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German Pages 368 [369] Year 2020
Beiträge zum Sportrecht Band 56
Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport
Von
Tim Hülskötter
Duncker & Humblot · Berlin
Tim Hülskötter
Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport
Beiträge zum Sportrecht Herausgegeben von Kristian Kühl, Udo Steiner und Klaus Vieweg
Band 56
Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport
Von
Tim Hülskötter
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster hat diese Arbeit im Jahr 2019 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D6 Alle Rechte vorbehalten
© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1435-7925 ISBN 978-3-428-15867-6 (Print) ISBN 978-3-428-55867-4 (E-Book)
Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Meiner Familie
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2019 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen-Wilhelms Universität Münster als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Arbeit am Institut für Internationales Wirtschaftsrecht, Abt. IV (Lehrstuhl Prof. Dr. Petra Pohlmann). Die Arbeit ist auf dem Stand von April 2019. Spätere Stellungnahmen zum Thema konnten zumindest teilweise in den Fußnoten ergänzt werden. Mein besonderer Dank gilt meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Petra Pohlmann für die in jeder Hinsicht vorbildliche Betreuung der Arbeit. Sie stand mir bei der Entstehung der Arbeit jederzeit als gewinnbringende Diskussionspartnerin zur Verfügung, ließ mir aber dennoch bei der Erstellung alle wissenschaftlichen Freiheiten. Herrn Prof. Dr. Gerald Mäsch danke ich für die besonders schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Für die Aufnahme in die Schriftenreihe richtet sich mein Dank schließlich an Prof. Dr. Klaus Vieweg, Prof. Dr. Udo Steiner und Prof. Dr. Dr. Dres h. c. Kristian Kühl. Meiner Großmutter Lieselotte Kaufmann sowie der Studienstiftung ius vivum danke ich für die großzügigen Druckkostenzuschüsse. Herrn Rechtsanwalt Mark-E. Orth danke ich für die vielen gewinnbringenden Telefonate über das „Sportkartellrecht“ sowie die stetigen Hinweise auf die Praxis. Weiterhin gilt mein Dank allen Kolleginnen und Kollegen am Institut für Internationales Wirtschaftsrecht und an der Forschungsstelle für Versicherungswesen, die mir als Gesprächspartner für diese Arbeit zur Verfügung standen. Namentlich erwähnen möchte ich Merle Bock, LL. M. und Stefan Schmidt. Die Hilfe von Jörg Schlarb bei der kritischen Durchsicht der Arbeit war für mich unverzichtbar und muss an dieser Stelle hervorgehoben werden. Ganz besonders danken möchte ich meinen Eltern, Silke und Wilfried Hülskötter, die mich während der verschiedenen Etappen meiner juristischen Ausbildung immerzu unterstützt und mir jeden erdenklichen Rückhalt gegeben haben. Schließlich und letztlich gebührt mein Dank meiner Freundin Vanessa Gorzelanczyk für ihr immerwährendes Verständnis – besonders in der Zeit kurz vor der Geburt unseres Sohnes Jonah. Münster, im August 2019
Tim Hülskötter
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung 19 A. Gegenstand und Ziel der Untersuchung ................................................................... 21 B. Gang der Untersuchung ........................................................................................... 22 Kapitel 2
Problemstellung (oktroyierte Schiedsvereinbarungen) 24
A. Organisationsstruktur des Sports ............................................................................. 24 I.
Organisation einzelner Fachsportarten ......................................................... 25
II.
Fachübergreifende Verbände ......................................................................... 27
III. Organisation von Sportveranstaltungen ....................................................... 28 B. Beispiele der Einbindung von Schiedsvereinbarungen bei Sportveranstaltungen ... 28 I.
Olympische Spiele .......................................................................................... 29
II. Handball-Bundesliga ...................................................................................... 31 C. Oktroyierte Schiedsvereinbarungen im Sport .......................................................... 33 D. Wesentliche Erkenntnisse des Kapitels 2 ................................................................. 36 Kapitel 3
Schiedsgericht und Schiedsvereinbarung 37
A. Schiedsgericht .......................................................................................................... 37 I.
Echte Schiedsgerichte .................................................................................... 37
II. CAS ................................................................................................................. 42 1.
Problem: ICAS/CAS ............................................................................... 44 a) Verbände als einheitliche Partei? ...................................................... 48 b) Anwendung ...................................................................................... 50 aa) IOC ............................................................................................. 51 bb) Deutscher Handballbund ........................................................... 52 cc) Ergebnis ..................................................................................... 54 2. Problem: Ernennung von Schiedsrichtern durch die Präsidenten der Arbitration Divisionen ........................................................................... 56
10
Inhaltsverzeichnis 3. Problem: Repeat Player Bias .................................................................. 57 4. Problem: Finanzierung des CAS ............................................................ 59 5. Problem: Vorlage des Schiedsspruchs beim CAS-Generalsekretär ...... 60 6. Ergebnis .................................................................................................. 61
B. Schiedsvereinbarung ................................................................................................ 62 C. Schiedsanordnung, § 1066 ZPO .............................................................................. 63 D. Schiedsverfahrensvereinbarung ............................................................................... 64 E. Wesentliche Erkenntnisse des Kapitels 3 ................................................................. 64 Kapitel 4
Grundlagen zur rechtlichen Bewertung oktroyierter Schiedsvereinbarungen 66
A. Verfassungsrechtliche Grundlagen .......................................................................... 67 I.
Vertragsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG ................................................................ 67
II.
Vereins- und Verbandsfreiheit, Art. 9 Abs. 1 GG ......................................... 75
III. Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG ................................................................. 76 IV. Allgemeiner Justizgewähranspruch .............................................................. 77 V.
Recht auf gesetzlichen Richter, Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG .............................. 81
B. Völkerrechtliche Grundlagen ................................................................................... 82 I.
Recht auf ein faires Verfahren, Art. 6 Abs. 1 EMRK ................................... 82
II.
1. Gericht .................................................................................................... 83 2. Auf Gesetz beruhend .............................................................................. 84 3. Unabhängig und unparteiisch (neutral) ................................................. 90 a) Art und Weise der Ernennung der Richter ........................................ 91 b) Länge der Amtszeit ........................................................................... 93 c) Existenz von Regelungen zum Schutz vor Druck von außen ........... 93 d) Unabhängigkeit des Gerichts aus der Sicht eines objektiven Beobachters ............................................................................................... 94 e) Ergebnis ............................................................................................ 96 4. Öffentlichkeit .......................................................................................... 97 Vereinigungsfreiheit, Art. 11 Abs. 1 EMRK ................................................. 100
III. UNESCO Internationales Übereinkommen gegen Doping im Sport ........... 100 C. Europäische Grundlagen .......................................................................................... 104 I.
Verhältnis der GRCh zur EMRK ................................................................... 105
II.
Vereinigungsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GRCh .................................................. 109
III. Berufsfreiheit, Art. 15 Abs. 1 GRCh ............................................................. 109
Inhaltsverzeichnis
11
IV. Rechtsschutzgewährleistung, Art. 47 Abs. 2 S. 1 GRCh .............................. 110 D. Wesentliche Erkenntnisse des Kapitels 4 ................................................................. 111 Kapitel 5
Verzicht auf den Justizgewähranspruch durch Schiedsvereinbarungen 113
A. Rechtsprechung ....................................................................................................... 114 I. Körbuch .......................................................................................................... 114
II.
1. LG Augsburg, Urt. v. 14.08.1997, 8 O 4234/96 – Körbuch I ................. 115 2. OLG München, Urt. v. 09.02.1998, 30 U 709/97 – Körbuch II ............. 115 3. BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98 – Körbuch III .......................... 116 LG Köln, Urt. v. 13.09.2006, 28 O (Kart) 38/05 ............................................ 117
III. Spielervermittler (verschiedene Entscheidungen) ......................................... 118 1. AG Bottrop, Urt. v. 22.01.2009, 11 C 198/08 ......................................... 119 2. LG Koblenz, Urt. v. 26.11.2013, 3 HK O 237/10 .................................... 119 3. OLG Koblenz, Urt. v. 06.11.2014, 2 U 1560/13 ...................................... 121 IV. Pechstein ......................................................................................................... 122
V.
1. LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12 – Pechstein I .......... 123 2. OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart – Pechstein II ........ 126 3. BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15 – Pechstein III .............................. 128 LG Kempten, Urt. v. 22.11.2014, 33 O 1921/14 ............................................. 132
VI. Entscheidungen nach Pechstein III ................................................................ 133 VII. Ergebnis .......................................................................................................... 134 B. Literatur ................................................................................................................... 134 I.
Freiwilligkeit bedeutet echte Wahlfreiheit .................................................... 136
II.
Freiwilligkeitserfordernis bedeutet Inhaltskontrolle ..................................... 142
III. Das verfassungsrechtliche Freiwilligkeitserfordernis existiert nicht ................................................................................................. 146 C. Stellungnahme ......................................................................................................... 149 I.
Methodik zur Bestimmung der Garantie des Justizgewähranspruchs ......... 150
II.
Konkretisierung des Justizgewähranspruchs ................................................ 151 1. Vor-Verständnis des Justizgewähranspruchs ......................................... 152 2. Konkretisierung im eigentlichen Sinne ................................................. 152 a) Grammatikalische Konkretisierung .................................................. 152 b) Historische und genetische Konkretisierung .................................... 155 c) Systematische Konkretisierung ........................................................ 156 aa) Kompetenz des einfachen Gesetzgebers zur systematischen Konkretisierung ......................................................................... 156 bb) Auswirkungen der Einführung von § 11 AntiDopG ................ 157
12
Inhaltsverzeichnis cc) Auswirkungen der Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. . 159 dd) Inhaltkontrolle bereits durch andere Regelungen ..................... 161 (1) Voraussetzungen für echte Schiedsgerichtsbarkeit ............ 161 (2) Inhaltskontrolle im Kartellrecht und AGB-Recht .............. 162 d) Teleologische Konkretisierung ......................................................... 162 III. Ergebnis .......................................................................................................... 165
D. Wesentliche Erkenntnisses des Kapitels 5 ............................................................... 166 Kapitel 6 Partieller Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK durch Schiedsvereinbarungen 168
A. Verzicht auf die Garantie des Zugangs zu einem auf Gesetz beruhenden Gericht .. 169 I. Rechtsprechung .............................................................................................. 170 1. Causa Pechstein ...................................................................................... 170 a) LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12 – Pechstein I ... 170 b) OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart – Pechstein II . 172 c) BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15 – Pechstein III ........................ 172 d) Deutsche Rechtsprechung nach Pechstein III .................................. 173 e) EGMR, Urt. v. 02.08.2018, Nr. 40575/10, 67474/10 – Mutu/Pechstein ................................................................................. 173 2. Stretford .................................................................................................. 174 a) UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460 – Stretford I .. 175 b) UK Court of Appeal, Urt. v. 21.03.2007, 2007 WL 763672 – Stretford II ........................................................................................ 176 II. Literatur .......................................................................................................... 177 1. Freiwilligkeit bedeutet echte Wahlfreiheit ............................................ 178 2. Freiwilligkeit bestimmt sich im Ergebnis durch eine Interessenabwägung .................................................................................................... 178 3. Freiwilligkeit ist nicht zwingend notwendig ......................................... 182 4. Freiwilligkeit wird durch allgemeines Vertragsrecht gewahrt .............. 183 III. Stellungnahme ............................................................................................... 183 1. 2. 3. 4.
Grammatikalische Auslegung ................................................................ 184 Kontext (Systematische Auslegung) ...................................................... 185 Ziel und Zweck der EMRK (Teleologische Auslegung) ........................ 185 Ergänzende Auslegung nach Art. 32 WVRK (Historische und genetische Auslegung) ..................................................................................... 185 5. Faktische Orientierungs- und Leitfunktion des EGMR ........................ 185 a) X v République Fédérale d’Allemagne ............................................. 187 b) Deweer v Belgium ............................................................................. 187 c) Bramelid & Malström v Sweden ...................................................... 188
Inhaltsverzeichnis
13
d) e) f) g) h) i)
R v Switzerland ................................................................................. 189 Axelsson v Sweden ............................................................................ 189 Suda v République Tchèque .............................................................. 190 Tabbane v Suisse ............................................................................... 192 Mutu/Pechstein v Suisse ................................................................... 193 Schlussfolgerungen aus der Rechtsprechung ................................... 193 aa) 1. Prüfungsschritt ...................................................................... 194 bb) 2. Prüfungsschritt ...................................................................... 197 (1) Zwang nach Art. 6 Abs. 1 EMRK ...................................... 199 (2) Erweiterung der Rechtsprechung durch Verhältnismäßigkeit ...................................................................................... 199 6. Abstraktes Ergebnis ............................................................................... 202 7. CAS-Schiedsvereinbarungen ................................................................. 202 a) Zwang ............................................................................................... 202 b) Verhältnismäßigkeit .......................................................................... 202 aa) Legitimes Ziel ............................................................................ 203 bb) Abwägung .................................................................................. 204 B. Öffentlichkeit ........................................................................................................... 205 I.
Abstrakte Verzichtsvoraussetzungen ............................................................ 206
II.
Verzicht durch CAS-Schiedsvereinbarungen ................................................ 206 1. Zwang ..................................................................................................... 206 2. Verhältnismäßigkeit ............................................................................... 206
C. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit (Neutralität) ................................................. 207 D. Wesentliche Erkenntnisse des Kapitels 6 ................................................................. 208 Kapitel 7
Unmittelbar wirkende Rechtsnormen 210
A. § 11 Anti-Doping Gesetz ......................................................................................... 210 I. Wortlaut .......................................................................................................... 212 II. Systematik ...................................................................................................... 213 III. Genetik und Historie ...................................................................................... 213 IV. Telos ................................................................................................................ 217 V. Ergebnis .......................................................................................................... 217 B. Verbotsgesetz, § 134 BGB i. V. m. 102 AEUV ......................................................... 217 I.
Anwendbarkeit des Kartellrechts auf den Sport ........................................... 218
II.
Zwischenstaatlichkeit .................................................................................... 219
III. Missbrauchsverbot, Art. 102 AEUV ............................................................. 221
14
Inhaltsverzeichnis 1. Sportveranstaltung als Plattform ........................................................... 221 2. Angebots- oder Nachfragemarkt ........................................................... 227 3. Unternehmenseigenschaft der Sportverbände ....................................... 230 4. Marktbeherrschung ................................................................................ 232 a) Anwendung des Monopson-Modells ................................................ 233 aa) Relevanter Markt ....................................................................... 234 (1) Sachlich relevanter Markt .................................................. 234 (a) Wettbewerbe anderer Sportarten ............................... 235 (b) Nationale oder internationale Sportveranstaltungen derselben Sportart ...................................................... 237 (c) Nationale Meisterschaften in verschiedenen Ländern ............................................................................. 238 (2) Räumlicher und zeitlicher Markt ....................................... 239 bb) Marktmacht ............................................................................... 240 (1) IOC und DHB als Nachfrager ............................................ 240 (a) Olympische Spiele ...................................................... 240 (b) 1. Handball-Bundesliga .............................................. 241 (2) Marktmacht von IOC und DHB ......................................... 242 b) Anwendung des Verhandlungsmodells ............................................. 244 5. Missbrauch .............................................................................................. 245 a) Erzwungene sonstige Geschäftsbedingungen ................................... 250 b) Unangemessenheit ............................................................................ 251 aa) Vergleichsmarktkonzept (quantitativer Konditionenmissbrauch) ....................................................................................... 251 (1) Andere Geschäftsbedingungen auf dem Vergleichsmarkt .. 254 (2) Erhebliche Abweichung zum Vorteil des Marktbeherrschers .................................................................................. 255 bb) Interessenabwägung (qualitativer Konditionenmissbrauch) .... 256 (1) Vertraulichkeit .................................................................... 259 (a) Legitimes Ziel ............................................................ 261 (b) Notwendigkeit ............................................................ 263 (c) Abwägung .................................................................. 264 (2) Geschlossene Schiedsrichterlisten ..................................... 270 (a) Legitimes Ziel ............................................................ 271 (b) Notwendigkeit ............................................................ 272 (3) Kompetenzen der Divisionspräsidenten ............................. 274 (a) Legitimes Ziel ............................................................ 274 (b) Notwendigkeit ............................................................ 276 (c) Abwägung .................................................................. 277 (4) Sitz des CAS und Vollstreckung durch Verbände .............. 279 (a) Legitimes Ziel ............................................................ 281
Inhaltsverzeichnis
15
(b) Notwendigkeit ............................................................ 282 (c) Abwägung .................................................................. 282 IV. Rechtsfolge ..................................................................................................... 290 C. Verbotsgesetz § 134 BGB i. V. m. Art. 267, 344 AEUV (Achmea-Rechtsprechung des EuGH) ............................................................................................................... 294 I.
Die wesentlichen Aussagen von Achmea zur Investitionsschiedsgerichtsbarkeit ............................................................................................................. 295
II.
Die Aussagen von Achmea zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit .................... 296
III. Auswirkungen auf die Sportschiedsgerichtsbarkeit ...................................... 297 IV. Auswirkungen auf die CAS-Schiedsgerichtsbarkeit ..................................... 298 D. AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB .............................................................................. 299 I. Anwendbarkeit ............................................................................................... 300 II.
Vorliegen von AGB ........................................................................................ 305
III. Einbeziehung in den Vertrag ......................................................................... 306 IV. Inhaltskontrolle .............................................................................................. 308 1. Eröffnung der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB ....................... 309 2. § 309 Nr. 14 BGB (Mannschaftssportler) .............................................. 309 3. Generalklausel, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ................................................. 310 V. Rechtsfolge ..................................................................................................... 316 E. Sittenwidrigkeit, § 138 BGB ................................................................................... 318 F. Treu und Glauben, § 242 BGB ................................................................................ 319 G. Wesentliche Erkenntnisse des Kapitels 7 ................................................................. 319 Kapitel 8
Ergebnisse der Untersuchung in Thesen 326
Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 335 Sachverzeichnis ............................................................................................................. 367
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungen
Für die Bedeutung von Abkürzungen wird verwiesen auf: Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Aufl. Berlin 2018. Kunkel-Razum, Kathrin/Gallmann, Peter/Kunkel, Melanie/Münzberg, Franziska, Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 27. Aufl. 2017.
Daneben werden folgende Abkürzungen verwendet: AIOWF Vereinigung internationalen Sportverbände der Olympischen Winterspiele ANOC Vereinigung nationaler Olympischer Komitees AntiDopG Anti-Doping-Gesetz ASOIF Vereinigung der internationalen Sportverbände der Olympischen Sommerspiele BDR Bund Deutscher Radfahrer CAS Court of Arbitration for Sport CAS-ADD Rules Arbitration Rules CAS Anti-Doping Division CAS-Code Code of Sports-related Arbitration DEB Deutscher Eishockey Bund DESG Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft DFB Deutscher Fußball-Bund DFL Deutsche Fußball Liga DHB Deutscher Handballbund DIS Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit DIS-Sport Deutsches Sportschiedsgericht DLV Deutscher Leichtathletik Verband DOSB Deutscher Olympischer Sportbund EHF European Handball Federation FIA Fédération Internationale de l’Automobile FIBA International Basketball Federation FIFA Fédération Internationale de Football Association FIG Fédération Internationale de Gymnastique FINA Fédération Internationale de Natation FIS Internationaler Skiverband FIVB Fédération Internationale de Volleyball GTA Grain Trade Australia HBL Handball-Bundesliga HVW Handballverband Westfalen IAAF International Association of Athletics Federations
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Abkürzungen
IBF International Boxing Federation ICAS International Council of Arbitration for Sport ICC International Chamber of Commerce i. E. im Ergebnis IHF International Handball Federation IPRG-Schweiz Schweizer Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht IOC International Olympic Committee ISU International Skating Union LCIA The London Court of International Arbitration NADA Nationale Anti-Doping Agentur Deutschland NHL National Hockey League NOC Nationales Olympisches Komitee NYÜ New York Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 Rspr. Rechtsprechung SHV Schweizer Handball-Verband SIAC Singapore International Arbitration Centre ÜDopSp UNESCO Internationales Übereinkommen gegen Doping im Sport UNCITRAL United Nations Commission on International Trade Law WADA World Anti-Doping Agency WADC World Anti-Doping Code WBA World Boxing Association WBC World Boxing Council WBO World Boxing Federation WSF World Snowboarding Federation
Kapitel 1
Einleitung Mit den Entscheidungen des LG München I und des OLG München in Pechstein I 1 und II 2 erklärten Gerichte erstmalig, dass Schiedsvereinbarungen zum Court of Arbitration for Sport (CAS)3 unwirksam seien. Bis dato war diese Auffassung allein in der Literatur vertreten worden.4 Damit widersprachen die Gerichte ausdrücklich der Auffassung des Schweizer Bundesgerichtes, welches an der Wirksamkeit von CAS-Schiedsvereinbarungen keine Zweifel hat.5 Als besonders bedrohlich wurde die Entscheidung des LG München I für das System der Sportschiedsgerichtsbarkeit wahrgenommen.6 In dieser Pechstein-I-Entscheidung ging das Gericht davon aus, dass in Fällen oktroyierter Schiedsgerichtsbarkeit keine freiwillige Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit vorliege, woraus sich eine Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB ergebe (Abschlusskontrolle).7 Zusätzlich sei auch die Ausgestaltung der CAS-Schiedsgerichtsbarkeit unangemessen (Inhaltskontrolle).8 Auch hierin erkannte das Gericht einen Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB.9 Konsequen-
1
LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 – Pechstein I. OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 – Pechstein II. 3 Siehe grundsätzlich zum CAS: Lindholm, The Court of Arbitration for Sport and Its Jurisprudence. 4 Siehe z. B.: Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips, S. 158; Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 350; Monheim, SpuRt 2008, 8 (11); Monheim, Die Vereinbarkeit von Schiedsabreden und Schiedsgerichten im Sport mit dem Rechtsstaatsprinzip, in: Vieweg, Facetten des Sportrechts, S. 94 (107); Steiner, SchiedsVZ 2013, 15 (17). 5 Vgl. nur die Feststellung zur Unabhängigkeit des CAS: Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 15.03.1993, 4P.217/1992, BGE 119 II, 271 – Gundel; Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 27.05.2003, 4P.267-270/2002, SchiedsVZ 2004, 208 – Latsutina; Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 20.02.2018, 4A_260/2017, SchiedsVZ 2018, 315 – FIFA. 6 Besonders deutlich: Orth, Jan F., NJW-aktuell 2014, 14. 7 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (104– 106) – Pechstein I. 8 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – Pechstein I. 9 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – Pechstein I. 2
20
Kapitel 1: Einleitung
terweise musste diese Entscheidung daher dahin gehend verstanden werden, dass Schiedsvereinbarungen im Sport grundsätzlich unwirksam seien. Das OLG München sah die Problematik in seiner Pechstein-II-Entscheidung differenzierter. Es stellte im Gegensatz zum LG München I zunächst fest, dass Sportschiedsvereinbarungen nicht grundsätzlich unwirksam seien.10 Für die Beurteilung der Wirksamkeit von oktroyierten CAS-Schiedsvereinbarungen seien vielmehr die Organisation- und Verfahrensregeln des CAS (Code of Sports- related Arbitration sowie mittlerweile auch Arbitration Rules CAS Anti-Doping Division, im Folgenden CAS-Code beziehungsweise CAS-ADD Rules)11 entscheidend.12 Gleichwohl kam das OLG München zu dem Ergebnis, dass diese Organisations- und Verfahrensregeln einen Missbrauch marktbeherrschender Stellung (§ 19 GWB) darstellen würden.13 Daher seien CAS-Schiedsvereinbarungen gemäß § 134 BGB nichtig.14 Mit dieser Entscheidung reduzierte das OLG München die Kritik an der Sportschiedsgerichtsbarkeit erheblich. Aus der Sicht des CAS bestand damit nicht mehr die Gefahr, dass Sportschiedsvereinbarungen allein wegen mangelnder Entscheidungsfreiheit der Athleten (Abschlusskon trolle) durch deutsche Gerichte für unwirksam erklärt werden. Die Diskussion wurde durch die Pechstein-II-Entscheidung vielmehr auf die Auswirkungen der Organisations- und Verfahrensregeln des CAS gelenkt. Diese hätten aber durch den ICAS angepasst werden können, sodass CAS-Schiedsvereinbarungen schlussendlich auch auf Grundlage der Rechtsprechung des OLG Münchens als wirksam hätten angesehen werden können. In der (deutschen) Praxis besteht mittlerweile nicht mehr die Gefahr, dass CAS-Schiedsvereinbarungen für unwirksam gehalten werden. Der BGH hat CAS-Schiedsvereinbarungen in ihrer aktuellen Form in seiner Pechstein-III- Entscheidung für wirksam erklärt und den CAS dabei als echtes Schiedsgericht anerkannt.15 Auch der EGMR hat in seiner Mutu/Pechstein-Entscheidung festgestellt, dass der CAS den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK weitestgehend genügt.16 Letztlich stellte der EGMR fest, dass nur die Garantie der öffentlichen Verhand10
OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43 f.) – Pechstein II. 11 Beide einsehbar unter: CAS, http://go.wwu.de/r iu0e. 12 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43–45) – Pechstein II. 13 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43–45) – Pechstein II. 14 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (45) – Pechstein II. 15 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 – Pechstein III. 16 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10 – Mutu/Pechstein.
A. Gegenstand und Ziel der Untersuchung
21
lung in der Sache Pechstein vor dem CAS nicht eingehalten worden ist.17 Auf diese Rechtsprechung ist mittlerweile seitens des ICAS reagiert worden und die Organisations- und Verfahrensregeln des CAS sind zum 01.01.2019 überarbeitet worden.18 Ausstehend ist aktuell noch die Entscheidung des BVerfG in der Causa Pechstein.
A. Gegenstand und Ziel der Untersuchung In den angesprochenen Entscheidungen sind nicht nur hinsichtlich der nach zivilrechtlichen Generalklauseln zu beurteilenden Wirksamkeit von CAS-Schiedsvereinbarungen unterschiedliche Ergebnisse vertreten worden. Auch grundlegende Rechte wie der Justizgewähranspruch und die Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK werden in den Entscheidungen verschieden interpretiert. Der Blick auf die Literatur zeigt, dass sich dieses Phänomen auch dort fortsetzt. Damit ist offensichtlich, dass sich bei der Frage der Wirksamkeit von Sportschiedsvereinbarungen weiterer Forschungsbedarf ergibt. Die Bewertung der Frage der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen wird in dieser Untersuchung ausschließlich anhand des in Deutschland geltenden Rechts vorgenommen.19 Auf die untersuchten Schiedsvereinbarungen wird daher das deutsche Recht angewendet.20 Da der CAS seinen Sitz in der Schweiz hat, ist das Schweizer Recht als lex arbitri auf das CAS-Schiedsverfahren anwendbar.21 Ebenso geht diese Untersuchung davon aus, dass das Schweizer Recht in den CAS-Schiedsentscheidungen als materielles Recht für die Entscheidung der Sache herangezogen werden muss (vgl. Art. R45 und R58 CAS-Code sowie Art. A20 CAS-ADD Rules).22 Diese Untersuchung widmet sich grundlegend der Frage der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport. Dabei wird – soweit möglich – abstrakt 17
EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 175–184 – Mutu/Pechstein. Soweit es auf eine ältere Version des CAS-Codes ankommt, wird dies durch die Jahreszahl der Einführung des entsprechenden CAS-Codes deutlich gemacht (z. B. CASCode 2017). 19 So z. B. auch in der Causa Pechstein bezüglich der Schiedsvereinbarung mit der DESG: LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (104) – Pechstein I. Auf die Anwendbarkeit zumindest zwingender Normen des deutschen Rechts abstellend: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 44) – Pechstein III; OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (42) – Pechstein II. 20 Deutlicher auf Englisch: Law governing the agreement to arbitrate. 21 Deutlicher auf Englisch: Law governing the arbitration. 22 Deutlicher auf Englisch: Law applicable to the substance. 18
22
Kapitel 1: Einleitung
auf die Sportschiedsgerichtsbarkeit als solche abgestellt.23 Sind für die Prüfung bestimmte Organisations- und Verfahrensregeln entscheidend,24 so werden in dieser Untersuchung die Regeln des CAS herangezogen. Ziel der Untersuchung ist es, zu beantworten, ob CAS-Schiedsvereinbarungen in ihrer aktuellen Form wirksam oder unwirksam sind. Für diese Bewertung sind verschiedene verfassungs-, europa- und völkerrechtliche Normen relevant, die im Wege der mittelbaren Drittwirkung auf die zivilrechtlichen Generalklauseln einwirken. Daher werden diese Normen umfassend ausgewertet. Dies umfasst insbesondere den in der Diskussion häufig bemühten Justizgewähranspruch sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK. In diesem Rahmen setzt sich die Untersuchung insbesondere mit dem häufig beschworenen Freiwilligkeitserfordernis auseinander. In allen Entscheidungen der Causa Pechstein sowie in den Stellungnahmen der Literatur wird die Wirksamkeit von CAS-Schiedsvereinbarungen auf Grundlage einer zivilrechtlichen Generalklausel entschieden, wobei es bisweilen beliebig erscheint, auf welche Generalklausel abgestellt wird.25
B. Gang der Untersuchung Um die Fragestellung systematisch erschließen zu können, ist diese Untersuchung in 8 Kapitel gegliedert. In Kapitel 2 wird der Ausgangspunkt der Problematik der Sportschiedsgerichtsbarkeit dargestellt. Zunächst wird auf die Organisationsstruktur des Sports eingegangen. Anhand von zwei Beispielen (Olympische Spiele und Handball-Bundesliga) wird aufgezeigt, wie es zum Abschluss der Schiedsvereinbarungen zwischen Sportveranstalter26 und Athlet kommt. Die Begriffe Athlet und Sportler werden in dieser Untersuchung synonym verwendet. Sie erfassen nur solche Personen, deren Sportausübung durch die Berufsfreiheit27 geschützt wird. Anhand der ausgewählten Beispiele wird untersucht, ob Sportschiedsvereinbarungen zu Recht als oktroyierte Schiedsvereinbarungen bezeichnet werden. Aus der Fokussierung auf den Berufssport folgt, dass sich die Untersuchung auf Schiedsvereinbarungen in Athletenvereinbarungen und Lizenzen bezieht und 23
Das heißt im Rahmen der Frage, ob es einer Abschlusskontrolle bedarf. So z. B. im Rahmen der Inhaltskontrolle. 25 Vgl.: Lorenz, SpuRt 2018, 103 (106). 26 Wenn in dieser Untersuchung von Sportveranstaltern gesprochen wird, sind Sportverbände in ihrer Funktion als Organisatoren eines Wettbewerbs gemeint. Sind andere Organisatoren gemeint, wird von kommerziellen Sportveranstaltern gesprochen. 27 Siehe zu Art. 12 GG: Kap. 4. A. III. (S. 76 ff.) und zu Art. 15 Abs. 1 GRCh: Kap. 4. C. III. (S. 109 ff.). 24
B. Gang der Untersuchung
23
satzungsmäßige Schiedsklauseln nur dann aufgreift, wenn dies für die Bewertung der untersuchten Problematik im Berufssport notwendig ist. In Kapitel 3 wird zunächst abstrakt erläutert, welche Voraussetzungen ein echtes Schiedsgericht im Sinne der ZPO erfüllen muss. Auf dieser Grundlage wird beurteilt, ob es sich beim CAS um ein echtes Schiedsgericht handelt. Diese Einstufung ist eine häufig übersehene Voraussetzung der weiteren rechtlichen Prüfung, da §§ 1025 ff. ZPO nur auf echte Schiedsgerichte anwendbar sind. Weiterhin werden die Begriffe der Schiedsvereinbarung (Schiedsabrede und Schiedsklausel), der Schiedsanordnung und der Schiedsverfahrensvereinbarung erläutert. Kapitel 4 dient dazu, die im Laufe der Untersuchung relevant werdenden rechtlichen Grundlagen verfassungsrechtlicher, völkerrechtlicher und europäischer Ebene darzustellen. Dabei werden die jeweiligen Rechte nicht umfassend analysiert, sondern lediglich soweit ausgeführt, dass ihre Wirkung auf die Frage der Wirksamkeit von Sportschiedsvereinbarungen deutlich wird. In Kapitel 5 knüpft die Untersuchung an Kontroversen um die Voraussetzungen eines wirksamen Verzichts auf den Justizgewähranspruch an. Nachdem die Ansichten von Rechtsprechung und Literatur dargestellt wurden, wird zu dieser Frage in Kapitel 5 eine eigene Lösung entwickelt. In Kapitel 6 werden die Voraussetzungen des Verzichts auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts sowie auf die Öffentlichkeitsgarantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK untersucht. Auch hier werden zunächst die Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur dargestellt, bevor die Frage einer eigenen Lösung zugeführt wird. Schlussendlich werden die Ergebnisse aus Kapitel 2 bis 6 in Kapitel 7 zusammengeführt. In diesem Kapitel wird die Bewertung von CAS-Schiedsvereinbarungen anhand des unmittelbar geltenden Rechts vorgenommen. Hierbei liegt der Fokus auf der Bewertung anhand des EU-Kartellrechts.28 Zum Abschluss der Untersuchung fasst Kapitel 8 die zusammengetragenen Ergebnisse in Thesen zusammen.
28
In der Praxis ist die Frage erstmals durch das OLG München in der Pechstein-II- Entscheidung (OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 – Pechstein II) und darauffolgenden auch in der BGH-Entscheidung Pechstein III (BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 226 – Pechstein III) anhand des (deutschen) Kartellrechts bewertet worden.
Kapitel 2
Problemstellung (oktroyierte Schiedsvereinbarungen) Die Sportschiedsgerichtsbarkeit wird allgemein als oktroyierte Schiedsgerichtsbarkeit bezeichnet.1 Damit ist gemeint, dass die Athleten de facto keine andere Wahl haben, als der Vereinbarung der Sportschiedsgerichtsbarkeit zuzustimmen, wenn sie an einem Wettkampf teilnehmen möchten – also ihren Beruf ausüben wollen. Die Möglichkeit der Oktroyierung von Schiedsvereinbarungen beruht maßgeblich auf dem Aufbau des Verbandswesens im Sport. Aus diesem Grund wird zur Einführung in diese Untersuchung zunächst kurz der Aufbau des Verbandswesens im Sport dargestellt. Anschließend wird anhand von zwei Beispielen aufgezeigt, wie die Schiedsgerichtsbarkeit durch die Sportveranstalter gegenüber den Athleten eingefordert wird.2
A. Organisationsstruktur des Sports Wird in Sportrechtslehrbüchern von der Organisation des Sports gesprochen, so ist häufig die Organisation des Sportverbandswesens gemeint.3 Diese beruht auf den privatrechtlich geschaffenen Regeln der Sportverbände: auf Satzungen und Verträgen.4 Eine gesetzliche Regelung besteht diesbezüglich weder auf europäischer noch auf nationaler5 Ebene.6 Innerhalb des Sportgefüges gibt
1 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 551–553; Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (241). Ebenso geläufig sind auch andere Begriffe, wie z. B. Schiedszwang: Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 36–38; Monheim, SpuRt 2014, 90. 2 Zur Auswahl der Beispiele siehe: Kap. 2. B. (S. 28). 3 Vgl.: Adolphsen/Hoefer/Nolte, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 3. Kapitel Verbandsrecht und Satzungsrecht Rn. 102. 4 Vgl.: Rössner/Adolphsen, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 1. Kapitel. Einführung. Der Sport im Recht Rn. 2, 8; Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Einführung Rn. 6 f. 5 Im Fall dieser Untersuchung: Deutscher Ebene. 6 Vgl.: Europäischer Rat, Nizza 7. – 10. Dezember 2000, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, go.wwu.de/c295z, Anlage IV Rn. 1; Rössner/Adolphsen, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 1. Kapitel. Einführung. Der Sport im Recht Rn. 8.
A. Organisationsstruktur des Sports
25
es zum einen Verbände, die fachsportspezifisch, zum anderen Verbände, die sportartübergreifend tätig sind.7
I. Organisation einzelner Fachsportarten
Beispiel: Handball
International Handball Federation (IHF)
Ein-Platz-Prinzip gem.: § 8.1 Nr. 4 IHF-Satzung
Mitglied gem. § 4 Abs. 7 DHB-Satzung
Mitglied gem. § 5 SHV-Statuten
Deutscher Handballbund (DHB)
Schweizerischer HandballVerband (SHV)
Ein-Platz-Prinzip gem.: § 7 S. 3 DHB-Satzung
Mitglied gem. § 4 Abs. 1 HVW-Satzung: § 6 Abs. 2 lit. b. Nr. 23 DHB-Satzung
Handballverband Westfalen (HVW)
Kein Ein-Platz-Prinzip für Vereine
Mitglied über § 7 HVW-Satzung
Mitglied über § 7 HVW-Satzung
Mitglied über § 7 HVW-Satzung
Verein 1
Verein 2
Verein 3
Abb. 1: Beispiel Handball. Quelle: Eigene Darstellung.
7 Rössner/Adolphsen, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 1. Kapitel. Einführung. Der Sport im Recht Rn. 8 Abb. 2.
26
Kapitel 2: Problemstellung (oktroyierte Schiedsvereinbarungen)
Den Fachsportverbänden kommt im Wesentlichen die Aufgabe zu, den Sportbetrieb einer konkreten Sportart in ihrem Gebiet zu organisieren.8 Solche Sportverbände existieren auf verschiedenen Ebenen. Je nach Größe des Sports gibt es Landesverbände, Nationale Verbände, Europäische Verbände und Weltverbände.9 Die Struktur der Sportverbände ist hierarchisch und monopolistisch.10 So gibt es in der Regel nur einen Landesverband pro Region, einen nationalen Verband pro Land und nur einen internationalen Fachverband.11 Dieser Aufbau wird dadurch gewährleistet, dass die einzelnen Verbände in ihren Satzungen festlegen, dass sie (a) nur einen Verband pro Region aufnehmen und diese Verbände (b) keine Mitglieder in einem Verband sein dürfen, der mit ihnen auf einer Ebene steht (Ein-Platz-Prinzip12).13 Vom einzelnen lokalen Sportverein ausgehend, ergibt sich die Pyramide wie folgt: Der lokale Sportverein (oder eine seiner Abteilungen) ist Mitglied im jeweiligen Landesverband seiner Sportart.14 Dieser ist Mitglied im übergeordneten nationalen Verband, welcher wiederum Mitglied im jeweiligen Weltverband ist.15 8 Adolphsen/Hoefer/Nolte, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 3. Kapitel Verbandsrecht und Satzungsrecht Rn. 104. 9 Schimke/Eilers, in: Nolte/Horst, HB Sportrecht, C. Vereins- und Verbandsrecht S. 89. Siehe für die rein nationale Hierarchiepyramide: Haas, in: Haas/Haug/Reschke, HB Sportrecht, B. Grundlagen des Sportrechts, 1. Kapitel Rn. 48 f. 10 Rössner/Adolphsen, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 1. Kapitel. Einführung. Der Sport im Recht Rn. 8 Abb. 2. 11 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 42–44; Haas, in: Haas/ Haug/ Reschke, HB Sportrecht, B. Grundlagen des Sportrechts, 1. Kapitel Rn. 52; Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Einführung Rn. 14. Als Ausnahme gelten hier z. B. der Boxsport und der Snowboardsport. Beim Boxen gibt es mit dem World Boxing Council (WBC), der World Boxing Association (WBA), der International Boxing Federation (IBF) und der World Boxing Organization (WBO) vier bedeutende Weltverbände. Insgesamt gibt es im Boxsport 10 vollwertige Weltverbände. Beim Snowboarding bestehen mit dem World Snowboarding Federation (WSF) und dem Internationalen Skiverband (FIS) immerhin zwei Weltverbände, die im Bereich des Snowboardsports aktiv sind. 12 Siehe zur Entwicklung des Ein-Platz-Prinzips: Haas, in: Haas/Haug/Reschke, HB Sportrecht, B. Grundlagen des Sportrechts, 1. Kapitel Rn. 53. Auch Europäisches Sportmodell genannt: Europäische Kommission, Das Europäische Sportmodell, go.wwu.de/ sfmpr, Rn. 1.1. 13 Haas, in: Haas/Haug/Reschke, HB Sportrecht, B. Grundlagen des Sportrechts, 1. Kapitel Rn. 52; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 42–44. Siehe nur beispielhaft die Satzungsregelungen: Art. 11 Abs. 1 S. 3 FIFA-Statuten; § 18 Abs. 2 IIHF-Satzung; § 8 Abs. 2 WFBV-Satzung. 14 Haas, in: Haas/Haug/Reschke, HB Sportrecht, B. Grundlagen des Sportrechts, 1. Kapitel Rn. 48 f., 55; Summerer, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 1 Rn. 28, 40. 15 Haas, in: Haas/Haug/Reschke, HB Sportrecht, B. Grundlagen des Sportrechts, 1. Kapitel Rn. 48 f., 55; Summerer, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 1
A. Organisationsstruktur des Sports
27
Dabei verlangen die übergeordneten Verbände (aller Ebenen) in aller Regel von ihren Mitgliedern, dass sich diese den von ihnen gesetzten Regeln unterwerfen. Zusätzlich werden die Mitglieder dazu verpflichtet, die Regelungen aller höherrangigen Sportfachverbände (in denen der jeweils satzungsgegebende Verband Mitglied ist) anzuerkennen und sich diesen zu unterwerfen.16 Durch dieses Ineinandergreifen von Satzungen können die internationalen Sportfachverbände Vorgaben für die Sportausübung festlegen, die bis zum einzelnen Verein/Sportler Wirkung entfalten.
II. Fachübergreifende Verbände
Beispiel: Fachübergreifende Sportverbände
International Olympic Committee (IOC) Ein-Platz-Prinzip erkennbar in: Regel 27 Nr. 3, 4 Olympische Charter
Anerkannt und Aufgabenübertragung: § 2 Abs. 2 DOSB-Satzung
Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB)
Swiss Olympic
Mitglieder gem. § 7 DOSB-Satzung (u. a. Spitzenverbände der einzelnen Sportarten)
Deutscher Handballbund (DHB)
Deutscher Eishockey Bund (DEB)
Abb. 2: Beispiel Fachübergreifende Verbände. Quelle: Eigene Darstellung.
Rn. 28, 40. Die Europäischen Spitzenverbände sind nicht zwingend zwischen nationalem und internationalem Fachverband geschaltet: Vgl. nur die UEFA, welche kein „ordentliches“ Mitglied der FIFA ist. Die nationalen Spitzenverbände sind hingegen solche „ordentlichen“ Mitglieder. 16 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 70–112.
28
Kapitel 2: Problemstellung (oktroyierte Schiedsvereinbarungen)
Für die überfachlichen (das heißt für mehrere Sportarten relevanten) Angelegenheiten des Sports sind fachübergreifende Sportverbände zuständig. Bei diesen handelt es sich um Kreissportverbände, Landessportbünde, die nationalen olympischen Komitees (NOC), die Vereinigung der europäischen NOC (AENOC) und das Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Auch bei den fachübergreifenden Verbänden gilt das Ein-Platz-Prinzip.17
III. Organisation von Sportveranstaltungen Die Veranstaltung von sportlichen Wettkämpfen wird in der Regel (und bei Meisterschaften immer) durch die verschiedenen Sportverbände vorgenommen. Während das IOC die Olympischen Spiele ausrichtet, richten die internationalen Verbände die Weltmeisterschaften, die nationalen Verbände18 die nationalen Meisterschaften und die Landesverbände die regionalen Meisterschaften aus.19 Möchte ein Sportler auf einer Weltmeisterschaft starten, so sind die Zugangsregeln des Weltverbands maßgeblich. Ebenso verhält es sich auf den regionalen, nationalen und kontinentalen Ebenen.
B. Beispiele der Einbindung von Schiedsvereinbarungen bei Sportveranstaltungen Allein aus dem Ein-Platz-Prinzip wird nicht deutlich, weshalb innerhalb des Sports von oktroyierten Schiedsvereinbarungen gesprochen wird. Um die bestehende Auffassung von oktroyierten Schiedsvereinbarungen im Sport zu belegen, muss die Verzahnung von Athletenvereinbarungen, Satzungsregeln und sonstigen Regelwerken für den Sport – zumindest beispielhaft – untersucht werden. In dieser Untersuchung geschieht dies (1) anhand der Olympischen Spiele und (2) anhand der Handball-Bundesliga. Durch die Beispiele wird deutlich, dass Schiedsvereinbarungen auf allen Wettkampfebenen eingesetzt werden (hier international und national). Zudem zeigen die beiden Beispiele, dass die Reichweiten der Schiedsvereinbarungen unter17
Vgl.: § 7 Abs. 2 DOSB-Satzung i. V. m. § 4 Aufnahmeordnung-DOSB; Regel 27 Nr. 3, 4 Olympische Charter. 18 Z. T. ist die oberste/sind die obersten Ligen des Sportfachverbands ausgegliedert. In diesen Fällen werden die Ligen durch gesonderte Vereine betrieben. Siehe z. B. die Handball-Bundesliga. Da diese Ligen Mitglieder des Fachsportverbandes sind (§ 6 Abs. 2 lit. c. Nr. 24 DHB-Satzung), gelten auch für die Ligen die Regeln des Fachsportverbandes. 19 Siehe nur die Beispiele in: Kap. 2. B. (S. 28 ff.).
B. Beispiele der Einbindung von Schiedsvereinbarungen
29
schiedlich sind. Einheitlichkeit besteht dahingehend, dass Dopingstreitigkeiten durch die Schiedsvereinbarungen aller Wettkämpfe erfasst werden.20
I. Olympische Spiele Aus der Olympischen Charta, dem Regelwerk für die Olympischen Spiele, wird deutlich, dass Athleten nur dann an den Olympischen Spielen teilnehmen dürfen, wenn sie sich (a) den Regeln der Olympischen Charta und dem WADC unterworfen haben sowie (b) die vom IOC formulierte Entry Form unterzeichnet haben. „As a condition precedent to participation in the Olympic Games, every competitor shall comply with all the provisions of the Olympic Charter […]“21
Und: „All participants in the Olympic Games in whatever capacity must comply with the entry form, which includes an obligation to (i) comply with the Olympic Charter and the World Anti-Doping Code and (ii) submit disputes to CAS jurisdiction.“22
In dieser Entry Form 23 unterzeichnen die Athleten eine Schiedsklausel: „I agree that any dispute or claim arising in connection with my participation at the 2016 Games, not resolved after exhaustion of legal remedies established by my NOC, the International Federation governing my sport, Rio 2016 and the IOC, shall be submitted exclusively to the Court of Arbitration for Sport (‘CAS’) for final and binding arbitration in accordance with the Arbitration Rules for the Olympic Games, and the Code of Sports-related Arbitration. […] The decisions of the CAS shall be final, binding and non-appealable, subject to the appeal to the Swiss Federal Court. I hereby waive my right to institute any claim, arbitration or litigation, or seek any other form of relief, in any other court or tribunal.“24
Zudem unterwerfen sich die Athleten der Olympischen Charta, dem WADC und den IOC-Anti-Doping Regeln. Die Olympische Charta enthält wiederum in Regel 61 Nr. 2 eine umfassende CAS-Schiedsklausel, die derjenigen in der Entry Form gleicht: „Any dispute arising on the occasion of, or in connection with, the Olympic Games shall be submitted exclusively to the Court of Arbitration for Sport, in accordance with the Code of Sports-Related Arbitration.“ 20
Hintergrund dafür ist der WADC. Nr. 4 S. 1 Durchführungsbestimmung zu Regel 44 Olympische Charta. 22 Nr. 7 Durchführungsbestimmung zu Regel 44 Olympische Charta. 23 Als Beispiel wird die Entry Form der Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro 2016 herangezogen. 24 Nr. 5 Entry Form Rio 2016. 21
30
Kapitel 2: Problemstellung (oktroyierte Schiedsvereinbarungen)
Auch der WADC enthält für internationale Athleten25 in Art. 13.2.1 eine CAS- Schiedsklausel für Rechtsbehelfe gegen Dopingstreitigkeiten.26 Eine ähnliche Schiedsklausel findet sich auch in Art. 12.2.1 IOC-Anti-Doping Regeln. Bereits durch die Unterzeichnung der Entry Form kommt es also zum Abschluss diverser Schiedsvereinbarungen, die nebeneinander gelten. Unabhängig von der Vorgabe, dass alle Teilnehmer der Olympischen Spiele die Entry Form unterzeichnen müssen, bestimmt Regel 40 der Olympischen Charta zusätzlich, dass alle Teilnehmer die Olympische Charta und den WADC anerkennen und einhalten müssen. Regel 43 der Olympischen Charta erklärt die gesamte Olympische Bewegung27 für verpflichtet, den WADC einzuhalten. Die NOC sind für die Nominierung der Athleten für die Olympischen Spiele zuständig.28 Sie wählen die zu nominierenden Athleten aus den Vorschlägen der nationalen Sportfachverbände aus.29 Sie sind zudem dafür verantwortlich, dass sich die Nominierten der Olympischen Charta und dem WADC unterwerfen.30 Dementsprechend muss der DOSB dafür sorgen, dass die deutschen Athleten die Entry Form unterzeichnen. Die DOSB-Nominierungsgrundsätze Rio sehen vor, dass nur diejenigen Athleten für die Olympischen Spiele nominiert werden können, die die Entry Form des IOC unterzeichnet haben.31 Zudem legen die Grundsätze fest, dass zusätzlich die DOSB-Athletenvereinbarung unterzeichnet werden muss.32 In dieser DOSB-Athletenvereinbarung unterwirft sich der Athlet dem WADC, dem NADC, den IOC-Anti-Doping Regeln, der Olympischen Charta und der Satzung des DOSB.33 Durch diese Unterwerfung gelten – wie bereits durch die Unterwerfung in der Entry Form – die Schiedsklauseln aus Regel 61 Nr. 2 Olympische Charta und Art. 13.2.1 WADC und Art. 12.2.1 IOC-Anti-Doping Rules. Die Schiedsklausel in Art. 13.2.1 NADC enthält eine identische Bestimmung wie 25
Um die es sich bei Teilnehmern der Olympischen Spiele handelt. Adolphsen, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel Schiedsgerichtsbarkeit – Internationales Sportrecht Rn. 1055 f. 27 Siehe dazu: Regel 1 Nr. 1 Olympische Charta. 28 Regel 27 Nr. 7.2 Olympische Charta. 29 Regel 27 Nr. 7.2; Nr. 2.1 S. 4 Durchführungsbestimmung zu Regel 27 und 28; Regel 44 Nr. 4 S. 1 Olympische Charta. Siehe aber die Möglichkeit des IOC, die Nominierung nicht zu akzeptieren: Regel 44 Nr. 3 Olympische Charta. 30 Nr. 2.1 S. 4 Durchführungsbestimmung zu Regel 27 und 28; Nr. 4 S. 2 Durchführungsbestimmung zu Regel 44. Siehe aber auch die parallele Zuständigkeit der Internationalen Sportfachverbände, dafür zu sorgen, dass sich die Teilnehmer an Regel 40 Olympische Charta halten: Nr. 1.6 Durchführungsregel zu Regel 46 Olympische Charta. 31 II. 1. DOSB-Nominierungsgrundsätze Rio. 32 II. 1. DOSB-Nominierungsgrundsätze Rio. 33 Nr. 3 lit. a., b. i. V. m. Anlage 1 Nr. 2 DOSB-Athletenvereinbarung Rio. 26
B. Beispiele der Einbindung von Schiedsvereinbarungen
31
die Schiedsklausel des WADC.34 Zusätzlich sieht § 35 Abs. 5 DOSB-Satzung eine Schiedsklausel vor, die der Regel 61 Nr. 2 Olympische Charta gleicht: „Streitigkeiten mit einem/einer Athleten/in, der/die zu Olympischen Spielen nominiert ist, oder mit einem olympischen Spitzenverband oder dem IOC, die während der Olympischen Spiele entstehen oder sich aus Veranstaltungen der Olympischen Spiele oder ihrer Vorbereitung oder Abwicklung ergeben oder diese betreffen, unterliegen […] ausschließlich der Schiedsgerichtsbarkeit des „Court of Arbitration for Sport“ (CAS).“
Im Ergebnis bestehen für die an den Olympischen Spielen teilnehmenden Athleten diverse Schiedsvereinbarungen, die sowohl Wirtschafts- als auch Disziplinarstreitigkeiten miteinbeziehen.
II. Handball-Bundesliga Die Handball-Bundesliga wird durch die Deutsche Handballliga (HBL)35 veranstaltet. Die HBL ist Mitglied des Deutschen Handballbunds (DHB) und durch diese dazu bevollmächtigt, die Handball-Bundesliga zu betreiben.36 Hierdurch kommt es zu einer komplexen Verzahnung von Satzungen und Ordnungen der HBL und des DHB. Für die Lizenznehmer (Vereine) der HBL gelten nämlich sowohl die Satzungen und Ordnungen der HBL als auch die Satzungen und Ordnungen des DHB über die Mitgliedschaft der HBL im DHB.37 Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Rechte der Spieler in der Handball-Bundesliga. Um am Spielbetrieb der Handball-Bundesliga teilnehmen zu dürfen, benötigen die Vereine eine entsprechende Lizenz der HBL.38 Vereine mit einer Lizenz für die Handball-Bundesliga dürfen in den Meisterschaftsspielen nur solche Spieler einsetzen, die über eine Spielberechtigung der HBL verfügen.39 Diese Spielberechtigung muss gemeinsam vom jeweiligen Spieler und seinem Verein durch den „Antrag auf Spielberechtigung mit Vertrag“ beantragt werden.40 Mit Unterschreiben dieses Antrags erklären die Spieler, „dass Satzungen, Ordnungen, Richtlinien und Durchführungsbestimmungen der DKB Handball-Bundesliga
34 Adolphsen, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel Schiedsgerichtsbarkeit – Internationales Sportrecht Rn. 1057. 35 Auf die Unterscheidung zwischen HBL e. V. und HBL GmbH kommt es für diese Untersuchung nicht an. 36 Siehe nur Präambel HBL-Satzung und § 3 Nr. 2 HBL-Satzung. 37 § 3 Nr. 1, Nr. 2 HBL-Satzung. 38 § 9 HBL-Satzung; § 1 HBL-Lizenzordnung; § 64 lit. c. DHB-Spielordnung; I.3. HBL-Ordnung zur Durchführung von Spielen. 39 § 66 DHB-Spielordnung. Siehe auch: § 13 Abs. 1 DHB-Spielordnung. 40 Siehe: HBL, http://go.wwu.de/clb4c.
32
Kapitel 2: Problemstellung (oktroyierte Schiedsvereinbarungen)
und des DHB sowie die Entscheidungen seiner Organe und der NADA-Code in der jeweils gültigen Fassung“ für sie verbindlich sind.41 Durch diese Unterwerfung42 kommt es zur Anerkennung diverser Schiedsvereinbarungen. Für Dopingstreitigkeiten sieht § 47 Abs. 1 DHB-Satzung beispielsweise Folgendes vor: „Dopingvergehen werden unter Ausschluss des verbandsinternen Instanzenzuges sowie des ordentlichen Rechtsweges durch ein Schiedsgericht entschieden.“
Aus den Schiedsklauseln in Art. 13.2.1 und 2 NADC sowie Art. 13.1, 2.1 und 2 DHB-Anti-Doping Ordnung i. V. m. §§ 47, 48 DHB-Satzung wird deutlich, dass je nach konkretem Fall (hier insb. zu welcher Art Doping-Testpool der Athlet gehört) der CAS oder das Deutsche Sportschiedsgericht über die Dopingstreitigkeit entscheiden soll. Darüber hinaus enthalten die Satzungen und Ordnungen von DHB und HBL nur in § 1 DHB-Rechtsordnung eine Schiedsklausel, die für die Sportler43 relevant ist: „(1) Über Streitfragen, welche die Satzung und die Ordnung des DHB, die den Spielbetrieb und das Schiedsrichterwesen seiner Mitglieder betreffenden Ordnungen und die Durchführung des Handballspielbetriebs betreffen, sowie über Einsprüche gegen die Wertung von Spielen, über Anträge, über Bestrafungen und über Rechtsbehelfe gegen die Entscheidungen der Verwaltungsinstanzen bzw. der Spielleitenden Stellen entscheiden die Rechtsinstanzen, sofern nicht eine Entscheidung durch die Verwaltungsinstanzen, die Anti-Doping-Kommission, die Schiedsgerichte oder die Spielleitende Stellen vorgesehen ist. (2) Ferner entscheiden die Rechtsinstanzen über die Ahndung von Verstößen gegen die Grundregeln des sportlichen Verhaltens.“
Die genannten Rechtsinstanzen sind wiederum in §§ 45, 46 DHB-Satzung definiert. Bei diesen Streitentscheidungsorganen handelt es sich jedoch nicht um echte Schiedsgerichte, sodass § 1 DHB-Rechtsordnung keine Schiedsvereinbarung im Sinne von § 1029 ZPO darstellt. Daneben ist unklar, ob die Unterzeichnung der Spieler-Vereinbarung Anti- Doping der HBL eine zusätzliche Voraussetzung für die Spielberechtigung ist. Sollte diese Vereinbarung unterzeichnet werden, unterwirft sich der Athlet damit 41
HBL, http://go.wwu.de/clb4c. Zusätzlich ist möglich, dass sich die Spieler diesen Regeln auch durch ihre Mitgliedschaft in einem Verein unterworfen haben. Ob eine solche Mitgliedschaft besteht, ist jedoch einzelfallabhängig und wird daher hier nicht angenommen. 43 Die Schiedsklausel in §16 Abs. 1 HBL-Ordnung für die Verwertung von kommerziellen Rechten i. V. m. § 12 HBL-Satzung bezieht hingegen nur die Lizenznehmer, also die Vereine, mit ein. 42
C. Oktroyierte Schiedsvereinbarungen im Sport
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dem WADC, NADC sowie den Anti-Doping-Bestimmungen des DOSB, IHF und EHF.44 Anders als bei den Olympischen Spielen gibt es daher im Rahmen der Handball-Bundesliga eine oktroyierte Schiedsgerichtsbarkeit nur in Dopingstreitigkeiten.
C. Oktroyierte Schiedsvereinbarungen im Sport Die Untersuchung der Regelwerke zu Olympischen Spielen und der Handball-Bundesliga hat aufgezeigt, dass der Abschluss einer Schiedsvereinbarung für die Athleten eine zwingende Voraussetzung für die Teilnahme an den Wettkämpfen ist. In den untersuchten Fällen sind die Schiedsvereinbarungen mit dem Abschluss von Athletenvereinbarungen oder der Erteilung von Lizenzen verbunden. Hierbei handelt es sich um Konstruktionen, die im Berufssport gewählt werden, um der rechtlichen Problematik der Bindung von mittelbaren Mitgliedern an die Verbandsnormen übergeordneter Verbände zu entgehen.45 Entgegen dieser (verallgemeinerungsfähigen46) Feststellung zum Bestehen eines Abschlusszwangs, wird der Diskuswerfer Robert Harting damit zitiert, er habe über Jahre keine Schiedsvereinbarung unterschrieben, unter anderem auch nicht für die Olympischen Spiele, Weltmeisterschaften und Europameisterschaften.47 Harting behauptet, dass Sportler sich mittels einer Athletenvereinbarung zwar den Dopingregeln unterwerfen müssen, die Unterzeichnung einer Schiedsvereinbarung jedoch nicht notwendig sei.48 An Wettkämpfen habe er trotzdem
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§ 2 Nr. 1 HBL-Anti-Doping-Vereinbarung. Siehe nur beispielhaft: BGH Urt. v. 20.09.2016, II ZR 25/15, NJW 2017, 402 – SV Wilhelmshaven III. 46 Siehe nur: Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 561 f.; Rigozzi, L’arbitrage international en matière de sport, Rn. 811; Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 36–42; Adolphsen, SpuRt 2016, 46 (48); Duval/van Rompuy, Protecting Athletes‘ Right to a Fair Trial Through EU Competition Law: The Pechstein Case, in: Paulussen et al., Fundamental Rights in International and European Law, S. 245 (253 f.); Duval, Max Planck Institute for Comparative Public Law & International Law (MPIL) Research Paper 2017-01, S. 11 f.; Heermann, SchiedsVZ 2014, 66; Heermann, SchiedsVZ 2015, 78 (80); Heermann, SpuRt 2015, 4 (7); Scherrer/Muresan/Ludwig, SchiedsVZ 2015, 161 (162); Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (240 f.). 47 Ahrens, Spiegel Online, Harting unterschreibt schon lange nicht mehr, go.wwu.de/ y305n; sport1, Harting wettert gegen Sportgerichte, go.wwu.de/e1ng7. 48 Ahrens, Spiegel Online, Harting unterschreibt schon lange nicht mehr, go.wwu.de/ y305n. 45
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Kapitel 2: Problemstellung (oktroyierte Schiedsvereinbarungen)
teilnehmen dürfen.49 Von Seiten des DOSB ist dies für die Olympischen Spiele dementiert worden. 50 Harting habe die Entry Form des IOC unterschrieben und damit auch die darin enthaltende Schiedsvereinbarung anerkannt.51 Unklar ist ebenfalls, wie sich Harting dem WADC unterwerfen konnte, ohne die im WADC enthaltene Schiedsgerichtsklausel (Art. 13.2.1 WADC) anzuerkennen. Auf Grundlage der Prämisse, dass die Feststellungen in Kap. 2. B.52 verallgemeinerungsfähig sind, können die Beispiele dazu herangezogen werden, die Behauptungen Hartings zu widerlegen. So formuliert die Olympische Charter zum Beispiel in Regel 40, dass die Teilnehmer die Olympischen Charta und den WADC anerkennen und einhalten müssen („must respect and comply“).53 Noch deutlicher erklärt Nr. 4 S. 1 Durchführungsbestimmung zu Regel 44 die Unterwerfung unter die Olympische Charta als eine Voraussetzung für die Teilnahme („As a condition precedent to participation in the Olympic Games, every competitior shall comply with all the provisions of the Olympic Charter.“). In Nr. 6 Durchführungsbestimmung zu Regel 44 heißt es in Bezug auf die Unterwerfung der Teilnehmer unter die Olympische Charta, den WADC, die Entry Form und die Anerkennung der CAS-Schiedsgerichtsbarkeit erneut „must comply“. Auch in den DOSB-Nominierungsgrundsätzen wird festgelegt, dass nur derjenige nominiert werden kann, der die DOSB-Athletenvereinbarung abgeschlossen und die Entry Form unterzeichnet hat.54 Im Antrag auf Spielberechtigung für die Handball-Bundesliga wird weniger deutlich formuliert: „Mit unserer Unterschrift bestätigen wir (Spieler/in und Verein) die Richtigkeit der vorherstehenden Angaben und erklären, dass Satzung, Ordnungen, Richtlinien und Durchführungsbestimmungen der DKB Handball-Bundesliga und des DHB sowie die Entscheidungen seiner Organe und der NADA-Code in der jeweils gültigen Fassung für uns verbindlich sind.“
Weiterhin wird auf dem Formular klargestellt, dass es vollständig auszufüllen sei, eine Auslassung der Unterwerfung somit nicht möglich ist. 49
Ahrens, Spiegel Online, Harting unterschreibt schon lange nicht mehr, go.wwu.de/ y305n. 50 sport1, Harting wettert gegen Sportgerichte, go.wwu.de/e1ng7. 51 sport1, Harting wettert gegen Sportgerichte, go.wwu.de/e1ng7. 52 Siehe: S. 28 ff. 53 Authentisch sind nur die französische und die englische Sprachfassung der Olympischen Charter. Weichen die Sprachfassungen jedoch voneinander ab, so ist die französische Sprachfassung entscheidend: Regel 23 Nr. 1, 3 Olympische Charter. In dieser Untersuchung wird daher zunächst auf die englische Sprachfassung verwiesen. Die französische Sprachfassung wird nur dann herangezogen, wenn diese von der englischen Sprachfassung abweicht. 54 II.1. DOSB-Nominierungsgrundsätze Rio.
C. Oktroyierte Schiedsvereinbarungen im Sport
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Vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts der Olympischen Charta und der DOSB-Nominierungsgrundsätze ist nicht zu erwarten, dass Athleten, die keine Schiedsvereinbarung abschließen, an den Olympischen Spielen teilnehmen dürfen. Bei der Handball-Bundesliga kann dies zwar nicht eindeutig aus der Formulierung des Antrags auf Spielberechtigung entnommen werden, infolge der Geltung des WADC kann die HBL eine solche Teilnahme aber nicht ohne eine eigene Pflichtverletzung zulassen. Es muss daher bezweifelt werden, dass Harting die Schiedsvereinbarung zu den von ihm genannten Wettkämpfen tatsächlich nicht abgeschlossen hat. Ohne die Unterzeichnung wäre eine Teilnahme nicht gestattet worden. Wie am Beispiel Harting gezeigt, ist die Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen von der Unterzeichnung der Schiedsvereinbarung des Veranstalters abhängig. Dies gilt auch für alle bekannten Sportveranstaltungen. Ausgehend davon, dass die Berufsausübung von Sportlern die Teilnahme an Wettkämpfen beinhaltet55, ist deren Möglichkeit, ihren Beruf auszuüben von dem Abschluss der Schiedsvereinbarung abhängig, die der Sportveranstalter fordert. Dementsprechend ist nicht zu erwarten, dass sich Sportler gegen die Unterzeichnung entscheiden. Sie unterliegen einem faktischen Zwang, weshalb oktroyierte Schiedsvereinbarungen vorliegen.56
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Siehe: Kap. 4. A. III. (S. 76 f.). Vgl. nur: EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 114 – Mutu/Pechstein; wohl auch: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271) – Pechstein III; LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – Pechstein I; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 561 f.; Rigozzi, L’arbitrage international en matière de sport, Rn. 811; Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 36–42; Rigozzi/Robert-Tissot, „Consent“ in Sports Arbitration: Its Multiple Aspects, in: Geisinger/Trabaldo-de Mestral, Sports arbitration: A coach for other players?, S. 59 (59 f., 63); Duval/van Rompuy, Protecting Athletes‘ Right to a Fair Trial Through EU Competition Law: The Pechstein Case, in: Paulussen et al., Fundamental Rights in International and European Law, S. 245 (253 f.); Duval, Max Planck Institute for Comparative Public Law & International Law (MPIL) Research Paper 2017-01, S. 11 f.; Heermann, SchiedsVZ 2014, 66; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216 (226); Heermann, SpuRt 2015, 4 (7); Heermann, SchiedsVZ 2015, 78 (80); Scherrer/Muresan/Ludwig, SchiedsVZ 2015, 161 (162); Adolphsen, SpuRt 2016, 46 (48); Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (240 f.). A. A. z. B.: OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (44) – Pechstein II; wohl: Zuck, SpuRt 2014, 5 (7). 56
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Kapitel 2: Problemstellung (oktroyierte Schiedsvereinbarungen)
D. Wesentliche Erkenntnisse des Kapitels 2 Athleten werden nur dann zu sportlichen Wettkämpfen zugelassen, wenn sie alle vom Sportveranstalter geforderten Teilnahmevoraussetzungen erfüllen. Zu diesen Voraussetzungen gehört der Abschluss einer Schiedsvereinbarung, die je nach Wettkampf unterschiedliche Streitigkeiten erfasst. Schließen die Athleten die geforderte Schiedsvereinbarung nicht ab, so dürfen sie nicht am Wettkampf teilnehmen und können ihren Beruf nicht weiter ausüben. Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass sich ein Athlet gegen den Abschluss einer Schiedsvereinbarung entscheidet, die vom Sportveranstalter gefordert wird. Die Athleten unterliegen bei dieser Entscheidung einem faktischen Zwang, weshalb es sich um oktroyierte Schiedsvereinbarungen handelt.
Kapitel 3
Schiedsgericht und Schiedsvereinbarung A. Schiedsgericht Schiedsgerichte sind private Gerichte.1 Sie werden auf Grundlage einer Schiedsvereinbarung nach § 1029 ZPO eingesetzt. Die gesetzlichen Regelungen zur Schiedsgerichtsbarkeit finden sich in Deutschland in den §§ 1025–1066 ZPO und im NYÜ.2
I. Echte Schiedsgerichte Im Rahmen jeder Auseinandersetzung mit Schiedsgerichten muss geklärt werden, ob es sich um ein echtes oder ein unechtes Schiedsgericht handelt. Nur auf echte Schiedsgerichte finden die §§ 1025 ff. ZPO Anwendung.3 Dementsprechend entscheiden nur echte Schiedsgerichte unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit über eine Streitigkeit und unterliegen bei dieser Entscheidung nur einer eingeschränkten Kontrolle durch die staatlichen Gerichte, § 1059–1061 ZPO. Im Gegensatz dazu können die Entscheidungen unechter Schiedsgerichte (häufig Vereinsgerichte oder Vereinsschiedsgerichte genannt) durch die staatlichen Gerichte überprüft werden.4 Die Einordnung eines Schiedsgerichtes als echtes oder unechtes Schiedsgericht ist daher von elementarer Bedeutung für die rechtlichen Auswirkungen der geschlossenen Schiedsvereinbarung. Für diese Unterscheidung ist unbedeutend, welche Bezeichnung die streitentscheidende Stelle trägt.5 Trotz unterschiedlicher begrifflicher Ausgestaltung der
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Unter Aufsicht der staatlichen Gerichte, wie: Geimer, in: Zöller, ZPO, Vor. § 1025 Rn. 4 hinzufügt. 2 Für eine Übersicht über die Schiedsgerichtsbarkeit insb.: Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren. 3 Anstelle vieler: Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor. § 1025 Rn. 11; Saenger, in: Saenger, ZPO, Vor. zu §§ 1025–1066 Rn. 8. 4 BGH, Urt. v. 26.02.1959, II ZR 137/57, NJW 1959, 982; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor. § 1025 Rn. 11 m. w. N. 5 Anstelle vieler: Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor. § 1025 Rn. 11 m. w. N.
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Kapitel 3: Schiedsgericht und Schiedsvereinbarung
Abgrenzungskriterien zwischen echten und unechten Schiedsgerichten besteht im Wesentlichen Einigkeit6 über die Voraussetzungen an echte Schiedsgerichte:7 1. Die streitentscheidende Instanz soll nach dem Willen der Beteiligten unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit entscheiden. 2. Die streitentscheidende Instanz ist unabhängig und unparteiisch (neutral8). 3. Die Verfahren vor der streitentscheidenden Instanz entsprechen rechtsstaatlichen Anforderungen. Für die Prüfung des Willens der Parteien (Nr. 1) kommt es maßgeblich auf die Auslegung der geschlossenen Vereinbarung zur Streitentscheidung an; es bedarf einer Einzelfallprüfung. Für die Annahme der Unparteilichkeit muss überprüft werden, ob die Schiedsrichter (als gesamtes Panel)9 gegenüber den Streitparteien neutral sind. Das heißt, ob sie zu beiden Parteien den gleichen „gedanklichen Abstand“ einhalten (subjektiver Test).10 Diese Prüfung ist daher erst möglich, wenn die konkreten Schiedsrichter berufen wurden.11 Im Rahmen der Unabhängigkeitsprüfung muss hingegen geprüft werden, ob das Schiedsgericht als Institution nach einer objektiven, auf Fakten basierenden Bewertung frei von jeglicher Involvierung oder Beziehung zu einer der Streitparteien steht (objektiver Test).12
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Skeptisch diesbezüglich: Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228. BGH, Beschl. v. 27.05.2004, III ZB 53/03, NJW 2004, 2227 – Landseer-Hunde; OLG München, Beschl. v. 24.08.2010, 34 Sch 021/10, SpuRt 2012, 22 (24 f.); KG Berlin, Beschl. v. 28.03.2013, 20 SchH 10/12, juris Rn. 10; Lachmann, HB für die Schiedsgerichtspraxis, Rn. 27; Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 210–212; Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 375; Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (241); Schöpflin, in: BeckOK, BGB, § 25 Rn. 84. Ohne die Voraussetzung des Verfahrens nach rechtsstaatlichen Anforderungen zu nennen: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (Rn. 24) – Pechstein III; Fenn, Zur Abgrenzung von Verbandsgerichtsbarkeit und statutarischer Schiedsgerichtsbarkeit, in: Gerhardt et al., FS Henckel, S. 173 (187–195); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor. § 1025 Rn. 11 f. Siehe zur Schweiz nur: Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 27.05.2003, 4P.267-270/2002, SchiedsVZ 2004, 208 (209) – Latsutina. 8 In dieser Untersuchung wird von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gesprochen (vgl. dazu: Wolf/Eslami, in: BeckOK, ZPO, § 1036 Rn. 3 f.), die zusammen unter Neutralität gefasst werden. Begrifflich noch anders in: Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (241). 9 Anders als bei der Prüfung, ob ein einzelner Schiedsrichter parteiisch ist, kommt es hier darauf an, ob das Schiedspanel als Ganzes parteiisch ist. 10 Vgl. wegen der klaren Formulierung: Wolf/Eslami, in: BeckOK, ZPO, § 1036 Rn. 3. 11 I. E. wohl ebenso: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2268 f. Rn. 30) – Pechstein III. Bei der Anwendung des Art. 6 Abs. 1 EMRK ebenfalls ausschließlich auf das Merkmal der Unabhängigkeit abstellend: LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I. 12 Vgl. wegen der klaren Formulierung: Wolf/Eslami, in: BeckOK, ZPO, § 1036 Rn. 2. In Abgrenzung zu § 1036 ZPO kommt es bei dieser Prüfung nicht darauf an, ob ein kon7
A. Schiedsgericht
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Die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens wird durch eine Untersuchung der Verfahrensregeln des konkreten Schiedsgerichtes bestimmt. Ausgangspunkt für die Bestimmung des notwendigen Maßes an Unabhängigkeit und Rechtsstaatlichkeit muss die Tatsache sein, dass die echte Schiedsgerichtsbarkeit ein Teil der materiellen Rechtsprechung ist.13 So sieht es auch der Gesetzgeber, der feststellt, dass echte Schiedsgerichte einen den staatlichen Gerichten gleichwertigen Rechtsschutz bieten.14 Vor diesem Hintergrund müsste ein echtes Schiedsgericht auch in Bezug auf die Unabhängigkeit sowie Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens den abstrakten Voraussetzungen der staatlichen Gerichte entsprechen.15 Eine solche im Wesentlichen gleiche Anwendung der Unabhängigkeitsvorgaben für staatliche Gerichte scheitert jedoch an den – von der ZPO vorgesehenen – Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit.16 Hierzu zählt insbesondere, dass die Streitparteien den oder die Schiedsrichter in der Regel selbst auswählen, § 1035 Abs. 1, 3 ZPO. Anders als vor einem staatlichen Gericht ist zudem, dass die Parteien die eingesetzten Schiedsrichter nach den Vereinbarungen im Schiedsrichtervertrag17 für ihre Dienstleistung bezahlen.18 Damit ist wahrscheinlich, dass
kreter Schiedsrichter unabhängig ist, sondern es ist die Unabhängigkeit des Schiedsgerichtes als Institution zu püfen. 13 BGH, Urt. v. 15.05.1986, III ZR 192/84, NJW 1986, 3027 (3028); Eslami, Die Nichtöffentlichkeit des Schiedsverfahrens, S. 384; Fenn, Zur Abgrenzung von Verbandsgerichtsbarkeit und statutarischer Schiedsgerichtsbarkeit, in: Gerhardt et al., FS Henckel, S. 173 (184); Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228–231. 14 Regierungsentwurf SchiedsVfG, BT-Drucks. 13/5274, S. 34; Regierungsentwurf AntiDopG, BT-Drucks. 18/4898, S. 39 15 So z. B.: Fenn, Zur Abgrenzung von Verbandsgerichtsbarkeit und statutarischer Schiedsgerichtsbarkeit, in: Gerhardt et al., FS Henckel, S. 173 (188); Wolf/Eslami, Sport(zwangs-)schiedsgerichtsbarkeit oder wie lässt sich die privatautonome Entschließungsfreiheit der Schiedsgerichtsbarkeit absichern, in: Schütze, FS Geimer, S. 807 (813); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor. § 1025 Rn. 12. Für die Schweiz siehe nur: Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 27.05.2003, 4P.267-270/2002, SchiedsVZ 2004, 208 (209) – Latsutina. 16 Vgl.: Eslami, Die Nichtöffentlichkeit des Schiedsverfahrens, S. 52–55. 17 Die Streitparteien sind durch den Schiedsrichtervertrag gesamtschuldnerisch berechtigt und verpflichtet (Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 160, 165 jeweils m. w. N.). Dementsprechend zahlt nicht jede Seite „ihren“ Schiedsrichter. 18 So auch: Eslami, Die Nichtöffentlichkeit des Schiedsverfahrens, S. 54; Wittreck, Verfassungsrechtliche (und unionsrechtliche) Rahmenbedingungen privater Justiz, in: Gesellschaft für Rechtspolitik/I nstitut für Rechtspolitik an der Universität Trier, Bitburger Gespräche, S. 31 (50 f.).
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Kapitel 3: Schiedsgericht und Schiedsvereinbarung
die Schiedsrichter „zugleich ein finanzielles Interesse an der Betrauung wie am erfolgreichen Abschluß des Verfahrens“ haben.19 Wegen dieser Besonderheiten verfügt die Schiedsgerichtsbarkeit von Grund auf über Elemente, die die Unabhängigkeit eines jeden Schiedsgerichtes zumindest belasten können und in staatlichen Verfahren nicht vorliegen. Damit wird bereits klar, dass der Maßstab für die Unabhängigkeit von Schiedsgerichten nicht gleichbedeutend mit den Vorgaben für staatliche Gerichte sein kann. Diesbezüglich ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit dem § 1034 Abs. 2 S. 1 ZPO eine spezielle schiedsrechtliche Norm geschaffen hat, um die Parteien vor der strukturellen Gefahr des Übergewichts einer Partei bei der Schiedsrichterbestellung zu schützen.20 Damit hat der Gesetzgeber gleichsam deutlich gemacht, dass nicht jedes sich aus den Verfahrensregeln ergebende Ungleichgewicht bei der Ernennung der Schiedsrichter zu einer Einstufung des Schiedsgerichtes als unechtes Schiedsgericht führt.21 Würde jedes Übergewicht einer Seite bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichtes dazu führen, dass kein echtes Schiedsgericht vorläge, so wäre die Regelung des § 1034 Abs. 2 S. 1 ZPO überflüssig. Sie wäre nie anwendbar, da die §§ 1025 ff. ZPO mangels Einordnung als echtes Schiedsgericht als Ganzes nicht herangezogen werden könnten. § 1034 Abs. 2 S. 1 ZPO zeigt darüber hinaus auch mit seiner Rechtsfolge, dass hierdurch die einfachen Fälle eines Übergewichtes erfasst werden sollen. § 1034 Abs. 2 S. 1 ZPO erlaubt es dem angerufenen Gericht, einen oder mehrere Ersatzschiedsrichter zu bestellen, wodurch die Schiedsvereinbarung nicht in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt wird. Auch bei der Einstufung ausländischer Schiedsgerichte ist dies nicht anders zu beurteilen, da es auch in ausländischen Rechtsordnungen in der Regel vergleichbare Normen gibt.22 Hinzu kommt, dass es im Schiedsverfahren noch weitere Möglichkeiten des Schutzes der Verfahrensparteien gibt.23 So besteht nach § 1036 ZPO die Möglichkeit, einen konkreten Schiedsrichter wegen mangelnder Unabhängigkeit abzu-
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Anstelle vieler: Wittreck, Verfassungsrechtliche (und unionsrechtliche) Rahmenbedingungen privater Justiz, in: Gesellschaft für Rechtspolitik/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier, Bitburger Gespräche, S. 31 (51 f.); ebenso: Eslami, Die Nichtöffentlichkeit des Schiedsverfahrens, S. 54. 20 Siehe dazu nur: Eslami, Die Nichtöffentlichkeit des Schiedsverfahrens, S. 56; Münch, in: MüKo, ZPO, § 1034 Rn. 9. 21 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2269) – Pechstein III. 22 Siehe z. B. zur Schweiz: Art. 368 Schweiz-ZPO. 23 Eslami, Die Nichtöffentlichkeit des Schiedsverfahrens, S. 55–61.
A. Schiedsgericht
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lehnen. Auch hierzu enthalten die ausländischen Rechtsordnungen in der Regel vergleichbare Normen.24 Zuletzt können auch – wie in dieser Untersuchung aufgezeigt wird – einzelne Verfahrensregeln, die zum Nachteil einer Partei führen, im Rahmen der materiellen Prüfung des unmittelbar anwendbaren Rechts für unwirksam erklärt werden.25 Im Ergebnis besteht mit § 1034 Abs. 2 S. 1 ZPO eine besondere Regelung, um die Abhängigkeit eines Schiedsgerichtes (zumindest soweit in der Schiedsvereinbarung ein Übergewicht bei der Zusammenstellung des Schiedsgerichtes festgelegt wurde) zu beseitigen. Diese Norm wird durch die Möglichkeit, konkrete Schiedsrichter abzulehnen, ergänzt. An ein echtes Schiedsgericht dürfen daher hinsichtlich der Unabhängigkeit nicht dieselben Anforderungen gestellt werden, wie an staatliche Gerichte. Ein unechtes Schiedsgericht nach §§ 1025 ff. ZPO liegt daher erst dann vor, wenn eine der Parteien des Schiedsverfahrens einen signifikanten Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichtes hat, wodurch die Unabhängigkeit des gesamten Schiedsgerichtes nicht mehr gegeben ist.26 Dies kann zum einen unmittelbar durch Einfluss auf den Benennungsprozess der Schiedsrichter begründet werden.27 Zum anderen kann dies durch unmittelbaren Einfluss auf die Schiedsrichterbestellung begründet werden. Gemeint ist, dass so viele der potenziellen Schiedsrichter eine objektive Nähebeziehung zu einer der Streitparteien haben, dass dies gleichbedeutend mit einem signifikanten Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichtes ist. 24 Siehe nur zur Schweiz: Art. 363, 367, 369 Schweiz-ZPO. Zu UK: § 24 UK-Arbitration Act 1996, insb. Abs. 1 lit. a. 25 Siehe nur: Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (S. 256 ff.). 26 Andeutungsweise schon: BGH, Urt. v. 05.11.1970, VII ZR 31/69, NJW 1971, 139 (139 f.); BGH, Urt. v. 03.07.1975, III ZR 78/73, NJW 1976, 109 (110) mit Verweis auf: BGH, Urt. v. 08.10.1959, VII ZR 87/58, NJW 1959, bei die zitierten Äußerungen aber im Zusammenhang mit der Anhörung getätigt wurden. Vgl. auch: BGH, Beschl. v. 27.05.2004, III ZB 53/03, NJW 2004, 2227 f. – Landseer-Hunde; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9 Rn. 5; Fenn, Zur Abgrenzung von Verbandsgerichtsbarkeit und statutarischer Schiedsgerichtsbarkeit, in: Gerhardt et al., FS Henckel, S. 173 (189); Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 375; Schöpflin, in: BeckOK, BGB, § 25 Rn. 84; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228 (229, 231), die es sogar ausreichen lassen, wenn der Spruchkörper von den Parteien personenverschieden und weisungsunabhängig ist. A. A: Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor. § 1025 Rn. 12. Grundsätzlich kritisch hinsichtlich der Neutralität von Schiedsrichtern: Wittreck, Verfassungsrechtliche (und unionsrechtliche) Rahmenbedingungen privater Justiz, in: Gesellschaft für Rechtspolitik/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier, Bitburger Gespräche, S. 31 (S. 50 f.). 27 Dieser Fall muss aber intensiver sein als § 1034 Abs. 2 ZPO. Häufiger Fall sind Vereinsgerichte, bei denen der Verein allein bestimmt, welche Organe als Schiedsrichter fungieren.
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Kapitel 3: Schiedsgericht und Schiedsvereinbarung
Eine solche Unterscheidung deckt sich mit der vergleichbaren Einschätzung des BGH zur Unparteilichkeit von konkreten Schiedsrichtern. Das Gericht stellte bereits 1970 fest, dass für die Unparteilichkeit von konkreten Schiedsrichtern „Ähnliches“ gelten muss wie für staatliche Richter, die Anforderungen also nicht gleich seien.28 Begründet wurde dies ebenfalls mit der Tatsache, dass die Schiedsrichter im Schiedsverfahren durch die Parteien ausgewählt werden, was an sich schon eine „gewisse Gefahr für die Unparteilichkeit des Schiedsgerichts“ darstelle.29 Der BGH hielt diesen Umstand aber für unbedenklich, da die Unparteilichkeit der Schiedsrichter im Schiedsverfahren nur dem Schutz der Parteien diene, während bei der staatlichen Gerichtsbarkeit gleichzeitig öffentliche Interessen geschützt werden sollten.30 Auch hinsichtlich der Anforderungen an die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens muss der Vergleich zum Verfahren der staatlichen Gerichte der erste Anknüpfungspunkt sein. Allerdings muss auch hier zugunsten der Besonderheiten des Schiedsverfahrens eine gewisse Abweichung von den Anforderungen an staatliche Gerichte möglich sein. Dementsprechend entschied auch der BGH, dass echte Schiedsgerichtsbarkeit in Bezug auf das Verfahren rechtsstaatlichen Anforderungen „in wesentlich gleichem Umfang wie staatliche Gerichte zu gewähren haben“.31
II. CAS In dieser Untersuchung wird der CAS als höchstes Sportschiedsgericht32 immer dann als Abgrenzungsbeispiel herangezogen, wenn es bei der Bewertung auf die Organisation- und Verfahrensregeln eines bestimmten Schiedsgerichtes ankommt. Daher soll hier bestimmt werden, ob es sich beim CAS um ein echtes Schiedsgericht im Sinne der ZPO handelt. Während die Schweizer Gerichte dies schon länger bestätigt haben,33 war der BGH in der Entscheidung Pechstein III 28
BGH, Urt. v. 05.11.1970, VII ZR 31/69, NJW 1971, 139; BGH, Urt. v. 03.07.1975, III ZR 78/73, NJW 1976, 109 (110); wohl ebenso: Klatte, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsrichtern in zwischenstaatlichen und gemischten Verfahren, S. 265. 29 BGH, Urt. v. 05.11.1970, VII ZR 31/69, NJW 1971, 139; BGH, Urt. v. 03.07.1975, III ZR 78/73, NJW 1976, 109 (110). 30 BGH, Urt. v. 03.07.1975, III ZR 78/73, NJW 1976, 109 (110). 31 Siehe dazu: BGH, Urt. v. 14.05.1992, III ZR 169/90, NJW 1992, 2299–2230 (2299), hier bezogen auf die Gewährung rechtlichen Gehörs. Vgl. auch: BGH, Urt. v. 02.07.1992, III ZR 84/91, NJW-RR 1993, 444. 32 Siehe nur: Rigozzi/Besson/McAuliffe, The European Arbitration Review 2017, 7 (7). 33 Zuletzt: Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 27.05.2003, 4P.267-270/2002, SchiedsVZ 2004, 208 – Latsutina; Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 20.02.2018, 4A_260/2017,
A. Schiedsgericht
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das erste deutsche Gericht, das ausdrücklich34 klargestellt hat, dass es sich beim CAS um ein echtes Schiedsgericht handelt.35 In der Literatur wird diese Frage skeptischer gesehen.36 Eine Gemeinsamkeit besteht dabei darin, dass die Unabhängigkeit des CAS im Sinne von §§ 1025 ff. ZPO im Allgemeinen für problematisch gehalten wird.37 Zur Beurteilung der Unabhängigkeit des CAS muss auf den CAS-Code und die CAS-ADD Rules abgestellt werden. Besonders problematisch ist dabei das Verhältnis zwischen dem International Council of Arbitration for Sport (ICAS) und dem CAS. Für eine Bewertung dieser Streitfrage ist es sinnvoll, zunächst das ICAS und seinen Aufbau zu betrachten, da die gewichtigsten Probleme schluss endlich aus den Rechten des ICAS vor dem CAS resultieren.
SchiedsVZ 2018, 315 (316 Rn. 18) – FIFA. Mit Einschränkungen zu alten Regelungen: Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 15.03.1993, 4P.217/1992, BGE 119 II, 271 – Gundel. 34 Vorher nur ohne inhaltliche Prüfung, da die Parteien dies nicht bezweifelt hatten. Siehe z. B.: OLG München, Urt. v. 26.10.2000, U (K) 3208/00, SpuRt 2001, 64 (65). 35 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2266 Rn. 23) – Pechstein III; LG Köln, Urt. v. 28.03.2017, 31 O 448/14, CaS 2017, 141 (148); so auch in der Literatur: Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, § 1034 Rn. 13; wohl auch: Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 99, 130 f. 36 Siehe z. B.: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 208–240; Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 237–250; Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 73–75; Hail, Spitzensport im Licht des Europäischen Kartellrechts, S. 154–157, wobei er auf S. 160 dann doch davon ausgeht, dass der CAS ein echtes Schiedsgericht ist; Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 59–64; Heermann, SchiedsVZ 2015, 78 (79 f.); Baddeley, CaS 2004, 91 (93); Orth, Jan F., SpuRt 2015, 230 (232). Insgesamt wird die Frage, ob es sich beim CAS um ein echtes Schiedsgericht handelt, nur selten direkt beantwortet. 37 Siehe sogar: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2268 f. Rn. 30) – Pechstein III. Darüber hinaus scheint z. B. Widdascheck davon auszugehen, dass die Einordnung des CAS als echtes Schiedsgericht ebenfalls mangels Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens vor dem CAS scheitern müsste: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 218–240.
44
Kapitel 3: Schiedsgericht und Schiedsvereinbarung
1. Problem: ICAS/CAS
Zusammensetzung des ICAS nach Art. S4 CAS-Code
Internationale Sportverbände
Ernennen ICASMitglieder (Schritt 1)
4
Internationales Olympischen Komitee
Vereinigung der nationalen Olympischen Sportbünde
Ernennen ICASMitglieder (Schritt 1)
Ernennen ICASMitglieder (Schritt 1)
4
4
Diese 12 Personen ernennen weitere ICAS-Mitglieder (Schritt 2)
Ausgewählt aus Personen innerhalb oder außerhalb der ernennenden Organisation. (lit. a-c)
Ernannt vor dem Hintergrund, die Rechte der Athleten zu schützen. (lit. d.)
4
Diese 16 Personen ernennen weitere ICAS-Mitglieder (Schritt 3)
Ernannt aus Personen, die von den Verbänden unabhängig sind, die die restlichen ICASMitglieder ernennen. (lit. e)
4
20 ICASMitglieder
Abb. 3: Zusammensetzung der ICAS nach Art. S4 CAS-Code. Quelle: Eigene Darstellung. Das ICAS besteht aus 20 Mitgliedern, bei denen es sich ausschließlich um erfahrene Juristen handelt.38 Vier dieser Personen werden durch die internationalen Sportverbände ernannt. Dabei kann es sich sowohl um Mitglieder als auch um Nichtmitglieder der benennenden Verbände handeln. Von diesen vier durch die internationalen Sportverbände ernannten Mitglieder des ICAS ernennt die Vereinigung der internationalen Sportverbände der Olympischen Sommerspiele (ASOIF) drei Personen und die Vereinigung der internationalen Sportverbände der Olympischen Winterspiele (AIOWF) eine Person.39 Vier weitere Mitglieder des ICAS werden durch die Vereinigung der nationalen Olympischen Komitees (ANOC) ernannt.40 Das Internationale Olympische Komitee (IOC) ernennt vier Mitglieder des ICAS.41 Auch bei den Mitgliedern, die durch die ANOC und das IOC benannt werden, kann es sich sowohl um Mitglieder als auch um Nicht38
Art. S4 CAS-Code. Art. S4 lit. a CAS-Code. 40 Art. S4 lit. b CAS-Code. 41 Art. S4 lit. c CAS-Code. 39
A. Schiedsgericht
45
mitglieder der jeweiligen Organisationen handeln.42 Diese zwölf Mitglieder des ICAS ernennen dann nach angemessener Beratung und unter dem Blickwinkel „die Rechte der Athleten zu bewahren“ weitere vier Mitglieder.43 Die letzten vier Mitglieder werden schließlich von den bis dahin ernannten 16 ICAS-Mitgliedern benannt, wobei es sich um Personen handeln muss, die in Bezug auf die Gruppierungen, die die restlichen Nominierungen der ICAS-Mitglieder vorgenommen haben, unabhängig sind.44 Das ICAS hat diverse Kompetenzen bei der Organisation des CAS.45 So wählt das ICAS aus seinen eigenen Mitgliedern unter anderem folgende Personen,46 die auch gleichzeitig das ICAS-Board darstellen47: 1. Präsident des ICAS (der gleichzeitig auch der Präsident des CAS ist)48 2. Zwei Vizepräsidenten des ICAS 3. Präsident der Ordinary Arbitration Division des CAS 4. Präsident der Anti-Doping Division des CAS 5. Präsident der Appeals Arbitration Division des CAS Darüber hinaus benennt der ICAS unter anderem die CAS Membership Commission.49 Das heißt, er benennt die zwei Mitglieder des ICAS, die gemeinsam mit den drei Divisionspräsidenten die Commission vervollständigen.50 Bei den zwei ICAS-Mitgliedern muss es sich um solche handeln, die entweder zur Wahrung der Interessen der Athleten berufen wurden (Art. S4 lit. d CAS-Code) oder aber um diejenigen, die gemäß Art. S4 lit. e CAS-Code als unabhängige Mitglieder berufen wurden. Die Aufgabe der CAS Membership Commission besteht darin, Vorschläge für die Berufung und Abberufung der Schiedsrichter für die CAS-Schiedsrichterliste zu machen.51 Die Ernennung und Entfernung der Schiedsrichter auf den CAS-Schiedsrichterlisten geschieht im Ergebnis durch den ICAS auf Vorschlag („on the proposal of“) der CAS Membership Commission.52 Unklar ist, wie der CAS den Art. S6 Nr. 4 CAS-Code interpretiert.53 So könnte 42
Art. S4 lit. b, c CAS-Code. Art. S4 lit. d CAS-Code. 44 Art. S4 lit. e CAS-Code. 45 Hier werden nur die für die Diskussion relevanten Aufgaben hervorgehoben. 46 Art. S6.2 CAS-Code. 47 Art. S7 CAS-Code. 48 Art. S9 CAS-Code. 49 Art. S6 Nr. 3 CAS-Code. 50 Art. S7 Nr. 2 lit. a CAS-Code. 51 Art. S7 Nr. 2 lit. a CAS-Code. 52 Art. S6 Nr. 4 CAS-Code. 53 Eine Antwort auf eine direkte Anfrage beim CAS ist nicht gegeben worden. 43
Deputies der CAS Division Präsidenten
Präsident Appeals Arbitration Division CAS
Präsident Anti-Doping Division CAS
Präsident Ordinary Arbitration Division CAS
2* Vizepräsident ICAS
(gleichzeitig Präsident des CAS S9 CAS-Code)
Präsident ICAS
S7 CAS-Code
ICAS-Board
[1 ICAS-Mitglied von außerhalb IOC, IF und ANOC + 2/3 Divisionspräsidenten je nachdem in welcher Division die Ablehnung geltend gemacht wird.] S7 Nr. 2 lit. c CAS-Code
Challenge Commission
S7 Nr. 2 lit. b CAS-Code
Legal Aid Commission
CAS Membership Commission
[2 ICAS-Mitglieder nach S4 lit. d oder e + 3 Divisionspräsidenten] S7 Nr. 2 lit. a CAS-Code
Benennt (S6 Nr. 3 CAS-Code)
ICAS
Entscheidet über die Ablehnung von Schiedsrichtern (S7 Nr. 2 lit. c, R34 CAS-Code; A10 CAS-ADD Rules)
Vorschläge für Berufung und Abberufung (S7 Nr. 2 lit. a CAS-Code)
CASSchiedsrichterlisten
Ernennt Schiedsrichter für (S6 Nr. 4 CAS-Code)
CAS Secretary General
CAS-Panel
Geschlossene Schiedsrichterlisten (R33 Abs. 2 CAS-Code; A8 Abs. 2, A9 CAS-ADD Rules)
Benennt (S6 Nr. 7 CAS-Code)
Abb. 4: Aufgaben des ICAS (vereinfacht). Quelle: Eigene Darstellung.
Wählt aus eigenen Mitgliedern (S6 Nr. 2 CAS-Code)
Aufgaben des ICAS (vereinfacht) 46 Kapitel 3: Schiedsgericht und Schiedsvereinbarung
A. Schiedsgericht
47
gemeint sein, dass der ICAS nur diejenigen Personen in die CAS-Schiedsrichterlisten aufnehmen darf, die zuvor von der CAS Membership Commission dafür vorgeschlagen wurden. Gleichwohl kann die Norm auch so verstanden werden, das die CAS Membership Commission dem ICAS lediglich zuarbeitet und das ICAS nicht an die Vorschläge der CAS Membership Commission gebunden ist. Die Unabhängigkeitsdiskussion entzündet sich nun daran, dass es sich bei den CAS-Schiedsrichterlisten um geschlossene Schiedsrichterlisten handelt. Das heißt, dass nur diejenigen Personen als CAS-Schiedsrichter berufen werden können, die auf einer CAS-Schiedsrichterliste geführt werden.54 Für die CAS-Schiedsrichter verlangen CAS-Code und CAS-ADD Rules, dass sie zu jedem Zeitpunkt gegenüber den Parteien unabhängig bleiben.55 Sie müssen weiterhin unverzüglich über alle Umstände aufklären, die ihre Unabhängigkeit gegenüber den Parteien beeinflussen könnten.56 Zudem dürfen die Personen auf den Schiedsrichterlisten des CAS nicht als Parteivertreter vor dem CAS tätig werden.57 Zusätzlich ist vorgesehen, dass die CAS-Schiedsrichter von den Parteien abgelehnt werden können, wenn die Umstände legitime Zweifel daran erwecken könnten, dass die Unabhängigkeit des Schiedsrichters gegenüber den Parteien gegeben ist.58 Ob diese Ablehnung zu einer Abberufung des konkreten Schiedsrichters vom Panel führt, entscheidet die Challenge Commission.59 Die Challenge Commission wird wiederum durch den ICAS benannt.60 Das bedeutet, der ICAS wählt ein ICAS-Mitglied, welches kein Mitglied des IOC, eines internationalen Sportfachverbandes oder dem ANOC ist, aus.61 Die Challenge Commission wird durch zwei der drei Divisionspräsidenten komplementiert, wobei der Präsident der Division, in der ein Schiedsrichter abgelehnt wird, kein Teil der Challenge Commission ist.62 Für die Beurteilung, ob sich aus dieser Verflechtung von ICAS und CAS eine Abhängigkeit des CAS ergibt, muss zunächst geprüft werden, ob die Sportver54 Art. R33 Abs. 2 CAS-Code; Art. A8 Abs. 2 CAS-ADD Rules. Für die Anti-Doping Division gibt es sogar eine gesonderte Liste, von der die Vorsitzenden eines Dreierschiedsgerichts bzw. Einzelschiedsrichter gewählt werden müssen: Art. A9 CAS-ADD Rules. Am 11.02.2019 waren die CAS-Schiedsrichterlisten für die Anti-Doping Division jedoch auf der Internetpräsenz des CAS noch nicht verfügbar. 55 Art. R33 CAS-Code; Art. A8 Abs. 1 CAS-ADD Rules. 56 Art. R33 CAS-Code; Art. A8 Abs. 1 CAS-ADD Rules. 57 Art. S18 CAS-Code. 58 Art. R34 Abs. 1 CAS-Code; Art. A10 Abs. 1 CAS-ADD Rules. 59 Art. S7 Nr. 1 lit. c, R34 Abs. 2 CAS-Code; Art. A10 Abs. 2 CAS-ADD Rules. 60 Art. S6 Nr. 3 CAS-Code. 61 Vgl.: Art. S7 Nr. 2 lit. c CAS-Code. 62 Art. S7 Nr. 2 lit. c CAS-Code.
48
Kapitel 3: Schiedsgericht und Schiedsvereinbarung
bände als einem gemeinsamen Lager zugehörend angesehen werden können, das gegenüber Athleten grundsätzlich gleiche Interessen verfolgt. In einem zweiten Schritt ist auf dieser Grundlage anhand der Beispiele des IOC und des DHB zu klären, welchen Einfluss diese Verbände tatsächlich auf die Schiedsrichterbestellung haben. a) Verbände als einheitliche Partei? Die Vertreter, die den CAS nicht als echtes Schiedsgericht ansehen, sprechen sich gegen die Unabhängigkeit des CAS aus, da allein zwölf Mitglieder des ICAS durch Sportverbände63 gewählt werden (Art. S4 lit. a–c CAS-Code).64 Diese ICAS-Mitglieder benennen im darauffolgenden Schritt sogar die vier Mitglieder, die die Athletenseite vertreten sollen (Art. S4 lit. d CAS-Code). Zusammen benennen diese ICAS-Mitglieder dann weitere vier Personen, die von den Verbänden unabhängig sind, die die bisherigen ICAS-Mitglieder ausgewählt haben (Art. S4 lit. e CAS-Code). Diese Auffassung setzt aber implizit voraus, dass die verschiedenen Sportverbände bei der Bestimmung der Unabhängigkeit des CAS als eine Partei anzusehen sind.65 Hiervon ist aber nur dann auszugehen, wenn alle nationalen und internationalen Fachsportverbände sowie die nationalen wie internationalen fachübergreifenden Sportverbände bei Streitigkeiten zwischen einem Sportverband und einem Athleten gemeinsame Interessen aller Sportverbände vertreten. Korrekt ist, dass sich die Verbände in der Regel für die Aufrechterhaltung der organisierten Sportausübung einsetzen.66 Allerdings führt dieses übergeordnete Ziel nicht dazu, dass sich die Verbände auch bei den konkreten Zielen eines jeden Verfahrens einig sind. Ein Beispiel der Uneinigkeit von nationalem und internationalem Sportfachverband in Bezug auf eine Streitigkeit zwischen einem Sportverband und einem Athleten war in der Causa Pechstein zu beobachten. Hier stellte sich die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) schlussend63 Konkret durch die Vereinigung der internationalen Sportverbände der Olympischen Sommerspiele (ASOIF), die Vereinigung der internationalen Sportverbände der Olympischen Winterspiele (AIOWF), die Vereinigung der nationalen Olympischen Komitees (ANOC) und das Internationale Olympische Komitee (IOC), Art. S4 lit. a–c CAS-Code. 64 Vgl. nur: Wolf/Eslami, Sport(zwangs-)schiedsgerichtsbarkeit oder wie lässt sich die privatautonome Entschließungsfreiheit der Schiedsgerichtsbarkeit absichern, in: Schütze, FS Geimer, S. 807 (814, 821); Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426 (429 f.). 65 Siehe dazu z. B: OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (44) – Pechstein II; LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I; Hail, Spitzensport im Licht des Europäischen Kartellrechts, 155 f.; Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426 (430). 66 Vgl. nur: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 59) – Pechstein III.
A. Schiedsgericht
49
lich auf die Seite Pechsteins und damit gegen die International Skating Union (ISU).67 Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) schlug sich bei der den Fall auslösenden Dopingfrage auf Pechsteins Seite.68 Bemerkenswert ist, dass es sich in der Sache Pechstein um eine Dopingstreitigkeit handelt, bei der, nach in der Literatur vertretener Meinung, der Gleichlauf der Verbandsinteressen immer geben sei.69 Weiterhin verlangen die internationalen Verbände von ihren nationalen Mitgliedsverbänden, dass sich diese ihrer Satzung und sonstigen Regelwerken unterwerfen.70 Nur auf diese Weise können alle (nationalen) Mitgliedsverbände dazu gebracht werden, die Vorgaben der internationalen Sportverbände umzusetzen. Diese Zwangsunterwerfung kann zumindest auch als Hinweis dafür gedeutet werden, dass nationale und internationale Sportverbände unterschiedliche Vorstellungen und Interessen haben, die sich im Streitfall auch auf das Verhältnis von Sportverbänden zu einem bestimmten Athleten auswirken können. Zuletzt gilt es zu beachten, dass nur bestimmte Streitigkeiten (zum Beispiel Dopingstreitigkeiten) eine Auswirkung auf alle Sportverbände und Athleten haben, da sie die Interpretation der Regeln prägen, die dem Streit zugrunde liegen. In vielen anderen Streitigkeiten sind diese übergreifenden Auswirkungen eines Schiedsurteils nicht gegeben. So ist ein Streit über den Entzug einer Lizenz im Reitsport (zum Beispiel wegen Doping des Pferdes) für den deutschen Handballbund (DHB) nicht von Interesse, da der Ausgang des Verfahrens für den DHB keinerlei Auswirkungen hat. Es ist dementsprechend falsch, den Verbänden grundsätzlich dieselben Interessen zuzuschreiben und die Sportverbände daher als eine Partei zu begreifen.71 Im Ergebnis dürfen die Verbände nicht als Ganzes angesehen werden, sondern es muss der konkret am Verfahren beteiligte Verband betrachtet werden.72 67 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (101–103) – Pechstein I. 68 DOSB, Dopingnachweis kann nicht geführt werden, go.wwu.de/9myb4. 69 So besonders deutlich: Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426 (430). 70 Vgl. nur: Art. 11 Nr. 4 FIFA-Statuten. 71 So i. E. auch: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2268 f. Rn. 30) – Pechstein III. Angedeutet bei: Heermann, WRP 2016, 1022 (1023). A. A.: Baddeley, CaS 2004, 91 (92). 72 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2268 f. (Rn. 30–32)) – Pechstein III; wohl auch: Nordmann/Förster, WRP 2016, 312 (318). So auch schon das Schweizer Bundesgericht: Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 15.03.1993, 4P.217/1992, BGE 119 II, 271 – Gundel; Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 27.05.2003, 4P.267-270/2002, SchiedsVZ 2004, 208 – Latsutina; zuletzt: Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 20.02.2018, 4A_260/2017, SchiedsVZ 2018, 315 (316 Rn. 18) – FIFA. Andeutungsweise auch der BGH, bevor er die Lagertheorie annimmt: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2269 (Rn. 32)) – Pechstein III.
50
Kapitel 3: Schiedsgericht und Schiedsvereinbarung
b) Anwendung Nach den oben gemachten Feststellungen kommt es bei der Beurteilung der Unabhängigkeit auf den konkreten Einfluss der am Streit beteiligten Parteien auf die Schiedsrichterbestellung an. Zwar haben vor dem CAS beide Parteien (bei einem Dreierschiedsgericht) das Recht, einen Schiedsrichter zu bestellen, jedoch können sie nur solche Schiedsrichter bestellen, die auf der geschlossenen Schiedsrichterlisten geführt werden.73 Durch den Einfluss einer Partei auf die Schiedsrichterbestellung kann der Einfluss der anderen Partei auf die Bestellung der konkreten Schiedsrichter ausgehöhlt werden.74 Beispielhaft sei nur überlegt, die am Streit beteiligte Partei A würde allein darüber entscheiden, welche Schiedsrichter überhaupt für das Schiedsverfahren berufen werden können. In diesem Fall hätten zwar beiden am Streit beteiligten Parteien A und B das Recht, einen Schiedsrichter zu bestellen, allerdings wäre dieses Recht der Partei B bereits durch die Vorauswahl der Partei A enorm eingeschränkt. Hierbei ist zu beachten, dass jede Partei wohl nur solche Schiedsrichter für die geschlossene Schiedsrichterliste nominiert, von denen sie erwartet, dass diese im Streitfall eher eine Meinung vertreten, die ihren Interessen entspricht.75 Um diese Frage für Verfahren vor dem CAS zu klären, wird der Einfluss der in Kap. 2. B.76 untersuchten Verbände auf die Bestellung der Mitglieder des ICAS und dessen Durchschlagen auf die Bestellung der Schiedsrichter für die geschlossene Schiedsrichterliste der Ordinary und Appeals Division untersucht.77 Der Einfluss wird zur Bestimmung seiner Stärke zunächst mathematisch dargestellt. Hierfür wird davon ausgegangen, dass alle Mitglieder des ICAS einen paritätischen Einfluss auf die Bestellung der weiteren Mitglieder des ICAS haben. Gleiches gilt bei der Benennung der Schiedsrichter für die Schiedsrichterliste. Ungeklärt ist der Einfluss der CAS Membership Commission auf die Benennung der Schiedsrichter für die CAS-Schiedsrichterlisten.78 Schlussendlich ist die Beantwortung dieser Frage aber für die mathematische Berechnung des Einflusses der einzelnen Sportverbände irrelevant. Die CAS Membership Commission wird nämlich durch den ICAS gewählt. Ausgehend von der Hypothese eines gleichen Einflusses aller ICAS-Mitglieder ist der prozentuale Einfluss eines Verbandes auf den ICAS immer genauso hoch wie der prozentuale Einfluss auf die CAS 73
Art. R33 CAS-Code, Art. A8 Abs. 2, A9 CAS-ADD Rules. Kritisch zum Rückschluss von der Besetzung des ICAS auf den CAS: Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257 (260 f.). 75 Baddeley, CaS 2004, 91 (92). 76 Siehe: S. 28 ff. 77 Für den Einfluss auf die Schiedsrichterlisten für die Anti-Doping Division ergibt sich aber nichts anderes, da die Bennung nach demselben Verfahren geschieht. 78 Siehe dazu schon: Kap. 3. A. II. 1. (S. 43 ff.). 74
A. Schiedsgericht
51
Membership Commission. Um die Berechnung nicht unnötigerweise zu verkomplizieren, wird der (mögliche) Zwischenschritt der Benennung der Personen für die geschlossene Schiedsrichterliste durch das CAS Membership Commission nicht mit in die Berechnungsformel einbezogen. Dieses Vorgehen ist damit rein praktischer Natur und soll keine Aussage darüber treffen, wie der Art. S6 Nr. 4 CAS-Code zu verstehen ist.79 Bei der Berechnung wird bewusst ausgeblendet, dass ein paritätischer Einfluss aller ICAS-Mitglieder nicht der Realität entspricht, in der der Einfluss einer Person maßgeblich von ihrer Persönlichkeit abhängt. aa) IOC Das IOC steht an der Spitze der Olympischen Bewegung und organisiert beispielsweise die Olympischen Spiele.80 Das IOC entscheidet eigenständig, welche Personen ausreichend qualifiziert sind, um als Mitglieder des IOC infrage zu kommen und wählt seine Mitglieder auch selbst aus.81 Dabei besteht das IOC aus max. 115 Personen.82 Diese Anzahl umfasst max. 70 Personen, die unabhängig von spezifischen Funktionen und Ämtern ausgewählt werden, max. 15 aktiven Athleten, max. 15 hochrangige Personen der Internationalen Sportverbände sowie max. 15 hochrangige Personen der nationalen olympischen Komitees.83 Mit der unten stehenden Formel wird dargestellt, welchen Einfluss das IOC durch die Benennung von 4 Mitgliedern des ICAS auf die CAS-Schiedsrichterliste84 hat, die dann in zwei Schritten über die Benennung der fehlenden 8 Schiedsrichter mitentscheiden und daher bei realistischer Betrachtung den Interessen des IOC zugeneigt sind: 4 ∗4 4+ 4 12 ∗4 1 ∗4 4 16 12 + + = 20 20 20 3
Das IOC85 setzt nach dieser Rechnung ein Drittel der Mitglieder des ICAS ein. Rechnerisch benennt das IOC damit 6,7 Personen des ICAS. 79
1
1
1
1
In der Praxis ∗ das ∗ wird = Verständnis des ICAS entscheidend sein. 4 33 7 Nr. 1, 208 80 Regel 1.1, 2.3, 227.456 Olympische Charter. 81 Regel 16.1.2 Olympische Charter. 82 Regel Charter. 1 1 9 16.1.11 Olympische 83 ∗ Olympische = Charter. ∗ Regel 16.1.1 43.672 477 206 4 84 Um den generellen Einfluss des IOC auf die allgemeine CAS-Schiedsrichterliste zu bestimmen, wird hier nicht auf die ad hoc Schiedsrichterliste für die Olympischen Spiele abgestellt. 85 Ebenso die Vereinigung nationaler Olympischer Komitees, Art. S4 lit. b CAS-Code. 8.891 1 Die Benennung der1 vier Personen der Internationalen Sportverbände ist so unterteilt, dass
27.456
+
43.672
=
149.882.304
52
Kapitel 3: Schiedsgericht und Schiedsvereinbarung
Am 24.01.2019 war die (allgemeine) Liste der Schiedsrichter des CAS86 394 Personen stark. Rein mathematisch hat das IOC an jedem Schiedsrichter einen Berufungsbeitrag von einem Drittel.87 Wahrscheinlicher ist jedoch, dass jede Person des ICAS eine gewisse Anzahl an Schiedsrichtern benennen darf.88 Obwohl dieser Mechanismus im CAS-Code nicht festgelegt ist, wird sich ein solcher schon alleine aufgrund der Machtverhältnisse und damit notwendigen Konzessionen ergeben.89 Ein solches Vorgehen führt dazu, dass das IOC mittelbar 131 Schiedsrichter (ein Drittel) der CAS-Schiedsrichterliste benennt.90 bb) Deutscher Handballbund Der Deutsche Handballbund ist Mitglied der International Handball Federation (IHF). Die IHF hat insgesamt 208 Mitgliedsverbände91, von denen alle ein gleiches Stimmrecht auf dem Kongress, dem höchsten Organ der IHF, haben.92 Dementsprechend hat der DHB einen Einfluss von ⅟₂₀₈ (≅ 0,48 %) auf die die Vereinigung der internationalen Sportverbände der Olympischen Sommerspiele drei Personen des CAS benennt und die Vereinigung der internationalen Sportverbände der Olympischen Winterspiele einen. Daher benennt die Vereinigung der internationalen Sportverbände der Olympischen Sommerspiele ein Viertel der Mitglieder des ICAS (5 Personen) und die Vereinigung der internationalen Sportverbände der Olympischen Winterspiele ein Zwölftel der Mitglieder des ICAS (1,7 Personen), vgl. Art. S4 lit. a CAS-Code. 86 Einzusehen unter: CAS, http://go.wwu.de/hy34t. 87 Dabei wird weiterhin davon ausgegangen, dass der ICAS i. E. unabhängig von den Vorschlägen der CAS Membership Commission entscheiden kann. Andernfalls müsste berechnet werden, dass der IOC einen Einfluss von einem Drittel auf die Benennung des ICAS hat. Damit hat das IOC auch einen Einfluss von einem Drittel auf die Benennung der Membership Commission. Daher liegt der Einfluss des IOC auf die Besetzung der Schiedsrichterliste in beiden Fällen mathematisch bei einem Drittel. 88 Schließlich wird in einfacher Mehrheit entschieden und jedes ICAS-Mitglied hat eine Stimme. Anders noch in Art. S14 CAS-Code 2004 (in Kraft bis 31.12.2011). Siehe dazu: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2269 Rn. 31) – Pechstein III; OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (44) – Pechstein II; LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I. 89 Vgl. nur den praktizierten Mechanismus der Berufung der Richter an das BVerfG durch die politischen Parteien. Keine klare Aussage dazu macht: Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, S. 265. 90 Gleiches gilt für die Vereinigung nationaler Olympischer Komitees. Die Vereinigung der internationalen Verbände der Olympischen Sommerspiele haben einen Einfluss von einem Viertel pro Benennung bzw. können 99 Schiedsrichter auswählen. Die Vereinigung der internationalen Verbände der Olympischen Winterspiele haben einen Einfluss von einem Zwölftel bzw. können fast 33 Schiedsrichter benennen. 91 IHF, http://go.wwu.de/z50s9 (Stand: 24.01.2019). 92 Vgl. Art. 12 Nr. 2, 13.1 Nr. 2, 13.3 Nr. 1 IHF-Satzung.
