatsächlichen Behauptungen erfolgt in weitem Umfang ohne den Anspruch auf Erkenntnis der Wahrheit. Die Wahrheitserkenntnis ist kein Selbstzweck des Zivilprozesses – das irdische Streben nach Gerechtigkeit kann und muß sich in vieler Hinsicht mit bescheideneren Mitteln und Wegen begnügen.“218

Pagenstecher meint davon abweichend (bzw. darüber hinausgehend), die gerichtlich festgestellten Tatsachen würden allein aufgrund der gerichtlichen Feststellung zur „Wahrheit“: „Ziel des Prozesses ist die Wahrheitserforschung. Das Resultat ist seiner Idee nach Deklaration der Wahrheit, so wird wahr, was er (als wahr) deklariert.“219 Dem ist nicht zuzustimmen. Es liegt im Gegenteil auf der Hand, dass „[d]as Recht […] nicht wahr machen [kann], was nicht wahr ist.“220 Die vorstehenden Ausführungen zeigen aber, dass ein „Widerspruch zwischen dem festgestellten und dem wirklich vorhandenen Thatbestand“ für den Zivilprozess rechtlich irrelevant ist.221 Diese Emanzipation von der historischen Wahrheit liegt auch innerhalb der Grenzen des dem Recht Möglichen.222 Das Gericht hat im Zivilprozess materielle Gerechtigkeit also herzustellen bezogen auf die im Prozess ermittelte forensische Wahrheit. Wenn die forensische Wahrheit aber den Maßstab der herzustellenden Gerechtigkeit bildet, dann kann aus den (vermeintlichen) Anforderungen der Schaffung materieller Gerechtigkeit nicht auf den Umfang der im Prozess erforderlichen Wahrheitserforschung geschlossen werden. Im Gegenteil sind die vom Prozessrecht definierten Modalitäten der Sachverhaltsermittlung der Schaffung materieller Gerechtigkeit als Voraussetzung vorgegeben. Zu den der Schaffung materieller Gerechtigkeit insofern „vorgelagerten“ Umständen der Sachverhaltsermittlung gehört auch die Frage, welche Beweismittel das Gericht verwerten kann bzw. muss.223 weiteren Beispielen Diakonis, Grundfragen der Beweiserhebung von Amts wegen im Zivilprozess, S. 40 f. m. w. N. 218  Leipold, FS Nakamura, S. 301 (320), Hervorhebung hinzugefügt. 219  Pagenstecher, Zur Lehre von der materiellen Rechtskraft, S. 305. Ähnlich Stürner, Aufklärungspflicht, S. 51, der meint, ein von der historischen Wahrheit abweichendes Geständnis begründe eine „neue“ Wahrheit, die die ältere Wahrheit zwar unberührt lasse, aber rechtlich unerheblich mache. Vgl. dazu kritisch Diakonis, Grundfragen der Beweiserhebung von Amts wegen im Zivilprozess, S. 42 f. 220  Schumann, FS Bötticher, S. 289 (306), dort Fn. 85 unter Bezugnahme auf Degenkolb, Einlassungszwang und Urteilsnorm, S. 153. Ablehnend auch Goldschmidt, Prozess als Rechtslage, S. 188: „Wahrheitsfälschung“. 221  Degenkolb, Einlassungszwang und Urteilsnorm, S. 152. 222  Schumann, FS Bötticher, S. 289 (307). 223 Vgl. Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 40 f. Ähnlich Muthorst, Das Beweisverbot, S. 378 und bezogen auf den Strafprozess Jahn, Gutachten



§ 7  Rechtfertigung

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Dementsprechend kann aus dem Prozesszweck der Schaffung materieller Gerechtigkeit keine Aussage für (oder gegen) die Verwertbarkeit eines Beweismittels entnommen werden:224 „[J]enseits von materieller und formeller Wahrheit [gilt] immer (und zwar nicht ‚nur‘) eine forensische Wahrheit […]. Sie bildet die Grundlage der gerichtlichen Entscheidung. Weil diese Wahrheit (nur) im rechtsstaatlichen Verfahren entsteht, sind die Beweisverbote keine Schranken, sondern Bestandteile der Wahrheitsfindung. Damit löst sich auch der dem Denken der meisten Prozessrechtler unterliegende Antagonismus zwischen Beweisverbot und Wahrheitssuche auf. Die antipodische Gegenüberstellung von Wahrheitssuche und den Beweisverboten, die den Blick auf die ‚ungeschminkte‘ Wahrheit verstellen, ist dem justizförmigen Verfahren fremd. Die rechtsstaatlichen Anforderungen, die sich an den subjektiven Rechten der Beteiligten orientieren, sind dem prozessualen Wahrheitsbegriff immanent. Sie definieren den Wahrheitsanspruch und treten nicht etwa von außen begrenzend an ihn heran.“225

Nach alledem ist dem „Wahrheitszweck“ des Zivilprozesses keine für die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel relevante Wertung zu entnehmen.

bb)  Notwehr des Beweisführers Eine relevante Wertung könnte sich weiterhin aus § 227 Abs. 1 BGB ergeben. Danach ist eine Handlung nicht rechtswidrig, wenn sie durch Notwehr geboten ist. Daraus schließt das BVerfG (in Anlehnung an die zivilgerichtliche Rechtsprechung) für rechtswidrig erlangte Beweismittel, dass diese verwertbar seien, wenn „sich der Beweisführer in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befindet“.226 Das relevante Angriffsobjekt wird insofern in dem Recht gesehen, um dessen Durchsetzung (oder Abwehr) es in dem jeweiligen Rechtsstreit geht; die Angriffshandlung soll im (wahrheitswidrigen) Bestreiten des Sachvortrags des Beweisführers durch den Beweisgegner liegen.227 Eine 67. DJT, C 24 f. Bei Zugrundelegung dieses Wahrheitsverständnisses wird auch die Funktion des Beweises im Zivilprozess offenbar. Diese besteht nicht in der Ermittlung der (historischen) Wahrheit im Prozess, sondern vielmehr (im Grundsatz von der historischen Wahrheit unabhängig) in der Festlegung der vom Gericht seiner Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen, vgl. Leipold, FS  Nakamura, S. 301 (320); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 39. 224  Diese Einsicht setzt sich auch in der Paralleldiskussion um die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel durch, vgl. z. B. Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (317); Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 15 ff.; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 145. 225  Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 42, Nachweise und ursprünglich im Text vorhandene Hervorhebung weggelassen, neue Hervorhebungen hinzugefügt. 226  BVerfG NJW 2002, 3619 (3624), unter Verweis auf BGHZ 27, 284 (289 f.) = NJW 1958, 1344. 227  Reichenbach, § 1004 BGB, S. 173 ff.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

solche Situation liege bspw. vor bei „Anfertigung heimlicher Tonbandaufnahmen zur Feststellung der Identität eines anonymen Anrufers, der sich als eine andere Person ausgegeben hatte, um unter diesem Deckmantel Verleumdungen gefahrlos aussprechen zu können“,228 bei „Maßnahmen zur Feststellung erpresserischer Drohungen“229 und „wenn es dem Eingreifenden bei der Schaffung des Beweismittels darauf ankam, einem auf andere Weise nur schwer, möglicherweise überhaupt nicht abwehrbaren kriminellen Angriff auf seine berufliche Existenz zu begegnen“230. Sollte § 227 BGB tatsächlich die genannte Wertung zu entnehmen sein, so könnte dies bei Vorliegen einer Notwehrsituation des Beweisführers auch für die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel sprechen. Die auf § 227 BGB bezogene Argumentation kann allerdings nicht überzeugen. Die Verwertbarkeit eines Beweismittels kann nicht davon abhängen, ob sich der Beweisführer hinsichtlich des Streitgegenstandes in einer Notwehrlage befindet. Eine solche Notwehrlage liegt nämlich nur vor, wenn das Rechtsschutzbegehren des Beweisführers begründet ist, d. h. das Bestreiten des Beweisgegners wahrheitswidrig ist.231 Das wiederum kann das Gericht aber erst im Ergebnis von Erhebung und Verwertung der Beweismittel beurteilen. „Insofern erweist sich das Argument, das Beweismittel müsse zugelassen werden, um den Prozessbetrug des Gegners abzuwehren, als zirkulär. Es setzt voraus, was es zu beweisen gilt: die Unrichtigkeit des Tatsachenvortrags des Gegners. Erst die Beweisaufnahme kann ja klären, wessen Sachverhaltsschilderung zutrifft. Dem geht die Frage nach den dafür zulässigen Beweismitteln notwendig voraus.“232 Die Verwertbarkeit eines Beweismittels kann mithin nicht vom Vorliegen einer Notwehrlage im o. g. Sinne abhängen.233 Aus § 227 BGB ergibt sich im Ergebnis keine für die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel relevante Wertung.

228  229 

1344.

230 

BVerfG NJW 2002, 3619 (3624) unter Verweis auf BGH NJW 1982, 277. BVerfG NJW 2002, 3619 (3624) unter Verweis auf BGHZ 27, 284 (290) = NJW 1958,

BVerfG NJW 2002, 3619 (3624) unter Verweis auf BGH NJW 1994, 2289 (2292 f.). besteht mangels Angriffsobjekt schon keine Notwehrlage, vgl. nochmals Reichenbach, § 1004 BGB, S. 173 ff. 232  Reichenbach, § 1004 BGB, S. 184, Nachweise weggelassen. 233  Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (473); Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 143 f.; Gamp, DRiZ 1981, 41 (42); Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 150; Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozessparteien, S. 245; Pleyer, ZZP 69 (1956), 321 (335); Reichenbach, § 1004 BGB, S. 184; Werner, NJW 1988, 993 (1000); Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (383 f.). Unabhängig vom Problem der Verwertbarkeit von Beweismitteln könnte man diesen Zusammenhang mit Fleck, Die Redlichkeitspflichten der Parteien im Zivilprozess, S. 86 formulieren: „Was sich im Prozess einer Erkenntnis entzieht, kann nicht zugleich Geltungsgrundlage einer Norm sein.“ 231  Andernfalls



§ 7  Rechtfertigung

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cc)  Grundsatz der Prozessökonomie Eine relevante Wertung könnte sich weiterhin aus dem Grundsatz der Prozessökonomie bzw. Prozessbeschleunigung ergeben. Das Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgt u. a., dass zivilprozessuale Verfahren in einem angemessenen zeitlichen Rahmen durchgeführt und entschieden werden.234 Die zügige Durchführung des Prozesses ohne überflüssige Verzögerungen ist insofern ein dem Prozessrecht verfassungsmäßig vorgegebenes Ziel. In der Paralleldiskussion um die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel wird aus diesem Zusammenhang mitunter abgeleitet, dass Beweismittel unabhängig von den Modalitäten ihrer Erlangung stets verwertbar seien. Andernfalls stünde nämlich eine mit den Anforderungen der Prozessökonomie nicht zu vereinbarende Verzögerung des Prozesses in Form eines „überaus hemmenden Zwischenstreits“235 um die Zulässigkeit von Beweismitteln zu befürchten. Dafür aber sei im Zivilprozess kein Platz.236 Daraus könnten sich auch für die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel Konsequenzen ergeben. Sind diese unter gewissen Voraussetzungen von der Verwertung ausgeschlossen, so stünde auch hier ein Zwischenstreit zu erwarten. Sind solche Verzögerungen des Prozessablaufs aber mit dem Grundsatz der Prozessökonomie unvereinbar, dann spräche das auch bezüglich gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel dafür, diese stets zu verwerten. Das kann aber nicht überzeugen. Zwar ist das Zivilverfahren im Interesse der Prozessökonomie tatsächlich so weit wie möglich von Verzögerungen frei zu halten.237 Das Streben nach Verfahrensbeschleunigung kann aber (selbstverständlich) nicht dazu führen, dass erforderliche Schritte der Rechtsfindung übergangen werden.238 Dementsprechend sieht das Zivilprozessrecht verschiedentlich die Möglichkeit von Zwischenstreit und Zwischenurteil vor.239 Wenn aber auch in anderen Zusammenhängen prozessuale Vorfragen im Wege des Zwischenstreits geklärt werden, dann stehen einem Zwischenstreit über die Verwertbarkeit von Beweismitteln jedenfalls keine prinzipiellen Erwägungen entgegen.240 Der Zwischenstreit über die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel dürfte außerdem ungleich weniger verzögernd auf den 234  St. Rspr., vgl. BVerfGE 88, 118 = NJW 1993, 1635; BVerfG NJW 1997, 2811 (2812); 2000, 797; Rauscher, in: MüKo-ZPO, Einl. Rn. 358; Reichenbach, § 1004 BGB, S. 125 f.; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 150 f. 235  Roth, JR 1950, 715 (715). 236  Novak, ÖsterrJZ 1949, 338 (345); Roth, JR 1950, 715 (715). 237  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 81, Rn. 1 ff. 238  Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 152. 239  Vgl. die Beispiele bei Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 59, Rn. 32. 240  Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (474); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 151 f.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

Prozess wirken, als das bei rechtswidrig erlangten Beweismitteln der Fall wäre. Während dort nämlich in Bezug auf die Rechtswidrigkeit der Erlangung umfangreiche tatsächliche und rechtliche Fragen zu klären sind, liegt die Quelle der gem. 28 USC § 1782(a) erlangten Beweismittel offen zu Tage. Dem Grundsatz der Prozessökonomie ist mithin keine für die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel relevante Wertung zu entnehmen.241

dd)  Drohende Verlagerung von Prozessen in die USA Rollin befürchtet, dass bei Ausschluss gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel von der Verwertung im deutschen Zivilprozess (potenzielle) Kläger in Zukunft nicht in Deutschland Klage erheben werden, sondern das Hauptsacheverfahren vor einem US‑Gericht durchführen. Das aber könne „nicht in unserem Interesse liegen“242 und sei abzuwenden, indem die Beweismittel auch in Deutschland verwertet werden.243 Das kann nicht überzeugen. Das Ziel, möglichst viele Hauptsacheverfahren vor deutschen Gerichten abzuwickeln, hat keine normative Berechtigung. Zwar findet durchaus ein Wettbewerb der Rechtsordnungen um möglichst große Attraktivität als Forum insbesondere wirtschaftlich erheblicher Streitigkeiten statt.244 Dieser Wettkampf ist aber von außer-rechtlichen Erwägungen motiviert, z. B. den erwerbswirtschaftlichen Interessen der jeweiligen nationalen Anwaltschaft und den Sorgen der Richterschaft um den Rückgang jährlicher Eingangszahlen.245 Aus juristischer Perspektive ist es hingegen irrelevant, ob ein bestimmter Rechtsstreit im deutschen oder im US-amerikanischen Forum verhandelt wird. Zwar mag der Umstand, dass die Gerichte jeweils ihr nationales Verfahrensrecht anwenden, durchaus Einfluss auf das Ergebnis des Rechtsstreits haben; insbesondere im Vergleich von Deutschland und den USA ist das angesichts der großen Unterschiede im Recht der Sachverhaltsermittlung im Zivilprozess sogar wahrscheinlich.246 Auch die Unterschiede hinsichtlich der kulturellen 241  Bezogen auf die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel in diesem Sinne auch Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 150 ff. 242  Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 139. 243  Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 138 f. 244  Vgl. die Untersuchungen dazu bei Wagner, in: Regulatory competition in contract law and dispute resolution, S. 347; ders., 62 Buffalo Law Review 1085 (2014), jeweils m. w. N. 245  Vgl. ausführlich Wagner, in: Regulatory competition in contract law and dispute resolution, S. 347 (385 ff.). In diesem Sinne vermutet Richard Posner hinter der dem Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) eine versteckte Subvention zugunsten der US-amerikanischen Anwaltschaft: „Maybe a further, unstated aim of the statute was to increase the business of American lawyers, but this is just a conjecture.“, Heraeus Kulzer, GmbH v. Biomet, Inc., 633 F. 3d 591, *594 (2011). 246  In diesem Sinne auch Geimer, IZPR, Rn. 37, der sich insofern zustimmungswürdig gegen die These von der Austauschbarkeit des Verfahrensrechts wendet.



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und sozialen Gegebenheiten der Prozessführung mögen für den Ausgang eines Rechtsstreits von Bedeutung sein.247 Dieser Umstand ist aus der Perspektive der jeweiligen nationalen Rechtsordnungen aber grundsätzlich gleichgültig. Dem deutschen Recht sind nämlich nur im Rahmen seines Anwendungsbereichs Wertungen in Bezug auf die (richtige) Gestaltung des Verfahrens oder die (richtige) Entscheidung des Rechtsstreits zu entnehmen. Das deutsche Recht ist auch nicht etwa getragen von der Vermutung der Überlegenheit der eigenen Lösungen, sondern geht im Gegenteil grundsätzlich von der „Gleichwertigkeit der Rechtspflege in allen Staaten trotz unterschiedlicher verfahrensrechtlicher Systeme und materieller Rechtsinstitute“ aus.248 Eine nationalistisch-protektionistische Ablehnung des amerikanischen Rechtssystems ist damit nicht zu vereinbaren. Die von Rollin befürchteten Auswirkungen der Unverwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel auf das Verhalten potenzieller Kläger sind für die vorliegend untersuchte Frage deshalb irrelevant.

ee) Zusammenfassung Es bestehen keine Wertungen, die für die Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel sprechen.

b)  Gegen die Verwertbarkeit sprechende Wertungen aa)  Grundsatz der Waffengleichheit Eine relevante Wertung für die untersuchte Frage könnte im Grundsatz der Waffengleichheit liegen.249

(1)  Historische Entwicklung und normative Verankerung Der Waffengleichheit wurde im Zivilprozess traditionell keine eigenständige Bedeutung beigemessen.250 Als erster hat Bötticher sie in seiner Rektoratsrede an der Universität Hamburg von 1953251 als Grundsatz des Zivilprozesses gewürdigt. Die Rechtsprechung hat die Waffengleichheit das erste Mal in einem 247 

Vgl. dazu mit Blick auf den US-amerikanischen Zivilprozess und insbesondere dessen Prägung durch die discovery, Junker, Discovery, S. 74 ff., 81 f. 248  Roth, in: Stein/Jonas23, § 328 Rn. 1 unter Verweis auf Stunz, Vertrauen in fremde Gerichtsverfahren, S. 5. 249  Die Gliederungspunkte (1), (2) und (3) beruhen – leicht abgewandelt – auf den Ausführungen des Autors in Bsaisou/Klein, in: Grundsätze des Zivilverfahrensrechts, S. 91. 250  Ganz anders stellt sich die Situation in Österreich dar. Franz Klein hat sich in seinen Überlegungen zur Funktion des Zivilprozesses als „staatliche Wohlfahrtseinrichtung“ schon 1901 zentral auf den Grundsatz der Waffengleichheit bezogen, Franz Klein, Zeit- und Geistesströmungen im Prozesse, S. 25. 251  Bötticher, Die Gleichheit vor dem Richter (1954).

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

Urteil des OLG Celle von 1969 herangezogen.252 Im Eindruck der „zivilprozessualen Rechtsprechung des BVerfG“253 ab den 1980er Jahren hat die Waffengleichheit dann auch vermehrt Einzug in die Entscheidungen des BGH und anderer Zivilgerichte gefunden.254 Ab den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts finden sich auch monographische Auseinandersetzungen mit der Waffengleichheit.255 Mittlerweile ist die Waffengleichheit allgemein als einer der Grundsätze des Zivilprozesses anerkannt.256 Die noch 1987 von Eike Schmidt vertretene Auffassung, wonach die Waffengleichheit im Zivilprozess keine eigenständige Bedeutung habe,257 ist als überwunden anzusehen. Einigkeit besteht auch dahingehend, dass die zivilprozessuale Waffengleichheit verfassungsrechtlich verbürgt ist.258 Diskutiert wird aber nach wie vor die konkrete normative Grundlage der Waffengleichheit. Im Schrifttum wird insofern unter anderem verwiesen auf den Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG, auf den Grundsatz des fairen Verfahrens sowie auf das Sozialstaatsprinzip.259 Die wohl h. M. zieht den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG heran,260 mitunter i. V. m. dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip.261 Dem entspricht 252  OLG Celle NJW 1969, 1905. 253 Begriff von Schumann, Bundesverfassungsgericht,

Grundgesetz und Zivilprozess (1983). 254  Vgl. die Nachweise unten, Fn. 263. 255  Vgl. insbesondere Jung, Der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozeß (1990) und Kwaschik, Die Parteivernehmung und der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozess (2004). 256 Vgl. statt aller Jung, Der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozeß, S. 47 ff.; Kwaschik, Die Parteivernehmung und der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozess, S. 87 ff.; Vollkommer, FS Schwab, S. 503 (515 ff.), jeweils m. w. N. aus Schrifttum und Rechtsprechung. 257  Schmidt/v. Ankermann/Wassermann, in: AK‑ZPO, Einl. Rn. 88 ff. 258 Vgl. z. B. BVerfGE 52, 131 (156 f.); BVerfG NJW 1985, 1149 (1150); 1999, 3186; Jung, Der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozeß, S. 6 ff.; Kwaschik, Die Parteivernehmung und der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozess, S. 87 ff.; Vollkommer, FS Schwab, S. 503 (504). 259 Vgl. Kwaschik, Die Parteivernehmung und der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozess, S. 114; Morgenroth, ZStV 2012, 212 (214), jeweils m. w. N. zu den genannten Ansichten. 260  Kern, in: Stein/Jonas23, v. § 128 Rn. 126; Prütting, in: MüKo-ZPO, § 296 Rn. 32; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rn. 28; Jung, Der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozeß, S. 87; Kwaschik, Die Parteivernehmung und der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozess, S. 115; Morgenroth, ZStV 2012, 212 (214); ders., NZA 2014, 408 (411). In diese Richtung auch schon Bötticher, Die Gleichheit vor dem Richter, S. 33. 261 In diesem Sinne Vollkommer, in: Zöller, Einleitung Rn. 102; Jung, Der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozeß, S. 87, 89; Platz, Der Grundsatz der prozessualen Waf­ fengleichheit als Grenze der Kostentragungspflicht des Arbeitgegebers bei Rechtsstreitigkeiten, S. 95; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rn. 116; Vollkommer, FS Schwab, S. 503 (504).



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auch die Rechtsprechung des BVerfG,262 während der BGH sich bzgl. der normativen Grundlage der Waffengleichheit nicht festlegt.263 Die h. M. im Schrifttum und die Rechtsprechung des BVerfG verdienen Zustimmung. Nur der allgemeine Gleichheitssatz entspricht der Waffengleichheit hinsichtlich der Struktur der Norm. Die Anforderungen der Waffengleichheit betreffen nämlich stets das relative Verhältnis der Stellungen der Verfahrensparteien, bedingen also immer den Vergleich der verschiedenen Positionen.264 Damit korrespondiert der allgemeine Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG. Auch dessen Anforderungen drücken sich in Form eines Vergleich aus: ­Wesentlich Gleiches ist gleich, wesentlich Ungleiches ist ungleich zu behandeln. Das beschreibt den anzuwendenden Rechtssatz der Form nach. Die materiell in den Vergleich einzustellenden Wertungen finden sich aber (wie stets) außerhalb von Art. 3 Abs. 1 GG. In Bezug auf das Zivilprozessrecht sind dabei das Sozial- und Rechtsstaatsprinzip, das Recht auf rechtliches Gehör und das Recht auf ein faires Verfahren heranzuziehen.265 Die normative Grundlage der Waffengleichheit ist demgemäß Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG.

(2)  Inhaltliche Anforderungen Zivilprozessuale Waffengleichheit erfordert nicht die absolute Gleichheit der Parteien. Eine Gleichbehandlung der Parteien ist vielmehr (wie stets in Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes) nur erforderlich, wenn und soweit diese im Wesentlichen gleich sind. Dem ist nicht so, soweit die besondere prozessuale Rolle einer Partei in Rede steht, wenn also speziell der Kläger als prozessualer Angreifer bzw. der Beklagte als prozessual Angegriffener angesprochen sind. Bezüglich dieser Rollen sind die Parteien im Prozess ungleich. Es verstößt also z. B. nicht gegen die Waffengleichheit, dass gem. § 12 ZPO das Gericht am Wohnsitz des Beklagten zuständig ist, und dieser insofern dem Kläger gegenüber privilegiert ist.266 Differenzierungen dieser Art formen vielmehr in angemessener Weise die Anfor-

262 

Z. B. BVerfGE 52, 131 = NJW 1979, 1925 (1925, 1927). z. B. BGH NJW 2010, 3292 (3293); NJW‑RR 2008, 1086 (1087). Vgl. auch den Überblick der älteren Rechtsprechung bei Vollkommer, FS Schwab, S. 503 (508 ff.). 264  Kwaschik, Die Parteivernehmung und der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozess, S. 115. 265  In diesem Sinne auch Kwaschik, Die Parteivernehmung und der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozess, S. 115. Damit ist natürlich nicht in Abrede gestellt, dass die Waffengleichheit auch vor Inkrafttreten des GG bereits einen Grundsatz des Zivilprozesses darstellte, vgl. dazu Baumgärtel, FS Matscher, S. 29 (30). 266  Vgl. auch die weiteren Beispiele zulässiger bzw. gebotener Ungleichbehandlungen dieser Art bei Jung, Der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozeß, S. 97 ff. 263  Vgl.

