Die Struktur der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen im Spannungsfeld zwischen Schiedsverfahrensrecht, Kartellrecht und allgemeinem Zivilrecht: Zugleich ein Beitrag zum Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zur Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen [1 ed.] 9783428580903, 9783428180905

Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen steht seit jeher in einem Spannungsfeld verschiedener Regelungsberei

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German Pages 374 Year 2021

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Die Struktur der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen im Spannungsfeld zwischen Schiedsverfahrensrecht, Kartellrecht und allgemeinem Zivilrecht: Zugleich ein Beitrag zum Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zur Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen [1 ed.]
 9783428580903, 9783428180905

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Schriften zum Prozessrecht Band 274

Die Struktur der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen im Spannungsfeld zwischen Schiedsverfahrensrecht, Kartellrecht und allgemeinem Zivilrecht Zugleich ein Beitrag zum Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zur Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Von Kay Eric Pipoh

Duncker & Humblot · Berlin

KAY ERIC PIPOH

Die Struktur der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen im Spannungsfeld zwischen Schiedsverfahrensrecht, Kartellrecht und allgemeinem Zivilrecht

Schriften zum Prozessrecht Band 274

Die Struktur der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen im Spannungsfeld zwischen Schiedsverfahrensrecht, Kartellrecht und allgemeinem Zivilrecht Zugleich ein Beitrag zum Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zur Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Von Kay Eric Pipoh

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 61 Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 978-3-428-18090-5 (Print) ISBN 978-3-428-58090-3 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand zum Großteil während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht sowie deutsches und internationales Unternehmens-, Wirtschafts- und Kartellrecht der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Sie wurde im Wintersemester 2019/2020 von der dortigen Juristischen Fakultät als Promotion angenommen. Die mündliche Prüfung fand im Juni 2020 statt. Literatur und Rechtsprechung sind auf dem Stand von Oktober 2019. Während der Drucklegung konnten spätere Veröffentlichungen und Stellungnahmen größtenteils noch in den Fußnoten berücksichtigt sowie die zitierten Werke auf die neueste Auflage aktualisiert werden. Mein großer Dank gilt den vielen Menschen, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Ein ganz besonderer Dank gebührt meinem Doktorvater Prof. Dr. Christian Kersting, LL.M. (Yale) für die hervorragende Betreuung der Arbeit, sein immer offenes Ohr, die sehr lehrreiche Zeit an seinem Lehrstuhl und die so zügige Erstellung des Erstgutachtens. Frau Prof.’in Dr. Katharina Lugani danke ich für das konstruktive Gespräch während der Erstellung dieser Arbeit sowie für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Frau Prof.’in Dr. Nicola Preuß sowie Herrn Jun.-Prof. Dr. Jannik Otto danke ich für die Mitwirkung in der Prüfungskommission. Frau Monika Scheithauer sowie allen Kolleginnen und Kollegen danke ich für die Unterstützung und die tolle Zeit am Lehrstuhl, die mir immer in guter Erinnerung bleiben wird. Meinen Freunden und Kollegen Robert Billerbeck, Dr. Sebastian Dworschak und Thomas Scherer danke ich herzlich für all die wertvollen und fruchtbaren Diskussionen, ihre überaus gründliche Durchsicht des Manuskripts sowie den technischen Support. Von Herzen danke ich meiner Freundin Ruth Baumann für den immensen und immerwährenden Rückhalt in der Zeit der Entstehung dieser Arbeit. Ihre liebevolle Unterstützung und ihr Zuspruch haben wesentlich zur Entstehung dieser Arbeit beigetragen. Ebenso von Herzen danke ich meiner Familie: Meinen Eltern Helge und Ilona Pipoh, meinen Geschwistern Kira, Kaja und Krister Pipoh sowie meinen Großeltern Hans-Erich und Ursula Pipoh und Rosemarie Groteklaes. Sie alle haben mich immer bedingungslos unterstützt und mir in allen Lebensphasen den so wichtigen Rückhalt gegeben. Ohne sie wäre diese Arbeit und mein bisheriger Lebensweg nicht denkbar gewesen. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Düsseldorf, im Dezember 2020

Kay Pipoh

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Kapitel 1 Ausgangspunkt und Anlass der Arbeit

25

§ 1 Die Rechtssache Pechstein – Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

§ 2 Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

Kapitel 2 Die Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen durch das SchiedsVfG

37

§ 1 Materielle Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen unter altem Schiedsverfahrensrecht: § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

§ 2 Auswirkungen des SchiedsVfG auf die materielle Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

§ 3 Ergebnisse des 2. Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

Kapitel 3 Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen nach geltendem Recht § 1 Allgemeine Überlegungen zur Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77 77

§ 2 Abschlusskontrolle von Schiedsvereinbarungen unter geltendem Schiedsverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 § 3 Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen unter geltendem Schiedsverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 § 4 Ergebnisse des 3. Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Kapitel 4 Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen

231

§ 1 Tatbestand und Umfang des § 1034 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

10

Inhaltsübersicht

§ 2 Das Vorliegen „echter Schiedsgerichtsbarkeit“ als Anwendungsvoraussetzung des § 1034 Abs. 2 ZPO und die Auswirkungen der Norm auf diesen Begriff . . 258 § 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle . . . . 295 § 4 Ergebnisse des 4. Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Kapitel 5 Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

340

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Kapitel 1 Ausgangspunkt und Anlass der Arbeit

25

§ 1 Die Rechtssache Pechstein – Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Sachverhalt und erstinstanzliche Entscheidung des LG München I vom 26.02.2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Berufungsentscheidung des OLG München vom 15.01.2015 . . . . . . . . . . . . . C. Revisionsentscheidung des BGH vom 07.06.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25 29 30

§ 2 Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

Kapitel 2 Die Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen durch das SchiedsVfG § 1 Materielle Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen unter altem Schiedsverfahrensrecht: § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Abschluss von Schiedsvereinbarungen in Situationen strukturellen Ungleichgewichts zwischen den Parteien unter und abseits des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Annahme von Bestimmungen in der Schiedsvereinbarung, die ein Übergewicht im Verfahren bewirken, abseits des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. . C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Auswirkungen des SchiedsVfG auf die materielle Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Abschaffung der Abschlussvariante des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. und Fortbestehen der Unsicherheit im Umgang mit dem Abschluss von Schiedsvereinbarungen insbesondere in Situationen strukturellen Ungleichgewichts . . B. Überführung der Annahmevariante in § 1034 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Rückschlüsse aus der Einführung des neuen Schiedsverfahrensrechts für die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Freiwilligkeit der Einigung auf eine Schiedsvereinbarung im geltenden Schiedsverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 37

39 42 43 43

44 46 48 49 49

12

Inhaltsverzeichnis 1. Die Notwendigkeit einer freiwilligen Einigung auf eine Schiedsvereinbarung stellt keine schiedsrechtliche Besonderheit dar . . . . . . . . . 49 a) Die Schiedsvereinbarung als privatautonomer Verzicht auf den Justizgewährungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Die Freiwilligkeit des Abschlusses einer Schiedsvereinbarung als Notwendigkeit eines privatautonomen Verzichts auf den Justizgewährungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Keine Abschaffung der Freiwilligkeitskontrolle durch Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Gleichwertigkeit von Schiedsverfahren und staatlichem Gerichtsverfahren als neue Grundannahme des Schiedsverfahrensrechts . 53 b) Abschaffung der Spezialnorm des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. führt zum Rückfall auf allgemeine Wirksamkeitskontrollnormen . . . . . 55 aa) Die Abschaffung der Notwendigkeit einer freiwilligen Einigung auf die Schiedsvereinbarung wäre dem einfachen Gesetzgeber nicht möglich gewesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. ist ohnehin nicht als Abschaffung der Notwendigkeit einer freiwilligen Einigung zu verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 c) § 11 AntiDopG und seine gesetzgeberische Intention als gesetzgeberische Meinungskundgabe zur Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 II. Trennung zwischen Schiedsvereinbarung und Schiedsverfahrensvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1. Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Bedeutung der Trennung insbesondere für die Rechtsfolge der Wirksamkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

§ 3 Ergebnisse des 2. Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Kapitel 3 Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen nach geltendem Recht

77

§ 1 Allgemeine Überlegungen zur Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 A. Die Anwendung materiell-rechtlicher Wirksamkeitsregeln auf die Schiedsvereinbarung ist unabhängig von der Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

Inhaltsverzeichnis

13

B. Der Einfluss der Unabhängigkeit von Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung auf die materiell-rechtliche Wirksamkeitsprüfung der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

II. Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

1. (In-)Existenz und (Un-)Wirksamkeit des Hauptvertrags haben grundsätzlich keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

a) „Ausnahme“: Fehleridentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

aa) Willensmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

bb) Unwirksamkeits- und Nichtigkeitsgründe . . . . . . . . . . . . . . . .

88

b) Keine absolute Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

2. Das auf Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung anwendbare nationale Recht ist jeweils autonom zu bestimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

3. Innerhalb eines auf Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung anwendbaren nationalen Rechts kann es zur Anwendung unterschiedlicher nationaler Regeln kommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

III. Keine Bedeutung des Unabhängigkeitsgrundsatzes für die materiellrechtliche Wirksamkeitskontrolle der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . .

93

1. Schiedsvereinbarung und Hauptvertrag als eigenständige aber nicht gleichrangige Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

a) Der auf den Hauptvertrag bezogene Vollmachtsmangel . . . . . . . .

94

b) Übergang der Schiedsvereinbarung im Zessionsfall . . . . . . . . . . .

96

c) Schiedsvereinbarung als akzessorische Klausel . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Stimmen zur Bedeutung des Unabhängigkeitsgrundsatzes für die materiell-rechtliche Wirksamkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Stimmen gegen eine Fortsetzung des Unabhängigkeitsgedankens auf materiell-rechtlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Stimmen für eine Fortsetzung des Unabhängigkeitsgedankens auf materiell-rechtlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Eigene Begründung: Betrachtung und Auslegung des § 1040 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4. Schlussfolgerung und Ergebnis zu B.: Kein Einfluss der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung auf die materiell-rechtliche Wirksamkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 C. Zur Frage der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung auch auf Ebene des europäischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 § 2 Abschlusskontrolle von Schiedsvereinbarungen unter geltendem Schiedsverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

14

Inhaltsverzeichnis A. Abschluss- und Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen: Keine Abschlusskontrolle der Schiedsvereinbarung im klassischen Sinne über § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Unwirksamkeit des Abschlusses einer Schiedsvereinbarungen aufgrund von Unfreiheit der Willensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nicht jede Art von Zwang zum Vertragsschluss erfordert einen Eingriff der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insbesondere beim Abschluss von Verträgen in wirtschaftlicher Disparität zwischen Parteien steht das Ob des Vertragsschlusses selten in Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rückschluss aus einem wirksamen Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 3 Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen unter geltendem Schiedsverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarung gemäß § 138 Abs. 1 BGB . . . . . . I. Die Anknüpfung an den Inhalt des Rechtsgeschäfts im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Exkurs: Der Tatbestand des § 138 Abs. 2 BGB besteht aus objektiven sowie subjektiven Merkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Objektive Anknüpfung an den Inhalt im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Schiedsvereinbarung i. e. S. als Anknüpfungspunkt für die Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Benachteiligung allein durch eine Vereinbarung, die als Inhalt die Einigung auf die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts im Streitfall (Schiedsvereinbarung i. e. S.) hat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Exkurs: keine entgegenstehenden Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Schiedsverfahrensvereinbarung als Anknüpfungspunkt der Inhaltskontrolle im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sittenwidrigkeit von Schiedsverfahrensvereinbarungen allein aufgrund ihrer inhaltlichen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sittenwidrigkeit von Schiedsverfahrensvereinbarungen aufgrund ihrer inhaltlichen Bestimmungen unter Hinzunahme ihrer Umstände – insbesondere das Ausnutzen von Übermacht . . . . . . . . . . . . . a) § 138 Abs. 1 BGB schützt die unterlegene Partei vor der Ausnutzung der Übermacht durch die überlegene Partei . . . . . . . . . . . . . . b) Unter diesem Gesichtspunkt können auch Schiedsverfahrensvereinbarungen nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam sein . . . . . . . . . . 3. Interessenabwägung zur Ermittlung der Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . IV. Subjektiver Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsfolge der Sittenwidrigkeit einer Schiedsverfahrensvereinbarung . VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen am Maßstab des AGB-Rechts .

117 119 120

124 124 125 125 126 127 128 129 132

133 138 141 142

146 146 155 157 157 158 159 160

Inhaltsverzeichnis

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I. Keine unangemessene Benachteiligung durch Schiedsvereinbarungen i. e. S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Inhaltskontrolle von Schiedsverfahrensvereinbarungen am Maßstab des AGB-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 III. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das AGB-Recht für Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 C. Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen am Maßstab des kartellrechtlichen Konditionenmissbrauchs des § 19 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Einleitung: Schiedsfähigkeit kartellrechtlicher Streitigkeiten, Zulässigkeit ausschließlicher Schiedsvereinbarungen in Kartellsachen und Angriffspunkte des Kartellrechts in Bezug auf Schiedsvereinbarungen . . . 166 1. Schiedsfähigkeit kartellrechtlicher Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Die Zulässigkeit ausschließlicher Schiedsvereinbarungen in Kartellsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Zulässigkeit der Derogation der Zuständigkeit eines deutschen Gerichts durch eine Gerichtsstandsvereinbarung in Kartellsachen 169 b) Zulässigkeit der Derogation der Zuständigkeit eines deutschen Gerichts durch eine Schiedsvereinbarung in Kartellsachen . . . . . 171 3. Blickwinkel und Angriffspunkte der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen in Kartellstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 II. Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen am Maßstab des kartellrechtlichen Konditionenmissbrauchs aus § 19 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Beschränkung auf die Fallgruppe des Konditionenmissbrauchs . . . . 180 2. Die Schiedsvereinbarung als Kondition i. S. d. § 19 GWB . . . . . . . . . 182 a) Stimmen zur Reichweite des Begriffs Geschäftsbedingungen in § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Stimmen für ein grundsätzlich weites Verständnis des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Beschränkung der inhaltlichen Reichweite durch Notwendigkeit eines Leistungsbezugs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 cc) Stimmen zur inhaltlichen Beschränkung aufgrund der systematischen Verknüpfung der Geschäftsbedingungen mit den Entgelten in § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Rechtsprechung zur Schiedsvereinbarung als Geschäftsbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Notwendigkeit einer abschließenden Einordnung der Schiedsvereinbarung als Geschäftsbedingung i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Missbräuchlichkeit von Konditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Missbräuchlichkeit aufgrund quantitativer Erwägungen . . . . . . . . 188 b) Missbräuchlichkeit aufgrund qualitativer Erwägungen . . . . . . . . . 191

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Inhaltsverzeichnis aa) Zulässigkeit und Anknüpfung von qualitativen Erwägungen zur Feststellung der Missbräuchlichkeit innerhalb des § 19 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Missbräuchlichkeit als Ergebnis allein einer Interessenabwägung anhand qualitativer Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 cc) Berücksichtigung kartellrechtlicher und außerkartellrechtlicher Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (1) Berücksichtigung der Wertungen der §§ 307 ff. BGB . . 198 (2) Berücksichtigung grundrechtlicher Wertungen . . . . . . . . 200 dd) Gewicht der Berücksichtigung außerkartellrechtlicher Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (1) Ansatz zur Begrenzung des Kreises denkbarer außerkartellrechtlicher Normen im Rahmen des Konditionenmissbrauchs von Nothdurft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (2) Ansatz zur Begrenzung des Kreises denkbarer außerkartellrechtlicher Normen im Rahmen des Konditionenmissbrauchs von Lettl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 ee) Konditionenmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 ff) Schutz des Einzelnen vor Fremdbestimmung durch den Marktbeherrscher als vorrangiger Schutzzweck des Konditionenmissbrauchs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (1) Sachliche Interdependenz von Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit, Vielschichtigkeit der Zwecksetzung . . . . . 208 (2) Notwendigkeit einer Trennung zwischen Behinderungsund Ausbeutungsmissbrauch zur Ermittlung des konkreten Schutzzwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (3) Konditionenmissbrauch: Vorrangig Schutz der unterlegenen Partei vor Fremdbestimmung durch den Marktbeherrscher? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (4) Schlussfolgerungen aus einem solchen Schutzzweckverständnis für die Kontrolle von Schiedsvereinbarungen 214 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 5. Missbräuchlichkeit von Schiedsvereinbarungen aus quantitativer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 6. Missbräuchlichkeit von Schiedsvereinbarungen aus qualitativer Sicht 219 a) Missbräuchlichkeit von Schiedsvereinbarungen i. e. S. aus qualitativer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 b) Missbräuchlichkeit von Schiedsverfahrensvereinbarungen aus qualitativer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 7. Zivilrechtliche Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