A. Schiedsgericht
53
Entscheidungen der 4 IHF. Der IHF ist wiederum eines von 33 Mitgliedern der 4+ ∗4 4 93 in dessen 12 ASOIF, Vollversammlung alle Mitglieder ein gleiches Stimmrecht ha∗4 1 ∗4 4 16 Einfluss 94 ben. Das ergibt einen + 12 + = von ⅟₃₃ (≅ 3,03 %). Die internationalen Verbände 3 haben einen Einfluss von einem Viertel auf die 20der Olympischen 20 20 Sommerspiele 95 Besetzung des ICAS. Daraus ergibt sich folgende Rechnung: 1 1 1 1 ∗ ∗ = 208 33 4 27.456
Der DHB hat über diese Verbindung einen Einfluss von ⅟₂₇.₄₅₆ auf die Besetzung der Benennung von ≅ 0,01 Schiedsrichter auf der 1 1was wiederum 1 9 des ICAS, ∗ = Schiedsrichterliste des CAS entspricht. ∗starken 394 Personen 43.672 477 206 4
Gleichzeitig ist der DHB aber auch Mitglied im DOSB. Die Stimmrechte auf der Mitgliederversammlung des DOSB bestimmen sich nach der Größe des jeweiligen Mitgliedsverbandes.96 Der DHB hat nach der Bestandserhebung 2018 8.891 97 weshalb ihm nach § 15 Abs. 1, 3 DOSB-Satzung 1 1 DOSB 757.593 des Mitglieder, 4 = + 4 + der ∗Mitgliederversammlung 4 vier Stimmen zukommen. Hinzu kommen fünf 27.456 4 43.672auf 12149.882.304 ∗4 1 ∗4 4weitere Stimmen nach § 15 Abs. 2, 3 DOSB-Satzung, da der DHB zu jener Hälfte 16 12 + + = 3 mit den meisten Mitgliedern gehört.98 Damit 20 20 20 der olympischen Spitzenverbände hatte der DHB auf der Mitgliederversammlung des DOSB 2018 neun Stimmen aus 477.99 Das ergibt einen Einfluss von ⁹⁄₄₇₇ (≅ 1,9 %) auf den DOSB. Der DOSB ist wiederum eines von 206 Mitgliedern der ANOC,100 welche alle über gleiches 1 1bei 1der Generalversammlung 1 Stimmrecht der ANOC verfügen.101 Die ANOC hat ∗ = ∗ einen208 Einfluss Viertel auf die Benennung der Mitglieder des ICAS.102 27.456 4 einem 33 von Daraus ergibt sich folgende Rechnung: 1 9 1 1 ∗ ∗ = 477 206 4 43.672 93
ASOIF, http://go.wwu.de/9ebmr (Stand: 24.01.2019)
8.891 194 Art. 4.41ASOIF-Satzung. = + 95 149.882.304 27.456 Vgl. 43.672 die Berechnung in Kap. 3 A. II. 1. b) aa) (S. 51 ff.). 96
§ 15 DOSB-Satzung. Siehe die Bestandserhebung des DOSB von 2018: DOSB, http://go.wwu.de/myopn,
97
S. 9. 98
DOSB, http://go.wwu.de/myopn, S. 9. Theoretisch gabe es 517 Stimmen, allerdings waren nicht alle Stimmen anwesend. Siehe dazu: DOSB, http://go.wwu.de/4p57o, S. 7. 100 ANOC, http://go.wwu.de/05vv6 (Stand: 08.08.2018). 101 Art. 12.11 ANOC-Satzung. 102 Vgl. die Berechnung in: Kap. 3 A. II. 1. b) aa) (S. 51 ff.). 99
1 1 1 1 ∗ = ∗ 27.456 208 33 4
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1 1 1 9 Der DHB ∗ hat ∗über =diese Verbindung einen Einfluss von ¹/₄₃.₆₇₂ auf die 43.672sich die Benennung von ≅ 0,01 Schiedsrichter 477 206 4 woraus CAS-Schiedsrichterliste, auf der 394 Personen starken Schiedsrichterliste des CAS ergibt. Die Gesamtrechnung sieht folgendermaßen aus: 1 1 8.891 + = 27.456 43.672 149.882.304 Das heißt, dass der DHB einen Einfluss von ⁸.⁸⁹¹/₁₄₉.₈₈₂.₃₀₄ auf die CAS-Schiedsrichterliste hat. Dies entspricht der Benennung von ≅ 0,02 Schiedsrichtern auf der Schiedsrichterliste des CAS. Der Einfluss des DHB auf die CAS-Schiedsrichterliste wird darüber hinaus103 nicht durch Personenidentität eines DHB-Funktionärs und eines IOC-Mitglieds104 erhöht. cc) Ergebnis Für die Bewertung der Unabhängigkeit des CAS können die Rechenbeispiele selbstverständlich nur ein Indiz sein. Bei der Bewertung der Rechenbeispiele ist zu beachten, dass diese verschiedenen Schwachstellen beinhalten: 1. Es ist nicht zwingend gesagt, dass die im zweiten und dritten Schritt gewählten Mitglieder des ICAS tatsächlich die Interessen des IOC beziehungsweise der anderen Verbände repräsentieren.105 2. Der interne Schlüssel zur Berufung der Schiedsrichter für die CAS-Schiedsrichterliste durch den ICAS ist nicht bekannt. 3. Die unterschiedlich zu gewichtende Einflussnahme der ICAS-Mitglieder, die auf deren Persönlichkeit fußt, kann durch die Berechnung nicht beachtet werden. Bei lebensnaher Betrachtung ist jedoch davon auszugehen, dass die Mitglieder des ICAS darauf hinwirken, dass nur solche Schiedsrichter benannt werden, die ihre Interessen im Grundsatz unterstützen. Obwohl der Schlüssel der Berufung der Schiedsrichter des CAS durch den ICAS nicht öffentlich zugänglich ist, so ist zu erwarten, dass dieser paritätisch sein wird. Einzig und allein der Einfluss der Persönlichkeit der ICAS-Mitglieder muss als Faktor angesehen werden, der die Ergebnisse der Berechnung wirklich untergraben kann. 103
Am Berechnungsstichtag (24.01.2019) Siehe zu den Mitgliedern des IOC: IOC, http://go.wwu.de/kc3e8. Im Übrigen besteht auch keine Personenidentität zwischen DHB-Funktionären und Funktionären der IHF, des DOSB und des ANOC. 105 Art. S4 lit. d, e CAS-Code. 104
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Vor diesem Hintergrund sind die errechneten Werte der Schiedsrichterbenennung in nicht unerheblichem Maße bei der Bestimmung der Unabhängigkeit des CAS zu beachten. Hiernach benennt: – das IOC 131 Schiedsrichter der CAS-Schiedsrichterliste, – und der DHB ungefähr 0,02 Schiedsrichter der CAS-Schiedsrichterliste. Der Einfluss des DHB ist so gering, dass er nicht einmal einen einzigen Schiedsrichter mittelbar benennt. Dies zeigt schon auf mathematischer Ebene, dass der Einfluss des DHB auf die Schiedsrichterbestellung nicht signifikant sein kann. Hingegen besteht bei jedem dritten Schiedsrichter die berechtigte Sorge, dass er dem IOC nahesteht. Die Mitglieder des ICAS werden nämlich bei der Benennung der Schiedsrichter für die CAS-Schiedsrichterliste diejenigen Personen auswählen, bei denen sie davon ausgehen, dass diese in Streitfällen denselben oder zumindest den gleichen Standpunkt vertreten wie sie. Vier der ICAS-Mitglieder sind aber wiederum durch das IOC benannt, welches hierfür Personen auswählt, die ihren Interessen nahestehen. Aus der Liste des CAS wird aber nicht klar, auf Grundlage wessen Vorschlags ein Schiedsrichter in die Liste aufgenommen wurde.106 Dementsprechend kann eine (mittelbare) Verbindung zum IOC nur durch eine umfangreiche Recherche über den konkreten Schiedsrichter zutage gefördert werden. Im Ergebnis ist der mittelbare Einfluss des IOC allein auf die Schiedsrichterliste und damit die konkrete Schiedsrichterberufung erheblich, sodass nicht von einer institutionellen Unabhängigkeit des CAS gegenüber dem IOC gesprochen werden kann. Dies wird auch nicht durch die von jedem Schiedsrichter zu unterzeichnende Unabhängigkeitserklärung107 behoben, da hierdurch bestehende Abhängigkeiten nicht aufgelöst werden können. Der CAS stellt daher bei Streitigkeiten zwischen Athleten und dem IOC ein unechtes Schiedsgericht dar.108 106
Erstmalig wurde hingegen für die Periode vom 01.01.2019–31.12.2022 deutlich gemacht, welches ICAS-Mitglied durch welchen Akteur benannt wurde: CAS, Pressemitteilung v. 28.12.2018, go.wwu.de/prumr. 107 Art. S18 CAS-Code. 108 Andeutung einer Unterscheidung zwischen Streitigkeiten mit Beteilung des CAS und anderen Verbänden (nach der Gundel-Entscheidung): Schlosser, Die olympische Sportschiedsgerichtsbarkeit und das deutsche Recht, in: Bettermann et al., FS Zeuner, S. 467 (S. 478 f.). Noch zu einer anderen Struktur von CAS und ICAS: Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 15.03.1993, 4P.217/1992, BGE 119 II, 271 (275–280) – Gundel. A. A.: Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 27.05.2003, 4P.267-270/2002, SchiedsVZ 2004, 208 (211) – Latsutina. Ebenso wie zum IOC ist das Ergebnis bei Streitigkeiten zwischen einem
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2. Problem: Ernennung von Schiedsrichtern durch die Präsidenten der Arbitration Divisionen Zusätzlich zu der oben herausgestellten Problematik muss auch der Einfluss der Präsidenten der verschiedenen Divisionen des CAS auf die Schiedsrichterbestellung untersucht werden. Der CAS besteht aus drei Divisionen. Der Ordinary Arbitration Division (Ordinary Division), der Anti-Doping Division und der Appeals Arbitration Division (Appeals Division).109 Welche Division für die konkrete Streitentscheidung zuständig ist, wird durch das CAS Court Office anhand der Verantwortlichkeiten der Divisionen bestimmt.110 Die Ordinary Division ist für die Beilegung von allen Streitigkeiten zuständig, die nicht in den Verantwortlichkeitsbereich der anderen Divisionen fallen.111 Die Anti-Doping Division ist für die Entscheidung von erstinstanzlichen Dopingstreitigkeiten sowie von Dopingstreitigkeiten mit nur einer einzigen Instanz verantwortlich.112 In der Verantwortlichkeit der Appeals Division liegt es, Streitigkeiten über die Entscheidung von Verbänden, Vereinen oder anderen Sportorganen zu entscheiden, soweit die einschlägigen Satzungen und Regelungen dies vorsehen.113 Zwischen den verschiedenen Divisionen bestehen Unterschiede darin, welchen Einfluss die Divisionspräsidenten auf die Bestellung der vorsitzenden Schiedsrichter eines konkreten Panels beziehungsweise den Einzelschiedsrichter nehmen können. Bei Verfahren in der Ordinary Division werden Einzelschiedsrichter grundsätzlich auf Grundlage einer Einigung zwischen den Parteien und die Vorsitzenden eines Panels auf Grundlage einer Einigung zwischen den Parteischiedsrichtern berufen.114 Nur in dem Fall, in dem eine solche Einigung nicht in der vorgegebenen Frist erfolgt, beruft der Präsident der Ordinary Division den vorsitzenden Schiedsrichter.115 Ebenso beruft der Präsident der Anti-Doping Division den Einzelschiedsrichter beziehungsweise den Vorsitzenden eines Panels, wenn sich die Parteien bei einem Verfahren vor der Anti-Doping Division auf diesen nicht einigen können.116 Athleten und der ANOC oder der AIOWF. Für die Einstufung einer Streitigkeit zwischen Athleten und AIOWF bedarf es einer genauen Untersuchung. 109 Art. S20 CAS-Code. 110 Art. S20 Abs. 2 CAS-Code. 111 Vgl. Art. S20 Abs. 1 lit. a CAS-Code. 112 Art. S20 Abs. 1 lit. b S. 1 CAS-Code. 113 Art. S20 Abs. 1 lit. c S. 1 CAS-Code. 114 Art. R40.2 Abs. 1, 2 CAS-Code. 115 Art. R40.2 Abs. 1, 2 CAS-Code. 116 Art. A15 Abs. 3, A16 S. 2, 3 CAS-ADD Rules.
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Eine deutlich weitergehende Kompetenz kommt dem Präsidenten der Appeals Division bei Verfahren vor seiner Division zu. Bei Entscheidungen durch einen Einzelschiedsrichter wird dieser immer durch den Präsidenten der Appeals Division berufen.117 Bei Entscheidungen durch ein Dreier-Panel wird der Vorsitzende immer durch den Präsidenten der Appeals Division berufen.118 Der Einfluss des DHB auf jedes einzelne ICAS-Mitglied (und damit auch die Divisionspräsidenten) beträgt nach den obigen Berechnungen ⁸.⁸⁹¹/₁₄₉.₈₈₂.₃₀₄. Daher ist der Einfluss des DHB auf die Divisionspräsidenten zu gering, um einen mittelbaren Einfluss auf die Schiedsrichterbestellung zu begründen und die Unabhängigkeit des CAS infrage zu stellen. Der Einfluss des IOC auf die Benennung der Divisionspräsidenten ist im Vergleich zum DHB deutlich höher, nämlich ein Drittel. Bei einem solchen Einfluss ist die Gefahr nicht unbegründet, dass die Divisionspräsidenten den Interessen des IOC gegenüber aufgeschlossen sind und vor diesem Hintergrund auch die weiteren Schiedsrichter benennen.119 Dies schmälert die Unabhängigkeit des CAS gegenüber dem IOC zusätzlich. 3. Problem: Repeat Player Bias Die Gerichtsverfahren zur Einstufung des CAS als echtes oder unechtes Schiedsgericht sind bislang nicht direkt auf den sog. repeat player bias eingegangen. Grundlage der Problematik ist, dass Schiedsrichter im Schiedsverfahren von den Streitparteien berufen werden.120 Das bedeutet wiederum, dass Schiedsrichter davon abhängig sind, berufen zu werden, damit sie mit ihrer Tätigkeit als Schiedsrichter Geld verdienen können. Vor diesem Hintergrund wird zum Teil davon ausgegangen, dass Schiedsrichter geneigt sind, sich auf die Seite der Partei zu schlagen, die häufiger an Schiedsverfahren beteiligt ist, da diese auch häufiger Schiedsrichter benennt. 121 Dieses Problem des repeat player bias läge dann im Verhältnis Sportverband-Athlet ebenfalls vor. Schließlich zieht ein Sportverband, der mit einer großen Anzahl an Athleten geschäftlich verknüpft ist, häufiger vor ein Schiedsgericht als ein einzelner Athlet, der im Vergleich mit deutlich weniger Sportverbänden geschäftlich verknüpft ist. 117
Art. R54 Abs. 1 CAS-Code. Art. R54 Abs. 2 CAS-Code. 119 Vgl.: Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 293–296. 120 Vgl. Art. R40.2 und R54 CAS-Code, wobei in letzterem Fall der Vorsitzenden nie durch die Parteien ernannt wird. 121 Grundsätzlich mit den Hinweis, dass Schiedsrichter bei der Entscheidung daran denken, erneut ernannt zu werden: Wittreck, Verfassungsrechtliche (und unionsrechtliche) Rahmenbedingungen privater Justiz, in: Gesellschaft für Rechtspolitik/I nstitut für Rechtspolitik an der Universität Trier, Bitburger Gespräche, S. 31 (50 f.). 118
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Schlussendlich würde der repeat player bias dazu führen, dass alle potenziellen Schiedsrichter eine Verbundenheit mit den jeweiligen Sportverbänden hätten. Dadurch wären alle potenziellen Schiedsrichter als nicht unabhängig anzusehen, wodurch wiederum mittelbar ein signifikanter Einfluss auf die Schiedsrichterbestellung bestünde. Schlosser ist der Ansicht, dass in der Sportschiedsgerichtsbarkeit dennoch keine repeat-player-bias-Problematik bestehe.122 Anders als die Schiedsrichter in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit würden CAS-Schiedsrichter mit ihrer Tätigkeit nämlich nicht viel Geld verdienen.123 Bei der Berufung als CAS-Schiedsrichter handele es sich vielmehr um eine Ehre, sodass die Gefahr der Verbandsnähe auf Grundlage des Verdienstes als CAS-Schiedsrichter nicht gegeben sei.124 Ähnlich argumentiert Niedermaier in Bezug auf die abstrakte Problematik des repeat players bias. Er geht davon aus, dass es für Schiedsrichter von besonderem Interesse sei, sich einen guten Ruf zu erarbeiten, sodass sie auch bei zukünftigen Verfahren wieder berufen würden.125 Hierfür sei es notwendig, dass sie nicht als einseitig entscheidende Schiedsrichter wahrgenommen würden.126 Gegen die Annahme eines repeat player bias spricht zudem, dass die Athleten vor dem CAS anwaltlich vertreten sind.127 Es ist zwar unwahrscheinlich, dass die Athleten häufiger an CAS-Verfahren beteiligt sind, anders ist dies aber sehr wahrscheinlich bei ihren Anwälten, da die Anzahl der Sportrechtsexperten mit CAS-Erfahrung begrenzt ist. Die Anwälte haben einen Einfluss auf die Schiedsrichterbestellung ihrer Mandanten, sodass die Stellung der Anwälte als repeat players dem repeat player bias zugunsten der Verbände zumindest entgegenwirken sollte. 122 Schlosser, Die olympische Sportschiedsgerichtsbarkeit und das deutsche Recht, in: Bettermann et al., FS Zeuner, S. 467 (478), ohne jedoch die Begrifflichkeit des repeated players zu benutzen. 123 Schlosser, Die olympische Sportschiedsgerichtsbarkeit und das deutsche Recht, in: Bettermann et al., FS Zeuner, S. 467 (478). Was bei Stundensätzen von 300–500 Schweizer Franken zumindest bezweifelt werden kann. 124 Schlosser, Die olympische Sportschiedsgerichtsbarkeit und das deutsche Recht, in: Bettermann et al., FS Zeuner, S. 467 (478). Dabei geht Schlosser nicht darauf ein, dass „Ehre“ als nicht monetärer Anreiz an anderer Stelle zu Einnahmen führen kann. A. A.: Baddeley, CaS 2004, 91 (92), die aus dem Ehrgefühl schließt, dass sich die Schiedsrichter gegenüber den Verbänden, die sie berufen haben, verpflichtet fühlen. Diese Argumentation ließe sich aber auch für eine Bevorzugung der Athleten verwenden. 125 Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 129. 126 Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 129 m. w. N. in Fn. 284. 127 Vgl.: Searle Civil Justice Institute, Preliminary Report: Consumer Arbitration, go.wwu.de/cuoyz, S. 13.
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In einer Studie des Searle Civil Justice Institute zur Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit konnte der repeat player bias insgesamt nicht nachgewiesen werden.128 Lediglich auf Grundlage einer neuartigen Definition des repeat player konnten Hinweise dafür festgestellt werden, dass die unter diese Definition fallenden Parteien wegen ihrer ausgereiften internen Selektionsmechanismus von Streitigkeiten (case screening) nur bei günstigen Erfolgsaussichten ein Verfahren anstrengen und infolgedessen prozentual häufiger gewinnen.129 Einen Zusammenhang mit der Voreingenommenheit von Schiedsrichtern gegenüber repeat players konnte hingegen nicht nachgewiesen werden.130 Schlussendlich handelt es sich daher beim repeat player bias lediglich um eine Vermutung, die bislang nicht eindeutig bewiesen werden konnte. Vor den deutschen Gerichten hat die Problematik auch noch nicht dazu geführt, dass ein Schiedsgericht als unechtes Schiedsgericht eingestuft wurde. Der repeat player bias kann demnach bei Beteiligung eines Sportverbandes und eines Athleten weder für noch gegen die Einordnung des CAS als echtes Schiedsgericht herangezogen werden. 4. Problem: Finanzierung des CAS Auch die Finanzierung des CAS wird gegen dessen Anerkennung als echtes Schiedsgericht im Sinne der ZPO vorgebracht.131 Der CAS wird zu 60 % aus Geldern der Olympischen Bewegung (das heißt den verschiedenen Sportverbänden) und zu 40 % durch die verschiedenen Streitparteien (vor dem CAS) finanziert.132 Allerdings werden die berufenen Schiedsrichter zum Beispiel in der Ordinary und der Appeals Division durch die Parteien und gerade nicht durch den CAS bezahlt.133 Weshalb die Finanzierung der Institution CAS daher in diesen Fällen einen Einfluss auf die Unabhängigkeit des CAS haben sollte, wird im Zuge der Vorwürfe nicht erläutert.134
128 Searle Civil Justice Institute, Preliminary Report: Consumer Arbitration, go.wwu. de/cuoyz, S. xiii, 13–16, 76–82. 129 Searle Civil Justice Institute, Preliminary Report: Consumer Arbitration, go.wwu. de/cuoyz, S. xiii, 13–16, 76–82. 130 Searle Civil Justice Institute, Preliminary Report: Consumer Arbitration, go.wwu. de/cuoyz, S. xiii, 13–16, 76–82. 131 Siehe nur: LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (110) – Pechstein I; Summerer, SpuRt 2018, 197 (198). 132 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 130 – Mutu/Pechstein. 133 Art. R64.4 CAS-Code. 134 Ebenso skeptisch: Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 27.05.2003, 4P.267-270/2002, SchiedsVZ 2004, 208 (210) – Latsutina.
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Bei Verfahren vor der Anti-Doping Division werden die Verfahrenskosten (inklusive der Kosten für den oder die Schiedsrichter) hingegen in der Regel durch den CAS getragen.135 Aber auch für diesen Fall haben das Schweizer Bundesgericht in Latsutina und der EGMR in Mutu/Pechstein entschieden, dass keine Abhängigkeit vorliege. So argumentieren die Gerichte, dass auch staatliche Gerichte häufig in Streitfällen entscheiden würden, in denen der Staat selbst Streitpartei sei, ohne dass die Unabhängigkeit der entscheidenden Richter wegen einer vermeintlichen finanziellen Abhängigkeit vom Staat infrage gestellt würde.136 Der Vorwurf der Abhängigkeit wegen der Finanzierung des CAS geht schon grundlegend fehl. Es kommt für eine mögliche Abhängigkeit nicht darauf an, wer die Schiedsrichter bezahlt. Zu einer Bezahlung für die erbrachte Leistung kommt es immer dann, wenn ein Schiedsrichter bestellt wurde. Dementsprechend kommt der Bestellung die Schlüsselposition zu. Soll also durch den Geldfluss für die Dienste eines Schiedsrichters eine Abhängigkeit konstruiert werden, so kann diese nur gegenüber der Partei bestehen, die den Schiedsrichter beruft. Diesbezüglich macht § 1035 ZPO deutlich, dass die Berufung der Schiedsrichter durch die Parteien nicht gegen die Annahme eines echten Schiedsgerichtes im Sinne der ZPO sprechen kann. Daher spricht auch die Finanzierung des CAS nicht gegen dessen Unabhängigkeit im Sinne von §§ 1025 ff. ZPO.137 5. Problem: Vorlage des Schiedsspruchs beim CAS-Generalsekretär Gegen die Einstufung des CAS als echtes Schiedsgericht wird als weiteres Argument die Notwendigkeit der Vorlage von CAS-Schiedssprüchen vor deren finalen Unterzeichnung beim CAS-Generalsekretär angeführt.138 Nach Art. R46 S. 5, R59 Abs. 2 CAS-Code und Art. 21 Abs. 2 CAS-ADD Rules müssen Schiedssprüche dem CAS-Generalsekretär vorgelegt werden, der dann förmliche Berichtigungen vornehmen und die Schiedsgerichte zusätzlich auf fundamentale Rechtsprinzipien hinweisen darf. Hieraus folgert Summerer, dass „durchaus vor135
Art. A24 Abs. 1–3 CAS-ADD Rules. EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 151 – Mutu/Pechstein; Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 27.05.2003, 4P.267-270/2002, SchiedsVZ 2004, 208 (210 f.) – Latsutina. 137 Vgl. dazu: EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 151 – Mutu/ Pechstein; Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 27.05.2003, 4P.267-270/2002, SchiedsVZ 2004, 208 (210 f.) – Latsutina; Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 20.02.2018, 4A_260/2017, SchiedsVZ 2018, 315 (316) – FIFA. 138 Summerer, SpuRt 2018, 197 (199). 136
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stellbar [sei], dass der ein oder andere Richter ins Grübeln kommt, ob er nicht doch lieber der Linie des Generalsekretärs folgen sollte.“139 Eine Begründung für seine Behauptungen liefert Summerer nicht. Ein Recht, auf den materiellen Inhalt der Entscheidung einzuwirken, kommt dem CAS-Generalsekretär damit aber ausdrücklich nicht zu.140 Vielmehr geht es bei der Vorlagepflicht darum, zum Beispiel Fehler bei Rechtschreibung und Grammatik zu vermeiden.141 Zudem soll sichergestellt werden, dass die CAS-Schiedsrichter nicht ungewollt von der bisherigen Rechtsprechungslinie abweichen, das heißt sich mit dieser Rechtsprechungslinie zumindest argumentativ auseinandersetzen.142 Unter Berücksichtigung der umfangreichen rechtlichen Qualifikation der CAS-Schiedsrichter ist es unwahrscheinlich, dass sich diese aufgrund eines bloßen Hinweises dazu genötigt fühlen, ihren Schiedsspruch zu verändern.143 Auch bei anderen institutionellen Schiedsgerichten ist eine solche Regelung standardmäßig inbegriffen144 und wird nicht gegen deren Anerkennung als echte Schiedsgerichte angeführt. Daher spricht die Vorlagepflicht zum CAS-Generalsekretär nicht gegen die Einstufung des CAS als echtes Schiedsgericht.145 6. Ergebnis Aus der vorgenommenen Analyse ergibt sich, dass der CAS im Verhältnis IOC-Athlet als unechtes Schiedsgericht zu qualifizieren ist. Im Verhältnis DHB-Athlet (und dem Verhältnis fast aller anderen Sportverbände zu Athleten) stellt der CAS jedoch ein echtes Schiedsgericht dar. 146 Unabhängig von diesen 139
Summerer, SpuRt 2018, 197 (199). So auch: Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R46 Rn. 24, 27. 141 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R46 Rn. 24. Dies erscheint auch sinnvoll, da viele Schiedssprüche in einer anderen als der Muttersprache der CAS-Schiedsrichter ergehen. 142 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R46 Rn. 24, 26. 143 Siehe dazu das Beispiel in: ARD Radio Recherche Sport, Die mächtigen Männer im Sport, go.wwu.de/5iboc. 144 Siehe nur: Art. 34 ICC-Rules; Art. 39.3 DIS-SchO. 145 Bundesgericht der Schweiz, Urt. v. 10.02.2010, 4A_612/2009, Rn. 3.3 – Pechstein BG I. 146 Vgl. die grundsätzlichen Feststellungen: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2268 Rn. 23) – Pechstein III; LG Köln, Urt. v. 28.03.2017, 31 O 448/14, CaS, 2017, 141 (148); vgl.: Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 27.05.2003, 4P.267-270/2002, SchiedsVZ 2004, 208 (211) – Latsutina; Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 20.02.2018, 4A_260/2017, SchiedsVZ 2018, 315 (316) – FIFA; Haas, Fußball vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS, in: Höfling/Horst/Nolte, Fußball, S. 65 (66); Haas, ZVglRWiss 140
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Kapitel 3: Schiedsgericht und Schiedsvereinbarung
Feststellungen ist es möglich, dass ein konkreter Schiedsrichter abhängig oder parteilich ist.147
B. Schiedsvereinbarung Unter Schiedsvereinbarungen werden Rechtsgeschäfte verstanden, durch die bestimmt wird, dass sich Parteien für bestimmte Streitigkeiten der Entscheidung eines Schiedsgerichtes unter Ausschluss der staatlichen Rechtsprechung unterwerfen.148 Nach § 1029 Abs. 2 ZPO gibt es zwei Arten von Schiedsvereinbarungen: die Schiedsabrede und die Schiedsklausel, zwischen welchen in Literatur und Rechtsprechung häufig nicht präzise differenziert wird.149 Die Schiedsabrede ist eine Schiedsvereinbarung in Form eines selbstständigen Vertrags, § 1029 Abs. 2 Alt. 1 ZPO.150 Eine Schiedsklausel ist eine Schiedsvereinbarung, die als gesonderte Klausel in einen Vertrag eingegliedert ist, § 1029 Abs. 2 Alt. 2 ZPO.151 Bei Athletenvereinbarungen und Lizenzvereinbarungen handelt es sich daher häufig um Verträge mit Schiedsklausel.152 Schiedsabrede und Schiedsklausel sind vom Hauptvertrag rechtlich unabhängig und daher nicht von dessen Wirksamkeit abhängig.153 Die Rechtsnatur von Schiedsvereinbarungen ist umstritten.154 Für die Prüfung der Wirksamkeit einer 2015, 516 (517–521); wohl auch: Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216 (224). A. A.: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 208–213, 290–292; wohl auch: Wolf/E slami, Sport(zwangs-)schiedsgerichtsbarkeit oder wie lässt sich die privatautonome Entschließungsfreiheit der Schiedsgerichtsbarkeit absichern, in: Schütze, FS Geimer, S. 807 (813–815). Zumindest kritisch: Heermann, SchiedsVZ 2015, 78 (79 f.); Heermann, NJW 2016, 2224 (2224 f.); Thorn/L asthaus, IPRax 2016, 426 (427, 429–431). 147 Siehe hierfür: § 1036 ZPO. 148 Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1029 Rn. 11. 149 So auch: Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 1029 Rn. 109. 150 Siehe auch: Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 1029 Rn. 110. 151 Siehe auch: Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 1029 Rn. 110. 152 Siehe als Beispiel: Conditions of Participation des IOC, welche unter Punkt 5 eine Schiedsklausel beinhalten. So i. E. auch: BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (586) – Reiter. 153 Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1029 Rn. 1. 154 Siehe nur: Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 244; Wagner, Prozeßverträge, S. 578–582; Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1029 Rn. 1, 15; Schlosser, in: Stein/ Jonas, ZPO, § 1029 Rn. 1; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 7 Rn. 37, jeweils m. w. N.
C. Schiedsanordnung, § 1066 ZPO
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Schiedsveranstaltung hat die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung jedoch keine Bedeutung.155 Gleiches gilt, aufgrund der Unabhängigkeit vom Hauptvertrag, für die Unterscheidung zwischen Schiedsabrede und Schiedsklausel.156 Schiedsvereinbarungen müssen der Formvorschrift des § 1031 ZPO entsprechen.157 Für diese Untersuchung wird davon ausgegangen, dass die Formvorschrift des § 1031 ZPO von allen untersuchten Schiedsvereinbarungen eingehalten wird, damit der Fokus auf deren inhaltliche Prüfung gelegt werden kann.
C. Schiedsanordnung, § 1066 ZPO Eine sogenannte Schiedsanordnung158 liegt vor, wenn die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts nicht durch ein Rechtsgeschäft vereinbart, sondern durch eine anderweitige Verfügung angeordnet wird. Ein Beispiel für eine Schiedsanordnung sind Schiedsklauseln in Vereinssatzungen (statutarische Schiedsklauseln) gegenüber Vereinsmitgliedern, da Satzungen die Mitglieder wegen ihres mitgliedschaftlichen Status binden und nicht infolge einer individualvertraglichen Unterwerfung.159 Für Schiedsanordnungen gelten die Regeln der §§ 1025 ff. ZPO entsprechend, was den Formzwang des § 1031 ZPO ausnimmt.160 In der Praxis enthalten alle bekannten Satzungen von Sportverbänden Schiedsanordnungen.161 Darüber hinaus wird in diesen Satzungen die Einhaltung
155
Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 245. Daher wird die Unterscheidung zwischen Schiedsabrede und Schiedsklausel auf die reine Terminologie beschränkt. Siehe dazu: Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 1029 Rn. 109 f. 157 Die Formvorschrift gilt hingegen nicht für die Schiedsanordnung nach § 1066 ZPO: Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 1031 Rn. 3. 158 Begriff nach: Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1029 Rn. 1. Wenn in dieser Untersuchung ganz allgemein von Schiedsvereinbarungen gesprochen wird, sind auch Schiedsanordnungen erfasst, da dies zum einen der Lesbarkeit dient und zum anderen in den meisten Werken keine derartige begriffliche Differenzierung vorgenommen wird. Kommt es hingegen auf den Unterschied an, wird von Schiedsanordnung gesprochen. 159 Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, S. 30–66, 204 f.; Axtmann, Die Vorlageberechtigung von Sportschiedsgerichten zum EuGH, S. 62, mit umfassenden Nachweisen zum Streitstand in Fn. 162; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 1066 Rn. 15 Im Fall der rechtsgeschäftlichen Unterwerfung unter eine Schiedsklausel in einer Satzung liegt daher keine Schiedsanordnung vor. 160 Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 1066 Rn. 26 f. 161 Siehe beispielhaft: § 17, 17a DFB-Satzung. 156
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Kapitel 3: Schiedsgericht und Schiedsvereinbarung
von höherrangigen Satzungen vorgegeben, wodurch auch deren Schiedsanordnungen Geltung erlangen.162
D. Schiedsverfahrensvereinbarung Schiedsverfahrensvereinbarungen stellen Rechtsgeschäfte dar, mit denen das Verfahren zur Benennung der Schiedsrichter sowie das sonstige Verfahren des eingesetzten Schiedsgerichtes bestimmt wird (§ 1042 Abs. 3 ZPO).163 In der Sportschiedsgerichtsbarkeit vor dem CAS bestimmen sich die Verfahrensregeln, wie bei institutionellen Schiedsgerichten üblich, anhand des CAS-Codes. Gesonderte Schiedsverfahrensvereinbarungen werden nicht geschlossen, der CAS-Code beziehungsweise die CAS-ADD Rules übernehmen die Funktion der Schiedsverfahrensvereinbarung.
E. Wesentliche Erkenntnisse des Kapitels 3 Die §§ 1025 ff. ZPO sind nur auf echte Schiedsgerichte anwendbar. Voraussetzungen für die Anerkennung einer Streitentscheidungsinstanz als echtes Schiedsgericht sind: 1. Die streitentscheidende Instanz soll nach dem Willen der Beteiligten unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit entscheiden. 2. Die streitentscheidende Instanz ist unabhängig und unparteiisch (neutral). 3. Die Verfahren vor der streitentscheidenden Instanz entsprechen rechtsstaatlichen Anforderungen. Hinsichtlich der Unabhängigkeit eines Schiedsgerichtes sowie der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an staatliche Gerichte. Ein Schiedsgericht ist erst dann nicht mehr als echtes Schiedsgericht anzusehen, wenn eine der Parteien des Schiedsverfahrens einen signifikanten Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichtes hat, wodurch die Unabhängigkeit des gesamten Schiedsgerichtes als Institution nicht mehr gegeben ist. Dies ist sowohl durch unmittelbaren als auch durch mittelbaren Einfluss auf die Schiedsrichterbestellung möglich. In Bezug auf das Verfahren müssen
162 Siehe beispielhaft: § 3 Nr. 1 DFB-Satzung. Zu diesem dynamischen Verweis: BGH, Urt. v. 20.09.2016, II ZR 25/15, NJW 2017, 402 (406 Rn. 44–49). Grundsätzliches zum EinPlatz System: Kap. 2. A. I. (S. 25 ff.). 163 Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1029 Rn. 11.
E. Wesentliche Erkenntnisse des Kapitels 3
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echte Schiedsgerichte den Anforderungen an die Rechtsstaatlichkeit eines staatlichen Gerichtes lediglich in wesentlich gleichem Umfang genügen. Vor diesem Hintergrund kann eine Abhängigkeit des CAS dadurch begründet werden, dass eine Streitpartei darüber entscheidet, welche Schiedsrichter überhaupt berufen werden können. Im Ergebnis ist der CAS aber gegenüber den meisten Sportverbänden unabhängig. Hintergrund ist, dass die Sportverbände nicht als eine gemeinsame Partei anzusehen sind. Dementsprechend ist der Einfluss eines jeden Verbandes auf die CAS-Schiedsrichterliste zu analysieren. Mathematisch hat zum Beispiel der DHB einen Einfluss von ⁸.⁸⁹¹⁄₁₄₉.₈₈₂.₃₀₄ auf die Bestellung eines jeden Schiedsrichters auf die CAS-Schiedsrichterlisten. Das entspricht ≅ 0,02 Schiedsrichtern auf der Liste für die Ordinary und die Appeals Division. Anders ist zum Beispiel die Abhängigkeit des CAS vom IOC zu bewerten. Das IOC hat einen Einfluss von einem Drittel auf die CAS-Schiedsrichterlisten, was der Benennung von 131 Schiedsrichtern auf der Liste für die Ordinary und die Appeals Division entspricht. Während der CAS bei der Beteiligung der meisten Sportverbände (wie zum Beispiel dem DHB) als echtes Schiedsgericht anzusehen ist, stellt er bei Beteiligung des IOC ein unechtes Schiedsgericht dar.
Kapitel 4
Grundlagen zur rechtlichen Bewertung oktroyierter Schiedsvereinbarungen Die Frage der Wirksamkeit von oktroyierten Schiedsvereinbarungen richtet sich nur im Ergebnis nach einfachgesetzlichen (präziser: unmittelbar anwendbaren1) Normen. Die Anwendung dieser Normen wird dabei in besonderem Maße durch höherrangige Normen beeinflusst. Aus diesem Grund werden in Kap. 4 die Inhalte der höherrangigen Normen2 dargestellt, die bei der Anwendung des unmittelbar anwendbaren Rechts im Wege der mittelbaren Drittwirkung3 zu beachten sind. Es wird bewusst auf eine umfassende Darstellung der verschiedenen Rechte verzichtet. Stattdessen werden die später relevant werden Elemente dieser Rechte hervorgehoben. 1
Siehe die Anwendung des EU-Kartellrecht: Kap. 7. B. (S. 217 ff.). Die EMRK hat als Völkervertragsrecht den Rang eines einfachen Gesetzes, Art. 59 Abs. 2 GG und ist damit streng genommen kein höherrangiges Gesetz: Langenfeld, Die Stellung der EMRK im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, in: Bröhmer, FS Ress, S. 95; Giegerich, in: Dörr/G rote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 2 Wirkungen und Rang der EMRK in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten Rn. 82. Der EMRK kommt daher kein Verfassungsrang zu: BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004, 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (Rn. 31–39); BVerfG, Beschl. v. 17.05.1983, 2 BvR 731/80, NJW 1983, 2762 (2765); BVerfG, Beschl. v. 14.01.1960, 2 BvR 243/60, NJW 1960, 1243 (1244). Wegen des Einflusses der EMRK im Wege der mittelbaren Drittwirkungen wird die EMRK hier dennoch im Rahmen der höherrangigen Rechte geprüft. 3 Siehe zu den Grundrechten: St. Rspr. seit: BVerfG, Urt. v. 15.01.1958, 1 BvR 400/57, NJW 1958, 257 (257 f.); Rüfner, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 197 Grundrechtsadressaten Rn. 87; Herdegen, in: Maunz/D ürig, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 59. Zur EMRK: BVerfG, Beschl. v. 22.10.2014, 2 BvR 661/12, JZ 188 (1999); Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 19 Rn. 8 f., die mittelbare Drittwirkung mit der Lehre der Schutzpflichten gleichsetzten; Rebhahn, AcP 210 (2010), 489 (533); Ellger, RabelZ 63 (1998), 625 (S. 639 f.); Zwaak, in: van Dijk et al., EMRK, Chapter 1 General Survey of the European Convention S. 26–30; Alkema, The third-party application or „Drittwirkung“ of the European Convention on Human Rights, in: Matscher/Petzold, FS Wiarda, S. 33; Ehlers, in: Ehlers, EuGR, § 2 Allgemeine Lehren der EMRK Rn. 13; angedeutet bei: Johann, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 1 Rn. 9. Zur GRCh: Jarass, GRCh, Art. 51 Rn. 32, 36 f. jeweils m. w. N.; Ehlers, in: Ehlers, EuGR, § 14 Allgemeine Lehren der Unionsgrundrechte Rn. 81; Stern/Hamacher, in: Stern/Sachs, GRCh, Die EU-Grundrechte-Charta – Einführung und Grundlagen Rn. 103; Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 51 Rn. 31; Vedder/Heintschel von Heinegg, in: Vedder/ Heintschel von Heinegg, EU-Recht, Art. 51 GRCh Rn. 16; leicht einschränkend: Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/A EUV, Art. 51 GRCh Rn. 21. 2
A. Verfassungsrechtliche Grundlagen
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Im Rahmen des Kap. 7.4 werden diese Grundlagen schließlich in die rechtliche Beurteilung von oktroyierten Schiedsvereinbarungen einbezogen.
A. Verfassungsrechtliche Grundlagen Das Grundgesetz beinhaltet eine Reihe von Rechten, die entweder die Interessenlage der Sportverbände oder die der Athleten im Hinblick auf oktroyierte Schiedsvereinbarungen stärken.
I. Vertragsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG Die Vertragsfreiheit ist die wichtigste Ausformung5 der Privatautonomie.6 Die Privatautonomie stellt eine Ausgestaltung der für Jedermann geltenden allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar.7 Inhalt der Vertragsfreiheit ist das Recht des Einzelnen, über den Abschluss, die Gestaltung und die Form von privatrechtlichen Verträgen selber zu bestimmen.8 Geschützt ist jeder Vertragsinhalt und -schluss, der dem selbstbestimmten Willen der Vertragspartner entspricht; ob der Vertragsinhalt „fair“ ist, ist hierbei in der Regel 9 irrelevant.10 Bei Schiedsvereinbarungen handelt es sich um zivilrechtliche Verträge.11 Daher ergibt sich das Recht des Einzelnen, eine Schiedsvereinbarung abzuschlie-
4
Siehe: S. 209 ff. Die anderen Ausformungen sind: Eigentumsfreiheit, Testierfreiheit und Vereinigungsfreiheit, vgl. Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 46 m. w. N. 6 Looschelders, Schuldrecht AT, § 3 Rn. 1; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 13, 46, 63, der argumentiert, dass Privatautonomie und Vertragsfreiheit häufig synonym benutzt werden; Isensee, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 150 Privatautonomie Rn. 1, 49; Schmidt, in: ErfK, ArbR, GG Art. 2 Rn. 2. 7 Di Fabio, in: Maunz/D ürig, GG, Art. 2 Rn. 101. Eine Zusammenfassung von anderen Stimmen findet sich bei: Distler, Private Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassung, S. 117–120. 8 Siehe insbesondere: Looschelders, Schuldrecht AT, § 3 Rn. 3; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 67–73; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 101; Isensee, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 150 Privatautonomie Rn. 9. 9 Anstelle vieler zu den Ausnahmen bei krassen Missverhältnissen wie Wucher: Isensee, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 150 Privatautonomie Rn. 15. 10 Isensee, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 150 Privatautonomie Rn. 14. 11 BGH, Beschl. v. 01.03.2007, III ZB 7/06, SchiedsVZ 2007, 161 (Rn. 18); Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 22–23; Distler, Private Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassung, S. 117; Isensee, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 150 Privatautonomie Rn. 9. 5
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Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung
ßen, unmittelbar aus der Vertragsfreiheit.12 Diese grundgesetzliche Wertung wird einfachgesetzlich durch die §§ 1025 ff. ZPO bestätigt. Die Inhalte der Vertragsfreiheit sind somit auf Schiedsvereinbarungen anwendbar. Die Vertragsfreiheit soll sicherstellen, dass sich die Vertragsparteien aufgrund ihres selbstbestimmten Willens für den Abschluss eines Vertrages entscheiden.13 Dies ist jedoch in Fällen gestörter Verhandlungsparität14 problematisch. Der Begriff gestörte Verhandlungsparität beschreibt Situationen, in denen eine Vertragspartei eine überlegene Verhandlungsposition innehat, sodass sich die andere Seite der Wahl ausgesetzt sieht, den Vertrag mit den angebotenen Bedingungen zu akzeptieren oder keinen Vertrag abzuschließen („take it or leave it“).15 Liegt eine gestörte Verhandlungsparität vor, kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass eine selbstbestimmte Entscheidung des unterlegenen Vertragspartners für den Vertragsabschluss vorliegt.16 Die selbstbestimmte Vertragsgestaltung durch die Vertragsfreiheit würde bei grundsätzlicher Wirksamkeit solcher Verträge konterkariert.17 Um diesem Phänomen zu begegnen, wird der Vertragsfreiheit neben der Garantiefunktion auch eine Schutzfunktion zugesprochen.18 12 Dies beinhaltet daher notwendigerweise auch das Recht, auf die staatliche Justizgewährung zu verzichten. 13 Siehe insbesondere: Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 67–73; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 101; Isensee, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 150 Privatautonomie Rn. 9. 14 Looschelders, Schuldrecht AT, § 3 Rn. 5; Busche, in: MüKo, BGB, Vor. § 145 Rn. 7. Z. T. wird für diese Situation der Begriff der gestörten Vertragsparität genutzt. Z. B.: BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470) – Handelsvertreter; BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (37) – Bürgschaftsvertrag; Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, z. B. S. 298. Da es sich aber um ein Machtgefälle in der Verhandlungssituation handelt, wird in dieser Untersuchung der präzisiere Begriff der gestörten Verhandlungsparität genutzt. 15 Busche, in: MüKo, BGB, Vor. § 145 Rn. 7. 16 Als Ausnahme von dieser Regel besteht aber immer die Möglichkeit, dass die unterlegene Partei den angebotenen Bedingungen auch bei gleicher Verhandlungsmacht zugestimmt hätte. 17 Siehe zu der Problematik schon vor Inkrafttreten des BGB (1889) von Gierke: „Wenn das moderne Recht hier den Grundsatz der Vertragsfreiheit durchführt, so kann doch auch hier nicht willkürliche, sondern nur vernünftige Freiheit gemeint sein: Freiheit, die kraft ihrer sittlichen Zweckbestimmung ihr Maß in sich trägt, Freiheit, die zugleich Gebundenheit ist. Schrankenlose Vertragsfreiheit zerstört sich selbst. Eine furchtbare Waffe in der Hand des Starken, ein stumpfes Werkzeug in der Hand des Schwachen, wird sie zum Mittel der Unterdrückung des Einen durch den Anderen, der schonungslosen Ausbeutung geistiger und wirtschaftlicher Übermacht.“ Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, S. 23. 18 Anstelle vieler: Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Rn. 94. Begründet wird diese Schutzfunktion nicht nur mit Art. 2 Abs. 1 GG, sondern ebenfalls mit dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG: BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990, 1 BvR
A. Verfassungsrechtliche Grundlagen
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Das BVerfG hat sich dieser Problematik19 erstmalig im Jahre 1990 angenommen. In der Handelsvertreter-Entscheidung musste es entscheiden, ob ein vorgedruckter Handelsvertretervertrag mit Wettbewerbsverbot gegen Grundrechte verstößt.20 Der besagte Vertrag wurde zu Beginn der Tätigkeit des Handelsvertreters abgeschlossen.21 Das in diesem Vertrag enthaltene Wettbewerbsverbot führte dazu, dass der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertrags temporär nicht in seiner Branche arbeiten konnte; ebenso war die Aufnahme einer „gleichwertige[n] Vertretertätigkeit“ laut BVerfG nicht zu erwarten.22 Bei der Frage, ob der ursprüngliche Handelsvertretervertrag in den Schutzbereich der Vertragsfreiheit fiele, führte das BVerfG aus, dass „Privatautonomie auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruht, also voraussetzt, daß auch die Bedingungen freier Selbstbestimmung tatsächlich gegeben sind. Hat einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht, daß er vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen kann, bewirkt dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung. Wo es an einem annähernden Kräfteausgleichgewicht der Beteiligten fehlt, ist mit den Mitteln des Vertragsrechts allein kein sachgerechter Ausgleich der Interessen zu gewährleisten. Wenn bei einer solchen Sachlage über grundrechtlich verbürgte Positionen verfügt wird, müssen staatliche Regelungen ausgleichend eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern.“ 23
Die Begrifflichkeit der Fremdbestimmtheit wird dabei vom BVerfG in derselben Weise verwendet wie der Begriff der gestörten Verhandlungsparität in dieser Untersuchung.24 Gekennzeichnet sind beide Begriffe dadurch, dass zwischen den Vertragsparteien ein Ungleichgewicht besteht, sodass die stärkere Seite den Vertragsinhalt de facto vorgeben kann.25 Der schwächeren Vertragspartei bleibt nur
26/84, NJW 1990, 1469 (1470) – Handelsvertreter; BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (38) – Bürgschaftsvertrag. 19 Kommt es zu keiner staatlichen Korrektur des Vertrages, so kann die schwächere Partei ihre Vertragsfreiheit nicht in vollem Umfang nutzen. Greift der Staat jedoch korrigierend ein, so wird die Vertragspartei der stärkeren Partei begrenzt. Vgl. Isensee, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 150 Privatautonomie Rn. 119. 20 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 – Handelsvertreter. 21 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 – Handelsvertreter. 22 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 – Handelsvertreter. 23 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470) – Handelsvertreter. Dass es sich bei diesen Ausführungen nicht nur um ein obiter dictum handelt vertritt richtigerweise insbesondere Grunsky: Grunsky, Vertragsfreiheit und Kräftegleichgewicht, S. 8. 24 Aus diesem Grund werden die Begriffe „Fremdbestimmung“ und „gestörte Verhandlungsparität“ äquivalent benutzt. 25 Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (775), spricht von „existenzieller Abhängigkeit“.
70
Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung
die Möglichkeit, diesen Vertragsinhalt vollständig anzunehmen oder den Vertrag vollständig abzulehnen.26 Im Handelsvertreterfall nahm das BVerfG eine solche Fremdbestimmung aufgrund von wirtschaftlicher Abhängigkeit an.27 Es führte jedoch weder aus,28 weshalb Handelsunternehmer generell über eine schwächere Verhandlungsposition verfügen als Unternehmen,29 noch weshalb eine Fremdbestimmung im konkret zu entscheidendem Fall vorgelegen haben soll30. Das BVerfG gründete seine Feststellung auf die in § 90a HGB a. F.31 zur Geltung kommenden Einschätzung des Gesetzgebers: Die Position eines Handelsvertreters sei gegenüber Unternehmen so schwach, dass Handelsvertreter „nicht über ausreichende Verhandlungsstärke verfügen, um ihre Rechte und Pflichten mit dem Unternehmen frei aushandeln zu können“.32 Mithin stellte das BVerfG in der Entscheidung allein darauf ab, dass das HGB in diesen Fällen eine Ungleichgewichtslage anerkennt, ohne dies anhand der tatsächlichen Gegebenheiten zu überprüfen.33 Eine ähnliche Frage musste das BVerfG in seinem Bürgschaftsvertrag-Urteil im Jahr 1993 klären. Entscheidend war darin, „inwieweit Zivilgerichte von Verfassung wegen verpflichtet sind, Bürgschaftsverträge mit Banken einer Inhaltskontrolle zu unterziehen, soweit einkommens- und vermögenslose Angehörige von Kreditnehmern als Bürgen hohe Haftungsrisiken übernehmen.“34 26
Im Unterschied dazu liegt faktischer Zwang vor, wenn die unterlegen Partei zusätzlich aus objektiver Sicht keine andere Entscheidung treffen kann, als den vorgegebenen Vertrag abzuschließen. 27 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1471) – Handelsvertreter. 28 Das BVerfG führt zwar aus, dass der Bf. wegen seiner Spezialisierung im Weingeschäft durch das Wettbewerbsverbot de facto dazu gezwungen wird einen Berufswechsel vorzunehmen, allerdings beziehen sich dies auf die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit. BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 – Handelsvertreter. 29 Ein Fall der abstrakten Fremdbestimmung. 30 Ein Fall der konkreten Fremdbestimmung. 31 Das BVerfG stellte auf die am 23.10.1989 in Kraft getretene Fassung des Gesetzes ab. Die derzeitige Fassung des § 90a HGB unterscheidet sich hinsichtlich seiner Schutzrichtung hiervon jedoch nicht. 32 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1471) – Handelsvertreter. 33 An der geringen Verhandlungsstärke des Handelsvertreters zweifelnd z. B.: Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 (79 f.), der gleichzeitig auch darauf hinweist, dass der Gesetzgeber abstrakt-generelle Regelungen zur Beurteilung von gestörter Verhandlungsparität beachten müsse, während die Rechtsprechung konkrete Einzelfallentscheidungen treffen müsse. 34 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 – Bürgschaftsvertrag.
A. Verfassungsrechtliche Grundlagen
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Abstrakt ging es also um die Frage, in welchen Fällen die Zivilgerichtsbarkeit die Schutzfunktion der Vertragsfreiheit zu beachten und auf deren Grundlage Verträge anhand der zivilrechtlichen Generalklauseln zu kontrollieren hat. In der Entscheidung wiederholte das BVerfG zunächst die Definition der Fremdbestimmtheit aus der Handelsvertreter-Entscheidung.35 Es fügte jedoch hinzu, dass die Fremdbestimmtheit aus Gründen der Rechtssicherheit aus einer typisierten Fallgestaltung erwachsen müsse, die eine gestörte Verhandlungsparität erkennen lasse.36 Das BVerfG erklärte dabei die Übernahme eines ungewöhnlich hohen und schwer abschätzbaren Haftungs- und Unternehmensrisikos durch einen in diesem Bereich unerfahrenen Vertragspartner zunächst zu einer solchen typisierten Fallgestaltung.37 Die Abwägung des BVerfG, ob eine typisierte Fallgestaltung vorlag, bezieht sich dann allerdings nicht auf die abstrakte Fallgestaltung, sondern auf die konkreten Situationen, in denen sich die am Rechtsstreit beteiligten Personen befanden.38 Herangezogen wurde nicht nur das Alter und die Berufsausbildung der Personen, sondern auch die Begleitumstände, unter denen der jeweilige Vertrag abgeschlossen wurde.39 Hierdurch wird deutlich, dass das BVerfG im Ergebnis doch nicht das Vorliegen einer typisierbaren Fallgestaltung, sondern den Einzelfall als entscheidend ansah.40 In der – soweit ersichtlich – 41 letzten Entscheidung des BVerfG zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen die ordentlichen Gerichte gezwungen sind, eine inhaltliche Prüfung von Verträgen vorzunehmen, hat das BVerfG diesen Blick auf den Einzelfall für die Bestimmung von gestörter Verhandlungsparität aus-
35 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (38) – Bürgschaftsvertrag; ebenso in: BVerfG, Urt. v. 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 (958) – Unterhaltsverzichtsvertrag. 36 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (38 f.) – Bürgschaftsvertrag. 37 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (39) – Bürgschaftsvertrag. 38 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (39) – Bürgschaftsvertrag. 39 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (39) – Bürgschaftsvertrag. 40 So auch: Looschelders, Schuldrecht AT, § 3 Rn. 10; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 255 Fn. 240; Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (10). 41 Das BVerfG verweist selber auf die drei Entscheidungen (und zusätzlich auf: BVerfG, Beschl. v. 13.05.1986 – 1 BvR 1542/84, NJW 1986, 1859) um die Aussage, dass die Reichweite und Schranken der Privatautonomie geklärt seien, zu untermauern: BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 27.07.2005, 1 BvR 2501/04, NJW 2006, 596 (597).
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Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung
drücklich bestätigt.42 So erklärte es zu der Frage, wann eine gestörte Verhandlungsparität beim Abschluss eines Ehevertrages vorliegt: „[D]ie Schwangerschaft [ist] bei Abschluss eines Ehevertrags nur ein Indiz für eine vertragliche Disparität, das Anlass gibt, den Vertrag einer stärkeren richterlichen Kontrolle zu unterziehen. Die Vermögenslage, die berufliche Qualifikation und Perspektive sowie die von den Ehevertragsparteien ins Auge gefasste Aufteilung von Erwerbsund Familienarbeit in der Ehe sind weitere maßgebliche Faktoren, die die Situation der Schwangeren bestimmen. Im Einzelfall können sie dazu führen, ihre Unterlegenheit auszugleichen, auch wenn im Ehevertrag gesetzliche Rechtspositionen abbedungen werden.“43
Das BVerfG erklärte als weitere Voraussetzung für eine Überprüfungspflicht der ordentlichen Gerichte in der Handelsvertreter-Entscheidung, dass in dem fremdbestimmten Vertrag über „grundrechtlich verbürgte Positionen verfügt“ werden müsse.44 Dies war in der Handelsvertreter-Entscheidung gegeben, da der Handelsvertreter durch das abgeschlossene Wettbewerbsverbot auf ein Recht verzichtet hat, das sich aus der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ergab.45 In der späteren Bürgschaftsvertrag-Entscheidung erweiterte das BVerfG seine Rechtsprechung dahingehend, dass eine Vertragsanpassung vorgenommen werden solle, wenn der untersuchte Vertrag „ungewöhnlich belastend und als Interessensausgleich offensichtlich unangemessen“ sei.46 Dies sah das BVerfG in einem Fall als gegeben an, bei dem in einem Bürgschaftsvertrag ein ungewöhnlich hohes Haftungsrisiko übernommen wurde, dessen Folgen nur schwer abschätzbar waren und bei dem die Unterzeichnerin kein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Vertragsschluss hatte.47 In der Unterhaltsverzichtserklärung-Entscheidung formulierte das BVerfG diesen Prüfungspunkt der belastenden Vertragsfolgen erneut anders. Es prüfte, ob eine „einseitige Aufbürdung von vertraglichen Lasten“ vorlag.48 Dies bejahte das Gericht, da die (schwangere) Frau in dem Vertrag auf 42 Siehe unabhängig davon zur Typisierung von Ungleichgewichtslagen: Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 62–71, der insbesondere auch Athleten mit einbezieht. 43 BVerfG, Urt. v. 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 (959) – Unterhaltsverzichtsvertrag. 44 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1470) – Handelsvertreter. 45 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 (1471) – Handelsvertreter. 46 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (38 f.) – Bürgschaftsvertrag; 47 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (39) – Bürgschaftsvertrag. 48 BVerfG, Urt. v. 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 (958) – Unterhaltsverzichtsvertrag.
A. Verfassungsrechtliche Grundlagen
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nachehelichen Unterhalt verzichte und der Mann zudem weitestgehend von seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem zu erwartenden Kind freigestellt worden wäre.49 Die drei Entscheidungen zeigen daher, dass es im Ergebnis auf eine Abwägung ankommt, ob die Folgen des konkreten Vertrages für die schwächere Partei ungewöhnlich belastend sind. Der Verzicht auf grundrechtlich geschützte Rechtspositionen stellt dabei nach der Handelsvertreter-Entscheidung jedoch, unabhängig von den konkreten Folgen des Vertrages, eine ungewöhnliche Belastung dar. Liegen die herausgearbeiteten Voraussetzungen vor, so muss der Vertragsfreiheit und den sonstigen widerstreitenden Grundrechten im Wege der praktischen Konkordanz50 eine möglichst umfassende Wirkung verschafft werden. Aus diesen Leitentscheidungen des BVerfG folgt, dass eine gerichtliche Vertragskorrektur51 durch die Generalklauseln des Zivilrechts dann vorgenommen werden muss,52 wenn folgende Merkmale kumulativ vorliegen:53 1. Zwischen den Parteien besteht eine gestörte Verhandlungsparität (Fremdbestimmung einer Partei. Das heißt, die stärkere Partei kann den Vertragsinhalt faktisch allein setzten).54 49
BVerfG, Urt. v. 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 (958) – Unterhaltsverzichtsvertrag. 50 „[V]erfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter müssen in der verfassungsrechtlichen Problemlösung einander so zugeordnet werden, daß jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt. Wo Kollisionen entstehen, darf nicht in vorschneller „Güterabwägung“ oder gar abstrakter „Wertabwägung“ eines auf Kosten des anderen realisiert werden. Vielmehr stellt das Prinzip der Einheit der Verfassung die Aufgabe einer Optimierung: beiden Gütern müssen Grenzen gezogen werden, damit beide zu optimaler Wirksamkeit gelangen können. Die Grenzziehungen müssen daher im jeweiligen konkreten Falle verhältnismäßig sein; sie dürfen nicht weiter gehen, als es notwendig ist, um die Konkordanz beider Rechtsgüter herzustellen.“ Hesse, GG 1967, S. 28 f. Inhaltlich unverändert aber mit dem Zusatz: „Darüber, was im einzelnen verhältnismäßig ist, sagt das Prinzip nichts; es weißt jedoch als in der Verfassung enthaltene und darum verbindliche Direktive die Richtung und es bestimmt das Verfahren, in denen eine verfassungsmäßige Lösung allein gesucht werden darf.“ Hesse, GG 1995, Rn. 72. Praktische Umsetzung durch das BVerfG z. B. in: BVerfG, Beschl. v. 17.12.1975, 1 BvR 63/68, NJW 1976, 947 (948 f.); BVerfG, Beschl. v. 03.11.1987, 1 BvR 1257/84, 1 BvR 861/85, NJW 1988, 325 (326). 51 Hierzu erklärend Lorenz: „Die gestörte Vertragsparität ist damit für das BVerfG nicht etwa von sich aus ein Nichtigkeitsgrund, sondern lediglich ein von Verfassung wegen gebotener Anlaß zu einer Inhalts- und Abschlußkontrolle, die ihrerseits in keiner Weise typisierend, sondern einzelfallbezogen ist.“ Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 255; Isensee, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 150 Privatautonomie Rn. 125 f. 52 So auch: Kohte, ZBB 1994, 172 (176). 53 Zuletzt bestätigt in: BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 27.07.2005, 1 BvR 2501/04, NJW 2006, 596 (598). 54 Zu dieser Voraussetzung kritisch: Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (14), welcher argumentiert, dass ein wirklicher Zwang einen Vertrag abzuschließen nur äußerst selten bestehe.
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Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung
2. Die schwächere Partei wird durch den Vertrag ungewöhnlich stark belastet (Abwägung der Vertragsfolgen). 3. Die Belastung beruht kausal auf der Fremdbestimmtheit.55 4. Die Herbeiführung der praktischen Konkordanz der kollidierenden Grundrechtspositionen gebietet eine Vertragskorrektur. Damit bestimmt die Schutzfunktion der Vertragsfreiheit streng genommen lediglich, dass bei Vorliegen der Merkmale (1) bis (3) zumindest eine der Generalklauseln des deutschen Zivilrechts einschlägig sein muss. Im Rahmen der Abwägung dieser Generalklausel müssen die Grundrechtspositionen der Vertragsparteien beachtet und zu einem schonenden Ausgleich gebracht werden.56 In diesen Fällen besteht also eine staatliche Schutzpflicht.57 Es handelt sich hierbei um eine Vorgabe, die sich bei der Auslegung von zivilrechtlichen Generalklauseln ohnehin schon aus der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte ergibt.58 Schlussendlich sorgt die Rechtsprechung des BVerfG lediglich dafür, dass die ordentlichen Gerichte unter den Voraussetzungen (1) bis (3) eine der zivilrechtlichen Generalklauseln zur Inhaltkontrolle des streitgegenständlichen Vertrages heranziehen müssen. Dies beschreibt das BVerfG auch in seiner Bürgschaftsvertrag-Entscheidung: „Ist aber der Inhalt des Vertrages für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen, so dürfen sich die Gerichte nicht mit der Feststellung begnügen: ‚Vertrag ist Vertrag‘. Sie müssen vielmehr klären, ob die Regelung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke ist, und gegebenenfalls im Rahmen der Generalklauseln des geltenden Zivilrechts korrigierend eingreifen. Wie sie dabei zu verfahren haben und zu welchem Ergebnis sie gelangen müssen, ist in erster Linie eine Frage des einfachen Rechts, dem die Verfassung einen weiten Spielraum läßt. Ein Verstoß gegen die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie kommt aber dann in Betracht, wenn das Problem gestörter Vertragsparität gar nicht gesehen oder seine Lösung mit untauglichen Mitteln versucht wird. Die angegriffene Entscheidung des BGH ist durch einen solchen Verstoß gekennzeichnet. Die umstrittene Bürgschaftserklärung wurde so gewürdigt, als wäre ein normaler Vertrag mit korrespondierenden Interessen und überschaubaren Risiken abgeschlossen worden.“ Tatsächlich sei es in den meisten Fällen für die unterlegene Partei schlichtweg vorteilhafter dem Vertragsschluss zuzustimmen als diesen abzulehnen. 55 Hierzu: BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (39) – Bürgschaftsvertrag; Wellenhofer-Klein, ZIP 1997, 774 (780). 56 So auch Widdascheck, der formuliert: „Somit hat das Bundesverfassungsgericht die Notwendigkeit einer Inhaltkontrolle privatrechtlicher Verträge in strukturellen Ungleichgewichtslagen anerkannt.“ Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 265. 57 Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 256–266. 58 Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 302–304; vgl. in der Richtung schon: Ruffert, JZ 2009, 289 (390).
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II. Vereins- und Verbandsfreiheit, Art. 9 Abs. 1 GG Die in Art. 9 Abs. 1 GG verortete Vereinigungsfreiheit gewährt das Recht, einen Verein59 zu gründen.60 Damit dieses Recht in der Praxis Wirkung entfaltet, hat das BVerfG der gegründeten Vereinigung selbst Freiheitsrechte61 zugestanden.62 Hiervon ist das Recht eines Vereins umfasst, sich mit anderen Vereinen zu einer Dachorganisation zusammenzuschließen.63 Als wichtigstes Recht sichert Art. 9 Abs. 1 GG den Vereinen die selbstbestimmte Organisation und Betätigung zur Erfüllung des autonom gewählten Vereinigungszwecks zu.64 Dies impliziert die Befugnis zur Ausgestaltung von Satzungen und Nebenordnungen.65 Ein wesentlicher Aspekt der selbstbestimmten Organisation von Vereinen ist das Recht, Vereinsstrafen zur Durchsetzung der selbstgegebenen Regeln zu verhängen.66 Die so ausgesprochenen Strafen unterliegen nur einer begrenzten staatlichen Kontrolle.67 Vereinen kommt damit das Recht zu, ihren Mitgliedern vorzuschreiben, in welcher Form Streitigkeiten über die Regelungen des Vereins beizulegen sind.68 Begrifflich wird daher von Vereinsautonomie gesprochen.69 Im Ergebnis stellt die Vereinsautonomie für Vereine ein mit der Privatautonomie vergleichbares Recht dar, durch das die „organisatorische Selbstbestimmung“ geschützt wird.70 Bei der Bewertung der Vereinsautonomie muss beachtet
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Sportverbände sind rechtlich gesehen ebenfalls Vereine. Siehe stellvertretend für eine umfangreiche Darstellung der Rechte der Vereinsfreiheit: Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 53–73. Art. 9 Abs. 1 GG ist ein Deutschengrundrecht. Für EU- und Nicht-EU-Ausländer ergibt sich jedoch ein entsprechender Schutz. 61 Merten, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 165 Vereinsfreiheit Rn. 6, 33. 62 Anstelle vieler: Merten, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 165 Vereinsfreiheit Rn. 28–30. 63 Merten, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 165 Vereinsfreiheit Rn. 29. 64 BVerfG, Urt. v. 01.03.1979, 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvR 21/ 78, EuGRZ 1979, 121 (137); BVerfG, Beschl. v. 15.06.1989, 1 BvL 4/87, NJW 1990, 37 (38); Merten, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 165 Vereinsfreiheit Rn. 45; Badura, Staatsrecht, C Rn. 65. 65 Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 58–60; Fritzweiler, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil I Kap. 1 Rn. 23. 66 Siehe hierzu stellvertretend: Haas, in: Haas/Haug/Reschke, HB Sportrecht, B. Grundlagen des Sportrechts, 2. Kapitel Rn. 3 m. w. N. 67 Anstelle vieler: Merten, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 165 Vereinsfreiheit Rn. 50 m. w. N. 68 Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 61. 69 Siehe nur: Badura, Staatsrecht, C Rn. 65. 70 Badura, Staatsrecht, C Rn. 65; Merten, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 165 Vereinsfreiheit Rn. 40. 60
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werden, dass diese „kein Selbstzweck“71 ist. Hintergrund der Vereinsfreiheit ist nicht das Interesse, einem Verein möglichst umfangreiche Rechte zuzugestehen, sondern die Position des einzelnen Mitglieds zu stärken.72 Durch den Zusammenschluss zu einem Verein soll dem Einzelnen die Möglichkeit eröffnet werden, ein Ziel zu verfolgen, zu dessen Verfolgung er alleine realistischerweise nicht in der Lage wäre.73 Kommt es also zu widerstreitenden Interessen zwischen Verein und einem seiner Mitglieder, ist zu beachten, dass den Vereinen „ihre Autonomie […] nicht in eigenem Interesse gewährt [wird], sondern im Interesse der Sportler [respektive: Mitglieder].“74
III. Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG Die Athleten können sich für die Geltendmachung ihrer Interessen auf die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG berufen.75 Für die Fragestellung dieser Untersuchung kommt es insbesondere auf die von Art. 12 Abs. 1 GG umfasste Berufsausübungsfreiheit an. Als Beruf wird „jede auf Dauer angelegte und auf Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage ausgerichtete Tätigkeit“ definiert.76 Dass das Betreiben von Sport einen Beruf darstellen kann, wird nicht bestritten. Für diese Einordnung genügt es, wenn die sportliche Betätigung zumindest teilweise dazu dient, den Lebensunterhalt zu verdienen –77 entsprechend können auch Neben- oder Doppelberufe erfasst sein78. Die zumindest mittelbar auf die sportliche Betätigung zurückzuführenden Einkünfte von Sportlern setzen sich in der Regel aus einer oder mehreren der vier folgenden Einkunftsformen zusammen: 1. Unmittelbare Vergütung für die Sportausübung (zum Beispiel Arbeitsvertrag mit einem Verein; Startprämie; Siegprämie etc.) 2. Sponsoring-/Werbeverträge 71
Fritzweiler, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil I Kap. 1 Rn. 22. Pfister, Autonomie des Sports, sport-typisches Verhalten und staatliches Recht, in: Pfister, FS Lorenz, S. 171 (180 f.). 73 Pfister, Autonomie des Sports, sport-typisches Verhalten und staatliches Recht, in: Pfister, FS Lorenz, S. 171 (180 f.). 74 Fritzweiler, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil I Kap. 1 Rn. 22 m. w. N. 75 Die Berufsfreiheit ist ein Deutschengrundrecht. Für EU- und Nicht-EU-Ausländer ergibt sich ein entsprechender Schutz. Siehe stellvertretend: Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 15; Breuer, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 170 Freiheit des Berufs Rn. 43. 76 Siehe stellvertretend: Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 37–45, mit weiteren Erläuterungen zur Bestimmung des Berufsbegriffs. 77 Fritzweiler, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil I Kap. 1 S. 46 (Rn. 16). 78 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 7. 72
A. Verfassungsrechtliche Grundlagen
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3. Sportförderung durch staatliche Stellen wie Bundeswehr, Bundespolizei und Bundeszoll79 4. Private Sportförderung (zum Beispiel durch die Deutsche Sporthilfe80) Für die Einordnung als Berufssportler im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG ist es irrelevant, welche der genannten Konstruktionen dazu dient, den Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Entscheidend ist allein, dass die Sportausübung ihrem Inhalt nach der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient und hierzu auch geeignet ist.81 Der Begriff der Sportausübung umfasst dabei die Teilnahme an Wettkämpfen und die hierfür notwendige Vor- und Nachbereitung durch entsprechendes Training.82
IV. Allgemeiner Justizgewähranspruch Aufseiten der Interessen der Athleten muss zudem der allgemeine Justizgewähranspruch83 beachtet werden, der in der allgemeinen Diskussion um oktroyierte Schiedsvereinbarungen eine besonders prominente Rolle einnimmt.84 Der Justizgewähranspruch ist im Gegensatz zu speziellen Formen des Rechtsschutzes nicht gesetzlich geregelt.85 Er wird in ständiger Rechtsprechung86 und durch
79 Nolte, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 2. Kapitel Staats- und Europarecht Rn. 35. 80 Für mehr Informationen siehe: Sporthilfe, http://go.wwu.de/k vggw. 81 Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 41; Nolte, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 2. Kapitel Staats- und Europarecht Rn. 32; Fritzweiler, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil I Kap. 1 Rn. 17. 82 Krogmann, Grundrechte im Sport, S. 36, der darüber hinaus noch explizit auf die Teilnahme an Show-Veranstaltungen und sonstigen Sportanlässen verweist. 83 Neben der Begrifflichkeit des Justizgewähranspruchs, wird auch der Begriff des Justizgewährungsanspruchs genutzt (z. B.: Rauscher, in: MüKo, ZPO, Einleitung Rn. 18). Mit den Begriffen ist rechtlich das Gleiche gemeint: Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312. Grds. zur Terminologie: Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor. § 1 Rn. 285. 84 Siehe die Diskussion um den Freiwilligkeitsbegriff aus dem Justizgewähranspruch in Kap. 5. (S. 112 ff.). 85 Siehe z. B. den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt: Art. 19 Abs. 4 GG. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 211 m. w. N. 86 BVerfG, Beschl. v. 13.06.2006, 1 BvR 1160/03, NJW 2006, 3701; BVerfG, Beschl. v. 30.04.2003, 1 PBvU 1/02, NJW 2003, 1924 (1924, 1926); BVerfG, Beschl. v. 20.06.1995, 1 BvR 166/93, NJW 1995, 3173; BVerfG, Beschl. v. 02.03.1993, 1 BvR 249/92, NJW 1993, 1635; BVerfG, Beschl. v. 09.05.1989, 1 BvL 35/86, NJW 1989, 1985; BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 52) – Pechstein III; BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 – Körbuch III; LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – Pechstein I.
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Teile der Literatur87 aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) i. V. m. den Grundrechten hergeleitet und kann (jedenfalls über Art. 2 Abs. 1 GG) die Wirkung eines subjektiven Grundrechts entfalten.88 In Teilen der Literatur wird der Justizgewähranspruch über andere Normen hergeleitet (zum Beispiel Art. 19 Abs. 4 GG oder Art. 101 GG).89 Dies hat allerdings keinen Einfluss auf den angenommenen Inhalt der Norm. Der Justizgewähranspruch90 gewährt bei privatrechtlichen Streitigkeiten91 einen Leistungsanspruch92 auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz vor unabhängigen staatlichen Gerichten.93 Hierdurch soll ausgeglichen werden, dass der Staat das Rechtsprechungsmonopol (Art. 92, 97, 98 GG) innehat und der Einzelne dem grundsätzlichen Selbsthilfeverbot unterliegt.94 Der Justizgewähranspruch beinhaltet damit (1) das Recht auf Bereitstellung einer unabhängigen staatlichen Gerichtsbarkeit, (2) das Recht wirkungsvollen Zugang zur staatlichen Gerichtsbarkeit gewährt zu bekommen sowie (3) das Recht auf effektive Gestaltung des Verfahrens, inklusive richterlicher Entscheidung.95 Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass alle zivilrechtlichen Streitigkeiten zwingend durch ein staatliches Gericht entschieden werden müssen.96 87 Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 7 f.; Bethge, in: Maunz et al., BVerfGG, § 90 Rn. 275; Musielak, in: Musielak/Voit, ZPO, Einleitung Rn. 6; Rauscher, in: MüKo, ZPO, Einleitung Rn. 18; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 19 Rn. 16. 88 Siehe beispielhaft: Detterbeck, AcP 192 (1992), 325 (327); Rauscher, in: MüKo, ZPO, Einleitung Rn. 18. 89 Siehe z. B.: Auf Art. 19 Abs. 4 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip abstellend: Prütting, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Einleitung Rn. 115. Zur Herleitung über Art. 2 Abs. 1, 101 Abs. 1 S. 2, 103 Abs. 1 GG, Art. 6 EMRK i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG: Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Einleitung Rn. 48. Brehm sieht den zivilprozessualen Justizgewähranspruch als eine (ohne Rückgriff auf das GG) der ZPO inneliegende Gewährleistung an: Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor. § 1 Rn. 289. Dorn leitet den Justizgewähranspruch i. E. aus den jeweilig betroffenen materiellen Grundrechten her: Dorn, Justizgewähranspruch und Grundgesetz, S. 41–228. 90 Aus Sicht des Staates Justizgewährpflicht: Papier/Schröder, ZfBR 2013, 731 (732). 91 Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 5. 92 Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312 (313). 93 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 211 m. w. N.; BVerfG, Beschl. v. 11.06.1980, 1 PBvU 1/79, NJW 1981, 39 (41); Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 1. 94 Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 1, 8. 95 Zum Normtext siehe: Kap. 5. C. II. 2. a) (S. 152 ff.). Siehe auch: Rauscher, in: MüKo, ZPO, Einleitung Rn. 18 m. w. N.; Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 1, 18. 96 Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 21; Papier/Schröder, ZfBR 2013, 731 (732).
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Dem allgemeinen Justizgewähranspruch ist bereits genüge getan, wenn für zivilrechtliche Streitigkeiten grundsätzlich „der Zugang zu einem staatlichen Gericht [der] deutsche[…][n] Gerichtsbarkeit“ 97 gewährleistet ist.98 Entscheidend ist daher, dass der Einzelne die Möglichkeit hat, einen Streit zur Entscheidung vor die staatlichen Gerichte bringen zu können. Die Garantie des Justizgewähranspruchs ist verletzt, wenn sich Private zu einer abschließenden und verbindlichen Streitentscheidung verpflichten, die die staatliche Justiz nicht nur ergänzt, sondern (zumindest in Teilen) ersetzt.99 Haben die Streitparteien eine wirksame Schiedsvereinbarung nach §§ 1025 ff. ZPO abgeschlossen, so müssen staatliche Gerichte nach Vorbringen einer entsprechenden Prozesseinrede von der Schiedsvereinbarung umfassten Streitigkeiten nach § 1032 Abs. 1 ZPO als unzulässig abweisen – vorausgesetzt eine der Parteien beruft sich auf die Schiedsvereinbarung. Eine vollständige Überprüfung von Schiedsurteilen durch die staatlichen Gerichte erlaubt die ZPO nicht.100 Bei echter Schiedsgerichtsbarkeit ist eine Ersetzung der staatlichen Justiz gegeben: Schiedsvereinbarungen widersprechen daher im Grundsatz dem Justizgewähranspruch.101 Es ist jedoch durch Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass der allgemeine Justizgewähranspruch zugunsten der Schiedsgerichtsbarkeit abdingbar ist.102 Begründet wird dies mit der Vertragsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, welche auch Schiedsvereinbarungen erfasst.103 Daraus folgt zwingend, dass ein Verzicht 97
Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 12; Papier/Schröder, ZfBR 2013, 731 (732); Papier, IWRZ 2016, 14; vgl. auch: Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Einleitung Rn. 50. 98 Prütting, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Einleitung Rn. 115. 99 Vgl. nur: Papier, IWRZ 2016, 14 f. 100 Vgl. hierzu die §§ 1059, 1060, 1061 ZPO welche die Überprüfungskompetenz der Gerichte begrenzen. Allein die ordre-public-Kontrolle in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO und § 1061 Abs. 1 ZPO, Art. V Abs. 2 lit. b NYC erlaubt eine Evidenzkontrolle des Inhalts der Schiedsentscheidung. 101 Vgl. Distler, Private Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassung, S. 84; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 112. 102 Hierzu stellvertretend: BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 (1713 m. w. N.) – Körbuch III; Distler, Private Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassung, S. 84–88; Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 21; Prütting, Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassung, in: Bachmann et al., FS Schlosser, S. 705 (708); Wolf/Eslami, in: BeckOK, ZPO, § 1025 Rn. 2; Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rn. 87. 103 Siehe schon: Kap. 4. A. 1. (S. 67 ff.); Wolf/Eslami, in: BeckOK, ZPO, § 1025 Rn. 2; Massuras, Dogmatische Strukturen der Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit, 88 f.; Geimer, in: Zöller, ZPO, Vor. § 1025 Rn. 3. Mit Verweis auf die Handlungsfreiheit an sich: BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 – Körbuch III. Auf die prozessuale Privatautonomie abstellend: Prütting, Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassung, in: Bachmann et al., FS Schlosser, S. 705 (708).
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Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung
auf den Justizgewähranspruch nur durch solche Verträge wirksam erklärt werden kann, die nicht selbst gegen die Vertragsfreiheit verstoßen.104 Literatur und Rechtsprechung sind sich darüber hinaus zu Unrecht105 weitestgehend einig, dass ein Verzicht auf den Justizgewähranspruch nur dann wirksam ist, wenn der Verzicht freiwillig erklärt wird.106 So formuliert zum Beispiel Steiner: „Eine unaufgebbare Prämisse der Zulässigkeit eines schiedsgerichtlichen Verfahrens ist unverändert die Freiwilligkeit des Verzichts auf Anrufung der staatlichen Gerichte durch Abschluss einer Schiedsvereinbarung nach § 1029 ZPO.“107
Das BVerfG hat das Wort Freiwilligkeit im Zusammenhang mit Schiedsvereinbarungen hingegen nur einmal beiläufig erwähnt.108 Genauere Ausführungen zur Begründung des Inhalts dieses Begriffs enthält der Beschluss nicht. Daher ist er nicht geeignet, den Inhalt des Justizgewähranspruchs zu spezifizieren. Trotz der weitestgehenden Einigkeit über das Bestehen einer Freiwilligkeitsforderung, ist der Inhalt der Freiwilligkeit sowohl in Rechtsprechung als auch Literatur umstritten.109
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So wohl auch: BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 – Körbuch III. Ausdrücklich: Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237 (238). 105 Siehe dazu: Kap. 5. C. (S. 149 ff.). 106 Siehe hierzu: Kap. 5. A., B. (S. 114 ff.). Unter Nennung des Justizgewähranspruchs: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 52) – Pechstein III; OLG Koblenz, Urt. v. 06.11.2014, 2 U 1560/13, SpuRt 2015, 29 (30); LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105 f.) – Pechstein I; LG Kempten im Allgäu, Urt. v. 22.11.2014, 33 O 1921/14, SpuRt 2015, 35. Ohne den Justizgewähranspruch oder Art. 2 Abs. 1 GG als Grundlage des Freiwilligkeitserfordernisses explizit zu nennen: Reichsgericht, Urt. v. 23.09.1932, VII 101/32, RGZ 137, 251 (256 f.); LG Koblenz, Urt. v. 26.11.2013, 3 HK O 237/10, (unveröffentlicht); Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 22; Geimer, in: Zöller, ZPO, Vor. § 1025 Rn. 4; Massuras, Dogmatische Strukturen der Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit, S. 88 m. umfangreichen N. Die Freiwilligkeitseinschränkung wohl alleine in Art. 2 Abs. 1 GG als Begründung für einen Verzicht auf den Justizgewähr anspruch erkennend: BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 – Körbuch III. Mit Verweis auf das Körbuch-Urteil: OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/ 14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (44) – Pechstein II. 107 Steiner, SchiedsVZ 2013, 15 (17); Steiner, SpuRt 2014, 2 (3). Zitiert in: Heermann, Deutscher Bundestag, Sportausschuss, Ausschussdrucksache 18 (5) 80, S. 2; Heermann, SchiedsVZ 2014, 66; Monheim, SpuRt 2014, 90 (92); Heermann, Nach der mündlichen Verhandlung am BGH im Pechstein-Verfahren: Noch ist alles möglich!, go.wwu.de/1fpe6, S. 6; Becker, FAZ Online, Fall Claudia Pechstein: „Die Athleten hatten nicht die gleiche Lobby“, go.wwu.de/j8b5k; Heermann, FAZ Online, Gastbeitrag zum Sportrecht: Bremst der Gesetzgeber Pechstein noch aus?, go.wwu.de/o05gd. 108 BVerfG, Beschl. v. 11.05.1994, 1 BvR 774/94, NVwZ-RR 1995, 232. 109 Siehe dazu: Kap. 5. A., B. (S. 114 ff.).
A. Verfassungsrechtliche Grundlagen
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Das Abbedingen des Justizgewähranspruchs ist zudem insofern begrenzt, als dass den Gerichten nicht jegliche Kontrolle entzogen werden darf. Diese Annahme beruht darauf, dass die staatlichen Gerichte dafür sorgen müssen, dass auch im Schiedsverfahren nicht von rechtsstaatlichen Mindeststandards abgewichen wird.110 Der hierfür notwendigen Effektivität des Rechtsschutzes wird durch die Möglichkeit einer richterliche Missbrauchs- und Evidenzkontrolle genüge getan.111 Eine solche Kontrolle wird für Schiedsgerichte durch die § 1059–1061 ZPO i. V. m. dem NYÜ sichergestellt.112
V. Recht auf gesetzlichen Richter, Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG Das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG garantiert, dass vor staatlichen Gerichten eine gesetzliche Zuständigkeitsordnung gilt. Auf Grundlage der Zuständigkeitsordnung werden die Streitigkeiten vor den staatlichen Gerichten dem zuständigen Richter zur Entscheidung zugewiesen.113 Der Zugang zu den staatlichen Gerichten wird hingegen nicht durch Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG garantiert. Die Schutzwirkung der Norm greift somit erst, nachdem Zugang zu den staatlichen Gerichten erlangt wurde.114 Das Recht auf den gesetzlichen Richter baut auf die Justizgewährpflicht des Staates auf und erweitert diese.115 Entsprechend kann das Recht auf den gesetzlichen Richter keinen Einfluss auf die Diskussion über die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen haben.116 Weshalb das Recht auf den gesetzlichen Richter in der Sache dennoch von zahl117
110 Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 22; Geimer, Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassung (aus deutscher Sicht), in: Schlosser, Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, S. 113 (126–144); Wolf/Eslami, in: BeckOK, ZPO, § 1025 Rn. 2 m. w. N. 111 Papier, IWRZ 2016, 14 (15); Geimer, in: Zöller, ZPO, Vor. § 1025 Rn. 4; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 212. 112 Siehe: Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 13, der aber nur auf § 1059 Abs. 2 ZPO verweist. 113 Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 2. 114 Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 2. 115 Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 2. 116 Vgl. hierzu: Axtmann, Die Vorlageberechtigung von Sportschiedsgerichten zum EuGH, S. 79; Geimer, Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassung (aus deutscher Sicht), in: Schlosser, Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, S. 113 (119, 123, 161). 117 Z. B. auf Art. 101 Abs. 1 S. 2 und den Justizgewähranspruch abstellend: Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 112, Eckel/Richter, WuW 2015, 1078 (1078); Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426 (427). Art. 101 Abs. 1 S. 2 als Norm zum Justizgewähranspruch z. B.: Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips, S. 166; Stopper, Verfahrensrechtliche Durchsetzung eines Anspruchs auf Nominierung, in: Walker, Nominierungsfragen im Sport, S. 59 (64); Heermann, JZ 2015, 362 (passim); Heermann, NJW 2016, 2224 (2225). Bei Schiedsvereinba-
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reichen Autoren117 und Gerichten118 (zumeist als Norm zum Justizgewähranspruch119) angeführt wird, ist daher unklar. Dies soll in dieser Untersuchung jedoch nicht vertieft werden.120
B. Völkerrechtliche Grundlagen Neben den Rechten des Grundgesetzes finden sich auch im Völkerrecht Normen, die die Interessen der Sportverbände beziehungsweise der Athleten stützen.
I. Recht auf ein faires Verfahren, Art. 6 Abs. 1 EMRK Der Einfluss des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK) ist für die Praxis der CAS-Sportschiedsgerichtsbarkeit in der Rechtssache Mutu/ Pechstein durch den EGMR entschieden worden.121 Für zivilrechtliche Ansprüche garantiert Art. 6 Abs. 1 EMRK, dass diese durch ein auf Gesetz beruhendem, unabhängigem und unparteiischem Gericht entschieden werden. Weiterhin garantiert Art. 6 Abs. 1 EMRK sowohl, dass die Entscheidung in einem fairen und öffentlichen Verfahren innerhalb einer angemessenen Frist gefällt wird, als auch, dass die Entscheidung öffentlich verkündet wird. Bei den Merkmalen „unabhängigen und unparteiischen“ sowie „auf Ge-
rungen auf einen Eingriff in das Recht auf den gesetzlichen Richter abstellend: Monheim, Die Vereinbarkeit von Schiedsabreden und Schiedsgerichten im Sport mit dem Rechtsstaatsprinzip, in: Vieweg, Facetten des Sportrechts, S. 94 (104, 106 f.); Monheim, SpuRt 2008, 8 (9 f.); Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (70); Monheim, SpuRt 2014, 90 (92); Duve/ Rösch, SchiedsVZ 2014, 216 (222); Bleistein/Degenhart, NJW 2015, 1353 (1355 f.); Eckel/ Richter, WuW 2015, 1078 (1088 f.); Heermann, SchiedsVZ 2015, 78 (80, 84 f., 87); Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 1025 Rn. 10; Heermann, Deutscher Bundestag, Sportausschuss, Ausschussdrucksache 18 (5) 80. 118 BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 – Körbuch III; OLG Koblenz, Urt. v. 06.11.2014, 2 U 1560/13, SpuRt 2015, 29 (30); OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (45 f.) – Pechstein II. 119 Siehe zu einer möglichen Erklärung: Detterbeck, AcP 192 (1992), 325 (328 f.), der davon ausgeht, dass der Justizgewähranspruch unter anderem in Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG Niederschlag gefunden hat. 120 So i. E. auch: Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 221–223. 121 Siehe: EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10 – Mutu/Pechstein; EGMR, Nichtannahme der Verweisung nach Art. 43 EMRK v. 05.02.2019, CEDH 053 (2019) – Pechstein/Mutu.
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setz beruhenden“ und „Gericht“122 handelt es sich um Organisationsgarantien,123 während die Merkmale „fair“, „öffentlich“, „angemessene Frist“ und „öffentliche Verkündigung des Urteils“ Verfahrensgarantien sind.124Als dritter Teilbereich beinhaltet Art. 6 Abs. 1 EMRK das Recht auf Zugang zu einem Gericht, welches die oben genannten Organisation- und Verfahrensgarantien bietet („ein Recht darauf, daß […] von einem […] Gericht […] verhandelt wird“).125 Aus Art. 6 Abs. 1 EMRK ergibt sich daher für Athleten ein Recht auf Zugang zu den staatlichen Gerichten, wenn der CAS den Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht genügt. Mit Blick auf den CAS kommt ein Verstoß gegen die Organisationsgarantien sowie gegen die Öffentlichkeitsgarantie in Betracht. Darüber hinaus dürfen die Athleten durch die CAS-Schiedsvereinbarung nicht wirksam auf diese Garantien verzichtet haben. Ob die Garantien eingehalten werden, wird in Kap. 4. B. I. 1.–3.126 geprüft, während die Voraussetzungen eines wirksamen Verzichts – sofern für die Frage der Untersuchung relevant – in Kap. 6127 herausgearbeitet werden. 1. Gericht Unter den Gerichtsbegriff des Art. 6 Abs. 1 EMRK fallen nach der autonomen Auslegung der ERMK nicht nur staatliche Gerichte.128 Erfasst sind auch sol122 Dass die Merkmale „Gericht“ und „auf Gesetz beruhend“ einzeln geprüft werden müssen, wird in der unverbindlichen deutschen Sprachfassung nicht hinreichend deutlich. Mit Blick auf die englische Fassung („by an independant and impartial tribunal established by law“) und insbesondere die französische Fassung („par un tribunal indépendant et impartial, établi par la loi,“) wird deutlich, dass sich „Gericht“ auf alle sonstigen in Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgezählten Organisationsgarantien bezieht. 123 Vgl. nur: Grabenwarter/Pabel, in: Dörr/G rote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 14 Der Grundsatz des fairen Verfahrens Rn. 37–72; Grabenwarter/Pabel, EMRK, S. 484–498. 124 Vgl. nur: Grabenwarter/Pabel, in: Dörr/G rote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 14 Der Grundsatz des fairen Verfahrens Rn. 37, 93–112; Grabenwarter/Pabel, EMRK, S. 484, 507–516, wobei anders als hier in beiden Werken die Merkmale „öffentlich“, „angemessene Frist“ und „öffentliche Verkündung“ in keiner der in Rn. 37 und auf S. 484 angeführten Kategorien genannt werden. 125 Vgl. nur: Grabenwarter/Pabel, in: Dörr/G rote/Marauhn, EMRK/G G, Kap. 14 Der Grundsatz des fairen Verfahrens Rn. 37, 73–92; Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 24 Rn. 51–65. 126 Siehe: S. 83 ff. 127 Siehe: S. 167 ff. 128 EGMR, Guide on Article 6 of the European Convention on Human Rights, go.wwu. de/b0twp, Rn. 119, 123 m. N. zur Rspr. Damit tritt bereits ein deutlicher Unterschied zum Justizgewähranspruch hervor.
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che Spruchkörper, die innerhalb ihrer Kompetenz Rechtsstreitigkeiten auf der Grundlage von Rechtsnormen verbindlich und anhand festgelegter Verfahrensregeln entscheiden.129 Die Kompetenz des CAS bestimmt sich anhand der jeweils abgeschlossenen Schiedsvereinbarung und dem darin einbezogenen CAS-Code beziehungsweise den CAS-ADD Rules. Diese beinhalten feste Verfahrensregeln für das Schiedsverfahren. Nach Art. R45, R58 CAS-Code und Art. A20 CAS-ADD Rules entscheidet der CAS auf der Grundlage staatlichen Rechts, soweit dieses relevant wird. Schlussendlich ist der CAS als Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz auch in das Schweizer Rechtssystem eingegliedert, weshalb seine Schiedssprüche in begrenztem Maße durch die Schweizer Gerichte überprüft werden können.130 Auf dieser Grundlage hat auch der EGMR den CAS in der Sache Mutu/Pechstein als Gericht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK angesehen.131 2. Auf Gesetz beruhend Den Organisationsgarantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK wird der CAS nur dann gerecht, wenn er auch als „auf Gesetz beruhend[…]“ anzusehen ist.132 Bis zur Entscheidung des EGMR in Mutu/Pechstein wurden hierzu von den Konventionsorganen nur solche Gerichte gezählt, die mittels eines Parlamentsgesetzes
129 Grabenwarter/Pabel, EMRK, Rn. 30; Grabenwarter/Pabel, in: Dörr/G rote/ Marauhn, EMRK/G G, Kap. 14 Der Grundsatz des fairen Verfahrens Rn. 39; EGMR, Guide on Article 6 of the European Convention on Human Rights, go.wwu.de/b0twp, Rn. 120, 126 f. Z. T. wird darüber hinaus noch gefordert, dass die Spruchkörper unabhängig und unparteiisch sind: EGMR, Guide on Article 6 of the European Convention on Human Rights, go.wwu.de/b0twp, Rn. 127 m. N. zur Rspr. Eine solche Prüfung innerhalb des Merkmals Gericht erscheint jedoch nicht geboten, da in Art. 6 Abs. 1 EMRK noch die Voraussetzung der Neutralität geprüft werden muss. Es ist daher nicht möglich, dass ein Gericht, das Art. 6 Abs. 1 EMRK entspricht, nicht neutral ist. So überzeugend: Müller, Richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nach Art. 6 EMRK, S. 29–31; unausgesprochen ebenso: Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 25 Rn. 29–50. 130 Siehe nur die bei CAS-Verfahren häufig einschlägigen Art. 190–192 IPRG-Schweiz. 131 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 149 – Mutu/Pechstein; ebenso: Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 181. Gegen die Einordnung von Schiedsgerichten als Gerichte i. S. v. Art. 6 Abs. 1 EMRK: Landrove, European Convention on Human Rights‘ Impact on Consensual Arbitration, in: Besson, Human rights at the center, S. 73 (80); Herbst, Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassung, in: Fitz et al., FS Torggler, S. 485 (492); Reiner, ZfRV 2003, 52 (60), wobei davon ausgegangen werden kann, dass diese Autoren das Merkmal auf Gesetz beruhend bereits in das Merkmal des Gerichts gelesen haben. 132 Siehe auch die verbindliche (Zusatz zur Art. 59 EMRK) französische und englische Sprachfassung: „tribunal established by law“ und „tribunal […] établi par la loi“.
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eingerichtet wurden.133 Gemeint ist, dass neben der Gründung des Gerichts durch ein Gesetz auch die Vorschriften über die Zusammensetzung, Organisation und Zuständigkeit des Gerichts in einem Gesetz geregelt werden müssen.134 Der EGMR hat in Mutu/Pechstein festgestellt, der CAS habe „den Anschein“ eines auf Gesetz beruhenden Gerichts.135 Hierfür führte der EGMR aber nur zwei Argumente an. Erstens sei gegen die Entscheidungen des CAS der Rechtsweg zum Schweizer Bundesgericht möglich.136 Zweitens stufe das Schweizer Bundesgericht Schiedssprüche des CAS in ständiger Rechtsprechung als „echte, einem staatlichen Gericht vergleichbare“ Entscheidungen ein.137 Es überrascht nicht, dass diese Feststellung bereits im Sondervotum der Mutu/ Pechstein-Entscheidung durch die Richter Keller und Serghides kritisiert wurde. Keller und Serghides stimmten der Mehrheitsentscheidung darin zu, dass sich aus der Lindner-Entscheidung ergebe, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, jedes Detail eines Gerichtes durch ein Parlamentsgesetz zu regeln – solange er den Rahmen der Justizorganisation vorgebe.138 Allerdings rechtfertige dies nicht, ein privates Gericht als durch Gesetz geschaffen anzusehen.139 Schließlich würden auch Gerichte, die durch eine Exekutivverordnung geschaffen wurden, nicht als durch Gesetz geschaffen angesehen.140 Von der Forderung der Einrichtung eines auf Gesetz beruhenden Gerichts durch ein Parlamentsgesetz sei daher nicht abzuweichen.141 Zudem gebe es keine Rechtfertigung dafür, – wie es der Mehrheitsentscheid tut – von der Suda-Rechtsprechung abzuweichen. In dieser Entscheidung wurde das Merkmal auf Gesetz beruhend bei einem auf Schieds-
133 Anstelle vieler: Peters/Altwicker, EMRK, S. 145 f.; EGMR, Guide on Article 6 of the European Convention on Human Rights, go.wwu.de/b0twp, Rn. 175, 178 m. N. zur Rspr. 134 Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 24 Rn. 32; Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/Raumer, EMRK, Art. 6 Rn. 71 m. N. zur Rspr.; Grabenwarter/ Pabel, in: Dörr/G rote/Marauhn, EMRK/G G, Kap. 14 Der Grundsatz des fairen Verfahrens; nicht alle Punkte erwähnend: EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 138 – Mutu/Pechstein. 135 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 149 – Mutu/Pechstein. 136 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 149 – Mutu/Pechstein. 137 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 149 – Mutu/Pechstein. 138 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Sondervotum Rn. 23 – Mutu/ Pechstein. 139 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Sondervotum Rn. 23 – Mutu/ Pechstein. 140 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Sondervotum Rn. 23 – Mutu/ Pechstein. 141 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Sondervorum Rn. 23 – Mutu/ Pechstein.
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vereinbarungen basierenden Schiedsgericht nicht anerkannt.142 Schließlich sei der CAS dem ICAS, also einer schweizerischen Stiftung, untergeordnet.143 Zuletzt müsse auch die Zuständigkeit des CAS gesetzlich festgelegt sein, damit der CAS als auf Gesetz beruhendes Gericht anzusehen sei.144 Der CAS leite seine Kompetenz allerdings aus privatrechtlichen Vereinbarungen her und damit nicht aus einer gesetzlichen Regelung.145 Daher verneinen die Richter Keller und Serghides im Sondervotum der Mutu/Pechstein-Entscheidung die Einstufung des CAS als ein auf Gesetz beruhendes Gericht. Die Argumentation im Sondervotum überzeugt, die Abweichung des EGMR vor seiner bisherigen Rechtsprechung kann nicht hinreichend begründet werden. In der Lindner-Entscheidung war die maßgebliche Frage, ob das Anwaltsgericht Celle unter Art. 6 Abs. 1 EMRK fiel.146 Das Anwaltsgericht Celle wurde auf Grundlage der Bundesrechtsanwaltsordnung (§ 92 Abs. 1 BRAO), also einem Parlamentsgesetz, errichtet. Dementsprechend kann die Rechtsprechung nicht dazu dienen, zu argumentieren, dass es keines Parlamentsgesetzes bedarf. Die Entscheidung in Lindner kann daher nicht dazu dienen, zu argumentieren, dass der CAS als auf Gesetz beruhend anzusehen ist. Überraschend ist, weshalb der EGMR der Einstufung der Schiedssprüche des CAS durch das Schweizer Bundesgericht einen Einfluss auf die autonome Auslegung des Art. 6 Abs. 1 EMRK zumaß.147 Nach der Argumentation des EGMR in Mutu/Pechstein müssten alle echten Schiedsgerichte als auf Gesetz beruhend angesehen werden.148 Damit würde das Merkmal der Einrichtung durch Gesetz aber so unterlaufen werden, dass es seine Schutzfunktion nicht mehr erfüllen könnte. Mit dem Merkmal soll – so auch der EGMR in Mutu/Pechstein – die Legitimität des Gerichts dadurch gesichert werden, dass es durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber eingerichtet wurde.149 Eine solche Legitimität kommt dem CAS als ein durch das ICAS gegründetes und verwaltetes, privates Schiedsgericht nicht zu.
142 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 53 – Suda. Siehe zu dem Fall auch: Kap. 6. A. III. 5. f) (S. 190 ff.). 143 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Sondervotum Rn. 22 – Mutu/ Pechstein. 144 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Sondervotum Rn. 24 – Mutu/ Pechstein. 145 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Sondervotum Rn. 24 – Mutu/ Pechstein. 146 EGMR, Beschl. v. 09.03.1999, Nr. 32813/96, S. 10 – Lindner. 147 Hülskötter, SpuRt 2018, 261 (262). 148 Hülskötter, SpuRt 2018, 261 (262); zustimmend wohl: Heermann, NJW 2019, 1560 (1562). 149 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 138 – Mutu/Pechstein.
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Schlussendlich beruht die Kompetenz des CAS auf einer Schiedsvereinbarung und deren Anerkennung; also im Grundsatz auf einer privatrechtlichen Vereinbarung.150 Allein die Tatsache, dass eine begrenzte Überprüfung des Schiedsspruches möglich ist,151 rechtfertigt daher nicht, den CAS als auf Gesetz beruhend anzusehen.152 Die Entscheidung des EGMR in Mutu/Pechstein ist an dieser Stelle als zielorientiert und weniger als dogmatisch zu begreifen.153 Infolge der Gleichbehandlung von CAS-Schiedsgerichtsbarkeit und Zwangsschiedsgerichtsbarkeit (gesetzlich angeordneter Schiedsgerichtsbarkeit)154, wäre ein Verzicht auf die Institutsgarantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts nicht möglich gewesen.155 Diese Einordnung nahm der EGMR wiederum vermutlich vor, um der Auseinandersetzung mit den Verzichtsvoraussetzungen aus dem Weg zu gehen. In den Augen des EGMR hätte die Einordnung des CAS als nicht auf Gesetz beruhend daher dazu geführt, dass die Mitgliedstaaten den Zugang zu den staatlichen Gerichten hätten garantieren müssen. So umfassend wollte der EGMR aber offensichtlich nicht in die (Sport-)Schiedsgerichtsbarkeit eingreifen. In der Literatur vertritt Jung, dass es sich beim CAS um ein auf Gesetz beruhendes Gericht handelt.156 Hierbei argumentiert er jedoch anders als der EGMR in Mutu/Pechstein. Jung geht im Grundsatz von der Annahme aus, dass die Gründungsstaaten mit der Formulierung „auf Gesetz beruhend[…]“ alleine das Ziel verfolgt haben, Ausnahmegerichte (also solche, die nachträglich durch Gesetz oder Verwaltungsakt für bestimmte Verfahren gebildet werden157) aus dem Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK herauszunehmen,158 nicht aber die Schiedsgerichtsbarkeit159. Daher mache es keinen Unterschied, ob ein Schiedsgericht unmittelbar auf Gesetz beruhe oder aber mittelbar auf gesetzlichen Regelungen.160 Durch das Nebeneinander von staatlicher und privater Zuständigkeit 150
Jung, ZEuS 2014, 173 (176 m. w. N.). Siehe nur Art. 190–192 IPRG-Schweiz. 152 Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S. 38; ähnlich: Jacot-Guillarmod, L’arbitrage privé face à l’article 6 § 1 de la Convention européenne de Droits de l’Homme, in: Matscher/Petzold, FS Wiarda, S. 281 (291). 153 Heermann spricht von einer branchenbezogenen Entscheidung, die keine Ausstrahlungswirkung auf die Einordnung von Schiedsgerichten außerhalb des Sports habe: Heermann, NJW 2019, 1560 (1562). 154 Siehe dazu: Kap. 6. A. III. 5. i) aa) (S. 194 ff.). 155 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 115, 147 – Mutu/Pechstein. 156 Ähnlich auch: Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 182–184. 157 Vgl. nur: Grabenwarter/Pabel, EMRK, S. 486. 158 Jung, ZEuS 2014, 173 (177). 159 Jung, ZEuS 2014, 173 (177). 160 Jung, ZEuS 2014, 173 (177). 151
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im Sport sei eine klare Differenzierung ohnehin nicht möglich.161 Außerdem sei das Konzept der Sportschiedsgerichtsbarkeit indirekt auf gesetzliche Normen zurückzuführen, da sich die Schiedsgerichte an den Ordnungsrahmen halten müssten, der ihnen durch Gesetze auferlegt werde.162 Entscheidend für die Einordnung als auf Gesetz beruhend sei daher, dass die Schiedsgerichte nicht außerhalb der staatlichen Rechtsordnung agierten.163 Weiterhin argumentiert Jung, dass der faktische Zwang in der Sportschiedsgerichtsbarkeit dazu führe, dass sich diese der gesetzlich angeordneten Schiedsgerichtsbarkeit annähere.164 Vor diesem Hintergrund geht er davon aus, dass es irrelevant sei, „ob das zur Entscheidung berufene Schiedsgericht aufgrund zwingender gesetzlicher Vorgaben konstruiert worden […] [sei] oder aber durch die faktisch erzwungene Zustimmung auf „privatautonomen“ Wege.“165 Gegen die Ansicht Jungs spricht nicht nur die (unverbindliche) deutsche Sprachfassung mit der Formulierung „auf Gesetz beruhenden Gericht“, sondern in gleichem Maße die verbindliche166 englische („tribunal established by law“) und die französische Fassung („tribual […], établi par la loi, […]“).167 Eine Abkehr von der Forderung eines (Parlaments-)Gesetzes zur Einrichtung eines Gerichtes widerspricht dem eindeutigen Wortlaut aller drei Sprachfassungen.168 Dass es sich bei der Formulierung des Art. 6 Abs. 1 EMRK um eine bewusst formulierte Norm handelt, zeigt der Vergleich mit Art. 13 EMRK. Art. 13 EMRK sichert jeder Person, die in ihren Konventionsrechten verletzt wurde, das Recht auf eine wirksame Beschwerde vor einer „innerstaatlichen Instanz“169 zu. Dadurch wird deutlich, dass es nicht zwingend einer durch Gesetz eingerichteten Instanz bedarf.170 Aus diesem Vergleich muss geschlossen werden, dass der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 EMRK bewusst gewählt worden ist und nicht übergangen werden darf.
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Jung, ZEuS 2014, 173 (177). Jung, ZEuS 2014, 173 (178). 163 Jung, ZEuS 2014, 173 (178). 164 Jung, ZEuS 2014, 173 (178). 165 Jung, ZEuS 2014, 173 (178). 166 Nach der Schlussformel der EMRK sind nur die englische und französische Fassung gleichermaßen verbindlich. Bei der deutschen Fassung der EMRK handelt es sich lediglich um eine unverbindliche Übersetzung. 167 Zweifelnd hier: Besson, ASA bulletin 2006, 395 (401). 168 Hülskötter, SpuRt 2018, 261 (262 m. w. N.). 169 Englisch: „national authority“; Französisch: „instance national“. 170 Breuer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 13 Rn. 22. Gleichwohl gibt es Ausnahmefälle, in denen es eines „gesetzlichen Richters“ bedarf. Vgl. hierzu: Breuer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 13 Rn. 23. 162
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Sowohl der EMRK selbst als auch den Dokumenten zur Entstehung der EMRK ist kein Hinweis auf eine Gleichwertigkeit von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit zu entnehmen. Schiedsgerichte werden schlichtweg nicht erwähnt.171 Bei der Argumentation, dass sich die Zwangslage der Sportschiedsgerichtsbarkeit und die der gesetzlich angeordneten Schiedsgerichtsbarkeit annähern, urteilt Jung korrekt.172 Die Schlussfolgerung, dass es daher irrelevant sei, ob das eingesetzte Gericht aufgrund eines Gesetzes oder aufgrund einer vertraglichen Entscheidung konstituiert wurde, überzeugt hingegen nicht. Jung übersieht, dass den staatlichen Gesetzen grundsätzlich eine Legitimationsfunktion inneliegt, die privaten Erklärungen fehlt.173 Jungs Argumentation schlussfolgert, dass diese Legitimationsfunktion nicht notwendig sei, weil die Sportverbände gegenüber den Athleten eine besondere Machtposition hätten und stellt somit einen nicht nachvollziehbaren Vergleich zum Gesetzgeber her. Die Machtposition des Gesetzgebers rechtfertigt sich durch dessen demokratische Legitimation und ist daher nicht mit der Position von Verbänden gegenüber Athleten vergleichbar. Dies liegt insbesondere daran, dass Athleten in der Regel nicht selbst Mitglieder des Verbandes sind, sondern lediglich über die Mitgliedschaft im lokalen Verein (der wiederum Mitglied im nationalen Verband ist) oder die Unterzeichnung einer Athletenvereinbarung an die Regelungen des Verbandes gebunden werden. Ihnen steht keine Möglichkeit zu, unmittelbar durch eine Wahl auf die Entscheidungen oder die Personen des Verbandes Einfluss zu nehmen. Beim CAS handelt es sich nicht um ein auf Gesetz beruhendes Gericht; entscheidend hierfür ist im Ergebnis die fehlende Einrichtung durch ein Parlamentsgesetz.174 171 Siehe nur: Jarrosson, Revue de l’arbitrage 1989, 572 (574, 577); Besson, ASA bulletin 2006, 395 (396); Grabenwarter/Pabel, in: Dörr/G rote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 14 Der Grundsatz des fairen Verfahrens Rn. 7. Anders im deutschen Recht, welches von einer Gleichwertigkeit der staatlichen und Schiedsgerichtsbarkeit ausgeht: BT-Drs. 13/5274, S. 34. 172 Jung, ZEuS 2014, 173 (178). 173 Vgl.: EGMR, Urt. v. 18.10.2000, Nr. 32492/96, 32547/96, 32548/96, 33209/96, 33210/ 96, Rn. 98 – Coëme; EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 138 – Mutu/ Pechstein; Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/Raumer, EMRK, Art. 6 Rn. 71. 174 Siehe nur zur h. M.: EGMR, Urt. v. 28.07.2009, Nr. 17214/05, 20329/05, 42113/04, Rn. 94 – Savino; EGMR, Beschl. v. 08.07.2014, Nr. 8162/13, Rn. 74 – Biagiolo. Zumindest missverständlich wird in: EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 53 – Suda auf Lithgow als abweichende Meinung verwiesen. In Lithgow ging es aber um ein durch § 42 Aircraft and Shipping Act 1977 errichtetes Schiedsgericht, sodass keine abweichende Auffassung vorliegt: EGMR, Urt. v. 08.07.1986, Nr. 9006/80, 9262/81, 9263/81, 9265/81, 9266/81, 9313/81, 9405/81, Rn. 29, 201 – Lithgow. Tochtermann, Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Mediators, S. 38 f.; Briner/Schlabrendorff, Article 6 of the E uropean
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Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung
Indem CAS-Schiedsvereinbarungen den Zugang zu den staatlichen Gerichten versperren, sorgen sie dafür, dass die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts nicht eingehalten wird. Schlussendlich stellen wirksame CAS-Schiedsvereinbarungen daher nur dann keinen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK dar, wenn durch diese wirksam auf den Zugang zu einem auf Gesetz beruhenden Gericht verzichtet wurde. Während Einigkeit darüber besteht, dass ein solcher Verzicht möglich ist, herrscht Uneinigkeit über dessen Wirksamkeitsvoraussetzungen. Die Analyse dieser Wirksamkeitsvoraussetzungen wird in Kap. 6. A.175 vorgenommen. 3. Unabhängig und unparteiisch (neutral) Eine weitere Organisationsgarantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK fordert, dass das eingesetzte Gericht unabhängig und unparteiisch sein muss. Für die Frage, ob der CAS diesen Voraussetzungen gerecht wird, kann in dieser Untersuchung nur auf das Merkmal der Unabhängigkeit abgestellt werden.176 Bei der Prüfung der Unabhängigkeit kommt es auf die Neutralität des gesamten Gerichtes als Institution an.177 Bei Unparteilichkeit wird im Unterschied dazu die Neutralität der konkret eingesetzten Richter geprüft.178 Da der Analyse kein konkreter Fall zugrunde liegt, kann der CAS nur abstrakt auf seine Unabhängigkeit hin überprüft werden. Die Bestimmung der Unabhängigkeit eines Gerichts geschieht in der Rechtsprechung der Konventionsorgane anhand folgender Kriterien:179 1. Der Art und Weise der Ernennung der Richter. Convention on Human Rights and its Bearing upon International Arbitration, in: Briner, FS Böckstiegel, S. 89 (108); Jarrosson, Revue de l’arbitrage 1989, 572 (581 f., 589 f.); Besson, ASA bulletin 2006, 395 (400); Grabenwarter/Pabel, in: Dörr/G rote/ Marauhn, EMRK/GG, Kap. 14 Der Grundsatz des fairen Verfahrens S. 486 f.; Viering, in: van Dijk et al., EMRK, Chapter 10 Right to a fair and public hearing (Article 6) S. 611 f.; Soyer/Salvia, in: Pettiti/Decaux/Imbert, EMRK, Art. 6; Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, in: MeyerLadewig/Nettesheim/R aumer, EMRK, Art. 6 Rn. 72; Meyer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 6 Rn. 41. 175 Siehe: S. 168 ff. 176 So auch: LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I Vgl. dazu: Kap. 3. A. I. (S. 37 ff.). 177 Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 24 Rn. 34. 178 Vgl.: EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 141–143, 150 – Mutu/ Pechstein; nicht ganz so streng differenzierend: Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 24 Rn. 44. 179 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 140 – Mutu/Pechstein; EGMR, Guide on Article 6 of the European Convention on Human Rights, go.wwu.de/ b0twp, Rn. 186 m. N. zur Rspr. So auch: Müller, Richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nach Art. 6 EMRK, S. 39, welche auch weitere (nur in vereinzelten Entscheidungen als Ergänzung auftretende) Kriterien benennt.
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2. Der Länge der Amtszeit der Richter. 3. Der Existenz von Regelungen zum Schutz der Richter vor Druck von außen. 4. Dem Anschein der Unabhängigkeit des Gerichts aus Sicht eines objektiven Beobachters (äußerer Anschein). Rechtsprechung zu der Frage, ob der CAS dem Unabhängigkeitserfordernis des Art. 6 Abs. 1 EMRK genügt, gab es bis zur Entscheidung Mutu/Pechstein nicht. Zwar haben die Schweizer Gerichte die Unabhängigkeit des CAS mehrfach geprüft,180 allerdings haben sie Art. 6 Abs. 1 EMRK nie hinzugezogen. Auch im Zuge der Causa Pechstein ist die Unabhängigkeitsforderung aus Art. 6 Abs. 1 EMRK nur durch das LG München I angesprochen worden.181 Das LG München I stellte dabei einen Verstoß gegen die Unabhängigkeitsvoraussetzung fest.182 Der EGMR hat diese Frage nunmehr für die Praxis entschieden. In der Rechtssache Mutu/Pechstein erklärte er, dass der CAS den Unabhängigkeitsanforderungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK genüge.183 Dabei setzte sich der EGMR aber nur mit der Frage der Unabhängigkeit nach äußerem Anschein auseinander. Die Argumentation des EGMR wird daher auch erst an dieser Stelle aufgegriffen. a) Art und Weise der Ernennung der Richter Die Schiedsgerichtsbarkeit zeichnet sich dadurch aus, dass die Parteien im Regelfall eines Dreierschiedsgerichtes je einen der Schiedsrichter berufen.184 Für diese, von den Parteien berufenen Schiedsrichter, kann die Unabhängigkeit von beiden Parteien schon im Grundsatz bezweifelt werden. Die EKMR hat diese generelle Problematik der Schiedsgerichtsbarkeit bereits in Bramelid-Report erkannt und entschieden, dass bei der Schiedsgerichtsbarkeit nicht dasselbe Maß an die abstrakte Unabhängigkeit des Schiedsgerichtes angelegt werden kann, wie bei staatlichen Gerichten.185 Im Schiedsverfahren sei die Unabhängigkeit daher bereits gewahrt, wenn die Parteien denselben Einfluss auf
180 Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 15.03.1993, 4P.217/1992, BGE 119 II, 271 – Gundel; Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 27.05.2003, 4P.267-270/2002, SchiedsVZ 2004, 208 – Latsutina. 181 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I. 182 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I. 183 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 159 – Mutu/Pechstein. 184 Art. R40.2, R 54 CAS-Code. 185 EKMR, Report der Kommission v. 12.12.1983, Nr. 8588/799, 8589/79, Rn. 37–39 – Bramelid.
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Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung
die Schiedsrichterbestellung hätten.186 In den Entscheidungen Siglfirdingur und Stojakovic bestätigte der EGMR diese Auffassung der EKMR.187 Demnach ist die Unabhängigkeit eines Schiedsgerichtes dann gegeben, wenn beide Parteien denselben (rechtlichen) Einfluss auf die Zusammensetzung des Gerichtes haben.188 Bei Verfahren vor dem CAS steht es zunächst beiden Streitparteien zu, einen Schiedsrichter zu benennen. Die Besonderheit des CAS ist, dass die Schiedsrichter nur aus der geschlossenen Schiedsrichterliste ausgewählt werden können.189 Zudem wird der vorsitzende Schiedsrichter (oder der Einzelschiedsrichter) in der Appeals Division grundsätzlich von Präsidenten der Appeals Division ausgewählt.190 Die Streitparteien haben vor dem CAS auf den ersten Blick den gleichen Einfluss auf die Bestellung der Schiedsrichter für das konkrete Verfahren. Bei genauerer Untersuchung des Mechanismus zur Benennung der Schiedsrichter für die geschlossenen Schiedsrichterlisten des CAS sowie der Wahl der Präsidenten der Divisionen werden jedoch Ungleichheiten deutlich, die sich im Ergebnis auf die konkrete Schiedsrichterbestellung auswirken können. Entscheidend ist daher, ob hierdurch die Möglichkeit einen Schiedsrichter auszuwählen, de facto so umfassend begrenzt wird, dass nicht mehr von einem gleichen Einfluss auf die Schiedsrichterbestellung gesprochen werden kann. Hinsichtlich der Frage des Einflusses auf die Schiedsrichterbestellung wird auf die Analyse in Kap. 3. A. II. 1.191 verwiesen. Im Verhältnis IOC-Athlet werden die Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 EMRK bezüglich der Unabhängigkeitsgarantie aufgrund der Art und Weise der Ernennung der CAS-Schiedsrichter nicht eingehalten. Im Verhältnis der meisten anderen Verbänden zu Athleten werden die Vorgaben der Unabhängigkeitsgarantie hingegen eingehalten.192
186 EKMR, Report der Kommission v. 12.12.1983, Nr. 8588/799, 8589/79, Rn. 39 – Bramelid. 187 EGMR, Urt. v. 30.05.2000, Nr. 34142/96 – Singlfirdingur; EGMR, Urt. v. 09.11.2006, Nr. 30003/02, Rn. 48 – Stojakovic. 188 Siehe: Müller, Richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nach Art. 6 EMRK, S. 48. 189 Art. R33 Abs. 2 CAS-Code; Art. A8 Abs. 2, A9 CAS-ADD Rules. 190 Art. R54 Abs. 1, 2 CAS-Code. 191 Siehe: S. 43 ff. 192 So grds.: Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 279–281.
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b) Länge der Amtszeit Die Konventionsorgane haben keine festen Vorgaben für die Länge der Amtszeit von Richtern gemacht, die mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar ist.193 Die Rechtsprechung setzt sich aus Einzelfallentscheidungen zusammen, denen zu entnehmen ist, dass die Länge der Amtszeit im Ergebnis nicht das entscheidende Kriterium ist. Wie Müller feststellt, ist entscheidend, „dass die Amtszeit in ihrer wie auch immer gearteten Länge stabil und weisungsfrei“ ist.194 Dementsprechend ist es nicht problematisch, dass die Schiedsrichter des CAS nur für die Dauer des Schiedsverfahrens als Richter tätig werden und die Verfahrensdauer zu Beginn des Verfahrens nicht exakt bestimmt werden kann. Allerdings kann die Richtertätigkeit am CAS besonders kurz (wenige Stunden oder Tage) sein.195 Für diese Zeit sind die Schiedsrichter des CAS aber nur unter besonderen Bedingungen (zum Beispiel Befangenheit) ihres Amtes zu entheben.196 Diese Möglichkeit der Amtsenthebung ist notwendig, um einzelfallbezogen die Unparteilichkeit eines Schiedsrichters zu gewährleisten. Obwohl die Länge der Amtszeit der Schiedsrichter des CAS nicht genau bestimmt und in der Regel kurz ist, gewährleisten die Verfahrensvorschriften des CAS die Stabilität und Weisungsfreiheit, die für eine Unabhängigkeit nach Art. 6 Abs. 1 EMRK notwendig ist.197 c) Existenz von Regelungen zum Schutz vor Druck von außen Die Unabhängigkeit eines Richters nach Art. 6 Abs. 1 EMRK erfordert, dass Regelungen existieren, die die Richter vor Druck von außen schützen. In welchem Ausmaß ein solcher Schutz gegeben sein muss, wurde durch die Konventionsorgane nicht abschließend bestimmt.198 Der Rechtsprechung sind jedoch verschiedene Merkmale zu entnehmen, die bei der Beantwortung dieser Frage beachtet werden müssen. Hierunter fällt die Weisungsfreiheit der Schiedsrichter, der geheime Charakter richterlicher Beratung, die Verbindlichkeit richterlicher
193 Müller, Richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nach Art. 6 EMRK, S. 50. 194 Müller, Richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nach Art. 6 EMRK, S. 50 m. w. N. 195 Vgl. nur beispielhaft: Art. 18 Arbitration Rules applicable to the CAS ad hoc division for the Olympic Games; Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (243 m. N. zu den Verfahrensregeln des CAS). 196 Art. R34, R35 CAS-Code; Art. A10, A11 CAS-ADD Rules. 197 Ebenso: Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 279, 281. 198 Müller, Richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nach Art. 6 EMRK, S. 52.
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Entscheidungen, die grundsätzliche Unabsetzbarkeit sowie eine angemessene Vergütung und Ausbildung.199 Wie bereits festgestellt sind die CAS-Schiedsrichter frei von Weisungen und nur unter besonderen Bedingungen absetzbar.200 Ihre Verhandlungen untereinander sind geheim und ihre Entscheidungen verbindlich.201 Die Vergütung der CAS-Schiedsrichter richtet sich nach festen Regeln und beträgt zwischen 300 und 500 Schweizer Franken die Stunde.202 Sie ist daher als angemessen anzusehen.203 Da die Organisationsregeln des CAS vorsehen, dass nur Personen mit besonderer juristischer Qualifikation in die geschlossene Schiedsrichterliste berufen werden können,204 ergeben sich auch hinsichtlich der Ausbildung der Richter205 keine Probleme mit Art. 6 Abs. 1 EMRK. Damit existieren schlussendlich ausreichend Regelungen, die die CAS-Schiedsrichter vor Druck von außen schützen.206 d) Unabhängigkeit des Gerichts aus der Sicht eines objektiven Beobachters Dem Merkmal der Unabhängigkeit des Gerichts aus Sicht eines objektiven Beobachters (äußeres Erscheinungsbild) kommt eine Auffangfunktion zu.207 Das äußere Erscheinungsbild stellt mittlerweile das von den Konventionsorganen am häufigsten herangezogene Merkmal dar.208 Auch im Mutu/Pechstein-Verfahren setzte sich der EGMR ausschließlich mit dem äußeren Erscheinungsbild auseinander. Ein Verstoß gegen dieses Merkmal liegt nach Müller bereits dann vor, wenn „legitime, das heißt objektiv gerechtfertigte, Zweifel des Laien an der Un-
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Müller, Richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nach Art. 6 EMRK,
200 Zu den Voraussetzungen an die Unabsetzbarkeit: Müller, Richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nach Art. 6 EMRK, S. 64 f. m. N. zur Rspr. 201 Art. R46, R59 CAS-Code; Art. A21 CAS-ADD Rules. 202 Die Stundensätze der CAS-Schiedsrichter ergeben sich nach der Höhe des Streitwertes: CAS, http://go.wwu.de/s3mx8. 203 Vgl.: Müller, Richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nach Art. 6 EMRK, S. 66. 204 Art. S14 CAS-Code; Art. A8 CAS-ADD Rules i. V. m. S14 CAS-Code. 205 Hierzu: Müller, Richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nach Art. 6 EMRK, S. 67. 206 Ebenso: Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 279, 281. 207 Müller, Richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nach Art. 6 EMRK, S. 67, 70, kritisch: S. 73, 96. 208 Müller, Richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nach Art. 6 EMRK, S. 67, 70, kritisch: S. 73, 96.