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derungen des allgemeinen Gleichheitssatzes aus, indem sie die insofern ungleichen Parteien ungleich behandeln.267 Nachdem nunmehr der Anwendungsbereich der Waffengleichheit definiert ist, ist auch ihre inhaltliche Konturierung zu klären. Bedeutet Waffengleichheit die formale Gleichbehandlung der Parteien dahingehend, dass das Gericht das Recht auf beide Parteien identisch anwendet? Oder ist Waffengleichheit materiell zu verstehen in dem Sinne, dass potenziell prozessual relevante Ungleichheiten der Parteien vom Gericht in Form differenzierender Rechtsanwendung auszugleichen sind? Anders gewendet: Ist zivilprozessuale Waffengleichheit auf die (formale) „Gleichheit vor dem Richter“ beschränkt, oder erfordert sie die Schaffung (materieller) „Gleichheit durch den Richter“?268 Die Frage war lebhaft umstritten.269 Mittlerweile besteht aber mit Blick auf die neuere beweisrechtliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) und des BVerfG kein Zweifel mehr daran, dass die Waffengleichheit (jedenfalls zu einem gewissen Maße) durch materielle Gleichbehandlung der Parteien herzustellen ist. Klärung hat insofern die Rechtsprechung zur beweismäßigen Situation des Vieraugengesprächs gebracht. Diese Rechtsprechung hat ihren Ausgangspunkt im Urteil des EGMR in Sachen Dombo Beheer B. V./Niederlande von 1993.270 Dem lag folgender (vereinfachter) Sachverhalt zugrunde: Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte sind juristische Personen. Ein Angestellter der Beklagten, der nicht Organ der Beklagten war, führte mit dem Geschäftsführer der Klägerin ein Gespräch. Die Klägerin behauptete, im Rahmen dieses Gesprächs sei eine vertragliche Einigung erzielt worden. Die Beklagte hingegen behauptete, es habe lediglich unverbindliche Verhandlungen gegeben. Die Klägerin verlangte von der Beklagten nun Schadensersatz wegen Nichterfüllung des vermeintlich geschlossenen Vertrags. Die Gerichte in den Niederlanden wiesen das Schadensersatzbegehren ab, da die Klägerin den von ihr behaupteten Inhalt des Gesprächs nicht bewiesen habe. Das niederländische Zivilprozessrecht verbot damals nämlich die Vernehmung einer Partei als Zeuge. Der Geschäftsführer einer Partei stand der Partei insofern gleich, durfte also ebenfalls nicht als Zeuge vernommen werden. 267  Jung, Der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozeß, S. 101; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rn. 119; Wagner, Prozeßverträge, S. 151. 268  Formulierung nach Vollkommer, FS Schwab, S. 503 (520). Vgl. aber auch die abweichende Terminologie bei Wagner, Prozeßverträge, S. 151, dort Fn. 444, der die Unterscheidung absoluter und relativer Gleichheit als Gegensatz „formaler“ und „materialer“ Waffengleichheit formuliert. 269  Vgl. für ein formales Verständnis der Waffengleichheit z. B. Stürner, Die richterliche Aufklärung im Zivilprozess, Rn. 39, und im Sinne materieller Waffengleichheit Vollkommer, FS Schwab, S. 503 (519). Auch unter den Richtern des BVerfG war die Frage umstritten, vgl. BVerfGE 52, 131, wo die Mehrheitsmeinung ein eher formales Verständnis der Waffengleichheit vertrat, während eine Minderheit von vier Richtern Waffengleichheit im materiellen Sinne einforderte. 270  EGMR NJW 1995, 1413.



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In der Beweiserhebung über den Inhalt des in Rede stehenden Gesprächs vernahm das Gericht deshalb nur den Angestellten der Beklagten als Zeugen, verweigerte aber die Vernehmung des Geschäftsführers der Klägerin.271 Das stellte nach Ansicht der Mehrheit der Richter am EGMR eine Verletzung der von Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierten Waffengleichheit im Zivilprozess dar.272 Diese erfordere, dass „jeder Partei eine vernünftige Möglichkeit eingeräumt werden muß, ihren Fall – einschließlich ihrer Zeugenaussage – vor Gericht unter Bedingungen zu präsentieren, die für diese Partei keinen substanziellen Nachteil im Verhältnis zu seinem Prozeßgegner bedeuten.“273 Ein substanzieller Nachteil in diesem Sinne sei wiederum gegeben, wenn zum Inhalt eines Gesprächs zwischen zwei natürlichen Personen, die jeweils für eine juristische Person handelten, nur eine dieser natürlichen Personen als Zeuge vernommen wird, das Gericht die Vernehmung der anderen Person aber verweigert.274 Das offenbart ein materielles Verständnis der Waffengleichheit. Bei Zugrundelegung eines formalen Verständnisses wäre die Waffengleichheit nicht verletzt, da abstrakt betrachtet beide Parteien dieselben Möglichkeiten der Beweisführung hatten.275 Diese formale Gleichbehandlung hielt die Mehrheit der Richter am EGMR aber gerade für nicht ausreichend. Danach bestand zwischen den Parteien ein so gewichtiger außer-prozessualer Unterschied, dass die geschuldete Gleichbehandlung darin lag, Ungleiches ungleich zu behandeln. Mithin hätte zugunsten der Klägerin kompensatorisch eingegriffen werden müssen dahingehend, dass die Regel, nach der das Organ einer Partei nicht als Zeuge zu vernehmen ist, nicht angewendet wird. Der EGMR fordert also eine formale Ungleichbehandlung im Interesse materieller Waffengleichheit. Mit Schlosser lässt sich das Urteil insofern auf die folgende Formel zusammenfassen: „[Die prozessuale Waffengleichheit] hat […] viele Facetten und verlangt keineswegs eine formale Gleichbehandlung der Parteien, etwa dahingehend, daß sie beide in der mündlichen Verhandlung gleich lange Redezeiten erhalten oder eine gleiche Anzahl von Schriftsätzen einreichen dürfen. Der Grundsatz besagt, daß einer Partei gerade im Hinblick darauf eine Prozeßhandlung (‚Waffe‘) nicht vorenthalten werden darf, daß der anderen Partei etwas materiell Vergleichbares zusteht.“276 Auch in der Rechtsprechung des BVerfG hat sich dieses materielle Verständnis der Waffengleichheit im Zivilprozess durchgesetzt.277 In einem Be271 

EGMR NJW 1995, 1413. EGMR NJW 1995, 1413 (1414). EGMR NJW 1995, 1413 (1413). 274  EGMR NJW 1995, 1413 (1414). 275  Vgl. in diesem Sinne die abweichende Meinung der Richter Martens und Pettiti, die unter Zugrundelegung eines formalen Verständnisses der Waffengleichheit einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK ablehnen, NJW 1995, 1413 (1414 f.). 276  Schlosser, NJW 1995, 1404 (1405), Hervorhebung hinzugefügt. 277  Erstmals nach Dombo Beheer in BVerfG NJW 2001, 2531, allerdings vordergründig 272  273 

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schluss des BVerfG von 2008 heißt es insofern zur Konstellation des Vieraugengesprächs: „Aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) folgt das Erfordernis grundsätzlicher Waffengleichheit und gleichmäßiger Verteilung des Prozessrisikos. In bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten muss jeder Partei eine vernünftige Möglichkeit eingeräumt werden, ihren Fall – einschließlich ihrer Aussage – vor Gericht unter Bedingungen zu präsentieren, die für diese Partei keinen wesentlichen Nachteil gegenüber ihrem Gegner darstellen. Das bedeutet, dass die einander gegenüberstehenden Parteien verfahrensrechtlich grundsätzlich gleichgestellt werden müssen.“278

Auch der BGH279 und das BAG280 messen der Waffengleichheit mittlerweile eine materielle Dimension bei und haben insofern die vom EGMR in Dombo Beheer begründete Rechtsprechung übernommen.281 Diese Ansicht hat sich auch im Schrifttum durchgesetzt.282 Danach genügt die „formale Gleichheit der prozessualen Rechtsstellung“ der Parteien nicht, vielmehr sind auch „gleichwertige Durchsetzungschancen“ für beide Parteien erforderlich.283 Dem ist zuzustimmen, denn: „An einer Aufrechterhaltung von aus ‚Waffenungleichheit‘ folgenden Vorteilen und Formalpositionen kann keine Partei ein schutzwürdiges Interesse haben.“284 Allerdings wird teilweise vertreten, eine in diesem Sinne differenzierende Rechtsanwendung sei mit der Neutralitätspflicht des Gerichts nicht zu verein-

unter Bezugnahme auf das Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG. Vgl. auch den Überblick der älteren Rechtsprechung des BVerfG zur Waffengleichheit bei Jung, Der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozeß, S. 6 ff. 278  BVerfG NJW 2008, 2170. 279  Vgl. z. B. BGH NJW 2002, 2247 (2249); NJW 2003, 3636; NJW‑RR 2006, 61 (63); NJW‑RR 2008, 1086 (1087). Vgl. auch BGH NJW 1988, 494, wo vom „Gebot einer möglichst weitgehenden Waffengleichheit“ die Rede ist. 280  Vgl. z. B. BAG NJW 2007, 2427 (2428), unter Berufung auf EGMR NJW 1995, 1413, aber ohne ausdrückliche Nennung des Gebots der Waffengleichheit. 281  Die deutschen Gerichte gehen davon aus, dass der Waffengleichheit nicht nur durch die Parteivernehmung von Amts wegen gem. § 448 ZPO, sondern auch durch informatorische Anhörung der Partei gem. § 141 ZPO genügt werden kann, st. Rspr., vgl. z. B. BGH NJW 1998, 306 (307); NJW 1999, 363 (364); NJW 2010, 3292, Rn. 16. Das ändert aber nichts an dem materiellen Verständnis der Waffengleichheit und ist für die vorliegende Untersuchung mithin irrelevant. 282  Jung, Der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozeß, S. 110; Kwaschik, Die Parteivernehmung und der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozess, S. 192; Paulus, Zivilprozessrecht, Rn. 336; Platz, Der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit als Grenze der Kostentragungspflicht des Arbeitgegebers bei Rechtsstreitigkeiten, S. 98; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rn. 121; Schlosser, NJW 1995, 1404 (1405); Vollkommer, FS Schwab, S. 503 (519 f.) A. A. aber Stürner, Die richterliche Aufklärung im Zivilprozess, Rn. 40. 283  Vollkommer, FS Schwab, S. 503 (520). 284  Vollkommer, FS Schwab, S. 503 (520), Hervorhebung im Original, Nachweise weggelassen; im Ergebnis so auch Kwaschik, Die Parteivernehmung und der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozess, S. 190.



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baren.285 Das kann aber nicht überzeugen. Das zur Neutralität verpflichtete Gericht muss die Parteien an demselben rechtlichen Maßstab messen. Daraus folgt aber nicht, dass immer identische Anordnungen gegenüber den Verfahrensparteien zu treffen wären. Im Gegenteil: Bei unterschiedlichen Sachverhalten kann und muss die Anwendung desselben Maßstabs zu abweichenden Ergebnissen führen. In diesem Sinne hat Vollkommer festgestellt: „Der befürchtete ‚Zielkonflikt‘ mit den Werten der Unparteilichkeit und Neutralität des Richters besteht nicht. Soweit der Richter im Rahmen der Verfahrensgestaltung und Prozeßleitung materielle Waffengleichheit zwischen den Parteien herstellt, handelt er nicht ‚parteiisch‘ zum Vorteil der einen und zum Nachteil der anderen, ‚ungleich‘ behandelten Partei, sondern schafft im Gegenteil eine Grundvoraussetzung einer gerechten Entscheidung.“286 Die Neutralitätspflicht des Gerichts ist also kein taugliches Argument gegen das materielle Verständnis der Waffengleichheit.287

(3)  Konsequenzen für die Bildung praktischer Konkordanz Nunmehr ist zu klären, ob bzw. welche Schlüsse aus dem Grundsatz der Waffengleichheit für die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel zu ziehen sind. Insofern gilt es, zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden: Einerseits ist denkbar, dass beide Parteien vom jeweiligen Prozessgegner discovery erlangen. Dazu kommt es, wenn beide Parteien erfolgreich einen Antrag gem. 28 USC § 1782(a) gestellt haben,288 wenn das Bezirksgericht in Ausübung seines Ermessens dem Antrag einer Partei nur unter der Bedingung stattgibt, dass diese sich ebenfalls zur Offenlegung der relevanten Informationen verpflichte,289 oder wenn der Antragsteller von sich aus freiwillig der discovery gleichwertige prozessuale Aufklärung betreibt. In diesen Fällen ist zwischen den Parteien keine Ungleichheit festzustellen. Sie sind aus der Perspektive der Waffengleichheit mithin von vornherein unproblematisch. Die andere Gruppe bilden solche Fälle, in denen nur eine Partei gem. 28 USC § 1782(a) discovery erlangt. Das ist der Fall, wenn nur eine Partei der Zuständigkeit eines US‑Bezirksgerichts unterfällt290 und der Prozessgegner auch nicht 285  In diesem Sinne aber OLG München NJW‑RR 1996, 958 (960); Stürner, Die richterliche Aufklärung im Zivilprozess, Rn. 39. 286  Vollkommer, FS Schwab, S. 503 (520), Nachweise weggelassen. 287  Jung, Der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozeß, S. 107; Kwaschik, Die Parteivernehmung und der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozess, S. 191 ff.; Vollkommer, FS Schwab, S. 503 (519 f.). 288  Das setzt voraus, dass beide Parteien der personal jurisdiction eines district court gem. 28 USC § 1782(a) unterfallen, vgl. dazu oben, § 3 A. II. 289  Vgl. dazu oben, § 3 B. 290  Vgl. nochmals oben, § 3 A. II.

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anderweitig discovery erlangt. Hier entsteht zwischen den Parteien eine Diskrepanz hinsichtlich des Informationszugangs: Während eine Partei über alle auch nur potenziell relevanten Informationen und Beweismittel aus der Sphäre des Gegners verfügt,291 ist dieser auf die (im Vergleich sehr restriktiven) Mittel angewiesen, die ihm das deutsche Recht zur Verfügung stellt.292 Das ist mit den vorstehend entwickelten Anforderungen der Waffengleichheit nicht vereinbar.293 Die Parteien verfügen in der genannten Konstellation nicht mehr über „gleichwertigen Durchsetzungschancen“ im Prozess. Die nach deutschem Recht nicht zu erlangende Aufklärung im Rahmen der discovery kommt einer Umgehung der relevanten Regelungen des deutschen Rechts294 gleich, und führt so zu einer Störung der gleichmäßigen Verteilung des Prozessrisikos.295 Derjenige, der keine Aufklärung gem. 28 USC § 1782(a) erlangt, gerät so im Sinne der Rechtsprechung gegenüber dem Prozessgegner in einen substanziellen Nachteil. Die nur einseitige Verfügbarkeit von discovery gem. 28 USC § 1782(a) begründet mithin eine vom Gericht zu behebende Störung der prozessualen Waffengleichheit.296 Die von 28 USC § 1782(a) ausgehende Gefahr für die Waffengleichheit ist auch Gegenstand der US-amerikanischen Diskussion um die Vorschrift. Einige Stimmen lehnen mit Blick darauf die Gewährung von discovery gem. 28 USC § 1782(a) ab, wenn im Forumstaat keine der discovery entsprechenden Aufklärungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.297 Auch der Supreme Court hat das 291 

Vgl. zum Umfang der discovery oben, § 2 B. und C. Vgl. zu der nach deutschem Recht geschuldeten Aufklärung oben, § 1. 293  Vgl. soeben, § 7, B. IV. 5.b.)aa)(2). 294  In diesem Sinne auch Wagner, FS Leipold, S. 801 (817): „Was sind die Konsequenzen einer extensiven Auslegung von 28 U. S. C. § 1782(a) für das deutsche Verfahrensrecht? Sie bestehen kurz gesagt darin, dass sich die Voraussetzungen und Grenzen des § 142 ZPO beliebig unterlaufen lassen, indem ein Rechtshilfeersuchen an das zuständige Gericht in den USA gerichtet wird.“ 295 Vgl. bezogen auf internationale Schiedsverfahren in diesem Sinne Trittmann, SchiedsVZ 2016, 7 (7). 296 Ebenso liegt es bei rechtswidrig erlangten Beweismitteln, vgl. Morgenroth, ZStV 2012, 212 (215), der anschaulich von „Doping“ im Zivilprozess spricht. In diesem Sinne auch ders., NZA 2014, 408 (411). Auch im US-amerikanischen Schrifttum finden sich Stimmen, die den Grundsatz der Waffengleichheit in der geschilderten Situation verletzt sehen, Ross, 11  Duke Law & Technology Review 2012, 313; Blackman/Fox, Discovery in Aid of Arbitration under 28 USC 1782, in: Global Arbitration Review, online verfügbar unter http:// globalarbitrationreview.com/insight/the-arbitration-review-of-the-americas-2017/1067594/ discovery-in-aid-of-arbitration-under-28-usc-1782, zuletzt abgerufen am 16. Mai 2019, unter Bezugnahme auf NBC v. Bear Stearns, 165 F. 3d 184, 191 (2d Cir. 1999). 297  In diesem Sinne bezogen auf Verfahren vor Schiedsgerichten, deren Verfahrensordnungen keine der discovery entsprechende Sachverhaltsermittlung erlauben NBC v. Bear Stearns, 165 F. 3d 184, 191 (2d Cir. 1999). Allgemein Ross, 11 Duke Law & Technology Review 2012, 313 (327): „Most often, granting a § 1782 request creates informational asymmetries between the party obtaining otherwise undiscoverable information and the party giving up such information only to be unable to reciprocate with a similar discovery request. […] [U]nder Intel, 292 



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entsprechende Problem anerkannt. Die von 28 USC § 1782(a) ausgehenden Gefahren für die Waffengleichheit seien aber kein Grund, die discovery nicht zu gewähren; es sei nämlich davon auszugehen, dass das ausländische Gericht entsprechende Störungen ggf. selbst beseitigen werde.298 Im Ergebnis sind die Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel mit den Anforderungen der prozessualen Waffengleichheit unvereinbar, wenn nur eine der Parteien über entsprechende Beweismittel verfügt. Verfügen hingegen beide Parteien über entsprechende Beweismittel, sind der Waffengleichheit keine Wertungen bezüglich der untersuchten Frage zu entnehmen. Dieser Umstand ist bei der Bildung der praktischen Konkordanz der widerstreitenden Grundrechte von Beweisführer und Beweisgegner zu berücksichtigen.

bb)  Verbot ausforschender Beweisanträge Gegen die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel könnte weiterhin das „Ausforschungsverbot“ sprechen.299 Danach sind ausforschende Beweisanträge im Zivilprozess unzulässig. Mitunter wird das Ausforschungsverbot auch dahingehend verstanden, dass die Parteien eines Zivilprozesses grundsätzlich nicht gehalten seien, dem Gegner das tatsächliche Material für dessen Prozesssieg zu verschaffen. Dabei handelt es sich aber um einen separaten, über das Beweisrecht i. e. S. hinausgehenden Rechtssatz, der aus Gründen der Übersichtlichkeit an späterer Stelle getrennt dargestellt werden wird.300 Bereits das Reichsgericht hat Beweisanträge unter gewissen Voraussetzungen als ausforschend und deshalb unzulässig zurückgewiesen.301 Dieses Verbot wird aus der Verhandlungsmaxime abgeleitet.302 In der Rechtsprechung sind drei Fallgruppen anerkannt: Erstens sind solche Beweisanträge unzulässig, die nicht zuvor aufgestellte Tatsachenbehauptungen verifizieren sollen, sondern darauf abzielen, neue Tatsachen zu erfahren, um diese dann zur Grundlage neuen Sachvortrags zu machen.303 Zweitens sind Beweisanträge unzulässig, die zu U. S. courts affirmatively grant discovery, which will most often create an unequal playing field within the foreign litigation. This is because the information requested is typically unobtainable under the forum’s procedural rules.“ 298  Intel Corp. v. AMD, Inc., 542 U. S 241, 262 (2004), dort Fn. 14: „A civil-law court, furthermore, might attend to litigant-parity concerns in its merits determination […].“ Vgl. dazu auch oben § 3 A. III. 299  Auf das „Ausforschungsverbot“ beziehen sich z. B. Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland, S. 139 ff., 208; Rollin, Ausländische Beweisverfahren, S. 17 f. 300  Insofern ist mitunter vom „Ausforschungsverbot im weiteren Sinne“ die Rede, vgl. zu dieser Differenzierung Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 91 f. und sogleich § 7, B. IV. 5.b)cc). 301  RGZ 169, 223 (224). Vgl. den Überblick über die historische Entwicklung bei Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 92 m. w. N. dort Fn. 504. 302  Leipold, in: Stein/Jonas22, § 284 Rn. 42. 303  BGH NJW 1984, 2579.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

völlig „aus der Luft gegriffenen“ Vermutungen „ins Blaue hinein“ gestellt werden.304 Schließlich ist ein Beweisantrag unzulässig, wenn er hinsichtlich der zu beweisenden Tatsache oder des Beweismittels nicht ausreichend bestimmt ist.305 Im Schrifttum wird mitunter bezweifelt, dass die referierte Rechtsprechung tatsächlich ein „Ausforschungsverbot“ begründet.306 Insbesondere die zweite und dritte Fallgruppe brächten in Wahrheit nicht ein in der Verhandlungsmaxime begründetes Verbot der Ausforschung zum Ausdruck, sondern bildeten vielmehr das allgemeine Substantiierungsgebot bzw. die Wahrheitspflicht gem. § 138 Abs. 1 ZPO ab.307 Der Ausforschungsbeweis stelle deshalb insgesamt bloß ein „Scheinproblem“ dar.308 Ob das Verbot ausforschender Beweisanträge im Ergebnis anzuerkennen ist, kann für die vorliegende Untersuchung aber offen bleiben.309 Die Antwort auf die Frage ist ohne Konsequenz für die Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel. Das untersuchte Problem fällt nämlich in keine der referierten Fallgruppen. Die in Rede stehenden Tatsachen sind hier aufgrund der discovery dokumentiert und dem Beweisführer bekannt. Entsprechende Beweisanträge können aus diesem Grund ausreichend bestimmt formuliert werden, sind nicht „ins Blaue hinein“ gestellt und zielen auch nicht auf die Ermittlung neuer Tatsachen ab. Das (vermeintliche) Verbot ausforschender Beweisanträge steht mithin in keinem Zusammenhang zu der untersuchten Frage.

cc)  Nemo contra se edere tenetur Gegen die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel könnte weiterhin sprechen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BGH „keine Partei […] gehalten [ist], dem Gegner für seinen Prozeßsieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt.“310 Dieser Grundsatz 304  BGH

NJW 1968, 1233 (1234); NJW 1984, 2579; NJW 1986, 246 (247); NJW 1989, 2947 (2948); NJW 1995, 2111 (2112); NJW‑RR 2003, 69 (70). 305  Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 95 f. 306  Darüber hinaus wird die Rechtsprechung auch inhaltlich kritisiert. Insbe-sondere bezüglich der ersten Fallgruppe sei vom Verbot jedenfalls dann eine Ausnahme zu machen, wenn die Unkenntnis der beweisbelasteten Partei von dieser nicht verschuldet sei, vgl. Chuboda, Der ausforschende Beweisantrag, S. 159; Gamp, DRiZ 1982, 165 (171); Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 102. 307  Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 102, spricht insofern von der Ausforschung als „Akzidens“. 308  Gamp, DRiZ 1982, 165 (170 f.). 309  Vgl. dazu aber instruktiv Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 102 f. 310  St. Rspr. seit BGH NJW 1958, 1491 (1492). Vgl. BGH WM 1963, 864; NJW 1964, 1414; NJW 1990, 3151; NJW 2007, 155 (156). Ebenso die Rechtsprechung des BAG, vgl. z. B. NJW 2004, 2848 (2851). In diese Richtung auch schon RGZ 63, 408 (410): „Keine Partei