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§ 4 Ergebnisse des 3. Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Kapitel 4 Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen § 1 Tatbestand und Umfang des § 1034 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Anwendbarkeit des deutschen Schiedsverfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Normzweck und gesetzgeberische Intention des § 1034 Abs. 2 ZPO . . . . . . C. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schiedsvereinbarung gibt einer Partei Übergewicht bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übergewicht bei der Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „einer Partei“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Gibt die Schiedsvereinbarung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeint ist Schiedsverfahrensvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirksame Schiedsvereinbarung i. e. S. als Tatbestandsvoraussetzung des § 1034 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. steht das im Fall des § 1034 Abs. 2 ZPO notwendig vorhandene Übergewicht einer Partei bei der Besetzung des Schiedsgerichts nicht entgegen d) Unmittelbares und mittelbares Beruhen des Übergewichts auf der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonderfall: Übergewicht durch Besetzung des Schiedsgerichts aufgrund einer Schiedsrichterliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fall 1: Beschränkung des Schiedsrichterkreises durch die Schiedsrichterliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fall 2: Möglichkeit der Einflussnahme auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste – die Lagertheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Übertragung der Lagertheorie in der Rechtssache Pechstein bb) Exkurs: Problem der Lagerzuordnung in der Rechtssache Pechstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eigener Ansatz: Die Lagertheorie als Auffangkriterium im Rahmen des § 1034 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Lagertheorie hat ihren Ursprung in einer Zeit vor § 1034 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Feststellung eines faktisch übermäßigen Einflusses einer Partei macht eine Lagerzuordnung obsolet . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anwendbarkeit der Lagertheorie nur im Falle gleichberechtigten Einflusses auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Benachteiligung der anderen Partei durch das Übergewicht . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis III. § 1034 Abs. 2 ZPO setzt tatbestandlich nicht eine Ungleichgewichtslage zwischen den Parteien voraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Rechtsfolge: Schiedsvereinbarung i. e. S. bleibt unberührt, Wahlrecht der benachteiligten Partei und Neubestellung des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . E. Anwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO auf außervertragliche Schiedsgerichte im Sinne des § 1066 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 2 Das Vorliegen „echter Schiedsgerichtsbarkeit“ als Anwendungsvoraussetzung des § 1034 Abs. 2 ZPO und die Auswirkungen der Norm auf diesen Begriff . . A. Bedeutung des Begriffs der echten Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . B. Ursprung des Begriffs: Vereins- und Verbandswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entscheidung vereins- oder verbandsinterner Streitigkeiten durch Schiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Einordnung als vertragliches oder außervertragliches Schiedsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereins- oder Verbandsschiedsgerichte als vertragliche oder außervertragliche Schiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Relevanz der Abgrenzung: Prüfungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abgrenzung von Vereins- oder Verbandsgericht zu echtem Schiedsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Begriff des echten Schiedsgerichts hat Bedeutung auch außerhalb des § 1066 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit einer Abgrenzung zwischen Vereins- beziehungsweise Verbandsgericht zu echtem Schiedsgericht im Rahmen des § 1029 Abs. 1 ZPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überlegungen zur dogmatischen Verortung der Begrifflichkeit . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Der Begriff des echten Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kriterien eines echten Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Endgültige und verbindliche Entscheidung durch das Schiedsgericht 2. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts . . . . . . . . . 3. Geltung der Kriterien auch für andere Abgrenzungen als der zum Vereinsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit als konstitutives Merkmal eines echten Schiedsgerichts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mängel individueller Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit des Schiedsrichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übergewicht einer Partei bei der Besetzung des Schiedsgerichts aa) § 1034 Abs. 2 ZPO löst die von ihm erfassten Fälle aus dem konstitutiven Kernbereich der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit heraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Herauslösung gilt sowohl für vertragliche Schiedsgerichte wie auch für außervertragliche Schiedsgerichte . . . . . .

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c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 II. Strukturelle Unabhängigkeit und Unparteilichkeit als konstitutive Merkmale eines echten Schiedsgerichts bei Nichtanwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 1. Die Bedeutung des deutschen Begriffs eines echten Schiedsgerichts für Fälle eines ausländischen Schiedsverfahrensstatuts . . . . . . . . . . . . 286 a) Der Begriff des echten Schiedsgerichts in den Fällen des § 1025 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 b) Der Begriff des echten Schiedsgerichts in der Anerkennungsbzw. Vollstreckbarerklärungssituation des § 1061 ZPO . . . . . . . . 287 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Nichtkonstitutiver Charakter der von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Fälle auch bei dessen Nichtanwendbarkeit aufgrund ausländischen Schiedsverfahrensstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 3. Auswirkungen mangelnder Behebbarkeit von Besetzungsmängeln im anwendbaren ausländischen Schiedsverfahrensrecht . . . . . . . . . . . 292 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 § 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle . . . 295 A. Methodische Eingangsüberlegungen: Tatbestands- oder Konkurrenzlösung 297 I. Konkurrenzlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 II. Tatbestandslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 B. Das Verhältnis von § 1034 Abs. 2 ZPO zur Inhaltskontrolle gemäß § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 I. § 1034 Abs. 2 ZPO als die Sittenwidrigkeitskontrolle des § 138 Abs. 1 BGB beschränkende Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 II. Exkurs: § 1034 Abs. 2 ZPO stellt allerdings keine abschließende Regelung zum sog. Abschlusszwang dar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 C. Das Verhältnis von § 1034 Abs. 2 ZPO zur AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . 307 I. Ansicht der Rechtsprechung und Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 II. Ansicht der Literatur und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 III. Sonderfall: Verbraucherbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 D. Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zur kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle des § 19 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 I. Ausgangspunkt und Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 II. § 1034 Abs. 2 ZPO als die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle des § 19 Abs. 1 GWB beschränkende Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 1. Entgegen der Ansicht des OLG München: kein typischer Vorrang des Kartellrechts gegenüber dem Schiedsverfahrensrecht . . . . . . . . . 317 2. Prozessrecht ist für Besetzungsvereinbarungen, die als Schiedsverfahrensvereinbarungen Prozessverträge darstellen, vorrangig . . . . . . 318

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Inhaltsverzeichnis 3. Die Abschaffung des § 91 GWB a. F. spricht für einen Vorrang des § 1034 Abs. 2 ZPO vor der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle des § 19 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 1034 Abs. 2 ZPO muss seinem Schutzzweck nach auch in den von § 19 GWB erfassten Fällen des Ausbeutungsmissbrauchs zur Geltung kommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Begrenzung des Anwendungsbereichs des Missbrauchsverbots durch negative wie positive Berücksichtigung außerkartellrechtlicher Wertungen und Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zur europakartellrechtlichen Missbrauchskontrolle des Art. 102 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsatz: Anwendungsvorrang des europäischen Rechts gegenüber nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Genuin nationales Schiedsverfahrensrecht versus europäisches Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangsfrage der Genentech-Entscheidung des EuGH vom 07.06.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entscheidung des EuGH und Interpretationsmöglichkeiten . . . . . . . . III. Auflösung über die Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 4 Ergebnisse des 4. Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Kapitel 5 Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

Einleitung Schiedsverfahrensrecht und Kartellrecht haben lange Zeit nebeneinander her existiert, ohne dass es zwischen ihnen zu großen Überschneidungen gekommen wäre. Das lag im Wesentlichen wohl daran, dass kartellrechtliche Streitigkeiten in den meisten Jurisdiktionen als nicht schiedsfähig angesehen worden waren.1 Beides hat sich massiv geändert. Beginnend in den USA mit der Entscheidung in der Rechtssache Mitsubishi Motors Corp. v. Soler Chrysler-Plymouth, Inc. im Jahr 1985 über die Entscheidung Eco Swiss China Time Ltd. v. Benetton International NV des EuGH aus dem Jahr 1999, ist die Schiedsfähigkeit kartellrechtlicher Streitigkeiten heute international anerkannt.2 Auch in Deutschland sind kartellrechtliche Fragen seit Abschaffung des § 91 GWB a. F., der Schiedsvereinbarungen in bestimmten kartellrechtlichen Streitigkeiten für unwirksam erklärte, wenn sie nicht ein Wahlrecht zugunsten des staatlichen Gerichts enthielten, mit dem Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz (SchiedsVfG)3 zum Jahre 1998 vollumfänglich schiedsfähig.4 Parallel zu dieser Entwicklung befinden sich Schiedsverfahrensrecht und Kartellrecht auch jeweils für sich betrachtet auf dem Vormarsch.5 So haben Schiedsverfahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Das gilt nicht nur für internationale (Handels-)Streitigkeiten, von denen ein Großteil heute vor Schiedsgerichten entschieden wird.6 Im Kartellrecht gilt dies in besonderem Maße für den Konditionenmissbrauch. Obgleich das kartellrechtliche Missbrauchsverbot bereits seit dem Jahr 1957 im GWB verankert ist, spielte die Tatbestandsvariante des Konditionenmissbrauchs in der Praxis bislang eine eher untergeordnete Rolle.7 Erst in 1 Baumann, GRUR 2018, 145, 146; Geradin, Public Policy and Breach of Competition Law in International Arbitration, verfügbar auf SSRN, S. 2. 2 Baumann, GRUR 2018, 145, 146; Botta, IIC 2017, 235, 238; Geradin, Public Policy and Breach of Competition Law in International Arbitration, verfügbar auf SSRN, S. 2. 3 Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz – SchiedsVfG) vom 30.12.1997, in Kraft getreten am 01.01.1998 (BGBl. I 1997 S. 3224). 4 Baumann, GRUR 2018, 145, 146. 5 Geradin, Public Policy and Breach of Competition Law in International Arbitration, verfügbar auf SSRN, S. 1 f.; Jahnke, Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Schiedsgerichtsbarkeit, S. 7 ff. 6 Geradin, Public Policy and Breach of Competition Law in International Arbitration, verfügbar auf SSRN, S. 1 f.; zusammenfassend und m.w. N. Michaelis, SchiedsVZ 2019, 331 f. 7 Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 251; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 Rn. 211.

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Einleitung

jüngerer Zeit hat der Konditionenmissbrauch zunehmend Relevanz erlangt.8 Für Aufsehen haben erst jüngst die Entscheidungen des Bundeskartellamts und des OLG Düsseldorf im Facebook-Verfahren gesorgt.9 Analog zu diesen Entwicklungen sind auch die Überschneidungen zwischen Schiedsverfahrensrecht und Kartellrecht gewachsen. Immer öfter stellen sich komplexe Rechtsfragen betreffend das Zusammenspiel von Schiedsverfahrensrecht und Kartellrecht, von denen viele noch ungelöst sind.10 Man denke beispielsweise an die Diskussionen rund um die Schiedsfähigkeit von Kartellschadensersatzansprüchen, die in der Entscheidung des EuGH zur Rechtssache CDC Hydrogen Peroxide mündeten.11 Im Jahr 2015 hat das OLG München mit seiner Pechstein-Entscheidung eine weitere Möglichkeit der Überschneidung zwischen Kartellrecht und Schiedsverfahrensrecht aufgetan: Die Kontrolle der Schiedsvereinbarung am Maßstab des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots.12 Während der mögliche Einfluss des Kartellverbots auch auf Schiedsvereinbarungen bereits seit längerem erkannt war13, hatte an das Missbrauchsverbot in Bezug auf die Schiedsvereinbarung bisher noch niemand so recht gedacht.14 Ausgangspunkt des Falls waren eigentlich gar nicht kartellrechtliche Probleme. In der Sache ging es um zwei bereits seit langem diskutierte Fragen. Erstens ging es um die Frage, ob und inwieweit das Fordern einer Schiedsvereinbarung in einer Situation starken Ungleichgewichts zwischen den Parteien zulässig ist. Zweitens um die Frage, wie sich die Vereinbarung eines strukturell nicht ganz unabhängigen Gerichts auswirkt. Dies waren schon immer Fragen des Schieds8 Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 251; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 Rn. 211. S. bspw. BGH, Beschl. v. 23.06.2020 – KVR 69/19 – Facebook II, NZKart 2020, 473; BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266; BGH, Urt. v. 24.01.2017 – KZR 2/15 – Kabelanlagen, NZKart 2017, 198; BGH, Urt. v. 24.01.2017 – KZR 47/14 – VBL-Gegenwert II, NZKart 2017, 242. 9 BKartA, Pressemitteilung: Bundeskartellamt untersagt Facebook die Zusammenführung von Nutzerdaten aus verschiedenen Quellen; BKartA, Hintergrundinformationen zur Entscheidung im Facebook-Verfahren; BKartA, Fallbericht zur Entscheidung im Facebook-Verfahren; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.08.2019 – VI-Kart 1/19 (V) – Facebook I, BeckRS 2019, 18837. Nunmehr auch BGH, Beschl. v. 23.06.2020 – KVR 69/19 – Facebook II, NZKart 2020, 473. 10 Geradin, Public Policy and Breach of Competition Law in International Arbitration, verfügbar auf SSRN, S. 2; Motyka-Mojkowski/Kleiner, JECLAP 2017, 457, 462. 11 EuGH, Urt. v. 21.05.2015 – Rs. C-352/13 – CDC Hydrogen Peroxide, ECLI:EU: C:2015:335; LG Dortmund, Urt. v. 13.09.2017 – 8 O 30/16 (Kart), NZKart 2017, 604. Vgl. unten Kapitel 4 bei Fn. 495. 12 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40. 13 Ausführlich bspw. Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 54 ff. 14 Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 81.

Einleitung

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verfahrensrechts, die verfassungsrechtlich intendiert waren. Ein neues Maß an Komplexität haben die Fragen durch die Erkenntnis des OLG München bekommen, dass auch das Kartellrecht mit seinem Missbrauchsverbot gewillt sein könnte, sie zu beantworten. Denn zu den zuvor tangierten zwei Regelungsbereichen des Schiedsverfahrens- und des Verfassungsrechts, die es zu vereinbaren galt, trat – neben dem Sportrecht – das Kartellrecht hinzu. Die Komplexität lässt sich durch die Anwendbarkeit mehrerer nationaler Rechtsordnungen noch weiter steigern. Der Fall Pechstein hat nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern gerade auch im juristischen Schrifttum ein breites Echo hervorgerufen. Zahlreiche Stimmen haben sich zu den einzelnen Entscheidungen und den zugrundeliegenden Problemen geäußert.15 Hierunter Schiedsverfahrensrechtler, Sportrechtler, Kartellrecht15 Zur erstinstanzlichen Entscheidung u. a.: LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100; Adolphsen, Legal Tribune ONLINE vom 28.02.2014; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216; Handschin/Schütz, SpuRt 2014, 179; Heermann, SchiedsVZ 2014, 66; Monheim, SpuRt 2014, 90; Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280; Orth, NJW 2014, 14; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161; Schulze, SpuRt 2014, 139. Zur Berufungsentscheidung u. a.: OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40; Bleistein/Degenhart, NJW 2015, 1353; Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112; Duval/van Rompuy, The compatibility of forced CAS arbitration with EU competition law, verfügbar auf SSRN; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2015, 69; Eckel/Richter, WuW 2015, 1078; Eckert/Wisser, causa sport 2015, 238; Haus/Heitzer, NZKart 2015, 181; Heermann, SchiedsVZ 2015, 78; Heermann, WRP 2015, 1047; Heermann, WRP 2015, 1172; Heermann, WRP 2015, 1288; Heermann, JZ 2015, 362; Kluth, GWR 2015, 83; Lehner, causa sport 2015, 130; Nordmann/Förster, WRP 2016, 312; Paulsson, SchiedsVZ 2015, 263; Rombach, SchiedsVZ 2015, 105; Roth, DisputeResolution Magazin vom 18.03.2015; Scherrer/Muresan/Ludwig, SchiedsVZ 2015, 161; Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257; Stancke, SpuRt 2015, 46; Voser/Mamane/Boehm, Kluwer Arbitration Blog vom 22.01.2015; Weyer, IBR 2015, 1079; Zimmermann, ZWeR 2016, 66. Zur Revisionsentscheidung u. a.: BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266; Adolphsen, Legal Tribune ONLINE vom 07.06.2016; Bunte, WuW 2016, 366; Bunte, EWiR 2016, 415; Duve, BB 2016, Heft 26 I.; Haus, NZKart 2016, 366; Heermann, sport-recht.org vom 31.05.2016; Heermann, WRP 2016, 1022; Heermann, Iurratio 2016, 94; Heermann, NJW 2016, 2224; Kröll, npoR 2016, 275; Lambertz, jM 2016, 316; Longrée/Putzier, MDR 2019, 391; Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237; Michaelis, SchiedsVZ 2019, 331; Morgenroth, ZStV 2016, 207; MotykaMojkowski/Kleiner, JECLAP 2017, 457; Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25; Orth, ZWeR 2018, 382; Podszun, JZ 2017, 208; Prütting, SpuRt 2016, 143; Reinholz, HÄRTING.sport vom 07.06.2016; Rombach, SchiedsVZ 2016, 276; Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426; Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807. Zur Entscheidung des EGMR bspw.: Blandfort, SchiedsVZ 2019, 120. Im Vorgriff auf die Entscheidung des BVerfG (dort anhängig unter Az. 1 BvR 2103/16) bspw.: Thöne, SchiedsVZ 2020, 176. Monografien u. a.: Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit; Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport; Jahnke, Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Schiedsgerichtsbarkeit; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit; Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders.