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abhängigkeit des Gerichts aufgrund seines Erscheinungsbildes nach außen“ bestehen.209 Der EGMR stellte in Mutu/Pechstein zunächst den Mechanismus zur Besetzung des ICAS und der Benennung der CAS-Schiedsrichterliste dar.210 Aus dem Besetzungsmechanismus des ICAS ergebe sich, so der EGMR, eine Nähebeziehung zwischen dem ICAS und den Sportverbänden.211 Dies sorge aber keinesfalls dafür, dass die Unabhängigkeit der CAS-Schiedsrichter nicht gegeben sei.212 Schließlich erfasse die CAS-Schiedsrichterliste über 300 Personen.213 Außerdem seien keine Beweise dafür vorgebracht worden, dass der Einfluss der Sportverbände auf die Benennung der Personen für die CAS-Schiedsrichterliste dazu führe, dass die Mehrheit dieser Schiedsrichter als nicht unabhängig anzusehen seien.214 Auch die Finanzierung des CAS durch die Sportverbände ändere hieran nichts. Die Konstellation sei mit der Finanzierung von Gerichten durch den Staatshaushalt vergleichbar.215 In Fällen mit Beteiligung des Staates als Streitpartei liege es aber fern, die Parteilichkeit des Gerichtes anzunehmen.216 Auch in der Befugnis des CAS-Generalsekretärs, die ihm zwingend vorzulegenden Schiedssprüche in förmlicher Hinsicht zu korrigieren und das Schiedspanel auf Fundamentalfragen hinzuweisen,217 sah der EGMR in Mutu/ Pechstein kein Problem.218 Es könne in dem Fall nicht bewiesen werden, dass eine Änderung des Schiedsspruchs (zulasten Pechsteins) wegen eines Eingreifens des CAS-Generalsekretärs vollzogen wurde.219 Damit greift der EGMR jene Punkte auf, die in dieser Untersuchung bereits im Rahmen der Abgrenzung des CAS als echtes oder unechtes Schiedsgericht diskutiert und eingeordnet wurden (Kap. 3. A. II.220). Für die Übertragung dieser 209 Müller, Richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nach Art. 6 EMRK, S. 72. 210 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 153 f. – Mutu/Pechstein. Dabei ordnet der EGMR die Sportverbände einem gemeinsamen Lager zu: Hülskötter, SpuRt 2018, 261 (262). 211 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 155 – Mutu/Pechstein. 212 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 177 – Mutu/Pechstein. 213 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 157 – Mutu/Pechstein. 214 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 157 – Mutu/Pechstein. 215 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 151 – Mutu/Pechstein. 216 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 151 – Mutu/Pechstein. 217 Art. R46 S. 5, R59 Abs. 2 S. 1 CAS-Code. 218 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 158 – Mutu/Pechstein. 219 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 158 – Mutu/Pechstein. 220 Siehe: S. 42 ff.
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Diskussion muss gefragt werden, wie diese Feststellungen aus Sicht eines objektiven Beobachters wirken. Nicht zuletzt wegen der Berichterstattung der Tagespresse über den CAS221 ist auch für objektive Beobachter nachvollziehbar, wie die Personen der geschlossene Schiedsrichterliste des CAS benannt werden. Der Berufungsmechanismus kann bei einem objektiven Beobachter Zweifel an der Unabhängigkeit der CAS-Schiedsrichter hervorrufen. Damit diese Zweifel auf einer objektiven Basis nachvollziehbar sind, muss aber auch hier der tatsächliche Einfluss der Sportverbände auf die CAS-Schiedsrichterliste beachtet werden. Nach der Berechnung in Kap. 3. A. II. 1. b)222 wird ein Drittel der Schiedsrichter (131) mittelbar durch das IOC ausgewählt und circa 0,02 Schiedsrichter werden mittelbar durch den DHB ausgewählt. Bei objektiver Betrachtung dieser Zahlen, in Kombination mit der Berufung und Stellung der Präsidenten der CAS Divisionen, werden Dritte zu dem Ergebnis kommen, dass der CAS gegenüber dem IOC nicht als unabhängig angesehen werden kann, da der äußere Anschein der Unabhängigkeit nicht gegeben ist. Bei dem geringen mittelbaren Einfluss des DHB auf die Schiedsrichterbestellung ist der äußere Anschein der Unabhängigkeit aus Sicht eines objektiven Betrachters hingegen gegeben.223 Weder aus der Finanzierung des CAS noch aus der Kompetenz des CAS-Generalsekretärs lässt sich aus Sicht eines objektiven Betrachters etwas anderes ableiten als in Kap. 3. A. II. 2., 4., 5.224 bereits festgestellt.225 e) Ergebnis Aus den hier geprüften Punkten ergibt sich das gleiche Ergebnis wie bei der Frage, ob der CAS ein echtes oder ein unechtes Schiedsgericht darstellt. Entscheidend ist, welchen tatsächlichen Einfluss die Streitparteien auf die Schiedsrichterbestellung haben. Den Feststellungen in Kap. 3. A. II.226 folgend, genügt der CAS den Unabhängigkeitsvoraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK dann nicht, wenn Athleten und das IOC am Verfahren beteiligt sind. Bei Streitsachen zwischen anderen Verbänden und Athleten ist das Unabhängigkeitserfordernis hingegen gewahrt.
221 Siehe nur beispielsweise: ARD Radio Recherche Sport, Die mächtigen Männer im Sport, go.wwu.de/5iboc. 222 Siehe: S. 49 ff. 223 A. A.: Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 271–274. 224 Siehe: S. 55 ff. 225 Ebenso: Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 274–278. 226 Siehe: S. 42 ff.
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4. Öffentlichkeit Neben den ausgeführten Organisationsgarantien beinhaltetet Art. 6 Abs. 1 EMRK auch die Verfahrensgarantien der Öffentlichkeit227 des gerichtlichen Verfahrens sowie der Öffentlichkeit der Verkündung des Urteils. Öffentlichkeit des Verfahrens bedeutet, dass die Verhandlung für jedermann zugänglich sein muss (Volksöffentlichkeit).228 Die Verfahrensregeln des CAS waren bis zum 31.12.2018 schon von Grund auf nicht mit einer solchen Öffentlichkeitsgarantie vereinbar.229 Nach dem CAS-Code 2017 fanden alle Anhörungen vor dem CAS grundsätzlich nichtöffentlich statt.230 Als Reaktion auf das EGMR-Urteil in Mutu/Pechstein sind die Verfahrensvorschriften über die Öffentlichkeit (beziehungsweise Vertraulichkeit) von Anhörungen vor dem CAS zum Teil durch den neuen CAS-Code 2019 angepasst worden. Lediglich bei den Regelungen für die Ordinary Division ist keine Änderung der Organisations- und Verfahrensregeln des CAS vorgenommen worden. Dessen Anhörungen sind weiterhin vertraulich, es sei denn, die Parteien einigen sich auf deren Öffentlichkeit.231 Dementsprechend ist die Öffentlichkeit davon abhängig, dass beide Parteien zustimmen. Die jedem Athleten zukommenden Garantie eines öffentlichen Verfahrens wird daher mit dieser Regelung nicht genüge getan; es besteht eine Abhängigkeit von der Zustimmung der Gegenseite. Darin liegt ein Verstoß gegen die Garantie der Öffentlichkeit des Verfahrens. Bei Verfahren vor der Anti-Doping Division sowie der Appeals Division (sofern diese Disziplinarstreitigkeiten zum Inhalt haben) können die Athleten als natürliche Personen nunmehr öffentliche Anhörungen beantragen.232 Dieser Antrag kann nur auf Grundlage von Interessen der Moral, der öffentlichen Ordnung und der nationalen Sicherheit abgelehnt werden, beziehungsweise wenn der Jugendschutz oder der Schutz der Privatsphäre einer der Parteien dies verlangt.233 Darüber hinaus kann der Antrag abgelehnt werden, wenn eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde und wenn in 227 Zur Abgrenzung der unterschiedlichen Begriffe siehe: Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, S. 9–14. 228 Anstelle vieler: Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 24 Rn. 86. 229 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 183 – Mutu/Pechstein. 230 Art. R44.2 Abs. 2 S. 2 CAS-Code (Regelung hat sich für die Ordinary Division nicht geändert); Art. R57 Abs. 3 i. V. m. Art. R44.2 Abs. 2 S. 2 CAS-Code 2017 (Appeals Divison). 231 Art. R44.2 Abs. 2 S. 2 CAS-Code. 232 Art. R57 Abs. 2 S. 3 CAS-Code; Art. A19.3 Abs. 3 S. 3 CAS-ADD Rules. 233 Art. R57 Abs. 2 S. 4 CAS-Code; Art. A19 Abs. 3 S. 4 CAS-ADD Rules.
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Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung
dem Verfahren ausschließlich Rechtsfragen zu klären sind.234 Zusätzlich muss dem Antrag auf Öffentlichkeit bei Verfahren vor der Appeals Division nicht stattgegeben werden, wenn die Anhörung der ersten Instanz öffentlich war.235 Im Ergebnis können die Athleten 236 ihre Garantie auf ein öffentliches Verfahren vor der Anti-Doping Division und der Appeals Division (sofern Disziplinarstreitigkeiten verhandelt werden) durch eine Anfrage auf öffentliche Verhandlung erreichen. Bei den Möglichkeiten, den Antrag auf öffentliche Anhörung abzulehnen, handelt es sich ausschließlich um solche, die unmittelbar in Art. 6 Abs. 1 S. 2 EMRK anerkannt genannt sind beziehungsweise durch den EGMR in seiner Rechtsprechung anerkannt wurden.237 Dementsprechend haben die Anpassungen des CAS-Codes dazu geführt, dass nunmehr nur bei Verfahren vor der Ordinary Division und bei Verfahren vor der Appeal Division, die keine Disziplinarstreitigkeiten zum Inhalt haben, die Garantie eines öffentlichen Verfahrens nicht gewährleistet ist. Aus der Verfahrensgarantie der Öffentlichkeit des Urteils folgt nicht, dass das Urteil in einer bestimmten Art verkündet werden muss.238 Notwendig ist jedoch, dass die Öffentlichkeit auf irgendeine Weise Zugang zu dem Urteil erlangen kann.239 Diesbezüglich ist problematisch, dass die Schiedssprüche der Ordinary Division nicht veröffentlicht werden, es sei denn, alle beteiligten Parteien stimmen einer Veröffentlichung zu, oder der Divisionspräsident entscheidet, dass der Schiedsspruch veröffentlicht werden soll.240 Die Zustimmung der unterlegenen Partei wird aber in der Regel nicht gegeben, sodass eine Veröffentlichung der Schiedssprüche der Ordinary Division selten ist.241 Bei Schiedssprüchen der 234
Art. R57 Abs. 2 S. 4 CAS-Code; Art. A19 Abs. 3 S. 4 CAS-ADD Rules. Art. R57 Abs. 2 S. 4 CAS-Code. 236 Verbände sind keine natürlichen Personen und können daher keine Öffentlichkeit beantragen. 237 Siehe zu der Anerkennung dieser Ausnahmen von der Öffentlichkeitsgarantie: EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 177 m. w. N. – Mutu/Pechstein; EGMR, Guide on Article 6 of the European Convention on Human Rights, go.wwu.de/ b0twp, Rn. 347 m. N. zur Rspr. 238 EGMR, Guide on Article 6 of the European Convention on Human Rights, go.wwu. de/ b 0twp, Rn. 350 m. N. zur Rspr.; Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, in: MeyerLadewig/Nettesheim/Raumer, EMRK, Art. 6 Rn. 186. 239 EGMR, Guide on Article 6 of the European Convention on Human Rights, go.wwu. de/b0twp, Rn. 352; Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/ Raumer, EMRK, Art. 6 Rn. 186; Meyer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 6 Rn. 71. 240 Art. R43 S. 3 CAS-Code. Der Divisionspräsident darf diese Entscheidung aber nur dann treffen, wenn ein öffentliches Interesse und/oder berechtigte Gründe an der Veröffentlichung vorliegen: Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R43 Rn. 5. 241 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R43 Rn. 8. 235
B. Völkerrechtliche Grundlagen
99
Appeals Division veröffentlicht der CAS den Schiedsspruch, eine Zusammenfassung und/oder eine Pressemitteilung, es sei denn, die Parteien einigen sich darauf, dass der Schiedsspruch vertraulich bleiben soll.242 Dementsprechend genügen die Schiedssprüche der Ordinary Division nicht den Ansprüchen des Art. 6 Abs. 1 EMRK in Bezug auf die öffentliche Verkündung des Urteils, während die Schiedssprüche der Appeals Division diese Verfahrensgarantie wahren.243 Bei Verfahren vor der Anti-Doping Division veröffentlicht der CAS den Schiedsspruch, eine Zusammenfassung und/oder eine Pressemitteilung, sofern Sanktionen ausgesprochen werden und der Schiedsspruch final und bindend ist.244 Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass in den Fällen, in denen keine Sanktionen ausgesprochen werden, keine Veröffentlichung erfolgt.245 Es steht den Parteien lediglich frei, die Veröffentlichung des Schiedsspruches zu vereinbaren.246 Daneben kann der Divisionspräsident entscheiden, dass ein Schiedsspruch auch ohne den Ausspruch von Sanktionen veröffentlicht wird.247 Im Ergebnis wird der Garantie der öffentlichen Verkündung daher nicht entsprochen, wenn der Schiedsspruch der Ant-Doping Division keine Sanktionen beinhaltet. Schlussendlich stellen CAS-Schiedsvereinbarungen nur dann keinen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK dar, wenn in ihnen wirksam auf die oben herausgearbeiteten Teile der Öffentlichkeitsgarantie verzichtet wurde.248 Während Einigkeit darüber besteht, dass ein solcher Verzicht möglich ist,249 herrscht Uneinigkeit über dessen Wirksamkeitsvoraussetzungen. Die Analyse dieser Wirksamkeitsvoraussetzungen wird in Kap. 6. B.250 vorgenommen.
242
Art. R59 Abs. 7 CAS-Code. In der Praxis kommt es fast immer zur Veröffentlichung des Schiedsspruches, da die obsiegende Partei einer Vertraulichkeit nicht zustimmt. Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R43 Rn. 9, R59 Rn. 77. 243 So vermutlich auch der EGMR in Mutu/Pechstein. In der Causa Pechstein hat die Appeals Division entschieden, weshalb die Entscheidung auch veröffentlicht wurde (CAS, Schiedsspruch v. 25.11.2009, CAS 2009/A /1912-1913 – Pechstein/ISU), sodass die Frage der Öffentlichkeit der Entscheidung nicht diskutiert werden musste: Hülskötter, SpuRt 2018, 261 (263). 244 Art. A21 Abs. 6 S. 1 CAS-ADD Rules. 245 Vgl. zu dem Rückschluss auch: Art. A21 Abs. 3 S. 2 und 3 CAS-ADD Rules. 246 Art. A26 Abs. 2 CAS-ADD Rules i. V. m. Art. 43 S. 3 analog CAS-Code. 247 Art. A26 Abs. 2 CAS-ADD Rules i. V. m. Art. 43 S. 3 analog CAS-Code. 248 Hiervon ausgenommen ist nach den obigen Feststellungen die Öffentlichkeit des Schiedsspruches der Appeals Division. 249 Siehe nur: Meyer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 6 Rn. 69 m. w. N. 250 Siehe: S. 205 ff.
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Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung
II. Vereinigungsfreiheit, Art. 11 Abs. 1 EMRK Ähnlich zur Vereins- und Verbandsfreiheit des GG verfügt auch die EMRK über eine Norm zur Vereinigungsfreiheit, aus der sich Rechte für Sportvereine und Sportverbände ableiten lassen. Als Vereinigung gelten „alle auf Dauer angelegten, organisatorisch verfestigten Zusammenschlüsse zu einer Organisation, unabhängig von ihrer Qualifikation als ‚Verein‘ nach nationalem Recht“.251 Unerheblich ist, ob die Vereinigung wirtschaftlich tätig ist oder nicht.252 Art. 11 EMRK schützt das Gründen einer Vereinigung sowie das Beitreten zu dieser (positive Vereinigungsfreiheit).253 Um dem Recht aus Art. 11 EMRK Wirkung zukommen zu lassen, sind alle Tätigkeiten zur Förderung des Vereinigungszwecks umfasst.254 In der Literatur wird daher davon ausgegangen, dass Art. 11 EMRK die Setzung von Regeln wie Satzungen und Rechtspflegeordnungen durch Vereine umfasst.255 Dies beinhaltet auch das Einfügen von Schiedsanordnungen.256
III. UNESCO Internationales Übereinkommen gegen Doping im Sport Im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit von Sportschiedsvereinbarungen wird zum Teil der World Anti-Doping Code herangezogen.257 251 Es handelt sich hierbei um eine konventionsrechliche, autonome Definition. Anstelle aller: Arndt/Engels, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 11 Rn. 27; Grabenwarter/ Pabel, EMRK, § 23 Rn. 86 m. N zu Lit. und Rspr. 252 So: Bröhmer, in: Dörr/G rote/Marauhn, EMRK/G G, Kap. 19 Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit Rn. 47 m. N. zur a. A. und dem Hinweis, dass hierzu noch keine Entscheidungen vorliegen. 253 Arndt/Engels, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 11 Rn. 31 m. N. zur Rspr. 254 Arndt/Engels, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 11 Rn. 31 m. N. zur Rspr.; ebenso: Seidel, HB Grund- und Menschenrechte, S. 128; Villiger, HB EMRK, Rn. 637; Marauhn, in: Ehlers, EuGR, § 4 Kommunikationsgrundrechte Rn. 77. 255 Siehe: Heermann, ZIP 2017, 253 (255), der bei der Diskussion um die Bindung an die Sanktionsvorschriften übergeordneter Verbände auf Art. 11 EMRK verweist. 256 So vermutlich auch: Adolphsen, Das Dopingproblem als Gegenstand selbstregulierender Ordnung des Sports, in: Höfling, Doping – warum nicht?, S. 57 (58 f.), der bei Nennung der Vereinigungsfreiheit in einem Satz auf Art. 11 EMRK, Art. 12 GRCh und im Folgesatz auf Art. 9 GG verweist. In rechtsvergleichender Hinsicht (gleichwohl vermutlich auf das nationale Recht bezogen) stellt er fest, dass sich für Europa feststellen lässt, dass die Vereinsfreiheit „die Freiheit der Bildung vereinsinterner (Straf-)Vorschriften und die Freiheit […], diese Regeln durchzusetzen“ umfasst. 257 Siehe nur beispielhaft: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2273 Rn. 59) – Pechstein III; Adolphsen, SchiedsVZ 2004, 169 (173).
B. Völkerrechtliche Grundlagen
101
Ziel des WADC ist es, dass bei sportlichen Wettkämpfen keine Athleten starten, die sich leistungssteigernde Mittel im Sinne des Codes zugeführt haben.258 Die Einhaltung des WADC wird durch die WADA und die nationalen Anti- Doping Agenturen (in Deutschland: NADA) überwacht. Vermutet die zuständige Agentur, dass ein Verstoß gegen den WADC vorliegt, so muss der beschuldigten Person zunächst in einer fairen Anhörung die Möglichkeit dazu gegeben werden, sich zu dem Vorwurf zu äußern.259 Gegen die Entscheidung der Dopingagentur auf Grundlage des WADC können nach Art. 8.4, 13.1–13.2 WADC Rechtsmittel eingelegt werden.260 Sind Athleten internationalen Levels261 oder Teilnehmer eines internationalen Wettkampfes betroffen, so sind Rechtsmittel262 ausschließlich zum CAS statthaft.263 Handelt es sich um einen nationalen Wettkampf, sind die Regeln der zuständigen nationalen Anti-Doping Behörde entscheidend.264 Im NADC ist vorgesehen, dass ein Disziplinarverfahren eröffnet wird, wenn ein Verstoß gegen den NADC nicht auszuschließen ist.265 Das Disziplinarverfahren wird in der Regel vor dem Deutschen Sportschiedsgericht (Disziplinarorgan) geführt.266 Entscheidungen dieses Disziplinarorgans auf Grundlage des NADC sind durch den CAS in einem De-novo-Verfahren überprüfbar.267 Rechtswirksame Entscheidungen dieser Streitentscheidungsstellen sind weltweit für alle Unterzeichner des WADC verbindlich.268 Beim WADC handelt es sich allerdings um einen privatrechtlichen Vertrag.269 Dementsprechend bindet der WADC nur die Parteien, die den WADC unterzeich258
Introduction WADC. Art. 8.1 WADC. 260 Bei Athleten auf internationalem Level gibt es die Möglichkeit, die Anhörung der Dopingagentur zu überspringen und unmittelbar den Weg des Rechtsmittels zu gehen, Art. 8.5 WADC. 261 Siehe zu diesem Begriff: Adolphsen, Umsetzung des Welt Anti-Doping Codes in Deutschland, in: Vieweg, Perspektiven des Sportrechts, S. 81 (86 f.), der danach unterscheidet, ob der Wettkampf nach einem internationalen oder einem nationalen Regelwerk ausgeschrieben ist. 262 Art. 13.2.3 WADC bestimmt, welche Personen/Organisationen ein solches Rechtsmittel wirksam vorbringen können. 263 Art. 13.2.1 WADC. Zu den Lücken von Art. 13 WADC: Haas, in: Healey/ Haas, Doping in sport and the law, Revising the World Anti-Doping Code S. 35. 264 Art. 13.2.2 WADC. 265 Art. 12.1.1 NADC. 266 Art. 12.1.3 NADC. 267 Art. 13.1, 13.1.1 NADC. Siehe auch Kommentar [der NADA] zu Art. 13.1.2 NADC und zum Prüfungsmaßstab auch Art. R57 Abs. 1 S. 1, 2 CAS-Code. 268 Art. 15.1 WADC. 269 Adolphsen, Umsetzung des Welt Anti-Doping Codes in Deutschland, in: Vieweg, Perspektiven des Sportrechts, S. 81 (83). Obwohl der WADC damit nicht als höherrangiges 259
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Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung
net haben.270 Eine Unterzeichnung durch Deutschland liegt nicht vor,271 weshalb die Anordnung einer verpflichtenden Sportschiedsgerichtsbarkeit durch den CAS im WADC keine unmittelbaren Auswirkungen auf das deutsche Recht hat. Eine mittelbare Bindung an den WADC könnte sich jedoch daraus ergeben, dass Deutschland mit dem ÜDopSp einen völkerrechtlichen Vertrag, der sich auf den WADC bezieht, unterzeichnet272 und auch umgesetzt273 hat. Mit dem ÜDopSp soll Doping im Sport bekämpft und verhütet werden, wobei als finales Ziel die „vollständige Ausmerzung“ von Doping genannt wird (Art. 1 ÜDopSp). Deutschland hat sich durch Art. 5 ÜDopSp dazu verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Verpflichtungen des ÜDopSp nachzukommen. Grundlage für diese Maßnahmen gemäß Art. 5 ÜDopSp sind laut Art. 4 Abs. 1 ÜDopSp „die Grundsätze[…]“ des WADC. Dementsprechend kann Deutschland durch das ÜDopSp nur dann zur Einführung einer Sportschiedsgerichtsbarkeit zum CAS verpflichtet sein, wenn diese ein Grundsatz des WADC ist.274 Gegen eine Einordnung des Art. 13 WADC als Grundsatz des WADC sprechen allerdings mehrere Gründe: 1. Die Präambel des WADC normiert die Ziele des WADC.275 Diese Ziele bestimmen, welchen übergeordneten Werten der WADC dienen soll. Die Normen, die diese Werte stützen, müssen daher auch als Grundlagen des Codes angesehen werden. In der Präambel wird aber lediglich auf das notwendige Nebeneinander von staatlichen Organen und Vereinsorganen276 hingewiesen, um dem Grundsatz des Fair Play Genüge zu tun.277 Ein Hinweis auf eine echte Schiedsgerichtsbarkeit Recht anzusehen ist, zwingt die mögliche Verbindung mit dem ÜDopSp dazu, den WADC an dieser Stelle zu behandeln. 270 Kotzenberg, Die Bindung des Sportlers an private Dopingregeln und private Schiedsgerichte, S. 30; Sullivan, in: Healey/Haas, Doping in sport and the law, The World- Anti-Doping Code and Contract Law S. 61. 271 Vgl.: WADA, http://go.wwu.de/nf56w. 272 Siehe die Auflistung: UNESCO, http://go.wwu.de/g7d3c. 273 BGBl. II 9/2007, S. 354–396. 274 Zur Schwierigkeit den Inhalt des Begriffs zu bestimmen und zur Frage, ob die CAS-Schiedsvereinbarungen erfasst sind: Schmidt, Internationale Dopingbekämpfung, S. 86 f.; Schmidt, Internationale Grundlagen der Dopingbekämpfung und ihre Umsetzung ins deutsche Recht, in: Vieweg, Facetten des Sportrechts, S. 207 (212 f.). Im Englischen: „principles of the Code“ und im Französischen „principles énoncés dans le Code“. 275 Ebenfalls mit der Präambel als Entscheidungsfaktor argumentierend: Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 18. 276 Die Rechtsprechungsorgane von Sportverbänden sind in den meisten Fällen unechte Schiedsgerichte. Vgl. hierzu: Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 87–180. Ein Hinweis auf echte Schiedsgerichtsbarkeit kann der Aussage daher nicht in einer überzeugenden Weise entnommen werden. 277 Erwägungsgrund 15 der Präambel ÜDopSp.
B. Völkerrechtliche Grundlagen
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besteht in der Präambel nicht.278 Auch der in Art. 1 ÜDopSp bestimmte Zweck des Übereinkommens umfasst nicht explizit die Einführung oder Stärkung der Sportschiedsgerichtsbarkeit.279 2. Indem das ÜDopSp auf bestimmte Artikel des WADC explizit Bezug nimmt, macht es deutlich, dass es diese Artikel als besonders wichtig – also als Grundlage des WADC – ansieht.280 Eine Bezugnahme auf Art. 13 WADC beinhaltet das ÜDopSp nicht. 3. Auch Art. 22 WADC spricht dagegen, dass die Unterzeichnerstaaten durch das ÜDopSp verpflichtet werden, eine Schiedsgerichtsbarkeit in Dopingsachen einzurichten. Art. 22 WADC legt grundsätzlich die Erwartungen an die Unterzeichnerstaaten dar.281 In Art. 22.4 WADC wird aber nur die Erwartung formuliert, dass die Staaten Schiedsgerichtsbarkeit als bevorzugte Methode zur Streitbeilegung in Dopingsachen respektieren – eine (aktive) Einführung wird demnach nicht gefordert.282 4. Im Umsetzungsgesetz zum ÜDopSp283 ist keine Konkretisierung der Grundlagen des WADC vorgenommen worden. 5. In der Begründung zu § 11 AntiDopG wird pauschal behauptet, dass Deutschland in Folge der Unterzeichnung des ÜDopSp zur Umsetzung des WADC verpflichtet sei. Allerdings befassen sich die Gesetzgebungsmaterialien zu § 11 AntiDopG weder mit der Struktur und dem Wortlaut des ÜDopSp, noch wird erläutert, weshalb die Umsetzungsverpflichtung die Einführung einer Sportschiedsgerichtsbarkeit (für Dopingsachen) beinhalten sollte.284 Zudem hat sich der Gesetzgeber erst 2016 mit dem AntiDopG (und damit circa neun Jahre nach Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes zum ÜDopSp) einer
278
Vgl.: Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 18. I. E. ebenso: OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II, mit dem Hinweis, dass es sich bei Art. 13.2.1 WADC um eine Detailregelung handele. 280 Ebenso: Schmidt, Internationale Dopingbekämpfung, S. 87–89, wobei Sie dann auf S. 166–168 eine Bindung Deutschlands an den Art. 13.2.2 WADC über Art. 4 Abs. 1 WADC annimmt; Schmidt, Internationale Grundlagen der Dopingbekämpfung und ihre Umsetzung ins deutsche Recht, in: Vieweg, Facetten des Sportrechts, S. 207 (214), wobei auch hier auf S. 226 eine direkte Bindung Deutschlands an Art. 13.2.2 WADC vorgetragen wird. 281 Art. 22 S. 1 WADC. 282 In der entscheidenden (Art. 24 WADC) englischen Sprachfassung: „Each government will respect arbitration as the preferred means of resolving doping-related disputes […]“, Art. 22.4 WADC. 283 BGBl. II 9/2007 S. 354–396. 284 BT-Drs. 18/4898, S. 38. 279
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Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung
gesetzlichen Regelung der Sportschiedsgerichtsbarkeit gewidmet.285 Allein diese Verzögerung lässt daran zweifeln, dass sich der Gesetzgeber wegen des ÜDopSp dazu verpflichtet gefühlt hat, eine Sportschiedsgerichtsbarkeit in Dopingsachen einzuführen. Über das ÜDopSp ergibt sich keine völkerrechtliche Pflicht für die Bundesrepublik Deutschland, eine Sportschiedsgerichtsbarkeit in Dopingstreitigkeiten (im Sinne des § 13 WADC) zu implementieren.286 Weder WADC noch ÜDopSp haben daher rechtliche Auswirkungen auf die Fragestellung dieser Untersuchung.
C. Europäische Grundlagen Neben den Verfassungsnormen und den Regeln der EMRK verweisen einzelne Autoren in der Diskussion um oktroyierte Schiedsvereinbarungen auf die justiziellen Gewährleistungen der Grundrechtecharta in Art. 47 Abs 1, 2 GRCh.287 Darüber hinaus ist in der Debatte bislang unerwähnt geblieben, dass auch weitere 285
Vgl. dazu kritisch: Kap. 7. A. (S. 210 ff.). OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II. So wohl auch: Byrnes, in: Healey/Haas, Doping in sport and the law, Human Rights and the Anti-Doping Lex Sportiva S. 88; Blasius, DRZ 2010, 240 (243); Bleistein/ Degenhart, NJW 2015, 1353 (1355). I. E. ebenso: Heermann, Deutscher Bundestag, Sport ausschuss, Ausschussdrucksache 18 (5) 80, 5, der davon ausgeht, dass sich alleine aus dem Umsetzungsgesetz zum ÜDopSp für die Sportverbände eine gesetzliche Verpflichtung zur Forderung von Schiedsvereinbarungen zum CAS ergeben würde. Bei der Umsetzung müsse aber Unions- und Verfassungsrecht beachtet werden, weshalb es i. E. durch eine unions- und verfassungskonforme Auslegung nicht zu einer solchen gesetzlichen Pflicht kommt. Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (74), mit Nachweisen zur Gegenauffassung. Andere Ansicht: Adolphsen, SpuRt 2016, 46, der davon ausgeht, dass sich über das ÜDopSp für die Bundesrepublik Deutschland die Pflicht ergibt, eine Zwangsschiedsgerichtsbarkeit im Bereich des WADC (Art. 13) einzuführen. Der BGH beschränkt sich auf die unbegründete Feststellung, dass es sich wegen der Ratifizierung des ÜDopSp beim WADC um völkerrechtlich verpflichtendes Vertragsrecht handele. Er bezieht dies aber nur insoweit ein, dass er davon ausgeht, dass Sportverbände zur Festlegung einer Schiedsgerichtsbarkeit nach den Vorgaben des WADC verpflichtet seien: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272) – Pechstein III. Dies ist schon deshalb problematisch, da der BGH vorträgt, dass sich die Unterzeichnerstaaten „zur Einhaltung“ des WADC verpflichtet hätten. Damit lässt der BGH außen vor, dass Art. 4 Abs. 1 ÜDopSp von einer Verpflichtung zur Einhaltung der Grundsätze des Codes spricht. Auch der vom BGH genutzte Nachweis zu: Görtz, Anti-Doping-Maßnahmen im Hochleistungssport aus rechtlicher Sicht, S. 85, kann die Ansicht des BGH nicht stützen. Görtz diskutiert mitnichten, ob Art. 13 WADC zu den Grundlagen des WADC gehört. Er stellt lediglich fest, dass durch die Umsetzung des ÜDopSp „weite Teile des WADC von privat gesetzten Regeln zu völkerrechtlich verbindlichem Vertragsrecht“ geworden sind. 287 Zuck, SpuRt 2014, 5 (9); Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237 (239, 241). 286
C. Europäische Grundlagen
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Gewährleistungen der GRCh für die Wirksamkeit von oktroyierten Schiedsvereinbarungen zu beachten sein könnten. Hintergrund der eigentlich nicht vorhandenen Auseinandersetzung mit der GRCh ist vermutlich deren begrenzter Anwendungsbereich nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh und die weitreichende Interpretation dieser Rechte anhand der E MRK.288 Nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh gilt die GRCh für die Mitgliedstaaten nämlich ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Dies umfasst das gesamte Unionsrecht inklusive Sekundärrecht und Verträge.289 Infrage kommt hier insbesondere das EU-Kartellrecht, welches durch die Mitgliedstaaten bei Auswirkungen auf dem EU-Binnenmarkt unabhängig von dem sonst anwendbaren Recht angewendet werden muss (Auswirkungsprinzip).290
I. Verhältnis der GRCh zur EMRK Für das Verständnis der GRCh ist ihr Verhältnis zur EMRK von besonderer Bedeutung. Gemäß Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh 291 haben die Rechte der GRCh, die den Rechten der EMRK „entsprechen“, die gleiche „Bedeutung und Tragweite“ wie ihr Äquivalent in der EMRK. Daher muss geklärt werden, wann (1) infolge eines „Entsprechens“ der Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh anwendbar ist und (2) welchen inhaltlichen Einfluss die EMRK dadurch auf die GRCh hat. Uneinigkeit besteht darin, wie das Entsprechen von Rechten der EMRK und der GRCh zu bestimmen ist.292 Ein Abstellen alleine auf den Wortlaut des Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh würde zu einem Zirkelschluss führen.293 Der Inhalt eines Rechts der GRCh müsste hierfür zunächst ohne Rückgriff auf den Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh bestimmt werden, um eine Entsprechung feststellen zu können.294 Nachträglich wäre dieser Inhalt dann gemäß Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh an die EMRK-Norm anzupassen. Daher müssen Elemente außerhalb des Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh herangezogen werden, um ein Entsprechen festzustellen.
288
Siehe dazu: Kap. 4. C. I. (S. 105 ff.). Ladenburger/Vondung, in: Stern/Sachs, GRCh, Art. 51 Rn. 43. 290 EuGH, Urt. v. 06.09.2017, C-413/14 P, ECLI:EU:C:2017:632, Rn. 40–46 – Intel; Kling/Thomas, KartellR, § 4 Rn. 24–28; Emmerich/Lange, KartellR, § 3 Rn. 10–12; Berg, WuW 2018, 557. 291 Homogenitäts- oder Transferformel: Krämer, in: Stern/Sachs, GRCh, Art. 52 Rn. 10. 292 Kritisch in Bezug auf die Begrifflichkeit: Ziegenhorn, Der Einfluss der EMRK im Recht der EU-Grundrechtecharta, 112 f. 293 Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 52 Rn. 31. 294 Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 52 Rn. 31. 289
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Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung
Unbestritten ist, dass die Erläuterungen zur Charta der Grundrechte295 als Anhaltspunkte zur Bestimmung des Entsprechens dienen.296 In dieser Erläuterung wird festgestellt, dass ihr kein rechtlicher Status zukommt und sie daher (methodisch) nur als Interpretationshilfe dienen soll.297 Gleichwohl kommt der Erläuterung durch ihren unmittelbaren Anschluss an die Bekanntmachung der GRCh298 eine besondere Stellung zu.299 Für ein Heranziehen der Erläuterung zu Art. 52 GRCh spricht nicht nur der Punkt der Rechtssicherheit und Praktikabilität. 300 Dafür spricht ebenfalls, dass die in der Erläuterung enthaltende Auflistung von Normen der EMRK und GRCh, die sich entsprechen, in den Beratungsprozessen vor Abschluss der GRCh mehrfach durch Hirsch Ballin gefordert wurde.301 Die Zustimmung zur GRCh bezieht sich somit auch auf die Auflistung in den Erläuterungen zur GRCh.302 Daher werden die sich entsprechenden Rechte in GRCh und EMRK in dieser Untersuchung anhand der Feststellungen in den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte bestimmt.303 Die im Rahmen der Untersuchung relevant werdenden Normen, Art. 12 Abs. 1 GRCh und Art. 47 Abs. 2 S. 1 GRCh, entsprechen daher den Art. 11 und 6 Abs. 1 EMRK. Art. 15 Abs. 1 EMRK entspricht keiner Norm der EMRK. Die EMRK enthält keine Norm zur Berufsfreiheit. 295
ABl. 2007 C 303/17–35. Siehe nur: Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 52 31 f.; Krämer, in: Stern/Sachs, GRCh, Art. 52 Rn. 69. 297 ABl. 2007 C 303/17. 298 ABl. 2007 C 303/17–35. 299 So auch: Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 52 Rn. 31b. 300 Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 52 Rn. 31b. 301 Bernsdorff/Borowsky, GRCh, 16. Protokoll der Sechzehnten Sitzung des Konvents am 11./12. September 2000 S. 359; Bernsdorff/Borowsky, GRCh, 17. Protokoll der Siebzehnten Sitzung des Konvents (förmliche Tagung) am 25./26. September 2000 S. 391. Die spätere Erläuterung der Charta der Grundrechte wurde auch schon für den Entwurf der EMRK als Erläuterung der einzelnen Artikel genutzt: CHARTE 4471/00 CONVENT 48 vom 20.09.2000, Erläuterung zu Art. 51, S. 41–44. 302 Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 52 Rn. 31b. 303 So auch: Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 52 Rn. 31–32 m. w. N.; wohl auch: Niedo bitek, in: Merten/Papier, HB GR, § 159 Entwicklung und allgemeine Grundsätze Rn. 96– 99; Ehlers, in: Ehlers, EuGR, § 14 Allgemeine Lehren der Unionsgrundrechte Rn. 31. Anders: Danwitz, in: KöKo, GRCh, Art. 52 Rn. 54, der davon ausgeht, dass ein „Entsprechen“ vorliegt, wenn Normen der GRCh und der EMRK den gleichen Lebensbereich erfassten. Dass hierdurch ein anderes Ergebnis als bei Übernahme der Auflistung in den Erläuterungen zur GRCh erreicht wird, ist jedoch nicht zu erwarten. Krämer, in: Stern/Sachs, GRCh, Art. 52 Rn. 69, fordert ein nach grammatikalischer Auslegung bestehendes „semantisches Verhältnis der Identität oder der Inklusion“ oder ein durch historischer-genetischer Auslegung bestehendes „Verhältnis der Äquivalenz“. 296
C. Europäische Grundlagen
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In einem zweiten Schritt muss bestimmt werden, welche Auswirkungen das Entsprechen dieser Norm hat. Hierzu gibt es in der Literatur zwei Ansichten. Zum einen gibt es Autoren, die davon ausgehen, dass Rechte, die unter Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh fallen, inhaltsgleich mit denen der EMRK sind.304 Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh soll hiernach wie eine Inkorporationsklausel305 wirken. Im Gegensatz dazu gibt es Autoren, die der Meinung sind, die EMRK sei lediglich als Rechtserkenntnisquelle für die unter Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh fallenden Normen anzusehen.306 Eine (abschließende) Stellungnahme des EuGH steht hierzu noch aus.307 Untersucht man den deutschen Wortlaut von Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh, fällt auf, dass die „gleiche Bedeutung und Tragweite“ nur bedeutet, dass sich die Bedeutung und Tragweise „gleichen“308, also „sehr ähnlich“309 sind. Damit ergibt sich aus der deutschen Sprachfassung keine Identität zwischen den sich entsprechenden Normen von GRCh und EMRK. Hätte im Wortlaut eine solche Identität deutlich gemacht werden sollen, so hätte die Formulierung lauten müssen: […] dieselbe Bedeutung und Tragweite […].310 Zu beachten ist jedoch, dass die Unterscheidung zwischen „gleichen“ und „selben“ im deutschen Sprachgebrauch häufig nicht trennscharf gebraucht wird.311 Aus diesem Grund kann der Unterscheidung kein zwingendes Argument gegen eine Identität der sich entsprechenden Normen von EMRK und GRCh entnommen werden. Da weder die englische noch die französische Sprache die Entscheidung zwischen „das gleiche“ und „dasselbe“ so präzise kennt wie die deutsche Sprache, sind diese Sprachfassungen nur bedingt geeignet, die Frage zur Wortlautauslegung zu beantworten. Nichtsdes304
Siehe nur: Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 52 Rn. 31, der ganz deutlich von inhaltlicher Identität spricht. Terhechte, in: Groeben/Schwarze/Hatje, EuR, Art. 52 GRCh Rn. 15; Callewaert, EuGRZ 2003, 198 (200 f.). Ausführlich zum Streitstand wie der Art. 52 Abs. 3 GRCh zu verstehen ist: Ziegenhorn, Der Einfluss der EMRK im Recht der EU-Grundrechtecharta, S. 25–58, der i. E. (S. 264 These 5) wohl auch von einer Identität ausgeht. Vgl. auch: Naumann, Europarecht 2008, 424 (429 f.). 305 Begrifflichkeit nach: Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/A EUV, Art. 52 GRCh Rn. 34. 306 Siehe nur: Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/A EUV, Art. 52 GRCh Rn. 30; Cornis, in: Grabenwarter, EnzEuR, § 5 Schrankendogmatik Rn. 31 f.; Jarass, GRCh, Art. 51 Rn. 64; Ehlers, in: Ehlers, EuGR, § 14 Allgemeine Lehren der Unionsgrundrechte Rn. 6, 29; Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/A EUV, Art. 6 EUV Rn. 46. 307 So auch: Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 52 Rn. 30. 308 Duden, http://go.wwu.de/qufz4. 309 Duden, http://go.wwu.de/7h41s. 310 Duden, http://go.wwu.de/j670g, selbe als Abkürzung für dieselbe. Siehe zur Bedeutung eines solchen Rückschluss: Reimer, Methodenlehre, Rn. 289. 311 Vgl.: Duden, http://go.wwu.de/ l3db7, mit dem Hinweis, dass „das Gleiche“ umgangssprachlich auch als Synonym für dasselbe benutzt wird.
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Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung
totrotz deuten die englische („the meaning and scope shall be the same“) und französische („leur sens et leur portée sont les mêmes“) Sprachfassung wohl eher auf eine Identität hin.312 Durch „the same“ wird in der Regel eine Identität der Bedeutung und Tragweite gefordert.313 Ebenso ist der französische Wortlaut mit „les mêmes“ zu verstehen.314 Aus dem Wortlaut der Norm kann daher eher gefolgert werden, dass eine Identität der Normen gewollt ist. Auf systematischer Ebene vertritt Kingreen, dass Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh keine Inkorporation der EMRK in die GRCh bewirken kann, da die Absichtserklärung des Art. 6 Abs. 2 EUV (der EMRK beizutreten) auf diese Weise ins Leere liefe.315 Durch die Inkorporation wären die EU-Mitgliedstaaten bereits an die EMRK gebunden, eine unmittelbare Bindung der EU würde also rechtlich keine Änderung bewirken. Dieses Argument kann aber nur in Teilen überzeugen. Richtig ist, dass die Interpretation des Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh als Inkorporationsklausel bei den „entsprechenden“ Rechten dazu führen würde, dass eine unmittelbare Bindung an die EMRK keinen Unterschied in der Rechtslage bewirken würde. Allerdings erfasst Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh nicht alle Charta Grundrechte. Bei diesen greift das Argument der Absichtserklärung aus Art. 6 Abs. 2 EUV daher nicht. Im Ergebnis sprechen zwar gewichtige Gründe für eine Inkorporation der EMRK-Rechte in die GRCh, allerdings verbleiben auch Zweifel, zum Beispiel da eine Identität die Absichtserklärung des Art. 6 Abs. 2 EUV abschwächen würde. Bei der Wertung als Rechtserkenntnisquelle würde nach Kingreen „eine differenzierte materielle Rezeption der EMRK [erreicht]. Denn ‚Bedeutung und Tragweite‘ der Grundrechte bemessen sich nicht abschließend nach Maßgabe der EMRK und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EGMR, sondern ggf. auch aufgrund grammatischer, genetischer und insbesondere teleologischer Erwägungen.“316
Aus dieser Formulierung wird jedoch deutlich, dass eine solche „differenzierte materielle Rezeption der EMRK“ nur in Ausnahmefällen angezeigt ist.317 Anzeichen für einen solchen Ausnahmefall gibt es mit Hinblick auf die Fragestellung dieser Untersuchung nicht. Letztlich ist die Entscheidung der Streitfrage daher dogmatischer Natur und hat keine praktischen Auswirkungen auf die Fragen dieser Untersuchung,318 weshalb sie hier nicht beantwortet werden soll. 312
So auch: Bühler, Einschränkung von Grundrechten nach der GRCh, S. 314. Oxford Dictionary, http://go.wwu.de/6mbsl. 314 Rey, Dictionnaire historique de la langue française, S. 1378. 315 So: Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/A EUV, Art. 52 GRCh Rn. 37. 316 Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/A EUV, Art. 52 GRCh Rn. 37. 317 Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/A EUV, Art. 52 GRCh Rn. 37. 318 Siehe dazu die Prüfungen der einzelnen Rechte in Kap. 4. C. II., III. (S. 108 ff.). 313
C. Europäische Grundlagen
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II. Vereinigungsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GRCh Art. 12 Abs. 1 GRCh beinhaltet die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wobei im Kontext dieser Untersuchung allein die Vereinigungsfreiheit relevant wird. Nach der Erläuterung zu Art. 52 GRCh entspricht Art. 12 Abs. 1 GRCh dem Art. 11 der EMRK.319 Zur Bestimmung des Inhalts des Art. 12 Abs. 1 GRCh ist daher nach den Ausführungen in Kap. 4. C. I.320 maßgeblich auf die Rechtsprechung zu Art. 11 EMRK zurückzugreifen.321 Eine darüber hinausgehende Auslegung des Art. 12 Abs. 1 GRCh ist nicht angezeigt,322 weshalb vollständig auf die Ausführungen in Kap. 4. B. II.323 verwiesen werden kann.
III. Berufsfreiheit, Art. 15 Abs. 1 GRCh Die Berufsfreiheit in Art. 15 Abs. 1 GRCh stärkt die Interessen der Athleten. Sie entspricht keiner Norm der EMRK im Sinne des Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh, sondern ist auf Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofes geschaffen worden.324 Art. 15 Abs. 1 der GRCh gewährleistet jedem Menschen das Recht auf freie Berufsausübung.325 Ähnlich zu Art. 12 Abs. 1 GG326 wird Beruf als selbstständige oder unselbstständige erwerbsorientierte Tätigkeit, welche zum Wirtschaftsleben im Sinne von Art. 3 Abs. 3 EUV gehört, angesehen.327 Im Ergebnis schützt Art. 15 Abs. 1 GRCh daher eine umfangreiche „wirtschaftliche Betätigungsfreiheit“.328 Die Tätigkeit von Sportlern ist daher umfasst, wenn sie im Austausch 319
ABl. 2007 C 303/22. Siehe: S. 105 ff. 321 Pünder, in: Ehlers, EuGR, § 17 Kommunikationsgrundrechte Rn. 36. Zu einer klaren Bestimmung der Konturen des Art. 12 Abs. 1 GRCh führe dies aber auch nicht: Mann, in: Heselhaus/Nowak, HB EuGR, § 28 Vereinigungsfreiheit Rn. 19. 322 Vgl. z. B. die Kommentierung von: Rixen/Scharl, in: Stern/Sachs, GRCh, Art. 12. 323 Siehe: S. 100. 324 ABl. 2007 C 303/23. Trotzdem ist der Inhalt des Art. 15 Abs. 1 GRCh bisher nur in beschränktem Maße geklärt. Vgl. hierzu: Durner, in: Merten/Papier, HB GR, § 162 Wirtschaftliche Grundrechte Rn. 26. 325 Blanke, in: Stern/Sachs, GRCh, Art. 15 Rn. 31. 326 Vgl. hierzu auch: Ruffert, in: Ehlers, EuGR, § 19 Berufsfreiheit und unternehmerische Freiheit Rn. 1, der davon ausgeht, dass die Europäische Berufsfreiheit durch die deutsche Berufsfreiheit „genährt“ wurde. 327 Hierzu (inklusive Nachweis zu kritischen Stimmen): Durner, in: Merten/Papier, HB GR, § 162 Wirtschaftliche Grundrechte Rn. 26. Eine Definition des EuGH gibt es bisweilen nicht: Bernsdorff, in: Meyer, GRCh, Art. 15 Rn. 17. 328 So ausdrücklich (aber für den Zeitraum vor Einführung der GRCh): Jarass, GRCh, Art. 15 Rn. 2. 320
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Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung
für eine Vergütung vorgenommen wird und nicht als untergeordnete Tätigkeit angesehen werden muss.329 Zur Sicherung der freien Berufsausübung umfasst die Berufsfreiheit des Art. 15 Abs. 1 GRCh auch Elemente der Vertragsfreiheit,330 also das Recht berufliche Verträge mit dem selbstgewählten Vertragspartner frei auszuhandeln.
IV. Rechtsschutzgewährleistung, Art. 47 Abs. 2 S. 1 GRCh Die GRCh enthält in Art. 47 Abs. 2 S. 1 eine Rechtsschutzgarantie, auf die sich die Athleten berufen können. Nach der Erklärung zu Art. 52 GRCh entspricht der Art. 47 Abs. 2 S. 1 GRCh dem Art. 6 Abs. 1 EMRK.331 Auch in diesem Fall gibt es keinen Anlass, auf Grundlage grammatikalischer, genetischer oder teleologischer Auslegung der Norm von der Auslegung des Art. 6 Abs. 1 EMRK abzuweichen.332 Daher ist für den Inhalt des Art. 47 Abs. 2 S. 1 GRCh uneingeschränkt auf die Ausführungen in Kap. 4. B. I.333 zu verweisen. Eine Besonderheit für die Anwendung des Art. 47 Abs. 2 S. 1 GRCh ergibt sich für diese Untersuchung daraus, dass Art. 47 Abs. 2 und Abs. 1 GRCh ein gemeinsames Grundrecht darstellen.334 Daher ist Art. 47 Abs. 2 S. 1 GRCh nur für solche Verfahren heranzuziehen, in denen der Verstoß gegen das Unionsrecht vorgetragen335 wird.Im Rahmen der Fragestellung der Untersuchung ist dies die Möglichkeit eines Verstoßes gegen das EU-Kartellrecht.336
329
EuGH, Urt. v. 11.04.2000, C-51/96, C-191/97, ECLI:EU:C:2000:199, Rn. 41, 46, 53 f. – Deliège. 330 EuGH, Urt. v. 10.07.1991, C-90/90, C-91/90, ECLI:EU:C:1991:303, Rn. 13 – Jean Neu; Bernsdorff, in: Meyer, GRCh, Art. 16 Rn. 12. 331 ABl. 2007 C 303/30. 332 Vgl. nur: Eser, in: Meyer, GRCh, § 47 Rn. 27. 333 Siehe: S. 82 ff. 334 Jarass, GRCh, § 47 Rn. 2 m. w. N. zum Streitstand. 335 Dies umfasst aber auch nationalstaatliche Rechte, die Regelungen des Unionsrechts umsetzen oder durchführen: Blanke, in: Calliess/Ruffert, EUV/A EUV, Art. 47 GRCh Rn. 6; Jarass, GRCh, Art. 47 Rn. 4. Die Verletzung des Unionsrechts muss dabei noch nicht festgestellt worden sein, es genügt, wenn diese in vertretbarer Weise begründet wird: Magiera, in: Merten/Papier, HB GR, § 161 Bürgerrechte und justitielle Grundrechte Rn. 68 m. w. N.; Blanke, in: Calliess/Ruffert, EUV/A EUV, Art. 47 GRCh Rn. 6. 336 Siehe: Kap. 7. B. (S. 217 ff.).
D. Wesentliche Erkenntnisse des Kapitels 4
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D. Wesentliche Erkenntnisse des Kapitels 4 Die Frage der Wirksamkeit von Sportschiedsvereinbarungen kann ohne die Einbeziehung von verfassungs-, europarechtlichen und völkerrechtlichen Normen nicht umfassend untersucht werden. Diese höherrangigen Normen wirken sich im Wege der mittelbaren Drittwirkung auf die Zivilrechtsbeziehung Sportveranstalter-Athlet aus. Verfassungsrecht Damit die Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) durch mächtige Vertragspartner nicht ausgenutzt werden kann, enthält diese eine Schutzfunktion. Danach sind die ordentlichen Gerichte verpflichtet, eine Inhaltskontrolle eines Vertrages vorzunehmen, wenn folgende Merkmale kumulativ vorliegen: 1. Zwischen den Parteien besteht eine gestörte Verhandlungsparität. 2. Die schwächere Partei wird durch den Vertrag ungewöhnlich stark belastet (Abwägung der Vertragsfolgen). 3. Die Belastung beruht kausal auf der Fremdbestimmtheit. Im Rahmen dieser notwendigen Inhaltskontrolle müssen dann die kollidierenden Grundrechtspositionen in praktische Konkordanz zueinander gebracht werden. Dies kann wiederum eine richterliche Vertragskorrektur erfordern. Die Vereins- und Verbandsfreiheit erlaubt es Sportverbänden, Regeln zur Durchsetzung ihrer Verbandsnormen zu verabschieden. Die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) erfasst auch Athleten, die mit der Teilnahme an Wettkämpfen ihren Lebensunterhalt erwirtschaften. Der Justizgewähranspruch (Art. 20 Abs. 3 GG i. V. m. den Grundrechten) garantiert, dass für Streitigkeiten zwischen Privaten die Möglichkeit einer Streitentscheidung durch die staatlichen Gerichte besteht. Daher verstoßen Schiedsvereinbarungen grundsätzlich gegen den Justizgewähranspruch der Unterzeichner. Allerdings können die Streitparteien von ihrem Recht aus der Vertragsfreiheit Gebrauch machen und daher durch die Unterzeichnung einer Schiedsvereinbarung auf den Justizgewähranspruch verzichten. Völkerrecht Das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK) garantiert, dass zivilrechtliche Ansprüche vor einem auf Gesetz beruhenden Gericht entschieden werden. Der CAS fällt nicht unter diese Garantie, da er nicht durch ein Parlamentsgesetz eingerichtet wurde. Die weitere Organisationsgarantie der Unabhängigkeit wird hingegen durch den CAS gewahrt, solange das IOC keine Partei des
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Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung
konkreten Verfahrens ist. Für diese Feststellung ist entscheidend auf die Argumente zur Abgrenzung des CAS als echtes beziehungsweise unechtes Schiedsgericht zurückzugreifen. Die ebenfalls von Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierte Öffentlichkeit von Verfahren und Schiedsspruch wird durch die CAS-Verfahrensregeln nur in Teilen eingehalten. Es ist allerdings möglich, dass die Streitparteien durch die Unterzeichnung einer Schiedsvereinbarung auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK verzichten. Die Vereinigungsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 EMRK) gibt Sportverbänden das Recht, Regelungen zur Streitbeilegung in ihre Satzungen und Ordnungen aufzunehmen. Das ÜDopSp sowie der WADC haben keinen Einfluss auf die Diskussion um die Wirksamkeit von Sportschiedsvereinbarungen nach deutschem Recht. Der WADC beinhaltet zwar mit Art. 13 eine Norm, die die Einführung einer Zwangsschiedsgerichtsbarkeit in Dopingsachen fordert, allerdings hat der WADC keine Auswirkungen auf das in Deutschland geltende Recht. Das ÜDopSp als völkerrechtliches Abkommen verpflichtet Deutschland nur dazu, die Grundsätze des WADC einzuhalten. Der Art. 13 WADC zählt aber nicht zu den Grundsätzen des WADC. Europarecht Die GRCh und die EMRK sind durch Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh eng verknüpft. Hiernach haben sich entsprechende Rechte in GRCh und EMRK die gleiche Bedeutung und Tragweite. Ob sich entsprechende Rechte der GRCh und der EMRK gemäß Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh identische Inhalte haben, oder ob die EMKR in diesen Fällen nur als Rechtserkenntnisquelle für die GRCh herangezogen werden kann, macht für die Fragestellung der Untersuchung keinen Unterschied. Nach beiden Interpretationswegen ergeben sich keine relevanten Unterschiede zwischen den sich entsprechenden Rechten der Vereinigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GRCh und Art. 11 Abs. 1 EMRK) und der Rechtsschutzgewährleistung (Art. 47 Abs. 2 S. 1 GRCh und Art. 6 Abs. 1 EMRK). Diese Rechte der GRCh gewähren daher denselben Schutzstandard wie ihre Pendants in der EMRK. Die Berufsfreiheit des Art. 15 Abs. 1 GRCh schützt die Teilnehme von Athleten an Wettkämpfen als deren Berufsausübung. Die GRCh gilt jedoch gemäß Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh für die Mitgliedstaaten nur bei der Durchführung des Rechts der Union.
Kapitel 5
Verzicht auf den Justizgewähranspruch durch Schiedsvereinbarungen In Rechtsprechung wie Literatur wurde die Wirksamkeit von oktroyierten Schiedsvereinbarungen anhand des Justizgewähranspruchs analysiert. Es besteht Einigkeit darüber, dass die wirksame Vereinbarung einer Schiedsvereinbarung das Recht des Einzelnen auf Zugang zu den staatlichen Gerichten aus dem Justizgewähranspruch beeinträchtigt.1 Entscheidende Frage der Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung ist daher, ob durch diese den Voraussetzungen der Abdingbarkeit der Justizgewährung durch den staatlichen Richter für einen bestimmten Streit2 entsprochen wird. In diesem Rahmen argumentiert Widdascheck, der Justizgewähranspruch müsste in den verzichtbaren Teil des Zugangs zu staatlichen Gerichten und den unverzichtbaren Teil der Unabhängigkeit der Rechtsprechung, der rechtsstaatlichen Kernanforderungen an die Durchführung des Verfahrens und die Effektivität des Rechtsschutzes unterteilt werden.3 Einer solchen Unterteilung bedarf es für die Prüfung nicht – richtig ist sie im Ergebnis dennoch. Hintergrund ist, dass ein Verzicht auf den Zugang zu staatlichen Gerichten nur zugunsten von echten Schiedsgerichten möglich ist. Bei unechten Schiedsgerichten besteht der Zugang zu den staatlichen Gerichten hingegen weiterhin, da diese nicht unter die §§ 1025 ff. ZPO fallen.4 Damit ein eingesetztes Schiedsgericht ein echtes darstellt, müssen eine Reihe von Voraussetzungen rechtsstaatlicher Natur gegeben sein.5 Dementsprechend ist es infolge der Regeln der ZPO unmöglich, durch Schiedsvereinbarungen auf den gesamten Justizgewähranspruch zu verzichten. Während der Justizgewähranspruch vor staatlichen Gerichten die Unabhängigkeit des Gerichts sichert, ist die Garantie dieses Merkmals bei Schiedsverfahren durch die Abgrenzung von echten und unechten Schiedsgerichten vorgelagert 1
Siehe dazu schon: Kap. 4. A. IV. (S. 77 ff.). Daher ganz präzise von einem Grundrechtsausübungsverzicht sprechend: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 141–143. 3 Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 150–156. 4 Ein Verstoß gegen den Justizgewähranspruch ist daher bei unechten Schiedsgerichten nur dadurch möglich, dass zu viel Zeit vergeht, bis sich die staatlichen Gerichte mit der Sache beschäftigen. 5 Siehe dazu: Kap. 3. A. I. (S. 37 ff.). 2
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Kapitel 5: Verzicht auf den Justizgewähranspruch
worden. Mit der Formulierung des Verzichts auf den Justizgewähranspruch ist daher in dieser Untersuchung lediglich der Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten gemeint. Im Folgenden werden die Gerichtsentscheidungen, die sich mit der Wirksamkeit oktroyierter Schiedsvereinbarungen unter Berücksichtigung des Justizgewähranspruchs auseinandersetzen, kritisch betrachtet und die einschlägige Literatur in ihre voneinander abgrenzbaren Ansichten unterteilt.
A. Rechtsprechung Erstmalig war die Frage der Vereinbarkeit von oktroyierten Schiedsvereinbarungen mit dem Justizgewähranspruch im Jahr 1997 in der Körbuch-I-Entscheidung entscheidungserheblich. Spätestens mit der Causa Pechstein ist die Diskussion dieses Problems auch der breiten Fachöffentlichkeit bekannt geworden.6 Um die verschiedenen Ansichten der Rechtsprechung nachzuvollziehen, werden die für die Problematik relevanten Sachverhalte und Entscheidungsgründe dieser Urteile (vereinfacht) nachgezeichnet. Hierbei werden die Entscheidungen von Vorinstanzen eingeschlossen, wenn der Justizgewähranspruch im Laufe des Instanzenzuges diskutiert wurde. Zusätzlich werden Entscheidungen ausgewertet, in denen die notwendigen Verzichtsvoraussetzungen bei oktroyierten Schiedsvereinbarungen angesprochen wurden – auch wenn dies ohne direkten Bezug zum Justizgewähranspruch geschehen ist.
I. Körbuch Den sogenannten Körbuch-Entscheidungen lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Mitglied eines Hundezüchtervereins wehrte sich vor den staatlichen Gerichten gegen eine Vereinsstrafe, die gegen ihn verhängt wurde.7 Der Hundezüchterverein erhob die Einrede der Schiedsvereinbarung (§ 1032 Abs. 1 ZPO8), da die Satzung des Vereins eine für alle Mitglieder bindende Schiedsanordnung enthielt.9 Diese Schiedsanordnung wurde mittels satzungsänderndem Mehrheitsbeschluss gegen den Willen des Klägers eingeführt.10 Das Gericht hatte folglich 6 Siehe nur die Berichterstattung in den Medien: z. B. Becker, FAZ Online, Fall Claudia Pechstein: „Die Athleten hatten nicht die gleiche Lobby“, go.wwu.de/j8b5k. 7 BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 – Körbuch III. 8 Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt (1996) noch in § 1027a ZPO a. F. 9 BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 – Körbuch III. 10 BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 – Körbuch III.
A. Rechtsprechung
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zu entscheiden, ob diese Schiedsanordnung wirksam und die Klage daher als unzulässig abzuweisen war. 1. LG Augsburg, Urt. v. 14.08.1997, 8 O 4234/96 – Körbuch I Der Kläger argumentierte in dieser Instanz, dass die Schiedsanordnung des Hundezüchtervereins unwirksam sei. Er trug vor, die Nichtigkeit ergebe sich daraus, dass (1) nicht alle Mitglieder der Satzungsänderung zugestimmt hätten und (2), dass ein Verstoß gegen Art. 101 GG vorliege.11 Das LG Augsburg begegnete diesen Vorwürfen in den Urteilsgründen nur kurz. Nach Ansicht des Gerichts sei die Mitgliedschaft im Hundezüchterverein freiwillig, sodass die Vorwürfe aus (1) nicht greifen würden. Weiterhin stellte es fest, dass Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG nur bei der Zuständigkeit staatlicher Gerichte einschlägig sei.12 Da es in dem konkreten Fall aber um die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes ging, sei Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG nicht anwendbar.13 Der Justizgewähranspruch blieb im ganzen Verfahren begrifflich unerwähnt. 2. OLG München, Urt. v. 09.02.1998, 30 U 709/97 – Körbuch II Das OLG München als Berufungsgericht beurteilte die Wirksamkeit der Schiedsanordnung ausschließlich an Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG.14 Wegen der Satzungsautonomie der Vereine seien seien diese dazu berechtigt, in ihrer Satzung die Entscheidung von Streitigkeiten mit Vereinsbezug durch ein Schiedsgericht zu verlangen.15 Auf dieser Grundlage erklärte das OLG München mit Verweis auf die Rechtsprechung des BGH:16 „Von entscheidender Bedeutung ist es, ob die Vereinbarung einer Schiedsgerichtsklausel für einen Verein üblich sei; könne dies bejaht werden und trete der Betreffende gleichwohl freiwillig dem Verein bei, rechne er mit einer Schiedsgerichtsklausel, müsse dementsprechend auch damit rechnen, daß im Rahmen seiner Mitgliedschaft die Schiedsgerichtsklausel entweder von vornherein Geltung habe oder doch in Zukunft Geltung erlangen werde.“
Das Gericht ging in der Anwendung dieser Formel davon aus, dass die Streit entscheidung durch ein Schiedsgericht bei dem am Streit beteiligten mitglieder-
11
LG Augsburg, Urt. v. 14.08.1997, 8 O 4234/96, (unveröffentlicht) S. 8 – Körbuch I. LG Augsburg, Urt. v. 14.08.1997, 8 O 4234/96, (unveröffentlicht) S. 12 – Körbuch I. 13 LG Augsburg, Urt. v. 14.08.1997, 8 O 4234/96, (unveröffentlicht) S. 12 – Körbuch I. 14 OLG München, Urt. v. 09.02.1998, 30 U 709/97, NZG 1999, 780 (781) – Körbuch II. 15 OLG München, Urt. v. 09.02.1998, 30 U 709/97, NZG 1999, 780 (781) – Körbuch II. 16 OLG München, Urt. v. 09.02.1998, 30 U 709/97, NZG 1999, 780 (781) – Körbuch II. 12
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Kapitel 5: Verzicht auf den Justizgewähranspruch
starken Hundezüchterverein zweckmäßig sei.17 Hierdurch könne die Expertise der entscheidenden Personen gewährleistet und außerdem die Öffentlichkeit aus vereinsinternen Meinungsverschiedenheiten herausgehalten werden.18 Entsprechend argumentierte das OLG München, der Kläger hätte davon ausgehen müssen, dass die Satzung eine Schiedsanordnung enthalte.19 Obwohl der Verein zum Zeitpunkt seines Eintritts keine Schiedsanordnung in seiner Satzung hatte, hätte der Kläger daher im konkreten Fall davon ausgehen müssen, dass während seiner Mitgliedschaft eine Schiedsklausel eingeführt werden könne.20 Der Kläger sei aber trotz Einführung der Schiedsklausel nicht aus dem Verein ausgetreten.21 Daher liege die erforderliche Freiwilligkeit des Beitritts beziehungsweise des Verbleibens im Verein vor.22 In diesem Rahmen ging das OLG München nicht darauf ein, aus welchen Interessen der Kläger ursprünglich in den Verein eingetreten war.23 Durch die Satzungsschiedsklausel ergebe sich dann wiederum ein wirksamer Verzicht auf die Rechte aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG.24 3. BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98 – Körbuch III Als letzte Instanz entschied der BGH in der Sache Körbuch. Ohne deutlich zu machen, unter welcher einfachgesetzlichen Norm die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung geprüft wurde, formulierte der BGH: „Das Recht auf Zugang zu den staatlichen Gerichten, das sich aus dem Rechtsstaats prinzip ergibt, und das Recht auf den gesetzlichen Richter (§ 101 I 2 GG) haben Verfassungsrang. Zwar ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die Schiedsgerichtsbarkeit für Sachgebiete zuzulassen, bei denen die streitenden Parteien berechtigt sind, über den Gegenstand der Rechtsstreitigkeit einen Vergleich zu schließen. Sie ist insofern Ausfluss des in Art. 2 I GG verankerten Grundrechts der Handlungsfreiheit und Privatautonomie. Dieses Grundrecht verlangt jedoch, dass die Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsklausel und der damit verbundene Verzicht auf die Entscheidung eines staatlichen Rechtsprechungsorgans grundsätzlich auf dem freien Willen des Betroffenen beruhen.“25 17
OLG München, Urt. v. 09.02.1998, 30 U 709/97, NZG 1999, 780 (781) – Körbuch II. OLG München, Urt. v. 09.02.1998, 30 U 709/97, NZG 1999, 780 (781) – Körbuch II. 19 Vgl.: OLG München, Urt. v. 09.02.1998, 30 U 709/97, NZG 1999, 780 (781) – Körbuch II. 20 OLG München, Urt. v. 09.02.1998, 30 U 709/97, NZG 1999, 780 (781) – Körbuch II. 21 OLG München, Urt. v. 09.02.1998, 30 U 709/97, NZG 1999, 780 (781) – Körbuch II. 22 OLG München, Urt. v. 09.02.1998, 30 U 709/97, NZG 1999, 780 (781) – Körbuch II. 23 OLG München, Urt. v. 09.02.1998, 30 U 709/97, NZG 1999, 780 (781) – Körbuch II. 24 Siehe: OLG München, Urt. v. 09.02.1998, 30 U 709/97, NZG 1999, 780 (781) – Körbuch II. 25 BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 – Körbuch III. 18
A. Rechtsprechung
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In Anwendung dieser Regel erklärte der BGH, dass die Mitglieder, die der Satzungsänderung zugestimmt hätten, dies freiwillig getan hätten.26 Den Mitglieder, die nicht zustimmten, sei die Satzungsänderung hingegen aufgezwungen worden.27 Das Gericht stellte insofern fest, dass die einzige Handlung, durch die ein freiwilliger Verzicht begründet werden könnte, der Nichtaustritt aus dem Hundezüchterverein sei.28 Ob dies in Falle eines „normalen Vereins“ ausreiche, um eine Freiwilligkeit zu bejahen, wurde durch den BGH nicht entschieden.29 Im Fall des Hundezüchtervereins bestehe die „Freiheit“ hinsichtlich eines Austritts nicht.30 Würde der Kläger aus dem Verein austreten, so könne er seinen Beruf als Hundezüchter nicht weiter ausüben.31 Um Schäferhunde zu züchten, an Meisterschaften teilzunehmen und Ausstellungen zu besuchen, sei der Zugang zu der Vergabe der Rassekennzeichen sowie zum Zuchtbuch des Hundezüchtervereins unerlässlich.32 Durch den Austritt würde sich der Kläger seiner berufliche Existenz berauben, weshalb der „Vereinsaustritt […] nicht als zumutbare Alternative zum Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten und auf den gesetzlichen Richter gelten“ könne.33 Ein auf freiem Willen beruhender Verzicht auf eine Streitentscheidung durch die staatlichen Gerichte liege daher nicht vor.34 Der BGH stellte daher die Unwirksamkeit der Schiedsanordnung fest.35 In einem obiter dictum erklärte der BGH, dass ein auf freiem Willen beruhender Verzicht aber vorliegen würde, wenn anstelle der Schiedsanordnung eine Schiedsabrede zwischen dem Hundezüchterverein und dem Kläger geschlossen worden wäre.36
II. LG Köln, Urt. v. 13.09.2006, 28 O (Kart) 38/05 Im Fall des LG Köln verklagte ein Leichtathlet die WADA und die International Association of Athletics Federations (IAAF) auf Schadensersatz und Unterlassung, nachdem ihn diese infolge einer positiven A-Probe wegen Dopings sperrte, diese Sperre aber später wegen einer die A-Probe nicht bestätigenden B-Probe
26
BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 – Körbuch III. BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 – Körbuch III. 28 BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 – Körbuch III. 29 BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 – Körbuch III. 30 BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 – Körbuch III. 31 BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 f. – Körbuch III. 32 BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 f. – Körbuch III. 33 BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 – Körbuch III. 34 BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 (1713 f.) – Körbuch III. 35 BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 (1713 f.) – Körbuch III. 36 BGH, Urt. v. 03.04.2000, II ZR 373/98, NJW 2000, 1713 (1714) – Körbuch III. 27
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Kapitel 5: Verzicht auf den Justizgewähranspruch
wieder aufgehoben wurde.37 Die Dopingprobe wurde als Out-Of-Competition Test genommen, weshalb der Kläger vor Abnahme der Dopingprobe eine gesonderte Schiedsvereinbarung unterschrieb, nach der jegliche Streitigkeiten mit Bezug zu dieser Probe nach den Regelungen der IAAF zur Schiedsgerichtsbarkeit beigelegt werden mussten.38 Obwohl das LG Köln den Streitgegenstand als nicht von der Schiedsklausel umfasst ansah, äußerte es sich kurz zur Einlassung des Klägers, er habe die Schiedsvereinbarung nur unter unzulässigem Zwang (er wollte eine Zwei-Jahres-Sperre vermeiden) unterzeichnet39. Das LG Köln verneinte dabei von Grund auf, dass der Kläger einem Zwang unterlag.40 Das LG sah die Teilnahme an Dopingtest zwischen Wettkämpfen als notwendige Voraussetzung für die Zulassung zu sportlichen Wettkämpfen und aus diesem Grund auch gleichzeitig als Teil der Berufsausübung.41 Der Kläger habe außerdem nicht vorgetragen, warum er sich hinsichtlich des konkreten Out-Of-Competition Test nicht den Regeln der IAAF unterwerfen wollte.42 Entsprechend mangelte es nach Ansicht des LG Köln schon an einer im Prozess heranziehbaren Erklärung, wodurch ein unzulässiger Schiedszwang entstanden sein solle.43 Die Schiedsvereinbarung sei demnach wirksam geschlossen worden. Für den konkret zu entscheidenden Fall war diese Feststellung jedoch unerheblich. Nach Ansicht des Gerichts fiel die Schadensersatzstreitigkeit des Falls nicht in den Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarung, sodass die Schiedseinrede die Zuständigkeit des LG Köln nicht ausschließen konnte.44
III. Spielervermittler (verschiedene Entscheidungen) Auch im Umfeld des Fußballs haben deutsche Gerichte bereits die Problematik von oktroyierten Schiedsvereinbarungen diskutiert. In den drei bekannten Entscheidungen mussten die Gerichte sowohl klären, ob Fußballspielervermittlern Schiedsvereinbarungen aufgezwungen werden, als auch, welche Auswirkungen dies auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung hat.
37
LG Köln, Urt. v. 13.09.2006, 28 O (Kart) 38/05, SpuRt 2007, 30 f. LG Köln, Urt. v. 13.09.2006, 28 O (Kart) 38/05, SpuRt 2007, 30 f. 39 LG Köln, Urt. v. 13.09.2006, 28 O (Kart) 38/05, zitiert nach juris Rn. 42. 40 LG Köln, Urt. v. 13.09.2006, 28 O (Kart) 38/05, SpuRt 2007, 30 (32). 41 LG Köln, Urt. v. 13.09.2006, 28 O (Kart) 38/05, SpuRt 2007, 30 (32). 42 LG Köln, Urt. v. 13.09.2006, 28 O (Kart) 38/05, SpuRt 2007, 30 (32). 43 LG Köln, Urt. v. 13.09.2006, 28 O (Kart) 38/05, SpuRt 2007, 30 (32). 44 LG Köln, Urt. v. 13.09.2006, 28 O (Kart) 38/05, SpuRt 2007, 30 (31 f.). 38
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1. AG Bottrop, Urt. v. 22.01.2009, 11 C 198/08 In der Entscheidung vor dem AG Bottrop verlangte ein von der FIFA lizensierter Spielervermittler eine Zahlung von einem Spieler, den er vermittelt hatte.45 Eine der entscheidungserheblichen Fragen war, ob das AG Bottrop für diese Streitigkeit zuständig war, ob es dem Spielervermittler gemäß Ziff. 7 des Berufsethikkodex (Anhang 1 des FIFA-Spielervermittlerreglements)46 wegen der darin enthaltenden Schiedsvereinbarung verboten war, zur Streitentscheidung vor die staatlichen Gerichte zu ziehen.47 Obwohl der Spielervermittler geltend machte, dass er sich der Schiedsklausel in Zif. 7 Berufsethikkodex wegen der Monopolstellung der FIFA nicht freiwillig unterworfen habe, setzte sich das Gericht mit dieser Argumentation inhaltlich kaum auseinander. Stattdessen sah es die Klage als zulässig an, da es „die vom BGH vertretene Auffassung [teilt], dass eine nicht freiwillig erfolgte Unterwerfung unter eine derartige Schiedsvereinbarung nicht dazu führt, dass dem Betreffenden der Weg zum ordentlichen Gericht verwehrt ist.“48
Das AG hielt die Schiedsklausel dementsprechend für unwirksam. 2. LG Koblenz, Urt. v. 26.11.2013, 3 HK O 237/10 Im Jahr 2013 – also nur unwesentlich vor Beginn49 der Pechstein-Saga an den deutschen Gerichten – musste sich das LG Koblenz mit einem Sachverhalt von vermeintlich oktroyierter Schiedsgerichtsbarkeit im Umfeld des Sports auseinandersetzen. Ein lizenzierter Spielervermittler schloss mit der Beklagten einen Vertrag über die Vermittlung eines Fußballspielers.50 In der Folge kam es zum Streit darüber, ob eine Forderung des Spielervermittlers erfüllt wurde.51 Umstritten war dabei unter anderem die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte für die Streitigkeit. Hintergrund der unterschiedlichen Sichtweisen war, dass der Spielervermitt-
45
AG Bottrop, Urt. v. 22.01.2009, 11 G 198/08, SpuRt 2009 2009, 171. Mittlerweile gilt für Spielervermittler das FIFA-Reglement zur Arbeit mit Vermitt-
46
lern.
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Vgl.: AG Bottrop, Urt. v. 22.01.2009, 11 G 198/08, SpuRt 2009, 171 f. AG Bottrop, Urt. v. 22.01.2009, 11 G 198/08, SpuRt 2009, 171 (172). Auf welche BGH-Entscheidung sich das AG bezieht, macht es nicht deutlich. Gemeint ist vermutlich die Körbuch-III-Entscheidung. 49 Als „Beginn“ der Saga vor den deutschen Gerichten wird in dieser Untersuchung das Urteil des LG München I am 26.02.2014 angesehen. 50 LG Koblenz, Urt. v. 26.11.2013, 3 HK O 237/10, (unveröffentlicht) S. 2. 51 LG Koblenz, Urt. v. 26.11.2013, 3 HK O 237/10, (unveröffentlicht) S. 2. 48
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ler den Berufsethikkodex (Anhang 1 zum FIFA-Spielervermittlerreglement)52 inklusive Zif. 7 unterzeichnet hatte, die eine Schiedsvereinbarung enthielt.53 Das LG Koblenz ging in der Entscheidung davon aus, dass eine Schiedsvereinbarung zu einem Verbandsschiedsgericht der FIFA (unechtes Schiedsgericht) nur dann wirksam sein könne, wenn sich die Unterzeichner dieser Verbandsschiedsgerichtsbarkeit freiwillig unterwerfen.54 Für die rechtlichen Bewertung ging es davon aus, dass eine FIFA-Spielervermittlerlizenz nach Art. 6 Zif. 4 FIFA-Spielervermittlerreglement nur bei Unterzeichnung des Berufsethikkodexes erteilt werde.55 Gemäß dieser Feststellung argumentierte das Gericht, dass eine Zustimmung zum Berufsethikkodexes zwingende Voraussetzung für die Tätigkeit als Spielervermittler sei.56 Ohne sich mit der Definition des Freiwilligkeitsbegriffes näher auseinanderzusetzen, stützte das Gericht seine rechtliche Wertung auf die Körbuch-Entscheidung.57 Es erklärte die Schiedsvereinbarung für nicht freiwillig abgeschlossen und aus diesem Grund für unwirksam.58 Die Entscheidung wäre laut LG Koblenz auch nicht anders ausgefallen, hätte es sich um eine Schiedsvereinbarung zum CAS gehandelt – diese wäre ebenso nicht freiwillig abgeschlossen worden.59 Mit den Worten des LG Koblenz: „Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass diese Unterwerfung unter die Verbands- bzw. FIFA-Verbandsgerichtsbarkeit – und damit der Verzicht auf die Entscheidung staatlicher Gerichte und auf den gesetzlichen Richter – auf dem freien Willen des […] [Spielervermittlers] beruhte. Die Tätigkeit als Spielervermittler setzte eine Spielervermittlerlizenz voraus, deren Erhalt wiederum zwangsläufig das Anerkennen der FIFA-Statuten einschließlich des Berufsethikkodex durch den […] [Spielervermittler] voraussetzte. Für den […] Spielervermittler bestand daher bereits vom Ansatz her nicht die erforderliche Freiheit, sich für oder gegen die Unterwerfung zu entscheiden. Die Entscheidung gegen eine Unterwerfung hätte für ihn bedeutet, dass er seine bezahlte Tätigkeit als Spielervermittler mangels Spielervermittlerlizenz nicht hätte ausüben können. Diese für ihn zu einem Berufsverbot führende Entscheidung konnte und kann keine zumutbare Alternative zum Verzicht auf den Zugang zu den stattlichen Gerichten und den gesetzlichen Richter darstellen. Eine freiwillige Unterwerfung ist
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Heute: FIFA-Reglement zur Arbeit mit Vermittlern. LG Koblenz, Urt. v. 26.11.2013, 3 HK O 237/10, (unveröffentlicht) S. 3. 54 LG Koblenz, Urt. v. 26.11.2013, 3 HK O 237/10, (unveröffentlicht) S. 3 f. 55 LG Koblenz, Urt. v. 26.11.2013, 3 HK O 237/10, (unveröffentlicht) S. 4. 56 LG Koblenz, Urt. v. 26.11.2013, 3 HK O 237/10, (unveröffentlicht) S. 4. 57 Vgl.: LG Koblenz, Urt. v. 26.11.2013, 3 HK O 237/10, (unveröffentlicht) S. 4. 58 LG Koblenz, Urt. v. 26.11.2013, 3 HK O 237/10, (unveröffentlicht) S. 4. 59 LG Koblenz, Urt. v. 26.11.2013, 3 HK O 237/10, (unveröffentlicht) S. 4. 53
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deshalb für den vorliegenden Fall, dass der […] [Spielervermittler] für seine Berufstätigkeit auf die Spielervermittlerlizenz angewiesen war, nicht gegeben.“60
Unklar bleibt hierbei, wann nach Vorstellung des LG Koblenz eine solche zumutbare Alternative vorliegt. Das LG Koblenz erklärte die Schiedsvereinbarung auf dieser Grundlage im Ergebnis für unwirksam. 3. OLG Koblenz, Urt. v. 06.11.2014, 2 U 1560/13 Circa ein Jahr nach der Entscheidung des LG Koblenz musste sich das OLG Koblenz mit der Berufung der Beklagten auseinandersetzen. Hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit der abgeschlossenen Schiedsvereinbarung stützte sich das OLG, wie das LG Koblenz, maßgeblich auf die Wertung der Körbuch-Entscheidung.61 Aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Recht auf den gesetzlichen Richter ergebe sich, „dass die Unterwerfung unter eine Schiedsklausel und der damit verbundene Verzicht auf die Entscheidung eines staatlichen Rechtsprechungsorgans […] grundsätzlich auf freiem Willen“
beruhen müsse, um wirksam zu sein.62 Eine Definition für freien Willen arbeitete das Gericht nicht heraus. Wegen der Regelung in Art. 4 FIFA-Spielervermittlerreglement gäbe es Ausnahmen zur Regelung, das Spielervermittler durch die FIFA lizensiert sein müssen.63 Insbesondere die Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 FIFA-Spielervermittlerreglement, wonach ein in seinem Wohnsitzland zugelassener Rechtsanwalt Fußballspieler bei Vertrags- und Transferverhandlungen vertreten dürfe, sorge für die Wirksamkeit der Schiedsklausel.64 Wegen dieser Ausnahme befänden sich Spielervermittler in keiner Zwangslage, die eine Unterwerfung unter das FIFA-Spielerreglement erfordere.65 Das Gericht argumentierte, dass anders als bei Körbuch und Pechstein eine weitere Berufsausübung auch ohne Unterwerfung unter die Schiedsklausel möglich sei.66 Für einen Spielervermittler, der sich von einem Rechtsanwalt vertreten lasse, gelte dann auch keine Schiedsvereinbarung. Zur Unterscheidung des Sachverhalts der Körbuch-Entscheidungen fügte das OLG Koblenz hinzu, dass sich der Spielervermittler im vorliegenden Fall ausdrücklich der Schiedsklausel unterworfen hätte, während der Kläger in Körbuch der Satzungsänderung zur 60
LG Koblenz, Urt. v. 26.11.2013, 3 HK O 237/10, (unveröffentlicht) S. 4. OLG Koblenz, Urt. v. 06.11.2014, 2 U 1560/13, SpuRt 2015, 29 (30). 62 OLG Koblenz, Urt. v. 06.11.2014, 2 U 1560/13, SpuRt 2015, 29 (30). 63 OLG Koblenz, Urt. v. 06.11.2014, 2 U 1560/13, SpuRt 2015, 29 (30 f.). 64 OLG Koblenz, Urt. v. 06.11.2014, 2 U 1560/13, SpuRt 2015, 29 (30 f.). 65 OLG Koblenz, Urt. v. 06.11.2014, 2 U 1560/13, SpuRt 2015, 29 (31). 66 OLG Koblenz, Urt. v. 06.11.2014, 2 U 1560/13, SpuRt 2015, 29 (31). 61
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Einführung einer Schiedsvereinbarung nicht zugestimmt habe.67 Daher ging das OLG Koblenz im Ergebnis davon aus, dass eine freiwillige Unterwerfung seitens des Spielervermittler vorliege.68 Es sah sich wegen des wirksamen Verzichts auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO als nicht zuständig an.69
IV. Pechstein Bei der Causa Pechstein handelt es sich um drei medienwirksame70 Entscheidungen der deutschen Gerichte zur Wirksamkeit von oktroyierten Schiedsvereinbarungen zum CAS. Den Entscheidungen lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein nahm an den von der International Skating Union (ISU) organisierten Eisschnelllauf-Mehrkampfweltmeisterschaften teil.71 Zuvor unterzeichnete sie mit der ISU eine vorformulierte Wettkampfmeldung, die eine Schiedsklausel mit dem CAS als Rechtsmittelinstanz enthielt.72 Einen Tag vor der WM wurde bei Pechstein im Rahmen einer Dopingkontrolle ein erhöhter Retikulozyten-Wert festgestellt.73 Die Disziplinarkommission der ISU stützte sich im Verfahren auf eine indirekte Beweisführung und sperrte Pechstein.74 Im Berufungsverfahren vor dem CAS wurde diese Dopingsperre bestätigt.75 Die von Pechstein eingelegte Beschwerde gegen das Schiedsurteil des CAS wurde vom Schweizer Bundesgericht mangels Vorliegens eines Beschwer67
OLG Koblenz, Urt. v. 06.11.2014, 2 U 1560/13, SpuRt 2015, 29 (31). OLG Koblenz, Urt. v. 06.11.2014, 2 U 1560/13, SpuRt 2015, 29 (31). 69 OLG Koblenz, Urt. v. 06.11.2014, 2 U 1560/13, SpuRt 2015, 29 (31). 70 Siehe nur stellvertretend: Becker, FAZ Online, Fall Claudia Pechstein: „Die Athleten hatten nicht die gleiche Lobby“, go.wwu.de/j8b5k; Lorenz, LTO, BGH entschied auf falscher Tatsachengrundlage, go.wwu.de/awnaa; Orth, Mark-E., FAZ, Pechsteins Niederlage oder: Hilft Europa Radhändlern mehr als Radfahrern?, 01.07.2017, S. 31; Sonnabend, SZ Online, Pechstein erschüttert den Sport, go.wwu.de/pqdrt; Sonnabend, SZ Online, So geht es weiter im Fall Pechstein, go.wwu.de/qrp8s; sport1, Pechstein kritisiert Harting, go.wwu.de/8s8ls. 71 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 – Pechstein I. 72 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 – Pechstein I. 73 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (101) – Pechstein I. 74 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (101) – Pechstein I. 75 CAS ad hoc division, Schiedsspruch v. 18.02.2010, OG 10/0 04, zitiert nach CAS- Datenbank – Pechstein CAS; LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (101) – Pechstein I. 68
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degrundes aus Art. 190 Abs. 2 IPRG-Schweiz abgewiesen.76 Auch die Revision wurde vom Schweizer Bundesgericht zurückgewiesen.77 Schließlich verlangte Pechstein vor den deutschen Gerichten Schadensersatz78 für die aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Dopingsperre.79 1. LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12 – Pechstein I Als erstes deutsches Gericht befasste sich das LG München I mit der Causa Pechstein. Umstrittenste Frage war hierbei, ob die deutschen Gerichte für die Klage zuständig waren oder die Klage abzuweisen hatten (vgl. § 1032 Abs. 1 ZPO). Zur Prüfung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung führt das Gericht zunächst eine Abschlusskontrolle durch. Über § 138 BGB prüft es, ob die Forderung der Schiedsvereinbarung zum CAS gegen die guten Sitten verstieß und die Schiedsvereinbarung als nichtig angesehen werden musste.80 Das LG München stellte fest, dass es einen Verstoß gegen die guten Sitten aus § 138 Abs. 1 BGB darstelle, wenn durch einen Vertrag das Rechtsstaats- (Art. 20 Abs. 3 GG) oder das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG) in ungerechtfertigter Weise eingeschränkt werde.81 Im Rahmen dieser Prüfung stellte das Gericht zunächst dar, dass es für Pechstein keine andere Möglichkeit gab als die Schiedsvereinbarung zu unterzeichnen, da sie ansonsten ihren Beruf als Sportlerin nicht mehr hätte ausüben können.82 Hintergrund sei, dass die ISU infolge des Ein-Platz-Prinzips ein Monopol bei der Veranstaltung von Eisschnelllaufwettbewerben innehabe und nur solche Teilnehmer zulasse, die die von ihr geforderte Schiedsvereinbarung un-
76 Bundesgericht der Schweiz, Urt. v. 10.02.2010, 4A_612/2009 – Pechstein BG I; LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (102) – Pechstein I. 77 Bundesgericht der Schweiz, Urt. v. 28.09.2010, 4A_144/2010 – Pechstein BG II; LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (102) – Pechstein I. 78 Daneben auch: Schmerzensgeld und die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftig entstandener Schäden. 79 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 – Pechstein I. 80 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – Pechstein I. 81 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – Pechstein I. 82 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – Pechstein I.
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terschrieben hätten.83 Es bestehe ein „strukturelles Ungleichgewicht“ zwischen Pechstein und der ISU.84 Ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip liege bei „typisierbaren Fallgestaltungen [vor], die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen lassen und ungewöhnlich belastende Folgen des Vertrages für den unterlegenen Vertragsteil beinhalten“.85
In diesen Fällen müsse die Vertragsfreiheit der überlegenen Partei beschränkt werden. 86 Unter Berücksichtigung des festgestellten strukturellen Ungleichgewichts zwischen Pechstein und dem Verband stellte das LG München I klar, dass diesem ein so starkes Übergewicht zukam, dass Pechsteins Entscheidung, die Schiedsvereinbarung zu unterschreiben, fremdbestimmt war.87 Der Entzug des Zugangs zu staatlichen Gerichten stelle dabei eine „ungewöhnlich belastende Folge“ dar.88 Ohne dies präzise auszusprechen, bejahte das LG München I daher im Rahmen des § 138 BGB einen Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip.89 Aus dem Rechtsstaatsprinzip (i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) leitete das Gericht den Justizgewähranspruch mit der Garantie des Zugangs zu den staatlichen Gerichten ab.90 Ein Verzicht auf den Justizgewähranspruch will das LG München I nur auf „privatautonomer Basis“ und unter Beibehaltung einer Missbrauchskontrolle als wirksam ansehen.91 Wegen des starken Übergewichts der ISU lag laut LG München I aber schon kein selbstbestimmter Verzicht Pechsteins vor.92 83 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – Pechstein I. 84 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – Pechstein I. 85 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – Pechstein I, hierbei verweist das Gericht auf: BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 – Handelsvertreter und BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 – Bürgschaftsvertrag. 86 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – Pechstein I. 87 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – Pechstein I. 88 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – Pechstein I. 89 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – Pechstein I. 90 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – Pechstein I. 91 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – Pechstein I. 92 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – Pechstein I.
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Als Ergebnis zur Prüfung des Justizgewähranspruchs formulierte das Gericht: „Eine Schiedsvereinbarung mit dem strukturell unterlegenen Sportler kann […] nur wirksam sein, wenn ihm ein echtes Wahlrecht dahingehend zusteht, ob über ihn betreffende Streitigkeiten ein ordentliches Gericht oder die Sportschiedsgerichtsbarkeit befinden soll.“93
Das Gericht erklärte zusammenfassend, dass nur ein freiwilliger Verzicht auf den Justizgewähranspruch wirksam sein könne.94 Hiergegen spreche auch nicht, dass der § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. abgeschafft worden sei, da das Freiwilligkeitserfordernis in der Verfassung verankert sei.95 Es könne nicht überzeugen, wenn vorgetragen werde, dass der gesetzliche Richter durch Schiedsvereinbarungen nur temporär ersetzt werde, da Schiedssprüche vor staatlichen Gerichten einer Missbrauchskontrolle unterliegen würden.96 Aus dem Justizgewähranspruch ergebe sich gerade, dass der Anspruch auf einen gesetzlichen Richter bereits in der ersten Instanz bestehe.97 Beachte man zudem, dass Schiedsverfahren als gleichwertiger Rechtsschutz anerkannt und Schiedssprüche dementsprechend vollstreckbar seien, so gebiete die Funktion des Justizgewähranspruchs, dass die Freiwilligkeit Voraussetzung für einen Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten sei.98 Für eine Freiwilligkeitskontrolle spreche darüber hinaus, dass Sportverbände Schiedsurteile selbstständig vollstrecken könnten, indem sie bei Nichtbeachtung der Entscheidung die Wettkampfteilnahme verweigern würden.99 Das Gericht setzte sich im Weiteren damit auseinander, ob der Verstoß gegen den Justizgewähranspruch gerechtfertigt werden könne.100 Hierzu sprach das Gericht die Vorteile der Geschwindigkeit und Einheitlichkeit der Sportschieds-
93 LG München I, Urt. v. Pechstein I. 94 LG München I, Urt. v. Pechstein I. 95 LG München I, Urt. v. Pechstein I. 96 LG München I, Urt. v. Pechstein I. 97 LG München I, Urt. v. Pechstein I. 98 LG München I, Urt. v. Pechstein I. 99 LG München I, Urt. v. Pechstein I. 100 LG München I, Urt. v. Pechstein I.
26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105) – 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105 f.) –
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gerichtsbarkeit an; verwarf diese Überlegung aber, da diese Vorteile mangels gesetzlicher Grundlage nicht als Rechtfertigung wirken könnten.101 Hilfsgutachterlich stellte das Gericht zudem klar, dass eine Inhaltskontrolle nach §§ 138, 242 BGB ebenfalls die Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung zur Folge hätte.102 Eine solche Nichtigkeit liege vor, wenn die Schiedsvereinbarung kausal durch unzulässigen Druck zustande gekommen sei oder sich im Rahmen einer Interessenabwägung ergebe, dass das eingesetzte Schiedsgericht nicht in einem unabhängigen, unparteilichen und fairen Verfahren entscheiden würde.103 Das LG München I sah bereits die Forderung einer Schiedsvereinbarung durch einen Monopolisten als eine solche unzulässige Druckausübung an.104 Auch das Schiedsverfahren vor dem CAS erkannte es für Pechstein als potenziell nachteilig an, da die Verhandlungen anders als vor einem staatlichen Gericht nicht öffentlich seien und es (zum relevanten Zeitpunkt) keine Prozesskostenhilfe gab.105 Trotz dieser intensiven Auseinandersetzung mit der Problematik oktroyierter Schiedsvereinbarungen erklärte das LG München I die konkrete Schiedsvereinbarung im Ergebnis nicht für unwirksam. Hintergrund war, dass Pechstein die vom LG München I geprüften Unwirksamkeitsargumente nicht bereits vor dem CAS vorgetragen hat und diese Argumente daher nach Ansicht des LG München I präkludiert waren.106 2. OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart – Pechstein II Pechstein ging gegen das Urteil des LG München I in Berufung, weshalb sich auch das OLG München damit auseinandersetzen musste, ob die von Pechstein unterzeichnete Schiedsvereinbarung wirksam war. Es war dabei das erste Gericht, das die Wirksamkeit oktroyierter Schiedsvereinbarungen an der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle gemessen hat. Zunächst diskutierte das Gericht, ob die Forderung einer Schiedsvereinbarung durch einen Sportveranstalter schlechthin einen Marktmachtmissbrauch 101
LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105 f.) – Pechstein I. 102 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – Pechstein I. 103 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – Pechstein I. 104 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – Pechstein I. 105 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – Pechstein I. 106 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (109 f.) – Pechstein I.
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darstellt.107 In diesem Rahmen fragte es, ob sich aus dem Verfassungsrecht eine Abschlusskontrolle nach der Vorstellung des LG München I ergebe.108 Unter Rückgriff auf das Körbuch-Urteil ging das OLG München davon aus, dass der Abschluss einer Schiedsvereinbarung „grundsätzlich auf dem freien Willen des Betroffenen beruhen“ müsse.109 Im Einvernehmen mit der Körbuch-Entscheidung trug das Gericht vor, dass fingierte Zustimmungen zu Schiedsvereinbarungen mangels Freiwilligkeit unwirksam seien.110 Dem obiter dictum der Körbuch-III-Entscheidung folgend, sei jedoch eine tatsächliche Erklärung, durch die auf den Justizgewähranspruch verzichtet werden soll, anders zu bewerten.111 Nach Ansicht des Gerichts stelle „[d]ie bloße Bereitschaft, ein Wirtschaftsgut anzubieten, mit dem Verlangen einer Schiedsvereinbarung […] keinen Zwang dar, der den freien Willen desjenigen, der das Wirtschaftsgut beziehen möchte, ausschließen würde.“112
Zudem führte das OLG München gegen eine strenge Abschlusskontrolle nach Vorbild des Urteils in Pechstein I an, dass die Chancengleichheit der Athleten nur dann gewährleistet werden könne, wenn es ein einheitliches Sportgericht gäbe.113 Im Rahmen der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle nahm das OLG München darüber hinaus eine Inhaltskontrolle vor.114 Das Gericht überprüfte, ob sich aus Vorschriften zur Zusammensetzung des CAS und den einschlägigen Verfahrensregeln des CAS, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarung galten, ein Missbrauch nach § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB a. F.115 ergebe.116 Nach Analyse der Vorschriften zur Zusammensetzung des CAS befand das OLG 107 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II. 108 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43 f.) – Pechstein II. 109 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II. 110 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43 f.) – Pechstein II. 111 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43 f.) – Pechstein II. 112 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (44) – Pechstein II. 113 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II. 114 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (44) – Pechstein II. 115 Geltende Fassung bis zum 29.06.2013. Heute findet sich der Begriff der Geschäftsbedingungen im inhaltlich gleichen § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB. 116 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (44 f.) – Pechstein II.
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München, dass den Sportverbänden durch diese Vorschriften bei der Zusammensetzung des CAS ein Übergewicht zukomme.117 Die Schiedsvereinbarung zum CAS würden die Athleten nur mangels einer alternativen Streitentscheidungsmöglichkeit akzeptieren.118 Dies stelle einen Missbrauch nach § 19 GWB dar, so das OLG München.119 Das Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle dieses Missbrauchs bejaht das OLG München mit der Begründung, dass Pechstein durch die Schiedsvereinbarung zum CAS der verfassungsrechtlich garantierte Zugang zu den staatlichen Gerichten sowie der gesetzliche Richter entzogen werde.120 Das OLG München erklärte die Schiedsvereinbarung wegen der die Athleten benachteiligenden Regeln des CAS schlussendlich für unwirksam. 3. BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15 – Pechstein III In der letzten Instanz vor den ordentlichen Gerichten entschied der BGH über die Revision von Pechstein.121 Der BGH wählte in seinem Urteil nicht nur einen anderen Aufbau als die Vorinstanzen, er stellte darüber hinaus als einziges Gericht auch materiell-rechtlich die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung zwischen Pechstein und der ISU fest. Zunächst stellte sich der BGH der Frage, ob die Regeln der ZPO zur Schiedsgerichtsbarkeit auf eine Schiedsvereinbarung zum CAS anwendbar sind,122 ob es sich also beim CAS um ein echtes Schiedsgericht nach §§ 1025 ff. ZPO handelt. Das Gericht prüfte, ob die Organisations- und Verfahrensregeln des CAS eine ausreichende Unabhängigkeit und Neutralität des Schiedsgerichtes gewährleisteten.123 Der BGH kam nach intensiver Auseinandersetzung mit den relevanten Vorschriften – auch als erstes deutsches Gericht – explizit zu dem Ergebnis, dass der CAS als echtes Schiedsgericht zu klassifizieren sei.124 Entsprechend wendete 117 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (44 f.) – Pechstein II. 118 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (44) – Pechstein II. 119 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (44) – Pechstein II. 120 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (45) – Pechstein II. 121 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 – Pechstein III. 122 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2268–2270 Rn. 23–39) – Pechstein III. 123 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2268–2270 Rn. 23–39) – Pechstein III. 124 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2268 Rn. 23) – Pechstein III.
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das Gericht die §§ 1025 ff. ZPO an und stellte fest, es sei nicht zuständig, sofern die Schiedsvereinbarung wirksam abgeschlossen worden sei.125 Die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung prüfte der BGH dann am Maßstab des § 134 BGB i. V. m. § 19 GWB a. F.126 Ob der Sachverhalt unter dem Konditionenmissbrauch (§ 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB a. F.) oder der Generalklausel (§ 19 Abs. 1 GWB) zu prüfen sei, ließ der BGH offen, da es für die Frage der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung im Ergebnis auf die Interessenabwägung ankomme.127 Als besonders relevante Interessen erkannte der BGH dabei auf Seiten der ISU das Funktionieren der weltweiten Sportschiedsgerichtsbarkeit an und auf Seiten Pechsteins das „Interesse an einer Entscheidung durch ein unabhängiges (Schieds)Gericht in einem fairen Verfahren“.128 Dieses Interesse Pechsteins werde in rechtlicher Hinsicht durch den Justizgewähranspruch gestützt, welcher durch die Wirkung von Schiedsvereinbarungen „berührt“ werde, da der Justizgewähranspruch den Zugang zu den staatlichen Gerichten gewährleiste.129 Auf den Justizgewähranspruch könne jedoch durch den freiwilligen Abschluss einer Schiedsvereinbarung wirksam verzichtet werden.130 Bei der Definition des Freiwilligkeitsbegriffs stellte der BGH grundsätzlich fest: „Ein unfreiwilliger Verzicht auf die Grundrechtsausübung liegt dann vor, wenn physische oder psychische Gewalt, zum Beispiel durch Drohung mit einem empfindlichen Übel, ausgeübt wird, wenn der Verzichtende getäuscht wird, wenn er sich der Tragweite und Bedeutung seiner Erklärung nicht bewusst ist oder wenn es gar an der (bewussten) Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung fehlt.“131
Das Gericht fügte hinzu: „Ist der Verzicht auf grundrechtliche geschützte Rechtspositionen in einer vertraglichen Vereinbarung enthalten, ist diese das maßgebliche rechtliche Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortlichen Handelns in Bezug zu anderen“.132
Freiwilligkeit läge bei einem vertraglichen Verzicht auf den Justizgewähranspruch im Grundsatz vor, da Verträge vom übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien getragen seien.133 125 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2268 Rn. 22, 2270 Rn. 42) – Pechstein III. 126 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 43) – Pechstein III. 127 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 48) – Pechstein III. 128 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 49) – Pechstein III. 129 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 51 f.) – Pechstein III. 130 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 52) – Pechstein III. 131 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 54) – Pechstein III. 132 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 54) – Pechstein III. 133 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 54) – Pechstein III.
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Im Falle Pechsteins lag nach Ansicht des BGH kein Verstoß gegen diese Definition des Freiwilligkeitsmerkmals vor.134 Er stellte dann wegen der Ungleichgewichts zwischen Pechstein und der ISU auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Schutzfunktion der Vertragsfreiheit ab.135 Der BGH prüfte, ob der stärkere Vertragspartner die vertraglichen Regelungen faktisch einseitig setzen konnte (Fremdbestimmung) und ob in dem Vertrag über grundrechtlich verbürgte Positionen verfügt wurde.136 Liege dies vor, so müssten staatliche Regelungen dafür sorgen, dass die betroffenen Grundrechte in ausreichendem Maße gesichert würden.137 Eine solche Fremdbestimmung erkannte das Gericht darin, dass Pechstein ohne Teilnahme an dem Wettkampf ihren Beruf nicht hätte ausüben können; dass sie ohne Unterzeichnung der Schiedsvereinbarung aber auch nicht an dem Wettkampf hätte teilnehmen dürfen.138 Aus den Ausführungen des BGH lässt sich schließen, dass dieser bei der Prüfung des Merkmals von einer Betroffenheit des Justizgewähranspruchs, jedenfalls aber der Berufsfreiheit Pechsteins ausging.139 Da der BGH im Ergebnis beide Voraussetzungen als gegeben ansah, setzte er sich damit auseinander, ob der Grundrechtsschutz hier trotz Fremdbestimmung durch staatliche Regelungen gewährleistet wurde.140 Das Gericht stellte fest, ein solcher Schutz könne maßgeblich durch die zivilrechtlichen Generalklauseln, zu welchen auch der § 19 GWB gehöre, erreicht werden.141 Hierdurch brachte der BGH die Prüfung zurück in die Interessenabwägung des § 19 GWB und stellte klar, dass die Interessenabwägung des § 19 GWB über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung entscheide.142 Bei der Abwägung im § 19 GWB müssten dann die im Streitfall kollidierenden Grundrechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz zu größtmöglicher Wirksamkeit gebracht werden.143 Zunächst stellte der BGH die zu beachtenden Rechtspositionen heraus. Er ließ dabei auf Seiten Pechsteins den Justizgewähranspruch und die Berufsfrei134
BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 54 f.) – Pechstein III. BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 55) – Pechstein III. 136 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 55) – Pechstein III, mit Nachweisen zu: BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 – Handelsvertreter; BVerfG, Urt. v. 06.02.2001, 1 BvR 12/92, NJW 2001, 957 – Unterhaltsverzichtsvertrag; BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 – Bürgschaftsvertrag. 137 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 55) – Pechstein III. 138 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 56) – Pechstein III. 139 Vgl.: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 56) – Pechstein III. 140 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 57 f.) – Pechstein III. 141 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 57) – Pechstein III. 142 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 58) – Pechstein III. 143 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 57) – Pechstein III. 135
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heit einfließen.144 Während der BGH eine Einschränkung der freien Berufsausübung in dem Zwang erkannte, die Schiedsvereinbarung zu unterzeichnen, ging er nicht weiter auf den Justizgewähranspruch ein.145 Auf Seiten der ISU beachtete der BGH Art. 9 Abs. 1 GG, der die verfahrensrechtliche Absicherung der Verbandsfreiheit erlaube.146 Weiterhin sei es für die Tätigkeit von Sportverbänden elementar, dass sportliche Regelwerke einheitlich angewendet würden.147 Dass diese einheitliche Anwendung sowie eine einheitliche Rechtsfortbildung im Sport nur durch eine internationale Sportschiedsgerichtsbarkeit erreicht werden könne, sah der BGH als allgemein anerkannt an.148 Darüber hinaus wertete der BGH die anerkannten149 Vorteile der Sportschiedsgerichtsbarkeit: einheitliche Rechtsanwendung, Fachkunde der Schiedsrichter, Schnelligkeit der Entscheidungsfindung und internationale Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen als Argumente für eine Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung.150 Auch den WADC berücksichtigte der BGH als Punkt, der für die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung spreche.151 Schließlich zwinge dieser die Verbände zur Einführung einer Zwangsschiedsgerichtsbarkeit in Dopingsachen.152 Im Zuge der Abwägung der herausgearbeiteten Positionen erklärte der BGH, dass die einheitliche Anwendung und Durchsetzung der sportlichen Regelwerke nicht nur für die Verbände, sondern auch für die einzelnen Sportler eine notwendige Voraussetzung für das Funktionieren des professionellen Sports sei.153 Dem Justizgewähranspruch und der Berufsfreiheit würde wiederum durch die nicht unerheblichen Anforderungen bezüglich der Unabhängigkeit und Neutralität an echte Schiedsgerichte zu größtmöglicher Geltung verholfen.154 Außerdem gäbe es auch bei Schiedsverfahren die Möglichkeit, Rechtsschutz vor staatlichen Gerichten zu erlangen.155 Nicht zuletzt spreche auch der Wille des Gesetzgebers gegen eine Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung.156 So habe der Gesetzgeber § 1025 144
BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 58) – Pechstein III. BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 58) – Pechstein III. 146 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 59) – Pechstein III. 147 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 59) – Pechstein III. 148 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 59) – Pechstein III. 149 Stellvertretend: Adolphsen, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel Schiedsgerichtsbarkeit – Internationales Sportrecht Rn. 1030–1035; Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 371–374. 150 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 59) – Pechstein III. 151 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 59 f.) – Pechstein III. 152 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 59 f.) – Pechstein III. 153 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 62) – Pechstein III. 154 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 62) – Pechstein III. 155 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 62) – Pechstein III. 156 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 63) – Pechstein III. 145
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Abs. 2 ZPO a. F. abgeschafft, um die Nichtigkeit von Schiedsvereinbarungen in Ungleichgewichtslagen als Grundsatz zu verhindern.157 Diesen Wille habe der Gesetzgeber auch durch den Erlass des § 11 AntiDopG und die Unterzeichnung und Ratifizierung des ÜDopSp bestätigt.158 Am Ende dieser Interessenabwägung stand für den BGH die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung und damit seine eigene Unzuständigkeit nach § 1032 Abs. 1 ZPO.159
V. LG Kempten, Urt. v. 22.11.2014, 33 O 1921/14 Dem circa neun Monate nach Pechstein I ergangenen Urteil des LG Kempten lag eine Nominierungsstreitigkeit im Curlingsport zugrunde. Bei einem Qualifikationsturnier sollte laut organisierendem Verband das siegende Team für die EM 2014 nominiert werden.160 Das Team der Antragstellerin gewann im Tie-Break, wurde aber wegen nicht sportlicher Gründe vom deutschen Curlingverband nicht zur EM nominiert.161 Das zunächst zuständige Sportgericht162 lehnte den Protest gegen die Entscheidung des Deutschen Curlingverbandes ab.163 Die Antragstellerin verlangte daher vor dem LG Kempten unter anderem, dass ihr Team für die Curling-EM nominiert wird.164 Das LG Kempten hatte zu entscheiden, ob es für diesen Anspruch zuständig war, da die Ziffer 7.5 der nicht genauer spezifizierten (aber wohl von der Antragstellerin unterzeichneten) Athletenvereinbarung eine Schiedsklausel enthielt.165 Das Gericht prüfte im Rahmen des § 138 BGB, ob die Schiedsklausel wirksam war.166 Es stützte sich dabei auf die Entscheidung Pechstein I, und ging davon aus, dass
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BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 63) – Pechstein III. BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272 Rn. 63) – Pechstein III. 159 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2268 Rn. 22, 2270 Rn. 2270) – Pechstein III. 160 LG Kempten im Allgäu, Urt. v. 22.11.2014, 33 O 1921/14, SpuRt 2015, 35 (35 f.). 161 LG Kempten im Allgäu, Urt. v. 22.11.2014, 33 O 1921/14, SpuRt 2015, 35. 162 Ob es sich hierbei um ein echtes Schiedsgericht handelt, muss zumindest bezweifelt werden. Vgl. zur Kritik an der konkludenten Einstufung des LG Kempten: Lambertz, SpuRt 2015, 36. 163 LG Kempten im Allgäu, Urt. v. 22.11.2014, 33 O 1921/14, SpuRt 2015, 35. 164 LG Kempten im Allgäu, Urt. v. 22.11.2014, 33 O 1921/14, SpuRt 2015, 35. 165 LG Kempten im Allgäu, Urt. v. 22.11.2014, 33 O 1921/14, SpuRt 2015, 35. 166 LG Kempten im Allgäu, Urt. v. 22.11.2014, 33 O 1921/14, SpuRt 2015, 35. 158
A. Rechtsprechung
133
„ein Verzicht auf den Zugang zu den ordentlichen Gerichten […] nur wirksam möglich ist, wenn der Sportler sich tatsächlich selbstbestimmt dafür entscheidet.“167
Zur Prüfung der Selbstbestimmung führte das Gericht aus: „Bei der Unterzeichnung der Athletenvereinbarung bestand eine strukturelle Ungleichheit zwischen den Parteien. Nachdem der Antragstellerin der Zugang zu internationalen Wettkämpfen und auch zur Sportförderung nur über den Antragsgegner möglich war, hatte sie keine freie Wahl. Sofern sie die Athletenvereinbarung nicht unterschrieben hätte, wäre ihr ein Zugang zu Fördergeldern und internationalen Wettkämpfen nicht möglich gewesen.“168
Das Gericht verkannte nicht, dass es sich bei der Antragstellerin – anders als bei Pechstein – um eine nebenberufliche Sportlerin handelte.169 Es argumentierte diesbezüglich, dass lediglich der Grad der Abhängigkeit geringer sei, während das grundsätzliche strukturelle Ungleichgewicht zwischen Athleten und dem im Ein-Platz-Prinzip organisierten Sportverband in gleicher Weise bestünde.170 Wegen dieses strukturellen Ungleichgewichts müsse der Zugang zu den ordentlichen Gerichten gegeben sein.171 Ein solcher Zugang sei bei Wirksamkeit der Schiedsklausel jedoch nicht gegeben, weshalb ein Verstoß gegen § 138 BGB und damit die Nichtigkeit der Schiedsklausel vorliege.172
VI. Entscheidungen nach Pechstein III Auch nachdem die Entscheidung des BGH in Pechstein III ergangen ist, haben verschiedene Sportler vor staatlichen Gerichten argumentiert, dass von Verbänden oktroyierte Schiedsvereinbarungen unwirksam seien. Mit diesem Vortrag sind sie ausnahmslos gescheitert. In einer Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. wurde hinsichtlich der Wirksamkeitsfrage einer oktroyierten Schiedsvereinbarung umfassend auf das Urteil des BGH in Pechstein III verwiesen und auf dessen Grundlage die Schiedsvereinbarung zwischen einem Berufsrennradfahrer und dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) zum CAS für wirksam erklärt.173 In einem Fall des LG Köln musste die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung zum CAS nach Schweizer Recht be-
167
LG Kempten im Allgäu, Urt. v. 22.11.2014, 33 O 1921/14, SpuRt 2015, 35. LG Kempten im Allgäu, Urt. v. 22.11.2014, 33 O 1921/14, SpuRt 2015, 35. 169 LG Kempten im Allgäu, Urt. v. 22.11.2014, 33 O 1921/14, SpuRt 2015, 35. 170 LG Kempten im Allgäu, Urt. v. 22.11.2014, 33 O 1921/14, SpuRt 2015, 35. 171 LG Kempten im Allgäu, Urt. v. 22.11.2014, 33 O 1921/14, SpuRt 2015, 35. 172 LG Kempten im Allgäu, Urt. v. 22.11.2014, 33 O 1921/14, SpuRt 2015, 35. 173 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 21.12.2017, 11 U 26/17 (Kart), WuW 2018, 150 (152). 168
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Kapitel 5: Verzicht auf den Justizgewähranspruch
urteilt werden.174 Dies hielt das LG Köln jedoch nicht davon ab, in Einklang mit der Pechstein-III-Entscheidung in einem obiter dictum festzustellen, dass die zu prüfende, oktroyierte Schiedsvereinbarung auch bei Beurteilung nach deutschem Recht als wirksam anzusehen wäre.175
VII. Ergebnis Die Analyse der Entscheidungen zur Wirksamkeit von oktroyierten Schiedsvereinbarungen hat gezeigt, dass sich die gerichtlichen Entscheidungen rechtsdogmatisch erheblich unterscheiden. Ein leichter Überhang besteht für die Forderung einer echten Wahlfreiheit. Mit Ausnahme der Körbuch-III-Entscheidung handelt es sich hierbei jedoch um erstinstanzliche Entscheidungen. Außerdem hat der BGH in Körbuch III bereits angedeutet, dass eine Schiedsabrede anders zu beurteilen sei, als eine Schiedsanordnung, die durch Mehrheitsbeschluss gegen den Willen des Betroffenen in eine Vereinssatzung eingeführt wurde. Die aktuelle Praxis der Gerichte zeigt, dass die rechtlichen Wertungen der Pechstein-III-Entscheidung ohne Auseinandersetzung mit den Argumenten, die dieser Entscheidung entgegenstehen, angewendet werden. Durch die noch ausstehende Entscheidung des BVerfG in der Sache Pechstein besteht zwar die Möglichkeit einer Rechtsprechungsänderung mit Bindungswirkung nach § 31 BVerfGG, dies ist aber nicht besonders wahrscheinlich.
B. Literatur Die Frage, ob oktroyierte Schiedsvereinbarungen (im Sport) mit dem Justizgewähranspruch vereinbar sind, ist in der Literatur umfangreich diskutiert worden. Schon vor der Causa Pechstein wurde die Problematik in vielen Monografien und 176
174
LG Köln, Urt. v. 28.03.2017, 31 O 448/14, CaS 2017, 141 (146). LG Köln, Urt. v. 28.03.2017, 31 O 448/14, CaS 2017, 141 (148); im darauffolgenden Berufungsverfahren vor dem OLG Düsseldorf wurde die Problematik nicht erwähnt: OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2017, VI-U(Kart) 8/17, WuW 2018, 222. 176 Siehe nur in den Untersuchungen: Bergermann, Doping und Zivilrecht; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen; Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport; Schleiter, Globalisierung im Sport; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen; Geimer, Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassung (aus deutscher Sicht), in: Schlosser, Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, S. 113; Haas, ZGR 2001, 325; König, SpuRt 2004, 137; Oschütz, SpuRt 2007, 177; Monheim, SpuRt 2008, 8; Monheim, Die Vereinbarkeit von Schiedsabreden und Schiedsgerichten im Sport mit dem Rechtsstaatsprinzip, in: Vieweg, 175
B. Literatur
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Aufsätzen aufgegriffen.176 Mit Beginn der Causa Pechstein ist das Literaturaufkommen erneut angestiegen.177 Die Einteilung der Literaturstimmen in Meinungen wird anhand von zwei Auswahlkriterien vorgenommen: Erstens anhand der Bewertung, ob der Abschluss einer wirksamen Schiedsvereinbarung wegen des notwendigen Verzichts auf den Justizgewähranspruch freiwillig erfolgen muss. Und zweitens, bei Bejahung dieser Vorfrage, danach, wie der Freiwilligkeitsbegriff definiert wird. Infolge dieser Weichenstellungen werden die verschiedenen Vertreter der Literatur in drei Meinungen eingeteilt.178 1. Ein Verzicht auf den Justizgewähranspruch ist nur freiwillig möglich. Freiwilligkeit liegt nur bei einer echten Wahlfreiheit des Einzelnen zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und staatlichen Gerichtsbarkeit vor (Abschlusskontrolle). 2. Ein Verzicht auf den Justizgewähranspruch ist nur freiwillig möglich. Diese Freiwilligkeitsvoraussetzung fordert jedoch keine Abschlusskontrolle, sondern eine Inhaltskontrolle nach rechtsstaatlichen Maßstäben.
Facetten des Sportrechts, S. 94; Maihold, SpuRt 2013, 95; Steiner, SchiedsVZ 2013, 15; Hofmann, SpuRt 2014, 60; Steiner, SpuRt 2014, 2; Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2014, 175. 177 Siehe nur in den Untersuchungen: Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport; Wittmann, Schiedssprüche des Court of Arbitration for Sport vor schweizerischen und deutschen ordentlichen Gerichten; Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit; Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders; Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169; Wolf/Eslami, Sport(zwangs-) schiedsgerichtsbarkeit oder wie lässt sich die privatautonome Entschließungsfreiheit der Schiedsgerichtsbarkeit absichern, in: Schütze, FS Geimer, S. 807; Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280; Heermann, SchiedsVZ 2014, 66; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216; Heermann, JZ 2015, 362; Heermann, SpuRt 2015, 4; Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/ Lorenz, GS Unberath, S. 159; Heermann, FAZ Online, Gastbeitrag zum Sportrecht: Bremst der Gesetzgeber Pechstein noch aus?, go.wwu.de/o05gd; Haas, ZVglRWiss 2015, 516; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2015, 69; Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257; Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112; Heermann, CaS 2016, 108; Heermann, NJW 2016, 2224; Adolphsen, Die Entwicklung der nationalen und internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit, in: Württembergischen Fußballverband e. V., Tagungsband des wfv-Sportrechtsseminars 2015, S. 31; Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237; Rombach, SchiedsVZ 2016, 268; Thorn/ Lasthaus, IPRax 2016, 426. 178 Ähnlich hat Heermann die Einstufung vorgenommen. Er unterscheidet zwischen Vertretern des Öffentlichen Rechts und Vertreter des Zivilrechts. Während er davon ausgeht, dass die Vertreter des Öffentlichen Rechts streng an der Freiwilligkeitsforderung festhalten, spricht er den Vertretern des Zivilrechts dahingehend eine größere Flexibilität zu: Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (71 f.). Classen unterscheidet nur zwischen den Ansichten, die die Freiwilligkeit fordern und solche, die die Freiwilligkeit nicht als Voraussetzung ansehen: Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 82–87.
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Kapitel 5: Verzicht auf den Justizgewähranspruch
3. Ein Verzicht auf den Justizgewähranspruch muss nicht freiwillig erfolgen. Die Wirksamkeit des Verzichts durch oktroyierte Schiedsvereinbarungen bestimmt sich allein nach den Regeln der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre.
