IT-Anwendung im Zivilprozess: Untersuchung zur Anwendung künstlicher Intelligenz im Recht und zum strukturierten elektronischen Verfahren. Dissertationsschrift 9783161595325, 9783161595332, 3161595327

Könnte man der zu beobachtenden Überlastung deutscher Zivilgerichte durch einen verstärkten Einsatz von Informationstech

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German Pages 171 [194] Year 2020

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Einleitung
A. Problemaufriss
I. Rechtstatsächliche Beobachtungen
1. Zunahme der durchschnittlichen Verfahrensdauer
2. Klagen im Zusammenhang mit Massenschäden
3. Rückgang der Klageeingangszahlen
4. Personalbedarf in der Justiz
II. Digitalisierung
III. Zwischenbefund
B. Gegenstand und Gang der Untersuchung
Erster Teil: Status Quo
A. Kompetenzordnung
B. Stand der Digitalisierung
I. Justizverwaltungssoftware
II. Videokonferenztechnik
III. Elektronische Kommunikation
IV. Online Dispute Resolution
C. Zusammenfassung des ersten Teils
Zweiter Teil: Der künstliche Richter
A. Einleitung
I. Zielsetzung
II. Vorüberlegungen zur Rechtsinformatik
III. Gliederung des weiteren Vorgehens
B. Aufgaben des Richters
I. Streitentscheidung
1. Sachverhaltsaufklärung
a) Ablauf
b) Verhandlungswürdigung und Beweismaß
c) Objektive Beweislast
d) Beweisführungslast
e) Substantiierungslast
2. Rechtliche Würdigung
3. Begründete Entscheidung
II. Streitbeilegung
III. Prozessleitung und Ablauforganisation
C. Konkretisierung der Systemanforderungen
I. Allgemeine Herausforderungen
1. Akustische und visuelle Wahrnehmung
2. Verständnis natürlicher Sprache
II. Einzelne Problemfelder
1. Sachverhaltsaufklärung
a) Sachverhaltsrekonstruktion als funktionales Abbild der Welt
b) Beschreibende und bewertende Komponente der Sachverhaltsaufklärung
c) Formale Regeln der Beweiserhebung
2. Rechtliche Würdigung
a) Positives Recht
aa) Formalisierung positiven Rechts
bb) Privatautonome Vereinbarungen und Normenhierarchie
cc) Beachtung von Richterrecht
b) Juristische Methodik
aa) Auslegung
bb) Rechtsfortbildung
cc) Übersetzung in Systemanforderungen
c) Subsumtion und Rechtsfolge
3. Begründete Entscheidung
4. Streitbeilegung und Prozessleitung
III. Ergebnis
1. Die formal-logische Komponente
2. Das umfassende Weltbild
3. Das Konzeptverständnis
D. Technische Möglichkeiten
I. Grundlagen
1. Informationen, Daten und Bits
2. Datenverarbeitung
3. Programmierung
4. Zusammenfassung und Zwischenauswertung
II. Künstliche Intelligenz
1. Maschinelles Lernen
2. Künstliche neuronale Netzwerke
a) Aufbau
b) Beispiel
c) Wissensrepräsentation in künstlichen neuronalen Netzwerken
d) Abstraktionsfähigkeit
aa) Die kognitive Entwicklung beim Menschen
bb) Abstraktion in künstlichen neuronalen Netzwerken
e) Zwischenergebnis
3. Aktuelle Leistungsfähigkeit
4. Zusammenfassung
E. Auswertung
I. Die formal-logische Komponente
II. Das umfassende Weltbild
1. Theoretische Möglichkeiten
2. Begrenzende Faktoren
a) Rechenleistung
b) Netzwerk-Architektur
c) Datenverfügbarkeit
3. Ergebnis
III. Das Konzeptverständnis
IV. Fazit
F. Zusammenfassung des zweiten Teils
Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren
A. Einleitung
I. Zielsetzung
II. Vorüberlegungen zur Verfahrensstrukturierung
III. Gliederung des weiteren Vorgehens
B. Vorstellung des Konzepts
I. Die elektronische Verfahrensdatei
II. Ablauf des Verfahrens
III. Aufbau der Verfahrensdatei
1. Anträge und Erklärungen
2. Sachvortrag
3. Rechtsausführungen
4. Verknüpfung von Sachvortrag, rechtlicher Würdigung und Anträgen
5. Verfahrenschronik
IV. Strukturhoheit
1. Sachvortrag
2. Rechtsausführungen
V. Aktive Verfahrensleitung durch das Gericht
1. Vorschläge zur (Um-) Strukturierung des Rechtsvortrags
2. Materielle Prozessleitung im Vorfeld der mündlichen Verhandlung
3. Abschichten des Prozessstoffs
4. Anleitung von Sachverständigen
VI. Mündliche Verhandlung
VII. Anwendungsbereich
VIII. Zwischenergebnis
C. Rechtliche Einordnung
I. Form
II. Inhaltliche Strukturierung
1. Bisherige Vorgaben
2. Reformbedarf
III. Aktive Verfahrensleitung
1. Materielle Prozessleitung
2. Beschränkung auf einzelne Angriffs- und Verteidigungsmittel
3. Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen
IV. Zwischenergebnis
D. Vorschlag zur Änderung der ZPO
I. Änderung der §§ 128 bis 130 ZPO
II. Änderung des § 130a ZPO
III. Änderungen der §§ 131 bis 134 ZPO
IV. Änderung des § 139 ZPO
V. Änderung des § 146 ZPO
VI. Änderung der §§ 253, 271 ZPO
VII. Änderung der §§ 272 bis 282 ZPO
E. Chancen und Risiken
I. Chancen
1. Effizienzgewinne
2. Transparentere Rechtsfindung
3. Schaffung eines juristischen Datensatzes
II. Risiken
1. Verfahrensverkomplizierung
2. Fehlende Flexibilität
3. Benachteiligung der Beklagtenseite
4. Überforderung der Parteien
5. Verminderte Entscheidungsqualität
III. Zwischenergebnis
F. Das seV im kollektiven Rechtsschutz
I. Problematik von Massenschäden
II. Instrumente prozessualer Interessensbündelung
1. Interessensbündelung auf materieller Ebene
2. Interessensbündelung auf prozessualer Ebene
a) Streitgenossenschaft
b) KapMuG-Verfahren
c) Allgemeine Musterfeststellungsklage
3. Abgrenzungsfragen
III. Vereinbarkeit mit dem seV
1. Auf Leistung gerichtete Verfahren
a) Objektive Klagehäufung
b) Subjektive Klagehäufung
2. Auf Feststellung gerichtete Verfahren
a) KapMuG-Verfahren
b) Allgemeine Musterfeststellungsklage
IV. Zwischenergebnis
G. Zusammenfassung des dritten Teils
Zusammenfassung und Ausblick
A. Zusammenfassung der Ergebnisse
B. Ausblick
Anhang: Interview mit DirAG Niels Focken
Literaturverzeichnis
Sachregister
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IT-Anwendung im Zivilprozess: Untersuchung zur Anwendung künstlicher Intelligenz im Recht und zum strukturierten elektronischen Verfahren. Dissertationsschrift
 9783161595325, 9783161595332, 3161595327

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Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 172 herausgegeben von

Rolf Stürner

Benedict Heil

IT-Anwendung im Zivilprozess Untersuchung zur Anwendung künstlicher Intelligenz im Recht und zum strukturierten elektronischen Verfahren

Mohr Siebeck

Benedict Heil, geboren 1993; Studium der Rechtswissenschaft in Wiesbaden und Frankfurt am Main; 2017 Erstes juristisches Staatsexamen; 2020 Promotion; seit 2020 Referendar in Frankfurt am Main. orcid.org/0000-0002-5360-7936

ISBN 978-3-16-159532-5 / eISBN 978-3-16-159533-2 DOI 10.1628/978-3-16-159533-2 ISSN 0722-7574 / eISSN 2568-7255 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2019/20 von der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) als Dissertation angenommen. Stand der Bearbeitung ist Februar 2020. Mein Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Stephan Breidenbach, der mir bei der Erstellung dieser Arbeit jede Freiheit ließ und trotzdem stets die richtigen Impulse setzte. Frau Professorin Dr. Ulla Gläßer, LL.M. (Berkeley) danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens und Herrn Professor Dr. Carsten Nowak für die Übernahme des Vorsitzes im Rahmen der Disputation. Ferner danke ich Herrn Professor Dr. Dres. h.c. Rolf Stürner für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht“. Ein weiterer Dank gilt Herrn Direktor des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek Niels Focken für das Interview und die wertvollen Einblicke in die Praxis, die gerade in der Anfangsphase der Promotion ungemein hilfreich waren. Besonders möchte ich mich bei meinem guten Freund, Dr. Marcel Endrich, für die gemeinsame Zeit in der Bibliothek und die inspirierenden Gespräche während der Entstehung dieser Arbeit bedanken. Darüber hinaus danke ich Mikel Bühring-Uhle, Till Schöller, Lars Harzmeier, Florian Kolodziej, Jannes Drechsler und Johannes Wolf für die hilfreichen Anmerkungen nach Durchsicht des Manuskripts und vor allem für ihre Freundschaft. Schließlich möchte ich meiner wunderbaren Freundin, Annika Cost, für ihre liebevolle Unterstützung und den Rückhalt danken, den sie mir in guten und in schweren Zeiten stets gegeben hat. Der größte Dank gebührt meiner Familie, meiner Schwester, Ruth Heil, und insbesondere meinen Eltern, Dr. Birgitt Heil und Matthias Heil, für ihre bedingungslose Liebe, Unterstützung und Ermutigung auf meinem bisherigen Lebensweg. Ihnen widme ich dieses Buch.

Frankfurt am Main, im Mai 2020

Benedict Heil

Inhaltsübersicht Vorwort .................................................................................................... VII Inhaltsverzeichnis ...................................................................................... XI Abkürzungsverzeichnis ......................................................................... XVII Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ...................................................... XXI

Einleitung ................................................................................................ 1 A. Problemaufriss ........................................................................................ 1 B. Gegenstand und Gang der Untersuchung ................................................ 8

Erster Teil: Status Quo ......................................................................... 9 A. Kompetenzordnung ................................................................................. 9 B. Stand der Digitalisierung ....................................................................... 11 C. Zusammenfassung des ersten Teils ......................................................... 19

Zweiter Teil: Der künstliche Richter ............................................... 21 A. Einleitung ............................................................................................... 21 B. Aufgaben des Richters ............................................................................ 24 C. Konkretisierung der Systemanforderungen ............................................ 31 D. Technische Möglichkeiten ...................................................................... 49 E. Auswertung ............................................................................................ 76 F. Zusammenfassung des zweiten Teils ....................................................... 83

X

Inhaltsübersicht

Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren ............... 85 A. Einleitung ............................................................................................... 85 B. Vorstellung des Konzepts ....................................................................... 88 C. Rechtliche Einordnung ........................................................................... 99 D. Vorschlag zur Änderung der ZPO ........................................................ 105 E. Chancen und Risiken ............................................................................ 122 F. Das seV im kollektiven Rechtsschutz .................................................... 128 G. Zusammenfassung des dritten Teils ...................................................... 138

Zusammenfassung und Ausblick .................................................... 140 A. Zusammenfassung der Ergebnisse ........................................................ 140 B. Ausblick ............................................................................................... 141

Anhang: Interview mit DirAG Niels Focken ............................... 143 Literaturverzeichnis .................................................................................. 151 Sachregister .............................................................................................. 167

Inhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ......................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ......................................................................... XVII Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ...................................................... XXI

Einleitung ................................................................................................. 1 A. Problemaufriss ........................................................................................ 1 I.

Rechtstatsächliche Beobachtungen ...................................................... 1. Zunahme der durchschnittlichen Verfahrensdauer ....................... 2. Klagen im Zusammenhang mit Massenschäden ........................... 3. Rückgang der Klageeingangszahlen ............................................ 4. Personalbedarf in der Justiz ......................................................... II. Digitalisierung ..................................................................................... III. Zwischenbefund ..................................................................................

1 1 3 4 5 6 7

B. Gegenstand und Gang der Untersuchung ................................................ 8

Erster Teil: Status Quo

..........................................................................................

9

A. Kompetenzordnung ................................................................................. 9 B. Stand der Digitalisierung ....................................................................... 11 I. II. III. IV.

Justizverwaltungssoftware .................................................................. 12 Videokonferenztechnik ....................................................................... 14 Elektronische Kommunikation ........................................................... 15 Online Dispute Resolution .................................................................. 17

C. Zusammenfassung des ersten Teils ......................................................... 19

XII

Inhaltsverzeichnis

Zweiter Teil: Der künstliche Richter ............................................... 21 A. Einleitung ............................................................................................... 21 I. Zielsetzung ......................................................................................... 21 II. Vorüberlegungen zur Rechtsinformatik .............................................. 22 III. Gliederung des weiteren Vorgehens ................................................... 24 B. Aufgaben des Richters ............................................................................ 24 I.

Streitentscheidung .............................................................................. 24 1. Sachverhaltsaufklärung .............................................................. 25 a) Ablauf ................................................................................ 25 b) Verhandlungswürdigung und Beweismaß ........................... 26 c) Objektive Beweislast .......................................................... 27 d) Beweisführungslast ............................................................ 28 e) Substantiierungslast ............................................................ 28 2. Rechtliche Würdigung ................................................................ 29 3. Begründete Entscheidung ........................................................... 29 II. Streitbeilegung ................................................................................... 30 III. Prozessleitung und Ablauforganisation ............................................... 30 C. Konkretisierung der Systemanforderungen ............................................ 31 I.

II.

Allgemeine Herausforderungen .......................................................... 31 1. Akustische und visuelle Wahrnehmung ...................................... 31 2. Verständnis natürlicher Sprache ................................................. 32 Einzelne Problemfelder ...................................................................... 35 1. Sachverhaltsaufklärung .............................................................. 35 a) Sachverhaltsrekonstruktion als funktionales Abbild der Welt ................................................................................... 35 b) Beschreibende und bewertende Komponente der Sachverhaltsaufklärung ...................................................... 36 c) Formale Regeln der Beweiserhebung ................................. 38 2. Rechtliche Würdigung ................................................................ 39 a) Positives Recht ................................................................... 39 aa) Formalisierung positiven Rechts ................................ 39 bb) Privatautonome Vereinbarungen und Normenhierarchie ....................................................... 42 cc) Beachtung von Richterrecht ....................................... 43 b) Juristische Methodik .......................................................... 44 aa) Auslegung .................................................................. 44 bb) Rechtsfortbildung ....................................................... 45 cc) Übersetzung in Systemanforderungen ........................ 46

Inhaltsverzeichnis

XIII

c) Subsumtion und Rechtsfolge .............................................. 47 3. Begründete Entscheidung ........................................................... 47 4. Streitbeilegung und Prozessleitung ............................................. 47 III. Ergebnis ............................................................................................. 48 1. Die formal-logische Komponente ............................................... 48 2. Das umfassende Weltbild ........................................................... 48 3. Das Konzeptverständnis ............................................................. 49 D. Technische Möglichkeiten ...................................................................... 49 I.

II.

Grundlagen ......................................................................................... 49 1. Informationen, Daten und Bits ................................................... 49 2. Datenverarbeitung ...................................................................... 51 3. Programmierung ......................................................................... 53 4. Zusammenfassung und Zwischenauswertung ............................. 59 Künstliche Intelligenz ......................................................................... 60 1. Maschinelles Lernen .................................................................. 60 2. Künstliche neuronale Netzwerke ................................................ 62 a) Aufbau ............................................................................... 62 b) Beispiel .............................................................................. 66 c) Wissensrepräsentation in künstlichen neuronalen Netzwerken ........................................................................ 70 d) Abstraktionsfähigkeit ......................................................... 71 aa) Die kognitive Entwicklung beim Menschen ............... 71 bb) Abstraktion in künstlichen neuronalen Netzwerken .... 72 e) Zwischenergebnis ............................................................... 74 3. Aktuelle Leistungsfähigkeit ........................................................ 74 4. Zusammenfassung ...................................................................... 75

E. Auswertung ............................................................................................ 76 I. II.

Die formal-logische Komponente ....................................................... 76 Das umfassende Weltbild ................................................................... 76 1. Theoretische Möglichkeiten ....................................................... 77 2. Begrenzende Faktoren ................................................................ 77 a) Rechenleistung ................................................................... 77 b) Netzwerk-Architektur ......................................................... 78 c) Datenverfügbarkeit ............................................................. 79 3. Ergebnis ..................................................................................... 80 III. Das Konzeptverständnis ..................................................................... 80 IV. Fazit .................................................................................................... 82 F. Zusammenfassung des zweiten Teils ....................................................... 83

XIV

Inhaltsverzeichnis

Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren ............... 85 A. Einleitung ............................................................................................... 85 I. Zielsetzung ......................................................................................... 85 II. Vorüberlegungen zur Verfahrensstrukturierung .................................. 85 III. Gliederung des weiteren Vorgehens ................................................... 88 B. Vorstellung des Konzepts ....................................................................... 88 I. Die elektronische Verfahrensdatei ...................................................... 88 II. Ablauf des Verfahrens ........................................................................ 89 III. Aufbau der Verfahrensdatei ................................................................ 89 1. Anträge und Erklärungen ........................................................... 90 2. Sachvortrag ................................................................................ 90 3. Rechtsausführungen ................................................................... 92 4. Verknüpfung von Sachvortrag, rechtlicher Würdigung und Anträgen .................................................................................... 92 5. Verfahrenschronik ...................................................................... 94 IV. Strukturhoheit ..................................................................................... 94 1. Sachvortrag ................................................................................ 94 2. Rechtsausführungen ................................................................... 96 V. Aktive Verfahrensleitung durch das Gericht ....................................... 96 1. Vorschläge zur (Um-) Strukturierung des Rechtsvortrags ........... 96 2. Materielle Prozessleitung im Vorfeld der mündlichen Verhandlung ............................................................................... 97 3. Abschichten des Prozessstoffs .................................................... 97 4. Anleitung von Sachverständigen ................................................ 97 VI. Mündliche Verhandlung ..................................................................... 98 VII. Anwendungsbereich ........................................................................... 98 VIII. Zwischenergebnis ............................................................................... 98 C. Rechtliche Einordnung ........................................................................... 99 I. II.

Form ................................................................................................... 99 Inhaltliche Strukturierung ................................................................. 100 1. Bisherige Vorgaben .................................................................. 100 2. Reformbedarf ........................................................................... 101 III. Aktive Verfahrensleitung ................................................................. 102 1. Materielle Prozessleitung ......................................................... 102 2. Beschränkung auf einzelne Angriffs- und Verteidigungsmittel . 104 3. Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen ............................. 104 IV. Zwischenergebnis ............................................................................. 104

Inhaltsverzeichnis

XV

D. Vorschlag zur Änderung der ZPO .........................................................105 I. II. III. IV. V. VI. VII.

Änderung der §§ 128 bis 130 ZPO ................................................... Änderung des § 130a ZPO ................................................................ Änderungen der §§ 131 bis 134 ZPO ................................................ Änderung des § 139 ZPO ................................................................. Änderung des § 146 ZPO ................................................................. Änderung der §§ 253, 271 ZPO ........................................................ Änderung der §§ 272 bis 282 ZPO ...................................................

105 108 110 112 114 115 117

E. Chancen und Risiken ............................................................................ 122 I.

Chancen ........................................................................................... 1. Effizienzgewinne ...................................................................... 2. Transparentere Rechtsfindung .................................................. 3. Schaffung eines juristischen Datensatzes .................................. II. Risiken ............................................................................................. 1. Verfahrensverkomplizierung .................................................... 2. Fehlende Flexibilität ................................................................. 3. Benachteiligung der Beklagtenseite .......................................... 4. Überforderung der Parteien ...................................................... 5. Verminderte Entscheidungsqualität .......................................... III. Zwischenergebnis .............................................................................

122 122 123 123 124 124 124 125 126 127 127

F. Das seV im kollektiven Rechtsschutz .................................................... 128 I. II.

Problematik von Massenschäden ...................................................... Instrumente prozessualer Interessensbündelung ............................... 1. Interessensbündelung auf materieller Ebene ............................. 2. Interessensbündelung auf prozessualer Ebene .......................... a) Streitgenossenschaft ......................................................... b) KapMuG-Verfahren ......................................................... c) Allgemeine Musterfeststellungsklage ............................... 3. Abgrenzungsfragen .................................................................. III. Vereinbarkeit mit dem seV ............................................................... 1. Auf Leistung gerichtete Verfahren ........................................... a) Objektive Klagehäufung ................................................... b) Subjektive Klagehäufung ................................................. 2. Auf Feststellung gerichtete Verfahren ...................................... a) KapMuG-Verfahren ......................................................... b) Allgemeine Musterfeststellungsklage ............................... IV. Zwischenergebnis .............................................................................

128 130 130 131 131 132 133 133 134 134 134 135 135 136 137 137

G. Zusammenfassung des dritten Teils ...................................................... 138

XVI

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung und Ausblick .................................................... 140 A. Zusammenfassung der Ergebnisse ........................................................ 140 B. Ausblick ............................................................................................... 141

Anhang: Interview mit DirAG Niels Focken ............................... 143 Literaturverzeichnis .................................................................................. 151 Sachregister .............................................................................................. 167

Abkürzungsverzeichnis a.A. Abb. Abl. EU Abs. ADR ADV AEUV AktG Alt. AnwBl AöR ArbGG Art. ASCII Aufl. Az. BB beA BeckOK Begr. BetrVG BfJ BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BRAK BRAO BR-Drs. bspw. BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerfGK BVerwG bzw. ca. CR d.h.

andere Ansicht Abbildung Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Alternative Dispute Resolution Auftragsdatenverarbeitung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Aktiengesetz Alternative Anwaltsblatt Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsgerichtsgesetz Artikel American Standard Code for Information Interchange Auflage Aktenzeichen Betriebs-Berater besonderes elektronisches Anwaltspostfach Beck’scher Online Kommentar Begründer Betriebsverfassungsgesetz Bundesamt für Justiz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesrechtanwaltskammer Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesratsdrucksache beispielsweise Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise circa Computer und Recht das heißt

XVIII DAR ders. dies. DJT DÖV DRB DRiG DRiZ DZWIR eAS EDV EGMR Einf. Einl. eIP ERV ERVB ERVV et al. etc. EuCML EuZW ExaFLOPS f./ff. FGO FLOPS Fn. FS gem. GG GVBl. GVG GWB HEG-KI Hrsg. IEEE IfD Allensbach i.S.v. IT IWRZ J. Risk. Uncertainty JA JMBl. JuS JZ KapMuG km/h krit.

Abkürzungsverzeichnis Deutsches Autorecht derselbe dieselbe/n Deutscher Juristentag Die Öffentliche Verwaltung Deutscher Richterbund Deutsches Richtergesetz Deutsche Richterzeitung Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht elektronische Akte als Service elektronische Datenverarbeitung Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführung Einleitung elektronisches Integrationsportal elektronischer Rechtsverkehr Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung et alii et cetera Journal of European Consumer and Market Law Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1028 FLOPS und die folgende/n Finanzgerichtsordnung Floating Point Operations Per Second Fußnote Festschrift gemäß Grundgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Hochrangige Expertengruppe für Künstliche Intelligenz Herausgeber Institute of Electrical and Electronics Engineers Institut für Demoskopie Allensbach im Sinne von Informationstechnik Zeitschrift für Internationales Wirtschaftsrecht Journal of Risk and Uncertainty Juristische Arbeitsblätter Justizministerialblatt für Hessen Juristische Schulung JuristenZeitung Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz Kilometer pro Stunde kritisch

Abkürzungsverzeichnis KritV lfd. Nr. lit. MdJ Brandenburg MDR MLP MMR MüKo ZPO m.w.N. NJ NJOZ NJW NJW-Beil. NJW-RR Nr. NVwZ NZG NZKart NZM NZS NZV ODR OLG PKH PLA RAK München RL Rn. Rz. S. seV sog. st. Rspr. StGB StPO Tab. U. Pa. L. Rev. usw. UWG Var. vgl. VO Vol. Vor. VSBG VuR VwGO WRP

Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung Rechtswissenschaft laufende Nummer littera Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg Monatszeitschrift des Deutschen Rechts multilayer perceptron Multimedia und Recht Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit weiteren Nachweisen Neue Justiz Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift-Beilage NJW Rechtsprechungsreport Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Kartellrecht Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Online Dispute Resolution Oberlandesgericht Prozesskostenhilfe programmable logic array Rechtsanwaltskammer München Richtlinie Randnummer Randziffer Seite strukturiertes elektronisches Verfahren sogenannt ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Tabelle University of Pennsylvania Law Review und so weiter Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Variante vergleiche Verordnung Volume Vorbemerkungen Verbraucherstreitbeilegungsgesetz Verbraucher und Recht Verwaltungsgerichtsordnung Wettbewerb in Recht und Praxis

XIX und

XX Yale L. J. z.B. ZAP ZEuP ZfPW ZfRSoz Ziff. ZIP ZPO ZRP ZZP

Abkürzungsverzeichnis Yale Law Journal zum Beispiel Zeitschrift für die Anwaltspraxis Zeitschrift für europäisches Privatrecht Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft Zeitschrift für Rechtssoziologie Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Zivilprozess

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abb. 2.1:

Graphische Darstellung zur Informatik .................................... 23

Abb. 2.2:

Graphische Darstellung zum Recht .......................................... 23

Tab. 2.3:

Wahrheitstabelle AND-Gatter .................................................. 52

Tab. 2.4:

Wahrheitstabelle NAND-Gatter ............................................... 53

Abb. 2.5:

1-Bit-Addierer mit NAND-Gattern .......................................... 53

Abb. 2.6:

Schematische Darstellung einer PLA ....................................... 55

Tab. 2.7:

Wahrheitstabelle der Beispielfunktionen F1 und F2 .................. 55

Abb. 2.8:

PLA Schaltung 1 ...................................................................... 56

Abb. 2.9:

PLA Schaltung 2 ...................................................................... 57

Abb. 2.10: Aufbau eines künstlichen neuronalen Netzwerks ..................... 63 Abb. 2.11: Berechnung eines einzelnen Neurons ....................................... 64 Abb. 2.12: Sigmoidfunktion ...................................................................... 65 Abb. 2.13: Handschriftliche Zahl .............................................................. 67 Abb. 2.14: Einfaches künstliches neuronales Netzwerk ............................. 67 Abb. 2.15: Beispielhafte Berechnung ........................................................ 69 Abb. 2.16: Veranschaulichung eines Autoencoders ................................... 73 Abb. 3.1:

Startbildschirm der gerichtlichen Anwendungssoftware .......... 90

Abb. 3.2:

Übersicht zum Sachvortrag ...................................................... 91

Abb. 3.3:

Übersicht zum Rechtsvortrag ................................................... 92

Abb. 3.4:

Verknüpfungstabelle ................................................................ 93

Abb. 3.5:

Verfahrenschronik ................................................................... 94

Einleitung A. Problemaufriss A. Problemaufriss

Laut einer repräsentativen Umfrage des IfD Allensbach haben 79 Prozent der deutschen Wohnbevölkerung den Eindruck, dass die staatlichen Gerichte überlastet sind.1 In der Tat geben rechtstatsächliche Beobachtungen Grund zur Annahme, dass der Druck auf die Zivilgerichte in den letzten Jahren zugenommen und sie vor neue Herausforderungen gestellt hat (I). Zeitgleich durchlaufen die staatliche Justiz und der gesamte Rechtsmarkt aktuell einen digitalen Wandel, der mit großen Erwartungen und Hoffnungen verbunden ist (II). I. Rechtstatsächliche Beobachtungen 1. Zunahme der durchschnittlichen Verfahrensdauer Das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet zur Bereitstellung eines effektiven Angebotes gerichtlichen Rechtsschutzes,2 strittige Rechtsverhältnisse müssen vor staatlichen Gerichten in angemessener Zeit geklärt werden können.3 Nachdem der EGMR Deutschland in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen überlanger Verfahrensdauer verurteilte,4 wurde 2011 das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und staatlichen Ermittlungsverfahren5 eingeführt, durch das ein gesetzlicher Entschädigungsanspruch für Betroffene geschaffen wurde.6 Gleichwohl ist in den letzten Jahren ein konstanter Anstieg der durchschnittlichen Verfahrensdauer in Zivilsachen zu beobachten.7 Während im Jahr 2002 die durch streitiges Urteil entschiedenen Verfahren vor den 1

IfD Allensbach, Roland Rechtsreport 2019, S. 21. BVerfG, Beschluss vom 20. September 2007, Az.: 1 BvR 775/05, NJW 2008, 503; ausführlich Hoffmann, Kammern für internationale Handelssachen, S. 116–135. 3 BVerfG, Beschluss vom 2. März 1993, Az.: 1 BvR 249/92, BVerfGE 88, 118 = NJW 1993, 1635; Beschluss vom 20. April 1982, Az.: 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 = NJW 1982, 2425; vgl. auch Zuck, NJW 2013, 1132. 4 EGMR, Urteil vom 8. Juni 2006, Az.: 75529/01 Sürmeli/Deutschland, NJW 2006, 2389; EGMR, Urteil vom 11. Januar 2007, Az.: 20027/02 Herbst/Deutschland, NVwZ 2008, 289. 5 Vom 24. November 2011, BGBl. I, 2302. 6 Hierzu Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1; ausführlich zur Entstehungsgeschichte Steinbeiß-Winkelmann, in: Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, Einf. Rn. 62– 375. 7 Ausführlich Calliess, Der Richter im Zivilprozess, A53-A60; Reich, Richterliche Beschleunigungspflichten im zivilgerichtlichen Verfahren, S. 12–30. 2

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Einleitung

Amtsgerichten nach nur 6,8 Monate endeten, belief sich die entsprechende Verfahrensdauer im Jahr 2018 auf 8,0 Monate, was einem Anstieg von knapp 18 % entspricht.8 Bei den Landgerichten erhöhte sich die Dauer der durch streitiges Urteil entschiedenen erstinstanzlichen Verfahren im gleichen Zeitraum um fast 40 % von 11,2 auf 15,6 Monate.9 Auch bei Berücksichtigung aller Erledigungsarten ergibt sich ein ähnliches Bild. Vor den Amtsgerichten stieg die durchschnittliche Verfahrensdauer von 4,4 auf 4,9 Monate (11,3 %), vor den Landgerichten in erster Instanz sogar von 7,0 auf 10,4 Monate (48,6 %).10 Für diese Beobachtung gibt es keine allgemeingültige Erklärung. Sicherlich haben objektive Faktoren wie der kumulative Arbeitsanfall (dazu unter 3) und die personelle Ausstattung der Gerichte (dazu unter 4) einen Einfluss auf die Verfahrensdauer. Gleichzeitig könnten heutige Verfahren jedoch auch strukturell komplexer geworden sein.11 Eine Studie der Oberlandesgerichte Hamm, Jena, Nürnberg und des Kammergerichts zur Untersuchung der Ursachen langdauernder Zivilverfahren kam zu dem Ergebnis, dass der Umfang eines Verfahrens (gemessen an der Blattzahl der Akten) spürbar mit der Verfahrensdauer korreliert.12 Die mit steigendem Umfang zunehmende Komplexität führe „nicht nur zu einem höheren Arbeitsaufwand auf Seiten des Gerichts, um den Verfahrensstoff zu durchdringen. Vielmehr dürfte eine weitere Folge häufig sein, dass die Parteien die Übersicht über das Verfahren verlieren und Sachvortrag mehrfach, vielleicht sogar leicht abweichend erfolgt. Dieser Umstand führt dann zu einer weiter zunehmenden Komplexität des Verfahrens“.13

Unabhängig von möglichen Ursachen bleibt jedenfalls die Tatsache einer deutlichen Zunahme der durchschnittlichen Verfahrensdauer festzuhalten.

8 Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.1, 2002; Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.1, 2018, jeweils Tab. 2.2, lfd. Nr. 9. 9 Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.1, 2002; Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.1, 2018, jeweils Tab. 5.2, lfd. Nr. 9. 10 Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.1, 2002; Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.1, 2018, jeweils Tab. 2.2 bzw. 5.2, lfd. Nr. 8. 11 So Gärtner, NJW 2017, 2596 (2597); Gaier/Freudenberg, ZRP 2013, 27 (28); denkbar ist in diesem Zusammenhang auch, dass einfache Streitigkeiten vermehrt auf alternativem Wege beigelegt werden und dementsprechend der Anteil komplexer Streitigkeiten bei den staatlichen Gerichten wächst, Greger, NZV 2016, 1 (3); vgl. auch Roth, JZ 2013, 637 (643); Meller-Hannich/Krausbeck, ZEuP 2014, 8 (37 f.). 12 OLG Hamm, Langdauernde Zivilverfahren, S. 63–66, 109–111, 184; dazu Keders/Walter, NJW 2013, 1697 (1699 f.); Reich, Richterliche Beschleunigungspflichten im zivilgerichtlichen Verfahren, S. 29. 13 OLG Hamm, Langdauernde Zivilverfahren, S. 65.

A. Problemaufriss

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2. Klagen im Zusammenhang mit Massenschäden Ein weiterer Belastungsfaktor für die deutsche Justiz sind Klagen im Zusammenhang mit Massenschäden. Diese treten typischerweise im Kapitalmarktrecht auf,14 in jüngerer Zeit ist an die zahlreichen Verfahren im Zuge des Abgasskandals zu denken.15 Kennzeichnend für Massenschäden ist die Vielzahl Betroffener und damit potenzieller Kläger. Massenschäden können demnach eine Klagewelle auslösen, die zu einer plötzlichen Belastungsspitze bei Gericht führen kann.16 Der Umgang mit solchen Fällen stellt die Justiz vor neue Herausforderungen. Eine „echte“ Sammelklage, wie die US-amerikanische class action,17 gibt es in Deutschland nicht. Sie würde den Dispositionsgrundsatz und letztlich das Grundrecht auf Individualrechtsschutz notwendigerweise einschränken und ist deshalb verfassungsrechtlich unzulässig.18 Stattdessen wurde – vor dem Hintergrund des Abgasskandals – jüngst ein allgemeines Musterfeststellungsverfahren in die Zivilprozessordnung (ZPO) integriert.19 Dessen Vorbild war das Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten, welches schon 2005 – damals in Reaktion auf den Telekom-Skandal – eingeführt wurde.20 Seinerzeit wurde das Landgericht Frankfurt am Main mit einer Flut gleichgelagerter Anlegerklagen überrollt, die einem richterlichen Arbeitspensum von ca. zehn Jahren entsprach.21 Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) 14

Vgl. hierzu Heil, Private Litigation in German Capital Market Disputes, in: Jung (Hrsg.), Die private Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht, S. 109. 15 Nach eigenen Angaben waren 2019 alleine gegen den VW-Konzern über 66.000 Verfahren im Zusammenhang mit dem Abgasskandal anhängig, vgl. Sievers, DAR 2019, 489; vgl. auch Heese, NZV 2019, 273 (275), der von „mehr als 400.000 Beteiligten“ spricht. 16 Vgl. unten, S. 128 f. 17 Hierbei handelt es sich um einen opt-out Kollektivrechtsbehelf mit Bindungswirkung, d.h. ein Sammelverfahren, dessen Ausgang grundsätzlich alle tatsächlich betroffenen Personen rechtlich bindet, die nicht explizit aus dem Verfahren ausgetreten sind, vgl. Bergmeister, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), S. 236, 278. 18 Geiger, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess, S. 203; Bergmeister, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), S. 45; Stadler, Bündelung von Verbraucherinteressen im Zivilprozeß, in: Brönneke (Hrsg.), Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozeßrecht, S. 1 (16–18) jeweils m.w.N.; zum Grundrecht auf Individualrechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 8 f.; zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Dispositionsgrundsatzes als staatlich zu gewährleistender Grundsatz der Verfolgung subjektiver Rechte des Einzelnen Rauscher, in: MüKo ZPO, Einl. Rn. 294. 19 Dazu Stadler, VuR 2018, 83; Halfmeier, ZRP 2017, 201; Kilian, ZRP 2018, 72; zu den Rechtsfragen des Abgasskandals Witt, NJW 2017, 3681. 20 Vgl. BT-Drs. 19/2439, S. 16; Bergmeister, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), S. 7–10. 21 Pressemitteilung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juni 2004, nach Bernhard, Kartellrechtlicher Individualschutz durch Sammelklagen, S. 256, Fn. 24; vgl. auch Jahn, ZIP 2008, 1314 (1314 f.); Tilp, FS Krämer, S. 331 (332 f.).

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Einleitung

wurde jedoch als ineffektiv kritisiert und führte jedenfalls im Telekom-Fall nicht zu einer schnellen Bewältigung der Anlegerverfahren.22 Ob die neu eingeführte allgemeine Musterfeststellungsklage im Rahmen der Abgas-Verfahren effektivere und effizientere Abhilfe verschafft, wird sich herausstellen.23 Die legislativen Reaktionen auf den Telekom- und den Abgasskandal zeigen jedenfalls, dass justizielle Überlastung bei Klagen im Zusammenhang mit Massenschäden akut zu werden droht.24 Damit einhergehend steigt der Druck auf die Politik, effiziente Verfahren zu gewährleisten. 3. Rückgang der Klageeingangszahlen Abgesehen von Verfahrenswellen im Zusammenhang mit Massenschäden ist jedoch ein Rückgang der bundesweiten Klageeingangszahlen zu verzeichnen.25 Im Zeitraum von 2002 bis 2018 verringerte sich die Zahl der jährlichen Klageeingänge bei den Amtsgerichten um ca. 36 % von insgesamt 1.443.584 auf 923.933.26 Bei den Landgerichten in erster Instanz fiel der Rückgang mit einer Reduktion um ca. 18 % von 412.924 auf 338.021 Klageeingänge moderater aus.27 Es handelt sich jedoch nicht um einen einheitlichen Trend, insbesondere sind die Zahlen nur in bestimmten Bereichen (vor allem in Kaufsachen sowie im Handels- und Gesellschaftsrecht) stark geschrumpft.28 Dementsprechend kann es auch hier keine einheitliche Erklärung geben.29 Die verschiedenen Bereiche unterscheiden sich hinsichtlich der dahinterstehenden Lebens- und Wirt-

22 Heil, Private Litigation in German Capital Market Disputes, in: Jung (Hrsg.), Die private Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht, S. 109 (118–123); Bergmeister, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), S. 315–317; Schmitz, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 33 Rn. 403; Plaßmeier, NZG 2005, 609 (614). 23 Krit. bereits Stadler, NJW 2020, 265. 24 Ebenso Prütting, ZIP 2020, 197 (198). 25 Vgl. zur Thematik Höland/Meller-Hannich, Nichts zu klagen? Der Rückgang der Klageeingangszahlen in der Justiz; Meller-Hannich/Nöhre, NJW 2019, 2522; Nöhre, AnwBl 2019, 91; Prütting, DRiZ 2018, 62; Tombrink, IWRZ 2018, 275; Graf-Schlicker, AnwBl 2014, 573; Fuchs, Warum gibt es immer weniger streitige Zivilverfahren?, in: Ganner/Voithofer (Hrsg.), Rechtstatsachenforschung, S. 113. 26 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.1, 2002; Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.1, 2018, jeweils Tab. 1.2 lfd. Nr. 2. 27 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.1, 2002; Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.1, 2018, jeweils Tab. 4.2 lfd. Nr. 2. 28 Wagner, Rechtsstandort Deutschland im Wettbewerb, S. 97–99. 29 Vgl. in diese Richtung jedoch die Erklärungsversuche von Fuchs, Warum gibt es immer weniger streitige Zivilverfahren?, in: Ganner/Voithofer (Hrsg.), Rechtstatsachenforschung, S. 113 (123–133).

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schaftsbedingungen, der jeweils intervenierenden Rechtsetzung und Rechtsprechung sowie der Angebote zur alternativen Beilegung von Streitigkeiten.30 Ein möglicher Erklärungsansatz für die beobachteten Rückgänge könnte allerdings der zunehmende Wettbewerb mit anderen Modellen der Rechtsdurchsetzung und Konfliktlösung sein, in dem sich die staatliche Justiz befindet.31 Im internationalen Außenhandel wird die Schieds- der staatlichen Gerichtsbarkeit häufig vorgezogen32 und bei Verbraucherstreitigkeiten werden vermehrt alternative Formen der Streitbeilegung und Rechtsdurchsetzung durch private Institutionen genutzt.33 Eine solche Privatisierung der Rechtsdurchsetzung kann allerdings zum staatlichen Kontrollverlust auch über das materielle Recht führen und ist insofern durchaus kritisch zu hinterfragen.34 Jedenfalls soweit man die staatliche Justiz als Anbieter auf einem Gesamtmarkt für Streitbeilegung betrachtet,35 sieht sie sich heute einem unweigerlichen Wettbewerbsdruck ausgesetzt. 4. Personalbedarf in der Justiz Schließlich muss auch die Personalsituation an den Gerichten in den Blick genommen werden. Aufgrund der gesunkenen Klageeingangszahlen hat sich der richterliche Belastungsquotient in Zivilsachen verringert.36 Gleichwohl lag das – auf Grundlage der Klageeingänge und der Personalverwendung errechnete – notwendige Arbeitspensum eines vollzeitbeschäftigten Richters am Amtsgericht im Jahr 2018 noch immer bei jährlich 509,9 und am Landgericht bei jährlich 184,9 Verfahren.37 Vor diesem Hintergrund haben mehr als die Hälfte der Richter den Eindruck, dass sie sich für ihre Rechtsfälle nicht genügend Zeit 30 Höland/Meller-Hannich, Rückgang der Klageeingangszahlen – wo liegt das Problem?, in dies. (Hrsg.), Der Rückgang der Klageeingangszahlen in der Justiz, S. 11 (13). 31 Wagner, Rechtsstandort Deutschland im Wettbewerb, S. 21 f.; Meller-Hannich/Nöhre, NJW 2019, 2522 (2522 ff.); Adolphsen, BRAK-Mitteilungen 2017, 147 jeweils m.w.N.; vgl. bereits Ritter, NJW 2001, 3440 (3446 f.). 32 Ausführlich Hoffmann, Kammern für internationale Handelssachen, S. 58–115; Hoffmann/Maurer, ZfRSoz 2010, 279. 33 Althammer, FS Bamberger, S. 1; Roth, JZ 2013, 637; Gaier, NJW 2016, 1367; Adolphsen, BRAK-Mitteilungen 2017, 147. 34 Fries, NJW 2016, 2860 (2861); Adolphsen, BRAK-Mitteilungen 2017, 147 (150); vgl. noch unten, S. 18 f. 35 So Wagner, Rechtsstandort Deutschland im Wettbewerb, S. 23–28; Meller-Hannich/Nöhre, NJW 2019, 2522 (2524). 36 So auch Calliess, Der Richter im Zivilprozess, A53; der durchschnittliche zivilgerichtliche Belastungsquotient in der Eingangsinstanz sank im Zeitraum von 2002 bis 2018 bei den Amtsgerichten von 645,5 auf 509,9 (–21 %) und bei den Landgerichten von 184,6 auf 153,9 (–16,6%), vgl. BfJ, Geschäftsentwicklung der Zivilsachen in der Eingangs- und Rechtsmittelinstanz. 37 BfJ, Geschäftsentwicklung der Zivilsachen in der Eingangs- und Rechtsmittelinstanz, S. 3.

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Einleitung

nehmen können, an den Landgerichten sind es gar 74 %.38 Diese subjektive Überlastung lässt sich möglicherweise auch mit einem Stellenabbau im Bereich der gerichtlichen Serviceeinheiten erklären.39 Dort erfolgt die Personalbedarfsberechnung im Gegensatz zur richterlichen Personalbedarfsberechnung nicht mittels eines einheitlichen Systems.40 Denkbar wäre insofern, dass es eine Tendenz zur Arbeitsverlagerung von der Geschäftsstelle auf den Richter gibt und es damit zu einer faktischen Mehrbelastung der Richterschaft außerhalb messbarer Verfahrenszahlen kommt.41 Schließlich warnt der deutsche Richterbund vor einer Pensionierungswelle und einer zukünftig noch weiter verschärften Personalsituation warnt.42 Der vonseiten der Praxis beklagte Personalmangel an den Gerichten unterstreicht insofern den zunehmenden Druck auf die staatliche Justiz. II. Digitalisierung Auf der anderen Seite verheißt der technische Fortschritt einen Wandel im gesamten Arbeitsmarkt.43 Speziell im Rechtsmarkt wird aktuell viel über neue Angebote aus dem Bereich „Legal Technology“ (Legal Tech) diskutiert.44 Eine konkrete Definition von Legal Tech gibt es nicht, es handelt sich vielmehr um einen Sammelbegriff.45 Letztlich geht es im weitesten Sinne um den Einsatz von Software im juristischen Bereich.46 Hieran knüpft eine lebhafte Debatte über die rechtliche Bewertung entsprechender Systeme und Angebote sowie

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IfD Allensbach, Roland Rechtsreport 2019, S. 49. Vgl. Focken, Anhang, S. 149 f. 40 Vgl. die Herausnahme des Service-Einheiten aus dem Personalbedarfsbemessungssystem, PWC, Gutachten PEBB§Y-Fortschreibung 2014, S. 109–133. 41 Greger, NJW 2019, 3429 (3430); so in Bezug auf Hamburg ausdrücklich Focken, Anhang, S. 149 f. 42 Vgl. DRB, Die personelle Zukunftsfähigkeit der Justiz in der Bundesrepublik Deutschland. 43 Vgl. nur das „Weissbuch Arbeiten 4.0“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom März 2017. 44 Vgl. Prütting, ZIP 2020, 197; Meller-Hannich, Legal Tech, Online Dispute Resolution, Plattformklagen – die Zukunft des Zivilprozesses?, in: Weller/Wendland (Hrsg.), Digital Single Market, S. 143; Hoffmann-Riem, AöR 2017, 1; Wagner, BB 2017, 898; Buchholtz, JuS 2017, 955; Fries, NJW 2016, 2860; Reinemann, RAK München Mitteilungen 04/2016, 4; umfassend zur Thematik aus praxisorientierter Sicht Breidenbach/Glatz (Hrsg.), Rechtshandbuch Legal Tech; Hartung/Bues/Halbleib (Hrsg.), Legal Tech; Leeb, Digitalisierung, Legal Technology und Innovation. 45 Hartung, Wirtschaftsführer für junge Juristen 2016/2017, 16; Wagner, BB 2017, 898. 46 Buchholtz, JuS 2017, 955; Fries, NJW 2016, 2860 (Fn. 32); Prior, ZAP 2017, Fach 2, 651; Wagner, BB 2017, 898; Beck, DÖV 2019, 648 (649); für eine Differenzierung zwischen Legal Tech im weiteren und engeren Sinne Kilian, NJW 2017, 3043 (3048 ff.). 39

A. Problemaufriss

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ihre Auswirkungen auf die Rechtspraxis an.47 Teilweise wird die Zukunft der gesamten Profession des Anwalts hinterfragt.48 Bislang hält die staatliche Justiz mit diesen Entwicklungen nicht Schritt, insbesondere ist der elektronische Zivilprozess noch keine Realität.49 Das Bedürfnis nach einer verstärkten Digitalisierung der staatlichen Justiz wird allerdings auch vonseiten der Richterschaft geäußert.50 III. Zwischenbefund Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Druck auf die deutsche Ziviljustiz zugenommen hat. Von 2002 bis 2018 ist die durchschnittliche Verfahrensdauer bei den Amtsgerichten – trotz eines Rückgangs der Klageeingänge um gut ein Drittel – um ungefähr 11 % gestiegen. Noch stärker betroffen sind die Landgerichte (1. Instanz), bei denen der Rückgang der Eingangszahlen mit nur 18 % moderater ausfiel, die durchschnittliche Verfahrensdauer sich gleichwohl um 48 % erhöhte. Verschärft wird die Situation durch akute Belastungsspitzen aufgrund von Klagewellen im Zusammenhang mit Massenschäden. Der zu beobachtende Anstieg der durchschnittlichen Verfahrensdauer trotz rückläufiger Klageeingangszahlen deutet auf „systemische Mängel“ der deutschen Ziviljustiz hin.51 Zu denken ist in erster Linie an die personelle und technische Ausstattung der Gerichte. Da die Fallzahlen pro Richter im untersuchten Zeitraum allerdings gesunken sind, müssen insbesondere die technischen Rahmenbedingungen in den Blick genommen werden.

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Vgl. jüngst BGH, Urteil vom 27. November 2019, Az. VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208; dazu Fries, NJW 2020, 193; vgl. ferner Wettlaufer, MMR 2018, 55; Remmertz, BRAKMitteilungen 2017, 55; Köbrich/Froitzheim, WRP 2017, 1188; Remmertz, RAK München Mitteilungen 04/16, 10; Henssler, NJW 2019, 545. 48 Kilian, NJW 2017, 3043 (3048 ff.); Hartung, Wirtschaftsführer für junge Juristen 2016/2017, 16; häufig wird in diesem Zusammenhang von „disruptiver Innovation“ gesprochen, vgl. etwa Paal/Hennemann, ZRP 2017, 215; Cosack, AnwBl 2017, 254; Beck, DÖV 2019, 648 (649) geht davon aus, dass es nur „eine Frage der Zeit“ sei, bis „hinreichend leistungsfähige Algorithmen“ etwa zur Vornahme von Ermessensentscheidungen in der Lage seien. 49 Prütting, ZIP 2020, 197. 50 In der eingangs vorgestellten Studie gaben 74 % der befragten Richterinnen und Richter an, dass sie eine Investition in die technische Ausstattung der Gerichte für notwendig halten, um die derzeitige Qualität der Rechtsprechung in Deutschland auch in Zukunft sicherzustellen, vgl. IfD Allensbach, Roland Rechtsreport 2019, S. 54. 51 Greger, NZV 2016, 1 (3).

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Einleitung

B. Gegenstand und Gang der Untersuchung B. Gegenstand und Gang der Untersuchung

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwiefern der verstärkte Einsatz moderner IT zu einer Entlastung der deutschen Justiz im Bereich des zivilrechtlichen Erkenntnisverfahrens beitragen kann. Mit den theoretischen Möglichkeiten der IT-Anwendung im juristischen Bereich hat sich die Rechtsinformatik bereits in den frühen Siebzigerjahren intensiv auseinandergesetzt.52 Die Möglichkeiten und Grenzen moderner IT, insbesondere künstlicher neuronaler Netzwerke, sind bislang jedoch nicht umfassend erforscht.53 Die vorliegende Arbeit macht es sich zum Gegenstand, diese Lücke zu schließen. Darüber hinaus soll ein tatsächlich umsetzbarer und an den Bedürfnissen der Praxis orientierter Vorschlag für einen verstärkten IT-Einsatz im Zivilprozess erarbeitet werden. In diesem Zusammenhang bietet die aktuelle Diskussion über die verbindliche Strukturierung des Parteivorbringens einen sinnvollen Ansatzpunkt.54 Die Arbeit gliedert sich demnach in drei Teile. Im ersten Teil wird zunächst der Status Quo dargestellt. Hierfür wird auf die Kompetenzordnung und die tatsächlichen Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung staatlicher Justiz in Deutschland eingegangen. Zur Ergründung der theoretischen Möglichkeiten und Grenzen der IT-Anwendung im Recht wird im zweiten Teil sodann untersucht, ob und inwieweit ein menschlicher Richter theoretisch durch ein Computersystem, einen künstlichen Richter, substituiert werden könnte. Im dritten Teil der Arbeit wird schließlich ein konkret umsetzbarer Vorschlag für die Einführung eines strukturierten elektronischen Verfahrens unterbreitet, mit dessen Hilfe eine effektive Entlastung der Zivilgerichte praktisch erreicht werden könnte.

52 Einführend Steinmüller, EDV und Recht, S. 2–6; Fries, NJW 2016, 2860 (2862) sieht die aktuelle Legal Tech Bewegung als praktische Umsetzung dessen, „was die Rechtsinformatik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bereits theoretisch vorgezeichnet hat“. 53 Vgl. jedoch Adrian, Rechtstheorie 2017, 77; Enders, JA 2018, 721; Bünau, Künstliche Intelligenz im Recht, in: Breidenbach/Glatz (Hrsg.), Rechtshandbuch Legal Tech, S. 47; ausführlicher zum Einsatz künstlicher neuronaler Netzwerke einzig Haman, Integration neuronaler Netze in regelbasierte juristische Expertensysteme. 54 Vgl. insbesondere Vorwerk, NJW 2017, 2326; Breidenbach/Gaier, Strukturierter Vortrag, in: Breidenbach/Glatz (Hrsg.), Rechtshandbuch Legal Tech, S. 199; Gaier, ZRP 2015, 101; Gaier, Strukturiertes Parteivorbringen im Zivilprozess, in: Breidenbach/Glatz (Hrsg.), Rechtshandbuch Legal Tech, S. 189; Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179; Zwickel, MDR 2016, 988; Köbler, DRiZ 2018, 88; Köbler, AnwBl 2018, 399; Köbler, FS Wagner, S. 153; Herberger/Köbler, AnwBl 2019, 351; früher bereits Schwarz, Strukturierter Parteivortrag und elektronische Akte; Bender/Schwarz, CR 1994, 372; Bender/Schwarz, CR 1990, 365.