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Einleitung

ler und Verfassungsrechtler. Dass sich Autoren vierer verschiedener Professionen des Rechts zu Wort gemeldet haben, lässt die Komplexität der zugrundeliegenden Fragen, die gewissermaßen Fragen jedes einzelnen dieser Rechtsgebiete sind, bereits erahnen. Die vorliegende Arbeit will einen Beitrag zur wissenschaftlichen Durchdringung dieses sehr komplexen Verhältnisses16 von Schiedsverfahrensrecht und Kartellrecht leisten.

16 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 11.12.2014 – Rs. C-352/13 – CDC Hydrogen Peroxide, ECLI:EU:C:2014:2443, Rn. 101.

Kapitel 1

Ausgangspunkt und Anlass der Arbeit Anlass für diese Arbeit waren die in der Rechtssache Pechstein im Jahr 2014, 2015 und 2016 ergangenen Entscheidungen des LG München I, des OLG München und des BGH. Wegen ihrer großen Bedeutung und zum besseren Verständnis der nachfolgenden Überlegungen werden die Entscheidungen und der ihnen zugrundeliegende Sachverhalt der Rechtssache Pechstein im Folgenden kurz dargestellt.1 Dies vorausgeschickt, wird sodann der Untersuchungsgegenstand eingegrenzt.

§ 1 Die Rechtssache Pechstein – Zusammenfassung Der Sachverhalt in der Rechtssache Pechstein ist in seiner Grundkonstellation ein gutes Beispiel dafür, in welchen Fällen es zu einem Zusammentreffen von allgemeinem Zivil- und Kartellrecht einerseits sowie Schiedsverfahrensrecht andererseits kommen kann.

A. Sachverhalt und erstinstanzliche Entscheidung des LG München I vom 26.02.2014 Claudia Pechstein ist eine international erfolgreiche deutsche Eisschnellläuferin, die ihren Lebensunterhalt mit diesem Sport verdient.2 Sie selbst ist Mitglied eines Vereins, der seinerseits Mitglied der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft e.V. (DESG) ist. Die DESG wiederum ist ihrerseits Mitglied der International Skating Union (ISU). Anfang des Jahres 2009 nahm Claudia Pechstein an der Weltmeisterschaft im norwegischen Hamar teil, die von der ISU ausge1 Weil die vorliegende Arbeit die Rechtssache Pechstein lediglich zum Anlass nimmt, sich mit der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen zu befassen (s. u. Kapitel 1 bei Fn. 54), wird auf die Darstellung der (zweiten) Entscheidung des BGH zur von Pechstein eingelegten Anhörungsrüge (BGH, Beschl. v. 12.07.2016 – KZR 6/15 (erhältlich in juris)) sowie der Entscheidung des EGMR verzichtet (EGMR, Urt. v. 02.10.2018 – 40575/10, 67474/10 – Mutu u. Pechstein, BeckRS 2018, 23523). Unter Az. 1 BvR 2103/16 ist eine Verfassungsbeschwerde Pechsteins beim BVerfG anhängig. 2 Zur ganz ausführlichen Sachverhaltszusammenfassung s. LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100 ff.; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2015, 69 f. oder Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 26 ff.

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Kap. 1: Ausgangspunkt und Anlass der Arbeit

richtet wurde. Im Vorfeld der Teilnahme hatte die Athletin – wie es üblich ist – eine vorformulierte Wettkampfmeldung der ISU unterzeichnet. Ohne Unterzeichnung dieser Wettkampfmeldung wäre sie zur Teilnahme an der Weltmeisterschaft nicht zugelassen worden. Die Wettkampfmeldung enthielt eine Schiedsklausel. Diese Schiedsklausel begründete sowohl die Zuständigkeit der Disziplinarkommission der ISU als auch die des Court of Arbitration for Sport (CAS) mit Sitz in Lausanne.3 Auch mit der DESG hatte Claudia Pechstein eine Athletenvereinbarung geschlossen. Auch diese enthielt eine Schiedsvereinbarung und sah parallel zu derjenigen mit der ISU die Zuständigkeit eines verbandseigenen Disziplinarrats und des Sportschiedsgerichts der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) vor. Beide vorgenannten Verbände sind monopolistisch nach dem sogenannten „Ein-Platz-Prinzip“ organisiert.4 Eine im Zuge der Weltmeisterschaft bei Claudia Pechstein entnommene Blutprobe ergab den Verdacht des Blutdopings.5 Deshalb leitete die ISU ein Diszipli-

3 Der vollständige Wortlaut der Schiedsklausel ist bei LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100 f. wie folgt zitiert, wobei „Die Beklagte zu 2“ die ISU war: „Ich/Wir, der/die Unterzeichner(in) I) anerkenne die [Satzung der Beklagten zu 2)], die die Zuständigkeit der [Disziplinarkommission der Beklagten zu 2)] begründet (Artikel 24) und die den Court of Arbitration for Sports (CAS), in Lausanne, Schweiz als das Schiedsgericht für den Erlass von endgültigen und bindenden Schiedssprüchen betreffend die [Beklagte zu 2)], ihre Mitglieder und alle Teilnehmer an Veranstaltungen der [Beklagten zu 2)] unter vollständigem Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit anerkennt (Artikel 25 und 26).“ Der Inhalt der dort zitierten Artikel 25 und 26 ist an bezeichneter Stelle ebenfalls ausgeführt. 4 LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100. „Ein-Platz-Prinzip“ bedeutet, dass es auf jeder Ebene nur einen Verband gibt: Einen internationalen, einen deutschen und einen regionalen Verband. Die nachrangigen Verbände sind regelmäßig Mitglied des Verbandes auf der höheren Ebene. Jeder Verband trägt Wettkämpfe auf seiner Ebene aus. S. auch Eichel, ZZP 2016, 327, 328; Hail, Spitzensport im Licht des Europäischen Kartellrechts, S. 153; Hülskötter, Die (Un-) Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 24 ff.; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 28 f.; Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 56 ff.; Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 809. 5 Die Blutprobe zeigte eine Erhöhung der Retikulozytenwerte. Als Retikulozyten bezeichnet man die Vorstufe der roten Blutkörperchen, der sogenannten Erythrozyten, die Sauerstoff von der Lunge zu den Muskeln transportieren. Aus dem Knochenmark wandern Retikulozyten in das Blut, wo sie innerhalb weniger Tage zu Erythrozyten reifen. Abweichungen von den Regelwerten in beide Richtungen können ein Hinweis auf Doping sein. Eigenblut-Doping kann beispielsweise zu einer Verringerung der Retikulozyten-Werte führen. Die Einnahme des Dopingmittels Erythropoetin, besser bekannt als Epo, hingegen erhöht den Wert. Viele Sportverbände haben deshalb untere und obere Grenzwerte eingeführt, bei deren Unter- oder Überschreiten sie den Anfangsverdacht des Dopings begründet sehen. S. hierzu bspw. FAZ-Online vom 25.11.2009; siehe bei Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 26 in Fn. 4 für die Grenzwerte der ISU und die konkreten Werte bei Claudia Pechstein.

§ 1 Die Rechtssache Pechstein – Zusammenfassung

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narverfahren gegen Claudia Pechstein vor ihrer Disziplinarkommission ein. Die gegen sie vorgebrachten Indizien konnte Claudia Pechstein nicht entkräften6, weshalb Ergebnis des Verfahrens eine zweijährige Sperre wegen Dopings, die Annullierung der in den Wettkämpfen während der WM erzielten Ergebnisse und die Aberkennung der Punkte, Preise und Medaillen war7. Der Schiedsklausel entsprechend griff Claudia Pechstein die Sperre zunächst vor dem CAS an. Zum damaligen Zeitpunkt galten für den CAS die Statutes of the Bodies Working for the Settlement of Sports-Related Disputes in der Fassung von 2004 (CAS-Statutes 2004). Nach Art. R33 dieser CAS-Statutes 2004 konnte Schiedsrichter nur sein, wer auf eine geschlossene Schiedsrichterliste nominiert worden war. Diese Nominierung erfolgte durch den International Council of Arbitration for Sport. Dabei wurden der Schiedsrichter auf Vorschlag des Internationalen Olympischen Komitees, auf Vorschlag der Internationalen Sportverbände, auf Vorschlag der Nationalen Olympischen Komitees, aus den Reihen unabhängiger Personen und unter Berücksichtigung der Interessen der Athleten ernannt (Art. S1, S14 CAS-Statutes 2004).8 Nachdem der CAS die von der Disziplinarkommission der ISU verhängte Disziplinarmaßnahme bestätigt hatte9, wandte sich Claudia Pechstein zunächst per Rechtsbeschwerde10, dann per Revision11 an das Schweizerische Bundesgericht. Auch hier blieb sie aber erfolglos und die Sperre bestehen. Im Jahr 2009 gelang es Claudia Pechstein dann aber ein Gutachten vorzulegen, welches auf Grundlage neuer Untersuchungsmethoden belegte, was sie immer behauptet hatte, nämlich, dass Ursache ihrer erhöhten Retikulozytenwerte nicht Doping war. Vielmehr kam das Gutachten zu dem Ergebnis, Claudia Pechstein 6

Die Wettkampfmeldung enthielt ebenfalls einen Hinweis auf die Geltung der AntiDoping-Regeln der ISU. Diese Regeln basierten im Wesentlichen auf dem Code der Welt-Anti-Doping-Agentur und enthielten die Möglichkeit einer indirekten Beweisführung zum Nachweis von Doping. Eine solche Beweisführung ermöglicht es, Sanktionen wegen Dopings nicht erst beim Nachweis einer bestimmten Substanz oder einer konkreten Manipulation zu erlassen. Ausreichend sind vielmehr bereits Indizien, die den Rückschluss auf Doping zulassen, etwa erhöhte Retikulozytenwerte, vgl. LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 101. 7 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40. 8 Zum gesamten Absatz vgl. LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 101. 9 CAS, Schiedsspruch v. 25.11.2009 – CAS 2009/A/1912 & 1913 – Pechstein & DESG v. ISU. 10 Beschwerde gemäß Art. 190 Abs. 2 des schweizerischen Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht vom 18.12.1987 (IPRG), entspricht dem Aufhebungsverfahren des deutschen Rechts gemäß § 1059 ZPO. Schweizerisches Bundesgericht, Bundesgerichtsent. v. 10.02.2010 – 4A_612/2009, SIARL 2010, 4. 11 Schweizerisches Bundesgericht, Bundesgerichtsent. v. 28.09.2010 – 4A_144/2010, SIARL 2010, 4.

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Kap. 1: Ausgangspunkt und Anlass der Arbeit

leide unter einer Erbanomalie, die Ursache der erhöhten Retikulozytenwerte sei.12 Deshalb wandte sie sich daraufhin vor dem LG München I unter anderem13 gegen die ISU und machte Ansprüche auf Feststellung der Rechtwidrigkeit der ursprünglichen Sperre, auf Schadensersatz für alles, ihr in den zwei Jahren der Sperre Entgangene, und auf Feststellung zur Verpflichtung zum Ersatz künftig entstehender Schäden geltend.14 Im Prozess vor dem LG München I erhoben die Beklagten jeweils – unter anderen Einreden15, auf die es hier aber nicht ankommt – die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO und machten darauf aufmerksam, dass insoweit bereits eine Entscheidung des CAS bestünde.16 Das Gericht hatte deshalb zunächst die Frage der Existenz und Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien und die Frage nach einer Rechtskrafterstreckung des bereits ergangenen Schiedsspruchs des CAS zu klären. Die Klägerin, Claudia Pechstein, wandte sich gegen die Wirksamkeit der zwischen ihr und den Verbänden geschlossenen Schiedsvereinbarungen, insbesondere mit dem Argument, dass sie die Schiedsvereinbarung nicht freiwillig geschlossen habe. Sie sei dazu faktisch gezwungen gewesen, um an den Wettkämpfen teilnehmen und so ihren Beruf ausüben zu können.17 Im Ergebnis folgte das LG München I der Argumentation Pechsteins und hielt die zwischen ihr und der ISU geschlossene Schiedsvereinbarung aufgrund des zwischen ihr und der ISU bestehenden strukturellen Ungleichgewichts und des daraus für Claudia Pechstein resultierenden Zwangs zum Abschluss der Schieds12 Vgl. LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 102. Die Richtigkeit der Erkenntnisse wurde von der ISU bestritten. 13 Im Verfahren vor dem LG München I richtete sich die Klage auch gegen die DESG. In Berufungs- und Revisionsinstanz dann nur noch gegen die ISU. Für die Arbeit hat dies keine Relevanz. 14 LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 102. 15 Im Rahmen der Zulässigkeit war insbesondere noch die Frage der Zuständigkeit der deutschen Gerichte streitig. Diese Frage bleibt hier außer Betracht. Claudia Pechstein stützte die internationale Zuständigkeit gegen die ISU auf Art. 6 Nr. 1 des Luganer Übereinkommens vom 30.10.2007. Die ISU war der Ansicht, die Klage gegen die DESG sei nur erhoben worden, um die Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu begründen. In der Berufungsinstanz war die DESG dann auch nicht mehr Mitbeklagte. S. hierzu LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 103 f.; OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 41 f.; BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2267 f., Rn. 15 ff. 16 LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 103. 17 LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 102.

§ 1 Die Rechtssache Pechstein – Zusammenfassung

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vereinbarung für unwirksam und nichtig.18 Deshalb war zwar die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit zurückzuweisen. Die Klage wies das LG im Ergebnis dann aber aufgrund der entgegenstehenden Rechtskraft des Schiedsspruchs des CAS ab und begründete dies insbesondere damit, Claudia Pechstein habe sich rügelos auf das Schiedsverfahren eingelassen.19

B. Berufungsentscheidung des OLG München vom 15.01.2015 Gegen die erstinstanzliche Entscheidung legte Claudia Pechstein Berufung vor dem OLG München ein. Wie schon das LG war es der Ansicht, die Schiedsvereinbarung zwischen Claudia Pechstein und der ISU sei unwirksam. Entgegen dem LG jedoch meinte das OLG, der Schiedsspruch des CAS entfalte keine Rechtskraft, weshalb es die Klage für zulässig hielt.20 Beides – und das war das entscheidend Neue – begründete das OLG damit, dass die ISU sich als marktbeherrschendes Unternehmen missbräuchlich verhalten habe. Zwar stelle nicht bereits das Verlangen einer Schiedsvereinbarung durch den Ausrichter internationaler Sportwettkämpfe schlechthin einen Missbrauch von Marktmacht dar. Denn es fehle auch bei marktbeherrschenden Sportverbänden an einem den Willen der Sportler ausschließenden Zwang, weshalb nicht generell von einem unfreiwilligen Abschluss der Schiedsvereinbarung ausgegangen werden könne.21 Allerdings stelle das Verlangen der Zustimmung zu der Schiedsklausel zugunsten des CAS einen Missbrauch von Marktmacht dar. Denn es sei davon auszugehen, dass eine Zustimmung zu einer Schiedsklausel zugunsten des CAS bei wirksamem Wettbewerb nicht abgegeben worden wäre. Denn diese verleihe durch eine einseitige Ausgestaltung der Schiedsrichterbestellung den beteiligten Verbänden ein Übergewicht bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts in Streitigkeiten mit Athleten, was von denen nur hingenommen werde, weil ihnen andere Möglichkeiten zur Teilnahme an internationalen Sportveranstaltungen 18 LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 104. 19 LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 108 f. Ob es in einem solchen Fall wirklich auf eine rügelose Einlassung ankommen kann ist streitig, s. nur Hammer, in: FS Schütze, S. 141; Monheim, SpuRt 2014, 90, 93; Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280, 285 ff.; Schulze, SpuRt 2014, 139, 142 f. 20 Das OLG hielt die Klage genaugenommen nur teilweise für zulässig. Die Unzulässigkeit eines auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der verhängten Dopingsperre gerichteten Klageantrags, ergab sich nach Ansicht des OLG daraus, dass Gegenstand des Feststellungsantrags kein Rechtsverhältnis war, s. OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 46. Das ist für die hier behandelte Frage jedoch nicht von Belang und bleibt deshalb außer Betracht. 21 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 43.