I. Freiwilligkeit bedeutet echte Wahlfreiheit Vertreter dieser Auffassung gehen davon aus, dass ein Verzicht auf den Justizgewähranspruch nur freiwillig möglich ist.179 Freiwilligkeit liege wiederum nur bei Wahlfreiheit vor. Echte Wahlfreiheit bedeutet, dass die Sportler entscheiden können, ob sie einer Schiedsvereinbarung zustimmen oder die Streitentscheidung lieber den staatlichen Gerichten überlassen, ohne eine Einbuße irgendeiner Art fürchten zu müssen.180 Es handelt sich um eine Abschlusskontrolle.181 Obwohl alle Autoren ihren Überlegungen das Bestehen einer Freiwilligkeitsforderung zugrunde legen,182 setzt sich allein Hammer (seines Zeichens Prozessvertreter Pechsteins vor dem BGH) umfangreich damit auseinander, wie das Freiwilligkeitserfordernis dogmatisch begründet werden kann.183
179
Siehe beispielhaft: Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips, 153 f.; Axtmann, Die Vorlageberechtigung von Sportschiedsgerichten zum EuGH, S. 82, der i. E. aber im Sport eine Ausnahme vom Freiwilligkeitserfordernis als möglich ansieht (S. 85 f.); Monheim, SpuRt 2008, 8 (9–11); Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (73). 180 Siehe z. B.: Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips, S. 158; Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 350. 181 Unter Abschlusskontrolle wird die Prüfung, ob der Abschluss der Schiedsvereinbarung an sich unwirksam ist, verstanden. Als Gegenstück dient die Inhaltskontrolle. Bei der Inhaltkontrolle wird geprüft, ob die Ausgestaltung der Schiedsvereinbarung, also die Ausgestaltung des Schiedsgerichts und -verfahrens, wirksam sind. Auch wenn manche Autoren die Begriffe anders verwenden, wird dies in dieser Untersuchung nicht aufgegriffen. 182 Siehe beispielhaft: Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips, 153 f.; Axtmann, Die Vorlageberechtigung von Sportschiedsgerichten zum EuGH, S. 82, der i. E. aber im Sport eine Ausnahme vom Freiwilligkeitserfordernis als möglich ansieht (S. 85 f.); Monheim, SpuRt 2008, 8 (9–11); Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (73). 183 Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (173), der dabei insbesondere auf das Verhältnis des Justizgewähranspruchs und der Vertragsfreiheit eingeht. I. E. geht aber auch er davon aus, dass der Justizgewähranspruch in Sachverhalten gestörter Verhandlungsparität nur dann abdingbar ist, wenn der unterlegenen Person eine echte Wahlfreiheit zukommt – sie also freiwillig handelt: Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (176 f.).
B. Literatur
137
Er stellt zunächst fest, dass es sich bei Schiedsvereinbarungen um Verträge des bürgerlichen Rechts handelt, weshalb für deren Wirksamkeit jedenfalls die Regelungen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre – inklusive der verfassungsrechtlichen Grundlagen und Grenzen der Vertragsfreiheit184 – gelten würden.185 Hammer trägt dann vor, dass eine wirksame Schiedsvereinbarung dazu führt, dass Gerichte wegen § 1032 Abs. 1 ZPO dazu gezwungen sind, die Klage abzuweisen und dadurch gleichzeitig den Justizgewähranspruch beschränken müssen.186 Aus der Wirkung von § 1032 Abs. 1 ZPO könne sich daher ein zusätzliches schiedsrechtliches Prüfkriterium für die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen ergeben.187 Ein solches zusätzliches Prüfkriterium zieht Hammer schlussendlich aus dem Eingriffscharakter des § 1032 ZPO.188 Er begründet diese Auffassung damit, dass nicht nur in dem Verhältnis zwischen den Parteien, sondern auch in dem Verhältnis zwischen Gericht und Parteien (öffentlich-rechtliche Bedeutung der Schiedsvereinbarung) das „charakteristische Merkmal einer Schiedsvereinbarung“ liege.189 Dies erkenne man schon daran, dass die herrschende Literatur die Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag kategorisiere.190 Weiterhin würde die Rechtsprechung bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen zusätzlich auch auf das Kartellrecht abstellen.191 Dementsprechend sei keine einheitliche Bewertung nach den Regeln der Rechtsgeschäftslehre gegeben und es sei gerechtfertigt, auch aus dem Schiedsrecht zusätzliche Wirksamkeitsmerkmale abzuleiten.192 Würde man allein auf die allgemeine Rechtsgeschäftslehre abstellen, so könnten die Grundrechte nur mittelbar im Rahmen der Generalklauseln des Privat184 Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (173 f.). 185 Hammer nennt hier insbesondere §§ 119 ff. BGB und §§ 138, 242 BGB: Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (173). 186 Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (174). 187 Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (174). 188 Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (174–176). 189 Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (175). 190 Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (175). 191 Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (175). 192 Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (175).
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Kapitel 5: Verzicht auf den Justizgewähranspruch
rechts beachtet werden.193 Die dadurch entstehende Beschränkung des unmittelbaren Grundrechtsschutzes zwischen Partei und Gericht könne aber nur auf Grundlage einer gesetzlichen Regelung wirksam sein.194 Eine solche Einschränkung des unmittelbaren Grundrechtsschutzes sei dem Wortlaut des § 1032 ZPO aber nicht zu entnehmen.195 Weiterhin sei § 1032 ZPO systematisch als Eingriffsnorm des Verfahrensrechts zu qualifizieren, was dafür spreche, dass dessen Auslegung und Anwendung unmittelbar unter Berücksichtigung des Verfassungsrechts vorzunehmen sei.196 Von besonderer Relevanz sei, dass die Parteien einer Schiedsvereinbarung zwar einen Verzicht auf den Justizgewähranspruch erklären würden, eine entsprechende Erklärung gegenüber den Gerichten aber fehle.197 Als zusätzliches schiedsrechtliches Prüfungselement benennt Hammer daher für Schiedsvereinbarungen– als Prozessvertreter Pechsteins vor dem BGH wenig überraschend – die Freiwilligkeit.198 Freiwilligkeit als echte Wahlfreiheit begründet er im Ergebnis damit, dass nur derjenige, der wählen kann, ob er auf ein Grundrecht verzichtet, wirksam auf den Schutz vor staatlichen Eingriffen verzichten kann.199 Die weiteren Befürworter der echten Wahlfreiheit vertreten im Ergebnis die gleiche Meinung wie Hammer, begründen diese aber weniger umfangreich. So verneinen sie eine Änderung der Rechtslage infolge der Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. dadurch, dass sich das Freiwilligkeitserfordernis aus der Verfassung ergebe.200 Gesetzgeberische Tätigkeit des einfachen Gesetzgebers könne keinen Einfluss auf das Verfassungsrecht haben.201 Classen führt darüber 193
Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (175). 194 Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (175). 195 Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (175). Leider führt Hammer dieses Argument nicht weiter aus. 196 Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (175). 197 Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (176). 198 Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (176). 199 Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (176), unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 18.08.1981, 2 BvR 166/81, NJW 1982, 375. 200 Vgl. z. B.: Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 87. 201 Siehe z. B.: Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips, S. 420; Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/Lorenz, GS Unberath, S. 159
B. Literatur
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hinaus aus, dass es sich bei § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. um eine Konkretisierung von § 138 BGB handele.202 Jeder unter § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. fallende Sachverhalt verstoße daher auch gegen § 138 Abs. 1 BGB.203 Dementsprechend könne die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. keine Rechtsänderung herbeigeführt haben.204 Es sei lediglich die einfachgesetzliche Kodifizierung abgeschafft worden, nicht jedoch die verfassungsrechtliche Wertung.205 Dass sich durch die Forderung einer echten Wahlfreiheit ein Dilemma206 für die Einheitlichkeit der Sportrechtsprechung – und damit der Durchführung des Wettkampfsports –207 ergebe, sei laut Heermann kein Grund, diesem Auslegungsergebnis eine Absage zu erteilen.208 Er spricht sich darüber hinaus dagegen aus, Schiedsverfahren wegen des dem staatlichen Verfahren gleichwertigen Rechtsschutzes als nur temporäre, erlaubte Ersetzung des gesetzlichen Richters anzusehen.209 Aus dem Justizgewähranspruch ergebe sich gerade das Recht, jederzeit ein staatliches Verfahren zur Entscheidung einer Streitigkeit herbeizuführen.210 Gegen das Verständnis, das Freiwilligkeitserfordernis als Inhaltskontrolle zu sehen, führt Heermann an, dass ein Rückgriff auf das Schweizer Cañas-Urteil211 keinen (169); Monheim, Die Vereinbarkeit von Schiedsabreden und Schiedsgerichten im Sport mit dem Rechtsstaatsprinzip, in: Vieweg, Facetten des Sportrechts, S. 94 (106 f.); Monheim, SpuRt 2008, 8 (10); Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (74 f.); unklar in: Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, 87 f.; Steiner, SchiedsVZ 2013, 15 (17 f.); Steiner, SpuRt 2014, 2 (3 f.); Heermann, NJW 2016, 2224 (2226). 202 Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 103 f., der davon ausgeht, dass „[d]ie „Nötigung“ zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung […] ein konkreter Fall der Sittenwidrigkeit gewesen“ wäre. 203 Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 103. 204 Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 104. 205 Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 104. 206 Durch die (örtlichen) Zuständigkeitsregeln der staatlichen Gerichte würden verschiedene staatliche Gerichte in verschiedenen Staaten über den Sport Recht sprechen. Hierbei wäre es nach Heermann wahrscheinlich, dass es zu sich widersprechenden Entscheidungen käme: Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/Lorenz, GS Unberath, S. 159 (168). 207 Siehe hierzu: Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/Lorenz, GS Unberath, S. 159; Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (76). 208 Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (75 f.). 209 Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/Lorenz, GS Unberath, S. 159 (169). 210 Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/Lorenz, GS Unberath, S. 159 (169). 211 Schweizer Bundesgericht, Entscheid v. 22.03.2007, 4P.172/2006, SpuRt 2007, 113 – Cañas.
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Kapitel 5: Verzicht auf den Justizgewähranspruch
Einfluss auf die Diskussion haben könne.212 Schließlich habe sich das Schweizer Bundesgericht in dieser Entscheidung nicht abschließend mit der Frage der Wirksamkeit von oktroyierten Schiedsvereinbarungen auseinandergesetzt.213 Auch könne die Entscheidung des Gesetzgebers, ein Gesetz zu verabschieden, nicht mit der Satzungsgebung eines monopolistischen Ersatzgesetzgebers gleichgesetzt werden, da dies dem Gewaltenteilungsprinzip widerspreche.214 Heermann fügt hinzu, dass auch völkerrechtliche Verträge oder Statuten übergeordneter Verbände nicht dazu führen könnten, dass auf das strenge Freiwilligkeitserfordernis zu verzichten sei.215 Zwar seien diese Verträge oder Statuten für die Unterzeichner in der Regel bindend, sie müssten aber verfassungskonform ausgelegt werden.216 Die Vor- und Nachteile der Sportschiedsgerichtsbarkeit greift Heermann zwar auf, sieht darin aber nur ein Mittel, um die Beteiligten von der Notwendigkeit der Sportschiedsgerichtsbarkeit zu überzeugen.217 Einen Einfluss auf das Freiwilligkeitserfordernis misst er diesen Argumenten nicht zu.218 Nur das Tätigwerden des Gesetzgebers könne eine Aufweichung des strengen Freiwilligkeitserfordernisses hervorrufen.219 Schon 2006 hat Monheim seine Auffassung zur Bestimmung des Freiwilligkeitsmerkmals im Umfeld von oktroyierten Schiedsvereinbarungen im Sport präzise beschrieben:
212 Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/Lorenz, GS Unberath, S. 159 (S. 170 f.); Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (76 f.). 213 Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/Lorenz, GS Unberath, S. 159 (170 f.); Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (76 f.). 214 Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/Lorenz, GS Unberath, S. 159 (171). 215 Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/Lorenz, GS Unberath, S. 159 (172); Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (74); Heermann, NJW 2016, 2224 (2225). 216 Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/Lorenz, GS Unberath, S. 159 (172); Heermann, NJW 2016, 2224 (2225); Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (74). 217 Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/Lorenz, GS Unberath, S. 159 (173); Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (75). 218 Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/Lorenz, GS Unberath, S. 159 (173). 219 Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/Lorenz, GS Unberath, S. 159 (167 f.); Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (77). Wobei Heermann den § 11 AntiDopG hierfür wohl nicht für geeignet hält: Heermann, CaS 2016, 108 (117).
B. Literatur
141
„Da sich die großen Sportverbände bewusst sind, dass den Athleten nichts anderen übrig bleibt, als sich dem Schiedsgericht zu unterwerfen, wenn sie ihren Sport ausüben möchten, da dieser Unterwerfung stets Voraussetzung für die Erteilung der Starterlaubnis ist, liegt immer eine Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB vor, wenn ein Wahlrecht fehlt. Der Athlet hat in einem solchen Fall letztlich keine Möglichkeit, die Vereinbarung nicht abzuschließen, so dass es Aufgabe des Verbandes wäre, zu beweisen, dass die Vereinbarung auch abgeschlossen worden wäre, wenn sie nicht Voraussetzung für die Erteilung einer Starterlaubnis wäre. […] [B]eim Vorliegen einer Nötigung nach § 138 BGB [ist immer] eine Unwirksamkeit gegeben, also immer dann, wenn der Athlet kein Wahlrecht hat, ob er eine Vereinbarung abschließen möchte oder nicht.“220
Monheim geht also davon aus, dass in Fällen gestörter Verhandlungsparität nur dann keine Unwirksamkeit der abgeschlossenen Schiedsvereinbarung vorliegt, wenn der Athlet ein Wahlrecht zwischen staatlicher und Schiedsgerichtsbarkeit hatte oder nachgewiesen werden kann, dass die unterlegene Partei der Schiedsvereinbarung auch dann zugestimmt hätte, wenn kein Fall der gestörten Verhandlungsparität vorgelegen hätte.221 Hofmann stimmt Monheim im Ergebnis zu, wenn er annimmt, dass Freiwilligkeit nur dann gegeben sei, wenn der Abschluss der Schiedsvereinbarung „unabhängig vom Startrecht oder der Aufnahme in einen Leistungskader“ erfolgt sei.222 Hofmann bewertet die Frage, wer Freiwilligkeit beziehungsweise Unfreiwilligkeit zu beweisen habe aber anders als Monheim. Er bürdet die Beweislast der unterlegenen Partei auf, indem er eine Unwirksamkeit nur dann akzeptieren möchte, wenn die unterlegene Partei kein echtes Wahlrecht hatte und diese den Abschluss der Schiedsvereinbarung ausdrücklich abgelehnt habe.223 Andere Autoren argumentieren, dass bei oktroyierten Schiedsvereinbarungen zwar keine Freiwilligkeit im Sinne einer Wahlfreiheit gegeben sei, dies aber dadurch ausgeglichen werden könne, dass das konkrete Verfahren rechtsstaatlichen 220 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips, S. 158; ebenso: Monheim, Die Vereinbarkeit von Schiedsabreden und Schiedsgerichten im Sport mit dem Rechtsstaatsprinzip, in: Vieweg, Facetten des Sportrechts, S. 94 (105 f.); Monheim, SpuRt 2008, 8 (10). 221 Monheim, SpuRt 2008, 8 (10); Monheim, Die Vereinbarkeit von Schiedsabreden und Schiedsgerichten im Sport mit dem Rechtsstaatsprinzip, in: Vieweg, Facetten des Sportrechts, S. 94 (105 f.); siehe auch: Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 252. 222 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 350. 223 Hofmann, Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland, S. 352. Diese Ansicht wird von Monheim unter Anknüpfung an die Entscheidung der LG Köln (s. o.) dahingehend kritisiert, dass es bei geleisteter Unterschrift schwierig sein dürfte, zu beweisen, dass man den Abschluss der Schiedsvereinbarung eigentlich nicht wollte: Monheim, Die Vereinbarkeit von Schiedsabreden und Schiedsgerichten im Sport mit dem Rechtsstaatsprinzip, in: Vieweg, Facetten des Sportrechts, S. 94 (108).
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Kapitel 5: Verzicht auf den Justizgewähranspruch
Verfahrensstandards genüge.224 Dies sei – wohl mit Blick auf eine Inhaltskontrolle – wegen der Vorteile der Sportschiedsgerichtsbarkeit als „quid pro quo“ rechtmäßig.225
II. Freiwilligkeitserfordernis bedeutet Inhaltskontrolle Die Vertreter der Literatur, die argumentieren, dass der Freiwilligkeitsbegriff eine Inhaltskontrolle fordert, gehen ebenfalls davon aus, dass der Verzicht auf den Justizgewähranspruch ein Freiwilligkeitserfordernis voraussetzt.226 Dieses könne aber nicht mit der Forderung einer echten Wahlfreiheit zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit gleichgesetzt werden. Vielmehr argumentieren diese Vertreter, dass durch das Freiwilligkeitserfordernis eine Inhaltskontrolle der Schiedsvereinbarung gefordert sei: also die Überprüfung, welche Folgen die konkrete Schiedsvereinbarung für die Beteiligten mit sich bringe. Bei einer solchen Inhaltskontrolle wird über die Schiedsvereinbarung auch das einschlägige Verfahrensrecht des Schiedsgerichtes einbezogen. Im Ergebnis soll es im Rahmen dieser Inhaltskontrolle zu einer Abwägung zwischen den Interessen der beteiligten Parteien kommen. Diese Ansicht wird seit der Entscheidung des OLG Münchens in Pechstein II verstärkt vertreten.227 Unter den Vertretern dieser Auffassung besteht Einigkeit, dass die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. den verfassungsrechtlichen Kern der Norm nicht
224
Vgl. z. B.: Rombach, SchiedsVZ 2015, 105 (109); Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426 (429). In Anlehnung an die Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts; andeutungsweise auch: Rombach, SchiedsVZ 2016, 268 (278). 225 Rombach, SchiedsVZ 2015, 105 (109). 226 Siehe nur die vielzitierte Aussage von Steiner: Die Freiwilligkeit sei eine „unaufgebbare verfassungsrechtliche Prämisse der Zulässigkeit eines schiedsgerichtlichen Verfahrens“: Steiner, SchiedsVZ 2013, 15 (17); Steiner, SpuRt 2014, 2 (3). Interessant ist dabei aber, dass dies häufig von Vertretern der echten Wahlfreiheit aufgegriffen wird, obwohl man Steiner als Vertreter einer Inhaltskontrolle ansehen muss. 227 Schleiter, Globalisierung im Sport, S. 137–142; Wittmann, Schiedssprüche des Court of Arbitration for Sport vor schweizerischen und deutschen ordentlichen Gerichten, S. 194 f.; Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 373 f.; Steiner, SchiedsVZ 2013, 15 (17 f.); Steiner, SpuRt 2014, 2 (3 f.); Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426 (insb. S. 429), welche davon ausgehen, dass die Zustimmung zu Schiedsvereinbarungen im Sport zwar nicht freiwillig zustande kommen, allerdings dann als wirksam anzusehen seien, wenn das Verfahren vor dem Schiedsgericht rechtsstaatlichen Verfahrensstandards genüge. Wohl auch: Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 112–121, obwohl dieser bereits die Entscheidungen des BVerfG zu Ungleichgewichtslagen besonders hervorhebt.
B. Literatur
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abschaffen konnte.228 Gleichzeitig dürfe aber die Wertung, dass Schiedsgerichtsbarkeit und staatliche Gerichtsbarkeit vom Gesetzgeber nunmehr als gleichwertig angesehen werden, nicht unbeachtet bleiben.229 Gerade im Sport sei für Athleten der Rechtsschutz vor Schiedsgerichten sogar vorteilhafter als vor staatlichen Gerichten, da die Kontrolltiefe von Verbandsmaßnahmen vor Schiedsgerichten größer sei.230 Diese müssten den Sportverbänden nämlich aus Art. 9 Abs. 1 GG keinen Ermessens- und Beurteilungsspielraum zuerkennen.231 Auf Grundlage dieser Wertung könne nach der Gesetzesänderung nicht von einer echten Wahl freiheit ausgegangen werden.232 Haas argumentiert, dass der Gesetzgeber wegen des ebenfalls notwendigen Schutzes der Vertragsfreiheit mit der Forderung einer echten Wahlfreiheit über das gewollte Ziel „hinausschießen“ würde.233 Diese Schlussfolgerung unterfüttert Adolphsen mit dem Argument234, dass sich aus dem ÜDopSp in Verbindung mit dem WADC ergebe, dass Deutschland dazu verpflichtet sei, die im WADC geforderte Zwangssportschiedsgerichtsbarkeit einzuführen.235 Wie die Inhaltskontrolle im Ergebnis durchzuführen ist, wird durch die Autoren unterschiedlich formuliert. Adolphsen geht davon aus, dass im Rahmen der Inhaltkontrolle anhand der Interessen von Athleten und Sportverbänden abzuwägen sei, ob die Entscheidung durch ein Schiedsgericht anstelle eines staatlichen Gerichts dem überwiegenden Interesse der Unterzeichner entspreche.236 Ebenso positioniert sich Steiner, der argumentiert, die Freiwilligkeit fordere eine Abwägung der Vor- und Nachteile der Sportschiedsgerichtsbarkeit als
228 Siehe: Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 116–122; Haas, ZGR 2001, 325 (333); Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2014, 175 (181). 229 Siehe nur: Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 561; Haas, ZGR 2001, 325 (334); Haas, ZVglRWiss 2015, 516 (524).Wie diese zwei Punkte miteinander vereinbar sein sollen wird nicht erläutert. 230 Haas, ZVglRWiss 2015, 516 (524). 231 Haas, ZVglRWiss 2015, 516 (524 f.). 232 Vgl. Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 123–124; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 561; Adolphsen, Umsetzung des Welt Anti-Doping Codes in Deutschland, in: Vieweg, Perspektiven des Sportrechts, S. 81 (100); Haas, ZGR 2001, 325 (334); Haas, ZVglRWiss 2015, 516 (524). 233 Haas, ZGR 2001, 325 (336). 234 Siehe die Ausführungen hierzu unter: Kap. 4. B. III. (S. 100 ff.). 235 Adolphsen, SpuRt 2016, 46. 236 Adolphsen, Die Entwicklung der nationalen und internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit, in: Württembergischen Fußballverband e. V., Tagungsband des wfv-Sportrechtsseminars 2015, S. 31 (38 f.); vgl.: Adolphsen, SpuRt 2016, 46 (48).
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rechtsstaatlich kontrolliertes Schiedsverfahren.237 Ähnlich stellt auch Brunk fest, dass es einer Inhaltkontrolle in Form einer auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz basierenden allgemeinen Interessenabwägung bedürfe, um die Wirksamkeit von oktroyierten Schiedsvereinbarungen zu bestimmten.238 Hierbei sei auf die Entscheidungen des BVerfG und des BGH zu Bürgschaftsverträgen zurückzugreifen.239 Haas geht ebenfalls davon aus, dass der Justizgewähranspruch einer Interessenabwägung zugänglich ist.240 Im Ergebnis formuliert er, dass sich aus der Freiwilligkeitsforderung eine „Abwägung der Umstände des Einzelfalls und der [abstrakten] Interessen der Parteien im Wege einer Inhaltskontrolle“ ergebe.241 Hierdurch könne ausreichend beachtet werden, dass es auch in Ungleichgewichtslagen das Bedürfnis nach Schiedsgerichtsbarkeit geben könne.242 Ähnlich sind Duve/Rösch zu verstehen. Diese lehnen eine Wahlfreiheit ab, da sowohl Verbände als auch Sportler ein gemeinsames Interesse daran hätten, dass es im Sportbereich (a) eine einheitliche Rechtsanwendung gebe und (b) Rechtsfortbildung betrieben werde.243 Beide Punkte seien nur im Rahmen einer einheitlichen Sportschiedsgerichtsbarkeit zu verwirklichen.244 Rechtsgrundlage für die Beachtung der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung im Sport seien Art. 9 Abs. 1 GG und § 25 BGB.245 Wegen der Kontrolle von Schiedssprüchen durch die staatliche Gerichtsbarkeit sei auch das Interesse der Athleten, Streitigkeiten vor den staatlichen Gerichten zu verhandeln, ausreichend geschützt.246 Mit Rückgriff auf das Bürgschaftsvertrags-Urteil des BVerfG argumentieren Duve/Rösch, dass sich aus der bestehenden gestörten Verhandlungsparität zwischen Verband und Sportler nur dann eine Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarungen ergebe, wenn 237
Steiner, SchiedsVZ 2013, 15 (18); Steiner, SpuRt 2014, 2 (3 f.). Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, (zur Dogmatik) S. 142–147, (zur Anwendung) S. 142–193. 239 Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 115. Unklar ist, weshalb Brunk dennoch von einem verfassungsrechtlichen Freiwilligkeitserfordernis spricht: Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 34. „Die Vereinbarung schiedsgerichtlicher Streitbeilegung wird somit vom Grundsatz der Freiwilligkeit als Kernprinzip der Schiedsgerichtsbarkeit bestimmt.“ 240 Haas, ZVglRWiss 2015, 516 (525). 241 Haas, ZGR 2001, 325 (338), ähnlich schon auf S. 334; ebenso: Haas, ZVglRWiss 2015, 516 (525). 242 Haas, ZGR 2001, 325 (337). 243 Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216 (223); Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2014, 175 (182). 244 Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216 (223 f.), mit einem anschaulichen Beispiel zur Problematik der (un)einheitlichen Rechtsanwendung bei Zuständigkeit staatlicher Gerichte. 245 Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216 (225). 246 Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216 (224). 238
B. Literatur
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der Verband die Situation ausnutze, „um seine Interessen in auffälliger Weise einseitig“ durchzusetzen.247 Longrée/Wedel unternehmen den Versuch, Freiwilligkeit248 in verschiedene Stufen einzuteilen. Hierfür ziehen sie unterschiedlich ausgeprägte Zwangslagen unter Berücksichtigung von Art. 2 Abs. 1 GG heran.249 So sei bei absolutem/ unüberwindbarem Zwang250 immer eine Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung gegeben.251 Im Gegensatz dazu sei relativer/geduldeter Zwang bei Sachverhalten gegeben, in denen „das Kräfteverhältnis der Parteien nicht im Gleichgewicht steht und dieser Umstand die privatautonome Gestaltung“ beeinflusse.252 In diesen Fällen ergebe sich nicht unmittelbar die Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung.253 Schiedsvereinbarungen, die unter relativem/ geduldeten Zwang abgeschlossen würden – wie es im Sport der Fall sei254 – seien dann wirksam, wenn das konkrete Verfahrensrecht des Schiedsgerichtes die unterlegene Partei angemessen schütze.255 Einen anderen Begründungsansatz verfolgt Widdaschek in seiner 2018 erschienen Dissertation. Auch er geht davon aus, dass sich aus der Vertragsfreiheit ergebe, dass nur freiwillig auf den Justizgewähranspruch verzichtet werden könne.256 Die Bedeutung des Freiwilligkeitsbegriffs bestimmt er dann anhand rechtsphilosophischer Theorien257. Hieraus zieht er die Zwei-Komponenten-Theorie, wonach in einem ersten Schritt die Stärke des Zwangsdrucks bestimmt werden müsse (Wahlkomponente). Hiernach würden sich dann die Anforderungen an die Ansinnenskomponente bestimmen. Je größer der Zwangsdruck sei, desto bedeutender müsse das Ansinnen (also das Ziel der Zwangsausübung) sein, da-
247 Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216 (225), mit Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36 (39) – Bürgschaftsvertrag. 248 Hierbei setzten Sie die Begriffe „nicht freiwillig“, „Zwang“ und „fremdbestimmt“ gleich: Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237 (238). 249 Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237 (238 f.). 250 Was Sie genau unter absolutem Zwang verstehen, erläutern die Autoren nicht. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass an den Rechtsbegriff vis absoluta angeknüpft werden soll. 251 Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237 (239). 252 Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237 (238). 253 Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237 (239). 254 Vgl.: Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237 (240). 255 Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237 (239), nähere Hinweise, wann ein solcher Schutz gegeben sein soll, geben Longrée/Wedel aber nicht. 256 Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 176. 257 Abstrakte Darstellung der Theorien: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 195–206.
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mit noch Freiwilligkeit vorliege.258 Aus der Bedeutung der Sportausübung für den einzelnen Athleten, der Intensität der Beschränkung des Art. 12 Abs. 1 GG bei Nichtunterzeichnung sowie dem Machtgefälle, das sich aus der Monopolstellung der Sportverbände ergebe, folgert Widdascheck einen besonders hohen Zwangsdruck für die Athleten (Wahlkomponente).259 Infolgedessen seien auch besonders hohe Anforderungen an die Ansinnenskomponente zu stellen.260 Daher könne Freiwilligkeit bei der Unterzeichnung von Sportschiedsvereinbarungen nur dann bejaht werden, wenn das konkrete Sportschiedsgerichtsverfahren über ein hohes Rechtsschutzniveau verfüge und nicht substantiell zulasten der Sportler ausgestaltet sei.261 Im Ergebnis handelt es sich daher auch bei der Ansicht Widdaschecks um eine Abwägung der Zwangssituation mit den konkreten Auswirkungen der Schiedsvereinbarung auf die Interessen der Beteiligten – also einer klassischen Inhaltskontrolle. Im Ergebnis gehen die Vertreter der Meinung, dass der Freiwilligkeitsbegriff eine Inhaltskontrolle fordere, davon aus, dass im Rahmen dieser Inhaltskontrolle die verschiedenen Interessen der Parteien der Schiedsvereinbarung umfassend abgewogen werden müssen.
III. Das verfassungsrechtliche Freiwilligkeitserfordernis existiert nicht Die bislang am wenigsten vertretene Auffassung basiert auf der Annahme, dass es kein verfassungsrechtliches Freiwilligkeitserfordernis als Voraussetzung für den Verzicht auf den Justizgewähranspruch gebe.262 Diese Ansicht ist zum einen vermutlich deshalb selten, da die Literatur das Freiwilligkeitserfordernis in
258 Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 194, 207, zur Grundlage dieser Je-Desto-Formel in Kombination mit der Zwei-Komponenten- Theorie siehe S. 194 f.; i. E. in dieser Art auch schon vorher: Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, S. 96–104. 259 Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 195– 206. 260 Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 206. 261 Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 206. 262 Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 21, 49 f., 237–320, der zwar den Begriff der Freiwilligkeit aufgreift, eine Kontrolle der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen aber alleine den Regelungen über Rechtsgeschäfte unterwerfen möchte; Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 231–247; Oschütz, SpuRt 2007, 177 (178); Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280 (282 f.); Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257 (263); Eichel, ZZP 2016, 327 (332 f.); Schlosser, in: Stein/ Jonas, ZPO, § 1029 Rn. 45, 48; vermutlich: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271) – Pechstein III; Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112 (115).
B. Literatur
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der Regel ohne kritische Stellungnahme aufgenommen hat.263 Zum anderen liegt dies daran, dass die Freiwilligkeit (zumindest begrifflich) von allen mit der Causa Pechstein befassten Gerichten diskutiert wurde.264 Durch diese Kumulation entsteht wiederum der Eindruck, das Freiwilligkeitsmerkmal sei bereits grundlegend anerkannt, obwohl die Herleitung desselben für das geltende Recht bislang nicht überzeugend gelungen ist. Die Vertreter dieser Meinung gehen davon aus, dass sich die Voraussetzungen eines Freiwilligkeitsmerkmals weder aus dem Justizgewähranspruch noch der Vertragsfreiheit ergebe. Die Wirksamkeit von oktroyierten Schiedsvereinbarungen sei allein auf Grundlage der allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre zu bestimmen. Innerhalb dieser Auffassung bestehen Unterschiede zwischen dem geschlossenen Schiedsansatz Schlossers und dem offenen bürgerlich-rechtlichen Ansatz von Oschütz, Niedermaier und Eichel. Schlosser trägt vor, dass sich die Vorstellung eines Freiwilligkeitserfordernisses aus dem alten § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. ergebe.265 Es gäbe nach Abschaffung des Paragrafen keinen Grund mehr, auf ein Freiwilligkeitsmerkmal zu verweisen.266 Die zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Zusammensetzung notwendige Inhaltkontrolle sei alleine über § 1034 Abs. 2 ZPO vorzunehmen.267 Eine Kontrolle über die Generalklauseln des Zivilrechts (insbesondere im Rahmen einer Sittenwidrigkeit) sei nur dann möglich, wenn eine entsprechende Korrektur nicht über die schiedsrechtliche Regelung des § 1034 Abs. 2 ZPO möglich sei.268 Schiedsklauseln (an sich) könnten außerdem „niemals [eine] unangemessene Benachteiligung der anderen Seiten“ sein. Bei Schiedsverfahrensvereinbarungen sei eine Sittenwidrigkeit oder Anstößigkeit nur dann anzunehmen, „wenn der Grund […] mit der Zusammensetzung des Schiedsgerichtes nichts zu tun“ habe.269 Schlosser vertritt damit einen innerhalb des Schiedsrechts geschlossenen 263 Siehe nur: Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 11; Geimer, in: Zöller, ZPO, Vor. § 1025 Rn. 4; Münch, in: MüKo, ZPO Vor. 1025 Rn. 3; Saenger, in: Saenger/Eberl/Eberl, Schiedsverfahrensrecht, Vor. zu §§ 1025–1066 Rn. K7; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 1034 Rn. 18; Saenger, in: Saenger, ZPO, Vor. zu §§ 1025–1066 Rn. 7; auch angedeutet bei: Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor. § 1025 Rn. 1. 264 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271) – Pechstein III; OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (44) – Pechstein II; LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (105 f.) – Pechstein I. 265 Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257 (263). 266 Vgl.: Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257 (263); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, § 1029 Rn. 45. 267 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, § 1029 Rn. 45. 268 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, § 1029 Rn. 48. 269 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, § 1029 Rn. 45.
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Ansatz, bei dem nur in Ausnahmefällen die Regelungen des allgemeinen Teils des Bürgerlichen Gesetzbuches herangezogen werden können. Die Vertreter des offenen bürgerlich-rechtliche Ansatz teilen Schlossers Ansicht dahin gehend, dass die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. als endgültige Abkehr von einem Freiwilligkeitsmerkmal anzusehen sei.270 Nunmehr stünden staatliche Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit auf der gleichen Legitimationsstufe.271 Dies unterstreicht Oschütz damit, dass auch der § 91 GWB a. F. abgeschafft wurde.272 Daher werde nun auch bei kartellrechtlichen Streitigkeiten zwischen Privatpersonen kein Unterschied zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten gemacht.273 Die Freiheit der Willensentschließung sei außerdem bereits durch die Regeln der Anfechtung (insb. § 123 Abs. 1 Var. 2 BGB) geschützt.274 Eichel hält das Freiwilligkeitsmerkmal mit Hinweis auf das Körbuch-III-Urteil von vornherein nur für ein Element zur „Bestimmung des Erklärungsinhalts von konkludenten Erklärungen“, weshalb es keine „Sondergeschäftslehre für Schiedsklauseln“ begründe.275 Niedermaier trägt unterstützend vor, dass die Einführung des § 11 AntiDopG zeige, dass vonseiten des Gesetzgebers keine Überprüfung im Sinne einer Abschlusskontrolle gewollt sei.276 Anders als Schlosser wenden die Vertreter des offenen bürgerlich-rechtlichen Ansatzes jedoch neben dem § 1034 Abs. 2 ZPO die allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre an, da es sich bei Schiedsvereinbarungen um privatrechtliche Verträge handele.277 Bei der Prüfung, ob nach bürgerlich-rechtlichen Regeln ein wirksamer Vertrag geschlossen wurde, sei dann im Rahmen der Generalklauseln die Schutzfunktion der Vertragsfreiheit zu beachten.278 Hieraus ergebe sich eine Inhaltkontrolle der Schiedsvereinbarung und der Regeln des Schieds-
270
Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 232–234; Eichel, ZZP 2016, 327 (332). Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 241. 272 Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 233. 273 Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 233. 274 Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 242; Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280 (282). 275 Eichel, ZZP 2016, 327 (333). Besser wäre es hier, von Schiedsvereinbarungen zu sprechen. 276 Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280 (282). 277 Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 173, 242; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 237–320; Oschütz, SpuRt 2007, 177 (178); Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280 (282); Eichel, ZZP 2016, 327 (332); Eichel, ZZP 2016, 327 (332). 278 Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 231; siehe auch: Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280 (282). 271
C. Stellungnahme
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verfahrens.279 Oschütz fordert für die Prüfung der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen (im Sport) im Ergebnis280 eine einzelfallbezogene Abwägung der Interessen der an der Vereinbarung beteiligten Parteien.281 Hierbei müsse dann insbesondere die Zwangslage bei Zustandekommen der Schiedsvereinbarung beachtet werden.282 Niedermaier sieht die Notwendigkeit, die Vor- und Nachteilen der konkreten Schiedsvereinbarung mit den Vor- und Nachteile einer Streitentscheidung durch die staatlichen Gerichte abzuwägen.283 Eine Anpassung der Rechtsgeschäftslehre sieht Eichel als nicht notwendig an, da die Vertragsfreiheit der überlegenen Partei im Rahmen der Rechtsgeschäftslehre in nicht zu großem Maße eingeschränkt werden solle.284 Bei „privatautonome[n] Zuständigkeitsbestimmungen“ sei dies mit Hinblick auf die Rechtssicherheit auch von besonderem Interesse.285
C. Stellungnahme Für die Entscheidung, ob oktroyierte Schiedsvereinbarungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind, kommt es auf die Wertungen des Justizgewähranspruchs und der Vertragsfreiheit an. Der Prüfungsrahmen der Vertragsfreiheit wurde durch das BVerfG für die Fälle gestörter Verhandlungsparität präzise herausgearbeitet. Hieraus ergibt sich kein Freiwilligkeitserfordernis – inbesondere verwendet das BVerfG diesen Begriff auch nicht.286 Sofern ein Freiwilligkeitserfordernis bei der Prüfung der Wirksamkeit von oktroyierten Schiedsvereinbarungen zu beachten ist, muss sich dieses daher aus dem Justizgewähranspruch ergeben.287 Im Folgenden wird die Garantie des Justizgewähranspruchs methodisch bestimmt. Das Ergebnis zeigt, dass bei der Bewertung der Wirksamkeit oktroyier279 Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 231, 246–247; Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280 (282). 280 Die anderen vom BVerfG zur Schutzfunktion der Vertragsfreiheit herausgearbeiteten Voraussetzungen für eine richterliche Vertragsanpassung sind laut Oschütz im Sport grundsätzlich gegeben: Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 231–232. 281 Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 238, 243. 282 Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 243. 283 Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280 (284, 287); grds. zur Inhaltskontrolle: Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 237–320. 284 Eichel, ZZP 2016, 327 (332). 285 Eichel, ZZP 2016, 327 (332). 286 Siehe: Kap. 4. A. I. (S. 67 ff.). 287 Vgl.: Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: Schütze, FS Geimer, S. 169 (174–177).
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Kapitel 5: Verzicht auf den Justizgewähranspruch
ter Schiedsvereinbarungen allein die allgemeinen Regeln zur Wirksamkeit von Verträgen entscheidend sind. Aus dem Justizgewähranspruch ergibt sich für oktroyierte Schiedsvereinbarungen kein Prüfungsmerkmal, das über die allgemeinen Voraussetzungen an Verträge hinausgeht, insbesondere kein wie auch immer ausgestaltetes Freiwilligkeitsmerkmal.
I. Methodik zur Bestimmung der Garantie des Justizgewähranspruchs Der Justizgewähranspruch ist gesetzlich nicht ausdrücklich kodifiziert, sondern wird vom BVerfG in ständiger Rechtsprechung aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) i. V. m. den Grundrechten, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG, hergeleitet.288 Begründet wird die Herleitung aus dem Rechtsstaatsprinzip damit, dass dem Art. 20 Abs. 3 GG der „allgemeine Justizgewähranspruch als umfassende verfassungsrechtliche Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes immanent“ sei.289 Mit dieser Justizgewährung sollen das staatliche Gewaltmonopol, das Selbsthilfeverbot und die prinzipielle Friedenspflicht ausgeglichen werden.290 Rechtsmethodisch geschieht die Interpretation des Rechtsstaatsprinzips (als Verfassungsprinzip291) durch die Methode der Konkretisierung.292 Hintergrund ist, dass der Normtext des Art. 20 Abs. 3 GG offen formuliert ist.293 Eine Subsumtion unter den Wortlaut, „die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden“, ist nicht möglich, da der unmittelbare Wortsinn nicht bestimmbar ist. Dementsprechend stellte auch das BVerfG fest, dass sich
288 Siehe schon: Kap. 4. A. IV. (S. 77 ff.); BVerfG, Beschl. v. 09.05.1989, 1 BvL 35/86, NJW 1989, 1985; BVerfG, Beschl. v. 02.03.1993, 1 BvR 249/92, NJW 1993, 1635; BVerfG, Beschl. v. 20.06.1995, 1 BvR 166/93, NJW 1995, 3173; BVerfG, Beschl. v. 30.04.2003, 1 PBvU 1/02, NJW 2003, 1924 (1924, 1926); BVerfG, Beschl. v. 13.06.2006, 1 BvR 1160/ 03, NJW 2006, 3701; BVerfG, Beschl. v. 14.09.2016, 1 BvR 1304/13, Entscheidungsdatenbank des BVerfG Rn. 16. 289 Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 7 m. w. N.; BVerfG, Beschl. v. 16.01.1980, 1 BvR 127, 679/78, NJW 1980, 1565; BVerfG, Beschl. v. 11.06.1980, 1 PBvU 1/79, NJW 1981, 39 (41). 290 Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 1 m. w. N. 291 Vgl. nur: Reimer, Methodenlehre, Rn. 513. Schon begrifflich zeigt das in der Verfassung angelegte Rechtsstaatsprinzip, dass es ein Verfassungsprinzip darstellt. 292 Siehe nur: Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 458–501; Reimer, Methodenlehre, Rn. 510–521; Möllers, Methodenlehre, § 11 Rn. 23. 293 Vgl.: Möllers, Methodenlehre, § 9 Rn. 2; angedeutet bei: Hesse, GG 1995, Rn. 69.
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das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nicht durch Auslegung der Verfassung, sondern durch Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips ergebe.294
II. Konkretisierung des Justizgewähranspruchs Die Garantie des Justizgewähranspruchs muss im Wege der Verfassungskonkretisierung herausgearbeitet werden, da es dabei um eine weitere Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips handelt.295 Im ersten Schritt muss die Garantie des Justizgewähranspruchs abstrakt bestimmt werden (Vor-Verständnis).296 In einem zweiten Schritt (Konkretisierung im eigentlichen Sinne) muss dieses Vor-Verständnis mit Blick auf die konkreten Lebensverhältnisse, auf die sich der Justizgewähranspruch bezieht, eingegrenzt werden.297 Hesse spricht hier vom „Verstehen“ der Norm mit Blick auf ein konkretes rechtliches Problem.298 Das heißt, dass unter Zuhilfenahme der klassischen Auslegungsmethoden 299 und der charakteristisch verfassungsrechtlichen Konkretisierungsprinzipien in einem schöpferischen Prozess bestimmt wird, welche Garantie der Justizgewähranspruch für den zu analysierenden Fall oktroyierter Schiedsvereinbarungen beinhaltet.300 Bei diesen Prinzipien der Verfassungskonkretisierung handelt es sich laut Hesse um die Einheit der Verfassung301, das Prinzip der praktischen Konkordanz302, den Maßstab der funktionellen Richtigkeit303 und die normative Kraft der Verfassung.304 Die charakteristisch verfassungsrechtlichen Konkretisierungsprinzipien werden im Rahmen der Konkretisierung nicht im Einzelnen
294 Siehe nur anstelle vieler: BVerfG, Beschl. v. 16.01.1980, 1 BvR 127, 679/78, NJW 1980, 1565. 295 Vgl.: Reimer, Methodenlehre, Rn. 520 Nr. 5. 296 Hesse, GG 1995, Rn. 62; Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 472; Müller/Christensen, Juristische Methodik I, Rn. 275–276. 297 Müller/Christensen, Juristische Methodik I, Rn. 274–280; Hesse, GG 1995, Rn. 45– 46, 64; Möllers, Methodenlehre, § 9 Rn. 2. 298 Hesse, GG 1995, Rn. 61, 64. 299 Hesse, GG 1995, Rn. 68; vgl. auch: Müller/Christensen, Juristische Methodik I, S. 84–100, 263, 287, 299–496; Möllers, Methodenlehre, § 9 Rn. 1–3; Müller, Verfassungskonkretisierung, in: Müller/Christensen, Methodik, Theorie, Linguistik des Rechts, S. 20 (S. 26). 300 Stellvertretend: Möllers, Methodenlehre, § 9 Rn. 3 m. w. N. 301 Hesse, GG 1995, Rn. 71. 302 Hesse, GG 1995, Rn. 72. 303 Hesse, GG 1995, Rn. 73. 304 Hesse, GG 1995, Rn. 75.
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geprüft, sondern dienen als „leitende und begrenzende“ Vorgaben bei der Anwendung der klassischen Auslegungsmethoden.305 Durch diese Schritte der Konkretisierung entsteht eine Fallnorm; das heißt eine für den konkreten Fall subsumtionsfähige Rechtsnorm.306 Diese Fallnorm besteht nicht schon vor der Konkretisierung, sondern wird erst im Rahmen dieser in einem schöpferischen Prozess gebildet.307 1. Vor-Verständnis des Justizgewähranspruchs Die bislang anerkannte Garantie des Justizgewähranspruchs ist bereits in Kap. 4. A. IV.308 dargestellt worden. Daher soll hier darauf verzichtet werden, diese Garantie methodisch nachzuprüfen,309 die Darstellung in Kap. 4. A. IV.310 wird als Vor-Verständnis vorausgesetzt. 2. Konkretisierung im eigentlichen Sinne a) Grammatikalische Konkretisierung Die grammatikalische Konkretisierung knüpft an das Vor-Verständnis des aus dem Rechtsstaatsprinzip konkretisierten Justizgewähranspruchs an. Zur Konkretisierung des Justizgewähranspruchs muss deswegen nicht der Normtext von Art. 20 Abs. 3 GG analysiert werden. Hintergrund ist, dass der durch gesetzeskonkretisierende Rechtsfortbildung entstandene Justizgewähranspruch als Gewohnheitsrecht anerkannt ist.311 Er beruht auf einer lang andauernden tatsächlichen Übung und die allgemeine Überzeugung geht von der Rechtsverbindlichkeit des Justizgewähranspruchs aus.312 Entsprechend muss die grammatikalische Konkretisierung anhand des Normtextes des Justizgewähranspruchs vorgenommen
305
Hesse, GG 1995, Rn. 70. Reimer, Methodenlehre, Rn. 520 Nr. 7; Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 501. 307 Hesse, GG 1995, Rn. 45, 60; Müller/Christensen, Juristische Methodik I, Rn. 274. 308 Siehe: S. 77 ff. 309 Eine methodische Prüfung der Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips zum Justizgewähranspruch wäre zwar streng genommen angezeigt (Hesse, GG 1995, Rn. 63), würde aber den Rahmen der Untersuchung sprengen. 310 Siehe: S. 77 ff. 311 Vgl. zum Verhältnis von Rechtsfortbildung und Gewohnheitsrecht nach h. M.: Möllers, Methodenlehre, § 3 Rn. 23. 312 Siehe zu den Voraussetzungen der Bildung von Gewohnheitsrecht: BVerfG, Beschl. v. 28.06.1967, 2 BvR 143/61, NJW 1967, 2051 (2052) m. w. N. der Rspr.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 554–557. 306
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werden.313 Die Textfassung des Justizgewähranspruchs muss durch die Formulierungen sowohl der Rechtsprechung als auch der Wissenschaft bestimmt werden.314 Obwohl diese Art der Normtextbestimmung die Unsicherheit der grammatikalischen Konkretisierung erhöht, sind gewohnheitsrechtlich entstandene Normtexte im Rahmen der grammatikalischen Konkretisierung nicht anders zu behandeln als geschriebene Normtexte.315 Für den Justizgewähranspruch hat sich kein in Rechtsprechung und Wissenschaft unverändert wiederholter Normtext herausgebildet. Die Gerichte und die Literatur greifen aber auf sehr ähnliche Formulierungen zurück, um den Justizgewähranspruch zu beschreiben. Einigkeit besteht daher zumindest in einem Teil des Normtextes. So soll der Justizgewähranspruch das Recht auf „Zugang zu den Gerichten“ beinhalten.316 Teilweise wird hinzugefügt, dass es eines „effektiven“ Zugangs bedarf.317 Oder, mit anderen Worten, dass der Justizgewähranspruch einen Anspruch auf „effektiven Rechtsschutz“ beinhalte.318 In der Rechtsprechung wird in den meisten Fällen von einem „wirkungsvollen Rechtsschutz“ gesprochen.319 Rechtsschutz besteht aber nur in den Fällen, in denen auch tatsächlich die Möglichkeit besteht, einen Konflikt vor die staatlichen Gerichte zu bringen. Dementsprechend sind die Formulierungen „effektiver Zugang zu den staatlichen
313
Müller/Christensen, Juristische Methodik I, Rn. 352. Müller/Christensen, Juristische Methodik I, Rn. 352; ähnlich auch explizit für Verfassungsprinzipien: Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 476. 315 Müller/Christensen, Juristische Methodik I, Rn. 352. 316 Siehe nur: BVerfG, Beschl. v. 02.03.1993, 1 BvR 249/92, NJW 1993, 1635; BVerfG, Beschl. v. 30.04.2003, 1 PBvU 1/02, NJW 2003, 1924; BVerfG, Beschl. v. 12.09.2005, 2 BvR 277/05, NJW 2006, 136 (137); BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 19.10.2006, 1 BvR 152/01, 1 BvR 160/04, juris Rn. 45; Manssen, Staatsrecht II, Rn. 799; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312 (313); Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 14; Musielak, in: Musielak/Voit, ZPO, Einleitung Rn. 6; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 128; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 211. 317 BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 19.10.2006, 1 BvR 152/01, 1 BvR 160/04, juris Rn. 45; Rauscher, in: MüKo, ZPO, Einleitung Rn. 18. 318 BVerfG, Beschl. v. 15.04.2912, 1 BvR 1951/11, NJW 2012, 2947; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312 (313); Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 7; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 128; Huster/Rux, in: BeckOK, GG, Art. 20 Rn. 198. 319 BVerfG, Beschl. v. 11.06.1980, 1 PBvU 1/79, NJW 1981, 39 (41); BVerfG, Beschl. v. 02.03.1993, 1 BvR 249/92, NJW 1993, 1635; BVerfG, Beschl. v. 20.06.1995, 1 BvR 166/93, NJW 1995, 3173. Mit Verweis auf die Rechtsprechung: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 128; Musielak, in: Musielak/Voit, ZPO, Einleitung Rn. 6; Brehm, in: Stein/ Jonas, ZPO, Vor. § 1 Rn. 288. Auf einen „effektiven (wirkungsvollen) Rechtsschutz“ abstellend: BVerfG, Beschl. v. 12.09.2005, 2 BvR 277/05, NJW 2006, 136 (137); Rosenberg/ Schwab/Gottwald, ZPO, § 1 Rn. 39. 314
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Gerichten“ und „wirkungsvoller Zugang zu den staatlichen Gerichten“ jeweils mögliche Normtexte des Justizgewähranspruchs. Keiner der zwei herausgearbeiteten Normtextkonstruktionen ist aufgrund seiner viel häufigeren Benutzung gegenüber dem anderen Normtext zu bevorzugen. Einer Unterscheidung bedarf es aber ohnehin nicht, wenn der Wortsinn der verschiedenen Wortlaute gleichbedeutend ist. Den Begriffen „effektiver“ und „wirkungsvoller“ ist keine spezifisch juristische Bedeutung zugeordnet.320 Der Wortsinn dieser Begriffe muss aus diesem Grund anhand des allgemeinen Sprachgebrauchs bestimmt werden.321 Der Duden führt bei der Bedeutungsübersicht des Adjektivs „effektiv“ unter anderem den Begriff „wirkungsvoll“ auf.322 Weiterhin werden bei der Beschreibung des Wortes „effektiv“, „effektiv“ und „wirkungsvoll“ als Synonyme bezeichnet.323Die Brockhaus Enzyklopädie beschreibt „Effektivität“ unter anderem mit dem Begriff der Wirksamkeit.324 Auch das Ponds Wörterbuch sieht effektiv und wirkungsvoll als Synonyme an.325 Im Rahmen der Beschreibung wird aber dennoch deutlich, dass mit dem losgelösten Adjektiv „effektiv“ eine Tätigkeit beschrieben wird, die umfangreiche Auswirkungen mit sich bringt.326 Es beschreibt also in der Regel eine Arbeitsweise und deren Folgen.327 Der zu untersuchende Wortlaut ist jedoch „effektiver Zugang zu den Gerichten“. Hierdurch wird deutlich, dass der Zugang zu den Gerichten effektiv sein muss. Es liegt ein klarer Bezug zur Folge vor. Das Wort „wirkungsvoll“ bezieht sich hingegen bereits abstrakt auf Folgen (im untersuchten Fall ist dies ebenfalls der tatsächliche Zugang zu den Gerichten).328 In beiden untersuchten Fällen zeigt der Wortsinn, dass der Zugang zu den Gerichten im Ergebnis (Folge) tatsächlich gewährleistet werden muss.329 Als relevanter Normtext des Justizgewähranspruchs wird hier die Formulierung des Rechts auf wirkungsvollen Zugang zu den staatlichen Gerichten genutzt. Um die320 Siehe zur Notwendigkeit der Analyse des juristischen Sprachgebrauchs: Müller/ Christensen, Juristische Methodik I, S. 331 Rn. 351d. 321 Zur Ermittlung des allgemeinen Sprachgebrauchs siehe: Müller/Christensen, Juristische Methodik I, Rn. 351d. 322 Duden, http://go.wwu.de/2zio3. 323 Duden, http://go.wwu.de/2zio3. 324 F. A. Brockhaus, Brockhaus-Enzyklopädie, effektiv. 325 PONS, http://go.wwu.de/akwv4; PONS, http://go.wwu.de/a5z36. 326 PONS, http://go.wwu.de/akwv4. 327 Siehe dazu: PONS, http://go.wwu.de/akwv4. 328 Siehe dazu: PONS, http://go.wwu.de/a5z36; auch: Duden, http://go.wwu.de/ hopti: „mit Erfolg wirkend“. 329 Ebenso: BVerfG, Beschl. v. 12.09.2005, 2 BvR 277/05, NJW 2006, 136 (137); Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Einleitung Rn. 50.
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ses Ergebnis gewährleisten zu können, muss der Zugang zu Gericht geschützt werden. Gleichzeitig zeigt der Wortsinn aber auch, dass der Zugang zu den Gerichten nicht für jede zivilrechtliche Streitigkeit bestehen muss; sonst hätte die Formulierung „bei jeder (zivilrechtlichen) Streitigkeit besteht für den Einzelnen ein Recht auf Zugang zu den Gerichten“ gewählt werden müssen. Daneben zeigt auch die Begrifflichkeit „ein Recht“, dass der Zugang zu den staatlichen Gerichten vom Einzelnen geltend gemacht werden muss. Im Umkehrschluss zeigt dies, dass es der Entscheidung des Einzelnen obliegt, ob er den Zugang zu den staatlichen Gerichten geltend macht – oder eben auch nicht. Die Möglichkeit eines Verzichts ist dementsprechend schon im Wortlaut des Justizgewähranspruchs angelegt. Wendet man den herausgearbeiteten Wortsinn auf Schiedsvereinbarungen an, ergibt sich, dass nicht alle Schiedsvereinbarungen wirksam sein dürfen. Es bedarf eines Schutzmechanismus vor „ungewollten“ Schiedsvereinbarungen. Ob dieser Schutz bei Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten entweder unmittelbar durch den Justizgewähranspruch mittels eines Freiwilligkeitsmerkmals in Form einer Abschlusskontrolle (echte Wahlfreiheit) beziehungsweise einer Inhaltskontrolle oder durch eine anderweitige Prüfung geschehen muss, geht aus dem Normtext des Justizgewähranspruchs nicht hervor. b) Historische und genetische Konkretisierung Im Rahmen der genetischen Konkretisierung muss die Entstehungsgeschichte des Justizgewähranspruchs analysiert werden.330 Es bedarf einer Auseinandersetzung mit den Gesetzgebungsmaterialien der zu konkretisierenden Norm und den Nicht-Normtexten aus der entsprechenden politischen Debatte. 331 Da es sich bei dem Justizgewähranspruch um eine durch Konkretisierung entstandendene, ungeschriebene Rechtsnorm handelt, gibt es zu dieser keine Texte aus rechtspolitischen Debatten oder legislativen Gremien. Eine genetische Konkretisierung ist aus diesem Grund nicht möglich.332 Im Rahmen der historischen Konkretisierung werden die Normtexte analysiert, die dem aktuellen Normtext vorausgegangen sind und darüber hinaus auch Normen mit vergleichbarem Normprogramm.333 Auch die historische Konkreti330 Müller/Christensen, Juristische Methodik I, S. 369 Rn. 360, S. 392 Rn. 369; Reimer, Methodenlehre, Rn. 347. 331 Müller/Christensen, Juristische Methodik I, S. 369 Rn. 360. 332 So auch generell bei Gewohnheitsrecht: Müller/Christensen, Juristische Methodik I, S. 363 Rn. 352. 333 Müller/Christensen, Juristische Methodik I, S. 369–370 Rn. 360, S. 392 Rn. 369; Möllers, Methodenlehre, § 4 Rn. 149; Reimer, Methodenlehre, Rn. 437.
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sierung ist unergiebig, da es keine vorherige Fassung des Normtextes des Justizgewähranspruchs gibt. Als ungeschriebene Norm ist der Normtext über die Zeit durch die Formulierungen von Wissenschaft und Rechtsprechung entstanden. Das sich dieser Normtext verändert hat, ist nicht ersichtlich. c) Systematische Konkretisierung Mit der systematischen Konkretisierung werden Normen unter der Prämisse der systematischen Einheit der Rechtsordnung ausgelegt.334 Im Rahmen der systematischen Konkretisierung müssen drei Punkte beleuchtet werden, die Auswirkungen der Einführung des § 11 AntiDopG, die Auswirkungen der Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. und die Auswirkungen von außerhalb des Justizgewähranspruchs bestehenden Inhaltskontrollen. aa) Kompetenz des einfachen Gesetzgebers zur systematischen Konkretisierung Voraussetzung dafür, dass § 11 AntiDopG und die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. überhaupt Einfluss auf die Konkretisierung nehmen können ist, dass der einfache Gesetzgeber die Kompetenz zur Verfassungskonkretisierung hat. In einigen Abhandlungen zur Causa Pechstein wird dies mit dem allgemeinen Verweis darauf, dass der verfassungsrechtliche Kern des Justizgewähranspruchs nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers stehe, verneint.335 In der verfassungsrechtlichen Literatur, der Methodikliteratur und der Verfassungsrechtsprechung wird hingegen davon ausgegangen, dass der einfache Gesetzgeber durch einfaches Recht auch das Verfassungsrecht konkretisieren kann.336
334 Müller/Christensen, Juristische Methodik I, S. 385 Rn. 365; Möllers, Methodenlehre, § 4 Rn. 92 f. 335 Siehe beispielhaft: Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips, S. 420; Monheim, Die Vereinbarkeit von Schiedsabreden und Schiedsgerichten im Sport mit dem Rechtsstaatsprinzip, in: Vieweg, Facetten des Sportrechts, S. 94 (106 f.); Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/Lorenz, GS Unberath, S. 159 (169); Monheim, SpuRt 2008, 8 (10); Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (74 f.). 336 BVerfG, Beschl. v. 02.03.1993, 1 BvR 249/92, NJW 1993, 1635; BVerfG, Beschl. v. 20.06.1995, 1 BvR 166/93, NJW 1995, 3173 (3173 f.); BVerfG, Beschl. v. 16.06.2006, 1 BvR 1160/03, NJW 2006, 3701 (3703); BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 14.02.2007, 1 BvR 1351/01, NJW-RR 2007, 1073 (1074); Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 461–463, der sogar von ganz herrschender Meinung spricht; Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 129 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 211 m. N. zur Rspr.; vgl. auch: Reimer, Methodenlehre, Rn. 312; Göldner, Verfassungs-
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Dies wird maßgeblich mit einem überzeugenden Vergleich zur unbestrittenen Konkretisierungskompetenz der Fachgerichte begründet.337 Im Gegensatz zur Judikative komme der Legislative eine unmittelbare demokratische Legitimierung zu.338 Die Legislative sei auch deshalb besser zur Verfassungskonkretisierung geeignet als die Judikative, da sie über einen besseren Apparat zur Tatsachenaufklärung verfüge und damit über ein Mehr an Kompetenz zur Verfassungskonkretisierung.339 Im Ergebnis komme dem einfachen Gesetzgeber sogar eine „Konkretisierungsprärogative“ zu.340 Auch in dieser Untersuchung wird davon ausgegangen, dass der einfache Gesetzgeber zur Konkretisierung des Justizgewähranspruchs befugt ist.341 Einschränkend ist zu beachten, dass der einfache Gesetzgeber nur in den Bereichen konkretisierend tätig werden kann, in denen die Garantie des Justizgewähran spruchs noch nicht abschließend konkretisiert ist. Überschreitet er diese Grenze, so handelt es sich um eine verfassungswidrige Konkretisierung und das einfache Gesetz ist selbst verfassungswidrig.342 bb) Auswirkungen der Einführung von § 11 AntiDopG Zum 10.12.2015 ist das AntiDopG in Kraft getreten. Mit dessen § 11 wurde eine Regelung zu Schiedsvereinbarungen im Sport eingeführt. Ohne die Auslegung des § 11 AntiDopG vorwegzunehmen,343 ist bereits festzustellen, dass die vom einfachen Gesetzgeber verfolgte Regelungsabsicht für die Auslegung des Justizgewähranspruchs entscheidend ist.344 Diese Regelungsabsicht wird im Regierungsentwurf zum AntiDopG wie folgt beschrieben:
prinzip und Privatrechtsnorm in der verfassungskonformen Auslegung und Rechtsfortbildung, S. 177–208; Maack, Verfassungsrecht für die öffentliche Verwaltung I, Rn. 105. 337 Hierzu übersichtlich: Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 461–463. 338 Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 461–462. 339 Göldner, Verfassungsprinzip und Privatrechtsnorm in der verfassungskonformen Auslegung und Rechtsfortbildung, S. 187; ebenso: Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 462. 340 Göldner, Verfassungsprinzip und Privatrechtsnorm in der verfassungskonformen Auslegung und Rechtsfortbildung, S. 183–184; Maack, Verfassungsrecht für die öffentliche Verwaltung I, Rn. 105; auch: Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 462. 341 Ebenso auch: Adolphsen, LTO, Wer die Musik bezahlt, bestimmt die Melodie, go.wwu.de/6ym5q. 342 Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 94 f. 343 Siehe dazu: Kap. 7. A. (S. 210 ff.). 344 Für die Auslegung: Lehner, in: Lehner/Nolte/P utzke, AntiDopG, § 11 Rn. 32 f.; Heermann, CaS 2016, 108 (109–111).
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„Die Klarstellung in der Vorschrift dient insgesamt lediglich dazu, die Zweifel an der Wirksamkeit des Abschlusses von Schiedsvereinbarungen zwischen Sportlerinnen und Sportlern mit den Verbänden auszuräumen.“345
Die Klarstellung basiert auf der Vorstellung, dass der Abschluss aufgezwungener Schiedsvereinbarungen im Sport „in der Regel“346 nicht gegen § 138 BGB verstößt.347 Laut Regierungsentwurf sollen die im Wege der mittelbaren Drittwirkung zu beachtenden Grundrechte und Rechte der EMRK in diese Auffassung bereits einbezogen worden sein. 348 EMRK und Grundrechte sollen nach Ansicht des Gesetzgebers der Wirksamkeit von oktroyierten Schiedsvereinbarungen nicht entgegenstehen. Indem der Gesetzgeber erklärt, dass der Abschluss von oktroyierte Schiedsvereinbarungen nur in Ausnahmefällen gegen § 138 BGB verstößt, spricht er sich gleichzeitig gegen die Vorstellung aus, dass sich aus dem Justizgewähranspruch ein echtes Wahlrecht im Sinne einer Abschlusskontrolle ergibt. 349 Diese Interpretation des Willen des Gesetzgebers wird durch die Stellungnahme Bindels zum § 11 AntiDopG bestätigt:350 „Das Bundesministerium legt deshalb im Interesse des organisierten Sportes großen Wert auf eine gesetzgeberische Feststellung, dass Schiedsvereinbarungen jedenfalls nicht generell an der Frage der Freiwilligkeit scheitern.“
Obwohl der § 11 AntiDopG nur eine Klarstellung enthält,351 wird das Ziel des Gesetzgebers deutlich, eine Freiwilligkeitskontrolle im Wege einer Abschlusskontrolle zumindest für Sportschiedsvereinbarungen auszuschließen.
345
Regierungsentwurf AntiDopG, BT-Drucks. 18/4898, S. 39. Dazu: Heermann, CaS 2016, 108 (112). 347 Regierungsentwurf AntiDopG, BT-Drucks. 18/4898, S. 38 f. In dieser Art muss auch der Wortlaut des § 11 AntiDopG verstanden werden. Siehe dazu: Kap. 7. A. I. (S. 212 ff.). 348 Regierungsentwurf AntiDopG, BT-Drucks. 18/4898, S. 38 f. 349 So wohl auch: Lehner, in: Lehner/Nolte/P utzke, AntiDopG, § 11 Rn. 18, 32–35, 104 f., der von einer „gesetzgeberische[n] Hilfestellung bei der Überwindung des Erfordernisses einer Freiwilligkeit beim Abschluss von Schiedsvereinbarungen“ spricht; ebenso: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272) – Pechstein III; Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280 (282); Heermann, SpuRt 2015, 4 (5 f.); Heermann, CaS 2016, 108 (112). 350 Bindels, in: Pfister, AntiDopG, Das Anti-Doping-Gesetz – Entstehung und Überblick – S. 20. 351 Siehe dazu: Kap. 7. A. III. (S. 213 ff.). 346
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cc) Auswirkungen der Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. Mit dem Inkrafttreten des SchiedsVfG vom 22.12.1997352 ist § 1025 Abs. 2 ZPO in seiner Fassung bis um 31.12.1997 außer Kraft getreten. Nach dieser Norm galt: „Der Schiedsvertrag ist unwirksam, wenn eine Partei ihre wirtschaftliche oder soziale Überlegenheit dazu ausgenutzt hat, den anderen Teil zu seinem Abschluß oder zur Annahme von Bestimmungen zu nötigen, die ihr im Verfahren, insbesondere hinsichtlich der Ernennung oder Ablehnung der Schiedsrichter, ein Übergewicht über den anderen Teil einräumen.“
Das Verständnis von § 1025 Abs. 2 S. 1 ZPO a. F. war über seine gesamte Bestehenszeit umstritten. Konkret herrschte Uneinigkeit darüber, wie der Begriff des Nötigens in diesem Zusammenhang zu verstehen war. Die Stellungnahmen lassen sich dabei (vereinfacht) einer strengen und einer liberalen Auffassung zuordnen.353 Die strenge Ansicht bejahte das Vorliegen einer Nötigung bereits dann, wenn die Ausübung der Überlegenheit die Willensbetätigung und Willensentschließung beeinflusst hat.354 Die liberale Auffassung ging hingegen davon aus, dass sich das Vorliegen einer Nötigung im Ergebnis anhand einer Abwägung des Einzelfalls bemesse.355 Hierfür gab es wiederum unterschiedliche Begründungen, die sich jedoch nur im Regel-Ausnahme-Verhältnis unterschieden.356 Zum einen wurde vertreten, dass der Abschluss von Schiedsvereinbarungen nicht per se anstößig sei, weshalb auch die Ausnutzung der Überlegenheit zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung nicht nötigend sein könne. Nur bei Vorliegen weiterer, verwerflicher Umstände könne von einer Nötigung im Sinne des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. gesprochen werden.357 Zum anderen wurde argumentiert, der Einsatz 352
BGBl. I-1997, S. 3224–3241. So auch: Haas, ZGR 2001, 325 (331); Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2014, 175 (181). 354 Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 213 f., 219–224, der jedoch noch zusätzliche subjektive Voraussetzungen fordert; Westermann, Die Verbandsgewalt und das allgemeine Recht, S. 110; Maier, in: MüKo, ZPO (1. Aufl. 1992), Rn. 8 f.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit (5. Aufl. 1995), Kap. 4 Rn. 15 f.; Geimer, in: Zöller, ZPO (20. Aufl. 1997), § 1025, Rn. 62; Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 92–101; Nicklisch, BB 1972, 1258 (1286–1291). 355 Haas, ZGR 2001, 325 (331); Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2014, 175 (181). 356 Haas, ZGR 2001, 325 (331); Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2014, 175 (181). 357 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO (21. Aufl. 1994), § 1025 Rn. 20 f.; Schlosser, Die olympische Sportschiedsgerichtsbarkeit und das deutsche Recht, in: Bettermann/Löwisch/ Otto/Schmidt, FS Zeuner, S. 467 (481); Schlosser, EWiR 1989, 623 (624). So wohl auch: Vollmer, Satzungsgsmäßige Schiedsklausel, S. 57; nicht ganz einzuordnen: Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO (3. Aufl. 1995), § 1025 Rn. 44 f. Das OLG Hamburg geht davon aus, dass § 1025 Abs. 2 Alt. 1 ZPO a. F. erst dann einschlägig ist, wenn ein Knebelungsvertrag vorliegt, der gegen das Empfinden aller billig und gerecht Denkenden verstößt. 353
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der Überlegenheit (oktroyierte Schiedsvereinbarung) seie nur dann nicht nötigend, wenn er aus triftigen Gründen gerechtfertigt sei.358 Zu einer höchstrichterlichen Klärung der Streitfrage ist es nicht gekommen.359 Während es nunmehr keine mit dem § 1025 Abs. 2 Alt. 1 ZPO a. F. vergleichbare gesetzliche Regelung gibt, ist die Alt. 2 mit einer anderen Rechtsfolge in den § 1034 Abs. 2 ZPO überführt worden.360 Damit ist der Streit um die Auslegung des Begriffs der Nötigung zur Rechtsgeschichte geworden. Für das heutige Verständnis der rechtlichen Bewertung von oktroyierten Schiedsvereinbarungen ist allein die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. argumentativ fruchtbar zu machen. Die restlose Abschaffung des § 1025 Abs. 2 Alt. 1 ZPO a. F. wurde damit begründet, dass es sich bei Schiedsvereinbarungen um normale Verträge handele, von denen es auch in der Realität eine Vielzahl mit gestörter Verhandlungsparität gebe.361 Vor dem Hintergrund, dass die (echte) „Schiedsgerichtsbarkeit einen der staatlichen Gerichtsbarkeit grundsätzlich gleichwertigen Rechtsschutz“ biete, ergebe sich kein Grund dafür, dass es für die Abschlusskontrolle von Schiedsvereinbarungen besonderer gesetzlicher Regelungen bedürfe.362 Durch die Prüfung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarungen anhand der allgemeinen Vertragsregeln sowie der durch § 1034 Abs. 2 ZPO gegeben Kontrollfunktion der Gerichte bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts, sei ein ausreichender Schutz für die unterlegene Partei gegeben. Konsequenterweise muss aus der vollständigen Abschaffung des § 1025 Abs. 2 1. Alt. ZPO a. F. geschlossen werden, dass der Gesetzgeber die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen allein nach den Regeln prüfen möchte, die für alle Verträge gelten. Der Forderung von zusätzlichen, sich aus dem Justizgewähranspruch ergebenden Wirksamkeitsvoraussetzungen erteilt der Gesetzgeber damit eine
358 LG Frankfurt a. M., Urt. v. 07.02.1989, 2/13 O 194/88, ZIP 1989, 599 (601) – LONDON DFB. Im Sport liegen nach Ansicht des LG Frankfurts jedoch nur dann triftige Gründe für oktroyierte Schiedsvereinbarungen vor, wenn „die Unterzeichnung des Schiedsgerichtsgerichtsvertrages zur Aufrechterhaltung eines geordneten Spielbetriebes notwendig ist“. Wohl ebenso: Reichert, in: Reichert/van Look, HB Vereins- und Verbandsrecht (6. Aufl. 1995), Rn. 2572; Summerer, in: Fritzweiler et al., Prax HB Sportrecht (1. Aufl. 1998), Teil II Kap. 4 Rn. 285. 359 Haas, ZGR 2001, 325 (332), der darauf hinweist, dass die Zivilsenate des BGH unterschiedliche Tendenzen erkennen lassen. 360 Regierungsentwurf SchiedsVfG, BT-Drucks. 13/5274, S. 34. 361 Regierungsentwurf SchiedsVfG, BT-Drucks. 13/5274, S. 34. 362 Regierungsentwurf SchiedsVfG, BT-Drucks. 13/5274, S. 34.
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Absage. Dies beinhaltet sowohl eine Abschluss- als auch eine Inhaltskontrolle, die sich aus dem Justizgewähranspruch ergibt.363 dd) Inhaltkontrolle bereits durch andere Regelungen Gegen die Annahme einer Inhaltskontrolle auf Grundlage des Justizgewähranspruchs ist einzuwenden, dass Schiedsvereinbarungen bereits auf der Basis anderer Normen einer Inhaltskontrolle unterzogen werden müssen.364 Eine zusätzliche Inhaltkontrolle aus dem Justizgewähranspruch würde daher für keinen zusätzlichen Schutz der unterlegenen Partei oder eine veränderte Rechtslage sorgen. (1) Voraussetzungen für echte Schiedsgerichtsbarkeit Ob die wirksame Vereinbarung einer Schiedsvereinbarung überhaupt einen Verzicht auf den Justizgewähranspruch darstellt, ist davon abhängig, ob §§ 1025 ff. ZPO anwendbar sind. Nur wenn §§ 1025 ff. ZPO Anwendung finden, sind die staatlichen Gerichte nicht für die Streitentscheidung zuständig (vgl. § 1032 Abs. 1 ZPO). Dies ist nur bei echten Schiedsgerichten der Fall; unechte Schiedsgerichte fallen nicht unter §§ 1025 ff. ZPO.365 Ein echtes Schiedsgericht liegt dann vor, wenn im Rahmen einer Inhaltskontrolle bestätigt wird, dass es sich bei dem vereinbarten Schiedsgericht um eine unabhängige und unparteiische Instanz zur Streitentscheidung handelt, das Verfahren rechtsstaatliche Anforderungen einhält und das Schiedsgericht unter Ausschluss der staatlichen Gerichtbarkeit entscheiden soll.366 Die Anwendbarkeitsprüfung von §§ 1025 ff. ZPO sorgt folglich dafür, dass das konkrete Schiedsverfahren ein Mindestmaß an Neutralität und Rechtsstaatlichkeit einhält. Ein Verzicht auf den Justizgewähranspruch ist im Ergebnis nur dann möglich, wenn die Voraussetzungen eines echten Schiedsgerichtes gegeben sind – in allen anderen Fällen ist der Gang zu den staatlichen Gerichten weiterhin offen.
363 So auch: Eichel, ZZP 2016, 327 (332); Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257 (263); Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280 (282); Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 234; Oschütz, SpuRt 2007, 177 (178). 364 Vgl. zur argumentativen Konstruktion: Müller/Christensen, Juristische Methodik I, S. 391 Rn. 376. 365 Geimer, in: Zöller, ZPO, Vor. 1029 Rn. 7. 366 Dazu schon: Kap. 3 A. I. (S. 37 ff.). Lachmann, HB für die Schiedsgerichtspraxis, Rn. 27–35; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor. § 1025 Rn. 11 f. Nur auf die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und den Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit abstellend: BGH, Beschl. v. 27.05.2004, III ZB 53/03, NJW 2004, 2227 – Landseer-Hunde; Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1029 Rn. 7.
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(2) Inhaltskontrolle im Kartellrecht und AGB-Recht Auf oktroyierte Sportschiedsvereinbarungen ist die Missbrauchskontrolle des Kartellrechts anwendbar.367 Im Rahmen dieser Prüfung kommt es zu einer umfassenden Interessenabwägung. Hierbei sind auch die Rechte der Beteiligten aus Art. 12 Abs. 1 GRCh und Art. 47 Abs. 2 GRCh zu beachten (Art. 51 Abs. 1 GRCh).368 Daneben ist die AGB-Kontrolle auf Sportschiedsvereinbarungen anwendbar.369 Auch im Rahmen der AGB-Kontrolle in Form des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung, in die im Wege der mittelbaren Drittwirkung die Rechte des Sportverbände (Art. 9 Abs. 1 GG, Art. 11 Abs. 1 EMRK) und die besonders gewichtigen Rechte der Athleten (Art. 12 Abs. 1 GG, Justizgewähranspruch, Art. 6 Abs. 1 EMRK) einfließen. Mit einer systematischen Betrachtungsweise ist daher festzustellen, dass sich bereits hieraus die umfassende Möglichkeit ergibt, Schiedsvereinbarungen mit ihren einzelnen Klauselbestandteilen einer Inhaltskontrolle zu unterziehen. Dabei wird auch der Einfluss des Justizgewähranspruchs in der Abwägung beachtet. Daher bedarf es keiner zusätzlichen Inhaltskontrolle, die sich direkt aus dem Justizgewähranspruch ergibt. Die systematische Konkretisierung zeigt, dass die Wirksamkeit von oktroyierten Schiedsvereinbarungen weder an einer Abschluss- noch einer Inhaltskontrolle zu messen ist, die sich unmittelbar aus dem Justizgewähranspruch ergibt. Die Wirksamkeit solcher Schiedsvereinbarungen ist dementsprechend allein anhand der allgemeinen Regeln zur Wirksamkeit von Verträgen zu prüfen. d) Teleologische Konkretisierung Im Rahmen der teleologischen Konkretisierung muss zunächst der Zweck der Norm herausgearbeitet werden.370 Dieser wird dann auf den konkret zu prüfenden Fall übertragen.371 Da es sich beim Justizgewähranspruch um eine Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips handelt, ist die unmittelbare Bestimmung des Willens des Gesetzgebers bei der Schaffung der Norm nicht möglich. Es kommt zur Bestimmung des Telos darauf an, welcher Zweck dem Justizgewähranspruch
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Siehe: Kap. 7. B. I. (S. 218 ff.). Siehe: Kap. 4. C. (S. 104 ff.); Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (1) (c) (S. 264 ff.) 369 Siehe: Kap. 7. D. I. (S. 299 ff.) 370 Müller/Christensen, Juristische Methodik I, S. 98; vgl. auch: Möllers, Methodenlehre, § 5 Rn. 1. 371 Müller/Christensen, Juristische Methodik I, S. 98; vgl. auch: Möllers, Methodenlehre, § 5 Rn. 1. 368
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im Rahmen seiner „Erschaffung“ im Zuge der Konkretisierung zugeschrieben wurde.372 Durch den Justizgewähranspruch wird dem Einzelnen in zivilrechtlichen Streitigkeiten ein Anspruch auf wirkungsvollen Zugang zu den staatlichen Gerichten garantiert. Grund für die Garantie des Justizgewähranspruches ist, dass die verfassungsrechtliche Rechtsstaatsidee in Art. 20 Abs. 3 GG von einer Streit entscheidung durch die Judikative ausgeht.373 Damit dieses Rechtsprechungsmonopol des Staates (Art. 20 Abs. 2, 92 GG) für die Bürger nicht nachteilig wirkt, muss den Bürgern wirkungsvoller Zugang zu den Gerichten gewährt werden. Durch dieses Zugeständnis soll das Verbot der Selbsthilfe in der Praxis aufrechterhalten werden.374 Der Justizgewähranspruch hat daher den Zweck, die Anerkennung des Rechtsprechungsmonopols des Staates zu fördern und das damit verbundene Verbot der Selbsthilfe375 auszugleichen,376 indem in privatrechtlichen Streitigkeiten die Streitentscheidung durch den Staat verlangt werden kann. Unter Selbsthilfe wird im juristischen Sprachgebrauch die private Zwangsvollstreckung verstanden.377 Gemeint ist also „die Durchsetzung eines Rechts ohne hoheitliche Hilfe, ohne Titel oder, bei Vorliegen eines solchen, ohne Einschreiten der Vollstreckungsorgane“.378 Bei einer Streitentscheidung durch private Schiedsgerichte wird das Verbot der Selbsthilfe weder direkt noch indirekt infrage gestellt. Schiedsgerichte ersetzen die staatlichen Gerichte lediglich teilweise im Erkenntnisverfahren.379 Schiedsurteile müssen zur Durchsetzung vor den staatlichen Gerichten für vollstreckbar erklärt werden (Vollstreckbarerklärungsverfahren),380 §§ 1060, 1061 ZPO. 372 Vgl.: Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 484 f. Siehe zur Auslegung von Gerichtsurteilen: Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 178 f. 373 Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 8. 374 Vgl.: Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 1, 8. 375 Siehe zu den Ausnahmen vom Selbsthilfeverbot im BGB: Grothe, in: MüKo, BGB, § 229 Rn. 1. 376 Siehe stellvertretend für die allgemeine Meinung: Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312; Musielak, in: Musielak/Voit, ZPO, Einleitung Rn. 6; Papier, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 176 Justizgewähranspruch Rn. 1, 8; Rauscher, in: MüKo, ZPO, Einleitung Rn. 18. 377 Repgen, in: Staudinger, BGB, § 229 Rn. 1–5, insb. Rn. 2 m. w. N.; Dennhardt, in: BeckOK, BGB, § 229 Rn. 1; Rövekamp, in: BeckOGK, BGB, § 229 Rn. 2 f. 378 Repgen, in: Staudinger, BGB, § 229 Rn. 2 m. w. N.; so i. E. auch: BVerfG, Beschl. v. 11.06.1980, 1 PBvU 1/79, NJW 1981, 39 (41). 379 Geimer, in: Zöller, ZPO § 1055 Rn. 1. 380 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 26 Rn. 3, Kap. 27 Rn. 1.
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Eine rechtlich anerkannte Zwangsvollstreckung vor einem Schiedsgericht gibt es nicht.381 Das Verbot der Selbsthilfe wird daher bei einer Streitentscheidung durch Schiedsgerichte nicht berührt, da Schiedsgerichte keine Vollstreckungstitel erteilen können. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob es sich um oktroyierte oder um nicht oktroyierte Schiedsgerichtsbarkeit handelt. Mit dem Begriff des Rechtsprechungsmonopols ist gemeint, dass die Rechtsprechung allein den Richtern vorbehalten ist, andere Stellen dürfen keine rechtsprechende Gewalt ausüben.382 Als Rechtsprechung ist „die in besonders geregelten Verfahren zu letztverbindlicher Entscheidung führende Beurteilung von Sachverhalten allein am Maßstab des geltenden Rechts durch ein unbeteiligtes (Staats-) Organ, den Richter, zu verstehen“.383 Dieser Definition folgend, stellt Schiedsgerichtsbarkeit keine Rechtsprechung im Sinne des Art. 92 GG dar. 384 Im Rahmen eines Schiedsverfahrens entscheiden private Schiedsgerichte und nicht staatlichen Organe. Allerdings schränkt die Schiedsgerichtsbarkeit die letztverbindliche Streitentscheidung durch die staatlichen Gerichte auch nur in begrenztem Maße ein, sodass die Schiedsgerichtsbarkeit das Rechtsprechungsmonopol der staatlichen Gerichte nicht verletzt. Die unterlegene Partei hat bei wirksamer oktroyierter Schiedsgerichtsbarkeit de facto keine Möglichkeit, ihr Anliegen für ein Erkenntnisverfahren vor die staatlichen Gerichte zu bringen. Dies setzt aber voraus, dass die staatlichen Gerichte für die Streitigkeit unzuständig sind, § 1032 Abs. 1, 2 ZPO. Indem die Gerichte final über die Wirksamkeit jeder Schiedsvereinbarung nach § 1029 ZPO entscheiden können (vgl.: §§ 1032 Abs. 1 ZPO)385, nehmen sie ihr Rechtsprechungsmonopol wahr. Hinzu kommt, dass die staatlichen Gerichte Schiedssprüche nach §§ 1060 und 1061 ZPO für vollstreckbar erklären müssen und in diesem Rahmen eine Missbrauchskontrolle vornehmen. Bei inländischen Schiedssprüchen gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, einen Aufhebungsantrag gegen einen Schiedsspruch zu stellen, § 1059 ZPO. Durch diese Möglichkeiten des staatlichen Gerichts, auf das Schiedsverfahren und das Schiedsurteil einzuwirken, wird gewährleistet, dass die staatlichen 381 Münch, in: MüKo, ZPO § 1055 Rn. 32, § 1060 Rn. 3–5. Zur faktischen Zwangsvollstreckung durch Sportverbände: Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (4) (S. 279 ff.); angedeutet bei: Haas, ZVglRWiss 2015, 516 (532–534); Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (242). 382 Vgl.: Wilke, in: Isensee/K irchhof, HB Staatsrecht, § 112 Die rechtsprechende Gewalt Rn. 24. 383 Morgenthaler, in: BeckOK, GG, Art. 92 Rn. 5 m. w. N.; vgl. dazu auch: BVerfG, Urt. v. 08.02.2001, 2 BvF 1/00, NJW 2001, 1048 (1052). 384 Es handelt sich aber dennoch um materielle Rechtsprechung: BGH, Urt. v. 15.05.1986, III ZR 192/84, NJW 1986, 3027 (3028); Eslami, Die Nichtöffentlichkeit des Schiedsverfahrens, S. 384; Fenn, Zur Abgrenzung von Verbandsgerichtsbarkeit und statutarischer Schiedsgerichtsbarkeit, in: Gerhardt et al., FS Henckel, S. 173 (184); Haas/ Gedeon, SpuRt 2000, 228–231. 385 Siehe nur: Wolf/Eslami, in: BeckOK, ZPO, § 1032 Vor.
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Gerichte ihr Rechtsprechungsmonopol auch bei der Einsetzung eines Schiedsgerichtes innehaben.386 Einen anderen Begründungssansatz vertritt Schütze, der davon ausgeht, dass es wegen des anerkannten Streitentscheidungsmechanismus der Schiedsgerichtsbarkeit kein absolutes Rechtsprechungsmonopol gebe.387 Hillgruber argumentiert hingegen, dass sich aus dem Justizgewähranspruch schon kein Rechtsprechungsmonopol ergebe.388 Es besteht aber bei allen Begründungsansätzen im Ergebnis Einigkeit, dass die Schiedsgerichtsbarkeit den Zweck des Justizgewähranspruchs nicht verletzt. Hinweise darauf, welche Art von Kontrolle sich aus dem Justizgewähranspruch für die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen ergibt, sind aus der teleologischen Auslegung nicht zu ziehen.
III. Ergebnis Eine historisch genetische Konkretisierung des Justizgewähranspruchs ist nicht ergiebig. Der teleologischen Auslegung ist zwar zu entnehmen, dass die Schiedsgerichtsbarkeit der Kontrolle der staatlichen Gerichtsbarkeit unterliegt, dies sagt jedoch nichts über den Inhalt des Justizgewähranspruchs bei der Bestimmung der Wirksamkeit oktroyierter Schiedsvereinbarungen aus. Aus der grammatikalischen Konkretisierung ergibt sich, dass die Wirksamkeit oktroyierter Schiedsvereinbarung überprüft werden können muss. Der Rechtsschutz durch die staatliche Gerichtsbarkeit darf nicht so weit ausgeschlossen werden, dass dieser nicht mehr als wirkungsvoll bezeichnet werden kann. In welcher Form dieser Schutz gewährt werden soll ist jedoch unklar. Eindeutig ist hingegen die systematische Konkretisierung. Aus ihr ergibt sich, dass der Justizgewähranspruch keine Abschlusskontrolle im Sinne eines echten Wahlrechts fordert. Ebenso wird keine Inhaltkontrolle gefordert, die sich aus dem Justizgewähranspruch ergibt. Die Prüfung der Wirksamkeit von oktroyierten Schiedsvereinbarungen muss im Ergebnis allein anhand der allgemeinen Regeln zur Wirksamkeit von Verträgen vorgenommen werden. Innerhalb dieser Prüfung kann ausreichend berücksichtigt werden, dass der Verzicht auf den Justizgewähranspruch für den Einzelnen große Bedeutung hat. Diese Ansicht entspricht in Bezug auf die Rechtsanwendung auch der Meinung des BGH in Pechstein III. Dieser spricht zwar begrifflich von einem Freiwilligkeitserfordernis, geht aber davon aus, dass der Justizgewähranspruch 386
So i. E. auch: Wittreck, Verfassungsrechtliche (und unionsrechtliche) Rahmenbedingungen privater Justiz, in: Gesellschaft für Rechtspolitik/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier, Bitburger Gespräche, S. 31 (37). 387 Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 10. 388 Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rn. 87.
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in der Rechtsanwendung nur im Rahmen der zivilrechtlichen Generalklauseln Auswirkungen hat.389 Für diese Untersuchung wird festgehalten, dass der Justizgewähranspruch kein Freiwilligkeitskriterium enthält.
D. Wesentliche Erkenntnisses des Kapitels 5 Die Gerichtsentscheidungen zu den Voraussetzungen des Verzichts auf den Justizgewähranspruch durch oktroyierte Schiedsvereinbarungen beruhen nicht auf einer einheitlichen Dogmatik. Stellvertretend für diese uneinheitliche Dogmatik sind die Entscheidungen Pechstein I bis III. In Pechstein I wurde eine Abschlusskontrolle (echtes Wahlrecht zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit) sowie eine Inhaltskontrolle als Wirksamkeitsvoraussetzung für den Verzicht auf den Justizgewähranspruch geprüft. In Pechstein II und III ist von einer deutlich restriktiveren Abschlusskontrolle (allgemeine Abschlusskontrolle bei Verträgen) ausgegangen worden. Entscheidend für die Bewertung der Wirksamkeit von Sportschiedsvereinbarungen sei die Inhaltskontrolle der kartellrechtlichen Missbrauchsprüfung. Obwohl eine Mehrzahl von Entscheidungen das Bestehen einer echten Wahlfreiheit fordert, haben die staatlichen Gerichte nach der Pechstein-III-Entscheidung ausnahmslos die vom BGH in dieser Entscheidung vertretene Meinung übernommen. Eine Rechtsprechungsänderung kann daher wohl nur noch das BVerfG in seiner Pechstein-IV-Entscheidung herbeiführen. Die Literaturansichten zur Voraussetzung des Verzichts auf den Justizgewähranspruch können in drei Gruppen aufgeteilt werden. Nach einer Ansicht ergibt sich aus dem Justizgewähranspruch eine Freiwilligkeitsvoraussetzung in Form einer Abschlusskontrolle. Dieser Freiwilligkeitsvoraussetzung wird nur bei Bestehen eines echten Wahlrechts zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit genüge getan. Nach einer anderen Ansicht ist ein Freiwilligkeitsmerkmal zwar Voraussetzung für einen wirksamen Verzicht auf den Justizgewähranspruch, das Freiwilligkeitsmerkmal fordert aber laut diesen Vertretern nur eine Inhaltskontrolle des Verzichts. Im Rahmen dieser müssen dann die Interessen der Beteiligten miteinander abgewogen werden. Laut einer dritten Ansicht ergibt sich aus dem Justizgewähranspruch kein Freiwilligkeitserfordernis als Voraussetzung für einen wirksamen Verzicht auf den Justizgewähranspruch. Die Wirksamkeit eines Verzichts durch oktroyierte Schiedsvereinbarungen ist
389 Siehe: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 52–57) – Pechstein III.
D. Wesentliche Erkenntnisses des Kapitels 5
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nach dieser Vorstellung allein anhand der Vorschriften der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre zu prüfen. Ein Freiwilligkeitsmerkmal als Voraussetzung des Verzichts auf den Justizgewähranspruch kann sich nur aus dem Justizgewähranspruch selbst ergeben, da eine solche Voraussetzung der Vertragsfreiheit nicht bekannt ist. Die Bestimmung der Garantie des Justizgewähranspruchs muss methodisch im Wege der Konkretisierung vorgenommen werden. Der für die Wirksamkeit oktroyierter Schiedsvereinbarungen relevante Normtext des Justizgewähranspruchs gewährt das Recht auf „wirkungsvollen Zugang zu den staatlichen Gerichten“. Hieraus ergibt sich, dass der Justizgewähranspruch geschützt werden muss. Ob dies durch eine dem Justizgewähranspruch entspringende Freiwilligkeitsvoraussetzung (Abschluss- oder Inhaltskontrolle) oder durch andere Normen geschehen soll, wird dadurch aber nicht deutlich. Die genetische und historische Konkretisierung des Justizgewähranspruchs ist unergiebig, da es weder Gesetzgebungsunterlagen zum Justizgewähranspruch noch vorherige Fassungen des Normtextes gibt. Die teleologische Konkretisierung zeigt, dass Schiedsvereinbarungen den Zweck des Justizgewähranspruchs nicht beschränken. Entsprechend kann hieraus kein Argument für ein Freiwilligkeitserfordernis aus dem Justizgewähranspruch abgeleitet werden. Die systematische Konkretisierung zeigt, dass es keines gesonderten Freiwilligkeitserfordernisses bedarf, welches dem Justizgewähranspruch entspringt. Die allgemeinen Regeln zur Wirksamkeit von Verträgen sind geeignet, die rechtliche Bedeutung des Verzichts auf den Justizgewähranspruch in die Wirksamkeitsentscheidung einzubeziehen. Aus dem Justizgewähranspruch ergibt sich kein Freiwilligkeitserfordernis irgendeiner Art. Die Wirksamkeit (oktroyierter) Schiedsvereinbarungen muss allein nach den allgemeinen Regeln zur Wirksamkeit von Verträgen sowie den Vorgaben der ZPO an echte Schiedsgerichte beurteilt werden.
Kapitel 6
Partieller Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK durch Schiedsvereinbarungen Kap. 4. B. I.1 hat gezeigt, dass CAS-Schiedsvereinbarungen nicht alle Organisations- und Verfahrensregeln des Art. 6 Abs. 1 EMRK einhalten. So stellt der CAS kein auf Gesetz beruhendes Gericht dar.2 Daneben wird die Öffentlichkeitsgarantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK durch Teile der CAS-Verfahrensregeln nicht gewährleistet.3 CAS-Schiedsvereinbarungen verstoßen daher nur dann nicht gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK, wenn durch sie wirksam auf diese Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK verzichtet wurde. 4 Für die Beurteilung muss in einem ersten Schritt durch Auslegung einer konkreten CAS-Schiedsvereinbarung bestimmt werden, ob durch diese ein Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK erklärt werden sollte.5 In einem zweiten Schritt muss geprüft werden, ob dieser Verzicht die Voraussetzungen an einen wirksamen Verzicht auf die entsprechende Garantie einhält. Dies wird in Kap. 6 sowohl für die Organisationsgarantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichtes als auch für die Verfahrensgarantie der Öffentlichkeit vorgenommen. In einem Exkurs wird auf die Garantie der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eingegangen.
1
Siehe: S. 82 ff. Siehe: Kap. 4. B. I. 2. (S. 84 ff.). 3 Siehe: Kap. 4. B. I. 4. (S. 96 ff.). 4 Zur Möglichkeit, auf einzelne Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK – und nicht den ganzen Artikel – zu verzichten: EGMR, Beschl. v. 23.02.1999, Nr. 31737/96, S. 5 – Suovanemi; Jung, ZEuS 2014, 173 (197–199 m. w. N.); Bangert, Die Bindung privater Schiedsgerichte an Art. 6 Abs. 1 EMRK, in: Caflisch et al., FS Wildhaber, S. 41 (S. 49). 5 Vgl.: Bangert, Die Bindung privater Schiedsgerichte an Art. 6 Abs. 1 EMRK, in: Caflisch et al., FS Wildhaber, S. 41 (50); Briner/Schlabrendorff, Article 6 of the European Convention on Human Rights and its Bearing upon International Arbitration, in: Briner, FS Böckstiegel, S. 89 (94); Jung, ZEuS 2014, 173 (200). 2
A. Verzicht auf die Garantie des Zugangs
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A. Verzicht auf die Garantie des Zugangs zu einem auf Gesetz beruhenden Gericht Nach den Feststellungen in Kap. 4. B. I. 2.6 handelt es sich beim CAS nicht um ein auf Gesetz beruhendes Gericht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK. Dementsprechend sind Schiedsvereinbarungen auf den ersten Blick nicht mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar.7 Einigkeit besteht aber dahin gehend, dass auf die Garantie, Zugang zu solchen Gerichten zu erhalten, verzichtet werden kann.8 Umstritten sind lediglich die Voraussetzungen, unter denen ein solcher Verzicht wirksam ist. Hierbei muss beachtet werden, dass im Rahmen dieser Frage zwei Garantien relevant werden, die zur Analyse voneinander getrennt behandelt werden müssen: zum einen die Garantie eines Gerichtes im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK, zum anderen die Garantie, dass es sich um ein auf Gesetz beruhendes Gericht handelt. Mit Unterschrift einer CAS-Schiedsvereinbarung erklären die Parteien, dass ein privates Schiedsgericht unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit über bestimmte Streitigkeiten entscheiden soll. Das heißt, sie erklären ausdrücklich einen Verzicht auf den Zugang zu einen Gericht, das durch ein Parlamentsgesetz begründet wurde.9 Der Verzicht auf die Organisationsgarantie Gericht10 wird durch die Unterzeichnung einer CAS-Schiedsvereinbarung hingegen nicht erklärt, schließlich wollen die Unterzeichner eine verbindliche Streitentscheidung auf Grundlage von Rechtsnormen und festgelegten Verfahrensbedindungen. Um die notwendigen Voraussetzungen für einen wirksamen Verzicht auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts herauszuarbeiten, wird zunächst die Rechtsprechung ausgewertet, die sich explizit mit dem Verzicht auf diese Garantie auseinandergesetzt hat. Die Literatur zu der Frage wird nach Vertretern verschiedener Meinungen geordnet, bevor eine eigene Stellungnahme erfolgt.
6
Siehe: S. 84 ff. Siehe: Kap. 4. B. I. 2. (S. 84 ff.). 8 Siehe zur Literatur: Kap. 6. A. II. (S. 177 ff.). Siehe zur Rechtsprechung: Kap. 6. A. I. (S. 169 ff.) und Kap. 6. A. III. 5. (S. 185 ff.). 9 Siehe nur: Jung, ZEuS 2014, 173 (199); Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 205. 10 Siehe zu den Anforderungen an diese Organisationgarantie: Kap. 4. B. I. 1. (S. 83 f.). 7
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Kapitel 6: Partieller Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK
I. Rechtsprechung Der EGMR hat sich bislang nicht zu den Voraussetzungen eines wirksamen Verzichts auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts aus Art. 6 Abs. 1 EMRK geäußert. Auch im Verfahren Mutu/Pechstein musste sich der EGMR mit dieser Frage nicht auseinandersetzen, da er den CAS fehlerhaft11 an den Regeln für die gesetzlich angeordnete Schiedsgerichtsbarkeit maß und zudem als ein auf Gesetz beruhendes Gericht einstufte. Auch in dem offiziellen Guide des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK werden nur die Voraussetzungen für einen wirksamen Verzicht auf ein Gericht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK erläutert.12 Die deutschen Gerichte haben sich im Rahmen der Causa Pechstein zu der Frage des wirksamen Verzichts auf ein auf Gesetz beruhendes Gericht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK positioniert, ebenso die englischen Gerichte im Rahmen der Stretford-Entscheidungen. 1. Causa Pechstein Hinsichtlich des Sachverhaltes der Causa Pechstein wird auf Kap. 5. A. IV.13 verwiesen. a) LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12 – Pechstein I Neben der Auseinandersetzung mit dem Justizgewähranspruch prüfte das LG München I in Pechstein I die Vereinbarkeit von oktroyierten CAS-Schiedsvereinbarungen mit Art. 6 Abs. 1 EMRK. Art. 6 Abs. 1 EMRK bemühte das LG München I in diesem Fall, um die Wirksamkeit der infrage stehenden Schiedsvereinbarung auch nach Schweizer Recht prüfen zu können. Das Gericht trug vor, der EGMR habe in Suda14 entschieden, dass nur dann durch eine Schiedsvereinbarung auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten verzichtet werden könne, wenn diese „freiwillig, erlaubt und eindeutig“ abgeschlossen worden sei.15 Für den Begriff der Freiwilligkeit verwendet das Gericht
11 Siehe dazu: Kap. 7. A. III. 4. j) aa) (S. 194 ff.); bereits kritisch: Hülskötter, SpuRt 2018, 261 (261 f.). 12 EGMR, Guide on Article 6 of the European Convention on Human Rights, go.wwu. de/b0twp. 13 Siehe: S. 122 ff. 14 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06 – Suda. 15 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I.
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eine Negativdefinition.16 Freiwilligkeit sei nicht gegeben, wenn die Schiedsvereinbarung „gesetzlich oder durch einen Dritten vorgegeben“ wurde.17 Es stellte klar, dass ein unfreiwilliger Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten nur durch solche Gründe gerechtfertigt werden könne, die sich für den einzelnen Sportler positiv auswirken würden.18 Argumente zugunsten des Sportbetriebes als Ganzem können nach Ansicht des Gerichts hingegen keine Rechtfertigung darstellen.19 Das LG München I schloss aus den Ausführungen des EGMR in Suda, dass unfreiwillig abgeschlossene Schiedsvereinbarungen nur dann wirksam seien, wenn das entsprechende Schiedsverfahren die Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK einhalte.20 Daraus schloss das LG München I wiederum: „Damit spricht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einer unwirksamen, weil unfreiwilligen, vertraglichen Schiedsvereinbarung keine Wirksamkeit zu.“21
Damit meinte das Gericht, dass ein Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK durch unfreiwillige Schiedsvereinbarungen nie wirksam sei. Das LG München ging davon aus, dass sich aus Art. 6 Abs. 1 EMRK eine Abschlusskontrolle ergebe.22 Es stellte darüber hinaus aber auch fest, dass sich nach Schweizer Recht aus Art. 6 Abs. 1 EMRK nur eine Inhaltskontrolle ergebe.23 Daher begründete es zusätzlich, weshalb der CAS zum relevanten Überprüfungszeitpunkt der Unabhängigkeitsgarantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht genügte.24 Im Rahmen dieser Prüfung sei zu beachten, dass bei unfreiwilligen Schiedsvereinbarungen
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LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I. 17 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I. 18 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I. 19 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I. 20 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I. 21 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I. 22 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I. 23 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I. 24 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I.
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strenge Anforderungen an die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Spruchkörpers des Schiedsverfahrens zu stellen seien.25 b) OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart – Pechstein II Das OLG München schloss sich im Berufungsverfahren nicht der Ansicht des LG München I an. Es interpretierte die Suda-Entscheidung des EGMR dahingehend, dass Schiedsvereinbarungen nur dann unwirksam seien, wenn diesen nicht durch beide Streitparteien zugestimmt wurde.26 Liege eine solche Zustimmung hingegen vor, führe mit Blick auf die Entscheidungen Axelsson27 und X 28 „allein der Umstand, dass diese [Zustimmung] notwendig war, um eine bestimmte berufliche Tätigkeit auszuüben, nicht zu einer Verletzung der Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK“.29 c) BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15 – Pechstein III Auch der BGH setzte sich in Pechstein III nur kurz mit Art. 6 Abs. 1 EMRK auseinander. Er bekräftigte zunächst, dass wirksam auf die Rechte des Art. 6 Abs. 1 EMRK verzichtet werden könne.30 Wie das LG München I las der BGH aus der Suda-Entscheidung, dass der Verzicht auf die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar sei, „wenn die Schiedsvereinbarung freiwillig, erlaubt und eindeutig ist, das Schiedsverfahren entsprechend den Garantien in Art. 6 EMRK ausgestaltet ist und die Aufhebung von Schiedssprüchen bei Verfahrensmängeln durch staatliche Gerichte möglich ist.“31
Ob diese Voraussetzungen erfüllt waren, prüfte der BGH nicht ausdrücklich, sondern bejahte diese mit einem Verweis auf seine Ausführungen zum deutschen Recht.32 Insbesondere zeige die Rechtsprechung der EKMR33 in der Rechtssache X, dass die berufliche Abhängigkeit Pechsteins von der Unterzeichnung der 25 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I. 26 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (44) – Pechstein II. 27 EKMR, Entsch. v. 13.07.1990, Nr. 11960/86 – Axelsson. 28 EKMR, Entsch. v. 05.03.1962, Nr. 1197/61 – X. 29 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (44) – Pechstein II. 30 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2273) – Pechstein III. 31 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2273) – Pechstein III. 32 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2273) – Pechstein III. Siehe zur Argumentation des BGH zum deutschen Recht: Kap. 5. A. IV. 3. (S. 128 ff.). 33 Der BGH spricht hier von der Rechtsprechung des EGMR, obwohl er die EKMR zitiert.
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Schiedsvereinbarung nicht zu einer Unfreiwilligkeit im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK führe.34 d) Deutsche Rechtsprechung nach Pechstein III Im Anschluss an die Entscheidung in Pechstein III ist die Vereinbarkeit von oktroyierten Schiedsvereinbarungen mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vor deutschen Gerichten nicht mehr inhaltlich geprüft worden. Das LG Köln hat sich in einem einschlägigen Fall damit begnügt, festzustellen, dass durch oktroyierte Schiedsvereinbarungen im Sport nach den Feststellungen in Pechstein III nicht gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstoßen werde.35 e) EGMR, Urt. v. 02.08.2018, Nr. 40575/10, 67474/10 – Mutu/Pechstein Der letzte Akt der Causa Pechstein fand vor dem EGMR statt.36 Anders als die deutschen Gerichte stellte der EGMR als Erstes die weichenstellende37 Frage, ob es sich bei der Sportschiedsgerichtsbarkeit um eine Zwangsschiedsgerichtsbarkeit (begrifflich besser: gesetzlich angeordnete) oder eine freiwillige (begrifflich besser: privatrechtlich vereinbarte) Schiedsgerichtsbarkeit handelt.38 Während die deutschen Gerichte von einer freiwilligen Schiedsgerichtsbarkeit ausgingen,39 erklärte der EGMR, die Pechstein-Konstellation müsse wegen des faktischen Zwangs in Bezug auf den Abschluss der Schiedsvereinbarung wie eine Zwangsschiedsgerichtsbarkeit behandelt werden40. Dementsprechend müssten alle Merkmale des Art. 6 Abs. 1 EMRK eingehalten werden; ein wirksamer Verzicht sei nicht möglich.41 Die Frage, ob es sich beim CAS um ein auf Gesetz beruhendes Gericht im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK handelt, bejahte der EGMR.42 Die 34
BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2273) – Pechstein III. LG Köln, Urt. v. 28.03.2017, 31 O 448/14, CaS 2017, 141 (148). 36 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10 – Mutu/Pechstein; EGMR, Nichtannahme der Verweisung nach Art. 43 EMRK v. 05.02.2019, CEDH 053 (2019) – Pechstein/Mutu. 37 Siehe dazu: Kap. 6. A. III. 5. i) aa) (S. 194 ff.). 38 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 95 – Mutu/Pechstein. Siehe zu der Unterscheidung: Kap. 6. A. III. 5. i) aa) (S. 194 ff.). 39 Ohne dies ausdrücklich festzustellen prüften alle Gerichte die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts. 40 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 115 – Mutu/Pechstein. Siehe zu der Abgrenzung von gesetzlich angeordneter und privatrechtlich vereinbarter Schiedsgerichtsbarkeit: Kap. 6. A. III. 5. i) aa) (S. 194 ff.). 41 Siehe: EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 115 – Mutu/Pechstein. 42 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 149 – Mutu/Pechstein. Kritisch hierzu das Sondervotum der Richter Keller und Serghides: EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Sondervotum Rn. 22–24 – Mutu/Pechstein. 35
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Schiedssprüche des CAS seien durch das Schweizer Bundesgericht überprüfbar (Art. 190–192 IPRG-Schweiz) und würden nach Ansicht des Schweizer Bundesgerichts Urteile darstellen, die mit staatlichen Entscheidungen vergleichbar sind.43 Infolge dieser Einschätzung musste sich der EGMR nicht explizit mit den Voraussetzungen eines wirksamen Verzichts auf die Garantie des Zugangs zu einem auf Gesetz beruhenden Gericht auseinandersetzen.44 Auf die ebenfalls diskutierten Garantien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des CAS sowie der Öffentlichkeit vor dem CAS wird an anderer Stelle45 dieser Untersuchung eingegangen. 2. Stretford Die Voraussetzungen für einen wirksamen Verzicht auf die Organisationsgarantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts sind neben der Causa Pechstein auch in der gerichtlichen Auseinandersetzung von Paul Stretford mit dem englischen Fußballfachverband diskutiert worden. Der Auseinandersetzung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Stretford war als zugelassener FIFA-Spielervermittler tätig.46 Eine Zulassung als Spielervermittler war im Jahr 2000 laut der englischen Gerichte notwendig, um als Spielervermittler (im Sinne der FA players‘ agent regulation) arbeiten zu dürfen.47 Um diese Zulassung zu erhalten, unterwarf sich Stretford den Regularien der FIFA und der Football Association.48 Diese Regularien enthielten unter anderem eine Schiedsvereinbarung.49 Später wurde gegen Stretford ein Disziplinarverfahren eingeleitet.50 Stretford wandte sich mit der Streitigkeit an die staatlichen Gerichte.51 Während die Football Association die Einrede der Schiedsvereinbarung aus Art. 9 Arbitration Act vorbrachte, wollte Stretford im Gegenzug 43
EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 149 – Mutu/Pechstein. Dazu bereits kritisch: Hülskötter, SpuRt 2018, 261 (262). 45 Siehe: Kap. 4. B. I. 3., 4. (S. 90 ff.). 46 UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460, [2006] EWHC 479 (Ch), Rn. 4 – Stretford I. 47 UK Court of Appeal, Urt. v. 21.03.2007, 2007 WL 763672, [2007] EWCA Civ 238, Rn. 3 – Stretford II; UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460, [2006] EWHC 479 (Ch), Rn. 3 – Stretford I. 48 UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460, [2006] EWHC 479 (Ch), Rn. 4 – Stretford I. 49 Vgl. UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460, [2006] EWHC 479 (Ch), Rn. 12 – Stretford I. 50 UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460, [2006] EWHC 479 (Ch), Rn. 6 – Stretford I. 51 UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460, [2006] EWHC 479 (Ch), Rn. 9 – Stretford I. 44
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feststellen lassen, dass die Schiedsvereinbarung gemäß Art. 9 Abs. 4 Arbitration Act 1996 wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK unwirksam war.52 a) UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460 – Stretford I Der UK High Court arbeitete in Stretford I als entscheidende Frage heraus, ob die Schiedsvereinbarung einen wirksamen Verzicht Stretfords auf Teile seiner Garantien aus Art. 6 Abs. 1 EMRK darstellte.53 Das Gericht ging unter Rückgriff auf die Rechtsprechung der Konventionsorgane54 davon aus, dass ein solcher Verzicht wirksam sei, wenn er freiwillig („voluntary“) erfolge.55 Daher sei der Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK durch eine Schiedsvereinbarung grundsätzlich wirksam möglich.56 Voraussetzung für die Annahme der Freiwilligkeit eines solchen Verzichts sei, dass die Schiedsveinbarung ohne Zwang („without compulsion or constraint“) abgeschlossen wurde.57 Das Gericht ging davon aus, dass sich Stretford freiwillig der Schiedsvereinbarung unterworfen habe.58 Stretford hätte zwar seinen Beruf nicht mehr ausüben können, wenn er sich der Schiedsvereinbarung nicht unterworfen hätte, allerdings sei diese Drucksituation anders als in der Deweer-Entscheidung59 nicht ausreichend, um die notwendige Freiwilligkeit zu verneinen.60 Es liege nämlich gerade keine Hobon’s Choice vor.61 Gemeint sind Situationen, in denen zwar theoretisch eine Auswahlmöglichkeit besteht, de facto aber nur eine der Möglichkeiten gewählt werden kann.62 52
UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460, [2006] EWHC 479 (Ch), Rn. 10b – Stretford I. 53 UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460, [2006] EWHC 479 (Ch), Rn. 42 – Stretford I. 54 Unter dem Begriff der Konventionsorgane werden hier der EGMR und die EKMR gefasst. 55 UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460, [2006] EWHC 479 (Ch), Rn. 44 (51) – Stretford I. 56 UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460, [2006] EWHC 479 (Ch), Rn. 44 (51) – Stretford I. 57 UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460, [2006] EWHC 479 (Ch), Rn. 44 (51) – Stretford I. 58 UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460, [2006] EWHC 479 (Ch), Rn. 45 – Stretford I. 59 EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75 – Deweer. 60 UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460, [2006] EWHC 479 (Ch), Rn. 45 – Stretford I. 61 UK High Court, Urt. v. 17.03.2006, 2006 WL 755460, [2006] EWHC 479 (Ch), Rn. 45 – Stretford I. 62 Cambridge Dictionary, http://go.wwu.de/1c5w2.
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b) UK Court of Appeal, Urt. v. 21.03.2007, 2007 WL 763672 – Stretford II In der Berufungsentscheidung Stretford II arbeitete der UK Court of Appeal ebenfalls als entscheidende Frage heraus, ob die oktroyierte Schiedsvereinbarung einen wirksamen Verzicht auf das in Art. 6 Abs. 1 EMRK verbürgte Recht der Streitentscheidung durch ein auf Gesetz beruhendem Gericht darstellt.63 Um diese Frage zu beantworten, wertete der UK Court of Appeal die Entscheidungen des EGMR und der EKMR aus. Konkret bezog sich das Gericht auf die Entscheidungen R64, Deweer65, und X66. Aus diesen folge, dass Schiedsvereinbarungen freiwillig („voluntary“ beziehungsweise „freely“) abgeschlossen werden müssen, um einen wirksamen Verzicht auf Art. 6 Abs. 1 EMRK darzustellen.67 Damit sei gemeint, dass die Schiedsvereinbarung nicht gesetzlich vorgegeben sein dürfe.68 Sei dies der Fall, so müsse die Schiedsvereinbarung zusätzlich auch ohne Zwang („without constraint“) abgeschlossen worden sein.69 Die Schiedsvereinbarung dürfe zudem nicht gegen ein wichtiges öffentliches Interesse verstoßen.70 Aus Sicht des Gerichts werde durch die Rechtsprechung der Konventionsorgane allerdings nicht deutlich, wann eine solche Freiwilligkeit vorliege.71 Der UK Court of Appeal behalf sich dadurch, dass er die Common-Law-Prinzipien von Nötigung, unzulässiger Beeinflussung und Irrtum („duress or undue influence or mistake“) für ausreichend hielt, um das notwendige Maß an Freiwilligkeit zu garantieren. Das Gericht beschrieb zwar das Abhängigkeitsverhältnis von Stretford,72 hielt aber trotzdem keines dieser Common-Law-Prinzipien für einschlägig73. Es ging zudem davon aus, dass die Schiedsvereinbarung nicht gegen 63 UK Court of Appeal, Urt. v. 21.03.2007, 2007 WL 763672, [2007] EWCA Civ 238, Rn. 41 – Stretford II. 64 EKMR, Entsch. v. 04.03.1987, Nr. 10881/84 – R. 65 EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75 – Deweer. 66 EKMR, Entsch. v. 05.03.1962, Nr. 1197/61 – X. 67 UK Court of Appeal, Urt. v. 21.03.2007, 2007 WL 763672, [2007] EWCA Civ 238, Rn. 45 – Stretford II. 68 UK Court of Appeal, Urt. v. 21.03.2007, 2007 WL 763672, [2007] EWCA Civ 238, Rn. 48 – Stretford II. 69 UK Court of Appeal, Urt. v. 21.03.2007, 2007 WL 763672, [2007] EWCA Civ 238, Rn. 50 – Stretford II. 70 UK Court of Appeal, Urt. v. 21.03.2007, 2007 WL 763672, [2007] EWCA Civ 238, Rn. 50 – Stretford II. 71 UK Court of Appeal, Urt. v. 21.03.2007, 2007 WL 763672, [2007] EWCA Civ 238, Rn. 53 – Stretford II. 72 UK Court of Appeal, Urt. v. 21.03.2007, 2007 WL 763672, [2007] EWCA Civ 238, Rn. 49 – Stretford II. 73 UK Court of Appeal, Urt. v. 21.03.2007, 2007 WL 763672, [2007] EWCA Civ 238, Rn. 43, 52 f. – Stretford II.
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ein wichtiges öffentliches Interesse verstoße, weshalb der mit der Schiedsvereinbarung erklärte Verzicht als wirksam angesehen wurde.74 Der UK Court of Appeal hat seine Entscheidung zusätzlich unter dem pragmatischen Gesichtspunkt der Erhaltung der Sportschiedsgerichtsbarkeit getroffen.75 „To strike down clauses of this kind because they were incompatible with article 6 in that basis would have a far-reaching and, in our opinion, undesirable effect on the use of arbitration in the context of sport generally.“76
II. Literatur Im Vergleich zur intensiven Diskussion der Voraussetzungen eines Verzichtes auf den Justizgewähranspruch, ist das Literaturaufkommen zu den Voraussetzungen eines Verzichts auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts aus Art. 6 Abs. 1 EMRK gering.77 In der Literatur besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass eine der Wirksamkeitsvoraussetzung die Freiwilligkeit des Abschlusses der Schiedsvereinbarung ist.78 Die Definition dieses Freiwilligkeitsbegriffs ist dabei wie im Rahmen des Verzichts auf den Justizgewähranspruch umstritten.
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UK Court of Appeal, Urt. v. 21.03.2007, 2007 WL 763672, [2007] EWCA Civ 238, Rn. 54 – Stretford II. 75 Hülskötter, ISLJ 25 (2017), 15 (18); vgl.: Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 199. 76 UK Court of Appeal, Urt. v. 21.03.2007, 2007 WL 763672, [2007] EWCA Civ 238, Rn. 49 – Stretford II. 77 So auch: Heermann, Grenzen der verbandsfreundlichen Auslegung des Merkmals der Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen, in: Arnold/Lorenz, GS Unberath, S. 159 (160). 78 Siehe nur: Villiger, HB EMRK, Rn. 439; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 556; Jacot-Guillarmod, L’arbitrage privé face à l’article 6 § 1 de la Convention européenne de Droits de l’Homme, in: Matscher/Petzold, FS Wiarda, S. 281 (285); Landrove, European Convention on Human Rights‘ Impact on Consensual Arbitration, in: Besson, Human rights at the center, S. 73 (79); Adolphsen, Aktuelle Fragen des Verhältnisses von EMRK und europäischem Zivilprozessrecht, in: Renzikowski, Die EMRK im Privat-, Straf- und Öffentlichen Recht, S. 39 (75 f.); Ringquist, University of Lund, Do Procedural Human Rights Requirements Apply to Arbitration – a Study of Article 6 (1) of the European Convention on Human Rights and its Bearing upon Arbitration, go.wwu.de/er9nw, S. 32; Haas, SchiedsVZ 2009, 73 (79); Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161 (165); Haas, ASA bulletin 2014, 707 (716 f.); Jung, ZEuS 2014, 173 (200); Münch, SchiedsVZ 2017, 114 (116).
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1. Freiwilligkeit bedeutet echte Wahlfreiheit Heermann geht auch hinsichtlich der Voraussetzungen eines wirksamen Verzichts auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK davon aus, dass Freiwilligkeit nur bei Wahlfreiheit gegeben sei. Er argumentiert auf Grundlage der Entscheidungen Deweer und Nordström, dass Schiedsvereinbarungen keinen wirksamen Verzicht auf den Zugang zu einem auf Gesetz beruhenden Gericht darstellen, wenn sie „aus einer Zwangssituation für eine Vertragspartei hervorgegangen“ seien.79 Die Zwangssituation müsse dabei von der Partei bewiesen werden, die sich auf diese berufe.80 Eine Zwangssituation liegt nach Heermann nicht vor, wenn den Vertragsparteien ein echtes Wahlrecht zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit zukommt.81 Sportschiedsvereinbarungen verstoßen daher seiner Meinung nach mangels eines wirksamen Verzichts auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichtes gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK.82 2. Freiwilligkeit bestimmt sich im Ergebnis durch eine Interessenabwägung Im Unterschied dazu geht die Mehrheit der Autoren davon aus, dass das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Freiwilligkeit im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK maßgeblich von einer Interessenabwägung zwischen den Parteien der Schiedsvereinbarung abhängig ist. Einer dieser Autoren ist Haas, der seine 2009 geäußerte Auffassung in dogmatischer Hinsicht im Jahr 2014 angepasst hat. 2009 stimmte er den Stretford- Entscheidungen dahin gehend zu, dass die Freiwilligkeit (als Gegensatz von Zwang) einer Schiedsvereinbarung nicht bereits durch jeglichen „wirtschaftlichen Druck oder jede wirtschaftliche Notwendigkeit“ entfallen würde.83 Mit Blick auf die Deweer-Entscheidung deutete Haas jedoch an, dass er in Fällen einer Hobson’s Choice (welche er in der Situation von Athleten erkennt) keine Freiwilligkeit annehmen wolle.84 In Zuge dessen attestierte er den englischen Gerichten „eine recht eigentümliche Vorstellung von ‚Freiwilligkeit‘“85 und ging 79 Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (70), auch: Heermann, Deutscher Bundestag, Sportausschuss, Ausschussdrucksache 18 (5) 80, S. 2; mit Kritik an Pechstein II: Heermann, SchiedsVZ 2015, 78 (80). 80 Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (70). 81 Heermann, SchiedsVZ 2014, 66 (73). 82 Heermann, Deutscher Bundestag, Sportausschuss, Ausschussdrucksache 18 (5) 80, S. 3; Heermann, SchiedsVZ 2015, 78 (82). 83 Haas, SchiedsVZ 2009, 73 (79); ebenso: Łukomski, ISLJ 13 (2013), 60 (66). 84 Haas, SchiedsVZ 2009, 73 (79). 85 Haas, SchiedsVZ 2009, 73 (79).