Erster Teil:

Status Quo Die Digitalisierung der staatlichen Justiz begann in den Achtzigerjahren mit der sukzessiven Umstellung von Karteikartensystemen auf elektronische Datenbanken.1 Seitdem gab es eine Vielzahl kleiner und größerer Regulierungsvorstöße auf landesweiter, bundesweiter und europäischer Ebene mit dem Ziel, die Dritte Gewalt aufzurüsten und an die technische Wirklichkeit anzupassen.2 Nach einer kurzen Darstellung der Kompetenzen in diesem Bereich werden die wichtigsten Entwicklungen aufgezeigt und zusammengefasst.

A. Kompetenzordnung A. Kompetenzordnung

Die Digitalisierung der Justiz ist ein uneinheitlicher Prozess, der neben der Erleichterung tatsächlicher Tätigkeit durch die technische Ausstattung des Richterarbeitsplatzes auch die Veränderung gerichtlicher Arbeitsabläufe an sich umfasst. Es gibt deshalb auch keine einheitliche Zuständigkeit oder Verantwortlichkeit für die „Digitalisierung“ der Justiz. Im Kern handelt es sich zumeist um eine Frage der Gerichtsverwaltung.3 Somit stellt sich zunächst die Frage, wer für die Gerichtsverwaltung zuständig ist. Allgemein lässt sich festhalten, dass die Gerichte nach Gesetzen des Bundes von den Ländern errichtet und verwaltet werden.4 Dementsprechend liegt die Gesetzgebungskompetenz für Regelungen zur Gerichtsverfassung und dem gerichtlichen Verfahren beim Bund, vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3, 4 GG. Wie weit dieser Kompetenztitel im Einzelnen reicht, kann nicht pauschal beantwortet werden.5 Jedenfalls aber dort, wo es um die verfahrensmäßige Behandlung von Angelegenheiten durch 1

Focken, Anhang, S. 143; Hoffmann, Informationstechnik am Richterarbeitsplatz, S. 21. Einführend Jost/Kempe, NJW 2017, 2705; Bernhardt, Schlüsselelemente einer erfolgreichen Digitalisierung der Justiz, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 21 (21–29); zur Entwicklung der Bundesgesetzgebung Müller, Die Digitalisierung der Justiz in Deutschland, S. 8–42. 3 Vgl. zur Gerichtsverwaltung umfassend Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt. 4 Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 87. 5 Vgl. etwa die unterschiedlichen Auffassungen von Bundesrat und Bundesregierung zur Gesetzgebungskompetenz bezüglich der Aufbewahrung von Gerichtsakten, BT-Drs. 15/4067, S. 67, 70 f.; ausführlich Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 88–90 m.w.N. 2

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Erster Teil: Status Quo

die Gerichte, deren äußere Organisation und ihre Einbindung in den Rechtsweg geht, ist von einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes auszugehen.6 Die Verwaltungszuständigkeit hingegen liegt grundsätzlich – Art. 30 GG entsprechend – bei den Ländern.7 Diese haben die Bundes- und die in Ausfüllung der verbleibenden Landeskompetenzen erlassenen Landesgesetze8 auszuführen.9 Da ein umfassender Vorbehalt gesetzlicher Regelung der Verwaltung der Dritten Gewalt, insbesondere für die vorliegend interessierende Infrastrukturverwaltung10, nicht existiert,11 verbleibt hier ein weiter Spielraum für exekutive Normsetzung.12 Von dieser Möglichkeit haben die Länder durch eine bunte Vielfalt an Verordnungen, Verwaltungsvorschriften und Verfügungen Gebrauch gemacht.13 Gleichwohl hat der Gesetzgeber erkannt, dass die tatsächliche Ausgestaltung von IT-Systemen in der Verwaltung einen so erheblichen Einfluss auf den zugrundeliegenden Sachvorgang haben kann, dass eine bundesweite Harmonisierung ratsam ist.14 Im Zuge der Föderalismusreform II wurde deshalb mit Art. 91c GG die Möglichkeit zur länderübergreifenden Kooperation auf dem Gebiet der Informationstechnik geschaffen.15 Auf dessen Grundlage wurde der IT-Staatsvertrag16 von Bund und Ländern geschlossen, der am 1. April 2010 in

6 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 74 Rn. 79; Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 88. 7 Mit Ausnahme der Verwaltung der in Art. 95 und 96 GG aufgezählten Bundesgerichte, vgl. Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 92. 8 Für den Bereich der IT-Ausstattung der Gerichte kann exemplarisch Hessens Gesetz zur Errichtung der Informationstechnik-Stelle der hessischen Justiz (IT-Stelle) und zur Regelung justizorganisatorischer Angelegenheiten, GVBl. I 2011, S. 778 vom 23. Dezember 2011 genannt werden. 9 Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 92. 10 Zum Bereich der Infrastrukturverwaltung zählen neben der Ausstattung der Gerichte mit technischen Einrichtungen beispielsweise auch die Bereitstellung von Möbeln und Bürobedarf, die Parkplatzbewirtschaftung und die Pflege der Gerichtsbibliothek, vgl. Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 459 f. 11 Speziell zu den Beschlüssen des IT-Planungsrates Steinmetz, NVwZ 2011, 467. 12 Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 100. 13 Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 93, 343 ff.; vgl. exemplarisch für die IT-Ausstattung der Gerichte in Hessen §§ 41–82 der Geschäftsordnung für die Gerichte und Staatsanwaltschaften, JMBl. 2018, S. 113 vom 1. Januar 2018 sowie die Verordnung zu den Geschäftsabläufen der IT-Stelle der hessischen Justiz, GVBl. 2012, S. 560 vom 11. Dezember 2012. 14 Suerbaum, in: BeckOK GG, Art. 91c Rn. 5; Siegel, DÖV 2009, 181 (181 f.). 15 Vgl. zur Entstehungsgeschichte Gröpl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91c Rn. 1–4. 16 Vertrag über die Errichtung des IT-Planungsrats und über die Grundlagen der Zusammenarbeit beim Einsatz der Informationstechnologie in den Verwaltungen von Bund und Ländern – Vertrag zur Ausführung von Artikel 91c GG, BT-Drs. 17/427, S. 9 ff.

B. Stand der Digitalisierung

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Kraft trat.17 Durch diesen wurde der IT-Planungsrat ins Leben gerufen, der unter anderem für die Koordination der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Fragen der Informationstechnik zuständig ist, § 1 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ITStaatsvertrag. Da bis vor kurzem teilweise nicht einmal landesweit zentrale Zuständigkeiten für die IT-Infrastruktur an den Gerichten existierten,18 gestaltet sich die bundesweite Harmonisierung jedoch als langwieriger und schwieriger Prozess. Festzuhalten bleibt auch, dass Art. 91c GG grundsätzlich keine Sperrwirkung bezüglich eigener Regelungen des Bundes oder einzelner Länder entfaltet.19 Ebenso können der IT-Staatsvertrag und die auf seiner Grundlage geschlossenen Vereinbarungen von allen Vertragspartnern unter Einhaltung einer zweijährigen Frist gekündigt werden, vgl. § 6 IT-Staatsvertrag.20 Die Letztentscheidungskompetenz verbleibt somit bei den Ländern.21 In den in Art. 2 bis 6 AEUV festgelegten Zuständigkeitsbereich europäischer Rechtssetzung fällt hingegen weder die Regelung des Verfahrens vor nationalstaatlichen Gerichten noch deren Infrastrukturverwaltung. Die auf bestimmte Kompetenzbereiche wie den Verbraucherschutz (Art. 4 Abs. 2 lit. f AEUV) zurückgehenden europäischen Regelungen22 haben daher allenfalls mittelbare Auswirkungen auf die Digitalisierung der nationalstaatlichen Justizsysteme.

B. Stand der Digitalisierung B. Stand der Digitalisierung

In tatsächlicher Hinsicht hat die Veränderung gerichtsinterner Arbeitsvorgänge durch Justizverwaltungssoftware (I) die wohl größte Bedeutung für die Praxis. Nennenswerte Entwicklungen auf Bundesebene sind die Möglichkeit zur Verhandlung im Wege der Videoübertragung gem. § 128a ZPO (II) sowie die elektronische Kommunikation mit den Gerichten (III). Unter dem Begriff Online Dispute Resolution hat auch der europäische Gesetzgeber jüngst auf sich aufmerksam gemacht (IV).

17 Suerbaum, in: BeckOK GG, Art. 91c Rn. 11; Gröpl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91c Rn. 26 f. 18 In Brandenburg beispielsweise wird der Geschäftsbereich der Justiz in eigener Zuständigkeit mit „sieben voneinander unabhängigen ADV-(Leit-) Stellen unterschiedlicher Größe und Ausstattung“ betrieben, vgl. MdJ Brandenburg, EDV-Länderbericht 2019, S. 11. 19 Gröpl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91c Rn. 10; Suerbaum, in: BeckOK GG, Art. 91c Rn. 8. 20 Zur rechtlichen Qualifikation des IT-Staatsvertrags Schulz/Tallich, NVwZ 2010, 1338. 21 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Problematik von Vereinbarungen über Verwaltungskompetenzen in diesem Zusammenhang Gröpl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91c Rn. 5–8 m.w.N. 22 Vgl. unten, S. 17 f.

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Erster Teil: Status Quo

I. Justizverwaltungssoftware Die größte praktische Relevanz hat Justizverwaltungssoftware, deren Bedeutung und tatsächliche Entwicklungsgeschichte kurz dargestellt werden soll. Mit dem Einsatz von Computertechnik wurde in der Justiz erstmals in den Achtzigerjahren begonnen, als physische Karteikartensystemen sukzessive durch elektronische Datenbanken ersetzt wurden.23 Mit diesen Systemen kamen Richter im Arbeitsalltag allerdings noch nicht in Berührung, sie dienten lediglich der Erfassung von Verfahrensdaten (bspw. Aktenzeichen, Anschriften der Parteien etc.) und unterstützten damit hauptsächlich die Geschäftsstelle.24 Die Umstellung von Karteikartensystemen auf elektronische Datenbanken erfolgte dabei zunächst nur gerichtsintern bzw. auf Landesebene. Die Entwicklung eines länderübergreifenden Datenbanksystems wurde erstmalig Ende der Neunzigerjahre angestrebt. Zu diesem Zwecke schlossen sich unter der Federführung von Bayern insgesamt zehn Bundesländer25 zusammen.26 Gemeinsam entwickelten sie die Software „forumSTAR“. Die übrigen sechs Bundesländer27 führten parallel hierzu im sogenannten e2-Verbund28 ähnliche Programme an ihren Landesgerichten ein.29 Die damals entwickelte und auch heute noch im Einsatz befindliche Software untergliedert sich in zwei Hauptkomponenten, das „forumSTAR-Fachverfahren“ (Fachverfahren) und das „forumSTAR-Textsystem“ (Textsystem). Bei dem Fachverfahren handelt es sich um ein Datenbanksystem ähnlich den frühen elektronischen Datenbanken. Das Textsystem ist ein Programm zur Erstellung von Schriftstücken durch den Rechtsanwender (z.B. Verfügungen, Beschlüsse, Urteile), welches auf die im Fachverfahren hinterlegten Daten zurückgreifen kann.30 Funktional ist das Textsystem der für den Rechtsanwender bedeutsamere Teil der Software. Das Programm stellt Format- und Textvorlagen für Urteile, Beschlüsse, Verfügungen usw. bereit. Die notwendigen Verfahrensdaten werden automatisch aus dem Fachverfahren geladen und an der 23

Focken, Anhang, S. 143. Focken, Anhang, S. 143; ausführlich Hoffmann, Informationstechnik am Richterarbeitsplatz, S. 22–30. 25 Hierzu zählen Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen, vgl. die Übersicht bei Jost/Kempe, NJW 2017, 2705 (2706). 26 Jost/Kempe, NJW 2017, 2705 (2707); Focken, Anhang, S. 143. 27 Namentlich Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen-Anhalt, vgl. Jost/Kempe, NJW 2017, 2705 (2706). 28 Das e2 steht für „elektronisch“ und „ergonomisch“, Jost/Kempe, NJW 2017, 2705 (2707). 29 Neben dem Datenbanksystem e2A und dem Textsystem e2T wurden hier auch die Kommunikationsplattform e2P und das Saalmanagementsystem e2S länderübergreifend eingeführt, vgl. Jost/Kempe, NJW 2017, 2705 (2707). 30 Focken, Anhang, S. 143. 24

B. Stand der Digitalisierung

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richtigen Stelle im Textdokument eingefügt. Anschließend kann das Dokument (größtenteils) frei bearbeitet und verändert werden. Zudem besteht die Möglichkeit, eigene Textbausteine und Vorlagen zu erstellen, abzuspeichern und wiederzuverwenden.31 Von Beginn an litten die forumSTAR-Produkte jedoch an technischen Programmierfehlern.32 Zudem wurden sie als benutzerunfreundlich und unergonomisch wahrgenommen.33 Erschwerend kam hinzu, dass die Systemarchitektur der Software vom ursprünglichen Entwickler nicht bzw. nicht ausreichend dokumentiert worden war, weshalb sich die Fehlerkorrektur oftmals als schwierig bzw. unmöglich erwies.34 Gleichwohl wurde die Einführung der Software von einem sukzessiven Personalabbau in den Geschäftsstellen der Gerichte begleitet. Deren Aufgaben sollten (teilweise) von der Software übernommen werden. In der Folge kam es zu einer Arbeitsverlagerung von der Geschäftsstelle weg, hin zum Rechtsanwender.35 Die technische Mangelhaftigkeit der forumSTAR Produkte in Verbindung mit der zusätzlichen Aufgabenzuweisung führte bei vielen Richtern zu einem tatsächlichen Mehraufwand.36 Der forumSTAR-Verbund traf daraufhin 2015 den Entschluss, die Software komplett zu erneuern. Im Jahr 2017 schlossen sich die Länder des e2-Verbundes dem Projekt an – allerdings nur in Bezug auf das Fachverfahren, also das Datenbanksystem, und nicht das Textsystem.37 Die Entwicklung des Systems dauert bis heute an, eine Fertigstellung in naher Zukunft ist nicht zu erwarten. Grund hierfür ist zum einen der nachträgliche Anschluss der sechs Bundesländer des e2-Verbundes an das Projekt. Zum anderen wurde eine inhaltliche Ausdehnung des Systems von der ordentlichen Gerichtsbarkeit auf die Fachgerichte und Staatsanwaltschaften beschlossen.38 Erschwerend kommt schließlich hinzu, dass selbst die alten forumSTAR Systeme noch nicht an allen Gerichten eingeführt wurden. Dem Vernehmen nach arbeiten in einzelnen Bundesländern noch 70 % der Gerichte mit den veralteten Datenbanksystemen aus den Achtzigerjahren.39 Dort muss zunächst noch eine Umstellung auf die „alte“ forumSTAR Software erfolgen. Bis zur vollständigen Umstellung auf das neue System könnte es noch bis 2030 dauern.40 Die

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Ausführlich Focken, Anhang, S. 146. Focken, Anhang, S. 146. 33 Focken, DRiZ 2014, 62. 34 Focken, Anhang, S. 144. 35 Focken, Anhang, S. 149 f. 36 Focken, Anhang, S. 149 f. 37 Focken, Anhang, S. 144. 38 Focken, Anhang, S. 145. 39 Focken, Anhang, S. 145. 40 Focken, Anhang, S. 144; vgl. zu der insofern ambitionierten Planung Jahrbeck, gefa, bk.text – die Heilsbringer in weiter Zukunft?, S. 6. 32

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Erster Teil: Status Quo

Problematik wird durch die Bundesgesetzgebung zum elektronischen Rechtsverkehr verschärft,41 durch die zusätzliche elektronische Schnittstellen notwendig werden und technische Dopplungen zu erwarten sind.42 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die aktuell im Einsatz befindliche Justizverwaltungssoftware an vielen deutschen Gerichten noch technisch fehlerbehaftet, mit anderen Systemen inkompatibel und wenig benutzerfreundlich ist. Das aktuelle Modernisierungsprojekt ist bemüht, diese Defizite zu beseitigen. Die Umsetzung erweist sich jedoch insbesondere aufgrund der notwendigen Länderabstimmung, der nachträglichen Ausdehnung des Projekts und der Tatsache, dass viele Gerichte bislang noch mit veralteter Software aus den Achtzigerjahren arbeiten, als schwierig. II. Videokonferenztechnik Der zweite nennenswerte Fortschritt bei der Digitalisierung gerichtlicher Verfahren ist die Einführung der Videokonferenztechnik. Mit § 128a Abs. 1 ZPO hat der Gesetzgeber schon zum 1. Januar 2002 die Möglichkeit geschaffen, Verhandlungen im Wege der Bild- und Tonübertragung zu führen.43 Diese Durchbrechung des Mündlichkeitsgrundsatzes44 bedurfte ursprünglich der Zustimmung der Parteien. Seit der Neufassung der Vorschrift im Jahr 2013 kann die Gestattung auch von Amts wegen durch unanfechtbaren Beschluss (§128a Abs. 3 Satz 2 ZPO) erfolgen.45 Ebenso kann die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder einer Partei per Videoübertragung auf Antrag gestattet werden, vgl. § 128a Abs. 2 ZPO.46 Die Möglichkeit zum Einsatz von Videokonferenztechnik wird an einzelnen Gerichten bereits intensiv genutzt.47 Sie hängt aber naturgemäß von einer entsprechenden technischen Ausstattung der Sitzungs- und Übertragungsräume ab.48 Der Gesetzgeber wollte mit der Vorschrift zwar ausdrücklich keinen

41

Dazu sogleich, S. 15–17. Ausführlich Focken, Anhang, S. 145. 43 Ausführlich Schultzky, NJW 2003, 313; Holin, Der elektronische Ablauf des Zivilprozesses, S. 151–160. 44 Fritsche, in: MüKo ZPO, § 128a Rn. 1; zur Durchbrechung des Grundsatzes der Mündlichkeit und des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme durch § 128a Abs. 1 bzw. 2 ZPO vgl. Holin, Der elektronische Ablauf des Zivilprozesses, S. 157–160. 45 Vgl. Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, § 128a Rn. 5. 46 Ausführlich Stadler, ZZP 2002, 413 (438 ff.). 47 Schaumburg, ZRP 2002, 313; Duve/Schoch, AnwBl 2017, 240. 48 Duve/Schoch, AnwBl 2017, 240 (241). 42

B. Stand der Digitalisierung

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„Ausstattungszwang“ der Gerichte bezwecken.49 Inzwischen gibt es gleichwohl eine relativ breite flächenmäßige Abdeckung mit Videokonferenzanlagen auf dem Bundesgebiet.50 In bestimmten Verfahren ist der Einsatz von Videokonferenztechnik sinnvoll und wurde positiv aufgenommen.51 Ein standardmäßiger Einsatz von Videotechnik auf breiter Front wird vonseiten der Praxis aber skeptisch betrachtet.52 III. Elektronische Kommunikation Die größte Aufmerksamkeit hat in jüngster Zeit die Bundesgesetzgebung rund um die Verwendung elektronischer Kommunikation in der Justiz erfahren.53 Das Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JkomG)54 vom 22. März 2005, das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten55 vom 10. Oktober 2013 sowie das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs56 vom 5. Juli 2017 bilden den Kern des Großprojekts „e-Justice“, das eine Änderung fast aller Prozessordnungen sowie zahlreicher weiterer Gesetze notwendig machte. Angesichts dieses legislatorischen Rundumschlags wird teilweise von der „digitalen Zeitenwende“ in der Justiz gesprochen.57 Nüchtern betrachtet handelt es sich bei den beiden Eckpfeilern des Projekts, dem elektronischen Rechtsverkehr58 und der elektronischen Aktenführung59, jedoch um 49 BT-Drs. 17/12418, S. 17; kritisch zum damit faktisch geschaffenen „Haushaltsvorbehalt“ von Selle, in: BeckOK ZPO, § 128a, Rn. 2.1; vgl. zur gegenteiligen Auffassung des BGH, der zumindest im strafprozessualen Kontext eine Ausstattungspflicht des Justizministeriums gegenüber den Gerichten annimmt, den Beschluss vom 7. März 2007, Az.: 1 StR 646/06, BGHSt 51, 232 = NJW 2007, 1475 (1476). 50 Unter findet sich ein frei einsehbares Verzeichnis aller deutschen Gerichte mit Videokonferenzanlage nebst Ansprechpartnern, vgl. auch Prütting, AnwBl 2013, 330 (331); anders Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, § 128a Rn. 1: „zumeist fehlt den Gerichten die notwendige technische Infrastruktur“. 51 So etwa in der Finanzgerichtsbarkeit, vgl. von Selle, in: BeckOK ZPO, § 128a, Rn. 1.1; Prütting, AnwBl 2013, 330 (331). 52 Focken, Anhang, S. 148 f. 53 Umfassend Müller, eJustice – Praxishandbuch; Degen/Emmert, Elektronischer Rechtsverkehr; Müller, Die Digitalisierung der Justiz in Deutschland; vgl. auch Stöhr, Die elektronische Akte im Zivilprozess, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 55; Bacher, NJW 2015, 2753; Ory/Weth, NJW-Beil. 2016, 96; Jost/Kempe, NJW 2017, 2705; Kesper/Ory, NJW 2017, 2709. 54 BGBl. 2005 I, S. 837. 55 BGBl. 2013 I, S. 3786. 56 BGBl. 2017 I, S. 2208. 57 Müller, eJustice – Praxishandbuch, S. 5. 58 Vgl. § 130a ZPO, § 46c ArbGG, § 65a SGG, § 55a VwGO, § 52a FGO, § 32a StPO. 59 Vgl. § 298a ZPO, § 46e ArbGG, § 65b SGG, § 55b VwGO, § 52b FGO, § 32 StPO.

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Erster Teil: Status Quo

eine Digitalisierung von Arbeitsabläufen, die in der freien Wirtschaft bereits vor Jahrzehnten vollzogen wurde. Der elektronische Rechtsverkehr soll dafür sorgen, dass verfahrensrelevante Dokumente, wie Schriftsätze oder Gutachten, künftig nicht mehr ausgedruckt und per Post versendet, sondern auf elektronischem Wege übermittelt werden. Die elektronische Akte stellt sicher, dass der Richter diese Dokumente vollumfänglich am Computer verwalten kann. Daneben wurde mit der Regelung der Beweiskraft elektronischer Dokumente und gescannter öffentlicher Urkunden (§§ 371a f. ZPO) auch verfahrensspezifischen Aspekten Rechnung getragen.60 Die Umsetzung dieser legislatorischen Vorgaben, die sich im Wesentlichen auf die Schaffung einer elektronischen Infrastruktur reduzieren lässt, erweist sich jedoch als schwierig. Dies liegt zunächst am bereits angesprochenen Grundsatz der Länderverwaltung.61 Zwar gibt es mit dem E-Justice-Rat, der Bund-Länder-Kommission für Informationstechnik in der Justiz, dem IT-Planungsrat und der Justizministerkonferenz umfassende Kooperationen von Bund und Ländern.62 Da diese Kooperationen jedoch auf freiwilliger Basis erfolgen, verbleibt die Letztentscheidungskompetenz bei den Ländern.63 Dies führte dazu, dass insgesamt drei verschiedene Softwaresysteme eingeführt wurden: das „elektronischen Integrationsportal“ (eIP), die „ergonomische elektronische Akte“ (e2A) und die „E-Akte als Service“ (eAS).64 Gleichwohl muss die Kompatibilität der Systeme untereinander sowie mit den verschiedenen Justizverwaltungsprogrammen65 der Länder gewährleistet sein, was sich in der erhöhten Anzahl an notwendigen technischen Schnittstellen widerspiegelt.66 Bei der bundesweiten Vereinheitlichung von IT-Systemen müssen die Unzulänglichkeiten rechtlicher Länderkooperation im Ergebnis also technisch kompensiert werden. Darüber hinaus erfordert die elektronische Kommunikation die Gewährleistung eines hohen Sicherheitsstandards. Dieser Sicherheitsaspekt betrifft die zu übermittelnde Datei selbst (durch Vorgabe der zulässigen Dateiformate, vgl. § 130a Abs. 2 ZPO, §§ 2, 4 ERVV, ERVB 2018, ERVB 2019),67 die Authen-

60 Vgl. zur Entwicklung Roßnagel, NJW 2001, 1817; Roßnagel/Fischer-Dieskau, NJW 2006, 806; Roßnagel/Nebel, NJW 2014, 886; Jandt, NJW 2015, 1205; Wagner, JuS 2016, 29; Roßnagel, MMR 2016, 647. 61 Vgl. oben, S. 9–11. 62 Vgl. Jost/Kempe, NJW 2017, 2705 (2708). 63 Vgl. oben, S. 11. 64 Focken, Anhang, S. 145; Jost/Kempe, NJW 2017, 2705 (2707). 65 Dazu oben, S. 12–14. 66 Focken, Anhang, S. 145. 67 Vgl. BR-Drs. 645/17, S. 11 f.; Müller, NZS 2018, 207.

B. Stand der Digitalisierung

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tifizierung von Sender und Empfänger (durch qualifizierte elektronische Signatur, § 130a Abs. 3 ZPO)68 sowie die Sicherheit der Übertragung (durch Vorgabe sicherer Übermittlungswege, § 130a Abs. 4 ZPO)69. Die kurz vor der geplanten Inbetriebnahme bekannt gewordenen gravierenden Sicherheitsmängel des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA)70 offenbaren auch in diesem Bereich erhebliche Umsetzungsschwierigkeiten.71 Die Schaffung einer digitalen Infrastruktur an deutschen Gerichten ist folglich von erheblichen – rechtlich und technisch bedingten – Umsetzungsschwierigkeiten geprägt. IV. Online Dispute Resolution Schließlich ist Online Dispute Resolution (ODR) zu erwähnen. Im Zusammenhang mit diesem Begriff werden häufig die Käuferschutz-Funktionen von Handelsintermediären wie eBay und PayPal genannt.72 Der Online-Bezahldienst PayPal bietet seinen Kunden beispielsweise die Möglichkeit, einen Antrag auf Käuferschutz zu stellen, wenn der online gekaufte und über PayPal bezahlte Artikel entweder nicht angekommen ist (item not received) oder erheblich von der Beschreibung abweicht (significantly not as described).73 Erkennt der Verkäufer diesen Antrag nicht an, entscheidet der Handelsintermediär bzw. versucht online eine Einigung zu erzielen.74 Der Begriff des ODR erschöpft sich jedoch nicht in der (online) Konfliktbeilegung durch Handelsintermediäre. Ganz im Gegenteil wird er sehr uneinheitlich verwendet. Teilweise wird in ihm ein Sammelbegriff für jede Art von Konfliktlösung unter Einsatz technischer Hilfsmittel gesehen.75 Engere Be-

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Vgl. von Selle, in: BeckOK ZPO, § 130a Rn. 11–15. Vgl. Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, § 130a Rn. 6–9; von Selle, in: BeckOK ZPO, § 130a Rn. 16–21. 70 Vgl. Specht, NJW 2018, 3686 (3690); beim beA handelt es sich um ein von der BRAK für jedes eingetragene Mitglied einzurichtendes elektronisches Postfach (vgl. § 31a BRAO), das der sicheren Kommunikation mit den Gerichten dient (vgl. exemplarisch § 130a Abs. 4 Ziff. 2 ZPO), instruktiv Brosch et al., Elektronischer Rechtsverkehr mit dem beA; Brosch/Sandkühler, NJW 2015, 2760; Viefhues, NJW-Beil. 2016, 86; Siegmund, NJW 2017, 3134; Löschhorn, MMR 2018, 204. 71 Möllers/Hessel, CR 2018, 413. 72 Vgl. etwa Adolphsen, BRAK-Mitteilungen 2017, 147; Wagner, BB 2017, 898 (900); Wagner, Legal Tech und Legal Robots, S. 20. 73 Adolphsen, BRAK-Mitteilungen 2017, 147 (150). 74 Ausführlich Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, S. 244–251; vgl. auch Grupp, AnwBl 2014, 660 (660 f.). 75 LJ Briggs, Civil Courts Structure Review: Final Report, S. 133; Sela, Lewis & Clark Law Review 2017, 634; ähnlich allgemein ist auch die Definition von Lodder/Oskamp, Information Technology & Lawyers, S. 14: „Online dispute resolution (ODR) is a process in which the Internet is designated as the virtual location to solve a dispute“. 69

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Erster Teil: Status Quo

griffsverständnisse ziehen eine Trennlinie zwischen staatlicher und nichtstaatlicher Konfliktlösung, wobei ODR zumeist alleine der außergerichtlichen Streitbeilegung zugeordnet wird.76 Ein noch eingeschränkteres Verständnis ergibt sich bei Bezugnahme auf die europäische Verordnung über die OnlineBeilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten77 (ODR-VO).78 Die Verordnung bezieht sich nämlich gem. Art. 2 Abs. 1 ODR-VO nur auf die von der zeitgleich erlassenen Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten79 (ADR-RL) erfassten alternativen Streitbeilegungsstellen, welche gem. Art. 2 Abs. 2 lit. a, b ADR-RL grundsätzlich unternehmensunabhängig sein müssen. Unternehmensabhängige Streitbeilegungssysteme wie die von eBay oder PayPal werden von der Verordnung nicht erfasst.80 In Deutschland wird die Anerkennung der unternehmensunabhängigen privaten Streitschlichtungsstellen durch das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) geregelt. Neben den auf dieser Grundlage anerkannten privaten Stellen gibt es auch behördliche Streitschlichtungsstellen auf Bundes- und Landesebene.81 Zum überwiegenden Teil ist die Verbraucherschlichtungslandschaft in Deutschland jedoch privatrechtlich, dezentral und branchenspezifisch organisiert.82 Im Ursprung handelt es sich bei ODR also um Verbraucherrechtsdurchsetzung durch private Institutionen in einem weitgehend unregulierten Raum.83 Bemerkenswerterweise werden die Fälle vom Handelsintermediär regelmäßig nicht nach der materiellen Gesetzeslage, sondern nach den eigenen Käuferschutzrichtlinien entschieden. Diese sind dem eigentlichen materiellen Recht zwar häufig nachempfunden, können aber durchaus auch von ihm abweichen.84 Dem damit einhergehenden Bedeutungsverlust des materiellen Rechts und der staatlichen Rechtsdurchsetzung sind sowohl der Gesetzgeber als auch die Rechtsprechung bereits entschieden entgegentreten. Mit der ODR-VO hat der europäische Gesetzgeber die Mitgliedsstaaten zur Schaffung unternehmensunabhängiger außergerichtlicher Streitbeilegungsmöglichkeiten verpflichtet. Auf diese Weise sollte Verbrauchern eine Alternative zur Rechtsdurchsetzung 76

Hofmeister, Online Dispute Resolution bei Verbraucherverträgen, S. 42; Wagner, BB 2017, 898 (900). 77 VO (EU) Nr. 524/2013, Abl. EU 2013, L 165/1. 78 Hierzu ausführlich Meller-Hannich/Krausbeck, ZEuP 2014, 8; Roth, JZ 2013, 637; Busch/Reinholf, EuCML 2015, 50; Meller-Hannich, Legal Tech, Online Dispute Resolution, Plattformklagen – die Zukunft des Zivilprozesses?, in: Weller/Wendland (Hrsg.), Digital Single Market, S. 143 (148–153). 79 RL 2013/11/EU, Abl. EU 2013, L 165/63. 80 Deutlmoser/Engel, MMR 2012, 433 (435); Roth, JZ 2013, 637 (639). 81 Vgl. Röthemeyer, in: Borowski/Röthemeyer/Steike, VSBG, § 28 Rn. 2–5. 82 Meller-Hannich/Krausbeck, ZEuP 2014, 8 (23 f.). 83 Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, S. 244. 84 Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, S. 245 f.

C. Zusammenfassung des ersten Teils

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durch staatliche Gerichte aber auch durch Handelsintermediäre geboten werden.85 Der Bundesgerichtshof hat derweil die wichtige Klarstellung getroffen, dass staatliche Gerichte nicht an die von Handelsintermediären getroffenen Entscheidungen gebunden sind, sondern die zugrundeliegenden Fälle (selbstverständlich) nach der materiellen Rechtslage entscheiden.86 Die aufgezeigten Entwicklungen im Bereich alternativer online Streitbeilegung erhöhen die Gefahr eines Bedeutungsverlustes gerichtlicher Rechtsdurchsetzung und damit auch den Modernisierungsdruck, unter dem die staatliche Justiz steht.

C. Zusammenfassung des ersten Teils C. Zusammenfassung des ersten Teils

Bei der Digitalisierung der Justiz steht aktuell noch die Aufholung eines gewissen Modernisierungsrückstandes im Mittelpunkt staatlicher Bemühungen. Grundlegende IT-Anwendungen für eine umfassende elektronische Kommunikation, für ein elektronisches Informations- und Dokumentenmanagement sowie für die elektronische Texterstellung und -verarbeitung sind an deutschen Gerichten oftmals technisch fehlerbehaftet, untereinander inkompatibel und wenig benutzerfreundlich. Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass der Digitalisierungsprozess staatlicher Gerichte im Rahmen der Gesetze und der verfassungsmäßigen Kompetenzordnung zu erfolgen hat. Die grundsätzliche Zuständigkeit der Länder bedingt insofern einen hohen Koordinationsaufwand – ein Problem, das auch in der Praxis wahrgenommen wird.87 Zweifellos sind die bisherigen Reformbemühungen uneingeschränkt zu begrüßen. In modernen Wirtschaftsunternehmen wird heute jedoch längst nicht mehr über elektronische Kommunikation, sondern vielmehr über den Einsatz „künstlicher Intelligenz“ diskutiert. Auch im Rechtsmarkt werben Legal TechUnternehmen mit intelligenter Software und dem Potenzial erheblicher Effi-

85 Roth, JZ 2013, 637 (638); die Sinnhaftigkeit dieser Form der Verbraucherstreitbeilegung wird angesichts ihres überwiegend freiwilligen Charakters für Unternehmen von einigen Autoren bezweifelt, vgl. etwa Adolphsen, BRAK-Mitteilungen 2017, 147 (149). 86 BGH, Urteil vom 22. November 2017, Az.: VIII ZR 213/16, MMR 2018, 156, Rz. 31 ff.; Urteil vom 22. November 2017, Az.: VIII ZR 83/16, BGHZ 217, 33 = NJW 2018, 537, Rz. 32 ff. 87 Im Rahmen der eingangs vorgestellten Studie des IfD Allensbach gaben 89 % der befragten Richter und Staatsanwälte an, dass sie eine „bessere personelle und technische Ausstattung der Justiz durch einen Rechtsstaats-Pakt von Bund und Ländern“ für sehr wichtig halten, vgl. IfD Allensbach, Roland Rechtsreport 2019, S. 41; vgl. hierzu auch den Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 31. Januar 2019.

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Erster Teil: Status Quo

zienzsteigerungen. Vor diesem Hintergrund werden im nächsten Teil die theoretischen Möglichkeiten und Grenzen der IT-Anwendung im Zivilprozess erforscht.

Zweiter Teil:

Der künstliche Richter A. Einleitung A. Einleitung

I. Zielsetzung Im vorliegenden Teil der Arbeit sollen die Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung von Informationstechnik im Zivilprozess ergründet werden. Erst auf dieser Wissensbasis kann ein fundierter und technisch umsetzbarer Reformvorschlag für einen digitalen Zivilprozess unterbreitet werden. Es soll hierfür die Leistungsfähigkeit von moderner, insbesondere künstlich intelligenter Software anhand des tatsächlichen Aufgabenspektrums eines Richters überprüft und auf diese Weise untersucht werden, in welchem Umfang ein informationsverarbeitendes System theoretisch dazu in der Lage ist, den menschlichen Richter im erstinstanzlichen zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren zu ersetzen. Zugespitzt läuft dies auf die Frage hinaus, ob und inwieweit ein „künstlicher Richter“ in Form einer universellen Justizsoftware technisch realisierbar ist.1 Im Folgenden werden Fragen der hardwareseitigen Implementierung weitgehend ausgeklammert, die adäquate technische Ausstattung zum Signalempfang (z.B. mit Mikrofonen, Kameras und Texterfassungsgeräten) wird vorausgesetzt. Auch die (verfassungs-)rechtlichen Bedenken gegen einen künstlichen Richter sollen vorerst zurückgestellt werden.2 Sofern ein solches System technisch nicht realisierbar ist, erübrigt sich jeder Streit um dessen rechtliche Bewertung – eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem tatsächlich Unmöglichen liefe an den Bedürfnissen der Praxis vorbei. Ohnehin hängt die rechtliche Bewertung eines künstlichen Rechtsfindungssystems entscheidend von dessen technischer Beschaffenheit ab.3

1 Die Begriffe „künstlicher Richter“ und „universelle Justizsoftware“ werden im Folgenden synonym verwendet. 2 Erste Überlegungen bei Enders, JA 2018, 721. 3 Herberger, NJW 2018, 2825.

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

II. Vorüberlegungen zur Rechtsinformatik Die Idee eines juristischen Expertensystems ist nicht neu. Sie ist ganz im Gegenteil fast so alt wie der Computer selbst.4 Bisher haben sich Rechtsinformatiker an der Erstellung eines umfassenden, insbesondere sprachverstehenden Systems allerdings vergeblich abgemüht.5 Der letzte wissenschaftliche Versuch einer technischen Umsetzung für den Vorgang der juristischen Subsumtion wurde im Jahr 2012 unternommen.6 Auch dabei wurde jedoch explizit „keine Vollständigkeit angestrebt“ und wesentliche Schwierigkeiten etwa im Bereich der prozessualen Sachverhaltsaufklärung bewusst ausgeklammert.7 Die aktuell unter dem Begriff „künstliche Intelligenz“ zusammengefassten Methoden maschinellen Lernens waren bislang hingegen nur vereinzelt Gegenstand monografischer Auseinandersetzung in der Rechtsinformatik.8 Auf ihnen soll deshalb ein besonderer Fokus liegen. Eine Erörterung der frühen Expertensystemen ist an dieser Stelle nicht zielführend.9 Zur Einführung ist es jedoch hilfreich, sich die Parallelen zwischen Recht und Informatik zu vergegenwärtigen. Klassischerweise sehen sich Informatiker mit einem Problem aus der realen Welt konfrontiert, welches mithilfe von Software gelöst werden soll. Beispielsweise soll ein Schachprogramm entwickelt werden, das den jeweils besten Zug für eine gegebene Schachposition berechnet. Hierfür werden das Problem und der verfolgte Lösungsansatz zunächst logisch-mathematisch modelliert und anschließend in ein Software-Programm überführt. Die Schwierigkeit der Arbeit besteht darin, dass möglichst alle für die konkrete Aufgabe relevanten Faktoren miteinzukalkulieren sind. Im Beispiel des Schachprogramms zählen hierzu neben den Spielregeln beispielsweise auch die Position der Figuren, deren Wertigkeit und die vorangegangenen Spielzüge. Nach Fertigstellung des Programms kann jedoch ein Ergebnis für beliebige Eingabewerte berechnet werden.10

4

Vgl. für einen ausführlichen historischen Überblick Gräwe, Die Entstehung der Rechtsinformatik. 5 Vgl. zu den insofern nicht erfüllten Erwartungen der frühen Rechtsinformatik bereits Jandach, Juristische Expertensysteme, S. 28–45. 6 Raabe et al., Recht ex machina. 7 Raabe et al., Recht ex machina, S. 6 f.; kritisch dazu Kotsoglou, JZ 2014, 451; Kotsoglou, JZ 2014, 1100; vgl. auch die Erwiderung von Engel, JZ 2014, 1096. 8 Vgl. einzig die Arbeit von Haman, Integration neuronaler Netze in regelbasierte juristische Expertensysteme, aus dem Jahr 1998. 9 Für eine (ältere) Zusammenstellung Jandach, Juristische Expertensysteme, Anhang. 10 Vgl. hierzu Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 16.

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A. Einleitung

Programm

Modellierung und Programmierung

Abstraktes Problem

Ergebnis

Ausführung des Programms

Konkreter Input

Abb. 2.1: Graphische Darstellung zur Informatik

Bei dieser Betrachtung lässt sich eine gewisse Parallelität zum Recht erkennen. Dort schafft die Legislative Lösungen für bestimmte Regelungsfelder. Ein konkreter Fall kann sodann unter die gesetzliche Regelung subsumiert und eine Rechtsfolge ausgesprochen werden.

Gesetz

Rechtsetzung

Abstraktes Regelungsgebiet

Abb. 2.2: Graphische Darstellung zum Recht

Rechtsfolge

Subsumtion

Konkreter Fall

24

Zweiter Teil: Der künstliche Richter

Diese Parallelität stellt den gedanklichen Ausgangspunkt juristischer Expertensysteme dar. Es wird jedoch zugleich die zentrale Herausforderung deutlich. Bei der vorstehenden Graphik handelt es sich um eine starke Verkürzung des Rechtsfindungsvorgangs, der ein positivistisches Rechtsverständnis zugrunde liegt. Wenn auch das Rechtssystem sich vielfach durch formale Zusammenhänge auszeichnet, so erschöpft sich die juristische Arbeit nicht in der Ausführung logischer Operationen. Die nachstehende Untersuchung wird dies zu berücksichtigen haben. III. Gliederung des weiteren Vorgehens Im Folgenden werden zunächst die wichtigsten Aufgaben des Richters skizziert (B), wobei keine Vollständigkeit im Detail angestrebt wird, sondern nur die zur Formulierung der grundlegenden Herausforderungen notwendige Tiefe. Anhand dieses Katalogs werden die Systemanforderungen an eine universelle Justizsoftware in technischer Hinsicht konkretisiert (C). Sodann folgt eine Einführung in die Informatik und die Methoden künstlicher Intelligenz (D). Schließlich wird ausgewertet, inwieweit die konkretisierten Systemanforderungen technisch erfüllt werden können (E) und es werden die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst (F).

B. Aufgaben des Richters B. Aufgaben des Richters

Das Aufgabenspektrum eines Richters lässt sich im Wesentlichen in drei Kategorien einteilen, nämlich die Streitentscheidung (I), die Streitbeilegung (II) und die Aufgaben der Prozessleitung und Ablauforganisation (III). I. Streitentscheidung Hauptzweck des Zivilprozesses ist nach herrschender Meinung die Feststellung und Durchsetzung subjektiver Rechte.11 Für die Feststellung subjektiver Rechte durch den Richter im Erkenntnisverfahren bedarf es der Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (1),12 dessen rechtlicher Würdigung anhand aller einschlägigen Rechtsnormen (2)13 sowie des Ausspruchs einer in der Regel zu begründenden Entscheidung (3).14

11

Rauscher, in: MüKo ZPO, Einl. Rn. 8; Musielak, in: Musielak/Voit, ZPO, Einl. Rn. 5; Roth, ZfPW 2017, 129 (152). 12 Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, § 284 Rn. 1. 13 Saenger, in: Saenger, ZPO, § 313 Rn. 30 f. 14 Musielak, in: Musielak/Voit, ZPO, § 313 Rn. 10 f.

B. Aufgaben des Richters

25

1. Sachverhaltsaufklärung Im Zivilrecht werden tatsächliche Gegebenheiten anhand von juristischen Rechtssätzen beurteilt.15 Rechtsanwendung ist insofern tatsachenabhängig und die Rekonstruktion des streitgegenständlichen Geschehens zentraler Bestandteil des Zivilprozesses.16 a) Ablauf Es handelt sich auch bei der Rechtsfindung im gerichtlichen Erkenntnisverfahren letztlich um einen Prozess menschlicher Interaktion und Kommunikation. Insofern gibt es keinen eindeutigen „Algorithmus“ bzw. Ablaufplan, der sukzessive abgearbeitet wird. Jeder Rechtsfindungsvorgang und jede Sachverhaltsrekonstruktion sind einmalig. Konzeptionell kann der tatsächliche Vorgang jedoch wie folgt strukturiert werden. Zunächst findet eine Schlüssigkeitsprüfung des klägerischen Vorbringens statt, die sogenannte Klägerstation.17 Nur wenn bei unterstellter Wahrheit der vom Kläger vorgetragenen Tatsachen dessen Begehren rechtlich begründet ist, bedarf es möglicherweise einer Beweiserhebung.18 Es folgt die Beklagtenstation, bei der geprüft wird, ob der Beklagte Tatsachen vorträgt, die (bei unterstellter Wahrheit) Einwendungen oder Einreden begründen würden.19 Tut er dies nicht, muss er zumindest die Sachbehauptungen des Klägers bestreiten, aus denen sich die Schlüssigkeit seines Antrags ergibt.20 Sodann müssen die streitigen Tatsachen identifiziert werden. In der Praxis kann dies im Wege der Relation erfolgen.21 Dabei wird der gegenseitige Parteivortrag abgeglichen und auf Bestreiten sowie zugehörige Beweisangebote überprüft.22 Über den zwischen den Parteien streitigen Tatsachenstoff kann – soweit er rechtlich relevant

15

Gomille, Informationsproblem und Wahrheitspflicht, S. 3; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 278; Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, S. 87. 16 Gomille, Informationsproblem und Wahrheitspflicht, S. 3 f.; Katzenmeier, ZZP 2002, 51 (63); Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 278 f. 17 Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 262. 18 Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 262; zu den Problemen bei der rechtlichen Wertung ausführlich noch S. 39–47. 19 Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 263. 20 Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 263. 21 Gaier, NJW 2013, 2871 (2874); Bender/Schnelle, DRiZ 1993, 97 (103). 22 Gaier, NJW 2013, 2871 (2874); Bender/Schnelle, DRiZ 1993, 97 (103) m.w.N.

26

Zweiter Teil: Der künstliche Richter

ist23 – Beweis erhoben werden.24 Offenkundige Tatsachen sind nicht zu beweisen.25 Die Beweisstation selbst kann auch teilweise schematische aufgegliedert werden. Die beweisbelastete Partei muss den Beweis antreten, indem sie Beweisantrag stellt.26 Das Gericht leitet die Beweisaufnahme per Beweisanordnung oder Beweisbeschluss (§ 358 ZPO) ein.27 In aller Regel erfolgt die Beweisaufnahme dann durch Strengbeweis, d.h. durch Augenschein (§§ 371– 372a ZPO), Zeugen (§§ 373–401 ZPO), Sachverständige (§§ 402–414 ZPO), Urkunden (§§ 415–444 ZPO) oder Parteivernehmung (§§ 445–455 ZPO), vgl. § 284 ZPO. Nach Durchführung der eigentlichen Beweisaufnahme wird über deren Ergebnis mit den Parteien verhandelt, § 285 ZPO. Schließlich würdigt das Gericht die Ergebnisse der Beweisaufnahme sowie den Inhalt der gesamten mündlichen Verhandlung nach freier Überzeugung, § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO. b) Verhandlungswürdigung und Beweismaß Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit von besonderem Interesse ist die Frage, wie die Verhandlungswürdigung durch den Richter erfolgt. An dieser Stelle entscheidet sich nämlich, ob ein Beweis im konkreten Streitfall gelungen ist oder nicht.28 Die richterliche Verhandlungswürdigung ist damit der entscheidende Schritt der Festlegung des tragenden Sachverhalts. Gegenstand der Verhandlungswürdigung sind im Wesentlichen der ursprüngliche Tatsachenvortrag der Partei, das jeweilige Beweisergebnis, der Inhalt der Verhandlung einschließlich des persönlichen Eindrucks, den die Parteien durch ihr Auftreten beim Gericht hinterlassen sowie relevante Erfahrungssätze.29 Die Entscheidung des Richters darf nicht den Naturgesetzen, den allgemein anerkannten (logischen) Denkgesetzen sowie den allgemeinen Erfahrungssätzen (insbesondere den Regeln der allgemeinen Lebenserfahrung) widersprechen.30 Im 23

Aufgrund des Gebots der effektiven Justizgewähr ist die Wahrheitsfindung nur so weit auszudehnen, wie die anzuwendende Rechtsnorm es erfordert, Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 30. 24 Zu den Voraussetzungen der Beweiserhebung Dölling, NJW 2013, 3121; zu praktischen Schwierigkeiten Kopp, NJOZ 2017, 330. 25 Umstritten ist, inwiefern das Gericht offenkundige Tatsachen berücksichtigen darf oder muss, wenn die Parteien sie nicht explizit vorgetragen haben, vgl. Bacher, in: BeckOK ZPO, § 291 Rn. 9. Zumindest bis zu einem gewissen Grad – und zwar in Bezug auf allgemeinkundige Tatsachen wie geographische Lagen und Ortsentfernungen auf Landkarten – ist dies der Fall, vgl. Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, § 291 Rn. 1. 26 Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 263. 27 Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 264. 28 Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 349. 29 Kockentiedt/Windau, NJW 2019, 3348; Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 340– 343. 30 Vgl. Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 29, 340, 969.

B. Aufgaben des Richters

27

Grundsatz maßgeblich ist jedoch die persönliche subjektive Überzeugung des Richters.31 Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Zeugenaussage ist beispielsweise auch eine Vielzahl von Gesichtspunkten relevant, die nicht schematisch abgehandelt werden können. Neben objektivierbaren Kriterien, wie den Beziehungen des Zeugen zur Partei und seinem Interesse am Ausgang des Verfahrens, finden auch subjektive Eindrücke des Richters Berücksichtigung, wie z.B. die Persönlichkeit des Zeugen und sein Verhalten während der Vernehmung.32 Aufgrund des Prinzips der Gleichwertigkeit aller Beweismittel und Beweisarten muss der Richter aber beispielsweise einer Urkunde nicht per se mehr Glauben schenken als einer Zeugenaussage.33 Das Beweismaß legt fest, welchen Grad an Wahrscheinlichkeit der Richter bei seiner Überzeugungsbildung zugrunde zu legen hat.34 Neben dem Regelbeweismaß des § 286 ZPO („für wahr oder für nicht wahr […] erachten“) kennt das Gesetz etwa mit der „Glaubhaftmachung“ auch Abstufungen hiervon.35 Notwendig für das Regelbeweismaß des § 286 ZPO ist keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur ein „für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen“.36 Sobald dieser Grad an Gewissheit erreicht ist, kann der Richter eine Tatsache für wahr oder eben nicht wahr erachten und seiner Entscheidung als festgestellten Sachverhalt zugrunde legen.37 c) Objektive Beweislast Ist das Gericht auch nach der Beweisaufnahme nicht hinreichend von der Wahrheit oder Unwahrheit der Parteibehauptungen überzeugt und besteht weiterhin Unklarheit (non liquet), muss der Rechtsstreit nach der objektiven Beweislast entschieden werden.38 Die objektive Beweislast gibt vor, zu wessen Lasten die Unaufklärbarkeit einer behaupteten Tatsache geht.39 Grundsätzlich trägt der Anspruchssteller die objektive Beweislast bezüglich rechtsbegründender Tatbestandsmerkmale, der Anspruchsgegner in Bezug auf die rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Tatbestandsmerkmale.40

31

Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 340. Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 737. 33 Prütting, in: MüKo ZPO, § 286 Rn. 1; Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 348 f. 34 Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 349. 35 Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 350. 36 BGH, Urteil vom 17. Februar 1970, Az.: III ZR 139/67, BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946 (948); Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 350; Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, § 286 Rn. 18 f. jeweils m.w.N. 37 Schweizer, Beweiswürdigung und Beweismaß, S. 15. 38 Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 265. 39 Prütting, in: MüKo ZPO, § 286 Rn. 100. 40 Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, § 286 Rn. 35. 32

28

Zweiter Teil: Der künstliche Richter

d) Beweisführungslast Von der objektiven Beweislast ist die subjektive Beweislast, auch Beweisführungslast genannt, abzugrenzen.41 Die Beweisführungslast regelt, wer einen Beweis antreten muss, um einen Prozessverlust zu vermeiden.42 Die konkrete Beweisführungslast bezieht sich dabei immer auf eine bestimmte Prozesssituation, in der das Gericht bereits eine vorläufige Überzeugung vom Vorliegen einer beweisbedürftigen Tatsache gewonnen hat.43 Die Partei, die in dieser Situation konkret beweisführungsbelastet ist, muss also „nachlegen“, damit das Gericht von seiner vorläufigen Überzeugung wieder abkommt. Praktisch kommt es häufig zu einem „Hin-und-Her-Pendeln“ der Beweisführungslast in Abhängigkeit von der jeweils aktuellen Überzeugung des Gerichts.44 e) Substantiierungslast Der Beweisführungslast ist die (konkrete) Behauptungslast, auch Substantiierungslast genannt, vorgelagert.45 Zu Anfang des Prozesses können schlichte und allgemeine Tatsachenbehauptungen noch genügen.46 Die Parteien können jedoch in Abhängigkeit vom bisherigen Sachvortrag der jeweiligen Gegenpartei dazu gezwungen sein, genauere oder neue Tatsachen vorzutragen.47 Genau wie die konkrete Beweisführungslast kann daher auch die konkrete Behauptungslast im Laufe des Prozesses zwischen den Parteien hin- und herwechseln.48 Ein praxisrelevanter Fall ist die sekundäre Behauptungslast.49 Nach ständiger Rechtsprechung obliegt der nicht (abstrakt) beweis- und behauptungsbelasteten Partei dann eine gesteigerte Substantiierungslast, wenn die darlegungs- und beweisbelastete Partei „außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht“ und keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Gegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind.50 41 Baumgärtel, Handbuch der Beweislast: Grundlagen, S. 181; Prütting, in: MüKo ZPO, § 286 Rn. 98. 42 Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, § 284 Rn. 33; Prütting, in: MüKo ZPO, § 286 Rn. 98. 43 Baumgärtel, Handbuch der Beweislast: Grundlagen, S. 187; Prütting, in: MüKo ZPO, § 286 Rn. 103. 44 Baumgärtel, Handbuch der Beweislast: Grundlagen, S. 188. 45 Baumgärtel, Handbuch der Beweislast: Grundlagen, S. 195; Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, 251, 253. 46 Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 254. 47 BGH, Urteil vom 23. April 1991, Az.: X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast: Grundlagen, S. 196 f. 48 Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 254. 49 Ausführlich hierzu Baumgärtel, Handbuch der Beweislast: Grundlagen, S. 566–580. 50 Saenger, in: Saenger, ZPO, § 286 Rn. 92; st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1982, Az.: VIII ZR 279/81, BGHZ 86, 23 = NJW 1983, 687 (688); Urteil vom 17. März 1987, Az.: VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190 = NJW 1987, 2008 (2009); Urteil vom 11. Juni 1990, Az.: II ZR 159/89, NJW 1990, 3151 (3151 f.); Urteil vom 11. Juli 1995,

B. Aufgaben des Richters

29

Kommt der Gegner der Aufklärungspflicht nicht nach, wird in der Regel vermutet, dass die behauptete Tatsache vorliegt, vgl. §§ 427 Satz 2, 444, 446 ZPO.51 2. Rechtliche Würdigung Den festgestellten Sachverhalt muss der Richter anschließend rechtlich würdigen. Gemäß dem Grundsatz iura novit curia wird insofern vom Richter erwartet, dass er sämtliches anwendbares Recht kennt und versteht, notwendigenfalls auslegt und schließlich, durch Subsumtion des festgestellten Sachverhalts hierunter, anwendet.52 3. Begründete Entscheidung Die ermittelte Rechtsfolge muss der Richter schließlich in Form eines Urteils oder eines Beschlusses aussprechen.53 Im Urteil sind die Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht, anzugeben, § 313 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 ZPO. Die Entscheidungsgründe sind einfach, knapp und verbal in deutscher Sprache anzugeben.54 Die Angabe bezweckt zum einen, die Beteiligten über die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten, und zum anderen, dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung zu ermöglichen.55 Es sind deshalb sämtliche Tatbestandsmerkmale anzusprechen und darzulegen, warum sie das Gericht als gegeben betrachtet.56 Bei streitigen Sachverhaltsfragen ist herauszuarbeiten, wie die richterliche Überzeugungsbildung zustande kam.57 Auch alle entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind zu erörtern und es ist darzulegen, warum das Gericht sie auf die erfolgte Art gelöst hat.58

Az.: X ZR 42/93, NJW 1995, 3311 (3312); Urteil vom 13. Juni 2002, Az.: VII ZR 30/01, NJW-RR 2002, 1309 (1310). 51 Saenger, in: Saenger, ZPO, § 286 Rn. 54. 52 Prütting, in: MüKo ZPO, § 293 Rn. 2; einführend Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289. 53 Musielak, in: MüKo ZPO, Vor. § 300 Rn. 1. Gerichtliche Verfügungen als dritte Form der Entscheidung werden hingegen nur zu prozessleitenden Zwecke erlassen, vgl. Bach, in: BeckOK ZPO, § 329 Rn. 3. 54 Elzer, in: BeckOK ZPO, § 313 Rn. 70, 96. 55 BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 1998, Az.: 9 B 412/98, NJW 1998, 3290; Elzer, in: BeckOK ZPO, § 313 Rn. 97. 56 Elzer, in: BeckOK ZPO, § 313 Rn. 117. 57 Elzer, in: BeckOK ZPO, § 313 Rn. 119. 58 BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 1995, Az.: 2 BvR 382/95, NJW-RR 1995, 1033 (1034); Elzer, in: BeckOK ZPO, § 313 Rn. 117.