§ 7  Rechtfertigung

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wird in Anlehnung an die strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur se ipsum accusare311) geläufig formuliert als nemo contra se edere tenetur.312

(1)  Geltung des nemo tenetur-Grundsatzes im Zivilprozess Der vom BGH postulierte Grundsatz wird von einigen Stimmen im Schrifttum in Frage gestellt. Eine „zivilprozessuale Selbstbelastungsfreiheit“ bestehe nicht.313 Im Gegenteil seien die Parteien grundsätzlich zur gegenseitigen Aufklärung verpflichtet.314

(a)  Keine Verallgemeinerung punktueller Aufklärungspflichten Das folge aus den an verschiedener Stelle geregelten Werkzeugen zur Bekämpfung prozessualer Informationsnot. Das materielle Recht enthält verschiedentlich Umkehrungen der Darlegungs- und Beweislast bzw. (widerlegbare) Rechts- und Tatsachenvermutungen,315 und räumt dem Anspruchsteller Informationsansprüche ein316. Im Prozessrecht ist zu denken an die prozessuale Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO), die Erklärungspflicht des Prozessgegners gem. § 138 Abs. 2 ZPO, die Grundsätze der sekundären Darlegungslast317 sowie die vereinzelten Pflichten zur Urkundenedition, insbesondere gem. § 142 Abs. 1 ZPO318. Auch die Vorschriften über die Beweisvereitlung gem. §§ 371 Abs. 3, 427, 441 Abs. 3 S. 3, 444, 453 Abs. 2, 454 Abs. 1 ZPO verlangen von den Parteien eine gewisse Kooperation im Rahmen der Sachverhaltsermittlung.319 Aus diesen Regelungen könne geschlossen werist verpflichtet, sich, um der Gegenpartei den Beweis zu erleichtern, als Beweismittel benutzen zu lassen […]“. Hier handelt es sich um den oben, § 7 B. IV. 5.b)bb), in Bezug genommenen Rechtssatz, der mitunter auch als Ausforschungsverbot im weiteren Sinne begriffen wird, vgl. Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 92. 311  Vgl. dazu Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner/Schmitt StPO, Einl Rn. 29a. 312  Vgl. statt aller Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 287. 313 Grundlegend Stürner, Aufklärungspflicht, S. 57 ff., in neuerer Zeit Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten bei der Sachverhaltsaufklärung, S. 253; Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 105 ff.; Saenger, ZZP 121 (2008), 139 (146). 314  Stürner, Aufklärungspflicht, S. 60 f.; ders., ZZP 98 (1985), 237; ders., ZZP 104 (1991), 208 (215 ff.); Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 183 f.; Waterstraat, ZZP 118 (2005), 459 (477 ff.). Vorsichtig in diesem Sinne auch Kern, in: Stein/ Jonas23, § 138 Rn. 47 ff., 54. 315  Z. B. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB, vgl. auch die Übersicht der wichtigsten Fälle bei Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten bei der Sachverhaltsaufklärung, S. 147 f. 316  Z. B. § 1605 Abs. 1 BGB, vgl. auch die Übersicht bei Brandt, Das englische Disclosure-Verfahren, S. 84 ff. 317  BGHZ 86, 23, 29; BGH NJW 1981, 113, 114. Vgl. allgemein C. Wagner, in: MüKoZPO, § 138 Rn. 21 f. 318  Vgl. zur Editionspflicht gem. § 142 n. F. ZPO G. Wagner, JZ 2007, 706. 319 Vgl. Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 69 ff.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

den, dass die Parteien einander grundsätzlich zur gegenseitigen prozessualen Aufklärung und Mitwirkung verpflichtet seien.320 Das kann nicht überzeugen. Im Gegenteil: Ausnahmen bestätigen die Regel. Bestünde eine allgemeine Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht, so wäre die Existenz der einzelnen Werkzeuge zur Bekämpfung prozessualer Informationsnot nicht zu erklären. Denn dann wäre – unabhängig von der jeweiligen Einzelregelung  – der Prozessgegner schon aufgrund der allgemeinen Aufklärungspflicht zu der in Rede stehenden Aufklärung verpflichtet.321 Zusätzlich würde die Annahme einer allgemeinen prozessualen Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht dazu führen, dass die Voraussetzungen materiell-rechtlicher Informationsansprüche nach Eintritt der Rechtshängigkeit bedeutungslos werden. Es ist aber nicht ersichtlich, wieso die Rechtshängigkeit Auswirkungen auf den Umfang der einer Partei zustehenden Informationsansprüche haben sollte.322 Darüber hinaus lässt die ZPO‑Reform 2001 erkennen, dass auch nach Ansicht des Gesetzgebers eine allgemeine prozessuale Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht nicht besteht. Relevant ist insofern v. a. die neue Editionspflicht in § 142 ZPO n. F. Danach muss eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegen. Das widerspricht der These von der allgemeinen prozessualen Aufklärungspflicht in mehrfacher Hinsicht. Erstens wäre die Einführung einer neuen Editionspflicht sinnlos, wenn ohnehin eine generelle Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht besteht. Zweitens wäre vor dem Hintergrund der Debatte um die Existenz einer allgemeinen prozessualen Aufklärungspflicht zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber diese ausdrücklich anerkennt, wenn er 320  Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten bei der Sachverhaltsaufklärung, S. 255; Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 106 f.; Stürner, Aufklärungspflicht, S. 59 f.; ders., ZZP 104 (1991), 208 (210). 321  In diesem Sinne ausdrücklich bezogen auf die Editionspflicht gem. § 422 ZPO PlochKumpf, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Zivilprozeß, S. 121; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 137 f. Das scheint auch Stürner, ZZP 104 (1991), 208 (214) anzuerkennen. Teilweise wird insofern auch auf das Institut der Stufenklage gem. § 254 ZPO verwiesen, vgl. Ploch-Kumpf, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Zivilprozeß, S. 119. Das kann aber nicht überzeugen. Zweck von § 254 ZPO ist es, in Ausnahme vom Bestimmheitserfordernis gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eine Klage zu ermöglichen, wenn der Kläger nicht über die zur insofern erforderlichen Bezifferung des Klageantrags erforderlichen Informationen verfügt, Roth, in: Stein/Jonas22, § 254 Rn. 1. Die Regel zielt also auf einen Zeitpunkt vor Beginn des Prozessrechtsverhältnisses und mithin vor Entstehung des (vermeintlichen) allgemeinen Aufklärungsanspruchs ab. Diese Funktion des § 254 ZPO bliebe auch bei Bestehen eines allgemeinen prozessualen Aufklärungsanspruchs erhalten, Stürner, ZZP 104 (1991), 208 (214). 322  Ploch-Kumpf, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Zivilprozeß, S. 119; Schumann, in: Stein/Jonas20, Einl. Rn. 240; a. A. Stürner, ZZP 104 (1991), 208 (214). Vgl. auch insgesamt sehr kritisch zu der von Stürner vorgeschlagenen Aufklärungspflicht Arens, ZZP 96 (1983), 1.



§ 7  Rechtfertigung

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denn von ihrem Bestehen ausginge. Das ist aber nicht geschehen.323 Im Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zur ZPO‑Reform 2001 wird auch deutlich, dass eine allgemeine Aufklärungspflicht nach dem Vorbild der discovery nicht das Ziel war:324 „Hinsichtlich der Regelungen in den §§ 142, 144 (Vorlage von Urkunden u. a.) ist klarzustellen, dass damit keine (unzulässige) Ausforschung der von einer richterlichen Anordnung betroffenen Partei oder des Dritten bezweckt wird. […] Insbesondere ist die Befürchtung, die geplanten Neuregelungen näherten den deutschen Zivilprozess an das Leitbild des US-amerikanischen ‚discovery‘-Verfahren an, nicht begründet: Die neuen Vorschriften verleihen ebenso wenig wie das geltende Recht die Befugnis, schutzwürdige Geheimbereiche von Verfahrensbeteiligten auszuforschen. […] § 142 ZPO‑E lässt diesen Rechtszustand schon deswegen unberührt, weil die Vorschrift die Partei, die sich auf eine Urkunde bezieht, nicht von ihrer Darlegungs- und Substantiierungslast befreit. Das Gericht darf die Urkundenvorlage nur auf der Grundlage eines schlüssigen Vortrags der Partei, die sich auf die Urkunde bezieht, anordnen. § 142 ZPO‑E gibt dem Gericht nicht die Befugnis, unabhängig von einem schlüssigen Vortrag zum Zwecke der Informationsgewinnung Urkunden anzufordern. Eine solche Ausforschung der Parteien oder des Dritten ist und bleibt prozessordnungswidrig.“325

Aus den einzelnen Werkzeugen zur Bewältigung prozessualer Informationsnot kann also nicht auf eine allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht geschlossen werden. Vielmehr bestätigen die punktuellen Regelungen als Ausnahmen die Regel, dass im Grundsatz keine Partei eines Zivilprozesses gehalten ist, ihrem Gegner das Material für dessen Prozesssieg zu verschaffen.

(b)  Kein prozessualer Wahrheitszweck Als weiteres Argument gegen den nemo tenetur-Grundsatz wird der Zweck des Zivilprozesses ins Felde geführt. Dieser bestehe nämlich darin, die subjektiven Rechte der Parteien durchzusetzen und so materielle Gerechtigkeit zu schaffen.326 Dies wiederum setze „denknotwendig“ die Prüfung der Wahrheit der von den Parteien aufgestellten Tatsachenbehauptung voraus,327 welche ihrerseits „undenkbar“ sei ohne eine umfassende Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei.328 Das kann nicht überzeugen. Wie gezeigt kommt dem Zivilprozess der vermeintliche „Wahrheitszweck“ im Sinne der Ermittlung der „historischen Wahr-

323 Ähnlich

Zekoll/Bolt, NJW 2002, 3129 (3130). Vgl. dazu und zu der Frage, welcher Stellenwert dem Bericht des Rechtsausschusses bei der Auslegung von § 142 ZPO richtigerweise einzuräumen ist, Wagner, JZ 2007, 706 (708). 325  BT‑Drs. 14/6036, S. 120 f., Nachweise weggelassen. 326  Vgl. oben, § 7 B. IV. 5.a)aa). 327  Stürner, Aufklärungspflicht, S. 42 ff. 328  Stürner, Aufklärungspflicht, S. 56. 324 

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

heit“ nicht zu.329 Auch der Zweck des Zivilprozesses spricht mithin nicht gegen den nemo tenetur-Grundsatz.

(c)  Historische Grundlagen Der nemo tenetur-Grundsatz entspricht auch den historischen Wurzeln des aktuellen Prozessrechts. Das römische Zivilprozessrecht kannte keine allgemeine Informationspflicht der Parteien.330 Auch der CPO‑Gesetzgeber verstand das von ihm geschaffene Prozessrecht als „Kampfregel für die vor dem Gericht im freien Kräftespiel sich messenden Parteien.“331 Eine „Aufklärungsgemeinschaft“ der Parteien des Zivilprozesses ist damit unvereinbar.332 Zwar hat das „soziale Prozessverständnis“333 in späterer Zeit zu einer Aufweichung des ursprünglich verfolgten liberalen Prozessbildes geführt. So wurde zum Beispiel die Parteiherrschaft zugunsten stärkerer richterlicher Prozessleitung eingeschränkt und die prozessuale Wahrheitspflicht gem. § 138 Abs. 1 ZPO geschaffen.334 Die Einrichtung umfassender gegenseitiger Informationspflichten der Parteien war aber nie das Ziel dieser Reformbestrebungen, vielmehr blieb es insofern bei der ursprünglichen liberalen Ausrichtung des Prozessrechts.335

(d) Zwischenergebnis Der Grundsatz, dass eine Partei nicht gehalten ist, ihrem Gegner das Material für dessen Prozesssieg zur Verfügung zu stellen, gilt mithin – trotz Kritik im Schrifttum – nach wie vor.336 Eine allgemeine Aufklärungspflicht der Parteien besteht de lege lata nicht.337 329 

Vgl. nochmals oben, § 7 B. IV. 5.a)aa). Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 85, m. z. N., dort Fn. 148. 331  Gaul, AcP 168 (1968), 27 (47). 332  Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 86. 333 Grundlegend Franz Klein, Zeit- und Geistesströmungen im Prozesse (1901). 334  Gaul, AcP 168 (1968), 27 (48). 335  Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 86 f. 336  Vgl. BGHZ 116, 47 (56); 150, 377 (384 f.); BGH NJW 1958, 1491 (1492); 1964, 1414; 1990, 3151; 1997, 128 (129); 2000, 1108 (1109); 2007, 155 (156); BAG NJW 2004, 2848 (2851); Leipold, in: Stein/Jonas22, § 138 Rn. 26; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, § 138 Rn. 21; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht § 109 Rn. 8; Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozessparteien, S. 234 ff.; Lüke, ZZP 108 (1995), 427 (443); Ploch-Kumpf, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Zivilprozeß, S. 129; Reischl, JR 1997, 404. 337  BGH NJW 1990, 3151; NJW 1992, 1817 (1819); NJW 1997, 128 (129); NJW 2000, 1108 (1109); Leipold, in: Stein/Jonas22, § 138 Rn. 26 ff.; Seiler, in: Thomas/Putzo, § 138, Rn. 12; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 109 Rn. 8; Arens, ZZP 96 (1983), 1 (18); Gottwald, ZZP 92 (1979), 364 (368); Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 83; Lüke, JuS 1986, 2 (3); Musielak, Festgabe BGH, S. 193 (223); OsterlohKonrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 87; Ploch-Kumpf, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Zivilprozeß, S. 118 ff.; Prütting, Gegenwartsprobleme der 330 



§ 7  Rechtfertigung

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Damit ist keine Stellungnahme gegen die Einführung einer allgemeinen prozessualen Aufklärungspflicht de lege ferenda verbunden. Anders als teilweise behauptet, wäre die Einführung einer allgemeinen Aufklärungspflicht im Zivilprozess nicht mit dem „Wesen des Zivilprozesses“ unvereinbar.338 Im Gegenteil sprechen dafür durchaus gute Argumente.339 Im internationalen Vergleich ist die Haltung des deutschen Rechts zur gegenseitigen Aufklärung der Prozessparteien eher restriktiv.340 Schlosser ist wohl beizupflichten, wenn er „Flickwerk und Rückständigkeit von Recht und Rechtsprechung in Deutschland“ beklagt341. Andererseits ist nicht jede Aufweichung des liberalen Prozessverständnisses selbstverständlich als Fortschritt zu begrüßen.342 Es sei z. B. daran erinnert, dass auch die totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts das in der Verhandlungsmaxime zum Ausdruck kommende liberale Prozessverständnis angegriffen haben.343 Diese rechtspolitischen Fragen können und sollen hier aber nicht weiter vertieft werden.344

(2)  Konsequenzen für die Bildung praktischer Konkordanz Der nemo tenetur-Grundsatz ist das Ergebnis einer gesetzgeberischen Abwägung der widerstreitenden Interessen der Verfahrensparteien.345 Danach überwiegt die Freiheit des Beweisgegners grundsätzlich das Rechtsschutzinteresse des Beweisführers; die gesetzlichen Ausnahmetatbestände beschreiben den Bereich, in dem der Gesetzgeber dem Rechtsschutzinteresse den größeren Stellenwert einräumt.346 Dilcher hat diesen Zusammenhang bereits in Bezug auf die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel formuliert. Danach liegt außerhalb der gesetzlichen Ausnahmetatbestände eine „prozeßrechtlich normierte Garantie einer Freiheitssphäre des Beweisgegners“347; mit anderen Worten begründet der nemo tenetur-Grundsatz eine „prozeßfreie Sphäre“ des Beweislast, S. 137 ff.; ders., FS Németh, S. 301 (712); Reischl, JR 1997, 404; Schneider, NJW 1977, 428; Wagner, JZ 2007, 706 (707). 338  Vgl. in diesem Sinne aber z. B. Wach, Grundfragen und Reform des Zivilprozesses, S. 35: „[D]ie Zivilpartei sollte verpflichtet sein, […] gegen ihr eigenes Fleisch zu wüten? Wer das behauptet, dem ermangelt es an der tieferen Einsicht in das Wesen des Zivilprozesses.“ 339  Vgl. grundlegend Stürner, Aufklärungspflicht, S. 13 ff., in jüngerer Zeit Katzenmeier, JZ 2002, 533. 340  Vgl. nur Stürner, ZZP 104 (1991), 208 (216) m. w. N. zur Rechtslage in England, den USA, Frankreich und Österreich, dort Fn. 45–49. 341  Schlosser, JZ 1991, 599 (603). 342  In diesem Sinne auch Arens, ZZP 96 (1983), 1 (19). 343  Vgl. hierzu Leipold, JZ 1982, 441. 344  Vgl. zu diesen Fragen umfassend Gottwald, Gutachten 61. DJT, A 15 ff. mit dem Vorschlag der Einführung einer allgemeinen prozessualen Aufklärungs- und Vorlagepflicht. Der Vorschlag wurde vom 61. DJT abgelehnt, vgl. dazu Gottwald, FS Stürner, S. 301 (311 ff.). 345 Vgl. Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 83. 346  Vgl. auch Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 83 ff. 347  Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (478), ohne im Original befindliche Hervorhebung.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

Beweisgegners außerhalb der ausnahmsweise gesetzlich geregelten Werkzeuge zur Bekämpfung prozessualer Informationsnot.348 Diese prozessfreie Sphäre gilt es bei der Behandlung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel zu berücksichtigen. Wie gezeigt greifen die Erhebung und Verwertung der in Rede stehenden Beweismittel im Prozess in die grundrechtlich geschützte Sphäre des Beweisgegners ein.349 Das ist nach der im nemo tenetur-Grundsatz ausgedrückten gesetzgeberischen Abwägung nur dort zulässig, wo das ausnahmsweise angeordnet ist; im Übrigen gilt es, die „prozeßfreie Sphäre“ des Beweisgegners zu respektieren. Das heißt konkret, dass der nemo tenetur-Grundsatz gegen die Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel spricht, soweit deren Vorlage bzw. die Preisgabe der in ihnen verkörperten Informationen nach deutschem Recht nicht hätte verlangt werden können. Konnte der Beweisführer die Beweismittel bzw. Informationen hingegen ausnahmsweise auch nach deutschem Recht vom Beweisgegner erlangen, so verhält sich der nemo tenetur-Grundsatz neutral zur Erhebung und Verwertung der in Rede stehenden Beweismittel.350

dd) Beweislastverteilung Weiterhin könnte die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast durch das materielle Recht eine relevante Wertung darstellen. Mit der Darlegungs- und Beweislast verteilt das materielle Recht das Prozessrisiko zwischen den Parteien. Dabei geht der Gesetzgeber von den nach deutschem Recht gegebenen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung aus. Die Beschaffung von Beweismitteln gem. 28 USC § 1782(a) eröffnet eine insofern vom Gesetzgeber nicht berücksichtigte Informationsquelle. Das könnte die vom materiellen Recht beabsichtigte Verteilung des Prozessrisikos stören.351 Sollte das der Fall sein, so könnte dies gegen die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel sprechen.

348  Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (480), der sich insofern aber ausschließlich auf §§ 422 f. ZPO bezieht. Vgl. dazu nochmals oben, § 5 B. I. 349  Vgl. oben, § 6. 350  Bezogen auf rechtswidrig erlangte Beweismittel in diesem Sinne auch Dilcher, AcP 158 (1959), 469 (488); Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozessparteien, S. 248 f. 351  In diesem Sinne argumentiert Trittmann, SchiedsVZ 2016, 7, allerdings nicht bezogen auf die spezielle Regel des 28 USC § 1782(a), sondern allgemein auf ein Zusammentreffen von kontinental-europäischem materiellen Recht und common law-geprägtem Prozessrecht. In dieselbe Richtung gehen Überlegungen des BGH, der eine Ausweitung materiellrechtlicher Informationsansprüche (nach deutschem Recht) unter Verweis darauf ablehnt, diese drohten, „die Verteilung der Beweislast […] ohne rechtfertigenden Grund […] zu verschieben.“, BGHZ 89, 25 = NJW 1984, 487 (488). In diesem Sinne auch BGHZ 148, 26 (35); BGH NJW 1990, 1358. Auch Krüger, in: MüKo-BGB, § 260 Rn. 37 mahnt, dass durch Auskunftsansprüche „die allgemeinen Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast nicht unterlaufen werden dürfen“.



§ 7  Rechtfertigung

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Der befürchtete Konflikt zwischen der Beweisbeschaffung gem. 28  USC § 1782(a) einerseits und der Verteilung des Prozessrisikos durch die Beweislast andererseits besteht aber tatsächlich nicht. Der Umfang der den Parteien zur Verfügung stehenden Informationsquellen ist ohne Auswirkung auf die Verteilung des Prozessrisikos. Je mehr Informationsquellen den Parteien zur Verfügung stehen, desto seltener wird es zwar zu einem non liquet kommen.352 Bleibt eine Tatsache aber dennoch einmal unerweislich, so geht diese Situation nach wie vor zulasten derjenigen Partei, der vom materiellen Recht die Beweislast zugewiesen ist.353 Die Einräumung zusätzlicher Informationsmöglichkeiten hat auf die Beweislastverteilung also keine Auswirkung.354 Folglich ist der Beweislastverteilung keine für die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel relevante Wertung zu entnehmen.

ee) Datenschutz Weiterhin könnte das Datenschutzrecht bei der Entscheidung über die Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel zu beachten sein. Europäisches Datenschutzrecht und die US-amerikanische discovery stehen zueinander in einem Spannungsverhältnis.355 Sie verfolgen einander entgegenstehende Ansätze: Das Ziel der discovery ist die möglichst weitgehende Ermittlung des streitrelevanten Sachverhalts.356 Nach der Logik des amerikanischen Prozessrechts ist ein Mehr an Informationen daher stets zu befürworten. Aus der Perspektive des Datenschutzrechts gilt hingegen: Je weniger personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet und genutzt werden, desto besser. Personenbezogene Informationen sind danach per se schutzwürdig.357 Der Umgang mit ihnen untersteht deshalb einem allgemeinen Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, Art. 6 Abs. 1 DSGVO.358 Zusätzlich ist gem. Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO im Umgang mit persönlich Daten stets der sog. Grundsatz der Datenminimierung zu beachten. Danach müssen die zu verarbeitenden Daten „im Rahmen der Zweck352 

Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 81; Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 114 f. 353  Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 87. 354  Bezogen auf Informationsansprüche in diesem Sinne auch Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 82; Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 114 f. In diesem Sinne auch schon Lesser, Der Auskunftsanspruch im unlauteren Wettbewerb, S. 35; Zerhusen, Die Rechenschaftspflichten im Bürgerlichen Gesetzbuche, S. 43. 355  In diesem Sinne zur DSRL und zum BDSG a. F. Brisch/Laue, RDV 2010, 1; Junker, Electronic Discovery gegen deutsche Unternehmen, Rn. 173 ff.; Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, passim; Spies/Schröder, MMR 2008, 275 (277); Deutlmoser/Filip, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 16.6 Rn. 1: „grundsätzliche[s] Dilemma“. 356  Vgl. oben, § 2. 357  Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 7 f. 358  Frenzel, in: Paal/Pauly DSGVO, Art. 6 Rn. 1. Das entspricht § 4 Abs. 1 BDSG a. F., vgl. dazu Gola/Klug/Körffer, in: Gola/Schomerus BDSG, § 4 Rn. 3.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

bindung qualitativ und quantitativ begrenzt werden, wobei das Wort ‚Minimierung‘ auf eine möglichst weitgehende Begrenzung abzielt“.359 Während die discovery also eine möglichst weitgehende Informationsermittlung fordert, schränkt das europäische Datenschutzrecht entsprechende Bestrebungen ein. Diese widerstreitenden Vorstellungen kollidieren, wenn derjenige, der im Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) Daten in die USA übermittelt, seinen Sitz oder eine Niederlassung in der europäischen Union hat. Denn in diesem Fall ist europäisches Datenschutzrecht anwendbar, (1). Dieses verbietet aber ganz regelmäßig die Übermittlung von Daten im Rahmen von 28 USC § 1782(a), (2). Das amerikanische Recht nimmt darauf seinerseits keine Rücksicht, (3). Wird bei Erlangung eines Beweismittels gem. 28 USC § 1782(a) gegen europäisches Datenschutzrecht verstoßen, wirkt sich das auf die Verwertbarkeit des Beweismittels im deutschen Zivilprozess aus, (4).