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Kap. 1: Ausgangspunkt und Anlass der Arbeit

fehlten.22 Für dieses Ungleichgewicht gebe es auch keine sachliche Rechtfertigung. Insbesondere könne ein Interessengleichlauf von Verbänden und Athleten das Übergewicht der Verbände nicht rechtfertigen. Denn gerade bei Streitigkeiten zwischen Verband und Athlet, in denen der CAS angerufen wird, bestehe ein solcher Interessengleichlauf gerade nicht. Vielmehr stünden sich die Interessen der Streitparteien konträr gegenüber.23 Auch könne der Schiedsspruch des CAS keine entgegenstehende Rechtskraft begründen. Denn eine Anerkennung komme nicht in Betracht, weil sich andernfalls der Missbrauch der Monopolstellung der ISU perpetuieren würde, was dem Zweck des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots zuwiderliefe.24

C. Revisionsentscheidung des BGH vom 07.06.2016 Gegen die Entscheidung des OLG München legte die ISU dann wiederum Revision zum BGH ein. Zwar blieb der BGH in seiner Entscheidung beim kartellrechtlichen Ansatz des OLG, ohne sich damit aber dem Grunde nach auseinandergesetzt zu haben, verneinte im Ergebnis aber einen Missbrauch, hielt die Schiedsvereinbarung daher für wirksam und die Klage wegen der Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO für unzulässig25. Bereits das OLG hatte in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit ohnehin nur wirksam erhoben werden kann, wenn es sich bei dem in der Schiedsvereinbarung benannten CAS um ein „echtes“ Schiedsgericht handelte. Zwar hatte das OLG hieran aufgrund des „nicht paritätisch[en] Einfluss[es]“ auf die Besetzung des Schiedsgerichts Zweifel angedeutet, die Frage dann aber offengelassen, weil es die Schiedsvereinbarung ohnehin für unwirksam hielt.26 Der BGH, der die Schiedsvereinbarung im Ergebnis für wirksam hielt, musste sich der Frage nunmehr annehmen. Dabei stellte er nochmal deutlich heraus, dass der ordentliche Rechtsweg nur zugunsten eines „echten“ Schiedsgerichts ausgeschlossen werden könne. Um ein solches handle es sich nur dann, wenn das zur Entscheidung berufene Schiedsgericht eine unabhängige und neutrale Instanz darstelle.27 Der CAS sei ein solches „echtes“ 22 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 44. 23 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 45. 24 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 46. 25 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268, Rn. 22. 26 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 42, II. 27 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268, Rn. 24 m.w. N. zur Rspr.

§ 1 Die Rechtssache Pechstein – Zusammenfassung

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Schiedsgericht. Auch das Verfahren zur Erstellung der Schiedsrichterliste des CAS begründe kein strukturelles Ungleichgewicht, das die Unabhängigkeit und Neutralität des CAS in einem Maße beeinträchtige, dass die Stellung als „echtes“ Schiedsgericht in Frage stünde.28 An einer für die Einordnung als „echtes“ Schiedsgericht notwendigen Qualifikation des Schiedsgerichts als unabhängig, fehle es zwar, wenn die Mitglieder des Spruchkörpers allein oder überwiegend von einer Partei bestimmt würden oder wenn die Streitbeteiligten keinen paritätischen Einfluss auf die Besetzung des Spruchkörpers hätten. Hatte das OLG gerade hier das Problem gesehen29, stellte der BGH allerdings klar, dass das Problem nicht beim Einfluss auf die Besetzung des Spruchkörpers liegen könne. Denn, weil es nach den Verfahrensregeln des CAS beiden Parteien oblegen habe, jeweils einen Schiedsrichter von der Schiedsrichterliste auszuwählen, hätten beide Seiten auf die Besetzung des konkreten Spruchkörpers ja gleichen Einfluss.30 Wenn überhaupt ginge es um den Einfluss auf die Erstellung der Schiedsrichterliste. Eine Schiedsrichterliste an sich sei solange nicht zu beanstanden, wie hierdurch nicht ein Übergewicht einer Partei institutionalisiert werde oder das Gremium, das einen maßgeblichen Einfluss auf die Erstellung der Schiedsrichterliste habe, einer der Parteien näher stehe als der anderen, also gleichsam einem bestimmten „Lager“ zuzurechnen sei.31 Diese beiden, für die Schiedsrichterliste aufgestellten, Kriterien prüfte der BGH sodann. Beide verneinte er. Einerseits manifestiere sich in der Schiedsrichterliste keine Institutionalisierung eines Übergewichts eines bestimmten, an einem konkreten Verfahren beteiligten Sportverbandes. Denn der jeweils an einem Verfahren beteiligte Sportverband habe lediglich mittelbaren Einfluss auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste, es handle sich jedoch nicht um bestimmenden Einfluss.32 Zwar erkannte der BGH an, dass den Sportverbänden und den Olympischen Komitees in ihrer Gesamtheit der maßgebliche Einfluss auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste zukam. Aus dieser Tatsache könne sich ein Übergewicht des am konkreten Verfahren beteiligten Verbands gegenüber einem Athleten bei der Schiedsrichterbestimmung jedoch nur dann ergeben, wenn

28 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268, Rn. 25 f. 29 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 42, II. 30 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268 f., Rn. 30; vgl. Heermann, Iurratio 2016, 94, 95; Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 34; kritisch, dem BGH eine nicht ausreichende Würdigung der CAS-Statuten vorwerfend bspw. Eichel, ZZP 2016, 327, 342. 31 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268 f., Rn. 30. 32 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269, Rn. 31.

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Kap. 1: Ausgangspunkt und Anlass der Arbeit

sich „Verbände“ und „Athleten“ grundsätzlich als von gegensätzlichen Interessen geleitete Lager gegenüberstünden. Dies sei aber gerade nicht der Fall.33 Denn das Interesse an einem dopingfreien Sport sei bei Verbänden und Athleten im Grunde deckungsgleich. Im Ergebnis sei es deshalb nicht möglich, einem einzelnen Sportverband alle anderen Sportverbände zuzurechnen, mit der Konsequenz, dass sich ein Übergewicht zu Lasten der Athleten ergebe.34 Im Übrigen gewährleiste die Verfahrensordnung des CAS dann auch eine ausreichende individuelle Unabhängigkeit und Neutralität der Schiedsrichter.35 Nach alledem handle es sich deshalb beim CAS um ein „echtes“ Schiedsgericht. Sodann beschäftigte sich der BGH mit der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung gemessen am kartellrechtlichen Missbrauchsverbot des § 19 GWB36, obwohl die Schiedsvereinbarung eigentlich schweizerischem Recht unterlag37. Die Anwendbarkeit des deutschen kartellrechtlichen Missbrauchsverbots begründete der BGH, wie schon das OLG38, mit Art. 34 EGBGB39, nach dem die vertraglich nicht abdingbaren Vorschriften des deutschen Rechts anzuwenden sind, die den Sachverhalt ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht international zwingend regeln. Hierzu gehörten auch die kartellrechtlichen Bestimmungen.40 Die ISU sei Normadressatin des § 19 GWB. Denn beim Angebot von Sportveranstaltungen handle es sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit auf dem sachlich relevanten Markt der Durchführung von Weltmeisterschaften im Eisschnelllauf, auf dem sie aufgrund des Ein-Platz-Prinzips Monopolistin sei.41 Allerdings stelle es seitens der ISU keinen Missbrauch von Marktmacht dar, wenn diese die Teilnahme eines Athleten an einem Sportwettkampf von der Unterzeichnung einer Schiedsvereinbarung abhängig mache, in der der CAS als Schiedsgericht vorgesehen sei. Insoweit komme es auch nicht darauf an, ob 33

BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269, Rn. 32. BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269, Rn. 32 f. 35 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269, Rn. 34. 36 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270, Rn. 43. 37 LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 105. 38 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 42, 3. a) aa). 39 Art. 34 EGBGB ist mit dem Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 25.06.2009, in Kraft getreten am 17.12.2009 (BGBl. I 2009 S. 1574, Art. 1 Nr. 4) aufgehoben worden. Auf die am 02. Januar 2009 geschlossene Schiedsvereinbarung war Art. 34 EGBGB aber noch anwendbar (BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270, Rn. 44; vgl. BGH, Urt. v. 03.05.2011 – XI ZR 373/08, NJW-RR 2011, 1350, 1353, Rn. 38). 40 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270, Rn. 44. 41 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270, Rn. 45. 34

§ 2 Untersuchungsgegenstand

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das Verlangen des Abschlusses der Schiedsvereinbarung letztlich an der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB oder dem Konditionenmissbrauch des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB zu messen sei. Denn die von beiden Tatbeständen verlangte Interessenabwägung ergäbe, dass ein missbräuchliches Verlangen nicht vorliege. Innerhalb dieser Interessenabwägung überprüft der BGH dann, die Vereinbarkeit des Verlangens der Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS mit dem Anspruch Claudia Pechsteins auf Justizgewährung, ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG und ihren Rechten aus Art. 6 EMRK.42 Dabei kam er dann zum Ergebnis, dass das Verlangen einer Schiedsvereinbarung, die den CAS als Schiedsgericht vorsehe, jedenfalls durch sachliche Gründe gerechtfertigt sei und nicht den allgemeinen gesetzlichen Wertentscheidungen widerspreche.43 Deshalb, so der BGH, kann sich die Nichtigkeit auch nicht aus § 138 BGB ergeben.44 Für dieses Ergebnis essentiell war die Erkenntnis des BGH, dass allein die Monopolsituation nicht gleichsam zu einem unfreiwilligen Abschluss der Schiedsvereinbarung führt.45 Mit nur zwei Sätzen erwähnt der BGH Art. 102 AEUV. Aus ihm ergebe sich nichts anderes, weil die Interessenabwägung wie im Rahmen des § 19 GWB zu keiner missbräuchlichen Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung führe. Die Frage, ob im konkreten Fall § 19 GWB oder aber Art. 102 AEUV maßgeblich ist, ließ der BGH offen.46

§ 2 Untersuchungsgegenstand Mit dem OLG München in dessen Pechstein-Entscheidung hat erstmals ein deutsches Gericht die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung am Maßstab des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots gemessen.47 Die der Entscheidung zugrundeliegenden Probleme waren hingegen nicht neu. Gestritten wurde im Wesentlichen um die Auswirkungen insbesondere auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung von zwei Dingen: Erstens, eines sich aus der Unterlegenheit gegenüber dem Sportverband und der Angewiesenheit auf den Vertragsschluss ergebenden faktischen Zwangs der Sportlerin Pechstein zum Abschluss der Schiedsvereinbarung. Zweitens, einer sich aus der Inbezugnahme 42 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270, Rn. 48. Siehe hierzu auch EGMR, Urt. v. 02.10.2018 – 40575/10, 67474/10 – Mutu u. Pechstein, BeckRS 2018, 23523. 43 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270, Rn. 48. 44 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270, Rn. 48. 45 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2271, Rn. 53. 46 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2273, Rn. 66. 47 Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 81; vgl. Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 116 („eine neue Wendung“); Motyka-Mojkowski/Kleiner, JECLAP 2017, 457, 460 („innovative legal approach“).

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Kap. 1: Ausgangspunkt und Anlass der Arbeit

der Regeln des CAS ergebenden vermeintlich unfairen Besetzungsvereinbarung hinsichtlich des Schiedsgerichts.48 Hatte man zuvor versucht, eventuelle problematische Vereinbarungen über die privatrechtlichen Generalklauseln zu lösen49, bediente sich das OLG München des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots und ließ die Schiedsvereinbarung zwischen der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein und der ISU, die in einer Athletenvereinbarung zwischen den Parteien enthalten war50, an § 19 GWB scheitern.51 Hintergrund der Anwendung des Missbrauchsverbots waren wohl eher praktische denn rechtliche Erwägungen des OLG. Denn das deutsche Recht war auf die Schiedsvereinbarung eigentlich nicht anwendbar. Über das Kartellrecht als zwingendem Eingriffsrecht, welches das OLG ohne Rücksicht auf das eigentlich maßgebliche Recht anwenden konnte, bot sich eine Möglichkeit, das gewünschte Ergebnis zu erreichen.52 Die Entscheidungen in der Rechtssache Pechstein haben ein breites Echo im rechtswissenschaftlichen Schrifttum hervorgerufen.53 Bei genauerer Betrachtung der von Literatur und Rechtsprechung geführten Diskussion fällt auf, dass ein ums andere Mal die beiden Problempunkte – faktischer Zwang und Besetzungsverfahren des Schiedsgerichts – miteinander und mit weiteren Fragen insbesondere des Schiedsverfahrensrechts vermischt werden. Ursache dessen ist unter anderem eine mangelnde oder nicht konsequente Berücksichtigung der schiedsverfahrensrechtlichen Systematik, insbesondere der dem Schiedsverfahrensrecht zugrundeliegenden Trennung zwischen der Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarungen sowie der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Wirksamkeitskontrolle. Darüber hinaus wird die zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung notwendige Freiwilligkeit oftmals falsch verstanden, was wiederum darauf beruht, dass aus der historischen Entwicklung des Schiedsverfahrensrechts durch das 1998 in Kraft getretene SchiedsVfG nicht die richtigen oder gar falsche Schlüsse gezogen werden. Die vorliegende Arbeit nimmt deshalb die Rechtssache Pechstein zum Anlass, sich nochmals grundlegend mit der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinba48

S. o. Kapitel 1 § 1 A. Ausführlich Kapitel 3 § 3 A. und B. 50 Inhalt der Athletenvereinbarung ist typischerweise auch eine Schiedsvereinbarung, deren Abschluss von den Verbänden als Bedingung für die Kaderberufung gefordert wird, s. Bleistein/Degenhart, NJW 2015, 1353; Eichel, ZZP 2016, 327, 329; Monheim, SpuRt 2014, 90, 91; Tyrolt, Sportschiedsgerichtsbarkeit und zwingendes staatliches Recht, S. 44. 51 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40. 52 Diesen Verdacht äußert zu Recht Eichel, ZZP 2016, 327, 335. Vgl. auch Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 178. 53 S. o. Einleitung in Fn. 15. 49

§ 2 Untersuchungsgegenstand

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rungen unter besonderer Berücksichtigung der in der Rechtssache Pechstein aufgeworfenen Wirksamkeitsprobleme zu befassen.54 Dabei sollen die sich bei der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarung ergebenden Fragen insbesondere dogmatisch eingeordnet werden. Dies kann rein aus Gründen des Umfangs nicht für sämtliche Wirksamkeitskontrollen geschehen. Die Arbeit konzentriert sich deshalb auf die Situationen, in denen die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung allein aufgrund ihres Abschlusses oder aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltungen in Frage steht. Materiell-rechtlich vollziehen sich dahingehende Kontrollen insbesondere über die allgemeine Sittenwidrigkeitskontrolle des § 138 BGB sowie die spezielle AGBKontrolle des § 307 BGB. Erstmals hat das OLG München in der Rechtssache Pechstein auch § 19 GWB in seiner Ausprägung des Konditionenmissbrauchs zur dahingehenden Kontrolle von Schiedsvereinbarungen herangezogen. Hinsichtlich des § 19 GWB beschränkt sich die Arbeit deshalb ebenfalls auf den Missbrauch in Form des Konditionenmissbrauchs. Nicht im Fokus der Arbeit stehen damit solche Situationen, in denen die Schiedsvereinbarung zwar selbst unwirksam ist, diese Unwirksamkeit aber mittelbar auf der Unwirksamkeit des Hauptvertrags beruht. Abgegrenzt ist damit insbesondere zur Wirksamkeitskontrolle gemäß § 1 GWB und Art. 101 AEUV, auf die nicht eingegangen wird.55 Der Ansatz der Kontrolle von Schiedsvereinbarungen am Maßstab des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots ist bisher weitestgehend unerforscht. Bei der Heranziehung des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots als Maßstab für die Beurteilung von Schiedsvereinbarungen stellen sich eine Vielzahl hochkomplexer und hoch umstrittener Fragen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es nicht, diese kartellrechtlichen Fragen abschließend zu beantworten. Die Arbeit ist keine tiefgreifende Befassung mit dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot, der es bedürfte, um die Frage der Kontrolle von Schiedsvereinbarungen an dessen Maßstab vollumfänglich beantworten zu können.56 Vielmehr befasst sich die Arbeit mit dem Spannungsfeld, das durch das Zusammentreffen der verschiedenen Regelungsbereiche bei der Wirksamkeitskontrolle entsteht.