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

II. Streitbeilegung Dem Richter kommt auch die Rolle eines Vermittlers zwischen den Parteien zu, der in jeder Lage des Verfahrens auf die gütliche Streitbeilegung hinwirkt, vgl. § 278 Abs. 1 ZPO.59 Der Versuch einer gütlichen Streitbeilegung kann zu jedem Zeitpunkt im Verfahrens stattfinden.60 Die praktische Bedeutung gerichtlicher Vergleiche ist nicht zu unterschätzen.61 In der Praxis wird der Richter etwa in der obligatorischen Güteverhandlung nach § 278 Abs. 2 ZPO die Parteien kurz in den Sach- und Streitstand einführen, sie persönlich hören und auf die entscheidungserheblichen Probleme und jeweiligen Risikofaktoren hinweisen.62 Auf dieser Grundlage wird dann im allseitigen Dialog nach Vorschlägen zur gütlichen Einigung gesucht.63 Bei Vergleichsverhandlungen geht es immer darum, die konkreten gegenseitigen Interessen in einen gütlichen Einklang zu bringen, sodass in besonderem Maße auf den konkreten Fall einzugehen ist.64 Eine konzeptionelle Darstellung ist deshalb schwerlich möglich, die zentralen Herausforderungen sind jedoch stets die persönliche Kommunikation und das Verständnis der Interessenlage der Parteien.65 III. Prozessleitung und Ablauforganisation In praktischer Hinsicht soll der Rechtsstreit regelmäßig im Haupttermin erledigt werden, vgl. § 272 Abs. 1 ZPO. Dort verhandeln die Parteien vor dem erkennenden Gericht grundsätzlich mündlich, § 128 Abs. 1 ZPO. Das Gericht ist dabei nach Maßgabe von § 139 ZPO zur materiellen Prozessleitung verpflichtet. Nach dieser Vorschrift ist es dazu gehalten den Prozessstoff mit den Parteien zu erörtern, Fragen zu stellen und in gewissem Umfang auch Hinweise zu erteilen.66 59 Von der vermittelnden Funktion des Richters im streitigen Verfahren sind die außergerichtliche Mediation auf Vorschlag des Richters gem. § 278a ZPO und das Verfahren vor dem Güterichter nach § 278 Abs. 5 ZPO abzugrenzen. Beides ist nicht dem Bereich der Rechtsprechung im klassischen oder funktionellen Sinne zuzuordnen (vgl. dazu Roth, ZfPW 2017, 129 [141]), sodass die Verfahren nicht dezidiert dargestellt werden. In technischer Hinsicht würden allerdings keine weitergehenden Systemanforderungen aufgestellt, als es die vermittelnde Rolle des Richters im streitigen Verfahren ohnehin erfordert. 60 Prütting, in: MüKo ZPO, § 278 Rn. 11. 61 Prütting, in: MüKo ZPO, § 278 Rn. 49; Im Jahr 2017 wurden vor den Amts- bzw. Landgerichten in erster Instanz immerhin gut 15 respektive 28 % der Fälle durch gerichtlichen Vergleich erledigt, vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.1, 2018, Tab. 2.2.1, lfd. Nr. 1 und 28 sowie Tab. 5.4, lfd. Nr. 1 und 2. 62 Prütting, in: MüKo ZPO, § 278 Rn. 26. 63 Prütting, in: MüKo ZPO, § 278 Rn. 26. 64 Prütting, in: MüKo ZPO, § 278 Rn. 51. 65 Prütting, in: MüKo ZPO, § 278 Rn. 51. 66 Ausführlich Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, § 139; Fritsche, in: MüKo ZPO, § 139.

C. Konkretisierung der Systemanforderungen

31

Zudem fallen Aufgaben der Ablauforganisation an, wie beispielsweise die Erstellung und der Versand von Terminsladungen oder die Saalplanung. Zuständig hierfür sind jedoch größtenteils die Geschäftsstellen der Gerichte.67 Aufgaben der Ablauforganisation werden deshalb im Weiteren ausgeklammert. Es dürfte jedoch auf der Hand liegen, dass die Automatisierung der bei Raumbuchungen, Terminsladungen etc. anfallenden Tätigkeiten in Form einer Büromanagement-Software technisch keine allzu großen Herausforderungen stellt. Nicht umsonst sind in diesem Bereich die größten Fortschritte bei der Digitalisierung der Justiz zu verzeichnen.68

C. Konkretisierung der Systemanforderungen C. Konkretisierung der Systemanforderungen

Im vorstehenden Abschnitt wurde eine juristisch geprägte Beschreibung richterlicher Aufgaben gegeben. Zur Beantwortung der eingangs aufgeworfenen Frage, inwieweit Software zur Ausführung dieser Aufgaben in der Lage ist, bedarf es allerdings einer Übersetzung und Konkretisierung in technische Systemanforderungen. Hierfür kann zwischen den allgemeinen Herausforderungen im Zusammenhang mit menschlicher Kommunikation und Wahrnehmung (I) und speziellen Problemfeldern im juristischen Kontext (II) unterschieden werden. I. Allgemeine Herausforderungen Die Erfüllung der vorstehend skizzierten Aufgaben setzt die grundsätzliche Fähigkeit zur umfassenden menschlichen Kommunikation voraus. Hierfür müssen akustische und visuelle Signale wahrgenommen (1) und verstanden (2) werden. 1. Akustische und visuelle Wahrnehmung Im deutschen Zivilverfahrensrecht gilt gem. § 128 Abs. 1 ZPO der Mündlichkeitsgrundsatz. Eine universelle Justizsoftware muss dazu in der Lage sein, das gesprochene Wort zu verstehen. Das Problem dabei ist, dass ein akustisches Eingangssignal, im Gegensatz etwa zum Drücken einer mit einem bestimmten Buchstaben belegten Taste auf der Computertastatur, nicht eindeutig ist. Jede menschliche Stimme klingt anders, hinzu kommen Dialekte, Sprechgewohnheiten und weitere Einflussfaktoren, wie die emotionale und gesundheitliche

67 68

Stackmann, in: MüKo ZPO, § 214 Rn. 1. Vgl. S. 12–14.

32

Zweiter Teil: Der künstliche Richter

Verfassung des Sprechers.69 Darüber hinaus kann es Störgeräusche und Einflüsse auf dem Übertragungsweg des Signals geben.70 Ein künstlicher Richter müsste demnach dazu in der Lage sein, solche „unscharfen“ Eingangssignale (gemessen an menschlichen Standards) richtig und präzise zu erfassen. Ähnliches gilt für die visuelle Wahrnehmung, die etwa für einen Beweis durch Augenschein (§§ 371 ff. ZPO) erforderlich ist. Der Mensch hat eine dreidimensionale Wahrnehmung und kann beispielsweise eine Katze aus verschiedenen Blickwinkeln als solche erkennen und benennen.71 Hierzu muss das System auch in der Lage sein, egal wie genau die Katze aussieht und von welcher Seite sie betrachtet wird. Man könnte an dieser Stelle bemerken, dass die vorstehenden Anforderungen nicht zwingend erscheinen. Soweit man etwa ein rein schriftliches Verfahren zugrunde legt, wäre ein Verständnis mündlich gesprochener Worte nicht zwingend erforderlich. Allerdings würde dies eine Veränderung des zivilprozessualen Verfahrensablaufs an sich implizieren. Eine solche Veränderung mag zwar unter Umständen sinnvoll sein, ginge aber zwangsweise mit einer Änderung des geltenden Prozessrechts einher. An dieser Stelle der Arbeit sollen allerdings die technischen Möglichkeiten und Grenzen anhand des tatsächlichen Aufgabenspektrums eines menschlichen Richters de lege lata überprüft werden – hierzu gehört die verbale Kommunikation. 2. Verständnis natürlicher Sprache Die akustische und visuelle Wahrnehmung in Form einer Verbindung etwa des gesprochenen Wortes „Katze“ bzw. des visuellen Eingangssignal einer Kamera, die auf eine Katze gerichtet ist, mit der Symbolfolge „KATZE“ stellt jedoch nur den ersten Schritt dar. Notwendig ist darüber hinaus auch ein Verständnis davon, was eine Katze überhaupt ist. Dies führt zur mitunter größten Hürde, der notwendigen Fähigkeit zur Verarbeitung menschlicher Sprache. Unter anderem in Parteivortrag, Sachverständigengutachten und Urkunden werden Informationen in natürlicher Sprache übermittelt. Wie zu zeigen sein wird,72 sind Computer ihrem grundlegenden Aufbau nach auf die Vornahme logischer und mathematischer Operationen ausgelegt. Programmiersprachen können sich deshalb ausschließlich mathematisch beschreibbarer Ausdrücke bedienen. Es handelt sich um sogenannte „formale“ Sprachen, welche sich dadurch auszeichnen, dass sie vollständig beschreibbar sind.73 Was bedeutet das?

69

Pfister/Kaufmann, Sprachverarbeitung, S. 25. Pfister/Kaufmann, Sprachverarbeitung, S. 25. 71 Einführend Erhardt, Einführung in die Digitale Bildverarbeitung, S. 9–16. 72 Vgl. unten, S. 51–53. 73 Pfister/Kaufmann, Sprachverarbeitung, S. 486. 70

C. Konkretisierung der Systemanforderungen

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Eine formale Sprache ist definiert als Menge von Worten über einem Alphabet.74 Ein Alphabet ist eine endliche, nichtleere Menge von Zeichen, die auch Terminalsymbole genannt werden.75 Eine beliebige Kombination dieser Zeichen wird „Wort“ genannt.76 Formale Grammatiken geben sogenannte Produktionsregeln für Wörter vor, das heißt sie legen fest, nach welchen Regeln die Zeichen des Alphabets kombiniert werden dürfen.77 Die Menge dieser nach einer formalen Grammatik gebildeten Worte bilden die formale Sprache.78 Formale Grammatiken können grundsätzlich auch zur Beschreibung und Analyse natürlicher Sprache herangezogen werden.79 Es wird allerdings schnell klar, dass eine solche Modellierung Schwierigkeiten bereitet. Zum einen gibt es bei natürlicher Sprache mehr als nur zwei Ebenen. Aus den Zeichen des deutschen Alphabets werden natürlichsprachliche Worte gebildet werden, die sich wiederum zu natürlichsprachlichen Sätzen zusammenfügen. Eine formale Beschreibung menschlicher Sprache muss daher mindestens drei Ebenen berücksichtigen: Buchstaben, Wörter und Sätze. Entsprechend müssten die Wörter einer natürlichen Sprache die Terminalsymbole einer „Satzgrammatik“ sein, und die Buchstaben dieser Sprache die Terminalsymbole einer „Wortgrammatik“.80 Allein die grundlegenden Regeln der deutschen Grammatik formal als Produktionsregeln zu erfassen, stellt jedoch eine extrem schwere Aufgabe dar.81 Ob und wie sich natürliche Sprachen in die Hierarchie der formalen Sprachen einordnen lassen, war und ist deshalb unter (Computer-)Linguisten bislang ungeklärt.82 Doch selbst wenn es gelingen würde, ein vollständiges Regelsystem zu erstellen, das beschreibt, wie aus den Buchstaben des deutschen Alphabets Wörter und Sätze gebildet werden, wäre dies bloß eine Beschreibung der Syntax. Das Wissen darum, nach welchen Regeln natürlichsprachliche Wörter und Sätze aus einzelnen Buchstaben „gebastelt“ werden, reicht allein nicht aus.83 In den Sprachwissenschaften werden deshalb neben der Syntax auch die Semantik und die Pragmatik einer Sprache untersucht. Die Semantik beschäftigt 74

Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 337. Pfister/Kaufmann, Sprachverarbeitung, S. 139. 76 Pfister/Kaufmann, Sprachverarbeitung, S. 139. 77 Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 339. 78 Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 340. 79 Pfister/Kaufmann, Sprachverarbeitung, S. 167. 80 Pfister/Kaufmann, Sprachverarbeitung, S. 168. 81 Vgl. für konkrete Beispiele sich stellender Probleme Pfister/Kaufmann, Sprachverarbeitung, S. 168–172. 82 Clark/Fox/Lappin, The handbook of computational linguistics and natural language processing, S. 38 f.; Marcus/Paun/Martin-Vide, Computational Linguistics 1998, 245; grundlegend Chomsky, Syntactic Structures, S. 34; Pullum/Gazdar, Linguistics and Philosophy 1982, 471. 83 Vgl. Clark/Fox/Lappin, The handbook of computational linguistics and natural language processing, S. 65. 75

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sich mit der Bedeutung der Wörter bzw. Sätze.84 Die Pragmatik wiederum nimmt auch den Kontext der Äußerung in den Blick.85 Erst durch eine Gesamtbetrachtung dieser drei Bereiche (Syntax, Semantik, Pragmatik) wird eine hinreichende Beschreibung menschlicher Kommunikation durch natürliche Sprache ermöglicht. Die Semantik beschäftigt sich mit Inhalten und Bedeutung. In der Informatik weist eine formale Semantik der (Syntax einer) formalen Sprache ihre Bedeutung zu.86 Bezogen auf Programmiersprachen bedeutet dies etwa, dass die Semantik den Befehlen einer Programmiersprache die jeweils durchzuführenden maschinellen Berechnungsschritte zuweist.87 Dem Programmierbefehl „add“ beispielsweise könnte durch die Semantik der Durchlauf derjenigen elektronischen Gatter88 zugewiesen sein, der notwendig ist, um zwei Zahlen zu addieren. In der Linguistik beschäftigt sich die Semantik mit der Bedeutung natürlichsprachlicher Ausdrücke wie Wörtern, Sätzen oder Texten.89 Es werden dort zwei elementare Annahmen zugrunde gelegt: Erstens dient natürliche Sprache primär dazu, die reale Welt zu beschreiben.90 Zweitens ist die Bedeutung eines Satzes gleichzusetzen mit dessen „Wahrheitsbedingungen“ in der realen Welt.91 Am Satz „Heute regnet es in Frankfurt“ lassen sich beide Punkte illustrieren. Der Satz trifft offensichtlich eine Aussage über die reale Welt. Die Bedeutung des Satzes versteht, wer dazu in der Lage ist, seine Wahrheitsbedingungen zu erkennen. Auch ohne zu wissen, ob es nun tatsächlich aktuell in Frankfurt regnet, ist doch jeder Mensch dazu in der Lage, die Bedingungen zu benennen, unter denen der Satz wahr ist. Hier wäre die Wahrheitsbedingung in der realen Welt eben, dass am heutigen Tag in der Stadt Frankfurt Regentropfen vom Himmel fallen. Zum Verständnis natürlicher Sprache ist folglich ein Modell der realen Welt notwendig, relativ zu dem die in der Sprache abgebildeten Ausdrücke interpretiert werden können.92 Diese entscheidende Erkenntnis wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch besonders relevant. Die Pragmatik schließlich betrachtet die kontextuellen Einflüsse auf die Interpretation eines Satzes.93 Ein klassisches Beispiel wäre die Frage „Kannst Du 84

Pfister/Kaufmann, Sprachverarbeitung, S. 9. Pfister/Kaufmann, Sprachverarbeitung, S. 9 f. 86 Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 356. 87 Priese/Erk, Theoretische Informatik, S. 235. 88 Vgl. unten, S. 52. 89 Carstensen et al., Computerlinguistik und Sprachtechnologie, S. 330. 90 Carstensen et al., Computerlinguistik und Sprachtechnologie, S. 322. 91 Lohnstein, Formale Semantik und natürliche Sprache, S. 1–7; Carstensen et al., Computerlinguistik und Sprachtechnologie, S. 322; vgl. auch Bung, Subsumtion und Interpretation, S. 61. 92 Lohnstein, Formale Semantik und natürliche Sprache, S. 7. 93 Carstensen et al., Computerlinguistik und Sprachtechnologie, S. 394. 85

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mir das Salz geben?“. Eine rein semantische Analyse würde hierin eine Frage nach der Fähigkeit der Person sehen, dem Fragesteller das Salz zu geben. Pragmatisch gesehen handelt es sich jedoch um eine Handlungsaufforderung.94 Insbesondere bei Sachverhaltsschilderungen durch die Parteien und Zeugen oder bei der Interpretation von Sachverständigengutachten und Urkunden ist die Beachtung solcher kontextuellen Einflüsse bei der Interpretation natürlicher Sprache zwingend notwendig. Die aufgezeigten Schwierigkeiten wurden von Rechtsinformatikern schon früh erkannt. So schreibt Haft in seinem Grundlagenwerk zur Rechtsinformatik: „Die Diskussion sprachtheoretischer Grundfragen zeigt, dass hier der Rechtsinformatik Grenzen gezogen sind, die im syntaktischen und semantischen Bereich nur schwer und im pragmatischen Bereich überhaupt nicht überwunden werden können.“95

Die Probleme bei der Verarbeitung natürlicher Sprache konnte bisher auch noch kein juristisches Expertensystem vollständig überwinden. Jandach schrieb 1993 in diesem Zusammenhang vom „Mythos sprachverstehender Systeme“ und sprach die Empfehlung aus „Für die Entwicklung von juristischen Expertensystemen […] aufgrund der dargestellten Probleme im Zusammenhang mit der Verarbeitung natürlicher Sprache […] auf die Verwendung eines natürlichsprachlichen Dialogmoduls zu verzichten.“96

Bekanntlich verfügen moderne Sprachassistenten wie Alexa, Cortana, Google Assistant oder Siri jedoch über ebensolche natürlichsprachlichen Dialogmodule. Deren Erfolg lässt Zweifel aufkommen, ob die Empfehlung Jandachs auch heute noch aufrechterhalten werden kann. II. Einzelne Problemfelder 1. Sachverhaltsaufklärung Eine der Hauptaufgaben des Zivilrichters im Erkenntnisverfahren ist die Sachverhaltsaufklärung.97 Um aus diesem Aufgabenbereich konkrete technische Anforderungen formulieren zu können, ist eine Einordnung der zugrundeliegenden Vorgänge erforderlich. a) Sachverhaltsrekonstruktion als funktionales Abbild der Welt In technischer Hinsicht spiegeln sich bei der Sachverhaltsaufklärung zunächst die im Rahmen der semantischen Analyse natürlicher Sprache vorskizzierten 94

Vgl. hierzu Carstensen et al., Computerlinguistik und Sprachtechnologie, S. 394. Haft, Einführung in die Rechtsinformatik, S. 80. 96 Jandach, Juristische Expertensysteme, S. 37. 97 Brand, NJW 2017, 3558. 95

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Anforderungen.98 Erforderlich ist demnach, dass die universelle Justizsoftware ein umfassendes Bild der realen Welt abgespeichert hat, in Relation zu dem die schriftlichen, akustischen und visuellen Eingangssignale (Schriftsätze, Gutachten, mündliche Verhandlung, Partievernehmung, Augenschein etc.) interpretiert werden können. Beschreibt eine Partei einen tatsächlichen Geschehensablauf, so versteht der Richter (oder aber auch die Software) die Bedeutung des Vortrags genau dann, wenn er (bzw. sie) die Wahrheitsbedingungen in der realen Welt benennen kann.99 Auf diese Weise lässt sich der von einer Partei beschriebene Geschehensablauf als funktionales Abbild der realen Welt rekonstruieren. Beschreibt die Gegenpartei einen hiervon abweichenden Geschehensablauf („Das Auto ist nicht 30 km/h, sondern 70 km/h gefahren“), handelt es sich im Kern um ein alternatives funktionales Abbild der realen Welt. Dies macht ein umfassendes Verständnis der realen Welt, ein Weltbild, unerlässlich für eine universelle Justizsoftware. Ein solches Weltbild muss insbesondere auch diejenigen Regeln umfassen, die der Richter seiner Entscheidung zugrunde legen darf bzw. muss, nämlich die bereits angesprochene Lebenserfahrung und die Gesetze der Logik und der Natur.100 Aus dem Vortrag, dass eine Vase „vom Schrank geschubst“ wurde, muss das System folgern können, dass die Vase (in aller Regel) aufgrund der Erdgravitation zu Boden gefallen sein wird. Aus dem Wissen, dass es geregnet hat, muss es schließen, dass dies erfahrungsgemäß dazu geführt haben wird, dass die Straße nass und eventuell rutschig gewesen ist. Bei einer Interpretation in Relation zu einem umfassenden Weltbild fallen logische Widersprüche im Parteivortrag zwingend auf. Neben dieser inhaltlich-objektiven Beschreibung eines Geschehensablaufs, darf der Richter jedoch bis zu einem gewissen Grad auch pragmatisch-subjektive Faktoren, wie das persönliche Auftreten vor Gericht, in seine Überzeugungsbildung mit einfließen lassen.101 Es handelt sich dabei letztlich um das, was gemeinhin als Menschenkenntnis bezeichnet wird. Ein umfassendes Weltbild müsste dementsprechend um eine Darstellung insbesondere menschlicher Beziehungen, menschlicher Emotionen und menschlichen Auftretens, also eine gesellschaftlich-soziale Komponente erweitert werden. b) Beschreibende und bewertende Komponente der Sachverhaltsaufklärung Wie oben gezeigt, handelt es sich bei der richterlichen Sachverhaltsaufklärung im Kern um einen zweiteiligen Vorgang bestehend aus einer beschreibenden und einer bewertenden Komponente.102

98

Vgl. oben, S. 32–35. Vgl. oben, S. 34. 100 Vgl. oben, S. 26 f. 101 Vgl. oben, S. 27. 102 Vgl. oben, S. 25–29. 99

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Bei der Frage nach der Schlüssigkeit und der Substantiierung des jeweiligen Parteivortrags steht die Beschreibung im Vordergrund. Man nehme beispielsweise an, dass ein Gesetz den Eintritt einer Rechtsfolge RF für den Fall vorsieht, dass die beiden Tatbestandsvoraussetzungen A und B vorliegen. Trägt nun eine Partei die tatsächlichen Sachverhaltspunkte A1, A2 und A3 vor und ergibt sich nach Ansicht des Gerichts daraus das Vorliegen von A, so ist der Vortrag in diesem Punkt schlüssig.103 Sofern dem Gericht die pauschale Behauptung des Vorliegens etwa von A1 nicht ausreicht, muss die Partei zusätzlich die tatsächlichen Sachbehauptungen a, b und c vortragen, aus denen sich wiederum das Vorliegen von A1 ergibt. Dieser Vorgang ist die Substantiierung des Parteivortrags.104 Nachdem die Parteiaussagen von der Software verstanden, das heißt in Relation zu einem umfassenden Weltbild interpretiert wurden, müssen sie analysiert werden. Im vorstehenden Beispiel muss die Software zum einen erkennen können, ob sich das Vorliegen von A zwingend aus den vorgetragenen Sachverhaltspunkten A1, A2 und A3 ergibt und zum anderen, ob eine weitere Substantiierung von A1 etwa durch Vortrag der Sachbehauptungen a, b und c notwendig erscheint. Beide Vorgänge sind sich ihrem Wesen nach ähnlich. Bei genauer Betrachtung handelt es sich bei der Schlüssigkeitsprüfung allerdings um den Schritt von der konkreten Sachverhaltsebene (A1, A2 und A3) zur abstrakten Tatbestandsebene (A). Dieser Sprung wird an späterer Stelle nochmals genauer betrachtet.105 Bei der Substantiierung jedoch handelt es sich um einen Vorgang, der sich rein auf der Sachverhaltsebene abspielt. Rechtliche Argumentation ist insoweit nicht erforderlich. Die Software müsste anhand ihres Weltwissens lediglich erkennen können, wann ein Vortrag einer Konkretisierung bedarf. Wenn Person X vorträgt, dass Person Y ihre Vase „kaputt gemacht hat“, ist möglicherweise eine Substantiierung notwendig. Soweit sie dann vorträgt, dass Y die Vase „von der Kommode genommen und auf den Boden geworfen hat“, reicht dieser Vortrag nach allgemeiner Lebenserfahrung aus, um den Schluss auf die Zerstörung der Vase zu rechtfertigen. Es ergibt sich also auch an dieser Stelle das Erfordernis eines umfassenden Weltbildes unter Einbeziehung aller allgemeinbekannten Naturgesetze. Nach und nach kristallisieren sich so diejenigen Sachverhaltspunkte heraus, die zwischen den Parteien tatsächlich streitig sind und (logische) Widersprüche im Vortrag fallen auf. Auf diese Weise wird die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme in jedem einzelnen Punkt deutlich. Der Beweis einzelner vorgetragener Sachverhaltspunkte stellt sodann die bewertende Komponente der Sachverhaltsaufklärung dar. Wenn eine Partei behauptet, der Sachverhaltspunkt A1 hätte sich zugetragen, und die andere Partei

103

Vgl. oben, S. 25. Vgl. oben, S. 28 f. 105 Siehe unten, S. 44–47. 104

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dem widerspricht, ist unter Umständen eine Beweisaufnahme geboten. Praktisch müsste für die Software dabei eine Maßeinheit für die Wahrheitswahrscheinlichkeit eines bestimmten Sachverhaltspunkts eingeführt und Schwellenwerte für die Beweiswürdigung festgelegt werden: das relevante Beweismaß.106 Man nehme an, Person X behauptet, sie hätte den von ihr mit dem Auto erfassten Fußgänger nicht gesehen, weil die Sonnenstrahlen zum Zeitpunkt des Vorfalls am Ort des Geschehens von zwei Hochhäusern reflektiert wurden und sie geblendet haben. Der Richter kann nun zur Beantwortung dieser Frage („Wurde Person X geblendet?“) ein Sachverständigengutachten einholen. Alternativ kann er den Unfallort zur entsprechenden Uhrzeit selbst in Augenschein nehmen. Hieraus ergibt sich für die Software in aller Deutlichkeit die bereits angesprochene Notwendigkeit der Verarbeitung symbolischer bzw. akustischer (Sachverständigengutachten) sowie visueller (Augenschein) Eingangssignale.107 Diese müssen zunächst verstanden, das heißt als funktionales Abbild der natürlichen Welt interpretiert, und sodann bewertet werden. Bei der Bewertung spielen wiederum subjektive Faktoren in der Person des Richters eine erhebliche Rolle. Es liegt in seinem persönlichen Ermessen, welchen Zeugen er glaubwürdig findet und welchen nicht und ob ihn das Sachverständigengutachten oder sein persönlicher Eindruck nach Einnahme des Augenscheins überzeugt.108 Für diese Bewertung bedarf die Software eines vergleichbaren Erfahrungsschatzes und Weltwissens wie der menschliche Richter.109 c) Formale Regeln der Beweiserhebung Schließlich sind auch formale Komponenten der Sachverhaltsaufklärung zu beachten. Die Software muss zur Feststellung der Notwendigkeit einer Beweiserhebung die Relationstechnik anwenden können.110 Erforderlich ist insofern ein schematischer Abgleich der gegenseitigen Parteivorträge. Hinzu kommt die notwendige Beachtung der objektiven Beweislast.111 Die Software muss mithin zur Vornahme formal-logischer Operationen in der Lage sein.

106 Die Einführung eines wahrscheinlichkeitsbasierten Schwellenwertes mag im Hinblick auf das Ziel der Wahrheitsfindung zunächst widerstreben. Tatsächlich handelt es sich aber auch bei der Überzeugungsbildung durch einen menschlichen Richter nur um eine messbare, epistemische (d.h. vom subjektiven Wissen abhängige) Wahrscheinlichkeit, vgl. Schweizer, Beweiswürdigung und Beweismaß, S. 250, 594 f.; objektive Wahrheitsfindung bleibt insofern ein „unerreichbares Ideal“, Brand, NJW 2017, 3558 (3560). 107 Vgl. oben, S. 31–35. 108 Vgl. oben, S. 26 f. und nochmals ausdrücklich Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, S. 348 f. 109 Vgl. Schweizer, Beweiswürdigung und Beweismaß, S. 13, 349 ff. 110 Vgl. oben, S. 25. 111 Vgl. oben, S. 27.

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2. Rechtliche Würdigung a) Positives Recht Die Software müsste auch die anzuwendenden Rechtssätze zunächst allgemein verstehen, das heißt die funktionale Systematik der zur Anwendung kommenden Normen muss formal darstellbar sein. Wenn beispielsweise § 138 Abs. 1 BGB bestimmt, dass ein sittenwidriges Rechtsgeschäft nichtig ist, muss die Software aus dem Vorliegen der Sittenwidrigkeit auf die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts schließen können. Hiervon streng zu unterscheiden wäre die Frage, unter welchen Voraussetzungen A, B, C eine solche Sittenwidrigkeit vorliegt (Auslegung112) und ob diese Voraussetzungen A, B, C im konkreten Fall vorliegen (Sachverhaltsaufklärung113). Im Bereich des Zivilrechts ergeben sich bei der so verstandenen Formalisierung des Rechts drei denkbare Schwierigkeiten. Zunächst stellt sich die Frage, ob Rechtssätze überhaupt einer vollständigen Formalisierung zugänglich sind (aa). Sodann ergibt sich die Notwendigkeit der Berücksichtigung sowohl von individualvertraglichen Vereinbarungen (bb) als auch von bestehendem Richterrecht (cc). aa) Formalisierung positiven Rechts Der vollständige Rechtssatz enthält eine generell adressierte, bedingte Sollensanordnung, die ein bestimmtes menschliches Verhalten (Rechtsfolge) für den Fall vorschreibt, dass die in einem Tatbestand festgelegten Bedingungen vorliegen.114 Verdeutlichen lässt sich dies an § 823 Abs. 1 BGB: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“

Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen sowie die angeordnete Rechtsfolge lassen sich lehrbuchmäßig ablesen. Dabei ist für die Eigenschaft als Sollensanordnung aber nicht die konkrete Formulierung ausschlaggebend. Alle Gesetzesvorschriften können in ein „Wenn-Dann“-Schema umformuliert werden und weisen damit die Grundstruktur präskriptiver Sätze auf.115 § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG etwa besagt: „Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören.“

112

Dazu unten, S. 44 f. Dazu bereits oben, S. 35–38. 114 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 250–257; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 120. 115 Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289 (291); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 116. 113

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In Konditionalform würde die Vorschrift lauten: „Wenn eine Kündigung ausgesprochen werden soll, dann ist der Arbeitgeber verpflichtet, zuvor den Betriebsrat anzuhören.“116 In den meisten Fällen ergibt sich ein vollständiger Rechtssatz allerdings erst aus dem Zusammenspiel verschiedener Vorschriften.117 Zivilrechtliche Normen lassen sich demnach in Anspruchsgrundlagen, einschränkende Normen und Hilfsnormen unterteilen.118 Anspruchsgrundlagen beinhalten die Anordnung einer Rechtsfolge sowie die Tatbestandsvoraussetzungen, unter denen diese Rechtsfolge eintreten soll.119 Einschränkende Normen benennen Voraussetzungen, unter denen die Rechtsfolge (doch) nicht eintreten soll.120 Alle anderen Normen sind Hilfsnormen. Zu unterscheiden sind insbesondere Definitionsnormen, gesetzliche Verweisungen, gesetzliche Fiktionen und gesetzliche Vermutungen.121 Diese Unterscheidung lässt sich abstrakt darstellen: – Wenn T1 und T2 vorliegen, soll RF. (Anspruchsgrundlage) – Dies gilt nicht, wenn A vorliegt. (Ausschlussgrund) – T1 liegt vor, wenn D1, D2 und D3 vorliegen. (Definition) – RF erfolgt gemäß den Vorschriften XYZ. (Gesetzliche Verweisung) – Wenn F vorliegt, gilt T1 als vorliegend. (Gesetzliche Fiktion) – Das Vorliegen von T2 wird vermutet, wenn V1 und V2 vorliegen. (Gesetzliche Vermutung) Man beachte, dass auch die Verweisungsnorm – trotz ihres Wortlauts – als präskriptive Vorschrift aufgefasst werden kann. In vorstehendem Beispiel wäre RF die „Wenn“-Bedingung, unter der „Dann“ diejenige (weitere) Rechtsfolge angeordnet wird, die sich in XYZ findet. Eingangs wurde die Rechtsfolge eines vollständigen Rechtssatzes definiert als die Anordnung eines bestimmten menschlichen Verhaltens. In der Rechtstheorie wird in Abgrenzung zu diesen Konditionalnormen auch auf konstitutive

116 Beispiel aus Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 116. 117 Sog. „unvollständige Rechtssätze“, vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 257–266. 118 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 130–135. 119 Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289 (291); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 130. 120 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 259 f. 121 Vgl. Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289 (291); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 131–134.

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Normen hingewiesen, welche rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten begründen.122 Durch sie werden die natürlichen Handlungsmöglichkeiten der Menschen durch rechtliche Handlungsmöglichkeiten, wie etwa den Abschluss von Verträgen oder die Organisation in Gesellschaften, erweitert.123 Doch auch solche Ermächtigungs- oder Derogationsnormen124 und die ihnen entspringenden rechtlichen Konstrukte lassen sich als eine Konfiguration konkreter Verhaltensnormen beschreiben, bilden damit lediglich Abkürzungen und sind theoretisch eliminierbar.125 Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch die Existenz auch solcher Vorschriften, die lediglich eine Aussage zum Gesetzeszweck treffen, vgl. etwa § 1 UWG: „Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.“

Bei diesen sogenannten „Finalnormen“ wird kein Konditionalprogramm im Sinne eines „Wenn-Dann“-Schemas vorgegeben, sondern ein Zweckprogramm, das heißt ein zu erreichendes Ziel.126 Solche Vorschriften dienen letztlich dazu, die teleologische Auslegung anderer Normen zu steuern.127 Nach alldem zeigt sich, dass (mit Ausnahme reiner Finalnormen) alle Rechtsnormen in formal darstellbarem Zusammenhang stehen, also formalisierbar sind.128 Auch komplexere rechtliche Konstrukte und Konzepte, wie Gesellschaften und Vertretungsmacht, sind als (abkürzender) Ausdruck konkreter Verhaltensnormen lediglich „Funktionen“ der zugrundeliegenden präskripti-

122

Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 149. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 128. 124 Kelsen, Allgemeine Theorie der Normen, S. 84–92. 125 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 233. 126 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 243; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, S. 100. 127 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 246; dazu sogleich, S. 44 f. 128 Neumann, Juristische Logik, in: Hassemer/Neumann/Saliger (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 272 (280); Diese Ansicht ist nicht unumstritten. Die erhobene Kritik bestreitet jedoch nicht die generelle Möglichkeit einer formalen Darstellung der Zusammenhänge innerhalb eines bestehenden (positivierten) Normsystems, sondern bezieht sich im Wesentlichen auf die (unmögliche) direkte Anwendung wahrheitsfunktionaler Logiken auf Rechtsnormen, den fehlenden Nutzen einer Axiomatisierung sowie die (angebliche) Außerachtlassung der wertenden Aufgabe des Rechts, vgl. insbesondere Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 20–29 m.w.N. Beschränkt man sich jedoch – wie hier – auf eine reine Darstellung der logischen Verknüpfungen der Bestandteile eines positivierten Normsystems, geht die Kritik fehl; vgl. zur Vertiefung insbesondere Weinberger, Rechtslogik, S. 218–275; Rödig, Axiomatisierbarkeit juristischer Systeme, in: Bund/Schmiedel/Thieler-Mevissen (Hrsg.), Schriften zur juristischen Logik, S. 65; Savigny, Zur Rolle der deduktiv-axiomatischen Methode in der Rechtswissenschaft, in: Jahr/Maihofer (Hrsg.), Rechtstheorie, S. 315 jeweils m.w.N. 123

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ven Rechtssätze. Auch sie müssen daher einer logisch-mathematischen Beschreibung zugänglich sein. Die wirkliche Schwierigkeit liegt bei den – hiervon streng zu trennenden – Fragen, ob die einzelnen Voraussetzungen eines Rechtssatzes im Einzelfall tatsächlich „vorliegen“ oder nicht und welche Voraussetzungen dies im Einzelfall sind. Das ist jedoch keine Frage der Darstellbarkeit des Rechtssystems als formalen Regelsatz. Vielmehr geht es um die bereits besprochene Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts als funktionales Abbild der realen Welt129 sowie die noch zu besprechende notwendige Auslegung des Rechts.130 In technischer Hinsicht muss die Software folglich zur Erfassung der formal-logischen Zusammenhänge des Rechts in der Lage sein. Finalnormen müssen bei der Rechtsauslegung berücksichtigt werden.131 bb) Privatautonome Vereinbarungen und Normenhierarchie Privatautonome Vereinbarungen auf Grundlage konstitutiver Normen rufen weitere Schwierigkeiten auf den Plan. Zum einen muss die Software die dort enthaltenen Rechtssätze erkennen und anwenden können. Eine „Vorprogrammierung“ ex-ante, wie dies bei Gesetzen theoretisch denkbar wäre, ist nicht möglich. Einer Formalisierbarkeit per se stehen jedoch keine Bedenken entgegen. Auch Verträge enthalten Rechtssätze und die einzelnen Vertragsklauseln lassen sich den im vorstehenden Abschnitt dargestellten Kategorien zuordnen.132 Zum anderen besteht die Schwierigkeit, dass sich privatautonom vereinbarte Regelungen selbst am Gesetzesrecht messen lassen müssen. Privatrechtliche Vereinbarungen sind das Ergebnis der oben angesprochenen konstitutiven (Ermächtigungs-)Normen, welche den Menschen rechtliche Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Dies wirft die generelle Frage nach dem Umgang mit der Pluralität der Rechtsquellen und deren etwaiger Kollision innerhalb einer Rechtsordnung auf. Die Rechtstheorie kennt im Grundsatz zwei Lösungen dieses Problems: die Verdrängung und die Auslegung.133 Nach der herrschenden Lehre vom „Stufenbau der Rechtsordnung“ haben nicht alle Rechtssätze den gleichen Rang, sondern stehen in einem Hierarchieverhältnis zueinander.134 Höherrangige Normen verdrängen niederrangige Normen, dazu verdrängen 129

Vgl. oben, S. 35 f. Vgl. unten, S. 44 f. 131 Vgl. unten, S. 44 f. 132 Hilfsausführungen (wie bspw. der Präambel eines Vertrages) kommt zumeist zwar keine eigenständige Bedeutung zu. Sie sind jedoch (ähnlich wie Finalnormen) eventuell bei der Auslegung einzelner Vertragsklauseln zu beachten. 133 Vgl. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 151–172. 134 Ausführlich Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 228–282; vgl. auch Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 305–310; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 272. 130

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speziellere und jüngere Vorschriften jeweils entsprechend gleichrangige allgemeinere und ältere Vorschriften.135 Die zweite Lösung ist die Normauslegung.136 Bei der Auslegung von Rechtsnormen kann die „Einheit der Rechtsordnung“ als Kriterium bemüht werden, um festgestellte (Wertungs-)Widersprüche zu überwinden.137 Ein Beispiel ist die verfassungs- oder EU-rechtskonforme Gesetzesauslegung. Zusammenfassend ergibt sich in technischer Hinsicht die Notwendigkeit der Erfassung eines Regelsystems aus vorher unbekannten Normen. Eine universelle Justizsoftware müsste also beispielsweise Verträge auf ihren Regelungsgehalt hin auslesen können. Hinzu kommt die Notwendigkeit einer Überprüfung am höherrangigen Recht. Im Falle der direkten Kollision sind entsprechende Prioritätsregeln oder eine mit dem höherrangigen Recht konforme Auslegung der niederrangigeren Norm erforderlich.138 cc) Beachtung von Richterrecht Inwiefern gerichtlichen Entscheidungen Normqualität zukommt, ist umstritten.139 Gleichwohl ist zu beobachten, dass dem Richterrecht auch im kontinentaleuropäischen Kodifikationsmodell ein erheblicher Einfluss auf das Gesamtrechtssystem zukommt.140 Eine umfassende Justizsoftware müsste dementsprechend auch bestehendes Richterrecht bei der Rechtsfindung beachten können. Dieses Erfordernis stellt jedoch keine weitergehenden Systemanforderungen auf. Sofern eine universelle Justizsoftware dazu in der Lage wäre, einen Sachverhalt mithilfe eines umfassenden Weltbildes zu erfassen und Regelsysteme etwa aus Verträgen auszulesen, könnte sie auch richterrechtliche Rechtssätze aus früheren Urteilen auslesen und anwenden. Hiervon zu unterscheiden ist allerdings die eigenständige Rechtsfortbildung durch die Software.141

135 Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 157–163; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 272–274. 136 Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 153–157. 137 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 276–278. 138 Vgl. noch unten, S. 46. 139 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 252–261; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 236–242 m.w.N. 140 Vgl. Hassemer, Rechtssystem und Kodifikation: Die Bindung des Richters an das Gesetz, in: Hassemer/Neumann/Saliger (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 227 (237); Wiedemann, NJW 2014, 2407 (2410) unter Verweis etwa auf die Verleihung der Rechtsfähigkeit an die BGB-Außengesellschaft durch BGH Urteil vom 29. Januar 2001, Az.: II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 697. 141 Vgl. noch unten, S. 44–47.

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b) Juristische Methodik Die Software müsste weiter zur Anwendung juristischer Methodik in der Lage sein. In der Methodenlehre wird regelmäßig zwischen Auslegung (aa) und Rechtsfortbildung (bb) unterschieden.142 Dabei handelt es sich jedoch letztlich um verschiedene Stufen desselben gedanklichen Verfahrens,143 sodass eine gemeinsame Übersetzung in Systemanforderungen (cc) möglich ist. aa) Auslegung Im Zusammenhang mit Rechtsanwendung ist häufig vom juristischen Syllogismus zu lesen.144 Bei diesem handelt es sich um den logischen Schluss aus einem Ober- und einem Untersatz zu einer Conclusio. Aus dem Obersatz „Alle Mörder werden mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft“ und dem Untersatz „A ist ein Mörder“ folgt nach den Gesetzen der formalen Logik zwingend die Conclusio „A wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft“.145 Nun wird bei der Feststellung des Sachverhalts jedoch ein Geschehensablauf festgestellt, eben ein Abbild der realen Welt, das sich selten als direkter Untersatz zu den gesetzlich festgeschriebenen Obersätzen eignet. Es ist deshalb zumeist eine weitere Umschreibung des vom Gesetz vorgegebenen Obersatzes notwendig. Für das vorstehende Beispiel konkretisiert § 211 Abs. 2 StGB: „Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.“.

Doch was genau ist „Habgier“? Was bedeutet „heimtückisch“? Solche Fragen zu beantworten, ist die Hauptarbeit juristischer Normanwendung. Der Obersatz muss stets im Hinblick auf den zu entscheidenden Sachverhalt (Untersatz) juristisch ausgelegt, das heißt konkretisiert werden.146 Im Rahmen der Auslegung wird zumeist zwischen den vier klassischen Kriterien Wortlaut, Historie, Systematik und Telos unterschieden.147 Diese stehen jedoch nicht gleichberechtigt nebeneinander. Vielmehr ist zu unterscheiden

142

Wiedemann, NJW 2014, 2407 (2407). Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 187; Wiedemann, NJW 2014, 2407 (2407). 144 Vgl. etwa Looschelders, Juristische Methodik im Prozeß der Rechtsanwendung, S. 89; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 271. 145 Vgl. Neumann, Juristische Logik, in: Hassemer/Neumann/Saliger (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 272 (272 f.); Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 271–277. 146 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 684. 147 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 141–159; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 702. 143

C. Konkretisierung der Systemanforderungen

45

zwischen dem eigentlichen Auslegungsziel, nämlich der Ermittlung und Verwirklichung des Normzwecks (Telos), und den Auslegungsmitteln, nämlich dem Wortlaut, der Systematik und der Historie.148 Ziel jeder Auslegung ist es, diejenige Deutungsalternative im Einzelfall zu finden, die den Normzweck bestmöglich verwirklicht.149 Was jedoch ist der Zweck einer Norm? Primäre Aufgabe des Rechts ist die Steuerung und Kontrolle menschlichen Verhaltens.150 Wird die Tötung eines Menschen unter Freiheitsstrafe gestellt, bezweckt dies, dass kein Mensch einen anderen tötet. Folglich beschreibt der Normzweck eine zu erreichende „Soll“-Welt,151 also ein funktionales Abbild der realen Welt.152 Der Normzweck stellt demnach ein abstraktes Konzept dar, welches seine Bedeutung dadurch erlangt, dass ihm konkrete, gewünschte Zustände in der realen Welt zugeordnet werden. Der Richter muss demzufolge feststellen, welche Deutungsvariante dem abstrakten Konzept im Einzelfall am ehesten entspricht. bb) Rechtsfortbildung Nicht alles was „Recht“ ist, findet seinen Ausdruck in Gesetzestexten, und gesetzliche Regelungen führen nicht in allen konkreten Einzelfällen zu „gerechten“ Ergebnissen.153 Das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner berühmten „Soraya“-Entscheidung dazu fest, dass „[…] sich Gesetz und Recht zwar faktisch im allgemeinen, aber nicht notwendig und immer decken“ und weiter, dass der Richter „[…] nach dem GG nicht darauf verwiesen [ist], gesetzgeberische Weisungen in den Grenzen des möglichen Wortsinns auf den Einzelfall anzuwenden. Eine solche Auffassung würde die grundsätzliche Lückenlosigkeit der positiven staatlichen Rechtsordnung voraussetzen, ein Zustand, der als prinzipielles Postulat der Rechtssicherheit vertretbar, aber praktisch unerreichbar ist. Richterliche Tätigkeit besteht nicht nur im Erkennen und Aussprechen von Entscheidungen des Gesetzgebers. Die Aufgabe der Rechtsprechung kann es insbesondere erfordern, Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent, aber

148

Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 725–727. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre, Rn. 719. 150 Looschelders, Juristische Methodik im Prozeß der Rechtsanwendung, S. 10–15; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 2; Hart/Baeyer, Der Begriff des Rechts, 63; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 11; vgl. auch Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess, S. 5 f. m.w.N. 151 Vgl. für eine Zusammenfassung der diesem Gedanken entsprechenden „MöglicheWelten“-Semantik Wang, Principles as Ideal Ought, in: Sieckmann (Hrsg.), Legal Reasoning (38–43); Kallmeyer, Ideales Sollen, S. 44–48 m.w.N. 152 Vgl. dazu oben, S. 35 f. 153 Vgl. instruktiv zur richterlichen Rechtsfortbildung Wiedemann, NJW 2014, 2407; Hassemer, Rechtssystem und Kodifikation: Die Bindung des Richters an das Gesetz, in: Hassemer/Neumann/Saliger (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 227 ff. 149

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt sind, in einem Akt des bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen, ans Licht zu bringen und in Entscheidungen zu realisieren. Der Richter muß sich dabei von Willkür freihalten; seine Entscheidung muß auf rationaler Argumentation beruhen. Es muß einsichtig gemacht werden können, daß das geschriebene Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem gerecht zu lösen, nicht erfüllt. Die richterliche Entscheidung schließt dann diese Lücke nach den Maßstäben der praktischen Vernunft und den ‚fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft‘ (BVerfGE 9, 338 [349] = AP Nr. 17 zu Art. 12 GG)“.154

Das Bundesverfassungsgericht geht also davon aus, dass Wertvorstellungen der verfassungsmäßigen Ordnung immanent sein können, ohne (vollständig) in Gesetzestexten zum Ausdruck zu gelangen. Dieser Überlegung folgend kann neben der (am Wortlaut orientierten) Auslegung im engeren Sinne auch zwischen der (an der Teleologie des Gesetzes orientierten) „gesetzesimmanenten“ Rechtsfortbildung und der (an den leitenden Prinzipien der Gesamtrechtsordnung orientierten) „gesetzesübersteigenden“ Rechtsfortbildung unterschieden werden.155 Letztlich handelt es sich bei der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung also um die Auflösung von Widersprüchen zwischen dem Gesetzestext und dem Gesetzeszweck und bei der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung um die Auflösung von Widersprüchen zwischen dem positiven Recht und übergeordneten Rechtsprinzipien. Als Beispiel für ein solches übergeordnetes Rechtsprinzip kann der „Vertrauensschutz“ im rechtsgeschäftlichen Verkehr genannt werden, aus dem sich die früher nicht gesetzlich geregelte culpa in contrahendo begründete.156 Auch bei übergeordneten Rechtsprinzipien handelt es sich um abstrakte Konzepte, da sich ihre Bedeutung erst dadurch erschließt, dass sie an verschiedenen Stellen gesetzlich zum Ausdruck kommen, sie insofern immer konkrete Bezugsobjekte benötigen. cc) Übersetzung in Systemanforderungen Nach alldem ist es erforderlich, dass die Software ein Verständnis für abstrakte Konzepte, ein „Konzeptverständnis“ entwickeln kann. Für die Auslegung im engeren Sinne ebenso wie für die gesetzesimmanente Rechtsfortbildung ist ein Verständnis des Normzwecks erforderlich. Erst auf Grundlage dieses Zweckverständnisses kann eine Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Auslegungsvariante oder eine gesetzesimmanente Lückenausfüllung erfolgen. Es handelt sich beim Normzweck um ein abstraktes Konzept, da sich seine Bedeutung erst aus der Zuordnung konkreter Zustände 154 BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973, Az.: 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269 = NJW 1973, 1221 (1225). 155 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 366. 156 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 247; weitere ausführliche Analysen bei Schmidt, Richterliche Rechtsfortbildung in Deutschland und der Schweiz, S. 102–204.