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davon aus, dass bei der Sportschiedsgerichtsbarkeit in der Regel keine Freiwilligkeit vorliege86. Aus der Lithgow-Entscheidung87 zu einer staatlich angeordneten Schiedsgerichtsbarkeit schloss Haas dann aber, dass der unfreiwillige Abschluss einer Schiedsvereinbarung nicht sofort zur Unwirksamkeit des darin erklärten Verzichts auf Rechte aus Art. 6 Abs. 1 EMRK führe.88 Aus dem Urteil las er zudem, dass der faktische Zwang in der Sportschiedsgerichtsbarkeit durch Gründe einer „good administration of justice“ gerechtfertigt werden könne.89 Es müsse also eine Abwägung der beteiligten Interessen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorgenommen werden.90 Die Vorteile der Sportschiedsgerichtsbarkeit für den professionellen Sport stellten dabei eine solche „good administration of justice“ dar.91 2014 vertrat Haas eine leicht abgewandelte Meinung und sah den Freiwilligkeitsbegriff primär als Abgrenzungsmöglichkeit zwischen privater Schiedsgerichtsbarkeit und gesetzlich vorgeschriebener Streitentscheidung durch Schiedsgerichte (gesetzliche Zwangsschiedsgerichtsbarkeit) an.92 Darüber hinaus argumentierte er, aus der Freiwilligkeit würden sich auch inhaltliche Vorgaben an den Verzicht auf Rechte aus Art. 6 Abs. 1 EMRK ergeben.93 Mit Verweis auf die Rechtsprechung der EKMR94 sieht er diese inhaltlichen Vorgaben als erfüllt an, wenn der Abschluss der Schiedsvereinbarung nicht unter unzulässigem Zwang („constraint“)95 oder unzulässiger Nötigung („duress“) vorgenommen werde.96 Ein unzulässiger Zwang beziehungsweise eine unzulässige Nötigung ergebe sich, so Haas, nicht alleine aus der Monopolstellung der Sportverbände und der Abhängigkeit der Athleten.97 Allein eine Hobson’s Choice für die Athleten führt hiernach also keine Unfreiwilligkeit herbei. Da es sich bei der Sportschiedsge86
Haas, SchiedsVZ 2009, 73 (84). EGMR, Urt. v. 08.07.1986, Nr. 9006/80, 9262/81, 9263/81, 9265/81, 9266/81, 9313/ 81, 9405/81 – Lithgow. 88 Haas, SchiedsVZ 2009, 73 (80). 89 Haas, SchiedsVZ 2009, 73 (81). 90 Haas, SchiedsVZ 2009, 73 (84). 91 Haas, SchiedsVZ 2009, 73 (80 f.). 92 Haas, ASA bulletin 2014, 707 (717). 93 Haas, ASA bulletin 2014, 707 (718). 94 Entscheidungen: EKMR, Entsch. v. 05.03.1962, Nr. 1197/61 – X; EKMR, Entsch. v. 04.03.1987, Nr. 10881/84 – R; EKMR, Entsch. v. 22.10.1996, Nr. 23173/94 – Molin; EKMR, Entsch. v. 27.11.1996, Nr. 28101/95 – Nordström. 95 So aber auch schon: Haas, SchiedsVZ 2009, 73 (79). 96 Haas, ASA bulletin 2014, 707 (718). Siehe auch: Landrove, European Convention on Human Rights’ Impact on Consensual Arbitration, in: Besson, Human rights at the center, S. 73 (81); ähnlich: Łukomski, ISLJ 13 (2013), 60 (66). 97 Haas, ASA bulletin 2014, 707 (722). 87
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richtsbarkeit um die Durchsetzung von Rechten zwischen Privatrechtsubjekten handele, während es in Deweer um die Überprüfung einer hoheitlichen strafrechtlichen Maßnahme gehe, sei die Deweer-Entscheidung nicht auf die Situation in der Sportschiedsgerichtsbarkeit übertragbar.98 Bei der Beurteilung, ob ein Zwang oder eine Nötigung unzulässig sei, müsse insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet werden.99 Es müsse eine Abwägung zwischen den beteiligten Interessen vorgenommen werden, um zu bestimmen, ob ein ausgeübter unzulässiger Zwang oder eine unzulässige Nötigung gegeben sei.100 In diese Abwägung seien die Vorteile der Sportschiedsgerichtsbarkeit einzubeziehen, weshalb Schiedsvereinbarungen im Sport im Ergebnis einen wirksamen Verzicht auf Rechte des Art. 6 Abs. 1 EMRK darstellen könnten – und nach seiner Ansicht auch tun.101 Haas hält damit die Interessenabwägung für den entscheidenden Faktor, weshalb er die nähere definitorische Ausgestaltung der Begriffe Zwang und Nötigung offen lassen konnte.102 Im Ergebnis handelt es sich bei den Begründungen von Haas 2009 und 2014 lediglich um unterschiedliche Dogmatiken, da in beiden Fällen die finale Interessenabwägung darüber entscheidet, ob der Verzicht auf den Zugang zu einem staatlichen Gericht aus Art. 6 Abs. 1 EMRK wirksam ist. Ähnlich positioniert sich Jung¸ der zunächst feststellt, dass es bei Sportschiedsvereinbarungen regelmäßig an der notwendigen Freiwilligkeit fehle.103 Den Freiwilligkeitsbegriff definiert er dabei aber nicht.104 Er trägt dann aber – wie Haas 2009 – vor, dass diese Unfreiwilligkeit gerechtfertigt werden könne.105 Er stellt dabei darauf ab, dass es aus Sicht der EMRK keinen Unterschied mache, ob der Gesetzgeber oder ein Monopolverband die Streitentscheidung durch ein Schiedsgericht oktroyiere.106 Daher müsse die privatrechtlich oktroyierte Schiedsgerichtsbarkeit an den Voraussetzungen für die Vereinbarkeit eines gesetzlichen Schiedszwangs mit Art. 6 Abs. 1 EMRK gemessen werden.107 Der Verzicht durch eine oktroyierte Schiedsvereinbarung sei daher wirksam, wenn der Schiedszwang auf einer „gesetzlichen“ Grundlage beruhe, ein legitimes Ziel 98 Haas, ASA bulletin 2014, 707 (728–732, insb. 732); vgl. auch: Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 197 f. 99 Haas, ASA bulletin 2014, 707 (722). 100 Haas, ASA bulletin 2014, 707 (722–726). 101 Haas, ASA bulletin 2014, 707 (722–727). 102 Haas, ASA bulletin 2014, 707 (722). 103 Jung, ZEuS 2014, 173 (205). 104 Jung, ZEuS 2014, 173 (205). 105 Jung, ZEuS 2014, 173 (205 f.). 106 Jung, ZEuS 2014, 173 (206). 107 Jung, ZEuS 2014, 173 (206).
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verfolge und darüber hinaus verhältnismäßig sei.108 Bei der Übertragung dieser Voraussetzungen auf die privatrechtlich oktroyierte Schiedsgerichtsbarkeit hält Jung die Satzungen internationaler Sportverbände und die Verfahrensregeln internationaler Schiedsgerichte als „gesetzliche“ Grundlage für ausreichend.109 Als legitimes Ziel sieht er die Einheitlichkeit der Sportausübung an,110 die nur durch die Streitentscheidung durch internationale Sportschiedsgerichte erreicht werden könne.111 Innerhalb der Verhältnismäßigkeit wägt Jung schließlich die Interessen der Sportverbände mit denen der Athleten ab.112 Schlussendlich sieht er in Sportschiedsvereinbarungen keinen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK.113 Adolphsen definiert den Begriff der Freiwilligkeit nicht mit unmittelbarem Blick auf die Schiedsgerichtsbarkeit. Wegen des gleichwertigen Rechtsschutzes bei Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit hält er seine Ansicht zur Wirksamkeit oktroyierter Gerichtsstandsvereinbarungen für auf die Problematik der Wirksamkeit privatrechtlich oktroyierter Schiedsvereinbarungen übertragbar.114 Damit erklärt er, die notwendige Freiwilligkeit liege nicht vor, wenn die Unterzeichnung einer Schiedsvereinbarung unter Zwang geschehe.115 Alleine in Take-it-or-leave-it-Situationen hält Adolphsen einen Zwang für gegeben.116 Im Umkehrschluss formuliert er, dass nur solche Schiedsvereinbarungen wirksam seien, „die frei von unzulässigem, insbesondere wirtschaftlichen, aber auch sonstigem Druck zustande gekommen sind.“117 Vor dem Hintergrund der Feststellung in Kap. 2. C.118 bedeutet dies, dass ein solcher Druck nach Adolphsen nur dann nicht auf professionelle Athleten ausgeübt wird, wenn sie zwischen staatlicher und schiedsrichterlicher Streitentscheidung wählen können. Ob Druck unzulässig ist, 108
Jung, ZEuS 2014, 173 (206). Jung, ZEuS 2014, 173 (206). 110 Jung, ZEuS 2014, 173 (206). 111 Jung, ZEuS 2014, 173 (206 f.). 112 Jung, ZEuS 2014, 173 (207 f.). 113 Jung, ZEuS 2014, 173 (208). 114 Adolphsen, Aktuelle Fragen des Verhältnisses von EMRK und europäischem Zivilprozessrecht, in: Renzikowski, Die EMRK im Privat-, Straf- und Öffentlichen Recht, S. 39 (79). 115 Adolphsen, Aktuelle Fragen des Verhältnisses von EMRK und europäischem Zivilprozessrecht, in: Renzikowski, Die EMRK im Privat-, Straf- und Öffentlichen Recht, S. 39 (60 f.). 116 Adolphsen, Aktuelle Fragen des Verhältnisses von EMRK und europäischem Zivilprozessrecht, in: Renzikowski, Die EMRK im Privat-, Straf- und Öffentlichen Recht, S. 39 (56). 117 Adolphsen, Aktuelle Fragen des Verhältnisses von EMRK und europäischem Zivilprozessrecht, in: Renzikowski, Die EMRK im Privat-, Straf- und Öffentlichen Recht, S. 39 (60). 118 Siehe: S. 33 ff. 109
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möchte Adolphsen anhand einer Abwägung der Interessen der beteiligten Parteien bestimmen. Als Interesse des Zwangsausübenden müssten insbesondere sachliche Gründe herangezogen werden, die die Zwangsausübung rechtfertigen können.119 Die vorgestellten Ansichten unterscheiden sich im Ergebnis nur durch den Prüfungspunkt der Interessenabwägung. Während die Interessenabwägung bei Haas 2009 und Jung als Rechtfertigung nach Feststellungen eines Verstoßes gegen das Freiwilligkeitserfordernis herangezogen wird, ist die Abwägung bei Adolphsen und Haas 2014 ein Teil der Freiwilligkeitsprüfung. Auf die Begrifflichkeit der deutschen Grundrechtsprüfung übertragen, handelt es sich um die Prüfung des Eingriffs in den Schutzbereich beziehungsweise die Prüfung der Rechtfertigung des Eingriffs in den Schutzbereich. Trotz dieses dogmatischen Unterschiedes ist bei allen vorgestellten Ansichten die konkrete Interessenabwägung für das Ergebnis, also die Frage der Wirksamkeit des Verzichts, entscheidend. 3. Freiwilligkeit ist nicht zwingend notwendig Eine ganz andere Ansicht vertritt Monheim. Ohne dies argumentativ zu untermauern, geht er davon aus, dass ein Verzicht auf den Zugang zu einem auf Gesetz beruhenden Gericht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK wirksam ist, wenn der Verzicht freiwillig erklärt wurde und das Schiedsverfahren die Mindestgarantien eines fairen Schiedsverfahrens einhält oder wenn die staatliche Aufhebung des Schiedsspruchs möglich ist.120 Ohne den Freiwilligkeitsbegriff inhaltlich zu bestimmen, trägt Monheim vor, dass dieser bei Sportschiedsgerichtsvereinbarungen nicht gewahrt würde.121 Da die ZPO aber eine Möglichkeit vorsehe, Schiedssprüche aufzuheben,122 würden oktroyierte Schiedsvereinbarungen im Sport einen wirksamen Verzicht auf ein staatliches Gericht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK beinhalten.123 Das heißt, er sieht die Aufhebbarkeit durch staatliche Gerichte als entscheidendes Kriterium für einen wirksamen Verzicht an.
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Adolphsen, Aktuelle Fragen des Verhältnisses von EMRK und europäischem Zivilprozessrecht, in: Renzikowski, Die EMRK im Privat-, Straf- und Öffentlichen Recht, S. 39 (61). 120 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips, S. 102, 136. 121 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips, S. 102. 122 Hierbei übergeht Monheim jedoch, dass in Deutschland nur nationale Schiedssprüche aufgehoben werden können (§ 1059 ZPO). 123 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips, S. 102.
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4. Freiwilligkeit wird durch allgemeines Vertragsrecht gewahrt Für einen wirksamen Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK hält Pfeiffer es nicht für notwendig, dass eine gesonderte Freiwilligkeitsprüfung vorgenommen wird. Er stützt sich maßgeblich auf die Ausführungen von Ringquist124, wenn er vorträgt, dass die Entscheidungen der Konventionsorgane zeigen würden, dass das Freiwilligkeitserfordernis durch das allgemeine nationale Vertragsrecht gefüllt werde.125 Hierdurch würde der Konsens, der einer Schiedsvereinbarungen inne liege ausreichend geschützt.126 Einen wirksamen Verzicht auf den staatlichen Rechtsschutz nach Art. 6 Abs. 1 EMRK nimmt er an, wenn „das anwendbare Schiedsvereinbarungsstatut angemessene vertragsrechtliche Konsensvoraussetzungen statuiert.“127 Wann diese Voraussetzung gegeben ist, lässt er jedoch offen.
III. Stellungnahme Die EMRK ist ein völkerrechtlicher Vertrag.128 Die Auslegung des Art. 6 Abs. 1 EMRK richtet sich daher nach der in der Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969 (WVRK) festgelegten Methodik.129 Dessen Art. 31 Abs. 1 WVRK sieht vor, dass völkerrechtliche Verträge anhand der Bedeutung und im Lichte des Ziels und Zwecks auszulegen sind, die sich aus dem vertraglichen Zusammenhang (Art. 31 Abs. 2 WVRK) ergeben. Nur wenn das Ergebnis dieser Auslegung 124
Ringquist, University of Lund, Do Procedural Human Rights Requirements Apply to Arbitration – a Study of Article 6 (1) of the European Convention on Human Rights and its Bearing upon Arbitration, go.wwu.de/er9nw, S. 34, der jedoch die Anwendung des nationalen Rechts nur für einen vorübergehenden Zustand halt, bis die europäischen Gerichte den Begriff der Freiwilligkeit klar definiert haben. 125 Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161 (165). 126 Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161 (165). 127 Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161 (165). 128 Meyer-Ladewig/Nettesheim, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/Raumer, EMRK, Einleitung Rn. 15. 129 Die EMRK ist im Jahr 1953 in Deutschland in Kraft getreten (BGBl. 1954 II S. 14). Die WVRK ist erst im Jahr 1987 in Deutschland in Kraft getreten (BGBl. 1985 II S. 927) und daher nach Art. 4 WVRK nicht auf die EMRK anwendbar. Allerdings hat die WVRK in Art. 31 bis 33 die schon vorher nach Völkergewohnheitsrecht geltenden Regelungen zur Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen kodifiziert, weshalb die WVRK nach allgemeiner Meinung auch auf die EMRK anzuwenden ist. St. Rspr. des EGMR: EGMR, Urt. v. 21.02.1975, Nr. 4451/70, Rn. 29 – Golder; EGMR, Urt. v. 12.11.2008, Nr. 34503/97, Rn. 65 m. w. N. – Demir and Baykara; EGMR, Urt. v. 23.03.2010, Nr. 15869/02, Rn. 56 – Cudak. Siehe zur Literatur: Meyer-Ladewig/Nettesheim, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/Raumer, EMRK, Einleitung Rn. 23; Cremer, in: Dörr/G rote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 4 Regeln der Konventionsinterpretation Rn. 18.
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undeutlich, offensichtlich sinnwidrig oder unvernünftig ist, werden nach Art. 32 WVRK die vorbereitenden Arbeiten und die Umstände des Vertragsabschlusses ergänzend hinzugezogen (Historie und Genetik). Wenn auch nicht durch gesetzlich oder vertraglich festgelegte Dogmatik vorgeschrieben, so ist dennoch anerkannt, dass die Orientierungs- und Leitungsfunktion des EGMR (und seiner Vorgängerinstitutionen) dazu führt, dass die Rechtsprechung der Konventionsorgane in besonderem Maße in die Auslegung der EMRK einfließt.130 1. Grammatikalische Auslegung Gemäß Art. 31 Abs. 2 WVRK ist unter Zusammenhang in einem ersten Schritt die grammatikalische Auslegung zu verstehen. Nur die englische und die französische Sprachfassung der EMRK sind authentisch und können daher zur grammatikalischen Auslegung herangezogen werden.131 Aus diesem Grund wird für die grammatikalische Auslegung in dieser Untersuchung nur so lange auf die deutsche Übersetzung verwiesen, wie sich hieraus kein Auslegungsunterschied zur englischen oder französischen Sprachfassung ergibt. Die deutsche Übersetzung der relevanten Stelle lautet: „[…] ein Recht […] [auf Streitentscheidung vor einem] auf Gesetz beruhenden Gericht“132 Die Begrifflichkeit „Recht“ steht seinem Wortsinn nach für eine Berechtigung oder Befugnis.133 Hierdurch wird deutlich, dass der Einzelne zwar die Möglichkeit haben muss, sein Recht auf Streitentscheidung durch ein auf Gesetz beruhendem Gericht einzufordern, er hierzu aber nicht verpflichtet ist. Der Wortsinn erlaubt damit jedenfalls einen Verzicht auf die Garantie des Zugangs zu einem auf Gesetz beruhenden Gericht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK. Der Wortsinn des Substan tivs Recht zeigt aber auch, dass die Entscheidung, ob der Zugang zu einem auf Gesetz beruhenden Gericht gewünscht ist, de facto bei dem Rechtsinhaber liegen soll. Um dies zu gewährleisten, muss die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen bei der Erklärung eines Verzichts geschützt werden. Ein Hinweis darauf, wie dieser Schutz gewährleistet werden soll, ist dem Wortsinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK in keiner Sprachfassung zu entnehmen. 130
BVerfG, Urt. v. 04.05.2011, 2 BvR 2365/09, 740/10, 2333/08, 1152/10, 571/10, NJW 1931 (1935 m. w. N. zur Rspr. d. BVerfG); Cremer, in: Dörr/G rote/ Marauhn, EMRK/GG, Kap. 4 Regeln der Konventionsinterpretation Rn. 5–7 m. w. N. 131 Siehe: Schlussformel der EMRK; Art. 33 Abs. 1 WVRK. 132 Die authentischen Wortlaut auf Englisch und Französisch sind: „[…] is entitled to […] [a decision] by […] [a] tribunal established by law […]“ und „[…] a droit à ce que sa cause soit […] [decidé] par un tribunal […] établi par la loi […].“ 133 Duden, http://go.wwu.de/bj0vh.
A. Verzicht auf die Garantie des Zugangs
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2. Kontext (Systematische Auslegung) In einem zweiten Schritt muss die EMRK unter Berücksichtigung des Kontextes (Art. 31 Abs. 2, 3, 4 WVRK), also systematisch, ausgelegt werden. Aus diesem Schritt ergeben sich allerdings keine Hinweise für die Auslegungsfrage. 3. Ziel und Zweck der EMRK (Teleologische Auslegung) Zudem muss die EMRK anhand ihres Ziels und Zwecks ausgelegt werden (Art. 31 Abs. 1 WVRK). Die Präambel der EMRK weist das Erreichen eines wirksamen Menschenrechtsschutzes als deren allgemeines Ziel aus.134 Praktisch hilft die Organisationsgarantie (auf Gesetz beruhendes Gericht) des Art. 6 Abs. 1 EMRK dem Einzelnen jedoch nur dann, wenn er gleichzeitig davor geschützt wird, durch die Entscheidung eines Anderen in unzulässiger Weise zu einem Verzicht auf sein Recht aus Art. 6 Abs. 1 EMRK gebracht zu werden. Damit ist klar, dass an einen wirksamen Verzicht bestimmte Voraussetzungen geknüpft werden müssen, die die Entscheidungsfreiheit in ausreichendem Maße sichern. Ob diese Voraussetzung nur bei Bestehen einer Wahlfreiheit oder auch in den Fällen besteht, in denen der Verzicht nicht nachteilig ist, wird durch Ziel und Zweck der Konvention nicht deutlich. 4. Ergänzende Auslegung nach Art. 32 WVRK (Historische und genetische Auslegung) Auch die ergänzende Auslegung nach Art. 32 WVRK (historisch und genetisch) hilft bei der Auslegungsfrage nicht weiter. In den Gesetzgebungsunterlagen zur EMRK findet sich keinerlei Auseinandersetzung mit der Schiedsgerichtsbarkeit.135 Der Text des Art. 6 Abs. 1 EMRK ist auch nicht geändert worden. 5. Faktische Orientierungs- und Leitfunktion des EGMR Neben den oben erläuterten Auslegungsmethoden ist in Literatur und Rechtsprechung anerkannt, dass dem EGMR als höchste Autorität zur Auslegung der EMRK (Art. 46 Abs. 1 EMRK) eine faktische Orientierungs- und Leitungsfunk-
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Harris et al., Law of the ECHR, S. 18. Jarrosson, Revue de l’arbitrage 1989, 572 (577); Landrove, European Convention on Human Rights’ Impact on Consensual Arbitration, in: Besson, Human rights at the center, S. 73 (74). 135
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tion bei der Auslegung der EMRK zukommt.136 Das bedeutet, dass die Rechtsprechung des EGMR und seiner Vorgängerinstitution, der EKMR,137 maßgeblichen Einfluss auf die Interpretation der Konventionsrechte hat.138 Es gibt keine Entscheidung der Konventionsorgane in der zu den Voraussetzungen eines Verzichts auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts direkt Stellung bezogen wird.139 Es gibt lediglich Entscheidungen zum Verzicht auf andere Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK.140 Für die hier untersuchte Verzichtsproblematik bedeutet dies: Um der faktischen Leitungs- und Orientierungsfunktion der Konventionsorgane gerecht zu werden, müssen diese ähnlichen Entscheidungen ausgewertet und mit den Auslegungsergebnissen nach Art. 31–33 WVRK in Einklang gebracht werden. Aus der Auslegung nach den Vorgaben der WVRK ergibt sich, dass die Entscheidungsfreiheit, ob auf eine Streitentscheidung durch ein staatliches Gericht verzichtet werden soll oder nicht, geschützt werden muss.141 Wie dieser Schutz ausgestaltet sein muss, wird aus der Auslegung nicht klar. Dementsprechend muss diese Frage anhand der Rechtsprechung der Konventionsorgane bestimmt werden. Analysiert werden diejenigen Entscheidungen, die sich inhaltlich mit Konstellationen beschäftigen, die auf den Verzicht der Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts übertragbar sind. Ausgeklammert werden damit alle Entscheidungen, die lediglich feststellen, dass auf diese Organisationsgarantie verzichtet werden kann. Entscheidungen, die sich mit dem Verzicht auf andere Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK auseinandersetzen, werden nur dann herangezogen, wenn sie Elemente enthalten, die auf die Auslegungsfrage übertragbar sind. Zunächst werden die relevanten Entscheidungen in chronologischer Reihenfolge vorgestellt. Aus dieser Gesamtschau der Entscheidungen werden dann die 136 BVerfG, Urt. v. 04.05.2011, 2 BvR 2365/09, 740/10, 2333/08, 1152/10, 571/10, NJW 1931 (1935 m. w. N. zur Rspr. d. BVerfG); Cremer, in: Dörr/G rote/ Marauhn, EMRK/GG, Kap. 4 Regeln der Konventionsinterpretation Rn. 5–7 m. w. N. 137 Vgl.: Harris et al., Law of the ECHR, S. 23. 138 Besonders klar zum Einfluss der EGMR-Rechtsprechung auf die Auslegung der EMRK: Cremer, in: Dörr/G rote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 4 Regeln der Konventionsinterpretation Rn. 4–7 m. w. N. Ebenso: BVerfG, Urt. v. 04.05.2011, 2 BvR 2365/09, 740/10, 2333/08, 1152/10, 571/10, NJW 1931 (1935 m. w. N. zur Rspr. d. BVerfG); Harris et al., Law of the ECHR, S. 23 f. 139 So auch: EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Sondervotum Rn. 20 – Mutu/Pechstein. Insbesondere hat sich der EGMR in der Sache Mutu/Pechstein nicht damit auseinandergesetzt, da er den CAS nach den Regeln für gesetzlich angeordnete Schiedsgerichte beurteilt hat. 140 Siehe dazu: Kap. 6. A. III. 5. a)–h) (S. 187 ff.). 141 So auch die Rechtsprechung der Konventionsorgane. Siehe dazu: Kap. 5. A. III. 5. a)–i) (S. 187 ff.).
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Prüfungsvoraussetzungen für einen Verzicht auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK herausgearbeitet. a) X v République Fédérale d’Allemagne In der Rechtssache X musste die EKMR über die Vereinbarkeit einer Schiedsklausel im Arbeitsvertrag eines Lehrers, der für eine deutsche Schule in Spanien tätig war, mit Art. 6 Abs. 1 EMRK entscheiden.142 Eine ähnliche Klausel war in allen Arbeitsverträgen gleicher Art (Arbeitsverträge von Lehrern mit deutschen Schulen in Spanien) enthalten.143 Die EKMR stellte in dem Urteil zunächst fest, dass ein Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK144 nur dann wirksam sei, wenn er nicht unter Zwang („contrainte“) erfolge.145 Ohne den Zwangsbegriff inhaltlich zu definieren, entschied die EKMR, dass die konkreten Verbindung von Arbeitsvertrag und Schiedsvereinbarung keinen Zwang im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK darstelle.146 b) Deweer v Belgium In der Rechtssache Deweer verstieß der belgische Metzger Julius Deweer gegen eine nationale Verordnung über die zulässigen Höchstpreise von Schweinefleisch.147 Die Staatsanwaltschaft erließ daher eine vorläufige Schließungsanordnung der Metzgerei, die 48 Stunden nach ihrer Zustellung Wirksamkeit entfalten sollte.148 Gleichzeitig wurde Deweer auch eine gütliche Einigung angeboten.149 Bei Annahme dieser gütlichen Einigung würde die Schließungsanordnung hinfällig werden.150 Allerdings sah die gütliche Einigung eine Strafzahlung Deweers zwingend vor.151 Der Metzger unterzeichnete diese gütliche Einigung, wodurch er das sonst anstehende Strafverfahren vermied.152 Der EGMR stellte zunächst fest, dass dem Metzger durch die Unterzeichnung der gütlichen Einigung die Möglichkeit der Überprüfung der Stichhaltigkeit der 142
EKMR, Entsch. v. 05.03.1962, Nr. 1197/61, S. 1 – X. EKMR, Entsch. v. 05.03.1962, Nr. 1197/61, S. 1 – X. 144 Hierbei wurde jedoch nicht explizit festgestellt, auf welche Garantien in dem Fall konkret verzichtet werden sollte. 145 EKMR, Entsch. v. 05.03.1962, Nr. 1197/61, S. 3 – X. 146 EKMR, Entsch. v. 05.03.1962, Nr. 1197/61, S. 3 – X. 147 EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, Rn. 8 – Deweer. 148 EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, Rn. 9 – Deweer. 149 EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, Rn. 9 – Deweer. 150 EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, Rn. 9 – Deweer. 151 EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, Rn. 9 – Deweer. 152 EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, Rn. 10, 15 – Deweer. 143
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Kapitel 6: Partieller Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK
strafrechtlichen Anklage genommen wurde.153 Aus diesem Grund prüfte der EGMR, ob die Unterzeichnung der gütlichen Einigung ein wirksamer Verzicht auf den Zugang zu einem Gericht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK darstellte.154 Aus dem Telos der EMRK (Achtung der Rechtsstaatlichkeit und Freiheit) folgerte der EGMR schließlich, dass ein solcher Verzicht nur in Abwesenheit von Zwang („constraint“) wirksam möglich sei.155 Ein solcher Zwang liege in der Schließungsanordnung.156 Die Zustimmung zur Schließungsanordnung sei das wirtschaftlich deutlich geringere Übel, als eine (zumindest vorübergehende) Schließung der Metzgerei.157 Daher lag aus Sicht des EGMR ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK vor.158 c) Bramelid & Malström v Sweden Die Rechtssache Bramelid gab der EKMR Gelegenheit, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die gesetzliche Anordnung einer Streitentscheidung durch ein Schiedsgericht mit der Garantie auf ein Gericht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar sei.159 Die EKMR hielt in der Entscheidung fest, dass gesetzlich vorgesehene Zwangsschiedsgerichtsbarkeit nur dann rechtmäßig sei, wenn durch das eingesetzte Schiedsgericht alle Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK eingehalten würden.160 Zu diesen einzuhaltenden Garantien zählte es explizit auch die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts.161 Die EKMR prüfte diese Garantie aber nicht, da ihrer Meinung nach wegen unzureichender Unabhängigkeit des Spruchkörpers schon kein Gericht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK vorlag.162 Im Ergebnis sah die EKMR den Verstoß darin, dass durch die Zwangsschieds-
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EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, Rn. 31–33, 37 – Deweer. EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, Rn. 49–51b – Deweer. 155 EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, Rn. 49 – Deweer. 156 EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, Rn. 51b – Deweer. 157 EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, Rn. 51b – Deweer. 158 EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, Rn. 54 – Deweer. 159 EKMR, Entsch. v. 12.10.1982, Nr. 8588/79, 8589/79, S. 76 – Bramelid; EKMR, Report der Kommission v. 12.12.1983, Nr. 8588/799, 8589/79, Rn. 30 – Bramelid. 160 EKMR, Report der Kommission v. 12.12.1983, Nr. 8588/799, 8589/79, Rn. 30, 40 – Bramelid, dies beziehe die Organisationsgarantie eines auf Gesetz beruhenden Schiedsgerichtes mit ein (Rn. 40). 161 EKMR, Report der Kommission v. 12.12.1983, Nr. 8588/799, 8589/79, Rn. 41 – Bramelid. 162 EKMR, Report der Kommission v. 12.12.1983, Nr. 8588/799, 8589/79, Rn. 36, 40 f. – Bramelid. 154
A. Verzicht auf die Garantie des Zugangs
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gerichtsbarkeit ein Spruchkörper zur Entscheidung eingesetzt werden sollte, der kein Gericht im Sinne des Art. 6 EMRK darstellte.163 d) R v Switzerland Im Fall R musste sich die EKMR mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass ein Schiedsverfahren wegen seiner exzessiven Dauer (1976–1984) gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstoße.164 Die EKMR hatte daher zu klären, ob durch die unterzeichnete Schiedsvereinbarung auf das Recht auf eine Entscheidung in angemessener Frist aus Art. 6 Abs. 1 EMRK verzichtet wurde. Sie stellte fest, dass es in Deweer um die Voraussetzungen („absent of constraint“) für den Verzicht auf ein Gericht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK ging.165 Die EKMR übertrug die Deweer-Entscheidung unter Berücksichtigung der X-Entscheidung dann aber generell auf die Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK, indem sie festhielt:166 „It follows that an arbitration agreement entails a renunciation of the exercise of the rights secured by Article 6 para. 1 [ECHR], provided that the agreement was not signed under duress.“
Die EKMR setzt durch diese Aussage Nötigung („duress“) und Zwang („con straint“) gleich. Hintergrund für diese Äußerung zu den Voraussetzungen eines Verzichts war, dass eine der Streitparteien vortrug, die Schiedsvereinbarung sei ihr mittels Drohung oktroyiert worden.167 Da die nationalstaatlichen Rechtsschutzmöglichkeiten der Schweiz zum Zeitpunkt der Entscheidung aber noch nicht ausgenutzt waren, entschied die EKMR, dass sie über das Vorhandensein von Nötigung in der konkreten Situation nicht entscheiden dürfe.168 e) Axelsson v Sweden Im Fall Axelsson trat ein Taxiunternehmer in die einzige in der Region bestehende Gesellschaft für Taxivermittlungen (Taxizentrale) ein.169 Laut EKMR wurden 70 % aller Taxifahren durch Taxizentralen vermittelt, weshalb der Eintritt in die Gesellschaft aus ökonomischer Perspektive notwendig gewesen sei.170 Die Mitgliedsbedingungen der Gesellschaft beinhalteten eine Schiedsvereinba163 EKMR, Report der Kommission v. 12.12.1983, Nr. 8588/799, 8589/79, Rn. 36, 40 – Bramelid. 164 EKMR, Entsch. v. 04.03.1987, Nr. 10881/84, S. 99 – R. 165 EKMR, Entsch. v. 04.03.1987, Nr. 10881/84, S. 100 f. – R. 166 EKMR, Entsch. v. 04.03.1987, Nr. 10881/84, S. 101 – R. 167 EKMR, Entsch. v. 04.03.1987, Nr. 10881/84, S. 101 – R. 168 EKMR, Entsch. v. 04.03.1987, Nr. 10881/84, S. 101 – R. 169 EKMR, Entsch. v. 13.07.1990, Nr. 11960/86, S. 2 – Axelsson. 170 EKMR, Entsch. v. 13.07.1990, Nr. 11960/86, S. 2 – Axelsson.
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Kapitel 6: Partieller Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK
rung.171 Nachdem es zu einem Streit kam, monierte der Taxiunternehmer, dass er durch die Schiedsvereinbarung darum gebracht werde, die Streitigkeit durch ein staatliches Gericht entscheiden zu lassen.172 Unter Rückgriff auf die Golder- Entscheidung erklärte die EKMR, dass die Garantie auf Zugang zu einem staatlichen Gericht aus Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht absolut sei.173 Sie fügte hinzu, dass kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK vorliege, wenn die den Zugang beschränkenden Regeln ein legitimes Ziel verfolgen würden und verhältnismäßig seien.174 Infolge der Feststellung, dass die Mitgliedschaft in der Gesellschaft für den Taxiunternehmer ökonomisch notwendig war, hätte die EKMR bestimmen können, welche Auswirkungen ökonomischer Druck auf den Verzicht auf ein auf Gesetz beruhendes Gericht hat. Allerdings wurde zu keinem Zeitpunkt durch die Parteien vorgetragen oder diskutiert, ob die ökonomische Situation des Taxiunternehmens als Zwang zu deklarieren sei, der einen wirksamen Verzicht ausschließt. Die EKMR erklärte lediglich, dass die Schiedsgerichtsbarkeit nach den Feststellung der schwedischen Gerichte auf einer wirksamen Vereinbarung beruhe und damit Ausdruck der Privatautonomie („right to regulate their mutual relationship“) sei.175 Zudem würden Schiedsvereinbarungen grundsätzlich das legitime Ziel verfolgen, gütliche Einigung beziehungsweise Vergleiche zu fördern und die staatlichen Gerichte zu entlasten.176 f) Suda v République Tchèque Grundlage des Falls Suda war, dass in der Hauptversammlung eines Unternehmens gegen die Stimme eines Minderheitenaktionärs mit einem Mehrheitsentscheid beschlossen wurde, das Unternehmen ohne Liquidation abzuwickeln.177 Die Anlagen des Unternehmens sollten vom Hauptaktionär übernommen werden.178 Die dafür zu zahlende Summe wurde in einem Vertrag bestimmt, der eine Schiedsklausel enthielt.179 Der Minderheitenaktionär hatte keinen Erfolg damit, vor den tschechischen Gerichten gelten zu machen, die Schiedsklausel sei unwirksam, da er ihr nicht zugestimmt habe.180 Gegen diese Entscheidung der tschechischen Gerichte ging 171
EKMR, Entsch. v. 13.07.1990, Nr. 11960/86, S. 2 – Axelsson. EKMR, Entsch. v. 13.07.1990, Nr. 11960/86, S. 4 – Axelsson. 173 EKMR, Entsch. v. 13.07.1990, Nr. 11960/86, S. 6 – Axelsson. 174 EKMR, Entsch. v. 13.07.1990, Nr. 11960/86, 5 f. – Axelsson. 175 EKMR, Entsch. v. 13.07.1990, Nr. 11960/86, S. 6 – Axelsson. 176 EKMR, Entsch. v. 13.07.1990, Nr. 11960/86, S. 6 – Axelsson. 177 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 6 – Suda. 178 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 6 – Suda. 179 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 6 – Suda. 180 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 7–11 – Suda. 172
A. Verzicht auf die Garantie des Zugangs
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er wiederum gerichtlich vor und argumentierte schließlich vor dem EGMR, dass die Wirksamkeit einer solchen Schiedsklausel gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstoße.181 Die für den EGMR entscheidende Frage war daher, ob eine Schiedsvereinbarung, die durch einen Dritten abgeschossen wurde, Wirksamkeit gegenüber einer Person entfalten kann, die der Schiedsvereinbarung selbst nicht zugestimmt hat.182 Der EGMR stellte fest, dass ein Verzicht auf die Garantie des Zugangs zu einem Gericht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK möglich sei.183 Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass der Verzicht frei („libre“), rechtlich zulässig („licite“) und unmissverständlich („sans équivoque“) sei.184 Unter Rückgriff auf Deweer erklärte der EGMR, das das Fehlen von Zwang („absence de constrainte“) eine Bedingung für einen wirksamen Verzicht auf ein Gericht im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK sei.185 Bevor diese Zwangsprüfung relevant werde, sei jedoch zu entscheiden, ob es sich im Fall Suda um Zwangsschiedsgerichtsbarkeit oder freiwillige Schiedsgerichtsbarkeit handele.186 Die Frage stelle sich, da der Minderheitenaktionär selbst nicht auf ein Recht aus Art. 6 Abs. 1 EMRK verzichtet habe, sondern Dritte dies für ihn getan hätten.187 Der EGMR vertiefte diese Frage jedoch nicht und stellte fest, dass zwischen den Parteien Einigkeit besteht, dass unter erzwungener Schiedsgerichtsbarkeit nur gesetzlich vorgeschriebene Schiedsgerichtsbarkeit zu verstehen sei.188 Daher nahm der EGMR in der Konstellation eine Schiedsgerichtsbarkeit zwischen Gleichen („contracté par des tiers“), also eine freiwillige Schiedsgerichtsbarkeit, an.189 Der EGMR stellt dann – obwohl das Schiedsgericht nie angerufen wurde – fest, dass das konkrete Schiedsverfahren den Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK in zwei Punkten nicht entsprechen würde.190 So handele es sich bei dem Schiedsgericht nicht um ein auf Gesetz beruhenden Gerichts und das Verfahren sei zudem nicht öffentlich.191 Dementsprechend läge nur dann kein Verstoß gegen 181
EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 29 – Suda. EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 51 – Suda. 183 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 48 – Suda. 184 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 48 – Suda. 185 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 48 – Suda. 186 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 49 – Suda. Zu der Unterscheidung siehe: Kap. 6. A. III. 5. i) aa) (S. 194 ff.). 187 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 50 – Suda. 188 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 50 – Suda. 189 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 50 – Suda. 190 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 53 – Suda. 191 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 53 – Suda. 182
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Art. 6 Abs. 1 EMRK vor, wenn auf diese beiden Garantien wirksam verzichtet worden wäre. Im zu prüfenden Fall habe der Minderheitenaktionär selbst aber nicht auf diese Garantien verzichtet.192 Nach Auffassung des EGMR liege ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK vor, wenn eine Person allein aufgrund der Erklärung eines Dritten dazu verpflichtet werden soll, eine Streitigkeit durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen, das den Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht gerecht werde.193 g) Tabbane v Suisse Sachverhaltsgrundlage der Tabbane-Entscheidung des EGMR war der Abschluss eines Vertrages zwischen einem tunesischen Geschäftsmann und einem französischen Unternehmen, welcher eine Schiedsklausel zugunsten eines Schweizer Schiedsgerichtes beinhielt.194 Gegen die ergangene Schiedsentscheidung ging der Geschäftsmann vor den Schweizer Gerichten vor.195 Das Schweizer Gericht entschied gegen den Antrag des Geschäftsmannes, weshalb er vor den EGMR zog und argumentierte, dass ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK vorliege.196 Ihm werde der Zugang zu den Schweizer Gerichten und damit einem Gericht im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK verweigert, sodass er die Missbräuchlichkeit des Verfahrens nicht anfechten könne.197 Hintergrund für diese Verweigerung war, dass er in der Schiedsvereinbarung erklärte, auf Rechtsmittel vor den Schweizer Gerichten zu verzichten.198 Im Zuge der Entscheidung beschäftigte sich der EGMR damit, wann der Verzicht auf ein Gericht im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK durch eine Schiedsvereinbarung wirksam sei. Bei dieser Frage sei zunächst zu unterscheiden, ob es sich um Zwangsschiedsgerichtsbarkeit oder um freiwillige Schiedsgerichtsbarkeit handele.199 In Fällen der gesetzlich vorgeschriebenen Schiedsgerichtsbarkeit (Zwangsschiedsgerichtsbarkeit) müssten alle Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK eingehalten werden.200 In diesen Fällen bestehe nämlich für die Parteien keine Möglichkeit, ihren Streitfall auszuneh-
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EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 51 – Suda. EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 55 – Suda. 194 EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 4 f. – Tabbane. 195 EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 10 f. – Tabbane. 196 EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 5, 11, 16 – Tabbane. 197 EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 5, 11, 16 – Tabbane. 198 EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 5, 11, 16 – Tabbane. Siehe zu dieser Verzichtsmöglichkeit Art. 192 Abs. 1 IPRG-Schweiz. 199 EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 26 – Tabbane. Zu der Unterscheidung siehe: Kap. 6. A. III. 5. i) aa) (S. 194 ff.). 200 EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 26 – Tabbane. 193
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men.201 Ein solches Problem gebe es bei der freiwilligen Schiedsgerichtsbarkeit nicht.202 Der EGMR hielt dahingehend fest, dass durch die Unterzeichnung einer Schiedsvereinbarung bewusst („volontairement“) auf bestimmte Rechte der EMRK verzichtet werde.203 Wirksam sei dieser Verzicht aber nur dann, wenn er frei („libre“), rechtmäßig („licite“) und unmissverständlich („sans équivoque“) erklärt worden sei.204 Weiterhin sei ein Verzicht nur dann wirksam, wenn im konkreten Schiedsverfahren eine Mindestanzahl der Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK erhalten bleibe.205 Demnach ist ein Vollverzicht auf die Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht möglich. h) Mutu/Pechstein v Suisse Zu der Entscheidung Mutu/Pechstein siehe schon Kap. 6. A. I. 1. e).206 i) Schlussfolgerungen aus der Rechtsprechung Das unterschiedliche Verständnis der Konventionsrechtsprechung durch die oben vorgestellten Urteile nationaler Gerichte beruht in großen Teilen auf Übersetzungsproblemen. So werden Begrifflichkeiten, die nach der Vorstellung der Konventionsorgane für zwei verschiedene Prüfungsschritte stehen, (nicht nur im Deutschen) jeweils mit freiwillig übersetzt. Hierbei handelt es sich um die Begriffe „freely“, „voluntarily“, „libre“ und „voluntairement“, welche allesamt in der Konventionsrechtsprechung verwendet werden. Systematisiert man die Entscheidungen, die sich mit einem Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK beschäftigen, lassen sich diese Begriffe zwei unterschiedlichen Prüfungsschritten zuordnen. In keinem dieser Schritte ist eine – wie auch immer ausgestaltete – Freiwilligkeit als Verzichtsvoraussetzung zu prüfen:207 Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob es sich um privatrechtlich vereinbarte oder gesetzlich vorgeschriebene Schiedsgerichtsbarkeit handelt.208 Im Fall privatrechtlich vereinbarter Schiedsgerichtsbarkeit ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob ein durch die Schiedsver-
201
EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 26 – Tabbane. EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 26 – Tabbane. 203 EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 27 – Tabbane. 204 EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 27 – Tabbane, mit Nachweisen zu: EKMR, Entsch. v. 04.03.1987, Nr. 10881/84, Rn. 51 – R; EGMR, Beschl. v. 23.02.1999, Nr. 31737/96 – Suovanemi; EGMR, Beschl. v. 15.09.2009, Nr. 1742/05 – Eiffage; EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 48 – Suda. 205 EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 27 – Tabbane. 206 Siehe: S. 173 ff. 207 Vgl.: Hülskötter, SpuRt 2018, 261 (262). 208 Vgl.: Hülskötter, SpuRt 2018, 261 (262). 202
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Kapitel 6: Partieller Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK
einbarung erklärter Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK wirksam ist.209 aa) 1. Prüfungsschritt Der EGMR unterscheidet in diesem ersten Prüfungsschritt – nach eigener Formulierung – zwischen freiwilliger Schiedsgerichtsbarkeit und Zwangsschiedsgerichtsbarkeit.210 Im Fall von Zwangsschiedsgerichtsbarkeit müssten alle Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK eingehalten werden.211 Andernfalls liege ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK vor. 212 Ein Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK ist daher in diesen Fällen nicht möglich. Im Falle freiwilliger Schiedsgerichtsbarkeit sei ein Verzicht hingegen möglich. Der EGMR erklärte in Tabbane: „En revanche, lorsqu’il s’agit d’un arbitrage volontaire consenti librement, il ne se pose guère de problème sur le terrain de l’article 6. En effet, les parties à un litige sont libres de soustraire aux juridictions ordinaires certains différends pouvant naître de l’exécution d’un contrat. En souscrivant à une clause d’arbitrage, les parties renoncent volontairement à certains droits garantis par la Convention. Telle renonciation ne se heurte pas à la Convention pour autant qu’elle soit libre, licite et sans équivoque.“ 213
Dieser Teil der Entscheidung ist im Wortlaut missverständlich. Wie bereits angedeutet, ist es problematisch, dass sowohl das Wort „volontairement“ als auch das Wort „libre“ in diesem Zusammenhang mit freiwillig übersetzt worden sind.214 Hierdurch wird der Begriff der Freiwilligkeit, der im Allgemeinen schwierig zu greifen ist, gleich doppelt in die Diskussion eingeführt. Durch Übersetzung dieser Passage kann es daher zu der Vorstellung kommen, der Verzicht auf Rechte aus Art. 6 Abs. 1 EMRK durch eine Schiedsvereinbarung sei grund-
209
Vgl.: Hülskötter, SpuRt 2018, 261 (262). EKMR, Report der Kommission v. 12.12.1983, Nr. 8588/799, 8589/79, Rn. 30, 32 – Bramelid; EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 49 – Suda; EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 26 – Tabbane; EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 95 – Mutu/Pechstein. 211 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 95 – Mutu/Pechstein; EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 26 – Tabbane; EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 49 – Suda. 212 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 95 – Mutu/Pechstein; EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 26 – Tabbane; EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 49 – Suda. 213 EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 27 – Tabbane; ebenso: EGMR, Beschl. v. 15.09.2009, Nr. 1742/05, S. 13 – Eiffage; EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 69 – Mutu/Pechstein. 214 Siehe nur: LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (107) – Pechstein I. 210
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sätzlich freiwillig („volontairement“); gleichzeitig aber nur wirksam, wenn dieser Verzicht freiwillig („libre“) erklärt werde. Richtigerweise muss aber beachtet werden, dass das Gericht bewusst zwei unterschiedliche Adjektive genutzt hat. Das Wort „volontairement“ kann sowohl mit freiwillig (de façon volontaire) als auch mit bewusst oder absichtlich (de façon intentionelle) übersetzt werden.215 Das Ponds Wörterbuch nennt als spezifisch juristische Übersetzung „in gegenseitigem Einvernehmen“.216 Auch wenn freiwillig die gängigere Übersetzung für „volontairement“ ist, so zeigen die verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten, dass der Wortsinn nicht eindeutig festzustellen ist. Die daher notwendige Bestimmung des Begriffs lässt sich aber zum einen durch die spätere Verwendung des Wortes „libre“ als auch durch den Sachzusammenhang der Entscheidung vornehmen. Sprachlich zeigt die Verwendung von verschiedenen Wörtern zunächst, dass hier inhaltlich unterschiedliche Dinge gemeint sein sollen. Bei Entscheidungen des EGMR ist es offensichtlich, dass die Entscheidungen in die Sprachen der Mitgliedsländer der EMRK übersetzt werden müssen, damit diese dort möglichst präzise verstanden werden können. Vor dem Hintergrund dieser notwendigen Übersetzungsarbeit ist davon auszugehen, dass der EGMR, um Fehler bei der Übersetzung zu minimieren, dasselbe Wort verwendet hätte, wenn er dasselbe gemeint hätte. Zudem spricht der EGMR in Satz eins der zitierten Rn. 27 der Tabbane-Entscheidung von „arbitrage volontaire consenti librement“. Eine Übersetzung mit „freiwillig abgeschlossene freiwillige Schiedsgerichtsbarkeit“ erscheint hier wegen der Doppelung nicht sinnvoll. Zudem wird durch die Bezeichnung als freiwillige beziehungsweise Zwangsschiedsgerichtsbarkeit nicht deutlich, wie diese voneinander abgegrenzt werden sollen. Bis zur Entscheidung in Mutu/Pechstein grenzte der EGMR inhaltlich allein danach ab, ob die Schiedsgerichtsbarkeit durch Gesetz vorgeschrieben – und damit für die Streitparteien unausweichlich – war, oder ob die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts durch eine privatrechtliche Erklärung zustande gekommen ist. In Bramelid formulierte die EKMR dazu erstmals: „If […] arbitration is compulsory in the sense of being required by law, […] the parties have no option but to refer their dispute to an Arbitration Board“.217
Diese Aussage bestätigte der EGMR in Tabbane und Suda.218 215 Siehe: LEO, http://go.wwu.de/h mbhc; PONS, http://go.wwu.de/t9h35; LAROUSSE, http://go.wwu.de/5wsgr. 216 PONS, http://go.wwu.de/t9h35. Siehe auch: EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 50 – Suda („contracté par des tiers“). 217 EKMR, Report der Kommission v. 12.12.1983, Nr. 8588/799, 8589/79, Rn. 30 – Bramelid. 218 EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 26 – Tabbane; EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 49 – Suda; mit dieser Feststellung auch: EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 95 – Mutu/Pechstein.
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Kapitel 6: Partieller Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK
Relevantes Abgrenzungskriterium ist danach allein die Frage, ob es für die Streitparteien theoretisch möglich war, die Vereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit zu verhindern.219 Nur im Falle gesetzlich vorgeschriebener Schiedsgerichtsbarkeit ist es auch theoretisch nicht möglich, die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zu vermeiden. Durch dieses Abgrenzungskriterium ist eine klare Unterscheidung von freiwilliger Schiedsgerichtsbarkeit und Zwangsschiedsgerichtsbarkeit möglich. Um diese Unterscheidung auch begrifflich deutlich zu machen, wird in dieser Untersuchung von gesetzlich vorgeschriebener beziehungsweise privatrechtlich vereinbarter Schiedsgerichtsbarkeit gesprochen. Auch der EGMR stellte in der Sache Mutu/Pechstein fest, dass es sich bei der CAS-Schiedsgerichtsbarkeit nicht um gesetzlich angeordnete Schiedsgerichtsbarkeit handelt.220 Nichtsdestotrotz ging der EGMR in der Entscheidung davon aus, dass dieser Fall nach den Voraussetzungen für gesetzlich angeordnete Schiedsgerichtsbarkeit zu behandeln sei.221 Im Zuge dessen stellte der EGMR aber auch fest, dass er sich damit von seiner bisherigen Rechtsprechung und deren strikter Unterscheidung abwendet.222 Diese damit verbundene Gleichbehandlung begründete der EGMR damit, dass die ISU wegen „une sorte de monopole“ in der Lage gewesen sei, Pechstein faktisch zum Abschluss der Schiedsvereinbarung zu zwingen.223 Hätte Pechstein der Schiedsvereinbarung nicht zugestimmt, hätte sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr mit ihrem Beruf als Eisschnellläuferin verdienen können.224 Damit war die Situation Pechsteins eine andere als die von Mutu, der vor dem EGMR nicht beweisen konnte, dass alle professionellen Fußballvereine von ihren Spielern die Unterzeichnung einer Schiedsvereinbarung verlangen.225 Durch diese Entscheidung machte der EGMR aber nicht eindeutig klar, ab wann ein Maß an Zwang erreicht ist, das zur Prüfung unter den Regeln der gesetzlich angeordneten Schiedsgerichtsbarkeit zwingt. Die dadurch geschaffene Rechtsunsicherheit wird auch schon im Sondervotum von den Richtern Keller und Serghides angeprangert und als Widerspruch zu den sonstigen Feststellungen der Entscheidung ausgemacht.226 219 So wohl auch: EKMR, Report der Kommission v. 12.12.1983, Nr. 8588/799, 8589/ 79, Rn. 30 – Bramelid; EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 26 – Tabbane; EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 49 – Suda. 220 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 115 – Mutu/Pechstein. 221 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 115 – Mutu/Pechstein. 222 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 115 – Mutu/Pechstein. 223 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 112–114 – Mutu/Pechstein. 224 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 113 – Mutu/Pechstein. 225 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Rn. 119 – Mutu/Pechstein. 226 EGMR, Urt. v. 04.10.2018, Nr. 40575/10, 67474/10, Sondervotum Rn. 26 – Mutu/ Pechstein.
A. Verzicht auf die Garantie des Zugangs
197
Ein alleiniges Abstellen auf faktische Zwangswirkung überzeugt als Unterscheidungskriterium an dieser Stelle nicht. Zum einen ist unklar, ab wann zum Beispiel marktbeherrschende Unternehmen einen so starken Zwang ausüben können, dass die Forderung einer Schiedsvereinbarung wie die gesetzliche Anordnung einer Schiedsgerichtsbarkeit zu behandeln ist.227 Darüber hinaus folgt aus der Einordnung in Mutu/Pechstein, dass ein Verzicht auf die Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht wirksam möglich ist. In diesen Fällen muss daher beispielsweise jedes Schiedsverfahren öffentlich geführt werden, obwohl sich die Parteien gegebenenfalls eine Vertraulichkeit wünschen und diese sogar für beide Parteien vorteilhaft wäre.228 Damit kann die Argumentation des EGMR in Mutu/Pechstein nicht überzeugen. Ob ein gesetzlich angeordnetes oder ein privatrechtlich vereinbartes Schiedsverfahren vorliegt, muss daher anhand der Rechtsprechung vor Mutu/ Pechstein bestimmt werden. Bei Anwendung dieser Rechtsprechung bleibt faktisch bestehender Zwang auch nicht unbeachtet. Dessen Einordnung wird lediglich im einem zweiten Prüfungsschritt vorgenommen.229 bb) 2. Prüfungsschritt Liegt eine privatrechtlich vereinbarte Schiedsvereinbarung vor, so muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob durch diese wirksam auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK verzichtet wurde. Die Voraussetzungen dieses Verzichts haben die Konventionsorgane bislang nicht explizit herausgearbeitet. Allerdings hat sich die Rechtsprechung mit der Wirksamkeit des Verzichts auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK auseinandergesetzt. Erstmalig hat die EKMR in X (ohne Bezug auf eine bestimmte Garantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK) erklärt, dass Schiedsvereinbarungen nur dann wirksam seien, wenn sie nicht unter Zwang unterschrieben wurden.230 In der Deweer- Entscheidung wurde die Abwesenheit von Zwang speziell als Voraussetzung des Verzichts auf ein Gericht im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK eingeführt.231 Ausschlaggebend dafür, dass diese Voraussetzung zum Teil mit dem Begriff der Freiwilligkeit gleichgesetzt wird, ist im Ursprung die Entscheidung Bramelid. In dieser erklärte der EKMR unter Berufung auf X und Deweer, dass eine Voraussetzung für den Verzicht auf bestimmte Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK 227
Dazu bereits kritisch: Hülskötter, SpuRt 2018, 261 (262). So bereits: Hülskötter, SpuRt 2018, 261 (262). 229 Siehe: Kap. 6. A. III. 5. i) bb) (S. 197 ff.). 230 EKMR, Entsch. v. 05.03.1962, Nr. 1197/61, S. 3 – X. 231 EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, S. 22 – Deweer. 228
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Kapitel 6: Partieller Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK
sei, dass dieser Verzicht „freely and without coercion“ erfolgt sei.232 Auffällig ist hierbei, dass in X und Deweer ein anderer Begriff genutzt wurde – nämlich „contrainte“ und die englische Übersetzung „constraint“.233 Indem sich die EKMR in Bramelid ausdrücklich auf diese Entscheidungen berief, machte sie deutlich, dass unter „freely and without coercion“ so wie in X und Deweer die Abwesenheit von Zwang zu verstehen sei. Dementsprechend kann eine direkte Übersetzung von „freely“ Freiwilligkeit sein. In Bramelid wurde damit aber nichts anderes gemeint als Abwesenheit von Zwang. Wegen der großen Problematik, die der Begriff der Freiwilligkeit bereitet, ist es auch sprachlich sinnvoll, die Abwesenheit von Zwang als Voraussetzung zu verwenden. Ebenso stellt auch die Nutzung des Begriffs „duress“ als Wirksamkeitsvoraussetzung für den Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK in R (nach Verweis auf X)234 sowie die Nutzung des Begriffs „libre“ in Suda (Verweis unter anderem auf R)235 und Tabbane (Verweis unter anderem auf R und Suda)236 wegen der jeweiligen Verweise in die ältere Rechtsprechung keine Abkehr von der Voraussetzung der Abwesenheit von Zwang dar.237 Diese allgemeinen Verzichtsvoraussetzungen sind auch auf den Verzicht auf ein auf Gesetz beruhendes Gericht anwendbar. Während die in X formulierten Verzichtsvoraussetzung an keine spezielle Garantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK angeknüpft wurden,238 übertrug die EKMR die in Deweer entwickelten Voraussetzungen bereits in der Entscheidung R generell auf alle Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK.239 Die EKMR hat diese generelle Aussage später in der Entscheidung Molin bestätigt und gezeigt, dass die Generalisierung der Abwesenheit von Zwang als Verzichtsvoraussetzung in R nicht auf einer ungenauen Formulierung beruhte: „La Commission rappelle qu’un compromis d’arbitrage comporte une renonciation à l’exercice des garanties prévues par l’article 6 par 1 (art. 6-1), sauf si le compromis a été signé souls la contrainte.“240
232
EKMR, Entsch. v. 12.10.1982, Nr. 8588/79, 8589/79, S. 85 – Bramelid. EKMR, Entsch. v. 05.03.1962, Nr. 1197/61, S. 3 – X; EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, S. 22 – Deweer. 234 EKMR, Entsch. v. 04.03.1987, Nr. 10881/84, S. 9 – R. 235 EGMR, Urt. v. 28.01.2011, Nr. 1643/06, Rn. 48 – Suda. 236 EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 27 – Tabbane. 237 Die verschiedenen Begriffe (Nötigung, Freiwilligkeit) für die Verzichtsvoraussetzung wurden zudem auch in keiner der Entscheidungen inhaltlich geprüft bzw. spezifiziert. 238 EKMR, Entsch. v. 05.03.1962, Nr. 1197/61, S. 3 – X. 239 EKMR, Entsch. v. 04.03.1987, Nr. 10881/84, S. 101 – R. 240 EKMR, Entsch. v. 22.10.1996, Nr. 23173/94, S. 5 – Molin. 233
A. Verzicht auf die Garantie des Zugangs
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Ein Verzicht auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK ist demnach wirksam, wenn dieser nicht unter Zwang erklärt wurde. (1) Zwang nach Art. 6 Abs. 1 EMRK Eine ausdrückliche Definition des Zwangsbegriffs in Art. 6 Abs. 1 EMRK haben die Konventionsorgane bislang nicht herausgearbeitet. Die inhaltliche Ausgestaltung des Zwangsbegriffs ist lediglich in den Entscheidungen X und Deweer angeklungen. Daher kann der Zwangsbegriff nur anhand der hinter den Entscheidungen stehenden Prinzipien bestimmt werden. Die EKMR erklärte in X, dass es dem klagenden Lehrer sowohl theoretisch als auch praktisch frei stand, seine Dienste an Schulen, die eine Schiedsvereinbarung fordern, abzulehnen.241 Der EGMR führte in Deweer bezogen auf die Sache aus, dass Deweer theoretisch die Möglichkeit hatte, die gütliche Einigung mit der Staatsanwaltschaft nicht anzunehmen. Faktisch sei die Zustimmung hierzu jedoch so zwingend gewesen, dass „es nicht erstaunlich ist, dass Deweer diesem nachgab.“242 Dies liege an dem extremen Missverhältnis zwischen dem materiellen Schaden, der Deweer entstanden wäre, hätte er der gütlichen Einigung nicht zugestimmt und dem materiellen Schaden, der ihm durch die Strafzahlung im Rahmen der Zustimmung auferlegt wurde.243 Aus den beiden Entscheidungen ergibt sich daher, dass Zwang im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 EMRK vorliegt, wenn der Druck in der konkreten Situation de facto dazu führt, dass der Person, die dem Druck ausgeliefert ist, nach objektiver Betrachtung keine andere Möglichkeit bleibt, als dem Druck nachzugeben. Es geht also um das Bestehen eines faktischen Zwangs. (2) Erweiterung der Rechtsprechung durch Verhältnismäßigkeit Die Frage, wann ein Verzicht auf ein auf Gesetz beruhendem Gericht wirksam ist, darf nicht allein anhand des Vorhandenseins von Zwang bestimmt werden.244 Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, welches der EMRK und insbesondere dem
241
EKMR, Entsch. v. 05.03.1962, Nr. 1197/61, S. 4 – X. EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, Rn. 51b – Deweer. 243 EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, Rn. 51b – Deweer. 244 So auch: Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 200–204, der jedoch von Unfreiwilligkeit spricht. 242
200
Kapitel 6: Partieller Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK
Recht auf Zugang zu Gericht innewohnt,245 bliebe durch ein solches Rechtsverständnis unbeachtet. Durch die Einbeziehung des Verhältnismäßigkeitsprinzips wird die Rechtsprechung in X und Deweer auch nicht konterkariert. Beide Fälle wären auch bei einer ausdrücklichen Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht anders entschieden worden. In X wurde kein Zwang festgestellt, sodass es ohnehin zu keiner Verhältnismäßigkeitsprüfung kommen konnte. Bezüglich der Deweer-Entscheidung ist die Situation anders, da in dem Fall das Vorliegen von Zwang angenommen wurde. Es lag allerdings ein Sachverhalt vor, bei dem die Wirksamkeit des Verzichts dafür gesorgt hätte, dass ein Teil des Rechtsstreits (mit strafrechtlichem Charakter) in keiner Weise durch ein Streitentscheidungsorgan hätte überprüft werden können.246 Für Deweer hätte daher keinerlei Rechtsschutz mehr bestanden. Dementsprechend hätte auch eine explizite Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht gegen die Unwirksamkeit des Verzichts gesprochen. Es ist davon auszugehen, dass diese Feststellung auch für den EGMR so eindeutig war, dass er es nicht für notwendig hielt, explizit auf die Verhältnismäßigkeit des Zwangs einzugehen. Dementsprechend schließt die Nichterwähnung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in Deweer und X dessen Einbeziehung in die Dogmatik der Prüfung des Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht aus. In der Entscheidung Axelsson erwähnte die EKMR sogar explizit das Verhältnismäßigkeitsprinzip für den Verzicht auf eine Garantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK: „Such regulations are not in principle contrary to Article 6 (Art. 6) of the Convention, when the aim pursued is legitimate and the means employed to achieve the aim is proportionate.“247
Die Einbeziehung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in Axelsson zeigt, dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip auch in Fällen eines Verzichts auf ein auf Gesetz beruhendes Gericht durch Sportschiedsvereinbarungen angewendet werden muss.
245 Speziell zum Verhältnismäßigkeitsprinzip in Art. 6 EMRK: EKMR, Entsch. v. 13.07.1990, Nr. 11960/86, S. 5 f. – Axelsson; Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 18 Rn. 31, § 24 Rn. 53; Grabenwarter/Pabel, in: Dörr/G rote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 14 Der Grundsatz des fairen Verfahrens Kap. 14 Rn. 175; Marauhn/Merhof, in: Dörr/G rote/ Marauhn, EMRK/GG, Kap. 7 Grundrechtseingriff und -schranken Rn. 66. Zum Verhältnismäßigkeitsprinzip in der EMRK allgemein siehe: Peters, Verhältnismäßigkeit als globales Verfassungsprinzip, in: Baade et al., Verhältnismäßigkeit im Völkerrecht, S. 1 (S. 3). 246 EGMR, Urt. v. 27.02.1980, Nr. 6903/75, Rn. 31 – Deweer; Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 197 f. 247 EKMR, Entsch. v. 13.07.1990, Nr. 11960/86, S. 6 – Axelsson.
A. Verzicht auf die Garantie des Zugangs
201
Aus der Rechtsprechung der Konventionsorgane sowie der Literatur ist erkennbar, dass die Verhältnismäßigkeit in Art. 6 Abs. 1 EMRK auf Tatbestandsebene zu prüfen ist.248 Demnach handelt es sich erst dann um gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstoßenden Zwang, wenn die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung unter Berücksichtigung des Zwangs unverhältnismäßig wäre. Inhaltlich wird im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips geprüft, ob die Schiedsvereinbarungen ein legitimes Ziel verfolgen und ob ein angemessenes Verhältnis zwischen diesem legitimen Ziel und den Folgen einer Wirksamkeit besteht (Abwägung). 249
248
Mangels Erheblichkeit für die Frage der Untersuchung, sollen hier die Fundstellen als Nachweis genügen, die dahinterstehende Rechtstechnik wird nicht diskutiert. Rechtsprechung, siehe nur: EGMR, Urt. v. 28.05.1985, Nr. 8225/78, Rn. 57 – Ashingdane; EGMR, Urt. v. 18.02.1999, Nr. 26083/94, Rn. 59 – Waite; EGMR, Urt. v. 10.05.2001, Nr. 29392/95, Rn. 93 – Z; EGMR, Urt. v. 12.07.2001, Nr. 42527/98, Rn. 44 – Prince Hans-Adam II of Liechtenstein; EGMR, Urt. v. 21.11.2001, Nr. 31253/96, Rn. 34, 37 – McElhinney; EGMR, Urt. v. 21.11.2001, Nr. 35763/97, Rn. 53 – Al-Adsani; EGMR, Urt. v. 21.11.2001, Nr. 37112/ 97, Rn. 33 – Fogarty; EGMR, Beschl. v. 23.01.2003, Nr. 51307/99, S. 11 – Geffre; EGMR, Urt. v. 15.10.2003, Nr. 33400/96, Rn. 45 – Ernst; EGMR, Urt. v. 14.12.2006, Nr. 1398/03, Rn. 99 – Markovic; EGMR, Beschl. v. 15.09.2009, Nr. 1742/05, S. 12 f. – Eiffage; EGMR, Urt. v. 23.03.2010, Nr. 15869/02, Rn. 55 – Cudak; EGMR, Urt. v. 28.06.2010, Nr. 24895/ 07, Rn. 41 – Syngelidis; EGMR, Urt. v. 29.06.2011, Nr. 34869/05, Rn. 49 – Sabeh El Leil; EGMR, Beschl. v. 06.01.2015, Nr. 415/07, Rn. 62 – Klausecker; EGMR, Urt. v. 20.04.2015, Nr. 27756/05, 41219/07, Rn. 39 – Urechean; EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 24 – Tabbane; EGMR, Urt. v. 29.11.2016, Nr. 76943/11, Rn. 89 – Lupeni. Siehe dabei insbesondere die wiederkehrende Begrifflichkeit „compatible“. Literatur: Grabenwarter/ Pabel, EMRK, § 18 Rn. 31, § 24 Rn. 53; besonders deutlich: Grabenwarter/Pabel, in: Dörr/G rote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 14 Der Grundsatz des fairen Verfahrens Rn. 175; Ehlers, in: Ehlers, EuGR, § 2 Allgemeine Lehren der EMRK Rn. 67. 249 EGMR, Urt. v. 28.05.1985, Nr. 8225/78, Rn. 57 – Ashingdane; EGMR, Urt. v. 18.02.1999, Nr. 26083/94, Rn. 59 – Waite; EGMR, Urt. v. 10.05.2001, Nr. 29392/95, Rn. 93 – Z; EGMR, Urt. v. 12.07.2001, Nr. 42527/98, Rn. 44 – Prince Hans-Adam II of Liechtenstein; EGMR, Urt. v. 21.11.2001, Nr. 31253/96, Rn. 34, 37 – McElhinney; EGMR, Urt. v. 21.11.2001, Nr. 35763/97, Rn. 53 – Al-Adsani; EGMR, Urt. v. 21.11.2001, Nr. 37112/ 97, Rn. 33 – Fogarty; EGMR, Beschl. v. 23.01.2003, Nr. 51307/99, S. 11 – Geffre; EGMR, Urt. v. 15.10.2003, Nr. 33400/96, Rn. 45 – Ernst; EGMR, Urt. v. 14.12.2006, Nr. 1398/03, Rn. 99 – Markovic; EGMR, Beschl. v. 15.09.2009, Nr. 1742/05, S. 12 f. – Eiffage; EGMR, Urt. v. 23.03.2010, Nr. 15869/02, Rn. 55 – Cudak; EGMR, Urt. v. 28.06.2010, Nr. 24895/ 07, Rn. 41 – Syngelidis; EGMR, Urt. v. 29.06.2011, Nr. 34869/05, Rn. 49 – Sabeh El Leil; EGMR, Beschl. v. 06.01.2015, Nr. 415/07, Rn. 62 – Klausecker; EGMR, Urt. v. 20.04.2015, Nr. 27756/05, 41219/07, Rn. 39 – Urechean; EGMR, Urt. v. 01.03.2016, Nr. 41069/12, Rn. 24 – Tabbane; EGMR, Urt. v. 29.11.2016, Nr. 76943/11, Rn. 89 – Lupeni. Literatur: Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 18 Rn. 31, § 24 Rn. 53; besonders deutlich: Grabenwarter/ Pabel, in: Dörr/G rote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 14 Der Grundsatz des fairen Verfahrens Rn. 175; Ehlers, in: Ehlers, EuGR, § 2 Allgemeine Lehren der EMRK Rn. 67.
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Kapitel 6: Partieller Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK
6. Abstraktes Ergebnis Im Ergebnis liegt daher ein unwirksamer Verzicht auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts aus Art. 6 Abs. 1 EMRK vor, wenn der Verzicht unter unverhältnismäßigem Zwang erklärt wurde. In Bezug auf Schiedsvereinbarungen liegt dies vor, wenn: 1. Eine Seite der Schiedsvereinbarung nur unter derartigem Druck zugestimmt hat, der ihr aus objektiver Sicht keine andere Wahl ließ, als der Schiedsvereinbarung zuzustimmen (Zwang). Und: 2. Mit der Schiedsvereinbarung kein legitimes Ziel verfolgt wird. Oder: 3. Das legitime Ziel in keinem angemessenen Verhältnis zu den Folgen der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung für die Person steht, die der Schiedsvereinbarung nur unter Druck zugestimmt hat. 7. CAS-Schiedsvereinbarungen Um die Frage der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Sport zu beantworten, werden diese Feststellungen im Folgenden auf CAS-Schiedsvereinbarungen angewendet. Die CAS-Schiedsgerichtsbarkeit fällt dabei unter die privatrechtlich vereinbarte Schiedsgerichtsbarkeit, da sich die Athleten dieser dadurch entziehen können, dass sie die konkrete Schiedsvereinbarung nicht unterschreiben.250 a) Zwang Aus den Ausführungen in Kap. 2. C.251 ergibt sich, dass Athleten unter einem so starken wirtschaftlichen Druck stehen, die Schiedsvereinbarungen der Sportveranstalter zu unterzeichnen, dass ihnen aus objektiver Sicht keine andere Möglichkeit bleibt, als dies zu tun. Dementsprechend bestehen keine Zweifel daran, dass Athleten unter Zwang im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK stehen, wenn sie CAS-Schiedsvereinbarungen abschließen. b) Verhältnismäßigkeit Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kommt es darauf an, ob durch den zwangsweisen Verzicht auf ein auf Gesetz beruhendes Gericht zugunsten des CAS (a) ein legitimes Ziel verfolgt wird und (b) dieses legitime Ziel in ei250 Oder aus dem Sportverein austreten, dessen Satzung (durch dynamische Verweise) eine Bindung an eine Schiedsanordnung enthält. 251 Siehe: S. 33 ff.
A. Verzicht auf die Garantie des Zugangs
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nem angemessenen Verhältnis zu den Auswirkungen einer Wirksamkeit der CAS-Schiedsvereinbarungen steht. aa) Legitimes Ziel Mit der Oktroyierung der CAS-Schiedsgerichtsbarkeit verfolgen die Sportverbände eine Reihe von legitimen Zielen. Zu diesen Zielen zählen die in der Rechtsprechung und der Literatur als Vorteile der Sportschiedsgerichtsbarkeit anerkannten Punkte.252 Darunter fällt die höhere Sachkunde der auf Sportrecht spezialisierten Schiedsrichter im Vergleich zu den juristisch breit aufgestellten staatlichen Richtern.253 Staatliche Richter müssen sich in der Regel erst umfangreich in die Besonderheiten des Sportrechts einarbeiten. Zudem kann der CAS wegen seiner speziellen Verfahrensregeln Rechtsstreitigkeiten schnell entscheiden.254 Dies ist insbesondere bei Disziplinarstreitigkeiten relevant, da zum Beispiel die Sperre beziehungsweise der weitere Einsatz eines Spielers in einer Mannschaftssportart enorme Auswirkungen auf den Verlauf der anstehenden Spiele haben kann. 255 Eine Entscheidung nach Beendigung des entsprechenden Spiels wäre daher zu spät.256 Gleiches gilt aber auch im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Streitigkeiten. Aufgrund der (möglicherweise) kurzen Karrieredauer eines Athleten ist es für diesen notwendig, dass zum Beispiel ein Streit über die Frage, wann und wo er seine privaten Sponsoren bei einem Wettkampf bewerben darf, schnell entschieden wird.257 Ergeht die Entscheidung darüber erst nach
252
Siehe dazu insgesamt nur: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2272) – Pechstein III; LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – Pechstein I; Adolphsen, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel Schiedsgerichtsbarkeit – Internationales Sportrecht Rn. 1030–1035; Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 371. 253 Adolphsen, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel Schiedsgerichtsbarkeit – Internationales Sportrecht Rn. 1032; Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 371; Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (243 m. w. N.). 254 Adolphsen, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel Schiedsgerichtsbarkeit – Internationales Sportrecht Rn. 1033; Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 371; Hülskötter, ISLJ 25 (2017), 15 (23 f.); mit Nachweisen zu den CAS-VerfahrensregelnHülskötter, SpuRt 2018, 261 (242 f.). 255 Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 371; Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (242 f.). 256 Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 371; Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (242 f.). 257 Vgl.: Adolphsen, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel Schiedsgerichtsbarkeit – Internationales Sportrecht Rn. 1033; Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (242 f.).
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Kapitel 6: Partieller Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK
Karriereende, kann er im Zweifel nur noch Schadensersatzansprüche geltend machen.258 Zuletzt wollen die Verbände die Streitigkeit durch CAS-Schiedsvereinbarungen explizit den staatlichen Gerichten entziehen. Vor dem Hintergrund staatlich organisierter Dopingprogramme259 bestehen legitime Zweifel daran, dass der WADC von den staatlichen Gerichten verschiedener Länder gleich angewendet würde.260 Bei ungleicher Anwendung wäre aber die Chancengleichheit für Athleten bei Wettkämpfen nicht gewährleistet.261 Gleiches gilt auch bei Verstößen gegen die Spielregeln.262 Eine Chancengleichheit kann daher derzeit nur durch nicht staatlich eingebundene Gerichte erreicht werden.263 Obwohl vor dem CAS keine Präjudizien gelten, orientieren sich die Schiedsrichter in der Praxis umfangreich an den vorherigen Entscheidungen.264 Hierdurch wird im Ergebnis eine Kontinuität der Rechtsprechung des CAS geschaffen, im Rahmen derer auch spezielle, auf den Sport anwendbare Rechtsgrundsätze entwickelt werden können.265 Daher bestehen verschiedene legitime Ziele, die dem zwangsweisen Verzicht auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts erlauben können. bb) Abwägung Ob der Verzicht der Athleten auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK wirksam ist, bestimmt sich daher im Ergebnis anhand einer Abwägung der genannten legitimen Ziele mit den Folgen, die eine Wirksamkeit der CAS-Schiedsvereinbarung hätte.
258
Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 371 m. w. N. McLaren, McLaren Report, go.wwu.de/qqgbw. 260 Angedeutet bei: Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216 (223); Hülskötter, ISLJ 25 (2017), 15 (24 f.); Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (242). 261 Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 371. Die Chancengleichheit im Sport als legitimes Ziel bezeichnend: EGMR, Urt. v. 18.01.2018, Nr. 48151/11, 777/69/13, Rn. 166 – FNASS. Als ein Grundprinzip des Sports bezeichnend: Adolphsen, SchiedsVZ 2004, 169 (170). 262 Hülskötter, ISLJ 25 (2017), 15 (25); Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (242). 263 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271) – Pechstein III; Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (244). 264 Siehe nur: CAS, Schiedsspruch v. 16.07.2010, CAS 2008/A /1545, Rn. 52–55 – Anderson v IOC. 265 Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 371; Duve/ Rösch, SchiedsVZ 2014, 216 (223 f.); Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (242). 259
B. Öffentlichkeit
205
Für die Bestimmung der Folgen einer Wirksamkeit müssen der CAS-Code und CAS-ADD Rules mit in die Bewertung einbezogen werden. Denn dieser bestimmt die einschlägigen Verfahrensregeln. Dementsprechend müssen die später in Kap. 7. B. III. 5. b) bb)266 ausführlich diskutierten Nachteile der CAS-Schiedsgerichtsbarkeit beachtet werden, die die einzelnen Organisations- und Verfahrensregeln des CAS mit sich bringen. Wie die Interessenabwägung in Kap. 7. B. III. 4. b) bb) (2)267 zeigt, ist die geschlossene Schiedsrichterliste nicht notwendig, um das (durch sie) verfolgte Ziel der besonderen fachlichen Kompetenz in der CAS-Schiedsgerichtsbarkeit zu erreichen. Bezüglich der Kompetenzen der Divisionspräsidenten zeigt Kap. 7. B. III. 4. b) bb) (3)268, dass es für die besondere Geschwindigkeit des CAS-Schiedsverfahrens nicht notwendig ist, dass der Präsident der Appeals Division immer über die Bestellung der Einzelschiedsrichter beziehungsweise die Vorsitzenden der Panels entscheidet. Zu guter Letzt zeigen die Ausführungen in Kap. 7. B. III. 4. b) bb) (4)269, dass die Sitzvereinbarung des CAS in der Schweiz in Verbindung mit der faktischen Vollstreckungsmöglichkeit der CAS-Schiedssprüche durch die Sportverbände dazu führt, dass die CAS-Schiedssprüche im Primärrechtsschutzverfahren nicht anhand des EU-Kartellrechts überprüft werden können. Dieser Nachteil ist in Abwägung mit keinem der legitimen Ziele verhältnismäßig.270
B. Öffentlichkeit Die Ausführungen in Kap. 4. B. I. 4.271 zeigen, dass das Verfahren vor dem CAS der Öffentlichkeitsgarantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK teilweise nicht genügt. Dies ist namentlich bei Verfahren vor der Ordinary Division sowohl hinsichtlich der Öffentlichkeit des Verfahrens als auch des Urteils der Fall. Ein Verstoß gegen die Öffentlichkeit des Verfahrens liegt zudem vor, wenn vor der Appeals Division nicht über Disziplinarstreitigkeiten verhandelt wird. Verfahren vor der Anti-Doping Division verstoßen hingegen gegen die Garantie der Öffentlichkeit des Urteils, wenn in dem Schiedsspruch keine Sanktionen ausgesprochen werden. 266
Siehe: S. 256 ff. Siehe: S. 270 ff. 268 Siehe: S. 274 ff. 269 Siehe: S. 279 ff. 270 Vgl: Kap. 7. B. III. 4. b) bb) (4) (c) (S. 282 ff.). 271 Siehe: S. 96 ff. 267
206
Kapitel 6: Partieller Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK
In diesen Fällen liegt daher nur dann kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK vor, wenn durch die CAS-Schiedsvereinbarungen für diese Fälle wirksam auf die Öffentlichkeitsgarantie (Verfahren beziehungsweise Urteil) verzichtet wird. Ein solcher Verzicht wird durch CAS-Schiedsvereinbarung grundsätzlich erklärt, schließlich wird in diesen ausdrücklich auf die Verfahrensregeln des CAS Bezug genommen.272
I. Abstrakte Verzichtsvoraussetzungen Anschließend an die Ausführungen in Kap. 6. A. III. 5. i)273 gilt auch für den Verzicht auf die Öffentlichkeitsgarantie die zweistufige Verzichtsprüfung.274
II. Verzicht durch CAS-Schiedsvereinbarungen Im nächsten Schritt werden diese Verzichtsvoraussetzungen auf den Verzicht durch CAS-Schiedsvereinbarungen übertragen. 1. Zwang Zwang, der einen Verzicht auf die Garantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK für unwirksam erklären kann, liegt entsprechend der Feststellungen in Kap. 2. C.275 vor.276 2. Verhältnismäßigkeit Die Ausübung von Zwang ist in Bezug auf Art. 6 Abs. 1 EMRK nur dann unproblematisch, wenn es (a) ein legitimes Ziel für den zwangsweisen Verzicht auf die Öffentlichkeitsgarantie gibt und (b) dieses legitime Ziel bei einer Abwägung mit den Folgen einer Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung überwiegt.
272
A. A.: Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 207. Siehe: S. 193 ff. 274 Siehe inbesondere zur Abwesenheit von Zwang: EGMR, Urt. v. 05.07.2005, Nr. 48962/99, Rn. 46 – Exel; EGMR, Urt. v. 21.02.1990, Nr. 11855/85, Rn. 66 – Håkansson; EGMR, Urt. v. 23.06.1981, Nr. 6878/75, 7238/75, Rn. 59 – Le Compte; vgl. auch: Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, S. 81 f., der auf Freiwilligkeit abstellt. 275 Siehe: S. 33 ff. 276 Zum Zwangsbegriff siehe: Kap. 6. A. III. 5. i) cc) (S. 199 ff.). 273
C. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit (Neutralität)
207
Hinsichtlich der legitimen Ziele, die mit der Vertraulichkeit des CAS-Schiedsverfahrens verfolgt werden, wird auf Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (1) (a)277 verwiesen. Die Abwägung der tangierten Interessen in Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (1) (c)278 zeigt, dass die legitimen Ziele nicht überwiegen. Dementsprechend ist ein Verzicht auf die Öffentlichkeitsgarantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK, der durch oktroyierte CAS-Schiedsvereinbarungen erklärt wird, nicht mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar.
C. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit (Neutralität) Anders als bei der Garantie auf ein auf Gesetz beruhendes Gericht und der Öffentlichkeit wird in einer Schiedsvereinbarung nicht auf die Garantie der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verzichtet.279 Zwar sind dem Unterzeichner einer Schiedsvereinbarung die Regeln des Schiedsgerichtes bei der Unterzeichnung klar, es widerspricht jedoch dem Ziel einer besonderen Klausel zur Konfliktlösung, wenn durch diese darauf verzichtet wird, dass das Gericht neutral ist. Der Hintergrund des Abschlusses einer Schiedsvereinbarung liegt in der Regel gerade darin, dass eine neutrale staatlich ungebundene Streitentscheidungsinstanz eingesetzt werden soll. Dementsprechend ist es unerheblich, ob auf die Garantie der Unabhängigkeit aus Art. 6 Abs. 1 EMRK wirksam verzichtet werden kann. Ein Schiedsgericht, das durch eine Schiedsvereinbarung eingesetzt wird, muss die Vorgaben der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Art. 6 Abs. 1 EMRK wahren. Wie in Kap. 4. B. I. 3.280 herausgearbeitet, genügt der CAS diesen Anforderungen im Verhältnis der meisten Sportverbände zu Athleten, jedoch nicht im Verhältnis IOC-Athlet.
277
Siehe: S. 261 ff. Siehe: S. 264 ff. 279 Siehe nur: Briner/Schlabrendorff, Article 6 of the European Convention on Human Rights and its Bearing upon International Arbitration, in: Briner, FS Böckstiegel, S. 89 (94); Bangert, Die Bindung privater Schiedsgerichte an Art. 6 Abs. 1 EMRK, in: Caflisch et al., FS Wildhaber, S. 41 (50); Jung, ZEuS 2014, 173 (200); Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 205 f. 280 Siehe: S. 90 ff. 278
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Kapitel 6: Partieller Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK
D. Wesentliche Erkenntnisse des Kapitels 6 Wenn festgestellt wurde, dass ein Schiedsgericht nicht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK auf Gesetz beruht, muss gefragt werden, ob durch die Schiedsvereinbarung wirksam auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts verzichtet wurde. In der Rechtsprechung wurde diese Frage bislang nur durch nationale Gerichte behandelt und unterschiedlich bewertet. Für die jeweiligen Begründungen der Entscheidungen sind insbesondere auch unterschiedliche Entscheidungen der Konventionsorgane herangezogen worden. In der Literatur besteht Uneinigkeit in Bezug auf die Voraussetzungen für einen wirksamen Verzicht auf ein auf Gesetz beruhendes Gericht. Dabei nimmt die Mehrheit der Autoren an, dass ein solcher Verzicht freiwillig sein muss – definiert Freiwilligkeit aber unterschiedlich. Zum Teil wird angenommen, Freiwilligkeit setze voraus, dass ein echtes Wahlrecht zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit besteht. Andere Vertreter argumentieren, dass der Freiwilligkeitsbegriff eine Abwägung zwischen den Rechten der beteiligten Parteien fordere, wenn eine der Parteien aus faktischen Gründen zur Zustimmung der Schiedsvereinbarung gezwungen wurde. Ebenso wird vertreten, dass es keiner Freiwilligkeit bedürfe, wenn es die Möglichkeit einer Aufhebung des Schiedsspruchs vor staatlichen Gerichten gebe. Daneben tritt die Auffassung, dass eine Freiwilligkeitsvoraussetzung nicht notwendig sei. Das jeweilige nationale Vertragsrecht gewähre bereits den Schutz, der sich aus einer Freiwilligkeitsforderung ergebe. Aus der Auslegung des Art. 6 Abs. 1 EMRK (anhand der Vorgaben der WVRK) ergibt sich nur, dass die Verzichtsmöglichkeit auf Rechte des Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht grenzenlos sein darf. Ab wann eine Grenze für den Verzicht gezogen werden muss, ergibt sich hieraus aber nicht. Für die Beantwortung dieser Frage muss daher auf die Rechtsprechung der Konventionsorgane zurückgegriffen werden. Aus den Entscheidungen der Konventionsorgane ergibt sich, dass der Verzicht auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts anhand einer zweistufigen Prüfung vorzunehmen ist. Im ersten Schritt ist zu entscheiden, ob es sich um privatrechtlich vereinbarte oder gesetzlich vorgeschriebene Schiedsgerichtsbarkeit handelt. Abgrenzungskriterium ist dabei, ob es für die Parteien theoretisch möglich war, sich der Zuständigkeit des Schiedsgerichtes zu entziehen. Im Falle gesetzlich vorgeschriebener Schiedsgerichtsbarkeit ist ein Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK immer unwirksam. Im Falle privatrechtlich vereinbarter Schiedsgerichtsbarkeit ist entscheidend, ob eine der Parteien bei der Zustimmung zur Schiedsvereinbarung (a) unter Zwang stand und dieser Zwang (b) verhältnismäßig war. Zwang im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK liegt vor, wenn eine der
D. Wesentliche Erkenntnisse des Kapitels 6
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Parteien der Schiedsvereinbarung nur unter einem derartigen Druck zugestimmt hat, der ihr aus objektiver Sicht keine andere Wahl ließ, als der Schiedsvereinbarung zuzustimmen. Bei der CAS-Schiedsgerichtsbarkeit handelt es sich um eine privatrechtlich vereinbarte Schiedsgerichtsbarkeit. Stimmen die Athleten einer CAS-Schiedsvereinbarung nicht zu, werden sie durch diese auch nicht gebunden. Durch eine Nichtzustimmung entziehen sie sich also der Zuständigkeit des CAS. Athleten unterliegen beim Abschluss der Schiedsvereinbarung aber einem Zwang im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK, weshalb die Verhältnismäßigkeitsprüfung letztlich über die Wirksamkeit des Verzichts auf ein auf Gesetz beruhendes Gericht entscheidet. Legitime Ziele für die Ausübung des Zwangs sind in Form der allgemein anerkannten Vorteile der Sportschiedsgerichtsbarkeit (Expertise der Schiedsrichter, Geschwindigkeit des Verfahrens, Einheitlichkeit der Rechtsanwendung und Rechtsfortbildung) gegeben. Mit Blick auf die einzelnen Organisations- und Verfahrensregeln des CAS ist die Verhältnismäßigkeit der Regelung zur geschlossenen Schiedsrichterliste, zur Kompetenz des Präsidenten der Appeals Division bei der Bestellung des vorsitzenden Schiedsrichters beziehungsweise des Einzelschiedsrichters sowie der Sitzvereinbarung des CAS und deren Folgen nicht gegeben. Diesbezüglich besteht keine Abweichung von der Interessenabwägung in Art. 102 AEUV. Für den teilweisen Verzicht auf die Öffentlichkeitsgarantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK gelten dieselben abstrakten Verzichtsvoraussetzungen wie für den Verzicht auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts. Im Gleichlauf mit der Interessenabwägung im Kartellrecht ist der teilweise Verzicht auf die Öffentlichkeitsgarantie nicht mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar. Die Unterzeichnung einer Schiedsvereinbarung ist nicht als ein Verzicht auf die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Gerichtes zu verstehen.
Kapitel 7
Unmittelbar wirkende Rechtsnormen In Kap. 7 wird die Prüfung der Wirksamkeit von CAS-Schiedsvereinbarungen anhand der vom staatlichen Richter unmittelbar heranzuziehenden Rechtsnormen vorgenommen. Dabei müssen die Erkenntnisse aus den Kap. 4 bis 6 zum Verfassungs-, Völker- und Europarecht im Wege der mittelbaren Drittwirkung eingebracht werden. Neben dem § 11 AntiDopG sind diverse Generalklauseln zu untersuchen (§ 134 BGB i. V. m. Art. 102 AEUV beziehungsweise § 19 GWB, § 307 BGB, § 138 BGB, § 242 BGB) sowie die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 267, 344 AEUV (Achmea) auszuwerten. Die folgenden Ausführungen gelten explizit nur vor dem Hintergrund, dass der CAS im relevanten Rechtsstreit als echtes Schiedsgericht angesehen wird.1
A. § 11 Anti-Doping Gesetz Das AntiDopG vom 10.12.20152 enthält mit § 11 eine Norm zur Schiedsgerichtsbarkeit. Die Einführung des § 11 AntiDopG wird in der Literatur als eine Reaktion auf die Entscheidung Pechstein I angesehen.3 Zwar nennt die Gesetzesbegründung die Pechstein-I-Entscheidung nicht ausdrücklich, verweist aber darauf, dass „vereinzelt die Unwirksamkeit […] [von Sport-] Schiedsvereinbarungen vorgebracht“ wurde.4 Es gab zwar auch schon vor der Causa Pechstein Bestrebungen, eine Regelung für die Sportschiedsgerichtsbarkeit einzuführen,5 jedoch sind diese nach der Causa Pechstein intensiviert und mit dem § 11 AntiDopG auch umgesetzt worden. 1
Siehe dazu: Kap. 3. A. II. (S. 42 ff.) Gesetz zur Bekämpfung von Doping im Sport vom 10.12.2015, BGBl. 2015 S. 2210– 2217. 3 Siehe nur: Heermann, SpuRt 2015, 4 (5); Graf von Westphalen, SpuRt 2015, 239 (240); Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 9–12. 4 Regierungsentwurf AntiDopG, BT-Drucks. 18/4898, S. 40; Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport, go.wwu.de/d xd79, S. 42 f. 5 Schon 2005: Rechtskommission des Sports gegen Doping, Abschlussbericht, go.wwu. de/y misz, S. 12–16. 2
A. § 11 Anti-Doping Gesetz
211
Schlüsselt man den § 11 AntiDopG auf, ergeben sich folgende zusammenhängende Aussagen: – Sportverbände können Schiedsvereinbarungen gegenüber Sportlern als Voraussetzung für die Teilnahme an einer organisierten Sportausübung fordern. – Diese Aussage gilt jedoch nur für Schiedsvereinbarungen, die Rechtsstreitigkeiten mit Bezug zu der Teilnahme an der organisierten Sportausübung erfassen. Voraussetzung hierfür ist wiederum, dass die Schiedsvereinbarungen die Sportverbände und die Sportler in die Sportorganisationen einbinden und hierdurch die Sportausübung selbst ermöglicht, gefördert oder gesichert wird. – Als Beispiel für die Einhaltung dieser Voraussetzungen werden Schiedsvereinbarungen genannt, mit denen die Vorgabe des WADC umgesetzt werden soll. Der Begriff der organisierten Sportausübung bezieht sich auf § 3 Abs. 3 AntiDopG, der „Wettbewerb des organisierten Sports“ legaldefiniert.6 Davon sind alle professionellen sportlichen Wettkämpfe, aber zum Teil auch Wettkämpfe privater Veranstalter erfasst.7 Die Verwendung des Begriffs „Sportler“ im Gegensatz zur Verwendung des Begriffs „Spitzensportler“ (§ 4 Abs. 7 Nr. 1 AntiDopG) zeigt, dass sich § 11 AntiDopG auch auf Schiedsvereinbarungen mit Freizeitsportlern bezieht.8 Ungeklärt ist bis dato, welchen Einfluss § 11 AntiDopG auf die Frage der Wirksamkeit oktroyierter Schiedsvereinbarungen im Sport hat. Die bestehende Rechtsunsicherheit rührt daher, dass § 11 AntiDopG keine klare Rechtsfolge enthält, sondern nur die Aussage trifft, dass die von § 11 AntiDopG erfassten Schiedsvereinbarungen als Voraussetzung für die Teilnahme an einer organisierten Sportausübung herangezogen werden „können“. Die Rechtsfolge der Norm ist durch die Rechtsprechung noch nicht diskutiert worden. In der Literatur gibt es bislang nur wenige ausdifferenzierte Stellungnahmen zu § 11 AntiDopG. Nicht direkt ersichtlich ist ebenfalls, welche Rechtsstreitigkeiten von Schiedsvereinbarungen im Sinne des § 11 AntiDopG erfasst werden. Namentlich: Sind alle Rechtsstreitigkeiten mit Bezug zur Teilnahme am Wettkampf oder nur Dopingstreitigkeiten erfasst?9 Rechtsunklarheit herrscht darüber hinaus auch dahingehend, was unter Einbindung in die Sportorganisationen und Unterstützung der organisierten Sportausübung zu verstehen ist. 6
Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 24. Putzke, in: Lehner/Nolte/P utzke, AntiDopG, § 3 Rn. 29 f. mit Verweis zur Gesetzgebungsbegründung. 8 Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 26, der anmerkt, dass der § 11 AntiDopG in der Praxis hauptsächlich für den Spitzensport relevant wird. 9 Siehe hierzu: Heermann, SpuRt 2015, 4 (5); Heermann, CaS 2016, 108 (110). 7
212
Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
In dieser Untersuchung soll der § 11 AntiDopG nicht umfassend ausgelegt werden.10 Für die hier geführte Diskussion ist letztlich entscheidend, welche Rechtsfolge der § 11 AntiDopG in den Fällen hat, in denen er einschlägig ist. Diese Untersuchung beschränkt sich daher auf diese Fragestellung, welche im Wege der Auslegung beantwortet werden soll.
I. Wortlaut § 11 AntiDopG besagt, dass Athleten und Verbände unter bestimmten Bedingungen den Abschluss von Sportschiedsvereinbarungen zur „Voraussetzung der Teilnahme“ an Wettkämpfen machen „können“. Aus dem Wortsinn des Begriffes „können“ lässt sich schließen, dass Athleten und Verbände zum Abschluss solcher Schiedsvereinbarungen imstande, also fähig, sind.11 Ihnen wird durch § 11 AntiDopG erlaubt, Sportschiedsvereinbarungen abzuschließen.12 Vor dem Hintergrund der Privatautonomie hat eine solche Kann-Kompetenz lediglich deklaratorische Bedeutung.13 Allerdings zeigt der Wortsinn von „können“ darüber hinaus, dass die Sportverbände berechtigt sind, eine Schiedsvereinbarung im Sinne des § 11 AntiDopG zu fordern.14 Diesem Wortsinn würde es nicht gerecht werden, wenn die Kann-Kompetenz nicht wirksam ausgeübt werden dürfte. Daher beinhaltet „können“ auch eine Erlaubnis des Abschlusses von Schiedsvereinbarungen im Sinne von § 11 AntiDopG.15 Durch die Formulierung „können“ hält auch Lehner nicht nur den „selbstverständlichen Umstand“ für erfasst, dass die Verbände und Athleten in der Lage sind, Sportschiedsvereinbarungen abzuschließen.16 Vielmehr solle durch die Wortwahl auch klargestellt werden, dass das Verlangen einer unter § 11 Anti DopG fallenden Schiedsvereinbarung legitim sei.17
10 Diesbezüglich wird auf die einschlägigen Aufsätze von Heermann (Heermann, CaS 2016, 108; Heermann, SpuRt 2015, 4) sowie die einschlägigen Kommentierungen von Lehner (Lehner, in: Lehner/Nolte/P utzke, AntiDopG, § 11) und Weber (Weber, BtMG, § 11 AntiDopG) verwiesen. 11 Siehe: Duden, http://go.wwu.de/o9wg8. 12 Siehe: Duden, http://go.wwu.de/o9wg8. 13 Vgl.: Heermann, SpuRt 2015, 4 (5 f.). 14 Siehe: Duden, http://go.wwu.de/o9wg8. 15 Vgl. dazu auch die Formulierungen „können“ im BGB. Z. B. in §§ 415 Abs. 1 S. 3, 515 Abs. 3 S. 2 BGB. 16 Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 32. 17 Lehner, in: Lehner/Nolte/P utzke, AntiDopG, § 11 Rn. 32; in diese Richtung auch: Heermann, CaS 2016, 108 (110).
A. § 11 Anti-Doping Gesetz
213
Hieraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dass der Wortlaut von § 11 ntiDopG in seinem Anwendungsbereich Schiedsvereinbarungen grundsätzA lich für rechtlich wirksam erklären möchte. Dadurch bliebe unbeachtet, dass sich „können“ auf die Forderung einer Schiedsvereinbarung „als Voraussetzung der Teilnahme“ an einem Wettbewerb bezieht. Durch diese Bezugnahme wird präzisiert, in welchen Situationen Sportschiedsvereinbarung wirksam sein sollen. Es geht also nicht um die Wirksamkeit von Sportschiedsvereinbarungen an sich, sondern allein um die Situation, in welcher diese abgeschlossen werden. Wird etwas zur Voraussetzung gemacht, so handelt es sich um eine Vorbedingung.18 In Verbindung mit dem Begriff „können“ ergibt sich daher, dass Sportschiedsvereinbarungen jedenfalls nicht deshalb unwirksam sein sollen, weil die Athleten ohne deren Unterzeichnung nicht an Sportwettkämpfen teilnehmen dürfen.19 Hinweise darauf, wann eine Sportschiedsvereinbarungen rechtlich wirksam ist, kann dem Wortlaut des § 11 AntiDopG hingegen nicht entnommen werden. Der Wortlaut des § 11 AntiDopG macht daher lediglich deutlich, dass oktroyierte Schiedsvereinbarungen im Sport nicht allein wegen des faktischen Zwangs zur Unterzeichnung unwirksam sind.20
II. Systematik Die systematische Auslegung des § 11 AntiDopG trägt zum Verständnis der Rechtsfolge des § 11 AntiDopG nicht bei.
III. Genetik und Historie Bei der genetischen Auslegung junger Gesetze, wie dem AntiDopG, kommen den Ausführungen in den Gesetzgebungsunterlagen besondere Bedeutung zu.21 Relevant sind insbesondere zwei Passagen in Referenten- und Regierungsentwurf zum AntiDopG. Die Passagen sind jedoch nicht wortgleich. Dem Regierungsentwurf sind gegenüber dem Referentenentwurf Zusätze beigefügt worden, 18
Siehe: Duden, http://go.wwu.de/e8en0. So auch: Bindels, in: Pfister, AntiDopG, Das Anti-Doping-Gesetz – Entstehung und Überblick – S. 20; Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 32. 20 Bindels, in: Pfister, AntiDopG, Das Anti-Doping-Gesetz – Entstehung und Überblick – S. 20; Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 32. 21 BVerfG, Beschl. v. 11.06.1980, 1 PBvU 1/79, NJW 1981, 39 (42); Möllers, Methodenlehre, § 4 Rn. 61; Reimer, Methodenlehre, Rn. 247; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 34 f. 19
214
Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
die die Aussagen zur Rechtsfolge des § 11 AntiDopG abschwächen (die Zusätze sind durch den Verfasser mittels Kursivierung hervorgehoben): „Der Abschluss solcher Vereinbarungen [gemeint sind Sportschiedsvereinbarungen] als Voraussetzung für die Teilnahme am organisierten Sport hält jedoch in der Regel einer rechtlichen Prüfung am Maßstab des § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auch unter Berücksichtigung der Grundrechte und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vor dem Hintergrund der besonderen Umstände des Leistungssports stand. Wenn Schiedsvereinbarungen nach deutschem Recht als wirksam anzusehen sind, dürfen auch Schiedsvereinbarungen, die einem ausländischen Recht unterliegen, jedenfalls regelmäßig nicht am Haupteinwand, dem deutschen ordre-public-Vorbehalt nach Artikel 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche, scheitern.“22
Die Passage zeigt, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass der Abschluss oktroyierter Sportschiedsvereinbarungen im Normalfall nicht gegen § 138 BGB, die Grundrechte und die EMRK verstößt.23 Durch das Einfügen des „in der Regel“ im Regierungsentwurf wird deutlich, dass die Einschätzung der Vereinbarkeit – anders als noch im Referentenentwurf – nicht absolut gelten soll. Vielmehr wird nun, neben der zunächst anzunehmenden Vereinbarkeit, die Möglichkeit des Beweises einer Unvereinbarkeit im Einzelfall eröffnet.24 Es müsste dann bewiesen werden, dass die konkrete Schiedsvereinbarung nicht dem Regelfall von im Sport verwendeten Schiedsvereinbarungen entspricht und daher im Einzelfall unter Berücksichtigung der Grundrechte, der EMRK oder der Grundfreiheiten gegen § 138 BGB verstößt.25 Weiterhin wird in Referenten- und Regierungsentwurf ausgeführt (im Regierungsentwurf hinzugefügte Passagen sind kursiv): „Die Klarstellung in der Vorschrift dient lediglich dazu, die Zweifel an der Wirksamkeit des Abschlusses von Schiedsvereinbarungen zwischen Sportlerinnen und Sportlern mit den Verbänden auszuräumen. Ob diese Schiedsvereinbarungen einer umfassenden Inhaltskontrolle standhalten und damit nicht gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) verstoßen, soll durch diese Vorschrift nicht entschieden werden. Eine funktionierende
22
Regierungsentwurf AntiDopG, BT-Drucks. 18/4898, S. 40; Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport, go.wwu.de/d xd79, S. 43. 23 Nach gängigem Verständnis der Freiwilligkeit als Wirksamkeitsvoraussetzung einer Schiedsvereinbarung liegt damit generell keine Unfreiwilligkeit mehr vor: Bindels, in: Pfister, AntiDopG, Das Anti-Doping-Gesetz – Entstehung und Überblick – S. 20; Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 32. 24 Heermann, CaS 2016, 108 (112). 25 Ähnlich: Heermann, CaS 2016, 108 (112), der Gründe fordert, die über das strukturelle Ungleichgewicht und den faktischen Zwang hinausgehen. Als Beispiel nennt er die unwirksame Vertretung eines minderjährigen Athleten.
A. § 11 Anti-Doping Gesetz
215
Sportschiedsgerichtsbarkeit, die den allgemeinen rechtsstaatlichen Voraussetzungen entspricht und damit solche Verstöße ausschließt, wird vielmehr vorausgesetzt.“ 26
Der Referentenentwurf musste noch so verstanden werden, als wolle er die Verwendung von Sportschiedsvereinbarungen grundsätzlich für rechtmäßig erklären.27 Im Gegensatz dazu wird durch die Anpassungen der Gesetzgebungsbegründung im Regierungsentwurf deutlich, dass sich die Wirksamkeitsaussage allein auf die Abschlusskontrolle bezieht. Das heißt, die Klarstellung bezieht sich nur auf den Akt und die Umstände des Abschlusses selbst, nicht aber auf die jeweiligen Organisation- und Verfahrensvorschriften des eingesetzten Schiedsgerichtes (Inhaltskontrolle).28 Durch die Deklarierung als Klarstellung wird bereits deutlich, dass keine Rechtsänderung herbeigeführt werden soll. Vielmehr möchte der Gesetzgeber deutlich machen, dass die als Klarstellung geäußerte Rechtsauffassung nach seiner Auffassung der aktuell bestehenden Rechtslage entspricht.29 Seibert bezeichnet dieses Vorgehen mit Verweis auf Schnapp30 als authentische Selbstinterpretation.31 Dies führt jedoch nicht zu einer Bindung der rechtsprechenden Gewalt an die Klarstellung.32 Im Ergebnis liegt die Klarstellung aber ohnehin in Bezug auf die Abschlusskontrolle von Schiedsvereinbarungen dogmatisch auf einer Linie mit den Entscheidungen in Pechstein II 33 und III 34.35 Durch die Klarstellung macht der Gesetzgeber lediglich deutlich, dass die durch die Gerichte geschaffene Rechtslage auch seinem Willen entspricht. 26
Regierungsentwurf AntiDopG, BT-Drucks. 18/4898, S. 40 f.; Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport, go.wwu.de/d xd79, S. 43. 27 Vgl.: Heermann, SpuRt 2015, 4 (6). 28 Heermann, CaS 2016, 108 (112, 116). 29 Seibert, „Gesetzesmaterialien“ in der Gesetzgebungspraxis, in: Fleischer, Mysterium „Gesetzesmaterialien“, S. 111 (122). 30 Schnapp, JZ 2011, 1125 (1128). 31 Seibert, „Gesetzesmaterialien“ in der Gesetzgebungspraxis, in: Fleischer, Mysterium „Gesetzesmaterialien“, S. 111 (122). 32 Seibert, „Gesetzesmaterialien“ in der Gesetzgebungspraxis, in: Fleischer, Mysterium „Gesetzesmaterialien“, S. 111 (123). 33 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (42–45) – Pechstein II. 34 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270–2273 Rn. 42–66) – Pechstein III. 35 Ebenso: Bindels, in: Pfister, AntiDopG, Das Anti-Doping-Gesetz – Entstehung und Überblick – S. 20, hält den § 11 AntiDopG daher eigentlich für nicht notwendig. Es sollte aus seiner Sicht dazu dienen, die vor Pechstein III bestehenden Rechtsunsicherheit Abhilfe zu verschaffen.
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
Seine Rechtsauffassung begründet der Gesetzgeber damit, dass der Rechtsschutz vor Sportschiedsgerichten und staatlichen Gerichten gleichwertig sei.36 Darüber hinaus bestünde die Möglichkeit, Schiedssprüche in eingeschränktem Umfang durch die staatlichen Gerichte überprüfen zu lassen.37 Selbst wenn trotz des gleichwertigen Rechtsschutzes eine Beeinträchtigung der Athletenrechte durch das eingesetzte Schiedsgericht vorliege, sei dies durch die „sportspezifischen Besonderheiten, die eine interessengerechte Organisation von Sport erst ermöglichen, gerechtfertigt.“38 Diese interessengerechte Organisation werde auch dadurch unterstützt, dass die Sportverbände „vermehrt“ über die Bedeutung einer Schiedsvereinbarung aufklären würden.39 Aus der genetischen Auslegung lässt sich daher schließen, dass der Gesetzgeber mit § 11 AntiDopG bestätigen wollte, dass der Abschluss von oktroyierten Schiedsvereinbarungen nicht allein auf Grundlage einer Abschlusskontrolle infolge des faktischen Zwangs gegenüber Athleten unwirksam ist. Somit erteilt der Wille des Gesetzgebers der Auffassung des LG München I in Pechstein I, welches die (Wahl-)Freiwilligkeit des Abschlusses einer Schiedsvereinbarung in Form einer Abschlusskontrolle voraussetzt, eine Absage.40 Übereinstimmend mit den Entscheidungen Pechstein II und III soll eine Inhaltskontrolle laut § 11 Anti DopG weiterhin möglich sein. Aussagen über die Prüfungsintensität einer solchen Inhaltskontrolle werden in den Gesetzgebungsmaterialien nicht getroffen. Der Zusatz im Regierungsentwurf, dass die Einhaltung der „allgemeinen rechtsstaatlichen Voraussetzungen“ durch die Sportschiedsgerichtsbarkeit vorausgesetzt wird,41 macht lediglich deutlich, dass die Ausagen nur für echte Schiedsgerichte im Sinne der ZPO gelten sollen. Da unechte Schiedsgerichte den Zugang zu den staatlichen Gerichten nicht ausschließen, ergeben sich die Probleme, die in dieser Untersuchung diskutiert werden, bei diesen ohnehin nicht. Mithin verbleibt für die Inhaltskontrolle lediglich die Aussage, dass die „sportspezifischen Besonderheiten, die eine interessengerechte Organisation von Sport erst ermöglichen“ beachtet werden müssen. 36
Regierungsentwurf AntiDopG, BT-Drucks. 18/4898, S. 40; Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport, go.wwu.de/d xd79, S. 43. 37 Regierungsentwurf AntiDopG, BT-Drucks. 18/4898, S. 40; Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport, go.wwu.de/d xd79, S. 43. 38 Regierungsentwurf AntiDopG, BT-Drucks. 18/4898, S. 39; Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport, go.wwu.de/d xd79, S. 43; kritisch hierzu: Heermann, CaS 2016, 108 (114 f.). 39 Regierungsentwurf AntiDopG, BT-Drucks. 18/4898, S. 39; Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport, go.wwu.de/d xd79, S. 43; Kritik an dieser Vorstellung äußert: Heermann, CaS 2016, 108 (115 f.). 40 So auch: Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 32. 41 Regierungsentwurf AntiDopG, BT-Drucks. 18/4898, S. 39.
B. Verbotsgesetz, § 134 BGB i. V. m. 102 AEUV
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IV. Telos Argumente, die allein der Auslegungsmethode des Telos zuzuordnen sind, gibt es für die Frage der Rechtsfolge nicht.42
V. Ergebnis Aus der Wortlautauslegung sowie dem klar formulierten Willen des Gesetzgebers ergibt sich die gleiche Rechtsfolge. Hiernach sind oktroyierte Sportschiedsvereinbarungen nicht schon auf Grundlage einer Abschlusskontrolle, wie sie zum Beispiel durch das LG München I in Pechstein I vorgenommen wurde, unwirksam. Mit dieser als Klarstellung betitelten Aussage liegt der Gesetzgeber richtig, da weder der Justizgewähranspruch noch Art. 6 Abs. 1 EMRK eine besondere Abschlusskontrolle fordern.43 Diese Feststellung stimmt auch mit der einschränkenden Formulierung „in der Regel“ überein, da eine Unwirksamkeit trotzdem im Wege der Abschlusskontrolle zum Beispiel bei Einschlägigkeit von § 123 Abs. 1 Var. 1 BGB möglich bleibt. Ein solcher Verstoß ist beim Abschluss von Schiedsvereinbarungen im Sport aber nicht der Regelfall, was die Gesetzgebungsmaterialien damit auch anerkennen. Schiedsvereinbarungen können aber infolge einer Inhaltskontrolle unwirksam sein, wobei im Rahmen der Interessenabwägung die Besonderheiten des Sports beachtet werden müssen. Auch dies entspricht den Forderungen des Justizgewähranspruchs und Art. 6 Abs. 1 EMRK.44 Es bleibt daher festzuhalten, dass der § 11 AntiDopG den Inhalt des geltenden Rechts korrekt wiedergibt, allerdings keine Rechtsänderung herbeigeführt hat – was aber auf Grundlage der Einführung als Klarstellung auch nicht gewollt sein konnte.
B. Verbotsgesetz, § 134 BGB i. V. m. 102 AEUV Verträge, die gegen ein Verbotsgesetz verstoßen, sind nichtig, wenn sich aus dem Gesetz nicht etwas anderes ergibt, § 134 BGB. Als einschlägige Verbotsgesetze kommen im Fall von oktroyierten Schiedsvereinbarungen die Vorschriften des Kartellrechts (§§ 19, 20 GWB, Art. 102 AEUV) in Betracht.45 42
So i. E. auch: Heermann, SpuRt 2015, 4 (10). Siehe: Kap. 5. C. (S. 149 ff.); Kap. 6. A. III. (S. 183 ff.). 44 Siehe: Kap. 5. C. (S. 149 ff.); Kap. 6. A. III. (S. 183 ff.). 45 Anstelle vieler zu § 19 GWB als Verbotsgesetz: Vossler, in: BeckOGK, BGB, § 134 Rn. 235–237. Ebenso zu Art. 102 AEUV: Vossler, in: BeckOGK, BGB, § 134 Rn. 243; 43
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
Die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Sport ist in der Entscheidung Pechstein II erstmals anhand des Kartellrechts beurteilt worden.46 Auch der BGH hielt die Vorschriften des Kartellrechts in Pechstein III für entscheidend.47
I. Anwendbarkeit des Kartellrechts auf den Sport Die Anwendbarkeit des Kartellrechts auf den Sport wird nur noch vereinzelt abgelehnt.48 Die Aussage von Schlosser, das Kartellrecht sei nicht auf den Sport zugeschnitten, da das Ein-Platz-Prinzip im Sport zu allgemein gewollten Monopolen führe,49 geht fehl. Vor dem Hintergrund der Regeln des AEUV überzeugt die Begründung der Unanwendbarkeit des Kartellrechts wegen gewollter Monopole nicht. Im AEUV (als auch dem GWB) ist für den Sport keine Ausnahme vom Kartellrecht vorgesehen. Zudem wird die Monopolstruktur im Sport nicht durch den AEUV vorgeschrieben. Die Legalausnahme des Art. 106 Abs. 2 AEUV führt ebenfalls nicht zu einer Unanwendbarkeit des Kartellrechts auf den Sport, da die Sportverbände nicht durch Gesetz oder Verwaltungsakt mit der Erbringung einer Leistung betraut wurden.50 Auch der 165 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV ist in Bezug auf Schlossers Aussage unergiebig – er stellt lediglich eine Kompetenznorm für den Erlass von Empfehlungen und Fördermaßnahmen durch Gesetze dar.51 Dies entspricht im Ergebnis auch der Auffassung der Kommission, die die MoBusche, in: KöKo, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 215. Siehe zu den Vorgaben des EuGH an die innerstaatliche Durchsetzung des Art. 102 AEUV: EuGH, Urt. v. 17.07.1997, C-242/95, ECLI:EU:C:1997:376, Rn. 27 – GT-Link. 46 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43–46) – Pechstein II. 47 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 43) – Pechstein III. 48 Anstelle aller (auch für die Anwendung des Kartellrechts auf den Sport): EuGH, Urt. v. 18.07.2006, C-519/04 P, ECLI:EU:C:2006:492, Rn. 22, 25 – Meca-Medina; Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 24 f. m. w. N. – ISU; Emmerich/Lange, KartellR, § 3 Rn. 37; Eckel/Richter, WuW 2015, 1078 (1079); Hellmann, in: FK, KartR, Teil 5 Sonderbereiche Sport Rn. 9–11; Summerer, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil VII Kap. 7 Rn. 171–178. Siehe zu der nunmehr veralteten Diskussion: Esposito, Private Sportordnung und EU-Kartellrecht, S. 170–186; Heermann, CaS 2006, 345. Ebenso: Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, S. 60–124, der auch die Überschneidung mit dem Unternehmensbegriff herausarbeitet. Hail, Spitzensport im Licht des Europäischen Kartellrechts, S. 195–220, der sich später auch dem Unternehmensbegriff widmet. 49 Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257 (258); auf diese Aussage Schlossers verweist auch: Adolphsen, SpuRt 2016, 46 (49). 50 Vgl. dazu: Stadler, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 106 AEUV Rn. 54–58. 51 Siehe anstelle vieler: Blanke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/A EUV, Art. 165 Rn. 138–142; mit Bezug zu Art. 107 AEUV: EuG, Urt. v. 14.10.2015, T-162/13, ECLI:EU:T:2016:341, Rn. 79 f. – Magic Mountain.