54 Dabei geht die Arbeit grundsätzlich davon aus, dass der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens i. S. d. § 1043 Abs. 1 ZPO in Deutschland liegt und deshalb gemäß § 1025 Abs. 1 ZPO deutsches Schiedsverfahrensrecht anwendbar ist (Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1025 Rn. 2. S. dort auch zur Möglichkeit einer abweichenden Parteivereinbarung, von der die Arbeit aber nicht ausgeht). Das Recht der Schiedsgerichtsbarkeit ist innerhalb der Europäischen Union Recht des jeweiligen Mitgliedsstaats. Auf nationaler Ebene existieren verschiedene Schiedsverfahrensrechte. Im deutschen Recht enthält die ZPO in den §§ 1025 bis 1066 spezielle Regelungen zur Schiedsgerichtsbarkeit. 55 S. u. Kapitel 3 § 3 C. I. 3. 56 S. u. Kapitel 3 in und bei Fn. 570.

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Kap. 1: Ausgangspunkt und Anlass der Arbeit

Zu untersuchen sein wird dabei auch, welche Rolle der das Besetzungsverfahren des Schiedsgerichts betreffenden schiedsverfahrensrechtlichen Regelung des § 1034 Abs. 2 ZPO im Kontext der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen zukommt. Denn wenn der von § 1034 Abs. 2 ZPO erfasste Mangel im Besetzungsverfahren des Schiedsgerichts gleichzeitig Unwirksamkeitsgrund im Rahmen der hier besprochenen Wirksamkeitskontrollnormen sein kann, dann kommt es zu einem Konflikt der Rechtsfolgen des § 1034 Abs. 2 ZPO mit der der Wirksamkeitskontrollnormen. Diesen gilt es aufzulösen. Gänzlich außer Betracht lässt die Arbeit sportrechtliche Erwägungen, die in der Rechtssache Pechstein ihre Relevanz hatten. Sie befasst sich weder mit der Zulässigkeit oder Sinnhaftigkeit von Schiedsvereinbarungen im internationalen Sportbetrieb57 noch mit besonderen sich aus dem sportrechtlichen Kontext ergebenden Problemen bei der Wirksamkeitskontrolle. Ob es für die Bewertung von Schiedsvereinbarungen im internationalen Sportbetrieb also beispielsweise von Relevanz ist, wenn den Sportverbänden der Abschluss von Schiedsvereinbarungen durch das internationale Übereinkommen gegen Doping im Sport vom 19.10.2005 zwingend vorgegeben sein sollte, lässt die Arbeit außer Betracht.58 Gleiches gilt auch für die Frage, wie sich andere als völkerrechtliche Gründe auf die Anwendbarkeit des Kartellrechts auswirken59, oder für die Frage, ob Sportverbände überhaupt Unternehmen im Sinne des Kartellrechts sind oder sein sollen60.

57 S. zu dieser Frage bspw. Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 142 ff.; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 48 ff. 58 Streitig ist insoweit sowohl die Frage, ob eine solche zwingende Vorgabe zum Ausschluss der Anwendbarkeit des Kartellrechts führen würde, als auch die, ob das Internationale Übereinkommen gegen Doping im Sport vom 19.10.2005 eine solch zwingende Verpflichtung enthält. Siehe hierzu bspw. OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 43, (1) aaa); Adolphsen, in: Adolphsen/Nolte/Lehner/Gerlinger, Sportrecht in der Praxis, Rn. 1150 f.; Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 85; Heermann, SchiedsVZ 2014, 66, 73 f. Uneindeutig, erst offen lassend, dann offenbar doch für eine Berücksichtigung innerhalb der kartellrechtlichen Interessenabwägung BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270, Rn. 47 und S. 2272, Rn. 60. Mit Blick auf das Verhältnis zum Freiwilligkeitserfordernis siehe Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 136 f. 59 In der Rechtssache Pechstein hatten die Parteien darüber gestritten, welche Auswirkungen es auf die Anwendbarkeit des Kartellrechts hat, wenn die ISU zum Abschluss der Schiedsvereinbarung zum Erhalt ihrer Anerkennung durch das Internationale Olympische Komitee faktisch gezwungen ist: OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 43, (1) aaa). Offenbar für eine Berücksichtigung innerhalb der kartellrechtlichen Interessenabwägung BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2272, Rn. 60. 60 Hierzu Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 230 ff.; zweifelnd Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257, 258 ff.

Kapitel 2

Die Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen durch das SchiedsVfG Hintergrund und in Teilen Ursache der Diskussion um die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen, die anlässlich der Rechtssache Pechstein jüngst erneut aufgeflammt ist, sind die vom Gesetzgeber mit dem SchiedsVfG zum Jahr 1998 vorgenommenen Änderungen im Schiedsverfahrensrecht. Ohne ein Verständnis der vom Gesetzgeber mit dem SchiedsVfG hinsichtlich der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen vollzogenen Änderungen lässt sich die Diskussion um die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen im Allgemeinen und um die Schiedsvereinbarung in der Rechtssache Pechstein im Konkreten nicht nachvollziehen. Gleichzeitig sind die Rückschlüsse, die sich aus der Entwicklung und den hinter dieser stehenden Intentionen des Gesetzgebers ergeben, entscheidend für die Beantwortung der in der Diskussion um die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung aufgeworfenen Fragen. Erhebliche Bedeutung kommt der historischen Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG auch bei der Auslegung des heutigen § 1034 Abs. 2 ZPO zu. Es gilt deshalb im ersten Schritt, die durch das SchiedsVfG vollzogene Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen vom alten hin zum heute gültigen Schiedsverfahrensrecht nachzuzeichnen und die hieraus gebotenen Rückschlüsse zu ziehen.

§ 1 Materielle Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen unter altem Schiedsverfahrensrecht: § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. Das geltende deutsche Schiedsverfahrensrecht enthält keine unmittelbaren Regelungen betreffend die materielle Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen.1 Die materielle Wirksamkeit derselben wird vielmehr an verschiedenen Stellen vorausgesetzt,2 ohne dass sich das Schiedsverfahrensrecht zur materiellen Wirksamkeitskontrolle selber aber äußern würde. 1 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 12a; vgl. Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 230. Zur Frage, anhand welcher Regeln die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen unter geltendem Recht zu überprüfen ist, unten Kapitel 2 § 2 D. I. 2. b). 2 Auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung kommt es in verschiedenen Situationen an. So im Rahmen der Aufhebung nach § 1059 ZPO bzw. der Anerkennung oder

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

Vor der Gesetzesänderung durch das SchiedsVfG 1998 existierte mit § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. im Schiedsverfahrensrecht eine eigene Regelung betreffend die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen. Sie lautete: „Der Schiedsvertrag ist unwirksam, wenn eine Partei ihre wirtschaftliche oder soziale Überlegenheit dazu ausgenutzt hat, den anderen Teil zu seinem Abschluß oder zur Annahme von Bestimmungen zu nötigen, die ihr im Verfahren, insbesondere hinsichtlich der Ernennung oder Ablehnung der Schiedsrichter, ein Übergewicht über den anderen Teil einräumen.“ 3

Das § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. zugrundeliegende Phänomen war eine Situation wirtschaftlicher oder sozialer Überlegenheit. Die Norm verhinderte in zweifacher Hinsicht das Ausnutzen einer solchen Überlegenheit zur Abnötigung von Zugeständnissen der unterlegenen Partei in Bezug auf den Schiedsvertrag. Erstens, das Ausnutzen der Übermacht zur Abnötigung des Abschlusses des Schiedsvertrags überhaupt. Zweitens, das Ausnutzen der Übermacht zur Abnötigung der Annahme von Verfahrensbestimmungen im Schiedsvertrag, die die Übermachtstellung der Partei ins Schiedsverfahren transferierten. Rechtsfolge für den Schiedsvertrag war gemäß § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. dessen Unwirksamkeit. Voraussetzung beider Fälle war das Ausnutzen der Überlegenheit, um die andere Partei zu einer der beiden Handlungen zu nötigen. Ein solches Ausnutzen lag nach damals herrschender Meinung vor, wenn die unterlegene Partei den Schiedsvertrag lediglich in der ihrer Meinung nach begründeten Befürchtung abgeschlossen hatte, andernfalls wirtschaftliche oder andere Nachteile zu erleiden.4 Die herrschende Meinung hielt § 1025 Abs. 2 ZPO nur für anwendbar, wenn die überlegene Partei sich ihrer Überlegenheit bewusst war und darüber hinaus auch erkannt hatte, dass nur ihre Überlegenheit und die Befürchtung von Nachteilen die unterlegene Partei zum Abschluss des Schiedsvertrags bewogen hatte.5 Teilweise wurde sogar noch weitergehend verlangt, dass sich die unterlegene Partei erkennbar dem Druck der überlegenen Partei gebeugt hatte.6 Kronstein bezeichVollstreckbarerklärung nach § 1061 ZPO. Ebenso für die Frage der Zuständigkeit des staatlichen Gerichts bzw. des Schiedsgerichts (§ 1032 ZPO). Als Vorfrage kommt es auf sie für das staatliche Gericht im Rahmen der Konstituierungsfragen der §§ 1034 Abs. 2, 1035 Abs. 3 bis 5, 1037 Abs. 3 S. 1, 1038 Abs. 1 S. 2 ZPO sowie bei einem Antrag auf gerichtliche Unterstützungsmaßnahmen nach § 1050 ZPO an (Geimer, IZPR, 8. Aufl. 2020, Rn. 3790 f.). 3 § 1025 Abs. 2 ZPO a. F., eingeführt mit G. v. 27.10.1933, RGBl. I S. 780, 785. 4 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 47. Aufl. 1989, § 1025, 7) B.; Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 213 f.; Kronstein, Das Recht der internationalen Kartelle, S. 346. 5 S. bei Kronstein, Das Recht der internationalen Kartelle, S. 346, m.w. N.; auch Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 213 f. und Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 47. Aufl. 1989, § 1025, 7) B. 6 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 7, 21. Aufl. 1994, § 1025 Rn. 20; vgl. Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 214; Kronstein, Das Recht der internationalen Kartelle, S. 346.

§ 1 Materielle Wirksamkeitskontrolle unter altem Schiedsverfahrensrecht

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nete die Norm wegen dieser Anforderungen als in der Praxis „recht schwerfällig“ 7, Schlosser sprach gar von „Bedeutungslosigkeit des § 1025 Abs. 2 in der Praxis“ 8. Kornblum meinte, in der mangelnden Beweisbarkeit einiger Tatbestandsmerkmale „liegt also das eigentliche Problem des § 1025 Abs. 2 ZPO“.9 Darüber hinaus war dann auch noch umstritten, ob § 1025 Abs. 2 ZPO auf satzungsmäßige Schiedsgerichte i. S. d. § 1048 ZPO a. F. (heute § 1066 ZPO10) Anwendung fand. Die herrschende Meinung bejahte dies zwar.11 Da sich das dem § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. zugrundeliegende Phänomen aber auch damals schon oftmals im Zusammenhang mit satzungsmäßigen Schiedsgerichten zeigte, trug diese Debatte nicht zur besseren Anwendbarkeit der Norm in der Praxis bei.12 Trotz oder wegen der sperrigen Handhabbarkeit des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. wurden allerdings abseits des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. andere Wege diskutiert, mit den dort geregelten Situationen umzugehen. Aber nicht nur die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. waren umstritten. Umstritten war auch die grundsätzliche Auswirkung der § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. zugrunde liegenden Situation eines strukturellen Ungleichgewichts zwischen den Parteien auf den Abschluss einer Schiedsvereinbarung.

A. Der Abschluss von Schiedsvereinbarungen in Situationen strukturellen Ungleichgewichts zwischen den Parteien unter und abseits des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. Im Wesentlichen standen sich zwei gegensätzliche Positionen gegenüber. Die eine Fraktion war der Meinung, schon allein der Einsatz wirtschaftlicher oder sozialer Macht gegenüber der unterlegenen Partei zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung führe zur Unwirksamkeit derselben.13 Abgeleitet wurde diese 7

Kronstein, Das Recht der internationalen Kartelle, S. 346. Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 7, 21. Aufl. 1994, §1025 Rn. 21, auch Schlosser, in: Gottwald, Revision des EuGVÜ – Neues Schiedsverfahrensrecht, S. 188. 9 Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 223. Ebenso Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 233; auch Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 117. 10 Zum Parallelproblem, der Frage der Anwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO n. F. auf § 1066 ZPO n. F. s. u. Kapitel 4 § 1 E. 11 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 560 m.w. N. 12 Kronstein, Das Recht der internationalen Kartelle, S. 346 f. Bejahend bspw. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 4. Aufl. 1990, Kap. 4 Rn. 17 & Kap. 32 Rn. 13. Ebenso Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 560 m.w. N. 13 Nicklisch, BB 1972, 1285, 1288 ff.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 4. Aufl. 1990, Kap. 4 Rn. 15; zurückhaltend, aber wohl auch Maier, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 1. Aufl. 1992, § 1025 Rn. 8; vgl. Haas, ZGR 2001, 325, 331. 8

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

Rechtsfolge teilweise aus § 134 BGB, teilweise aus § 138 BGB14, teilweise aus § 1025 Abs. 2 ZPO15. Im Rahmen des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. entzündete sich der Streit am Tatbestandsmerkmal „nötigen“.16 So ist insbesondere vertreten worden, innerhalb sozialer Monopolverhältnisse – gedacht war damit insbesondere an das Verhältnis zwischen Sportverband und Sportlern – sei der Abschluss einer Schiedsvereinbarung nur dann möglich, wenn die überlegene Partei den Abschluss der Schiedsvereinbarung ausdrücklich freigestellt hätte.17 Teilweise wurde eine zwischen den Parteien geschlossene Schiedsvereinbarung auch nur dann für wirksam gehalten, wenn sie für die unterlegene Partei ein echtes Wahlrecht beinhaltete, sich für einen konkreten Streit an das Schiedsgericht oder die staatliche Gerichtsbarkeit zu wenden.18 Die andere Fraktion sah hinter der strengen Ansicht hinsichtlich des Abschlusses von Schiedsvereinbarungen in Situationen wirtschaftlichen oder sozialen Ungleichgewichts die Vorstellung ihrer Vertreter, die schiedsrichterliche Streitbeilegung sei eine Art bedenklicher Ausnahme im Rechtsschutzsystem, welche die Rechtsordnung nur dann dulden dürfe, wenn die Parteien spontan und einvernehmlich darauf bestanden hätten.19 Tatsächlich aber sei die Schiedsgerichtsbarkeit, sofern auf ein faires und unparteiliches Verfahren ausgerichtet, im Verhältnis zur staatlichen Justiz nicht anders als sonst parteiautonome Gestaltung im Verhältnis zum dispositiven Recht zu bewerten.20 Es sei durchaus nicht immer anstößig, wirtschaftliche Macht einzusetzen, um gewisse Vertragsgestaltungen und insbesondere eine einheitliche Vertragsgestaltung mit einer Vielzahl von Vertragspartnern durchzusetzen. § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. verlange deshalb, um eine Schiedsvereinbarung unwirksam zu machen, wie bei der Erfüllung sonstiger „Nötigungs-“tatbestände auch, dass der eingesetzte wirtschaftliche oder soziale Druck gerade zu diesem Zweck anstößig sei.21 Allein in Bezug auf den Ab14

Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 307. Bspw. Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 101. 16 Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 117; Haas, ZGR 2001, 325, 331; Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 159; ausführlich zur Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 91 ff. 17 Vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 07.02.1989 – 2/13 O 194/88, ZIP 1989, 599, 600; kritisch hierzu Schlosser, EWiR § 1025 ZPO 1/89, 623, 624; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 7, 21. Aufl. 1994, § 1025 Rn. 21; s. auch Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 117. 18 Vollkommer, RdA 1982, 16, 33 f.; so zum neuen Schiedsverfahrensrecht auch LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 105. 19 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 7, 21. Aufl. 1994, § 1025 Rn. 21. 20 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 7, 21. Aufl. 1994, § 1025 Rn. 21; folgend, Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 241. 21 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 7, 21. Aufl. 1994, § 1025 Rn. 21; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 1. Aufl. 1999, § 1025 Rn. 7; vgl. Haas, ZGR 2001, 325, 331; vgl. Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 117. 15

§ 1 Materielle Wirksamkeitskontrolle unter altem Schiedsverfahrensrecht

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schluss einer Schiedsvereinbarung lasse sich ein konkreter Anwendungsfall dafür kaum finden.22 Uneins war man sich ebenfalls bezüglich des dogmatischen Verhältnisses zwischen § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. und den allgemeinen Nichtigkeitsnormen.23 Die wohl herrschende Meinung sah in § 1025 Abs. 2 lediglich eine „sachliche Erweiterung“, gewissermaßen eine Art gesetzgeberisch konkretisierte Fallgruppe des § 138 BGB24, und hielt deshalb eine Anwendung der §§ 134, 138 BGB neben § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. für grundsätzlich zulässig.25 Abgeleitet worden ist dies insbesondere aus der historischen Betrachtung der Norm. § 1025 Abs. 2 ZPO nämlich war mit der Novelle vom 27.10.1933 eingefügt worden. Hintergrund dessen war die Erkenntnis des Gesetzgebers, dass die allgemeinen Bestimmungen keine ausreichende Handhabe böten, um dem Missbrauch der wirtschaftlichen Macht auf dem Gebiet der Schiedsgerichtsbarkeit auch nur annähernd beizukommen.26 Aus dieser Zielsetzung leitete man ab, dass die Anwendung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. keine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 BGB voraussetzte, sondern bereits für weniger weitreichende Fälle eines Übergewichts einer Partei greifen sollte.27 Der BGH hat § 138 BGB neben § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. angewandt28, freilich ohne sich zum Verhältnis der Normen zu äußern29. Teilweise ist daraus geschlossen worden, der BGH – wie auch die wohl herrschende Meinung – die beiden Normen für nebeneinander anwendbar gehalten.30 De facto hat sich der BGH zum Verhältnis der beiden Normen für die Abschlussvariante nie geäußert.31 Im konkreten Fall war es ein Konglomerat an vertraglichen Bestimmungen, die dem einen Teil ein Übergewicht einräumten.32 22

Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 7, 21. Aufl. 1994, § 1025 Rn. 21. Überblick über die Meinungen bei Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 101 ff. S. auch nochmal unten Kapitel 2 § 2 D. I. 2. b). 24 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 202; Mäsch, in: FS Schlosser, S. 529, 533; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rn. 15; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 7, 21. Aufl. 1994, § 1025 Rn. 19. 25 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 7, 21. Aufl. 1994, § 1025 Rn. 19 ff. Zu beachten ist, dass damit keine Aussage darüber getroffen ist, ob und wann §§ 134 und 138 BGB in sachlicher Hinsicht neben § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. zur Anwendung kommen sollen. Ebenso Haas, ZGR 2001, 325, 332; Thomas/Putzo, ZPO, 16. Aufl. 1990, § 1025 2. e); Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 1. Aufl. 1999, § 1025 Rn. 7. 26 RAnz. Nr. 257 vom 02.11.1933, S. 3; siehe auch Haas, ZGR 2001, 325, 331; Kronstein, Das Recht der internationalen Kartelle, S. 346; Wais, in: Schütze/Tscherning/Wais, Hdb. d. Schiedsverfahrens, 1. Aufl. 1985, Rn. 160. 27 Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 213. 28 BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336; BGH, Urt. v. 06.04.2009 – II ZR 255/08 – „Schiedsfähigkeit II“, BGHZ 180, 221, 228, Rn. 17. 29 Was besonders von Walter, JZ 1989, 590, 591 kritisiert worden ist. 30 S. nur Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 202; beiläufig, aber ausdrücklich BGH, Urt. v. 06.04.2009 – II ZR 255/08 – „Schiedsfähigkeit II“, BGHZ 180, 221, 228, Rn. 17. 31 Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 102. 23

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

Einige andere tendierten dazu, § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. – aufgrund „[. . .] der abweichenden Tatbestandsvoraussetzungen durchaus naheliegend [. . .]“ 33 – als lex specialis anzusehen und deswegen die Anwendung der §§ 134, 138 BGB neben § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. abzulehnen.34

B. Die Annahme von Bestimmungen in der Schiedsvereinbarung, die ein Übergewicht im Verfahren bewirken, abseits des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. Hinsichtlich der zweiten Alternative des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F., dem Fall, dass die Schiedsvereinbarung der einen Partei ein Übergewicht im Schiedsverfahren sicherte, herrschte größere Einigkeit. Die ganz herrschende Meinung hielt in diesem Fall die Schiedsvereinbarung als solche für nichtig. Abgeleitet worden ist die Nichtigkeit wieder entweder aus § 1025 Abs. 2 ZPO a. F., aus § 134 oder § 138 BGB.35 Teilweise war man der Ansicht, eine zu einem strukturellen Mangel an Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit führende Vereinbarung sei immer unabhängig davon wirkungslos, ob sie Folge des Einsatzes von wirtschaftlicher Macht sei oder nicht.36 Auf das Verhältnis zwischen § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. und § 138 BGB sollte es deswegen teilweise überhaupt nicht ankommen.37 Denn die Feststellung eines verwerflichen wirtschaftlichen Drucks könne fast immer unterbleiben und die Unwirksamkeit des ausbedungenen Ungleichgewichts einer Par-

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BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 339 ff. Mäsch, in: FS Schlosser, S. 529, 532. 34 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 4. Aufl. 1990, Kap. 4 Rn. 18 & Kap. 32 Rn. 14; Walter, JZ 1989, 590, 591; zurückhaltender, aber in diese Richtung, Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Bd. 5, 3. Aufl. 1995, § 1025 Rn. 46; wohl auch Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 44 in Fn. 177, der aber übersieht, dass in BGHZ 106, 336 ein wirtschaftliches oder soziales Übergewicht einer Partei nicht festgestellt war. Die Aussage – „Die Unwirksamkeit einer solchen Vereinbarung folgte indessen schon aus § 1025 Abs. 2 ZPO aF“ – ist deswegen jedenfalls für BGHZ 106, 336 unzutreffend. 35 BGH, Urt. v. 19.12.1968 – VII ZR 83/66, VII ZR 84/66 – Warenverein der Hamburger Börse, BGHZ 51, 255, 262; BGH, Urt. v. 05.11.1970 – VII ZR 31/69, BGHZ 54, 392, 395; BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 338; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 1. Aufl. 1999, § 1025 Rn. 7; vgl. überblicksartig und m.w. N. Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229. Siehe auch bei Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 200 m.w. N. 36 BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 338, der das alleinige Schiedsrichterernennungsrecht einer Partei zusammen mit anderen Anstößigkeiten allein nach § 138 verworfen hat. Zustimmend Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 307 und 308; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 7, 21. Aufl. 1994, § 1025 Rn. 21; schon Schlosser, in: Gottwald, Revision des EuGVÜ – Neues Schiedsverfahrensrecht, S. 188. 37 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 7, 21. Aufl. 1994, § 1025 Rn. 21. 33

§ 2 Auswirkungen des SchiedsVfG auf die materielle Wirksamkeitskontrolle

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tei im Verfahren für sich genommen festgestellt werden.38 Dies setzte aber dennoch voraus, dass man § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. als nicht abschließend ansah.39

C. Zwischenergebnis Mit § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. existierte im alten Schiedsverfahrensrecht eine eigene Wirksamkeitskontrollnorm für Schiedsvereinbarungen aus Situationen wirtschaftlicher oder sozialer Überlegenheit einer Partei. Die Norm verhinderte das Ausnutzen der Übermacht zur Abnötigung des Abschlusses einer Schiedsvereinbarung oder zur Annahme von Verfahrensbestimmungen in der Schiedsvereinbarung, die die Übermachtstellung der einen Partei ins Schiedsverfahren transferierten. Uneinigkeit bestand aber auch damals schon über die Missbilligenswertigkeit der von § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. erfassten Situationen. Während im Grunde Einigkeit darüber bestand, dass Bestimmungen in der Schiedsvereinbarung, die das Übergewicht der einen Partei im Schiedsverfahren sichern sollten, zur Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung führen mussten, bestand Uneinigkeit dahingehend, ob dies auch im Falle des Einsatzes wirtschaftlicher oder sozialer Macht zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung gelten musste. Wie sich zeigen wird, bestehen diese Uneinigkeiten bis heute fort. Ebenfalls unklar war die Frage, ob neben § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. die allgemeinen Regeln zur Wirksamkeitskontrolle anwendbar waren. Aufgrund der recht hohen Hürden bei einigen Tatbestandsmerkmalen des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. bestand an der Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln je nach Ansicht zur Missbilligenswertigkeit der von § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. dem Grunde nach erfassten Fälle ein kleineres oder größeres Interesse.

§ 2 Auswirkungen des SchiedsVfG auf die materielle Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen Mit der Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts durch das SchiedsVfG zum Jahr 1998 hat der Gesetzgeber § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. abgeschafft. Eine entsprechende Nichtigkeitsregelung enthält das Schiedsverfahrensrecht heute nicht mehr. Das heutige Schiedsverfahrensrecht enthält jedoch mit § 1034 Abs. 2 ZPO n. F. eine Quasi-Nachfolgenorm zu § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. Aus der Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F., seiner teilweisen Überführung in § 1034 Abs. 2 ZPO n. F. sowie der hinter beidem stehenden gesetzgeberischen Konzeption lassen sich Rückschlüsse ziehen, die sowohl für die Wirksamkeitskontrolle 38 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 7, 21. Aufl. 1994, § 1025 Rn. 21; siehe jetzt Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 45, § 1034 Rn. 2. 39 Zur Gegenmeinung Kapitel 2 Fn. 34.

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

von Schiedsvereinbarungen unter geltendem Recht als auch für die Auslegung des § 1034 Abs. 2 ZPO n. F. von großer Bedeutung sind.40

A. Abschaffung der Abschlussvariante des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. und Fortbestehen der Unsicherheit im Umgang mit dem Abschluss von Schiedsvereinbarungen insbesondere in Situationen strukturellen Ungleichgewichts Mit dem SchiedsVfG hat der Gesetzgeber die erste Alternative des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F., die Abschlussvariante, ersatzlos abgeschafft.41 Begründet hat der Gesetzgeber diese Abschaffung wie folgt: „Der Abschluss der Schiedsvereinbarung als solcher kann unter der Prämisse einer Gleichbehandlung der Parteien sowohl bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts als auch bei der Durchführung des schiedsrichterlichen Verfahrens keine Benachteiligung einer Partei darstellen. Die in § 1025 Abs. 2 erste Alternative ZPO vorgesehene Rechtsfolge der Nichtigkeit des Schiedsvertrages für den Fall, daß eine Partei ihre wirtschaftliche und soziale Überlegenheit dazu ausgenutzt hat, die andere Partei zum Abschluß der Schiedsvereinbarung zu nötigen, erscheint angesichts der Tatsache, daß die Schiedsgerichtsbarkeit einen der staatlichen Gerichtsbarkeit grundsätzlich gleichwertigen Rechtsschutz bietet, zu weitgehend. Im übrigen sind Verträge zwischen Parteien, von denen die eine der anderen wirtschaftlich oder sozial überlegen ist, in der Realität sehr häufig. Ebensowenig wie sich aus dieser Tatsache als solcher die Nichtigkeit des Hauptvertrages herleiten läßt, kann dies allein für die Schiedsvereinbarung gelten.“ 42

Aus der Begründung geht klar hervor, dass der Gesetzgeber die Rechtsfolge der Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung für den Fall, dass die wirtschaftlich und sozial überlegene Partei ihre Stellung gegenüber der anderen Partei ausgenutzt hat, um der anderen Partei den Abschluss der Schiedsvereinbarung abzunötigen, nicht mehr wollte.43 Deswegen hat er die erste Alternative des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. ersatzlos gestrichen. Dennoch ist die Frage der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen, insbesondere solcher, die in strukturellen Ungleichgewichtslagen geschlossen worden sind, seit Inkrafttreten des neuen Schiedsverfahrensrechts und bis heute hoch umstritten. Denn, wie dargestellt, hielten schon unter Geltung des alten Schiedsverfahrensrechts einige unabhängig von § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. den Abschluss von 40

S. dazu unten Kapitel 4 § 1. Ausdrücklich BT-Drucks. 13/5274, S. 34 li. Sp. 42 BT-Drucks. 13/5274, S. 34 li. Sp. 43 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 561; Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 204. Ausführlicher noch zu den Hintergründen unten Kapitel 2 § 2 D. I. 2. a). 41

§ 2 Auswirkungen des SchiedsVfG auf die materielle Wirksamkeitskontrolle

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Schiedsvereinbarungen in Situationen strukturellen Ungleichgewichts zwischen den Parteien für unwirksam. Diese Bedenken konnten sich durch Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. nicht zerstreuen. Aufwind erfuhr die Diskussion erst jüngst, als das LG München I44 in der Rechtssache Pechstein die zwischen Claudia Pechstein und der ISU geschlossene Schiedsvereinbarung zum CAS für nichtig, weil in einer strukturellen Ungleichgewichtslage geschlossen, erklärte und damit kurzzeitig45 die Legitimationsgrundlagen der weltweiten Sportschiedsgerichtsbarkeit ins Wanken brachte46. Das aufsehenerregende Pechsteinverfahren hat der Gesetzgeber – freilich unausgesprochen47 – zum Anlass genommen, ein weiteres Mal seinen Willen zu erklären, wenn auch nur beschränkt auf die Sportschiedsgerichtsbarkeit. Noch vor der Revisionsentscheidung des BGH erließ der Gesetzgeber nämlich ein neues Anti-Doping-Gesetz.48 § 11 AntiDopG lautet: „Sportverbände und Sportlerinnen und Sportler können als Voraussetzung der Teilnahme von Sportlerinnen und Sportlern an der organisierten Sportausübung Schiedsvereinbarungen über die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten mit Bezug auf diese Teilnahme schließen, wenn die Schiedsvereinbarung die Sportverbände und Sportlerinnen und Sportler in die nationalen oder internationalen Sportorganisationen einbinden und die organisierte Sportausübung insgesamt ermöglichen, fördern oder sichern. Das ist insbesondere der Fall, wenn mit den Schiedsvereinbarungen die Vorgaben des Welt Anti-Doping Codes der Welt Anti-Doping Agentur umgesetzt werden sollen.“

Auf den ersten Blick scheint die Regelung nichts weiter zu tun, als bestehendes Recht zu kodifizieren.49 Wie so oft, steckt der Teufel aber im Detail, hier in der Gesetzesbegründung zur Norm.50 In dieser Begründung und Willenskundgabe des Gesetzgebers hat dann auch der BGH in seiner Revisionsentscheidung in Sachen Pechstein seine Auffassung bestätigt gesehen.51 44

LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014,

100. 45 Letztendlich hielt BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266 die Schiedsvereinbarung in der Revision dann doch für wirksam. Für nicht weniger Furore als die Entscheidung des LG, aber aus anderem Grunde, hatte zwischenzeitlich die Berufungsentscheidung des OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40 gesorgt. Ausführlich bereits oben Kapitel 1 § 1. 46 Monheim, SpuRt 2014, 90. 47 Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 9 ff. 48 Gesetz zur Bekämpfung von Doping im Sport (Anti-Doping-Gesetz – AntiDopG) vom 10.12.2015, BGBl. I 2015 S. 2210. 49 Heermann, SpuRt 2015, 5 a. E. & f.; Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 32; Lehner, causa sport 2015, 130, 133. 50 S. dazu unten Kapitel 2 § 2 D. I. 2. c). Dazu, dass sich der eigentliche Zweck der Vorschrift nur aus der Begründung ergibt, auch Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 87. 51 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2272 Rn. 63; Eichel, ZZP 2016, 327, 334; vgl. Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 23.