C. Konkretisierung der Systemanforderungen

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ergibt. Darüber hinaus müsste die Software auf ein Bild der unserem Rechtssystem zugrundeliegenden Werte und Rechtsprinzipien zurückgreifen können, die gewissermaßen den äußersten Rahmen rechtmäßiger Rechtsprechung darstellen. Diese Werte und Rechtsprinzipien stellen auch abstrakte Konzepte dar, da auch sie ihre Bedeutung nur dadurch erhalten, dass sie ihren Ausdruck in konkreten Bezugsobjekten finden. c) Subsumtion und Rechtsfolge Bei der eigentlichen Subsumtion handelt es sich schließlich um den letzten, rein deduktiven Schritt der Rechtsfindung.157 Er besteht darin, aus dem durch Auslegung konkretisierten Rechtssatz (Obersatz) und dem festgestellten Sachverhalt (Untersatz) die konkretisierte158 Rechtsfolge (Conclusio) abzuleiten.159 Die universelle Justizsoftware muss folglich aus dem festgestellten Sachverhalt und dem ausgelegten Recht die abstrakte Rechtsfolge ableiten, auf den Fall konkretisieren und aussprechen können. 3. Begründete Entscheidung Die in dieser Form ausgesprochene Rechtsfolge muss auch begründet werden.160 Die tragenden Erwägungen müssen also natürlichsprachlich dargestellt werden. Konkret muss das System darstellen können, welche Sachverhaltspunkte es als erwiesen ansieht und auf welche erhobenen Beweise es diese Entscheidung stützt. Gleiches gilt für die erfolgte Auslegung von Gesetzesbegriffen und die für notwendig erachtete Substantiierung des Tatsachenvorbringens. Mit anderen Worten muss der gesamte Rechtsfindungsvorgang transparent und nachvollziehbar ausgestaltet sein. 4. Streitbeilegung und Prozessleitung Wie bereits angesprochen hat der Richter auch eine vermittelnde Funktion und muss zur menschlichen Interaktion im Rahmen der Hauptverhandlung in der Lage sein.161 Die Software muss zur Erörterung des Sach- und Streitstandes mit den Parteien in der Lage sein, ihnen Fragen stellen können und im Rahmen von § 139 ZPO Hinweise erteilen. Darüber hinaus muss sie die verschiedenen Interessenslagen der Parteien verstehen können. Auf dieser Grundlage sollte die Software auch konkrete Vergleichsvorschläge generieren können. In technischer Hinsicht werden an dieser Stelle jedoch keine neuen Anforderungen aufgestellt. Soweit die Software zu natürlichsprachlicher Kommunikation und 157

Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 273. Dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 276 f. 159 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 271–277. 160 Vgl. oben, S. 29. 161 Vgl. oben, S. 30 f. 158

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

juristischer Wertung in der Lage ist, kann sie auch vermittelnde und prozessleitende Aufgaben bewältigen. III. Ergebnis Zusammenfassend ergeben sich drei grundlegende Systemanforderungen, auf die sich alle der angesprochenen Problemfelder zurückführen lassen: eine formal-logische Komponente, ein umfassendes Weltbild und ein Konzeptverständnis. 1. Die formal-logische Komponente Zur Darstellung der Verhältnisse von Rechtsnormen zueinander ist eine formal-logische Komponente notwendig. Das deutsche Rechtssystem folgt zumindest in seinen Grundzügen einem formal-logischen Aufbau.162 Dies gilt sowohl für das materielle Recht und Normenhierarchien wie auch für das formale Beweisrecht.163 Die Fähigkeit zur Darstellung dieses Regelsystems ist zwar keine hinreichende, jedenfalls aber eine notwendige Voraussetzung für die universelle Justizsoftware. Praktisch kommt der formal-logischen Komponente auch im Verfahrensablauf eine eigenständige Bedeutung zu, etwa beim Abgleich des gegenseitigen Parteivortrags im Wege der Relation.164 2. Das umfassende Weltbild Zentrale Herausforderung für eine universelle Justizsoftware ist das notwenige umfassende Bild der realen Welt. Erst wenn ein solches Weltbild „abgespeichert“ wurde, können natürlichsprachliche Aussagen in Form von akustischen oder symbolischen Eingangssignale oder auch visuelle Eindrücke in Relation zu diesem Weltbild interpretiert werden.165 Auf dieser Grundlage kann ein semantisches Verständnis natürlicher menschlicher Sprache entwickelt werden, das eine umfassende Kommunikation zwischen Mensch und Maschine ermöglicht. Neben objektiven Fakten zur Beschaffenheit der Welt und den Naturgesetzen müsste auch eine gesellschaftlich-soziale Komponente zur hinreichenden Beschreibung menschlicher Interaktion als Teil dieses Weltbildes enthalten sein.166 Auf dieser Grundlage können dann unterschiedliche Beschreibungen tatsächlicher Geschehensabläufe abgeglichen und in Einklang gebracht werden, um den entscheidungserheblichen Sachverhalt festzustellen. Auch die Konkretisierung des normierten Rechts auf den Einzelfall kann nur mithilfe

162

Vgl. oben, S. 39–42. Vgl. oben, S. 38–42. 164 Vgl. oben, S. 25 f. 165 Vgl. oben, S. 35 f. 166 Vgl. oben, S. 35 f. 163

D. Technische Möglichkeiten

49

eines solchen Referenzbildes erfolgen. Dies betrifft sowohl die Tatbestandsseite („Ist“-Welt), wie auch die Rechtsfolgenseite („Soll“-Welt) eines jeden Rechtssatzes.167 3. Das Konzeptverständnis Für die Auslegung und Rechtsfortbildung ist schließlich ein Konzeptverständnis erforderlich.168 Nur wenn der Normzweck, ein abstraktes Konzept, verstanden wurde, kann eine Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Auslegungsvariante oder eine gesetzesimmanente Lückenausfüllung erfolgen, und nur wenn die unserem Rechtssystem zugrundeliegenden Werte und Rechtsprinzipien, die ebenfalls abstrakte Konzepte sind, verstanden und abgespeichert wurden, kann eine Entscheidung im Einzelfall an ihnen überprüft werden.

D. Technische Möglichkeiten D. Technische Möglichkeiten

In den vorherigen Abschnitten wurden die wesentlichen Bestandteile richterlicher Arbeit beschrieben und zu einem Anforderungskatalog konkretisiert. Demzufolge muss eine universelle Justizsoftware zur formal-logischen Operation, zur Interpretation von Eingangssignalen in Relation zu einem umfassenden Weltbild und zum Verständnis abstrakter Konzepte in der Lage sein. Damit verbleibt die Frage, ob moderne Software diese Anforderungen erfüllen kann. Im folgenden Abschnitt wird ein Überblick über die theoretischen und praktischen Möglichkeiten der Informationstechnik gegeben. Hierzu werden zunächst die wesentlichen Grundlagen vermittelt (I). Anschließend werden die unter dem Begriff „künstliche Intelligenz“ bekannten Forschungsansätze und praktischen Erfolge vorgestellt (II). Auf dieser Grundlage kann im nächsten Abschnitt eine Auswertung erfolgen. I. Grundlagen 1. Informationen, Daten und Bits Informatik ist die Wissenschaft um die systematische Verarbeitung und Speicherung von Informationen.169 Information wird definiert als „Folge von zwingend wechselnden, physikalischen Signalen mit dem Charakter, uns über Eigenschaften realer Objekte ins Bild zu setzen.“170 Was ist damit gemeint? Eine Zeitung enthält beispielsweise Informationen, weil es einen Zusammenhang zwischen der Zeitung (genauer gesagt der Anordnung der Moleküle, aus denen 167

Vgl. oben, S. 39 f., 46 f. Vgl. oben, S. 44–47. 169 Fischer/Hofer, Lexikon der Informatik, S. 430. 170 Fischer/Hofer, Lexikon der Informatik, S. 431. 168

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

die Tinte des Textes besteht) und der realen Welt (beispielsweise den Wahlergebnissen der Bundestagswahl) gibt. Wären die Wahlergebnisse anders ausgefallen, würden sich auch die Tintenmoleküle in einer anderen Anordnung befinden. Informationen zeichnen sich also dadurch aus, dass aus dem Zustand eines Speichermediums auf den Zustand einer anderen Sache geschlossen werden kann.171 Die in dieser Form repräsentierten Informationen werden Daten genannt.172 Der Vorgang der „Interpretation“ von Daten – also die Informationsgewinnung aus Daten – wird auch Abstraktion genannt.173 Als Speichermedium für Informationen können neben dem menschlichen Gehirn beispielsweise Bücher, Plakate, CDs oder Festplatten fungieren. Einzige Voraussetzung ist, dass das Medium über einen gewissen Zeitraum in einem stabilen Zustand bleiben kann – zumindest so lange, bis die in Datenform gespeicherten Informationen gebraucht und abgerufen werden.174 Damit eine Information in Datenform gespeichert werden kann, ist es außerdem notwendig, dass das Speichermedium mindestens zwei verschiedene Zustände einnehmen kann. Wäre es dazu nicht in der Lage, könnte keine physikalische Veränderung herbeigeführt werden und es wäre zur Speicherung von Informationen – „zwingend wechselnden physikalischen Signalen“175 – ungeeignet. Die kleinstmögliche Einheit, in der Informationen gespeichert werden können, sind folglich zwei Zustände. Man spricht dabei von einem Bit.176 Das in der Praxis der elektronischen Datenverarbeitung übliche Herunterbrechen auf diese kleinstmögliche Informationseinheit hat technische Gründe. So werden die beiden möglichen Zustände (zumeist dargestellt als 1 und 0) technisch etwa durch elektrische Ladungen (1 = geladen, 0 = ungeladen), elektrische Spannungen (1 = 5 Volt, 0 = 0 Volt) oder Magnetisierungen (1 = magnetisiert, 0 = nicht magnetisiert) realisiert.177 Mit einem Bit lassen sich also zwei beliebige Informationen in Datenform speichern, beispielsweise „Ja“ und „Nein“ oder auch „Stift“ und „Papier“. Solange auf Interpretationsebene klar ist, welchem Zustand des Speichermediums welche Bedeutung zuzumessen ist, lassen sich (je zwei) beliebige Begriffe in Form eines Bits speichern.178 Sollen mehr als zwei Zustände dargestellt werden, ist mehr als ein Bit notwendig. Will man beispielsweise die vier Himmelsrichtungen Norden, Süden, Osten und Westen repräsentieren, sind zwei Bit notwendig. Jeder der vier Möglichkeiten kann dann genau ein Zustand der beiden Bit zugeordnet werden. 171

Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 7. Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 4. 173 Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 4. 174 Vgl. Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 49 f., 424. 175 Fischer/Hofer, Lexikon der Informatik, S. 431. 176 Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 319. 177 Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 5. 178 Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 5. 172

D. Technische Möglichkeiten

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Beispielsweise kann der Zustand 00 für Norden, 01 für Osten, 10 für Süden und 11 für Westen stehen. Möchte man eine noch genauere Himmelsrichtung mit acht – also doppelt so vielen – Möglichkeiten repräsentieren, verdoppelt sich die Anzahl der notwendigen Bits nicht. Es reichen vielmehr drei Bit: 000 für Norden, 001 für Nord-Osten, 010 für Osten, 011 für Süd-Osten, 100 für Süden, 101 für Süd-Westen, 110 für Westen und 111 für Nord-Westen. Mit jedem weiteren Bit verdoppelt sich also die Menge der möglichen Zustände und damit der speicherbaren Informationen. Die Anzahl der möglichen Zustände in Abhängigkeit von der Bit-Zahl lässt sich folglich mit 2X beschreiben, wobei X für die Anzahl der verfügbaren Bits steht.179 Die Möglichkeit zur Informationsspeicherung wächst somit exponentiell mit der Anzahl der zur Verfügung stehenden Bits. Da in modernen Rechnern die kleinste maschinenlesbare Speichereinheit aus acht Bit, einem sog. Byte, besteht, werden Speichergröße zumeist nicht in Bit angegeben, sondern als Vielfaches der Grundgröße Byte. Ein Byte enthält acht Bit und kann somit 28 = 256 verschiedene Zustände annehmen.180 Bekanntlich haben viele Dateien heute einen wesentlich größeren Umfang. Üblicher sind die Einheiten Kilobyte (1.000 Byte), Megabyte (1.000.000 Byte), Gigabyte (1.000.000.000 Byte) und so weiter.181 Ein Gigabyte kann folglich 256 Milliarden verschiedene Zustände annehmen und damit ebenso viele Informationen speichern. Festzuhalten bleibt die wichtige Erkenntnis, dass sich mit einer ausreichend großen Anzahl an verfügbaren Bits theoretisch eine beliebig große Anzahl von Informationen (über die reale Welt) speichern lässt. Die Abstraktion, also die Informationsgewinnung aus Daten, funktioniert allerdings nur solange die Daten auch richtig interpretiert werden.182 In vorstehendem Beispiel müsste also festgelegt sein, welche Himmelsrichtung welcher Bitfolge zuzuordnen ist. Solche Festlegung erfolgen in der Praxis insbesondere durch internationale Standards, wie den American Standard Code for Information Interchange (ASCII), der jedem Groß- und Kleinbuchstaben sowie einer Reihe von Sonderzeichen eine eindeutige Bitfolge zuweist.183 Beispielsweise entspricht die Folge „0110 0001“ dem Kleinbuchstaben „a“.184 2. Datenverarbeitung Die Speicherung von Informationen in Form von Daten ist jedoch nur der erste Schritt. Ein Computer muss darüber hinaus in der Lage sein, diese Daten auch

179

Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 6. Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 319. 181 Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 9. 182 Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 34. 183 Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 219 f. 184 Vgl. Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 320. 180

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

zu verarbeiten. Unter „Datenverarbeitung“ wird die Überführung eines Datenzustandes in einen anderen anhand einer eindeutigen Funktion, einem Algorithmus, verstanden.185 Diese Funktion muss eindeutig bzw. determiniert sein, sodass bei gleicher Eingabe (Input) auch stets dasselbe Ergebnis (Output) herauskommt.186 Ein Computerprogramm kann in diesem Sinne aufgefasst werden als Implementierung einer eindeutig definierten Funktion, die für einen bestimmten Input einen bestimmten Output berechnet.187 Ein Programm, das eine eingegebene Zahl verdoppelt, implementiert daher eine Funktion f und zwar f(x) = 2x. Ebenso implementiert auch ein Programm, das den besten Zug für eine gegebene Schachstellung berechnet, eine komplexe mathematisch-logische Funktion. Funktionen werden elektrotechnisch durch sogenannte „Logikgatter“, kurz „Gatter“ realisiert.188 Es handelt sich dabei um elektronische Schaltungen, die in Ausführung einer logischen Operation ein binäres Input-Signal zu einem binären Output-Signal verarbeiten.189 Das einfachste Beispiel ist eine Schaltung, die das Eingangssignal negiert, ein sog. „Inverter“.190 In Computern werden Gatter vor allem durch Transistoren realisiert.191 Stark vereinfacht handelt es sich bei einem Transistor um ein Halbleiter-Bauelement, an dessen Ausgang (meist: „Kollektor“) nur dann Strom fließt, wenn auch an beiden seiner Eingänge („Basis“ und „Emitter“) eine elektrische Spannung anliegt.192 Formalisiert lässt sich dieses Verhalten in eine sog. Wahrheitstabelle übertragen und ergibt (in dieser vereinfachten Betrachtung)193 ein „AND“-Gatter. Input 1 (Basis) 0 0 1 1

Input 2 (Emitter) 0 1 0 1

AND (Kollektor) 0 0 0 1

Tab. 2.3: Wahrheitstabelle AND-Gatter

185

Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 34 f.; Appelrath/Ludewig, Skriptum Informatik, S. 10. 186 Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 10. 187 Vgl. Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 16. 188 Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 419, 440. 189 Fischer/Hofer, Lexikon der Informatik, S. 356. 190 Fricke, Digitaltechnik, S. 15; Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 452. 191 Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 419–421. 192 Kemnitz, Technische Informatik, Band 1: Elektronik, S. 60–62. 193 Praktisch wird auch für solche einfachen Logikgatter mehr als ein Transistor benötigt, vgl. Göbel, Einführung in die Halbleiter-Schaltungstechnik, S. 326 f.

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D. Technische Möglichkeiten

Kombiniert man ein AND-Gatter und einen Inverter, erhält man ein NANDGatter. Dieses liefert den Output „0“, wenn beide Inputs „1“ sind und den Output „1“ in allen anderen Fällen.194 Input 1 0 0 1 1

Input 2 0 1 0 1

NAND 1 1 1 0

Tab. 2.4: Wahrheitstabelle NAND-Gatter

Mithilfe solcher Gatter lassen sich nun mathematische Berechnungen im binären Zahlensystem durchführen. Folgende Schaltung addiert beispielsweise zwei Bit mithilfe von NAND-Gattern:

Abb. 2.5: 1-Bit-Addierer mit NAND-Gattern

Je nachdem welche zwei Input-Zahlen (0 und 0, 0 und 1, 1 und 0 oder 1 und 1) gegeben sind, liefert der Schaltkreis in Abb. 5 am Ausgang („Übertrag“ und „Summe“) die Zahlen 0, 1 bzw. 2 in ihrer binären Darstellung 00, 01 bzw. 10. Durch geschicktes Schalten von Transistoren und weiteren elektrotechnischen Bauteilen lassen sich weitaus komplexere Gatter mit mehreren Inputs und Outputs konstruieren. Jede berechenbare mathematische Funktion lässt sich aber theoretisch allein durch Kombination von NAND-Gattern darstellen.195 3. Programmierung Wie gezeigt können Informationen als Daten repräsentiert und in binärer Form verarbeitet werden. Doch nicht nur die zu verarbeitenden Informationen, also 194 Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 326; Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 441. 195 Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 442; Das NAND-Gatter wird daher als „universelles Gatter“ bezeichnet, ebenso wie das NOR-Gatter, dessen Wahrheitstabelle der des NAND-Gatters mit invertierten In- und Output-Werten entspricht, vgl. Schildt/Klasek, Einführung in die Technische Informatik, S. 9.

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

der Input, sondern auch die Anweisung, wie der Input verarbeitet werden soll, also welche Gatter in welcher Reihenfolge durchlaufen werden sollen, kann in Binärform dargestellt werden. In Form des „Programms“ wird neben dem zu verarbeitenden Input also auch der gewünschte Verarbeitungsprozess gespeichert.196 Erst die hierdurch eröffnete Möglichkeit verschiedene Gatter beliebig neu zu kombinieren entfaltet das wahre Potenzial von Informationstechnik. Wie eine programmierbare Schaltung realisiert werden kann, sei am Beispiel einer programmable logic array (PLA) illustriert. Diese besteht aus einer Fläche mit logischen AND-Verknüpfungen und einer Fläche mit logischen ORVerknüpfungen sowie einer beliebigen Anzahl an Ein- und Ausgängen.197 Zu jedem Eingangssignal gibt es zusätzlich eine Spur für das invertierte Signal. AND-Gatter geben ein Signal nur dann aus, wenn an all ihren Eingängen ein Signal anliegt und OR-Gatter nur, wenn an (mindestens) einem ihrer Eingänge ein Signal anliegt.198 Die Kreuzungen auf den AND- und OR-Flächen sind indexiert und einzeln „schaltbar“, sodass sie elektrischen Strom entweder leiten oder nicht leiten.199 Dies kann beispielsweise durch einen Transistor geschehen, der die Kreuzung nur dann „aktiviert“, wenn an ihm ein Steuerstrom anliegt.200 In der nachfolgenden Graphiken mit drei Input-Signalen A, B und C sowie zwei Output-Signalen F1 und F2 sind die Kreuzungspunkte der ANDFläche mit X1 bis X24 und die der OR-Fläche mit Y1–Y8 indexiert. Ein ausgefüllter Punkt bedeutet, dass die entsprechende Kreuzung aktiviert ist, also Strom leitet.

196

Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 34. Maini, Digital Electronics, S. 299 f. 198 Fricke, Digitaltechnik, S. 17. 199 Maini, Digital Electronics, S. 299 f. 200 Vgl. oben, S. 52. 197

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D. Technische Möglichkeiten

Abb. 2.6: Schematische Darstellung einer PLA

Zur Veranschaulichung stelle man sich ein Programm vor, das die botanischen Verhältnisse in einem Blumengarten prüft und durch eine PLA realisiert wird. An der PLA gibt es drei Eingangssignale A, B und C und zwei Ausgänge. Eingang A prüft, ob die Sonne scheint (1) oder nicht (0), Eingang B prüft, ob es regnet (1) oder nicht (0) und Eingang C prüft, ob die Blumen gegossen wurden (1) oder nicht (0). Es soll nun am Ausgang F1 erkennbar werden, ob die Blumen wachsen und an Ausgang F2 ob es einen Regenbogen am Himmel zu sehen gibt. Bekanntlich wächst eine Blume, wenn sie ausreichend Sonne und Wasser bekommt und ein Regenbogen entsteht, wenn es gleichzeitig regnet und die Sonne scheint. Die Funktionen F1 und F2 werden also durch folgende Wahrheitstabelle beschrieben: A 0 0 0 0 1 1 1 1

B 0 0 1 1 0 0 1 1

C 0 1 0 1 0 1 0 1

F1 0 0 0 0 0 1 1 1

Tab. 2.7: Wahrheitstabelle der Beispielfunktionen F1 und F2

F2 0 0 0 0 0 0 1 1

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

An der Tabelle lässt sich ablesen, dass F1 genau dann ein Signal liefert, wenn an A (Sonne) und B (Regen) oder wenn an A (Sonne) und C (Gießen) ein Signal anliegt. F2 liefert genau dann ein Signal, wenn an A (Sonne) und B (Regen) ein Signal anliegt. Die Funktion F1 errechnet also für eine beliebige Kombination der Eingangssignale, ob die Blumen wachsen, die Funktion F2, ob es einen Regenbogen gibt. Nun müssen die Funktionen auf der PLA, dem programmierbaren Gitter, realisiert werden. Dies geschieht durch Schalten der entsprechenden Kreuzungspunkte, beispielsweise mithilfe von Transistoren. Durch Schalten der Punkte X1, X3, Y1 und X7, X11, Y3 wird die Funktion F1 realisiert. Durch Schaltung von X13, X15, Y6 wird F2 realisiert. Je nachdem welche Eingangssignale an A, B und C anliegen („Scheint die Sonne?“, „Regnet es?“ und „Wurden die Blumen gegossen?“), lässt sich nun an F1 ablesen, ob die Blumen wachsen (F1 = 1) oder nicht (F1 = 0) und an F2, ob es einen Regenbogen gibt (F2 = 1) oder nicht (F2 = 0).

Abb. 2.8: PLA Schaltung 1

Man kann nun die Kreuzungen (X1 bis Y8) als Bitfolge begreifen, bei der eine 1 für „aktiviert“ und eine 0 für „nicht aktiviert“ steht. Damit lässt sich das vorgestellt Programm durch folgenden Binärcode eindeutig darstellen: 1010 0010 0010 1010 0000 0000 1010 0100

D. Technische Möglichkeiten

57

Es steht dabei die erste Stelle des Codes für die Kreuzung X1, die zweite für X2 und so weiter, bis zur letzten Stelle des Codes, die für Y8 steht. Möchte man nun das Programm dahingehend ändern, dass F1 anzeigt, ob die Blumen welken („Die Sonne scheint nicht oder die Blumen haben kein Wasser“), so kann die PLA durch das Schalten anderer Kreuzungspunkt neu programmiert werden. Anstatt „[A und B] oder [A und C]“ muss F1 nun „[nicht A] oder [nicht B und nicht C]“ also „[keine Sonne] oder [kein Regen und kein Gießen]“ darstellen. Dies wird durch Schalten der entsprechenden Kreuzungspunkte hinter den invertierten Input-Signalen erreicht.

Abb. 2.9: PLA Schaltung 2

Der neue Programmcode lautet nun also: 0100 0000 0101 1010 0000 0000 1010 0100. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass nicht nur die von einem Computer zu verarbeitenden Informationen, sondern auch die Art und Weise der Verarbeitung, das Programm, in binärer Form gespeichert werden kann.

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

Heutzutage können Milliarden von Transistoren auf kleinster Fläche verbaut werden.201 Hierdurch wird nicht nur eine enorme Speicherkapazität, sondern eben auch eine immer größere Rechenleistung ermöglicht.202 Natürlich sind die Programme, die alltäglich auf PCs ausgeführt werden weitaus komplexer als obiges Beispielprogramm und werden nicht mit PLAs realisiert. Dennoch arbeiten alle Computer auf Grundlage der vorstehend erläuterten Prinzipien. Beim Hochfahren eines PCs wird beispielsweise zunächst eine fest gespeicherte Basissoftware geladen, welche nach und nach die restlichen HardwareKomponenten und das Betriebssystem initialisiert, bis schließlich die Benutzer-Anwendungsprogramme gestartet werden können.203 Es wird auf diese Weise sukzessive ein immer höheres Level aufgebaut, bis schließlich die dem Laien bekannte Benutzeroberfläche erreicht ist.204 Umgekehrt wird jeder „Input“ des Benutzers heruntergebrochen in Bits, welche mithilfe von Logikgattern verarbeitet werden können. Das Ergebnis wird von der Hardware wiederum so interpretiert, dass schließlich der gewünschten Output auf der Benutzeroberfläche erzeugt wird.205 Beim Drücken der Taste „a“ auf der Tastatur beispielsweise wird demnach eine bestimmte Binärfolge erzeugt, welche – nach Durchlaufen der entsprechenden Schaltkreise – ein Signal an den Bildschirm sendet, durch das die Pixel dort so neu angeordnet werden, dass ein „a“ zu lesen ist. Dieses „Stufenprinzip“ kommt auch beim eigentlichen Programmieren zur Anwendung. Die Anweisungen im Programmcode (z.B. Belegung einer Variablen, Durchführung von Rechenoperationen etc.) werden durch speziell für die spezifische Hardware geschriebene Programme, sog. Compiler, in die vom Prozessor verarbeitbare binäre Form gebracht.206 Durch höhere Programmiersprachen wird ein höheres Abstraktionslevel und damit eine höhere Effizienz bei der Programmierung erreicht.207 Der Programmierer muss sich nicht mehr damit beschäftigen, durch welche logischen Schaltkreise zwei Zahlen miteinander addiert werden können, sondern tippt einfach die hierzu „eingebaute“ Funktion ein.208 Je höher die Programmiersprache ist, desto komplexer und für

201

Nach dem Mooreschen Gesetz verdoppelt sich die Anzahl der Transistoren pro Flächeneinheit, die sog. Integrationsdichte, seit 1965 alle 12–24 Monate, vgl. Häberlein, Technische Informatik, S. 2 f. 202 Häberlein, Technische Informatik, S. 4. 203 Vgl. Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 62–70. 204 Bühler/Schlaich/Sinner, Informationstechnik, S. 48; Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 59 f. 205 Vgl. Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 58–60. 206 Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 335 f. 207 Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 309. 208 Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 59.

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den Menschen intuitiver sind die eingebauten bzw. vorprogrammierten Funktionen.209 Die Hauptaufgabe des Programmierers besteht demnach in der Modellierung des zu lösenden Problems durch die (begrenzte) Anzahl der ihm von der Programmiersprache zur Verfügung gestellten Befehle. 4. Zusammenfassung und Zwischenauswertung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass jede Information binär als Folge von Nullen und Einsen kodiert werden kann. Die einheitliche Interpretation dieser Daten kann durch internationale Standards sichergestellt werden. Datenverarbeitung bedeutet die Veränderung gegebener Daten anhand einer eindeutigen Funktion. Jede berechenbare Funktion kann durch Kombination von NAND- oder NOR-Gattern elektrotechnisch realisiert werden. Neben den zu verarbeitenden Informationen können auch die anzuwendenden Algorithmen (Programme) in Binärform gespeichert werden, sodass eine (reversible) Programmierung ermöglicht wird. Die Aufgabe des Programmierers ist demnach die Modellierung eines gegebenen Problems aus der realen Welt in maschinenverständlicher Form. Es wurden im vorherigen Kapitel drei zentrale Systemanforderungen für eine universelle Justizsoftware definiert: die formal-logische Komponente, das umfassende Weltbild und das Konzeptverständnis.210 Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass Computer ihrem grundlegenden Aufbau nach auf die Vornahme mathematischer und logischer Operationen ausgelegt sind. Formale Zusammenhänge, wie beispielsweise das „Wenn-Dann“-Schema eines vollständigen Rechtssatzes, können demnach von einer Software dargestellt werden. Die erste der drei zentralen Systemanforderung ist damit erfüllbar. Es wurde auch gezeigt, dass mit ausreichender Speicherkapazität eine beliebige Anzahl von Informationen – und damit theoretisch das gesamte Weltwissen, das ein einzelner menschlicher Richter im Laufe seines Lebens gesammelt hat – gespeichert werden kann. Da hierfür jeder denkbaren Information eine eindeutige binäre Codierung zugewiesen werden müsste, wäre der Umfang dieser Aufgabe mit den bisher erörterten Mitteln jedoch unermesslich hoch. Die Repräsentation eines umfassenden Weltbildes ist mit den Mitteln der expliziten Programmierung also zumindest praktisch nicht möglich und die zweite zentrale Systemanforderung nicht erfüllbar. Wie in einer Software ein zur Anwendung juristischer Methodik notwendiges Konzeptverständnis entstehen soll, ist nach den bisherigen Erkenntnissen nicht ersichtlich und auch die dritte zentrale Systemanforderung somit nicht erfüllbar.

209

Gumm/Sommer, Einführung in die Informatik, S. 82; Müller/Weichert, Vorkurs Informatik, S. 310. 210 Vgl. oben, S. 48 f.

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

II. Künstliche Intelligenz Es wurde gezeigt, dass mit den klassischen Mitteln der Programmierung eine Speicherung jeder denkbaren Information möglich ist. Ebenso wurde besprochen, wie die Verarbeitung gespeicherter Daten funktioniert: Abstrakt gesehen wird eine Input-Datenmenge (im vorherigen Beispiel A, B und C) anhand einer Funktion f, dem Programm (im vorherigen Beispiel der Programmcode), in eine Output-Datenmenge (im vorherigen Beispiel F1 und F2) überführt. Die Schwierigkeit besteht darin, die Funktion so zu definieren, dass für einen beliebigen Input-Wert stets der gewünschte Output-Wert ausgegeben wird. Für einfache Aufgaben wie die Addition zweier Zahlen, ist dies relativ leicht möglich. Schwieriger wird es, wenn mehrere Parameter zu beachten sind, etwa bei der Erstellung eines Schachprogramms. Darüber hinaus lassen sich bestimmte Funktionen, wie beispielsweise die menschliche Fähigkeit der visuellen Erkennung eines Gegenstandes, nicht im Detail formal-logisch beschreiben. Im Hinblick auf die oben definierten Systemanforderungen stellt sich insbesondere die Frage, wie genau der Abgleich eines Dateneingangs (z.B. des schriftlichen Sachvortrags einer Partei) mit einem abgespeicherten umfassenden Weltbild erfolgen könnte. Es bleibt also festzuhalten, dass eine explizite Programmierung von Vorgängen ab einem gewissen Grad an Komplexität nicht mehr praktisch möglich ist.211 Für solche Fälle wäre ein Programm zur Approximation der gewünschten Funktion hilfreich. Genau dieses Ziel wird beim maschinellen Lernen (1) verfolgt. Mithilfe künstlicher neuronaler Netzwerke (2) und anderer, dem Bereich „künstlicher Intelligenz“212 zugeordneter Methoden, wurden in den letzten Jahren Fortschritte in verschiedensten Bereichen erzielt (3). Im Folgenden soll deshalb untersucht werden, ob die oben definierten Systemanforderungen der Speicherung eines umfassenden Weltbildes und des Verständnisses abstrakter Konzepte mithilfe von künstlich intelligenten Algorithmen erfüllt werden können. 1. Maschinelles Lernen Bisher besprochene Computerprogramme folgen expliziten Anweisungen, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Maschinelles Lernen verfolgt einen anderen Ansatz. Die Grundidee soll zunächst an einem Beispiel vorgestellt werden.

211

Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 481 f. Es gibt keine einheitlich anerkannte Definition für den generischen Begriff „Künstliche Intelligenz“, vgl. Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 1–5. Zur Beantwortung der Forschungsfrage ist eine theoretische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Begriffsdefinition von Intelligenz aber weder erforderlich noch hilfreich. Für eine Übersicht gängiger Definitionen vgl. Legg/Hutter, A Collection of Definitions of Intelligence, in: Goertzel/Wang (Hrsg.), Advances in artificial general intelligence, S. 17. 212

D. Technische Möglichkeiten

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Angenommen in einem Raum befinden sich eine Kiste und ein Roboter, der sich in alle vier Himmelsrichtungen bewegen kann. Damit sich der Roboter zu der Kiste hinbewegt, müsste ihm nach dem bisher Besprochenen die hierzu erforderliche Anzahl von Schritten in jede Richtung explizit vorgegeben werden. Diese Lösung ist aufwändig und nicht generell. Stünden der Roboter oder die Kiste an einer anderen Stelle im Raum, müssten die Anweisungen entsprechend angepasst werden. Das Ziel kann jedoch auch auf eine andere Weise erreicht werden. Man betrachte dazu die folgenden vier Anweisungen: 1. Miss den Abstand zu der Kiste. 2. Schau, wie sich dieser Abstand bei einer Bewegung nach links, rechts, vorne oder hinten jeweils verändern würde. 3. Führe diejenige Bewegung aus, bei der sich der Abstand am meisten verringert. 4. Wiederhole die Anweisungen 1 bis 3 so lange, bis der Abstand zu der Kiste gleich Null ist. Unabhängig von der konkreten Ausgangsposition erreicht der Roboter sein Ziel bei Befolgung dieser Anweisungen immer. Wo liegt hier der Unterschied zur expliziten Anweisung? Anstatt den kompletten Lösungsweg vorzugeben, wurde eine Größe definiert, anhand der zu erkennen ist, wie weit der Roboter vom Ziel entfernt ist. Diese Größe, der Abstand zur Kiste, wird durch zufälliges Ausprobieren so lange verringert, bis das Ziel erreicht ist. Der Vorteil dieses Vorgehens liegt darin, dass das Ziel mit denselben vier Anweisung immer erreicht wird.213 Dieses Prinzip der Fehlerminimierung lässt sich auch auf Programme übertragen. Wie bereits erwähnt handelt es sich bei jeder Datenverarbeitung um die Überführung von Input-Daten zu Output-Daten anhand einer Funktion. Dieses Verständnis ist unabhängig von Art und Inhalt der jeweiligen Daten. Ein Programm, das zwei Zahlen als Input nimmt und als Output deren Summe ausgibt, implementiert ebenso eine Funktion, wie ein Programm, das auf einer Bilddatei (Input) Personen erkennt und deren Namen auf dem Monitor anzeigt (Output). Der Unterschied liegt darin, dass die erste Funktion relativ leicht verständlich und deshalb zu modellieren ist,214 die andere hingegen nicht. Deshalb muss die zweite Funktion „erlernt“ werden. Dies geschieht anhand von Trainingsdaten, bei denen der gewünschte Output zu einem bestimmten Input bereits feststeht.215 Eine Hypothese h als „Ausgangsprogramm“ wird dann verändert, um sich der unbekannten aber gesuchten Funktion f anzunähern.216 Es wird dabei 213

Vgl. Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 693. Vgl. oben, S. 22, 59. 215 Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 695–697. 216 Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 713–715. 214

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

laufend überprüft, wie weit der jeweilige Output h(Input) vom gewünschten Ergebnis entfernt ist.217 Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, eine Generalisierung anhand der Trainingsdaten zu erreichen.218 Es hilft nicht, wenn das Programm am Ende die Trainingsdaten zu hundert Prozent richtig löst, aber bei gleichartigen unbekannten Daten keine brauchbaren Ergebnisse liefert.219 Insofern ist es erforderlich, bei der Auswahl der Hypothese so viele Freiheitsgrade als „Stellschrauben“ einzubeziehen, dass adäquate Ergebnisse erzielt werden können, aber nicht so viele, dass die Trainingsdaten nur „auswendig gelernt“ werden und keine Generalisierung erfolgt.220 2. Künstliche neuronale Netzwerke Maschinelles Lernen kann mithilfe von sogenannten künstlichen neuronalen Netzwerken erreicht werden.221 Diese verdanken ihren Namen ihrer funktionalen Ähnlichkeit zu den Neuronen im menschlichen Gehirn.222 Es handelt sich bei einem künstlichen neuronalen Netzwerk zunächst einmal nur um ein mathematisches Modell. Die Implementierung erfolgt in der Praxis fast ausschließlich durch softwareseitige Simulation, also durch Programmierung dieses mathematischen Modells auf einem Computer.223 a) Aufbau Ein „klassisches“ künstliches neuronales Netzwerk besteht aus einer InputSchicht, einer oder mehreren verborgenen Schichten und einer OutputSchicht.224

217

Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 710–712. Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 696, 705–706. 219 Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 705 f. 220 Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 705 f. 221 Einführend Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 727–737. 222 Kruse et al., Computational Intelligence, S. 9–11; Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz, S. 266–271. 223 Sharbati et al., Advanced materials 2018, 1802353; Merolla et al., Science 2014, 668. 224 Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 729; Es wird im Folgenden nur die typische Form eines mehrschichtigen Perzeptrons (multilayer perceptron, MLP) besprochen, vgl. hierzu ausführlich Kruse et al., Computational Intelligence, S. 43–78. 218

D. Technische Möglichkeiten

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Abb. 2.10: Aufbau eines künstlichen neuronalen Netzwerks

Die Anzahl der Neuronen auf der Input-Schicht ist abhängig von dem zu verarbeitenden Daten-Input.225 Die Anzahl der Neuronen auf der Output-Schicht ist abhängig von dem gewünschten Ergebnis.226 Soll beispielsweise eine handgeschriebene Ziffer zwischen 0 und 9 erkannt werden, sind insgesamt zehn Output Neuronen notwendig, wobei jedes Neuron eines der möglichen Ergebnisse repräsentiert. Wenn die zu analysierende Bilddatei der handgeschriebenen Ziffer eine Größe von 28 mal 28 Pixel hat, sind dementsprechend 784 Neuronen auf der Input-Ebene notwendig. Die Entscheidung darüber, wie viele verborgene Schichten es gibt und wie viele Neuronen diese jeweils haben, erfolgt bei der Erstellung des Netzwerkes grundsätzlich frei.227 Alle Neuronen können einen Wert zwischen 0 und 1 annehmen, also beispielsweise 0,813527.228 Der Wert der Neuronen auf der Input-Schicht bestimmt sich nach dem jeweiligen Eingangssignal.229 Der Wert aller übrigen Neuronen besteht in der „aktivierten Summe der gewichteten Eingangswerte inklusive eines Bias“.230 Was ist hierunter zu verstehen?

225 Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 735; Walde, Design Künstlicher Neuronaler Netze, S. 10. 226 Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 729; Walde, Design Künstlicher Neuronaler Netze, S. 15. 227 Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 735. 228 Grund hierfür ist die üblicherweise gewählte logistische (sigmoide) Aktivierungsfunktion, vgl. Kruse et al., Computational Intelligence, S. 44, dazu sogleich. 229 Walde, Design Künstlicher Neuronaler Netze, S. 10. 230 Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 728.

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

Die einzelnen Neuronen sind miteinander „verbunden“, das heißt der Wert eines Neurons hat Einfluss auf den Wert eines anderen.231 Man betrachte hierfür ein einzelnes Neuron der verborgenen Schicht. Dieses hat verschiedene Eingangsneuronen E1 bis Ek. Welche und wie viele Neuronen das sind, hängt von der konkreten Architektur des neuronalen Netzes ab.232 Jedem dieser Eingangswerte ist eine Gewichtung w1 bis wk zugeordnet. Zusätzlich gibt es jeweils einen Bias B. Sowohl die Gewichtungsfaktoren der Eingangswerte w1 bis wk als auch der Bias haben einen variablen Wert, der verändert werden kann. Die gewichteten Eingangswerte werden zusammen mit dem Bias aufaddiert.233

Abb. 2.11: Berechnung eines einzelnen Neurons

Angenommen ein bestimmtes Neuron hat die zwei Eingangsneuronen E1 und E2. Man nehme weiter an, E1 habe den Wert 0,2 mit einem Gewichtungsfaktor w1 von 45 und E2 den Wert 0,6 mit einem Gewichtungsfaktor w2 von 5. Zusätzlich hat das Neuron einen Bias B in Höhe von –40. Die Summe v ergibt sich dann aus der Gleichung (1)

=

(E1 × w1) + (E2 × w2) + B

(2)

=

(0,2 × 45) + (0,6 × 5) + (–40)

(3)

=

–28

231

v

Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 728. Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 728. 233 Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 728. 232

D. Technische Möglichkeiten

65

Offensichtlich liegt dieser Wert nicht zwischen 0 und 1 und ist zudem negativ. In dem beschriebenen Modell soll ein Neuron jedoch nur Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Deshalb wird eine sogenannte Aktivierungsfunktion angewendet, in der Regel die Sigmoidfunktion.234

Abb. 2.12: Sigmoidfunktion

Jeder beliebigen Zahl wird durch diese Funktion ein genauer Wert zwischen 0 und 1 zugeordnet, wobei negative Zahlen einen Wert kleiner 0,5 und positive Zahlen einen Wert größer 0,5 haben. Im vorliegenden Beispiel würde das Ergebnis 1 (1) f (–28) = 1 + e28 (2) = 0,000000000000691440011 lauten. Dies wäre der Wert, den das untersuchte Neuron annehmen und wiederum als Eingangssignal an andere Neuronen weitergeben würde. Zusammenfassend besteht ein einfaches künstliches neuronales Netzwerk aus mehreren Schichten mit Neuronen, die jeweils einen Wert zwischen 0 und 1 annehmen können. Der Wert eines Neurons berechnet sich aus den gewichteten Eingangssignalen anderer Neuronen sowie einem Bias. Die Anzahl der Neuronen auf der Input- und Output-Schicht wird durch die zu verarbeitenden Daten und die gewünschte Form des Ergebnisses bestimmt. Die Topologie des Netzwerkes – das heißt die Anzahl der Schichten und jeweiligen Neuronen sowie die Verbindungen zwischen diesen – ist zwar grundsätzlich frei, nachträglich jedoch zumindest in „klassischen“ künstlichen neuronalen Netzen 234

Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 729.

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

nicht veränderbar.235 Die jeder einzelner Verbindung zugeordnete Gewichtung w sowie der Bias B eines jeden Neurons sind variabel und können verändert werden. Diese variablen Werte sind die „Stellschrauben“, durch die das maschinelle Lernen erfolgt.236 Das genaue Wirkprinzip wird im folgenden Abschnitt am Beispiel der Bilderkennung erläutert. b) Beispiel Zur Veranschaulichung mag nochmals das Beispiel der Erkennung einer handschriftlich geschriebenen Ziffer zwischen 0 und 9 dienen.237 Eine explizite Programmierung der hierfür erforderlichen Schritte ist nicht möglich, da unbekannt ist, durch welche mathematische Funktion f sich der für den Menschen intuitive Vorgang des Erkennens einer Zahl beschreiben ließe. Stattdessen soll nun eine Annäherung an die gesuchte Funktion durch maschinelles Lernen anhand eines Trainingsdatensatzes erfolgen. Der Datensatz besteht aus einer Sammlung handgeschriebener Ziffern, bei denen das Ergebnis („Welche Ziffer wird hier dargestellt?“) jeweils bekannt und der Bilddatei zugeordnet ist.238 Die Schriftaufzeichnungen liegen in Form eines Schwarz-Weiß-Scans mit einer Auflösung von 28 mal 28 Pixeln vor. Auf der Input-Ebene sind dementsprechend 784 Neuronen notwendig, wobei jedem Neuron genau eine Pixelposition zugeordnet wird.239 In Abhängigkeit von dem konkreten Schriftzug sind die jeweiligen Pixel entweder hell (keine Tinte), dunkel (Tinte) oder grau (wenig Tinte) gefärbt. Für jedes Bild kann jedem Pixel also eine Graustufe zugeordnet werden, die sich auf einer Skala von 0 (weiß) bis 1 (schwarz) ausdrücken lässt.240

235

Vgl. zu sog. evolutionären neuronalen Netzwerken unten, S. 79. Vgl. nochmals oben, S. 60–62. 237 Es handelt sich bei hierbei um ein klassisches Problem, das häufig als Maßstab zur Bewertung verschiedener Ansätze im Bereich maschinellen Lernens herangezogen wird, vgl. Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 753 f.; zur Bedeutung von Mustererkennung und künstlicher Intelligenz für die digitale Bildverarbeitung und -analyse Nischwitz et al., Computergrafik und Bildverarbeitung, S. 2 f.; Steinmüller, Bildanalyse, S. 3 f. 238 Entsprechende Trainingsdatensätze sind im Internet häufig kostenlos verfügbar. Ein bekanntes Beispiel ist das vom US-amerikanischen National Institute of Standards and Technology bereitgestellte EMNIST-Dataset, das unter Anderem 280.000 klassifizierte handschriftliche Ziffern in einer Auflösung von 28x28 Pixeln enthält, Cohen et al., EMNIST, in: 2017 International Joint Conference on Neural Networks (IJCNN), S. 2921. 239 Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 754. 240 In der EMNIST Datenbank wird der Grauwert auf einer 8-Bit-Skala angegeben, sodass es 256 verschiedene Grauwerte gibt, Cohen et al., EMNIST, in: 2017 International Joint Conference on Neural Networks (IJCNN), S. 2921. 236

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Abb. 2.13: Handschriftliche Zahl

Da das Netzwerk erkennen soll, welche der Ziffern von 0 bis 9 geschrieben wurde, sind auf der Output-Ebene insgesamt zehn Neuronen (für die zehn Antwortmöglichkeiten) notwendig.241 Die Anzahl der verborgenen Schichten sei – zum Zwecke des Beispiels willkürlich – auf zwei festgelegt, wobei jede verborgene Schicht 16 Neuronen beinhalte. Zusätzlich werden die Verbindungen so gewählt, dass jedes Neuron ein Eingangssignal von allen Neuronen der jeweils genau vorgelagerten Ebene erhält. Die Gewichtungen der einzelnen Verbindungen sowie die Bias werden zunächst willkürlich festgesetzt.

Abb. 2.14: Einfaches künstliches neuronales Netzwerk

241

Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 754.

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

Nun kann das Training anhand der verfügbaren Trainingsdaten beginnen. Dieser Vorgang läuft vereinfacht wie folgt ab.242 Zunächst wird eine Bilddatei aus dem Trainingsset auf die Input-Ebene gelegt. Die Eingangsneuronen nehmen also den Wert der Graustufe „ihres“ jeweiligen Pixels aus der Bilddatei an. Sodann werden die Werte der Neuronen der ersten verborgenen Schicht auf die im vorherigen Abschnitt beschriebene Weise berechnet. Das gleiche geschieht mit der zweiten verborgenen Schicht und schließlich mit der Output-Schicht. Die zehn Output-Neuronen haben nun alle einen Wert zwischen 0 und 1. Dieser Wert wird als die Wahrscheinlichkeit interpretiert, dass es sich bei der handschriftlichen Ziffer um eine [0, 1, 2, …, 9] handelt. Nimmt beispielsweise das achte Output-Neuron einen hohen Wert an (bspw. 0,9721), erkennt das Netzwerk in dem konkreten Input (der konkret untersuchten handschriftlichen Zahl) eine 8 mit ungefähr 97 prozentiger Sicherheit. Da die Gewichtungen an den Verbindungen und den verschiedenen Bias zunächst willkürlich gesetzt wurden, stimmen die ausgegebenen Wahrscheinlichkeiten anfangs noch nicht. Allerdings liegt für die Trainingsdaten bereits die „richtige“ Klassifizierung vor. Wenn beispielsweise eine handgeschriebene 8 als Input vorliegt, so ist das gewollte Ergebnis, dass die Output-Neuronen 0 bis 7 und 9 jeweils den Wert „0“ annehmen und das achte Output-Neuron den Wert „1“. Es kann nun für jedes Output-Neuron überprüft werden, wie weit der tatsächlich ausgegebene Wert von dem gewünschten Ergebniswert entfernt ist. Damit ist bekannt, wie weit das Ziel noch entfernt ist. Es wurde also der „Fehler“ gefunden, den es zu minimieren gilt.243 Dies geschieht durch Veränderung der variablen Werte, also der Gewichtungen und der Bias.244 Die zur Erreichung des Ziels notwendigen Veränderungen erfolgen dabei nicht willkürlich, sondern können nun errechnet werden.245 Man betrachte dazu beispielhaft ein Neuron mit den Eingangsneuronen E1 = 0,0001 und E2 = 0,9 sowie den dazugehörigen Gewichtungsfaktoren w1 = 300 und w2 = 0,3. Der Bias B liegt bei 0 und bleibt zur Vereinfachung außer Betracht.

242

Vgl. ausführlich zur Funktionsweise von MLP Kruse et al., Computational Intelligence, S. 43–78. 243 Vgl. oben, S. 60–62. 244 Kruse et al., Computational Intelligence, S. 58 f. 245 Vgl. ausführlich Kruse et al., Computational Intelligence, S. 58–68.

D. Technische Möglichkeiten

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Abb. 2.15: Beispielhafte Berechnung

Wie beschrieben erfolgt die Anpassung des Netzwerkes über eine Veränderung der Variablen, also der Gewichtungsfaktoren (und des Bias). Dabei wird deutlich, dass im vorliegenden Beispiel eine Veränderung von w2 einen viel größeren Einfluss auf den Wert des untersuchten Neurons hat als eine Veränderung von w1. Eine Anpassung von w2 ist daher „wünschenswerter“. Je nachdem, wie sich der Wert des Neurons verändern soll, wäre es zusätzlich hilfreich, wenn sich die Werte von E1 und E2 erhöhen oder verringern. Die Werte der Neuronen E1 und E2 können jedoch nicht beliebig verändert werden, die Veränderung kann nur indirekt durch Anpassung der Variablen auf der wiederum vorgelagerten Ebene erreicht werden. Es kommt somit zu einer Rückberechnung entlang der Verbindungslinien, die Backpropagation bzw. Fehler-Rückpropagation genannt wird.246 Aufgrund der Vielzahl der Neuronen kommt es dabei regelmäßig zu widersprüchlichen „Veränderungswünschen“ auf der jeweils vorgelagerten Ebene. Es müssen deshalb Durchschnittswerte gebildet werden. Durch eine entsprechende Anzahl an Trainingsläufen mit einer Vielzahl verschiedener Trainingsdaten werden die Variablen im neuronalen Netz anhand dieser Durchschnittswerte sukzessive verfeinert.247 Auf diese Weise erfolgt die Generalisierung über den Trainingsdaten – es werden Muster erkannt. Wie hat man sich diese Muster vorzustellen? Im Beispiel der Bilderkennung könnte ein bestimmtes Neuron der verborgenen Schicht nach dem Training beispielsweise immer dann „ausschlagen“, also einen hohen Wert annehmen, 246

Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 733–736; Kruse et al., Computational Intelligence, S. 63 f. 247 Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz, S. 291–293.

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

wenn es eine kreisähnliche Form in der oberen Hälfte der Bilddatei gibt. Ein anderes könnte immer dann ausschlagen, wenn eine solche Form in der unteren Hälfte existiert. Schlagen beide dieser Neuronen gleichzeitig aus, wird die Wahrscheinlichkeit hoch sein, dass es sich bei der Ziffer um eine Acht handelt und das zugehörige Output-Neuron wird einen hohen Wert annehmen. Dadurch, dass die zugrundeliegenden Muster nun in Form der Werte der Variablen (Gewichtungsfaktoren und Bias) im System eingespeichert sind, kann das neuronale Netz auch unbekannte handschriftliche Ziffern mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig klassifizieren.248 c) Wissensrepräsentation in künstlichen neuronalen Netzwerken Es wird an dieser Stelle deutlich, dass „Wissen“ in künstlichen neuronalen Netzen auf die vorstehend beschriebene Weise durch sog. verteilte subsymbolische Repräsentation gespeichert wird.249 Das bedeutet, dass es keine feste Zuordnung zwischen einem Objekt und einem Symbol gibt (bspw. die Zuordnung der Himmelsrichtung „Süd-Westen“ zur Bitfolge „101“250 oder zur Variablen XY).251 Das gesamte Wissen ist vielmehr in Form der Werte aller Variablen (Gewichtungsfaktoren und Bias) „gespeichert“, ohne dass es eine feste Zuordnung einer bestimmten Variablen zu einer bestimmten Information gibt. Aufgrund dieser verteilten Repräsentation gestaltet sich die Interpretation des in einem künstlichen neuronalen Netzwerk gespeicherten Wissens grundsätzlich als sehr schwierig,252 in jüngster Zeit wurden jedoch auch in diesem Bereich Fortschritte erzielt.253

248 Ein weiteres anschauliches Beispiel aus dem Bereich der Sprachverarbeitung findet sich bei McClelland/Rumelhart, On Learning the Past Tense of English Verbs, in: dies. (Hrsg.), Parallel distributed processing: Explorations in the microstructure of cognition, Vol. 2: Psychological and Biological Models, S. 216. Das dort vorgestellte Netzwerk ist dazu in der Lage, die Vergangenheitsform unbekannter Verben zu bilden. Dabei sind auf den Neuronen die jeweiligen Regeln für verschiedene Verb-Typen repräsentiert. 249 Kruse et al., Computational Intelligence, S. 8; Tagscherer, Dynamische Neuronale Netzarchitektur für Kontinuierliches Lernen, S. 12 250 Vgl. oben, S. 50 f. 251 Tagscherer, Dynamische Neuronale Netzarchitektur für Kontinuierliches Lernen, S. 22. 252 Tagscherer, Dynamische Neuronale Netzarchitektur für Kontinuierliches Lernen, S. 23. 253 Es ist bei der Interpretation von Bildern beispielsweise bereits gelungen, einzelnen Neuronen der verborgenen Schicht eine semantische Bedeutung zuzuordnen, vgl. Bau et al., Network Dissection, in: 2017 IEEE Conference on Computer Vision and Pattern Recognition, S. 3319; Zhang/Zhu, Frontiers of Information Technology & Electronic Engineering 2018, 27.