(1)  Anwendbarkeit des europäischen Datenschutzrechts Das Datenschutzrecht ist für die vorliegende Untersuchung nur relevant, soweit es auf die Übermittlung von Informationen und Beweismitteln im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) anwendbar ist.

(a)  Sachlicher Anwendungsbereich Gemäß Art. 2 Abs. 1 DSGVO gilt die Verordnung für „die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen“. Damit greift Art. 2 Abs. 1 DSGVO auf verschiedene Legaldefinitionen aus Art. 4 DSGVO zurück.360 Die zentralen Begriffe sind die „personenbezogenen Daten“ und deren „Verarbeitung“.

(aa)  Personenbezogene Daten Personenbezogene Daten sind gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO „alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen“. Die Person, auf die sich die Daten beziehen, nennt Art. 4 Nr. 1 DSGVO die „betroffene Person“. Geschützt sind nur Informationen, die sich auf natürliche Personen beziehen.361 Juristische Personen können sich hingegen nicht (unmittelbar) auf die DSGVO berufen.362 Richtet sich die discovery gem. 28 USC § 1782(a) gegen 359  360 

Frenzel, in: Paal/Pauly DSGVO, Art. 5 Rn. 34. Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 2 Rn. 12. 361  Vgl. statt aller Klar/Kühling, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 4 Nr. 1 Rn. 3. 362  Klar/Kühling, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 4 Nr. 1 Rn. 4. So lag es auch nach



§ 7  Rechtfertigung

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eine juristische Person und bezieht sich ausschließlich auf Informationen, die nur die juristische Person betreffen, ist die DSGVO mithin nicht anwendbar. In diesem Fall ist das Datenschutzrecht für die untersuchte Frage irrelevant. Regelmäßig liegt es aber anders. Juristische Personen entfalten ihre Aktivitäten durch die sie vertretenden bzw. von ihnen angestellten natürlichen Personen. Diese handeln gegenüber anderen natürlichen Personen (die ihrerseits ggf. für eine andere juristische Personen auftreten). Informationen, die eine juristische Person betreffen, haben deshalb regelmäßig auch Bezug zu natürlichen Personen. Das gilt auch für die von juristischen Personen im Rahmen von 28 USC § 1782(a) offenzulegenden Beweismittel. Diese enthalten regelmäßig Äußerungen, Einschätzungen und Handlungen natürlicher Personen bzw. auf diese bezogene Informationen. Können diese Informationen einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden, stellen sie personenbezogene Daten einer natürlichen Person dar. Der sachliche Anwendungsbereich des Datenschutzrechts ist dann eröffnet.363 Irrelevant ist insofern, ob die betroffenen Informationen geschäftlicher oder privater Natur sind. Die DSGVO schützt nicht nur Informationen aus der Privat- bzw. Intimsphäre. Vielmehr sind alle Daten mit Bezug zu einer natürlichen Person geschützt, gleich welchen Inhalt sie haben. Das gilt insbesondere auch für „sachliche“ Informationen wie z. B. zu Geschäfts-, Eigentums-, und Vermögensverhältnissen.364 Das europäische Recht entspricht insofern der Rechtsprechung des BVerfG im Volkszählungsurteil.365 Dort hat das BVerfG entschieden, dass es „unter den Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung kein ‚belangloses‘ Datum mehr [gibt]“.366

dem BDSG a. F. Der BDSG‑Gesetzgeber hielt die Informationen juristischer Personen zwar für schutzwürdig, war aber der Auffassung, dass die Modalitäten ihres Schutzes sich nicht angemessen in gesetzlicher Form regeln lassen, vgl. Begründung zum Entwurf des BDSG, BT‑Drs. 7/1027, S. 19. De lege ferenda fordern Roßnagel/Pfitzmann/Garstka, DuD 2001, 253 (257), den Schutz des Datenschutzrechts auch auf juristische Personen zu erstrecken. Unter Verweis auf ein Risiko der „Verwässerung des Grundrechts auf Datenschutz“ aber dagegen Tinnefeld, NJW 2001, 3078 (3079 f.). 363  Das gilt aber natürlich nur, soweit die in Rede stehenden Daten tatsächlich einer natürlichen Person zugeordnet werden können. Das ist aber z. B. dann nicht der Fall, wenn die Daten von allen Anhaltspunkten zur Identität der in Rede stehenden natürlichen Person befreit werden, etwa indem Namen, Telefonnummern, E‑Mail Adressen, Geburtstage etc. geschwärzt werden. In diesem Fall wäre der sachliche Anwendungsbereich des Datenschutzrechts selbstverständlich nicht eröffnet. So lag es auch nach dem BDSG a. F., vgl. dazu Spies/Schröder, MMR 2008, 275 (280). 364  Klar/Kühling, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 4 Nr. 1 Rn. 8. Auch zum BDSG a. F. war anerkannt, dass geschäftliche Informationen natürlicher Personen ebenso geschützt sind wie private Informationen, vgl. Dammann, in: Simitis BDSG, § 3 Rn. 7; Deutlmoser/Filip, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 16.6 Rn. 10; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2075). 365  BVerfGE 65, 1. 366  BVerfGE 65, 1 (45).

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

Der sachliche Anwendungsbereich des Datenschutzrechts wäre danach beispielsweise eröffnet bei (1) einem firmeninternen Telefonbuch, aus dem Namen und private Telefonnummern einer Vielzahl von Mitarbeitern ersichtlich sind, (2) Aufzeichnungen über Beschwerden namentlich zu identifizierender Kunden, (3) Belegen über Zahlungen namentlich zu identifizierender Kunden, (4) einem Register natürlicher Personen, die Kenntnis bestimmter Umstände haben (z. B. ein Kartellrechtsverstoß).367 Das gilt aber nur für Daten, die einen Bezug zur Person haben. Das ist eine selbstständige Voraussetzung des personenbezogenen Datums.368 Personenbezogene Daten sind insofern abzugrenzen von sogenannten Sachdaten. Das sind Informationen, deren Inhalt nicht eine Person betrifft, sondern ausschließlich eine Sache.369 Ein Datum ist aber bereits dann personenbezogen und kein Sachdatum mehr, wenn die Informationen über diese Sache so beschaffen ist, dass dadurch eine natürliche Person identifiziert oder identifizierbar wird.370

(bb)  Ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung von Daten Gem. Art. 2 Abs. 1 DSGVO setzt die Anwendbarkeit der Verordnung weiterhin voraus, dass die personenbezogenen Daten ganz oder teilweise automatisiert verarbeitet werden. Sowohl das Merkmal der Verarbeitung, als auch dasjenige der ganz bzw. teilweisen Automatisierung sind eigenständig in Art. 4 DSGVO legaldefiniert. Gemäß Art. 4 Nr. 2 DSGVO bezeichnet die Verarbeitung von Daten „jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgehensreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslösen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung“. Anders als nach dem BDSG a. F. setzt die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts nach der DSGVO also nicht mehr voraus, dass die personenbezogenen Daten elektronisch verarbeitet werden. Die 367  In diesem Sinne zum BDSG a. F. Deutlmoser/Filip, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 16.6 Rn. 10: „Da der Begriff der personenbezogenen Daten nicht nur private, sondern auch berufliche Angelegenheiten erfasst, enthalten auch die meisten Unternehmens-E‑Mails personenbezogene Daten. Mit anderen Worten: praktisch jede einzelne Unternehmens-E‑Mail fällt nach europäischem und [deutschem] Recht, anders als nach US‑Recht, unter den Begriff der personenbezogenen Daten.“, Nachweise weggelassen, Hervorhebung hinzugefügt. Vgl. auch die Beispiele aus der US-amerikanischen Rechtsprechung bei Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 154 ff. 368  Klar/Kühling, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 4 Nr. 1 Rn. 11. 369  Vgl. die Beispiele bei Klar/Kühling, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 4 Nr. 1 Rn. 12: „Der Mount Everest ist der höchste Berg der Erde.“ 370  Vgl. die Beispiele bei Klar/Kühling, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 4 Nr. 1 Rn. 13.



§ 7  Rechtfertigung

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Verordnung verwendet insofern einen maximal weiten Begriff der Verarbeitung.371 Allerdings nimmt Art. 2 Abs. 2 DSGVO einige Zusammenhänge vom Anwendungsbereich der Verordnung aus. Ausgenommen sind Tätigkeiten, die nicht im Anwendungsbereich des Unionsrechts liegen, Abs. 2 lit. a); Tätigkeiten im Anwendungsbereich von Titel V Kapitel 2 EUV, Abs. 2 lit. b); persönliche oder familiäre Tätigkeiten, Abs. 2 lit. c) (sog. Haushaltsausnahme); Daten im Zusammenhang mit dem Strafrecht und der öffentlichen Sicherheit, Abs. 2 lit. d).372 Schließlich ist gemäß Art. 2 Abs. 3 DSGVO auch die Datenverarbeitung durch Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Europäischen Union aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen. Diese Ausnahmen sind aber für die vorliegende Untersuchung nicht relevant; die folgenden Ausführungen blenden sie deshalb aus.

(b)  Räumlicher Anwendungsbereich Art. 3 DSGVO definiert den räumlichen Anwendungsbereich der Verordnung. Danach ist die Verordnung immer dann anwendbar, wenn der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter in der Europäischen Union eine Niederlassung hat. Ob die Datenverarbeitung selbst in der Union stattfindet ist hingegen irrelevant.373 Darüber hinaus gilt gem. Art. 3 Abs. 2 DSGVO das sogenannte Marktortprinzip. Danach ist die Verordnung auch dann anwendbar, wenn der Verantwortliche bzw. Auftragsverarbeiter zwar keine Niederlassung in der Union hat, er aber betroffenen Personen in der Union Waren oder Dienstleistungen anbietet, lit. a), bzw. deren Verhalten beobachtet, lit. b).374 Insgesamt ist der räumliche Anwendungsbereich des europäischen Datenschutzrechts durch die DSGVO damit im Vergleich zur DSRL deutlich erweitert.375

(c) Zwischenergebnis Die DSGVO ist auf die Übermittlung personenbezogener Daten im Rahmen von 28 USC § 1782(a) anwendbar, wenn der Übermittelnde seinen Sitz in der Europäischen Union hat, dort eine Niederlassung unterhält oder nach dem Marktortprinzip der DSGVO unterfällt. 371 

Herbst, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 4 Nr. 2 Rn. 3.

372 Vgl. Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 2 Rn. 21 ff. 373  Das BDSG stellt davon abweichend auf den Ort der Datenverarbeitung

ab. Daraus folgen gewisse unionsrechtliche Probleme, vgl. Klar, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 3 Rn. 107 ff. Darauf kommt es aber für die vorliegende Untersuchung nicht an. 374  Vgl. allgemein zum Marktortprinzip Klar, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 3 Rn. 6 ff. 375  Klar, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 3 Rn. 1 ff.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

(2)  Rechtsfolge: Allgemeines Verbot mit Erlaubnisvorbehalt Ist die DSGVO anwendbar, gilt das allgemeine Verbot der Datenverarbeitung mit Erlaubnisvorbehalt gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO. Die Datenverarbeitung ist dann nur erlaubt, wenn einer der Erlaubnistatbestände gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO einschlägig ist.376 Bei der Übermittlung von Daten im Rahmen von 28 USC § 1782(a) ist zusätzlich das Kapitel V der DSGVO zu beachten (Art. 44 ff. DSGVO). Denn die Daten werden in die USA übertragen.377 Die Übertragung von Daten in einen Drittstaat ist aber nur unter den Voraussetzungen der Art. 45–49 DSGVO zulässig. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ zu den allgemeinen Voraussetzungen der Datenverarbeitung gem. Art. 6 DSGVO vorliegen.378 Im Rahmen der sog. Zweistufenprüfung werden im ersten Schritt die speziellen Voraussetzungen gem. Art. 44 ff. DSGVO untersucht. Sodann wird die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Datenverarbeitung am allgemeinen Maßstab gem. Art. 6 DSGVO gemessen. Allerdings wird mitunter vertreten, dass die Zweistufenprüfung nicht für alle Tatbestände gem. Art. 44 ff. DSGVO gelte. Insbesondere Art. 48 und 49 DSGVO definierten klare und abgeschlossene Tatbestände. Darauf seien die allgemeinen Voraussetzungen der Datenverarbeitung gem. Art. 6 DSGVO nicht sinnvoll anwendbar. Auf Art. 6 DSGVO komme es in diesen Fällen deshalb nicht an.379 Das kann aber nicht überzeugen. Die besseren Gründe sprechen dafür, bei Übermittlung von Daten in Drittstaaten stets die Zweistufenprüfung anzuwenden.380 Dafür spricht erstens der Wortlaut von Art. 44 S. 1 DSGVO.381 Danach ist die Übermittlung von Daten in Drittstaaten nur zulässig, wenn „der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter die in diesem Kapitel niedergelegten Bedingungen einhalten und auch die sonstigen Bestimmungen dieser Verordnung eingehalten werden“. Art. 44 DSGVO differenziert also nicht zwischen den verschiedenen Tatbeständen der Art. 45 ff. DSGVO; vielmehr muss jede Über376  Frenzel, in: Paal/Pauly DSGVO, Art. 6 Rn. 1. Das entspricht der Rechtslage vor Inkrafttreten der DSGVO gem. § 4 Abs. 1 BDSG a. F., vgl. dazu Gola/Klug/Körffer, in: Gola/ Schomerus BDSG, § 4 Rn. 3. 377  Das ist auch dann der Fall, wenn der Antragsteller seinen Sitz in der EU hat. Denn die Beweismittel werden im Rahmen der discovery über die das Verfahren betreibenden US‑Rechtsanwälte ausgetauscht, vgl. oben § 2 A. 378  Schröder, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 44 Rn. 20. 379 In diesem Sinne Schröder, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 44 Rn. 20. Ähnlich Pauly, in: Paal/Pauly DSGVO, Art. 44 Rn. 5 (Einzelfallprüfung, ob Vorschrift Übermittlung von Daten oder Schutzniveau nach DSGVO betrifft), vgl. auch Wybitul/Ströbel/Ruess ZD 2017, 503 (507). 380  In diesem Sinne auch Ambrock/Karg ZD 2017, 154 (156); Kamp, in: BeckOK Datenschutzrecht, Art. 44 DSGVO Rn. 28 ff.; Klug, in: Gola DSGVO, Art. 44 Rn. 2. 381  Ambrock/Karg ZD 2017, 154 (156).



§ 7  Rechtfertigung

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mittlung von Daten in einen Drittstaat den „sonstigen Bestimmungen der Verordnung“ genügen. Für dieses Ergebnis spricht auch Erwägungsgrund 101 zur DSGVO.382 Danach ist die Übermittlung von Daten in Drittstaaten „in jedem Fall […] nur unter strikter Einhaltung dieser Verordnung zulässig“. Eine Ausnahme sieht Erwägungsgrund 101 nicht vor. Schließlich sind die allgemeinen Voraussetzungen der Datenverarbeitung gem. Art. 6 DSGVO auch sinnvoll auf die in den Art. 44 ff. DSGVO geregelten Konstellationen anwendbar. Denn gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO ist die Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist. Zumindest diese Generalklausel kann auf alle denkbaren Konstellationen angewendet werden, auch auf die in Art. 48 f. DSGVO geregelten Fälle. In diesem Sinne wird im Folgenden zunächst untersucht, ob die Übermittlung von Daten in die USA im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) den Voraussetzungen gem. Art. 44 ff. DSGVO genügt, (a). Sodann ist zu klären, inwiefern diese Datenverarbeitung nach den allgemeinen Vorschriften der DSGVO zulässig ist, (b).

(a)  Datenübermittlung in einen Drittstaat, Art. 44 ff. DSGVO Im Folgenden werden die als Rechtfertigung der Datenübermittlung im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) in Betracht kommenden Tatbestände gem. Art. 45 ff. DSGVO untersucht. Zu Art. 49 DSGVO werden Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) und e) sowie UAbs. 2 i. V. m. Abs. 6 DSGVO untersucht.

(aa)  Art. 45 DSGVO Gem. Art. 45 DSGVO kann die EU‑Kommission verbindlich über die Angemessenheit des Datenschutzniveaus in einem Drittland entscheiden.383 Läge eine entsprechende Entscheidung der Kommission für die vorliegend untersuchte Konstellation vor, wäre die Übermittlung von Daten in die USA im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) stets zulässig. Das ist aber nicht der Fall. Es liegt keine einschlägige Entscheidung der Kommission vor. Zwar hat die Kommission in Bezug auf die USA kürzlich in Form des sog. Privacy Shield384 eine Entscheidung gem. Art. 45 DSGVO ge382  383 

Ambrock/Karg ZD 2017, 154 (156). Pauly, in Paal/Pauly DSGVO, Art. 45 Rn. 1. Das entspricht Art. 25 Abs. 6 i. V. m. Art. 31 Abs. 2 DSRL, vgl. dazu Gola/Klug/Körffer, in: Gola/Schomerus BDSG, § 4b Rn. 14. 384  Durchführungsbeschluss (EU) 2016/1250 der Kommission vom 12. Juli 2016 gemäß der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Angemessenheit des vom EU‑US-Datenschutzschild gebotenen Schutzes, C/2016/4176, OJ L 207 vom 1. August 2016, S. 1. Vorläufer des Privacy Shield war die sog. Safe-Harbor-Entscheidung, Kommissionsentscheidung 2000/520/EG vom 26. Juli 2000, welche der EuGH 2015 für ungül-

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

troffen.385 Privacy Shield stellt die Angemessenheit des in den USA gegebenen Datenschutzniveaus aber nur unter gewissen Voraussetzungen fest. Diese Voraussetzungen sind bei Übermittlung von Daten im Rahmen der discovery nicht gegeben. Die Entscheidung gilt nämlich nicht für alle in den USA ansässigen Stellen der Datenverarbeitung. Erfasst sind vielmehr nur solche Stellen der Datenverarbeitung, die sich gegenüber dem US‑Handelsministerium zur Beachtung bestimmter Datenschutzregelungen verpflichtet haben und entsprechend zertifiziert sind.386 Im Rahmen der discovery gem. 28 USC § 1782(a) würden die Informationen aber in jedem Fall Personen zur Kenntnis gelangen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Die im Rahmen der discovery ausgetauschten Daten werden zumindest dem Prozessgegner sowie den US‑Rechtsanwälten beider Parteien bekannt. Bislang ist aber keine der in den USA ansässigen Anwaltskanzleien im Sinne des Privacy Shield zertifiziert.387 Selbst wenn aber die Anwaltskanzleien im Sinne des Privacy Shield zertifiziert sein sollten, „scheint es unwahrscheinlich, dass sich die gegnerische Partei in einem US‑Zivilrechtsstreit und US‑Gerichte diesen Regeln unterwerfen können und werden.“388 Darüber hinaus befreit Privacy Shield die US-amerikanischen Stellen der Datenverarbeitung von ihren Datenschutzverpflichtungen, soweit das US‑Recht sie zur Weitergabe von Daten an Dritte verpflichtet.389 Im Rahmen der discovery ist Privacy Shield angesichts der umfassenden gesetzlichen Offenlegungspflicht gem. FRCP 26(b)(1)390 also im Ergebnis wirkungslos. Die Übermittlung von Daten in die USA im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) ist mithin nicht gem. Art. 45 DSGVO gerechtfertigt.391 tig erklärt hat, EuGH, Schrems/Data Protection Commissioner, C-362/14, EuZW 2015, 881 Rn. 106. 385  Allerdings erging die Entscheidung noch unter Geltung der DSRL zu 25 Art. Abs. 6 i. V. m. Art. 31 Abs. 2 DSRL. 386  Durchführungsbeschluss (EU) 2016/1250, Rn. 14. Auch das Safe-Harbor-Abkommen verfolgte einen entsprechenden Ansatz, vgl. dazu Gola/Klug/Körffer, in: Gola/Schomerus BDSG, § 4b Rn. 15. 387  Eine Liste der zertifizierten US‑Unternehmen ist einsehbar online unter https://www. privacyshield.gov/list, zuletzt abgerufen am 16. Mai 2019. Auch unter dem Safe-Harbor-Abkommen waren keine Kanzleien zertifiziert, vgl. Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 116. 388 In diesem Sinne zustimmungswürdig Deutlmoser/Filip, in: Handbuch MultimediaRecht, Teil 16.6 Rn. 43 unter Verweis auf Brisch/Laue, RDV 2010, 1 (6); Hanloser, DuD 2008, 785 (788). 389  Durchführungsbeschluss (EU) 2016/1250, Anhang II, I., 5. Das Safe-Harbor-Abkommen sah ebenfalls einen entsprechenden Vorbehalt vor, Anhang IV, Gliederungspunkt B. 390  Vgl. oben, § 2 C. 391 In diesem Sinne für das insofern identisch zu bewertende Safe-Harbor-Abkommen und unter Bezugnahme auf die Vorgängervorschrift zu Art. 45 DSGVO (Art. 25 Abs. 6 i. V. m. Art. 31 Abs. 2 DSRL) Brisch/Laue, RDV 2010, 1 (6); Hanloser, DuD 2008, 785 (788); Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 117. Aus US‑Perspektive ebenfalls in diesem Sinne B. Klein, 25 Geo. J. Legal Ethics 623, 638 (2012).



§ 7  Rechtfertigung

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(bb)  Art. 46 DSGVO Gem. Art. 46 DSGVO können Daten ohne einen Beschluss gem. Art. 45 DSGVO in einen Drittstaat übermittelt werden, wenn „der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter geeignete Garantien vorgesehen hat und sofern den betroffenen Personen durchsetzbare Rechte und wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen“. Art. 46 DSGVO unterscheidet zwei Kategorien geeigneter Garantien: Es gibt solche Garantien, die eine besondere Genehmigung der Aufsichtsbehörde voraussetzen (Art. 46 Abs. 3 DSGVO) und solche, die keiner besonderen Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen (Art. 46 Abs. 2 DSGVO).392 Die genehmigungsfreien Garantien gem. Art. 46 Abs. 2 DSGVO sind für die Übermittlung von Daten in die USA im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) nicht einschlägig: Die Daten werden weder zwischen öffentlichen Stellen oder innerhalb eines Unternehmens ausgetauscht, lit. a) und b), noch gibt es Standarddatenschutzklauseln, die für die untersuchte Konstellation einschlägig wären, lit. c) und d).393 Es bestehen insofern auch weder genehmigte Verhaltensregeln noch ein genehmigter Zertifizierungsmechanismus, lit. e) und f).394 Art. 46 Abs. 3 DSGVO sieht zwei Arten genehmigungsbedürftiger Garantien vor: Gem. Art. 46 Abs. 3 lit. a) DSGVO können vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiter innerhalb der EU und dem Empfänger im Drittstaat eine geeignete Garantie darstellen. Gem. Art. 46 Abs. 3 lit. b) DSGVO können Bestimmungen in Verwaltungsvereinbarungen zwischen öffentlichen Stellen geeignete Garantien darstellen. Art. 46 Abs. 3 lit. b) DSGVO ist für die Übermittlung von Daten in die USA im Rahmen von 28 USC § 1782(a) von vornherein nicht einschlägig, weil die Daten hier nicht zwischen öffentlichen Stellen übermittelt werden.395 Als möglicher Garantietatbestand verbleibt damit nur die vertragliche Vereinbarung gem. Art. 46 Abs. 3 lit. a) DSGVO. Die Vorschrift regelt nicht, welchen Inhalt vertragliche Vereinbarungen haben müssen, um eine geeignete Garantie darzustellen. Es ergibt sich aber aus Art. 44 S. 2 DSGVO, dass der vereinbarte Umgang mit den zu übermittelnden Daten im Wesentlichen den Vorgaben der DSGVO entsprechen und diesen materiell gleichwertig sein muss.396 392 Vgl. Pauly, in: Paal/Pauly 393  Posdziech, Discovery und

DSGVO, Art. 46 Rn. 5. Datenschutzrecht, S. 197. Vgl. auch die Übersicht bei Gola/ Klug/Körffer, in: Gola/Schomerus BDSG, § 4c Rn. 13 f. 394 Vgl. auch die Übersicht zu den verschiedenen genehmigungsfreien Garantien bei Schröder, in: Kühling/Buchner DSGVO Art. 46 Rn. 22 ff. 395  Discovery wird nicht vom Gericht betrieben, sondern von den Anwälten der Parteien, vgl. oben § 2 A. 396  Vgl. statt aller Schröder, in: Kühling/Buchner DSGVO Art. 46 Rn. 10 m. w. N.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

Es kann durchaus bezweifelt werden, ob vertragliche Regelungen überhaupt effektiv geeignete Garantien in diesem Sinne darstellen können.397 Dennoch finden sich im Schrifttum Vorschläge dazu, wie solche Vereinbarungen in der besonderen Situation der discovery formuliert werden könnten.398 Danach muss der Verantwortliche der Datenverarbeitung zusätzlich darauf hinwirken, dass das US‑Gericht die Daten so weit wie möglich durch den Erlass einer protective order gegenüber Dritten schützt.399 Ob protective orders aber tatsächlich ausreichenden Datenschutz gewährleisten können, kann ebenfalls durchaus bezweifelt werden.400 Darüber hinaus sind vertragliche Vereinbarungen nur dann geeignete Garantien des angemessenen Datenschutzniveaus, wenn sie von der zuständigen Aufsichtsbehörde im Einzelfall genehmigt wurden, Art. 46 Abs. 3 lit. a) DSGVO.401 Die Genehmigung erfordert die Durchführung des Kohärenzverfahrens gem. Art. 63 ff. DSGVO.402 Das ist mit einem ganz erheblichen Prüfungsaufwand auf Seiten der Behörden verbunden; das nimmt (sehr) viel Zeit in Anspruch.403 Selbst wenn der Antragsteller und der Antragsgegner des Verfahrens gem. 28  USC § 1782(a) eine vertragliche Vereinbarung finden, die eine geeignete Garantie im Sinne des Art. 46 Abs. 3 DSGVO darstellt, wäre die Übermittlung der Daten auf diesem Weg zumindest stark verzögert. Aufgrund des erheblichen Aufwandes, den das Kohärenzverfahren bedeutet, muss zusätzlich davon ausgegangen werden, dass die Aufsichtsbehörden bei der Genehmigung entsprechender Vereinbarungen sehr zurückhaltend sein werden. Im Schrifttum wird deshalb verbreitet davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit der Übermittlung von Daten in einen Drittstaat aufgrund individueller Genehmigung eine seltene Ausnahme bleiben wird.404

(cc)  Art. 47 DSGVO Art. 47 DSGVO ist für die vorliegende Untersuchung nicht relevant. Dort geht es um die grenzüberschreitende Übermittlung von Daten innerhalb eines Konzerns. Es liegt aber fern, dass sich bei einem Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) zwei Mitglieder eines Konzerns gegenüberstehen. Darüber hinaus sind am Ver397 

Wohlgemuth, BB 1996, 690 (694). Vgl. den Formulierungsvorschlag für entsprechende Vereinbarungen bei Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 174 ff. 399  Vgl. unter Bezugnahme auf Art. 26 Abs. 3 DSRL in diesem Sinne Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 170 f. 400  Vgl. unten, § 7 B. IV. 5.b)ee)(2)(a)(ee). 401  Zuständig im Sinne von Art. 46 Abs. 3 DSGVO ist die gem. § 38 Abs. 6 BDSG von den Landesregierungen bestimmte Behörde, vgl. Gola/Klug/Körffer, in: Gola/Schomerus BDSG, § 4c Rn. 10. 402  Schröder, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 46 Rn. 39. 403  Schröder, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 46 Rn. 40 f. 404  Schröder, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 46 Rn. 40. 398 



§ 7  Rechtfertigung

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fahren gem. 28 USC § 1782(a) Rechtsanwälte beteiligt. Diese sind aber jedenfalls nicht in einem Konzern mit der offenlegenden Partei.