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

Kern der ganzen Diskussion ist derselbe, wie schon unter Geltung des alten Schiedsverfahrensrechts. Die Frage ist: Resultiert allein aus einem strukturellen Ungleichgewicht zwischen den Parteien ein die Freiwilligkeit des Abschlusses ausschließender faktischer Zwang zum Abschluss der Schiedsvereinbarung für die unterlegene Partei? Wenn dem so ist, führt dann ein solch faktischer Zwang zur Unwirksamkeit der in einer solchen Situation geschlossenen Schiedsvereinbarung?

B. Überführung der Annahmevariante in § 1034 Abs. 2 ZPO Anders als die erste Variante des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. hat der Gesetzgeber die zweite Variante des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. – die Annahme von Bestimmungen, die der überlegenen Partei im Verfahren, insbesondere hinsichtlich der Ernennung oder Ablehnung der Schiedsrichter, ein Übergewicht über den anderen Teil einräumen – nicht ersatzlos gestrichen. Stattdessen findet sie sich in Teilen und unter Abänderung der Rechtsfolge in § 1034 Abs. 2 ZPO52 des aktuellen Schiedsverfahrensrechts wieder. Dieser lautet: „Gibt die Schiedsvereinbarung einer Partei bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts ein Übergewicht, das die andere Partei benachteiligt, so kann diese Partei bei Gericht beantragen, den oder die Schiedsrichter abweichend von der erfolgten Ernennung oder der vereinbarten Ernennungsregelung zu bestellen. Der Antrag ist spätestens bis zum Ablauf von zwei Wochen, nachdem die Partei die Zusammensetzung des Schiedsgerichts bekannt geworden ist, zu stellen. § 1032 Abs. 3 gilt entsprechend.“

Aufgrund der Verortung der neuen Regelung in der Norm, die sich mit der Besetzung des Schiedsgerichts befasst, mag es auf den ersten Blick nicht deutlich werden. Aber § 1034 Abs. 2 ZPO n. F. ist die Quasi-Nachfolgenorm des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F.53 Ein Blick in die Gesetzesbegründung macht dies deutlich. Dort heißt es: „[. . .] sieht der Entwurf von einer Übernahme der ersten Alternative des § 1025 Abs. 2 ZPO in das neue Recht ersatzlos ab, während die zweite Alternative dieser Vorschrift in der in § 1034 Abs. 2 ZPO-E vorgesehenen Rechtsfolge gerichtlicher Si-

52 § 1034 Abs. 2 ZPO ist eine eigenständige Schöpfung des deutschen Gesetzgebers, die keine Entsprechung im ModG findet. Vorbild war vielmehr eine vergleichbare Regelung der niederländischen ZPO, Prütting, in: FS Schlosser, S. 706, 711. Schlosser, ZIP 1987, 492 hatte eine Übernahme dieses Konzepts ins deutsche Recht bereits 1987 vorgeschlagen. Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 204 spricht von Art. 27 der niederländischen ZPO, Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 2 von Art. 28, richtig ist der heutige Art. 1028 der niederländischen ZPO, siehe Schlosser, in: Gottwald, Revision des EuGVÜ – Neues Schiedsverfahrensrecht, S. 187 in und bei Fn. 87. 53 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 201 m.w. N.; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 92.

§ 2 Auswirkungen des SchiedsVfG auf die materielle Wirksamkeitskontrolle

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cherstellung einer ausgewogenen Zusammensetzung des Schiedsgerichts Ausdruck findet.“ 54

Von den ursprünglich zwei Situationen, die § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. regelte („Abschluß“ und „Annahme“), regelt § 1034 Abs. 2 ZPO n. F. heute nur noch die Annahme, beschreibt die Situation jedoch anders. Dies deswegen, weil § 1034 Abs. 2 ZPO n. F. im Vergleich zu § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. keine Verknüpfung mehr der beschriebenen Situation mit dem Ausnutzen einer wirtschaftlichen oder sozialen Übermachtstellung enthält.55 § 1034 Abs. 2 ZPO n. F. ist im Vergleich zu § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. von seinem Anwendungsbereich her schmaler, stellt an diesen schmaleren Anwendungsbereich gleichsam weniger hohe Voraussetzungen. Hinsichtlich des Anwendungsbereichs bezieht sich § 1034 Abs. 2 ZPO seinem Wortlaut nach nur auf den Fall, in dem die Schiedsvereinbarung einer Partei bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts ein Übergewicht gibt, das die andere Partei benachteiligt. § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. war seinem Wortlaut nach noch etwas weiter gewesen. Er bezog sich nämlich allgemein auf die Annahme von Bestimmungen, die der überlegenen Partei im Verfahren ein Übergewicht über den anderen Teil einräumten. Lediglich „insbesondere“, also als Regelbeispiel, erfasst wissen wollte die Norm ein Übergewicht hinsichtlich der Ernennung oder Ablehnung der Schiedsrichter. Hinsichtlich der Voraussetzungen greift § 1034 Abs. 2 ZPO, wenn „die Schiedsvereinbarung einer Partei bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts ein Übergewicht“ gibt, „das die andere Partei benachteiligt“.56 Im Vergleich zu § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. ist das Abnötigen der Annahme solcher Bestimmungen unter Ausnutzen der wirtschaftlichen oder sozialen Überlegenheit nicht mehr Voraussetzung der Norm. Vielmehr reicht es aus, wenn die Schiedsvereinbarung entsprechende Regelungen beinhaltet. Wenn der paritätische Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichts eine grundlegende Voraussetzung der Schiedsgerichtsbarkeit ist57, dann ist es nur konsequent, dass das Recht des § 1034 Abs. 2 ZPO unabhängig ist von einer wirtschaftlichen oder sozialen Überlegenheit der einen Partei.58 Dieser Neuregelung ist zu Recht der gesetzgeberische Wille entnommen worden, der von den Parteien getroffenen Grundsatzentscheidung hin zum Schieds-

54 55 56

BT-Drucks. 13/5274, S. 34 li. Sp. S. ausführlich nochmal unten Kapitel 4 § 1 C. III. Zum Anwendungsbereich des § 1034 Abs. 2 ZPO s. ausführlich unten Kapitel 4

§ 1. 57

S. u. Kapitel 4 § 2 C. I. 2. Ausführlich zur Frage, ob § 1034 Abs. 2 ZPO tatbestandlich eine Ungleichgewichtslage voraussetzt, unten Kapitel 4 § 1 C. III. 58

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

verfahren besser Rechnung zu tragen, die er fortan nicht mehr umzukehren gedachte. Vielmehr war er der Ansicht, aufgrund der Gleichwertigkeit der Verfahren könne die Korrektur der offensichtlichen Benachteiligung einer Partei auch innerhalb des (grundsätzlich gewollten) Schiedsverfahrens vorgenommen werden.59 Die Neuschaffung des § 1034 Abs. 2 ZPO ist deshalb zu Recht als „bewusste Abkehr“ von § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. interpretiert worden.60 Anders als noch unter § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. führt die Annahme von Bestimmungen in einer Schiedsvereinbarung, wonach der einen Partei ein Übergewicht bei der Besetzung des Schiedsgerichts zukommt, gemäß § 1034 Abs. 2 ZPO nicht zur Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung. Gemäß § 1034 Abs. 2 ZPO kann die benachteiligte Partei in diesem Fall vielmehr das staatliche Gericht um ausgleichenden Eingriff ersuchen.61 Trotz dieser gesetzlichen Regelung und dieser gesetzgeberischen Intention ist umstritten, wie mit einem in § 1034 Abs. 2 ZPO beschriebenen Mangel umzugehen ist. Der Streit entspricht im Grunde dem betreffend das Verhältnis zwischen § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. und den allgemeinen Nichtigkeitsregeln.62

C. Zwischenergebnis Die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. hat nichts daran geändert, dass die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen, insbesondere solcher, die in strukturellen Ungleichgewichtslagen geschlossen wurden, umstritten bleibt. Aufwind hat diese Diskussion jüngst durch die Entscheidungen in der Rechtssache Pechstein und die Einführung von § 11 AntiDopG erfahren. Auch trotz der Überführung der Annahmevariante des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. in § 1034 Abs. 2 ZPO n. F. besteht weiterhin Streit um die Auswirkung von unfairen Besetzungsvereinbarungen in der Schiedsvereinbarung auf deren Wirksamkeit.

59 Berger, DZWiR 1998, 45, 50; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 45; Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280, 282 („schiedsverfahrensfreundliche Haltung des Gesetzgebers“); vgl. Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 230. Siehe bereits die Gesetzesbegründung oben bei Kapitel 2 Fn. 42. 60 Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, S. 91. 61 Eine solche Überführung hatte bereits Schlosser, ZIP 1987, 492 vorgeschlagen. Siehe auch Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 92. 62 Die h. M. hielt die allgemeinen Nichtigkeitsnormen für neben § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. anwendbar, dazu oben bei Kapitel 2 Fn. 23. Zum Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den allgemeinen Nichtigkeitsregeln s. ausführlich unten Kapitel 4 § 2.

§ 2 Auswirkungen des SchiedsVfG auf die materielle Wirksamkeitskontrolle

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D. Rückschlüsse aus der Einführung des neuen Schiedsverfahrensrechts für die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen Aus der durch das SchiedsVfG im Jahr 1998 vollzogenen Einführung des neuen Schiedsverfahrensrechts lassen sich zwei für die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarung nach geltendem Recht maßgebliche Rückschlüsse ziehen. Erstens hinsichtlich der Freiwilligkeit des Abschlusses einer Schiedsvereinbarung. Zweitens zur Aufspaltung der Schiedsvereinbarung in die Schiedsvereinbarung i. e. S. und sie flankierende Schiedsverfahrensvereinbarungen.

I. Die Freiwilligkeit der Einigung auf eine Schiedsvereinbarung im geltenden Schiedsverfahrensrecht Die Möglichkeit zweier Parteien, sich auf die Streitentscheidung durch ein Schiedsgericht zu einigen, entspringt ihrer prozessualen Privatautonomie. Die Einigung auf eine Schiedsvereinbarung muss dabei freiwillig erfolgen. § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. stellte im alten Schiedsverfahrensrecht eine Regelung zur Sicherung der Freiwilligkeit dar.63 An der Abschaffung der Norm und ihrer teilweisen Überführung in § 1034 Abs. 2 ZPO entzündet sich seitdem ein großer Streit um Existenz, Umfang und Kontrollnotwendigkeit der Freiwilligkeit der Schiedsvereinbarung. 1. Die Notwendigkeit einer freiwilligen Einigung auf eine Schiedsvereinbarung stellt keine schiedsrechtliche Besonderheit dar Die Diskussion um das Freiwilligkeitskriterium im Schiedsverfahrensrecht erweckt insgesamt den Eindruck, als handle es sich bei ihm um ein besonderes, schiedsrechtliches Kriterium.64 Es entsteht der Eindruck als sei die Freiwilligkeit des Abschlusses von Vereinbarungen im Schiedsverfahrensrecht etwas Besonderes. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn das Verbot der Fremdbestimmung und das Gebot der Freiwilligkeit des Abschlusses einer Schiedsvereinbarung sind Ausfluss der grundgesetzlich garantierten Privatautonomie und gelten damit grundsätzlich für alle Vereinbarungen im deutschen Recht. Sicherlich richtig ist es aber zu sagen, dass der Freiwilligkeit beim Abschluss einer Schiedsvereinbarung durch den so ausgeübten Verzicht auf den Zugang zur staatlichen Gerichtsbarkeit und dessen Bedeutung für den Justizgewährungsanspruch eine besondere 63

Vollkommer, RdA 1982, 16, 32. S. bspw. die Formulierung bei Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426, 428: „Als Minimalvoraussetzung zum Schutz der parteiautonomen Ausübung des Grundrechtsverzichts wird daher die ,Freiwilligkeit‘ der Unterwerfung unter ein Schiedsgericht gefordert.“ 64

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

verfassungsrechtliche Relevanz zukommt.65 Aus der Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. folgt aber nicht, dass die Freiwilligkeit des Abschlusses von Schiedsvereinbarungen nicht (mehr) kontrollfähig wäre, sondern nur, dass sich diese Kontrolle nach den allgemeinen zivilrechtlichen Normen vollzieht, die dem Schutz dieser Freiwilligkeit dienen. a) Die Schiedsvereinbarung als privatautonomer Verzicht auf den Justizgewährungsanspruch Der Justizgewährungsanspruch, der Ausfluss von Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG (wie auch Art. 6 Abs. 1 EMRK66) ist, beinhaltet nicht nur die staatliche Pflicht, eine Justiz zur Verfügung zu stellen67, sondern räumt einem jeden das Recht ein, die staatliche Justiz zur Klärung seiner Streitigkeiten in Anspruch zu nehmen.68 Einigkeit besteht dahingehend, dass es den Parteien von Verfassungs wegen erlaubt ist, in Ausübung ihrer prozessrechtlichen Privatautonomie aus Art. 2 Abs. 1 GG, auf ihren Justizgewährungsanspruch zu verzichten.69 Dieser privatautonome Verzicht auf den eigenen Justizge65 S. dazu im Folgenden. Ausführlich Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 141 ff. Siehe jetzt auch Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 178, der ebenfalls die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen privatautonomer Bindung und Grundrechtsverzicht betont. Vgl. Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 126 f.; Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 99; Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 214; Maihold, SpuRt 2013, 95, 96; Niedermaier, ZDAR 2014, 12, 13 („agreements have a direct impact on the parties’ right to access to justice“). 66 EGMR, Urt. v. 12.07.2001 – 42527/98 – Prinz Hans-Adam II von Liechtenstein/ Deutschland, NJW 2003, 649, 650; Bleistein/Degenhart, NJW 2015, 1353, 1354; Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237, 238. Ausführlich jüngst Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 82 ff. 67 OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 23.06.2020 – 26 Sch 1/20, NZKart 2020, 448, 449; Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237 f. m.w. N. 68 BGH, Urt. v. 03.04.2000 – II ZR 373/98 – Körbuch, BGHZ 144, 146, 148; Bleistein/Degenhart, NJW 2015, 1353, 1354; Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237, 238; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 91. Erg.-Lfg. 2020, Art. 19 Abs. 4 Rn. 16; ausführlich Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 110 ff.; siehe auch Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 77 f.; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 132 f. 69 Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, vor § 1025 Rn. 3; Hillgruber, in: Maunz/ Dürig, GG, 91. Erg.-Lfg. 2020, Art. 92 Rn. 87; Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 79; Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237, 238; Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 3; Prütting, in: FS Schlosser, S. 706, 708; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rn. 6; Seiters, in: FS Schlick, S. 315; Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1025 Rn. 2; ausführlich Jahnke, Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Schiedsgerichtsbarkeit, S. 34 ff., 73; ausführlich auch, die Möglichkeit des Grundrechtsverzichts durch die Schiedsvereinbarung aber aus dem Justizgewährleistungsanspruch selbst ableitend, Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Doping-

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währungsanspruch und mithin auf Zugang zu den staatlichen Gerichten ist die Schiedsvereinbarung.70 Der wirksame Abschluss einer Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien des Verfahrens ist Grundlage eines jeden schiedsrichterlichen Verfahrens. Erst die Schiedsvereinbarung leitet die Zuständigkeit des eigentlich zuständigen staatlichen Gerichts auf das Schiedsgericht über. Ohne wirksame Schiedsvereinbarung besteht keine Zuständigkeit eines Schiedsgerichts.71 Allerdings stellt die Schiedsvereinbarung keinen vollkommenen Verzicht auf die staatliche Gerichtsbarkeit dar.72 Denn aus der Schutzfunktion der Grundrechte ergeben sich weitere Anforderungen an die Schiedsgerichtsbarkeit. So ist es Aufgabe des Staates, durch Aufstellung entsprechender Regelungen dafür Sorge zu tragen, dass ein Mindestmaß an Rechtsstaatlichkeit des Schiedsverfahrens gewährleistet ist.73 Darüber hinaus ist eine staatliche Minimalkontrolle zur Sicherstellung der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeitsanforderungen verfassungsrechtlich zwingend.74 Der Setzung dieses verfassungsrechtlich notwendigen Rahmens dient das deutsche Schiedsverfahrensrecht.75 b) Die Freiwilligkeit des Abschlusses einer Schiedsvereinbarung als Notwendigkeit eines privatautonomen Verzichts auf den Justizgewährungsanspruch Die Notwendigkeit der Freiwilligkeit des Abschlusses folgt für die Schiedsvereinbarung aber nicht etwa aus dem Justizgewährungsanspruch.76 Vielmehr folgt sünders, S. 141 ff.; vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 23.06.2020 – 26 Sch 1/20, NZKart 2020, 448, 450; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 133. Ausnahmen, aber nicht von Verfassungs wegen, in § 1030 ZPO. 70 Prütting, in: FS Schlosser, S. 706, 708; Müller/Keilmann, SchiedsVZ 2007, 113, 113 f.; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 5 („Privatautonomie als Zentralelement der Schiedsbindung“); Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 45; Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 177; Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 144 f.; Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807. 71 Vgl. für das deutsche Recht § 1029 Abs. 1 ZPO; vgl. bspw. Art. 6 ICC-Schiedsgerichtsordnung 2017; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 116; Schricker, in: FS Quack, S. 99; vgl. Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO § 1040 Rn. 2. 72 Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 150 ff.; vgl. auch Streinz, in: FS Schmidt-Preuß, S. 463, 468; Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 177. 73 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1042 Rn. 34. 74 Heermann, SchiedsVZ 2014, 66, 73; Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 91. Erg.Lfg. 2020, Art. 92 Rn. 88; Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1025 Rn. 2; Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807. 75 Heermann, SchiedsVZ 2014, 66, 72. 76 So bspw. Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 222, fälschlicherweise unter Bezugnahme auf die Körbuch-Entscheidung des BGH. S. Kapitel 2 Fn. 77.