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d) Abstraktionsfähigkeit Als zentrale Systemanforderung für die Schaffung eines künstlichen Richters wurden neben der formal-logischen Komponente auch der Rückgriff auf ein umfassendes Weltbild sowie das Verständnis abstrakter Konzepte definiert.254 Dass künstliche neuronale Netzwerke hierzu strukturell gleich dem Menschen in der Lage sind, soll im folgenden Abschnitt dargelegt werden. Zum besseren Verständnis wird zunächst ein kurzer Überblick zur kognitiven Entwicklung beim Menschen gegeben (aa),255 um sodann die Abstraktionsfähigkeit künstlicher neuronaler Netzwerke zu veranschaulichen (bb). aa) Die kognitive Entwicklung beim Menschen Der Mensch lernt durch Erfahrungen, die er im Laufe seines Lebens macht. Schon von Geburt an ist ein Baby externen Reizen ausgesetzt (z.B. akustischen, visuellen und haptischen Reizen).256 Nach und nach erlernt es Schemata über die reale Welt, wie zum Beispiel die Vorstellung von einem Objekt als beständigen Gegenstand in der Welt, sog. „Objektpermanenz“.257 Besondere Bedeutung kommt dabei der intermodalen Wahrnehmung zu, also der Verknüpfung verschiedener Sinneseindrücke (bspw. der Stimme und dem Gesicht der Mutter).258 Die Wahrnehmung des Kindes verändert und verbessert sich demnach maßgeblich durch seine Interaktionen und Erfahrungen mit der Umwelt.259 Durch die sensorischen Signale, die es dabei erhält, rekonstruiert es die objektive Realität intern.260 Auf diese Weise entwickelt es im Laufe der Zeit ein umfassendes Weltbild.261 Diese interne Repräsentation ist nun genau das, was gemeinhin als menschliches Gedächtnis bezeichnet wird.262 Die Entwicklung der menschlichen Kognitionsfähigkeit schließt nach dem Stufenmodell von Piaget mit der formal-operationalen Stufe ab.263 Auf dieser 254

Vgl. oben, S. 48 f. Instruktiv hierzu Anderson, Kognitive Psychologie, S. 493–515. 256 Schwarzer/Degé, Theorien der Wahrnehmungsentwicklung, in: Ahnert (Hrsg.), Theorien in der Entwicklungspsychologie, S. 94 (102–106). 257 Anderson, Kognitive Psychologie, S. 496; Schwarzer/Degé, Theorien der Wahrnehmungsentwicklung, in: Ahnert (Hrsg.), Theorien in der Entwicklungspsychologie, S. 94 (99). 258 Schwarzer/Degé, Theorien der Wahrnehmungsentwicklung, in: Ahnert (Hrsg.), Theorien in der Entwicklungspsychologie, S. 94 (106 f.). 259 Schwarzer/Degé, Theorien der Wahrnehmungsentwicklung, in: Ahnert (Hrsg.), Theorien in der Entwicklungspsychologie, S. 94 (108). 260 Schwarzer/Degé, Theorien der Wahrnehmungsentwicklung, in: Ahnert (Hrsg.), Theorien in der Entwicklungspsychologie, S. 94 (100). 261 Ausführlich Piaget, Der Aufbau der Wirklichkeit beim Kinde; Piaget, Das Weltbild des Kindes. 262 Wentura/Frings, Kognitive Psychologie, S. 101. 263 Piaget, Psychologie der Intelligenz, S. 167–170. 255

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Zweiter Teil: Der künstliche Richter

Stufe wird die Fähigkeit zum abstrakten Denken erreicht.264 Abstraktionsfähigkeit ist eine zentrale Voraussetzung für das menschliche Gedächtnis.265 Dies soll am Beispiel einer Hochzeit verdeutlicht werden.266 Man nehme dafür an, dass ein Gast zwei Wochen nach der Hochzeit zu dieser befragt wird. Es ist davon auszugehen, dass der Gast sich noch daran erinnern kann, wer wen geheiratet hat, wo die Hochzeit stattgefunden hat, wie groß sie ungefähr war und ob es geregnet hat. In der Regel wird er sich jedoch nicht mehr an die Schuhfarbe einzelner Gäste und den genauen Wortlaut jeder Rede erinnern können, auch wenn er all diese Details zunächst wahrgenommen hatte. Das Beispiel verdeutlicht, dass im menschlichen Gehirn offensichtlich Informationen aus der Fülle der Sinneseindrücke selektiv herausgefiltert werden. Durch diese Reduktion von Sinneseindrücke auf bestimmte Eigenschaften können Informationen generellen Kategorien, wie „Braut“ oder „Hochzeit“, zugeordnet und auf diese Weise abgespeichert werden.267 Diese Abstrahierung auf generelle Kategorien führt zu konzeptuellem Wissen.268 Mit konzeptuellem Wissen kann nun auf einer zweiten (abstrakten) Ebene operiert werden.269 Konzeptuelles Wissen führt zu Einsparungen bei der Repräsentation und Kommunikation von Informationen sowie zur Fähigkeit, Dinge vorherzusagen.270 Erzählt Person A beispielsweise, dass sie von einem Hund gebissen wurde, dann kann Person B aufgrund des gemeinsamen konzeptuellen Wissens über den Begriff „Hund“ etwa eine Aussage über die Anzahl der Beine des Angreifers von A treffen.271 bb) Abstraktion in künstlichen neuronalen Netzwerken Es wurde bereits gezeigt, dass Informationen in neuronalen Netzen im Wege der dezentralen, subsymbolischen Repräsentation abgespeichert werden.272 Dass neuronale Netze hierdurch ähnlich einem Menschen zur Abstraktion in der Lage sind, lässt sich am Beispiel eines sog. dimensionsreduzierenden Autoencoders verdeutlichen.273 Bei diesem werden die verdeckten Schichten eines 264 Piaget, Psychologie der Intelligenz, S. 167–170; Anderson, Kognitive Psychologie, S. 496; vgl. auch Piaget, Das Weltbild des Kindes, S. 56–60. 265 Wentura/Frings, Kognitive Psychologie, S. 125 f. 266 Beispiel aus Anderson, Kognitive Psychologie, S. 165. 267 Anderson, Kognitive Psychologie, S. 165. 268 Anderson, Kognitive Psychologie, S. 182 f. 269 Piaget unterscheidet in Bezug auf die möglichen Operationen zwischen „Implikationen“ von und „Unverträglichkeiten“ zwischen Aussagen, Piaget, Psychologie der Intelligenz, S. 168. 270 Anderson, Kognitive Psychologie, S. 183. 271 Vgl. Anderson, Kognitive Psychologie, S. 183. 272 Vgl. oben, S. 70. 273 Vgl. ausführlich Bourlard/Kamp, Biological Cybernetics. 1988, 291; zur Bedeutung von Abstraktion im Rahmen von maschinellem Lernen Saitta/Zucker, Abstraction in artificial intelligence and complex systems, S. 273–327.

D. Technische Möglichkeiten

73

künstlichen neuronalen Netzwerkes so gewählt, dass sie weniger Neuronen enthalten, als die Ein- und Ausgabeschicht.274 Die Ein- und Ausgabeschicht enthält eine identische Anzahl an Neuronen. Die Besonderheit von Autoencodern besteht nun darin, dass der durch Backpropagation zu minimierende „Fehler“275 durch den Unterschied zwischen dem Ergebnis der Output-Schicht und dem ursprünglichen Input definiert wird. Mit anderen Worten wird zu erreichen versucht, dass das Ergebnis auf der Output-Schicht möglichst den Eingabewerten auf der Input-Schicht entspricht.276 Da die verborgene Schicht weniger Neuronen enthält als die Input-Schicht, kommt es jedoch notwendigerweise zu einem Informationsverlust. Nach entsprechendem Training des Netzwerks mit den zu enkodierenden Eingabewerten, werden deshalb nur die für eine bestmögliche Rekonstruktion wichtigsten Merkmale behalten.277 Es kommt folglich zu einer Reduktion auf die wesentlichen Merkmale: einer Abstraktion.278 Die nachstehende Abbildung veranschaulicht die Funktionsweise eines solchen Autoencoders.

Abb. 2.16: Veranschaulichung eines Autoencoders

274 Niitsuma et al., Writer Identification in Old Music Manuscripts Using Contour-Hinge Feature and Dimensionality Reduction with an Autoencoder, in: Wilson et al. (Hrsg.), Computer Analysis of Images and Patterns, S. 555 (557). 275 Vgl. oben, S. 60–62, 68 f. 276 Bengio, Foundations and Trends® in Machine Learning 2009, 1 (46). 277 McLeod/Plunkett/Rolls, Introduction to connectionist modelling of cognitive processes, S. 81 f. 278 Neben der Reduktion auf die wesentlichen Merkmale (sog. noise reduction) ist mithilfe eines Autoencoders auch eine Mustervervollständigung (sog. pattern completion), ähnlich der menschlichen Fähigkeit zur Vorhersage (vgl. oben, S. 72), möglich, vgl. McLeod/Plunkett/Rolls, Introduction to connectionist modelling of cognitive processes, S. 80 f.

74

Zweiter Teil: Der künstliche Richter

e) Zwischenergebnis Es sind an dieser Stelle zwei fundamentale Erkenntnisse festzuhalten. Zum einen können Informationen in künstlichen neuronalen Netzwerken gespeichert werden. Zum anderen sind künstliche neuronale Netzwerke zur Abstraktion und Generalisierung beliebiger Input-Daten fähig. Sie sind demnach – zumindest strukturell – gleich dem menschlichen Gehirn zur Speicherung von und Operation mit konzeptuellem Wissen fähig.279 3. Aktuelle Leistungsfähigkeit Neben der ausführlich besprochenen Generalisierung anhand von kategorisierten Trainingsdaten280 und der Abstraktion auf die wesentlichen Merkmale eines Dateneingangs281 ist mithilfe von künstlichen neuronalen Netzwerken und anderen, dem Bereich maschinellen Lernens zuzuordnenden Verfahren auch eine „unbeaufsichtigte“ Mustererkennung in unstrukturierten Daten möglich.282 Bei dieser Form des Lernens ist eine vorherige (menschliche) Klassifizierung der Trainingsdaten nicht erforderlich.283 Auf diese Weise können Gemeinsamkeiten innerhalb einer Datenmenge selbstständig erkannt werden.284 Mit den Methoden des maschinellen Lernens wurden bereits eine Vielzahl praktischer Erfolge für die verschiedensten Datentypen erzielt. Die bereits besprochene Bilderkennung beispielsweise ist bei weitem nicht auf die Erkennung handschriftlicher Zahlen beschränkt. Inzwischen ist eine so zuverlässige Gesichtserkennung möglich, dass Smartphones per Face ID entsperrt und Zahlungen autorisiert werden.285 Doch auch der Bereich natürlicher Sprache stellt keine unüberwindbare Hürde mehr dar.286 Inzwischen können Computer Gegenstände, Menschen und Geschehensabläufe auf Fotos erkennen und in natürlicher Sprache beschreiben.287 Bei Fehlklassifizierungen kann menschliches 279 Vgl. McLeod/Plunkett/Rolls, Introduction to connectionist modelling of cognitive processes, S. 83–86. 280 Vgl. oben, S. 66–70. 281 Vgl. oben, S. 72 f. 282 Clark/Fox/Lappin, The handbook of computational linguistics and natural language processing, S. 222; ein Beispiel sind selbstorganisierende Karten, auch Kohonennetze genannt, vgl. erstmals Kohonen, Biological Cybernetics 1982, 59. 283 Instruktiv Carstensen et al., Computerlinguistik und Sprachtechnologie, S. 593; Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 694 f.; Clark/Fox/Lappin, The handbook of computational linguistics and natural language processing, S. 222. 284 Carstensen et al., Computerlinguistik und Sprachtechnologie, S. 593. 285 Chandra, International Journal of Recent Trends in Engineering & Research 2018, 165. 286 So noch Haft, Einführung in die Rechtsinformatik, S. 80, vgl. oben, S. 35. 287 Vgl. etwa Anderson et al., Bottom-Up and Top-Down Attention for Image Captioning and Visual Question Answering, in: 2018 IEEE Conference on Computer Vision and Pattern Recognition, S. 6077; You et al., Image Captioning with Semantic Attention, in: 2016 IEEE

D. Technische Möglichkeiten

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Feedback in natürlicher Sprache gegeben und damit zu einer praktisch umsetzbaren kontinuierlichen Verbesserung genutzt werden.288 Doch sind die Fortschritte nicht nur auf visuellen Input beschränkt. Die Spracherkennung – also die Umwandlung eines akustischen in ein symbolisches Signal – funktioniert bei modernen Sprachassistenten bekanntlich nahezu fehlerfrei. Im Bereich der rein symbolischen Sprachverarbeitung wurden die größten Erfolge bei Übersetzungsaufgaben erzielt.289 Doch auch die natürlichsprachlichen Dialogmodule moderner Sprachassistenten werden immer ausdifferenzierter und fähiger. Eindrücklichen Beweis eines semantischen Textverständnisses liefern computergenerierte Bilder auf Grundlage natürlichsprachlicher Texte. Moderne Programme sind etwa dazu in der Lage, aus der Beschreibung „ein kleiner Vogel mit blauen und weißen Federn und einem kurzen Schnabel“ ein fotorealistisches Bild zu generieren.290 Bemerkenswerterweise wird das Bild nicht etwa aus einem bestehenden Fundus ausgewählt, sondern auf Grundlage der sprachlichen Beschreibung neu generiert. Natürlich ist auch hierfür eine Trainingsphase notwendig. Doch ein menschenähnliches „Verständnis“ ist bereits in Ansätzen realisiert. Ein Mensch ist dazu in der Lage, sich einen „pinken Elefanten mit Flügeln“ vorzustellen, obwohl er noch nie einen gesehen hat. Das liegt an seinem semantischen Sprachverständnis – er hat eine Vorstellung von den beschriebenen „Wahrheitsbedingungen“.291 Mithilfe von Software wurden jedoch auch Bilder, die in der Form in keiner Trainingsdatenbank vorgekommen sind, aus natürlichsprachlicher Beschreibung kreiert. Das Programm konnte beispielsweise Bilder von einem „Stoppschild, das auf einem See treibt“ oder einem „Stoppschild, das im blauen Himmel schwebt“ generieren.292 Dies veranschaulicht, dass ein semantisches Verständnis natürlicher Sprache durch Software grundsätzlich möglich und zumindest in Ansätzen bereits realisiert ist. 4. Zusammenfassung Ab einem gewissen Grad an Komplexität ist die Modellierung eines Problems durch explizite Programmierung praktisch nicht mehr möglich. Abhilfe können künstliche neuronale Netzwerke schaffen, durch die Funktionen approximiert Conference on Computer Vision and Pattern Recognition, S. 4651; Lebret/Pinheiro/Collobert, Phrase-based Image Captioning. 288 Ling/Fidler, Teaching Machines to Describe Images with Natural Language Feedback. 289 Vgl. Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 907–912; Carstensen et al., Computerlinguistik und Sprachtechnologie, S. 18–25. 290 Zhang/Xu/Li, StackGAN: Text to Photo-Realistic Image Synthesis with Stacked Generative Adversarial Networks, in: 2017 IEEE International Conference on Computer Vision, S. 5908. 291 Vgl. oben, S. 34 f. 292 Xu et al., AttnGAN, in: 2018 IEEE Conference on Computer Vision and Pattern Recognition, S. 1316.

76

Zweiter Teil: Der künstliche Richter

werden. Dafür ist die Verfügbarkeit großer, bereits klassifizierter Datenmengen notwendig. Künstlich intelligente Algorithmen können aber auch aus nicht klassifizierten Daten „unbeaufsichtigt“ lernen. Die praktische Umsetzbarkeit vieler Verfahren aus dem Bereich maschinellen Lernens wurde erst durch die Rechenleistung moderner Computer ermöglicht. In den letzten Jahren konnten deshalb in den verschiedensten Anwendungsgebieten erhebliche Fortschritte verzeichnet werden.

E. Auswertung E. Auswertung

In Abschnitt C wurden die Aufgaben des Richters in Anforderungen übersetzt, die eine universelle Justizsoftware erfüllen müsste. Diese ließen sich auf drei Elemente reduzieren: die formal-logische Komponente, das umfassende Weltbild und das Konzeptverständnis. Aufbauend auf den bisherigen Erkenntnissen muss nun ausgewertet werden, ob und inwiefern diese erfüllbar sind. I. Die formal-logische Komponente Die formal-logische Komponente ist zur Abbildung der Gesetzessystematik notwendig. Darüber hinaus beruhen bestimmte Teile der richterlichen Tätigkeit, wie das Abgleichen im Rahmen der Relation, auf logischen Operationen. Wie beschrieben sind Computer ihrem grundlegenden Aufbau nach zur Vornahme mathematischer und logischer Operationen konzipiert. Die formal-logische Komponente ist somit erfüllbar.293 II. Das umfassende Weltbild Schwieriger gestaltet sich die Situation bezüglich der Speicherung eines umfassenden Weltbildes. Dieses ist insbesondere für ein semantisches Sprachverständnis der Software erforderlich. Nur in Relation zu einem umfassenden Weltbild können schriftliche und mündliche Parteivorträge, Zeugenaussagen und Gutachten, aber auch visuelle Eindrücke bei der Einsichtnahme von Augenschein richtig interpretiert bzw. verstanden werden. Auch muss das abstrakte Gesetz stets in Bezug zur realen Welt konkretisiert werden. Deshalb stellt sich die Frage, ob und wie es möglich ist, ein umfassendes Weltbild abzuspeichern.

293

Vgl. schon oben, S. 59.

E. Auswertung

77

1. Theoretische Möglichkeiten Mit ausreichender Speicherkapazität kann zwar theoretisch das gesamte Weltwissen, das ein einzelner menschlicher Richter im Laufe seines Lebens gesammelt hat, auf herkömmliche Weise gespeichert werden. Hierfür müsste allerdings jeder einzelnen Information eine eindeutige binäre Codierung zugewiesen werden. Der Umfang dieser Aufgabe wäre unermesslich hoch. Die Repräsentation eines umfassenden Weltbildes ist mit den Mitteln der expliziten Programmierung also praktisch nicht möglich.294 Bei Verwendung künstlicher neuronaler Netzwerke hingegen ist keine manuelle Zuweisung einer Information zu einer Speichereinheit notwendig. Stattdessen kann Wissen anhand von Trainingsdaten selbstständig erlernt werden. Dieser Vorgang ähnelt strukturell der Art und Weise, wie auch Menschen Wissen erlernen und im Gedächtnis behalten. Gleich dem Menschen sind künstliche neuronale Netzwerke zu einer intermodalen Wahrnehmung und Verknüpfung in der Lage.295 Bei der maschinellen Erkennung gesprochener Sprache handelt es sich etwa um eine Verknüpfung akustischer Signale mit schriftlichen Symbolen, bei der maschinellen Bildbeschreibung wird eine Verknüpfung visueller Wahrnehmung mit Schriftzeichen erreicht.296 Vor diesem Hintergrund ist also grundsätzlich vorstellbar, dass in einem künstlichen neuronalen Netzwerk – genau wie in einem menschlichen Richter – eine umfassende interne Repräsentation der Realität, ein Weltbild, entstehen könnte, anhand dessen Dateneingänge abgeglichen und verstanden werden könnten. 2. Begrenzende Faktoren Die praktische Umsetzung einer solchen, gleichsam „generellen“ künstlichen Intelligenz297 dürfte bislang jedoch an unzureichender Rechenleistung, fehlender Kenntnis der erforderlichen Netzwerk-Architektur und mangelnder Datenverfügbarkeit scheitern. a) Rechenleistung Als erster limitierender Faktor ist an die notwendigen Rechenkapazitäten zu denken. Eine praktisch nutzbare Umsetzung künstlicher neuronaler Netzwerke

294

Vgl. oben, S. 59. Vgl. oben, S. 71, 74 f. 296 Vgl. oben, S. 74 f. 297 Umfassend hierzu Goertzel/Pennachin, Artificial General Intelligence. 295

78

Zweiter Teil: Der künstliche Richter

wurde erst durch die stark gewachsene Rechenleistung moderner Computer ermöglicht.298 Bereits in dem oben exemplarisch beschriebenen299 äußerst simplen Netzwerk bestehen 13.056 variable Verbindungen zwischen den Neuronen sowie 32 variable Bias. Die Anzahl der zur Simulation schon eines solchen Netzwerks notwendigen Berechnungen ist denkbar groß. Praktisch sind neuronale Netzwerke oft deutlich komplexer und benötigen daher insbesondere in der Trainingsphase sehr hohe Rechenleistungen. Dies liegt auch daran, dass neuronale Netzwerke bislang fast ausschließlich softwareseitig simuliert werden.300 An hardwaretechnischen Implementierungen, also dem Bau eines künstlichen Neurons, wird jedoch geforscht.301 Schon heute können mithilfe von Supercomputern zwar etwa 10 % des menschlichen Cortex auf neuronaler Ebene simuliert werden.302 Durch internationale Forschungsinitiativen wie das „Human Brain Project“303 können in den nächsten Jahren auch weitere Fortschritte erwartet werden.304 Der Vergleich mit dem menschlichen Gehirn zeigt allerdings, dass die Rechenleistung heutiger Supercomputer wohl noch nicht zur vollumfänglichen Simulation eines künstlichen Richters ausreichen dürfte. b) Netzwerk-Architektur Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Netzwerk-Architektur. Es dürfte ersichtlich geworden sein, dass der konkrete Aufbau eines künstlichen neuronalen Netzwerks entscheidenden Einfluss auf dessen Leistungsfähigkeit hat. Im oben vorgestellten Beispiel305 wurde die simple Architektur eines sogenannten 298

Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 14, 30; Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz, S. 8; Carstensen et al., Computerlinguistik und Sprachtechnologie, S. 114. 299 Vgl. oben, S. 66–70. 300 Sharbati et al., Advanced materials 2018, 1802353; Merolla et al., Science 2014, 668; vgl. oben, S. 62. 301 Angestrebt wird dabei insbesondere eine höhere Energieeffizienz bei geringen Produktionskosten, vgl. etwa Burgt et al., Nature materials 2017, 414; Sharbati et al., Advanced materials 2018, 1802353. 302 Jordan et al., Frontiers in Neuroinformatics 2018, 2; vgl. auch die Gegenüberstellung von Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 12. 303 Es handelt sich um ein auf zehn Jahre angelegtes Projekt der Europäischen Kommission mit dem Ziel einer fachübergreifenden Forschung in den Bereichen Neurowissenschaften, Medizin und Informatik, vgl. die Webpräsenz unter (zuletzt abgerufen am 1. März 2020). 304 Vgl. Markram, Scientific American 2012, 50; Mit der erfolgreichen Durchführung einer ExaFLOPS Berechnung wurde die zur vollständigen Simulation des menschlichen Cortex notwendige Rechenleistung 2018 erstmals erreicht, vgl. Jordan et al., Frontiers in Neuroinformatics 2018, 2; Kincade, Berkeley Lab, Oak Ridge, NVIDIA Team Breaks Exaop Barrier With Deep Learning Application; Kurth et al., Exascale Deep Learning for Climate Analytics. 305 Vgl. oben, S. 66–70.

E. Auswertung

79

feedforward Netzwerks genutzt. Der Datenfluss erfolgt dabei nur in eine Richtung.306 Häufig enthalten künstliche neuronale Netzwerke jedoch auch eine Form von Rückkopplung, bei der Neuronen auf einer tieferen („späteren“) Schicht Einfluss auf das Verhalten von Neuronen auf einer höheren („früheren“) Schicht haben (sog. recurrent bzw. rückgekoppelte Netzwerke).307 Dies ist etwa dann notwendig, wenn das Ergebnis eines Dateninputs von früheren Eingabewerten abhängig ist, wie beispielsweise bei der Sprachverarbeitung. Die Bedeutung eines natürlichsprachlichen Wortes oder Satzes hängt meistens von vorhergehenden Wörtern bzw. Sätzen ab. Insofern müssen frühere Eingabewerte bei der Verarbeitung berücksichtigt werden können.308 Neben feedforward und rückgekoppelten Netzwerken gibt es eine erhebliche Vielzahl weiterer typischer Topologien für künstliche neuronale Netze. Zwar kann auch die Architektur eines künstlichen neuronalen Netzwerks variabel gehalten werden. Sogenannte evolutionäre neuronale Netzwerke können – ähnlich dem menschlichen Gehirn – ihre Struktur verändern und bei Bedarf neue Neuronen bilden.309 Neben künstlichen neuronalen Netzwerken gibt es jedoch auch eine Reihe weiterer statistischer Verfahren, die im Rahmen des maschinellen Lernens eingesetzt werden.310 Möglicherweise wäre es insofern sinnvoll, verschiedene Ansätze miteinander zu kombinieren und in ein Gesamtsystem zu integrieren. Die Vorgabe einer (initialen) Netzwerk-Architektur dürfte deshalb eine entscheidende Herausforderung bei der Implementierung eines künstlichen Richters sein. c) Datenverfügbarkeit Die entscheidende Schwierigkeit dürfte jedoch eine unzureichende Datenlage sein. Auf einer rein symbolischen Ebene ist das menschliche Weltwissen noch am einfachsten zugänglich, etwa über die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Auch visuelle und akustische Signale werden bereits seit mehreren Jahrzehnten digitalisiert und stehen in Form von Audio-, Bild- und Videodateien zur Verfügung. Aufgrund der relativ hohen Datenverfügbarkeit konnten in diesen drei 306

Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 729. Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 729; Clark/Fox/Lappin, The handbook of computational linguistics and natural language processing, S. 227. 308 Clark/Fox/Lappin, The handbook of computational linguistics and natural language processing, S. 226. 309 Vgl. hierzu Miikkulainen et al., Evolving Deep Neural Networks, in: Alippi/Morabito/Kozma/Choe (Hrsg.), Artificial intelligence in the age of neural networks and brain computing, S. 293; Zoph/Le, Neural Architecture Search With Reinforcement Learning; Floreano/Dürr/Mattiussi, Evolutionary Intelligence 2008, 47; Stanley/Miikkulainen, Evolutionary Computation 2002, 99; Moriarty/Miikkulainen, Evolutionary Computation 1997, 373; Fahlman/Lebiere, The Cascade-Correlation Learning Architecture, in: Touretzky (Hrsg.), Advances in neural information processing systems 2, S. 524. 310 Russell/Norvig, Artificial Intelligence, S. 693–763, vgl. oben, S. 74. 307

80

Zweiter Teil: Der künstliche Richter

„Sinnesbereichen“ bereits intermodale Wahrnehmungen durch künstliche neuronale Netzwerke erreicht werden.311 Im Bereich haptischer, olfaktorischer und gustatorischer Wahrnehmung ist von einer deutlich geringeren, auf bestimmte Bereiche beschränkten Datenverfügbarkeit auszugehen. Diese wird sich auf spezielle Maschinendaten beschränken und dürfte wesentlich durch das Forschungs- und Entwicklungsinteresse einzelner Industriezweige bestimmt sein.312 Ebenso fraglich ist, wie die gesellschaftlich-soziale Komponente erlernt werden soll. Diese entwickelt sich beim Menschen aus den tatsächlichen, zwischenmenschlichen Interaktionen im Laufe seines Lebens.313 Eine (körperlose) Maschine wird diese Art zwischenmenschlicher Erfahrung nie selbst machen können. Es erscheint jedoch gut möglich, dass sich solches Wissen auch komplett ohne „menschliche“ Interaktion rein über Beobachtungen (beispielsweise in Form von Videomaterial und Sozialstudien) inferieren lässt.314 Auch der Mensch legt schließlich seinen tatsächlichen Entscheidungen vielfach Signale zugrunde, die seiner unmittelbaren Wahrnehmung nicht zugänglich sind (bspw. bei der Meidung eines Ortes aufgrund von radioaktiver Strahlung). 3. Ergebnis Die interne Repräsentation eines umfassenden Weltbildes in einem künstlichen neuronalen Netzwerk ist theoretisch möglich, praktisch aber jedenfalls noch nicht umsetzbar. III. Das Konzeptverständnis Als letzte Anforderung wurde ein Konzeptverständnis definiert,315 welches im Rahmen der juristischen Methodik für die Auslegung und Rechtsfortbildung erforderlich ist. Im Ergebnis ist ein künstliches neuronales Netzwerk strukturell ebenso wie ein menschlicher Richter dazu in der Lage, abstrakte Konzepte

311

Vgl. oben, S. 74 f., 77. Es wird jedoch deutlich, dass ein künstliches neuronales Netzwerk bei der Repräsentation eines internen Weltbildes nicht auf die dem Menschen natürlicherweise zur Verfügung stehenden Sinne beschränkt wäre. Mithilfe von Geräten etwa zur Messung elektromagnetischer Strahlung, Wärmestrahlung oder Radioaktivität könnten auch solche Daten unmittelbar erfasst und in das interne Weltbild integriert werden, die sich einer unmittelbaren menschlichen Wahrnehmung entziehen. 313 Vgl. oben, S. 71. 314 Künstliche neuronale Netze sind schon länger dazu in der Lage, menschliche Emotionen bspw. durch Sprach- oder Bildanalyse zu identifizieren, vgl. exemplarisch Ioannou et al., Neural networks 2005, 423; Schuller/Rigoll/Lang, Speech emotion recognition combining acoustic features and linguistic information in a hybrid support vector machine-belief network architecture, in: 2004 IEEE International Conference on Acoustics, Speech, and Signal Processing, S. 577-580. 315 Vgl. oben, S. 49. 312

E. Auswertung

81

zu verstehen und die juristische Methodik anzuwenden. Das entscheidende Problem liegt jedoch in der Auswahl der Datengrundlage. Es wurde bereits festgehalten, dass sich der Normzweck als ein abstraktes Konzept nur über die Zuordnung konkreter „Soll“-Zustände der realen Welt definieren lässt.316 Der Begriff „Verbraucherschutz“ ist nur dann nicht bedeutungsleer, wenn konkrete Zustände bzw. Beziehungen in der realen Welt hierunter zusammengefasst werden können. Dies korrespondiert mit der beschriebenen Kenntnis der „Wahrheitsbedingungen“, die für ein semantisches Textverständnis notwendig ist.317 Sobald ein abstraktes Konzept verstanden wurde, kann die eine oder andere Deutungsalternative im Einzelfall auf Übereinstimmung geprüft und diejenige ausgewählt werden, die dem Konzept am meisten entspricht. Auch übergeordnete Rechtsprinzipien erschließen sich durch Abstraktion und Generalisierung, nämlich durch das Erkennen wesentlicher, gemeinsamer Merkmale verschiedener gesetzlicher Regelungen.318 Wie gezeigt sind künstliche neuronale Netzwerke zur Generalisierung, Abstraktion und eigenständigen Mustererkennung in der Lage.319 Strukturell sind sie demnach zu einem Konzeptverständnis gleich dem menschlichen Richter in der Lage. Von entscheidender Bedeutung ist jedoch die Auswahl der Daten, aus denen das Konzeptverständnis im Einzelfall entwickelt wird. Diesbezüglich ist nochmals festzuhalten, dass die Vorstellung von einem Konzept überhaupt erst auf Grundlage vorhandener Daten möglich ist. Damit scheint eine „echte“ Rechtssetzung bzw. richterliche Rechtsschöpfung320 durch eine Maschine auf den ersten Blick bereits ausgeschlossen.321 Bei genauer Betrachtung ist auch der menschliche Richter jedoch stets durch sein persönliches Vorverständnis geprägt.322 Dies legt den Schluss nahe, dass auch (menschliche) richterliche Rechtsschöpfung zwangsweise und immer in den Vorstellungen von Recht und Unrecht des entscheidenden Richters verwurzelt ist, die sich aus dem erlernten Erfahrungswissen über die Welt und das Rechtssystem ergeben.323 Damit verbleibt entscheidend die Frage, welche Daten für das Vorverständnis eines 316

Vgl. oben, S. 45. Vgl. oben, S. 34. 318 Vgl. oben, S. 46. 319 Vgl. oben, S. 74. 320 Im Sinne einer „gestaltenden Vornahme einer intern-autonomen“ in Abgrenzung zum „verstehenden Vollzug einer extern-heteronomen“ Wertentscheidung, Scherer de Mello Aleixo, Verantwortbares Richterrecht, S. 276. 321 Guggenberger, MMR 2019, 777 (778) sieht algorithmische Entscheidungen als „fest in dem Datenset verhaftet, an dem sie trainiert wurden“. 322 Meyer, ZRP 2018, 233 (238); instruktiv zum hermeneutischen Zirkel und der Bedeutung des Vorverständnisses für die juristische Entscheidungsfindung Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 27–33. 323 Ebenso Graevenitz, ZRP 2018, 238 (239); Hirsch, ZRP 2009, 61; vgl. auch Haferkamp, ZfPW 2016, 319 (320, 334). 317

82

Zweiter Teil: Der künstliche Richter

künstlichen Richters maßgeblich sein sollen.324 Das juristische Vorverständnis menschlicher Richter entwickelt sich in der juristischen Ausbildung – allgemeine Gerechtigkeitsvorstellungen wohl bereits früher, im Laufe der individuellen, menschlichen Lebenserfahrung. Dieses Vorverständnis unterliegt gesellschaftlich der Kontrolle durch zwei Staatsexamina, bzw. genauer gesagt durch die Bewertung von bereits ausgebildeten Juristen. Erst nach dieser Kontrolle wird die „Befähigung zum Richteramt“ i.S.v. § 5 DRiG erlangt. Einer vergleichbaren Kontrolle bedürfte auch ein künstlicher Richter. Ein objektivierender Ansatz, der nicht auf einem individuellen, sondern einem kollektiven Erfahrungsschatz beruht, müsste insofern zumindest bestimmten AccountabilityAnforderungen genügen.325 Es wird demnach deutlich, dass der Auswahl der Datengrundlage entscheidende Bedeutung bei der Schaffung eines künstlichen Rechtsfindungssystems zukommt.326 Zusammenfassend ist das Erfordernis eines Konzeptverständnisses als Prozess der Informationsverarbeitung theoretisch erfüllbar. Hiermit untrennbar verbunden ist jedoch die Umsetzungsfrage, welche Datengrundlage verwendet werden soll. IV. Fazit Die Schaffung eines künstlichen Richters ist theoretisch möglich. Sie setzt allerdings eine umfassende, gleichsam generelle künstliche Intelligenz in Form eines künstlichen neuronalen Netzwerkes voraus. In diesem System müsste das komplette Weltwissen eines menschlichen Richters repräsentiert sein. Ein solches Vorhaben dürfte noch an drei praktischen Hindernissen scheitern. Erstens reicht auch die Rechenleistung moderner Supercomputer bislang nicht aus, um das gesamte menschliche Gehirn auf neuronaler Ebene zu modellieren.327 Zweitens sind Aufbau und Funktionsweise des Gehirns auf neuronaler Ebene noch nicht im Detail erforscht, ein entsprechendes Verständnis könnte für die Architektur des künstlichen neuronalen Netzwerkes jedoch notwendig sein.328 324 Plastisch hierzu Enders, JA 2018, 721 (725 f.), der von den „ersten, initiierenden Wertentscheidungen“ für den anschließenden Selbstlern-Prozess spricht. 325 Herberger, NJW 2018, 2825 (2827 f.) unter Hinweis auf Kroll et al., U. Pa. L. Rev. 2017, 633. 326 Instruktiv zur Problematik tendenziöser Datensätze und möglichen Lösungsansätzen Mayson, Yale L. J. 2019, 2218; vgl. hierzu auch Burchard, Künstliche Intelligenz als Ende des Strafrechts? Zur algorithmischen Transformation der Gesellschaft, Normative Orders Working Paper 02/2019, S. 22–24; Martini, Blackbox Algorithmus – Grundfragen einer Regulierung Künstlicher Intelligenz, S. 50 f. 327 Vgl. oben, S. 77 f. 328 Es stellt sich jedoch – auch im Hinblick auf flexible Systemarchitekturen wie bspw. bei evolutionären künstlichen neuronalen Netzwerke – die Frage, wie detailliert ein solches Verständnis überhaupt sein muss, vgl. Markram, Scientific American 2012, 50 (52 f.); vgl. zu evolutionären künstlichen neuronalen Netzwerken oben, S. 79.

F. Zusammenfassung des zweiten Teils

83

Schließlich besteht die Notwendigkeit der Auswahl und Beschaffung einer initialen Datengrundlage, welche die Basis für ein Verständnis natürlicher Sprache und die Vornahme juristischer Wertungen darstellt.329

F. Zusammenfassung des zweiten Teils F. Zusammenfassung des zweiten Teils

Zur Untersuchung der theoretischen Möglichkeiten und Grenzen der IT-Anwendung im Zivilprozess wurde das Aufgabenspektrum eines Zivilrichters im Erkenntnisverfahren zunächst skizziert und anschließend in einen technischen Anforderungskatalog für einen „künstlichen Richter“ übersetzt. Dieser ließ sich auf drei Elemente reduzieren: die formal-logische Komponente, das umfassende Weltbild und das Konzeptverständnis. Insbesondere für den deduktiven Schritt der Subsumtion müssen die formalen Bezüge von Rechtsnormen erfasst und logische Schlussfolgerungen gezogen werden können. Für eine Verständnis natürlicher Sprache ist die interne Repräsentation eines umfassenden Weltbildes notwendig, anhand dessen symbolische, akustische und visuelle Eingangssignale (bspw. die Beschreibung eines Sachverhalts in einem Schriftsatz) abgeglichen und dadurch verstanden werden können. Schließlich ist insbesondere für die Anwendung juristischer Methodik ein weitergehendes Verständnis abstrakter Konzepte (bspw. „Verbraucherschutz“) notwendig. Zur Überprüfung der Erfüllbarkeit dieser drei Anforderungen wurden zunächst wesentliche Grundlagen der Informatik erarbeitet und gezeigt, dass Computer zur Vornahme formal-logischer Operationen in der Lage sind. Mit einer ausreichenden Speicherkapazität wäre theoretisch auch die Speicherung eines umfassenden Weltbildes möglich. Der notwendige Programmieraufwand wäre jedoch unermesslich hoch und es wäre unklar, wie die Verarbeitung von Eingangssignalen (bspw. eines Schriftsatzes) erfolgen soll. Vor diesem Hintergrund wurden Aufbau, Funktionsweise und Leistungsfähigkeit von künstlichen neuronalen Netzwerken dargestellt, welche zur Abstraktion, Generalisierung und eigenständigen Mustererkennung in der Lage sind. Im Ergebnis wurde gezeigt, dass ein künstliches neuronales Netzwerk theoretisch ein umfassendes Weltbild erlernen und abstrakte Konzepte verstehen kann. Dabei käme der Auswahl der Trainingsdaten entscheidende Bedeutung zu. Letztlich musste jedoch festgehalten werden, dass schon die interne Repräsentation eines umfassenden Weltbildes aufgrund von ungenügender Rechenleistung, fehlender Kenntnis der erforderlichen Systemarchitektur und mangelnder Datenverfügbarkeit aktuell wohl noch praktisch unmöglich ist. In Bezug auf das im juristischen Kontext notwendige Konzeptverständnis wäre zudem die Auswahl einer (initialen) Datengrundlage für rechtliche Wertungsfragen notwendig.

329

Vgl. oben, S. 79–82.

84

Zweiter Teil: Der künstliche Richter

Nach alldem kann der Informationstechnik im Zivilprozess bislang nur eine rein unterstützende Funktion im Rahmen einzelner Arbeitsschritte verbleiben. Aufbauend auf dieser Erkenntnis soll im folgenden Teil der Arbeit dargelegt werden, wie auch der Einsatz von vergleichsweise einfacher Software zur Entlastung der Ziviljustiz im Erkenntnisverfahren beitragen kann.

Dritter Teil:

Das strukturierte elektronische Verfahren A. Einleitung A. Einleitung

I. Zielsetzung Im zweiten Teil der Arbeit wurde gezeigt, dass Computer durch maschinelles Lernen dazu in der Lage sind, ungeordnete Dateneingänge – gleich dem menschlichen Gehirn – eigenständig zu strukturieren und abstrakte Konzepte zu verstehen. Die vollständige Substitution des menschlichen Richters durch eine künstliche Intelligenz ist jedoch praktisch nicht möglich. Aufgrund der technischen Limitationen kann die Informationstechnik deshalb nur eine unterstützende Funktion im Zivilprozess einnehmen. Aufbauend auf dieser Erkenntnis muss nun untersucht werden, ob und wie auch der Einsatz vergleichsweise einfacher Software zu einer Entlastung der Justiz im Bereich des zivilrechtlichen Erkenntnisverfahrens beitragen kann. Aktuelle Digitalisierungsbemühungen wie die elektronische Aktenführung und Kommunikation begnügen sich größtenteils mit der unveränderten Nachbildung gerichtlicher Arbeitsabläufe auf dem Computer, ohne die zugrundeliegenden Prozesse selbst zu hinterfragen.1 Nachfolgend soll deshalb neben der technischen auch die prozessuale Perspektive mit in den Blick genommen und ein ganzheitlicher Ansatz für einen modernen Zivilprozess mit dem Ziel einer Entlastung der Ziviljustiz entwickelt werden. II. Vorüberlegungen zur Verfahrensstrukturierung Soweit man sich nicht mit der bloßen Abbildung bestehender Prozesse auf dem Computer begnügen möchte, stellt sich zunächst die Frage nach einem geeigneten Ansatzpunkt für eine Verfahrensmodernisierung. An dieser Stelle ist es hilfreich, sich erneut die Stärken der Informationstechnik und die bestehende Parallelität zum Recht zu vergegenwärtigen.2 Wie gezeigt sind Computer ihrem grundlegenden Aufbau nach zur Vornahme formal-logischer Operationen konzipiert.3 Sie sind dem Menschen daher bei der Verarbeitung von bereits strukturierten Informationen in Präzision 1

Greger, NJW 2019, 3429 (3430); vgl. schon Bender/Schnelle, DRiZ 1993, 97 (99). Vgl. bereits oben, S. 22–24. 3 Vgl. oben, S. 51–53. 2

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

und Geschwindigkeit überlegen. Das Recht hingegen dient der Steuerung menschlichen Verhaltens,4 welches sich praktisch nicht bis ins Detail strukturieren lässt. Jedes menschliche Verhalten ist einmalig. Gleichwohl beruht jede Rechtsordnung auf Abstraktionen von Einzelfällen, die zueinander in formalen Zusammenhängen stehen – bis zu einem gewissen Grad begründet sich deshalb auch das Recht auf formalen Strukturen.5 Diese dem Recht immanente Struktur muss folglich Ansatzpunkt jeder Überlegung zur Effizienzsteigerung durch Einsatz informationstechnischer Systeme im juristischen Bereich sein.6 Für den hier untersuchten Bereich der Rechtsdurchsetzung ist dabei entscheidend, dass den strukturellen Vorgaben des materiellen Rechts auch in der prozessualen Ausgestaltung des Gerichtsverfahrens in möglichst hohem Maße Rechnung getragen wird.7 In genau diese Richtung geht die aktuell geführte Debatte über das Erfordernis einer verstärkten Strukturierung im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren.8 „Über verbindliche Regelungen ist sicherzustellen, dass die Parteien ihren Vortrag zum tatsächlichen und rechtlichen Vorbringen strukturieren“, so lautet der auf dem 70. Deutschen Juristentag 2014 mit knapper Mehrheit angenommene Beschluss Nr. 13 der Abteilung Prozessrecht.9 Hintergrund der Diskussion ist die Tatsache, dass die ZPO bislang nur wenige und überwiegend unverbindliche Vorschriften zur inhaltlichen Gestaltung vorbereitender Schrifts-

4 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 11; Looschelders, Juristische Methodik im Prozeß der Rechtsanwendung, S. 10–15; zur Verhaltenssteuerung durch Algorithmen Hoffmann-Riem, AöR 2017, 1. 5 Vgl. oben, S. 39–42. 6 Diese Überlegung deckt sich schon mit den frühen Ansätzen der anwendungsorientierten Rechtsinformatik, vgl. Bund, Einführung in die Rechtsinformatik, S. 277–279. 7 In die Richtung auch Roth, ZZP 2016, 3 (21), der auf die verlorengegangenen Zusammenhänge des Anspruchsdenkens mit dem Prozessrecht hinweist; vgl. in diesem Kontext auch Gaier, NJW 2020, 177 zum neuen § 139 Abs. 1 Satz 3 ZPO. 8 Breidenbach/Gaier, Strukturierter Vortrag, in: Breidenbach/Glatz (Hrsg.), Rechtshandbuch Legal Tech, S. 199; Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179; Vorwerk, NJW 2017, 2326; Zwickel, MDR 2016, 988; Preuß, ZZP 2016, 421 (448 ff.); Roth, ZZP 2016, 3 (20 f.); Gaier, ZRP 2015, 101; Hirtz, NJW 2014, 2529 (2531 f.); Köbler, DRiZ 2018, 88; Köbler, AnwBl 2018, 399; Effer-Uhe, MDR 2019, 69; vgl. schon Gaier, NJW 2013, 2871 (2874). 9 DJT, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages Hannover 2014, Band II/1: Sitzungsberichte (Referate und Beschlüsse), I 53; vgl. auch Calliess, Der Richter im Zivilprozess, A 99 f.

A. Einleitung

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ätze macht. In der Folge finden sich in den Parteischriftsätzen häufig überflüssige, ausufernde und redundante Ausführungen.10 Viele Schriftsätze lassen einen geordneten und strukturierten Aufbau vermissen.11 Ein Großteil richterlicher Arbeit besteht deshalb darin, den beiderseitigen Parteivortrag auszudeuten, zu präzisieren und zu konzentrieren,12 was bisweilen als „grandiose Verschwendung richterlicher Arbeitskraft“13 bezeichnet wird und sich – wie eingangs gezeigt – auch in einer erhöhten Verfahrensdauer niederschlägt.14 Die hieraus entstandene Überlegung, verbindliche Vorgaben für die inhaltliche Strukturierung vorbereitender Parteischriftsätze zu schaffen, ist zwar nicht zwangsläufig vom Einsatz digitaler Medien abhängig.15 Sie bietet jedoch genau den gesuchten Ansatzpunkt für eine Verfahrensmodernisierung unter Berücksichtigung der spezifischen Stärken elektronischer Datenverarbeitung.16 Ebenso wenig wie die Überlegungen zu juristischen Expertensystemen ist auch die Idee eines strukturierten Verfahrens nicht neu. Schon 1993 unterbreitete Schwarz ausführliche Ideen und Vorschläge für die elektronische Strukturierung des Parteivortrags.17 Mehr oder weniger ausdifferenzierte Vorschläge zur Gestaltung eines strukturierten Verfahrens haben in jüngster Zeit insbesondere Vorwerk,18 Breidenbach19 und Gaier,20 Zwickel21 sowie Köbler22 präsentiert. Im Folgenden soll ein eigenes, vom Verfasser entwickeltes Konzept für ein „strukturiertes elektronisches Verfahren“, kurz „seV“, vorgestellt und analysiert werden. Es baut teilweise auf bereits vorhandenen Ansätzen auf, weicht teilweise von ihnen ab und beinhaltet neue Ideen. Es handelt sich um ein derzeit 10

Gaier, ZRP 2015, 101 (103). So schon Bender/Schnelle, DRiZ 1993, 97 (97 f.) mit historischen Nachweisen. 12 Hartwieg, Die Kunst des Sachvortrags im Zivilprozeß, S. 29. 13 Gaier, ZRP 2015, 101 (103); ähnlich Fries, NJW 2016, 2860 (2864). 14 Vgl. oben, S. 1 f. 15 Vgl. Preuß, ZZP 2016, 421 (454). 16 Ebenso Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179 (180). 17 Schwarz, Strukturierter Parteivortrag und elektronische Akte, vgl. damals auch Bender/Schwarz, CR 1990, 365; Bender/Schwarz, CR 1994, 372. 18 Vorwerk, NJW 2017, 2326. 19 Breidenbach/Gaier, Strukturierter Vortrag, in: Breidenbach/Glatz (Hrsg.), Rechtshandbuch Legal Tech, S. 199. 20 Gaier, Strukturiertes Parteivorbringen im Zivilprozess, in: Breidenbach/Glatz (Hrsg.), Rechtshandbuch Legal Tech, S. 189; Gaier, ZRP 2015, 101. 21 Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179; Zwickel, MDR 2016, 988. 22 Köbler, DRiZ 2018, 88; Köbler, AnwBl 2018, 399; Köbler, FS Wagner, S. 153. 11

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

noch hypothetisches Konzept, das auf einer erweiterten elektronischen Kommunikation und Aktenführung beruht. Vorausgesetzt werden insofern eine digitale Infrastruktur zum Datenaustausch sowie Anwendungsprogramme aufseiten des Gerichts und der Parteien, mit denen ebenjene Daten empfangen, bearbeitet und versendet werden können. Zweifellos steht und fällt ein softwaregestütztes Verfahren mit der benutzerfreundlichen, intuitiven und optisch ansprechenden Ausgestaltung dieser Anwendungsprogramme.23 Zu Illustrationszwecken erfolgt die Vorstellung des funktionalen Konzepts deshalb anhand einer beispielhaften Benutzeroberfläche. III. Gliederung des weiteren Vorgehens Im Folgenden wird das seV zunächst in seinen wesentlichen Zügen vorgestellt (B). Anschließend wird der unterbreitete Vorschlag rechtlich eingeordnet (C) und ein Vorschlag für die notwendigen Änderungen der ZPO unterbreitet (D). Nach einer Darstellung der Chancen und Risiken des seV (E) werden schließlich die Einsatzmöglichkeiten im kollektiven Rechtsschutz untersucht (F) und die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst (G).

B. Vorstellung des Konzepts B. Vorstellung des Konzepts

I. Die elektronische Verfahrensdatei Kernstück des seV ist die elektronische Verfahrensdatei. Diese wird von den Parteien und vom Gericht bearbeitet und ersetzt damit die Kommunikation durch Schriftsätze und Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten bzw. Beschlüsse und Verfügungen des Gerichts.24 Die Speicherung und Bearbeitung der Verfahrensdatei kann theoretisch auf ganz verschiedene Arten erfolgen. Denkbar ist beispielsweise, dass die Datei zentral auf einem Server des jeweiligen Gerichts oder in einer Cloud gespeichert wird. Den Prozessbeteiligten könnten dann Zugriffs- und Bearbeitungsrechte eingeräumt werden. Vorstellbar wäre auch eine dezentrale Speicherung und Bearbeitung mithilfe einer Blockchain als vergleichsweise sichere Alternative. Es muss sich aber auch nicht zwingend um nur eine einzige Datei handeln. Ebenso gut könnte jeder Beteiligte eine lokale Kopie der Datei auf seinem Computer gespeichert haben, 23 Focken, Anhang, S. 147; ebenso bereits Gretemann, Computer und Justiz, S. 163 m.w.N. 24 Für die Idee eines gemeinsamen Verfahrensdokuments auch Haft, FS Simotta, S. 197 (202 f.); Socha, ZRP 2015, 91; Greger, NJW 2019, 3429 (3431 f.); vgl. auch Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179 (194 f.) m.w.N.

B. Vorstellung des Konzepts

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sodass jeweils nur eine Übermittlung der vorgenommenen Änderungen an die übrigen Beteiligten erfolgt. Im Ergebnis macht die konkrete technische Ausgestaltung keinen funktionalen Unterschied – sie soll deshalb im Weiteren außer Betracht bleiben. II. Ablauf des Verfahrens Der grobe Ablauf des seV lässt sich wie folgt skizzieren. Zunächst reicht der Kläger die im Anwendungsprogramm erstellte Klage über seinen Anwalt elektronisch bei Gericht ein. Dort wird automatisch eine neue Verfahrensdatei mit Aktenzeichen erstellt. Der Kläger erhält nun vom Gericht postalisch einen Ausdruck der Klagedatei zusammen mit einer Erklärung darüber, wie auf die Verfahrensdatei elektronisch zugegriffen werden kann. Möchte sich der Beklagte verteidigen, kann er über seinen Anwalt auf die Verfahrensdatei zugreifen und ausschließlich elektronisch über ein Anwendungsprogramm auf die Klage erwidern. Das Gericht wird über den Eingang der Klageerwiderung benachrichtigt und kann erstmalig materiell prozessleitend tätig werden. Es kann den Beteiligten sodann (gleich dem bisherigen schriftlichen Vorverfahren) jeweils weitere Stellungnahmefristen einräumen und prozessleitende Handlungen innerhalb der Verfahrensdatei vornehmen. Die herkömmlichen Schriftsatzrunden sowie die gesamte weitere schriftliche Kommunikation erfolgen innerhalb der elektronischen Verfahrensdatei. Sofern sich der Rechtsstreit in diesem elektronischen Vorverfahren nicht durch Vergleich, Anerkenntnis oder Klagerücknahme erledigt, finden eine mündliche Verhandlung und eventuelle Beweisaufnahmen wie gewohnt statt. Schließlich wird die gerichtliche Entscheidung als separates Dokument innerhalb der Verfahrensdatei erstellt und kann von den Parteien eingesehen werden. III. Aufbau der Verfahrensdatei Die Verfahrensdatei gliedert sich in drei Teile, nämlich Anträge und Erklärungen (1), Sachvortrag (2) und Rechtsausführungen (3).25 Die Rechtsausführungen sind mit dem jeweils relevanten Sachvortrag und den auf sie gestützten Anträgen zu verknüpfen (4). Schließlich gibt es eine Verfahrenschronik, die als zentrale Übersicht aller Stellungnahmen und Dokumente (z.B. gerichtliche Beschlüsse und Verfügungen, Anlagen etc.) dient (5). Innerhalb der Verfahrensdatei sind Verlinkungen zu anderen Stellen in der Datei möglich. Auf diese Weise kann beispielsweise auf bestimmte Textpassagen der gegnerischen Ausführungen, auf bestimmte Stellen in einer Anlage, oder auf zitierte Rechtsprechung Bezug genommen werden. Wenn der Zeiger über den jeweiligen Link bewegt wird, erscheint zunächst eine Vorschau der zitierten Stelle, beim Klick 25 Für diese Unterteilung bereits Schwarz, Strukturierter Parteivortrag und elektronische Akte, S. 120–122, der zusätzlich noch administrative Informationen unterscheidet.