(dd)  Art. 48 DSGVO Gem. Art. 48 DSGVO ist die Übermittlung von Daten aufgrund eines Urteils eines Gerichts eines Drittstaats zulässig, wenn das Urteil auf eine internationale Übereinkunft gestützt ist. Auch dieser Tatbestand rechtfertigt die Übermittlung von Daten im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) nicht. Erstens fehlt bei den untersuchten Verfahren regelmäßig schon das erforderliche Urteil des Gerichts des Drittstaates. Zwar wird der Begriff des Urteils im Sinne von Art. 48 DSGVO weit ausgelegt. Eine Entscheidung in der Sache ist nicht erforderlich; auch Verfahrensanordnungen können Urteile im Sinne der Vorschrift sein. Es muss aber jedenfalls ein hoheitlicher Akt vorliegen.405 Gerade daran fehlt es aber regelmäßig bei der discovery. Die Vorlagebegehren der Parteien sind rein private Akte.406 Sie eröffnen deshalb nicht den Anwendungsbereich von Art. 48 DSGVO.407 Das ändert sich allerdings, wenn der Herausgabepflichtige die Herausgabe verweigert und daraufhin das Gericht die Herausgabe anordnet.408 In diesem Fall liegt die gem. Art. 48 DSGVO vorausgesetzte hoheitliche Anordnung vor; Art. 48 DSGVO ist dann anwendbar.409 Auch dann kann Art. 48 DSGVO aber die Übermittlung von Daten im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) nicht rechtfertigen. Das setzt nämlich weiter voraus, dass der hoheitliche Akt des Drittstaats auf ein Rechtshilfeabkommen oder eine andere einschlägige internationale Übereinkunft gestützt ist. Zu denken ist insofern vor allem an das HBÜ.410 Die Bundesrepublik hat aber einen Vorbehalt gem. Art. 23 HBÜ erklärt. Danach erledigen deutsche Gerichte keine Rechtshilfeersuchen im Rahmen der discovery.411 Beweishilfeersuchen im Rahmen eines Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) können deshalb nicht zur Übermittlung von Daten in die USA führen. Darüber hinaus ist es ohnehin eine rein theoretische Möglichkeit, dass die US‑Gerichte sich bei ihren discovery-Anordnungen auf das HBÜ beziehen. In der Praxis stützen die US‑Gerichte ihre discovery-Anordnungen nicht auf 405  406 

Pauly, in: Paal/Pauly Art. 48 Rn. 5. Vgl. oben § 2 A. 407  Schröder, in: Kühling/Buchner, DSGVO, Art. 48 Rn. 13; Pauly, in: Paal/Pauly Art. 48 Rn. 5. 408  Vgl. zum Ablauf der discovery nochmals oben § 2 A. 409  Schröder, in: Kühling/Buchner, DSGVO, Art. 48 Rn. 13; Pauly, in: Paal/Pauly Art. 48 Rn. 5. 410  Schröder, in: Kühling/Buchner, DSGVO Art. 48 Rn. 16. Vgl. zum HBÜ näher oben § 2 D. 411  Vgl. dazu näher unten § 7 B. IV. 5.b)ff).

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

das HBÜ. Denn die US‑Gerichte gehen aufgrund der Aérospatiale-Rechtsprechung des Supreme Court davon aus, dass sie auch ohne Rückgriff auf Beweishilfeübereinkommen unmittelbar selbst im Ausland discovery verlangen können.412 Im Ergebnis kann Art. 48 DSGVO die Übermittlung von Daten im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) also nicht rechtfertigen. Denn dafür bedürfte es eines Rechtshilfeersuchens der US‑Gerichte nach dem HBÜ. Die US‑Gerichte stellen solche Ersuchen in der Praxis aber nicht. Darüber hinaus dürften die deutschen Gerichte solche Gesuche aufgrund des Vorbehalts der Bundesrepublik gem. Art. 23 HBÜ ohnehin nicht erledigen.

(ee)  Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO Gem. Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO ist die Übermittlung von Daten in ein Drittland zulässig, wenn die betroffene Person in die vorgeschlagene Datenübermittlung ausdrücklich einwilligt, nachdem sie über die möglichen Risiken der Datenübermittlung ohne Vorliegen eines Angemessenheitsbeschlusses und ohne geeignete Garantien unterrichtet wurde. Das allgemeine Einwilligungserfordernis gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO wird damit um zusätzliche Voraussetzungen verschärft.413 Auf die besonderen Anforderungen gem. Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO braucht hier dabei nicht weiter eingegangen zu werden. Denn schon die allgemeinen Voraussetzungen der Einwilligung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO liegen bei Übermittlung von Daten in die USA im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) praktisch nie vor.414

(ff)  Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 lit. e) DSGVO Gem. Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 lit. e) DSGVO ist die Übermittlung von Daten in einen Drittstaat zulässig, wenn sie zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich ist. Das kann die Übermittlung von Daten im Rahmen der pre-trial discovery rechtfertigen. Zwar wird vereinzelt bezweifelt, dass die discovery tatsächlich zur Geltendmachung, Ausübung bzw. Verteidigung von Rechtsansprüchen dient. Denn die discovery sei dem eigentlichen Gerichtsverfahren vorgeschaltet. Erst in dem der discovery nachfolgenden Gerichtsverfahren ginge es dann darum, Rechtsansprüche durchzusetzen bzw. sich gegen diese zu verteidigen.415 Das kann aber nicht überzeugen. Die getrennte Betrachtung von pre-trial discovery und „eigentlichem“ trial ist künstlich und fragmentiert den US-amerika412  413 

Vgl. oben § 2 D. Vgl. unten § 7 B. IV. 5.b)ff)(2)(b)(aa). 414  Vgl. nochmals unten § 7 B. IV. 5.b)ff)(2)(b)(aa). 415  Schröder, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 49 Rn. 31.



§ 7  Rechtfertigung

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nischen Zivilprozess unsachgemäß. Die discovery und das nachfolgende trial sind vielmehr als zwei Abschnitte eines einheitlichen Verfahrens zu denken. Darüber hinaus ergibt der Vergleich von Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 lit. e) DSGVO mit der Vorgängervorschrift, Art. 26 Abs. 1 lit. d) DSRL, dass der Verordnungsgeber gerade auch die Übermittlung von Daten im Rahmen der discovery erfassen wollte. Denn die Vorgängervorschrift setzte noch voraus, dass die Übermittlung der Daten zur Geltendmachung, Ausübung bzw. Verteidigung von Rechtsansprüchen vor Gericht erforderlich ist. Diese Einschränkung wurde von einigen deutschen Aufsichtsbehörden so verstanden, dass die Übermittlung von Daten im Rahmen der discovery nicht gerechtfertigt sei. Denn im Rahmen der discovery werden Beweismittel nicht dem Gericht gegenüber offengelegt, sondern unmittelbar gegenüber dem Prozessgegner; deshalb fehle es an einem gerichtlichen Verfahren im Sinne der Vorschrift.416 Das Kriterium der Geltendmachung von Ansprüchen vor Gericht hat der Verordnungsgeber aber nicht in Art. 49 Abs. 1 S. 1 UAbs. 1 lit. e) DSGVO übernommen. Damit dürfte jetzt geklärt sein, dass Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 lit. e) DSGVO die Vorlage von Beweismitteln im Rahmen der discovery rechtfertigt.417 Damit ist aber noch nicht gesagt, dass Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 lit. e) DSGVO auch die Übermittlung von Daten im Rahmen des speziellen Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) rechtfertigt. Denn bei dem Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) handelt es sich um ein selbstständiges Beweisverfahren. Über das Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache wird hier nicht entschieden.418 Im Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) gibt es deshalb keine Rechtsansprüche, die im Sinne von Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DSGVO geltend gemacht oder ausgeübt werden, bzw. gegen die sich verteidigt werden könnte. Nach dem Wortlaut von Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DSGVO ist die Übermittlung von Daten im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) damit nicht gerechtfertigt. Es verbietet sich auch eine ausdehnende Auslegung der Vorschrift über den Wortlaut hinaus. Die Tatbestände gem. Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 DSGVO sind Ausnahmen vom allgemeinen Grundsatz, dass Daten nur dann in Drittstaaten übermittelt werden dürfen, wenn die Tatbestände gem. Art. 45–47 DSGVO erfüllt sind.419 Der Ausnahme-Charakter der Vorschrift ergibt sich schon aus ihrer amtlichen Übersicht: „Art. 49 – Ausnahmen für bestimmte Fälle“. Als Ausnahmen sind die Tatbestände gem. Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 DSGVO eng auszulegen.420 Die hier angesprochene Auslegungsregel singularia non sunt extenden416  417 

Vgl. Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 2007, Ziff. 10.3. Lange/Filip, in: BeckOK Datenschutzrecht, Art. 49 DSGVO Rn. 30 f.; Schröder, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 49 Rn. 30 f. 418  Vgl. zur Struktur des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) oben, § 3. 419  Pauly, in: Paal/Pauly DSGVO, Art. 49 Rn. 1. 420  Pauly, in: Paal/Pauly DSGVO, Art. 49 Rn. 2. Vgl. in diesem Sinne auch zur Vorgänggeregelung in Art. 26 DSRL bzw. § 4c BDSG a. F. Spindler, in: Spindler/Schuster Recht der elektronischen Medien, § 4c BDSG Rn. 1; Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 140.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

da421 ist zwar sowohl im neueren Schrifttum422 als auch in der Rechtsprechung des BGH423 und des BVerwG424 in dieser Allgemeinheit nicht mehr anerkannt.425 Der EuGH geht aber in ständiger Rechtsprechung nach wie vor von der Geltung eines entsprechenden Grundsatzes aus.426 Die Rechtsprechung des EuGH ist bei der Auslegung der DSGVO maßgeblich, weil es sich um Unionsrecht handelt.427 Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DSGVO rechtfertigt die Übermittlung von Daten im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) folglich nicht.428

(gg)  Art. 49 Abs. 1 UAbs. 2 und Abs. 6 DSGVO Gem. Art. 49 Abs. 1 UAbs. 2 und Abs. 6 DSGVO dürfen Daten unter bestimmten Voraussetzungen ins Ausland übermittelt werden, obwohl keiner der Ausnahmetatbestände gem. Art. 49 Abs. 1 Unterabsatz 1 DSGVO erfüllt ist. Danach ist die Übermittlung der Daten zulässig, wenn sie nach Abwägung der widerstreitenden Interessen für die Wahrung der zwingenden berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich ist und die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen nicht überwiegen und der Verantwortliche alle Umstände der Datenübermittlung beurteilt und auf der Grundlage dieser Beurteilung geeignete Garantien in Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten vorgesehen hat. 421 

Vgl. zum historischen Hintergrund des Grundsatzes und seiner Rezeption in der Rechtsprechung des EuGH auch Knütel, JuS 1996, 768 (772). 422  Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 440; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 355 f.; Müller/Christensen, Juristische Methodik I Rn. 370. Vgl. aber a. A. z. B. bei Horn, Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, § 7 Rn. 181. 423  Z. B. BGHZ 26, 83; BGH NJW 1965, 1479. Vgl. aber auch die andere Ansicht v. a. in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, z. B. RGZ 47, 370; 48, 265; 65, 362; 137, 44; 140, 239; 153, 23 und auch des BGH in BGH NJW 1951, 762; NJW 1953, 1545; NJW 1954, 306. 424  BVerwGE 61, 169 (172). 425  Vgl. zur Entwicklung in Deutschland Säcker, in: MüKo-BGB, Einl. Rn. 121 ff. 426  Vgl. z. B. EuGH EuZW 2003, 655 Rn. 89; EuZW 2004, 691 Rn. 67. Vgl. allgemein zu den vom EuGH bei Auslegung des Gemeinschaftsrechts herangezogenen Auslegungsregeln Colneric, ZEuP 2005, 225 (228 speziell zu singularia non sunt extendenda). 427  Es war auch zu § 4c BDSG a. F. anerkannt, dass dieser im Lichte der Rechtsprechung des EuGH auszulegen war, weil es sich bei diesem um eine Umsetzung von Art. 26 DSRL handelte, vgl. Spindler, in: Spindler/Schuster Recht der elektronischen Medien, § 4c BDSG Rn. 1. Im Sinne einer engen Auslegung der Ausnahme auch Deutlmoser/Filip, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 16.6 Rn. 56. Vgl. bezüglich der Auslegung von Art. 26 DSRL in diesem Sinne auch Art. 29-Datenschutzgruppe, WP 114, S. 7. 428  In diesem Sinne zum alten Recht nach DSRL und BDSG a. F. und bezogen auf die discovery allgemein auch Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 141; Berliner Beauftragter für Datenschutz, Jahresbericht 2007, Ziff. 10.3, S. 191, online abrufbar unter https:// datenschutz-berlin.de/attachments/438/Jahresbericht_2007.pdf?1207310269, unter Verweis auf eine dort abgedruckte Stellungnahme des BMJ. A. A. Brisch/Laue, RDV 2010, 1 (7), die die Übermittlung von Daten im Rahmen der discovery für gem. § 4c Abs. 1 S. 2 Nr. 4 BDSG zulässig halten.



§ 7  Rechtfertigung

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Es ist in Schrifttum und Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, welches Niveau der Schutz personenbezogener Daten haben muss, um im Ergebnis der Abwägung gem. Art. 49 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO auszureichen. Klar scheint allerdings, dass das von Art. 49 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO vorausgesetzte Schutzniveau geringer ist, als der nach der Verordnung allgemein vorgesehene Schutz.429 Erforderlich ist aber jedenfalls, dass wenigstens die Datenschutzgrundsätze gem. Art. 5 DSGVO im Wesentlichen gewahrt werden.430 Im Folgenden soll untersucht werden, ob das bei Übermittlung von Daten im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) der Fall ist. Art. 5 Abs. 1 DSGVO nennt sechs Grundsätze der Datenverarbeitung. Erstens dürfen Daten gem. Art. 5 Abs. 1 lit. a) DSGVO nur auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden. Zweitens dürfen Daten gem. Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO nur für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben und weiterverarbeitet werden und müssen drittens gem. Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO diesem Zweck angemessen und auf das danach notwendige Maß beschränkt sein. Viertens müssen die Daten sachlich richtig und ggf. aktuell sein, Art. 5 Abs. 1 lit. d) DSGVO, und dürfen nur so lange gespeichert werden, wie dies für den Zweck der Datenverarbeitung unerlässlich ist, Art. 5 Abs. 1 lit. e) DSGVO. Schließlich müssen die Daten in einer Weise verarbeitet werden, die eine angemessene Sicherheit der personenbezogenen Daten gewährleistet, Art. 5 Abs. 1 lit. f) DSGVO.431 Vorbehaltlich einer besonderen vertraglichen Vereinbarung bietet das amerikanische Recht keine Gewähr dafür, dass diese Grundsätze bei der Verarbeitung der im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) übermittelten Daten berücksichtigt werden. Das amerikanische Recht stellt nicht sicher, dass diejenigen, die im Rahmen der discovery Kenntnis von den personenbezogenen Informationen erlangen (nämlich zumindest die Prozessvertreter der Parteien sowie das Gericht), ein angemessenes Datenschutzniveau einhalten. Zwar ist in der Rechtsprechung des Supreme Court anerkannt, dass der vierte Verfassungszusatz das right to privacy schützt.432 Dieses Recht umfasst nach der Rechtsprechung auch das (in deutscher Terminologie dem Datenschutz zuzurechnende) Recht auf informationelle Privatheit (informational 429 

Pauly, in: Paal/Pauly DSGVO, Art. 49 Rn. 31. Lange/Filip, in: BeckOK Datenschutzrecht, Art. 49 DSGVO Rn. 55; Pauly, in: Paal/ Pauly DSGVO, Art. 49 Rn. 31. 431  Vgl. den Überblick bei Herbst, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 5 Rn. 1 ff. Das entspricht auch den Grundsätzen der Datenverarbeitung nach DSRL und BDSG a. F., vgl. dazu die Zusammenfassung der Artikel-29-Datenschutzgruppe, Arbeitsunterlage Übermittlungen personenbezogener Daten an Drittländer, WP 12, S. 5 ff. 432  Olmsted v. US, 277 US 438 (1928). Vgl. grundlegend zum Right to Privacy Warren/ Brandeis, 4 Harv. L. Rev. 193 (1890). 430 

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

privacy).433 Das ist aber nur für den Umgang mit den in Rede stehenden Daten durch das Gericht relevant. Das verfassungsrechtliche right to privacy entfaltet hingegen keine Drittwirkung im Verhältnis der Privatrechtssubjekte untereinander.434 Die Datenverarbeitung jedenfalls der Rechtsanwälte unterfällt mithin nicht dem verfassungsrechtlichen right to privacy. Es bestehen auch keine einschlägigen einfachgesetzlichen Regelungen des Datenschutzes. Zwar formuliert eine Vielzahl von Gesetzen für bestimmte Zusammenhänge datenschutzrechtliche Anforderungen.435 Ein der DSGVO entsprechendes allgemeines Datenschutzgesetz gibt es in den USA aber nicht.436 Die große Mehrzahl der genannten Spezialgesetze regelt zudem nur die öffentliche Datenverarbeitung.437 Private Datenverarbeitung ist demgegenüber größtenteils der Selbstregulierung überlassen.438 Gesetzliche Regelungen zur privaten Datenverarbeitung finden sich auf Bundesebene nur hinsichtlich des Finanz-, Gesundheits- und Telekommunikationssektors.439 Keines dieser Gesetze erfasst die Datenverarbeitung durch Rechtsanwälte im Rahmen einer discovery. Auch auf Ebene der Gliedstaaten ist die Einhaltung des angemessenen Datenschutzniveaus nicht ausreichend gesetzlich abgesichert. Zwar bestehen hier mitunter allgemeine Datenschutzgesetze, die auch die Datenverarbeitung durch Privatrechtssubjekte regulieren, so zum Beispiel in Kalifornien.440 Sie erfassen aber stets nur den Umgang mit Informationen von residents des jeweiligen Bundesstaates.441 Die Daten von residents anderer Bundesstaaten bzw. von Ausländern sind mithin nicht geschützt.442 Die von der Weitergabe der Daten im Rahmen von 28 USC § 1782(a) betroffenen Personen wären damit selbst von den weitestgehenden bundesstaatlichen Regelungen nicht geschützt. 433 

Whalen v. Roe, 429 US 479 (1965), vgl. dazu Genz, Datenschutz in Europa und den USA, S. 46 f. 434  Das beruht auf der sog. state action doctrince, vgl. dazu allgemein Giegerich, Privatwirkung der Grundrechte in den USA, S. 39 ff. Vgl. zum Right to Privacy auch Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 15 und Genz, Datenschutz in Europa und den USA, S. 49, dort Fn. 167. 435  Vgl. die Übersicht bei Genz, Datenschutz in Europa und den USA, S. 50 ff. 436  Genz, Datenschutz in Europa und den USA, S. 51 f.; Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 16; Spies/Schröder, MMR 2008, 275 (277). 437  Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 16. 438  Genz, Datenschutz in Europa und den USA, S. 86 ff. 439  Z. B.: Fair Credit Reporting Act von 1970 (15 USC § 1681), Electronic Communications Privacy Act von 1986 (18 USC §§ 2510–2522, §§ 2701–2712 und §§ 3121–3123) und die zum Health Insurance Portability and Accountability Act (HIPAA) erlassenen Standards for Privacy of Individually Identifiable Health Information (45 CFR §§ 160, 164). Vgl. auch den Überblick bei Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 17 ff. 440  Vgl. auch kritisch zum Niveau des Datenschutzes in den Gliedstaaten (auch nach kalifornischem Recht), Genz, Datenschutz in Europa und den USA, S. 75. 441  So z. B. Cal. Civil Code § 1798.81.5(a), wonach ausdrücklich nur „personal information about California residents“ vom Datenschutz erfasst ist. 442  Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 20.