B. Verbotsgesetz, § 134 BGB i. V. m. 102 AEUV
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nopolstruktur im Sport nicht infrage stellt, allerdings eine Einhaltung der EU- Wettbewerbsregeln fordert.52 Somit ist das Kartellrecht grundsätzlich auf den Sport anwendbar. Im Umfeld des Sports ist zu beachten, dass die EU-Wettbewerbsregeln laut EuGH nicht für Regelungen gelten, die „ausschließlich von sportlichem Interesse“ und nicht wirtschaftlichen oder unternehmerischen Interessen geleitet sind.53 Die Vorgabe der Sportverbände, dass Schiedsvereinbarungen als Voraussetzung einer Wettkampfteilnahme zu unterzeichnen sind, regelt den Zugang der Sportler zum Wettkampf und damit, ob diese ihren Beruf ausüben können.54 Gegenüber Profisportlern haben solche Zugangsregeln daher immer wirtschaftlichen Charakter.55 Dementsprechend ist die Forderung der Vereinbarung einer Schiedsvereinbarung nicht als Regelung mit ausschließlich sportlichem Charakter von der Anwendung des EU-Kartellrechts ausgenommen.56
II. Zwischenstaatlichkeit Das OLG München prüfte den Sachverhalt in Pechstein II ausschließlich am Maßstab des § 19 GWB.57 Art. 102 AEUV wurde nicht erwähnt, obwohl ein Markt für Weltmeisterschaften im Eisschnellauf abgegrenzt wurde.58 Auch der 52
Europäische Kommission, Das Europäische Sportmodell, go.wwu.de/sfmpr, Rn. 3.2. EuGH, Urt. v. 18.07.2006, C-519/04 P, ECLI:EU:C:2006:492, Rn. 22, 25 – Meca-Medina; EuGH, Urt. v. 12.12.1974, C-36/74, ECLI:EU:C:1974:140, Rn. 4/10 – Walrave und Koch; sehr deutlich dazu: Mestmäcker/Schweitzer, EUWettR, § 9 Rn. 39. Alle weiteren Besonderheiten des Sports können nur noch tatbestandsimmanent beachtet werden. Hierzu deutlich: Heermann, WuW 2009, 394 (399). Welche Regeln unter diese Ausnahme fallen sollen, ist wegen der engen Verknüpfung von sportspezifischen Regeln und wirtschaftlichem Agieren im Sport nicht eindeutig geklärt. 54 Zu diesem Gedanken siehe: EuGH, Urt. v. 18.07.2006, C-519/ 0 4 P, ECLI:EU:C:2006:492, Rn. 47 – Meca-Medina; Kling/Thomas, KartellR, § 5 Rn. 233. 55 Vgl.: EuGH, Urt. v. 18.07.2006, C-519/0 4 P, ECLI:EU:C:2006:492, Rn. 47 – Meca-Medina; ausdrücklich: Kling/Thomas, KartellR, § 5 Rn. 233. 56 Das Vorliegen von rein sportlichen Interessen hat der EuGH bislang noch nie anerkannt. Unklar ist daher insbesondere die Einordnung von Spiel- und Wettkampfregeln: Kling/Thomas, KartellR, § 5 Rn. 233 In der ISU-Entscheidung der Kommission wird diese Ausnahme vom Kartellrecht nicht thematisiert: Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 24 – ISU. Grundsätzlich gegen eine Ausnahme des Sports vom Kartellrecht: CAS, Schiedsurteil v. 20.10.1999, CAS 98/200 – AEK Athens, schließlich hätten eigentlich alle sportliche Regeln wirtschaftliche Auswirkungen. 57 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43–46) – Pechstein II. 58 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II. 53
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
BGH prüfte in Pechstein III inhaltlich nur § 19 GWB und beließ es hinsichtlich Art. 102 AEUV bei der Feststellung, dass dessen Anwendung zu keinem anderen Ergebnis führen würde.59 Die Interessenabwägung bei § 19 GWB und Art. 102 AEUV würde gleichlaufen.60 Diese ausschließliche Prüfung des § 19 GWB im Fall Pechstein überzeugt nicht. Die europäische und deutsche Missbrauchskontrolle finden gemäß Art. 3 Abs. 1 S. 2 VO 1/2003 nebeneinander Anwendung. Die nationalstaatliche Missbrauchskontrolle darf jedoch strenger sein als die europäische Missbrauchskontrolle (Art. 3 Abs. 2 S. 2 VO 1/2003). Richtig ist daher, dass es nach einer Feststellung eines Verbots auf Grundlage des GWB für die rechtliche Bewertung in Deutschland im Ergebnis nicht notwendig ist, Art. 102 AEUV heranzuziehen. Die Anwendung des Art. 102 AEUV darf aber gemäß Art. 3 Abs. 1 S. 2 VO 1/2003 nicht unterbleiben, wenn die Zwischenstaatlichkeitsklausel erfüllt ist. Wegen der europaweiten Geltung des Art. 102 AEUV gibt es hierfür auch praktische Gründe. Die europäische Missbrauchskontrolle muss angewendet werden, wenn der potenzielle Marktmachtmissbrauch dazu geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Zwischenstaatlichkeitsklausel). Das ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH der Fall, wenn der Kartellverstoß den Waren- oder Dienstleistungsverkehr im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell in einer Weise beeinträchtigt, die mit den Zielen eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes unvereinbar ist.61 Schiedsvereinbarungen im Sport werden dem einzelnen Sportler in der Regel für besondere Wettkämpfe oktroyiert. Hierbei handelt es sich um Weltmeisterschaften, Europameisterschaften oder sonstige Wettkämpfe, die im Normalfall Sportlern verschiedener (europäischer) Länder offenstehen. In diesen Fällen sind nicht nur Sportler aus Deutschland durch die Forderung der Schiedsvereinbarung betroffen. Die Verpflichtung, bei der Teilnahme an einem Wettkampf eine Schiedsvereinbarung zu unterzeichnen, kann Athleten auch davon abhalten, an einem Wettkampf teilzunehmen, weil diese ihr Recht auf Streitentscheidung durch ein staatliches Gericht nicht aufgeben möchten. Oktroyierte Schiedsvereinbarungen sind bei solchen Wettkämpfen daher potenziell dazu geeignet, das Tätigwerden dieser Sportler auf dem europäischen Markt zu erschweren, weshalb die Zwi-
59
BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (22270 Rn. 48) – Pechstein III. BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 48) – Pechstein III. 61 Siehe nur: EuGH, Urt. v. 13.07.2006, C-295/04, ECLI:EU:C:2006:461, Rn. 42 – Manfredi; EuGH, Urt. v. 28.02.2013, C-1/12, ECLI:EU:C:2013:127, Rn. 65 – Ordem dos Técnicos Oficiais de Contas. 60
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schenstaatlichkeitsklausel erfüllt ist.62 Aber auch bei rein nationalen Sportwettkämpfen kann nach der Vorstellung des EuGH die Zwischenstaatlichkeitsklausel erfüllt sein.63 Angesichts der starken Marktstellung der Sportverbände64 ist auch die Spürbarkeit der potenziellen Beschränkung gegeben.65 Anders als es die Gerichte in Pechstein II und III gemacht haben, wird für diese Untersuchung das europäische Kartellrecht herangezogen.66
III. Missbrauchsverbot, Art. 102 AEUV Das Missbrauchsverbot des EU-Kartellrechts verbietet Unternehmen mit einer marktbeherrschenden Stellung, diese in einer missbräuchlichen Weise auszunutzen, Art. 102 AEUV. Bevor in die innhaltliche Prüfung des Art. 102 AEUV eingestiegen werden kann, müssen zwei Vorfragen geklärt werden. Zunächst muss geklärt werden, ob es sich bei Sportveranstaltungen um Plattformen handelt. Darauffolgend ist zu entscheiden, ob die Marktabgrenzung anhand der Plattformseiten oder in Form eines einheitlichen Plattformmarktes vorgenommen werden muss. Weiterhin muss geklärt werden, ob es sich bei den Sportveranstaltern im Verhältnis zu Athleten um Anbieter oder um Nachfrager handelt. 1. Sportveranstaltung als Plattform Eine Sportveranstaltung stellt eine Plattform im kartellrechtlich Sinne dar, wenn zwischen den verschiedenen Handelspartnern des Sportveranstalters in62 Deutlich: Podszun, JZ 2017, 208 (211) und Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257 (258); Zimmermann, ZWeR 2016, 66 (77 f.) zur Causa Pechstein. Wohl ebenso: Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final – ISU; Eckel/Richter, WuW 2015, 1078 (1086); Adolphsen, SpuRt 2016, 46 (50). So generell: Hail, Spitzensport im Licht des Europäischen Kartellrechts, S. 243; S. 193; Zimmermann, ZWeR 2016, 66 (77); Duval/van Rompuy, The compatibility of forced CAS arbitration with EU competition law: Pechstein reloaded., go.wwu.de/f vagj, S. 13; van Rompuy, MJEC 2015, 179 (193). Angedeutet bei: Heermann, Nach der mündlichen Verhandlung am BGH im Pechstein-Verfahren: Noch ist alles möglich!, go.wwu.de/1fpe6, S. 1 f., 8 (Stellungnahme des BKartA). 63 EuGH, Urt. v. 16.12.1975, C-40/73, ECLI:EU:C:1975:174, Rn. 441–448 – Suiker Unie. Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handelns in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags, ABl. 2004 C 101/07, Rn. 21, 44–57. 64 Siehe: Kap. 7. B. III. 4. a) bb), b) (S. 240 ff.). 65 Abstrakt dazu: Hail, Spitzensport im Licht des Europäischen Kartellrechts, S. 245 f. 66 Ebenso: van Rompuy, MJEC 2015, 179 (193) Auf das deutsche Kartellrecht wird nur dann verwiesen, wenn es zu einem anderen Ergebnis kommen würde – dies ist aber nicht der Fall.
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
direkte Netzwerkeffekte bestehen.67 Indirekte Netzwerkeffekte umschreibt „die Tatsache, dass der Nutzen, den die jeweilige Kundengruppe aus dem Produkt zieht, durch die Größe (Größenexternalität) oder die Zusammensetzung (Sortierungsexternalität) der jeweils anderen Kunden- beziehungsweise Nutzergruppe positiv oder negativ beeinflusst wird.“68 Eine Sportveranstaltung ist eine Plattform mit vier69 Marktgegenseiten.70 Bei Sportveranstaltern handelt es sich dementsprechend um Intermediäre.71 Zu beachten sind sowohl der Beschaffungsmarkt der Athletenleistung72 als auch die Absatzmärkte zu den Live-Zuschauern, Werbeunternehmen und Übertragungsunternehmen.73 Zwischen diesen Marktseiten bestehen positive indirekte Netzwerkeffekte. Je mehr Sportler auf dem Markt für Athletenleistung ihre Leistung anbieten, desto höher wird die Leistungsfähigkeit der für die Sportveranstaltung nachgefragten Athleten sein. Dadurch wird der sportliche Wettbewerb auf einem höheren Niveau geführt und hat sowohl für die Live-Zuschauer als auch die Bildschirmzuschauer einen größeren Nutzen, da sie besser unterhalten werden. Aus der steigenden Anzahl an Sportlern, die ihre Athletenleistung anbieten, ergeben sich für die Übertragungsunternehmen ebenfalls indirekte positive Netzwerkeffekte, da das Interesse der Verbraucher an dem Wettkampf und damit auch die Nachfrage nach dessen Übertragung steigt. Erhöht sich die Anzahl der Live-Zuschauer und/oder der Bildschirmzuschauer, hat dies wiederum positive indirekte Netzwerkeffekte für die Werbeunternehmen, da ihre Werbemaßnahmen bei der Sportveranstaltung von einem größeren Publikum wahrgenommen werden. Werben wiederum mehr Werbeunternehmen bei der Sportveranstaltung, übertragen mehr Übertragungsunternehmen und besuchen mehr Live-Zuschauer die Sportveranstaltung, so steigen die Einnahmen der Sportveranstalter. Häufig kön67 Ewald, in: Wiedemann, HB Kartellrecht, § 7 Grundzüge der Wettbewerbsökonomie Rn. 71. 68 Besonders deutlich: Ewald, in: Wiedemann, HB Kartellrecht, § 7 Grundzüge der Wettbewerbsökonomie Rn. 71. 69 Die Kommission erkennt im ISU-Fall nur drei Marktgegenseiten: Athleten, Zuschauer und Unternehmen, die mit dem Sportveranstalter Verträge über die kommerzielle Verwertung der Veranstaltung schließen. Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 88, 90, 92 – ISU. 70 Zu den Voraussetzungen einer Plattform z. B.: Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S. 61 f. 71 Vgl.: Ewald, in: Wiedemann, HB Kartellrecht, § 7 Grundzüge der Wettbewerbsökonomie Rn. 72. 72 Siehe dazu: Kap. 7. B. III. 2. (S. 227 ff.). 73 Siehe dazu: Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, S. 206–246 und für Tickets und Werbung S. 312–323.
B. Verbotsgesetz, § 134 BGB i. V. m. 102 AEUV Live-Zuschauer
223 Positive indirekte Netzwerkeffekte Leistungen
Unterhaltung
Geld
Aufmerksamkeit, ggf. Preisgeld; [Organisation der Sportveranstaltung]
Aufmerksamkeit
Sportveranstaltung (Sportveranstalter)
Athleten Athletenleistung
Werbeunternehmen Geld Übertragungsrechte
Geld
Übertragungsunternehmen Unterhaltung
Geld
Bildschirmzuschauer
Abb. 5: Sportveranstaltung als Plattform. Quelle: Eigene Darstellung.74 nen daher größere Summen an die Athleten ausgeschüttet werden (Startgelder und/oder Preisgelder). Zudem sorgt eine größere Zuschauerzahl dafür, dass den Athleten mehr Aufmerksamkeit zuteil wird, welche Sie nachgeschaltet durch die Vermarktung ihrer Persönlichkeit verwerten können. 74
Bei der Marktabgrenzung auf Plattformmärkten gibt es unterschiedliche Auffassungen dazu, ob von einem einheitlichen (Plattform-)Markt auszugehen ist, oder ob verschiedene Märkte anhand der Plattformseiten abzugrenzen sind.75 Während die Gerichte – ohne sich damit auseinanderzusetzen – bei Sportveranstaltungen eine Marktabgrenzung anhand der Plattformseiten vornehmen,76 hat die Kommission in der ISU-Entscheidung einen einheitlichen Markt abgegrenzt77. Gegen eine einheitliche Marktabgrenzung spricht, dass es sich bei der Nachfrage nach Athletenleistung und der kommerziellen Verwertung einer Sport74
Siehe auch die Abbildung bei: Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen im Sport, S. 237. 75 Siehe nur: Volmar, ZWeR 2017, 386 (388); Louven, FAZ, v. 10.10.2018, 16. 76 Siehe nur: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 45) – Pechstein III; OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II. 77 Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 105 – ISU. Wohl ebenso: van Rompuy, MJEC 2015, 179 (191).
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
veranstaltung um verschiedene Tätigkeiten handelt.78 Im Rahmen der Nachfrage nach Athletenleistung suchen die Sportveranstalter Athleten, die unter den vom Sportveranstalter geforderten Bedingungen am Wettkampf teilnehmen. Im Gegensatz dazu umfasst die kommerzielle Verwertung des Wettkampfes unter anderem die Veräußerung von Senderechten, Vereinbarung von Werbeverträgen und den Verkauf von Eintrittskarten für Live-Zuschauer.79 Die Kommission hat im ISU-Verfahren herausgearbeitet, dass die Organisation und Durchführung einer Sportveranstaltung sowie die kommerzielle Verwertung der Sportveranstaltung in der Praxis voneinander abhängig sind.80 Sie erklärte die gegenseitige Abhängigkeit der Leistungen damit, dass es ohne die sportliche Veranstaltung keine kommerziellen Rechte gäbe, die verwertet werden könnten.81 Es sei in der Praxis nicht vorstellbar, dass die Organisation eines professionellen sportlichen Wettkampfes ohne die Verwertung kommerzieller Rechte finanziert werden könne.82 Aufgrund der Verflechtung der beiden Leistungen sei es „unwahrscheinlich“, dass die Organisation sowie Durchführung von Sportveranstaltungen und die Verwertung der kommerziellen Rechte dieser Veranstaltung zu unterschiedlichen sachlich relevanten Märkten gehören können.83 Der Kommission muss in der Hinsicht recht gegeben werden, dass die Nachfrage nach Athletentätigkeit für (professionelle) Sportveranstaltungen sowie die kommerzielle Verwertung dieser Sportveranstaltung in der Praxis nicht unabhängig voneinander vorgenommen werden. Handelt es sich um Breitensportveranstaltungen, so gibt es hingegen in der Regel keine kommerzielle Verwertung. Diese Tatsache zeigt aber, dass die Durchführung einer Sportveranstaltung auch ohne die kommerzielle Verwertung der Sportveranstaltung finanziert und organisiert werden kann. Die gilt zumindest theoretisch auch für Sportveranstaltungen, an denen Berufssportler teilnehmen. Damit wird der für das BKartA entscheidende Punkt aufgegriffen, mit dem es zwischen Matchingplattformen und Aufmerksamkeitsplattformen unterscheidet. Laut BKartA handelt es sich bei Matching-Plattformen um Plattformen, „die eine auf individuelle Präferenz abgestimmte und von allen Nutzergruppen ange78
So z. B.: Esposito, Private Sportordnung und EU-Kartellrecht, S. 397 f. Vgl.: Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 86, 147 – ISU. 80 Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 99 – ISU. 81 Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 99 – ISU. 82 Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 99 – ISU. 83 Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 99 – ISU; ebenso: Schroeder, WRP 2006, 1327 (1331). 79
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strebte Vermittlung zwischen zweier oder mehr Nutzergruppen“ ermöglichen.84 Im Gegenzug dazu seien Aufmerksamkeitsplattformen solche, „die einer Nutzergruppe die Aufmerksamkeit der anderen Nutzergruppe“ ermöglichen.85 Während das BKartA bei Matchingplattformen einen einheitlichen Markt abgrenzt, nimmt es bei Aufmerksamkeitsplattformen eine Marktabgrenzung anhand der Plattformseiten vor.86 Bei Matchingplattformen sei das Produkt nicht aufteilbar und würde daher zwingend immer beide Nutzergruppen miteinbeziehen.87 Für die Vermittlungstätigkeit würden daher beide Marktseiten benötigt.88 Im Gegensatz dazu würde bei Aufmerksamkeitsplattformen das „Produkt oder der Dienst der Plattform […] nicht erst dann [entstehen], wenn auch die andere Seite an Bord gebracht wird.“89 Aus diesen Feststellungen lässt sich schließen, dass eine Aufmerksamkeitsplattform vorliegen muss, wenn es zumindest theoretisch möglich ist, nur an eine Marktgegenseite zu liefern. Schon 2013 hat Kehder für zweiseitige Märkte gefordert, dass „eine getrennte Marktabgrenzung für beide Seiten immer dann erfolgen [muss], wenn sich beide Nachfragegruppen in ihren grundsätzlichen Bedürfnissen und Präferenzen unterscheiden und deshalb unterschiedliche Substitutionsbeziehungen für diese existieren.“90 Volmar kritisiert hingegen die Einordnung von Plattformen durch das BKartA als Matching- und Aufmerksamkeitsplattformen91 und vertritt das „zweigliedrige Bedarfsmarktkonzept“, welches sich jedoch im Wesentlichen nicht von der Wertung, die das BKartA anlegt, unterscheidet.92 Nach Volmar sollen einheitliche Märkte abgegrenzt werden, „wenn sich die Bedarfe der Plattformseiten komplementär gegenüberstehen.“93 Greift diese Komplementaritätsregel nicht (wie zum Beispiel bei Werbung), so spricht sich Volmar für eine Marktabgrenzung anhand des Bedarfsmarktmodells aus, welches zu einer Abgrenzung 84
BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, B6-113/15, S. 23 f. 85 BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, B6-113/15, S. 24. 86 BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, B6-113/15, S. 31–33. 87 BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, B6-113/15, S. 31. 88 BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, B6-113/15, S. 31. 89 BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, B6-113/15, S. 33. 90 Kehder, Konzepte und Methoden der Marktabgrenzung und ihre Anwendung auf zweiseitige Märkte, S. 75 f. Dem zustimmend wohl: Lohse, ZHR 182 (2018), 321 (332). 91 Volmar, ZWeR 2017, 386 (395–401). 92 So ausdrücklich: Volmar, ZWeR 2017, 386 (402). 93 Volmar, ZWeR 2017, 386 (402).
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anhand der Plattformseiten führt.94 Alleine bei competitive bottlenecks95 fordert er eine Ausnahme von der Komplementaritätsregel und grundsätzlich eine Abgrenzung anhand der Plattformseiten.96 Teilweise wird vorgetragen, dass der EuGH in MOTOE die Abgrenzung eines gemeinsamen Marktes bei Sportveranstaltungen vertreten habe.97 Diese Annahme beruht darauf, dass der EuGH in MOTOE die Tätigkeit des untersuchten Unternehmens als Veranstaltung und kommerzielle Verwertung von Motorradrennen beschrieben hat.98 Allerdings äußerte sich der EuGH in MOTOE nicht eindeutig zur Abgrenzung des sachlichen Marktes, weshalb das Urteil in der Hinsicht keine Klarheit bringt. So beließ der EuGH es dabei, die Tätigkeiten des Sportverbandes aufzuzeigen und dann zu schlussfolgern, dass „[d]iese beiden Tätigkeiten […] nicht austauschbar [seien], sondern […] sich eher hinsichtlich ihrer Funktion [ergänzen würden]“.99 Damit zeigte der EuGH im Ergebnis, dass er auch bei der Abgrenzung der Märkte im Umfeld von Sportveranstaltungen nicht vom Bedarfsmarktmodell abweichen möchte, weshalb in MOTOE zumindest zwei verschiedene relevante Märkte anzunehmen wären.100 Schlussendlich ergibt sich aus diesen Überlegungen, dass „ein Markt für mehrere Produkte abgegrenzt […] [werden muss], wenn diese Produkte entweder aus Verbrauchersicht funktional austauschbar sind (Alt. 1) oder wenn sie zwei Bedarfe befriedigen, die sich komplementär gegenüberstehen (Alt. 2).“101
Sportveranstaltungen dienen nicht primär dem Zweck, Sportler und Werbeindustrie zusammenzubringen, damit diese einen Vertrag abschließen. Es geht gerade nicht um ein „Matching“ komplementärer Bedarfe. Dass sich Sportler und Werbeindustrie im Rahmen einer Sportveranstaltung dazu entscheiden können, einen Vertrag abzuschließen, sorgt nicht dafür, dass dies das primäre Interesse zum Tätigwerden auf der Plattform ist. In der Praxis kommen solche Verträge 94
Volmar, ZWeR 2017, 386 (403). Damit sind Plattformen gemeint, die single- und multihoming der Nachfrager in ihrem Geschäftsmodell vereinen: Volmar, ZWeR 2017, 386 (391 m. N.). Singlehoming bedeutet, dass die Nachfrager nur eine Plattform nutzen, während multihoming bedeutet, dass die Nachfrager mehrere Plattformen parallel nutzen. 96 Volmar, ZWeR 2017, 386 (S. 403 f.). 97 Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, S. 202; ebenso die Prognose von: Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen im Sport, S. 311. 98 EuGH, Urt. v. 01.07.2008, C-49/07, ECLI:EU:C:2008:376, Rn. 33, 45, 53 – MOTOE. 99 EuGH, Urt. v. 01.07.2008, C-49/07, ECLI:EU:C:2008:376, Rn. 33 – MOTOE. 100 So auch: Orth, Mark-E., SpuRt 2008, 196. 101 Volmar, ZWeR 2017, 386 (405), dessen Formulierung aufgrund ihrer Prägnanz (stellvertretend für die dargestellten Definitionsversuche) in dieser Untersuchung herangezogen wird. 95
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nur mit besonders erfolgreichen Athleten beziehungsweise nur mit Athleten bestimmter Sportarten zustande. Weiterhin ist eine Sportveranstaltung (zumindest theoretisch) auch ohne Handel auf den herausgearbeiteten Absatzmärkten durchführbar. In dem Fall müsste die Finanzierung der Veranstaltung lediglich durch andere Wege, wie zum Beispiel Meldegebühren, gesichert werden. Dementsprechend muss die Marktabgrenzung anhand der einzelnen Plattformseiten vorgenommen werden.102 Das bedeutet, dass es für die Marktabgrenzung allein auf das Verhältnis zwischen Sportveranstalter und Athlet ankommt. 2. Angebots- oder Nachfragemarkt In Bezug auf das Verhältnis zwischen Sportveranstalter und Athlet herrscht Uneinigkeit darüber, ob dieses auf kartellrechtlicher Ebene anhand der Vorgaben für Angebots- oder Nachfragemärkte überprüft werden muss. Die Gerichte in Pechstein II–III haben sich mit dieser Frage inhaltlich nicht auseinandergesetzt und sind in ihrer Prüfung vom Sportveranstalter als Anbieter der Sportveranstaltung ausgegangen.103 Auch im ISU-Verfahren wurde die Problematik nicht angeschnitten, sondern ebenfalls ohne Begründung festgestellt, dass es sich bei den Sportveranstaltern um Anbieter der Organisation und Durchführung der Sportveranstaltung handele.104 Auffällig ist, dass Hannamann in ihrer Dissertation das Verhältnis zwischen Athleten (beziehungsweise Teams und Clubs) und Sportveranstaltern 2001 als einen Beschaffungsmarkt bezeichnet, auf dem der Sportveranstalter Nachfrager sei.105 Zwölf Jahre später schreibt sie dem entgegengesetzt:106
102 Selbst wenn dem nicht so wäre, würde dies zu keiner unterschiedlichen Bewertung der kartellrechtlichen Ausgangsfrage führen, da Sportveranstalter auf allen Marktseiten Monopolisten/Monopsonisten sind, sodass Marktbeherrschung bestehen würde. Vergleiche dazu die Ausführung hier unter: Kap 7. B. III. 4. a. bb., b. (S. 240 ff.) und die Feststellung der Kommission in ISU: Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 116–134 – ISU; Heermann, WRP 2015, 1047 (1049). Vgl. zur Abgrenzung anhand der Marktseiten im Ergebnis: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 45) – Pechstein III; OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II.; LG Köln, Urt. v. 13.09.2006, 28 O (Kart) 38/05, SpuRt 2007, 30 (33); Eckel/Richter, WuW 2015, 1078 (1080). 103 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 45) – Pechstein III; OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II. 104 Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 99 – ISU. 105 Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen im Sport, S. 237, 243 f. 106 Hannamann, Athletenvereinbarungen aus kartellrechtlicher Sicht, in: Steinle, Rechtliche Problemstellungen um Athletenvereinbarungen, S. 43 (46).
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„Auf den Märkten für die Teilnahme an Sportwettkämpfen stehen sich die Sportverbände oder sonstige Sportveranstalter als Anbieter des Wettkampfes und als Nachfrager dieses Wettkampf- bzw. Veranstaltungsangebots die Athleten, Clubs bzw. Vereine und Mannschaften gegenüber.“
Die Frage, wer im Verhältnis Sportveranstalter-Athlet im Bezug auf Sportveranstaltungen Anbieter beziehungsweise Nachfrager ist, muss anhand der ökonomischen Begriffe Angebot und Nachfrage erörtert werden. In der Mikroökonomie wird Angebot als die Menge von vorhandenen Gütern und Dienstleistung am Markt definiert.107 Nachfrage ist hingegen die Absicht von Haushalten und Unternehmen, Waren und Dienstleistungen gegen Geld oder zum Tausch zu erwerben.108 Dementsprechend sind die Sportveranstalter Anbieter der Leistung der Organisation und Durchführung von sportlichen Wettkämpfen, während die Athleten Nachfrager dieser Leistung sind.109 Gleichzeitig sind die Sportveranstalter aber Nachfrager von Athletenleistung110, die wiederum von Sportlern angeboten wird.111 Ob die kartellrechtliche Prüfung der Wirksamkeit von Sportschiedsvereinbarungen anhand der Voraussetzungen an Angebots- oder Nachfragemärkte vorgenommen werden muss, ist danach zu beurteilen, im Rahmen welcher der beiden Angebots-Nachfrage-Situationen die Schiedsvereinbarung geschlossen wurde. Im organisierten Sport geschieht die Unterzeichung einer Schiedsvereinbarung oder die Unterwerfung unter eine Schiedsvereinbarung in der Regel durch den Abschluss einer Athletenvereinbarung. In dieser Athletenvereinbarung werden im Normalfall die Bedingungen festgelegt, unter denen der Sportveranstalter Kontrollrechte über die Athletenleistung erhält. Es werden hingegen keine Aussagen über die Organisation und Durchführung der Wettkämpfe getroffen. So wird in der Entry Form für die Olympischen Spiele 2016 beispielsweise geregelt, dass die Athleten während der Teilnahme an den Spielen gefilmt werden dürfen. Die Teilnehmer bestätigen unter anderem, dass sie bei der Ausübung ihrer Athletenleistung auf eigene Gefahr handeln. Ebenso werden in der DOSB-Athletenvereinbarung diverse Vorgaben an die Ausübung der Athletenleistung gemacht. Aussagen darüber, wie die Spiele organisiert und durchgeführt werden sollen, finden sich hingegen nicht unmittelbar in der Entry Form oder 107 Anstelle vieler: Petersen, Mikroökonomie, S. 108; Goolsbee et al., Mikroökonomik, S. 16; Piekenbrock/Hennig, Mikroökonomie, S. 196. 108 Anstelle vieler: Petersen, Mikroökonomie, S. 108; Goolsbee et al., Mikroökonomik, S. 16, 26; Piekenbrock/Hennig, Mikroökonomie, S. 187. 109 Siehe explizit zu Tauschmärkten: Kolmar, Mikroökonomik, S. 55. 110 Unter Athletenleistung wird die Teilnahme an einem sportlichen Wettkampf verstanden. 111 Siehe zu Tauschmärkten: Kolmar, Mikroökonomik, S. 55.
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der DOSB-Athletenvereinbarung für die Olympischen Spiele 2016 sondern in der Olympischen Charta112. Auch im Antrag auf Spielberechtigung der DHB wird direkt lediglich auf die Athletenleistung und nicht die Organisation und Durchführung des Wettkampfes Bezug genommen. Dies legt nahe, dass die Forderung des Abschlusses einer Schiedsvereinbarung durch den Sportveranstalter in den angesprochenen Konstellationen in seiner Eigenschaft als Nachfrager geschieht. Ergibt sich die Bindung an die Schiedsvereinbarung hingegen unmittelbar aus den Regeln, die die Organisation und Durchführung des Wettkampfes bestimmen, so fordert der Sportveranstalter diese in seiner Eigenschaft als Anbieter.113 Schlussendlich muss für jeden konkreten Fall eine Analyse dahingehend vorgenommen werden, im Zuge welches Austausches die Schiedsvereinbarung durch den Sportverband gefordert wird.114 Hieran bestimmt sich, ob deren Wirksamkeit nach Art. 102 AEUV anhand der Vorgaben für einen Nachfrage- oder einen Angebotsmarkt geprüft werden müssen. Für diese Untersuchung wird entsprechend der obigen Ausführungen angenommen, dass die Sportveranstalter Nachfrager der Athletenleistung sind. An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass die Einstufung als Angebots- oder Nachfragemarkt für die Bewertung der untersuchten Frage keinen Unterschied macht. So würde bei einem Angebotsmarkt, der zu 100 % beherrscht wird, ebenso wie auf Nachfragemärkten (vgl.: Kap. 7. B. 4. a) 115), von einer marktbeherrschenden Stellung ausgegangen. Die Einodnung der Sportveranstalter als Unternehmen wäre ebenfalls problemlos. Daher würde es unter den Vorgaben an Angebotsmärkte ebenso zu der Prüfung kommen, ob die Forderung einer Schiedsvereinbarung ein verbotenes Verhalten im Sinne des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV wäre. Infolge der obigen Feststellungen müssen bei der kartellrechtlichen Prüfung die Vorgaben für Nachfragemärkte beachtet werden.116 Auswirkungen hat dies 112
Siehe Kapitel 5 (Regel 32-58) Olympische Charta. Diese Konstellation könnte möglicherweise vorliegen, wenn die Schiedsvereinbarung in dem Regelwerk für die Durchführung des Wettkampfes verankert ist, an die der Athlet allein aufgrund seiner Mitgliedschaft in einem Verein/Verband gebunden ist. 114 Dabei ist es durchaus möglich, dass die Bindung an eine Schiedsvereinbarung mehrfach vorgenommen wird oder dass eine Bindung an verschiedene Schiedsvereinbarungen besteht. Wie in diesen Fällen vorzugehen ist, muss der weiteren Forschung überlassen werden. 115 Siehe: S. 233 ff. 116 Ebenso für einen Nachfragemarkt argumentieren: Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 190 f.; Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen im Sport, S. 237, 243 f. Für einen Angebotsmarkt sprechen sich (ohne Auseinandersetzung) aus: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 45) – Pechstein III; OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II; LG Köln, Urt. v. 13.09.2006, 28 O (Kart) 38/05, SpuRt 2007, 30; LG Dortmund, Urt. v. 113
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auf die Herangehensweise an die Bestimmung der Unternehmenseigenschaft der Sportveranstalter und die Prüfung der Marktbeherrschung. 3. Unternehmenseigenschaft der Sportverbände Ein Unternehmen im Sinne des europäischen Kartellrechts ist jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (funktionaler Unternehmensbegriff).117 Bei Sportverbänden handelt es sich in der Regel um eingetragene Vereine, die eine Einheit im Sinne des funktionalen Unternehmensbegriffs darstellen.118 Weniger klar ist, wann Sportveranstalter wirtschaftlich tätig sind. Unter wirtschaftlicher Tätigkeit versteht der EuGH jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten.119 Auf Nachfragemärkte kann diese Definition daher nicht angewendet werden.120 Ob die Definition der wirtschaftlichen Tätigkeit über die Angebotsseite spiegelbildlich für die Nachfrage verwendet werden kann, ist in der Rechtsprechung des EuGH nicht geklärt.121 In seiner FENIN-Entscheidung hat der EuGH jedoch festgestellt, dass eine Nachfragetätigkeit nicht getrennt von der späteren Verwendung der 22.01.2009, 13 O 2/09 Kart, WuW-RS DE-R, 2610 (2611 Rn. 38); Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 99 – ISU; Esposito, Private Sportordnung und EU-Kartellrecht, S. 397; Horn, Die Anwendung des europäischen Kartellrechts auf den Sport, S. 173, hingegen sieht er Verbände und Clubs als Nachfrager, wenn diese den Athleten ein Gehalt zahlen; Hannamann, Athletenvereinbarungen aus kartellrechtlicher Sicht, in: Steinle, Rechtliche Problemstellungen um Athletenvereinbarungen, S. 43 (46); Schroeder, WRP 2006, 1327 (1331); Eckel/Richter, WuW 2015, 1078 (1080); Zimmermann, ZWeR 2016, 66 (73). Wohl auch: Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, S. 202 f.; Heermann, WRP 2015, 1047 (1050); van Rompuy, MJEC 2015, 179 (191). 117 Anstelle aller: EuGH, Urt. v. 12.07.1984, C-170/83, ECLI:EU:C:1984:271, Rn. 11 – Hydrotherm; EuGH, Urt. v. 23.04.1991, C-41/90, ECLI:EU:C:1991:161, Rn. 21 – Höfner; EuGH, Urt. v. 12.09.2000, C-180/98 bis C-184/98, ECLI:EU:C:2000:428, Rn. 74 m. w. N. – Parlov; EuGH, Urt. v. 01.07.2008, C-49/07, ECLI:EU:C:2008:376, Rn. 21 f. m. w. N. – MOTOE; Kling/Thomas, KartellR, § 5 Rn. 5 m. N. zu jedem Merkmal. 118 Siehe nur: Emmerich/Lange, KartellR, § 3 Rn. 28. Die single entity doctrine greift nicht, vlg.: Becker, in: Fezer/Becker-Eberhard, Lauterkeitsrecht, Verwaltungsschutzrecht (S 16) Rn. 370–372. 119 Siehe nur: EuGH, Urt. v. 16.06.1987, C-118/85, ECLI:EU:C:1987:283, Rn. 7 – Kommission/Italien; EuGH, Urt. v. 18.06.1998, C-35/96, ECLI:EU:C:1998:303, Rn. 36 – Kommission/Italien; Roth/Ackermann, in: FK, KartR, Grundfragen des 81 Abs. 1 EGV Art. 81 EGV, Rn. 37 m. w. N. 120 EuG, Urt. v. 12.12.2006, T-155/04, ECLI:EU:T:2006:387, Rn. 65 – SELEX; BKartA, Nachfragemacht im Kartellrecht – Stand und Perspektiven, go.wwu.de/51gvp, S. 14. 121 Hintergrund ist, dass es in FENIN um die Einkaufstätigkeit einer sozialen Einrichtung ging und die Reichweite des FENIN-Urteils bisher vom EuG explizit nur auf Einrich-
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nachgefragen Güter analysiert werden könne.122 Daher stelle eine Nachfragetätigkeit jedenfalls dann eine wirtschaftliche Tätigkeit dar, wenn in der späteren Verwendung der nachgefragen Güter oder Dienstleistungen eine wirtschaftliche Tätigkeit zu sehen sei.123 Die Forderung von Schiedsvereinbarungen ist mit der Haupttätigkeit der Nachfrage nach Athletenleistung verbunden.124 Dem relativen Unternehmensbegriff 125 folgend muss daher die Nachfrage nach Athletenleistung eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen. Der FENIN-Entscheidung folgend, ist für die Bestimmung der wirtschaftlichen Tätigkeit auf die Verwendung der nachgefragten Leistung abzustellen. Die Athletenleistung wird dazu genutzt, einen Wettkampf zwischen Sportlern stattfinden zu lassen. Dieser Wettkampf wird dann auf verschiedenen Wegen wirtschaftlich verwertet. Zum einen werden Tickets verkauft, mit denen der Wettkampf live angesehen werden kann. Zum anderen werden die Übertragungsrechte an dem Wettkampf veräußert. Zuletzt werden bei dem Wettkampf Werbeflächen vermietet (zum Beispiel Bandenwerbung, Werbung auf dem Spielfeld). Die Verwendung der Athletenleistung stellt daher eine wirtschaftliche Tätigkeit dar, weshalb auch die Nachfrage nach Athletenleistung als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen werden muss. Sportverbände stellen bei der Nachfrage nach Athletenleistung Unternehmen im Sinne des EU-Kartellrechts dar.126 tungen übertragen wurde, die Güter für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten einkaufen: EuG, Urt. v. 12.12.2006, T-155/04, ECLI:EU:T:2006:387, Rn. 67 – SELEX. 122 EuGH, Urt. v. 11.07.2006, C-205/03 P, ECLI:EU:C:2006:453, Rn. 26 – FENIN. Kritisch dazu nur beispielhaft: Roth, Zum Unternehmensbegriff im europäischen Kartellrecht, in: Brinker/Scheuing/Stockmann, FS Bechtold, S. 393; Bornkamm, Hoheitliches und unternehmerisches Handeln der öffentlichen Hand im Visier des europäischen Kartellrechts, in: Müller/Osterloh/Stein, FS Hirsch, S. 231 (237 f.). 123 EuGH, Urt. v. 11.07.2006, C-205/03 P, ECLI:EU:C:2006:453, Rn. 26 – FENIN; EuG, Urt. v. 12.12.2006, T-155/04, ECLI:EU:T:2006:387, Rn. 65 – SELEX. Das BKartA spricht daher von einem Akzessorietätsansatz: BKartA, Nachfragemacht im Kartellrecht – Stand und Perspektiven, go.wwu.de/51gvp, S. 14. 124 Kap. 7. B. III. 2. (S. 227 ff.). 125 Besonders prägnant zum relativen Unternehmensbegriff: Roth/Ackermann, in: FK, KartR, Grundfragen des 81 Abs. 1 EGV Rn. 31, 35; siehe auch: BGH, Urt. v. 06.11.2013, KZR 58/11, WuW-RS DE-R, 4037 (Rn. 44 m. w. N.) – VBL-Gegenwert. Kritisch zum relativen Unternehmensbegriff: Hail, Spitzensport im Licht des Europäischen Kartellrechts, S. 234–238. 126 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 45) – Pechstein III; OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 170 m. w. N.; Beisenherz, Der professionelle Sport und das europäische Kartellrecht, Rn. 125; Heermann, WuW 2009, 394 (401); Haus/ Heitzer, NZKart 2015, 181 (183); Eckel/Richter, WuW 2015, 1078 (1080); Zimmermann, ZWeR 2016, 66 (72); i. E. auch: EuGH, Urt. v. 18.07.2006, C-519/04 P, ECLI:EU:C:2006:492,
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4. Marktbeherrschung Die Anwendung des Art. 102 AEUV setzt weiterhin voraus, dass die Sportverbände über eine beherrschende Stellung auf dem Binnenmarkt verfügen. Das EuG hat in der Sache British Airways klargestellt, dass die Marktbeherrschung durch Nachfrager ebenso zu bestimmen ist wie die von Anbietern.127 Dementsprechend beherrschen die Sportveranstalter den einschlägigen Beschaffungsmarkt, wenn sie in der Lage sind, sich gegenüber den übrigen Nachfragern und den Anbietern in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten und einen wirksamen Nachfragewettbewerb zu verhindern.128 Für die Bestimmung eines solchen durch den Wettbewerb nicht mehr zu kontrollierenden Verhaltensspielraum ist insbesondere der Marktanteil des Unternehmens auf dem relevanten Markt zu bestimmen.129 Diese spiegelbildliche Anwendung der Vorgaben für Angebotsmärkte auf Nachfragemärkte wird Monopson-Modell genannt.130 Insbesondere in der Literatur wird davon ausgegangen, dass das Monopson- Modell nicht in der Lage ist, der Realität von Austauschbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern gerecht zu werden.131 Für die Bestimmung von NachRn. 38 – Meca-Medina. Zur gleichzeitigen Stellung als Unternehmensvereinigungen siehe nur: EuG, Urt. v. 26.01.2005, T-193/02, ECLI:EU:T:2005:22, Rn. 75 – Piau; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 02.02.2016, 11 U 70/15 (Kart), WuW 2016, 190 (191); Emmerich/Lange, KartellR, § 3. Rn. 37; Hail, Spitzensport im Licht des Europäischen Kartellrechts, S. 231 f., für Vereine siehe S. 228; van Rompuy, MJEC 2015, 179 (190). Nordemann/Förster sind der Meinung, es müsse die Unternehmenseigenschaft des CAS geprüft werden, wenn dessen Verfahrensregeln geprüft würden. Eine Unternehmenseigenschaft des CAS lehnen sie aber ab: Nordmann/Förster, WRP 2016, 312 (315). Vgl. insgesamt auch: Horn, Die Anwendung des europäischen Kartellrechts auf den Sport, S. 134–144. 127 EuG, Urt. v. 17.12.2003, T-219/99, ECLI:EU:T:2003:343, Rn. 101, 189 – British Airways. 128 O’Donoghue/Padilla, The law and economics of article 102 TFEU, S. 841; Kling/ Thomas, KartellR, § 6 Rn. 55; Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 69; Wirtz, in: Mäger, EU-KartellR, 6. Kap. Verhaltenskontrolle bei marktbeherrschenden Unternehmen Rn. 29. 129 Anstelle aller: Emmerich/Lange, KartellR, § 9 Rn. 16. 130 BKartA, Sektoruntersuchung Lebensmitteleinzelhandel v. Sept. 2014, B2-15/11, S. 16; Weidt, Missbrauch relativer Nachfragemacht in laufenden Geschäftsbeziehungen, S. 7; Haucap et al., Die Bestimmung von Nachfragemacht im Lebensmitteleinzelhandel, S. 5; Inderst, WuW 2008, 1261 (1264 f.); Ewald, in: Wiedemann, HB Kartellrecht, § 7 Grundzüge der Wettbewerbsökonomie Rn. 54. 131 Haucap et al., Die Bestimmung von Nachfragemacht im Lebensmitteleinzelhandel, S. 5; Ewald, in: Wiedemann, HB Kartellrecht, § 7 Grundzüge der Wettbewerbsökonomie Rn. 59; siehe aber auch: BKartA, Sektoruntersuchung Lebensmitteleinzelhandel v. Sept. 2014, B2-15/11, 20. Angedeutet bei: Raeder, Der Schutz des Lieferanten als Marktgegenseite im Kartellrecht, S. 179; Weidt, Missbrauch relativer Nachfragemacht in laufenden Geschäftsbeziehungen, S. 13–15; Inderst, WuW 2008, 1261 (1264).
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fragemacht sei daher auf die jeweilige Macht in der bilateralen Verhandlungssituationen abzustellen.132 Nachfragemacht sei danach zu beurteilen, „welche Konsequenzen ein Scheitern der Verhandlungen für den Verhandlungspartner jeweils hätte.“133 Dem Verhandlungspartner, für den das Scheitern der Verhandlungen geringere wirtschaftliche Nachteile bedeutet, kommt dementsprechend Verhandlungsmacht und damit Nachfragemacht zu.134 Ab wann die Verhandlungsmacht zu einer Einschlägigkeit des Art. 102 AEUV führt ist dabei noch nicht geklärt worden.135 In dieser Untersuchung wird zunächst das Monopson-Modell auf das Verhältnis Sportveranstalter-Athlet angewendet, bevor auf das Verhandlungsmodell eingegangen wird. a) Anwendung des Monopson-Modells Für die Bestimmung der marktbeherrschenden Stellung nach dem Monopson-Modell musst zunächst der relevante Markt abgegrenzt werden.136 Der relevante Markt setzt sich aus dem sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt zusammen.137 In dieser Untersuchung wird auf die Märkte von nationalen und internationalen Meisterschaften sowie der Olympischen Spiele abgestellt,138 da diese für Athleten die wichtigsten Wettkämpfe darstellen.139 Eine Einordnung von anderen Wettkämpfen wird nicht vorgenommen.
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Jeweils mit umfangreichen Nachweisen: Weidt, Missbrauch relativer Nachfragemacht in laufenden Geschäftsbeziehungen, S. 13; Raeder, Der Schutz des Lieferanten als Marktgegenseite im Kartellrecht, S. 179–192. 133 So deutlich: Ewald, in: Wiedemann, HB Kartellrecht, § 7 Grundzüge der Wettbewerbsökonomie Rn. 59; siehe zur Berechnung von Verhandlungsmacht: Haucap et al., Die Bestimmung von Nachfragemacht im Lebensmitteleinzelhandel, S. 6 f. 134 BKartA, Sektoruntersuchung Lebensmitteleinzelhandel v. Sept. 2014, B2-15/11, S. 20–23; Ewald, in: Wiedemann, HB Kartellrecht, § 7 Grundzüge der Wettbewerbsökonomie Rn. 59. 135 BKartA, Nachfragemacht im Kartellrecht – Stand und Perspektiven, go.wwu.de/ 51gvp, S. 6 f. Siehe aber die Kriterien des BKartA für relative Marktmacht (§ 20 GWB): BKartA, Sektoruntersuchung Lebensmitteleinzelhandel v. Sept. 2014, B2-15/11, S. 47 f. Siehe ebenfalls die von Weidt formulierten Kriterien: Weidt, Missbrauch relativer Nachfragemacht in laufenden Geschäftsbeziehungen, S. 84. 136 Anstelle aller: Emmerich/Lange, KartellR, § 9 Rn. 15 f. 137 Mestmäcker/Schweitzer, EUWettR, § 17 Rn. 17–29 m. w. N. 138 Aufgrund dieser Zusammenfassung kommt es bei der Abgrenzung notgedrungen zu einer Verallgemeinerung. 139 Siehe auch: OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II. Die wohl bekannteste Ausnahme ist die Tour de France im Radsport als wichtigstes Radrennen.
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
aa) Relevanter Markt Der relevante Nachfragemarkt erfasst spiegelbildlich zum Angebotsmarkt nach dem Bedarfsmarktmodell alle alternativen Absatzwege für die Dienstleistungen (Athletenleistung) der Anbieter.140 Es kommt darauf an, welche Absatzwege (für die Athletenleistung) aus Sicht der Anbieter austauschbar sind. (1) Sachlich relevanter Markt Bei Individualsportarten stellt der einzelne Athlet die Marktgegenseite für die Nachfrage nach Athletenleistung durch die Sportveranstalter dar. Anders ist dies bei Mannschaftssportarten im Ligasystem, bei denen die Athleten bei den Vereinen angestellt sind.141 In diesem Fall stellen die Vereine die Marktgegenseite dar, da diese über die Teilnahme der Mannschaft an Wettkämpfen entscheiden.142 Für diese Ausführungen werden daher bei Individualsportarten die einzelnen Sportler als Anbieter von Athletenleistung angesehen. Bei Mannschaftssportarten im Ligasystem werden hingegen die einzelnen Vereine als Anbieter der Athletenleistung angesehen.143 Bei Mannschaftssportarten außerhalb eines Ligasystems (zum Beispiel Handballweltmeisterschaft) kommt es zu einer doppelten Marktgegenseite. Die Vereine werden durch Verbandsregeln dazu verpflichtet, Spieler für die Nationalmannschaften abzustellen, wenn der nationale Spitzenverband dies fordert.144 In diesen Fällen kommt dem nationalen Verband das Weisungsrecht gegenüber den Spielern zu. In der Praxis ist bislang nicht entschieden, ob die Sportler einer solchen Forderung nachkommen müssten.145 De facto werden aber Rück140 Kling/T homas, KartellR, § 8 Rn. 123 m. w. N.; Weidt, Missbrauch relativer Nachfragemacht in laufenden Geschäftsbeziehungen, S. 7 f.; Busche, in: KöKo, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 39; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 71; Füller, in: MüKo, WettR, Einleitung Rn. 1079. Siehe auch: EuG, Urt. v. 17.12.2003, T-219/99, ECLI:EU:T:2003:343, Rn. 101 – British Airways; BKartA, Sektoruntersuchung Lebensmitteleinzelhandel v. Sept. 2014, B2-15/11, Rn. 34. 141 Dies gilt auch für Individualsportler, die bei einem Verein angestellt sind. Vgl.: Köhler, Der Arbeitnehmerbegriff im Sport, S. 100–106. Da diese Konstellation aber wesentlich seltener vorliegt, wird in dieser Untersuchung von Mannschaftssportlern gesprochen. 142 Unentschlossen dazu: Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, S. 205. 143 Daher wird hier nur auf diejenigen Mannschaftssportler abgestellt, die auch bei ihrem Verein angestellt sind. Mannschaftssportler, bei denen dies nicht der Fall ist, werden hier nicht in die Überlegungen miteinbezogen. 144 Siehe z. B.: § 15 Abs. 1 lit. c DHB-Satzung; § 6 Abs. 2 lit. a DHB-Spielordnung; § 6 Nr. 3.3 HBL-Satzung; § 16b Nr. 3 DFB-Satzung. 145 Ablehnend: Fritsch, ZEIT Online, Es gibt keinen Einberufungsbefehl für Fußballer, go.wwu.de/3r8on. Das LG Dortmund hielt die Verpflichtung für Vereine, ausländische Nationalspieler unentgeldlichen abzustellen für nicht nicht mit dem Marktmachtmissbrauchsverbot in § 19 GWB und Art. 102 AEUV vereinbar: LG Dortmund, Urt. v. 14.05.2014, 8
B. Verbotsgesetz, § 134 BGB i. V. m. 102 AEUV
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tritte aus der Nationalmannschaft akzeptiert, sodass den Sportlern jedenfalls in der Praxis Entscheidungsbefugnis dahingehend zukommt, ob sie der Forderung der Nationalmannschaft folgen. Daher besteht die Marktgegenseite in diesen Fällen aus den nationalen Spitzenverbänden und den einzelnen Athleten. Es handelt sich um eine Kombination aus den bei Individualsportarten und Mannschaftssportarten im Ligasystem zu untersuchenden Marktgegenseiten. Daher wird im Weiteren nicht explizit auf die Marktabgrenzung bei Mannschaftssportarten außerhalb eines Ligasystems eingegangen. (a) Wettbewerbe anderer Sportarten Im ersten Schritt wird aus Sicht der Athleten (beziehungsweise der Vereine) geprüft, ob die Wettbewerbe verschiedener Sportarten im Hinblick auf ihre Athletenleistung austauschbar sind, ihre Athletenleistung also bei Wettbewerben verschiedener Sportarten verwertet werden kann. Dabei ist zu beachten, dass der (heutige) Leistungssport hochspezialisiert ist und Wettbewerbsfähigkeit auf hohem Level nur dann erreicht werden kann, wenn eine bestimmte Sportart von jungem Alter an mit einer hohen Trainingsintensität betrieben wird.146 Aus diesem Grund ist schon das Antreten eines Athleten in zwei Sportarten (auch zeitversetzt) ungewöhnlich. Noch seltener ist es, wenn dieser Athlet in beiden Sportarten erfolgreich ist.147 Vereinzelte Beispiele von erfolgreichen Wechslern (z. B. bei artverwandten Sportarten wie Langlauf und Biathlon148) vermögen diese grundsätzliche Feststellung nicht zu widerlegen. Hinzu kommt, dass selbst die gleiche Sportart (zum Beispiel wegen verschiedener Streckenlänge) so unterschiedliche Leistungsanforderungen haben kann, dass ein Wechsel innerhalb dieser Sportart auf eine andere Disziplin nicht ohne Weiteres O 46/13, SpuRt 2015, 31; so auch: Heermann, CaS 2015, 384. Für eine Wirksamkeit einer unentgeldlicher Abstellungspflicht für die Vereine hingegen: OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.07.2015, VI-U (Kart) 13/14, CaS, 2015, 392. 146 Vgl. zum Eisschnelllauf: Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 92 – ISU. Siehe daher nur beispielhaft wie besonders es ist, wenn ein Athlet über einen anderen Weg in den Spitzensport kommt: FAZ Online, Der Aufstieg vom Kreisliga-Knipser zum Profi, go.wwu.de/r6unh. 147 Siehe die (nur bedingt repräsentativen) Auflistungen von Sportlern in zwei Disziplinen: RP Online, Die Sportartwechsler, go.wwu.de/w yveb; SZ Online, Abenteuer in fremden Sportarten, go.wwu.de/4ikji; SPOX.com, Usain Bolts Vorgänger: Diese Sportler probierten sich in zwei Sportarten, go.wwu.de/9xbsf. Dementsprechend handelte es sich beim Olympiasieg von Ester Ledecka im Super-G (Ski) und im Parallel-GS (Snowboard) in Pyeongchang 2018 um ein Novum in der Geschichte der Olympischen Spiele. Dazu: Salzburger Nachrichten, Ledecka schrieb Sportgeschichte – Gold im Ski und Snowboard, go.wwu.de/x 2vip. 148 Beispiele zum Wechsel zwischen Langlauf und Biathlon bei: RP Online, Diese Langläuferinnen wechselten zum Biathlon, go.wwu.de/kehio.
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
möglich ist.149 Der Großteil der Athleten kann seine Athletenleistung nicht erfolgversprechend bei Veranstaltung einer anderen Sportart absetzen. Erschwerend kommt hinzu, dass es für höherklassige Wettbewerbe feste Nominierungskriterien gibt, ohne deren Erreichen eine Wettkampfteilnahme nicht möglich ist.150 Die Wettkämpfe verschiedener Sportarten sind daher aus Sicht der Athleten als Absatzmöglichkeiten für ihre Athletenleistung nicht miteinander substituierbar.151 Auch wenn die Vereine die Marktgegenseite darstellen, ist dies nicht anders zu beurteilen. Es kommt schließlich ebenfalls darauf an, welche Absatzmöglichkeiten für die Athletenleistung bestehen und aus Sicht des Vereins substituierbar sind. Dementsprechend ist entscheidend, ob die Vereine die Athletenleistung eines Handballspielers zum Beispiel bei einem Rugby- oder Eishockeywettbewerb absetzen könnten. Selbst wenn ein Verein sowohl eine Handball- als auch eine Rugby- oder Eishockeymannschaft in einem Ligasystem hätte,152 wäre eine Verwendung in den anderen Mannschaften lediglich theoretischer Natur. Zum einen legen die Verträge zwischen Athlet und Verein in der Regel die alleinige Verwendung bei einer bestimmten Sportart (häufig auch einer bestimmten Liga) fest.153 Zum anderen sind die Athleten, wie dargelegt, nur äußerst selten in der Lage, in anderen Sportarten kompetitiv tätig zu werden. Daher würde ein anderweitiges Absetzen der Athletenleistung für den Verein sehr wahrscheinlich zu wirtschaftlichen Einbußen führen. Der Athlet würde die Mannschaftsleistung erheblich schwächen. Die Olympischen Spiele als sportartübergreifender Wettkampf sind aus Sicht der Athleten im Regelfall154 nicht mit einer Weltmeisterschaft in ihrer Sportart austauschbar, da es sich bei den Olympischen Spielen um eine nur alle vier Jahre stattfindende Sportveranstaltung155 handelt, die allgemein als der wichtigste und prestigeträchtigste sportliche Wettkampf angesehen wird.
149 So: Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 92 – ISU. Man denke nur an den Laufsport und die unterschiedlichen Anforderungen an einen Marathonläufer und einen 100-Meter-Sprinter. 150 Siehe nur beispielhaft die Nominierungskriterien des DLV: http://go.wwu.de/oz7yr. 151 Ebenso: Beisenherz, Der professionelle Sport und das europäische Kartellrecht, Rn. 132. 152 Vgl. z. B. den FC Bayern München, der neben der Fußballmannschaft der Männer und Frauen in der Bundesliga auch über ein Basketballteam in der ersten Liga (zu den verschiedenen Abteilungen siehe: FC Bayern München e. V., http://go.wwu.de/v terk). 153 Vgl. z. B.: § 1 Nr. 1 DFB-Mustervertrag für Vertragsspieler. 154 Eine Ausnahme ist z. B. der Basketballsport, in dem der Gewinn der NBA-Meisterschaft wohl als größter sportlicher Erfolg gilt. 155 Regel 32 Nr. 1 i. V. m. Nr. 1 Durchsetzungsbestimmung zu Regel 6 Olympische Charter.
B. Verbotsgesetz, § 134 BGB i. V. m. 102 AEUV
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Aus diesen Ausführungen ist zu schlussfolgern, dass der relevante Markt der Markt für Athletenleistung einer konkreten Sportart ist.156 (b) Nationale oder internationale Sportveranstaltungen derselben Sportart Im zweiten Schritt ist zu klären, ob nationale und internationale Sportveranstaltungen zum gleichen sachlichen Markt gehören. Aus Athletensicht ist dies mangels gleichwertiger Absatzmöglichkeit ihrer Athletenleistung bei diesen Veranstaltungen nicht der Fall. Aus Sicht der Athleten sind bei einem Wettkampf drei Kriterien maßgeblich: (1) Nominierungsentscheidungen auf Grundlage des Wettkampfes. (2) Generierte Aufmerksamkeit. (3) (Mögliche) Wirtschaftliche Auswirkungen einer Teilnahme. Im Regelfall handelt es sich bei diesen Punkten um solche, anhand derer sich internationale und nationale Wettkämpfe unterscheiden. Bei Individualsportarten haben internationale Wettkämpfe im Normalfall ein deutlich höheres Prestige als nationale Wettkämpfe.157 Zudem haben nationale Wettkämpfe für Athleten eine weit geringere ökonomische Wichtigkeit, da sowohl die Preisgelder als auch die durch die Teilnahme generierte Aufmerksamkeit geringer sind.158 Dies geht so weit, dass die nationalen Events von Athleten zum Teil nur deshalb besucht werden, da anhand der erzielten Ergebnisse die Nominierungen für die internationalen Wettbewerbe vorgenommen werden.159 Auch für Vereine besteht hinsichtlich der Absetzbarkeit von Athletenleistung keine Substituierbarkeit von nationalen und internationalen Wettbewerben. Für einen Fußballverein ist beispielsweise der Gewinn der Champions League mit größerem Prestige und Preisgeld verbunden als ein erster Platz in der Bundes-
156 Vgl.: Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 98 – ISU; Horn, Die Anwendung des europäischen Kartellrechts auf den Sport, S. 174. Wohl ebenso: Esposito, Private Sportordnung und EU-Kartellrecht, S. 175, 398. Eine darüberhinausgehende Markteingrenzung z. B. bei der Frage, ob 100 Meter, 200 Meter, 400 Meter und 1500 Meter Rennen in der Leichtathletik zu einem relevanten Markt gehören, soll hier nicht bestimmt werden. 157 Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 108 – ISU; siehe auch: OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II; Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, S. 203 f.; Horn, Die Anwendung des europäischen Kartellrechts auf den Sport, S. 174. 158 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II; Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 108 – ISU. 159 Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 108 – ISU.
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
liga.160 Darüber hinaus führt schon die Teilnahme an der Champions League zu einer wirtschaftlichen Besserstellung der Clubs, da sie hierdurch an den, im Gegensatz zur Bundesliga, deutlich höheren Einnahmen durch Übertragungsrechte etc. beteiligt werden.161 Ebenso kann ein guter Auftritt in der Champions League den Marktwert eines Spielers deutlicher erhöhen als dieselbe Leistung in der Bundesliga, was für die Vereine aufgrund der daraus resultierenden höheren Ablösesumme von Interesse ist.162 Zuletzt bieten die internationalen Wettkämpfe auch die Möglichkeit, gegen leistungsstärkere Teams zu spielen. Nationale und internationale Sportveranstaltungen stellen daher unterschiedliche sachliche Märkte dar.163 (c) Nationale Meisterschaften in verschiedenen Ländern Weiterhin ist zu fragen, ob nationale Wettbewerbe in verschiedenen Ländern für Athleten (beziehungsweise Vereine) alternative Absatzmöglichkeiten darstellen. Aus Sicht der Athleten ist die Austauschbarkeit von nationalen Meisterschaften bei Individualsportarten schon deshalb nicht gegeben, da hieran häufig nur solche Athleten teilnehmen dürfen, die die Staatsangehörigkeit des Staates haben, dessen nationale Meisterschaft ausgerichtet wird.164 Auch der Wechsel der Nationalität ist (für den Sport) nur in Sonderfällen möglich.165 160 Siehe zum Vergleich Champions League und Bundesliga: Fußball-Geld.de, Einnahmetabelle: 1. Bundesliga, go.wwu.de/w ve6b. 161 Vgl.: UEFA, Champions League 2018/19, go.wwu.de/pfduk. 162 Mit der gleichen Begründung: Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, S. 204. 163 Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, S. 204; Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 110 – ISU. Ob darüber hinaus auch zwischen weltweiten und europaweiten Wettkämpfen unterschieden werden muss, bleibt hier offen. Gleichwohl besteht große Sympathie für eine weitere Aufteilung der Sportveranstaltungen in unterschiedliche Märkte. Gegen eine solche Aufteilung: Duval/van Rompuy, The compatibility of forced CAS arbitration with EU competition law: Pechstein reloaded, go.wwu.de/f vagj, S. 13. Siehe auch: Esposito, Private Sportordnung und EU-Kartellrecht, S. 398 f.; Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, S. 205. 164 Siehe nur: § 6.2 Abs. 1 BDR-Sportordnung. Ausnahme hiervon sind sog. offene Deutsche Meisterschaften wie z. B. die Internationale Deutsche Meisterschaft 2018 im Schwimmen. Gegen die Rechtmäßigkeit einer Kopplung des Startrechts bei Deutschen Meisterschaften an die Staatsangehörigkeit: GA Tanchev, Schlussanträge v. 07.03.2019, C-22/18, Rn. 59–111 – Topfit. In den Fällen Internationaler Deutscher Meisterschaften liegt jedoch aus räumlicher Sicht ein nationaler Markt vor, weshalb die Einordnung i. E. kein Unterschied in der Abgrenzung des relevanten Marktes macht. Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, S. 204. 165 Vgl. nur: Regel 41 und Durchführungsbestimmung zu Regel 41 Olympische Charta.
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Eine Austauschbarkeit für Clubs als Marktgegenseite ist deshalb zu verneinen, da ein Wechsel zum Beispiel von der Premier League (England) in die 1. Fußball-Bundesliga (Deutschland) daran scheitert, dass die sportliche Voraussetzung (Aufstiegsplatz in der 2. Fußall-Bundesliga) nicht gegeben sein kann.166 Neue Clubs müssten in der untersten Liga in den Spielbetrieb einsteigen und von dort Liga um Liga aufsteigen.167 (2) Räumlicher und zeitlicher Markt Der räumliche und zeitliche Markt muss bei Sportveranstaltungen in der Regel nicht abgegrenzt werden, da nach der sachlichen Marktabgrenzung jede Sportveranstaltung einen eigenen Markt darstellt. Unabhängig davon ist der räumliche Markt von internationalen Sportveranstaltungen wie zum Beispiel Weltmeisterschaften ein weltweiter Markt.168 Bei Europameisterschaften liegt ein europaweiter Markt und bei nationalen Meisterschaften ein nationaler Markt vor.169 In zeitlicher Hinsicht besteht der relevante Markt immer nur für den Zeitraum des Wettkampfes. Zudem bestehen zum Beispiel durch die Rahmenkalender der Spitzenfachverbände Konkurrenzsschutzbestimmungen, die das gleichzeitige Abhalten von möglicherweise miteinander konkurrierenden Wettkämpfen untersagen.170 Ergebnis Der für die Untersuchung relevante Markt ist der Markt für Athletenleistung für einen bestimmten Wettkampf (zum Beispiel WM) einer konkreten Sportart.171 166
Siehe nur § 3 Nr. 1 DFL-Lizensierungsordnung i. V. m. § 3 Nr. 3 DFL-Spielordnung Siehe zu einem ähnlichen Praxisbeispiel die Entwicklung von RB Leipzig: RB Leipzig, Wir sind Leipzig, go.wwu.de/skzwb. 168 Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 115 – ISU; Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, S. 204 f. 169 Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, S. 204 f. 170 Siehe zum Fußball die Rahmenspielkalender von: FIFA (Art. 70 FIFA-Statuten, http://go.wwu.de/33dm6), UEFA (http://go.wwu.de/dchmu) und DFB (§ 16a Nr. 5, § 48 Nr. 2 lit. b, http://go.wwu.de/yca6v). Ausnahmen von dieser zeitlichen Taktung gibt es nur selten. Siehe z. B. NHL und Olympische Spiele 2018: Oldörp, Deutschlandfunk, Ohne NHL-Stars ins Eishockey-Turnier, go.wwu.de/awjpb. 171 Vgl.: OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II; BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 45) – Pechstein III; Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 112 – ISU; Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, S. 201–204; Beisenherz, Der professionelle Sport und das europäische Kartellrecht, Rn. 132; wohl auch: Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 190 f.; Zimmermann, 167
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
Für die Beispiele dieser Untersuchung172 bedeutet dies, dass es einen Markt für Athletenleistung für jede einzelne Sportart bei den Olympischen Spielen gibt. Weiterhin gibt es einen Markt für Athletenleistung für die 1. Handball-Bundesliga. bb) Marktmacht Für die Bestimmung der Marktmacht von Sportveranstaltern wird beispielhaft auf die Olympischen Spiele und die 1. Handball-Bundesliga zurückgegriffen. Wie bereits herausgearbeitet, besteht sowohl ein Markt für die Nachfrage von Athletenleistung für die Olympischen Spiele (und dabei für jede einzelne Sportart) als auch ein Markt für die Nachfrage von Athletenleistung für die 1. Handball-Bundesliga. Um den Marktanteil des IOC und des DHB auf diesen Märkten feststellen zu können, muss in einem ersten Schritt geklärt werden, ob diesen die Organisationsherrschaft über die Nachfrage, respektive der Zulassung der Athleten zukommt. Nur wenn IOC und DHB über die Zulassung der Athleten zum Wettkampf entscheiden, sind sie überhaupt Nachfrager auf dem relevanten Markt.173 In einem zweiten Schritt muss festgestellt werden, ob diese Stellung als Nachfrager ausreicht, um Marktmacht im Sinne des Art. 102 AEUV zu begründen. (1) IOC und DHB als Nachfrager (a) Olympische Spiele Die Olympische Charter als Satzung des IOC stellt das Regelwerk für die Feier174 der Olympischen Spiele dar.175 Hiernach ist das IOC für die regelmäßige Austragung der Olympischen Spiele verantwortlich.176 Es ist nach eigener Auffassung177 Inhaberin aller Rechte der Olympischen Spiele, darunter auch des exZWeR 2016, 66 (73); Haus/Heitzer, NZKart 2015, 181; Eckel/Richter, WuW 2015, 1078 (1081) 172 Siehe: Kap. 2. B. (S. 28 ff.). 173 Siehe dazu die Entscheidung Piau, in der der FIFA wegen ihrer Leitungsmacht für den Fußballsport durch den EuG eine kollektiv beherrschende Stellung auf dem Markt der Dientsleistungen für Spielervermittler bescheinigt wurde, obwohl sie sich auf dem Markt nicht direkt betätigte: EuG, Urt. v. 26.01.2005, T-193/02, ECLI:EU:T:2005:22, Rn. 115 – Piau. 174 Gemeint ist das Abhalten der Olympischen Spiele. 175 Einleitung Olympische Charter. 176 Regel 2 Nr. 3 Olympische Charter. 177 Siehe z. B. den Streit über Regel 40 der Olympischen Charter: BKartA, Pressemitteilung v. 21.12.2017, Markttest über Zusagen von DOSB und IOC, go.wwu.de/q5vzc; BKartA, Pressemitteilung v. 27.02.2019, Bundeskartellamt erwirkt Öffnung der Werbemöglichkeiten für deutsche Sportler und ihre Sponsoren während der Olympischen Spiele – IOC und DOSB verpflichten sich zu Änderung der Werberegeln, go.wwu.de/j7646.
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klusiven Rechts, die Olympischen Spiele zu organisieren.178 Dies ändert sich auch dadurch nicht, dass das IOC die Organisation im engeren Sinne einem Organisationskomitee, bestehend aus dem nationalen olympischen Verband des Gastgeberlandes und der Veranstalterstadt, anvertraut.179 Dieses Organisationskomitee gründet nämlich wiederum die sog. Koordinationskommission für die Olympischen Spiele,180 welche die Anweisungen des IOC Executive Board ausführen muss181. Die Olympische Charter weist dem IOC zudem eine Letztentscheidungskompetenz hinsichtlich aller Fragen zu den Olympischen Spielen zu.182 Damit kommt dem IOC auch die alleinige Entscheidungsgewalt über die Regeln zu, nach denen über die Zulassung von Athleten zu den Olympischen Spielen entschieden wird.183 Durch diese Organisationsherrschaft184 ist das IOC alleiniger Nachfrager auf dem Markt für Athletenleistung verschiedener Sportarten für die Olympischen Spiele. (b) 1. Handball-Bundesliga Die 1. Handball-Bundesliga wird durch die HBL betrieben.185 Die dafür notwendige Vereinseinrichtung Bundesliga wird ihr vom DHB zur Nutzung überlassen.186 Die Voraussetzungen der Nutzung richten sich dabei nach dem Grundla-
178 Regel 7 Nr. 2 Olympische Charter: „The Olympic Games are the exclusive property of the IOC which owns all rights relating thereto, in particular, and without limitation, all rights relating to (i) the organisation, exploitation and marketing of the Olympic Games […]“. 179 Regel 35 Olympische Charter. 180 Regel 37 Olympische Charter. 181 Durchführungsbestimmung zu Regel 37 Nr. 1.6 Olympische Charter. 182 Regel 58 Olympische Charter. Siehe auch: Durchführungsbestimmung zu Regel 37 Nr. 2 Olympische Charter. 183 Die Entscheidung über die Nominierung obliegt den NOK, die auf Vorschlag der nationalen Fachverbände entscheiden: Durchführungsbestimmung zu Regel 27 und 28 Nr. 2.1 Olympische Charter. 184 Vgl.: EuG, Urt. v. 26.01.2005, T-193/02, ECLI:EU:T:2005:22, Rn. 115 – Piau. Wegen diese übergeordneten Organisationsherrschaft ist es i. E. irrelevant, dass die nationalen Olympischen Komitees gemeinsam mit den internationalen Fachverbänden die Nominierung der Athleten vornehmen, Durchführungsbestimmung zu Regel 27 und 28 Nr. 2.1 Olympische Charter. 185 § 4 Nr. 2 HBL-Satzung. Zum Konzept der Vergabe der Ausrichtung von Sportveranstaltungen durch Sportverbände siehe: Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen im Sport, S. 71 f. 186 Präambel, § 4 Nr. 2 HBL-Satzung.
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
genvertrag187 zwischen DHB und HBL.188 Beim Betrieb der Handball-Bundesliga muss die HBL die verbindliche Auslegung von Handballregeln durch den DHB beachten und ist infolge der Mitgliedschaft im DHB dessen Satzung und Ordnungen unterworfen.189 Der Betrieb der HBL wird daher schlussendlich durch die vom DHB erlassenen Regelungen bestimmt. Hierdurch fällt dem DHB die Entscheidungsbefugnis über die Regelungen zur Lizenzierung von Vereinen und Spielern zu. Der DHB ist daher Nachfrager von Athletenleistung in der 1. Handball-Bundesliga. (2) Marktmacht von IOC und DHB Für die Bestimmung der Marktmacht von IOC und DHB ist deren Marktanteil von besonderer Bedeutung.190 Auf den Märkten für die Nachfrage nach Athletenleistung für die Olympischen Spiele und die Nachfrage nach Athletenleistung im Handball für die 1. Handball-Bundesliga gibt es neben dem IOC und dem DHB keine weiteren Nachfrager. Der IOC sowie der DHB sind auf dem relevanten Markt Monopsist.191 Als Monopsisten stehen IOC und DHB auf dem relevanten Markt in keinerlei Wettbewerb. Im Rahmen von Sportveranstaltungen bestünde allein die Möglichkeit, dass die Machtsstellung der Sportverbände durch potenziellen Wettbewerb geschwächt würde.192 Daher ist zu überlegen, ob andere Unternehmen die Möglichkeit haben, mit angemessenem Aufwand als Nachfrager von Athletenleistung tätig zu werden, sodass eine weitere Absatzmöglichkeit entsteht. Dafür müssten sie in der Lage sein, eine Sportveranstaltung zu organisieren und durchzuführen. Nur dann haben die Athleten ein Interesse daran, an der Veranstaltung teilzunehmen. Hierfür bedarf es der Festlegung von geltenden Spielregeln und weiterem technischen Regelwerk für die Sportart (oder Sportarten) des Wettkampfes.193 Zumindest mittelbar muss beachtet werden, dass es eines Konzeptes für die kommerzielle Verwertung 187
Der Grundlagenvertrag ist nicht einsehbar. § 3 Nr. 2 HBL-Satzung. 189 § 3 Nr. 2, § 4 Nr. 2 HBL-Satzung. 190 Emmerich/Lange, KartellR, § 9 Rn. 16. 191 Dies gilt auch für fast alle anderen Sportverbände bei den von ihnen organisierten Sportveranstaltungen. 192 Kommission, Durchsetzungsprioritäten, ABl. 2009 C 45/7, Rn. 16; Kommission, Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes, ABl. 1997 C 372/8, Rn. 24. 193 Vgl.: Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 91 – ISU. 188
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der Veranstaltung und eines Logistikkonzeptes für den Besuch des Wettkampfes durch die Live-Zuschauer bedarf,194 damit der Wettkampf gewinnbringend (oder jedenfalls ohne Verluste) organisiert werden kann. Aufseiten der wirtschaftlichen Voraussetzungen ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass Sportverbände anderer Sportarten in den Markt für Athletenleistung für eine bestimmte Sportart eintreten. So können Konzepte zur Stadionbelegung etc. von anderen Sportveranstaltungen an ähnlichen Orten übernommen werden. Auch die mittelbar relevanten Verhandlungen mit den Vertragspartnern zur kommerziellen Verwertung der Veranstaltung sind sportartübergreifend zumindest ähnlich genug, dass diese Umstellung kein unüberwindbares Argument darstellt. Schlussendlich muss der neu geschaffene Wettkampf ein entsprechendes Renommée erreichen, damit dieser für die Athleten eine alternative Absatzmöglichkeit darstellt.195 Diesbezüglich ergeben sich aus dem Ein-Platz-Prinzip des Sportes gewichtige Einschränkungen. In der Regel muss nämlich eine Konkurrenzveranstaltung zu einem Wettbewerb eines etablierten und durch den übergeordneten Verband anerkannten Sportverbands gegründet werden. Hierbei ist mit Widerstand der bestehenden Sportveranstalter zu rechnen.196 Dies äußert sich zum Beispiel darin, dass die neuen Sportveranstaltungen durch die etablierten Sportverbände nicht anerkannt werden würde und die Teilnahme an diesen daher zu Nachteilen für die Athleten führen würde.197 Einen die Marktbeherrschung beeinflussenden potenziellen Wettbewerb gibt es in Folge diese Markteintrittsbarrieren daher nicht.198 Dementsprechend ist nach der Rechtsprechung des EuGH auf Grundlage des hohen Marktanteils eine marktbeherrschende Stellung von IOC und DHB anzunehmen.199 194
Vgl.: Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 91 – ISU. 195 Vgl.: Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 91 – ISU. 196 Vgl. nur: Schültke, Deutschlandfunk, Kampf ums Ringen, go.wwu.de/0 phrr; und die Versuche der ISU, konkurrierende Wettkämpfe zu verhindern: Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final – ISU. 197 Siehe zu dem Ganzen z. B. die Schwierigkeit eine neue Ringerliga zu gründen: Schültke, Deutschlandfunk, Kampf ums Ringen, go.wwu.de/0phrr. 198 Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 91 – ISU. 199 Vgl. abstrakt: EuGH, Urt. v. 13.11.1975, C-26/75, ECLI:EU:C:1975:150, Rn. 7/9 – General Motors; EuGH, Urt. v. 13.02.1979, C-85/76, ECLI:EU:C:1979:36, Rn. 67 – Hoffmann-La Roche; EuGH, Urt. v. 23.04.1991, C-41/90, ECLI:EU:C:1991:161, Rn. 28 – Höfner; EuGH, Urt. v. 18.06.1991, C-260/89, ECLI:EU:C:1991:254, Rn. 31 – ERT. Besonders deutlich für die Lit: Bronett, in: Wiedemann, HB Kartellrecht, § 22 Das Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen im EU-Kartellrecht (Art. 102 AEUV) Rn. 22 f.
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b) Anwendung des Verhandlungsmodells Neben der Anwendung des Monopson-Modells könnte die Marktbeherrschung anhand des Verhandlungsmodells bestimmt werden.200 Wie bereits dargestellt,201 wird Nachfragemacht dabei als Verhandlungsmacht in einer konkreten Situation angesehen. Eine solche Verhandlungsmacht hat derjenige Verhandlungspartner inne, für den das Scheitern der bilateralen Verhandlungen wirtschaftlich weniger schwerwiegende Folgen hat.202 Für die Anwendung des Verhandlungsmodells soll beispielhaft auf das Verhältnis zwischen dem IOC als Nachfrager nach Athletenleistung im Zehnkampf für die Olympischen Spielen und Kévin Mayer203 als Anbieter von Athletenleistung im Zehnkampf abgestellt werden. Kommt es zwischen diesen Parteien nicht zu einer Einigung hinsichtlich der Geschäftsbedingungen, die für die relevante Athletenleistung bei den Olympischen Spielen gelten, so hat dies folgende wirtschaftliche Auswirkungen: Mayer würde nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen können. Als Berufssportler würde ihm damit die Möglichkeit genommen, bei dem prestigeträchtigsten Sportereignis der Welt teilzunehmen. Unmittelbar würde dies bedeuten, dass er keine Möglichkeit hat, die Prämien für gute Platzierungen zu erhalten. Weiterhin könnte er sich nicht auf der Bühne der Oympischen Spielen präsentieren, was für den potenziellen Abschluss von Werbeverträgen nachteilig ist. Gesichert ist zudem, dass eine andere Person Olympiasieger im Zehnkampf werden würde, wodurch dieser im Wettbewerb um Sponsorenverträge eine bessere Marktposition erhalten würde. Zudem gibt es keinen anderen Nachfrager für einen vergleichbaren Wettkampf, dem Mayer seine Athletenleistung anbieten könnte. Schlussendlich würde das Scheitern der Verhandlung mit dem IOC für Mayer wirtschaftlich starke Auswirkungen haben.
Konkret für Sportverbände, anstelle vieler: Heermann, WRP 2015, 1047 (1050); van Rompuy, MJEC 2015, 179 (191). Vgl. auch: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 45) – Pechstein III; OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II; LG Köln, Urt. v. 13.09.2006, 28 O (Kart) 38/05, SpuRt 2007, 30 (33); LG Dortmund, Urt. v. 22.01.2009, 13 O 2/09 Kart, WuW-RS DE-R, 2610 (2611 Rn. 38); Haus/Heitzer, NZKart 2015, 181 (184); Eckel/Richter, WuW 2015, 1078 (1081). 200 Siehe zur Begründung, weshalb trotz der Betrachtung einer konkreten Beziehung eine allgemeine Aussage für den Markt getätigt werden kann: BKartA, Sektoruntersuchung Lebensmitteleinzelhandel v. Sept. 2014, B2-15/11, S. 21 f. 201 Siehe: Kap. 7. B. III. 4. (S. 231 ff.). 202 Besonders deutlich: Ewald, in: Wiedemann, HB Kartellrecht, § 7 Grundzüge der Wettbewerbsökonomie Rn. 59; siehe zur Berechnung von Verhandlungsmacht: Haucap et al., Die Bestimmung von Nachfragemacht im Lebensmitteleinzelhandel, S. 6 f. 203 Siehe zum Athleten Kévin Mayer: Wikipedia, http://go.wwu.de/5kk3r.
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Im Gegensatz dazu sind aufseiten des IOC durch ein Scheitern der Verhandlungen mit Mayer keine oder nur unwesentliche wirtschaftliche Einbußen zu erwarten. Zwar handelt es sich bei Mayer um den derzeitigen Weltrekordhalter im Zehnkampf, sodass ohne ihn wohl kaum die weltbesten Athleten bei den Olympischen Spielen mitteinander konkurrieren würden. Allerdings könnte das IOC anstelle von Mayer mit anderen Anbietern von Athletenleistung im Zehnkampf kontrahieren. Weiterhin ist es keine Besonderheit, dass einzelne Athleten, die zur Weltspitze zählen, zum Beispiel aus Verletzungsgründen nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen können. Wirtschaftliche Einbußen würden sich für das IOC erst dann ergeben, wenn die Nichtteilnahme Mayers an den Olympischen Spielen dazu führen würde, dass auf den Absatzmärkten weniger Gewinn generiert werden würde. Dies erscheint jedoch unwahrscheinlich, da das IOC (so wie fast alle Sportveranstalter) auch auf den Absätzmärken infolge ihrer Monopolstellung marktbeherrschend ist. Demnach können die Nachfrager auf den Absatzmärkten nicht auf andere Anbieter zurückgreifen. Ihnen kommt lediglich die Möglichkeit zu, das Produkt wegen des Fehlens eines Athleten nicht zu beziehen. Im Ergebnis hat das IOC gegenüber Mayer die deutlich stärkere Verhandlungsmacht. Diese Feststellung ist auch auf das Verhältnis zwischen anderen Sportveranstaltern und Athleten übertragbar. Ab wann eine solche Verhandlungsmacht zu einer beherrschenden Stellung des Binnenmarkts im Sinne des Art. 102 AEUV führt, ist bisweilen noch ungeklärt.204 Es ist aber davon auszugehen, dass jedenfalls der besonders gravierende Unterschied zwischen Verhandlungsmacht von Sportveranstalter und Athleten hierfür ausreichend wäre. Somit ist es letztlich unerheblich, ob auf das Monopson-Modell oder das Verhandlungsmodell abgestellt wird. Sportveranstalter haben bei der Nachfrage nach Athletenleistung nach beiden Modellen eine marktbeherrschende Stellung inne. 5. Missbrauch Das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung ist aus Sicht des Kartellrechts nicht verboten. Ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV liegt nur dann vor, wenn eine marktbeherrschende Stellung durch ein verbotenes Verhalten ausgenutzt wird.
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BKartA, Nachfragemacht im Kartellrecht – Stand und Perspektiven, go.wwu.de/ 51gvp, S. 6 f. Siehe aber die Kriterien des BKartA für relative Marktmacht (§ 20 GWB): BKartA, Sektoruntersuchung Lebensmitteleinzelhandel v. Sept. 2014, B2-15/11, S. 47 f. Sowie die von Weidt formulierten Kriterien: Weidt, Missbrauch relativer Nachfragemacht in laufenden Geschäftsbeziehungen, S. 84.
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In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob die Forderung einer CAS-Schiedsvereinbarung einen solchen Missbrauch darstellt. In dieser Diskussion unterbleibt aber häufig die genaue Subsumtion des Missbrauchs.205 Schiedsvereinbarungen werden durch Sportveranstalter im Rahmen ihrer Tätigkeit als Nachfrager auf dem Markt für Athletenleistung gegenüber Athleten oktroyiert.206 Vielfach207 handelt es sich dabei um Schiedsvereinbarungen zum CAS, die hier untersucht werden sollen.208 Zusätzlich zur Vereinbarung des CAS als zuständigem Schiedsgericht wird in CAS-Schiedsvereinbarungen festgelegt, dass die Verfahrensregeln des CAS-Codes beziehungsweise der CAS-ADD Rules Anwendung finden.209 Durch diesen Verweis werden der CAS-Code und die CAS-ADD Rules in ihrer Gänze in die Schiedsvereinbarung einbezogen.210 Das OLG München hat in Pechstein II ausdrücklich klargestellt, dass die Oktroyierung einer Schiedsvereinbarung nicht schlechthin einen Verstoß gegen das deutsche Kartellrecht darstellt.211 Auf europäischer Ebene ist jedoch die Entscheidung der Kommission in Centraal Bureau voor de Rijwielhandel zu Art. 101 AEUV212 zu beachten. In dieser erkannte die Kommission die Einsetzung eines Schiedsgerichtes als Problem, da dies dazu führen könnte, dass die Durchsetzung des EU-Kartellrechts durch staatliche Gerichte „erschwert, verzögert oder sonst behindert“ werde.213 An dieser Stelle soll offenbleiben, ob es sich hierbei um ein generell auf die Schiedsgerichtsbarkeit übertragbares Argument handelt. Hintergrund ist, dass die Kommission in Centraal Bureau de Rijwielhandel nicht allein 205
So ist wohl: Podszun, JZ 2017, 208 (211) zu verstehen. Ebenso: Nordmann/Förster, WRP 2016, 312 (314). Dadurch erscheint es so, als würde bei dieser Diskussion mehr vom Ergebnis aus argumentiert. So auch: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 178. 206 Siehe: Kap. 2. C. (S. 33 ff.). 207 Siehe nur die Beispiele in: Kap. 2. B. (S. 28 ff.). 208 Andere Schiedsvereinbarungen werden nicht untersucht. Dies beinhaltet auch Schiedsvereinbarungen zur CAS ad hoc Division, obwohl diese bei den Olympischen Spielen eingesetzt wird. 209 Siehe nur die Musterschiedsvereinbarung auf der Seite des CAS (Formulierung von der Zeit vor dem 01.01.2019, d. h. der Einführung der CAS-ADD Rules): CAS, http://go. wwu.de/yqn2h. Ebenso: Nr. 5 Conditions of Participation – National Olympic Committee Rio 2016 (Entry Clause). 210 Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 313; siehe auch: § 1042 Abs. 3 ZPO. 211 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43 f.) – Pechstein II; Scherrer/Muresan/Ludwig, SchiedsVZ 2015, 161 (164); Zimmermann, ZWeR 2016, 66 (80). Vgl.: Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112 (115); Hülskötter, ISLJ 25 (2017), 15 (23–26); Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (242–244). 212 Damals noch Art. 85 EWG-Vertrag. 213 Kommission, Entsch. v. 02.12.1977, 78/59/EWG, ABl. 1978, 18 (Rn. 28) – Centraal Bureau voor de Rijwielhandel.
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in der Schiedsvereinbarung einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV erkennt. Sie führt ausdrücklich aus: „Der Ausschluß des ordentlichen Rechtswegs fällt in der vorliegenden Form insoweit unter Artikel 85 Absatz 1 des EWG-Vertrags, als er sich auf Sachverhalte bezieht, die die Anwendung und Auslegung der Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags zum Gegenstand haben und durch die an sich erlaubte Wettbewerbshandlungen unterbunden werden.“214
Die Problematik sah die Kommission daher darin, dass die Schiedsvereinbarung die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen eines Vertrages verstärken würden.215 Ohne die Entscheidung Centraal Bureau voor de Rijwielhandelt zu zitieren, vertrat die Kommission dieselbe Ansicht in den Entscheidungen ATP 216 und ISU 217. In der ISU-Entscheidung erklärt die Kommission besonders deutlich: „Arbitration is a generally accepted method of binding dispute resolution and agreeing on an arbitration clause as such does not restrict competition. However, the Commission takes the view that the Appeals Arbitration rules reinforce the restrictions of competition that are caused by the Eligibility rules.“218
Den Entscheidungen ist daher zu entnehmen, dass erst die Kombination zwischen einem Kartellverstoß und einer Schiedsvereinbarung, die die Entscheidung über diesen Verstoß einschließt, dazu führt, dass die Schiedsvereinbarung nicht mit Art. 101 AEUV vereinbar ist. Eine isolierte Aussage für Schiedsvereinbarungen wird hingegen nicht getroffen. Dementsprechend kann aus diesen Entscheidungen kein Hinweis darauf abgeleitet werden, dass oktroyierte Schiedsvereinbarungen, die auch Kartellstreitigkeiten erfassen, immer einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV darstellen. Hinsichtlich der generellen Vereinbarkeit von Schiedsvereinbarungen mit Art. 102 AEUV ist die Entscheidung der Kommission in GEMA unergiebig.219 So erklärte die Kommission darin zwar eine Satzungsklausel für unwirksam, durch die der Rechtsanspruch und der Rechtsweg ausgeschlossen wurden.220 In214 Kommission, Entsch. v. 02.12.1977, 78/59/EWG, ABl. 1978, 18 (Rn. 28) – Centraal Bureau voor de Rijwielhandel. 215 Kommission, Entsch. v. 02.12.1977, 78/59/EWG, ABl. 1978, 18 (Rn. 28) – Centraal Bureau voor de Rijwielhandel. So auch: Heermann, NJW 2019, 1560 (1563). 216 Europäische Kommission, Entsch. v. 12.10.2009, COMP/39471, Rn. 40 – ATP. 217 Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 269 – ISU. 218 Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final, Rn. 269 – ISU. 219 Ebenso: Heermann, NJW 2019, 1560 (1564). 220 Kommission, Entsch. v. 02.06.1971, 71/224/EWG, ABl. 1971, L 134/15 (S. 23) – GEMA I.
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wieweit sich diese Missbräuchlichkeit durch die Einsetzung eines Schiedsgerichtes begründete, wird dadurch aber nicht deutlich.221 Der Zusatz, die GEMA als marktbeherrschendes Unternehmen dürfe den Rechtsweg nicht ausschließen,222 kann daher nicht dahingehend interpretiert werden, dass marktbeherrschende Unternehmen Schiedsvereinbarungen nicht wirksam abschließen können. Auch in der Einstellung des Kartellverfahrens gegen die FIA hieß es von Seiten der Kommission lediglich, das Verfahren sei unter anderem eingestellt worden, da „interne und externe Einspruchsmöglichkeiten gegen FIA-Entscheidungen gestärkt“ worden seien.223 Schlussendlich liefern auch die Einstellungsbedingungen der Kommission in Sachen FIFA-Transferbestimmungen keine klare Aussage für den in dieser Untersuchung untersuchten Fall.224 Noch heute ist zweifelhaft, ob das nach den Verpflichtungszusagen eingesetzte Schiedsgericht (Art. 24 FIFA-Regelement Spielertransfer und -status) ein echtes Schiedsgericht darstellt. Zuletzt ist das Recht, die staatlichen Gerichte anzurufen, im FIFA-Regelement Spielertransfer und -status ausdrücklich nur für arbeitsrechtliche Streitigkeiten eingeführt worden (Art. 22). Im Verfahren um die Regel 40 Nr. 3 Olympische Charter haben IOC und DOSB in den Verpflichtungszusagen erklärt, dass nunmehr bei Streitigkeiten über die Zulässigkeit von Werbemaßnahmen die staatlichen Gerichte zuständig sind.225 Dieses Zugeständnis geschah aber nicht aufgrund der Ansicht, dass die Vereinbarung einer Schiedsvereinbarung durch einen Marktbeherrscher grundsätzlich einen Marktmachtmissbrauch darstellt.226 Das BKartA erklärte die Verpflichtungszusage in seinem Beschluss damit, dass bei einer Zuständigkeit des CAS de facto keine Möglichkeit bestehe, die Entscheidung anhand der Regeln des EU-Kartellrechts zu prüfen.227 Die Begründung des BKartA entspricht der Argumentation dieser Untersuchung in Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (4)228. 221
Kommission, Entsch. v. 02.06.1971, 71/224/EWG, ABl. 1971, L 134/15 (S. 23) – GEMA I. 222 Kommission, Entsch. v. 02.06.1971, 71/224/EWG, ABl. 1971, L 134/15 (S. 23) – GEMA I. 223 Kommission, Pressemitteilung v. 30.10.2001, Kartellverfahren gegen Formel Eins und andere Automobilsportarten eingestellt, IP/01/1523, go.wwu.de/l9f0e. 224 Kommission, Pressemitteilung v. 05.06.2002, EU-Kommission stellt Verfahren wegen FIFA-Transferbestimmungen ein, IP/02/824, go.wwu.de/0smt8. 225 BKartA, Pressemitteilung v. 27.02.2019, Bundeskartellamt erwirkt Öffnung der Werbemöglichkeiten für deutsche Sportler und ihre Sponsoren während der Olympischen Spiele – IOC und DOSB verpflichten sich zu Änderung der Werberegeln, go.wwu.de/ j7646. 226 Siehe: BKartA, Beschl. v. 25.02.2019, B 2 – 26/17, Rn. 124–126 – IOC Rule 40. 227 BKartA, Beschl. v. 25.02.2019, B 2 – 26/17, Rn. 124–126 – IOC Rule 40. 228 Siehe: S. 279 ff.
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Die Auffassung, dass marktbeherrschende Unternehmen Schiedsvereinbarungen zu echten Schiedsgerichten nicht wirksam abschließen können, wird damit durch keines der Verfahren begründet – die Entscheidungen der Kommission in ISU 229 und ATP sprechen sogar gegen eine solche Auffassung. Ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV kann sich aber durch die Einbeziehung des CAS-Codes beziehungsweise der Einbeziehung der CAS-ADD Rules ergeben.230 Für diese Untersuchung werden daher die problematischen Regelungen des CASCodes und der CAS-ADD Rules herausgegriffen und diskutiert. Konkret geht es um vier Problemkreise:231 1. Vertraulichkeit der Verfahren und Schiedssprüche 2. Geschlossene Schiedsrichterlisten 3. Kompetenzen der Divisionspräsidenten 4. Sitz des CAS und Vollstreckung durch Verbände Der BGH hat sich in Pechstein III nicht festgelegt, ob der Sachverhalt unter dem Konditionenmissbrauch nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB a. F. (heute § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB, vergleichbar mit Art. 102 S. 2 lit. a AEUV) oder der Generalklausel in § 19 Abs. 1 GWB (vergleichbar mit Art. 102 S. 1 AEUV) geprüft werden muss. Das OLG München sprach sich hingegen in Pechstein II für eine Prüfung als Konditionenmissbrauch aus.232 Da der Konditionenmissbrauch ein Regelbeispiel des Art. 102 AEUV darstellt, wird die Prüfung in dieser Untersuchung unter Art. 102 S. 2 lit. a AEUV vorgenommen.233 Nach der Voraussetzungen der Norm ist zu klären, ob der CAS-Code beziehungsweise die CAS-ADD Rules erzwungene unangemessene sonstige Geschäftsbedingungen darstellen. 229
Siehe dazu: Heermann, NJW 2019, 1560 (1563 f.). OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (44) – Pechstein II. 231 Keine klare Differenzierung zwischen den einzelnen Verfahrensregeln (insbesondere gemeinsame Prüfung von Punkt 2 und 3: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 – Pechstein III; OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (44) – Pechstein II; Duval/van Rompuy, The compatibility of forced CAS arbitration with EU competition law: Pechstein reloaded., go.wwu.de/f vagj, S. 17. Zur Bestimmung der Freiwilligkeit prüft Widdascheck noch weitere Punkte innerhalb der von ihm herausgearbeitenen rechtsphilosophischen Zwei-Komponenten-Theorie: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 208–253. 232 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 48) – Pechstein III; OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (S. 43) – Pechstein II; 233 Die Anwendung des EU-Kartellrechts ergibt sich aus: Kap. 7. B. II. (S. 219 ff.). Da die Voraussetzungen des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV vorliegen, muss die Generalklausel des Art. 102 S. 1 AEUV nicht herangezogern werden. 230
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a) Erzwungene sonstige Geschäftsbedingungen Sonstige Geschäftsbedingungen nach Art. 102 S. 2 lit. a AEUV sind alle Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien, die entweder den wirtschaftlichen Wert der Geschäftsbeziehung oder die Handlungsfreiheit der Parteien beeinflussen.234 Dies erfasst in der Praxis sowohl alle Vertragsvereinbarungen als auch Satzungsbestimmungen.235 Wie dargestellt, verweisen die hier analysierten Schiedsvereinbarungen zum CAS auf den CAS-Code und die CAS-ADD Rules, die dadurch in die Schiedsvereinbarung einbezogen werden.236 Dementsprechend werden die einzelnen Organisation- und Verfahrensregeln Teil der Schiedsvereinbarung und stellen Geschäftsbedingungen im Sinne des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV dar.237 Die Athleten unterwerfen sich in der Schiedsvereinbarung den einzelnen Regeln des CASCodes und der CAS-ADD Rules.238 Das Merkmal der Erzwingung ist bereits bei der einseitigen Auferlegung der Geschäftsbedingungen gegeben. 239 Vor dem Hintergrund des im Sport bestehenden faktischen Zwangs240 zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung, liegt das Merkmal der Erzwingung daher immer vor.
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Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 177. Zu Vertragsvereinbarungen: Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 179; Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/A EUV, Art. 102 AEUV Rn. 345; kritisch zu einer so weiten Auslegung des Begriffs der Geschäftsbedingung: Nordmann/Förster, WRP 2016, 312 (315 f.). Zu Satzungsbestimmungen: Kommission, Entsch. v. 02.06.1971, 71/224/EWG, ABl. 1971, L 134/15 (bspw. S. 22) – GEMA I; vgl. auch: BGH, Urt. v. 06.11.2013, KZR 58/11, WuW-RS DE-R, 4037 (4038 Rn. 17, 4046 f. Rn. 65) – VBL-Gegenwert; BGH, Urt. v. 24.01.2017, KZR 47/14, WuW 2017, 283 (284 f. Rn. 3, 35) – VBL-Gegenwert II. Dementsprechend sind alle in Kap. 3. B.–D. (S. 62 ff.) vorgestellten Möglichkeiten von Schiedsvereinbarungen erfasst. 236 § 1042 Abs. 3 ZPO. 237 OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II; wohl ebenso: Heermann, WRP 2015, 1172 (1176); unentschieden: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 48) – Pechstein III. Kritisch: Stancke, SpuRt 2015, 46 (49). 238 Begrifflich wird dies unter den Ausdruck der Schiedsvereinbarung zum CAS gefasst. 239 Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 178; Jung, in: Grabitz/H ilf/ Nettesheim, EUV/A EUV, Art. 102 AEUV Rn. 346; Weiß, in: Calliess/Ruffert, EUV/ AEUV, Art. 102 AEUV Rn. 47. 240 Siehe: Kap. 2. C. (S. 33 ff.). 235
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b) Unangemessenheit Geschäftsbedingungen sind unangemessen, wenn sie von den Geschäftsbedingungen abweichen, die bei wirksamem Wettbewerb bestünden (sog. Wettbewerbsgeschäftsbedingungen), und dem Marktbeherrscher einen Vorteil verschaffen, den er durch Wettbewerbsgeschäftsbedingungen nicht erlangt hätte.241 Für die Bestimmung der Wettbewerbsgeschäftsbedingungen kommt zunächst das Vergleichsmarktkonzept (quantitativer Konditionenmissbrauch242) in Betracht.243 Außerdem gibt es die Möglichkeit, den Konditionenmissbrauch in qualitativer Art durch eine Interessenabwägung zu bestimmen.244 aa) Vergleichsmarktkonzept (quantitativer Konditionenmissbrauch) Das Vergleichsmarktkonzept vergleicht die Geschäftsbedingungen eines Marktbeherrschers mit den Geschäftsbedingungen, die bei funktionierendem Wettbewerb vereinbart worden wären („als-ob-Wettbewerb“).245 Diese Bestimmung der 241 Emmerich/Lange, KartellR, § 10 Rn. 9; Bronett, in: Wiedemann, HB Kartellrecht, § 22 Das Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen im EU-Kartellrecht (Art. 102 AEUV) § 22 Rn. 61. Von der Durchsetzung nachteiliger Bedingungen gegenüber dem Handelspartner sprechend: Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/A EUV, Art. 102 AEUV Rn. 169. 242 Vgl. wegen der Deutlichkeit die Ausführungen von Nothdurft zum Vergleichsmarktmodell im GWB: Nothdurft, in: Bunte/Langen, KartellR, § 19 GWB Rn. 127. 243 Vgl.: Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 207; Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 181. Beim Preishöhenmissbrauch gibt es hingegen verschiedene Methoden, um den Wettbewerbspreis zu bestimmen. Siehe nur: Bulst, in: Langen/ Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 164–176; Busche, in: KöKo, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 86; Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/A EUV, Art. 102 AEUV Rn. 172 f.; Fuchs/ Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 176, 179, 180; Bergmann et al., in: Loewenheim et al., KartellR, Art. 102 AEUV Rn. 179–192; Eilmansberger/Bien, in: MüKo, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 204–231; Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 183–201. 244 Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 207; vgl.: Bulst, in: Langen/ Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 181. Siehe auch erneut die Ausführungen von Nothdurft zum Vergleichsmarktmodell im GWB: Nothdurft, in: Bunte/Langen, KartellR, § 19 GWB Rn. 129. 245 Zum Preishöhenmissbrauch: EuGH, Urt. v. 14.02.1978, C-27/76, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 248/257 – United Brands; EuGH, Urt. v. 04.05.1988, C-30/87, ECLI:EU:C:1988:225, Rn. 31 – Bodson; EuGH, Urt. v. 06.04.2017, C-177/16, ECLI:EU:C:2017:689, Rn. 37 f. – AKKA; Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 171, 173 f.; Jung, in: Grabitz/H ilf/Nettesheim, EUV/A EUV, Art. 102 AEUV Rn. 173; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 180. Zur Anwendung des Vergleichsmarktkonzepts auf den Konditionenmisbrauch nach Art. 102 S. 2 lit. a AEUV: Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 207; Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 181. Deutlich für das GWB: Nothdurft, in: Bunte/Langen, KartellR, § 19 GWB Rn. 183 f.
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
Wettbewerbsgeschäftsbedingungen geschieht durch die Analyse der Geschäftsbedingungen auf sachlich, räumlich oder zeitlich vergleichbaren Märkten.246 Um einen Vergleich zwischen den Geschäftsbedingungen möglich zu machen, müssen diese gemeinsam mit ihren jeweiligen Gegenleistungen – soweit dies nicht bereits Geld ist – durch einen messbaren wirtschaftlichen Wert (Preis in Geld) beschrieben werden (Herstellung der Kommensurabilität).247 Durch die verschiedenen Geschäftsbedingungen eines Vertrags entstehen Leistungsbündel, die schlussendlich miteinander verglichen werden müssen, da sich verschiedene Geschäftsbedingungen gegenseitig ausgleichen können.248 Ein Missbrauch kommt erst dann in Betracht, wenn die Leistungsbündel für die Vertragspartner eines Marktbeherrschers einen erheblich geringeren wirtschaftlichen Wert (Preis) haben als die Leistungsbündel auf dem Vergleichsmarkt (daher quantitativer Konditionenmissbrauch).249 Für die hier untersuchten Märkte für Athletenleistung kommen allein sachlich vergleichbare Märkte infrage.250 Die dafür notwendige sachliche Vergleichbarkeit besteht zwischen den Märkten für Athletenleistung verschiedener Sportarten. Trotz der sportartspezifischen Unterschiede sind auf diesen Märkten jeweils die gleichen sportspezifischen Besonderheiten zu beachten. Mit der Streitbeilegung durch Schiedsgerichte verfolgen die Sportveranstalter (bei sportspezifischen Streitigkeiten) das Ziel, durch eine möglichst einheitliche Streitentscheidung für die 246
Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 171, 173 f.; Jung, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, EUV/A EUV, Art. 102 AEUV Rn. 173; Fuchs/Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 180. 247 Für das EU-Recht angedeutet bei: Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 207; Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 181. Deutlich für das GWB: Nothdurft, in: Bunte/Langen, KartellR, § 19 GWB Rn. 183 f. Durch diese notwendige „Bepreisung“ zeigt sich bereits, dass das Vergleichsmarktmodell besser für die Bestimmung eines Preishöhenmissbrauchs geeignet ist. 248 Nothdurft, in: Bunte/Langen, KartellR, § 19 GWB Rn. 183 m. N. zur deutschen Rechtsprechung. 249 Nothdurft, in: Bunte/Langen, KartellR, § 19 GWB Rn. 183. Vgl. zum Preishöhenmissbrauch im EU-Recht: EuGH, Urt. v. 08.06.1971, C-78/70, ECLI:EU:C:1971:59, Rn. 19 – Deutsche Grammophon; EuGH, Urt. v. 13.07.1989, C-395/87, ECLI:EU:C:1989:319, Rn. 38 – Tournier; EuGH, Urt. v. 13.07.1989, C-110/88, ECLI:EU:C:1989:326, Rn. 25 – Lucazeau; EuGH, Urt. v. 06.04.2017, C-177/16, ECLI:EU:C:2017:689, Rn. 38, 56 – AKKA. 250 In der Praxis ist ein sachlicher Vergleichsmarkt nur einmal und dann nur als ergänzendes Argument herangezogen worden, ohne dass es selbstständig diskutiert wurde: EuGH, Urt. v. 11.11.1986, C-226/84, ECLI:EU:C:1986:421, Rn. 25, 28 – British Leyland; Kommission, Entsch. v. 02.07.1984, ABl. 1984 L 2017/11 (Rn. 20–22, 28) – British Leyland. Zur Bestimmung der Vergleichbarkeit siehe: Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 173; Bergmann et al., in: Loewenheim et al., KartellR, Art. 102 AEUV Rn. 189. Kritisch zum Ansatz des sachlichen Vergleichsmarktmodells: Jung, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, EUV/A EUV, Art. 102 AEUV Rn. 173; Fuchs/Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 183; Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 198.
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Athleten Chancengleichheit beim Wettkampf zu ermöglichen.251 Zudem soll wegen der begrenzten Karrieredauer eines Athleten und der in kurzer Zeit nacheinander stattfindenden Wettkämpfe eine zügige Streitentscheidung garantiert werden.252 Darüber hinaus bestehen noch weitere sportspezifische Gemeinsamkeiten, die jedoch für den hier untersuchten Konditionenmissbrauch keine Relevanz haben. Nordmann/Förster gehen von einem anderen Vergleichsmarkt aus. Sie wollen „einen Vergleich mit Schiedsgerichtklauseln in anderen Bereichen anstellen“ und ziehen dann die Organisations- und Verfahrensregeln der International Chamber of Commerce (ICC) und diejenigen des Grain Trade Australia (GTA), des International Court of Arbitration for Marine and Inland Navigation sowie des deutschen Sportschiedsgerichts heran.253 Ihren Ausführungen liegt damit die Vorstellung eines Marktes für Streitentscheidung durch Schiedsgerichte zugrunde. Weshalb ein solcher Markt mit dem für Athletenleistung vergleichbar sein soll, führen Nordmann/Förster weder aus, noch ist eine solche Vergleichbarkeit offensichtlich. Schlussendlich fehlt es bei den Ausführungen von Nordmann/Förster daher an einem Markt, der mit dem hier geprüften Markt für Athletenleistung vergleichbar ist. Wegen des im Sport vorherrschenden Ein-Platz-Prinzips ist es schwierig, unter bestehenden Vergleichsmärkten für Athletenleistung einen zu finden, auf dem wirksamer Wettbewerb herrscht. Es können grundsätzlich nur Märkte für Athletenleistung von Sportarten herangezogen werden, bei denen das Ein-Platz-Prinzip durchbrochen wurde. Hierbei ist zu beachten, dass in den Fällen von nur zwei Wettbewerbern auf Nachfrageseite (so zum Beispiel auf dem Markt der Athletenleistung für Snowboard-Weltmeisterschaften) wegen des Oligopsons nur sehr begrenzter Wettbewerb herrscht.254 Als Besonderheit mit Blick auf den Wettbewerbsdruck gilt der Boxsport und damit explizit der Markt für Athletenleistung bei Boxweltmeisterschaftskämpfen. Im Boxsport gibt es eine Vielzahl an internationalen Verbänden, von denen zumindest vier Verbände Bedeutung haben. 251 Vgl. nur: Adolphsen, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel Schiedsgerichtsbarkeit – Internationales Sportrecht Rn. 1035; Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 371. 252 Adolphsen, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel Schiedsgerichtsbarkeit – Internationales Sportrecht Rn. 1033; Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 371. 253 Nordmann/Förster, WRP 2016, 312 (316). 254 Grundsätzlich gilt: Auf dem Vergleichsmarkt muss kein Idealwettbewerb vorliegen, es genügt, wenn auf diesem eine höhere Wettbewerbsintensität besteht: Jung, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, EUV/A EUV, Art. 102 AEUV Rn. 173; Fuchs/Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 181; Eilmansberger/Bien, in: MüKo, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 230 . Da auf dem Markt für Athletenleistung bei Boxweltmeisterschaftskämpfen aber intensiverer Wettbewerb herrscht, wird dieser Vergleichsmarkt hier für die Prüfung vorgezogen.
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
Dabei handelt es sich um das WBC, die WBA, die IBF und die WBO. Daher muss geprüft werden, ob255 1. auf diesem sachlichen Vergleichsmarkt andere Geschäftsbedingungen gelten als auf dem Monopsonmarkt, 2. der wirtschaftliche Wert (Preis in Geld) der Geschäftsbedingungen (Leistungsbündel) auf dem Monopsonmarkt zum Vorteil des Marktbeherrschers erheblich256 vom Preis der Geschäftsbedingungen (Leistungsbündel) auf dem sachlichen Vergleichsmarkt abweicht sowie, ob 3. diese Abweichungen durch objektive Unterschiede der Märkte gerechtfertigt sind.257 (1) Andere Geschäftsbedingungen auf dem Vergleichsmarkt In einem ersten Prüfungsschritt muss bestimmt werden, ob auf dem Vergleichsmarkt andere Geschäftsbedingungen vereinbart werden als auf dem untersuchten Markt. Für diese Untersuchung kommt es allein auf die Geschäftsbedingungen für Streitentscheidungen auf dem Vergleichsmarkt an. Auf dem Markt für Athletenleistung für Boxweltmeisterschaften sind vier Verbände tätig, von denen nur das WBC in seiner Athletenvereinbarung eine CAS-Schiedsvereinbarung fordert.258 Die WBA fordert keine Schiedsvereinbarung, dafür enthalten die WBA Rules in Regel 18 eine Rechtswahl- und Gerichtsstandvereinbarung. Neben der Vereinbarung des Rechtes des Staates Washington als anwendbares Recht und der Wahl der Pierce Country Courts im Staat Washington als zuständige Gerichte enthält die Vereinbarung Regeln, die die zivilrechtlicher Haftung der WBA ausschließen.259 Die IBF fordert eine Gerichts255 Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 171 f.; Weiß, in: Calliess/ Ruffert, EUV/A EUV, Art. 102 AEUV Rn. 48; Emmerich/Lange, KartellR, § 10 Rn. 11. 256 EuGH, Urt. v. 08.06.1971, C-78/70, ECLI:EU:C:1971:59, Rn. 19 – Deutsche Grammophon („gross“); EuGH, Urt. v. 13.07.1989, C-395/87, ECLI:EU:C:1989:319, Rn. 38 – Tournier („erheblich höher“); EuGH, Urt. v. 13.07.1989, C-110/88, ECLI:EU:C:1989:326, Rn. 25 – Lucazeau („erheblich höher“); EuGH, Urt. v. 06.04.2017, C-177/16, ECLI:EU:C:2017:689, Rn. 38, 56 – AKKA („Abweichung von einigem Gewicht“). 257 EuGH, Urt. v. 08.06.1971, C-78/70, ECLI:EU:C:1971:59, Rn. 19 – Deutsche Grammophon; EuGH, Urt. v. 13.07.1989, C-395/87, ECLI:EU:C:1989:319, Rn. 38 – Tournier; EuGH, Urt. v. 13.07.1989, C-110/88, ECLI:EU:C:1989:326, Rn. 25 – Lucazeau; EuGH, Urt. v. 06.04.2017, C-177/16, ECLI:EU:C:2017:689, Rn. 57 – AKKA; EuG, Urt. v. 06.10.1994, T-83/91, ECLI:EU:T:1994:246, Rn. 207 – Tetra Pak. 258 Nr. 5.4 WBC-Athletenvereinbarung. Zimmermann, ZWeR 2016, 66 (75); Heermann, Nach der mündlichen Verhandlung am BGH im Pechstein-Verfahren: Noch ist alles möglich!, go.wwu.de/1fpe6, S. 6. 259 Siehe Regel 18 lit. c–e WBA-Rules. Ob diese Regelung wirksam ist, bleibt hier dahingestellt.
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standvereinbarung zu den Gerichten des Staates New Jersey sowie die Vereinbarung der Anwendbarkeit des Rechtes des Staates New Jersey.260 Die WBO fordert eine Streitbeilegungsklausel, nach der zunächst der Präsident der WBO versuchen kann, die Streitigkeit im Wege der Verhandlung zu lösen, den Streit aber auch an das Grievance Committee261 weiterleiten kann.262 Zudem besagt Sektion 35 WBO-Regulations of World Championship Contests, dass jegliche gerichtlichen Vorgänge nur in Puerto Rico mit puerto-ricanischem Recht möglich sind. Auf dem Vergleichsmarkt werden also bei drei von vier Sportveranstaltungen andere Geschäftsbedingungen gefordert als auf dem Monopsonmarkt. (2) Erhebliche Abweichung zum Vorteil des Marktbeherrschers In einem zweiten Schritt müssen die verschiedenen Geschäftsbedingungen (sowie deren Gegenleistungen) auf den untersuchten Märkten für Athletenleistung und dem Markt für Athletenleistung für Boxweltmeisterschaftskämpfe bepreist werden. Das heißt, ihnen muss ein wirtschaftlicher Wert zugeschrieben werden. Hierbei zeigt sich das Problem des Vergleichsmarktmodells für den Konditionenmissbrauch im Vergleich zum Preishöhenmissbrauch. Den verschiedenen Regeln zur Streitbeilegung kann kein nachprüfbarer Preis zugeschrieben werden.263 Daher ist es auch nicht möglich, die gesamten Leistungsbündel zu bepreisen, sodass es an einer vergleichbaren Messgröße fehlt. Es käme lediglich eine allgemeine Abwägung der Vor- und Nachteile der jeweiligen Streitentscheidungsregeln in Betracht, die jedoch keine quantitative, sondern eine qualitative Bewertung der Geschäftsbedingungen bedeuten würden. Für den vorliegenden Fall stößt das Vergleichsmarktmodell zur Bestimmung des quantitativen Konditionenmissbrauchs an seine Grenzen.264 Das Vergleichsmarktmodell kann daher nicht zur Begründung des nach Art. 102 S. 2 lit. a AEUV verbotenen Verhaltens herangezogen werden und ist für die Beurteilung dieses 260
Regel 15 IBF-Rules Governing Championship Contests. Hierbei handelt es sich um ein unechtes Schiedsgericht: Siehe die Zusammensetzung des Vereinsgerichtes nach Art. 1 WBO-Appeals Regulations. 262 Sektion 34 WBO-Regulations of World Championship Contest. 263 Vgl. dazu: Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 207; Bulst, in: Langen/ Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 181. Deutlich zum GWB: Nothdurft, in: Bunte/Langen, KartellR, § 19 GWB Rn. 184. 264 So ist auch der Vertreter des BKartA (Nothdurft) in Pechstein III zu verstehen: Heermann, Nach der mündlichen Verhandlung am BGH im Pechstein-Verfahren: Noch ist alles möglich!, go.wwu.de/1fpe6, S. 9. Grundsätzlich kritisch zum Vergleichsmarktmodell beim Konditionenmissbrauch: Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 181; Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 207. Vgl. auch zum deutschen Kartellrecht: Nothdurft, in: Bunte/Langen, KartellR, § 19 GWB Rn. 184 m. w. N.; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, WettR, § 19 GWB Rn. 255. 261
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Falls ungeeignet. Aufgrund dieser generell bestehenden Problematik kommt der Vergleichsmarktmethode beim Konditionenmissbrauch nach Art. 102 S. 2 lit. a AEUV in der Rechtsprechung, der Praxis der Kommission und auch der Literatur eine untergeordnete Rolle zu.265 bb) Interessenabwägung (qualitativer Konditionenmissbrauch) Nachdem der quantitative Konditionenmissbrauch in Form der Vergleichsmarktmethode auf die Fallkonstellation für nicht anwendbar erklärt wurde, verbleibt die Möglichkeit eines qualitativen Konditionenmissbrauch.266 Die Kommission und der EuGH tendieren ohnehin dazu, einen Konditionenmissbrauch nach Art. 102 S. 2 lit. a AEUV in qualitativer Form zu begründen.267 Nach qualitativen Gesichtspunkten liegt eine Unangemessenheit der einzelnen Geschäftsbedingung vor, wenn diese (offensichtlich) unbillig sind.268 Dies soll besonders gravierende unangemessene Geschäftsbedingungen erfassen.269 Die Formulierung der offensichtlichen Unbilligkeit bringt allerdings gegenüber dem Begriff der Unangemessenheit keinen Erkenntnisgewinn.270 Obwohl die Kommentarliteratur eine Reihe von Entscheidungen zitiert, ist nur wenigen eine klare Aussage über die 265
Siehe: Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 207; Bulst, in: Langen/ Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 181. 266 Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 207; vgl.: Bulst, in: Langen/ Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 181. Siehe dazu die besonders deutlichen Ausführungen von Nothdurft zum deutschen Kartellrecht: Nothdurft, in: Bunte/Langen, KartellR, § 19 GWB Rn. 181, 183, 185 f. 267 Vgl. nur: EuGH, Urt. v. 27.03.1974, C-127/73, ECLI:EU:C:1974:25, Rn. 6/8, 9/11 – BRT II; EuGH, Urt. v. 30.04.1974, C-155/73, ECLI:EU:C:1974:40, Rn. 17 – Sacchi; Kommission, Entsch. v. 02.06.1971, 71/224/EWG, ABl. 1971, L 134/15 (S. 24) – GEMA I; Kommission, Entsch. v. 20.04.2001, COMP D3/34493, Rn. 112 – DSD. So auch: Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 326. 268 EuGH, Urt. v. 30.04.1974, C-155/73, ECLI:EU:C:1974:40, Rn. 17 – Sacchi; Kling/ Thomas, KartellR, § 6 Rn. 103; Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 205; Bechtold/Bosch/Brinker, KartellR, Rn. 36; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 186; Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 180. Mit anderen Worten auch: Kommission, Entsch. v. 20.04.2001, COMP D3/34493, Rn. 111 – DSD. Auf eine solche (offensichtliche) Unbilligkeit entschied die Kommission wohl in: Kommission, Entsch. v. 24.07.1991, COMP IV/31.043, vgl. z. B. Rn. 140 – Tetra Pak II. Vgl. zum deutschen Kartellrecht: Nothdurft, in: Bunte/Langen, KartellR, § 19 GWB Rn. 129. 269 Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 205; Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 180. 270 Vgl.: Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 180; Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 205. Daher stellen manche Kommentatoren von Beginn an nur auf die Verhältnismäßigkeit ab. Siehe z. B.: Bechtold/Bosch/Brinker, KartellR, Art. 102 Rn. 36.
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Voraussetzungen für das Vorliegen von unangemessenen Geschäftsbedingungen zu entnehmen. Die deutlichste Aussage hat der EuGH in der BRT-II-Entscheidung getätigt. Hierin äußerte er, dass bei der Beurteilung des Missbrauchs „allen beteiligten Interessen so Rechnung getragen werden [muss], daß ein ausgewogenes Verhältnis entsteht zwischen dem Höchstmaß an Freiheit für Textdichter, Komponisten und Verleger, über ihr Werk zu verfügen, und einer wirkungsvollen Verwaltung der Rechte dieser Personen durch ein Unternehmen, dessen Mitglieder zu werden sie praktisch nicht umhin können.“271
Im Folgenden formulierte er: „Um diese Rechte und Interessen wirkungsvoll wahrnehmen zu können, muß die Vereinigung über eine Stellung verfügen, die voraussetzt, daß die der Vereinigung angeschlossenen Urheber ihre Rechte an sie abtreten, soweit das notwendig ist, um ihrer Tätigkeit das erforderliche Volumen und Gericht zu verleihen. Sonach ist zu prüfen, ob die umstrittenen Praktiken die Grenzen des zu diesem Zweck Unentbehrlichen überschreiten, wobei gleichzeitig dem Interesse Rechnung zu tragen ist, das der einzelne Urheber daran haben kann, seine freie Verfügung über sein Werk nicht stärker als notwendig eingeschränkt zu sehen.“272
Damit führte der EuGH aus, was er in United Brands bereits mit diesen Worten angedeutet hat: „[E]ine solche Praxis läßt sich aber nur rechtfertigen, wenn sie keine Schranken aufrichtet, deren Wirkung über das verfolgte Ziel hinausgeht.“273
Ähnlich ist die Kommission zu verstehen, die vortrug, dass „die GEMA als marktbeherrschendes Unternehmen einem Übermaßverbot unterliegt“ und daher grundsätzlich „[z]ur Verhinderung der […] Gefahr einer Interessenskollision […] das mildeste Mittel“
wählen muss.274 In der Sache DSD erklärte die Kommission, dass unangemessene Geschäftsbedingungen vorliegen, „wenn das beherrschende Unternehmen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachtet“.275 Weiterhin ließ die Kommission ver-
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EuGH, Urt. v. 27.03.1974, C-127/73, ECLI:EU:C:1974:25, Rn. 6/8 – BRT II. EuGH, Urt. v. 27.03.1974, C-127/73, ECLI:EU:C:1974:25, Rn. 9/11 – BRT II. 273 EuGH, Urt. v. 14.02.1978, C-27/76, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 152/160 – United Brands. 274 Kommission, Entsch. v. 02.06.1971, 71/224/EWG, ABl. 1971, L 134/15 (S. 24) – GEMA I. 275 Kommission, Entsch. v. 20.04.2001, COMP D3/34493, Rn. 112 – DSD. Bestätigt durch: EuGH, Urt. v. 16.07.2009, C-385/07 P, ECLI:EU:C:2009:456 – DSD; EuG, Urt. v. 24.05.2007, T-151/01, ECLI:EU:T:2007:154 – DSD. 272
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
lauten, dass „[i]m Rahmen der gebotenen Interessensabwägung […] kein anerkennenswertes Interesse von DSD zu erkennen“ sei.276 Auch wenn sich diese Entscheidungen in der konkreten Wortwahl unterscheiden, wird deutlich, dass das Vorliegen von Unangemessenheit einzelner Klauseln 277 anhand von drei Kriterien zu überprüfen ist: Legitimes Ziel, Notwendigkeit und Interessenabwägung. Hieraus ergibt sich sinnvollerweise folgendes Prüfungsschema, wonach Unangemessenheit vorliegt, wenn eines der Kriterien nicht erfüllt ist:278 1. Der Marktbeherrscher verfolgt mit den Geschäftsbedingungen ein legitimes Ziel. 2. Die Bindung durch die Geschäftsbedingungen ist nicht stärker als für das legitime Ziel notwendig. Gemeint ist, dass die Handlungsfreiheit des Handelspartners nicht stärker eingeschränkt wird, als dies zur Erreichung des legitimen Ziels notwendig ist (Übermaßverbot279). 3. Die Abwägung der relevanten Interessen der Handelspartner spricht gegen eine Unangemessenheit.280 Bei dieser Prüfung kommt den Sportveranstaltern kein besonderes Ermessen zu.281 Dieses Prüfungsschema erfasst auch bereits alle Punkte, die bei einer Anwendbarkeit der Meca-Medina-Formel auf Art. 102 AEUV beachtet werden müssten.282 276
Kommission, Entsch. v. 20.04.2001, COMP D3/34493, Rn. 112 – DSD. Eilmansberger/Bien, in: MüKo, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 239. 278 Ähnlich: GA Kirschner, Schlussanträge v. 21.02.1990, T.51/89, Rn. 67–72 – Tetra Pak; Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 326; Mestmäcker/Schweitzer, EUWettR, § 18 Rn. 7; Bechtold/Bosch/ Brinker, KartellR, Rn. 36; Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 180; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 186; Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 206; Weiß, in: Calliess/Ruffert, EUV/A EUV, Art. 102 AEUV Rn. 49; Berg, in: Berg/Mäsch, KartellR, Art. 102 AEUV Rn. 62; Eckel/ Richter, WuW 2015, 1078 (1082). Zusätzlich auf das Merkmal der Geeignetheit abstellend: O’Donoghue/Padilla, The law and economics of article 102 TFEU, S. 856; Nazzini, The foundations of European Union competition law, S. 186, 392 279 Eilmansberger/Bien, in: MüKo, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 239 m. w. N. 280 Vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 48 f.) – Pechstein III. 281 EuGH, Urt. v. 18.07.2006, C-519/04 P, ECLI:EU:C:2006:492, Rn. 47, 52 – Meca-Medina. 282 Siehe für eine Übertragbarkeit z. B.: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weissbuch Sport, KOM(2007) 391 final, S. 15; Esposito, Private Sportordnung und EU-Kartellrecht, S. 234 f.; Jung, Das internationale Sportverbandsrecht im Geltungsbe277
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In Meca-Medina erklärte der EuGH in Bezug auf Art. 101 AEUV:283 „Bei der Anwendung dieser Vorschrift im Einzelfall sind […] der Gesamtzusammenhang, in dem der fragliche Beschluss zu Stande gekommen ist oder seine Wirkungen entfaltet, und insbesondere seine Zielsetzung zu würdigen. Weiter ist dann zu prüfen, ob die mit dem Beschluss verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen notwendig mit der Verfolgung der genannten Ziele zusammenhängen […] und ob sie im Hinblick auf diese Ziele verhältnismäßig sind.“
Damit überschneiden sich die herausgearbeitete Prüfung des qualitativen Konditionenmissbrauchs anhand einer Interessenabwägung und die auf Art. 102 AEUV übertragene Meca-Medina-Formel. In beiden Fällen liegt kein Missbrauch vor, wenn mit der erzwungenen Vertragsklausel ein legitimer Zweck verfolgt wird, die konkrete Klausel für die Erreichung des Zwecks notwendig ist und eine Abwägung der Interessen der Beteiligten nicht für eine Missbräuchlichkeit spricht. Dementsprechend ist die Meca-Medina-Formel bereits in der Prüfung eines Konditionenmissbrauchs auf Grundlage einer Interessenabwägung enthalten und muss darüber hinaus nicht gesondert eingebracht werden.284 Die Analyse der vier Probleme im CAS-Code wird daher anhand der Voraussetzungen eines qualtitativen Konditionenmissbrauchs vorgenommen. (1) Vertraulichkeit Die Vertraulichkeitsregeln des CAS sind in Kap. 4. B. I. 4.285 bereits in Bezug auf das Verfahren und den Schiedsspruch erörtert worden. Daher werden hier nur die vier Punkte erneut aufgegriffen, die hinsichtlich der Vertraulichkeit problematisch sind. Erstens sind die Anhörungen vor der Ordinary Division vertraulich, es sei denn, die Parteien einigen sich darauf, dass öffentlich verhandelt werden soll.286 Zweitens sind die Anhörungen vor der Appeals Division vertraulich, wenn es sich bei dem Verfahren nicht um eine Disziplinarstreitigkeit handelt.287 Drittens wird der Schiedsspruch der Ordinary Division nur dann veröffentlicht, wenn sich die Parteien darauf einigen oder der Divisionspräsident entscheidet, dass der Schiedsspruch veröffentlicht wird.288 Diese Entscheireich des europäischen Unions- und Assoziierungsrechts, S. 223; Heermann, WRP 2015, 1172 (1179). 283 EuGH, Urt. v. 18.07.2006, C-519/04 P, ECLI:EU:C:2006:492, Rn. 42 – Meca-Medina. 284 Angedeutet bei: Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112 (116). 285 Siehe: S. 96 ff. 286 Art. R44.2 Abs. 2 S. 2 CAS-Code. 287 Art. R57 Abs. 2 S. 3 CAS-Code. 288 Art. 43 S. 3 CAS-Code.