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

öffnet sie sich. Die nachstehende Abbildung zeigt, wie der Startbildschirm der gerichtlichen Anwendungssoftware aussehen könnte.

Abb. 3.1: Startbildschirm der gerichtlichen Anwendungssoftware

1. Anträge und Erklärungen Alle Anträge und Erklärungen der Parteien werden jeweils eigenständig in einem separaten Abschnitt der Verfahrensdatei erfasst. Den prozessualen Besonderheiten ist bei der Ausgestaltung der Anwendungsprogramme Rechnung zu tragen, insbesondere muss eine Unterscheidung zwischen Haupt- und Hilfsantrag möglich sein. 2. Sachvortrag Der Sachvortrag wird unter möglichst prägnanten und neutralen Überschriften geschildert, wobei mehrere Gliederungsebenen möglich sind.26 Grundsätzlich soll jede selbstständig relevante Aussage über den Lebenssachverhalt eine eigene Überschrift bekommen. Unter den einzelnen Überschriften werden dann die jeweiligen Ausführungen und Erläuterungen gemacht und gegebenenfalls

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Die Untergliederung des Sachvortrags stellt den zentralen Gedanken aktueller Vorschläge zur Verfahrensstrukturierung dar, vgl. exemplarisch Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179 (202); Gaier, ZRP 2015, 101 (103); Vorwerk, NJW 2017, 2326 (2328 f.)

B. Vorstellung des Konzepts

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Beweise angeboten. Im Laufe des Verfahrens können die Parteien ihre Ausführungen zu einem bestimmten Gliederungspunkt sukzessive ändern und ergänzen. Ebenso, wie im herkömmlichen schriftlichen Vorverfahren auf ein Bestreiten des Gegners mit der weiteren Substantiierung des Sachvortrags zu einem bestimmten Sachverhaltspunkt reagiert werden kann, ist auch in der Verfahrensdatei eine Überarbeitung des Vortrags möglich. Auf diese Weise ist die notwendige Flexibilität gewährleistet und es können zu jedem Zeitpunkt Angriffs- und Verteidigungsmittel neu eingeführt bzw. fallengelassen werden. Allerdings werden Redundanzen im Parteivortrag vermieden. Im herkömmlichen Zivilprozess können bislang ganze Textpassagen wortgleich und ohne Erkenntnisgewinn über mehrere Schriftsatzrunden wiederholt werden. Im seV ist dies nicht mehr möglich, die eigenen Ausführungen können nur sukzessive überarbeitet werden. Nach jeder in Form einer solchen Überarbeitung erfolgten Stellungnahme der Parteien kann zudem eine „Delta-Ansicht“ der vorgenommenen Änderungen erzeugt werden. Durch die Verfahrenschronik (dazu sogleich) wird gewährleistet, dass alle Änderungen auch langfristig nachvollziehbar bleiben. Die sukzessive Überarbeitung der Verfahrensdatei entspricht insofern den bisherigen Schriftsatzrunden. Wie gewohnt bestimmt das Gericht Fristen für die jeweiligen Stellungnahme (Klageerwiderung, Replik, Duplik usw.), die durch Überarbeitung der Verfahrensdatei erfolgen. Schließlich hat jede Partei die Möglichkeit, eine Zusammenfassung ihres Vortrags zu schreiben.27 Diese findet sich als separater, außerhalb der Struktur befindlicher Punkt und dient der schnelleren Einarbeitung und besseren Verständlichkeit.

Abb. 3.2: Übersicht zum Sachvortrag 27 Vgl. für eine solche „globale Konfliktschilderung“ schon Schwarz, Strukturierter Parteivortrag und elektronische Akte, S. 123 f.

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

3. Rechtsausführungen Auch die Rechtsausführungen sind zu strukturieren, und zwar entlang der Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Rechtsnorm.28 Ebenso wie beim Sachvortrag ist eine Gliederung mit mehreren Ebenen möglich. Eine solche Untergliederung kann beispielsweise notwendig sein, wenn das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals unter bestimmten weiteren Voraussetzungen gesetzlich vermutet wird.29 Sie kann aber auch sachdienlich sein, wenn sich die Definition einer gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzung selbst wieder durch verschiedene Merkmale auszeichnet. Die nachstehende Abbildung illustriert, wie auch Rechtsausführungen übersichtlich gegliedert dargestellt werden können.

Abb. 3.3: Übersicht zum Rechtsvortrag

4. Verknüpfung von Sachvortrag, rechtlicher Würdigung und Anträgen Der Sachvortrag, der Rechtsvortrag und die Anträge sind schließlich miteinander zu verknüpfen. Auf diese Weise wird klar erkennbar, auf welche Rechtsgrundlage sich jeder Antrag stützt und welcher Sachvortrag jeweils für relevant erachtet wird. Eine Zuordnung von einem Sachverhaltspunkt zu mehreren Tatbestandsmerkmalen ist dabei ebenso möglich wie die Zuordnung mehrerer Sachverhaltspunkte zu einem Tatbestandsmerkmal. Jeder Sachverhaltspunkt muss jedoch mindestens einem Tatbestandsmerkmal zugeordnet werden und 28

Ebenso Vorwerk, NJW 2017, 2326 (2328 f.); Schwarz, Strukturierter Parteivortrag und elektronische Akte, S. 146 hält eine detaillierte Strukturierung des rechtlichen Teils nicht für notwendig. 29 Vgl. oben, S. 40.

B. Vorstellung des Konzepts

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jedes Tatbestandsmerkmal bedarf mindestens eines zugeordneten Sachverhaltspunkts. Auf diese Weise wird überflüssiger (weil für die rechtliche Bewertung irrelevanter) und fehlender Sachvortrag schon bei der Schriftsatzerstellung als solcher erkenntlich. Einzige Ausnahme von diesem Verknüpfungszwang ist die Zusammenfassung jeder Partei, deren Inhalt keine rechtliche Relevanz zukommt. Die nachstehende Abbildung zeigt, wie eine solche Verknüpfungstabelle aussehen könnte.

Abb. 3.4: Verknüpfungstabelle

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

5. Verfahrenschronik Von zentraler Bedeutung ist schließlich die Verfahrenschronik. Hierüber kann eine Auswertung der Parteiausführungen in einer bestimmten Schriftsatzrunde erzeugt werden. Auf diese Weise kann der Stand aller Ausführungen einer Partei zu einem bestimmten Zeitpunkt (z.B. das klägerische Vorbringen zum Zeitpunkt der Replik) betrachtet werden. Außerdem können in der Verfahrenschronik alle Verfügungen und Beschlüsse des Gerichts und die gerichtliche Entscheidung eingesehen werden. Die Verfahrenschronik gibt also in erster Linie einen historischen Überblick zum gesamten Verfahrensverlauf. Darüber hinaus können hier weitere Funktionen, wie beispielsweise eine zentrale Anlagenübersicht und eine Übersicht aller Beweisangebote, integriert werden.

Abb. 3.5: Verfahrenschronik

IV. Strukturhoheit Die Gliederung des Sach- und Rechtsvortrags ist das bestimmende Merkmal des seV. Es drängt sich somit die Frage auf, wer die Struktur vorgibt. Diese Frage ist differenziert zu beantworten. 1. Sachvortrag Die Untergliederung des Sachvortrags ist Aufgabe der Parteien, der Kläger gibt die erste Struktur mit der Klage vor.30 Anschließend erwidert der Beklagte. 30 Ebenso Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in:

B. Vorstellung des Konzepts

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Dieser muss auf alle vom Kläger vorgegebenen Sachverhaltspunkte reagieren.31 Zusätzlich hat er die Möglichkeit, eigene (neue) Sachverhaltspunkte in die Gliederung einzubauen. Auf den Vortrag des Gegners gibt es vier mögliche Reaktionen: Zugeständnis, Bestreiten mit Nichtwissen, einfaches Bestreiten und qualifiziertes Bestreiten.32 Für die ersten drei Optionen sind keine Ausführungen notwendig. Die Reaktion könnte demnach mithilfe einer Schaltfläche am jeweiligen Sachvortragspunkte erfolgen.33 Lediglich das qualifizierte Bestreiten bedarf einer eigenen (Gegen-) Darstellung. Erwidert eine Partei auf einen bestimmten Sachvortrag der Gegenseite nicht, gilt dieser als zugestanden, wenn er nicht in der mündlichen Verhandlung bestritten wird. In dem Fall vermerkt das Gericht an dem Gliederungspunkt in der Verfahrensdatei, dass er mündlich bestritten wurde. Daneben kann die Struktur durch Vortrag eines neuen Sachverhaltspunktes erweitert und ergänzt werden.34 Erkennt eine Partei in den Ausführungen der Gegenseite zu einem Punkt zwei (oder mehr) separate Aussagen, die sie nur teilweise bestreiten will, kann sie einen Gliederungspunkt auch aufspalten. Der ursprüngliche Gliederungspunkt wird dann insgesamt als „bestritten“ angezeigt und es werden mit der neuen Stellungnahme unter diesem Punkt zwei (oder mehr) Unterpunkte erstellt. Im Verlaufe des Verfahrens wächst somit eine umfassend von den Parteien strukturierte Darstellung des Lebenssachverhalts. Es mag schon an dieser Stelle der Eindruck entstehen, dass mit dem „Aufschlagsrecht“ des Klägers in Bezug auf die Struktur der Verfahrensdatei eine Benachteiligung der Beklagtenseite einhergeht. Wie zu zeigen sein wird, sind diese Bedenken jedoch unbegründet.35

Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179 (202); die Idee der Beibringung des Tatsachenstoffs in Form gegliederter Einzelaussagen entstammt den Regelungen über den anwaltlichen Schriftsatz im englischen Recht, den pleadings, vgl. Zwickel, MDR 2016, 988 (990 f.); Bender/Schnelle, DRiZ 1993, 97 (101); Schwarz, Strukturierter Parteivortrag und elektronische Akte, S. 38–76 jeweils m.w.N. 31 Ablehnend Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179 (203). 32 Schwarz, Strukturierter Parteivortrag und elektronische Akte, S. 79, 136 f.; Gaier, ZRP 2015, 101 (102). 33 Ebenso Effer-Uhe, MDR 2019, 69 (71). 34 Effer-Uhe, MDR 2019, 69 (71). 35 Vgl. unten, S. 125 f.

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

2. Rechtsausführungen Der Aufbau der Struktur des Rechtsvortrags erfolgt im Grundsatz gleich dem des Sachvortrags. Das bedeutet, dass der Kläger die erste Gliederung mit seiner Klage vorgibt. Im Gegensatz zum Sachvortrag ist er allerdings bei der Strukturierung des Rechtsvortrags nicht frei, sondern muss sich an die dem jeweiligen Rechtssatz immanente Struktur halten.36 Im Einzelnen kann sich dies durchaus als schwierig erweisen, insbesondere wenn die rechtlichen Voraussetzungen unter den Parteien strittig sind oder sich die begehrte Rechtsfolge aus einer privatautonomen Vereinbarung ergibt. Beide Parteien können jedoch zu den von der Gegenseite erstellten Prüfungspunkten Stellung nehmen und die Struktur nach den eigenen Vorstellungen ergänzen. Damit ist die notwendige Flexibilität gewährleistet. Letztlich muss die rechtliche Würdigung des Sachvortrags jedoch vom Gericht vorgenommen werden. Nach Eingang der Klageerwiderung und fortan nach jeder Veränderung der Verfahrensdatei durch die Parteien kann das Gericht deshalb seine vorläufige Rechtsauffassung durch Vorschläge zur Umstrukturierung der rechtlichen Gliederung kundtun (dazu sogleich). Dies bedeutet auch, dass eine „falsche“ Verknüpfung durch die Parteien per se keine negative Auswirkung (z.B. Präklusion) hat. V. Aktive Verfahrensleitung durch das Gericht Dem Gericht kommt im seV eine aktive Rolle bei der Verfahrensleitung zu. Durch Vorschläge zur (Um-) Strukturierung des Rechtsvortrags kann es den Prozess materiell schon im Vorfeld der mündlichen Verhandlung leiten, den Prozessstoff zeitlich abschichten und Sachverständige und Zeugen anleiten. 1. Vorschläge zur (Um-) Strukturierung des Rechtsvortrags Die Beibringung und Strukturierung des Tatsachenstoffs ist Aufgabe der Parteien, die rechtlichen Schlussfolgerungen hieraus muss jedoch letztlich das Gericht ziehen. Dementsprechend hat das Gericht im seV die Möglichkeit, die von den Parteien erstellte Gliederung des rechtlichen Teils zu bestätigen, zu verändern oder zu ergänzen. Der entsprechende Strukturvorschlag kann im Anschluss an die von den Parteien jeweils vorgenommenen Veränderungen erfolgen. Im Falle eines gerichtlichen Vorschlags zur Umstrukturierung des Rechtsvortrags können die Parteien neue Sach- und Rechtsausführungen machen bzw. die Zuordnung ihres Sachvortrags zu den rechtlichen Prüfungspunkten überarbeiten.

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Roth, ZZP 2016, 3 (21); Petersen, FS Medicus 2009, S. 295 (295) sieht im Anspruchsaufbau insofern eine Abbildung des inneren Systems der Privatrechtsordnung; vgl. auch oben, S. 39–41.

B. Vorstellung des Konzepts

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2. Materielle Prozessleitung im Vorfeld der mündlichen Verhandlung Zur materiellen Prozessleitung im Vorfeld der mündlichen Verhandlung hat das Gericht auch im seV die Möglichkeit, zu einzelnen Punkten im Sach- und Rechtsvortrag Hinweise zu erteilen und vorläufige Überzeugungen oder Änderungen derselben kundzutun.37 Realisiert werden kann dies beispielsweise durch eine Kommentarfunktion in Verbindung mit einer „Ampelschaltung“ an den einzelnen Punkten im Sach- und Rechtsvortrag. Die Ampel ist standardmäßig ausgeschaltet. Das Gericht kann sie auf „Gelb“ stellen, wenn es signalisieren möchte, dass es zu einem Punkt noch unentschlossen ist. Soweit das Gericht vom Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltspunkts überzeugt ist, kann es die Ampel auf „Grün“ schalten. Wenn es die jeweilige Aussage für unsubstantiiert oder ungenügend bewiesen erachtet, kann es die Ampel auf „Rot“ stellen. Sofern eine Partei ihre Ausführungen zu einem bestimmten Gliederungspunkt überarbeitet hat, schaltet sich die Ampel wieder aus. Ebenso wie die Sachverhaltspunkte sind auch die rechtlichen Prüfungspunkte mit einer Ampelfunktion ausgestattet. Das Gericht kann mithin dazu Stellung beziehen, ob es das Parteivorbringen in einem bestimmten Punkt für schlüssig erachtet oder nicht. Mittels Kommentarfunktion können jeweils erläuternde Hinweise und Anmerkungen geben werden. 3. Abschichten des Prozessstoffs Darüber hinaus bietet die Untergliederung von Sach- und Rechtsvortrag durch die Parteien dem Gericht die Möglichkeit, das Verfahren auch anhand eines zeitlichen Ablaufplans zu steuern. Es kann beispielsweise die Parteien dazu auffordern, ihren Vortrag zunächst auf einzelne Angriffs- oder Verteidigungsmittel bzw. bestimmte Gliederungspunkte zu beschränken. Die Verfahrensdatei erleichtert dabei die Identifikation und Benennung der konkreten Streitpunkte. Zudem kann einer solchen verfahrensleitenden Anordnung des Gerichts technisch zum faktischen Zwang verholfen werden, indem die Möglichkeit zur Bearbeitung der Verfahrensdatei entsprechend eingeschränkt wird. 4. Anleitung von Sachverständigen Die Beauftragung von Sachverständigen kann dem Schema des Sachvortrags entsprechend erfolgen. Auf diese Weise können die Beweisfragen genau eingegrenzt und das Ergebnis der Beweiserhebung an den jeweils relevanten Stellen in die Verfahrensdatei integriert werden.

37 So auch Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179 (204).

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

VI. Mündliche Verhandlung Für die mündliche Verhandlung gibt es keine Verfahrensbesonderheiten. Aufgrund der vorangegangenen Strukturierungsarbeit können die verbliebenen Streitpunkte jedoch gezielter benannt und erörtert werden. VII. Anwendungsbereich Das seV soll das herkömmliche zivilprozessuale Erkenntnisverfahren ersetzen, soweit Anwaltszwang besteht. Konkret bedeutet dies, dass alle ordentlichen Gerichte außer den Amtsgerichten bei Zivilsachen im seV arbeiten müssen. Da das seV zumindest in der Theorie keine Nachteile im Vergleich zum herkömmlichen Verfahren aufweist,38 erscheint eine grundlegende Verfahrensreform im Vergleich zur Einführung des seV als neue, alternative Verfahrensart vorzugswürdig.39 Gleichwohl könnte eine Probezeit bestimmt werden, während welcher der Anwendungsbereich auf erstinstanzliche Verfahren vor den Landgerichten oder bestimmte Rechtsgebiete beschränkt bleibt. Nicht ratsam wäre es hingegen, das strukturierte Verfahren auch nur probeweise als Alternative zum klassischen Verfahren anzubieten. Wollte man nicht allein dem Kläger das Initiativrecht für das strukturierte Verfahren überlassen, entstünde jedenfalls diesem ein möglicherweise erheblicher Mehraufwand, wenn er zur nachträglichen Strukturierung seiner bereits ausgearbeiteten und eingereichten „klassischen“ Klage genötigt werden könnte. Es würde zudem die Frage aufgeworfen, ob und inwieweit ein Wechsel zwischen „klassischem“ und „strukturiertem“ Verfahren im laufenden Prozess möglich ist und inwiefern die Anordnung eines solchen Wechsels selbst (gerichtlich) überprüfbar ist. VIII. Zwischenergebnis Das hier vorgestellte Konzept basiert auf zwei Säulen. Zum einen soll das zivilprozessuale Erkenntnisverfahren an sich moderat reformiert werden. Diese Veränderungen bedürfen einer rechtlichen Einordnung, die im nächsten Abschnitt vorgenommen wird. Zum anderen soll ein maßgeblicher Teil der Verfahrensarbeit mithilfe eines Softwaresystems erfolgen. Die benutzerfreundliche und intuitive Ausgestaltung dieses Systems ist demnach essenziell.

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Siehe noch unten, S. 124–128. Ebenso Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179 (200); wohl auch Gaier, ZRP 2015, 101; a.A. Vorwerk, NJW 2017, 2326. 39

C. Rechtliche Einordnung

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Damit das vorgestellte Konzept in der Praxis Erfolg haben kann, bedarf es einer integrierten, das heißt aufeinander abgestimmten Umsetzung beider Säulen. Ziel muss ein softwaregestütztes Verfahrenssystem sein, das alle Beteiligten möglichst intuitiv und einfach durch das Erkenntnisverfahren leitet.

C. Rechtliche Einordnung C. Rechtliche Einordnung

Selbstverständlich können sich die inhaltlichen Veränderungen im Verfahrensablauf nicht allein über mögliche Effizienzgewinne rechtfertigen und die technische Umsetzung darf nicht die rechtliche Bewertung der eigentlichen Verfahrensänderung bestimmen.40 Stattdessen muss genau zwischen der rein technischen Ausgestaltung des Systems einerseits und den – einer rechtlichen Bewertung zu unterziehenden – Verfahrensänderungen andererseits differenziert werden. Die technische Ausgestaltung des Systems im Detail wäre letztlich Verwaltungsaufgabe der Länder.41 Es ergeben sich jedoch rechtlich einzuordnende Verfahrensänderungen hinsichtlich der Form und der inhaltlichen Strukturierung des Parteivortrags sowie der aktiven Verfahrensleitung durch das Gericht. I. Form Herkömmlicherweise hat das Gericht nach Eingang der Klageschrift entweder einen frühen ersten Termin oder ein schriftliches Vorverfahren anzuordnen, vgl. § 272 Abs. 2 ZPO. Beide Verfahrensweisen bezwecken eine umfassende Vorbereitung der mündlichen Hauptverhandlung.42 Häufig eignet sich das schriftliche Vorverfahren besser zur detaillierten Aufarbeitung komplexer Fälle.43 Doch auch im Falle eines frühen ersten Termins ist regelmäßig wenigstens eine schriftliche Klageerwiderung vorgesehen, vgl. § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO. Praktisch kommt den vorbereitenden Schriftsätzen größte Bedeutung zu, weshalb vom Prinzip der „schriftlich vorbereiteten Mündlichkeit“ gesprochen werden kann.44 40

Preuß, ZZP 2016, 421 (454). Vgl. oben, S. 9–11. 42 Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, § 272 Rn. 1; Prütting, in: MüKo ZPO, § 272 Rn. 1, 8. 43 Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, § 272 Rn. 5; Prütting, in: MüKo ZPO, § 272 Rn. 7; Die Anberaumung eines frühen ersten Termins bietet sich hingegen bei einfach gelagerten Fällen an und falls sich die Möglichkeit einer Erledigungserklärung, Klagerücknahme oder Vergleichsbereitschaft abzeichnet, vgl. Prütting, in: MüKo ZPO, § 272 Rn. 6; Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, § 272 Rn. 4. 44 Stürner, FS Kaissis, S. 992 (1002); vgl. auch Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179. 41

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

Das vorgeschlagene seV ist hiermit vereinbar. Durch das Erfordernis, innerhalb der Verfahrensdatei vorzutragen, wird lediglich die Ausgestaltung des schriftlichen Vorbringens verändert. Eine Verkürzung des Mündlichkeitsprinzips per se erfolgt nicht. Konstitutives Merkmal der Schriftlichkeit im Gegensatz zur Mündlichkeit ist das Festhalten von Information auf einem Speichermedium anstelle der flüchtigen mündlichen Übermittlung.45 Ob die Speicherung auf einem per Hand oder Drucker beschriebenen Papier oder in einer elektronischen Datei erfolgt, macht für die Abgrenzung zur Mündlichkeit keinen Unterschied. Die Arbeit mit der Verfahrensdatei modifiziert insofern lediglich die bereits vorhandenen Elemente der Schriftlichkeit, ohne deren Bedeutung oder Stellung im Verfahren zu ändern.46 II. Inhaltliche Strukturierung 1. Bisherige Vorgaben Zum Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze macht das Gesetz in §§ 130, 253 ZPO bislang wenige, überwiegend unverbindliche Vorgaben. Einzig die Klageschrift muss zwingend die Parteien und das Gericht bezeichnen sowie bestimmte Angaben zu Gegenstand und Grund des erhobenen Anspruchs machen und einen bestimmten Antrag enthalten, vgl. § 253 Abs. 2 ZPO. Inhaltlich müssen sich die Parteien also über die tatsächlichen Gegebenheiten des Lebenssachverhaltes äußern47 und die konkret begehrte Rechtsfolge benennen.48 In der Praxis werden zwar – jedenfalls bei Anwaltsprozessen – regelmäßig auch Rechtsausführungen gemacht. Seinem Mandanten gegenüber ist der Anwalt auch dazu verpflichtet, das Gericht von seiner Rechtsansicht möglichst zu überzeugen und Fehlentscheidungen entgegenzuwirken.49 Gleichwohl sind die Parteien nur zur Sachverhaltsdarstellung verpflichtet.50 Die Rechtsanwendung

45

Vgl. Fritsche, in: MüKo ZPO, § 128 Rn. 2. Hierfür auch Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179 (183); vgl. auch zu den Formfragen des elektronischen Rechtsverkehrs Fischer, KritV 2006, 43. 47 Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, § 253 Rn. 24 f. 48 Vgl. Becker-Eberhard, in: MüKo ZPO, § 253 Rn. 90 49 BVerfG, Beschluss vom 22. April 2009, Az.: 1 BvR 386/09, BVerfGK 15, 372 = NJW 2009, 2945; BGH, Urteil vom 5. November 1987, Az.: IX ZR 86/86, NJW 1988, 486; Urteil vom 18. Dezember 2008, Az.: IX ZR 179/07, NJW 2009, 987; Urteil vom 17. September 2009, Az.: IX ZR 74/08, NJW 2010, 73. 50 Hahn, Anwaltliche Rechtsausführungen im Zivilprozeß, S. 80. 46

C. Rechtliche Einordnung

101

hingegen, namentlich die Gesetzes- und Begriffsauslegung sowie die Subsumtion des Sachvortrags hierunter, ist Aufgabe des Gerichts.51 Genauere Vorgaben zur inhaltlichen Strukturierung des Sachverhalts oder der Rechtsausführungen macht das Gesetz nicht. 2. Reformbedarf Das vorgeschlagene Konzept für ein strukturiertes Verfahren bringt im Vergleich zu den bisherigen gesetzlichen Vorgaben auf den ersten Blick drei inhaltliche Neuerungen: den Rechtsvortrag, die notwendige Strukturierung von Sach- und Rechtsvortrag sowie die jeweilige Verknüpfung der einzelnen Punkte. Einer gesetzlichen Verpflichtung zu Rechtsausführungen bedarf es allerdings nicht. Ihrem Mandanten gegenüber sind Anwälte ohnehin dazu verpflichtet, Rechtsausführungen zu machen.52 In der Praxis wird deshalb regelmäßig mit entsprechendem Vortrag zu rechnen sein, ohne dass es einer eigenen Normierung bedarf. Soweit Rechtsausführungen gemacht werden, ist eine Strukturierung und Verknüpfung mit dem Sachvortrag nach dem vorgestellten Konzept natürlich notwendig. Verbindlich zu regeln bleibt folglich die Strukturierung des gesamten Vortrags und die Erstellung entsprechender Verknüpfungen innerhalb desselben. Als Ansatzpunkt für ein solches Strukturierungserfordernis käme möglicherweise § 130c ZPO in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit Zustimmung des Bundesrates dazu befugt, durch Rechtsverordnung elektronische Formulare mit der Maßgabe einzuführen, dass die dort enthaltenen Angaben ganz oder teilweise in strukturierter maschinenlesbarer Form zu übermitteln sind. Hierdurch wollte der Gesetzgeber eine effiziente, IT-gestützte Vorgangsbearbeitung ohne Medienbruch bei den Gerichten erleichtern53 Als mögliche Anwendungsfälle werden der Kostenfestsetzungsantrag, die Anzeige von Veränderungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im PKH-Verfahren und der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil oder einen Vollstreckungsbescheid genannt.54 Die Beispiele verdeutlichen, dass der Gesetzgeber offensichtlich das Verständnis eines „klassischen“ Formulars zugrunde legte, bei dem vordefinierte Felder 51 Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179 (188); a.A. Hahn, Anwaltliche Rechtsausführungen im Zivilprozeß, S. 442–444, demzufolge der Beibringungsgrundsatz zum „Rechtsverhandlungsgrundsatz“ zu erweitern sei, welcher die Beibringung von Rechtsinformation mitumfasst. 52 Vgl. oben, S. 100. 53 BT-Drs. 17/12634, S. 27. 54 BT-Drs. 17/12634, S. 27.

102

Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

ausgefüllt werden.55 Das vorgestellte Konzept will die Parteien jedoch gerade nicht an eine vordefinierte Struktur binden, insbesondere soll der Sachvortrag nicht strikt entlang etwaiger Tatbestandsmerkmale erfolgen müssen. Die Strukturierungsaufgabe wird vielmehr den Parteien selbst zugedacht. Dabei sollen sie kein fest vorgegebenes Formular ausfüllen, sondern in der Strukturierung flexibel bleiben.56 Insofern ist § 130c ZPO schon inhaltlich kein passender Anknüpfungspunkt für ein Strukturierungserfordernis. Bei einer sehr weiten Auslegung könnte man zwar auch den verwendeten technischen Datensatz als „Formular“ bezeichnen.57 Vordefiniert wäre insofern, in welcher Form beispielsweise ein Sachverhaltspunkt zu kodieren ist.58 Nach der Intention des Gesetzgebers bezieht sich die Formularermächtigung allerdings auf bestimmte Anwendungsfälle.59 Eine Anwendung auf die gesamte gerichtliche Kommunikation war nicht intendiert. Diesen Schluss legen in systematischer Hinsicht auch §§ 130a, 130b ZPO nahe, die gesonderte Vorgaben für (gerichtliche) elektronische Dokumente beinhalten und keine inhaltlichen Strukturvorgaben machen. Die Umsetzung des seV allein durch Verordnung nach § 130c ZPO scheidet demnach aus, es bedarf folglich einer Gesetzesänderung hinsichtlich des Strukturierungs- und Verknüpfungserfordernisses.60 III. Aktive Verfahrensleitung 1. Materielle Prozessleitung Die in § 139 ZPO normierten gerichtlichen Erörterungs- und Hinweispflichten bezwecken eine prozessfördernde Zusammenarbeit zwischen Gericht und Parteien, eine Konzentration auf die wesentlichen Streitfragen und damit letztlich eine Beschleunigung des Prozesses.61 Hauptanwendungsbereich von § 139 Abs. 1 ZPO ist die richterliche Pflicht, auf die Ergänzung ungenügenden Tatsachenvortrags hinzuwirken.62 Die Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses mit den Parteien bezieht sich neben der tatsächlichen aber auch auf die rechtliche Seite, § 139 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Trotz seiner Verortung im Titel zur mündlichen Verhandlung gilt § 139 ZPO im gesamten Verfahren bis zum Ur-

55

Vgl. zum klassischen Formular Gantner, Theorie der juristischen Formulare, S. 120–

134. 56 Die Befürchtung einer zu starken Standardisierung – vgl. etwa Kodek, ZZP 2002, 445 (480) – ist deshalb in Bezug auf das vorgestellte Konzept unbegründet. 57 Hierzu Gantner, Theorie der juristischen Formulare, S. 138 f. 58 Vgl. hierzu nochmals oben, S. 51. 59 BT-Drs. 17/12634, S. 27. 60 Vgl. unten, S. 106 f. 61 Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess, S. 103; Fritsche, in: MüKo ZPO, § 139 Rn. 2. 62 Fritsche, in: MüKo ZPO, § 139 Rn. 19.

C. Rechtliche Einordnung

103

teil, das heißt auch im schriftlichen Verfahren und im schriftlichen Vorverfahren,63 und zwar grundsätzlich auch ohne Einschränkung im Anwaltsprozess.64 Dabei sind Hinweise gem. § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen.65 Seit dem 1. Januar 2020 ist das Gericht nach § 139 Abs. 1 Satz 3 ZPO außerdem dazu befugt, durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren zu strukturieren und den Streitstoff abzuschichten.66 Dabei handelt es sich um eine klarstellende Ergänzung,67 durch die der Gesetzgeber einen Anreiz für die Gerichte setzen wollte, von den Möglichkeiten der Strukturierung und Abschichtung noch stärker als bislang Gebrauch zu machen.68 Das vorgestellte Konzept des seV fügt sich insofern sehr passend in das bestehende gesetzliche Rahmenwerk ein und gibt dem Gericht gleichzeitig die Mittel zur praktischen Umsetzung seiner materiellen Prozessleitungspflicht an die Hand. Durch die Vorschläge zur Strukturierung des Rechtsvortrags kann das Gericht das Verfahren im Sinne von § 139 Abs. 1 Satz 3 ZPO proaktiv strukturieren. Auch die „Abschichtung“ und sukzessive Abarbeitung des Prozessstoffs im Sinne der Vorschrift ist zentraler Bestandteil des seV.69 Durch die Ampelschaltung an den einzelnen Gliederungspunkten kann das Gericht seine (vorläufigen) Überzeugungen und Rechtsansichten visualisieren, mithilfe der Kommentarfunktion können erläuternde Ausführungen gemacht werden. Durch eine kleinere Anpassung von § 139 ZPO könnte klargestellt werden, dass Hinweise vom Gericht innerhalb der elektronischen Verfahrensdatei erteilt und nach Möglichkeit dem jeweiligen Gliederungspunkt zugeordnet werden sollen.70 Im Übrigen erleichtert das vorgestellte Konzept dem Gericht lediglich die Ausübung seiner bestehenden Befugnisse zur materiellen Prozessleitung nach § 139 ZPO und stellt hierfür geeignete technische Mittel zur Verfügung. Eine tiefgreifende Gesetzesänderungen ist insofern nicht erforderlich.

63

Fritsche, in: MüKo ZPO, § 139 Rn. 4. BGH Urteil vom 2. Februar 1993, Az.: XI ZR 58/92, NJW-RR 1993, 569 (570); Urteil vom 27. November 1996, Az.: VIII ZR 311/95, NJW-RR 1997, 441; Urteil vom 11. Februar 1999, Az.: VII ZR 399–97, BGHZ 140, 365 = NJW 1999, 1867 (1868); Urteil vom 25. Juni 2002, Az.: X ZR 83/00, NJW 2002, 3317 (3320); Urteil vom 5. Juni 2003, Az.: I ZR 234/00, NJW 2003, 3626 (3628); Fritsche, in: MüKo ZPO, § 139 Rn. 5; differenzierend Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, § 139 Rn. 6. 65 Zur Bedeutung einer frühzeitigen aktiven Verfahrensleitung durch das Gericht auch Gärtner, NJW 2017, 2596 (2598). 66 Vgl. dazu Gaier, NJW 2020, 177. 67 Krit. Stackmann, ZRP 2019, 193 (195), der von einem „funktionslosen Programmsatz“ spricht. 68 BT-Drs. 19/13828, S. 18. 69 Vgl. oben, S. 97. 70 Vgl. unten, S. 113. 64

104

Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

2. Beschränkung auf einzelne Angriffs- und Verteidigungsmittel Über § 146 ZPO wird dem Gericht schon nach aktueller Rechtslage die Möglichkeit eröffnet, den Prozessstoff in zeitlicher Hinsicht abzuschichten. Dafür kann es die Verhandlung zunächst auf bestimmte selbstständige Angriffs- oder Verteidigungsmittel beschränken. Die Begriffe Angriffs- und Verteidigungsmittel sind weit auszulegen und umfassen jedes sachliche und prozessuale Vorbringen, das der Durchsetzung bzw. Abwehr des geltend gemachten Anspruchs dient.71 Das vorgestellte Konzept fügt sich auch hier problemlos in geltendes Verfahrensrecht ein und ermöglicht dessen praktische Umsetzung. Durch die Strukturierung werden dem Gericht eine präzise Eingrenzung des Prozessstoffs nach § 146 ZPO und dessen sukzessive Abarbeitung praktisch erleichtert. Eine klarstellende Anpassung von § 146 ZPO könnte auch hier ratsam sein.72 3. Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen Das Gericht hat die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und kann ihm für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen erteilen, § 404a Abs. 1 ZPO. Die Leitung des Gerichts bezieht sich darauf, was genau der Sachverständige zu erforschen hat.73 Dabei hat das Gericht gem. Abs. 3 die Anknüpfungstatsachen vorzugeben, soweit sie nicht gem. Abs. 4 als Befundtatsachen von ihm ermittelt werden sollen.74 Es liegt auch hier auf der Hand, dass die Leitung des Sachverständigen durch die strukturierte Verfahrensdatei erleichtert werden kann. Die Eingrenzung der Tätigkeit und die Vorgabe der Anknüpfungstatsachen kann durch einen klar strukturierten Sachvortrag punktgenau und nachvollziehbar erfolgen. IV. Zwischenergebnis Im vorgestellten Konzept stellt das Strukturierungserfordernis die zentrale prozessuale Verfahrensänderung dar. Zu deren Umsetzung bedarf es einer Änderung der ZPO, ein entsprechender Vorschlag wird im nächsten Abschnitt unterbreitet. Die technische Ausgestaltung der Verfahrenssoftware fällt grundsätzlich in die Verwaltungszuständigkeit der Länder. Um eine bundeseinheitliche digitale Infrastruktur zu gewährleisten, könnte der Bund jedoch konkretisierende Vorgaben in Form einer Verordnung machen. Hierfür bietet sich eine Überarbeitung der Verordnungsermächtigung in § 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO an.

71

Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, § 146 Rn. 4. Vgl. unten, S. 114. 73 Zimmermann, in: MüKo ZPO, § 404a Rn. 3. 74 Zimmermann, in: MüKo ZPO, § 404a Rn. 5, 8. 72

D. Vorschlag zur Änderung der ZPO

105

Darüber hinaus sollten die Länder bestenfalls auch bei der technischen Umsetzung im Detail zusammenwirken und beispielsweise im E-Justice-Rat ein gemeinsames Softwaresystem entwickeln.

D. Vorschlag zur Änderung der ZPO D. Vorschlag zur Änderung der ZPO

Im Folgenden soll nun ein konkreter Vorschlag zur Änderung der ZPO unterbreitet werden.75 Die Änderung werden jeweils zunächst in synoptischer Form dargestellt und anschließend kurz erläutert. I. Änderung der §§ 128 bis 130 ZPO § 128 Grundsatz der Mündlichkeit; schriftliches Verfahren (alt) (1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich. (2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind. (3) Ist nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen. (4) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

§ 128 Grundsatz der Mündlichkeit; schriftliches oder elektronisches Verfahren (neu) (1) unverändert

(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze oder Bearbeitungen der elektronischen Verfahrensdatei eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind. (3) unverändert

(4) unverändert

75 Der Vorschlag beschränkt sich auf die zentralen Neuerungen durch das seV, ohne alle notwendigen Anpassungen erschöpfend darzustellen.

106

Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

§ 129 Vorbereitende Schriftsätze (alt) (1) In Anwaltsprozessen wird die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet. (2) In anderen Prozessen kann den Parteien durch richterliche Anordnung aufgegeben werden, die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abzugebende Erklärungen vorzubereiten. § 130 Inhalt der Schriftsätze (alt) Die Schriftsätze sollen enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen; 1a. die für eine Übermittlung elektronischer Dokumente erforderlichen Angaben, sofern eine solche möglich ist; 2. die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt; 3. die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse; 4. die Erklärung über die tatsächlichen Behauptungen des Gegners; 5. die Bezeichnung der Beweismittel, deren sich die Partei zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel; 6. die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, bei Übermittlung durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie.

§ 129 Elektronische Verfahrensdatei und vorbereitende Schriftsätze (neu) (1) In Anwaltsprozessen wird die mündliche Verhandlung durch Bearbeitung einer elektronischen Verfahrensdatei vorbereitet. (2) unverändert

§ 130 Inhalt der elektronischen Verfahrensdatei und der Schriftsätze (neu) (1) Die elektronische Verfahrensdatei enthält: 1. die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen; 1a. die für eine Übermittlung elektronischer Dokumente erforderlichen Angaben, sofern eine solche möglich ist; 2. die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt; 3. die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse; 4. die Erklärung über die tatsächlichen Behauptungen des Gegners; 5. die Bezeichnung der Beweismittel, deren sich die Partei zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel; 6. entfällt

D. Vorschlag zur Änderung der ZPO

107

(2) Die Angaben zu den tatsächlichen Verhältnissen sind in der Weise zu strukturieren, dass jede selbstständig relevante Aussage unter eigener Überschrift zu gliedern ist. Soweit Rechtsausführungen gemacht werden, sind diese nach den rechtlichen Prüfungspunkten zu untergliedern. (3) Die Parteien sind verpflichtet, ihren Vortrag an der vorhandenen Struktur zu orientieren und insbesondere zu sämtlichen Gliederungspunkten Stellung zu nehmen. Jede Partei kann die Struktur durch Aufspaltung vorhandener und Hinzufügung neuer Gliederungspunkte erweitern. (4) Soweit Rechtsausführungen gemacht werden, sind die rechtlichen Prüfungspunkte mit den auf sie gestützten Anträgen und den für sie jeweils relevanten tatsächlichen Behauptungen zu verknüpfen. (5) Schriftsätze gem. § 129 Abs. 2 sollen die unter Absatz 1 genannten Angaben enthalten sowie die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, bei Übermittlung durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie. Die Absätze 2 bis 4 finden auf Schriftsätze keine Anwendung.

In § 128 Abs. 1 ZPO wird nach dem Wort „Schriftsätze“ die Wörter „oder Bearbeitungen der elektronischen Verfahrensdatei“ eingefügt. In § 129 Abs. 1 ZPO wird das Wort „Schriftsätze“ durch die Wörter „Bearbeitung einer elektronischen Verfahrensdatei“ ersetzt. Diese Änderungen sind notwendig, da die mündliche Verhandlung im Anwaltsprozess nach Einführung des seV nicht mehr durch Schriftsätze, sondern nunmehr durch Bearbeitung einer elektronischen Verfahrensdatei vorbereitet wird. Im Parteiprozess besteht weiterhin die Möglichkeit zur Vorbereitung durch Schriftsätze, eine Änderung von § 129 Abs. 2 ZPO ist insofern nicht notwendig. In § 130 ZPO werden die Wörter „Schriftsätze sollen enthalten“ durch die Wörter „elektronische Verfahrensdatei enthält“ ersetzt und die Ziff. 6 gestrichen. Der bisherige Wortlaut wird Absatz 1 und ihm werden die vorstehend abgedruckten Absätze 2 bis 5 angefügt. Der neue Absatz 1 trägt dem Umstand Rechnung, dass es im seV nur noch eine zentrale Verfahrensdatei gibt, die vom

108

Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

Gericht und den Beteiligten bearbeitet wird. Der neue Absatz 2 führt das Strukturierungserfordernis ein, welches sich sowohl auf die Angaben zu den tatsächlichen Verhältnissen als auch – soweit sie gemacht werden – auf die Rechtsausführungen erstreckt. Dabei sollen in Bezug auf die tatsächlichen Verhältnisse jede selbstständig relevante Aussage und in Bezug auf die Rechtsausführungen jeder rechtliche Prüfungspunkt unter eigener Überschrift gegliedert werden. Den Parteien bleibt insofern jede inhaltliche Freiheit in Bezug auf ihren Vortrag, sie werden jedoch zu einer in sich schlüssigen Untergliederung verpflichtet. Der neue Absatz 3 stellt sicher, dass der Zweck des seV nicht dadurch konterkariert wird, dass die Parteien jeweils ihre eigene Gliederung erstellen, ohne auf die Ausführungen der Gegenpartei einzugehen. Der neue Absatz 4 enthält das für den hier unterbreiteten Vorschlag bestimmende Erfordernis einer Verknüpfung sämtlicher Gliederungspunkte. Durch den neuen Absatz 5 wird schließlich sichergestellt, dass es im Parteiprozess bei der bisherigen Gesetzeslage bleibt. II. Änderung des § 130a ZPO § 130a Elektronisches Dokument (alt)

(1) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der folgenden Absätze als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden.

(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die für

§ 130a Elektronisches Dokument und Bearbeitung der elektronischen Verfahrensdatei (neu) (1) unverändert

(1a)Im Anwaltsprozess sind vorbereitende Stellungnahmen, Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter nach Maßgabe der folgenden Absätze durch Bearbeitung der elektronischen Verfahrensdatei bei Gericht einzureichen. (2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die für die Übermittlung und Bearbeitung elektronischer Dokumente sowie die

D. Vorschlag zur Änderung der ZPO

109

die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen.

für die Bearbeitung der elektronischen Verfahrensdatei geeigneten technischen Rahmenbedingungen.

(3) Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind.

(3) Das elektronische Dokument und die Bearbeitung der elektronischen Verfahrensdatei müssen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind. (4) unverändert

(4) Sichere Übermittlungswege sind 1. der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt, 2. der Übermittlungsweg zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts, 3. der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts; das Nähere regelt die Verordnung nach Absatz 2 Satz 2, 4. sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.

110

Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

(5) Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen. (6) Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und auf die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.

(5) Elektronische Dokumente und Bearbeitungen der Verfahrensdatei sind eingegangen, sobald sie auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert sind. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen. (6) unverändert

In § 130a ZPO wird nach Absatz 1 der vorstehend abgedruckte Absatz 1a eingefügt. Die Absätze 2, 3 und 5 werden ergänzt, sodass sie auch Bearbeitungen der elektronischen Verfahrensdatei umfassen. Bei diesem Änderungsvorschlag wird die Bearbeitung in Form einer elektronischen Datei, welche die vorgenommenen Änderungen innerhalb der elektronischen Verfahrensdatei beinhaltet, versandt. Der Vorschlag stellt jedoch nur eine Möglichkeit zur technischen Implementierung und Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens für das seV dar. Die Speicherung und Bearbeitung der Verfahrensdatei kann technisch auch auf andere Weise realisiert werden.76 Ebenso könnte man die Datei mit den Bearbeitungen der elektronischen Verfahrensdatei selbst als elektronisches Dokument § 130a ZPO qualifizieren. In Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung wäre zudem das Zustellungsrecht (insbesondere §§ 169, 174 ZPO) anzupassen. III. Änderungen der §§ 131 bis 134 ZPO § 131 Beifügung von Urkunden (alt) (1) Dem vorbereitenden Schriftsatz sind die in den Händen der Partei befindlichen Urkunden, auf die in dem Schriftsatz Bezug genommen wird, in Abschrift beizufügen. 76

Vgl. oben, S. 88 f.

§ 131 Beifügung von Urkunden (neu) (1) unverändert

D. Vorschlag zur Änderung der ZPO (2) Kommen nur einzelne Teile einer Urkunde in Betracht, so genügt die Beifügung eines Auszugs, der den Eingang, die zur Sache gehörende Stelle, den Schluss, das Datum und die Unterschrift enthält. (3) Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder von bedeutendem Umfang, so genügt ihre genaue Bezeichnung mit dem Erbieten, Einsicht zu gewähren.

111

(2) unverändert

(3) unverändert

(4) Im Anwaltsprozess gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend für die Einfügung von Urkunden in die elektronische Verfahrensdatei. § 132 Fristen für Schriftsätze (alt) (1) Der vorbereitende Schriftsatz, der neue Tatsachen oder ein anderes neues Vorbringen enthält, ist so rechtzeitig einzureichen, dass er mindestens eine Woche vor der mündlichen Verhandlung zugestellt werden kann. Das Gleiche gilt für einen Schriftsatz, der einen Zwischenstreit betrifft. (2) Der vorbereitende Schriftsatz, der eine Gegenerklärung auf neues Vorbringen enthält, ist so rechtzeitig einzureichen, dass er mindestens drei Tage vor der mündlichen Verhandlung zugestellt werden kann. Dies gilt nicht, wenn es sich um eine schriftliche Gegenerklärung in einem Zwischenstreit handelt.

§ 132 Fristen für Schriftsätze (neu) (1) unverändert

(2) unverändert

(3) Im Anwaltsprozess gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend für die Bearbeitung der elektronischen Verfahrensdatei. § 133 Abschriften (alt) (1) Die Parteien sollen den Schriftsätzen, die sie bei dem Gericht einreichen, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften der Schriftsätze und deren Anlagen beifügen. Das gilt nicht für elektronisch übermittelte Dokumente sowie für Anlagen, die dem Gegner in Urschrift oder in Abschrift vorliegen.

§ 133 Abschriften (neu) (1) Die Parteien sollen den Schriftsätzen, die sie bei dem Gericht einreichen, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften der Schriftsätze und deren Anlagen beifügen. Das gilt nicht für elektronisch übermittelte Dokumente, Bearbeitungen der elektronischen Verfahrensdatei sowie für Anlagen, die dem Gegner in Urschrift oder in Abschrift vorliegen.

112

Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

(2) Im Falle der Zustellung von Anwalt zu Anwalt (§ 195) haben die Parteien sofort nach der Zustellung eine für das Prozessgericht bestimmte Abschrift ihrer vorbereitenden Schriftsätze und der Anlagen bei dem Gericht einzureichen.

(2) unverändert

§ 134 Einsicht von Urkunden (alt) (1) Die Partei ist, wenn sie rechtzeitig aufgefordert wird, verpflichtet, die in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf die sie in einem vorbereitenden Schriftsatz Bezug genommen hat, vor der mündlichen Verhandlung auf der Geschäftsstelle niederzulegen und den Gegner von der Niederlegung zu benachrichtigen.

§ 134 Einsicht von Urkunden (neu) (1) unverändert

(2) Der Gegner hat zur Einsicht der Urkunden eine Frist von drei Tagen. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert oder abgekürzt werden.

(2) unverändert

(3) Im Anwaltsprozess gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend für Bezugnahmen in der elektronischen Verfahrensdatei.

Den §§ 131, 132 und 134 ZPO wird jeweils ein neuer Absatz angefügt, der eine Entsprechungsklausel für das seV beinhaltet. In § 133 Abs. 1 ZPO werden nach dem Wort „Dokumente“ die Wörter „Bearbeitungen der elektronischen Verfahrensdatei“ eingefügt. Es handelt sich hier um ein Beispiel mittelbar notwendiger Anpassungen, die sich aus der Ablösung der herkömmlichen Schriftsätze durch die Bearbeitung der elektronischen Verfahrensdatei im Anwaltsprozess ergeben. IV. Änderung des § 139 ZPO § 139 Materielle Prozessleitung (alt) (1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und

§ 139 Materielle Prozessleitung (neu) (1) unverändert

D. Vorschlag zur Änderung der ZPO

(2)

(3)

(4)

(5)

vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten. Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien. Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen. Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig. Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

113

(2) unverändert

(3) unverändert

(4) unverändert

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz, im Anwaltsprozess durch Bearbeitung der elektronischen Verfahrensdatei, nachbringen kann. (6) Im Anwaltsprozess soll das Gericht Hinweise nach dieser Vorschrift soweit möglich dem jeweiligen Gliederungspunkt innerhalb der elektronischen Verfahrensdatei zuordnen. (7) Im Anwaltsprozess kann das Gericht eine taugliche Struktur für Rechtsausführungen in der Verfahrensdatei vorschlagen.

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

In § 139 ZPO wird in Absatz 5 nach dem Wort „Schriftsatz“ die Wörter „im Anwaltsprozess durch Bearbeitung der elektronischen Verfahrensdatei“ eingefügt und die vorstehend abgedruckten neuen Absätze 6 und 7 angefügt. Die Änderung in Absatz 5 trägt dem Umstand Rechnung, dass es nach Einführung des seV im Anwaltsprozess keine Schriftsätze mehr gibt, sondern die jeweiligen Stellungnahmen durch Bearbeitung der elektronischen Verfahrensdatei erfolgen. Der neue Absatz 6 hält die Gerichte dazu an, Hinweise nach der Vorschrift soweit möglich dem jeweiligen Gliederungspunkt zuzuordnen, auf den sie sich beziehen. Durch die präzise Erteilung der gerichtlichen Hinweise wird eine effiziente juristische Arbeit ermöglicht und der Rechtsfindungsvorgang transparent gestaltet. Der neue Absatz 7 ermöglicht es dem Gericht, eine Struktur für die Rechtsausführungen innerhalb der Verfahrensdatei vorzugeben und schafft damit ein konkretes Mittel zur Verfahrensstrukturierung im Sinne von Absatz 1 Satz 3. V. Änderung des § 146 ZPO § 146 Beschränkung auf einzelne Angriffsund Verteidigungsmittel (alt) Das Gericht kann anordnen, dass bei mehreren auf denselben Anspruch sich beziehenden selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsmitteln (Klagegründen, Einreden, Repliken usw.) die Verhandlung zunächst auf eines oder einige dieser Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu beschränken sei.

§ 146 Beschränkung auf einzelne Angriffsund Verteidigungsmittel (neu) Das Gericht kann anordnen, dass bei mehreren auf denselben Anspruch sich beziehenden selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsmitteln (Klagegründen, Einreden, Repliken usw.) die Verhandlung zunächst auf eines oder einige dieser Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu beschränken sei. Im Anwaltsprozess kann es die Möglichkeit zur Bearbeitung der Verfahrensdatei in Bezug auf einzelne Gliederungspunkte einschränken.

Dem bisherigen Wortlaut des § 146 ZPO wird vorstehend abgedruckter Satz 2 angefügt. Das Gericht erhält hierdurch die Befugnis, die Möglichkeit zur Bearbeitung der Verfahrensdatei einzuschränken. Dadurch kann es die Beschränkung auf einzelne Angriffs- und Verteidigungsmittel technisch durchsetzen. Alternativ zur hier vorgeschlagenen Änderung des § 146 ZPO könnte diese Befugnis auch in § 139 ZPO verortet werden. In dem Fall wäre sie nicht auf selbstständige Angriffs- und Verteidigungsmittel beschränkt, sondern könnte sich – anknüpfend an § 139 Abs. 1 Satz 3 ZPO – auch auf einzelne Tatbestandsvoraussetzungen von Anspruchsgrundlagen, Einwendungen und Einreden beziehen.77

77

Vgl. Gaier, NJW 2020, 177 (178).