§ 7  Rechtfertigung

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Auch das anwaltliche Berufsrecht gewährleistet keinen hinreichenden Schutz der Daten. Mit Ausnahme von Kalifornien haben sich alle Bundesstaaten beim Erlass ihres anwaltlichen Berufsrechts an den Model Rules443 der American Bar Association orientiert.444 Diese enthalten in Rule 1.6(a) (Confidentialty of Information) zwar die Verpflichtung des Anwalts, Mandatsinformationen vertraulich zu behandeln. Dieser Schutz betrifft aber nur die Daten des Mandanten, die Daten Dritter werden nur als Reflex des Schutzes der Informationen des Mandanten geschützt.445 Ist dies im Interesse der Mandatsausübung geboten, so ist der Rechtsanwalt daher stets frei (und mitunter sogar gehalten) die Daten Dritter offenzulegen.446 Auch das Zivilprozessrecht normiert keine Mechanismen zum ausreichenden Schutz der Daten der Betroffenen. Die FRCP enthalten keine Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten. Die Belange des Datenschutzes begründen insbesondere kein privilege im Sinne von FRCP 26(b)(1) Satz 1.447 Die einzigen Institute des Zivilprozessrechts, die im Sinne des Datenschutzes mobilisiert werden können, sind gerichtliche protective orders bzw. confidentialty orders.448 Diese sind aber nicht geeignet, ein angemessenes Datenschutzniveau sicherzustellen. Erstens ist ihr Erlass stets in das Ermessen des Gerichts gestellt. Die Gerichte sind beim Erlass einschneidender protective orders aus Gründen des Datenschutzes aber sehr zurückhaltend.449 Weiterhin kann eine protective order auch jederzeit wieder aufgehoben werden.450 Selbst wenn ausnahmsweise einmal eine protective order zum Zwecke des Datenschutzes ergeht, erlaubt dies mithin keine Aussage über die Einhaltung eines ausreichenden Datenschutzniveaus auch in der Zukunft.451 Darüber hinaus gewähren protective orders auch keine ausreichende funktionelle Garantie des Datenschutzes. Insbesondere begründet eine Verletzung der protective order regelmäßig keinen Schadensersatzanspruch zugunsten des Betroffenen.452 Protective orders sind damit ebenfalls nicht geeignet, ein im 443  Verfügbar online unter http://www.americanbar.org/groups/professional_responsibility/ publications/model_rules_of_professional_conduct/model_rules_of_professional_conduct_ table_of_contents.html, zuletzt abgerufen am 16. Mai 2019. 444  Eine Liste der Bundesstaaten, die die Regeln übernommen haben, ist einzusehen online unter http://www.americanbar.org/groups/professional_responsibility/publications/model_ rules_of_professional_conduct/alpha_list_state_adopting_model_rules.html, zuletzt abgeru­ fen am 16. Mai 2019. 445  Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 132 f. 446  Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 133. 447  Vgl. oben, § 2 C. II. 448  Vgl. dazu oben, § 2 C. III. 449  Vgl. nochmals oben, § 2 C. III. 450  Vgl. oben § 2 C. III. 451  In diesem Sinne auch Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 102: „Die Bedeutung der Protective Order wird erheblich durch die Gefahr ihrer nachträglichen Änderung gemindert.“ 452 Vgl. Westinghouse Electric Corp. v. Newman & Holtzinger, 39 Cal. App. 4th 1194,

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

Sinne von Art. 49 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO angemessenes Datenschutzniveau sicherzustellen.453 Auch das common law gewährleistet nicht ein im Sinne von Art. 49 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO angemessenes Datenschutzniveau. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Verletzung der Privatsphäre eines anderen einen Schadensersatzanspruch begründen kann.454 Dieser Schutz ist aber an die Erfüllung eines von vier besonderen Tatbeständen geknüpft, nämlich (1) Eindringen in den privaten Bereich (unreasonable intrusion upon the seclusion of another), (2) unbefugter Gebrauch des Namens oder der Persönlichkeitsmerkmale eines anderen (appropriation of the other’s name or likeness), (3) unbefugte Veröffentlichung privater Sachverhalte (unreasonable publicity given to the other’s private life) und (4) falsche oder entstellende Darstellung in der Öffentlichkeit (publicity that unreasonably places the other in a false light before the public).455 Die Gewährung von Schadensersatz in diesen eng definierten Fallgruppen ist aber nicht geeignet, ein im Sinne von Art. 49 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO angemessenes Datenschutzniveau sicherzustellen. Die DSGVO schützt vor jeder Form des Umgangs mit personenbezogenen Daten.456 Die im common law anerkannten Fallgruppen bleiben hinter diesem Schutzumfang deutlich zurück.457 Vorbehaltlich einer individuellen vertraglichen Vereinbarung bietet das USamerikanische Recht also keinen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO ausreichenden Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) in die USA übertragen werden. Vorbehaltlich einer individuellen vertraglichen Vereinbarung erlaubt Art. 49 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO mithin nicht, im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) Daten in die USA zu übermitteln.458 1199 ff. (Cal. App. 2d Dist. 1995). Der Court of Appeals of California hat hier entschieden, dass die Verletzung einer protective order grundsätzlich keine unerlaubte Handlung darstelle und mithin keinen Schadensersatzanspruch begründe. Zwar formuliert das Gericht auch Bedingungen, unter diesen ausnahmsweise ein Schadensersatzsanspruch gegeben sein könnte. Diese sind aber so restriktiv, dass sie jedenfalls viele Fälle von im Sinne des BDSG unerlaubter Datenverarbeitung nicht erfassen würden, vgl. auch Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 137 f. 453  In diesem Sinne zur Vorgängerregelung gem. § 4b BDSG a. F. auch Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 134 ff. 454  Vgl. aus deutscher Perspektive die Untersuchung zu Ansprüchen gegen Private wegen Verletzung des Rechts auf Privacy bei Schröder, Die Haftung für Verstösse gegen Privacy Policies und Codes of Conduct nach US-amerikanischem und deutschem Recht, S. 21 ff. 455  American Law Institute, Restatement (Second) of Torts, § 652 A‑E (1965). 456  Vgl. oben § 7 B. IV. 5.b)ee). 457  Das folgt z. B. aus Westinghouse Electric Corp. v. Newman & Holtzinger, 39 Cal. App. 4th 1194, 1199 ff. (Cal. App. 2d Dist. 1995), wonach die gesamte Datenverarbeitung im Rahmen der discovery regelmäßig keinen Schadensersatzanspruch begründet. 458  In diesem Sinne bezogen auf die Vorgänggerregelung in § 4b BDSG a. F. Junker, Electronic Discovery gegen deutsche Unternehmen, Rn. 193 ff., 198; Posdziech, Discovery und



§ 7  Rechtfertigung

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Werden Daten auf Grundlage von Art. 49 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO in einen Drittstaat übermittelt, müssen der Verantwortliche bzw. der Auftragsverarbeiter zusätzlich die zuständige Aufsichtsbehörde und die betroffenen Personen von der Übermittlung der Daten in Kenntnis setzen, Art. 49 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 DSGVO. Insbesondere die verlässliche Information der betroffenen Personen wird aber im Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) kaum zu bewerkstelligen sein. Denn regelmäßig wird eine große Vielzahl von Dokumenten übergeben, die persönliche Daten einer unüberschaubaren Zahl betroffener Personen enthalten können.459

(hh) Zwischenergebnis Im Ergebnis genügt die Übermittlung von Daten in die USA im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) ganz regelmäßig nicht den Anforderungen gem. Art. 44 ff. DSGVO. Das ist nur in drei Fällen anders: Erstens ist die Übermittlung zulässig, wenn eine Vereinbarung des Übermittelnden mit allen Empfängern der Daten vorliegt, die eine im Sinne von Art. 46 DSGVO geeignete Garantie darstellt und von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt wurde. Zweitens ist die Übermittlung zulässig, wenn alle betroffenen Personen gem. Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO wirksam in diese eingewilligt haben. Und drittens ist die Übermittlug wirksam, wenn der Übermittelnde mit allen Empfängern der Daten Vereinbarungen getroffen hat, die im Sinne von Art. 49 Abs. 1 UAbs. 2 i. V. m. Abs. 6 DSGVO ausreichende Garantien für den Schutz der personenbezogenen Daten schaffen. Diese Voraussetzungen werden aber aus den vorstehend genannten Gründen nur sehr selten erfüllt sein.

(b)  Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung gem. Art. 6 DSGVO Die Art. 44 ff. DSGVO stehen der Übermittlung von Daten in die USA im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) mithin ganz regelmäßig entgegen. Ist die Übermittlung von Daten in die USA aber ausnahmsweise zulässig gem. Art. 44 ff. DSGVO, ist zu klären, ob die Datenverarbeitung auch nach den allgemeinen Vorschriften rechtmäßig ist, insb. gem. Art. 6 DSGVO.460

(aa)  Keine Einwilligung der Betroffenen Gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO ist die Datenverarbeitung zulässig, wenn die betroffene Person darin eingewilligt hat. Der Begriff der Einwilligung ist in Datenschutzrecht, S. 139. Im Ergebnis so auch Brisch/Laue, RDV 2010, 1 (6); Spies/Schröder, MMR 2008, 275 (278). 459  Vgl. zum Umfang der discovery oben § 2 F. 460  Sog. Zweistufenprüfung vgl. oben § 7 B. IV. 5.b)ee)(2).

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

Art. 4 Nr. 11 DSGVO legal definiert. Danach ist eine Einwilligung die „in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist“.461 Gemessen daran wird die Übermittlung von Daten im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) ganz regelmäßig nicht durch eine Einwilligung gerechtfertigt sein. Die Rechtfertigung wird regelmäßig an der gem. Art. 4 Nr. 11 DSGVO erforderlichen Informiertheit der Einwilligung scheitern. Denn eine wirksame Einwilligung setzt voraus, dass die betroffene Person bei ihrer Erteilung die Umstände der in Rede stehenden Datenverarbeitung eindeutig und klar erkennen kann.462 In Kombination mit dem Kriterium der Bestimmtheit gem. Art. 5 Abs. 1 lit. b) DSGVO und Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO folgt daraus, dass pauschale Einwilligungen, die nicht den konkreten Zweck der Datenverarbeitung benennen, unwirksam sind.463 Die Übermittlung von Daten in die USA im Rahmen eines des gem. 28 USC § 1782(a) ist danach nur wirksam, wenn der Betroffene gerade zu dieser konkreten Form der Datenverarbeitung seine Einwilligung erteilt hat. Das wird aber so gut wie nie der Fall sein. Das liegt daran, dass das Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) hierzulande sehr wenig bekannt ist. Eine ex ante erklärte Einwilligung wird die untersuchte Datenverarbeitung damit so gut wie nie rechtfertigen.464 Die betroffenen Personen könnten ihre Einwilligung allerdings ex post erklären, d. h. nach Beginn des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a). Es ist allerdings verboten, die betroffenen Personen zur Abgabe einer entsprechenden Einwilligung zu drängen. Das folgt aus dem Kriterium der Freiwilligkeit gem. Art. 7 Abs. 4 DSGVO.465 Die betroffenen Personen haben aber kein eigenes Interesse daran, die Datenverarbeitung zu ermöglichen, wenn sie nicht selbst am 461  Art. 7 DSGVO definiert zusätzliche Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung bzw. des Nachweises der Einwilligung zur Legitimation der Datenverarbeitung, vgl. ausführlich Buchner/Kühling, in: Kühling/Bucher DSGVO, Art. 7 Rn. 1 ff. 462  Buchner/Kühling, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 7 Rn. 59. So lag es auch nach dem BDSG a. F. Danach war die Einiwilligung nur wirksam, wenn der Betroffene sie in Kenntnis von und unter Bezugnahme auf die wesentlichen Kriterien der in Rede stehenden Datenverarbeitung abgegeben hat, vgl. OLG Celle NJW 1980, 347 (348); Holznagel/Sonntag, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, Kapitel 4.8 Rn. 49 ff. 463  Buchner/Kühling, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 7 Rn. 62. 464  In diesem Sinne auch Deutlmoser/Filip, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 16.6 Rn. 22: „In praktischer Hinsicht sind die allgemeinen Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung der Betroffenen – insbesondere in Fällen, wo sich die Sicherung und Datenverwendung auf Hunderttausende oder Millionen von Dokumenten oder Dateien erstreckt – fast unmöglich zu erfüllen.“ In diesem Sinne hat auch die Art. 29-Datenschutzgruppe festgestellt: „Das Erfordernis der Einwilligung kann also als vermeintlich gute Lösung erscheinen, die auf den ersten Blick einfach, in der Praxis jedoch komplex und schwerfällig ist“, Art. 29-Datenschutzgruppe, WP 114, S. 11. 465 Vgl. Buchner/Kühling, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 7 Rn. 41.



§ 7  Rechtfertigung

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deutschen Rechtsstreit beteiligt sind.466 Im Ergebnis dürfte eine wirksame Einwilligung der betroffenen Personen in die Übermittlung der Daten aus diesen Gründen eine seltene Ausnahme bleiben.467

(bb)  Keine gesetzliche Verpflichtung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO Gem. Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO ist die Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Pflicht des Verantwortlichen erforderlich ist. Rechtliche Pflichten in diesem Sinne können sich nur aus dem Unionsrecht bzw. aus dem Recht der Mitgliedsstaaten ergeben.468 Das Unionsrecht und das Recht der Mitgliedsstaaten verpflichten aber (selbstverständlich) nicht dazu, im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) Daten in die USA zu übermitteln. Solche Pflichten ergeben sich nur aus dem amerikanischen Recht. Das amerikanische Recht kann die Datenverarbeitung aber nicht gem. Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO rechtfertigen.469 Eine Rechtfertigung der Übermittlung von Daten im Rahmen des Verfahrens gem. § 1782 gem. Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO scheidet damit aus.

(cc)  Interessenabwägung, Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO Schließlich kann die Datenverarbeitung gerechtfertigt sein, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich ist und soweit nicht die Interessen oder Grundrechte oder Grundfreiheiten der betroffenen Person entgegenstehen. Der Begriff des berechtigten Interesses im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO ist weit zu verstehen.470 Danach können neben rechtlichen auch wirtschaftliche und ideelle Interessen des Verantwortlichen ein berechtigtes Interesse im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO darstellen.471 Es spricht alles dafür, dass derjenige, der im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) 466 

Deshalb ist das Erfordernis der Freiwilligkeit der Einwilligung allgemein eine hohe Hürde für die Datenverarbeitung im Rahmen der discovery, vgl. dazu Junker, Electronic Discovery gegen deutsche Unternehmen, Rn. 197 m. w. N. 467  In diesem Sinne zum BDSG a. F. Deutlmoser/Filip, in: Handbuch Multimedia-Recht, Teil 16.6 Rn. 22: „In praktischer Hinsicht sind die allgemeinen Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung der Betroffenen – insbesondere in Fällen, wo sich die Sicherung und Datenverwendung auf Hunderttausende oder Millionen von Dokumenten oder Dateien erstreckt – fast unmöglich zu erfüllen.“ In diesem Sinne hat auch die Art. 29-Datenschutzgruppe festgestellt: „Das Erfordernis der Einwilligung kann also als vermeintlich gute Lösung erscheinen, die auf den ersten Blick einfach, in der Praxis jedoch komplex und schwerfällig ist“, Art. 29-Datenschutzgruppe, WP 114, S. 11. 468  Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner DSGVO, Art. 6 Rn. 73. 469  Vgl. in diesem Sinne zum inhaltsgleichen Kriterium der gesetzlichen Erlaubnis gem. § 4b BDSG a. F. Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 108. 470  Frenzel, in: Paal/Pauly DSGVO, Art. 6 Rn. 28 m. w. N. 471  Frenzel, in: Paal/Pauly DSGVO, Art. 6 Rn. 28 m. w. N.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

zur Offenlegung von Informationen oder zur Übergabe von Beweismitteln aufgefordert wird, ein berechtigtes Interesse an der Übermittlung der Daten geltend machen kann. Denn ein Verstoß gegen die discovery-Pflichten ist mit empfindlichen Sanktionen bedroht.472 Diese Sanktionen abzuwenden ist ein berechtigtes Anliegen. Liegt ein berechtigtes Interesse des Verantwortlichen für die Datenverarbeitung vor, ist dieses im nächsten Schritt gegen die ggf. entgegenstehenden Interessen und Grundrechte bzw. Grundfreiheiten der betroffenen Person abzuwiegen.473 Das Ergebnis dieser Abwägung hängt dann selbstverständlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind dann ggf. einschlägige Wertungen der DSGVO zu beachten.

(c) Zwischenergebnis Ist das europäische Datenschutzrecht anwendbar, so ist die Übermittlung personenbezogener Daten im Rahmen der discovery gem. 28 USC § 1782(a) grundsätzlich verboten.474 Etwas Anderes kann nur dann gelten, wenn ausnahmsweise die Voraussetzungen gem. Art. 44 ff. DSGVO erfüllt sind.475 In diesem Fall hängt die Zulässigkeit der Übermittlung der Daten im Verfahren gem. 28 USC § 1782(a) von der Interessenabwägung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO ab. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass aus datenschutzrechtlicher Perspektive schon fragwürdig ist, ob die fortgesetzte Aufbewahrung von Daten zum Zwecke der späteren Übermittlung in der discovery überhaupt zulässig ist.476

(3)  US‑Recht: Vorlagepflicht auch entgegen Datenschutzrecht Das Verbot der Übermittlung der Daten nach europäischem Datenschutzrecht lässt die Verpflichtung zur Übermittlung der Daten nach US‑Recht unberührt. Im Rahmen der discovery sind die Parteien gem. FRCP 26(b)(1) Satz 1 zur Offenlegung aller auch nur potenziell relevanten Unterlagen verpflichtet.477 Ausgenommen sind nur solche Unterlagen, bezüglich derer ein sog. privile472  473 

Vgl. oben § 2 E. Frenzel, in: Paal/Pauly DSGVO, Art. 6 Rn. 28 m. w. N. 474  Zu dem gleichen Ergebnis kommt (bezogen auf das BDSG a. F.) Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 144. Für ein allgemeines Verbot der Übermittlung personenbezogener Daten in die USA auch Junker, Electronic Discovery gegen deutsche Unternehmen, Rn. 198. Vgl. aber auch Spies/Schröder, MMR 2008, 275 (276), die meinen, es sei „völlig illusorisch“ und „würde in den USA auch auf wenig Verständnis stoßen“, aus Gründen des Datenschutzes die Übermittlung von Daten in die USA zum Zwecke der discovery völlig unterbinden zu wollen. Beide Einwände spielen für die Auslegung der DSGVO freilich keine Rolle. 475  Vgl. oben § 7 B. IV. 5.b)ee)(2)(a)(hh). 476  Vgl. zum alten Recht nach BDSG a. F. Brisch/Laue, RDV 2010, 1 (3); Spies/Schröder, MMR 2008, 275 (278). 477  Vgl. oben, § 2 C. I.



§ 7  Rechtfertigung

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ge besteht.478 Die Betroffenheit personenbezogener Daten natürlicher Personen begründet aber kein privilege in diesem Sinne.479 Mithin sind auch solche Beweismittel, die im Sinne der DSGVO datenschutzrechtlich relevante Informationen enthalten, grundsätzlich im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) vorzulegen. Zwar können nach der Rechtsprechung aufgrund des völkerrechtlichen Rücksichtnahmegebots (sog. comity) Ausnahmen von der Vorlagepflicht gemacht werden, wenn die Vorlage gegen ausländisches Recht verstößt.480 Das gilt aber nur, wenn eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien sowie des öffentlichen Interesses der USA und des ausländischen Staates ein Überwiegen der ausländischen Interessen ergibt.481 Für diese Abwägung zieht die Rechtsprechung im Wesentlichen fünf Kriterien heran: (1) Die Bedeutung des Dokuments oder der Information für den Rechtsstreit; (2) die Genauigkeit des Ersuchens; (3) ob die Information aus den USA stammt; (4) die Verfügbarkeit von anderen Methoden zur Erlangung der Information; (5) das Ausmaß der Beeinträchtigung von wichtigen Interessen der USA bei Nichtbefolgung des Ersuchens in Relation zum Ausmaß der Beeinträchtigung wichtiger Interessen des ausländischen Staates bei Befolgung des Ersuchens.482 Soweit die in Rede stehenden Informationen für den Rechtsstreit unmittelbar relevant sind, setzt sich dabei stets das Interesse an der Vorlage der Dokumente bzw. Informationen durch.483 Im Ergebnis steht die Antragsgegnerin vor einem Dilemma: Entweder sie befolgt die Anweisung des US‑Rechts, verletzt dadurch aber das europäische Datenschutzrecht, oder sie beachtet die Vorgaben der DSGVO, kommt damit aber ihren Pflichten im Rahmen der discovery nicht nach. Die Befolgung beider rechtlichen Befehle ist der Antragsgegnerin hingegen nicht möglich. Im ersten Fall setzt die Antragsgegnerin sich den Sanktionen der DSGVO aus,484 im 478  479 

Vgl. dazu oben, § 2 C. II. Vgl. oben, § 2 C. II. 480  Grundlegend in diesem Sinne waren drei Entscheidungen des Circuit Court for the Second Circuit: In re Chase Manhattan Bank, 297 F. 2d 611 (2d Cir. 1962); Ings v. Ferguson, 282 F. 2d 149 (2d Cir. 1960); First Nat’l City Bank v. IRS, 271 F. 2d 616 (2d Cir. 1959). 481  Vgl. dazu Cohan, 87 Tex. L. Rev. 1009, 1015 ff. (2009). 482  American Law Institute, Restatement (Third) of Foreign Relations Law of the United States, § 442(1)(c), (1987); Übersetzung von Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 151. Vgl. zur historischen Entwicklung der insofern herangezogenen Kriterien nochmals Cohan, 87 Tex. L. Rev. 1009, 1015 ff. (2009). 483  Posdziech, Discovery und Datenschutzrecht, S. 167: „Bei direkter Relevanz der personenbezogenen Daten für den Rechtsstreit lässt sich eine Vorlageanordnung kaum verhindern.“ Auch Spies/Schröder, MMR 2008, 275 (281) gehen davon aus, dass jedenfalls solange die relevanten datenschutzrechtlichen Fragen in Deutschland noch nicht abschließend geklärt sind, die US‑Gerichte im Zweifel zugunsten der Anforderungen der discovery entscheiden werden. 484 Die unbefugte Übermittlung von Daten verwirklicht den Tatbestand gem. Art. 83 DSGVO, vgl. dazu Frenzel, in: Paal/Pauly DSGVO Art. 83 Rn. 1 ff.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

zweiten Fall riskiert sie die mitunter ausgesprochen einschneidenden Sanktionen des US‑Prozessrechts, bis hin zum contempt of court.485

(4)  Konsequenzen für die Bildung praktischer Konkordanz Verstößt die Übermittlung von Daten im Rahmen der discovery gem. 28 USC § 1782(a) gegen die Anforderungen der DSGVO, so hat dieser Verstoß auch prozessuale Konsequenzen. Zwar folgt aus einer Verletzung des Datenschutzrechts nicht unmittelbar die Unverwertbarkeit der in Rede stehenden Beweismittel.486 Beim Datenschutzrecht handelt es sich nämlich um materielles Recht. Wie gezeigt hat ein Verstoß gegen materielles Recht keine unmittelbaren prozessualen Rechtsfolgen.487 Es stellt aber eine bei Bildung der praktischen Konkordanz der widerstreitenden Grundrechte von Beweisführer und Beweisgegner zu beachtende Wertung dar, dass das deutsche Datenschutzrecht die Erlangung der in Rede stehenden Informationen verbietet. Konkret folgt daraus, dass gem. 28 USC § 1782(a) in den USA erlangte Beweismittel nicht verwertet werden dürfen, wenn durch ihre Übermittlung in die USA gegen deutsches Datenschutzrecht verstoßen wurde. Dieses Ergebnis entspricht auch der Rechtsprechung zur Verwertbarkeit von Beweismitteln, die auf anderem Wege als gem. 28 USC § 1782(a) unter Verstoß gegen Datenschutzrecht erlangt wurden.488 Hat die Übermittlung der Daten in die USA hingegen nicht gegen das Datenschutzrecht verstoßen, so verhält dieses sich zur Frage der Verwertbarkeit der in Rede stehenden Beweismittel neutral.

ff)  Vorbehalt gem. Art. 23 Haager Beweisübereinkommen Eine weitere relevante Wertung könnte sich aus Art. 23 HBÜ ergeben.

(1)  Geltendes Recht Das HBÜ ist die völkerrechtliche Grundlage der beweismäßigen Rechtshilfe zwischen Deutschland und den USA.489 Nach dem HBÜ sind die Vertragsstaaten grundsätzlich verpflichtet, den Rechtshilfegesuchen anderer Vertragsstaaten zu entsprechen.490 Diese Verpflichtung kennt aber einige Ausnahmen. Erstens 485 Vgl. Cohan, 87 Tex. L. Rev. 1009, 1020 ff. (2009), aus deutscher Perspektive Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 2007, Ziff. 10.3. 486  BAG NZA 2012, 1027, Rn. 35 ff.; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2078). 487  Vgl. oben, § 5 A. III.1. 488  BAG NZA 2011, 571, Rn. 28 ff.; NZA 2012 1027, Rn. 27 ff.; NZA 2014, 143 Rn. 20 ff.; NJW 2014, 810 Rn. 42 ff. Vgl. auch die Übersicht bei Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2078). 489  Vgl. dazu oben § 2 D. 490  Berger, in: Stein/Jonas23, Anhang zu § 363 Rn. 16; Pabst, in: MüKo-ZPO, Art. 1 HBÜ Rn. 1.