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dung darf der Divisionspräsident treffen, wenn das öffentliche Interesse und/oder berechtigte Gründe für die Veröffentlichung sprechen.289 Und viertens kommt es bei Verfahren vor der Anti-Doping Division nur dann zu einer Veröffentlichung des Schiedsspruchs, einer Zusammenfassung und/oder einer Pressemitteilung, wenn in der Entscheidung auch Sanktionen ausgesprochen werden.290 Dementsprechend ist die Entscheidung vertraulich, wenn keine Sanktionen ausgesprochen werden, zum Beispiel der Dopingvorwurf nicht bewiesen werden konnte. In diesen Fällen würde die Veröffentlichung aus Sicht der Athleten aber dazu dienen, zu beweisen, dass sie „sauber“ sind, also keinen Verstoß gegen die Dopingvorschriften begangen haben. Die Regelungen zur Vertraulichkeit des Verfahrens vor der Anti-Doping Division und der Appeals Division (bei Disziplinarstreitigkeiten) stellen keine Problematik im Sinne des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV dar, da die Athleten hier durch einseitige Erklärung die Öffentlichkeit herbeiführen können.291 Ihnen steht also die Möglichkeit frei, darüber zu entscheiden, ob Öffentlichkeit oder Vertraulichkeit des Verfahrens ihren Interessen besser gerecht wird. Begründet wird die Lockerung der Vertraulichkeit von Schiedssprüchen in der Appeals Division gegenüber der Ordinary Division damit, dass durch eine Veröffentlichung die Transparenz und Vorhersehbarkeit von Entscheidungen durch den CAS gefördert werde.292 Das gleiche Argument lässt sich auch für die Regelung der Anti-Doping Division vorbringen.293 Ohne diese Lockerung der Vertraulichkeit des Schiedsspruches wäre es zum einen für die Prozessparteien nicht möglich, die eigenen Erfolgschancen vor dem CAS zu bestimmen und zum anderen für die CAS-Schiedsrichter nicht möglich, eine konstante Rechtsprechung zu gewährleisten.294 Außerdem würden sich die vor der Appeals Division verhandelten Rechtsmittel in der Regel gegen Entscheidungen der Sportverbände beziehungsweise deren Verbandsgerichte richten.295 Bei diesen Entscheidungen handele es sich häufig um erstinstanzliche Entscheidungen mit Disziplinarcharakter (zum Beispiel Dopingentscheidungen), welche schon vor deren Verhandlung vor dem
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Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R43 Rn. 5. Art. A21 Abs. 6 S. 1 CAS-ADD Rules. 291 Art. R57 Abs. 2 S. 3 CAS-Code; Art. A19.3 Abs. 3 S. 3 CAS-ADD Rules; vgl. Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 330 f. 292 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R43 Rn. 32. 293 Schließlich sind auch die Fälle, in denen ein Dopingverstoß abgelehnt wird für die Entwicklung und Vorhersehbarkeit der CAS-Rechtsprechung wichtig. 294 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R. 43 Rn. 32. 295 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R59 Rn. 77. 290
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CAS öffentlich seien, beziehungsweise solche, bei denen die Öffentlichkeit ein Interesse am Ausgang des Verfahrens habe.296 (a) Legitimes Ziel Der Vertraulichkeit von Schiedsverfahren und Schiedssprüchen werden ganz allgemein verschiedene positive Effekte zugeschrieben. Dazu gehören:297 1. Das Sichern von Wettbewerbsgeheimnissen der Parteien und gegebenenfalls auch der Zeugen. 2. Das Vermeiden von Imageschäden.298 3. Der Schutz der Persönlichkeits- und Intimsphäre. 4. Das Vermeiden eines Präjudizes.299 5. Die Effizienz der Streitbeilegung aufgrund einer begünstigten Konfliktatmosphäre (Fokussierung auf die Sache und daher zum Beispiel keine Rechtfertigung oder Profilierung vor Dritten). 6. Die geringere Belastung des Verhältnisses zueinander durch Streitentscheidung ohne Offenlegung des Streits vor Dritten. Für die Sportschiedsgerichtsbarkeit sind insbesondere die Punkte 2, 3 und 5 relevant. So kann aus Sicht der Sportveranstalter durch die Vertraulichkeit von Verfahren und Schiedsspruch ein Imageschaden verhindert werden, da nicht deutlich wird, wie zum Beispiel eine bestimmte wirtschaftliche Regelung300 gegen Athleten durchgesetzt wird.301 Auch die Athleten können ein Interesse daran haben, dass wirtschaftliche Abmachungen zwischen ihnen und den Sportveranstaltern nicht öffentlich gemacht werden.
296 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R43 Rn. 9, R59 Rn. 77. 297 Siehe nur anstelle vieler: Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, S. 53–62 m. N. zu allen Punkten; insbesondere auf das Funktionieren der Sportschiedsgerichtsbarkeit und die Persönlichkeitrechte der Athleten abstellen: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 218–221. 298 Dies ist dann im Gegenzug für die andere Partei ein Nachteil, da in der Sache dann kein öffentlicher Druck mehr gegen die andere Partei entstehen kann: Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, S. 56. 299 Dies ist jedoch für die obsiegende Partei ein Nachteil, wenn sie an gleichgelagerten Fällen beteiligt ist: Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, S. 59. 300 Daher ein Fall für die Ordinary Division. Siehe: S20 CAS-Code. 301 Beispielhaft könnte hier die Richtlinie zur Regel 40 Nr. 3 der Olympischen Charta angeführt werden.
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Für die Athleten verhindert die Vertraulichkeit des Verfahrens302 hingegen einen Imageschaden in Disziplinarverfahren (insb. Dopingverfahren), indem ihre Verfahrenseinlassungen ohne ihren Willen nur über den Umweg der Schiedsentscheidung303 und nicht direkt öffentlich gemacht werden. In Verfahren vor dem CAS geht es häufig um persönlichkeitsrelevante Tatsachen.304 So ist zum Beispiel im Fall Semenya v. IAAF davon auszugehen, dass es auch zu der Frage kommt, wann Frauen (und hier wohl speziell Semenya) als weiblich im Sinne des Sportes anzusehen sind.305 Zum Beispiel im Rahmen von Dopingstreitigkeiten kann es ebenfalls zur Diskussion von Angelegenheiten der Persönlichkeits- und Intimsphäre kommen. Bei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (wie es viele Sportler sind) werden solche Details häufig prominent in der Presse veröffentlicht, wodurch die Persönlichkeits- und Intimsphäre der Betroffenen in besonderem Maße beeinträchtigt wird.306 Sind das CAS-Verfahren und der Schiedsspruch vertraulich, wird zudem eine offene und sachgerechte Diskussion ermöglicht. Für die Streitparteien gibt es dann aufgrund der Vertraulichkeit keinen Grund, zu versuchen, gegenüber der Öffentlichkeit ein bestimmtes Bild abzugeben.307 Es ist zu erwarten, dass nicht an unhaltbaren Rechtspositionen festgehalten wird, wodurch das Verfahren schneller und damit auch kostengünstiger (effizienter) abgewickelt werden kann.308 Vor dem Hintergrund dieser Analyse ist festzuhalten, dass durch die Vertraulichkeit des Sportschiedsverfahrens unter anderem das Ansehen des Athleten sowie dessen Privat- und Intimsphäre geschützt werden sollen. Darüber hinaus soll die Effizienz der Streitbeilegung erhöht werden. Hierbei handelt es sich um legitime Ziele.309
302 Das Verfahren ist nur dann nicht vertraulich, wenn eine natürliche Person die Öffentlichkeit des Verfahrens beantragt: Art. R57 Abs. 2 S. 3 CAS-Code; Art. 19.3 Abs. 3 S. 3 CAS-ADD Rules. 303 Bei Vefahren vor der Appeals Division grundsätzlich: R59 Abs. 7 S. 1 CAS-Code. Und bei Verfahren vor der Anti-Doping Division zumindest in den Fällen, in denen Sanktionen ausgesprochen werden: Art. A21 Abs. 6 S. 1 CAS-ADD Rules. 304 So auch: Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, S. 57. 305 Siehe: CAS, Pressemitteilung v. 19.06.2018, go.wwu.de/z4e0g. 306 Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, S. 57. 307 Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, S. 59. 308 Vgl.: Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R43 Rn. 32. 309 Vgl. z. B.: Musielak, in: Musielak/Voit, ZPO, Einleitung Rn. 50, der ein berechtigtes Interesse darin sieht, nicht alle Angelegenheiten einer Streitigkeit zur Kenntnis Dritter zu bringen.
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(b) Notwendigkeit Ein umfassender Schutz des Ansehens sowie der Persönlichkeits- und Intimsphäre der Athleten kann nur durch eine möglichst weitreichende Vertraulichkeit des Verfahrens und des Schiedsspruchs erreicht werden. Im Schiedsspruch könnte ein entsprechender Schutz theoretisch auch durch Schwärzung jener Teile erreicht werden, die die sensiblen Stellen betreffen. Allerdings führt ein solches Vorgehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Uneinigkeit, welche Teile geschwärzt werden sollen.310 Der Streit über die Schwärzungen könnte dann den Erlass des Schiedsspruches erheblich verzögern, was wegen der begrenzten Zeit einer Sportlerkarriere für die Athleten besonders nachteilig sein kann. Zudem besteht immer die Möglichkeit, dass sich aus den nicht geschwärzten Teilen Rückschlüsse auf Einlassungen im Schiedsverfahren ziehen lassen, die die Persönlichkeits- und Intimsphäre betreffen. Ein umfassender Schutz kann daher nur durch die vollständige Vertraulichkeit des Schiedsspruches erreicht werden.311 Hinsichtlich des Schutzes von Persönlichkeits- und Intimsphäre im Schiedsverfahren ist dieser Schluss sogar noch deutlicher. Während der Schiedsspruch vor einer möglichen Veröffentlichung vorliegt und diskutiert werden kann, ist die Dynamik der Verhandlung vor dem Schiedsgericht nur schwer vorherzusehen. Das heißt, die Schiedsrichter könnten vor der Diskussion von sensiblen Tatsachen nicht immer dafür sorgen, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird. Möglich wäre lediglich der Ausschluss der Öffentlichkeit vor Aussagen, bei denen vorher klar ist, dass die Persönlichkeits- oder Intimsphäre betroffen sein wird. Damit wird jedoch kein lückenloser Schutz sensibler Themen geschaffen.312 Daher bedarf es auch für das Verfahren eine umfassende Vertraulichkeit, um einen möglichst weitgehenden Schutz zu schaffen. Auch die Schaffung einer Situation, die die oben beschriebene effiziente Streitbeilegung fördert, gelingt nur, wenn die Öffentlichkeit einen möglichst geringen Einfluss auf den Fortgang der Streitbeilegung nehmen kann. Dies ist wiederum nur durch eine möglichst strikte Vertraulichkeit des Verfahrens erreichbar. Schließlich würde selbst eine beschränkte Öffentlichkeit dazu führen, dass Informationen aus der Verhandlung oder dem Schiedsspruch öffentlich diskutiert würden. In diesem Fall bestünde für die Parteien dann wieder der Anreiz, 310
Siehe nur den Streit über die Schwärzung in der Entscheidung des ISU-Verfahrens, obwohl es in diesem wohl kaum um die Persönlichkeits- oder Intimsphäre von Athleten oder anderen Personen ging: Kommission, Entsch. v. 08.12.2017, CASE AT.40208, C(2017) 8240 final – ISU. 311 Ebenso: Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, S. 57. 312 Daher ist die Vertraulichkeit des Verfahrens auch andersherum aufgebaut als z. B. in § 171b GVG. Nach dem GVG sind Verfahren grundsätzlich öffentlich (§ 170 Abs. 1 S. 1 GVG), die Öffentlichkeit kann aber aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre ausgeschlossen werden.
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sich gegenüber der Öffentlichkeit (zum Beispiel aus Gründen ihres allgemeinen Ansehens) in einer ganz bestimmten Art zu präsentieren. Das alleinige Bestreben der Parteien, eine effiziente Streitbeilegung herbeizuführen, würde zumindest in Teilen verloren gehen.313 Zur Erreichung der legitimen Ziele können daher keine die Handlungsfreiheit des Athleten weniger einschneidenden Geschäftsbedingungen genutzt werden, weshalb die Notwendigkeit zu bejahen ist. (c) Abwägung Ob die vier untersuchten Vertraulichkeitsregeln ein Missbrauch darstellen, entscheidet sich daher anhand einer Abwägung der Interessen der Beteiligten. Wie bei der Untersuchung des legitimen Ziels herausgearbeitet, ist es das Interesse des Verbandes, dass Streitigkeiten mit Bezug zur Sportveranstaltung möglichst effizient entschieden werden. Dieses legitime Ziel zur Durchsetzung der selbst gesetzten Regeln wird auf europäischer Ebene durch die Vereinigungsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GRCh abgesichert.314 Auf der anderen Seite steht das Recht des Athleten, eine öffentliche Verhandlung und ein öffentliches Urteil durch ein zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht zu erhalten, welches auf europäischer Ebene durch Art. 47 Abs. 2 GRCh garantiert ist.315 Daneben ist die Berufsfreiheit der Athleten aus Art. 15 Abs. 1 GRCh zu beachten.316 Diese Rechte der GRCh sind wegen Art. 51 Abs. 1 GRCh für alle staatlichen Richter bei der Anwendung von Art. 102 AEUV zu beachten. Im Verhältnis Sportveranstalter-Athlet kommt es daher zu einer mittelbaren Drittwirkung der Rechte der GRCh. 317 Die Rechte aus der EMRK entfalten im Rahmen der An-
313
Vgl. hierzu: Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, S. 59 f. Siehe: Kap. 4. C. II. (S. 108 f.) 315 Siehe: Kap. 4. C. IV. (S. 110 ff.). 316 Siehe: Kap. 4. C. III. (S. 109 f.) 317 Zum EU-Kartellrecht vgl.: EuGH, Urt. v. 28.04.2011, C-199/11, ECLI:EU:C:2012:684, Rn. 45 – Otis; Podszun, Außerwettbewerbliche Interessen im Kartellrecht und ihre Grenzen, in: Kokott/Pohlmann/Polley, FS Schroeder, S. 630–632 m. w. N.; von einer Abwägung sprechend: EuGH, Urt. v. 16.07.2015, C-170/13, ECLI:EU:C:2015:477, Rn. 42 – Huawei/ ZTE; GA Wathelet, Schlussanträge v. 20.11.2014, C-170/13, Rn. 59 – Huawei/ZTE. Generell: Jarass, GRCh, Art. 51 Rn. 32, 36 f. jeweils m. w. N.; Ehlers, in: Ehlers, EuGR, § 14 Allgemeine Lehren der Unionsgrundrechte Rn. 81; Stern/Hamacher, in: Stern/Sachs, GRCh, Die EU-Grundrechte-Charta – Einführung und Grundlagen Rn. 103; Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 51 Rn. 31; Vedder/Heintschel von Heinegg, in: Vedder/Heintschel von Heinegg, EU-Recht, Art. 51 GRCh Rn. 16; leicht einschränkend: Kingreen, in: Calliess/ Ruffert, EUV/A EUV, Art. 51 GRCh Rn. 21. 314
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wendung des AEUV hingegen keine Wirkung.318 Aufgrund des Verhältnisses der GRCh zur EMRK kommt der Auslegung der Art. 11 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 EMRK dennoch Bedeutung zu.319 Für die Auswirkungen dieser mittelbaren Drittwirkung wird mangels klarer Bestimmung durch die europäischen Gerichte320 an die ausdifferenzierte Rechtsprechung des BVerfG zur mittelbaren Drittwirkung der deutschen Grundrechte angeknüpft. Demnach wirken die Rechte der GRCh im Wege der mittelbaren Drittwirkung auf die Auslegung der zivilrechtlichen Generalklauseln (hier Art. 102 AEUV) ein.321 Das BVerfG geht davon aus, dass durch das Konstrukt einer mittelbaren Drittwirkung keine „konsequente Minimierung von freiheitsbeschränkenden Eingriffen“ erreicht werden soll.322 Die einzubeziehenden Rechte sollen vielmehr als Grundsatzentscheidung dafür sorgen, dass die verschiedenen Freiheiten der Parteien in Einklang gebracht werden.323 Bezogen auf die mittelbare Drittwir318
GA Kokott, Schlussanträge v. 18.04.2013, C-501/11 P, Rn. 22; vgl.: EuGH, Urt. v. 28.04.2011, C-199/11, ECLI:EU:C:2012:684, Rn. 47 – Otis; EuGH, Urt. v. 26.02.2013, C-617/10, ECLI:EU:C:2013:105, Rn. 44 – Åklagare; wohl anders: Heermann, WRP 2015, 1172 (1175 f.). 319 GA Kokott, Schlussanträge v. 18.04.2013, C-501/11 P, Rn. 23 f.; vgl.: EuGH, Urt. v. 28.04.2011, C-199/11, ECLI:EU:C:2012:684, Rn. 47 – Otis; EuGH, Urt. v. 26.02.2013, C-617/10, ECLI:EU:C:2013:105, Rn. 44 – Åklagare. Siehe zu Art. 11 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 EMRK: Kap. 4. C. I. (S. 105 ff.). 320 Der EuGH hat in Fällen von Drittwirkung der GRCh (ohne den Begriff der Drittwirkung zu nennen) bislang lediglich erklärt, dass er die in Frage stehenden Vorschriften „im Lichte“ der Grundrechte auslegt: EuGH, Urt. v. 29.01.2008, C-275/06, ECLI:EU:C:2008:54, Rn. 68 – Promusicae; EuGH, Urt. v. 13.05.2014, C-131/12, ECLI:EU:C:2014:317, Rn. 68, 74 – Google Spain; EuGH, Urt. v. 17.07.2014, C-141/12, C-372/14, ECLI:EU:C:2014:2081, Rn. 54 – Y. S. In den Schlussanträgen der Generalanwälte wurde zwar deutlich gemacht, dass der GRCh mittelbare Drittwirkung zukommt, jedoch wurde nicht herausgearbeitet, wie dies bei Vorhandensein widerstreitender Interessen in dogmatischer Hinsicht geschehen soll: GA Maduro, Schlussanträge v. 23.05.2007, C-438/05, Rn. 39 – International Transport Workers’ Federation; GA Trstenjak, Schlussanträge v. 08.09.2011, C‑282/10, Rn. 80, 83 – Dominguez; GA Villalón, Schlussanträge v. 18.07.2013, C‑176/12, Rn. 30– 41 – Association de médiation sociale. Auch die Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten des AEUV ist nicht übertragbar, da hier von einer unmittelbaren Drittwirkung ausgegangen wurde. Vgl.: EuGH, Urt. v. 15.12.1995, C-415/93, ECLI:EU:C:1995:463, Rn. 82–87 – Bosman; EuGH, Urt. v. 06.06.2000, C-281/98, ECLI:EU:C:2000:296, Rn. 31 – Angonese. 321 BVerfG, Beschl. v. 11.04.2018, 1 BvR 3080/09, NJW 2018, 1667 (1668 Rn. 32 m. N. zur st. Rspr.) – Stadionverbot; so seit: BVerfG, Urt. v. 15.01.1958, 1 BvR 400/57, NJW 1958, 257 (257 f.). 322 BVerfG, Beschl. v. 11.04.2018, 1 BvR 3080/09, NJW 2018, 1667 (1668 Rn. 32) – Stadionverbot. 323 BVerfG, Beschl. v. 11.04.2018, 1 BvR 3080/09, NJW 2018, 1667 (1668 Rn. 32) – Stadionverbot.
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kung von Grundrechten erklärt das BVerfG, dass kollidierende Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen seien und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich gebracht werden müssten, dass die verschiedenen Grundrechtspositionen für alle Beteiligten möglichst umfangreich wirksam werden.324 Bei dieser Herstellung der praktischen Konkordanz sei insbesondere auch das Machtverhältnis zwischen den beiteiligten Parteien zu beachten.325 Beim Abschluss von CAS-Schiedsvereinbarungen unterliegen Athleten einem faktischen Zwang326; es liegt eine Übermächtigkeit der Verbände vor. Schon aus diesem Grund müssen die Rechte der Athleten im Rahmen der mittelbaren Drittwirkung höher gewichtet werden als die Rechte der Sportverbände.327 Zuletzt ist auch zu beachten, dass bei einer Unwirksamkeit bestimmter Klauseln der Verstoß gegen Art. 47 Abs. 2 GRCh (vgl. die Ausführungen in Kap. 6. A. III. 7.328) nicht mehr bestünde, gleichzeitig aber die Rechte der Sportverbände nur geringfügig beschnitten würden. Aus diesen Feststellungen zur mittelbaren Drittwirkung muss gefolgert werden, dass die Abwägung nur dann gegen eine Missbräuchlichkeit spricht, wenn die durch das legitime Ziel aufgegriffenen Interessen gegenüber den entgegenstehenden Interessen der Athleten signifikant überwiegen.329 Zunächst ist zu beachten, dass die Vertraulichkeit des CAS-Verfahrens vor der Ordinary Divison und der Appeals Division (außerhalb von Disziplinarstreitigkeiten) nicht absolut ist. Schließlich können sich die Parteien darauf einigen, dass die Verfahren öffentlich geführt werden.330 Auch bei der Vertraulichkeit des Schiedsspruches können sich die Parteien vor der Ordinary Division darauf einigen, dass der Schiedsspruch veröffentlich wird.331 Zudem kann der Präsident der Division entscheiden, dass der Schieds-
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BVerfG, Beschl. v. 11.04.2018, 1 BvR 3080/09, NJW 2018, 1667 (1668 Rn. 32) – Stadionverbot. 325 BVerfG, Beschl. v. 11.04.2018, 1 BvR 3080/09, NJW 2018, 1667 (1668 Rn. 33) – Stadionverbot. 326 Vgl. dazu: Kap. 2. C. (S. 33 ff.). 327 Vgl.: BGH, Urt. v. 27.09.1999, II ZR 305-98, NJW 1999, 3552 (3554); OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18.05.2000, 13 W 29/00, NJW 2000, 1117 (1119); Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 297 f. 328 Siehe: S. 202 ff. 329 Vgl. hierzu zu den deutschen Grundrechten: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 279 f. m. w. N. 330 Für die Ordinary Division: Art. R44.2 Abs. 2 S. 2 CAS-Code. Für die Appeals Division ergibt sich dies aus einer analogen Anwendung des Art. R44.2 Abs. 2 S. 2 CAS-Code: Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R57 Rn. 59. 331 Art. R43 S. 3 CAS-Code.
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spruch veröffentlicht wird.332 Obwohl im Wortlaut des Art. R43 S. 3 CAS-Code hierfür keine Voraussetzungen genannt werden, ist anerkannt, dass der Divisionspräsident diese Entscheidung treffen darf, wenn es berechtigte Gründe für eine Veröffentlichung gibt und/oder wenn ein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung besteht.333 Art. A21 Abs. 6 S. 1 CAS-ADD Rules sieht bei Schiedssprüchen der Anti- Doping Division, in denen keine Sanktionen ausgesprochen werden, keine Möglichkeit der Veröffentlichung des Schiedsspruchs vor. Nichtsdestotrotz ist davon auszugehen, dass es den Parteien wegen Art. A26 Abs. 2 CAS-ADD Rules i. V. m. Art. R43 S. 3 analog CAS-Code freisteht, die Veröffentlichung des Schiedsspruchs zu vereinbaren. Gleiches gilt auch für die Möglichkeit des Präsidenten der Anti-Doping Division zu entscheiden, dass der Schiedsspruch in diesen Fällen veröffentlicht wird. Hierdurch wird die Problematik der Vertraulichkeit von Schiedsverfahren und Schiedsspruch zumindest theoretisch abgemildert. In der Praxis kommt es aber nicht zur Ausübung dieser Möglichkeiten. So ist zum Beispiel nur ein Fall bekannt, in dem sich die Parteien auf die Öffentlichkeit eines Verfahren geeinigt haben.334 Zudem ist es unwahrscheinlich, dass die unterlegene Partei nach Ergehen des Schiedsspruchs einer Veröffentlichung eben dieser Entscheidung zustimmt.335 Soweit ersichtlich gibt es auch keine Fälle, in denen einer der Divisionspräsidenten eigenständig eine Veröffentlichung angeordnet hat.336 Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Vertraulichkeit des Verfahrens vor der Ordinary Division und, wenn es sich nicht um eine Disziplinarstreitigkeit handelt, der Appeals Division gegeben ist. Bei Schiedssprüchen der Ordinary Division sowie der Anti-Doping Division (wenn keine Sanktionen ausgesprochen werden) liegt im Ergebnis ebenfalls Vertraulichkeit vor. In letzteren Verfahren besteht also eine Übereinstimmung mit dem Regelfall der Handelsschiedsgerichtsbarkeit.337 332
Art. R43 S. 3 CAS-Code. Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R43 Rn. 5. 334 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R43 Rn. 20 mit Fn. 20, in der auf CAS, Schiedsurteil v. 07.06.1999, TAS 98/211, Rn. 1.19 – B. v. FINA, verwiesen wird. 335 Vgl.: Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R43 Rn. 8 f., R59 Rn. 77. 336 Auch: Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R43 Rn. 5 erwähnen keinen Fall. 337 Siehe nur: Art. 44.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung; Anhang I Art. 6 ICC-Schiedsgerichtsordnung; Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R43 Rn. 9; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 47. 333
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Vor dem Hintergrund, dass der CAS nach verbreiteter Ansicht nicht unabhängig und neutral ist, ist eine Rechtmäßigkeitsüberprüfung338 von Entscheidungen des CAS durch die Öffentlichkeit besonders wichtig. Für diese Überprüfung durch die Öffentlichkeit bedarf es aber einer möglichst umfangreichen Information derselben, sowohl über das Verfahren als auch den Schiedsspruch. Anders als es Kahlert und Kutschera ausführen, kann die Rechtmäßigkeitsüberprüfung eines Schiedsspruches durch die staatlichen Gerichte im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren keinen gleichwertigen Ersatz für die Öffentlichkeit von Verfahren und Entscheidung in der Sportschiedsgerichtsbarkeit darstellen.339 Bis es zu einer solchen Überprüfung durch die staatlichen Gerichte340 (und damit verbunden der Information der Öffentlichkeit) kommt, ist ein langer Zeitraum vergangen, in dem die Karriere des Athleten bereits beendet sein könnte. Aus Sicht der Athleten spricht gegen die Vertraulichkeit des Schiedsspruches zumindest, dass mangels Öffentlichkeit keine Entscheidungen zur Verfügung stehen, anhand derer die Entscheidungen des CAS prognostiziert werden können. Gleiches gilt in Teilen auch für Entscheidungen der Anti-Doping Division. Zwar werden die Entscheidungen, die zu Sanktionen führen veröffentlicht,341 allerdings gilt dies nicht für die Entscheidungen, die zu keinerlei Sanktionen führen. Daher ist es für Athleten ausgesprochen schwierig, die Grenze zwischen erlaubtem und nicht erlaubtem Verhalten anhand der Rechtsprechung der Anti-Doping Division des CAS zu bestimmen. Es fehlt in beiden Fällen an Rechtssicherheit. Für die Sportveranstalter (und in Dopingsachen die WADA) ist diese Problematik deutlich geringer als für die Athleten, da sie häufiger an Rechtsstreitigkeiten vor dem CAS beteiligt sind. Als Partei des Schiedsverfahrens können sie die ergangenen Schiedssprüche sammeln und daraus eine private Rechtsprechungsdatenbank erstellen. Auch wenn der CAS nicht an Präjudizien gebunden ist, so kann durch frühere Entscheidungen doch in der Regel abgeleitet werden, wie die Entscheidung ausfallen wird.342 Athleten haben diese Möglichkeit nicht, da sie wohl nur in einzelnen Fällen an Schiedsverfahren vor dem CAS beteiligt sind. Für Athleten ist der Zugang zu den Entscheidungen des CAS daher notwendig, um ihre eigene Rechtsposition realistisch einschätzen zu können. Berücksichtigt man die legitimen Ziele der Vertraulichkeit, so ist festzuhalten, dass diese eher das Ziel haben, die Interessen der Athleten zu wahren als die der 338
Siehe hierzu: Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, S. 62–65, 79. Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, S. 64; Kutschera, in: Torggler et al., HB Schiedsgerichtsbarkeit, 1. Kapitel Schiedsgerichtsbarkeit und andere Streitbeilegungsverfahren, II. Vor- und Nachteile des schiedsgerichtlichen Verfahrens Rn. 70. 340 Siehe hierzu auch die Ausführungen in: Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (4) (S. 279 ff.) 341 Art. A21 Abs. 6 S. 1 CAS-ADD Rules. 342 Generell: Blackaby et al., International Arbitration, Rn. 1.116. Für den CAS: CAS, Schiedsspruch v. 16.07.2010, CAS 2008/A /1545, Rn. 52–55 – Anderson v IOC. 339
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Sportveranstalter. Dies lässt sich beim Schutz von Privats- und Intimsphäre schon damit begründen, dass der Sportveranstalter keine Privats- und Intimsphäre haben kann,343 die des Athleten bei Streitigkeiten im Umfeld der Sportveranstaltung aber häufig berührt werden (insb. bei Disziplinarstreitigkeiten wie Dopingvergehen). Auch der schnelle Abschluss des Verfahrens ist für die Athleten wichtiger, da ihre sportliche Karriere zeitlich begrenzt ist, während die Sportveranstalter in ihrer Tätigkeit keine solche zeitliche Begrenzung haben. Hierbei darf aber nicht unbeachtet bleiben, dass im Unterschied zur Grundvorstellung der Handelsschiedsgerichtsbarkeit bei der Sportschiedsgerichtsbarkeit nicht sichergestellt ist, dass sich die Athleten aus eigenem Interesse für die Vertraulichkeit entscheiden. Hierzu kommt es vielmehr wegen des faktischen Zwangs.344 Durch die in der CAS-Schiedsvereinbarung festgelegte Vertraulichkeit wird den Athleten die Möglichkeit einer Rechtsstaatlichkeitsüberprüng der CAS-Entscheidung durch die Öffentlichkeit genommen. Dem Interesse an einer solchen Überprüfung ist aber wegen er umfangreichen Kritik an der Unabhängigkeit und Neutralität des CAS ein besonders hoher Stellenwert einzuräumen. Bei den Streitigkeiten, die zum Teil vertraulich sind, ist zu vermuten, dass es sich um solche handelt, bei denen die Athleten ein Interesse an der Öffentlichkeit des Verfahrens haben. So beinhalten die Streitigkeiten vor der Ordinary Division häufig wirtschaftliche Streitigkeiten,345 bei denen es zumindest unwahrscheinlich ist, dass Elemente der Privat- oder Intimsphäre der Athleten Teil des Rechtsstreits werden. Bei Verfahren vor der Appeals Division haben die Athleten nur dann keine Möglichkeit, die Öffentlichkeit herbeizuführen, wenn es sich nicht um Disziplinarstreitigkeiten handelt. In allen anderen Verfahren ist es ebenso wie vor der Ordinary Division unwahrscheinlich, dass Elemente der Privat- oder Intimsphäre betroffen sind. Ebenso ist dies in Bezug auf die Schiedssprüche der Ordinary Division zu beurteilen. Bei den vertraulichen Schiedssprüchen der Anti-Doping Division werden hingegen häufig Elemente der Privat- oder Intimsphäre betroffen sein, schließlich geht es vor dieser Division ausschließlich um Dopingstreitigkeiten.346 In den vertraulichen Schiedssprüchen werden allerdings keine Sanktionen ausgesprochen, sodass es sich um Schiedssprüche handelt, die den Sportler vom Dopingsverstoß freisprechen. Da Dopingvorwürfe in der Regel unabhängig vom CAS-Verfahren in der Presse wiedergegeben werden, haben die Athleten ein 343
Siehe nur zum Unternehmenspersönlichkeitsrecht (kritisch): Klass, in: Erman, BGB, Anhang zu § 12 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Rn. 57–67. 344 Das es sich hierbei um einen entscheidenden Unterschied handeln kann deutet bereits Kahlert an, ohne auf ein konkretes Beispiel zu verweisen: Kahlert, Vertraulichkeit im Schiedsverfahren, S. 63 f. Siehe zum faktischen Zwang: Kap. 2. C. (S. 33 ff.). 345 Siehe Art. S20 CAS-Code; Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R43 Rn. 9. 346 Siehe: Art. S20 Abs. 1 lit. b CAS-Code.
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besonderes Interesse daran, mit dem Schiedsspruch der Anti-Doping Division nachzuweisen, dass sie nicht gedopt haben. Für einen solchen Nachweis bedarf es aber der Öffentlichkeit des freisprechenden Schiedsspruchs. Daher ist festzustellen, dass die Interessen des legitimen Ziels in den diskutierten vier Fällen nicht signifikant überwiegen. Schlussendlich stellen die diskutierten Regeln zur Vertraulichkeit des Verfahrens und des Schiedsspruches im CAS-Code (R43 S. 3; R44.2 Abs. 2 S. 2, R57 Abs. 2 S. 3) und in den CAS-ADD Rules (Art. A21 Abs. 6 S. 1) unangemessene Geschäftsbedingungen im Sinne des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV dar.347 Anders wäre die Missbräuchlichkeit zu beurteilen, wenn für die Athleten generell die Möglichkeit bestünde, durch einseitige Erklärung die Öffentlichkeit des Verfahrens und/oder des Schiedsspruches herbeizuführen.348 (2) Geschlossene Schiedsrichterlisten Für Verfahren am CAS dürfen nur diejenigen Personen als Schiedsrichter ausgewählt werden, die auf den CAS-Schiedsrichterlisten349 geführt werden.350 Der Mechanismus für die Berufung auf diese Schiedsrichterlisten ist bereits unter Kap. 3. A. II.351 beschrieben worden. Als qualitative Voraussetzungen für die Berufung auf die CAS-Schiedsrichterlisten müssen die Kandidaten über gute Kenntnis vom Sport generell, eine ausreichende juristische Ausbildung und über anerkannte Kompetenz im Sportrecht oder im internationalen Schiedsverfahrensrecht verfügen.352 Darüber hinaus müssen die Schiedsrichter gute Kenntnisse in mindestens einer der Arbeitssprachen des CAS (Englisch, Französisch353) haben.354
347 Siehe dazu die z. T. a. A. von: Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 330 f., 336–338. 348 In dieser Richtung auch: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 219 f.; Summerer, SpuRt 2018, 197 (199 f.) So auch die Änderungen im CAS-Code 2019 nach dem Urteil des EGMR in der Sache Mutu/Pechstein. 349 Kritisch zur allgemein verwendeten Bezeichnung einer geschlossenen Schiedsrichterliste: Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R33 Rn. 33, die von einer verpflichtenden Schiedsrichterliste sprechen, da die Liste jährlich überarbeitet werde. Letztlich handelt es sich hierbei um eine begriffliche Frage, die keinen Einfluss auf die rechtliche Bewertung hat. Daher verwendet diese Untersuchung die von der Mehrzahl verwendete Bezeichnung der geschlossenen Schiedsrichterliste. 350 Art. R33 Abs. 2 CAS-Code. 351 Siehe: S. 42 ff. 352 Art. S14 CAS-Code. 353 Art. R29 CAS-Code. 354 Art. S14 CAS-Code; Art. A26 Abs. 2 CAS-ADD Rules.
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(a) Legitimes Ziel Die geschlossene Schiedsrichterliste nach den Regeln des CAS-Codes wurde schon bei ihrer Einführung damit begründet, dass durch die Zusammenfassung und Auflistung von Spezialisten im Sportrecht355 auf einer verbindlichen Vorschlagsliste für CAS-Schiedsverfahren sowohl Zeit als auch Geld gespart würde.356 Durch die in Art. S14 CAS-Code genannten Anforderungen an CAS-Schiedsrichter soll auch heute noch gesichert werden, dass die einsetzbaren Schiedsrichter allesamt Experten der relevanten Tatsachen- und Rechtsfragen sind und die rechtliche Qualität der CAS-Schiedssprüche dementsprechend hoch ist.357 Gleiches gilt auch für die in den CAS-ADD Rules geforderte CAS-Schiedsrichterliste.358 Dieser Expertise bedürfe es, da viele CAS-Schiedsverfahren (insb. Doping streitigkeiten) extrem komplex seien und der umfassenden Kenntnis technischer Details bedürfen.359 Darüber hinaus argumentieren Mavromati/Reeb, dass die geschlossene Schiedsrichterliste dazu diene, die Einheitlichkeit der Schiedssprüche dadurch voranzutreiben, dass die Schiedsrichter der CAS-Schiedsrichterlisten durch den CAS über die aktuelle Rechtsprechung und die institutionellen Entwicklungen informiert werden.360 Dabei erläutern Mavromati/Reeb aber nicht, wie dies mit der Vertraulichkeit vor dem CAS vereinbart werden kann.361 Zudem soll durch die Expertise der Schiedsrichter eine Einsparung von Zeit und Kosten erreicht werden. Es wird davon ausgegangen, dass die CAS-Schiedsrichter aufgrund ihrer Qualifikation weniger Zeit benötigen, um den Sachverhalt und die rechtlichen Probleme eines Falls zu verstehen. Hierdurch kommt es sowohl zu schnelleren als auch kostengünstigeren Entscheidungen. Sowohl bei dem Ziel, die rechtliche Qualität und Einheitlichkeit der CAS-Schiedssprüche zu sichern, als auch dem Ziel, die Verfahren schneller und kostengünstiger zu machen, handelt es sich um Zwecke, die allen beteiligten Verfahrensparteien zugutekommen. Folglich liegen legitime Ziele vor, die für die geschlossene Schiedsrichterliste streiten. 355
Aufgrund der Internationalität der Rechtsstreitigkeiten vor dem CAS und der Relevanz des einschlägigen Schiedsrechts werden nunmehr auch Spezialisten im internationalen Schiedsverfahrensrecht auf die Liste aufgenommen, sofern diese den sonstigen qualitativen Ansprüchen entsprechen. Art. S14 CAS-Code. 356 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R33 Rn. 48. 357 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R33 Rn. 48. 358 Art. A8 Abs. 2, A9 CAS-ADD Rules. 359 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R33 Rn. 52. 360 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R40 Rn. 12. 361 Daher besteht wohl nur die Möglichkeit, dass die CAS-Schiedsrichter über die öffentlich verfügbaren Schiedsentscheidungen unterrichtet werden.
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(b) Notwendigkeit Eine den Athleten in seiner Handlungsfreiheit362 weniger einschränkende Regelung, wegen der die Notwendigkeit abzulehnen wäre, könnte die Erweiterung der Schiedsrichterlisten sein. Hierdurch hätten die Athleten bei der Schiedsrichterbestellung eine größere Auswahl an Personen zur Verfügung. Bei dieser Maßnahme ist jedoch schwer zu beurteilen, ab wann die Erweiterung der Schiedsrichterlisten spürbare Auswirkungen auf die Handlungsfreiheit der Athleten hätte. Möglich wäre ebenfalls, dass sich die Schiedsrichter eigenständig für die Schiedsrichterliste bewerben können. Bei einem solchen Vorgehen würde der ICAS die Schiedsrichter bestätigen, wenn sie die Voraussetzungen des S14 CASCode erfüllen. In diesen Fällen könnten Athleten ihren Wunsch-Schiedsrichter ausfindig machen, der sich dann in die CAS-Schiedsrichterliste aufnehmen lässt, damit der Athlet diesen auswählen kann. Eine solche Regelung käme der Auflösung der geschlossenen Schiedsrichterliste zumindest nahe.363 Die offensichtlichste Maßnahme, mit der die Athleten bei der Schiedsrichterbestellung ihre Handlungsfreiheit möglichst weitgehend nutzen könnten, ist die vollständige Abschaffung der geschlossenen Schiedsrichterliste.364 Dann könnten die Parteien frei über die Berufung eines Schiedsrichters entscheiden.365 Die Notwendigkeit der geschlossenen Schiedsrichterlisten ist erst dann gegeben, wenn das legitime Ziel der Erhaltung der Qualität und Einheitlichkeit der CAS-Rechtsprechung sowie deren Geschwindigkeit und Kostengünstigkeit nicht ohne die geschlossene Schiedsrichterliste erreicht werden könnte. Bei der Auswahl des konkreten Schiedsrichters verfolgen die Parteien zwei Ziele. Erstens versuchen sie einen Schiedsrichter zu finden, der ihren Standpunkten grundsätzlich zugeneigt ist, aber gleichzeitig noch den Anforderungen an Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der CAS-Verfahrensregeln gerecht wird. Darauf aufbauend haben die Parteien zweitens den Wunsch, dass der ausgewählte Schiedsrichter mit dieser Ansicht einen möglichst weitreichenden Einfluss auf die anderen Schiedsrichter nimmt. Aus diesem zweiten Punkt erwächst schließlich die Motivation, einen für die Entscheidung der konkreten Streitigkeit mög362
Gemeint ist hier die Auswahl des Wunsch-Schiedsrichters. Probleme könnten in der Fristvorgabe für die Bestellung des Schiedsrichters bestehen. Schließlich kommt die Regelung nur dann einer Auflösung der geschlossenen Schiedsrichterliste gleich, wenn die Bestätigung eines neuen Schiedsrichters innerhalb der Bestellungsfrist möglich wäre. 364 Daher wird dies auch in Pechstein II vorgeschlagen: OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (45) – Pechstein II. Gleiches wird auch in der Literatur gefordert. So z. B.: Summerer, SpuRt 2018, 197 (199). 365 So z. B. beim Deutschen Sportschiedsgericht: § 3.1 DIS-Sportschiedsgerichtsordnung. 363
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lichst qualifizierten Schiedsrichter zu berufen.366 Zum einen, weil die Parteien eines Schiedsverfahrens wollen, dass die Schiedsrichter eine juristisch korrekte Entscheidung treffen und es so nicht zu einer Aufhebung des Schiedsspruchs durch das Schweizer Bundesgericht kommt. Zum anderen haben juristisch besonders qualifizierte Schiedsrichter einen höheren Einfluss auf die Entscheidung des Panels als Schiedsrichter, die sich in der streitrelevanten Materie nicht auskennen. Bereits dies sorgt dafür, dass die Schiedsparteien auch bei unbeschränkter Auswahl des Schiedsrichters ausreichend qualifizierte Schiedsrichter benennen würden. Zusätzlich können nach der Abschaffung der geschlossenen Schiedsrichterliste in den CAS-Verfahrensregeln Anforderungen an die CAS-Schiedsrichter gestellt werden, sodass deren Expertenstellung durch das ICAS festgestellt wird.367 Hierbei sollte zur Kontrolle der Entscheidung des ICAS der Rückgriff auf die Schweizer Gerichte möglich sein.368 Für die Festlegung der Kriterien kann auf die bereits in Art. S14 CAS-Code vorgesehenen Kriterien zurückgegriffen werden. Dem ICAS steht es bei einer solchen Regelung natürlich frei, eine unverbindliche Schiedsrichterliste zu führen, die mögliche Kandidaten enthält, die die Qualitätsanforderungen erfüllen.369 Diese Festellungen werden auch dadurch untermauert, dass die meisten Schiedsverfahrensordnungen keine geschlossene Schiedsrichterliste vorschreiben,370 ohne dass dies zur Folge hat, dass ungeeignete Kandidaten als Schiedsrichter berufen werden.371 Dementsprechend kann das hinter der Regelung zur geschlossenen Schiedsrichterliste stehende legitime Ziel auch mit einer geringeren Einschränkung der Handlungsfreiheit der Athleten erreicht werden.372 366
So auch: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 214; Rombach, SchiedsVZ 2016, 268 (279). 367 Auch andere institutionelle Schiedsgerichte stellen qualitative Anforderungen an die berufenen Schiedsrichter. Vgl. nur: § 3.2 DIS-Sportschiedsgerichtsordnung. 368 Dies ist durch eine entsprechende Klausel in der Schiedsvereinbarung möglich: Art. 179 Abs. 3 IPRG-Schweiz. 369 So z. B. am Deutschen Sportschiedsgericht: § 3.1 DIS-Sportschiedsgerichtsordnung. Widdaschek hält dies sogar für ratsam: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 215. 370 Vgl. nur: UNCITRAL-Arbitration Rules; DIS-SportSchO; LCIA-Arbitration Rules; ICC-Arbitration Rules, die aber zumindest in Art. 13 Anforderungen an die Schiedsrichter stellt. 371 Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426 (430); Summerer, SpuRt 2018, 197 (199). 372 Vgl.: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 214 und Lungstras, Das Berufungsverfahren vor dem CAS, S. 282–284, die dies jedoch nicht im Rahmen des Kartellrechts feststellen.
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Der Art. R33 Abs. 2 CAS-Code sowie die Art. A8 Abs. 2, A9 CAS-ADD Rules sind gemäß Art. 102 S. 2 lit. a AEUV missbräuchlich. (3) Kompetenzen der Divisionspräsidenten Den Präsidenten der CAS-Divisionen kommt eine besondere Kompetenz bei der Schiedsrichterbenennung zu.373 Ist der Schiedsbeklagte nicht in der Lage, innerhalb des vorgegebenen Zeitlimits einen Schiedsrichter zu benennen, so benennt der Präsident der jeweilige Division einen Schiedsrichter für die verklagte Partei.374 Die Kompetenzen der Divisionspräsidenten unterscheiden sich hingegen beim Einfluss auf die Bestellung des Vorsitzenden des Panels beziehungsweise des Einzelschiedsrichters. Bei Verfahren vor der Ordinary Division sowie der Anti-Doping Division benennt der Divisionspräsident den Vorsitzenden, wenn sich die Parteien nicht auf einen Vorsitzenden (oder den Einzelschiedsrichter) einigen können.375 Deutlich weitergehende Befugnisse kommen dem Präsidenten der Appeals Division zu. Der Präsident der Appeals Division ernennt grundsätzlich den Einzelschiedsrichter oder bei einem Dreierschiedsgericht den Vorsitzenden.376 Hierdurch wird den Athleten in Verfahren der Appels Division jeglicher Einfluss auf die Bestellung des vorsitzenden Schiedsrichters genommen. Athleten kritisieren zudem die fehlende Unabhängigkeit der Divisionspräsidenten, weil die Divisionspräsidenten durch den ICAS aus den eigenen Mitgliedern eingesetzt werden.377 (a) Legitimes Ziel Durch die Regelungen zur Schiedsrichterbestellung im Streitfall beziehungsweise bei nicht fristgerechter Benennung eines Schiedsrichters durch die Divisionspräsidenten soll das legitime Ziel verfolgt werden, dass der Fortgang des Schiedsverfahrens nicht dauerhaft behindert oder zeitlich enorm verzögert wird. Vor dem Hintergrund der meist kurzen Karrieredauer von Athleten handelt es sich hierbei um eine Regelung, die (auch) diesen zugutekommt.
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Siehe schon: Kap. 3. A. II. 2. (S. 43 ff.) Art. R40.2 Abs. 2, 3, R53 CAS-Code, Art. A15 Abs. 2 CAS-ADD Rules. Für die klagende Partei bedarf es keiner solcher Regel, da das Verfahren nur dann eröffnet wird, wenn in der Klageschrift ein Schiedsrichter benannt wird. Art. R38 Abs. 1, R48 Abs. 1 CAS-Code. Ebenso: § 10.2, 11.11.2 SIAC-Schiedsordnung. Ähnlich: Art. 15 Abs. 2 CASADD Rules. 375 Art. R40.2 Abs. 2, 3 CAS-Code, Art. A15 Abs. 3 CAS-ADD Rules. Ebenso z. B.: § 10.2, 11.3 SIAC-Schiedsordnung. 376 Art. R54 CAS-Code. 377 Art. S6.2 CAS-Code. 374
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Schließlich ist nachvollziehbar, dass eine Entscheidung über den Einzelschiedsrichter beziehungsweise den Vorsitzenden eines Dreierschiedsgerichts getroffen werden muss, wenn sich die Parteien nicht auf diesen einigen können. Ebenso ist klar, dass das Schiedsverfahren nicht dadurch blockiert werden darf, dass eine Partei keinen Schiedsrichter benennt. In diesen Fällen stellt sich lediglich die Frage, wer den fehlenden Schiedsrichter bestellen sollte. Ob ein legitimes Ziel auch für die Regelung der grundsätzlichen Schiedsrichterbestimmung durch den Präsidenten der Appeals Division besteht, ist hingegen weniger deutlich. Selbst Mavromati/Reeb, welche zur Zeit der Erstellung der Kommentierung des CAS-Codes für den CAS gearbeitet haben,378 geben nur in einer Fußnote eine Begründung für die Kompetenzverteilung. Eine solche Benennungsregelung sei notwendig, da die Parteien in der Praxis im Regelfall nicht in der Lage seien, sich auf einen Vorsitzenden zu einigen, wodurch es zu einer Verzögerung des Verfahrens komme.379 Weiterhin sei der Divisionspräsident besser zur Entscheidung geeignet, ob die Streitigkeit durch einen erfahrenen CAS-Schiedsrichter mit viel Expertise oder besser durch einen weniger erfahrenen CAS-Schiedsrichter mit mehr Zeit bearbeitet werden sollte.380 Diese Regelung sei jedenfalls nicht problematisch, da die Parteien die Benennung des vorsitzenden Schiedsrichters aufgrund von Unparteilichkeit und Unabhängigkeit anfechten könnten.381 Es überzeugt, dass gerade bei Disziplinarverfahren vor der Appeals Division die Notwendigkeit für eine schnelle Entscheidung besonders groß ist. Man stelle sich nur den Fall vor, dass ein Athlet bei einem Wettkampf im Olympiajahr382 positiv auf eine verbotene Substanz getestet wird. In einem solchen Fall ist es von besonderem Interesse für den Athleten, dass die Rechtsmittelverhandlung noch vor Beginn der Olympischen Spiele abgeschlossen wird, sodass sein Startrecht geklärt ist. Durch die standardmäßige Benennung des vorsitzenden Schiedsrichters beziehungsweise des Einzelschiedsrichters durch den Präsidenten der Appeals Division wird jedenfalls sichergestellt, dass die Schiedsrichterbestellung nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens führt. Diese Regelung verfolgt daher ebenfalls das legitime Ziel, die Geschwindigkeit des CAS-Schiedsverfahrens zu sichern.
378 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, About the Autors. Mavromati war 2015 Head of Research and mediation und Reeb war CAS Secretary General. 379 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R54 Rn. 2 Fn. 1. 380 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R54 Rn. 2 Fn. 1. 381 Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R54 Rn. 2 Fn. 1. 382 Sodass die ad hoc Division des CAS noch nicht zuständig ist: Art. 1 Arbitration Rules for the Olympic Games.
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(b) Notwendigkeit Zur Bestimmung der Notwendigkeit der Regelungen muss zwischen der Ordinary, der Anti-Doping Division sowie der Appeals Division unterschieden werden. Bei der Ordinary Division muss lediglich gefragt werden, ob es für die Athleten weniger beschränkend ist, wenn eine andere Person als der Divisionspräsident in einer Pattsituation die Entscheidung über die Schiedsrichter trifft. Infrage käme zum Beispiel, einen (amtierenden) Richter mit der Benennung zu beauftragen. Es gäbe auch die Möglichkeit, einen Schiedsrichter-Ernennungsausschuss zu wählen, wie es zum Beispiel die Regeln des Deutschen Sportschiedsgerichtes vorsehen.383 Ein solcher Ernennungsausschuss würde jedoch ebenfalls anstelle der Athleten über die Schiedsrichterbestellung entscheiden und müsste aus praktischen Gründen durch den ICAS gewählt werden. Daher ist nicht ersichtlich, weshalb ein Ernennungsausschuss für die Athleten weniger beschränkend wäre. Zudem muss beachtet werden, dass die Streitigkeiten zwischen Sportveranstaltern und Athleten wegen der möglicherweise kurzen Karriere von Athleten besonders schnell entschieden werden müssen. Eine Streitigkeit, die sich über mehrere Monate hinzieht, kann bereits dafür sorgen, dass die gesamte Wettkampfsaison des Sportlers betroffen ist. Daher ist sogar die Zeit für die Bestimmung eines Schiedsrichters relevant. Die Präsidenten der Divisionen des CAS arbeiten im Umfeld des Sportrechts und können daher bei der Berufung von Schiedsrichtern sehr schnell einschätzen, welche konkreten Fähigkeiten dieser mitbringen muss, um das Verfahren möglichst effizient zu leiten. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass andere Personen eine solche Schiedsrichterbestellung leisten könnten, allerdings ist zu erwarten, dass sie mangels einschlägiger Erfahrung mit der Streitentscheidung im Umfeld des Sportes dafür zumindest länger bräuchten. Die Divisionspräsidenten haben zudem eine Übersicht darüber, welche Schiedsrichter in der Vergangenheit wie effizient und präzise gearbeitet haben. Die führt ebenfalls dazu, dass die Divisionspräsidenten einen für den konkreten Streitfall passenden Schiedsrichter berufen können. Durch die Beauftragung einer außerhalb des Systems der Sportschiedsgerichtsbarkeit stehenden Person würde es zudem zu zusätzlichen Kosten kommen. Daher ist es notwendig, dass die Divisionspräsidenten in Pattsituationen und Fällen, in denen eine Partei keinen Schiedsrichter benennt, die Auswahl des fehlenden Schiedsrichters vornehmen. Dass den Parteien die Entscheidung über den vorsitzenden Schiedsrichter in der Appeals Division in jedem Fall abgenommen wird, steht im Widerspruch zu der gängigen Regelung bei anderen institutionellen Schiedsgerichten.384 Es ist
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§§ 3.5, 3.3, Anhang 1 DIS-SportSchO Siehe nur beispielhaft: § 9 SICA-Schiedsordnung; Art. 12 f. DIS-Schiedsgerichtsordung. 384
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zwar wahrscheinlich,385 dass die Auswahl des Vorsitzenden nach dem Schema der Ordinary Division länger dauert als bei einer Bestimmung durch den Divisionspräsidenten. Allerdings besteht die Möglichkeit, für die Benennung des Vorsitzenden eine auf den Einzelfall angepasst kurze Frist zu gewähren,386 in der sich die zwei durch die Parteien berufenen Schiedsrichter auf einen Vorsitzenden einigen können.387 Schaffen Sie dies nicht, so könnte der Divisionspräsident die Berufung des Vorsitzenden oder des Einzelschiedsrichters übernehmen. Hierdurch könnte die Geschwindigkeit der Schiedsrichterbestellung und damit des gesamten Schiedsverfahrens gefördert werden, wobei den Parteien gleichzeitig eine möglichst weitgehende Einflussnahme auf die Schiedsrichterbestellung eingeräumt würde. Vor dem Hintergrund einer kurzen Frist zur gemeinsamen Entscheidung würde das Schiedsverfahren durch eine entsprechende Änderung nur unwesentlich verlängert werden können. Es ist unwahrschenlich, dass diese auf den Fall angepasste Frist zu einer Verzögerung der Schiedsrichterbestellung führt, in deren Folge die Entscheidung des Schiedsgerichtes so spät ergeht, dass dies Auswirkungen auf die Karriere des Sportlers oder konkret seine Teilnahme an einem Wettkampf hat. Eine Regelung, nach der der Divisionspräsident der Appeals Division in allen Fällen den Vorsitzenden eines Schiedsgerichts beziehungsweise den Einzelschiedsrichter beruft, ist daher nicht notwendig, um das legitime Ziel zu erreichen. (c) Abwägung Hinsichtlich der Entscheidung über die Schiedsrichter bei Nichtbenennung durch die Parteien beziehungsweise Uneinigkeit zwischen den Parteien, ist zu klären, ob dies im Rahmen einer Abwägung als missbräuchlich anzusehen ist. Wie bereits in Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (1) (c)388 dargestellt, sind dabei verschiedene Wertungen der GRCh zu beachten. Daher spricht die Abwägung nur dann gegen eine Missbräuchlichkeit, wenn die durch das legitime Ziel aufgegriffenen Interessen gegenüber den entgegenstehenden Interessen der Athleten signifikant überwiegen.389
385 Kritisch hierzu: Rigozzi/Hasler, in: Arroyo, Arbitration in Switzerland, Article R54: Appointment of the Sole Arbitrator or the President and Confirmation of the Arbitrators by the CAS Rn. 7. 386 Vgl. z. B. die Frist zur Bestellung des vorsitzenden Schiedsrichters bei einem Dreierschiedsgericht in der Ordinary Division: Art. R40.2 Abs. 3 S. 4, 5 CAS-Code. 387 Rigozzi/Hasler, in: Arroyo, Arbitration in Switzerland, Article R54: Appointment of the Sole Arbitrator or the President and Confirmation of the Arbitrators by the CAS Rn. 7. 388 Siehe: S. 264 ff. 389 Siehe: Kap 7. C. III. 5. b) bb) (1) (c) (S. 264 ff.).
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Bei der Abwägung stehen sich die Beschleunigung der Schiedsrichterbestellung und das Interesse der Athleten und Sportverbände, an der Schiedsrichterbestellung beteiligt zu sein, gegenüber. Hierbei ist zu beachten, dass die Beteiligung der Parteien durch verschiedene Mechanismen gesichert wird. So werden bei Dreierschiedsgerichten nur dann die eigentlich durch die Parteien390 auszuwählenden Schiedsrichter durch die Divisionspräsidenten bestimmt, wenn die Parteien innerhalb der ihnen gegebenen Frist391 keine Schiedsrichterbenennung vornehmen. Die Parteien haben daher die Möglichkeit, die Schiedsrichterbestellung vorzunehmen und müssen sich ein Versäumnis der Frist daher auch selbst zurechnen. Ein gewichtiger Grund, der gegen eine Missbräuchlichkeit der Klausel spricht, ist die mögliche Folge bei Abwesenheit einer solchen Regel. In einem solchen Fall könnte der Klagegegner die Weiterführung des Schiedsverfahrens durch das Unterlassen einer Schiedsrichterbestellung blockieren. Eine Auflösung dieser Situation wäre dann nur durch die staatlichen Gerichte zu erreichen.392 Dies widerspricht aber sowohl dem Interesse der Sportverbände als auch dem Interesse der Athleten an einer zügigen Streitentscheidung durch das Schiedsgericht. Eine Klausel, die genau dies verhindert, kann daher nur im Ausnahmefall missbräuchlich sein. Ein Ausnahmefall kann nicht allein dadurch begründet werden, dass der Divisionspräsident durch den ICAS aus den ICAS-Mitgliedern gewählt wird. Schließlich sind die verschiedenen Sportverbände nicht als „ein Lager“ anzusehen.393 Anders ist dies aber, wenn der konkrete Divisionspräsident gleichzeitig Organ des beteiligten Sportverbandes ist. In diesem Fall würde die Benennung des vorsitzenden Schiedsrichters allein durch eine Schiedspartei vorgenommen. Daher würde die Klausel in solchen Fällen als missbräuchlich einzustufen sein. Im Regelfall sprechen gewichtige Argumente dafür, die Entscheidung über den fehlenden Schiedsrichter durch den Divisionspräsidenten vornehmen zu lassen. Schließlich verfügt der Divisionspräsident aufgrund seiner Tätigkeit am CAS über umfangreiche Kenntnisse über die verschiedenen Streitgegenstände im
390
Wie sich aus Art. R40.2 Abs. 3 und R53 CAS-Code ergibt, gilt dies nur für den Klagegegner. Wenn der Kläger keinen Schiedsrichter benennt, so gilt die Klage als zurückgezogen. 391 Art. R40.2 Abs. 2 S. 1; Abs. 3 S. 4, 5, R53 CAS-Code. Bei der Appeals Division beträgt diese Frist für die Bestellung des Schiedsrichters des Dreierpanels 10 Tage. Bei der Bestellung eines Einzelschiedsrichters in der Ordinary Division beträgt die Frist 15 Tage. Für die Bestellung des Schiedsrichters eines Dreierpanels wird die Frist durch das CASBüro gestgelegt. 392 Siehe nur: § 1035 Abs. 4, 5 ZPO. 393 Siehe: Kap. 3. A. II. 1. a) (S. 48 ff.)
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Sport. Zudem kann er aus seiner Erfahrung gut beurteilen, welcher Schiedsrichter für eine effiziente Führung und Entscheidung des Verfahrens geeignet ist.394 Dementsprechend überwiegen die dem legitimen Ziel inneliegenden Interessen in signifikanter Weise. In der Regelung, die es den Divisionpräsidenten erlaubt, im Falle einer Pattsituation und bei Nichtbenennung eines Schiedsrichters durch eine Schiedspartei über die Einsetzung des fehlenden Schiedsrichters zu entscheiden, ist kein verbotenes Verhalten nach Art. 102 S. 2 lit. a AEUV zu sehen. Die standardmäßige Einsetzung des Einzelschiedsrichters beziehungsweise des Vorsitzenden des Panels in der Appeals Division (R54 Abs. 1, 2 CAS-Code) ist hingegen nicht notwendig und stellt daher eine unangemessene Geschäftsbedingung dar. (4) Sitz des CAS und Vollstreckung durch Verbände Der CAS hat seinen Sitz gemäß Art. S1 Abs. 3 CAS-Code beziehungsweise Art. A3 S. 1 CAS-ADD Rules in der Schweiz.395 Dies hat weitreichende Folgen für die gerichtliche Überprüfbarkeit der CAS-Schiedssprüche. So ist zum Beispiel die Aufhebung eines CAS-Schiedsspruches nach § 1059 Abs. 2 ZPO durch die deutschen Gerichte nicht möglich, da es sich beim CAS aus deutscher Sicht um ein ausländisches Schiedsgericht handelt.396 Den deutschen Gerichten kommt nur dann eine Kompetenz zur Überprüfung von CAS-Schiedssprüchen zu, wenn diese gemäß § 1061 Abs. 1 ZPO i. V. m. dem NYÜ in Deutschland anerkannt oder vollstreckt werden sollen.397 Diese Konstellation bietet jedoch keinen hinreichenden Rechtsschutz, da die Sportverbände CAS-Schiedssprüche de facto selbst vollstrecken können.398
394
Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R54 Rn. 2 Fn. 1. Ohne den Art. S1 Abs. 3 CAS-Code würde das Problem in gleichem Ausmaß bestehen, müsste aber unter der Generalklausel des Art. 102 S. 1 AEUV geprüft werden. Ebenfalls auf den Sitz in der Schweiz abstellend: Orth, Mark-E., ZWeR 2018, 382 (386). 396 Eine Aufhebung ist nur bei Schiedsgerichten mit Sitz in Deutschland möglich: §§ 1059, 1025 Abs. 1, 1043 Abs. 1 ZPO. 397 Vergleiche aber zum Sekundärrechtsschutz z. B.: OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (46) – Pechstein II. 398 LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – Pechstein I; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 305 f.; Hail, Spitzensport im Licht des Europäischen Kartellrechts, S. 251; Adolphsen, Die Entwicklung der nationalen und internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit, in: Württembergischen Fußballverband e. V., Tagungsband des wfv-Sportrechtsseminars 2015, S. 31 (34); Orth, Mark-E., ZWeR 2018, 382 (385). 395
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Als Beispiel sei folgender Fall herangezogen: 399 Der deutsche Sportler A wird in letzter Instanz vom CAS wegen Dopings bei der WM gesperrt. Die Beschwerde zum Schweizer Bundesgericht ist nicht erfolgreich. Bei der anstehenden deutschen Meisterschaft wird der Sportler vom deutschen Verband wegen der CAS-Sperre nicht zugelassen.
Die CAS-Sperre wird also durch die Nichtzulassung zum Wettkampf vollstreckt. Darüber hinaus hat zum Beispiel die FIFA in ihren Verbandsregeln ein Vollstreckungssystem geschaffen.400 Nach Art. 64 Abs. 1 FIFA-Disziplinarreglement wird derjenige Verein oder Athlet, der eine Entscheidung des CAS nicht befolgt von der FIFA zusätzlich mit einer Strafe belegt. Die Umsetzung der Strafe obliegt dabei dem jeweiligen übergeordneten Verband.401 Die Strafen für die Nichtbeachtung einer CAS-Entscheidung in Form einer Geldstrafe, Punktabzug beziehungsweise Zwangsabstieg und Ausschluss von FIFA-Wettbewerben sind für die betroffene Partei von sehr empfindlicher Natur.402 Gegen eine Entscheidung nach Art. 64 FIFA-Disziplinarreglement kann ein Rechtsmittel nur an den CAS gerichtet werden.403 Durch dieses Zusammenspiel von ZPO und faktischem Vollstreckungssystem der Sportverbände kommt es zu der Situation, dass die deutschen Gerichte einen CAS-Schiedsspruch, selbst wenn er de facto in Deutschland vollstreckt wird, im Rahmen dieser Vollstreckung nicht überprüfen können.404 Somit besteht bei CAS-Schiedsurteilen in Deutschland in der Regel kein Primärrechtsschutz. Unter Primärrechtsschutz wird zum einen die Anfechtung eines Schiedsspruches 399
LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – Pechstein I; Hail, Spitzensport im Licht des Europäischen Kartellrechts, S. 251; Adolphsen, Die Entwicklung der nationalen und internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit, in: Württembergischen Fußballverband e. V., Tagungsband des wfv-Sportrechtsseminars 2015, S. 31 (34). 400 Siehe dazu: Haas, ZVglRWiss 2015, 516 (532–534) und mit Einzelheiten in: Haas, Fußball vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS, in: Höfling/Horst/Nolte, Fußball, S. 65 (67–97). 401 Art. 64 Abs. 2 FIFA-Disziplinarreglement. 402 Art. 64 Abs. 1, 2 FIFA-Disziplinarreglement. 403 Art. 64 Abs. 5 FIFA-Disziplinarreglement. 404 Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 159– 161, der aber auf den Sekundärrechtsschutz zur nachträglichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verweist. Haas zitiert die FIFA z. B. damit, dass das FIFA- Vollstreckungssystem nur in weniger als einem Prozent der Fälle nicht erfolgreich sei: Haas, Fußball vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS, in: Höfling/Horst/Nolte, Fußball, S. 65 (69). Das Schweizer Bundesgericht sieht in Art. 64 FIFA-Disziplinarreglement keinen Verstoß gegen das staatliche Vollstreckungsmonopol, vgl.: Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 05.01.2007, 4P.240/2006, SpuRt 2007, 63.
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(§ 1059 ZPO) verstanden und zum anderen die Überprüfung des Schiedsspruchs im Rahmen der Vollstreckung desselben (§ 1061 ZPO).405 Eine Überprüfung von CAS-Schiedssprüchen im Primärrechtsschutzverfahren ist nur in der Schweiz möglich (meist nach Art. 190 IPRG-Schweiz). In Deutschland können die Sportler lediglich eine Überprüfung im Sekundärrechtsschutzverfahren, welches die Überprüfung des Schiedsspruchs im Rahmen der Anerkennung desselben meint, erreichen (§ 1061 ZPO).406 (a) Legitimes Ziel Bei der Analyse der Sitzregelung des CAS ist zu beachten, dass jedes Schiedsgericht einen Sitz haben muss.407 Ohne eine Sitzbestimmung im Schiedsspruch gilt das Schiedsverfahren als gescheitert.408 Die Bestimmung des Sitzes darf auch nicht durch ein staatliches Gericht vorgenommen werden.409 Da sich der CAS örtlich in der Schweiz (Lausanne) befindet, erscheint es auch nicht willkürlich, die Schweiz als Sitz des CAS festzulegen. Darüber hinaus ist die Schweiz als Standort für Schiedsgerichte weltweit bekannt und wird dementsprechend häufig gewählt.410 Dadurch ist zu erwarten, dass die Schweizer Gerichte besondere Erfahrung bei der Unterstützung411 und Überprüfung von Schiedsverfahren haben. Nicht zuletzt ist die Schweiz der Sitz einer großen Anzahl von internationalen Sportverbänden.412 Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die Schweizer Gerichte bei Auseinandersetzungen mit sportspezifischen Zusammenhängen über eine besondere Expertise verfügen. Daher ist zu vermuten, dass die Urteile der Schweizer Gerichte bei der Überprüfung und Unterstützung von Sportschiedsverfahren eine hohe Qualität aufweisen. 405 So auch: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 159. 406 Zum Sekundärrechtsschutz ebenso: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 159. 407 Der Sitz des Schiedsgerichtes bestimmt das zwingende Verfahrensrecht. Vgl. §§ 1025 Abs. 1, 1043 Abs. 1 ZPO; Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1043 Rn. 1. 408 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, § 1043 Rn. 3. 409 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, § 1043 Rn. 3. 410 Siehe nur: Segesser/Jolles/George, in: Nairn/Heneghan, Arbitration world, Switzerland Rn. 1.2, 2.1. Die 6. Aufl. von 2018 geht nicht mehr explizit auf diese Frage ein. 411 Z. B. nach Art. 179 Abs. 2, 185 IPRG-Schweiz. 412 Siehe nur: FIFA mit Sitz in Zürich: Art. 1.2 FIFA-Statuten; FIBA mit Sitz in Genf: Art. 2.1 FIBA-General Statutes; IHF mit Sitz in Basel: Art. 1.4 IHF-Statuten; FIVB mit Sitz in Lausanne: Art. 1.3 FIVB-Constitution; FIH mit Sitz in Lausanne: Art. 1.2 FIH-Statuten; ISU mit Sitz in Lausanne: Art. 2.2 ISU-Constitution; FIG mit Sitz in Lausanne: Art. 1.2 S. 1 FIG-Statutes; FINA mit Sitz in Lausanne: Art. C2 S. 2 FINA-Constitution.
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Dementsprechend verfolgt die Bestimmung des CAS-Sitzes in der Schweiz das legitime Ziel, ein effektives Schiedsverfahren zu gewährleisten. (b) Notwendigkeit Würde der CAS-Code den Sitz des CAS nicht festlegen, so müsste der Sitz anderweitig bestimmt werden.413 Es ist davon auszugehen, dass die Sitzfestlegung dann primär durch die Schiedsparteien vorgenommen würde und sekundär durch die Schiedsrichter.414 Bei einer Bestimmung durch die Schiedsparteien würde der faktische Zwang gegenüber den Athleten dazu führen, dass die Sportveranstalter im Ergebnis allein über die Sitzbestimmung entscheiden könnten. Aber auch bei einer Bestimmung durch die Schiedsrichter ist zu vermuten, dass die Schweiz als Sitz des Schiedsgerichtes ausgewählt würde. Hintergrund ist zum einen die örtliche Lokalisierung des CAS in der Schweiz (Lausanne) und zum anderen das allgemeine Ansehen der Schweiz als Schiedsstandort. Für diese Untersuchung wird daher davon ausgegangen, dass auch in diesen beiden Varianten die Schweiz als Sitz des Schiedsgerichtes festgelegt würde. Die Sitzbestimmung des CAS-Codes und den CAS-ADD Rules sorgt demnach nicht dafür, dass andere rechtliche Regelungen greifen, sondern nur dafür, dass der Sitz ohne umfassende rechtliche Prüfung bestimmt werden kann. Dies ist auch für die Parteien von CAS-Schiedsverfahren hilfreich, da sie durch die Sitzbestimmung problemlos bestimmen können, anhand welcher Vorschriften sie CAS-Schiedssprüche überprüfen lassen können. Eine Festlegung der Schweiz als Sitz des CAS in der Schiedsvereinbarung oder durch das Schiedsgericht ist für die Athleten nicht weniger beschränkend als eine Bestimmung in den CAS-Organisationsvorschriften. Es macht für diese keinen Unterschied. Die Notwendigkeit des Art. 1 Abs. 3 CAS-Code und des Art. A3 S. 1 CASADD Rules ist mit Hinblick auf das legitime Ziel daher zu bejahen. (c) Abwägung Für die Abwägung der relevanten Interessen von Athleten und Sportveranstaltern kommt es auf die tatsächlichen Auswirkungen der Sitzregelung in Art. 1 Abs. 3 CAS-Code und Art. 3 S. 1 CAS-ADD Rules an. Diese ergeben sich aus
413 Andernfalls würde das Schiedsverfahren scheitern: Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, § 1043 Rn. 3. 414 Vgl. nur diese gängige Regelung in: Art. 18 Abs. 1 UNCITRAL Arbitration Rules; Art. 18 ICC Arbitration Rules; Art. 16 Abs. 1 LCIA Arbitration Rules.
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einem Zusammenspiel der Besonderheit der eigenständigen Vollstreckung von CAS-Schiedssprüchen durch die Sportverbände und den Regelungen der ZPO.415 Auch für diese Abwägung sorgen die im Wege der mittelbaren Drittwirkung zu beachtenden Rechte der GRCh dafür, dass die Abwägung nur dann gegen eine Missbräuchlichkeit spricht, wenn die Interessen, die durch das legitime Ziel aufgegriffen werden, gegenüber den entgegenstehenden Interessen der Athleten signifikant überwiegen.416 Wie bereits herausgearbeitet, sorgt die Kombination aus Regeln der ZPO und faktischer Vollstreckungsmöglichkeit der Sportverbände dafür, dass die deutschen Gerichte im Regelfall keine Möglichkeit haben, CAS-Schiedssprüche im Primärrechtsschutzverfahren zu überprüfen. Für die konkrete Interessenabwägung ist zunächst zu bestimmen, wie einschneidend diese Beschränkung der Primärrechtsschutzkontrolle in Deutschland für die Athleten ist. Insbesondere ist zu beachten, dass hierdurch eine Überprüfung anhand des ordre public verhindert wird, durch welchen die Besonderheiten der Rechtsordnung des Vollstreckungslandes einbezogen würden. Der Stellenwert der ordre-public-Kontrolle von Schiedsverfahren im Rahmen des Primärrechtsschutzes im Vollstreckungsland zeigt sich am deutlichsten mit Blick auf deren weltweiten Verbreitung. In der ZPO ist eine ordre-public-Kontrolle sogar für Schiedsgerichte mit Sitz in Deutschland vorgesehen (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO). Obwohl diese bereits durch die Sitzbestimmung den (sonstigen) zwingenden Bedingungen der ZPO unterliegen, sah der Gesetzgeber die Notwendigkeit, einen ordre-public-Vorbehalt einzufügen. Durch diesen ordre-public-Vorbehalt soll verhindert werden, dass einem Schiedsspruch die Wirkung des § 1055 ZPO zukommt, obwohl dieser mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.417 Andernfalls bestünde die Möglichkeit, dass die Schiedsgerichtsbarkeit missbräuchlich genutzt werden könnte und die im Rechtsstaat notwendige Gerechtigkeitsfunktion der staatlichen Gerichte ausgehebelt würde.418 Vor dem gleichen Hintergrund soll auch die Vollstreckbarkeitserklärung eines inländischen Schiedsspruchs versagt werden, wenn dies zu einem Ergebnis führen würde, das mit dem deutschen ordre public nicht vereinbar wäre, §§ 1060 Abs. 2, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO. Die Notwendigkeit einer ordre-public-Kontrolle von (nationalen) Schiedssprüchen ist nicht nur in Deutschland vorgesehen, sondern findet 415
Dies ist ausreichend, da die verbotene Handlung beim Ausbeutungsmissbrauch durch ihren Erfolg begründet wird: Eilmansberger/Bien, in: MüKo, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 162 m. w. N. 416 Siehe dazu oben: Kap. 7. C. III. 5. b) bb) (1) (c) (S. 264 ff.). 417 Siehe nur: Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1059 Rn. 57. 418 Anstelle aller: Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1059 Rn. 62.
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sich auch in Art. 34 Abs. 2 lit. b Nr. (ii), 36 Abs. 1 lit. b Nr. (ii) UNCITRAL Model Law und den Rechtsordnungen vieler anderen Staaten.419 Auch bei der Anerkennung und Vollstreckung von internationalen Schiedssprüchen besteht nahezu weltweit Einigkeit, dass dies nur unter der Voraussetzung geschehen soll, dass diese Vollstreckung oder Anerkennung keinen Verstoß gegen das nationale ordre public darstellen würde. Hintergrund ist eine entsprechende Regel in dem von 159 Staaten420 unterzeichneten NYC (Art. V Nr. 2 lit. b NYC). Bereits die Entstehungsgeschichte der NYC zeigt, dass eine ordre-public-Kontrolle allgemein als notwendiges Korrektiv zur weitreichenden Unabhängigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit von der staatlichen Gerichtsbarkeit für notwendig gehalten wurde. So wurde das Einfügen einer ordre-public-Kontrolle zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen; verschiedene Auffassungen bestanden lediglich im Hinblick auf die Formulierung des ordre-public-Vorbehaltes.421 Die besondere Rolle der ordre-public-Kontrolle im Verhältnis Schiedsgerichtsbarkeit-staatliche Gerichtsbarkeit wird dadurch unterstrichen, dass die ordre-public-Widrigkeit durch ein staatliches Gericht auch dann festgestellt werden kann, wenn diese nicht durch die Parteien vorgetragen wurde.422 Darüber hinaus sieht sogar die EuGVVO (Brüssel Ia-VO) eine ordre-public-Kontrolle bei der Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen der Gerichte der Mitgliedstaaten der EU in anderen Mitgliedstaaten vor, Art. 45 Abs. 1 lit. a, 46 EuGVVO. Hiernach wird die Anerkennung oder Vollstreckung eines mitgliedstaatlichen Urteils in Deutschland versagt, wenn die Anerkennung des Urteils offensichtlich gegen das deutsche ordre public verstoßen würde.423 Ziel der EuGVVO war es, die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen zu erleichtern, um widerrum den Binnenmarkt zu stärken.424 Dabei sollte insbesondere die „rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung“ von Urteilen der mitgliedstaatlichen Gerichte erreicht werden. Indem selbst unter dieser Zielsetzung eine ordre-public- Kontrolle in die EuGVVO aufgenommen – und im Gesetzgebungsverfahren nie in Zweifel gezogen425 – wurde, wird deutlich, dass der ordre-public-Vorbehalt ein 419
Das UNCITRAL Model Law ist in viele Rechtsordnungen übernommen worden, bzw. hat diese z. T. erheblich beeinflusst: Blackaby et al., International Arbitration, Rn. 10.37. 420 Siehe: UNCITRAL, http://go.wwu.de/63ibm; UNCITRAL, http://go.wwu.de/g98xi. 421 Wolff, in: Wolff, New York Convention, Art. V(2)(b) Rn. 482–487. 422 Siehe: § 1059 Abs. 2 Nr. 2; Art. V Abs. 2 NYC. So auch: Wolff, in: Wolff, New York Convention, Art. V(2)(b) Rn. 490. 423 Siehe hierzu: Gottwald, in: MüKo, ZPO, Art. 45 Brüssel Ia-VO Rn. 12 m. w. N. 424 Erwägungsgrund 3, 4 EuGVVO. 425 Siehe nur: ABl. 1999 C 376 E/01; ABl. 2000 C 227/02. Die Stellungnahme des Europäischen Parlaments ist nicht öffentlich einsehbar.
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unaufgebbares Element der Sicherung der nationalstaatlichen Rechtsordnungen darstellt. In der Praxis sei dies auch notwendig, da selbst die Entscheidungen von staatlichen Gerichten der Mitgliedstaaten zum Teil zu Ergebnissen führen würden, die nach der Wertung anderen Mitgliedstaaten nicht hinnehmbar seien.426 Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass es sich bei der Möglichkeit einer ordre-public-Kontrolle (von Schiedsurteilen) im Vollstreckungsland um einen allgemein anerkannten und besonders wichtigen Kontrollmechanismus des Primärrechtsschutzes handelt.427 Wird die ordre-public-Kontrolle bei faktischer Vollstreckung in Deutschland letztlich ausgehebelt, sind die beteiligten Parteien der Entscheidung der ausländischen (Schieds-)Gerichte vollständig unterworfen. Die Möglichkeit der ordre-public-Kontrolle im Vollstreckungsland im Rahmen des Sekundärrechtsschutzes428 sorgt nicht dafür, dass der faktische Ausschluss einer ordre-public-Kontrolle im Primärrechtsschutz unbeachtlich ist.429 Dies wird alleine dadurch deutlich, dass es keine entwickelte Rechtsordnung gibt, in der nur die Anerkennung, nicht aber die Vollstreckung unter einem ordre-public-Vorbehalt steht. Überträgt man die Frage auf den obigen Beispielfall, so müsste Folgendes überlegt werden: Steht die inzidente Überprüfung eines CAS-Schiedsspruchs anhand des deutschen ordre publics der Überprüfung des Schiedsspruchs im Rahmen der Vollstreckung aus Rechtsschutzgesichtspunkten gleich? Eine solche inzidente Kontrolle könnte bei einem Verfahren auf Zugang zu einem Wettkampf, einem Schadensersatzverlangen und unter Umständen auch bei einer Klage auf Feststellung der ordre-public-Widrigkeit des Schiedsspruchs über §§ 1061 ZPO i. V. m. Art. V Nr. 2 lit. b NYÜ (im Rahmen der Frage, ob der Schiedsspruch anzuerkennen ist) durchgeführt werden.430 Diese Gleichbedeutung nach Rechtsschutzgesichtspunkten ist jedoch für alle drei Möglichkeiten abzulehnen. Durch das Schadensersatzverlangen würde lediglich eine finanzielle Entschädigung erreicht werden, die die Nachteile eines Startverbots nicht vollständig ausgleichen kann.431 Ein solches Verfahren kann zudem viele Jahre dauern, so426 Siehe nur: Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art. 45 EuGVVO nF Rn. 3. Ähnlich: Peiffer/Peiffer, in: Paulus/Peiffer/Peiffer, EuGVVO, Art. 45 Rn. 6. 427 Vgl.: Wolff, in: Wolff, New York Convention, Art. V(2)(b) Rn. 481, 490, der von einem Sicherheitsventil spricht; ebenso zum ordre public im Europäischen Verfahrensrecht: Georganti, Die Zukunft des ordre public-Vorbehalts im europäischen Zivilprozessrecht, S. 143–145. 428 Siehe dazu z. B.: OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (46) – Pechstein II. 429 Vgl.: Heymann, Der ordre public in der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, S. 198– 204; Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 159–161. 430 Hierbei handelt es sich um theoretische Möglichkeiten, deren praktische Umsetzbarkeit für diese Untersuchung offengelassen wird. 431 Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 160.
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dass es gegebenenfalls erst nach dem Karriereende des Athleten zu einer Entscheidung käme.432 Die gleiche Zeitproblematik stellt sich auch bei den anderen Möglichkeiten, sodass in der Praxis wohl nur die Geltendmachung einstweiligen Rechtsschutzes dafür sorgen könnte, dass eine Wettkampfteilnahme trotz entgegenstehenden CAS-Urteils gerichtlich angeordnet wird. Für den Sekundärrechtsschutz ist bezeichnend, dass die Athleten auf dem Klagewege tätig werden müssen, um eine ordre-public-Kontrolle zu erreichen. Dem Athleten kommt damit die Klagelast zu. Die Durchsetzung ihrer Ansprüche ist für die Athleten mit nicht unerheblichem zeitlichem und finanziellem Aufwand verbunden. Dementsprechend ergänzen sich Primär- und Sekundärrechtsschutz gegen die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedsentscheidungen.433 Sie stellen unabhängig voneinander aber keine gleichwertigen Rechtsschutzmöglichkeiten dar.434 Die Athleten haben daher ein gewichtiges Interesse an der Möglichkeit, im Vollstreckungsland innerhalb eines Verfahrens des Primärrechtsschutzes eine ordre-public-Kontrolle gegen eine CAS-Schiedsentscheidung herbeizuführen. Dieses Rechtsschutzinteresse kann aber im Falle von CAS-Schiedsprüchen in der Regel nicht durch die deutschen Gerichte befriedigt werden. Allerdings könnte der Primärrechtsschutz gegen CAS-Schiedsurteile vor dem Schweizer Bundesgericht das Rechtsschutzbedürfnis der Athleten in gleichem Maße befriedigen, sodass es keines Primärrechtsschutzes im Vollstreckungsland bedarf. Nach Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG-Schweiz können die Athleten den Schiedsspruch vor dem Schweizer Bundesgericht nämlich anfechten, wenn dieser mit dem Schweizer ordre public unvereinbar ist.435 Dementsprechend liegt nur dann eine Rechtsschutzeinbuße aufseiten der Athleten vor, wenn das Schweizer ordre public in relevanten Fällen hinter dem deutschen ordre public (§ 1061 Abs. 1 ZPO i. V. m. Art. V Abs. 2 lit. b NYÜ) zurückbleibt. Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland liegt ein ordre-public-Verstoß bei Verstößen gegen die fundamentalen Rechtsgrundsätze des jeweiligen Landes vor, die mit der nationalen Rechts- und Werteordnung schlechthin nicht vereinbar
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Vgl. nur: BGH, Urt. v. 13.10.2015, II ZR 23/14, NZG 2015, 1282 – Friedek III. Bzgl. der Länge des Verfahrens siehe auch die Causa Pechstein, die 2009 begann und erst im Jahr 2016 durch den BGH entschieden wurde: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 – Pechstein III. 433 Vgl. auch: Alvarez de Pfeifle, Der Ordre Public-Vorbehalt als Versagungsgrund der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung internationaler Schiedssprüche, S. 74. 434 Dies gilt auch für die Geltenmachung von einstweiligem Rechtsschutz als Teil des möglichen Sekundärrechtsschutzes. 435 Siehe hierzu: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 241–248.
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sind.436 Entscheidend ist daher, was von diesen fundamentalen Rechtsgrundsätzen erfasst wird. Unter Berücksichtigung der in dieser Untersuchung vorgenommenen Prüfung, ist besonders relevant, ob das Kartellrecht umfasst ist.437 In Deutschland wird das deutsche und das EU-Kartellrecht nach allgemein anerkannter Ansicht als Teil des nationalen ordre public gesehen.438 Anders ist dies in der Schweiz.439 Nach ständiger Rechtsprechung stellt das Schweizer Kartellrecht keinen Teil des nationalen ordre publics der Schweiz dar. 440 Das Schweizer Bundesgericht darf daher bei einer Anfechtung der Schiedssprüche des CAS nach Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG-Schweiz nicht überprüfen, ob der konkrete Schiedsspruch mit dem Schweizer Kartellrecht vereinbar ist.441 Daher kann eine Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes nicht damit begründet werden, dass sich Schweizer Kartellrecht und EU-Kartellrecht ähneln.442 Bei der umfassenden Abwägung ist daher das Interesse der Verbände an einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz mit dem Interesse der Athleten, an der Möglichkeit einer ordre-public-Kontrolle im Primärrechtsschutz, die auch Kartellrecht umfasst, vorzunehmen.
436 Für die Schweiz: Pfisterer, in: BSK-IPR-Schweiz, Art. 190 Rn. 72 f. Oetiker, in: ZK-IPRG-Schweiz, Art. 190 Rn. 99, 102. Dabei ist jedoch umstritten, ob es sich universalen oder spezifisch schweizerischen ordre public handelt: Oetiker, in: ZK-IPRG-Schweiz, Art. 190 Rn. 41–43; Pfisterer, in: BSK-IPR-Schweiz, Art. 190 Rn. 73. Für Deutschland: Wilske/Markert, in: BeckOK, ZPO, § 1061 Rn. 49, 52 m. N.; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, § 1061 Rn. 23. In Deutschland gilt der sog. ordre public international: Wilske/Markert, in: BeckOK, ZPO, § 1061 Rn. 48 m. w. N. Siehe auch: Paulsson, The 1958 New York Convention in action, S. 225. 437 So andeutungsweise auch: Hail, Spitzensport im Licht des Europäischen Kartellrechts, S. 253, der aber die Frage anschließt, ob der CAS EU-Kartellrecht zu beachten hat und, ob er gemäß Art. 267 AEUV vorlageberechtigt ist. 438 EuGH, Urt. v. 01.06.1999, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269, Rn. 36, 40 – Eco Swiss; OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (46 m. w. N. zur Rspr. u. Lit.) – Pechstein II; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Anh. zu § 1061 Rn. 349 m. w. N.; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK-ZPO, § 1061 Rn. 52. 439 Pfisterer, in: BSK-IPR-Schweiz, Art. 190 Rn. 86. Siehe lediglich zur Möglichkeit, wenn das Schiedsgericht die Prüfung des EU-Kartellrechts von Grund auf verweigert, obwohl dies durch eine Partei vorgetragen wird: Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 08.03.2006, 4P.278/2005, BGE 132 III, 389 (398 f.) – Tensacciai; Oetiker, in: ZK-IPRGSchweiz, Art. 190 Rn. 68. 440 Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 08.03.2006, 4P.278/2005, BGE 132 III, 389 (Rn. 3.1–2) – Tensacciai; Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 20.02.2018, 4A_260/2017, SchiedsVZ 2018, 315 (Rn. 5.2) – FIFA. Dies wohl verkennend: Duve/Rösch, SchiedsVZ 2015, 69 (75). 441 Zu dem Problem insgesamt: Orth, Mark-E., ZWeR 2018, 382 (385 f.). 442 So wohl: Duve/Rösch, SchiedsVZ 2015, 69 (75).
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
Obwohl der Sitz in der Schweiz Vorteile hinsichtlich der Qualität der Überprüfung der Schiedssprüche mit sich bringen kann, handelt es sich hierbei um kein besonders hoch anzusiedelndes Interesse. Es gibt neben der Schweiz auch andere Länder mit angesehenem Schiedsregime, in die der Sitz des CAS verlegt werden könnte.443 Es ist zwar nicht unwahrscheinlich, dass zum Beispiel die staatlichen Gerichte Frankreichs aktuell weniger Erfahrung mit der Entscheidung von Sportstreitigkeiten haben. Diese Erfahrung würde sich aber dann ergeben, wenn der CAS seinen Sitz nach Frankreich verlegen würde, da infolgedessen die französischen Gerichte für die Überprüfung der CAS-Schiedsurteile zuständig wären. Auf der anderen Seite ist deutlich geworden, dass die ordre-public-Kontrolle im Vollstreckungsland ein bedeutendes Rechtsprinzip darstellt. Dass dies auch seine Berechtigung hat, zeigt das Beispiel der Schweiz, wo Kartellrecht nicht zum ordre public zählt. Schiedssprüche von Schiedsgerichten mit Sitz in der Schweiz können daher nur bei einer Vollstreckung in anderen Ländern auf ihre Kartellrechtskompabilität überprüft werden. Eben diese Möglichkeit ist aber im Falle des Sports wegen der faktischen Vollstreckungsmöglichkeiten der Sportverbände nicht gegeben. Die Athleten sind daher im Hinblick auf die Einhaltung von Kartellrecht in CAS-Schiedsverfahren schutzlos. Tatsächlich könnten die CAS-Schiedsrichter in ihren Schiedssprüchen Kartellrecht materiellrechtlich weitestgehend ignorieren,444 ohne dass dies korrigiert oder aber die de facto Vollstreckung solcher Schiedssprüche verhindert werden könnte.445 Wie die bisherige Ausarbeitung aber deutlich gemacht hat, ist die Anwendung von Kartellrecht auf den Fall des Verhältnisses Sportveranstalter-Athlet aber geboten. Auf die besondere Wichtigkeit der ordre-public-Kontrolle und einer darin inbegriffenen Kartellrechtsprüfung hat der GA Wathelet zwar nur kurz, aber dennoch ausdrücklich in Hoechst hingewiesen. Er argumentiert, dass der Effektivi443 Siehe nur beispielhaft: Zafar/Heneghan/Yan, in: Nairn/Heneghan, Arbitration world, England & Wales Rn. 1.2; Ziadé/Peterson, in: Nairn/Heneghan, Arbitration world, France Rn. 1.2; Hentunen/Forss/Pitkänen, in: Nairn/Heneghan, Arbitration world, Finland Rn. 1.2; Trittmann/Kasolowsky, in: Nairn/Heneghan, Arbitration world, Germany Rn. 1.2; McAlpine/Nijar, in: Nairn/Heneghan, Arbitration world, Hong Kong Rn. 1.2. Die 6. Aufl. von 2018 geht nicht mehr explizit auf diese Frage ein. 444 Das dies keine bloße hypothetische Annahme ist, zeigt sich in: CAS, Schiedsspruch v. 19.11.2015, CAS 2014/A /3561 & 3614, Rn. 175 – IAAF & WADA v Marta Domínguez Azpeleta & RFEA. Ebenso kritisch zur Kartellrechtsanwendung des CAS: Orth, Mark-E., ZWeR 2018, 382 (385). 445 Das Schweizer Bundesgericht geht zwar davon aus, dass Schiedsgerichte an das EU-Kartellrecht gebunden sind, mangels eigener Kontrollmöglichkeit hat dies aber keine Bedeutung: Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 28.04.1992, BGE 118 II, 193 (198); Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 08.03.2006, 4P.278/2005, BGE 132 III, 389 (398 f.) – Tensacciai.
B. Verbotsgesetz, § 134 BGB i. V. m. 102 AEUV
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tätsgrundsatz des EU-Rechts eine ordre-public-Kontrolle gebiete.446 Insbesondere dürfe die Kontrolle von Art. 101 und 102 AEUV nicht durch den Rückgriff auf ein Schiedsverfahren verhindert werden.447 Dies begründet GA Walthelet damit, dass Schiedsgerichte keine Vorlagefrage an den EuGH stellen dürfen448 und auch sonst nicht unbedingt die Aufgabe hätten, Unionsrecht auszulegen und anzuwenden.449 Für eine Missbräuchlichkeit der Geschäftsbedingung spricht auch die Entscheidung Centraal Bureau voor de Rijwielhandel. Darin hat die Kommission festgestellt, dass eine Schiedsvereinbarung einen bestehenden Kartellverstoß (Art. 101 AEUV) verstärken kann. Laut Kommission könne nicht ausgeschlossen werden, dass durch die Spruchpraxis des im Fall eingesetzten Verbandsschiedsgerichtes „die Anwendung des Wettbewerbsrechts des EWG-Vertrages umgangen wird. […] Der Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs fällt in seiner vorliegenden Form insoweit unter Artikel 85 Absatz 1 des EWG-Vertrags [heute Art. 101 AEUV], als er sich auf Sachverhalte bezieht, die die Anwendung und Auslegung der Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags zum Gegenstand haben und durch die an sich erlaubte Wettbewerbshandlungen unterbunden werden.“450
Hierdurch verstärke die Schiedsvereinbarung die sich aus dem Vertragswerk ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen.451 Vor diesem Hintergrund hielt es die Kommission für problematisch, dass nur im Vollstreckungsverfahren die Möglichkeit bestehe, sich an staatliche Gerichte zu wenden.452 Es stellt nach Centraal Bureau voor de Rijwielhandel also eine Verstärkung einer Wettbewerbsbeschränkung dar, wenn ein Schiedsgericht über die Wirk446
GA Wathelet, Schlussanträge v. 17.03.2016, C-567/14, Rn. 58 – Hoechst. GA Wathelet, Schlussanträge v. 17.03.2016, C-567/14, Rn. 72 – Hoechst. 448 Siehe dazu bereits: EuGH, Urt. v. 23.03.1982, C-102/81, ECLI:EU:C:1982:107, Rn. 10–13 – Nordsee; zuletzt: EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 49 – Achmea; außerdem: Axtmann, Die Vorlageberechtigung von Sportschiedsgerichten zum EuGH. Schiedsgerichte können aber über § 1050 ZPO erreichen, dass staatliche Gerichte für sie eine Vorlagefrage an den EuGH stellen. Siehe nur: EuGH, Urt. v. 23.03.1982, C-102/81, ECLI:EU:C:1982:107, Rn. 14 – Nordsee; BGH, Beschl. v. 03.03.2016, I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (333 Rn. 51); Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 517; Wilske/Markert, in: BeckOK, ZPO, § 1050 Rn. 6; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, § 1050 Rn. 2 m. w. N. Da Schiedsgericht zu diesem Vorgehen aber nicht verpflichtet sind, hat dies keine Auswirkungen auf die Diskussion. 449 GA Wathelet, Schlussanträge v. 17.03.2016, C-567/14, Rn. 70 – Hoechst. 450 Kommission, Entsch. v. 02.12.1977, 78/59/EWG, ABl. 1978, 18 (Rn. 28) – Centraal Bureau voor de Rijwielhandel. 451 Kommission, Entsch. v. 02.12.1977, 78/59/EWG, ABl. 1978, 18 (Rn. 28) – Centraal Bureau voor de Rijwielhandel. 452 Kommission, Entsch. v. 02.12.1977, 78/59/EWG, ABl. 1978, 18 (Rn. 28) – Centraal Bureau voor de Rijwielhandel. 447
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
samkeit von wettbewerbsbeschränkenden Vertragsregeln entscheidet und diese Entscheidung erst im Vollstreckungsverfahren durch staatliche Gerichte überprüft werden kann. Bei Übertragung dieser Argumentation auf den untersuchten Fall von CAS- Schiedsvereinbarungen fällt auf, dass die Nichtbeachtung von EU-Kartellrecht hier deutlich schwerwiegendere Folgen hätte.453 Während in Centraal Bureau voor de Rijwielhandel zumindest eine Kontrolle vor den staatlichen Gerichten im Vollstreckungsverfahren möglich war, können CAS-Schiedssprüche in der Praxis vor keinem staatlichen Gericht, das EU-Kartellrecht anwendet, überprüft werden. Dies rechtfertigt die Annahme, dass auch die Rechtsfolge des hier untersuchten Falls, über die in Centraal Bureau voor de Rijwielhandel hinausgehen muss. Entsprechend ist aus der Entscheidung zu schließen, dass die Kommission die untersuchte Geschäftsbedingung der Sitzbestimmung allein wegen ihrer Folgen für unangemessen halten würde und nicht nur in Kombination mit einem bestehenden Wettbewerbsverstoß.454 Festzuhalten bleibt damit, dass ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darin zu sehen ist, dass die CAS-Schiedssprüche in der Praxis im Primärrechtsschutz nicht einmal innerhalb einer ordre-public-Kontrolle auf ihre Kartellrechtskonformität überprüft werden können.455 Im Ergebnis sind Art. S1 Abs. 3 CAS-Code und Art. A3 CAS-ADD Rules daher unangemessene Geschäftsbedingungen im Sinne des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV.
IV. Rechtsfolge Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft (Schiedsvereinbarung, § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO) das gegen Art. 102 AEUV verstößt, nichtig, „wenn sich nicht aus 453
Orth, Mark-E., ZWeR 2018, 382 (388). Ebenso: Orth, Mark-E., ZWeR 2018, 382 (388 f.). 455 So wohl auch das BKartA: BKartA, Beschl. v. 25.02.2019, B 2 – 26/17, Rn. 124– 126 – IOC Rule 40. Heermann lässt die Frage der Kartellrechtswidrigkeit i. E. offen. Seine Ausführungen deuten aber darauf hin, dass er in der Kombination von Nichtprüfung des EU-Kartellrechts durch die Schweizer Gerichte sowie der Selbstvollstreckung durch die Verbände ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV sieht: Heermann, NJW 2019, 1560 (1565). Das gefundene Ergebnis ist auch mit den Ausführungen von GA Wahl vereinbar. Dieser geht davon aus, dass die wirksame Umsetzung des Art. 102 AEUV nicht per se dagegen spricht, die Zuständigkeit eines Gerichts zu vereinbaren, welches nach den Regeln der EuGVVO nicht zuständig wäre: GA Wahl, Schlussanträge v. 05.07.2018, C-595/17, Rn. 48 – Apple. Siehe ebenso die Forderung der Kommission den Sitz des von ihr im Fall Gazprom geforderten Schiedsgerichts in die EU zu legen, sodass EU-Kartellrecht nicht ignoriert werden kann: Kommission, Entsch. v. 24.05.2018, AT.39816, Rn. 178 – Gazprom. 454
B. Verbotsgesetz, § 134 BGB i. V. m. 102 AEUV
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dem Gesetz ein anderes ergibt.“ Die Rechtsfolge des § 134 BGB i. V. m. Art. 102 AEUV ist daher – anders als von Eichel angenommen456 – nicht immer die Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäftes. Ist die Nichtigkeitsrechtsfolge nicht mit dem Normzweck von Art. 102 AEUV vereinbar, so soll sie auch nicht eintreten.457 Bei ausbeuterischen Rechtsgeschäften herrscht in der Literatur Einigkeit, dass grundsätzlich keine vollständige Nichtigkeit des Rechtgeschäfts gewollt ist. Dies entspricht auch der Auffassung des EuGH, der in BRT II festgestellt hat, dass der Richter zu beurteilen habe, „ob und in welchem Maße […] mißbräuchliche Praktiken sich auf die Interessen der Urheber [Marktgegenseite] oder Dritter auswirken und darauf die Folgerungen für die Gültigkeit und die Wirkung der umstrittenen Verträge oder einzelner ihrer Beziehungen zu ziehen.“458
Ausbeuterische Rechtsgeschäfte müssen daher vertraglich so angepasst werden, dass die Rechtsgeschäfte die Versorgung der Marktgegenseite zu kartellrechtskonformen Bedingungen gewährleisten.459 Eine solche vertragliche Anpassung der CAS-Organisation- und Verfahrensregeln würde auf den ersten Blick dazu führen, dass die Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit für den Sport nicht verloren gingen, die Nachteile für die Athleten aber entfielen. Konkret könnte eine solche Anpassung der Organisation- und Verfahrensregeln des CAS zu folgenden Änderungen führen: 1. Die Verfahren vor der Ordinary Division und bei Nichtdisziplinarstreitigkeiten vor der Appeals Division sind grundsätzlich vertraulich. Sofern der CAS eine Streitigkeit zwischen einem Sportverband und einem Athleten verhandelt, 456
Eichel, ZZP 2016, 327 (335); wohl auch: Eckel/Richter, WuW 2015, 1078 (1090). Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 347; Eilmansberger/Bien, in: MüKo, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 674 m. w. N.; Weyer, in: FK, KartR, Art. 102 F. Rechtsfolgen, Zivilrechtsfolgen Rn. 62–64; Sack/Seibl, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 313. Diese Überlegungen greift das OLG München in Pechstein II jedoch nicht auf: OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (45) – Pechstein II. 458 EuGH, Urt. v. 27.03.1974, C-127/73, ECLI:EU:C:1974:25, Rn. 12/14 – BRT II. 459 Siehe: Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 347, der hinsichtlich des Maßes von wettbewerbsanalogen Bedingungen spricht; besonders deutlich: Berg, in: Berg/Mäsch, KartellR, Art. 102 AEUV Rn. 133; Schröter/Bartl, in: Schröter et al., EU-WettR, Art. 102 Rn. 60; Weyer, in: FK, KartR, Art. 102 F. Rechtsfolgen, Zivilrechtsfolgen Rn. 62–64, der ein Maß wählen möchte, dass vom Marktbeherrscher jedenfalls als zulässig erkannt hätte werden können; Busche, in: KöKo, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 215; Jung, in: Grabitz/ Hilf/ Nettesheim, EUV/A EUV, Art. 102 AEUV Rn. 392 f., der in Rn. 393 die Frage aufwirft, ob die deutschen Gerichte auf verfassungsrechtlicher Ebene zu einer solchen Vertragsanpassung befugt sind; Fuchs/ Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 420. 457
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steht es dem Athleten frei, durch einseitige Erklärung die Öffentlichkeit des Verfahrens herbeizuführen. Ebenso sind die Schiedssprüche der Ordinary Division und der Anti-Doping Division (wenn keine Sanktionen ausgesprochen werden) grundsätzlich vertraulich. Die verfahrensbeteiligten Athleten können jedoch durch einseitige Erklärung die Öffentlichkeit des Schiedsspruchs herbeizuführen. 2. Als Schiedsrichter zum CAS können alle Personen berufen werden, die den Qualifikationen aus Art. S14 CAS-Code entsprechen. 3. Der Divisionspräsident der Appeal Division ernennt nur dann den Einzelschiedsrichter beziehungsweise den Vorsitzenden eines Panels, wenn sich die Parteien des Verfahrens nicht in einer für den Fall angemessenen Zeit auf einen Einzelschiedsrichter oder Vorsitzenden einigen können. 4. Die Schiedsvereinbarung zum CAS müsste dahingehend geändert werden, dass der Schiedsspruch im Primärrechtsschutz an EU-Kartellrecht überprüft werden kann. Inwieweit dies tatsächlich möglich ist, muss in weiterer Forschungsarbeit bestimmt werden. Im Rahmen dieser Forschung müsste unter anderem die Möglichkeit überprüft werden, ob die Sitzklausel so angepasst werden kann, dass der Sitz des CAS in einem EU-Land liegt. Wohl unwirksam wären Anpassungen der Schiedsvereinbarung, die dafür sorgen sollen, dass eine Primärrechtskontrolle im Vollstreckungsland immer möglich ist. Gleiches gilt für Anpassungen, in deren Folge die Schweizer Gerichte dazu verpflichtet werden sollen, im Rahmen einer ordre-public-Kontrolle auch Kartellrecht zu prüfen. Auf den zweiten Blick ist aber unklar, ob eine solche Vertragsanpassung für die Athleten im Ergebnis vorteilhaft wäre. Denn nur wenn das Ergebnis der Vertragsanpassung aus Sicht der vom Ausbeutungsmissbrauch betroffenen Athleten besser ist als eine Nichtigkeit der gesamten Schiedsvereinbarung, würde der Normzweck des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV für eine entsprechende Vertragsanpassung streiten. Hintergrund ist, dass der Schutzweck des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV zumindest auch darin liegt, die Ausbeutung der Handelspartner von marktbeherrschenden Unternehmen zu verhindern.460 Diese Problematik der Vorteilhaftigkeit einer Vertragsanpassung entsteht, weil sich der CAS nur unter der vollständigen Geltung des CAS-Codes beziehungsweise der CAS-ADD Rules für zuständig hält. 460 Siehe dazu nur: Mestmäcker, Zum Begriff des Mißbrauchs in Art. 86 des Vertrages über die Europäische Gemeinschaft, in: Raisch/Schmidt/Schwark, FS Raisch, S. 441 (444); Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 9 f. m. N. zur Rspr.; Fuchs/ Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 4; Busche, in: KöKo, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 4; Eilmansberger/Bien, in: MüKo, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 5 Gegen einen direkten Schutz der Handelspartner: Whish/Bailey, Competition law, S. 200–203; La Mano/Nazzini/Zenger, in: Faull/Nikpay, The EU law of competition, Ch. 4 Art. 102 AEUV Rn. 4.11.
B. Verbotsgesetz, § 134 BGB i. V. m. 102 AEUV
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Weichen die Parteien in der Schiedsvereinbarung von den Regeln des CASCodes oder der CAS-ADD Rules ab, würde der CAS eine Zuständigkeit für die Streitsache ablehnen.461 Dies ist zwar nicht explizit in den Organisations- und Verfahrensregeln des CAS ausgeführt, ergibt sich jedoch aus dem Unterschied zwischen ad hoc und institutioneller Schiedsgerichtsbarkeit.462 Bei der ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit werden alle Verfahrensregeln zwischen den Parteien vereinbart.463 Bei der institutionellen Schiedsgerichtsbarkeit wird hingegen auf die Einrichtung und die Verfahrensregeln einer Schiedsinstitution zurückgegriffen.464 Sofern diese Verfahrensregeln keine Änderungsmöglichkeiten vorsehen, würde eine eigenständige Verfahrensänderung durch die Parteien die Unterscheidung zwischen ad hoc und institutioneller Schiedsgerichtsbarkeit auflösen. Eine Vertragsanpassung würde daher dazu führen, dass nicht der CAS, sondern ein ad-hoc-Schiedsgericht zuständig wäre, das weitestgehend unter den Regeln des CAS operieren müsste. Da ein solches ad-hoc-Schiedsgericht nicht über alle Einrichtungen des CAS (Divisionspräsidenten, Sekretariat etc.) verfügt, müssten alle Organisations- und Verfahrensregeln, die von einem Bestehen dieser Einrichtungen ausgehen, an diese Situation eines ad-hoc-Schiedsgerichtes angepasst werden. Eine solche Anpassung ist mit einem erheblichen Aufwand sowie Kosten und auch einer Zeitverzögerung verbunden. Gleichzeitig müssten sich die staatlichen Gerichte wegen der ad-hoc-Schiedsvereinbarung für unzuständig erklären. In der Praxis ist die Vertragsanpassung und die damit verbundene Zuständigkeit eines ad-hoc-Schiedsgerichtes unter einer größtmöglichen Geltung der Organisation- und Verfahrensregeln des CAS daher nicht zwingend vorteilhaft für die Athleten. Nur wenn eine Abwägung aller relevanten Interessen des Athleten465 zeigt, dass für diesen die oben beschriebene ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber einer vollständigen Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung vorteilhaft ist, ergibt sich aus dem Normzweck des Art. 102 AEUV die Verpflichtung zu einer entsprechenden Vertragsanpassung. In diesem Rahmen sind dann insbesonde461 Siehe: Schütze, der bei institutionellen Schiedsgerichten von „nicht oder nur begrenzt abänderbare[n] Schiedsordnung[en]“ spricht: Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 54. 462 Vgl.: Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 54. Und ausdrücklich: E-Mail des CAS Court Office v. 24.09.2018. 463 Blackaby et al., International Arbitration, Rn. 1.141; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 51 f. 464 Blackaby et al., International Arbitration, Rn. 1.146 f.; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 54. 465 Eine generelle Abwägung würde dem Schutz des konkreten Handelspartners in Art. 102 S. 2 lit. a AEUV nicht gerecht werden, daher ist auf die Interessen des konkreten Athleten abzustellen.
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re die Vor- und Nachteile der Sportschiedsgerichtsbarkeit (in Form einer an die CAS-Organisations- und Verfahrensregeln angelehnten ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit) zu beachten.466 Andernfalls tritt die vollständige Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung ein, mit der Folge, dass die staatlichen Gerichte zuständig sind.467
C. Verbotsgesetz § 134 BGB i. V. m. Art. 267, 344 AEUV (Achmea-Rechtsprechung des EuGH) Mit Urteil vom 06.03.2018 erklärte der EuGH in der Sache Achmea die Schiedsklausel eines Investitionsschutzabkommens zwischen den Niederlanden und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik für mit dem Unionsrecht (Art. 267, 344 AEUV) unvereinbar.468 Dabei wurde die Handelsschiedsgerichtsbarkeit – begrifflich – von den Aussagen des Urteils ausgenommen. Die Begründung der Entscheidung kann aber so verstanden werden, als sei die Sportschiedsgerichtsbarkeit von dieser Ausnahme der Handelsschiedsgerichtsbarkeit nicht erfasst. Weder Literatur noch Rechtsprechung haben diesen Punkt bislang aufgegriffen. Infolge der (im Ergebnis unbeantworteten) Andeutung des BGH, die Art. 267 und Art. 344 AEUV könnten Verbotsgesetze im Sinne von § 134 BGB darstellen, wird dies für diese Untersuchung angenommen.469 Wenn die Aussagen zur Investitionsschiedsgerichtsbarkeit in Achmea auf die Sportschiedsgerichtsbarkeit anwendbar sind, wird diese weitreichend geschwächt. Um diese Frage zu beantworten, werden zuerst die Aussagen des Urteils zur Investitionsschiedsgerichtsbarkeit dargestellt, darauf die Aussagen zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit und deren Bedeutung für die Sportschiedsgerichtsbarkeit. Zuletzt wird explizit geklärt, welche Auswirkungen die Achmea-Entscheidung auf die CAS-Sportschiedsgerichtsbarkeit hat.
466 Siehe hierzu nur beispielhaft: Adolphsen, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 9. Kapitel: Schiedsgerichtsbarkeit – Internationales Sportrecht, Rn. 1030– 1035; Pfister, in: Fritzweiler et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 371– 374; Hülskötter, ISLJ 25 (2017), 15 (23–26); Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (242–244). 467 Für eine vollständige Nichtigkeit von CAS-Schiedsvereinbarungen aus kartellrechtlichen Normen sprechen sich ausdrücklich aus: OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (45) – Pechstein II; Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 302–304; Zimmermann, ZWeR 2016, 66 (80). Wohl grds. gegen eine Nichtigkeit: Nordmann/Förster, WRP 2016, 312 (318). 468 EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158 – Achmea. 469 BGH, Beschl. v. 31.10.2018, I ZB 2/15, WM 2018, 2294 (Rn. 37). Dementsprechend wird die Auswirkung der Achmea-Rechtsprechung in Kap. 7. und nicht Kap. 4. diskutiert.
C. Verbotsgesetz § 134 BGB i. V. m. Art. 267, 344 AEUV
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I. Die wesentlichen Aussagen von Achmea zur Investitionsschiedsgerichtsbarkeit Als Grundlage für die Entscheidung stellt der EuGH heraus, dass es seine Aufgabe sei, die Autonomie des Rechtssystems der EU zu sichern.470 Dieser Grundsatz sei insbesondere in Art. 344 AEUV verankert.471 Aus Art. 344 AEUV seien die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung des Unionsrechts nach den in der AEUV vorgesehenen Mechanismen zu regeln.472 Ziel des autonomen Rechtssystems der Union sei „die Gewährleistung der Kohärenz und der Einheitlichkeit bei der Auslegung des Unionsrechts“.473 Als „Schlüsselelement“ dieses Rechtssystems bezeichnet der EuGH das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV, durch welches die Gerichte der Mitgliedstaaten dem EuGH eine Frage zur Auslegung des Unionsrechts vorlegen können.474 Für die Anwendung dieser Feststellungen auf die Investitionsschiedsgerichtsvereinbarung hat der EuGH eine dreiteilige Prüfung entwickelt. Nur wenn alle drei Merkmale vorliegen, sieht er eine Schiedsvereinbarung als mit Art. 267, 344 AEUV unvereinbar an: 1. Die Schiedsvereinbarung erfasst auch Streitigkeiten, in denen die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts relevant wird.475 2. Das eingesetzte Schiedsgericht ist kein Gericht eines Mitgliedstaates im Sinne des Art. 267 AEUV.476 3. Das Schiedsverfahren und der Schiedsspruch können durch ein Gericht eines Mitgliedstaates nicht so umfangreich überprüft werden, dass die unionsrechtlichen Fragen der Streitigkeit im Ergebnis durch das mitgliedstaatliche Gericht im Wege des Art. 267 AEUV dem EuGH vorgelegt werden könnten (Art. 19 EUV).477 Es kommt dem EuGH maßgeblich darauf an, dass es einen Mechanismus gibt, über den die Gerichte der Union letztinstanzlich darüber entscheiden, wie das Unionsrecht ausgelegt und angewendet werden soll.