D. Vorschlag zur Änderung der ZPO

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VI. Änderung der §§ 253, 271 ZPO § 253 Klageschrift (alt) (1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; 2. die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten: 1. die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; 2. die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; 3. eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen. (4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden. (5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die

§ 253 Klagedatei (neu) (1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung einer Klagedatei. (2) Die Klagedatei muss enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; 2. die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag; 3. sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen. (3) Die Klagedatei soll ferner enthalten: 1. die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; 2. die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; 3. eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen. (4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze und die elektronische Verfahrensdatei auch auf die Klagedatei anzuwenden. (5) Die Klagedatei ist bei dem Gericht elektronisch einzureichen. Aus der Klagedatei erstellt das Gericht die elektronische Verfahrensdatei. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die für die Einreichung der Klagedatei und die Erstel-

116

Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

lung der elektronischen Verfahrensdatei geeigneten technischen Rahmenbedingungen.

§ 271 Zustellung der Klageschrift (alt) (1) Die Klageschrift ist unverzüglich zuzustellen.

§ 271 Zustellung der Klagedatei (neu) (1) Die Klagedatei ist unverzüglich auszudrucken, mit einem Vermerk nach § 298 Absatz 3 und einer Erklärung darüber, wie auf die elektronische Verfahrensdatei zugegriffen werden kann, zu versehen und zuzustellen. (2) unverändert

(2) Mit der Zustellung ist der Beklagte aufzufordern, einen Rechtsanwalt zu bestellen, wenn er eine Verteidigung gegen die Klage beabsichtigt.

Innerhalb des § 253 ZPO werden im Absatz 1 die Wörter „eines Schriftsatzes (Klageschrift)“ durch die Wörter „einer Klagedatei“ ersetzt. In Absatz 2 wird das Wort „Klageschrift“ durch das Wort „Klagedatei“ ersetzt und die vorstehend abgedruckte Ziffer 3 angefügt. In Absatz 3 wird das Wort „Klageschrift“ durch das Wort „Klagedatei“ ersetzt. Die Absätze 4 und 5 werden wie vorstehend abgedruckt neugefasst. In § 271 Abs. 1 ZPO wird das Wort „Klageschrift“ durch das Wort „Klagedatei“ ersetzt und vor dem Wort „unverzüglich“ die Wörter „auszudrucken, mit einem Vermerk nach § 298 Abs. 3 und einer Erklärung darüber, wie auf die elektronische Verfahrensdatei zugegriffen werden kann, zu versehen und“ eingefügt. Durch die Änderungen wird festgelegt, wie eine Klage im seV zu erheben ist. Dies geschieht durch Einreichung einer elektronischen Klagedatei, aus der das Gericht die elektronische Verfahrensdatei erstellt. Die hierfür geeigneten technischen Rahmenbedingungen werden durch Rechtsverordnung des Bundes bestimmt. Es wird an dieser Stelle die Notwendigkeit eines abgestimmten Vorgehens bei der Umsetzung des seV deutlich – das seV kann nicht ohne einen detaillierten Plan zur technischen Umsetzung eingeführt werden.78 Im seV gibt es keine Klageschrift mehr, die dem Gegner zugestellt werden könnte. Es ergibt sich folglich die Notwendigkeit einer anderweitigen Klagezustellung.79 Da der Gegner zum Zeitpunkt der Klageerhebung regelmäßig noch nicht anwaltlich vertreten wird und dementsprechend keinen Zugriff auf die elektronische Verfahrensdatei haben kann, kommt hierfür nur eine schriftliche Benachrichtigung in Form eines Ausdrucks der Klagedatei in Betracht. Für die Übersetzung der elektronischen Signatur in die Papierform ist dabei ein

78

Vgl. oben, S. 88. Vgl. in diesem Zusammenhang Stürner, Die elektronische Zustellung im Kontext des digitalen Zivilprozesses, in: Weller/Wendland (Hrsg.), Digital Single Market, S. 191. 79

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D. Vorschlag zur Änderung der ZPO

Transfervermerk nach § 298 Abs. 3 ZPO erforderlich.80 Dem Ausdruck ist eine Erklärung beizufügen, wie auf die elektronische Verfahrensdatei zugegriffen werden kann. Vorstellbar wäre insofern beispielsweise die Übersendung einer Kennung und eines Passworts, mit dem ein zugelassener Anwalt im Namen seines Mandanten auf die elektronische Verfahrensdatei zugreifen und damit gleichzeitig seine Bestellung anzeigen könnte. Es ist zu beachten, dass sich die Vorschriften im ersten Abschnitt des zweiten Buches der ZPO befinden, sodass eine Unterscheidung zwischen Anwaltsprozess und sonstigen Verfahren systematisch verfehlt erscheint. Dies macht allerdings eine Anpassung aller Vorschriften notwendig, die auf das Verfahren vor den Landgerichten verweisen. Um dies zu vermeiden könnte alternativ zum vorstehenden Vorschlag eine explizite Beschränkung der Änderungen auf den Anwaltsprozess nach dem Vorbild der Änderungsvorschläge unter (I) bis (V) erfolgen. VII. Änderung der §§ 272 bis 282 ZPO § 272 Bestimmung der Verfahrensweise (alt) (1) Der Rechtsstreit ist in der Regel in einem umfassend vorbereiteten Termin zur mündlichen Verhandlung (Haupttermin) zu erledigen. (2) Der Vorsitzende bestimmt entweder einen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung (§ 275) oder veranlasst ein schriftliches Vorverfahren (§ 276). (3) Die Güteverhandlung und die mündliche Verhandlung sollen so früh wie möglich stattfinden. (4) Räumungssachen sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen.

§ 272 Bestimmung weise (neu) (1) unverändert

der

Verfahrens-

§ 273 Vorbereitung des Termins (alt) (1) Das Gericht hat erforderliche vorbereitende Maßnahmen rechtzeitig zu veranlassen. (2) Zur Vorbereitung jedes Termins kann der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Prozessgerichts insbesondere 1. den Parteien die Ergänzung oder Erläuterung ihrer vorbereitenden

§ 273 Vorbereitung des Termins (neu) (1) unverändert

(2) Der Vorsitzende bestimmt entweder einen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung (§ 275) oder veranlasst ein elektronisches Vorverfahren (§ 276). (3) unverändert

(4) unverändert

(2) Zur Vorbereitung jedes Termins kann der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Prozessgerichts insbesondere 1. den Parteien die Ergänzung oder Erläuterung ihrer vorbereitenden

80 Ulrich/Schmieder, JurPC Web-Dok. 56/2017 (Rn. 12 f.); zur Problematik des Medientransfers auch Ehrmann/Streyl, NZM 2019, 873 (874 f.).

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren Schriftsätze aufgeben, insbesondere eine Frist zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte setzen;

2. Behörden oder Träger eines öffentlichen Amtes um Mitteilung von Urkunden oder um Erteilung amtlicher Auskünfte ersuchen; 3. das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen; 4. Zeugen, auf die sich eine Partei bezogen hat, und Sachverständige zur mündlichen Verhandlung laden sowie eine Anordnung nach § 378 treffen; 5. Anordnungen nach den §§ 142, 144 treffen. (3) Anordnungen nach Absatz 2 Nr. 4 und, soweit die Anordnungen nicht gegenüber einer Partei zu treffen sind, 5 sollen nur ergehen, wenn der Beklagte dem Klageanspruch bereits widersprochen hat. Für die Anordnungen nach Absatz 2 Nr. 4 gilt § 379 entsprechend. (4) Die Parteien sind von jeder Anordnung zu benachrichtigen. Wird das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet, so gelten die Vorschriften des § 141 Abs. 2, 3. § 274 Ladung der Parteien; Einlassungsfrist (alt) (1) Nach der Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung ist die Ladung der Parteien durch die Geschäftsstelle zu veranlassen. (2) Die Ladung ist dem Beklagten mit der Klageschrift zuzustellen, wenn das Gericht einen frühen ersten Verhandlungstermin bestimmt. (3) Zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Termin zur mündlichen Verhandlung muss ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen liegen (Einlassungsfrist). Ist die Zustellung im Ausland vorzunehmen, so beträgt die Einlassungsfrist einen Monat. Der

Stellungnahmen durch Bearbeitung der elektronischen Verfahrensdatei aufgeben, insbesondere eine Frist zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte setzen; 2. Behörden oder Träger eines öffentlichen Amtes um Mitteilung von Urkunden oder um Erteilung amtlicher Auskünfte ersuchen; 3. das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen; 4. Zeugen, auf die sich eine Partei bezogen hat, und Sachverständige zur mündlichen Verhandlung laden sowie eine Anordnung nach § 378 treffen; 5. Anordnungen nach den §§ 142, 144 treffen. (3) unverändert

(4) unverändert

§ 274 Ladung der Parteien; Einlassungsfrist (neu) (1) unverändert

(2) Die Ladung ist dem Beklagten mit der Klagedatei zuzustellen, wenn das Gericht einen frühen ersten Verhandlungstermin bestimmt. (3) Zwischen der Zustellung der Klagedatei und dem Termin zur mündlichen Verhandlung muss ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen liegen (Einlassungsfrist). Ist die Zustellung im Ausland vorzunehmen, so beträgt die Einlassungsfrist einen Monat. Der

D. Vorschlag zur Änderung der ZPO

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Vorsitzende kann auch eine längere Frist bestimmen.

Vorsitzende kann auch eine längere Frist bestimmen.

§ 275 Früher erster Termin (alt) (1) Zur Vorbereitung des frühen ersten Termins zur mündlichen Verhandlung kann der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Prozessgerichts dem Beklagten eine Frist zur schriftlichen Klageerwiderung setzen. Andernfalls ist der Beklagte aufzufordern, etwa vorzubringende Verteidigungsmittel unverzüglich durch den zu bestellenden Rechtsanwalt in einem Schriftsatz dem Gericht mitzuteilen; § 277 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend.

§ 275 Früher erster Termin (neu) (1) Zur Vorbereitung des frühen ersten Termins zur mündlichen Verhandlung kann der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Prozessgerichts dem Beklagten eine Frist zur elektronischen Klageerwiderung setzen. Andernfalls ist der Beklagte aufzufordern, etwa vorzubringende Verteidigungsmittel unverzüglich durch den zu bestellenden Rechtsanwalt in einem Schriftsatz dem Gericht mitzuteilen; § 277 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. (2) unverändert

(2) Wird das Verfahren in dem frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung nicht abgeschlossen, so trifft das Gericht alle Anordnungen, die zur Vorbereitung des Haupttermins noch erforderlich sind. (3) Das Gericht setzt in dem Termin eine Frist zur schriftlichen Klageerwiderung, wenn der Beklagte noch nicht oder nicht ausreichend auf die Klage erwidert hat und ihm noch keine Frist nach Absatz 1 Satz 1 gesetzt war. (4) Das Gericht kann dem Kläger in dem Termin oder nach Eingang der Klageerwiderung eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageerwiderung setzen. Außerhalb der mündlichen Verhandlung kann der Vorsitzende die Frist setzen.

(3) Das Gericht setzt in dem Termin eine Frist zur elektronischen Klageerwiderung, wenn der Beklagte noch nicht oder nicht ausreichend auf die Klage erwidert hat und ihm noch keine Frist nach Absatz 1 Satz 1 gesetzt war. (4) Das Gericht kann dem Kläger in dem Termin oder nach Eingang der Klageerwiderung eine Frist zur elektronischen Stellungnahme auf die Klageerwiderung setzen. Außerhalb der mündlichen Verhandlung kann der Vorsitzende die Frist setzen.

§ 276 Schriftliches Vorverfahren (alt) (1) Bestimmt der Vorsitzende keinen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung, so fordert er den Beklagten mit der Zustellung der Klage auf, wenn er sich gegen die Klage verteidigen wolle, dies binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht schriftlich anzuzeigen; der Kläger ist von der Aufforderung zu unterrichten. Zugleich ist dem Beklagten eine Frist von

§ 276 Elektronisches Vorverfahren (neu) (1) Bestimmt der Vorsitzende keinen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung, so fordert er den Beklagten mit der Zustellung der Klagedatei auf, wenn er sich gegen die Klage verteidigen wolle, dies binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klagedatei dem Gericht elektronisch anzuzeigen; der Kläger ist von der Aufforderung zu unterrichten. Zugleich ist dem Beklagten eine Frist von

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

mindestens zwei weiteren Wochen zur schriftlichen Klageerwiderung zu setzen. Ist die Zustellung der Klage im Ausland vorzunehmen, so beträgt die Frist nach Satz 1 einen Monat. Der Vorsitzende kann in diesem Fall auch eine längere Frist bestimmen. (2) Mit der Aufforderung ist der Beklagte über die Folgen einer Versäumung der ihm nach Absatz 1 Satz 1 gesetzten Frist sowie darüber zu belehren, dass er die Erklärung, der Klage entgegentreten zu wollen, nur durch den zu bestellenden Rechtsanwalt abgeben kann. Die Belehrung über die Möglichkeit des Erlasses eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 hat die Rechtsfolgen aus den §§ 91 und 708 Nr. 2 zu umfassen. (3) Der Vorsitzende kann dem Kläger eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageerwiderung setzen.

§ 277 Klageerwiderung; Replik (alt) (1) In der Klageerwiderung hat der Beklagte seine Verteidigungsmittel vorzubringen, soweit es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht. Die Klageerwiderung soll ferner eine Äußerung dazu enthalten, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen. (2) Der Beklagte ist darüber, dass die Klageerwiderung durch den zu bestellenden Rechtsanwalt bei Gericht einzureichen ist, und über die Folgen einer Fristversäumung zu belehren. (3) Die Frist zur schriftlichen Klageerwiderung nach § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 beträgt mindestens zwei Wochen. (4) Für die schriftliche Stellungnahme auf die Klageerwiderung gelten Absatz 1 Satz 1 und Absätze 2 und 3 entsprechend.

mindestens zwei weiteren Wochen zur elektronischen Klageerwiderung zu setzen. Ist die Zustellung der Klagedatei im Ausland vorzunehmen, so beträgt die Frist nach Satz 1 einen Monat. Der Vorsitzende kann in diesem Fall auch eine längere Frist bestimmen. (2) unverändert

(3) Der Vorsitzende kann dem Kläger eine Frist zur elektronischen Stellungnahme auf die Klageerwiderung setzen. § 277 Klageerwiderung; Replik (neu) (1) unverändert

(2) unverändert

(3) Die Frist zur elektronischen Klageerwiderung nach § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 beträgt mindestens zwei Wochen. (4) Für die elektronische Stellungnahme auf die Klageerwiderung gelten Absatz 1 Satz 1 und Absätze 2 und 3 entsprechend.

D. Vorschlag zur Änderung der ZPO § 282 Rechtzeitigkeit des Vorbringens (alt) (1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht. (2) Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag. (3) Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, hat der Beklagte gleichzeitig und vor seiner Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen. Ist ihm vor der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt, so hat er die Rügen schon innerhalb der Frist geltend zu machen. § 283 Schriftsatzfrist für Erklärungen zum Vorbringen des Gegners (alt) Kann sich eine Partei in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist, so kann auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann; gleichzeitig wird ein Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumt. Eine fristgemäß eingereichte Erklärung muss, eine verspätet eingereichte Erklärung kann das Gericht bei der Entscheidung berücksichtigen.

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§ 282 Rechtzeitigkeit des Vorbringens (neu) (1) unverändert

(2) Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung durch Bearbeitung der elektronischen Verfahrensdatei so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag. (3) unverändert

§ 283 Frist für Erklärungen zum Vorbringen des Gegners (neu) Kann sich eine Partei in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist, so kann auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in durch Bearbeitung der elektronischen Verfahrensdatei nachbringen kann; gleichzeitig wird ein Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumt. Eine fristgemäß eingereichte Erklärung muss, eine verspätet eingereichte Erklärung kann das Gericht bei der Entscheidung berücksichtigen.

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

Die vorstehend abgedruckten Änderungen tragen dem Umstand Rechnung, dass die herkömmlichen Schriftsatzrunden im seV durch eine sukzessive Bearbeitung der elektronischen Verfahrensdatei ersetzt werden. In prozeduraler Hinsicht ändert sich allerdings nichts. Die Bearbeitung erfolgt nicht etwa parallel durch alle Beteiligten, sondern das Gericht setzt weiterhin rundenbasierte Fristen für die Stellungnahmen durch die Parteien. Es ist auch hier darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Vorschlag aus systematischen Gründen keine dezidierte Beschränkung auf den Anwaltsprozess aufgenommen wurde, was eine Anpassung weiterer Vorschriften notwendig macht.81

E. Chancen und Risiken E. Chancen und Risiken

Der vorstehend unterbreitete Vorschlag soll im Folgenden kritisch in Bezug auf die zu erwartenden Auswirkungen in der Praxis überprüft werden. Nach einer Darstellung der Chancen, die das seV bietet, werden deshalb auch mögliche Risiken untersucht, die mit einer Einführung verbunden sein könnten. I. Chancen 1. Effizienzgewinne Das seV verheißt an erster Stelle eine enorme Zeitersparnis für den Richter. Musste er sich bislang den relevanten Tatsachenvortrag mühsam aus den Schriftsätzen zusammensuchen und den Streitstoff im Wege der Relation herausarbeiten, wird diese Aufgabe nun durch die Parteien und die Software erledigt. Durch die sukzessive Überarbeitung des Parteivortrags wird auch redundanten Parteiausführungen über mehrere Schriftsätze hinweg entgegengewirkt. Darüber hinaus können mithilfe der elektronischen Verfahrensdatei auch Relationstabellen und andere inhaltliche Auswertungen (z.B. Beweismittel- und Anlagenverzeichnisse oder Zusammenstellungen zu einem bestimmten Gliederungspunkt) erzeugt werden. Denkbar ist außerdem, dass Beweisbeschlüsse automatisiert per Knopfdruck erstellt werden können, wenn ein bestimmter Sachvortragspunkt zwischen den Parteien streitig ist und ein entsprechendes Beweisangebot vorliegt.82 Durch die Strukturierung innerhalb der Verfahrensdatei können Textbausteine sowohl aufseiten der Parteien als auch bei Gericht bestimmten Sach- oder Rechtsfragen zugeordnet, abgespeichert und bei ähnlichen Fällen wiederverwendet werden.83 Soweit eine solche Standardisierung 81

Vgl. bereits oben, S. 117. Köbler, DRiZ 2018, 88 (91); Herberger/Köbler, AnwBl 2019, 351. 83 Vgl. Breidenbach, Industrialisierung des Rechts, in: Breidenbach/Glatz (Hrsg.), Rechtshandbuch Legal Tech, S. 37 (37–45); Fries, NJW 2016, 2860 (2864); Specht, MMR 82

E. Chancen und Risiken

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von Textbausteinen nur Ausgangspunkt der juristischen Arbeit ist und gleichzeitig genügend Raum für Individualität belässt, könnte sie den Bedürfnissen der professionellen Nutzer in der Praxis durchaus entgegenkommen.84 Schließlich erleichtert die strukturierte Verfahrensdatei auch eine effiziente Überprüfung im Rechtsmittelverfahren. Dem Rechtmittelgericht wird die Einarbeitung in den Fall erleichtert und es kann auf die bereits vorhandene Struktur aufgebaut werden. 2. Transparentere Rechtsfindung Das seV ermöglicht einen transparenteren Rechtsfindungsvorgang. Die Verknüpfung von Sach- und Rechtsvortrag visualisiert den Vorgang der juristischen Subsumtion. Durch die jeweilige Gliederung erhält das Gericht die Möglichkeit, im Rahmen der aktiven Verfahrensleitung sehr präzise Hinweise zu geben. Die Erwägungen des Gerichts werden insofern für die Parteien besser nachvollziehbar, was auch im Hinblick auf § 313 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 ZPO begrüßenswert ist.85 Möglicherweise könnte die so geschaffene Transparenz auch zu einer vermehrten Erledigung von Rechtsstreitigkeiten ohne kontradiktorisches Urteil im Wege von Anerkenntnis, Verzicht, Klagerücknahme oder Vergleich führen. 3. Schaffung eines juristischen Datensatzes Schließlich könnte durch die standardmäßige Strukturierung von Rechtsfällen ein umfassender juristischer Datenschatz erschaffen werden. Einerseits könnte Richtern auf diese Weise im Rahmen der Entscheidungsfindung eine bessere juristische Recherche durch passgenaue Datenbankabfragen ermöglicht werden. Eine Vernetzung der Gerichte könnte dabei auch zu einem bundesweiten Austausch genutzt werden. Perspektivisch könnte eine solche umfassende Datenbank von künstlich intelligenten Algorithmen auch dazu genutzt werden, das Regelsystem der deutschen Rechtsordnung besser zu erlernen. Zwar wird keine Software alleine mit einer solchen Datensammlung zur umfassenden juristischen Wertung in der Lage sein:86 Wie gezeigt, basiert juristische Arbeit 2019, 153 (155). Die Wiederverwertung von Textbausteinen entspricht schon heute gängiger Anwalts- und Gerichtspraxis, vgl. etwa Gottwald, FS Vollkommer, S. 259 (263 f.); Roth, ZZP 2016, 3 (20) spricht von der „zunehmenden Versuchung von ‚copy and paste‘“. 84 Ähnlich Preuß, ZZP 2016, 421 (454). 85 Vgl. hierzu Musielak, in: MüKo ZPO, § 313 Rn. 14; Bundesministerium der Justiz, Bericht der Kommission für das Zivilprozeßrecht, S. 103. 86 In diese Richtung gehen zwar die Überlegungen von Adrian, Rechtstheorie 2017, 77. Seiner Theorie liegt jedoch die Annahme zugrunde, dass sich die Semantik juristischer Texte allein aus deren Syntax (Häufigkeit und Reihenfolge bestimmter "Wortquanten") erschließen lässt. Juristische Texte sind aber zunächst einmal natürlichsprachliche Texte. Die Bedeutung natürlicher Sprache wiederum ergibt sich erst durch ihre Bezugnahme auf die reale

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

auf einer Abstraktion realen menschlichen Verhaltens.87 Um die Beschreibung eines menschlichen Verhaltens semantisch zu erfassen, ist deshalb zunächst die interne Repräsentation eines umfassenden Weltbildes zwingend erforderlich.88 Sollte allerdings in Zukunft ein hinreichendes Verständnis der realen Welt durch eine künstliche Intelligenz erreicht werden, könnte die Systematik der Rechtsordnung durch einen strukturierten juristischen Datensatz mutmaßlich besser und weniger fehleranfällig erlernt werden. II. Risiken 1. Verfahrensverkomplizierung Es ließe sich nun einwenden, dass mit der Notwendigkeit zur Nutzung eines Anwendungsprogramms und zur Strukturierung des Vortrags eine Verkomplizierung des Verfahrens droht. Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Zweifellos ist die technische Ausgestaltung der Anwendungsprogramme Drehund Angelpunkt für die Akzeptanz und effektive Nutzung in der Praxis.89 Die Verfahrensänderung sollte deshalb nicht ohne einen detaillierten Plan zur technischen Umsetzung erfolgen.90 Soweit jedoch eine benutzerfreundliche Softwareoberfläche gewährleistet ist, wird die Arbeit in der elektronischen Verfahrensdatei nicht komplizierter als in der elektronischen Gerichtsakte. Inhaltlich besteht die neue Herausforderung darin, den Vortrag zu strukturieren und die einzelnen Gliederungspunkte miteinander zu verknüpfen. Dies stellt jedoch allenfalls eine veränderte Anforderung an die anwaltlichen Parteivertreter dar, nicht aber eine Mehrbelastung für die Gerichte. Gerichtlicher Arbeitsaufwand entsteht nur, wenn die Parteien schlecht strukturieren oder falsche Verknüpfungen erstellen. Die dann notwendige materielle Prozessleitung würde nach herkömmlichem Verfahrensrecht jedoch den gleichen Arbeitsaufwand (streitigen Sachverhalt ermitteln, Hinweise erteilen etc.) verursachen. Im seV kann diese Aufgabe dafür deutlich präziser und transparenter erledigt werden. 2. Fehlende Flexibilität Bisweilen wird eingewandt, dass durch eine zu starke Formalisierung die notwendige Flexibilität innerhalb des Parteivortrags verloren gehen könnte.91 Welt, vgl. S. 34. Ohne die interne Repräsentation eines umfassenden Weltbildes kann deshalb weder im Menschen noch in der Maschine ein Verständnis (natürlichsprachlicher) juristischer Texte entstehen. 87 Vgl. S. 48 f. 88 Vgl. S. 44–47. 89 Focken, Anhang, S. 147; hierzu bereits Gretemann, Computer und Justiz, S. 159–166. 90 Gretemann, Computer und Justiz, S. 29–33 spricht insofern von der Notwendigkeit eines „Gesamtkonzepts“. 91 Kodek, ZZP 2002, 445 (480) spricht insofern von einem „Prokustes-Bett“; vgl. hierzu Preuß, ZZP 2016, 421 (449 ff.).

E. Chancen und Risiken

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Würde man die Parteien zwingen, ihren Tatsachenvortrag entlang einer vorgegebenen Struktur – etwa entlang eines rechtlichen Prüfungsschemas92 – zu gliedern, wäre die Kritik auch nicht von der Hand zu weisen.93 Ein bestimmter Sachvortragspunkt kann rechtlich für mehrere verschiedene Tatbestandsmerkmale relevant werden. Umgekehrt kann es für die Beurteilung des Vorliegens eines Tatbestandsmerkmals auf mehrere, eigenständige Punkte des Sachvortrags ankommen. Es kann somit zu Überschneidungen und Verflechtungen kommen, die die eindeutige Zuordnung eines Sachverhaltspunktes zu einer Tatbestandsvoraussetzung unmöglich machen. Eine Unterscheidung zwischen Sachvortragsteil und rechtlicher Würdigung erscheint demnach zwingend. Das hier vorgeschlagene Konzept überlässt es deshalb den Parteien, die Struktur ihres Vortrags zu schaffen. Dabei wird den Parteien sowohl auf Ebene des Sach- wie auch des Rechtsvortrags jede Flexibilität gewährleistet.94 3. Benachteiligung der Beklagtenseite Es ließe sich argumentieren, dass die Beklagtenseite benachteiligt wird, wenn sie an die vom Kläger zunächst festgelegte Struktur gebunden ist und zu jedem seiner Punkte Stellung nehmen muss.95 Der gleiche Sachverhalt lässt sich nämlich durchaus auf verschiedene Arten darstellen und beschreiben. Die Parteien könnten insofern ein Interesse an einem möglichst freien Vortrag haben, der ihnen die Möglichkeit zur Nutzung rhetorischer Mittel gibt.96 In der Literatur ist dabei die Rede von anwaltlichem Storytelling,97 oder „schlau eingefädeltem Sachvortrag“.98 Die Bindung an die von der Gegenseite vorgegebene Struktur

92

So der Vorschlag von Gaier, ZRP 2015, 101 (103). Vgl. hierzu Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179 (191 f.); Wolf/Freudenberg, ZRP 2018, 183 (183 f.). 94 Dafür auch Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179 (192–194) unter Verweis auf das französische Verfahrensrecht. 95 So etwa Zwickel, MDR 2016, 988 (991 f.); Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179 (203). 96 Zwickel, Die digitale Strukturierung und inhaltliche Erschließung zivilprozessualer Schriftsätze im Spannungsfeld zwischen Parteiherrschaft und Richtermacht, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 179 (193) m.w.N. 97 Boehme-Neßler, NJW 2017, 3031 (3034). 98 Hartwieg, Die Kunst des Sachvortrags im Zivilprozeß, S. 25. 93

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

könnte in dieser Hinsicht gegen das Gebot prozessualer Waffengleichheit verstoßen.99 Hiergegen lassen sich drei Punkte ins Feld führen. Zunächst würde eine solche Argumentation implizieren, dass sich der Richter in seiner Entscheidung vom Storytelling der Parteien tatsächlich beeinflussen ließe. Dies wäre mit dem Leitbild objektiver Rechtsfindung durch einen neutralen Richter nicht in Einklang zu bringen. Selbst wenn man jedoch eine solche menschliche Fehlbarkeit des Richters100 annehmen und den Parteien nicht zum Nachteil geraten lassen wollte, verfangen die Bedenken für das vorgestellte Konzept nicht. Ausführungen, die im Rahmen einer Wertungsentscheidungen oder zur Begründung richterlicher Rechtsfortbildung möglicherweise relevant sind, können beide Parteien nämlich jederzeit ergänzen, notwendigenfalls unter eigener Überschrift als neuen Sachvortragspunkt. Drittens ist auch dem Kläger im seV kein Storytelling mehr möglich. Ebenso wie der Beklagte hat er den Lebenssachverhalt in Einzelaussagen zu untergliedern und strukturiert vorzutragen. Die Möglichkeit zum freien Vortrag unter Einsatz rhetorischer Mittel wird demnach, wenn überhaupt, für beide Parteien in gleichem Maße eingeschränkt. Darüber hinaus könnte eingewandt werden, dass die vorgeschlagene Ampelschaltung den Kläger bevorteilt, weil sie ihn die Erfolgschancen seiner Klage während des Verfahrens besser einschätzen lässt. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich keine Unterschiede zur herkömmlichen Prozessleitung durch das Gericht ergeben. In keinem Fall besteht eine Nutzungspflicht aufseiten des Gerichts – dieses kann die Ampeln während des gesamten Verfahrens ausgeschaltet lassen. Es werden dem Gericht lediglich technische Möglichkeiten zur präzisen Erteilung von Hinweisen und materiellen Prozessleitung nach §§ 139, 146 ZPO an die Hand gegeben. Die auf diese Weise erteilten Hinweise können – wie bisher – beiden Parteien gleichermaßen zur besseren Einschätzung ihrer jeweiligen Erfolgschancen helfen. 4. Überforderung der Parteien Des Weiteren könnte eine mögliche Überforderung der Parteien als Argument gegen ein strukturiertes Verfahren ins Feld geführt werden. Dem ist zuzugeben, dass die inhaltliche Strukturierung des Sachvortrags und dessen Verknüpfung mit einem ebenfalls gegliederten Rechtsvortrag juristischen Sachverstand voraussetzt, der von Naturparteien nicht erwartet werden kann. Das strukturierte elektronische Verfahren muss deshalb auf Anwaltsprozesse beschränkt bleiben.101 Von einem Anwalt jedoch kann erwartet werden, dass er den Lebens-

99

Zwickel, MDR 2016, 988 (992). Vgl. dazu Hoffmann/Maurer, NJW 2018, 257 (258); Kruse, NJW 2020, 137 (139). 101 Ebenso Zwickel, MDR 2016, 988 (992). 100

E. Chancen und Risiken

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sachverhalt in seine wesentlichen Aussagen untergliedern, die Tatbestandsvoraussetzungen eines Rechtssatzes benennen und die jeweiligen Zuordnungen treffen kann; kurzum, dass er die juristische Methodik beherrscht. 5. Verminderte Entscheidungsqualität Soweit Richter auf einen umfassenden juristischen Datensatz zugreifen und alte Textbausteine zu bestimmten Gliederungspunkten wiederverwenden, könnte schließlich die Gefahr bestehen, dass sie sich weniger kritisch mit den Besonderheiten des konkreten Einzelfalles auseinandersetzen. Es könnte insofern ein Anreiz bestehen, zur Vermeidung eines Mehraufwandes auf alte Textbausteine zurückzugreifen, auch wenn diese im zu entscheidenden Fall bei genauer Betrachtung möglicherweise nicht wirklich passen.102 Denkbar ist auch, dass sich das richterliche Entscheidungsverhalten insofern aufgrund eines verstärkten status quo bias103 rein unterbewusst verändert. Dabei handelt es sich um den psychologischen Hang, eine einmal getroffene Entscheidung oder einen bestehenden Zustand beizubehalten.104 Ein solches Risiko kann nicht mit Gewissheit ausgeschlossen werden. Gleichwohl bleibt zu bedenken, dass Textbausteine faktisch schon heute sowohl von Anwälten als auch aufseiten der Gerichte verwendet werden. Aktuelle Justizverwaltungsprogramme bieten Richtern explizit die Möglichkeit der Speicherung und Wiederverwendung von Textbausteinen.105 Eine fundierte Einschätzung dieses Risikos bedürfte jedoch einer belastbaren empirischen Untersuchung. Dabei müsste überprüft werden, ob die Nutzung von Textbausteinen mit einer verminderten Entscheidungsqualität korreliert. Als Maßstab für die Qualität einer Entscheidung könnte untersucht werden, ob Rechtsmittel eingelegt wurden und ob diese erfolgreich waren. Maßgebliche Herausforderung für eine solche statistische Untersuchung dürfte jedoch die Beschaffung einer geeigneten Datengrundlage sein. III. Zwischenergebnis Die Einführung des seV ist mit bestimmten Chancen und Risiken verbunden. Bei richtiger technischer Umsetzung können jedenfalls eine Verfahrensverkomplizierung und eine fehlende Flexibilität des Parteivortrags ausgeschlossen werden. Auch eine Begünstigung der Klägerseite ist bei genauer Betrachtung nicht zu erwarten. Die Entstehung einer Überforderungssituation kann und muss durch Beschränkung des seV auf den Anwaltsprozess ausgeschlossen 102 Korves, Die Zukunft und die Zeit danach – Gedanken zu elektronischem Rechtsverkehr und elektronsicher Akte, in: Buschmann et al. (Hrsg.), Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, S. 41 (48). 103 Vgl. Samuelson/Zeckhauser, J. Risk. Uncertainty 1988, 7. 104 Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, S. 85. 105 Focken, Anhang, S. 146.

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

werden. Nicht von der Hand zu weisen ist das Risiko einer Zunahme weniger ausdifferenzierter gerichtlicher Entscheidungen aufgrund einer häufigeren Wiederverwendung von Textbausteinen. Die Untersuchung dieses Risikos bietet einen interessanten Ansatzpunkt für weiterführende Forschung. Auf der anderen Seite verspricht die Einführung des seV jedoch eine effizientere juristische Arbeit im Erkenntnisverfahren. Bei richtiger technischer Umsetzung könnte das vorgestellte Konzept zu erheblichen Zeitersparnissen im Anwaltsprozess und damit zu einer Entlastung insbesondere der Landgerichte führen.

F. Das seV im kollektiven Rechtsschutz F. Das seV im kollektiven Rechtsschutz

Eingangs wurde aufgezeigt, dass der Druck zur effizienten Verfahrensbewältigung bei Klagen im Zusammenhang mit Massenschäden besonders groß ist.106 Im Folgenden soll deshalb untersucht werden, ob das seV auch in diesen Fällen zur Anwendung kommen kann. Nach einer kurzen Einleitung in die Problematik von Massenschäden (I) werden die Durchsetzungsinstrumente im deutschen Recht vorgestellt (II), um jeweils Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung durch die Arbeit mit einer strukturierten elektronischen Verfahrensdatei aufzuzeigen (III). I. Problematik von Massenschäden Nach gängiger Definition handelt es sich bei Massenschäden um Schäden, die eine Vielzahl von Personen aufgrund derselben bzw. gleichen Ursache erleiden.107 Massenschäden treten häufig im Massengeschäft auf, bei dem typischerweise ein oder wenige Unternehmen in einer gleichgelagerten Beziehung zu einer Vielzahl von Verbrauchern stehen.108 Im Falle rechtswidrigen Verhaltens aufseiten des Unternehmens können dementsprechend eine Vielzahl von

106 107

Vgl. S. 3 f. Haß, Die Gruppenklage, S. 2 f., 19; Geiger, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess,

S. 20. 108

Janssen, Auf dem Weg zu einer europäischen Sammelklage?, in: Casper et al. (Hrsg.), Auf dem Weg zu einer europäischen Sammelklage?, S. 3 (5); Geiger, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess, S. 2.

F. Das seV im kollektiven Rechtsschutz

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Personen geschädigt werden. Dies kann beispielsweise durch illegale Preisabsprachen mit Wettbewerbern zum Nachteil der Verbraucher,109 durch Herstellung und Verkauf eines mangelhaften Produkts110 oder durch fehlerhafte Information über (Finanz-)Produkte geschehen.111 Nun liegt es in der Natur der Sache, dass der Nachteil des einzelnen Verbrauchers in einer solchen Situation relativ gering ist im Vergleich zum kumulierten Vorteil beim Unternehmen. Bei klageweiser Geltendmachung seiner Rechte steht der Verbraucher im traditionellen Zwei-Parteien-Prozess dem Unternehmen gleichwohl allein gegenüber.112 Problematisch daran ist, dass es für den Geschädigten bei geringem Streitwert (sog. Bagatell- bzw. Streuschäden113) nach einer Risikoabwägung rational sinnvoller sein kann, überhaupt keine Klage zu erheben (sog. rationales Desinteresse).114 In diesen Fällen verbleibt dem Unternehmen der kumulierte Vorteil quasi ungestraft – das materielle Recht wird nicht durchgesetzt.115 Ist der individuelle Streitwert beim einzelnen Verbraucher hingegen hoch genug, um dessen rationales Desinteresse zu überwinden,116 drohen die Gerichte mit einer großen Vielzahl gleichgelagerter Einzelklagen konfrontiert zu werden.117 Das Arbeitspensum bei Gericht steigt schlagartig an. Machen die Betroffenen gerichtlich Schadensersatz geltend, gibt es also allein aufgrund der Vielzahl von Klägern potenziell sehr viel Prozessstoff. Gleichzeitig kommt es aufgrund der gleichartigen Schadensursache zu einer Überschneidung der zugrundeliegenden Lebenssachverhalte. Eine prozessuale Interessensbündelung aufseiten der Betroffenen ermöglicht hier, dass (wenigstens über die Schnittmenge) nicht für jeden Kläger einzeln, sondern insgesamt nur einmal gerichtlich entschieden werden muss. Bei der Einführung kollektiver Rechtsschutzinstrumente werden oft zwei Ziele angeführt, die nach alldem zwar miteinander zusammenhängen, im 109 Vgl. exemplarisch Mengden, NZKart 2018, 398; Zöttl/Schlepper, EuZW 2012, 573; Roth, Sammelklagen im Bereich des Kartellrechts, in: Casper et al. (Hrsg.), Auf dem Weg zu einer europäischen Sammelklage?, S. 109. 110 Vgl. etwa zu den Klagen im Zuge des VW-Abgasskandals Harke, VuR 2017, 83; Tilp/Schiefer, NZV 2017, 14. 111 Vgl. etwa zum Telekom-Verfahren Tilp, FS Krämer, S. 331; Möllers/Weichert, NJW 2005, 2737. 112 Koch, DZWIR 2016, 351 (351 f.). 113 Geiger, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess, S. 22 f. 114 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 546 f. Neben rationalem Desinteresse existieren eine Reihe weiterer Faktoren, die Verbraucher bei der Durchsetzung ihrer Rechte hemmen können, vgl. Fries, Verbraucherrechtsdurchsetzung, S. 30–49. 115 Bergmeister, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), S. 27. 116 Dies ist jedenfalls im Kapitalmarktrecht regelmäßig der Fall, Hess, JZ 2011, 66 (72). 117 Die wohl prominentesten Beispiele sind die Telekom-Verfahren sowie die Klagen im Zuge des VW-Abgasskandals, vgl. zur Chronologie des Telekom-Verfahrens Tilp, FS Krämer, S. 331; zum VW-Abgasskandal Witt, NJW 2017, 3681.

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

Grundsatz aber unabhängig voneinander sind. Einerseits sollen die Kosten der Rechtsverfolgung für den einzelnen Verbraucher durch die prozessuale Bündelung gesenkt und damit die Durchsetzung seiner Rechte vereinfacht werden.118 Auf der anderen Seite verspricht die prozessuale Interessensbündelung selbst eine effizientere Bewältigung bei Gericht und damit eine Entlastung der Justiz.119 Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist jedoch allein die Frage, wie den Gerichten eine effizientere Verfahrensbearbeitung ermöglicht werden kann, sodass hier nur letztgenannter Aspekt im Fokus stehen soll. Im vorliegenden Kapitel wird deshalb untersucht, inwieweit die bestehenden Instrumente zur kollektiven Rechtsdurchsetzung durch die Arbeit mit einer strukturierten elektronischen Verfahrensdatei sinnvoll weiterentwickelt werden können. II. Instrumente prozessualer Interessensbündelung Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die bestehenden Instrumente der Interessensbündelung im Zuge gerichtlicher Rechtsdurchsetzung gegeben. Der Fokus liegt dabei auf den Mitteln, die zur gerichtlichen Bewältigung bei Massenschäden zur Verfügung stehen. Es soll schließlich um diejenigen Fälle gehen, bei denen eine Überlastung der Justiz drohen könnte. Zu unterscheiden ist dabei zwischen einer Interessensbündelung auf materieller (1) und prozessualer (2) Ebene. 1. Interessensbündelung auf materieller Ebene In der Praxis treten in den letzten Jahren vermehrt Unternehmen auf, die Ansprüche von Verbrauchern bei Massenschäden gerichtlich durchsetzen.120 Das Geschäftsmodell solcher Unternehmen besteht typischerweise aus einer Kombination von Inkassodienstleistung und Prozessfinanzierung.121 Dabei lässt sich das Unternehmen die Ansprüche der Geschädigten abtreten und macht sie

118

Vgl. BT-Drs. 19/2439, S. 16; BT-Drs. 15/5091, S. 16 f. Vgl. BT-Drs. 19/2439, S. 16; BT-Drs. 15/5091, S. 17; Es kann insofern gleichbedeutend von der Rechtsdurchsetzungs- und der Effizienzfunktion gesprochen werden, Geiger, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess, S. 27 m.w.N. 120 Zu den aktuell wohl bekanntesten Anbietern zählen die financialright GmbH, welche unter anderem Ansprüche gegen Autohersteller im Zuge des Abgasskandals durchsetzt, sowie die Flightright GmbH, welche auf die Durchsetzung von Fluggastrechten spezialisiert ist, vgl. Hartung, BB 2017, 2825 (2826). 121 Vertiefend Valdini, BB 2017, 1609; Hartung, BB 2017, 2825; Greger, AnwBl 2017, 932 jeweils m.w.N.; vgl. zur Zulässigkeit nach RDG Fries, ZRP 2018, 161 (164 f.). 119

F. Das seV im kollektiven Rechtsschutz

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gesammelt in eigenem Namen geltend.122 Die Prozesskosten trägt das Unternehmen und zumeist wird nur im Erfolgsfall eine Vergütung fällig.123 Da der Dienstleister die abgetretenen Forderungen in eigenem Namen geltend macht, kommt es bei der gerichtlichen Durchsetzung regelmäßig zu einer objektiven Klagehäufung gem. § 260 ZPO.124 2. Interessensbündelung auf prozessualer Ebene Auf prozessualer Ebene bietet die ZPO mit den Vorschriften zu Verfahrensverbindung, Aussetzung und Ruhenlassen des Verfahrens, Streitgenossenschaften und dem kürzlich eingeführten Musterfeststellungsverfahren Instrumente zur prozessualen Interessensbündelung.125 Daneben gibt es mit den Verbandsklagen nach dem UKlaG, den §§ 8, 10 UWG und den §§ 33, 34a GWB, der Aktionärsklage gem. § 148 AktG, dem Spruchverfahren und dem Kapitalanleger-Musterfeststellungsverfahren (KapMuG-Verfahren) spezielle Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes.126 Im Zusammenhang mit Massenschäden, bei denen eine Vielzahl Betroffener Schadensersatz geltend macht, sind praktisch jedoch nur die Streitgenossenschaft, das KapMuG-Verfahren sowie die allgemeine Musterfeststellungsklage relevant. a) Streitgenossenschaft Mehrere Parteien können als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn sie in Rechtsgemeinschaft stehen (§ 59 Alt. 1 ZPO), sie aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund berechtigt oder verpflichtet sind (§ 59 Alt. 2 ZPO), die Ansprüche gleichartig sind (§ 60 ZPO) oder das Gericht gem. § 147 ZPO eine Verfahrensverbindung anordnet.127 Da die einzelnen Ansprüche bei Massenschäden auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen oder rechtlichen Grund beruhen, ist eine Streitgenossenschaft auf Klägerseite regelmäßig möglich.128 Die Regelungen zur Streitgenossenschaft dienen der Verfahrensökonomie.129 Neben der Möglichkeit zur Vertretung durch einen gemeinsamen Pro-

122 Valdini, BB 2017, 1609; zur Verfahrensbündelung auf materieller Ebene allgemein Geiger, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess, S. 38–40. 123 Hartung, BB 2017, 2825 (2826). 124 Hartung, BB 2017, 2825 (2826). 125 Erläuternd Geiger, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess, S. 33–38 m.w.N. 126 Ausführlich Geiger, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess, S. 40–73 m.w.N. 127 Vgl. zur Wirkung der Verfahrensverbindung Fritsche, in: MüKo ZPO, § 147 Rn. 9. 128 Geiger, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess, S. 36 m.w.N. 129 Schultes, in: MüKo ZPO, § 59 Rn. 1; Weth, in: Musielak/Voit, ZPO, § 60 Rn. 2.

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

zessbevollmächtigten und einheitlichem schriftlichem und mündlichem Vortrag, findet eine einheitliche Beweiserhebung und -würdigung statt.130 Von einer Partei vorgetragene Angriffs- und Verteidigungsmittel können für und gegen alle Streitgenossenschaften gleichermaßen gelten.131 Insbesondere bei gemeinschaftlicher anwaltlicher Vertretung erfolgt regelmäßig ein einheitlicher Vortrag, obgleich dies keinesfalls zwingend ist.132 Theoretisch ist es möglich, dass ein Streitgenosse eine Tatsache bestreitet, die der andere bereits zugestanden hat.133 Wie § 61 ZPO klarstellt, bleibt es grundsätzlich bei der Selbstständigkeit der Prozessrechtsverhältnisse.134 b) KapMuG-Verfahren Anlass für die Einführung des KapMuG war der Telekom-Skandal in dessen Verlauf über 17.000 Anlegerklagen beim Landgericht Frankfurt am Main eingereicht wurden.135 Zu deren Bewältigung reichten die Mittel der ZPO nicht aus, sodass der Gesetzgeber sich 2005 zur Einführung eines Musterfeststellungsverfahrens in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten entschloss. In einem Musterfeststellungsverfahren werden die rechtlichen und tatsächlichen Fragen, die für alle Individualverfahren von Bedeutung sind, einheitlich geklärt. Letztlich muss der einzelne Geschädigte seinen Anspruch auf Schadensersatz aber trotzdem individuell geltend machen.136 Das Verfahren nach dem KapMuG läuft vereinfacht wie folgt ab: Der geschädigte Anleger erhebt Individualklage und stellt Antrag auf Einleitung eines Musterverfahrens. Werden in mindestens neun weiteren parallelen Verfahren entsprechende Anträge gestellt, so erlässt das Prozessgericht einen Vorlagebeschluss an das zuständige Oberlandesgericht, in dem die Feststellungsziele festgelegt und der gemeinsame Lebenssachverhalt grob dargelegt werden. In der Folge werden sämtliche Individualprozesse ausgesetzt, deren Ausgang von den Feststellungszielen abhängt. Das eigentliche Musterfeststellungsverfahren vor dem Oberlandesgericht führt ein Musterkläger aus den Reihen der Einzelkläger. Nachdem das

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Schultes, in: MüKo ZPO, § 61 Rn. 9; Weth, in: Musielak/Voit, ZPO, § 61 Rn. 6 m.w.N. BGH, Beschluss vom 24. März 2015, Az.: VI ZR 179/13, NJW 2015, 2125 (2126); Schultes, in: MüKo ZPO, § 61 Rn. 4 m.w.N. 132 Dressler, in: BeckOK ZPO, § 61 Rn. 6. 133 Schultes, in: MüKo ZPO, § 61 Rn. 4. 134 Vgl. zur Streitgenossenschaft bei Massenschäden Geiger, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess, S. 35–37. 135 Halberstam, Connecticut Law Review 2016, 817 (843). 136 Tamm, EuZW 2009, 439 (440); Geiger, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess, S. 32. 131

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Oberlandesgericht verbindlich über die zu klärenden Tatsachen- und Rechtsfragen entschieden hat, werden die ausgesetzten Individualverfahren fortgesetzt.137 c) Allgemeine Musterfeststellungsklage Obwohl sich das KapMuG in der Praxis nur beschränkt bewährt hatte,138 führte der Gesetzgeber unter dem Druck des Abgasskandals 2018 eine allgemeine Musterfeststellungsklage ein.139 Diese unterscheidet sich in zwei zentralen Aspekten vom KapMuG-Verfahren. Zum einen kann sie nur von qualifizierten Verbrauchervereinigungen erhoben werden, es handelt sich also um eine Verbandsklage. Zum anderen entfällt für den Verbraucher die Notwendigkeit, zunächst Individualklage einzureichen. Um von den Feststellungen im Musterverfahren zu profitieren, muss er sich nur kostenfrei registrieren, vgl. § 608 ZPO. Gleichwohl muss er anschließend einen Individualprozess führen, damit ihm sein Schadensersatzanspruch gerichtlich zugesprochen wird.140 3. Abgrenzungsfragen Bislang wurde in Bezug auf kollektive Rechtsschutzverfahren zumeist zwischen Verbandsklage, Gruppenklage und Musterfeststellungsklage unterschieden.141 Allerdings ist die neu eingeführte Musterfeststellungsklage zugleich auch eine Verbandsklage. Jedenfalls für die vorliegenden Zwecke ist deshalb eine Unterscheidung hinsichtlich Klagebefugnis und Klageziel sinnvoller. Abzugrenzen sind demnach Verfahren, die von einem Interessensverband geführt werden, von Verfahren, die von einer Gruppe Betroffener selbst geführt werden. Daneben kann zwischen Leistungs- und Feststellungsverfahren unterschieden werden.

137

Umfassend Bergmeister, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG); vgl. auch Geiger, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess, S. 56–65 m.w.N. 138 Heil, Private Litigation in German Capital Market Disputes, in: Jung (Hrsg.), Die private Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht, S. 109 (118–123). 139 Krit. auch Stadler, VuR 2018, 83. 140 Umfassend Stadler, VuR 2018, 83; Kilian, ZRP 2018, 72; Merkt/Zimmermann, VuR 2018, 363; Schneider, BB 2018, 1986; Ring, NJ 2018, 441; Waclawik, NJW 2018, 2921; Halfmeier, ZRP 2017, 201; Habbe/Gieseler, BB 2017, 2188. 141 Vgl. etwa Stadler, Bündelung von Verbraucherinteressen im Zivilprozeß, in: Brönneke (Hrsg.), Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozeßrecht, S. 1 (7 f.); Tamm, EuZW 2009, 439 (439 ff.); Geiger, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess, S. 29 m.w.N.

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

III. Vereinbarkeit mit dem seV Bei der Überprüfung der Vereinbarkeit des seV mit den vorhandenen Instrumenten des kollektiven Rechtsschutzes bietet sich eine Unterscheidung zwischen den Verfahren an, welche direkt auf Leistung gerichtet sind (1), und denjenigen, die lediglich vorbereitende Feststellungen zum Gegenstand haben (2). 1. Auf Leistung gerichtete Verfahren In Verfahren, in denen die Anträge auf Zahlung von Schadensersatz lauten, kommen die Vorteile des seV direkt zum Tragen. Konkret sind hier die Bündelung von Leistungsklagen im Wege der objektiven142 und subjektiven143 Klagehäufung zu benennen.144 Ohnehin besteht die Notwendigkeit, beide dieser Prozesssituationen im strukturierten elektronischen Verfahren zu berücksichtigen. a) Objektive Klagehäufung Die objektive Klagehäufung zeichnet sich durch das Vorliegen mehrerer Streitgegenstände aus. Es kommt folglich zu einer Situation, in der mehrere Klageanträge gestellt werden und/oder mehrere Klagegründe (Lebenssachverhalte) vorliegen.145 Folge der objektiven Klagehäufung ist eine gemeinsame Verhandlung, Beweisaufnahme und Entscheidung über die Ansprüche.146 In technischer Hinsicht stellen diese Anforderungen keine Hürde dar. Im seV besteht die Möglichkeit, beliebig viele Anträge zu stellen, und eine beliebige Anzahl von Gliederungspunkten auf Ebene des Tatsachen- und des Rechtsvortrags zu erstellen. Durch die flexible Verknüpfung der einzelnen Gliederungspunkte ist es ebenso problemlos möglich, mehrere Anträge auf den gleichen Lebenssachverhalt zu stützen, wie mehrere Lebenssachverhalte zur Begründung eines Klagegrundes anzuführen. Bei richtiger technischer Umsetzung kommen die bereits vorgestellten Vorteile des seV bei der objektiven Klagehäufung voll zur Geltung. Insbesondere wenn es – wie bei Massenschäden – zu einer Vielzahl von Streitgegenständen kommt, kann deren übersichtliche Darstellung maßgeblich zu einer effizienten Verfahrensbearbeitung beitragen.