§ 7  Rechtfertigung

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findet die beantragte Beweisaufnahme bei Vorliegen eines Aussageverweigerungrechts bzw. Aussageverbots nicht statt (Art. 11 HBÜ). Zweitens kann die Beweiserhebung verweigert werden, wenn das Gesuch im ersuchten Staat nicht in den Bereich der Gerichtsgewalt fällt (Art. 12 HBÜ Abs. 1 lit. a) HBÜ), oder wenn der ersuchte Staat die Erledigung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden (Art. 12 Abs. 1 lit. b) HBÜ). Darüber hinaus kann jeder Vertragsstaat erklären, dass er solche Rechtshilfeersuchen nicht erledigen werde, die „ein Verfahren zum Gegenstand haben, das in den Ländern des ‚Common Law‘ unter der Bezeichnung ‚pre-trial discovery of documents‘ bekannt ist“ (Art. 23 HBÜ).491 Die Bundesrepublik hat einen entsprechenden Vorbehalt erklärt.492 Zweck des Vorbehaltes ist, in den USA tätige deutsche Unternehmen vor Ausforschung im Rahmen der discovery zu schützen.493 Der Vorbehalt hat in Deutschland gesetzlichen Niederschlag gefunden in § 14 des Ausführungsgesetzes zum HBÜ (im Folgenden: AGHBÜ).494 Gem. § 14 Abs. 1 AGHBÜ werden Rechtshilfeersuchen, die ein Verfahren nach Art. 23 HBÜ zum Gegenstand haben, nicht erledigt. Gem. § 14 Abs. 2 AGHBÜ kann entsprechenden Gesuchen zwar dennoch stattgegeben werden, soweit „tragende Grundsätze des deutschen Verfahrensrechts“ nicht entgegenstehen. Die genaueren Voraussetzungen der Bearbeitung entsprechender Gesuche sind 491 

Vgl. zu Art. 23 HBÜ insgesamt Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, S. 233 ff. 492  Nr. 5, Buchstabe B der mit der Ratifikationsurkunde am 27. April 1979 hinterlegten Erklärung lautet: „Die Bundesrepublik Deutschland erklärt gemäß Artikel 23 des Übereinkommens, daß in ihrem Hoheitsgebiet Rechtshilfeersuchen nicht erledigt werden, die ein Verfahren zum Gegenstand haben, das in den Ländern des ‚Common Law‘ unter der Bezeichnung ‚pretrial discovery‘ bekannt ist.“, Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens vom 21. Juni 1979, BGBl. 1979 II, S. 780 (781). Vgl. dazu auch Geimer, IZPR, Rn. 2357 mit ausführlichen weiteren Nachweisen, dort Fn. 206. 493  In der Begründung zum Entwurf des Ausführungsgesetzes zum HBÜ heißt es dazu: „Artikel 23 des Übereinkommens enthält eine […] Vorschrift über Beweisaufnahmeersuchen im Rahmen der ‚pre-trial discovery of documents‘ nach ‚Common Law‘. Derartige Verfahren dienen dem Zweck, einer Partei vor Beginn des eigentlichen Prozesses einen Überblick über die der Gegenseite zur Verfügung stehenden Beweismittel zu verschaffen. Sie sind nach englischem Recht nur unter strikter Kontrolle durch das Gericht zulässig, da sie zu Mißbräuchen, insbesondere zu einer Ausforschung führen können. Sie sind im kontinental-europäischen Recht allgemein nicht vorgesehen, weil die Gefahr besteht, daß dabei Wirtschafts- und Industriegeheimnisse ausgeforscht werden. Auf Vorschlag besonders der britischen Delegation läßt Artikel 23 einen Widerspruch gegen derartige Verfahren zu, der von allen bisherigen Vertragsstaaten außer den Vereinigten Staaten eingelegt worden ist. Die Bundesregierung beabsichtigt, wegen der mit dieser Art der Beweisaufnahme verbundenen Gefahren eine Erklärung nach Artikel 23 abzugeben.“, BT‑Drs. 7/4892, S. 53, Nachweise weggelassen. 494  Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens v. 15. 11. 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen und des Haager Übereinkommens v. 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen v. 22. Dezember 1977, BGBl. I 1977, 3105.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

gem. § 14 Abs. 2 AGHBÜ durch Rechtsverordnung zu regeln. Eine Verordnung zu § 14 Abs. 2 HBÜ wurde aber nie verabschiedet,495 der letzte entsprechende Versuch ist 1989 im „Dickicht divergierender Interessen“ gescheitert.496 § 14 Abs. 2 AGHBÜ kann daher keine Anwendung finden.497 Folglich sind Rechtshilfegesuche, die auf eine „pre-trial discovery of documents“ abzielen, von deutschen Gerichten stets abzulehnen.498

(2)  Gescheiterte Reform von § 14 Abs. 2 AGHBÜ Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung kürzlich eine Initiative zur gesetzlichen Aufweichung des Totalvorbehalts gem. § 14 Abs. 2 AGHBÜ unternommen.499 Die Reform sollte es ermöglichen, unter gewissen Voraussetzungen Rechtshilfegesuchen im Rahmen der discovery zu entsprechen. Die neue Vorschrift sollte folgendermaßen lauten: „§ 14 AGHBÜ-E Rechtshilfeersuchen, die ein Verfahren nach Artikel 23 des Übereinkommens zum Gegenstand haben, werden nur erledigt, wenn aus ihnen ersichtlich ist, dass 1. das Herausgabeverlangen nicht gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts, insbesondere gegen Grundrechte, verstößt, 2. die vorzulegenden Dokumente so genau bezeichnet sind, dass eine Identifizierung durch die herausgabepflichtige Partei möglich ist, 3. die vorzulegenden Dokumente für das jeweilige Verfahren und dessen Ausgang von unmittelbarer und eindeutig zu erkennender Bedeutung sind und 4. die vorzulegenden Dokumente sich im Besitz einer an dem Verfahren beteiligten Partei befinden.“500

Das wirkt auf den ersten Blick wie ein Ausdruck gesteigerter Akzeptanz prozessualer Ausforschung. Tatsächlich ist dem aber nicht so. Die eigentliche Absicht der Reform erhellt mit Blick auf die aktuelle Rechtswirklichkeit: Die gegen495  DAJV, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts, S. 4, online abrufbar unter http://dajv.de/tl_files/DAJV/fachgruppen/arbitration_litigation_mediation/Stellung nahme%20der%20DAJV.pdf, zuletzt abgerufen am 16. Mai 2019. 496  Reufels/Scherer, IPRax 2005, 456 (456). Vgl. zum Entwurf insgesamt und zur entsprechenden Kritik Stadler, Schutz des Unternehmensgeheimnisses, S. 342 ff. 497  Diese Rechtslage stößt in der Lehre mitunter auf Kritik, vgl. z. B. Trittmann/Leitzen, IPRax 2003, 7 (11) und Stürner/Müller, IPRax 2008, 339 (342), die de lege ferenda den Erlass einer Verordnung zu § 14 Abs. 2 HBÜ fordern. A. A. Junker, JZ 1989, 121 (128), der eine entsprechende Verordnung für überflüssig hält. 498  OLG München JZ 1981, 538 (540); OLG Celle NJW‑RR 2008, 78 (79 f.); OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2013, 12264; Pabst, in: MüKo-ZPO, Art. 23 HBÜ Rn. 10; Brand, NJW 2013, 1116 (1118); Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, S. 236 f. 499  Vgl. Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts, BR‑Drucks. 653/16. 500  Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR‑Drs. 653/16, S. 6.



§ 7  Rechtfertigung

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wärtige Rechtslage gewährt nur theoretisch Schutz vor prozessualer Ausforschung in Deutschland, kann diesen aber praktisch nicht gewährleisten. Auf Grundlage der Aérospatiale-Rechtsprechung501 des Supreme Court ­umgehen die US‑Gerichte bei auf das Ausland bezogenen Sachverhalten nämlich regelmäßig das HBÜ, indem sie selbst discovery-Maßnahmen auch außerhalb der USA anordnen.502 Wenn das US‑Gericht aber die Vorlage von Beweisen in Deutschland anordnet, dann führt das zu einer durch deutsches Recht in keiner Weise kontrollierten discovery in Deutschland. Das Ziel der Reform von § 14 Abs. 2 AGHBÜ ist vor diesem Hintergrund, US-amerikanische Gerichte dazu zu bewegen, in Zukunft discovery-Maßnahmen in Deutschland nicht mehr­ eigenmächtig anzuordnen, sondern stattdessen den (dann eröffneten) Weg der Rechtshilfe nach dem HBÜ zu beschreiten. Im Ergebnis bezweckt die Reform also, dass es zu weniger prozessualer Ausforschung in Deutschland komme.503 Der Änderungsvorschlag wurde im Gesetzgebungsverfahren allerdings verworfen. Der Bundestag hat am 23. März 2017 eine neue Fassung des AGHBÜ beschlossen, die § 14 Abs. 2 AGHBÜ unverändert lässt.504 Der Bundestag ist damit der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz505 gefolgt. Dieser unterstützte zwar das von der Bundesregierung verfolgte Ziel, prozessuale Ausforschung in Deutschland zu reduzieren. Der Ausschuss hielt es aber nicht für ausreichend gesichert, dass die in Aussicht genommene Reform den gewünschten Einfluss auf die US-amerikanischen Gerichte haben werde.506 In seiner Beschlussempfehlung hat der Ausschuss dabei 501  Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. US District Court for the Southern District of Iowa, 482 U. S. 522 (1987). 502  Vgl. oben, § 2 D. 503  Vgl. Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BR‑Drs. 653/16, S. 20 f. Diese Erwägung ist freilich höchst spekulativ. Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse dazu, wie die US‑Gerichte auf eine Änderung des deutschen Rechts in der vorgeschlagenen Weise reagieren würden, vgl. DAJV, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts, S. 20, online abrufbar unter http://dajv.de/tl_files/DAJV/fachgruppen/arbitration_litigation_mediation/ Stellungnahme%20der%20DAJV.pdf, zuletzt abgerufen am 16. Mai 2019; Stellungnahme 55/2016 des Deutschen Anwaltvereins, S. 6 f., online verfügbar unter https://anwaltverein.de/ de/newsroom/nr-55-16-stellungnahme-zum-referentenentwurf-des-bmjv-fuer-ein-gesetz-zuraenderung-von-vorschriften-im-bereich-des-internationa?page_n27=122, zuletzt abgerufen am 16. Mai 2019; Stellungnahme der Nr. 312/2016 der Bundesrechtsanwaltskammer, S. 4, online abrufbar unter http://www.brak.de/zur-rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmendeutschland/2016/september/stellungnahme-der-brak-2016-31.pdf, zuletzt abgerufen am 16. Mai 2019. Schon aus diesem Grund ist der Entwurf wohl mit den besseren Gründen abzulehnen. In diesem Sinne auch Stellungnahme des DAV, Fundort oben, S. 8. 504  Zekoll/Haas, Totale Vorbehalte gegen „Document Discovery“  – Keine Öffnung der Rechtshilfe für US-amerikanische Beweisaufnahmeersuchen, in: ZPO Blog, online verfügbar unter http://www.zpoblog.de/pre-trial-discovery-document-rechtshilfe-beweisaufnahme ersuchen-haager-beweisuebereinkommen-hbue/, zuletzt abgerufen am 16. Mai 2019. 505  BT‑Drs. 18/11637. 506  Zekoll/Haas, Totale Vorbehalte gegen „Document Discovery“  – Keine Öffnung

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

erneut die ablehnende Haltung gegenüber prozessualer Ausforschung deutlich gemacht. Er hat sich dabei ausdrücklich auf einige derjenigen Wertungen bezogen, von denen auch die vorliegende Untersuchung gezeigt hat,507 dass sie gegen die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1728(a) erlangter Beweismittel sprechen: „Eine Öffnung der Zivilrechtshilfe für Verfahren der Dokumentenvorlage (‚pre-trial discovery of documents‘) soll nach Auffassung des Ausschusses nicht vorgenommen werden. Ausforschungsbeweise entsprechend US-amerikanischem Prozessrecht sind nach deutschem Zivilprozessrecht ungeachtet der im Jahr 2001 geänderten Regelung des § 142 ZPO grundsätzlich unzulässig. Sie bergen für die betroffene Partei und gegebenenfalls für Dritte erhebliche Risiken, etwa im Hinblick auf die mit der Dokumentenherausgabe verbundenen Kosten, den zeitlichen Aufwand sowie datenschutz- und arbeitsrechtliche Probleme.“508

(3)  Konsequenzen für die Bildung praktischer Konkordanz Die dargestellten Wertungen sind relevant für die Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel. Es wäre widersprüchlich, einerseits die Ausforschung einer Prozesspartei in Deutschland im Rahmen der Rechtshilfe abzulehnen, andererseits aber die Früchte gem. 28  USC § 1782(a) betriebener Ausforschung im deutschen Rechtsstreit zu verwerten. Eine in diesem Sinne unzulässige Ausforschung liegt mit Blick auf das an früherer Stelle zum zivilprozessualen Grundsatz nemo contra se edere tenetur Gesagte vor, wenn die Herausgabe des in Rede stehenden Beweismittels bzw. die Preisgabe der in diesem enthaltenen Informationen nicht auch nach deutschem Recht hätte verlangt werden können.509 Das gilt unabhängig von der Art des in Rede stehenden Beweismittels. Zwar ist die wohl h. M. der Auffassung, dass der Vorbehalt gem. Art. 23 HBÜ ausschließlich auf den Urkundenbeweis bezogen sei.510 Das ergebe sich erstens aus dem Wortlaut von Art. 23 HBÜ, der ausdrücklich auf die discovery von „documents“ Bezug nimmt.511 Zweitens sei der Vorbehalt auch nur für den Urkundenbeweis sinnvoll. Bei Einnahme eines Zeugenbeweises hingegen sei der Vorbehalt gem. Art. 23 HBÜ überflüssig. Hier sei ausreichender Schutz vor der Rechtshilfe für US-amerikanische Beweisaufnahmeersuchen, in: ZPO Blog, online verfügbar unter http://www.zpoblog.de/pre-trial-discovery-document-rechtshilfe-beweisaufnahmeersu chen-haager-beweisuebereinkommen-hbue/, zuletzt abgerufen am 16. Mai 2019. 507  Vgl. oben, § 7 B. IV. 5.b). 508  BT‑Drs. 18/11637, S. 4. 509  Vgl. oben, § 7 B. IV. 5.b)cc). 510  In diesem Sinne OLG Celle NJW‑RR 2008, 78 (79); OLG Düsseldorf OLGR 2007, 393; Pabst, in: MüKo-ZPO, Art. 23 HBÜ Rn. 7; Geimer, IZPR, Rn. 2489; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, S. 244; Schlosser, ZZP 94 (1981), 369 (396). 511  OLG Celle NJW‑RR 2008, 78 (79); Pabst, in: MüKo-ZPO, Art. 23 HBÜ Rn. 7.



§ 7  Rechtfertigung

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Ausforschung nämlich schon dadurch gewährt, dass die Auskunftsperson sich gem. Art. 11 HBÜ auf ggf. bestehende Aussageverweigerungsrechte bzw. Aussageverbote berufen könne.512 Ist die Beantwortung einer Frage z. B. mit der Preisgabe eigener oder fremder Geschäftsgeheimnisse verbunden, so könne ein Zeuge sich aber auf ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 384 Nr. 3 ZPO berufen.513 Würde diese Auffassung zutreffen, so könnte Art. 23 HBÜ i. V. m. § 14 Abs. 1 AGHBÜ keine über den Urkundenbeweis hinausgehende Aussage entnommen werden. Diese Argumente können aber nicht überzeugen. Erstens ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des HBÜ, dass mit dem Begriff der „discovery of documents“ tatsächlich die discovery insgesamt gemeint ist. Art. 23 HBÜ geht maßgeblich auf eine Initiative der britischen Verhandlungsdelegation zurück.514 Das britische Recht kannte aber damals keine Unterscheidung zwischen discovery und discovery of documents.515 Es liegt deshalb nahe, dass die britische Delegation davon ausging, dass die Begriffe auch im Sinne des US‑Prozessrechts identisch seien. Insofern dürfte die Formulierung unter Bezugnahme auf „documents“ auf ein Missverständnis der britischen Delegation zurückzuführen sein. Der Wortlaut des Art. 23 HBÜ ist mithin kein geeignetes Argument für die einschränkende Auslegung der Vorschrift.516 Auch der Verweis auf die Aussageverweigerungsrechte bzw. Aussageverbote kann nicht überzeugen. Zeugen- und Urkundenbeweis sind nicht die einzigen Beweismittel im Zivilprozess. Insbesondere ist an den Augenscheinsbeweis zu denken. Bei Zugrundelegung der einschränkenden Auslegung wäre die Beweiserhebung durch Augenscheinseinnahme nicht vom Vorbehalt gem. Art. 23 HBÜ erfasst. Die Einnahme von Augenschein kann aber mitunter ebenso oder noch stärker ausforschend wirken, als die Vorlage von Urkunden.517 Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, warum der Augenscheinsbeweis vom Vorbehalt gem. Art. 23 HBÜ ausgenommen sein sollte.518 Eine Beschränkung auf den Urkundenbeweis widerspräche auch dem erklärten Zweck von § 14 Abs. 1 HBÜ. Die Vorschrift dient allgemein dem Schutz vor Ausforschung im Rahmen der discovery.519 Damit wäre es nicht vereinbar, den Vorbehalt gem. Art. 23 HBÜ 512  Pabst, in: MüKo-ZPO, Art. 23 HBÜ Rn. 7. Ähnlich OLG Saarbrücken 29. 4. 2011 Az. 1 VA 2/10 (juris) Rn. 42. Vgl. auch Paulus, ZZP 104 (1991), 397 (412), der ausreichenden Schutz vor Ausforschung schon durch die gem. Art. 3 HBÜ mögliche Einforderung von Spezifizierung und Substantiierung der Beweishilfegesuche für gewährt hält und deshalb dafür plädiert, den deutschen Vorbehalt gem. Art. 23 HBÜ zu streichen. 513  Pabst, in: MüKo-ZPO, Art. 23 HBÜ Rn. 7. 514 Vgl. Junker, Discovery, S. 287 ff. 515  Junker, Discovery, S. 298. 516  Junker, Discovery, S. 298. 517  Berger, in: Stein/Jonas23, Anhang zu § 363 Rn. 103; Junker, Discovery, S. 298, ders., JZ 1989, 121 (128). 518  Berger, in: Stein/Jonas23, Anhang zu § 363 Rn. 103. 519  Vgl. dazu nochmals die Begründung zu § 14 Abs. 1 HBÜ, oben bei Fn. 493.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

nur auf den Urkundenbeweis zu beschränken.520 § 14 Abs. 1 AGHBÜ ist also mit den besseren Argumenten so zu verstehen, dass der Vorbehalt sich auf die discovery insgesamt erstreckt, unabhängig von der Art der in Rede stehenden Beweismittel.521 Daraus folgt im Ergebnis, dass die Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel den in Art. 23 HBÜ und § 14 AGHBÜ zum Ausdruck kommenden Wertungen widerspricht, wenn die Herausgabe dieser Beweismittel bzw. die Preisgabe der in diesen enthaltenen Informationen nicht auch nach deutschem Recht verlangt werden kann. Dieser Umstand ist bei Bildung der praktischen Konkordanz der Grundrechte von Beweisführer und Beweisgegner zu berücksichtigen.

§ 8  Ergebnis der verfassungsrechtlichen Prüfung Die verfassungsrechtliche Prüfung der Verwertbarkeit gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel führt damit zu folgendem Ergebnis: Beweismittel, die nur offenkundige Informationen enthalten, sind verwertbar. Insofern liegt schon kein Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz des Beweisgegners vor.522 Enthalten die in Rede stehenden Beweismittel hingegen nicht offenkundige Informationen, ist ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff gegeben.523 Dieser Eingriff ist nur erforderlich, wenn der Beweisführer dem Gericht keine Beweismittel angeboten hat, deren Erhebung und Verwertung nicht mit einem Eingriff in die Grundrechte des Beweisgegners einhergeht. Gem. 28 USC § 1782(a) erlangte Beweismittel dürfen mithin nur subsidiär erhoben werden. Die Angemessenheit des Eingriffs ist durch Bildung praktischer Konkordanz der widerstreitenden Grundrechte von Beweisführer und Beweisgegner zu bestimmen. Dabei ist den relevanten Wertungen des Grundgesetzes und des einfachen Rechts Rechnung zu tragen. Die vorstehende Untersuchung hat die folgenden Wertungen als maßgeblich identifiziert: Der Grundsatz der Waffengleichheit spricht gegen die Verwertbarkeit der in Rede stehenden Beweismittel, wenn dem Beweisgegner keine vergleichbaren Aufklärungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Der nemo tenetur-Grundsatz und der deutsche Vorbehalt gem. Art. 23 HBÜ und § 14 AGHBÜ sprechen gegen die Verwertbarkeit der in Rede stehenden Beweismittel, wenn deren Vorlage bzw. die Preisgabe der in diesen enthaltenen Informationen nicht 520 

Berger, in: Stein/Jonas23, Anhang zu § 363 Rn. 103. Berger, in: Stein/Jonas23, Anhang zu § 363 Rn. 104; Junker, Discovery, S. 299 f.; ders., JZ 1989, 121 (128). 522  Vgl. oben, § 6 A. III. 523  Vgl. oben, § 6. 521 



§ 9  Folgeproblem: Sachvortragsverwertungsverbot

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auch nach deutschem Recht hätte verlangt werden können. Soweit die Übermittlung von Daten in die USA im Rahmen des Verfahrens gem. 28 USC § 1782(a) gegen europäisches Datenschutzrecht verstößt, spricht auch dieser Umstand gegen die Verwertbarkeit der in Rede stehenden Beweismittel. Positiv formuliert sind gem. 28 USC § 1782(a) erlangte Beweismittel, die nicht-offenkundige Informationen enthalten, also nur dann verwertbar, wenn die folgenden Voraussetzungen kumulativ vorliegen: (1) Der Beweisgegner verfügte über entsprechende Aufklärungsmöglichkeiten, (2) die Herausgabe der entsprechenden Beweismittel bzw. die Preisgabe der entsprechenden Informationen wäre auch nach deutschem Recht zu erreichen gewesen und (3) die Übermittlung der Daten war datenschutzrechtlich zulässig.

§ 9  Folgeproblem: Sachvortragsverwertungsverbot Die Verwertbarkeit eines Beweismittels kommt im Prozess nur dann zum Tragen, wenn das Gericht über die in Rede stehende Tatsachenbehauptung Beweis erhebt. Das Gericht erhebt aber nur über solche Tatsachen Beweis, die zwischen den Parteien streitig sind.524 Vom Prozessgegner nicht bestrittener Tatsachenvortrag gilt demgegenüber aufgrund der Geständnisfiktion gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.525 Die Parteien dürfen aber von ihnen als wahr erkannten Tatsachenvortrag nicht bestreiten. Das folgt aus der zivilprozessualen Wahrheitspflicht, § 138 Abs. 1 ZPO.526 Entsprechendes Prozessverhalten würde darüber hinaus einen (ggf. versuchten) Prozessbetrug gem. § 263 Abs. 1 StGB darstellen und ist insofern mit strafrechtlichen Sanktionen bedroht.527 Daraus folgt, dass Sachvortrag auf Grundlage gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Informationen regelmäßig nicht bestritten werden darf bzw. kann. Dieser beruht nämlich auf vom Prozessgegner erlangten Informationen und Beweismitteln, und entspricht mithin mit großer Wahrscheinlichkeit (jedenfalls nach dessen Auffassung) der „Wahrheit“. Auch ein Bestreiten mit Nichtwissen ist bezüglich des entsprechenden Sachvortrags regelmäßig ausgeschlossen. Gem. § 138 Abs. 4 ZPO können nämlich nur solche Umstände mit Nichtwissen bestritten werden, die keine eigene Handlung der Partei betreffen bzw. 524  525 

Kern, in: Stein/Jonas23, § 138 Rn. 37. Kern, in: Stein/Jonas23, § 138 Rn. 36. 526  Kern, in: Stein/Jonas23, § 138 Rn. 12. 527  Vgl. zum Prozessbetrug Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 StGB Rn. 69 ff., zu den möglichen Sanktionen und materiell-rechtlichen Folgen der Verletzung der Wahrheitspflicht insgesamt Kern, in: Stein/Jonas23, § 138 Rn. 17, 20 ff.