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EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 32 – Achmea. EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 32 – Achmea. 472 EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 32 m. w. N. – Achmea. 473 EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 35 – Achmea. 474 EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 37 – Achmea. 475 EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 39 – Achmea. 476 EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 43 – Achmea. 477 EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 50 – Achmea. 471
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Für die im Fall infrage stehende Investitionsschiedsgerichtsvereinbarung stellte der EuGH fest, dass diese auch Streitigkeiten erfasse, bei denen es auf die Auslegung und Anwendung des Unionsrechts ankomme.478 Weiterhin handele es sich bei dem Investitionsschiedsgericht – und wohl insgesamt bei allen nicht in das Gerichtssystem von Mitgliedstaaten eingegliederten Schiedsgerichten – nicht um Gerichte im Sinne des Art. 267 AEUV.479 Hinsichtlich der Frage der Überprüfbarkeit des Schiedsspruchs durch die Gerichte Deutschlands stellt der EuGH fest, dass nach § 1059 Abs. 2 ZPO480 zwar eine beschränkte Kontrolle möglich, aber im Rahmen der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit nicht ausreichend sei.481 Dementsprechend ging der EuGH davon aus, dass Investitionsschiedsvereinbarungen nur dann nicht die volle Wirksamkeit des Unionsrechts einschränken, wenn deren Schiedsentscheidung durch ein staatliches Gericht eines Mitgliedstaates vollständig überprüft werden können, sodass die Möglichkeit einer vollumfänglichen Vorlagefrage an den EuGH besteht.482
II. Die Aussagen von Achmea zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit Der EuGH nimmt die Handelsschiedsgerichtsbarkeit zumindest begrifflich komplett von seinen Aussagen zur Investitionsschiedsgerichtsbarkeit aus.483 Ausschlaggebend hierfür sei, dass die Handelsschiedsgerichtsbarkeit „auf der Privatautonomie“ beruhe.484 Im Rahmen der Handelsschiedsgerichtsbarkeit sei es ausreichend, wenn die staatlichen Gerichte im Überprüfungsverfahren „die grundlegenden Bestimmungen des Unionsrechts […] [prüfen] können und [diese] gegebenenfalls Gegenstand einer Vorlage zur Vorabentscheidung an den Gerichtshof sein können.“485 Für die auf Privatautonomie beruhende Handelsschiedsgerichtsbarkeit wird der Maßstab der notwendigen Kontrolle im Prüfungspunkt 3 im Vergleich zur Investitionsschiedsgerichtsbarkeit modifiziert. 486 478
EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 40–42 – Achmea. EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 44–49 – Achmea. 480 Das Investitionsschiedsgericht hatte seinen Sitz in Frankfurt a. M.: EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 10, 52 – Achmea. 481 EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 55 f. – Achmea. 482 EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 53–59 – Achmea. 483 So eindeutig: EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 54 f. – Achmea. 484 EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 55 – Achmea. Im Englischen: „originate in the freely expressed wishes of the parties“. Im Französischen: „trouve son origine dans l’autonomie des la volonté des parties en cause“. 485 EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 54 m. N. zur Rspr. des EUGH – Achmea. 486 Dazu kritisch: Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (356). 479
C. Verbotsgesetz § 134 BGB i. V. m. Art. 267, 344 AEUV
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III. Auswirkungen auf die Sportschiedsgerichtsbarkeit Obwohl das Achmea-Urteil in der Literatur viel diskutiert wurde,487 ist die Auseinandersetzung mit dessen Wirkung auf die Handelsschiedsgerichtsbarkeit und insbesondere die Sportschiedsgerichtsbarkeit gering geblieben488. Problematisch ist an dieser Stelle, dass der EuGH die Heranziehung unterschiedlicher Anforderungen an die Handels- beziehungsweise die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit damit begründet, dass die Handelsschiedsgerichtsbarkeit auf der Privatautonomie beruhe.489 In der englischen und französischen Sprachfassung wird von der autonomen beziehungsweise freien Entscheidung als Unterscheidungskriterium gesprochen.490 Bei oktroyierten Sportschiedsvereinbarungen kann daher bezweifelt werden, dass diese nach den Regeln der Handelsschiedsgerichtsbarkeit zu beurteilen sind.491 Allerdings lässt sich mit Blick auf die Schlussanträge des GA Wathelet feststellen, dass auch der EuGH nur begrifflich und nicht inhaltlich auf die Unterscheidung anhand der Privatautonomie abstellt. Andernfalls müsste dem EuGH vorgeworfen werden, er habe sich nicht mit den Schlussanträgen des GA Wathelet auseinandergesetzt. GA Wathelet führt in diesen aus, dass Investitionsschutzabkommen zwischen zwei oder mehr Ländern als völkerrechtliche Verträge abgeschlossen würden.492 In diesen Verträgen werde Investoren die Wahlmöglichkeit gegeben, bei einem Streit das Investitionsschiedsgericht anzurufen.493 Wählt der Investor diese Möglichkeit nicht, muss er vor den nationalen Gerichten prozessieren. Dementsprechend handele es sich für den Investor um eine im Grundsatz privatautonome Entscheidung für die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit.494 Im Unterschied zur Investitionsschiedsgerichtsbarkeit kommt es zur Einsetzung eines Handelsschiedsgerichtes durch eine Vereinbarung zwischen Privaten. Die Parteien schließen einen Vertrag ab, in dem sie die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes für die Beilegung von Strei487
Siehe nur auszugsweise: Kluwer Arbitration Blog, Archiv zu Achmea: http://go. wwu.de/ae7y8; Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348; Nacimiento/Bauer, BB 2018, 1347; Behrens, RIW 2018, 701; Bodenheimer/Eller, RIW 2018, 786; Miller, EuZW 2018, 357; Bischoff, IPRax 2018, 588. 488 Zumindest angesprochen z. B. in: Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (356); Nikitin, Kluwer Arbitration Blog, The CJEU’s Achmea Judgment: Getting Through the Five Stages of Grief, go.wwu.de/lwni1. 489 EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 54 – Achmea. 490 EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 55 – Achmea. 491 Siehe: Kap. 2. C. (S. 33 ff.) 492 GA Wathelet, Schlussanträge v. 19.09.2017, C-284/16, Rn. 261 – Achmea; Blackaby et al., International Arbitration, Rn. 8.14. 493 GA Wathelet, Schlussanträge v. 19.09.2017, C-284/16, Rn. 261 – Achmea; Blackaby et al., International Arbitration, Rn. 8.14. 494 GA Wathelet, Schlussanträge v. 19.09.2017, C-284/16, Rn. 261 – Achmea.
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tigkeiten bestimmen. Für eine auf diesen Merkmalen basierende Unterscheidung spricht auch, dass der EuGH in Achmea die Beteiligung eines Mitgliedstaates bei der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit besonders hevorhebt.495 Dementsprechend kommt es für die Einordnung als Handelsschiedsgerichtsbarkeit alleine darauf an, dass eine Schiedsvereinbarung zwischen Privaten vorliegt. Dies ist bei der Sportschiedsgerichtsbarkeit der Fall. Eine solche Differenzierung ist auch mit der älteren Rechtsprechung des EuGH vereinbar. Weder in Eco Swiss496 noch in Mostaza Claro497 wurde überprüft, ob der Abschluss der infrage stehenden Schiedsvereinbarung mit der Privatautonomie vereinbar war. Wenigstens in Mostaza Claro wäre dies aber angezeigt gewesen, da es um AGB ging, die Privatautonomie bei AGB aber jedenfalls eingeschränkt wird.498 In beiden Entscheidungen wendete der EuGH jedoch die Voraussetzungen an, die er in der Achmea-Entscheidung nur der Handelsschiedsgerichtsbarkeit zuschrieb.499 Dementsprechend sind oktroyierte Sportschiedsvereinbarungen nicht grundsätzlich mit Art. 267, 344 AEUV unvereinbar.
IV. Auswirkungen auf die CAS-Schiedsgerichtsbarkeit Damit die Handelsschiedsgerichtsbarkeit mit Art. 267, 344 AEUV vereinbar ist, genügt es, wenn die Entscheidungen des Schiedsgerichts in einem eingeschränkten Verfahren anhand der grundlegenden Bestimmungen des Unionsrechts geprüft werden können und das staatliche Gericht in diesem Zuge eine Vorlagefrage nach Art. 267 AEUV an den EuGH stellen kann.500 Bei Schiedsvereinbarungen zum CAS kommt es aber zu der bereits erläuterten Problematik,501 dass das Unionsrecht im Primärrechtsschutz nicht einmal im Rahmen einer eingeschränkten Kontrolle überprüft werden kann. Daher besteht auch keine Möglichkeit, dass Fragen zur Anwendung und Auslegung des Unions495
EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 55, 60 – Achmea. EuGH, Urt. v. 01.06.1999, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 – Eco Swiss. 497 EuGH, Urt. v. 26.10.2006, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 – Mostaza Claro. 498 Das Ungleichgewicht in dem Fall benennend: EuGH, Urt. v. 26.10.2006, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675, Rn. 26 – Mostaza Claro. 499 EuGH, Urt. v. 01.06.1999, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269, Rn. 40 – Eco Swiss; EuGH, Urt. v. 26.10.2006, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675, Rn. 34 – Mostaza Claro. 500 EuGH, Urt. v. 01.06.1999, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269, Rn. 35 f., 40 – Eco Swiss; EuGH, Urt. v. 26.10.2006, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675, Rn. 34–39 – Mostaza Claro; EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 54 – Achmea; so wohl auch: Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (356). 501 Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (4) (S. 279 ff.). 496
D. AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB
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rechts, die sich innerhalb eines Schiedsspruches stellen, auf diesem Wege an den EuGH vorgelegt werden.502 Damit erfüllt die Sportschiedsgerichtsbarkeit des CAS nicht die Voraussetzungen, die der EuGH an die Überprüfungsmöglichkeit von Unionsrecht in Schiedsverfahren gestellt hat.503 Schlussendlich ergibt sich daher aus der Achmea-Rechtsprechung, dass CAS-Schiedsvereinbarungen unwirksam sind, solange es keine Möglichkeit gibt, CAS-Schiedssprüche zumindest anhand der grundlegenden Bestimmungen des Unionsrechts zu prüfen und bei Auslegungsfragen eine Vorlagefrage an den EuGH zu stellen. Auf welche deutsche Generalklausel sich die Achmea-Entscheidung auswirkt, bleibt hier offen, muss aber in weiterer Forschungsarbeit geklärt werden. Vor dem BGH wird § 134 BGB als Anknüpfungspunkt zwar erwähnt aber nicht ausgeführt.504 Eine Heranziehung von § 134 BGB i. V. m. Art. 267, 344 AEUV würde dazu führen, dass die Rechtsfolge hinsichtlich der Sitzbestimmung in der Schweiz mit der Rechtsfolge von § 134 BGB i. V. m. Art. 102 S. 2 lit. a AEUV parallel läuft. Hätte der CAS seinen Sitz in einem EU-Mitgliedstaat, wäre die Schiedsgerichtsbarkeit des CAS wohl mit der Achmea-Rechtsprechung vereinbar.
D. AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB Die AGB-Kontrolle und die Prüfung nach § 134 BGB i. V. m. Art. 102 AEUV sind nebeneinander anwendbar.505 Obwohl die Gerichte wegen der häufig einschlägigen Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB die zusätzliche Prüfung der AGB unterlassen, wird die AGB-Kontrolle in dieser Untersuchung der Vollständigkeit halber herangezogen.
502 Eine i. E. ähnliche Problematik wird durch die Kommission vorgetragen: GA Wathelet, Schlussanträge v. 19.09.2017, C-284/16, Rn. 250 – Achmea. 503 Orth, Mark-E., ZWeR 2018, 382 (387); siehe zu den Voraussetzungen: EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 54 m. w. N. – Achmea. 504 BGH, Beschl. v. 31.10.2018, I ZB 2/15, WM 2018, 2294 (2297 Rn. 37). 505 Siehe nur: Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Vor. zur Inhaltskon trolle Rn. 56 m. N. zu Rspr. und Lit.
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I. Anwendbarkeit Bei der Frage der Anwendbarkeit der AGB-Prüfung ist zwischen zwei Szenarien zu unterscheiden. Zum einen kann die Schiedsvereinbarung in einem Vertrag (Athletenvereinbarung) zwischen Sportveranstalter und Athlet vereinbart werden. In diesen Fällen bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit des AGB-Rechts. Anders ist dies jedoch, wenn sich die Schiedsvereinbarung selbst in einer Verbandssatzung befindet, der sich ein Athlet im Rahmen eines Teilnahmevertrages (Athletenvereinbarung) oder eines Antrages auf Lizenzerteilung506 unterwirft.507 Gegen eine Anwendung des AGB-Rechts auf Schiedsklauseln in Satzungen spricht die Bereichsausnahme in § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB, da das Vereinsrecht Teil des Gesellschaftsrechts ist.508 Diese Bereichsausnahme begründet sich dadurch, dass gesellschaftsrechtliche Verträge in ihrer Grundkonstellation lediglich die mitgliedschafts- und organisationsrechtliche Struktur der Gesellschaft festlegen.509 In diesen Verträgen gehe es daher um die Förderung des Gesellschaftszwecks durch die Vertragsparteien, wohingegen sich das AGB-Recht auf Austauschverträge beziehe.510 Dieser grundlegende Unterschied rechtfertige, dass das Gesellschaftsrecht aus der AGB-Kontrolle ausgenommen werde.511 Zudem bestehe im Gesellschaftsrecht schon „wegen der zahlreichen zwingenden Bedingungen des Gesetzesrechts keine Gefahr […], dass die Satzungen unangemessene Regelungen enthalten.“512 In den Fällen des § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB sei die AGB-Kontrolle zwar grundsätzlich nicht anwendbar, allerdings könne eine Inhaltskontrolle nach § 242 BGB vorgenommen werden.513 Vor dem Hintergrund der Begründung der Bereichsausnahme darf § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB jedoch nicht greifen, wenn der Kern der vertraglichen Regelung keine mitgliedschaftliche, sondern eine schuldrechtliche Austauschbe-
506 Vieweg, SpuRt 1995, 97 (99). In dieser Untersuchung werden diese Möglichkeiten auch dann erfasst, wenn pauschal von Athletenvereinbarungen gesprochen wird. Hierdurch soll die Lesbarkeit vereinfacht werden. 507 Siehe zu einer genaueren Aufschlüsselung der möglichen Bindung z. B.: Kreißig, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 4. Kap. Rn. 218–220. Anders als bei Schiedsanordnungen liegt hier eine vertragliche Unterwerfung unter die Satzungsregelung vor. 508 Anstelle aller: Butte, Das selbstgeschaffene Recht des Sports, S. 254 m. w. N.; Schmidt, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 310 Rn. 22 m. w. N. 509 Butte, Das selbstgeschaffene Recht des Sports, S. 255. 510 Butte, Das selbstgeschaffene Recht des Sports, S. 255. 511 Butte, Das selbstgeschaffene Recht des Sports, S. 255. 512 Basedow, in: MüKo, BGB, § 310 Rn. 86 m. w. N. 513 Basedow, in: MüKo, BGB, § 310 Rn. 87 f.
D. AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB
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ziehung betrifft.514 Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Vereinssatzung für die vertraglichen Beziehungen zwischen einem Verein und einem Nichtmitglied gelten soll. 515 Athleten sind in der Regel keine Mitglieder des ausrichtenden Sportverbandes.516 In der (im Regelfall bestehenden) Athletenvereinbarung verpflichtet sich der Sportler am Wettkampf teilzunehmen und die Regeln des Wettkampfes und auch alle sonstigen Satzungsbedingungen einzuhalten, während der Verband zumindest die Startberechtigung des Sportlers garantiert. Der Athlet unterliegt daher wegen der Unterschrift der Athletenvereinbarung der Satzungsbedingung und nicht wegen einer Mitgliedschaft in dem den Wettkampf ausrichtenden Verband517. Die Bindung an die Schiedsvereinbarung beruht daher auf einer schuld rechtlichen Grundlage, weshalb die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB nicht greift.518 Mit einer ähnlichen Begründung hat der BGH in seiner Reiter-Entscheidung aus dem Jahr 1994 erklärt, dass die AGB-Kontrolle auf sportliche Regelwerke eines Sportvereins auch bei deren Wirkung gegenüber Dritten nicht anwendbar sei.519 In dem Fall hatte sich der Athlet in der Wettkampfmeldung sowie im Rahmen der Beantragung einer (notwendigen) Lizenz den Satzungen, Ordnungen und Regelungen des Sportveranstalters unterworfen.520 Diese Verbandsregelun-
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BGH, Urt. v. 05.10.1992, II ZR 172/91, NJW 1993, 57 (58); Butte, Das selbstgeschaffene Recht des Sports, S. 255; Ulmer/Schäfer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 310 Rn. 122; Schlosser, in: Staudinger, BGB, § 310 Rn. 77 f., 80 f. 515 Basedow, in: MüKo, BGB, § 310 Rn. 90 m. N. zur Rspr. vor Einführung des AGB-Gesetzes; vgl.: Ulmer/S chäfer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 310 Rn. 125; Kollmann, in: NK, BGB, § 310 Rn. 55 f.; Stadler, in: Jauerning, BGB, § 310 Rn. 11. 516 Wie Butte richtig feststellt, liegt dadurch im Sport i. d. R. eine andere Situation vor als in der Reiter-Entscheidung, weshalb die Reiter-Entscheidung als Einzelfallentscheidung angesehen werden könnte: Butte, Das selbstgeschaffene Recht des Sports, S. 252. 517 Hierbei ist irrelevant, dass Athleten i. d. R. auch über ihre Mitgliedschaft in einem Verein und dessen Mitgliedschaft im Verband an die Satzungen der Verbände gebunden sind. Die Bindung kommt nicht unmittelbar durch eine Mitgliedschaft des Sportlers im Verband zustande. 518 Vgl.: Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 94 f.; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 122–124; Schlosser, in: Staudinger, BGB, § 310 Rn. 81; wohl auch: Graf von Westphalen, SpuRt 2015, 186 (189); Graf von Westphalen, SpuRt 2015, 239 (242 f.). A. A.: Axtmann, Die Vorlageberechtigung von Sportschiedsgerichten zum EuGH, S. 65, 72 f. 519 BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 – Reiter. 520 BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (586) – Reiter.
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gen enthielten Schiedsklauseln zu einem (wohl unechten521) Schiedsgericht.522 Diese Schiedsklausel sah der BGH als Teil eines sportlichen Regelwerkes an. Hierunter verstand das Gericht solche Regelwerke, „ohne die ein geordneter Sport- und Wettkampf betrieb undenkbar“ wäre.523 Explizit nannte er Start- und Wettkampf bedingungen in Sport- und Wettkampfordnungen.524 Gleichzeitig machte der BGH deutlich, dass die Durchsetzung dieser sportlichen Regelwerke für den Wettkampfsport notwendig sei.525 Erst durch die Möglichkeit, Sanktionen auszusprechen, werde die Einhaltung der Regelwerke gesichert.526 Daher seien die zugehörigen Schiedsklauseln als Teil der sportlichen Regelwerke anzusehen.527 Da sportliche Regelwerke wiederum der AGB-Kontrolle entzogen seien, könne auch die Schiedsvereinbarung nicht anhand der §§ 305 ff. BGB geprüft werden. 528 Diese Ausnahme für sportliche Regelwerke begründete der BGH damit, dass das Verhältnis zwischen Athlet und Verband in sportlichen Regelwerken ein anderes sei als das Verhältnis, welches der AGB-Kontrolle zugrunde liege.529 Während das AGB-Recht die unterschiedlichen und entgegengesetzten Interessen von Verwender und Kunden erfassen solle, hätten Athlet und Verband bei sportlichen Regelwerken grundsätzlich ein gleichlaufendes Interesse.530 Beiden liege es an der „Aufrechterhaltung eines geregelten und geordneten Sportbetriebs“.531 Auch „gelegentliche Auseinandersetzungen“ zwischen Athlet und Verband über die sportlichen Regelwerke würden den „fundamentalen Unterschied“, der zur AGB-Kontrolle bestehe, nicht aufheben.532 Darüber hinaus ziele die AGB- Kontrolle auf Leistungsaustauschbeziehungen ab. Sportliche Regelwerke würden aber Normwerken mit „sozial-organisatorischer Natur“ näherstehen als Leistungsaustauschbeziehungen.533 Die damit notwendige Inhaltskontrolle nach § 242
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Dies ist in der Entscheidung nicht diskutiert worden. BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (584) – Reiter. 523 BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (584) – Reiter. 524 BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (584) – Reiter. 525 BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (584) – Reiter. 526 BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (584) – Reiter. 527 BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (584) – Reiter. 528 BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (585) – Reiter. 529 BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (585) – Reiter. 530 BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (585) – Reiter. 531 BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (585) – Reiter. 532 BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (585) – Reiter. 533 BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (585) – Reiter.
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D. AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB
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BGB führt nach Ansicht des BGH aber nicht zu einer Rechtsschutzeinbuße.534 Er formuliert:535 „Da diese [Generalklausel des § 307 BGB] jedoch ihrerseits nur als Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verstehen ist, erscheint es angesichts des obigen Befundes […] richtiger, der Besonderheit sportlicher Regelwerke durch eine Inhaltskontrolle unmittelbar nach § 242 BGB Rechnung zu tragen und Wertungsmaßstäbe des AGB-Gesetzes allenfalls entsprechend heranzuziehen, soweit sie auf das Rechtsverhältnis zwischen dem regelgebenden und -überwachenden Sportverband und den Teilnehmern an dem unter seiner Verantwortung veranstalteten Sportbetrieb zutreffen. Eine Beeinträchtigung des Rechtsschutzes dieses Personenkreises ist damit nicht verbunden, da an die Angemessenheit sportlicher Verbandsnormen, welche die Beziehungen zu externen Sporttreibenden regeln, kein weniger strenger Maßstab anzulegen ist als bei der Anwendung des AGB-Gesetzes oder bei der Inhaltskontrolle von Normen, durch die der Verband die Beziehungen zu seinen Mitgliedern ordnet.“
Der an der Reiter-Entscheidung beteiligte Richter Röhricht fügte noch hinzu, der Rückgriff auf § 242 BGB führe dazu, dass „formal der Gleichklang der Prüfungsmaßstäbe für verbandsunabhängige und der Verbandsgewalt aufgrund Mitgliedschaft unterworfene Teilnehmer am Sport“
hergestellt werde.536 Um diese Argumente zu widerlegen, muss am Verständnis des BGH von sportlichen Regelwerken angeknüpft werden. Es ist richtig, dass es grundsätzlich im Interesse der Athleten sowie der Sportveranstalter liegt, dass sportliche Wettkampfbedingungen durch alle Athleten eingehalten werden. Mit Blick auf die Schiedsklauseln geht der BGH jedoch nicht darauf ein, dass diese neben rein sportlichen Voraussetzungen für die Wettkampfdurchführung zum Teil auch wirtschaftliche Streitigkeiten erfassen.537 Bei Letzterem ist offensichtlich, dass Sportveranstalter und Athlet keine gleichlaufenden Interessen haben.538 Für alle anderen Fälle ist zu beachten, dass Athleten und Sportveranstalter das gleichlaufende Interesse der Durchsetzung der sportlichen Wettkampfvoraussetzungen haben, um Chancengleichheit zu gewährleisten. Allerdings kann hieraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass hinsichtlich der Art der Durchsetzung, respektive der relevanten Verfahrensregeln, grundsätzlich ein gemeinsames Interesse besteht. Für die Bestimmung dieses Interesses muss vielmehr differenzie534
BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (585) – Reiter. BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (585) – Reiter. 536 Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach dem deutschen Recht, in: Röhricht, Sportgerichtsbarkeit, S. 19 (35). 537 So auch: Kreißig, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 4. Kap. Rn. 235. 538 Kreißig, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 4. Kap. Rn. 235. 535
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
rend auf die konkreten Regeln der Streitentscheidung abgestellt werden. Dass bei den in dieser Untersuchung untersuchten CAS-Organisations- und Verfahrensregeln kein Gleichlauf der Interessen von Athleten und Sportveranstaltern besteht, hat sich in den Ausführungen zu Art. 102 S. 2 lit. a AEUV gezeigt.539 Es überzeugt nicht, wenn der BGH argumentiert, einer Unterwerfungserklärung als Teil einer Athletenvereinbarung läge kein Austauschelement inne.540 Die Unterwerfungserklärung kann nicht isoliert betrachtet werden, da sie als Voraussetzung für den Wettkampfstart unterzeichnet wird.541 Dementsprechend muss bei der Untersuchung eines potenziellen Austauschelements die gesamte Athletenvereinbarung analysiert werden. Wie herausgearbeitet,542 bestehen im Umfeld einer Sportveranstaltung verschiedene wirtschaftliche Verflechtungen.543 So leistet der Athlet an den Sportveranstalter in Form seiner Athletenleistung, die der Sportveranstalter dann auf nachgelagerten Absatzmärkten wirtschaftlich verwerten kann. Der Athlet erhält im Gegenzug Aufmerksamkeit durch die Sportveranstaltung und eventuell die Möglichkeit, ein Preisgeld zu gewinnen. Der zusätzlichen Erläuterung von Röhricht544 ist entgegenzuhalten, dass ein formaler Gleichklang angesichts der obigen Feststellungen allein kein Argument für die Ablehnung der AGB-Kontrolle sein kann. Für die betroffenen Athleten und Verbände macht es – nach Aussage des BGH in der Reiter-Entscheidung – keinen Unterschied, ob § 307 BGB oder § 242 BGB zur Anwendung kommt (materieller Gleichklang).545 Damit würde auch eine Anwendung der AGB-Kontrolle die von Röhricht geforderte allgemeine Gleichbehandlung und spezielle Chancengleichheit zwischen verbandsfreien und verbandsgebundenen Athleten erreichen.546 Auch wenn ein formaler Gleichklang zwischen diesen Konstellationen wünschenswert wäre, so lässt sich ein formaler Gleichklang auf Grundlage der obigen Feststellungen nicht mit der Dogmatik der AGB-Kontrolle vereinbaren. 539 Anders Adophsen, der in einer sehr weiten Auslegung der Unterwerfungsvereinbarung davon ausgeht, dass hiermit auch von Seiten der Athleten das Ziel verfolgt werde, für die Durchführung, Ausübung und Organisation des organisierten Leistungssports zu sorgen. Schließlich würden sich die Athleten durch ihre Vereinsmitgliedschaft der Förderung dieses Ziels verschreiben: Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 99. 540 Laut Adolphsen ist das Kriterium des Leistungsaustauschs für die Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle nicht entscheidend: Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 96 f. Ebenso: Butte, Das selbstgeschaffene Recht des Sports, S. 251 f. 541 Anders wohl: Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 101 m. w. N. 542 Siehe: S. 221 ff. 543 Kreißig, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 4. Kap. Rn. 235. 544 Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach dem deutschen Recht, in: Röhricht, Sportgerichtsbarkeit, S. 19 (35). 545 BGH, Urt. v. 28.11.1994, II ZR 11/94, NJW 1995, 583 (585) – Reiter. 546 Zu dieser Forderung siehe: Röhricht, Chancen und Grenzen von Sportgerichtsverfahren nach dem deutschen Recht, in: Röhricht, Sportgerichtsbarkeit, S. 19 (34).
D. AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB
305
Schlussendlich überzeugen die Argumente des BGH gegen die Anwendung der AGB-Kontrolle auf Schiedsklauseln in sportlichen Regelwerken nicht. Die AGB-Kontrolle ist daher auf alle hier untersuchten Formen der Schiedsvereinbarungen anwendbar.547 Es kann auch bezweifelt werden, ob der BGH die Ansicht aus der Reiter-Entscheidung auch aktuell noch vertreten würde. In dem Ringer-Urteil aus 2018 lässt der I. Zivilsenat des BGH explizit offen, ob die in Frage stehende Schiedsvereinbarung als ein Teil eines sportlichen Regelwerkes anzusehen sei, „bei dem eine Qualifikation als AGB ausscheiden könnte“ oder die AGB-Kontrolle anwendbar sei.548 Damit ist letzlich nichts zur Auffassung des II. Zivilsenats, der die Reiter- Entscheidung gefällt hat, gesagt. In Anbetracht der gewichtigen Argumente, die für eine Anwendung der AGB-Kontrolle sprechen, ist die Äußerung des I. Zivil senats in der Ringer-Entscheidung aber zumindest ein Anhaltspunkt für eine mögliche abweichende Rechtsauffassung.
II. Vorliegen von AGB Bei Athletenvereinbarungen handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Fällen vom Sportveranstalter als Verwender gestellt werden (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB).549 Nach § 305 Abs. 1 S. 2 BGB wird die Eigenschaft als AGB nicht dadurch erschüttert, dass einzelne Vorschriften des Vertrags einen gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden.550 Das heißt, dass es unerheblich ist, wenn eine Schiedsvereinbarung in einem gesonderten Dokument (zum Beispiel einer Satzung) festgeschrieben ist, und wenn sie gemäß § 1040 547 Kreißig, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 4. Kap. Rn. 235. Für eine Anwendbarkeit, aber ohne Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BGH zu sportlichen Regelwerken und AGB-Kontrolle: Zuck, SpuRt 2014, 5 (6); Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2014, 175 (178–181); Eckel/Richter, WuW 2015, 1078 (1090); Eichel, ZZP 2016, 327 (336); Eichel, IPRax 2016, 305. Gegen eine Anwendbarkeit: Jakob-Milicia, SpuRt 2013, 236 (242). Für eine differenzierte Anwendbarkeit, wenn in Verbandsregelwerke verwiesen wird: Steinle, Rechtliche Problemstellungen um die Athletenvereinbarung aus der Verbandspraxis, in: Steinle, Rechtliche Problemstellungen um Athletenvereinbarungen, S. 9 (16–18); Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280 (281), der Schiedsvereinbarungen in Satzungen wegen § 310 Abs. 4 S. 1 BGB von der AGB-Kontrolle als nicht erfasst sieht. In dem Fall will er aber eine an der AGB-Kontrolle orientierte Überprüfung nach § 242 BGB zulassen. Zu der praktischen Unerheblichkeit, ob die AGB-Kontrolle oder § 242 BGB einschlägig ist, siehe nur: Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 95. 548 BGH, Beschl. v. 19.04.2018, I ZB 52/17, juris Rn. 12, 31. 549 Daher ist im Ergebnis unerheblich, ob es sich um Verbraucherverträge handelt, § 310 Abs. 3 BGB. 550 Siehe dazu grundlegend: Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBRecht, § 305 Rn. 35.
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
Abs. 1 S. 2 BGB als unabhängige Vereinbarung anzusehen ist,551 solange sie AGB darstellen. Gleiches gilt auch für die CAS-Organisations- und Verfahrensregeln, die im CAS-Code und in den CAS-ADD Rules festgehalten sind. Da es sich bei all diesen Regelungen um vorformulierte Vertragsbedingungen handelt, die für eine Vielzahl von Fällen vom Sportveranstalter gestellt werden, stellen neben den Schiedsvereinbarungen auch die Regeln des CAS-Codes sowie die CASADD Rules AGB im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB dar.552 Die Möglichkeit eines individuellen Aushandelns der Schiedsvereinbarung sowie der Organisations- und Verfahrensregeln besteht bei oktroyierten Schiedsvereinbarungen, wie sie im Sport vorliegen, nicht.
III. Einbeziehung in den Vertrag Die AGB müssen auch wirksam in die Vereinbarung zwischen Sportveranstalter und Athlet einbezogen werden. Diese Einbeziehung richtet sich aber nur dann nach § 305 Abs. 2 BGB, wenn die Athleten keine Unternehmer im Sinne von § 14 BGB sind (§ 310 Abs. 1 S. 1 BGB). Diesbezüglich ist auf Grundlage des Merkmals der Selbständigkeit der ausgeübten Tätigkeit, welches für die Unternehmereigenschaft notwendig ist, zwischen Mannschafts- und Individualsportlern zu unterscheiden.553 Bei Individualsportlern ist die Selbstständigkeit der Tätigkeit fast immer gegeben. Sie unterzeichnen die Athletenvereinbarung aus eigenem Interesse, da sie an dem Wettkampf teilnehmen wollen. Hintergrund ist, dass die Teilnahme mit ihren Folgen die Basis für den Erwerb ihres Lebensunterhaltes darstellt. Daher sind Individualsportler in Form von Berufssportlern Unternehmer im Sinne von § 14 BGB. 554 Anders sind Mannschaftssportler zu behandeln,
551
So auch: Eichel, ZZP 2016, 327 (336). So auch: BGH, Urt. v. 13.01.2005, III ZR 265/03, NJW 2005, 1125 (1127); Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 237; Butte, Das selbstgeschaffene Recht des Sports, S. 248 m. w. N.; Eichel, ZZP 2016, 327 (340). 553 Wüterich/Breucker, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 7. Kapitel Das Arbeitsrecht im Sport Rn. 545 f.; Meier, SpuRt 2012, 229–231. 554 Ebenso: Axtmann, Die Vorlageberechtigung von Sportschiedsgerichten zum EuGH, S. 69; Wüterich/Breucker, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 7. Kapitel Das Arbeitsrecht im Sport Rn. 546; Meier, SpuRt 2012, 229 (230 f.); Eichel, ZZP 2016, 327 (336); Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2014, 175 (183); vgl.: Orth, Jan. F., SpuRt 2015, 230 (231). Anders: Graf von Westphalen, SpuRt 2015, 186 (188); vermutlich auch: LG Berlin, Urt. v. 06.02.2003, 5 O 39/06, CaS, 2006 73 (74). 552
D. AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB
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da diese als Arbeitnehmer bei der Unterwerfung unter eine Schiedsvereinbarung im Regelfall nicht selbständig im Sinne von § 14 BGB handeln.555 Im Rahmen dieser Untersuchung wird allein auf die Einbeziehung gegenüber Unternehmern abgestellt. Mangels genauer Kenntnisse der Umstände der Unterwerfung unter die Schiedsvereinbarung bringt die strengere Kontrolle der Einbeziehung gegenüber Verbrauchern keinen zusätzlichen Mehrwert. Insbesondere ist nicht bekannt, inwieweit Mannschaftssportlern im Zeitpunkt der Unterwerfung unter eine CAS-Schiedsvereinbarung z. B. der Zugang zum CAS-Code möglich gemacht wird. Daher würde eine rechtliche Bewertung der Einbeziehung bei Verbrauchern zu großen Teilen auf Mutmaßungen beruhen müssen. Im Unterschied zu § 305 Abs. 2 S. 1 BGB genügt es für die Einbeziehung gegenüber Unternehmern, wenn der Wille des Verwenders, die AGB zum Vertragsbestandteil zu machen, für die Gegenseite deutlich wird (objektiver Erklärungsgehalt).556 Die Einbeziehung der Schiedsvereinbarung ist unproblematisch, wenn diese direkt in der Athletenvereinbarung enthalten ist. Ebenso macht der darin enthaltende Verweis auf die CAS-Organisations- und Verfahrensregeln aus objektiver Sicht deutlich, dass auch diese Teil des Vertrages werden sollen.557 Enthält die Athletenvereinbarung eine Unterwerfungserklärung unter die Satzung, Ordnungen und Regelungen des Sportveranstalters, welche eine Schiedsklausel enthalten, wird deutlich, dass auch diese vollständig einbezogen werden sollen. In diesen Schiedsklauseln wird wiederum ausdrücklich auf die CAS-Organisationsund Verfahrensregeln verwiesen, sodass auch diese, quasi über eine Zwischenstation, einbezogen werden.558 Dementsprechend sind in allen hier untersuchten Fällen Schiedsvereinbarung und CAS-Organisations- und Verfahrensregeln ausdrücklich mit in den Vertrag einbezogen.
555 Axtmann, Die Vorlageberechtigung von Sportschiedsgerichten zum EuGH, S. 69; Köhler, Der Arbeitnehmerbegriff im Sport, S. 53–71; Wüterich/Breucker, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 7. Kapitel Das Arbeitsrecht im Sport Rn. 545; Meier, SpuRt 2012, 229 (230); Korff, CaS 2018, 263 (264 f.). Gleiches gilt natürlich auch für Individualsportler, die bei einem Verein angestellt sind. Dies ist aber seltener der Fall, weshalb hier grds. von Mannschaftssportlern gesprochen wird. Vgl.: Köhler, Der Arbeitnehmerbegriff im Sport, S. 100–106. 556 Schlosser, in: Staudinger, BGB, § 305 Rn. 127 m. w. N. zur Rspr.; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 Rn. 170; Kollmann, in: NK, BGB, § 305 Rn. 93 f. 557 Auf die Problematik von dynamischen Verweisen soll hier nicht eingegangen werden. Siehe z. B. zu dynamischen Satzungsverweisen: Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 109–112; Heermann, ZHR 174 (2010), 250. 558 Zur Wirksamkeit einer solchen Weiterverweisung: Ulmer/Habersack, in: Ulmer/ Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 Rn. 169 m. N. zur Rspr.; Kollmann, in: NK, BGB, § 305 Rn. 95.
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
Darüber hinaus müsste den Athleten auch in zumutbarer Weise die Möglichkeit der Kenntnisnahme eingeräumt werden.559Diese Voraussetzung orientiert sich zwar an § 305 Abs. 2 S. 2 BGB, jedoch sind die Anforderungen an Unternehmer deutlich geringer als bei Verbrauchern als Vertragspartner.560 Mangels Kenntnis der genauen Umstände zwischen Athleten und Sportveranstalter wird hier unterstellt, dass die AGB den Athleten nicht gesondert übergeben werden. Die Satzungen, Ordnungen und Regelungen von Sportverbänden sind jedoch in der Regel online verfügbar und mit einer Internetrecherche unproblematisch in kurzer Zeit aufzufinden. Die Organisations- und Verfahrensregeln des CAS sind ebenfalls direkt auf der Internetseite des CAS einsehbar.561 Im Verhältnis zwischen Unternehmern ist dies als ausreichende Möglichkeit der Kenntnisnahme anzusehen.562 Daher ist unerheblich, ob die Sportveranstalter zusätzlich die Übersendung der AGB anbieten.563 Eine wirksame Einbeziehung der Schiedsvereinbarungen und der Organisationund Verfahrensregeln des CAS liegt daher im Regelfall vor.564 CAS-Schiedsvereinbarungen sind im Sport weit verbreitet und spätestens seit der Causa Pechstein sogar der allgemeinen Medienöffentlichkeit bekannt. Sie können daher nicht als überraschende Klauseln nach § 305c BGB klassifiziert werden.565
IV. Inhaltskontrolle Die Schiedsvereinbarung als wirksam einbezogene AGB kann daher, ebenso wie die Organisations- und Verfahrensregeln des CAS, einer AGB-Kontrolle unterzogen werden. 559
Anstelle vieler: Lapp/Salamon, in: jurisPK, BGB, § 305 Rn. 130. Anstelle vieler: Lapp/Salamon, in: jurisPK, BGB, § 305 Rn. 132. 561 CAS, http://go.wwu.de/7bbu9. 562 Vgl.: Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 103; Kreißig, in: Adolphsen et al., Sportrecht in der Praxis, 4. Kap. Rn. 221; Kollmann, in: NK, BGB, § 305 Rn. 101; vermutlich auch: Basedow, in: MüKo, BGB, § 305 Rn. 95. 563 Damit läge aber jedenfalls eine ausreichende Möglichkeit der Kenntnisnahme vor: Lapp/Salamon, in: jurisPK, BGB, § 305 Rn. 130, 132. 564 Anders z. B. LG Berlin, Urt. v. 06.02.2003, 5 O 39/06, CaS 2006, 73 (74), welches davon ausgeht, dass bei nur auf Französisch und Englisch vorliegenden Vertragsdokumenten für deutsche Olympiateilnehmer keine ausreichende Möglichkeit der Kenntnisverschaffung gem. § 305 Abs. 2 S. 2 BGB besteht. Diesbezüglich ist aber zu beachten, dass das Gericht von der Anwendbarkeit des § 305 Abs. 2 S. 2 BGB ausging und daher einen (zu) strengen Maßstab an die Einbeziehung angelegt hat. 565 Ebenso: Axtmann, Die Vorlageberechtigung von Sportschiedsgerichten zum EuGH, S. 74. 560
D. AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB
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1. Eröffnung der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB Nach § 307 Abs. 3 BGB ist die AGB-Inhaltskontrolle nur dann eröffnet, wenn durch die AGB von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Ob AGB von Rechtsvorschriften abweichen, wird durch einen Vergleich der Rechtslage mit und ohne den AGB bestimmt.566 Ist die Rechtslage in beiden Fällen gleich, darf keine AGB-Inhaltskontrolle vorgenommen werden.567 Kommt die Analyse hingegen zu unterschiedlichen Rechtslagen, so liegt eine Abweichung im Sinne von § 307 Abs. 3 BGB vor.568 Läge keine Schiedsvereinbarung vor, so wäre für die Streitigkeiten zwischen Athlet und Sportveranstalter der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten eröffnet (Justizgewähranspruch, § 13 GVG). Infolge der zwischen ihnen geschlossenen Schiedsvereinbarung ist der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten jedoch ausgeschlossen, § 1032 Abs. 1 ZPO. Würde der CAS-Code und die CAS-ADD Rules nicht die einschlägigen Verfahrensregel bestimmen, so würde sich das beim Schiedsverfahren einschlägige Verfahren nach § 1042 Abs. 4 S. 1 ZPO bestimmen, das heißt, die Schiedsrichter würden die Verfahrensvorschriften nach freiem Ermessen bestimmen. In beiden Fällen liegt also eine Abweichung von Rechtsvorschriften vor. Die AGB-Inhaltskontrolle ist daher sowohl für die Schiedsvereinbarung an sich als auch für den CAS-Code und die CAS-ADD Rules eröffnet. 2. § 309 Nr. 14 BGB (Mannschaftssportler) Für Athleten, die Verbraucher im Sinne des § 13 BGB darstellen (Mannschaftssportler), greift das Klauselverbot des § 309 Nr. 14 BGB. Hiernach sind AGB unwirksam, die nur dann eine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche des Verbrauchers erlauben, wenn dieser zuvor eine gütliche Einigung in einem Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung versucht hat. Allerdings besteht Einigkeit darin, dass dieses Klauselverbot Schiedsvereinbarungen (zu echten Schiedsgerichten) nicht erfasst. Unterschiedlich ist lediglich die Begründung hierfür: Lapp/Salamon begründen die Ablehnung damit, dass Schiedsverfahren nicht durch eine gütliche Einigung, sondern durch eine Entscheidung eines oder mehrerer Schiedsrichter beendet werden.569 566 Besonders deutlich und daher anstelle aller: Eckelt, in: BeckOGK, BGB, § 307 Rn. 177. 567 Besonders deutlich und daher anstelle aller: Eckelt, in: BeckOGK, BGB, § 307 Rn. 177. 568 Besonders deutlich und daher anstelle aller: Eckelt, in: BeckOGK, BGB, § 307 Rn. 177. 569 Deutlich: Lapp/Salamon, in: jurisPK, BGB, § 309 Rn. 244.
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
Andere Autoren sehen – wegen der Gleichwertigkeit des staatlichen und des schiedsgerichtlichen Rechtsschutzes – in der Anrufung eines echten Schiedsgerichtes bereits eine gerichtliche Geltendmachung, wodurch § 309 Nr. 14 BGB ebenfalls nicht greife.570 3. Generalklausel, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB Für die Inhaltskontrolle von CAS-Schiedsvereinbarung und CAS-Organisations- und Verfahrensregeln verbleibt nach Ablehnung des § 309 Nr. 14 BGB nur die Generalklausel aus § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind AGB unwirksam, die den Vertragspartner des Verwenders (Athleten) entgegen des Gebotes von Treu und Glauben unangemessen benachteiligten. Auf die Inhaltskontrolle hat es dabei keinen Einfluss, dass die Sportveranstalter als Verwender kartellrechtlich als Nachfrager Kap. 7. B. III. 2.571 anzusehen sind.572 Die entscheidenden Merkmale „Benachteiligung“ und „unangemessen“ müssen in zwei Schritten geprüft werden. Im ersten Schritt (Benachteiligung) muss analysiert werden, ob der Vertragspartner des Verwenders durch die Existenz der AGB, im Vergleich zur Rechtslage ohne die AGB in nicht unerheblichem Maße schlechter gestellt wird (nachteilige Rechtslagendivergenz für den Kunden).573 Im zweiten Schritt muss anhand einer umfassenden Abwägung der Interessen der Parteien beurteilt werden, ob diese Benachteiligung unangemessen ist.574 Entscheidende Frage ist dabei, „ob die AGB-Klausel von einem fairen Interessenausgleich zu Lasten des Vertragspartners erheblich abweicht und daher eine nicht mehr hinnehmbare Regelung darstellt.“575 Der Verwender von AGB
570 Weiler, in: BeckOGK, BGB, § 309 Nr. 14 Rn. 22; Becker, in: BeckOK, BGB, § 309 Nr. 14 Rn. 14; vgl.: Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 309 Rn. 13; wohl auch: Hau, MDR 2017, 853 (854). 571 Siehe: S. 227 ff. 572 Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 307 Rn. 164a. 573 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 467; Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach 9 AGB-Gesetz, Rn. 134 f.; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 307 Rn. 98, 100 f. m. w. N.; Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 165. 574 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 468; Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach 9 AGB-Gesetz, Rn. 142, 154–158; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 307 Rn. 98, 102–107 m. w. N.; Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 158–161, 174. 575 Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 307 Rn. 107; vgl.: Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 158.
D. AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB
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unterliegt hiernach einem Übermaßverbot, welches anhand der Grundsätze von Erforderlichkeit und Angemessenheit zu beurteilen ist.576 Im Rahmen dieser zweistufigen Prüfung ist grundsätzlich auf die einzelne untersuchte Klausel abzustellen, wobei deren Wirkung im Gesamtvertrag zumindest zu berücksichtigen ist.577 Dabei können die Nachteile einer AGB nur in begrenztem Maße durch anderweitige Vorteile aus dem Vertrag ausgeglichen werden.578 Bei der notwendigen Abwägung ist schlussendlich nicht auf die Interessen des konkreten Vertragspartners des Verwenders abzustellen, sondern auf den typischerweise beteiligten Durchschnittskunden.579 Nach Graf von Westphalen ist der Kontrollmaßstab des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB (bei Verbrauchern580) infolge einer richtlinienkonformen Auslegung jedoch zusätzlich zu verschärfen.581 Gemäß Anhang zu Art. 3 Abs. 3 lit. q i. V. m. Art. 3 Abs. 1, 3 Richtlinie 93/13/EWG ist eine AGB missbräuchlich, die darauf abzielt oder zur Folge hat, dass dem Verbraucher die Möglichkeit genommen oder erschwert wird, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen. Als Beispiel wird angeführt, dass dies insbesondere dann der Fall sei, wenn der Verbraucher auf ein nicht unter die rechtlichen Bestimmungen582 fallendes Schiedsgerichtsverfahren verwiesen werde. Im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung muss das nationale Recht so ausgelegt werden, dass es dem Ziel einer EU-Richtlinie nicht widerspricht.583 Voraussetzung für eine richtlinienkonforme Auslegung ist daher, dass der Anhang zur Art. 3 Abs. 3 lit. q Richtlinie 93/13/EWG bei direkter Anwendbarkeit zu einer Missbräuchlichkeit führen würde. Graf von Westphalen begründet seine Ansicht mit zwei EuGH-Entscheidungen. Seiner Ansicht nach ist in den Verfahren Mostaza584 und 576 Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 307 Rn. 105 f. m. w. N.; Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 158. 577 Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach 9 AGB-Gesetz, Rn. 171; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 307 Rn. 103, 116; vgl.: Pfeiffer, in: Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 213–221. 578 Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 307 Rn. 144; Pfeiffer, in: Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 215–218, der von einer notwendigen Gleichwertigkeit spricht. 579 Stoffels, AGB-Recht, Rn. 473; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 307 Rn. 110 f., 114. 580 Ein entsprechend engerer Kontrollmaßstab würde sich daher auch nur auf Verbraucher (Mannschaftssportler) beziehen. 581 Graf von Westphalen, in: Graf von Westphalen/T hüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Schiedsgerichtsklauseln Rn. 13. 582 Siehe dazu sogleich. 583 EuGH, Urt. v. 10.04.1984, C-14/83, ECLI:EU:C:1984:153, Rn. 26 – Von Colson. 584 EuGH, Urt. v. 26.10.2006, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675 – Mostaza Claro.
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
Asturcom585 festgestellt worden, dass Schiedsvereinbarungen gegenüber Verbrauchern gemäß dem Anhang zu Art. 3 Abs. 3 lit. q Richtlinie 93/13/EWG missbräuchlich seien.586 Eine dementsprechende Aussage ist den Entscheidungen aber nicht zu entnehmen. Der EuGH äußerte sich in Mostaza sogar eindeutig dahingehend, dass er die Frage nicht beantworte, da er „sich nicht zur Anwendung der vom Gemeinschaftsgesetzgeber zur Definition des Begriffes der missbräuchlichen Klauseln verwendeten allgemeinen Kriterien auf eine bestimmte Klausel äußern kann, die anhand der Umstände des konkreten Falls zu prüfen ist.“587
Die Ausführung des EuGH in Asturcom können die Behauptung von Graf von Westphalen ebenfalls nicht stützen.588 Das Gericht stellt lediglich fest, dass ein Gericht, das mit der Vollstreckung eines Schiedsspruchs befasst ist, von Amts wegen neben den nationalen zwingenden Vorschriften auch die Vereinbarkeit mit der Richtlinie 93/13/EWG zu prüfen hat.589 Hingegen zeigt das Regelbeispiel mit der Formulierung „nicht unter die rechtlichen Bestimmungen fallendes Schiedsgerichtsverfahren“, dass nicht ausnahmslos alle Schiedsgerichtsverfahren erfasst werden sollen.590 Wäre dies gemeint, so hätte der Zusatz der rechtlichen Bestimmungen entfallen können. Unter „rechtlichen Bestimmungen“ wird keine rein europäische Definition verstanden. Es handelt sich vielmehr um eine Anknüpfung an die (wesentlichen Grundgedanken) der auf das Schiedsverfahren anzuwendenen verfahrensrechtlichen Regeln (lex causae).591 Dementsprechend kommt es darauf an, ob das konkrete Schiedsver-
585
EuGH, Urt. v. 06.10.2009, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615 – Asturcom. Graf von Westphalen, in: Graf von Westphalen/T hüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Schiedsgerichtsklauseln Rn. 15; Graf von Westphalen, SpuRt 2015, 186 (191). 587 EuGH, Urt. v. 26.10.2006, C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675, Rn. 22 – Mostaza Claro. 588 OLG Brandenburg, Urt. v. 16.02.2011, 13 U 11/10, BeckRS 2011, 7366. 589 EuGH, Urt. v. 06.10.2009, C-40/08, ECLI:EU:C:2009:615, Rn. 53 – Asturcom. 590 OLG Brandenburg, Urt. v. 16.02.2011, 13 U 11/10, BeckRS 2011, 7366; Nieder maier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 240; Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/A EUV, Anhang Klauseln gemäß Art. 3 Abs. 3 Rn. 145; Pfeiffer, in: Wolf/ Lindacher/ Pfeiffer, AGB-Recht, RL 93/13/ EWG Anhang Rn. 145. A. A.: Thode, DNotZ 2007, 404 (407–409). 591 Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 240 f.; Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/A EUV, Anhang Klauseln gemäß Art. 3 Abs. 3 Rn. 148; Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, RL 93/13/EWG Anhang Rn. 148. 586
D. AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB
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fahren durch die lex causae zugelassen wird.592 Darüber hinaus muss das Schiedsgericht nach Recht und Gesetz und nicht nach Billigkeit entscheiden.593 Der CAS entscheidet auf Grundlage des Schweizer Rechts und ist in der Regel als echtes Schiedsgericht einzuordnen.594 Dementsprechend fallen die hier untersuchten CAS-Schiedsvereinbarungen nicht unter den Anhang zu Art. 3 Abs. 3 lit. q i. V. m. Art. 3 Abs. 1, 3 Richtlinie 93/13/EWG. Eine richtlinienkonforme Anpassung der Kontrollintensität des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist daher nicht angezeigt. Die Forderung einer Schiedsvereinbarung verstößt nicht schon an sich gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.595 Für die Prüfung sind daher – wie schon im Rahmen des Kartellrechts596 – vier Punkte des CAS-Codes und der CAS-ADD Rules relevant. 1. Vertraulichkeit der Verfahren und Schiedssprüche 2. Geschlossene Schiedsrichterliste 3. Kompetenzen der Divisionspräsidenten 4. Sitz des CAS und Vollstreckung durch Verbände Obwohl ein Verstoß gegen § 134 BGB zumeist auch einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt,597 ist dies nicht zwingend. In der Literatur wird argumentiert, dass der Rückschluss von Marktmachtmissbrauch und AGB-Kontrolle nicht „ohne weiteres“ möglich sei, da Konditionen, die durch marktbeherrschende Unternehmen vorgegeben werden, wettbewerbsschädigende Auswirkungen haben können, weshalb sie gegen das Kartellrecht verstoßen, gleichzeitig aber keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners bewirken.598 Ergibt sich die Kartellrechtswidrigkeit hingegen aus der Benachteiligung des Vertragspartners, kann daraus in der Regel auch auf die AGB-Widrigkeit geschlossen
592 BGH, Urt. v. 13.01.2005, III ZR 265/03, NJW 2005, 1125 (1127 m. w. N.); Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 240; Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/A EUV, Anhang Klauseln gemäß Art. 3 Abs. 3 Rn. 148; Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, RL 93/13/EWG Anhang Rn. 148. 593 Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 241; Wagner/Quinke, JZ 2005, 932 (934); Pfeiffer, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, EUV/A EUV, Anhang Klauseln gemäß Art. 3 Abs. 3 Rn. 151; Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, RL 93/13/EWG Anhang Rn. 151. 594 Siehe die Ausführungen in: Kap. 2. A. II. (S. 42 ff.) 595 Vgl. dazu bereits die Feststellungen zum Kartellrecht. 596 Dazu: Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (1)–(4) (S. 259 ff.). 597 BGH, Urt. v. 25.09.2002, VIII ZR 253/99, NJW 2003, 290 (293 m. w. N. zur Rspr.); Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Vor. zur Inhaltskontrolle Rn. 56 m. w. N. 598 Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Vor. zur Inhaltskontrolle Rn. 86 f.
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
werden. Dies ist jedenfalls bei der rechtlichen Bewertung von Schiedsvereinbarungen zum CAS der Fall. Im hier untersuchten Fall liegt aus den Gründen, die bereits im Rahmen. des (qualitativen) Konditionenmissbrauchs nach Art. 102 S. 2 lit. a AEUV dargelegt wurden599 auch ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB vor. An dieser Stelle soll daher keine vollständige Prüfung des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB erfolgen, sondern lediglich der Gleichlauf im konkreten Fall aufgezeigt werden. Ähnlich wie bei der Prüfung einer erheblichen Abweichung zum Vorteil des Marktbeherrschers im Rahmen der kartellrechtlichen Prüfung des Vergleichsmarktmodells600 bereitet auch die Prüfung der Benachteiligung im Rahmen von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB Probleme. Entscheidender Prüfungspunkt ist im Fall der AGB-Kontrolle der Vergleich zwischen der Rechtslage bei Geltung der untersuchten AGB und ohne deren Geltung.601 Hierbei ergibt sich die Schwierigkeit, dass bei dem Vergleich die Auswirkungen auf den Gesamtvertrag zumindest in gewissem Maße einbezogen werden müssen.602 Wie bereits in der Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 134 BGB i. V. m. Art. 102 S. 2 lit. a AEUV herausgearbeitet, würde die Nichtgeltung einer einzelnen Regelung der CAS-Organisations- und Verfahrensregeln dazu führen, dass der CAS sich nicht für zuständig erklären würde. Daher müsste die Schiedsvereinbarung als eine Zuständigkeitserklärung eines ad-hoc-Schiedsgerichtes unter größtmöglicher Geltung der CAS-Organisations- und Verfahrensregeln angesehen werden. Inwieweit dies für den durchschnittlichen Athleten besser oder schlechter wäre als die Zuständigkeit des CAS mit allen seinen Regeln, ist nicht ohne umfangreiche Interessenabwägung zu klären. Im Ergebnis müsste die Abwägung des zweiten Prüfungspunktes (Unangemessenheit) bereits bei der Bestimmung der Beeinträchtigung vorgenommen werden, wodurch dieses Prüfungsmerkmal de facto wegfiele. Blendet man diesen ersten Problempunkt aus, so würde zumindest die Nichtgeltung der Art. R33 Abs. 2 CAS-Code, Art. A8 Abs. 2, A9 CAS-ADD Rules dazu führen, dass die Athleten aus allen Schiedsrichtern auswählen können, was für diese, im Vergleich zur Rechtslage unter Geltung der AGB, vorteilhaft ist. Ebenso würde im Verfahren vor der Appeals Division der Einzelschiedsrichter beziehungsweise der Vorsitzende des Panels durch die Parteien beziehungsweise durch die beiden von den Parteien ausgewählten Schiedsrichter bestimmt (§ 1035 599
Siehe: Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (S. 256 ff.). Kap. 7. B. III. 5. b) aa) (S. 251 ff.). 601 Eckelt, in: BeckOGK, BGB, § 307 Rn. 177. 602 Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach 9 AGB-Gesetz, Rn. 171; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 307 Rn. 103, 116; vgl.: Pfeiffer, in: Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 213–221. 600
D. AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB
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Abs. 3 ZPO). Auch in diesem Mehr an Einwirkungsmöglichkeit ist ein Vorteil für die Athleten im Vergleich zur Geltung der AGB zu sehen. Unklar ist die Bewertung hingegen bei den AGB zur Vertraulichkeit, da bei Unwirksamkeit der relevanten CAS-Verfahrensregeln die Schiedsrichter über die Vertraulichkeitsregeln entscheiden würden (§ 1042 Abs. 4 ZPO). Gleiches gilt für die Sitzbestimmung, die nach § 1043 Abs. 1 S. 2 ZPO in Abwesenheit einer Parteivereinbarung durch die Schiedsrichter vorgenommen wird. Diese Problematik bei der Bestimmung der Beeinträchtigung darf aber nicht dazu führen, dass § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht angewendet wird. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB hat als Generalklausel die Aufgabe einer Auffangnorm,603 die unterlaufen würde, wenn Unklarheiten, die durch hypothetische Szenarien im Rahmen der Bestimmung der Beeinträchtigung hervorgerufen werden, das Vorliegen einer Beeinträchtigung ausschließen. Darüber hinaus ist die Prüfung des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB noch durch die Prüfung der Unangemessenheit in Form einer Interessenabwägung abgesichert und in der Lage, die Besonderheiten des zu prüfenden Falles aufzunehmen. Damit unterliegt die Prüfung auch in diesen Fällen nicht der Beliebigkeit. Für die konkrete Prüfung kann offenbleiben, ob eine Beeinträchtigung in diesen Fällen unterstellt oder aus dem Prüfungsprogramm ausgelassen wird. Für den untersuchten Fall muss der Ansicht, dass Kartell- und AGB-Recht unterschiedliche Schutzrichtungen haben, entgegengehalten werden, dass der Konditionenmissbrauch im untersuchten Fall gerade durch die Auswirkungen auf den Handelspartner begründet wird.604 Die Unangemessenheit nach Art. 102 S. 2 lit. a AEUV begründet sich bei allen kartellrechtswidrigen Klauseln durch die nicht vorhandene Notwendigkeit (Übermaßverbot) beziehungsweise Unangemessenheit infolge einer umfassenden Interessenabwägung.605 Diese beiden Prüfungspunkte finden sich in gleicher Form auch in den Prüfungsvorgaben des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB (zweiter Prüfungsschritt).606 Während im Rahmen des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV die Normen der GRCh (Art. 12 Abs. 1, 15 Abs. 1, 47 Abs. 2 S. 1) im Wege der mittelbaren Drittwirkung beachtet werden müssen, ist dies bei der AGB-Kontrolle mit den Normen des GG (Art. 2 Abs. 1, 9 Abs. 1, 12 Abs. 1, Justizgewähranspruch) und der EMRK (Art. 6 Abs. 1, 11 Abs. 1) notwendig. Wie sich aus Kap. 4.–6.607 ergibt, führt dies aber nicht zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die Interessenabwägung. 603
Siehe nur: Stoffels, AGB-Recht, Rn. 463 f. Siehe zur Prüfung: Kap. 7. B. III. 5. (S. 245 ff.). 605 Siehe: Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (S. 256 ff.). 606 Vgl.: Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 307 Rn. 105 f.; Pfeiffer, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 158. 607 Siehe: S. 65 ff. 604
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
Durch diese Beachtung der Grundrechte im Rahmen des § 307 Abs. 1 BGB wird gleichzeitig der Rechtsprechung des BVerfG zur Schutzfunktion der Vertragsfreiheit genüge getan.608 Diese muss beachtet werden, da die Athleten bei der Unterzeichnung der CAS-Schiedsvereinbarung faktischem Zwang unterliegen, sodass Fremdbestimmtheit vorliegt.609Die CAS-Schiedsvereinbarung sorgt auch für eine ungewöhnlich starke Belastung der Athleten, da durch den Vertrag auf den grundgesetzlich geschützten Justizgewähranspruch verzichtet wird.610 Es muss zudem davon ausgegangen werden, dass die CAS-Schiedsvereinbarungen nur wegen der Fremdbestimmtheit unterzeichnet werden, sodass auch die notwendige Kausalität vorliegt. Im Ergebnis fordert die Schutzfunktion der Vertragsfreiheit daher, dass im Rahmen des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB die widerstreitenden grundrechtlich geschützten Interessen der Vertragsparteien im Wege der praktischen Konkordanz ausgeglichen werden.611 Dies geschieht bereits bei der Interessenabwägung. Ein solches Vorgehen widerspricht auch nicht dem Grundsatz der praktischen Konkordanz, da laut BVerfG „unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden [ist], welches Interesse zurückzutreten hat“, wenn sich die einschlägigen Grundrechte nicht zu einem schonenden Ausgleich bringen lassen.612 Wie bei der Prüfung des qualitativen Konditionenmissbrauchs nach Art. 102 S. 2 lit. a AEUV sind daher die Art. S1 Abs. 3; R54 Abs. 1, 2; R33 Abs. 2; R43 S. 3; R44.2 Abs. 2 S. 2; R57 Abs. 2 S. 3 CAS-Code und die Art. A3; A8 Abs. 2; A9; A21 Abs. 6 S. 1 CAS-ADD Rules unangemessen und verstoßen daher gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
V. Rechtsfolge Gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind die Regeln des CAS zur Vertraulichkeit des Verfahrens und des Schiedsspruchs in der Ordinary Divison sowie Teilregelungen für die Appeals und Anti-Doping Division unwirksam.613 Ebenso sind die 608
A. A.: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 285–287. 609 Siehe: Kap. 2. C. (S. 33 ff.) 610 So wohl auch: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 56 f.) – Pechstein III. Siehe hierzu abstrakt unter: Kap. 4. A. IV. (S. 77 ff.). 611 Auch Widdaschek ist der Auffassung, dass die praktische Konkordanz im Rahmen der Verhaltnismäßigkeitsprüfung herbeigeführt wird: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 268 f., der das Kartellrecht dabei sogar als Beispiel nennt. 612 BVerfG, Urt. v. 05.06.1973, 1 BvR 536/72, NJW 1973, 1226 (1229). 613 Art. R43 S. 3, R44.2 Abs. 2 S. 2, R57 Abs. 2 S. 3 CAS-Code; Art. A21 Abs. 6 S. 1 CAS-ADD Rules.
D. AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB
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Vorschriften der geschlossenen Schiedsrichterlisten,614 die Regelung zur Bestimmung des Einzelschiedsrichter und des Vorsitzenden einer Dreier-Panels in den Verfahren der Appeals Arbitration Division615 sowie die Sitzklausel des CAS616 unwirksam. Wegen § 306 Abs. 1 BGB bleiben die restlichen Vorschriften des CAS-Codes wirksam, sofern „die restlichen Vertragsbestandteile für sich Bestand haben“.617 Es ist möglich, die Schiedsverfahrensvereinbarung in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil zu unterteilen,618 allerdings führt die Unwirksamkeit auch nur einer Verfahrensbedingung dazu, dass sich der CAS nicht mehr als zuständig ansieht. Bei Wirksamkeit des Restvertrages käme es zu einer Zuständigkeit eines ad-hoc-Schiedsgerichtes auf Grundlage des CAS-Codes. Eine Ergänzung durch dispositives Recht oder ergänzende Vertragsauslegung (§ 306 Abs. 2 BGB) kann hieran nichts ändern. Zu einer Gesamtunwirksamkeit der Schiedsvereinbarung kommt es, wenn das Festhalten an der Schiedsvereinbarung zu einem ad-hoc-Schiedsgericht auf Grundlage der CAS-Organisations- und Verfahrensregeln für eine der Parteien eine unzumutbare Härte darstellen würde, § 306 Abs. 3 BGB. Für die Beurteilung der unzumutbaren Härte muss auf die konkrete Ausgestaltung der Situation der Vertragsparteien eingegangen werden. Eine unzumutbare Härte auf Seiten der Sportveranstalter ist wegen der engen Auslegung dieser Ausnahmevorschrift619 in diesem Fall wohl generell auszuschließen. Aus Sicht der Athleten ist jedoch im Einzelfall zu beachten, ob der Vertrag ohne die unwirksamen AGB eine so grundlegende Änderung erfährt, dass das Festhalten an dem Vertrag für den Athleten eine unzumutbare Härte darstellt.620 Damit ist es von der konkreten Situation des Athleten abhängig,621 ob aus § 306 Abs. 3 BGB eine Unwirksamkeit der gesamten Schiedsvereinbarung folgt. Die dabei heranzuziehenden Kriterien sind in Literatur und Rechtsprechung noch nicht geklärt. Es ist aber davon auszugehen, dass sich das Abwägungsergebnis in Einklang mit der Abwägung der Rechtsfolge von § 134 BGB i. V. m. Art. 102 S. 2 lit. a AEUV befindet. 614
R33 Abs. 2 CAS-Code; Art. A8 Abs. 2, A9 CAS-ADD Rules. R54 Abs. 1, 2 CAS-Code. 616 S1 Abs. 3 CAS-Code; Art. A3 CAS-ADD Rules. 617 Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 306 Rn. 10 m. w. N. 618 Zu der Voraussetzung nur: Stoffels, AGB-Recht, Rn. 587. 619 BGH, Beschl. v. 23.01.1996, XI ZR 257/94, NJW 1996, 1213 (1216); BGH, Urt. v. 14.05.1996, XI ZR 257/94, NJW 1996, 2092 (2094); Roloff, in: Erman, BGB, § 306 Rn. 16. 620 Vgl. dazu: BGH, Urt. v. 02.03.1978, VII ZR 104/77, BB 1978, 636 (637); Roloff, in: Erman, BGB, § 306 Rn. 16 m. N. zur Rspr.; Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBRecht, § 306 Rn. 42. 621 Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 309 Rn. 43 m. w. N. auch zur a. A. 615
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
E. Sittenwidrigkeit, § 138 BGB In der Entscheidung Pechstein I ist die Beurteilung der Wirksamkeit von oktroyierten Schiedsvereinbarungen im Sport durch die Rechtsprechung noch anhand von § 138 Abs. 1 BGB vorgenommen worden. Mit der Pechstein-II-Entscheidung hat sich der Fokus der rechtlichen Prüfung schließlich auf das Kartellrecht verschoben. Dies ist auch in Pechstein III beibehalten worden, sodass die Rechtsprechung nunmehr auf § 19 GWB beziehungsweise Art. 102 AEUV i. V. m. § 134 BGB abstellen wird. Auch in dieser Untersuchung wird das Kartellrecht i. V. m. § 134 BGB für einschlägig gehalten.622 Während der § 138 Abs. 1 BGB neben der AGB-Kontrolle anwendbar ist,623 stellt § 134 BGB gegenüber § 138 BGB lex specialis dar.624 Dementsprechend ist § 138 BGB nur dann neben § 134 BGB anwendbar, wenn zu der Verletzung des Verbotsgesetzes noch weitere sittenwidrigkeitsbegründende Tatumstände treten, die eine gleichzeitige Anwendbarkeit fordern.625 Für die Fragen nach der Wirksamkeit von oktroyierten CAS-Schiedsvereinbarungen bestehen keine Punkte, die für eine Sittenwidrigkeit sprechen und nicht bereits in die Prüfung des § 134 BGB i. V. m. Art. 102 S. 2 lit. a AEUV aufgenommen wurden. Aus diesem Grund ist § 138 Abs. 1 BGB für den untersuchten Fall nicht neben § 134 BGB anwendbar.626
622
Siehe: Kap. 7. B. 5. I. (S. 218 ff.). Siehe hierzu anstelle vieler: Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Vor. zur Inhaltskontrolle 58–60 m. w. N. auch zur a. A. 624 So auch die h. M.: BGH, Urt. v. 18.11.1982, III ZR 61/81, NJW 1983, 868 (869 f.); BAG, Urt. v. 24.03.1993, 1 AZR 298/92, NJW 1993, 2701 (2703); Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, § 138 Rn. 17–19, 52, 161 f. m. w. N. auch zur h. M.; Busche, in: KöKo, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 215; Wendtland, in: BeckOK, BGB, § 138 Rn. 6; Armbrüster, in: MüKo, BGB, § 134 Rn. 4; Armbrüster, in: MüKo, BGB, § 138 Rn. 4; Nassall, in: jurisPK, BGB, 138 Rn. 79; Looschelders, in: NK, BGB, § 134 Rn. 11; Looschelders, in: NK, BGB, § 138 Rn. 14. Siehe zur Begründung des Lex-specialis-Verhältnisses besonders deutlich: Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, § 138 Rn. 156–171, insb. 162. A. A.: BGH, Urt. v. 12.01.1970, VII ZR 48/68, NJW 1970, 609 (611); Jakl, in: BeckOGK, BGB, § 138 Rn. 686, 690. 625 Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, § 138 Rn. 17, 161. 626 Würde mit der h. M. von einer Anwendbarkeit von § 138 BGB neben § 134 BGB ausgegangen, so wäre der § 138 Abs. 1 BGB wohl einschlägig. Vgl. hierzu abstrakt: Busche, in: KöKo, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 215 m. w. N.; ebenso wohl: BGH, Urt. v. 16.06.1971, KZR 11/70, GRUR 1972, 718 (718 f.) – Stromlieferung; BGH, Urt. v. 30.10.1975, KZR 2/75, NJW 1976, 710 (711) – Monopolmißbrauch bei Stromlieferungen; Reichsgericht, Urt. v. 08.01.1906, Rep. I. 320/05, RGZ 62, 264 (266); Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, § 138 Rn. 329. A. A. mit Bezug zur Causa Pechstein z. B.: Eichel, ZZP 2016, 327 (333). 623
G. Wesentliche Erkenntnisse des Kapitels 7
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F. Treu und Glauben, § 242 BGB Auf § 242 BGB wird zwar in keiner Entscheidung zu oktroyierten Schiedsvereinbarungen im Sport explizit abgestellt, jedoch wird diese für die Prüfung von CAS-Schiedsvereinbarungen zum Teil neben anderen Generalklauseln genannt.627 Ein Abstellen auf § 242 BGB ist jedoch nicht angezeigt. § 242 BGB ist neben der (einschlägigen) AGB-Kontrolle nicht anwendbar, da die §§ 307–309 BGB gegenüber § 242 BGB leges specialis und damit für den vorliegenden Fall eine abschließende Konkretisierung darstellen.628 Sofern Vertragsbedingungen AGB-Klauseln darstellen, ist der Rückgriff auf § 242 BGB für die Wirksamkeitsprüfung ausgeschlossen.629
G. Wesentliche Erkenntnisse des Kapitels 7 § 11 Anti-Doping Gesetz § 11 AntiDopG beinhaltet keine klare Rechtsfolge. Er sieht lediglich vor, dass Sportverbände von Athleten den Abschluss einer Schiedsvereinbarung als Voraussetzung für die Teilnahme an Sportveranstaltungen fordern können. Aus dem Wortsinn von „können“ in Verbindung mit „Voraussetzung“ ergibt sich, dass nicht bloß das Imstandesein zum Abschluss solcher Schiedsvereibarungen gemeint ist. Es wird deutlich, dass Schiedsvereinbarungen nicht unwirksam sein sollen, weil deren Abschluss eine Vorbedingung zur Wettkampfteilnahme ist. Auch die genetische Auslegung des § 11 AntiDopG ergibt, dass Sportschiedsvereinbarungen nicht schon wegen des bestehenden faktischen Zwangs zu deren Abschluss auf Grundlage einer Abschlusskontrolle unwirksam sein sollen. Eine Unwirksamkeit wegen anderer Vorwürfe (zum Beispiel § 123 Abs. 1 Var. 1 BGB) ist auf Grundlage einer Abschlusskontrolle aber im Einzelfall möglich. Weiterhin machen die Gesetzgebungsunterlagen deutlich, dass § 11 AntiDopG keinen Einfluss auf die Inhaltskontrolle von Sportschiedsvereinbarungen hat. Indem die Aussagen in den 627 BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2271 Rn. 57) – Pechstein III; LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – Pechstein I. 628 Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Vor. zur Inhaltskontrolle Rn. 62; Schubert, in: MüKo, BGB, § 242 Rn. 139; Wurmnest, in: MüKo, BGB, Vor. § 307 Rn. 11; Krebs, in: NK, BGB, § 242 Rn. 28; Sutschet, in: BeckOK, BGB, § 242 Rn. 37; Olzen/ Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 380 m. w. N.; Roloff, in: Erman, BGB, Vor. § 307 Rn. 12. 629 Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Vor. zur Inhaltskontrolle Rn. 62 m. w. N.; Olzen/Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 380; Roloff, in: Erman, BGB, Vor. § 307 Rn. 12.
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
Gesetzgebungsunterlagen als Klarstellung bezeichnet werden, macht der Gesetzgeber deutlich, dass § 11 AntiDopG keine Rechtsänderung herbeiführen soll. Er dient dazu, die – laut Gesetzgeber – aktuelle Rechtslage wiederzugeben. Damit kommt § 11 AntiDopG lediglich die Rolle zu, die Rechtsprechung in Pechstein II und III zur Abschlusskontrolle als im Sinne des Gesetzgebers zu bestätigen. Kartellrechtliche Missbrauchskontrolle Die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Sport ist in der Mehrzahl der Fälle primär anhand des europäischen Kartellrechts (Art. 102 AEUV) zu bestimmen. Im Rahmen von Sportveranstaltungen bestehen zwischen Athleten, Live-Zuschauern, Werbeunternehmen und Übertragungsunternehmen indirekte Netzwerkeffekte. Es handelt sich bei Sportveranstaltungen um Plattformen. Da die Produkte einer Sportveranstaltung aus Sicht der Marktgegenseite funktional nicht austauschbar sind und auch keine komplementären Bedarfe befriedigen, darf kein einheitlicher Plattformmarkt angenommen werden. Die relevanten Märkte müssen anhand der Plattformseiten abgegrenzt werden. Bei der Bestimmung von Anbieter und Nachfrager ist zu beachten, dass Athleten und Sportveranstalter die Leistung der jeweiligen Marktgegenseite nicht unmittelbar mit Geld vergüten, sondern gegen ihre eigene Leistung tauschen. Die Athleten bieten ihre Athletenleistung an, die vom Sportveranstalter nachgefragt wird. Gleichzeitig bieten die Sportveranstalter die Organisation und Durchführung der Sportveranstaltung an, die von den Athleten nachgefragt wird. Ob kartellrechtlich die Vorgaben der Angebots- oder Nachfragemärkte heranzuziehen sind, bestimmt sich danach, im Rahmen welcher Leistungsübertragung die Schiedsvereinbarung abgeschlossen wird. Schiedsvereinbarungen werden in der Regel durch den Abschluss einer Athletenvereinbarung abgeschlossen, in der die Modalitäten für den Austausch der Athletenleistung festgelegt werden. Daher muss die kartellrechtliche Überprüfung der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Sport anhand der Vorgaben für Nachfragemärkte geschehen. Dementsprechend muss bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Tätigkeit der Sportveranstalter gefragt werden, ob diese bei der Verwendung der Athletenvereinbarung wirtschaftlich tätig werden. Dies ist auf den verschiedenen Absatzwegen zur Verwertung der Sportveranstaltung der Fall. Auf Nachfragemärkten kann die Marktbeherrschung sowohl nach dem Monopson-Modell als auch nach dem Verhandlungsmodell bestimmt werden. Bei der Anwendung des Monopson-Modells werden die Vorgaben für Angebotsmärkte spiegelbildlich angewendet. Als relevanter Markt ist dabei der Markt für Athletenleistung einer Sportart bei einem konkreten Wettkampf heranzuziehen. Auf diesen Märkten sind die Sportveranstalter Monopsonisten, sodass ihnen eine marktbeherrschende Stellung zukommt. Auch nach dem Verhandlungsmodell ist eine Marktbe-
G. Wesentliche Erkenntnisse des Kapitels 7
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herrschung gegeben. Entscheidend ist, dass die Sportveranstalter die Möglichkeit haben, bei einem Scheitern der Verhandlungen die Athletenleistung anderen Sportler nachzufragen, während es für Sportler bei einem Scheitern der Verhandlungen keine Ausweichmöglichkeiten gibt, um ihre Athletenleistung vergleichbar abzusetzen. Ebenso wie es das OLG München in Pechstein II ausdrücklich entschieden hat, stellt der Abschluss von Schiedsvereinbarungen durch ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht schlechthin einen Missbrauch nach Art. 102 AEUV dar. Eine Übertragung der Kommissionsentscheidungen Centraal Bureau de Rijwielhandel, ISU und ATP ist in Bezug auf die Kartellrechtswidrigkeit der Schiedsvereinbarung nicht angezeigt, da in diesen Entscheidungen nur die Zusammenwirkung mit einem Kartellverstoß dazu führte, dass die Schiedsvereinbarungen ebenfalls als Kartellverstoß gewertet wurden. Vielmehr macht die ISU-Entscheidung der Kommission deutlich, dass der Abschluss von Schiedsvereinbarungen nicht grundsätzlich einen Kartellverstoß darstellt. Auch der Rechtsprechung zum Marktmachtmissbrauch sowie den einschlägigen Verpflichtungszusagen kann nicht entnommen werden, dass marktbeherrschende Unternehmen wegen Art. 102 AEUV Schiedsvereinbarungen zu echten Schiedsgerichten nicht wirksam abschließen können. Die Organisations- und Verfahrensregeln des CAS stellen jedoch Geschäftsbedingungen dar und müssen daher nach Art. 102 S. 2 lit. a AEUV als möglicher Konditionenmissbrauch überprüft werden. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die einzelnen Organisations- und Verfahrensregeln unangemessen sind. Unangemessenheit liegt nach dem Vergleichsmarktkonzept vor, wenn die Geschäftsbedingungen von Wettbewerbsgeschäftsbedingungen auf einem Vergleichsmarkt abweichen und dadurch dem Marktbeherrscher einen erheblichen Vorteil verschaffen. Das Bestehen eines Vorteils wird dabei durch den wirtschaftlichen Wert (Preis in Geld) der verschiedenen Geschäftsbedingungen (Leistungsbündel) auf dem untersuchten und dem Vergleichsmarkt bestimmt (quantitativer Konditionenmissbrauch). Obwohl mit dem Markt für Athletenleistung bei Boxweltmeisterschaftskämpfen ein sachlicher Vergleichsmarkt vorliegt, scheitert die Anwendung des Vergleichsmarktkonzeptes. Hintergrund ist, dass die Bepreisung der jeweiligen Organisations- und Verfahrensregeln, und im Ergebnis der gesamten Streitbeilegungsvereinbarung als Leistungsbündel nicht nachprüfbar bestimmt werden kann – es käme zu einer allgemeinen Abwägung der Vor- und Nachteile und damit der Bestimmung des Missbrauchs nach nicht vorgesehenen qualitativen Maßstäben. Daher sind Schiedsvereinbarungen anhand des qualitativen Konditionenmissbrauchs zu prüfen. Danach sind Geschäftsbedingungen unangemessen, wenn eines der folgenden Kriterien nicht erfüllt ist: 1. Der Marktbeherrscher verfolgt mit den Geschäftsbedingungen ein legitimes Ziel. 2. Die Handlungsfreiheit des Handelspartners wird nicht stärker eingeschränkt, als dies zur Erreichung des legitimen Ziels notwendig ist (Übermaßverbot).
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
3. Die Abwägung der relevanten Interessen der Handelspartner spricht gegen eine Unangemessenheit. Die Verfahrensregeln des CAS beinhalten verschiedene Konstellationen, in denen die Verhandlungen beziehungsweise der Schiedsspruch vertraulich sind. Hintergrund dieser Regeln ist das legitime Ziel, die positiven Effekte von Vertraulichkeit auf die Schiedsgerichtsbarkeit auch vor dem CAS nutzen zu können. Hervorzuheben ist die Vermeidung von Imageschäden, der Schutz der Persönlichkeits- und Intimsphäre sowie die Herbeiführung einer die Streitbeilegung begünstigenden Atmosphäre. Diese legitimen Ziele können nicht durch eine andere Regelung als die vollständige Vertraulichkeit in gleichem Maße gewährleistet werden, weshalb sie notwendig sind. Bei der Interessenabwägung des Art. 102 AEUV sind wegen Art. 51 Abs. 1 GRCh die Einflüsse der GRCh im Wege der mittelbaren Drittwirkung zu beachten. So streitet die Vereinigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GRCh) aufseiten der Sportverbände, während die Berufsfreiheit (Art. 15 Abs. 1 GRCh) und die Rechtsschutzgewährleistung des Art. 47 Abs. 2 GRCh aufseiten der Athleten zu beachten sind. Aus einer abstrakten Bewertung dieser Rechte ergibt sich, dass die Interessenabwägung des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV nur dann gegen eine Missbräuchlichkeit spricht, wenn die durch das legitime Ziel aufgegriffenen Interessen gegenüber den entgegenstehenden Interessen der Athleten signifikant überwiegen. Maßgeblich für die Missbräuchlichkeit der Vertraulichkeitsregeln ist schlussendlich, dass hierdurch eine Rechtmäßigkeitsüberprüfung durch die Öffentlichkeit verhindert wird, welche Athleten wegen der teilweise vorgetragenen Zweifel an der Unabhängigkeit des CAS als besonders wichtig ansehen. Zudem wird die Voraussehbarkeit von CAS-Entscheidungen durch die Vertraulichkeitsregeln erheblich eingeschränkt, was wiederum für Athleten schwerwiegender ist als für Sportveranstalter. Mit den geschlossenen Schiedsrichterlisten sollen verschiedene legitime Ziele verfolgt werden. So soll durch die Expertise der Schiedsrichter sowohl die rechtliche Qualität als auch die Einheitlichkeit der CAS-Schiedssprüche gewährleistet werden. Weiterhin soll dadurch die Geschwindigkeit der CAS-Verfahren erhöht, und als Folge dessen der Kostenaufwand eines Verfahrens verringert werden. Die Verfahrensvorschriften des CAS zu den geschlossenen Schiedsrichterlisten sind missbräuchlich, da sie zur Erreichung dieser Ziele nicht notwendig sind. Die Parteien haben bereits eine Motivation dahingehend, Schiedsrichter mit spezieller Expertise zu berufen. Weiterhin wäre es möglich, die fachlichen Anforderungen für die Aufnahme auf die CAS-Schiedsrichterliste als Anforderungen an die Schiedsrichterbenennung zu knüpfen. Die Kompetenzen der Divisionspräsidenten bei der Schiedsrichterbestellung dienen dem legitimen Ziel, ein Blockieren sowie eine Verzögerung des Schiedsverfahrens zu verhindern. Die Kompetenz des Präsidenten der Appeals Division, den vorsitzenden Schiedsrichter zu benennen, ist nicht notwendig und da-
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her missbräuchlich. Das legitime Ziel, Verfahrensverzögerungen zu verhindern, könnte bereits durch die Setzung einer Frist zur Einigung auf einen Vorsitzenden in ausreichendem Maß gewährleistet werden. Hingegen liegt in der Regel kein Missbrauch darin, dass die Divisionspräsidenten in Pattsituationen oder bei Nichtbenennung eines Schiedsrichters innerhalb einer Frist den notwendigen Schiedsrichter bestellen dürfen. Diesbezüglich überwiegt das legitime Interesse, eine Blockade des Schiedsverfahrens zu verhindern. Die Sitzbestimmung des CAS (Schweiz) verfolgt das legitime Ziel, die Durchführung des Schiedsverfahrens zum einen zu ermöglichen und zum anderen in einem Land stattfinden zu lassen, dessen Gerichte hinsichtlich Schiedsgerichtsbarkeit und Sportstreitigkeiten über anerkannte Expertise verfügen. Die Notwendigkeit der Regelung ist gegeben, da auch ohne die Sitzfeststellung in den Organisationsbedingungen des CAS in der Praxis die Schweiz als Sitzland festgelegt würde. Die Sitzbestimmung führt in Verbindung mit der faktischen Vollstreckungsmöglichkeit von CAS-Schiedssprüchen durch die Sportverbände dazu, dass in Deutschland (faktisch) vollstreckte Schiedssprüche nicht anhand des deutschen ordre public geprüft werden können. Der ordre-public-Kontrolle liegt aber eine besondere rechtsstaatliche Bedeutung inne. Dies ergibt sich aus deren Verbreitung für ausländische Gerichtsentscheidungen und Schiedssprüche jeglicher Art. Das Umgehen der ordre-public-Kontrolle im Vollstreckungsland kann auch nicht durch die mögliche ordre-public-Kontrolle durch das Schweizer Bundesgericht ausgeglichen werden. Die Schweizer ordre-public-Kontrolle bleibt in Sachen Rechtsschutz hinter der deutschen ordre-public-Kontrolle zurück, da sie weder eine Prüfung des EU- noch des Schweizer Kartellrechts beinhaltet. Die Notwendigkeit der Überprüfung von Schiedssprüchen bei ihrer Vollstreckung anhand des EU-Kartellrechts ist aber von Kommission und EuGH deutlich herausgestellt worden. Dementsprechend sorgt die Kombination aus Sitzregelung und faktischer Vollstreckungsmöglichkeit für einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV. Aus § 134 BGB i. V. m. Art. 102 S. 2 lit. a AEUV ergibt sich nicht zwingend die Nichtigkeit des Gesamtrechtsgeschäftes (Schiedsvereinbarung, § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO). Ausbeuterische Rechtschäfte müssen vielmehr vertraglich so angepasst werden, dass die Versorgung der Marktgegenseite zu kartellrechtskonformen Bedingungen gewährleistet wird. Dies würde zu einer Aufrechterhaltung einer CAS-Schiedsvereinbarung bei gleichzeitiger Nichtigkeit der missbräuchlichen Geschäftsbedingungen führen. Dadurch würde sich der CAS jedoch nicht mehr für zuständig erklären. Daher bestimmt sich die Rechtsfolge des Marktmachtmissbrauchs im Ergebnis daran, ob es für die Athleten vorteilhafter ist, wenn die gesamte Schiedsvereinbarung nichtig ist oder wenn ein ad hoc Schiedsgericht unter Geltung der angepassten CAS-Organisations- und Verfahrensregeln zuständig ist. Die konkrete Rechtsfolge ist daher einzelfallabhängig.
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Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen
Art. 267, 233 AEUV (Achmea) Die Art. 267, 344 AEUV i. V. m. § 134 BGB haben nach den Feststellungen in der Achmea-Entscheidung keine grundsätzlichen Auswirkungen auf die Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Diese Ausnahme wird in dem Urteil ausdrücklich festgestellt. Die dafür vorgebrachte Begründung, die Handelsschiedsgerichtsbarkeit beruhe auf der Privatautonomie kann jedoch nicht als Unterscheidungsmerkmal zwischen Investitions- und Handelsschiedsgerichtsbarkeit herangezogen werden. Dies ergibt sich daraus, dass Investoren bei Investitionsschutzstreitigkeiten frei zwischen einer Streitentscheidung durch ein Investitionsschiedsgericht oder durch die staatlichen Gerichte des Investitionsstaates entscheiden können. Daher überzeugt die Frage nach einer einer autonomen Entscheidung (Privatautonomie) nicht als Differenzierungsmerkmal. Dementsprechend ist auch die Sportschiedsgerichtsbarkeit trotz faktischen Zwangs Teil als Teil der Handelsschiedsgerichtsbarkeit anzusehen. Die Auslegung der europäischen Privatautonomie spielt daher für die Auswirkungen der Achmea-Entscheidung keine Rolle. Die CAS-Schiedsgerichtsbarkeit ist jedoch nicht mit den Feststellungen in Achmea vereinbar. Hiernach ist die Handelsschiedsgerichtsbarkeit nur dann mit dem EU-Recht vereinbar, wenn deren Schiedsurteile durch staatliche Gerichte anhand der grundlegenden Bestimmungen des Unionsrechts geprüft werden können und Fragen des Unionsrechts als Vorlagefrage zum EuGH gebracht werden können. Wegen des Sitzes des CAS in der Schweiz, ist eine solche Überprüfung im Primärrechtsschutzverfahren nicht möglich. Hinzu kommt, dass die Sportverbände CAS-Schiedssprüche de facto selbst vollstrecken können, weshalb auch die Vollstreckung ohne eine entsprechende Kontrolle des Unionsrechts durch staatliche Gerichte geschieht. Damit wahrt die CAS-Schiedsgerichtsbarkeit nicht die Vorgaben an die Vereinbarkeit der Handelsschiedsgerichtsbarkeit mit dem EURecht. Soweit die Art. 267, 344 AEUV als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB eingeordnet werden, läuft die Rechtsfolge des Verstoßes mit der Rechtsfolge von Art. 102 S. 2 lit. a AEUV parallel. AGB Das AGB-Recht erfasst Schiedsvereinbarungen zwischen Sportveranstaltern und Athleten. Dies gilt auch für den Fall, dass die Schiedsvereinbarung Teil einer Satzung ist, der sich der Sportler in einer Athletenvereinbarung unterwirft. Obwohl das Vereinsrecht Teil des Gesellschaftsrechts ist, greift die Ausnahme des § 310 Abs. 4 S. 1 BGB nicht. Eine AGB-Kontrolle ist auch vor dem Hintergrund der Reiter-Entscheidung des BGH nicht abzulehnen, wenn sich die Schiedsvereinbarung in einem sportlichen Regelwerk befindet. Anders als vom BGH angenommen, sind Schiedsvereinbarungen im Sport (unabhängig davon, ob sie Teil sportlicher Regelwerke sind oder nicht) ein Teil von Leistungsbeziehungen. So-
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wohl bei den Organisations- als auch den Verfahrensregeln des CAS handelt es sich um wirksam einbezogene AGB. Das Klauselverbot des § 309 Nr. 14 BGB sorgt auch bei Athleten, die als Verbraucher zu qualifizieren sind (in der Regel Mannschaftssportler) nicht dafür, dass CAS-Schiedsvereinbarungen unwirksam sind. § 309 Nr. 14 BGB ist bei Schiedsvereinbarungen zu echten Schiedsgerichten nicht anwendbar. Allein die Generalklausel des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB erlaubt eine Inhaltskontrolle von CAS-Schiedsvereinbarungen und CAS-Organisationsund Verfahrensregeln. Die Prüfungsfrage ist daher, ob einzelne Klauseln unangemessene Benachteiligungen enthalten. Dieser Beurteilungsmaßstab wird nicht durch eine richtlinienkonforme Auslegung verschärft. CAS-Schiedsvereinbarungen fallen nicht unter Anhang zu Art. 3 Abs. 3 lit. q i. V. m. Art. 3 Abs. 1, 3 Richtlinie 93/13/EWG, da der CAS auf Grundlage von Recht und Gesetz entscheidet und in der Regel als echtes Schiedsgericht zu qualifizieren ist. Obwohl ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV nicht zwingend zu einem Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB führt, lässt sich dieser Rückschluss jedenfalls für den vorliegenden qualitativen Konditionenmissbrauch nach Art. 102 S. 2 lit. a AEUV begründen. Der Konditionenmissbrauch wird zum einen durch die Auswirkungen auf den Handelspartner und nicht auf den Wettbewerb als Institution begründet. Sowohl im Rahmen des qualitativen Konditionenmissbrauchs als auch des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Notwendigkeit zu prüfen und eine Interessenabwägung vorzunehmen. Während bei Art. 102 S. 2 lit. a AEUV die Art. 12 Abs. 1, 15 Abs. 1, 47 Abs. 2 S. 1 GRCh zu beachten sind, wirken die Art. 2 Abs. 1, 9 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG und der Justizgewähranspruch sowie die Art. 6 Abs. 1, 11 Abs. 1 EMRK auf die AGB-Kontrolle im Wege der mittelbaren Drittwirkung. Im Ergebnis macht dies jedoch keinen Unterschied für die Abwägung. Durch diese Beachtung der Grundrechte im Rahmen der Abwägung des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wird der Rechtsprechung des BVerfG zur Schutzfunktion der Vertragsfreiheit entsprochen. Hinsichtlich der Unangemessenheit der Klauseln und der darauf resultierenden Rechtsfolge laufen die kartellrechtliche und die AGB-rechtliche Prüfung parallel.
Kapitel 8
Ergebnisse der Untersuchung in Thesen Hierfür der Untersuchung wurde die grundlegende Frage aufgeworfen, ob Schiedsvereinbarungen im Sport wirksam sind. Daran anknüpfend wurden die für diese Frage relevanten Rechte analysiert und auf CAS-Schiedsvereinbarungen angewendet. Abschließend sind aus der Untersuchung folgende Ergebnisse in Thesenform zu ziehen: Kapitel 2: Problemstellung (oktroyierte Schiedsvereinbarungen) 1. Athleten sind faktisch dazu gezwungen, den Schiedsvereinbarungen zuzustimmen, die Sportveranstalter als Voraussetzung für die Teilnahme an einem Wettkampf z. B. in Athletenvereinbarungen oder Lizenzen fordern. Verweigern die Athleten ihre Zustimmung zur Schiedsvereinbarung, werden sie nicht zum Wettkampf zugelassen und können ihren Beruf nicht ausüben. Diese Entscheidung wird bei objektiver Betrachtung kein Sportler treffen. Es handelt sich daher um oktroyierte Schiedsvereinbarungen. [Kap. 2. C. S. 33 ff.] Kapitel 3: Schiedsgericht und Schiedsvereinbarung 2. Ein echtes Schiedsgericht nach § 1025 ff. ZPO liegt vor, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind: (1) Die streitentscheidende Instanz soll nach dem Willen der Beteiligten unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit entscheiden. (2) Die streitentscheidende Instanz ist unabhängig und unparteiisch (neutral). (3) Das Verfahren vor der streitentscheidenden Instanz entspricht rechtsstaatlichen Anforderungen. [Kap. 3. A. I., S. 37 ff.] 3. Die ZPO sieht für die Schiedsgerichtsbarkeit andere Regeln vor als für staatliche Gerichte. Aus den Unterschieden wird deutlich, dass an echte Schiedsgerichte nicht dieselben Neutralitätsvoraussetzungen gestellt werden dürfen, wie an staatliche Gerichte. Die Unabhängigkeit eines Schiedsgerichtes ist erst dann nicht mehr gegeben, wenn eine der Parteien des Schiedsverfahrens einen signifikanten Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichtes hat, wodurch die Unabhängigkeit des gesamten Schiedsgerichtes nicht mehr gegeben ist. Dies ist sowohl durch unmittelbaren als auch mittelbaren Einfluss auf die Schiedsrichterbestellung möglich. [Kap. 3. A. I., S. 37 ff.]
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4. Die Unabhängigkeit eines Schiedsgerichtes kann verneint werden, wenn eine der Streitparteien darüber entscheidet, welche Personen als Schiedsrichter berufen werden können, zum Beispiel im Falle einer geschlossenen Schiedsrichterliste. Entscheidend ist dabei, wie groß der Einfluss der konkreten Streitparteien auf die geschlossene Schiedsrichterliste ist. Dies lässt sich für den CAS berechnen. Vor dem Hintergrund, dass nicht alle Sportverbände für die Berechnung gemeinsam als eine Partei anzusehen sind, ergibt sich für die Beispiele des IOC und des DHB Folgendes: Das IOC ernennt mittelbar 131 von 394 Schiedsrichtern auf der geschlossenen Schiedsrichterliste des CAS. Der DHB benennt hingegen mittelbar nur ≅ 0,02 Schiedsrichter auf der geschlossenen Schiedsrichterliste des CAS. Daher hat das IOC bei eigener Verfahrensbeteiligung einen signifkanten Einfluss auf die Schiedsrichterbestellung. Der CAS stellt in Verfahren zwischen IOC und Athleten kein echtes Schiedsgericht im Sinne der ZPO dar. Bei Verfahren zwischen DHB und Athleten ist der CAS hingegen – wie bei Beteiligung der meisten Sportverbände – als echtes Schiedsgericht anzusehen. [Kap. 3. A. II., S. 42 ff.] Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung oktroyierter Schiedsvereinbarungen – GG 5. Damit die Vertragsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht zur Ausbeutung des Vertragspartners ausgenutzt wird, misst das BVerfG dieser eine Schutzfunktion zu. Hiernach sind ordentliche Gerichte dazu verpflichtet, eine Inhaltskontrolle eines Vertrages vorzunehmen, wenn folgende Merkmale kumulativ vorliegen: (1) Zwischen den Parteien besteht eine gestörte Verhandlungsparität (Fremdbestimmung). (2) Die schwächere Partei wird durch den Vertrag ungewöhnlich stark belastet. (3) Die Belastung beruht kausal auf der Fremdbestimmtheit. Im Rahmen dieser Inhaltskontrolle müssen die kollidierenden Grundrechtspositionen der Vertragspartner in praktische Konkordanz gebracht werden. [Kap. 4. A. I., S. 67 ff.] 6. Der Justizgewähranspruch (Art. 20 Abs. 3 GG i. V. m. den Grundrechten) garantiert, dass bei Streitigkeiten zwischen Privaten die Möglichkeit einer Streitbeilegung durch die staatlichen Gerichte besteht. Schiedsvereinbarungen sind daher im Grundsatz nicht mit dem Justizgewähranspruch ihrer Unterzeichner vereinbar. Die Vertragsfreiheit erlaubt es jedoch, durch eine Schiedsvereinbarung auf die Garantie aus dem Justizgewähranspruch zu verzichten. [Kap. 4. A. IV., S. 77 ff.] Kapitel 5: Verzicht auf den Justizgewähranspruch durch Schiedsvereinbarungen 7. Die Auslegung des Justizgewähranspruchs zeigt, dass Freiwilligkeit keine Voraussetzung für einen wirksamen Verzicht auf den Justizgewähranspruch ist.
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Kapitel 8: Ergebnisse der Untersuchung in Thesen
Ausschlaggebend für diese Feststellung ist die systematische Auslegung des Justizgewähranspruchs. Die Einführung des § 11 AntiDopG sowie die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. zeigen, dass der Justizgewähranspruch für einen wirksamen Verzicht keine Wahlmöglichkeit zwischen staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit fordert. Aus der systematischen Auslegung des Justizgewähranspruchs wird weiterhin deutlich, dass die allgemeinen Regeln zur Wirksamkeit von Verträgen gemeinsam mit den Anforderungen der ZPO an echte Schiedsgerichte in Situationen einer gestörten Verhandlungsparität einen ausreichenden Schutz der schwächeren Partei bieten. Daher bedarf es für einen wirksamen Verzicht keiner zusätzlichen Einschränkung, die sich direkt aus dem Justizgewähranspruch ergibt. [Kap. 5. C., S. 149 ff.] Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung oktroyierter Schiedsvereinbarungen – EMRK 8. Das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährleistet unter anderem, dass bei zivilrechtlichen Streitigkeiten der Zugang zu einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht besteht, dessen Verfahren und Urteil öffentlich sind. Das Merkmal auf Gesetz beruhen ist nur dann gegeben, wenn ein Gericht durch ein Parlamentsgesetz eingerichtet wurde. Der CAS wurde jedoch durch private Vereinbarungen eingerichtet und wahrt die Garantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK daher nicht. [Kap. 4. B. I. 2., S. 84 ff.] 9. Die Unabhängigkeit eines Gerichts nach Art. 6 Abs. 1 EMRK ist maßgeblich aus der Sicht eines objektiven Beobachters zu bestimmen. Im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 EMRK kann die Unabhängigkeit verneint werden, wenn eine der Streitparteien darüber entscheidet, welche Schiedsrichter berufen werden können. Ebenso wie bei der Abgrenzung zwischen echten und unechten Schiedsgerichten lässt sich der Einfluss der Parteien auf die Schiedsrichterbestellung für den CAS berechnen. Aus dieser Berechnung ergibt sich – parallel zur Einordnung des CAS als echtes oder unechtes Schiedsgericht –, dass der CAS gegenüber dem IOC nicht als unabhängig zu qualifizieren ist. Anders ist dies im Verhältnis zu den meisten anderen Sportverbänden. [Kap. 4. B. I. 3., S. 90 ff.] 10. Die Öffentlichkeitsgarantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK wird vor dem CAS nur teilweise eingehalten. Keine ausreichende Öffentlichkeit des Verfahrens sehen die Verfahrensregeln des CAS in folgenden Fällen vor: (1) Bei Verfahren vor der Ordinary Division und (2) bei Verfahren vor der Appeals Division, in denen der Streitgegenstand keine Disziplinarstreitigkeit ist. Die Öffentlichkeit des Urteils wird in folgenden Fällen nicht eingehalten: (1) Schiedssprüche der Ordinary Division und (2) Schiedssprüche der Anti-Doping Division, in denen keine Sanktionen ausgesprochen werden. [Kap. 4. B. I. 4., S. 96 ff.]
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Kapitel 6: Partieller Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK durch Schiedsvereinbarungen 11. CAS-Schiedsvereinbarungen sind mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar, wenn durch diese wirksam auf die – Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts sowie – teilweise auf die Öffentlichkeitsgarantie und – bei Beteiligung des IOC auf die Unabhängigkeitsgarantie verzichtet wird. Ein solcher Verzicht auf die Unabhängigkeitsgarantie kann einer CAS-Schiedsvereinbarung nicht entnommen werden. CAS-Schiedsvereinbarungen beinhalten jedoch einen Verzicht auf die Garantie eines auf Gesetz beruhenden Gerichts und einen teilweisen Verzicht auf die Öffentlichkeitsgarantie. [Kap. 6. A.–C., S. 168 ff.] 12. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Verzichts auf die Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK sind maßgeblich anhand der Rechtsprechung der Konventionsorgane zu bestimmen. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich für den Verzicht eine zweistufige Prüfung. Im ersten Schritt muss geprüft werden, ob es für die Parteien theoretisch möglich war, sich der Schiedsgerichtsbarkeit zu entziehen. Dadurch wird zwischen privatrechtlich vereinbarter und gesetzlich vorgeschriebener Schiedsgerichtsbarkeit unterschieden. Während es bei der privatrechtlich vereinbarten Schiedsgerichtsbarkeit die Möglichkeit eines wirksamen Verzichts gibt, stellt das Abweichen von den Garantien aus Art. 6 Abs. 1 EMRK bei der gesetzlich vorgeschriebenen Schiedsgerichtsbarkeit immer einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK dar. Handelt es sich (wie im Fall von CAS-Schiedsvereinbarungen) um einen privatrechtlich erklärten Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK, ist in einem zweiten Schritt zu klären, ob dieser erklärte Verzicht wirksam ist. Unwirksam ist jeder Verzicht, der unter unverhältnismäßigem Zwang erklärt wurde. Ist eine Person so starkem Druck ausgesetzt, dass ihr nach einer objektiven Betrachtung keine andere Möglichkeit bleibt, als dem Druck nachzugeben, liegt Zwang im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK vor. Liegt ein solcher Zwang vor, ist der Verzicht auf die Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK unwirksam, sofern die Anwendung des Zwangs unverhältnismäßig ist. [Kap. 6. A. III. j), S. 193. ff. Kap. 6. B. II., S. 206 ff.] Kapitel 4: Grundlagen zur rechtlichen Bewertung oktroyierter Schiedsvereinbarungen – GRCh 13. Auf Ebene der GRCh kommt insbesondere der Rechtsschutzgewährleistung in Art. 47 Abs. 2 S. 1 GRCh Bedeutung zu. Wegen Art. 52 Abs. 3 GRCh weicht der Inhalt des Art. 47 Abs. 2 S. 1 GRCh, der für die Fragestellung dieser Untersuchung relevant ist, nicht von Art. 6 Abs. 1 EMRK ab. Daher gelten die
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Kapitel 8: Ergebnisse der Untersuchung in Thesen
Ausführungen zu Art. 6 Abs. 1 EMRK in gleicher Weise auch für Art. 47 Abs. 2 S. 1 GRCh. Relevant wird die Norm (und die GRCh an sich) dadurch, dass die GRCh nach Art. 51 Abs. 1 GRCh bei der Anwendung des Unionsrechts zu beachten ist. [Kap. 4. C. I., IV, S. 105 ff.] Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen – AntiDopG 14. § 11 AntiDopG hat keine Auswirkungen auf die rechtliche Beurteilung von Sportschiedsvereinbarungen. Aus den Gesetzgebungsunterlagen wird deutlich, dass § 11 AntiDopG lediglich als Klarstellung dienen soll. Das heißt, er soll eine nach Ansicht des Gesetzgebers eine bereits bestehende Gesetzeslage bestätigen. Die Klarstellung beinhaltet eine Absage an eine Abschlusskontrolle, die oktroyierte Sportschiedsvereinbarungen grundsätzlich für unwirksam erklärt. Hingegen sollen Schiedsvereinbarungen gemäß der Klarstellung weiterhin einer Inhaltskontrolle unterzogen werden. Damit steht die Klarstellung im Einklang mit entsprechenden Feststellungen in den Urteilen Pechstein II und III sowie den Erkenntnissen dieser Untersuchung. [Kap. 7. A., S. 210 ff.] Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen – EU-Kartellrecht 15. Sportveranstaltungen sind aus Sicht der der Kartellrechtsökonomik Plattformen. Zwischen Athleten, Live-Zuschauern, Werbeunternehmen und Übertragungsunternehmen bestehen indirekte Netzwerkeffekte. [Kap. 7. B. III. 1., S. 221 ff.] 16. Die Athleten bieten ihre Athletenleistung an, die von den Sportveranstaltern nachgefragt wird. Die Sportveranstalter bieten die Organisation und Durchführung einer Sportveranstaltung an, die von den Athleten nachgefragt wird. Schiedsvereinbarungen werden in der Regel im Rahmen einer Athletenvereinbarung geschlossen, die die Modalitäten für die Übertragung der Athletenleistung festlegt. Die kartellrechtliche Überprüfung von Sportschiedsvereinbarungen muss daher die Besonderheiten von Nachfragemärkten beachten. [Kap. 7. B. III. 2., S. 227 ff.] 17. Relevanter Markt ist der Markt für Athletenleistung einer Sportart bei einem konkreten Wettkampf [Kap. 7. B. III. 4. a) aa), S. 233 ff.] 18. Auf diesem relevanten Markt sind die Sportveranstalter in der Regel Monopsonisten und daher nach dem Monopson-Modell marktbeherrschend. Auch nach dem Verhandlungsmodell sind Sportveranstalter marktbeherrschend. Ihnen stehen, im Unterschied zu den Athleten, wirtschaftlich vergleichbare Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung, wenn es hinsichtlich der Athletenleistung nicht zu einem Vertragsschluss kommt. [Kap. 7. B. III. 4., S. 231 ff.] 19. Das Fordern von Schiedsvereinbarungen durch ein marktbeherrschendes Unternehmen stellt kein verbotenes Verhalten nach Art. 102 AEUV dar. [Kap. 7. B. III. 5., S. 245 ff.]
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20. Die Organisation- und Verfahrensregeln des CAS sind erzwungene sonstige Geschäftsbedingungen im Sinne des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV. Eine Überprüfung dieser Geschäftsbedingungen anhand des Vergleichsmarktmodells (quantitativer Kondititionenmissbrauch) scheitert. Den Geschäftsbedingungen auf den Vergleichsmärkten kann kein objektiv nachprüfbarer wirtschaftlicher Wert zugeschrieben werden. Dadurch ist ein quantitativer Vergleich nicht möglich. Daher müssen die CAS-Organisations- und Verfahrensregeln anhand des qualitativen Konditionenmissbrauchs überprüft werden. Danach sind Geschäftsbedingungen unangemessen, wenn eines der folgenden Kriterien nicht erfüllt ist: (1) Der Marktbeherrscher verfolgt mit den Geschäftsbedingungen ein legitimes Ziel. (2) Die Handlungsfreiheit des Handelspartners wird nicht stärker eingeschränkt als dies zur Erreichung des legitimen Ziels notwendig ist (Übermaßverbot). (3) Die Abwägung der relevanten Interessen der Handelspartner spricht gegen eine Unangemessenheit. [Kap. 7. B. III. 5., S. 245 ff.] 21. Die Verfahrensregeln des CAS zur Vertraulichkeit der Verhandlungen und des Schiedsspruchs verfolgen das legitime Ziel, Imageschäden zu vermeiden, die Persönlichkeits- und Intimspäre zu schützen und eine Atmosphäre herbeizuführen, die eine Streitbeilegung begünstigt. Zur Erreichung dieser Ziele ist die Vertraulichkeit notwendig. Im Rahmen der Interessenabwägung sorgt der Einfluss der GRCh (Art. 51 Abs. 1, 12 Abs. 1 GRCh, 15 Abs. 1 GRCh, 47 Abs. 2 GRCh) dafür, dass die Interessenabwägung des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV zu keiner Missbräuchlichkeit führt, wenn die Interessen, die durch das legitime Ziel aufgegriffenen werden, gegenüber den entgegenstehenden Interessen der Athleten signifikant überwiegen. Die Verfahrensregeln des CAS zur Vertraulichkeit sind im Ergebnis missbräuchlich, da diese eine Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Öffentlichkeit verhindern und zudem die Vorhersehbarkeit von künftigen CAS-Entscheidungen beschränkt wird. [Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (1), S. 259 ff.] 22. Die geschlossenen CAS-Schiedsrichterlisten sollen primär das legitime Ziel verfolgen, die Expertise der Schiedsrichter und die rechtliche Qualität sowie Einheitlichkeit der CAS-Schiedssprüche zu gewährleisten. Die Verfahrensvorschriften des CAS zu den geschlossenen Schiedsrichterlisten sind missbräuchlich, da sie zur Erreichung dieser Ziele nicht notwendig sind. Die Parteien haben bereits eine Motivation dahingehend, Schiedsrichter mit spezieller Expertise zu berufen. Weiterhin wäre es möglich, die fachlichen Anforderungen für die Aufnahme in die CAS-Schiedsrichterliste als Anforderungen an die Schiedsrichterbenennung zu knüpfen. [Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (2), S. 270 ff.] 23. Die Kompetenzen der Divisionspräsidenten bei der Schiedsrichterbestellung dienen dem legitimen Ziel, ein Blockieren sowie eine Verzögerung
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Kapitel 8: Ergebnisse der Untersuchung in Thesen
des Schiedsverfahrens zu verhindern. Die Kompetenz des Präsidenten der Appeals Division, den vorsitzenden Schiedsrichter zu benennen, ist nicht notwendig und daher missbräuchlich. Das legitime Ziel, Verfahrensverzögerungen zu verhindern, könnte bereits durch die Setzung einer Frist zur Einigung auf einen Vorsitzenden in ausreichendem Maß gewährleistet werden. Hingegen liegt kein Missbrauch darin, dass die Divisionspräsidenten in Pattsituationen oder bei Nichtbenennung eines Schiedsrichters innerhalb einer Frist den notwendigen Schiedsrichter bestellen dürfen. Diesbezüglich überwiegt das legitime Interesse, eine Blockade des Schiedsverfahrens zu verhindern. [Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (3), S. 274 ff.] 24. Die Sitzbestimmung des CAS (Schweiz) verfolgt das legitime Ziel, die Durchführung des Schiedsverfahrens zum einen zu ermöglichen und zum anderen in einem Land stattfinden zu lassen, dessen Gerichte hinsichtlich Schiedsgerichtsbarkeit und Sportstreitigkeiten über anerkannte Expertise verfügen. Die Notwendigkeit der Regelung ist gegeben, da auch ohne die Sitzfeststellung (in den Organisationsregeln des CAS) in der Praxis die Schweiz als Sitzland festgelegt würde. Die Sitzbestimmung führt in Verbindung mit der faktischen Vollstreckungsmöglichkeit von CAS-Schiedssprüchen durch die Sportverbände dazu, dass in Deutschland faktisch vollstreckte Schiedssprüche nicht im Primärrechtsschutzverfahren anhand des deutschen ordre public geprüft werden können. Der ordre-public-Kontrolle wohnt aber eine besondere rechtsstaatliche Bedeutung inne. Dies ergibt sich aus deren Bestehen für ausländische Gerichtsentscheidungen und Schiedssprüche jeglicher Art. Die Möglichkeit einer ordre-public-Kontrolle im Sekundärrechtsschutzverfahren bietet keinen dem Primärrechtsschutzverfahren gleichwertigen Rechtsschutz. Das Umgehen der ordre-public-Kontrolle im Primärrechtsschutzverfahren kann auch nicht durch die mögliche ordre-public-Kontrolle durch das Schweizer Bundesgericht ausgeglichen werden. Die Schweizer ordre-public-Kontrolle bleibt in Sachen Rechtsschutz hinter der deutschen ordre-public-Kontrolle zurück, da sie weder eine Prüfung des EU- noch des Schweizer Kartellrechts beinhaltet. Die Notwendigkeit der Überprüfung von Schiedssprüchen bei ihrer Vollstreckung anhand des EU-Kartellrechts ist aber von Kommission und EuGH deutlich herausgestellt worden. Dementsprechend sorgt die Kombination aus Sitzregelung und faktischer Vollstreckungsmöglichkeit für einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV. [Kap. 7. B. III. 5. b) bb) (4), S. 279 ff.] 25. Aus § 134 BGB i. V. m. Art. 102 S. 2 lit. a AEUV ergibt sich nicht zwingend die Nichtigkeit des Gesamtrechtsgeschäftes (Schiedsvereinbarung, § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO). Ausbeuterische Rechtschäfte müssen vielmehr vertraglich so angepasst werden, dass die Versorgung der Marktgegenseite zu kartellrechtskonformen Bedingungen gewährleistet wird. Dies würde zu einer Aufrechterhaltung einer CAS-Schiedsvereinbarung bei gleichzeitiger Nichtigkeit der missbräuchli-
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chen Geschäftsbedingungen führen. Dadurch würde sich der CAS jedoch nicht mehr für zuständig erklären. Daher bestimmt sich die Rechtsfolge des Marktmachtmissbrauchs im Ergebnis danach, ob es für die Athleten vorteilhafter ist, wenn die gesamte Schiedsvereinbarung nichtig ist oder wenn ein ad hoc Schiedsgericht unter Geltung der angepassten CAS-Organisations- und Verfahrensbedingunregeln zuständig ist. Die konkrete Rechtsfolge ist daher einzelfallabhängig. [Kap. 7. B. IV., S. 290 ff.] Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen – Art. 267, 344 AEUV (Achmea) 26. Die Art. 267, 344 AEUV i. V. m. § 134 BGB haben nach den Feststellungen in der Achmea-Entscheidung keine grundsätzlichen Auswirkungen auf die Handelsschiedsgerichtsbarkeit und damit auch nicht auf die Sportschiedsgerichtsbarkeit. Allerdings wird aus der Entscheidung deutlich, dass die bedingte Überprüfung von Schiedssprüchen in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit nur unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Vereinbarkeit mit Art. 267, 344 AEUV führt. Die Schiedsurteile der Handelsschiedsgerichte müssen durch staatliche Gerichte auf die Vereinbarkeit mit grundlegenden Bestimmungen des Unionsrechts überprüft werden können und dabei müssen Fragen des Unionsrechts im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH vorgelegt werden können. Infolge der Sitzbestimmung des CAS (Schweiz) sowie der faktischen Vollstreckungsmöglichkeit der CAS-Schiedssprüche durch die Sportverbände ist dies für CAS-Schiedssprüche nicht gewährleistet. In dieser Hinsicht ist die CAS-Schiedsgerichtsbarkeit daher nicht mit den Art. 267, 344 AEUV vereinbar. [Kap. 7. C., S. 294 ff.] Kapitel 7: Unmittelbar wirkende Rechtsnormen – AGB 27. Neben dem Kartellrecht ist auch die AGB-Inhaltskontrolle auf CAS- Schiedsvereinbarungen anwendbar. Dies gilt auch für Schiedsvereinbarungen, die sich in Satzungen befinden, denen sich Athleten durch eine Athletenvereinbarung unterwerfen. Weder § 309 Nr. 14 BGB noch Anhang zu Art. 3 Abs. 3 lit. q i. V. m. Art. 3 Abs. 1, 3 Richtlinie 93/13/EWG führen zu einer Unwirksamkeit von CAS-Schiedsvereinbarungen. Die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB läuft in dieser Untersuchung mit der Inhaltskontrolle nach Art. 102 S. 2 lit. a AEUV parallel. Auch die Rechtsfolgen des § 306 BGB entsprechend in diesem Fall denen von Art. 102 S. 2 lit. a AEUV i. V. m. § 134 BGB. [Kap. 7. D., S. 299 ff.]
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Kapitel 8: Ergebnisse der Untersuchung in Thesen
Sonstige Feststellungen 28. Auf dogmatischer Ebene hat die Untersuchung gezeigt, dass oktroyierte Schiedsvereinbarungen an sich rechtlich unproblematisch sind. Bei der rechtlichen Bewertung kommt es weder beim Verzicht auf den Justizgewähranspruch noch beim Verzicht auf Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK auf die Freiwilligkeit des Verzichts an. Für die Rechtsanwendung ist die philosophisch-psychologische Frage des freien Willens letztendlich nicht entscheidend. Daher überzeugt es auch begrifflich nicht, zu suggerieren, dass es darauf ankäme. Bei dem Begriff der Freiwilligkeit handelt es sich um eine Bezeichnung, die mehr Auslegungsprobleme schafft als beseitigt. 29. Die Frage, ob oktroyierte Schiedsvereinbarungen wirksam sind, muss im Ergebnis anhand des Konditionenmissbrauchs des (EU-)Kartellrechts beurteilt werden. Dadurch wird bereits deutlich, dass nicht das „Ob“ der Sportschiedsgerichtsbarkeit entscheidend ist, sondern das „Wie“. Das Zusammenspiel von Konditionenmissbrauch und § 134 BGB erlaubt es, nur einzelne Klauseln der Organisations- und Verfahrensregeln von Schiedsgerichten für unwirksam zu erklären. Dies hat den Vorteil, dass es nicht zu einer absoluten Entscheidung für oder gegen die Schiedsvereinbarung kommen muss. Vielmehr kann die Schiedsgerichtsbarkeit so angepasst werden, dass diese (auch) für die schwächere Vertragspartei ausschließlich positiv ist. Eine solche Lösung ist für Athleten vorteilhaft, da es ihnen die Möglichkeit gibt, die Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit zu bewahren, ohne dass die Nachteile der Schiedsgerichtsbarkeit durchgreifen. Ist die Unwirksamkeit von einzelnen Organisations- und Verfahrensregeln für die Athleten nicht vorteilhafter als die Zuständigkeit eines staatlichen Gerichts, kommt es zu einer Gesamtnichtigkeit der Schiedsvereinbarung durch § 134 BGB. Für die Sportverbände ist dies ebenfalls eine gute Lösung, da es zumindest die Möglichkeit gibt, dass die Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit bestehen bleiben. Sollte es dadurch zur Gesamtnichtigkeit von CAS-Schiedsvereinbarungen kommen, ist zu erwarten, dass die Organisations- und Verfahrensregeln des CAS so angepasst werden, dass sie kartellrechtskonform sind.
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Sachverzeichnis Stichwortverzeichnis
§ 11 AntiDopG 210 –– Einführung 157
–– Faktische Orientierungs- und Leitfunktion 185
§ 1025 Abs. 2 ZPO a. F.
Ein-Platz Prinzip 28
–– Abschaffung 159
Freiwilligkeit
Achmea 294
–– Allgemeines Vertragsrecht 183
–– Handelsschiedsgerichtsbarkeit 296
–– Echte Wahlfreiheit 142, 178
–– Sportschiedsgerichtsbarkeit 297
–– Existiert nicht 149
AGB-Kontrolle
–– Inhaltskontrolle 146
–– Anwendbarkeit 300
–– Interessenabwägung 178
–– Einbeziehung 306
–– Nicht zwingend notwendig 182
–– Inhaltskontrolle 308 –– Rechtsfolge 316 –– Reiter-Entscheidung 301 –– Richtlinie 93/13/EWG 311 Allgemeiner Justizgewähranspruch 81 Angebotsmarkt siehe Kartellrecht Berufsfreiheit 77, 110 CAS-Organisations- und Verfahrensbedingungen –– Geschlossene Schiedsrichterliste 270 –– Kompetenzen der Divisionspräsidenten 274 –– Sitzbestimmung 279 –– Vertraulichkeit 259 Court of Arbitration for Sport 43 –– Finanzierung 60 –– Generalsekretär 61 –– Präsidenten Arbitration Divisionen 57 Deutscher Handballbund 54, 242 EGMR
Handball-Bundesliga 33, 241 International Council of Arbitration for Sport 55 Internationales Olympisches Komitee 52, 242 Kartellrecht –– Angebots-/Nachfragemarkt 227 –– Marktbeherrschung 232 –– Marktmacht 240 –– Missbrauch 245 –– Mittelbare Drittwirkung GRCh 264 –– Plattform 221 –– Qualitativer Konditionenmissbrauch 256 –– Quantitativer Konditionenmissbrauch 251 –– Rechtsfolge 290 –– Relevanter Markt 234 –– Sport 218 –– Unternehmenseigenschaft 230 –– Zwischenstaatlichkeit 219
368
Sachverzeichnis
Konkretisierung 152
–– Verzicht 169, 197
–– Im eigentlichen Sinne 152
–– Zwang 199
–– Kompetenz 156
Recht auf gesetzlichen Richter 82
–– Vor-Verständnis 152
Rechtsschutzgewährleistung 110
Körbuch
Repeat Player Bias 59
–– BGH 117 –– LG Augsburg 115 –– OLG München 116
Schiedsanordnung 64 Schiedsgericht –– Echtes Schiedsgericht 42, 161
Missbrauchsverbot 221
Schiedsgerichtsbarkeit
Monopson-Modell 233
–– Gesetzlich vorgeschrieben 194
Nachfragemarkt siehe Kartellrecht
–– Privatrechtlich vereinbart 194
Oktroyierte Schiedsvereinbarungen 35 Olympische Spiele 31, 240 Pechstein –– BGH 132, 172 –– EGMR (Pechstein/Mutu) 173 –– LG München 126 –– LG München I 170 –– OLG München 128, 172 Plattform siehe Kartellrecht
Schiedsvereinbarung 63 Schiedsverfahrensvereinbarung 64 Sittenwidrigkeit 318 Spielervermittler 122 Stretford –– UK Court of Appeal 176 –– UK High Court 175 Treu und Glauben 319 UNESCO Internationales Übereinkommen gegen Doping im Sport 104
Recht auf ein faires Verfahren 99, 168, 329
Vereinigungsfreiheit 100, 109
–– Auf Gesetz beruhend 90
Vereins- und Verbandsfreiheit 76
–– Auf Gesetz beruhendes Gericht 169
Verhandlungsmodell 244
–– Gericht 84
Vertragsfreiheit 74
–– Neutralität 96, 207
Vollstreckung
–– Öffentlichkeit 99, 205
–– De facto (Sportverbände) 279