142

Vgl. oben, S. 131. Vgl. oben, S. 132. 144 Auch die von Meller-Hannich, Sammelklagen, Gruppenklagen, Verbandsklagen – Bedarf es neuer Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes im Zivilprozess?, in: Verhandlungen des 72. Deutschen Juristentages Leipzig 2018, Band I: Gutachten, A1 (A75–A101) vorgeschlagene Gruppenklage stellt ein auf Leistung gerichtetes Verfahren dar. 145 Becker-Eberhard, in: MüKo ZPO, § 260 Rn. 5. 146 Becker-Eberhard, in: MüKo ZPO, § 260 Rn. 43. 143

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b) Subjektive Klagehäufung Bei der subjektiven Klagehäufung kommt es zu einer Parteienmehrheit auf Kläger- oder Beklagtenseite.147 Trotz der Selbstständigkeit der einzelnen Prozessrechtsverhältnisse kommt es in der Praxis häufig zu einheitlichem Vortrag der Streitgenossen.148 Darüber hinaus sind Beweise bei Überschneidung der Lebenssachverhalte jedenfalls nur einmal zu erheben und einheitlich zu würdigen.149 Innerhalb der elektronischen Verfahrensdatei muss also zwischen mehreren Personen auf Kläger- und Beklagtenseite unterschieden werden können. Dabei muss gewährleistet sein, dass einzelne Gliederungspunkte in der Verfahrensdatei mehreren Klägern bzw. Beklagten zugeordnet werden können, gleichzeitig jedoch die Möglichkeit zur individuellen Abweichung verbleibet. Dies läuft letztlich auf eine Abbildung der verschiedenen Prozessrechtsverhältnisse in der Verfahrensdatei hinaus. Wie überhaupt ist insbesondere hier bei der technischen Ausgestaltung der Anwendungsprogramme auf eine aufgeräumte und intuitive Benutzeroberfläche zu achten. Denkbar erscheint beispielsweise ein Drop-down-Menü an jedem einzelnen Gliederungspunkt, über das ausgewählt werden kann, für welche Kläger das Angriffs- oder Verteidigungsmittel jeweils geltend gemacht wird. Auf diese Weise können verschiedene Ausführungen in den verschiedenen Prozessverhältnissen gemacht werden. Damit ist gewährleistet, dass auf unterschiedlichen Vortrag von Streitgenossen auch jeweils unterschiedlich reagiert werden kann. Das seV lässt demnach auch bei der subjektiven Klagehäufung Effizienzgewinne erhoffen. Bei gelungener technischer Umsetzung ist zudem eine umfassende Auswertung der Verfahrensdatei, beispielsweise im Hinblick auf einzelne Kläger oder auf einzelne Angriffs- und Verteidigungsmittel, denkbar. Schließlich kann eine übersichtliche Darstellung aller Prozessverhältnisse die Einarbeitungszeit im Falle eines Richterwechsel oder im Rechtsmittelverfahren insbesondere bei komplexen Verfahren reduzieren. 2. Auf Feststellung gerichtete Verfahren Auf der anderen Seite stehen Verfahren, die lediglich auf vorbereitende Feststellungen gerichtet sind. Konkret zu nennen sind die bereits angesprochenen Musterfeststellungsklagen nach den Vorschriften des KapMuG und der ZPO.150

147

Schultes, in: MüKo ZPO, § 59 Rn. 3. Schultes, in: MüKo ZPO, § 61 Rn. 9. 149 Schultes, in: MüKo ZPO, § 61 Rn. 9; vgl. oben, S. 132. 150 Vgl. oben, S. 132 f. 148

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

Solche Musterfeststellungsverfahren lassen sich problemlos in das vorgestellte Konzept integrieren. Das strukturierte elektronische Verfahren baut gerade auf der Idee einer inhaltlichen Zerlegung und Erschließung einzelner Tatsachen- und Rechtsfragen auf. Nichts anderes geschieht im Musterfeststellungsverfahren, bei dem einzelne Tatsachen- und Rechtsfragen festgelegt und aus den Individualverfahren herausgelöst werden. Im Ergebnis können daher die im Musterverfahren getroffenen Feststellungen als Gliederungspunkte in den Tatsachen- und Rechtsvortrag des jeweiligen Individualverfahrens übernommen werden. Im Detail ist zu unterscheiden, ob zuerst (wie im KapMuG-Verfahren) die Individualklage oder (wie regelmäßig im Verfahren nach §§ 606 ff. ZPO) die Musterfeststellungsklage erhoben wird. a) KapMuG-Verfahren Bei der Musterfeststellungsklage nach dem KapMuG müssen die Geschädigten Individualklage einreichen, um von den Feststellungen des Musterverfahrens zu profitieren. Aufgrund der (streitwertunabhängigen) Zuständigkeit der Landgerichte in entsprechenden Verfahren,151 müsste diese Individualklage nach dem hier vorgeschlagenen Konzept ohnehin im seV erhoben werden.152 Das Musterfeststellungsverfahren lässt sich nun leicht in das seV integrieren. Der Individualkläger wählt in der elektronischen Verfahrensdatei diejenigen Gliederungspunkte aus seinem Tatsachen- und Rechtsvortrag aus, die er im Wege des Musterfeststellungsverfahrens klären lassen möchte. Mittels einer entsprechenden Schaltfläche kann er auf diese Weise den Musterverfahrensantrag nach § 2 KapMuG stellen. Bei der Erstellung des (elektronischen) Vorlagebeschlusses kann sich das Landgericht an den Überschriften dieser Gliederungspunkte orientieren, ohne an sie gebunden zu sein. Das eigentliche Musterfeststellungsverfahren vor dem Oberlandesgericht ist mithilfe einer strukturierten elektronischen Verfahrensdatei wie beschrieben zu führen. In der Verfahrensdatei stehen dabei auf Antragsebene153 die Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses. Im Hinblick auf die Beteiligtenrechte der Beigeladenen sind (analog zu den vorstehenden Ausführungen zur subjektiven Klagehäufung) entsprechende Funktionen in die Anwendungssoftware zu integrieren. Nach Abschluss des Musterverfahrens vor dem Oberlandesgericht sind die getroffenen Feststellungen im Individualverfahren bindend (§ 22 KapMuG) und können dort als Gliederungspunkte in den Tatsachen- und Rechtsvortrag übernommen werden. Bei benutzerfreundlicher Ausgestaltung der Anwendungssoftware sind – neben der verbesserten Übersichtlichkeit des Verfahrens – Effizienzgewinne 151

Vgl. § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG. Vgl. oben, S. 98. 153 Vgl. oben, S. 90, 92 f. 152

F. Das seV im kollektiven Rechtsschutz

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insbesondere bei der Erstellung des Musterverfahrensantrags und des Vorlagebeschlusses zu erwarten. b) Allgemeine Musterfeststellungsklage Nur leicht abweichend gestaltet sich die Situation bei Musterfeststellungsverfahren nach §§ 606 ff. ZPO. Zwar muss im Gegensatz zum Verfahren nach dem KapMuG vor der Durchführung des Musterfeststellungsverfahren nicht notwendigerweise bereits Individualklage erhoben worden sein. Bei den anschließenden Individualverfahren handelt es sich auch nicht zwangsweise um Anwaltsprozesse. Soweit das Musterfeststellungsverfahren jedoch im seV geführt wird, stellt nichts davon ein Problem dar. Wird der geschädigte Verbraucher im Individualprozess anwaltlich vertreten, so ist dieses Verfahren nach dem hier vorgestellten Konzept ohnehin im seV zu führen.154 Die getroffenen Feststellungen des Musterfeststellungsverfahrens sind öffentlich zugänglich zu machen und können – sofern der Verbraucher aufgrund einer gem. § 608 ZPO erfolgten Anmeldung von den Feststellungen im Musterverfahren profitiert – vom Anwalt heruntergeladen und im Individualverfahren in die elektronische Verfahrensdatei eingebaut werden. Wird der gem. § 608 ZPO angemeldete Verbraucher im Individualverfahren nicht anwaltlich vertreten, besteht für ihn nach dem hier vorgestellten Konzept kein Zwang zur Nutzung einer elektronischen Verfahrensdatei. In dem Fall ist das erkennende Gericht gleichwohl an die getroffenen Feststellungen gebunden. Das Musterfeststellungsverfahren wird jedoch an sich nicht verändert und auch bei Führung des Prozesses mittels einer strukturierten elektronischen Verfahrensdatei stehen am Ende – wie gehabt – Feststellungen zu den einzelnen Vorlagefragen. Diese können auch bei herkömmlicher Verfahrensführung regulär berücksichtigt werden. IV. Zwischenergebnis Die Vorteile des seV kommen nach alldem auch bei Klagen im Zusammenhang mit Massenschäden zur Geltung. Gebündelte Verfahren zeichnen sich aufgrund der hohen Anzahl Betroffener regelmäßig durch eine erhöhte prozessuale Komplexität aus. Die Arbeit mit einer strukturierten elektronischen Verfahrensdatei ermöglicht in diesen Fällen eine übersichtliche Darstellung sämtlicher Rechtsverhältnisse sowie ein effizientes Verfahrensmanagement.

154

Vgl. oben, S. 98.

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Dritter Teil: Das strukturierte elektronische Verfahren

G. Zusammenfassung des dritten Teils G. Zusammenfassung des dritten Teils

Bisherige Anstrengungen im Bereich der Justizdigitalisierung begnügen sich mit der Abbildung bestehender Prozesse auf dem Computer. Als geeigneter Ansatzpunkt für eine darüberhinausgehende Modernisierung des Zivilprozesses wurde die Einführung verbindlicher Strukturvorgaben für vorbereitende Schriftsätze erkannt und ein konkreter Vorschlag für die Ausgestaltung eines strukturierten elektronischen Verfahrens (seV) unterbreitet. Kernstück des seV ist die elektronische Verfahrensdatei, die sukzessive überarbeitet wird und damit an die Stelle herkömmlicher Schriftsätze tritt. Innerhalb der Verfahrensdatei müssen die Parteien Ihren Vortrag strukturieren, wobei im Sachvortrag jede selbstständig relevante Aussage und im Rechtsvortrag jeder rechtliche Prüfungspunkt einen eigenen Gliederungspunkt erhalten soll. Die Parteien müssen auf jeden vom Gegner erstellten Gliederungspunkten reagieren, können die Struktur jedoch ergänzen und modifizieren. Die einzelnen Gliederungspunkte des Sach- und Rechtsvortrags sowie die Anträge sind von den Parteien miteinander zu verknüpfen. Auf diese Weise wird jede Flexibilität des Parteivortrags sichergestellt und der Rechtsfindungsvorgang gleichzeitig transparenter. Dem Gericht kommt im seV eine aktive Rolle zu und es erhält die technischen Möglichkeiten zu einer gezielte Prozessleitung. Im Rahmen der rechtlichen Einordnung wurde festgestellt, dass sich das seV hinsichtlich der Form des Parteivortrags und der aktiven Verfahrensleitung durch das Gericht gut in die aktuelle Regelungssystematik der ZPO einfügt. Wesentliche Neuerungen stellen allein das Strukturierungs- und das Verknüpfungserfordernis dar. Diese Erkenntnisse wurden sodann für die Ausarbeitung eines konkreten Vorschlags für die zentralen Änderungen der ZPO verwendet. Im Anschluss wurden die Chancen und Risiken einer Einführung des seV erörtert. Eine Verfahrensverkomplizierung, fehlende Flexibilität im Parteivortrag und eine Begünstigung der Klägerseite konnten (bei einer technisch abgestimmten Umsetzung) ausgeschlossen werden. Im Hinblick auf eine mögliche Überforderung der Parteien muss das seV jedoch auf Anwaltsprozesse beschränkt werden. Nicht ausgeschlossen werden konnte das Risiko verminderter Entscheidungsqualität bzw. weniger ausdifferenzierter Urteile aufgrund einer häufigeren Wiederverwendung von Textbausteinen. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Arbeit mit Textbausteinen schon heute gängiger Praxis entspricht. Gleichzeitig verspricht das seV jedoch eine effizientere juristische Arbeit im Erkenntnisverfahren und damit eine Entlastung insbesondere der Landgerichte. Schließlich wurde das seV auf seine Vereinbarkeit mit vorhanden Instrumenten des kollektiven Rechtsschutzes überprüft. Dabei wurde zwischen Leistungs- und Feststellungsverfahren unterschieden. Bei Leistungsverfahren, insbesondere objektiver und subjektiver Klagehäufung, kommen die Vorteile einer zentralen, elektronischen Verfahrensdatei besonders zur Geltung. Es ergibt

G. Zusammenfassung des dritten Teils

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sich jedoch die Notwendigkeit der Abbildung aller Prozessverhältnisse in benutzerfreundlicher und übersichtlicher Form. Musterfeststellungsverfahren dienen der Klärung tatsächlicher und rechtlicher Vorfragen und bezwecken insofern – ebenso wie das seV – eine Aufgliederung des Prozessstoffs. Aufgrund dieser Parallelität ist eine Einbindung von Musterfeststellungsverfahren in das vorgestellte Konzept problemlos möglich. Das seV verspricht demnach auch bei Klagen im Zusammenhang mit Massenschäden eine Entlastung der Justiz.

Zusammenfassung und Ausblick A. Zusammenfassung der Ergebnisse A. Zusammenfassung der Ergebnisse

Der zunehmende Druck auf die deutsche Ziviljustiz gibt Anlass zur Frage, inwiefern der verstärkte Einsatz moderner IT zu einer Entlastung der Gerichte im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren beitragen kann. Zur Beantwortung dieser Frage waren zunächst die theoretischen Möglichkeiten und Grenzen der IT-Anwendung im Recht zu erforschen und am Aufgabenspektrum des menschlichen Richters zu überprüfen. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass künstlich intelligente Algorithmen theoretisch dazu in der Lage sind, jede Form menschlicher kognitiver Arbeit – auch die Vornahme juristischer Wertungen – zu übernehmen. Notwendig wären jedoch die Repräsentation eines umfassenden Weltbildes in einem künstlichen neuronalen Netzwerk und die Zusammenstellung einer initialen Datengrundlage für juristische Wertentscheidungen. Die damit einhergehende Problematik der Auswahl und Beschaffung geeigneter Daten dürfte der praktischen Umsetzung eines künstlichen Richters bislang ebenso im Wege stehen, wie die noch unzureichende Rechenleistung moderner Supercomputer und die fehlende Kenntnis der erforderlichen Netzwerkarchitektur. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse wurde sodann ein bereits heute praktisch umsetzbarer Vorschlag für ein modernes, softwaregestütztes Erkenntnisverfahren vorgestellt: das strukturierte elektronische Verfahren. Der Fokus lag dabei auf einer möglichst abgestimmten Verfahrensreform in technischer und in rechtlicher Hinsicht. Dementsprechend wurden sowohl die technischen Aspekte der Ausgestaltung einer Anwendersoftware als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen und notwendigen Änderungen der ZPO in den Blick genommen. Im Ergebnis wurde dargelegt, dass die Einführung des seV eine effizientere juristische Arbeit im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren ermöglicht und so zu einer tatsächlichen Entlastung der Gerichte beitragen könnte. Dies gilt insbesondere auch für Klagen im Zusammenhang mit Massenschäden.

B. Ausblick

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B. Ausblick B. Ausblick

Die Fortschritte im Bereich maschinellen Lernens berühren auch den juristischen Arbeitsalltag. Anwälte nutzen künstlich intelligente Software zur Durchsicht großer Datenmengen und für die rechtliche Bewertung entsprechender IT-Systeme ist ein technisches Verständnis notwendig. Zwar haben die vorstehenden Ausführungen gezeigt, dass die Schaffung eines universellen juristischen Bewertungssystems nicht ohne Weiteres möglich ist. Eine spürbare Entlastung der Justiz kann allerdings durch eine technikorientierte Modernisierung des Zivilprozesses schon mit vergleichsweise einfachen Mitteln erreicht werden. Ist nun möglicherweise eine stetige Entwicklung vom seV hin zu einem künstlichen Richter zu erwarten? Es erscheint zwar gut vorstellbar, dass im seV Software zum Einsatz kommen könnte, die bestimmte Textbausteine aufgrund von erkannten Ähnlichkeiten zu früheren Fällen automatisch vorschlägt. In diesem Zusammenhang wird die Notwendigkeit einer weiterführenden Auseinandersetzung mit den verhaltensökonomischen Anreizen bei der Arbeit mit Textbausteinen und ihren möglichen Auswirkungen auf die gerichtliche Entscheidungsqualität nochmals deutlich. Dass sich jedoch allein hieraus perspektivisch ein „künstlicher Richter“ entwickeln ließe, muss bezweifelt werden. Denn es bleibt festzuhalten, dass juristische Arbeit maßgeblich auf menschlicher Kommunikation mittels natürlicher Sprache beruht. Diese wiederum basiert auf gemeinsamem konzeptuellem, das heißt über der tatsächlichen Welt abstrahiertem, Wissen. Aufgrund von konzeptuellem Allgemeinwissen hat jeder Mensch eine Vorstellung davon, wie ein „Tisch“ beschaffen ist. Die juristische Arbeit knüpft an dieses konzeptuelle Wissen an und bildet weitere Abstraktionsstufen. Zwangsläufig setzt die umfassende juristische Durchdringung eines Sachverhalts demnach ein Verständnis der gesamten Abstraktionskette vom juristischen Fachterminus bis hin zu den einzelnen Wahrheitsbedingungen in der realen Welt voraus. Dies bedeutet jedoch auch, dass keine Software allein auf der Grundlage einer Sammlung juristischer Texte oder Textbausteine zur Vornahme universeller rechtlicher Wertungen in der Lage sein wird. Der Weg muss deshalb notwendigerweise über eine umfassendere Repräsentation menschlichen Weltwissens in Softwaresystemen führen. Soweit dies durch maschinelles Lernen erfolgt, stellen sich zwangsläufig Fragen hinsichtlich der zu verwendenden Datengrundlage. Dem Recht wird dabei die Aufgabe der Entwicklung von Leitlinien für die Auswahl und Beschaffung des entsprechenden Datenmaterials zukommen. Die dahingehenden Bemühungen auf europäischer Ebene sind deshalb zu begrüßen.1

1 Vgl. HEG-KI, Ethik-Leitlinien für eine vertrauenswürdige KI (April 2019), S. 17–25, insbesondere Rn. 73.

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Interview mit DirAG Niels Focken* 1. Herr Focken, Sie sind tätig im Projekt zur Modernisierung der Justizsoftware. Welche Software kommt denn aktuell zur Anwendung und warum ist eine Modernisierung notwendig? Lassen Sie mich ein bisschen weiter ausholen. Mit dem Einsatz von Computertechnik wurde in der Justiz erstmals in den 80er Jahren begonnen. Man wechselte damals an den Gerichten nach und nach von Karteikarten auf elektronische Datenbanken. Beispiele sind die frühen Datenbanksysteme Sijus (im Zivil- und Familiengericht) oder MEGA (z.B. in den Strafabteilungen in Hamburg). Den Alltag des Rechtsanwenders – unter dem Begriff fassen wir Richter und Rechtspfleger zusammen – hat diese Software allerdings noch nicht berührt. Es handelte sich vielmehr um reine Datenbanksysteme, in denen Verfahrensdaten, wie beispielsweise Aktenzeichen, Namen und Anschriften der Beteiligten, eingetragen wurden. Ende der 90er Jahre wurde dann erstmalig der Versuch unternommen, ein länderübergreifendes System zu entwickeln. Unter der Federführung von Bayern schlossen sich nach und nach zehn Bundesländer zu diesem Zweck zusammen. Dazu gehörten neben Bayern die Länder BadenWürttemberg, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen. Man entwickelte das System „forumSTAR“, welches eigentlich aus zwei verschiedenen Softwareprogrammen besteht. Das ist zum einen das forumSTAR Fachverfahren und zum anderen das forumSTAR Textsystem. Diese Unterscheidung ist sehr wichtig. Das, was früher Programme wie Sijus oder MEGA geleistet haben, also die Funktion eines Datenbanksystems, übernimmt das forumSTAR Fachverfahren. Das forumSTAR Textsystem hingegen macht letztlich das, was der Name schon sagt. Es handelt sich um ein System, das der Erstellung von Texten durch den Rechtsanwender dient. Im Wesentlichen dient es also der Erstellung von Verfügungen, Beschlüssen und Urteilen. Das Textsystem kann dabei auf die im forumSTAR Fachverfahren hinterlegten Verfahrensdaten zurückgreifen.

*

Niels Focken ist Direktor des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek und Vorsitzender einer Zivilabteilung. Zum Zeitpunkt des Interviews am 4. Dezember 2017 war er im Modernisierungsprojekt gefa – gemeinsames Fachverfahren tätig.

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Mit der Konzeption und Entwicklung von forumSTAR beauftragte man seinerzeit Siemens. Die anfängliche Software litt allerdings an erheblichen Programmfehlern, die teils auch heute noch nicht zufriedenstellend gelöst wurden. Das Programm – und das gilt ebenso für das forumSTAR-Textsystem – ist weder ergonomisch noch barrierefrei. Bei einer Ausschreibung gewann IBM den Auftrag zur weiteren Wartung und Verbesserung des Fachverfahrens. Für das Textsystem ist der Mittelständler dvhaus damit beauftragt. Aufgrund einer fehlenden bzw. völlig unzureichenden Dokumentation der Systemarchitektur konnten die bestehenden Mängel aber weiterhin nicht zufriedenstellend behoben werden. Wegen nicht dokumentierter Abhängigkeiten und Verknüpfungen einzelner Systemteile treten nach Updates bis heute häufig neue Fehler auf. Man traf dann im ursprünglichen 10-Länder-Verbund forumSTAR den Entschluss, die Software grundlegend zu modernisieren bzw. in weiten Teilen neu zu entwickeln. Damit begann am 1. August 2015 das Modernisierungsprojekt. Im Februar 2017 schlossen sich die anderen sechs Bundesländer unserer Initiative an. Der Staatsvertrag wurde im September 217 unterzeichnet. Wir arbeiten daher nunmehr auf das Ziel einer bundesweit einheitlichen Justizsoftware – das gemeinsame Fachverfahren, kurz gefa – hin. 2. Wann soll das Projekt abgeschlossen sein? Als Anfang 2015 der ursprüngliche Beschluss zur Modernisierung gefasst wurde, war es unser erklärtes Ziel bis zum Jahr 2020 fertig zu sein. Das halte ich inzwischen nicht mehr für realistisch. Ich möchte mich mit einer Einschätzung zurückhalten und es gibt auch bisher keine offizielle Zielvorgabe für den Abschluss des Projekts. Alles in allem halte ich es persönlich jedoch für möglich, dass die Software erst 2030 vollumfänglich eingeführt sein könnte. Das hat folgende Gründe: Ich sagte bereits, dass sich im Februar 2017 die sechs Bundesländer, die forumSTAR bisher nicht benutzten, dem Modernisierungsprojekt des 10-Länder-Verbundes forumSTAR anschlossen. Das stimmt, aber nur halb. Denn die gemeinsame Entwicklung bezieht sich nur auf das Datenbankprogramm, also das forumSTAR Fachverfahren. Was die Texterstellung angeht, bleiben die betreffenden Bundesländer bei ihrer dort entwickelten Softwarelösung: dem Programm „e2t“. Das neue Fachverfahren muss daher nicht nur mit dem – weiterhin für den 10-Länder-Verbund zu erneuernden – forumSTAR Textsystem1 kompatibel sein, sondern auch mit der von den übrigen sechs Bundesländern verwendeten Software. Dazu kommt noch Folgendes: Unser bisheriges forumSTAR Fachverfahren war auf die ordentliche Gerichtsbarkeit beschränkt, die Fachgerichte hatten ihre eigenen Datenbanksysteme. Mit dem bundesweiten Zusammenschluss Anfang 2017 fiel dann jedoch der 1

Anmerkung: Zwischenzeitlich wurde die Modernisierung des Textsystems vom gefaModernisierungsprojekt abgespalten und in ein eigenes Programm unter dem Namen „bk.text“ überführt, vgl. Blendinger, bk.text – Das Textsystem der Zukunft, S. 13.

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Entschluss, das Fachverfahren zu erweitern und künftig auch die Fachgerichte und auch die Staatsanwaltschaften miteinzubeziehen. Es wird also nicht nur der räumliche Anwendungsbereich ausgedehnt, sondern auch der fachliche, und zwar ganz erheblich. Auch hierdurch ist natürlich ein erheblicher Mehraufwand im Vergleich zur ursprünglichen Planung entstanden. Dazu kommt noch ein Aspekt. Wie ich sagte, wurde die forumSTAR Software Anfang der 2000er entwickelt und nach und nach an den Gerichten eingeführt. Allerdings kommt die Software noch immer nicht an allen Gerichten im Verbund tatsächlich zum Einsatz. In Hamburg wurde die forumSTAR Software in der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu ca. 98 % eingeführt, es fehlt aktuell nur noch das Modul zur Zwangsversteigerung. Das ist aber nicht überall so. In Berlin beispielsweise gibt es forumSTAR bis heute nur an ca. 30 % der ordentlichen Gerichte. Die anderen arbeiten noch mit den alten Systemen wie MEGA. Bevor hier ein modernisiertes Fachverfahren eingeführt werden kann, muss erstmal die alte forumSTAR Software implementiert werden. Die Modernisierung ist also zu einem wahren Mammut-Projekt geworden, an dem sicherlich noch einige Jahre zu arbeiten ist. 3. Sind dann zeitliche Überschneidungen mit der verpflichtenden Einführung der e-Akte unvermeidbar? Das steht zu befürchten. Wir haben bereits den elektronischen Rechtsverkehr (ERV) eingeführt und gehen inzwischen davon aus, dass wir erst die E-Akte bekommen und danach erst das modernisierte Fachverfahren (gefa). Damit treten weitere Probleme auf: erstens müssen wir wohl für eine Übergangszeit die E-Akte handeln mit dem bisherigen forumSTAR. Das ist eine große Herausforderung, denn – wie gesagt – forumSTAR ist nicht benutzerfreundlich-ergonomisch. Und in der E-Akte kann ich unveränderliche Textvorgaben nicht einfach durchstreichen, so wie heute in der Papierwelt. Zweitens müssen wir bei der Konzeption von gefa berücksichtigen, dass die Bundesländer drei verschiedene E-Akten-Systeme einführen werden, die jeweils mit Schnittstellen angebunden werden müssen: Die meisten Länder des ehemaligen forumSTAR-Verbundes nutzen die – auch von IBM erstellte – Software „eIP“, das „elektronische Integrationsportal“. Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein nutzen „eAS – elektronische Akte als Service“ und die restlichen Bundesländer „e2A“ (die „ergonomische elektronische Akte“). Die drei E-Akten-Systeme bieten unterschiedliche Features – z.B. wird wohl nicht in jedem E-Akten-System ein Kalender angeboten. Diesen muss dann gefa vorhalten, was im Zusammenspiel mit den anderen E-Akten-Systemen zu einer Dopplung führen kann. Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht, dass die Modernisierung des forumSTAR-Textsystems planmäßig voran geht. Die modernisierte Fassung könnte voraussichtlich 2019 pilotiert werden, also deutlich vor der Einführung

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der E-Akte in der Fläche. Deshalb wird aktuell geprüft, ob man das modernisierte Textsystem mit dem bestehenden forumSTAR-Fachverfahren koppeln kann. Für den Rechtsanwender hat das den Charme, dass er oder sie ja ohnehin mehr mit dem Textsystem arbeitet (d.h. Texte produziert), als mit dem Fachverfahren. Nach Einführung der E-Akte wird das Fachverfahren für den Rechtsanwender weiter an Bedeutung verlieren, da ein direkter Sprung aus der E-Akte in das Textsystem vorgesehen ist. Das Fachverfahren (also die Datenbank) läuft dann nur noch im Hintergrund. 4. Wie genau funktioniert das aktuelle und das geplante Textsystem? Das ist eine sehr gute Frage, denn genau hier liegen die praktischen Probleme für den Rechtsanwender. Mir als Richter ist es ja in der Praxis eigentlich egal, auf welche Datenbanken im Hintergrund zurückgegriffen wird, welche Schnittstellen es gibt und allgemein wie die technische Umsetzung funktioniert. Diese Systeme sollen ja nur dazu dienen, die Arbeitsabläufe effizient zu gestalten. In der Praxis läuft das dann aktuell so ab: Zunächst rufe ich die Akte im Fachverfahren auf. Dort wähle ich dann ein Formular aus, beispielsweise einen Kostenbeschluss. Dann öffnet sich das Textsystem und gibt mir ein Formular, in dem die Verfahrensdaten schon an der entsprechenden Stelle eingefügt sind. Voraussetzung ist natürlich, dass diese Daten zuvor von der Geschäftsstelle im Fachverfahren erfasst worden sind. Daran fehlt es häufig, weil die Geschäftsstelle nicht immer abschätzen kann, welche Daten der Rechtsanwender benötigt. Es wäre beispielsweise völlig sinnlos, wenn die Geschäftsstelle in einem Zivilverfahren vorsorglich alle Zeugen erfasst, die von den Parteien benannt werden. Erfahrungsgemäß wird ja nur ein Bruchteil dieser Zeugen tatsächlich geladen. Im Textsystem habe ich dann anschließend die Möglichkeit in einer Maske bestimmte Häkchen zu setzen, um Textalternativen auszuwählen. An einigen Stellen, aber nicht überall, kann ich auch Freitext eingeben. Die genaue Art der Bedienung kann derzeit leider von Formular zu Formular abweichen. Falls ich bestimmte Textpassagen häufiger benötige, kann ich dies auch als Textbausteine oder persönliche Formulare abspeichern. Das vom Rechtsanwender erstellte Dokument wird von ihm am Ende gespeichert und freigegeben. Auf der Geschäftsstelle werden daraus dann die Reinschriften generiert und versendet, derzeit noch Papierform. Im geplanten Textsystem wird sich an diesen Grundfunktionen nichts ändern. Sie sollen dann aber endlich fehlerfrei und über alle Bereiche hinweg einheitlich funktionieren. Das aktuelle Programm krankt hier leider an vielen Stellen, dazu habe ich vor ein paar Jahren auch eine Polemik in der Deutschen Richterzeitung verfasst. Das neue Programm wird ergonomischer, benutzerfreundlicher und generell aufgeräumter gestaltet sein als das bisherige Textsystem. Außerdem soll es barrierefrei, insbesondere blindengerecht, werden. Im alten Programm war es außerdem nicht möglich, bestimmte

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Verfahrensdaten im Textsystem individuell anzupassen. Textbereiche waren also für den Anwender „gesperrt“. Das lag an einer fehlenden Rückschnittstelle zum Fachverfahren. Im neuen System wird es eine vollständige „Letztverantwortlichkeit“ des Rechtsanwenders geben. Alle Eingaben können in jedem Dokument individuell verändert werden. 5. Wo sehen Sie die Vorteile der elektronischen Akte? Die Vorteile der elektronischen Akte sehe ich vor allem bei komplexen Verfahren. Als Direktor eines Amtsgerichts stehe ich ihr daher zumindest teilweise auch skeptisch gegenüber. Neben den komplexen Verfahren beispielsweise beim Streit über Betriebskostenabrechnungen im Mietrecht haben wir hier nämlich einen hohen Anteil von einfachen Verfahren ohne viel Schriftverkehr und umfangreiche Gutachten. Bei solchen „dünnen“ Akten kommen die Vorteile der eAkte, wie z.B. die Volltextsuche oder die jederzeitige Verfügbarkeit, nicht zum Tragen. Im Gegenteil, die wenigen dort nötigen Bearbeitungsschritte werden am Bildschirm länger dauern als in der Papierwelt. Hier wird es deshalb vor allem auf die Benutzerfreundlichkeit der Software ankommen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass einfache Verfahren durch einen erhöhten technischen Bearbeitungsaufwand unnötig verkompliziert werden. Das gilt umso mehr, wenn man sich die aktuellen Überlegungen zu einem Strukturierungserfordernis des Parteischriftsatzes anschaut. 6. Sie sprechen da einen sehr interessanten Punkt an. Sind Sie der Ansicht, dass eine inhaltliche Strukturvorgabe für Schriftsätze zur effizienteren Fallbearbeitung durch das Gericht führen könnte? Bei richtiger Umsetzung kann ich Ihnen diese Fragen mit einem uneingeschränkten und klaren „Ja!“ beantworten. Das würde eine erhebliche Erleichterung bedeuten! Es passiert beispielsweise oft, dass eine Partei ewig lange Ausführungen zum Sachverhalt macht und auf vielleicht 20 Seiten ihre „Geschichte“ erzählt, während die andere Seite hauptsächlich Rechtsausführungen macht. Bei genauerer Betrachtung stellt sich dann heraus, dass der von der einen Partei vorgetragene Sachverhalt nur für ein einziges rechtliches Tatbestandsmerkmal relevant ist, auf das die Gegenseite in ihren Ausführungen vielleicht gar nicht eingegangen ist. Die Parteien schreiben dann komplett aneinander vorbei. Solche, teilweise auch taktisch vorgetragenen, Fehlverständnisse der Parteien herauszuarbeiten und geradezuziehen stellt eine erhebliche Arbeit für den Rechtsanwender dar. Die Vorgabe einer Schriftsatzstruktur würde da wirklich helfen. Allerdings möchte ich vor zwei Gefahren warnen, die ich sehe. Zum einen ist auch und gerade hier eine benutzerfreundliche Ausgestaltung entsprechender Software essenziell. Die Strukturierungsvorgaben – die ja alle denkbaren Fallgestaltungen abdecken müssen – dürfen nicht zu einer Verkomplizierung

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einfacher Verfahren führen. Wenn ich bei einfachen Verfahren nunmehr anstatt einer Seite plötzlich fünf Seiten durchschauen muss, auf denen dann in aller Ausführlichkeit steht, was alles nicht beantragt wird, dann führt das zu einem unzweckmäßigen Mehraufwand. Eine weitere mögliche Gefahr wäre, dass der Gesetzgeber auf die Idee einer Kompetenzverschiebung vom Richter weg kommen könnte. Nach dem Motto: „Wenn das jetzt eh alles so strukturiert und einfach ist, können wir die Bearbeitung ja einem Rechtspfleger oder sogar, gänzlich automatisiert, einer Software überlassen.“ So weit darf es nicht kommen, es handelt sich ja immer noch um einen Akt richterlicher Rechtsfindung. Die Letztentscheidungskompetenz des Richters muss unbedingt gewährleistet sein. 7. Sehen Sie die richterliche Unabhängigkeit durch den Einsatz von Software gefährdet? Nein, das sehe ich nicht. Wichtig ist wie gesagt nur, dass die Letztentscheidungskompetenz des Rechtsanwenders gewahrt wird. Alles andere sehe ich nur als Hilfsmittel und Arbeitserleichterung. Das trifft auch auf „intelligente“ Software zu. Aktuell ist zwar in dieser Richtung noch nichts geplant, aber auch die Integration oder Vernetzung des Textsystems mit einer juristischen Recherchefunktion oder das eigenständige Vorschlagen von Textbausteinen durch eine Software halte ich für unbedenklich. Ich hätte beispielsweise keine Probleme damit, wenn mir Ausführungen zur Rechtsprechung der eigenen Kammer aus früheren Verfahren von der Software vorgeschlagen würden. Mit solchen Textbausteinen arbeiten wir ja grundsätzlich schon heute. Am Ende muss es natürlich der Rechtsanwender sein, der die finale Entscheidung trifft. Zu bedenken gebe ich allerdings, dass der Faktor „Bequemlichkeit“ auch im Richterbereich eine Rolle spielen kann. Es mag sein, dass sich ein Rechtsanwender für eine bestimmte Lösung entscheiden wird, weil sie ihm von der intelligenten Software schon unterschriftsreif vorgeschlagen wurde, während die Gegenmeinung intensive eigene Begründungsarbeit erfordern würde. Wenn das vorkommen sollte, sehe ich das allerdings nicht als Problem der Unabhängigkeit, sondern als Problem der Entscheidungsqualität. 8. Eine weitere, aktuell diskutierte Idee ist die „Online-Verhandlung“. Was halten Sie von entsprechenden Vorschlägen? Da möchte ich mich klar gegen positionieren. Man muss differenzieren zwischen der Frage, ob eine mündliche Verhandlung überhaupt notwendig ist und der nachgelagerten Frage, ob man eine solche beispielsweise durch eine Videokonferenz ersetzen könnte. Ich spreche mich klar für die mündliche Verhandlung und gegen Videokonferenzen aus. Und zwar nicht aus Technikskepsis, sondern im Sinne der Effizienz und auch der Effektivität der Justiz. Lassen Sie mich das kurz erläutern.

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Die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung sehe ich insbesondere in drei sehr typischen Konstellationen gegeben. Wenn die Parteien anwaltlich vertreten sind, bietet die mündliche Verhandlung die Möglichkeit die Parteien selber zu hören. Oft kommen dabei neue Informationen zu Tage, die aus den anwaltlichen Schriftsätzen nicht oder nicht so erkennbar waren. Der zweite Fall sind Beweisaufnahmen, insbesondere Zeugen- und Sachverständigenbefragungen. Hier ist eine persönliche Befragung extrem wichtig, um Nachfragen stellen und sich ein Bild von der Glaubwürdigkeit des Vortrags machen zu können. Schließlich gibt es vor dem Amtsgericht häufig auch sogenannte Naturparteien, also Privatpersonen ohne anwaltliche Vertretung. Hier fehlt es natürlich oft an einem juristischen Grundverständnis. Wenn ich so jemandem im Schriftverkehr erklären will, welcher Vortrag rechtlich relevant ist, welcher nicht und aus welchem Grund, dann dauert das – wenn es überhaupt funktioniert – sehr lange. Sowas lässt sich viel einfacher, schneller und unkomplizierter in einer mündlichen Verhandlung im Gerichtssaal klären. Eine mündliche Verhandlung ist unter diesen Aspekten unentbehrlich. Was die „virtuelle Hauptverhandlung per Videokonferenz“ anbelangt, sehe ich dies unter zwei Aspekten kritisch. Zum einen ginge die typische und in meinen Augen sehr wichtige Gerichtsatmosphäre verloren. Wir haben in meinem Gericht vor kurzem darüber abgestimmt, ob das Richterpult in den Gerichtssälen auf einem Podest stehen soll, oder nicht. Die ganz überwiegende Mehrheit hat sich für ein Podest ausgesprochen. Ich bin auch der Meinung, dass Richter und Anwälte stets in Robe vor Gericht auftreten sollten. Das hat etwas mit der Autorität des Richters zu tun. Aufgabe des Gerichts ist auch die Wahrheitsfindung. Gerade bei Naturparteien und bei der Zeugenvernehmung ist da in meinen Augen eine persönliche Präsenz aller Beteiligten sehr wichtig. Abgesehen davon sehe ich in der Videokonferenz auch keine wirklichen Vorteile hinsichtlich Verfahrenseffizienz, zumindest nicht aufseiten des Gerichts. Ganz im Gegenteil, ich würde da erhebliche praktische Probleme auf die Justiz zukommen sehen. Im Gegensatz etwa zu Großkanzleien haben wir bei Gericht weder die technischen Voraussetzungen noch die finanziellen Mittel zur Schaffung derselben und vor allem nicht das notwendige Servicepersonal in den Geschäftsstellen, um eine solche Konferenz zu organisieren. 9. Sie sprechen gerade die Geschäftsstellen an. Gab oder gibt es hier Veränderungen durch die Justizsoftware? Ja, und zwar wesentliche. Die Geschäftsstellen der Gerichte wurden – jedenfalls an den Amtsgerichten in Hamburg – in den letzten Jahren massiv zusammengestrichen, hier gab es einen erheblichen Personalabbau. Das hat auch mit der Justizsoftware zu tun, durch die es eine Verschiebung von Arbeit weg von der Geschäftsstelle, hin zum Richter gab. Formulare hatten wir auch früher schon. Das lief dann so ab, dass ich als Richter nach Durchsicht der Akte das

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passende Formular aus dem Schrank geholt habe, die entsprechenden Felder angekreuzt und Anmerkungen handschriftlich gemacht habe. Um die „Aufhübschung“ und Niederlegung des eigentlichen Beschlusses hat sich dann der Servicebereich gekümmert. Mit Einführung des Textsystems wurde dieser Aufgabenbereich von der Geschäftsstelle auf den Rechtsanwender übertragen. Das ist vom Grundsatz her kein Problem, solange die Benutzerfreundlichkeit der Software gewährleistet ist. Wo ich allerdings eine fehlerhaft programmierte, unübersichtliche und generell benutzerunfreundliche Software habe, führt das unweigerlich zu einem Mehraufwand beim Richter. In den Jahren 1991/1992 haben wir bei den Amtsgerichten in Hamburg ca. 800 Zivilverfahren pro Jahr erledigt. Heute sind wir nur noch bei ca. 500. Die Fälle sind in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht komplexer geworden und es mag auch sein, dass wir ganz ohne Technik statt 500 überhaupt nur noch 300 Verfahren pro Jahr erledigen könnten. Ich sage allerdings, dass wir mit leistungsfähigen Geschäftsstellen und mit einer funktionierenden Software, bei der ich mich wirklich auf meine Aufgabe der Rechtsfindung konzentrieren kann, auch 600 Verfahren schaffen könnten. Eine Kollegin meinte neulich zu mir, dass sie seit der Einführung von forumSTAR durchschnittlich eine Stunde länger pro Tag zur Erledigung der Akten benötigt. Das darf nicht sein.

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Sachregister Ablauforganisation 30 f. Abschichtung 97, 103 Abschriften 111 f. Abstraktion – beim Menschen 71 f. – im Recht 44–47, 81, 83, 86, 141 – in künstlichen neuronalen Netzwerken 72 f. Accountability 82 Akte, elektronische, siehe E-Akte Aktivierungsfunktion 65 Ampelschaltung 97, 103, 126 AND-Gatter, siehe Gatter Anlagenverzeichnis, siehe Auswertungen Anträge 90. 100, 106 – Verknüpfung 92 f. – Haupt- und Hilfsantrag 90 – im kollektiven Rechtsschutz 134, 136 Anwaltsprozess 98, 107, 112, 114, 117, 122 Approximation 60 ASCII 51 Auslegung 42–47 – siehe auch Rechtsfortbildung Austausch – der Gerichte 123 – von Daten 16 f., 51, 88 Auswertungen – siehe auch Delta-Ansicht – im seV 94, 135 Autoencoder 72 f. Backpropagation 69 beA 17 Bedeutung – siehe auch Semantik – des Normzweck 45 f., 81 – natürlicher Sprache 34

– von Rechtsprinzipien 46 f., 81 Begründung, siehe Entscheidungsgründe Behauptungslast, konkrete, siehe Substantiierungslast Benutzeroberfläche 58, 88, 90–94, 124, 135, 146 Beschränkung auf bestimmte Angriffsund Verteidigungsmittel 104, 114 Beweisaufnahme 26, 37 f., 89, 134, 149 Beweisbeschluss 26, 122 Beweislast – objektive 27, 38 – subjektive 28 Beweismaß 26 f., 38 Beweiswürdigung, siehe Verhandlungswürdigung Bias – in künstlichen neuronalen Netzwerken 63–70 – Status Quo Bias 127 Bilderkennung – siehe auch Gesichtserkennung – Berechnungsbeispiel 66–70 – Leistungsfähigkeit 74 f. Bit 50 f. Darlegungslast, siehe Substantiierungslast Daten – Auswahl 81–83, 141 – Beschaffung 79 f., 127, 140 f. – Interpretation 50 f. – juristischer Datensatz 123 f. – Sicherheit 16 f. – Speicherung 49–51, 70, 74 – Verarbeitung 51–59 – Verfügbarkeit 66, 76, 79 f. Definition – juristische 40, 92

168

Sachregister

– von Standards 51 Delta-Ansicht 91, 94 Desinteresse, rationales 129 Digitalisierung – Kompetenzordnung 9–11 – Status Quo 11–19 Dokument, elektronisches 15 f., 108– 110 E-Akte 15 f., 145–147 Effizienz – Programmierung 58 – Steigerung im seV 122 f., 147 f. Entscheidungsgründe 29, 47 Entscheidungsqualität 127, 138, 141, 148 – siehe auch Textbausteine Entwicklung, kognitive 71 f. Erfahrungssätze, siehe Lebenserfahrung Erklärungen 90 – siehe auch Anträge – zum Vortrag des Gegners 95, 106, 129 Fachverfahren 12 f., 143–147 Fehlerrückberechnung, siehe Backpropagation Feststellungsziele, siehe Musterfeststellungsverfahren Finalnormen 41 f. Flexibilität – im seV 91, 96, 102, 124 f., 134 – Netzwerkarchitektur, siehe künstliche neuronale Netzwerke, evolutionäre – Programmierung 57 Formalisierung 39–42, 124 f. – siehe auch Modellierung formal-logische Komponente 48, 59, 76 Formulare 101 f., 146, 149 f. forumSTAR 12–14, 143–146 Fristen 89, 91, 111, 119–122 Funktion – siehe auch Aktivierungsfunktion – Algorithmus 52 – Beispielsfunktionen 55–57 – Programm als 60–62 – rechtliche Konstrukte als 40–42

Gatter 52 gefa, siehe Modernisierungsprojekt Generalisierung 62, 69, 74, 81 Gerichtsverwaltung – siehe auch Ablauforganisation – Software 12–14, 31 – Zuständigkeit, siehe Kompetenzordnung Geschäftsstelle 6, 12 f., 31, 146, 149 f. – siehe auch Personalmangel Gesetzeslücke, siehe Rechtsfortbildung Gesetzeszweck, siehe Normzweck Gesetzgebungskompetenz, siehe Kompetenzordnung Gesichtserkennung 74 Gewichtungsfaktor 64, 68–70 Gliederung, siehe Strukturierung Grammatik, formale 33 Güterichter, siehe Streitbeilegung Hardware 21, 58, 78 Hinweise, gerichtliche 97, 102 f., 114, 123, 126 Information 32, 49–51, 72–74 Inkassodienstleister 130 f. Interessensbündelung – materielle 130 – prozessuale 131–133 Interpretation – Daten 50 f. – künstliche neuronale Netzwerke 70 – natürliche Sprache 34 f. IT-Staatsvertrag 10 f. Justiz – im Wettbewerb 4 f. – Personalmangel 5 f. – Überlastung 1–4 Justizsoftware – siehe auch E-Akte – Entwicklungsgeschichte 12 f., 143– 145 – universelle, siehe Richter, künstlicher – Verwaltungssoftware 12–14, 31 Justizverwaltung, siehe Gerichtsverwaltung

Sachregister KapMuG 3 f., 132 f., 136 f. Käuferschutz 17 Klagedatei – Inhalt 115 f. – Zustellung 89, 116 f. Klageerhebung 89, 116 f. Klageerwiderung 89, 91, 99, 119 f. Klagehäufung – objektive 130 f., 134 – subjektive 131 f., 135 Klagerückgang 4 f. kollektiver Rechtsschutz, siehe Massenschäden Kommunikation – siehe auch Videokonferenztechnik – elektronische 15–17 – menschliche 31–35, 72, 141 Kompetenzordnung 9–11 Kontrolle, gesellschaftliche 82 Konzeptverständnis 49, 80–82 künstliche Intelligenz 60 künstliche neuronale Netzwerke – Architektur 64, 78 f. – Aufbau 62–66 – Berechnung 64, 66 – Blackbox 70 – evolutionäre 79 – feedforward 79 – Interpretation 70 – Leistungsfähigkeit 74 f. – recurrent 79 – Training 68–70 – Wissensrepräsentation 70 Ladung – elektrische 50, 52 – Terminsladung 31, 118 Länderkooperation 9–11, 16, 104 f. – siehe auch Kompetenzordnung Lebenserfahrung – allgemeine 26 f., 36–38 – Gerechtigkeitsvorstellung 82 – Weltwissen 71 f., 80–82 Legal Technology 6 f. Lernen – maschinelles 60–62 – menschliches 71 – unbeaufsichtigtes 74 Logik, formale 39–42, 44, 52

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– siehe auch Syllogismus Logikgatter, siehe Gatter Lückenfüllung 45 f. maschinelles Lernen 60–62 – siehe auch künstliche neuronale Netzwerke Massenschäden 3 f., 128–130 Medientransfer 116 f. – siehe auch Klageerhebung MEGA 12, 143 Modellierung 22 f., 58 f., 61 f. Modernisierungsprojekt 13 f., 143–145 Mündlichkeitsgrundsatz 14, 31, 99 f. – siehe auch Verhandlung, mündliche Musterfeststellungsverfahren 3 f., 132 f., 136 f. NAND-Gatter, siehe Gatter Neuron, siehe künstliches neuronales Netzwerk Normenhierarchie 42 f. Normzweck 45, 81 Objektpermanenz 71 Online Dispute Resolution 17–19 Organisation, siehe Ablauforganisation Personalmangel 9 f. Pragmatik 34 f. Präklusion 96 Privatautonomie 42 f. Programm – als Funktion 60–62 – Beispiele 55–57 programmable logic array 54–57 Programmierung 22 f., 53–59 Prozessfinanzierung 130 Prozessleitung, materielle 30, 47 f., 89, 97, 102 f., 112–114, 124 Rechenleistung 58, 76–78 Recherche, juristische 123, 148 Recht und Informatik – siehe auch Rechtsinformatik – Parallelität 22 f. Rechtsausführungen, siehe Rechtsvortrag

170 Rechtsfindung, transparente 47, 114, 123 f. Rechtsfortbildung 45–47, 80–82 Rechtsinformatik 8, 22, 35 Rechtsprinzipien 46 f., 81 Rechtssatz 39–42 Rechtsverkehr, elektronischer 15–17 Rechtsvortrag – anwaltliche Pflicht zum 100 f. – im seV 92, 96 – Umstrukturierung 103 Redundanzen – siehe auch Textbausteine – im Parteivortrag 2, 87, 91, 122 Relationstechnik 25, 38, 48, 122 Rhetorik, anwaltliche 125 f. Richter – Aufgaben 24 – künstlicher 21 – richterliche Überzeugung 26 f., 29, 36, 38 – Richterrecht 43 Sachverhalt – siehe auch Sachvortrag – Aufklärung 35–38 Sachverständige 14, 26, 97, 104 Sachvortrag – im seV 90 f., 94 f. – redundanter 2, 87, 91, 122 Sammelklagen, siehe Massenschäden Schematisierung – siehe auch Formalisierung – Beweiserhebung 25 – im seV 124 f. – Rechtssatz 39–42 Schlüssigkeit 25, 37, 97 Schriftsatz – inhaltliche Vorgaben 100 f. – Redundanzen 2, 87, 91, 122 Semantik 33 f. – siehe auch Bedeutung seV – siehe auch Verfahrensdatei – Ablauf 89 – Änderung der ZPO 105–122 – Anwendungsbereich 98 – Chancen 122–124 – kollektiver Rechtsschutz 128–137

Sachregister – rechtliche Einordnung 99–105 – Risiken 124–128 – technische Ausgestaltung 88 f., 104 f. Serviceeinheiten, siehe Geschäftsstelle Sigmoidfunktion, siehe Aktivierungsfunktion Sprache – formale 32 f. – natürliche 34 f. – Spracherkennung 31 f., 35 – Sprachverständnis 32–35 Standardisierung – Datenaustausch 51 – im Recht, siehe Schematisierung Stellungnahmen 88, 91, 95, 114 Storytelling, siehe Rhetorik Streitbelegung 5, 17–19, 30, 47 Streuschäden, siehe Massenschäden Strukturierung – siehe auch Formalisierung – Änderung der ZPO 106–108 – des Rechtsvortrags 96 – des Sachvortrags 95 – durch das Gericht 96 Strukturvorgabe 101 f., 124 f. Stufenbau – der Rechtsordnung 42 f. – Programmierung 58 f. Substantiierungslast 28 f. Supercomputer 78 Syllogismus, juristischer 44 Systemanforderungen 48 f. – siehe auch Rechenleistung Terminsladung 31, 118 Textbausteine 13, 122 f., 127 f., 141, 146, 148 – siehe auch Redundanzen Textsystem 12 f., 143–150 Textverständnis 32–35 Trainingsdaten 61 f., 66, 68 f., 75, 83 – siehe auch Daten Transfervermerk, siehe Medientransfer Transparenz, siehe Rechtsfindung Überarbeitungen – der Verfahrensdatei 88, 91, 95, 114 – Fristen 89, 91, 111

Sachregister Überlastung, justizielle 1–4 Übermittlungsweg, sicherer 17 Überzeugung, richterliche 26 f., 29, 36, 38 Variablen 64, 68–70 Verbandsklage 131, 133 Verbraucherschutz 17–19, 128–130 Verfahrenschronik 94 Verfahrensdatei, elektronische 88–94 Verfahrensdauer – siehe auch Klagerückgang – Zunahme 1 f. Verfahrensleitung, aktive 96 f., 102–104 Verfahrensverbindung 131 Verhandlung, mündliche 89, 96–98 Verhandlungswürdigung 26 f. Verknüpfung – im seV 92 f. – logische, siehe Gatter – Sinneseindrücke, siehe Wahrnehmung, intermodale Verkomplizierung 124 Verlinkungen 89 Verordnungsermächtigung 101 f., 104 Verträge, siehe Privatautonomie Videokonferenztechnik 14 f., 148 f.

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Vorverfahren 89, 91, 99, 102 f. Vorverständnis 81 f. Wahrheitsbedingung 34 Wahrheitstabelle 52, 53, 55 Wahrheitswahrscheinlichkeit 38 Wahrnehmung 31 f. – siehe auch Hardware – intermodale 71, 77, 79 f. Weltbild – Entstehung beim Menschen 71 – funktionales Abbild 35 f. – gesellschaftlich-soziale Komponente 36, 48 – umfassendes 48 Wertentscheidung 45–47 Wettbewerb der Rechtsdurchsetzung 4 f. Wissen – Datenspeicherung 49–51 – konzeptuelles 72, 141 – Repräsentation in künstlichen neuronalen Netzwerken 70 Zirkel, hermeneutischer, siehe Vorverständnis Zuständigkeit, siehe Kompetenzordnung