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

nicht Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung waren.528 Die gem. 28 USC § 1782(a) beschafften Informationen stammen aber gerade vom Prozessgegner, waren also stets Gegenstand seiner Wahrnehmung.529 Sie sind insofern von vornherein vom Bestreiten mit Nichtwissen ausgeschlossen. Das Zusammenspiel der zivilprozessualen Wahrheitspflicht gem. § 138 Abs. 1 ZPO und der Geständnisfiktion gem. § 138 Abs. 3 ZPO führt dazu, dass über Sachvortrag auf Grundlage von 28 USC § 1782(a) regelmäßig kein Beweis erhoben wird. Die Unverwertbarkeit der entsprechenden Beweismittel kommt im Prozess mithin regelmäßig nicht zum Tragen.530

A.  Grundrechtliche Relevanz der Verwertung von Sachvortrag Das ist kein befriedigendes Ergebnis. Soweit gem. 28 USC § 1782(a) erlangte Beweismittel unverwertbar sind, liegt das daran, dass ihre Einbeziehung in die Urteilsfindung ohne bzw. gegen den Willen der betroffenen Partei einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in deren Grundrecht auf Datenschutz darstellt.531 Das gilt in gleicher Weise für die Verwertung von Sachvortrag. Sachvortrag, der auf gem. 28 USC § 1782(a) erlangten Informationen beruht, hat den gleichen Inhalt, wie die auf diesen Sachvortrag bezogenen Beweismittel. Berührt die Verwertung der Beweismittel die grundrechtlich geschützte Sphäre der betroffenen Partei, dann ist das mithin auch bei der Verwertung des inhaltsgleichen Sachvortrags der Fall. Die Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Informationen als Sachvortrag stellt also ebenfalls einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz der betroffenen Partei dar.532 Dieses Ergebnis entspricht auch dem aktuellen Stand der Diskussion um die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel. Auch diese sind regel528 

Kern, in: Stein/Jonas23, § 138 Rn. 41 ff. zum Umfang des der Partei insofern zuzurechnenden Wissens und den von ihr vor Bestreiten mit Nichtwissen einzuholenden Erkundigungen Kern, in: Stein/Jonas23, § 138 Rn. 42 f. 530  Das Verbot des Bestreitens als wahr erkannten Tatsachenvortrags ist freilich kein Spezifikum des auf 28 USC § 1782(a) beruhenden Sachvortrags. Der dargestellte Zusammenhang ist bezüglich 28 USC § 1782(a) aber besonders dringend, weil anhand der in den USA erlangen Dokumente für Dritte und das Gericht die objektive Wahrheit der entsprechenden Tatsachenbehauptung bzw. der diesbezüglichen subjektiven Überzeugung der potenziell bestreitenden Partei unmittelbar nachvollziehbar sind. Erst in dieser spezifischen Situation entfaltet das Verbot wahrheitswidrigen Bestreitens seine volle Wirkung. Diese Besonderheit besteht ebenso bei rechtswidrig erlangten Beweismitteln. 531  Vgl. oben, § 6. 532  Vgl. in diesem Sinne bezogen auf rechtswidrig erlangte Beweismittel OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577 (1578): „[…] schon durch die Berücksichtigung des Vortrags […] würde der rechtswidrige Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitssphäre des Bekl. perpetuiert.“ In diesem Sinne im Schrifttum v. a. Schreiber, ZZP 122 (2009), 227 (230), i. E. aber auch Bergwitz, NZA 2012, 353 (359); Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2078 f.). Auf die eigenständige Bedeutung des Sachvortrags auf Grundlage von 28 USC § 1782(a) erlangter Informationen weist Müller-Stoy, GRUR Int 2005, 558 (563 f.) hin. 529  Vgl.



§ 9  Folgeproblem: Sachvortragsverwertungsverbot

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mäßig unverwertbar, ihre Verwertbarkeit kommt aber aufgrund des Zusammenspiels von Wahrheitspflicht und Geständnisfiktion im Prozess mitunter nicht zum Tragen. Aus diesem Grund wird unter dem Schlagwort des „Sachvortragsverwertungsverbots“ diskutiert, ob neben den rechtswidrig erlangten Beweismitteln auch der entsprechende Sachvortrag von der Verwertung ausgeschlossen ist. Die Existenz eines Sachvortragsverwertungsverbots wird zwar mitunter (vehement) abgelehnt.533 Die Befürworter des Sachvortragsverwertungsverbots sind aber mittlerweile deutlich in der Mehrheit.534 Das Sachvortragsverwertungsverbot scheint sich darüber hinaus auch in der Rechtsprechung durchzusetzen. Als soweit ersichtlich erstes Gericht hat sich das OLG Karlsruhe in einem Urteil aus dem Jahr 2000 ausdrücklich für ein Sachvortragsverwertungsverbot ausgesprochen.535 In diesem Sinne hat dann auch das LAG Hamm in einem Urteil von 2002 entschieden,536 hat insofern aber Widerspruch durch verschiedene andere Landesarbeitsgerichte erfahren.537 Als bislang einziges oberstes Bundesgericht hat sich das BAG in einem Urteil vom 13. 12. 2007 mit der Frage befasst.538 Dort heißt es u. a.: „Ein ‚Verwertungsverbot‘ von Sachvortrag kennt das deutsche Zivilprozessrecht nicht. Der beigebrachte Tatsachenstoff ist entweder unschlüssig oder unbewiesen, aber nicht ‚unverwertbar‘. Dies gilt umso mehr, wenn der Sachverhalt unstreitig ist. Das Gericht ist an ein Nichtbestreiten (wie auch an ein Geständnis) grundsätzlich gebunden. Es darf für unbestrittene Tatsachen keinen Beweis verlangen und erheben. Die Annahme eines ‚Sachvortragsverwertungsverbots‘ […] steht somit in deutlichem Widerspruch zu den Grundprinzipien des deutschen Zivil- und Arbeitsgerichtsverfahrens.“539

Daraus schließen manche im Schrifttum, dass das BAG Sachvortragsverwertungsverbote insgesamt ausschließe.540 Diese Auslegung des Urteils ist aber – trotz der scheinbar deutlichen Worte des BAG – unzutreffend. An späterer Stelle im Urteil relativiert das BAG seine Aussage nämlich dahingehend, dass im 533 

Prütting, in: MüKo-ZPO, § 284 Rn. 62; Schneider, MDR 2000, 1029 (1030). voran Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, unter Bezugnahme darauf auch Greger, in: Zöller, § 138 Rn. 3a. Im Ergebnis auch Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, Übers § 371 Rn. 13; Bergwitz, NZA 2012, 353; Götz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zivilverfahren, S. 299, dort Fn. 804; Lunk, NZA 2009, 457 (458 f.); Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 283. Im Ergebnis offen lassend, aber wohl eher in Richtung einer Einschränkung der Verwertung entsprechenden Vortrags Reichenbach, § 1004 BGB, S. 215 ff. Heinemann, MDR 2001, 137 (139 ff.) lehnt zwar ein „Sachvortragsverwertungsverbot“ ab, anerkennt aber das hier dargestellte Problem und schlägt lediglich einen anderen Weg zur Lösung desselben vor, vgl. dazu sogleich § 9, B. 535  OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577. 536  LAG Hamm NZA‑RR 2002, 464. 537  Ausdrücklich gegen ein Sachvortragsverwertungsverbot LAG Sachsen, BeckRS 2004, 40559; LAG Halle, NJ 2008, 575, juris-Rn. 41 f. 538  BAG NJW 2008, 2732. 539  BAG NJW 2008, 2732 Rn. 24. 540  Prütting, in: MüKo-ZPO, § 284 Rn. 62; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227 (228). 534  Allen

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Vierter Teil: Verwertbarkeit nach verfassungsrechtlichem Ansatz

Falle „einer erheblichen Verletzung des Persönlichkeitsrechts […] ausnahmsweise [die] Annahme eines prozessualen Verwertungsverbots“ auch bezogen auf Sachvortrag geboten sein könne.541 Richtigerweise hat das BAG mit seinem Urteil mithin im Ergebnis anerkannt, dass bei Verletzung der Grundrechte der betroffenen Prozesspartei die Verwertung auch von Sachvortrag im Zivilprozess verboten sein kann.542

B.  Prozessuale Konsequenzen Nachdem nunmehr die grundrechtlichen Anforderungen an den Umgang mit Sachvortrag dargestellt sind, bleibt zu klären, in welcher Weise diese im Prozess konkret rechtstechnisch umsetzen sind. Einerseits wird insofern vorgeschlagen, der betroffenen Partei in der geschilderten Situation ein „Recht zu Lüge“ einzuräumen. Die betroffene Partei soll demnach in Ausnahme von § 138 Abs. 1 ZPO den in Rede stehenden Sachvortrag bestreiten dürfen, obwohl sie von dessen Wahrheit überzeugt ist.543 Andererseits wird vorgeschlagen, die Geständnisfiktion gem. § 138 Abs. 3 ZPO dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass unbestrittener Tatsachenvortrag nicht immer als vom Gegner zugestanden gilt, sondern nur dann, wenn dieser nicht die Grundrechtswidrigkeit der Verwertung des in Rede stehenden Vortrags rügt.544 Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Verwertung des Vortrags die betroffene Partei tatsächlich in ihren Grundrechten verletzen würde, so bleibt der Vortrag danach unverwertet, ohne dass es insofern eines Bestreitens bedürfte. Die besseren Argumente sprechen für die Lösung über die teleologische Reduktion der Geständnisfiktion. Die Eröffnung eines „Rechts zur Lüge“ lässt sich nicht mit der spezifischen Situation des Zivilprozesses vereinbaren. Mit einem „Recht zur Lüge“ würde ein prozessuales „Notwehrrecht“ gegen grundrechtsverletzenden Sachvortrag geschaffen. Ein Notwehrrecht kann es vor dem Hintergrund des Gewaltmonopols des Staats aber nur dort geben, wo obrigkeitliche Hilfe nicht verfügbar ist: „Wo die Staatshilfe zum Eingreifen parat, ist weder ‚Not‘ vorhanden, noch ‚Wehr‘ erforderlich.“545 So liegt es im Zivilprozess: Dieser findet unter Leitung des Gerichts und mithin in der unmittelbaren Einflusssphäre des Staates statt. In dieser Situation ist es nicht am Privaten, 541 

BAG NJW 2008, 2732, Rn. 37. Die Mehrheit der Stimmen im Schrifttum versteht das Urteil richtigerweise in diesem Sinne, vgl. ausführlich Lunk, NZA 2009, 457; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2078). 543 Bezogen auf materiell-rechtswidrig erlangte Beweismittel in diesem Sinne Heinemann, MDR 2001, 137 (141 f.). 544  In diesem Sinne insb. Schreiber, ZZP 122 (2009), 227 (241), ihm folgend Greger, in: Zöller, § 138 Rn. 3a; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2079); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 282 f. 545  Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, AT 2, S. 426. Diese Voraussetzung des Notwehrrechts findet sich nur deshalb nicht ausdrücklich in § 227 BGB wieder, weil sie für selbstverständlich gehalten wurde, Schreiber, ZZP 122 (2009), 227 (240). 542 



§ 9  Folgeproblem: Sachvortragsverwertungsverbot

165

sich selbst gegen den Angriff auf seine Rechte zu verteidigen; vielmehr liegt es am Gericht, die vom entsprechenden Sachvortrag ausgehende Bedrohung der Grundrechte der betroffenen Partei abzuwehren.546 Dieser Aufgabe kann das Gericht nachkommen, indem es den entsprechenden Vortrag nicht verwertet. Das Gericht kann dabei aber nicht von sich aus die Verwertung unterlassen; eine entsprechende Entscheidung setzt eine Rüge der betroffenen Partei voraus.547 Das folgt einerseits daraus, dass wenn die Partei die Grundrechtswidrigkeit der Verwertung nicht rügt, dies als konkludente Einwilligung in die Verwertung des Sachvortrages verstanden werden kann. Willigt die Partei aber in die Verwertung des Sachvortages ein, fehlt es insofern schon an einem Eingriff in ihre Rechte.548 Davon abgesehen ergibt sich auch aus dem Dispositions- und Beibringungsgrundsatz die Notwendigkeit der entsprechenden Rüge. Danach ist die Bestimmung des tatsächlichen Streitstoffs das Vorrecht der Parteien des Zivilprozesses, nicht des Gerichts. Damit wäre es unvereinbar, wenn dem Gericht die Möglichkeit eröffnet würde, ohne entsprechenden Antrag einer Partei aus eigener Willensentscheidung bestimmten Sachvortrag vom Verfahren auszuschließen.549

C. Ergebnis Macht eine Partei Sachvortrag auf der Grundlage gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Informationen, die der Prozessgegner aufgrund der prozessualen Wahrheitspflicht nicht bestreiten kann, so kann dieser die Verfassungswidrigkeit der Verwertung des entsprechenden Vortrags im Prozess rügen. In diesem Fall muss das Gericht den entsprechenden Sachvortrag bei der Urteilsfindung unberücksichtigt lassen. § 138 Abs. 3 ZPO ist insofern teleologisch zu reduzieren.

546 

Schreiber, ZZP 122 (2009), 227 (240). Schreiber, ZZP 122 (2009), 227 (239). In diesem Sinne ausdrücklich Balzer/Nugel, NJW 2013, 3397 (3399 f.). 548  Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2079). 549  Darauf weist Lunk, NZA 2009, 457 (458) hin. 547 

Fünfter Teil

Schlussbetrachtungen § 10  Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Die vorliegende Untersuchung war der Frage gewidmet, ob gem. 28  USC § 1782(a) erlangte Beweismittel im deutschen Zivilprozess erhoben bzw. verwertet werden dürfen. Die wichtigsten Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1.  Die Verwertbarkeit der in Rede stehenden Beweismittel bestimmt sich nach deutschem Recht. Die internationale Herkunft der Beweismittel führt nicht dazu, dass ihre Verwertbarkeit lediglich am Maßstab des ordre public zu messen wäre. § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist auf die vorliegende Frage weder direkt noch analog anwendbar. Die bezüglich der Verwertung von Beweismitteln gegebene Interessenlage weicht von derjenigen bei Anerkennung ausländischer Urteile erheblich ab. Da es sich bei Erhebung und Verwertung der Beweismittel um Verfahrenshandlungen des deutschen Gerichts handelt, entspricht dieses Ergebnis auch dem Grundsatz der verfahrensrechtlichen Maßgeblichkeit der lex fori. 2.  Maßgeblich für die Verwertbarkeit der Beweismittel sind die Grundrechte der Parteien des Rechtsstreits. Zwar entfalten die Grundrechte im Verhältnis der Privatrechtssubjekte untereinander keine unmittelbare Wirkung. Es kommt aber zu einer „Horizontalwirkung ums Eck“, weil das Gericht gem. Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte beider Parteien wahren muss. Der Rückgriff auf das Verfassungsrecht ist auch nicht durch den Anwendungsvorrang des einfachen Rechts gesperrt. Weder das Prozessrecht noch das materielle Recht sind in der Lage, das vorliegend untersuchte Problem aufzulösen. 3. Stehen nicht-offenkundige Informationen in Rede, so greifen Erhebung und Verwertung der Beweismittel in das Grundrecht auf Datenschutz des Beweisgegners ein. Das gilt für Informationen privater und geschäftlicher Natur gleichermaßen. Insofern ist auch irrelevant, ob es sich beim Beweisgegner um eine natürliche oder um eine juristische Person handelt. Gem. Art. 19 Abs. 3 GG genießen auch juristische Personen den Schutz des Grundrechts auf Datenschutz. 4.  Die Anforderungen an die Rechtfertigung dieses Eingriffs richten sich nach den vom BVerfG im Volkszählungsurteil entwickelten Maßstäben. Danach ist

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Fünfter Teil: Schlussbetrachtungen

ein Eingriff gerechtfertigt, wenn er auf eine gesetzliche Grundlage gestützt ist und die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. 5.  Die relevante gesetzliche Grundlage liegt in §§ 355 ff. ZPO für die Beweiserhebung und in § 286 ZPO für die Verwertung der Beweismittel. Die Beweismittel können hingegen nicht gem. § 493 ZPO verwertet werden. § 493 ZPO ist direkt nur auf Beweiserhebungen im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens gem. §§ 485 ff. ZPO anwendbar. Auch eine analoge Anwendung auf die discovery gem. 28 USC § 1782(a) ist in der untersuchten Konstellation nicht möglich. Unabhängig davon, ob die Vorschrift auf Beweiserhebungen im Ausland allgemein analog anwendbar ist, scheidet das jedenfalls dann aus, wenn diese nicht auf ein Rechtshilfeersuchen des deutschen Gerichts zurückgeht. 6.  Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient, diesen zu erreichen geeignet und erforderlich ist, und darüber hinaus mit Blick auf das Eingriffsgut angemessenen ist. Erhebung und Verwertung der Beweismittel dienen einem legitimen Zweck, nämlich der Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Rechts auf Beweis des Beweisführers. Sie sind auch geeignet, diesen Zweck zu erreichen. 7.  Der Eingriff ist aber nicht stets erforderlich im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Bietet der Beweisführer für die in Rede stehende Tatsachenbehauptung neben den gem. 28 USC § 1782(a) erlangten Beweismitteln zusätzlich Beweismittel an, deren Erhebung und Verwertung nicht in die Grundrechte des Beweisgegners eingreift, so sind diese vorrangig zu erheben. Die Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel ist insofern subsidiär. 8. Die Angemessenheit des Eingriffs ist in Abwägung der widerstreitenden Grundrechte der Parteien zu ermitteln. Diese Abwägung steht aber nicht im freien Ermessen der Gerichte. Vielmehr sind sie an die wertungsmäßigen Maßstäbe des Grundgesetzes gebunden und müssen angesichts des Gewaltenteilungsprinzips gem. Art. 20 Abs. 2 GG auch die im einfachem Recht getroffenen Wertungen berücksichtigen. 9.  Es bestehen keine Wertungen, die für die Erhebung und Verwertung gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Beweismittel sprechen. Insbesondere erfordert der Prozesszweck der Schaffung materieller Gerechtigkeit nicht die Verwertung der in Rede stehenden Beweismittel. Die vom Zivilprozess zu schaffende Gerechtigkeit bezieht sich nicht auf die historische „Wahrheit“, sondern auf den rechtmäßig ermittelten Sachverhalt. Die rechtlichen Modalitäten der Sachverhaltsermittlung sind der zu verwirklichenden Gerechtigkeit also als Voraussetzung vorgegeben; mithin kann das Ziel der Schaffung materieller Gerechtigkeit nicht den Umfang der prozessualen Sachverhaltsermittlung bestimmen.



§ 10  Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

169

10.  Die vorliegende Untersuchung hat aber eine Reihe von Wertungen identifiziert, die gegen die Verwertung der in Rede stehenden Beweismittel sprechen. Der Grundsatz prozessualer Waffengleichheit hindert die Verwertung, wenn der Beweisgegner vom Beweisführer keine entsprechende Aufklärung erlangt hat. Die Verwertung der in Rede stehenden Beweismittel würde dann einen mit der Waffengleichheit nicht zu vereinbaren substanziellen Nachteil des Beweisgegners begründen. Der zivilprozessuale nemo tenetur-Grundsatz spricht gegen die Verwertung, wenn die Herausgabe der in Rede stehenden Beweismittel bzw. die Preisgabe der entsprechenden Informationen nicht auch nach deutschem Recht hätte verlangt werden können. Das deutsche Recht gewährt verschiedene Mittel zur Bekämpfung prozessualer Informationsnot. Im Umkehrschluss ist eine Prozesspartei außerhalb dieser Ausnahmetatbestände nicht zur Mitwirkung an der Sachverhaltsermittlung zugunsten des Prozessgegners gehalten. Die durch das deutsche Recht insofern gewährte „prozeßfreie Sphäre“ darf nicht durch Rückgriff auf die Aufklärungsmöglichkeiten gem. 28 USC § 1782(a) untergraben werden. In seinem Anwendungsbereich spricht auch das europäische Datenschutzrecht gegen die Verwertung der in Rede stehenden Beweismittel. Die Übermittlung von Informationen aus Deutschland in die USA zu Zwecken der discovery ist regelmäßig datenschutzrechtlich unzulässig. Diesem Umstand ist bei Entscheidung über die Verwertung Rechnung zu tragen. Schließlich spricht auch der deutsche Vorbehalt gem. Art. 23 HBÜ und § 14 AGHBÜ gegen die Verwertung, wenn die Herausgabe der gem. 28 USC § 1782(a) in den USA erlangten Beweismittel nicht auch nach deutschem Recht hätte verlangt werden können. Es wäre widersprüchlich, wenn das deutsche Recht einerseits die Durchführung ausforschender Rechtshilfeersuchen ablehnt, andererseits aber die Verwertung der Früchte in den USA betriebener Ausforschung zuließe. 11.  Sind eine oder mehrere der genannten Wertungen einschlägig, ist der durch Erhebung und Verwertung der Beweismittel gegebene Eingriff in die Grundrechte des Beweisgegners im Ergebnis nicht gerechtfertigt. Das Beweismittel muss dann unverwertet bleiben. 12.  Die Unverwertbarkeit der in Rede stehenden Beweismittel wird aber im Prozess regelmäßig nicht unmittelbar zum Tragen kommen. Aufgrund der prozessualen Wahrheitspflicht gem. § 138 Abs. 1 ZPO kann die betroffene Partei den relevanten Tatsachenvortrag in der Regel nicht bestreiten, sodass dieser gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Das wäre aber ein unbefriedigendes Ergebnis, weil die Verwertung des entsprechenden Sachvortrages ebenfalls mit einer Verletzung der betroffenen Grundrechte einherginge. Aus diesem Grund ist § 138 Abs. 3 ZPO teleologisch zu reduzieren. Danach gilt unbestritte-

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Fünfter Teil: Schlussbetrachtungen

ner Sachvortrag auf der Grundlage gem. 28 USC § 1782(a) erlangter Informationen dann nicht als zugestanden, wenn die betroffene Partei die Verfassungswidrigkeit der Verwertung des Sachvortrags rügt.

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Sachregister Adverse Inference Order 19 Aérospatiale 142, 157 American rule of costs 21 Angetroffensein 25 ff. Antragsberechtigung 24 Anwendungsvorrang des einfachen Rechts 72 f. Aufklärungspflicht 125 ff. Ausforschungsverbot 123 f. Beibringungsgrundsatz 108 f. Betriebs- und Geschäftsgehemnis 16, 78 f. Beweislast 25, 32, 34, 36, 125, 130 f. confidentiality order 16 f., 35 contempt of court 19 f. Datenschutz 131 ff. – deliktsrechtlicher 53 f. – Grundrecht auf 78, 82 ff. – und §§ 422, 423 ZPO 63 deposition 10 discovery 7 ff. document retention siehe spoliation Dombo Beheer 118 ff. Drittwirkung der Grundrechte 67 ff. eDiscovery 12 f., 20 f. Einheit der Rechtsordnung 50 entry onto land or other property 10 Extraterritorialität 17 ff., 29 f. foreign discoverability 28 f. formelle Wahrheit siehe Wahrheitszweck found 25 ff. Geheimverfahren 100 ff.

Haager Beweisübereinkommen (HBÜ) 141 f., 154 ff. in camera-Verfahren siehe Geheimverfahren initial disclosure 8 f. Intel v. AMD 24, 27, 28 f., 29 f., 31 interested person 24, 89 f. jurisdiction 24 ff. Justizgewährungsanspruch 92 f. Kontostammdatenbeschluss 81 f., 83 f. Kostenerstattung 21, 36 ff. lex fori 47 f. Lüth-Urteil 68 f. minimum contacts siehe found nemo contra se edere tenetur 124 ff. nuisance value of discovery 21 Offenkundigkeit 82 ff. ordre public 39 ff. physical and mental examinations 10 Praktische Konkordanz 97 ff. Privacy Shield 137 f. privilege 10, 15 f., 36 production of documents 11 protective order 16 f., 140, 147 f. Prozessökonomie 113 f. Recht auf rechtliches Gehör 92 f., 102 ff., 117 Recht auf Beweis 91 ff. Rechtshilfe 17 ff., 45 f., 141, 154 ff. Rechtsverweigerungsverbot 72 f., 99

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Sachregister

Rechtswidrig erlangte Beweismittel 52 ff., 61 ff., 66, 111 relevancy 13 f. requests for admission 10 residence 25 Sachvortragsverwertungsverbot 161 ff. Schutzzweck 57, 59 f., 61 Selbständiges Beweisverfahren 88 ff. Selbstbelastungsfreiheit siehe nemo ­contra se edere tenetur Soraya-Beschluss 74 Spoliation 12, 19 f. Subsidiarität 94 ff.

Treu und Glauben 57 ff., 60 f. Umgehung ausländischen Beweisrechts 32 f. Vieraugengespräch 120 Volkszählungsurteil 76 ff., 85 ff., 133 Waffengleichheit 28 f., 63, 115 ff. Wahrheitszweck des Zivilprozesses 127 ff. work product rule 15 f., 35 written interrogatories 10 Zuständigkeit 24 ff.