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sie aus der Erkenntnis, dass ein Verzicht auf den Zugang zur staatlichen Gerichtsbarkeit privatautonom zulässig ist, also aus der Privatautonomie.77 Verfassungsrechtlich zulässig ist private Schiedsgerichtsbarkeit deshalb grundsätzlich nur dann, wenn die Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit von beiden Parteien freiwillig erfolgt.78 Denn ein unfreiwilliger Verzicht ist nicht selbst-, sondern fremdbestimmt und damit bereits nicht von der Parteiautonomie des Art. 2 Abs. 1 GG umfasst.79 Als Ausfluss der Privatautonomie, stellt die Freiwilligkeit der Unterwerfung unter die Schiedsvereinbarung zwar zu Recht ein „Fundamentalsatz des Rechtes der privaten Schiedsgerichtsbarkeit“ 80 und „eine unaufgebbare verfassungsrechtliche Prämisse“ 81 dar. Sie ist damit jedoch auch keine besondere schiedsrechtliche Voraussetzung, sondern Voraussetzung einer jeden privatautonomen Einigung. Schlosser ist deshalb in der Aussage zuzustimmen, die sich hinter seiner Frage verbirgt, „warum, um alles in der Welt, soll für eine Schiedsklausel [im Vergleich zu anderen Verträgen] eine Besonderheit gelten?!“ 82 Es gilt für die Schiedsvereinbarung keine Besonderheit.83

77 So sagt es auch BGH, Urt. v. 03.04.2000 – II ZR 373/98 – Körbuch, BGHZ 144, 146, 148 f.: „Dieses Grundrecht [gemeint ist Art. 2 Abs. 1 GG] verlangt jedoch, daß die Unterwerfung unter die Schiedsklausel und der damit verbundene Verzicht auf die Entscheidung eines staatlichen Rechtsprechungsorgans grundsätzlich auf dem freien Willen des Betroffenen beruhen.“ Vgl. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 558. Ebenso LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 106; Czibere, Die Beendigung von Schiedsvereinbarungen, S. 42 „1. Freiwilligkeitskontrolle und Privatautonomie“ und deutlich nochmal auf S. 50 f.; Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 211 a. E.; Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237, 238; Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 176. Wohl auch Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 177. Ausführlich und ausdrücklich wie hier jüngst Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 149 ff. 78 Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, vor § 1025 Rn. 4; Heermann, SchiedsVZ 2014, 66, 73; Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 91. Erg.-Lfg. 2020, Art. 92 Rn. 88; Steiner, SchiedsVZ 2013, 15, 17. 79 Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237, 238; Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1025 Rn. 2. 80 Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 51; Geimer, IZPR, 8. Aufl. 2020, Rn. 3785; BGH, Urt. v. 03.04.2000 – II ZR 373/98 – Körbuch, BGHZ 144, 146, 149; LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 106; vgl. Bleistein/Degenhart, NJW 2015, 1353, 1355. 81 Steiner, SchiedsVZ 2013, 15, 17. 82 Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257, 263; siehe auch Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 45 und bereits vor dem SchiedsVfG Schlosser, ZIP 1987, 492 sowie Schlosser, in: FS Zeuner, S. 467, 481. Zur Unterscheidung zwischen Schiedsklausel und Schiedsvereinbarung s. u. in Kapitel 3 Fn. 27. 83 Ebenso schon Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 214 und Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 241.

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2. Keine Abschaffung der Freiwilligkeitskontrolle durch Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. Entgegen einer immer wieder geäußerten Ansicht84, ist durch die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. nicht etwa die Freiwilligkeitskontrolle als solche abgeschafft worden, sondern nur eine Sonderbehandlung von Schiedsvereinbarungen. Dieser Änderung lag eine Neubewertung des Verhältnisses zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit durch den Gesetzgeber zugrunde. a) Gleichwertigkeit von Schiedsverfahren und staatlichem Gerichtsverfahren als neue Grundannahme des Schiedsverfahrensrechts Mit der Einführung des SchiedsVfG hat der Gesetzgeber nicht bloß ein neues Schiedsverfahrensrecht eingeführt. Dem neuen Schiedsverfahrensrecht liegt vielmehr eine grundsätzliche Neuausrichtung des Verhältnisses zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit zugrunde. Vor dem SchiedsVfG hielt der Gesetzgeber Schiedsverfahren für eine bedenkliche Ausnahme vom Rechtsschutzsystem.85 Insbesondere schwächere Parteien galt es aus Sicht des Gesetzgebers davor zu schützen, in die Schiedsgerichtsbarkeit hinein gedrängt zu werden. Diese Grundannahme teilte der Gesetzgeber des SchiedsVfG nicht mehr. Vielmehr ging dieser von einer Gleichwertigkeit von Schiedsverfahren und staatlichem Gerichtsverfahren aus.86 Der Abschluss einer Schiedsvereinbarung wirkt seiner Ansicht nach deshalb neutral.87 Auf die Frage, ob die Schiedsgerichtsbarkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit wirklich gleichwertig ist, lässt sich eine pauschale Antwort nicht geben. Vielmehr kommt es maßgeblich darauf an, was überhaupt miteinander verglichen wird und auf den Blickwinkel, aus dem heraus dieser Vergleich angestellt wird. Vergleicht man beispielsweise nur die Kompetenzen eines Schiedsgerichts mit denen eines staatlichen Gerichts, so mag es an einer Gleichwertigkeit fehlen. Denn das Schiedsgericht kann immer wieder auf eine Unterstützung durch ein staatliches Gericht angewiesen sein. Man denke an den einstweiligen Rechtsschutz oder die Vollstreckung von Schiedssprüchen. Vergleicht man die staatliche Gerichtsbarkeit indes mit dem System Schiedsgerichtsbarkeit mag man zu einem anderen Ergebnis kommen.88 Zwar kann das Schiedsgericht in bestimmten Fällen die Unterstützung des staatlichen Gerichts brauchen. Gemeinsam sind Schiedsge84

S. u. in Kapitel 2 Fn. 96. Haas, ZGR 2001, 325, 334; weitere Nw. bei Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 241 Fn. 930. 86 BT-Drucks. 13/5274, S. 34; s. auch oben Kapitel 2 bei Fn. 59. 87 Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 87. 88 Czibere, Die Beendigung von Schiedsvereinbarungen, S. 59 f. 85

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richt und staatlichen Gericht jedoch ähnlich schlagkräftig wie das staatliche Gericht für sich allein besehen. An Gleichwertigkeit mag es wiederum mangeln, sieht man die Aufgabe der Rechtsprechung auch in der Erhaltung einer einheitlichen Rechtsauslegung und der Fortentwicklung des Rechtssystems. Dieser Funktionen kann die Schiedsgerichtsbarkeit insbesondere aufgrund der Vertraulichkeit der meisten Schiedsverfahren und Schiedssprüche und aufgrund des Fehlens eines Instanzenzugs nicht gerecht werden.89 Czibere hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Gleichwertigkeitsthese des Gesetzgebers sei als eine aus Sicht der Parteien betrachtete, subjektive Gleichwertigkeit zu verstehen. Aus Sicht der Parteien werde ein gleichwertiges Ergebnis geschaffen. Dass dies aus der Begründung zum SchiedsVfG nicht vollkommen klar werde, begründe sich daraus, dass die Gleichwertigkeitsthese dort lediglich der Begründung der Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. diene. Dieser habe eine ausschließlich subjektive Schutzwirkung gehabt.90 Der Begriff der „subjektiven Gleichwertigkeit“ hat dabei das Potential, etwas zu verwirren. Denn selbstverständlich mögen einzelne Parteien für sich persönlich (subjektiv) die Schiedsgerichtsbarkeit oder die staatliche Gerichtsbarkeit zur Lösung ihrer Konflikte präferieren. Aus Sicht einer solchen Partei mag der Zugang zu den staatlichen Gerichten minder- beziehungsweise höherwertiger sein als ein Zugang zum System Schiedsgerichtsbarkeit. Der Gesetzgeber hat mit seiner Gleichwertigkeitsthese diese möglicherweise unterschiedlichen Präferenzen nicht etwa egalisieren wollen. Die Durchsetzung der persönlichen Präferenzen ist jedoch Aufgabe der jeweiligen Partei im Rahmen ihrer Privatautonomie. Besser lässt sich deshalb von einer Gleichwertigkeit aus verobjektivierter Parteiperspektive sprechen. Gemeint ist dasselbe. Eine so verstandene Gleichwertigkeit muss danach fragen, ob es aus verobjektivierter Parteiperspektive bezüglich des den Parteien zukommenden Rechtsschutzes einen Unterschied macht, ob die Parteien sich zur Lösung ihres Konfliktes der Schiedsgerichtsbarkeit bedienen oder sie bei der staatlichen Gerichtsbarkeit bleiben. Insoweit ist von der Gleichwertigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit zur staatlichen Gerichtsbarkeit auszugehen. Für die Parteien kommt es in Bezug auf den ihnen zukommenden Rechtsschutz objektiv nicht darauf an, ob sie sich im System Schiedsgerichtsbarkeit oder im staatlichen Gerichtsprozess befinden. Die Grundannahme der Gleichwertigkeit zwischen Schiedsverfahren und staatlichem Gerichtsverfahren ist überwiegend begrüßt worden.91 Vereinzelt ist sie 89

Czibere, Die Beendigung von Schiedsvereinbarungen, S. 61. Czibere, Die Beendigung von Schiedsvereinbarungen, S. 60 f. 91 Axtmann, Die Vorlageberechtigung von Sportschiedsgerichten zum Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV, S. 85, 83 ff.; Ebbing, NZG 1999, 754, 755; Ebbing, NZG 2000, 898, 899; Elsing, JR 2005, 199; Gottwald/Adolphsen, DStR 1998, 1017, 1019; Haas, ZGR 2001, 325, 334 f.; Haas, SchiedsVZ 2007, 1, 5; Niedermaier, in: 90

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jedoch auch für verfassungsrechtlich problematisch gehalten worden.92 Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Grundannahme der Gleichwertigkeit zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit kann und soll hier nicht abschließend beleuchtet werden.93 Vielmehr wird die Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzgeberischen Grundannahme im Folgenden vorausgesetzt. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass sich verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Grundannahme seit Inkrafttreten des SchiedsVfG zum Jahr 1998 bis heute nicht durchgesetzt haben. Unter dieser Prämisse stellt die Grundannahme der Gleichwertigkeit zwischen Schiedsverfahren und staatlichem Gerichtsverfahren eine zu akzeptierende gesetzgeberische Prämisse dar, die es bei Auslegung und Anwendung der Normen des Schiedsverfahrensrechts zu berücksichtigen gilt. b) Abschaffung der Spezialnorm des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. führt zum Rückfall auf allgemeine Wirksamkeitskontrollnormen § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. adressierte Fälle mangelnder Freiwilligkeit.94 Bei der Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. durch das SchiedsVfG war der Gesetzgeber der Ansicht, unter der Prämisse der Gleichbehandlung der Parteien bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts und Durchführung des Schiedsverfahrens, könne allein der Abschluss der Schiedsvereinbarung keine Benachteiligung einer Partei darstellen.95

Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 41; Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 240; Otto, ZGR 2019, 1082, 1087; vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rn. 14. Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280, 282 hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich dabei um eine rechtspolitische Frage handelt. Die Annahme der Gleichwertigkeit ablehnend bspw. Mönnikes, Die Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts, S. 30 ff. Für die Gleichwertigkeit bereits vor dem SchiedsVfG: Ramm, NJW 1989, 136, 143; Stober, NJW 1979, 2001, 2002, 2004; Walter, JZ 1989, 590, 591 f. 92 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 26 f. („verfassungsrechtlich unhaltbar“). 93 Ausführlich und die Verfassungsmäßigkeit der Annahme ablehnend Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 26 ff. Die Thesen Hesselbarths ablehnend hingegen Prütting, in: FS Schlosser, S. 706, allerdings ohne konkrete Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Grundannahme der Gleichwertigkeit. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive zustimmend Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 91. Erg.-Lfg. 2020, Art. 92 Rn. 87 ff. Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit in ihren verschiedensten Ausprägungen ausführlich Jahnke, Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Schiedsgerichtsbarkeit. 94 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 560; Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 201. 95 BT-Drucks. 13/5274, S. 34, li. Sp.; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 561 f.; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 222; ausführlich auch Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 202 f.

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

Die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. durch das SchiedsVfG und die vorgenannte Begründung dieser Maßnahme durch den Gesetzgeber haben manche so verstanden, als habe er die Freiwilligkeit des Abschlusses der Schiedsvereinbarung nicht mehr für nötig gehalten beziehungsweise an ihr Nichtvorhandensein nicht mehr die Rechtsfolge der Nichtigkeit knüpfen wollen.96 Wenn die Schiedsgerichtsbarkeit gleichwertig zur staatlichen Gerichtsbarkeit ist, so wird argumentiert, dann kann ihre Vereinbarung nicht sittenwidrig sein.97 Deswegen soll eine Abschlusskontrolle in Bezug auf die Freiwilligkeit von Schiedsvereinbarungen nicht mehr vorzunehmen sein. Eine solche widerspräche dem mit der Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen.98 Vielmehr komme es „nur noch“ auf eine Inhaltskontrolle an, also auf die Ausgestaltung der Schiedsvereinbarung im konkreten.99

96 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 561; Hilpert, Die Geschichte des Sportrechts, S. 425; Mäsch, in: FS Schlosser, S. 529, 533; Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 234; vgl. Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 82; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 222; Heermann, SchiedsVZ 2014, 66, 74; Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 203 ff. & S. 212 m.w. N.; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 137; Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426, 428. Immer wieder wird für diese Sicht auch Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 2 sowie im Anschluss daran Hilpert, Die Geschichte des Sportrechts, S. 425 zitiert. S. in diesem Sinne bspw. Czibere, Die Beendigung von Schiedsvereinbarungen, S. 48 in Fn. 119 oder Heermann, SchiedsVZ 2014, 66, 74 in Fn. 69. Die Aussage lässt sich der zitierten Stelle jedoch, insbes. im Zusammenspiel mit § 1029 Rn. 45, nicht entnehmen. Zwar heißt es in § 1034 Rn. 2: „Absatz 2 ist daher Sondervorschrift gegenüber § 138 BGB und der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB“. Es spricht jedoch vieles dafür, dass diese Aussage nur für die von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Fällen gelten soll und ihr deshalb nicht die Aussage zu entnehmen ist, das Erfordernis der Freiwilligkeit sei weggefallen. Ganz ausführlich zur Freiwilligkeitsdebatte jüngst Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 134 ff. 97 Adolphsen, SpuRt 2016, 46, 48, der § 242 für den geeigneten Anknüpfungspunkt hält, gleichsam aber zugibt, dass die Frage doch eher eine dogmatische Finesse sei. Entscheidend sei vielmehr, dass über die Generalklauseln die verfassungsrechtlichen Vorgaben in das Zivilrecht zu transportieren seien. Dabei gehe es dann im Kern um den Justizgewährungsanspruch. Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 212 kritisiert, dass weder die Frage der Freiwilligkeit noch die Behauptung der Gleichwertigkeit verfassungsrechtlich durchdacht sei. Vgl. Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 82 f. 98 Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 41; in diesem Sinne auch Reuter, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, § 25 Rn. 59; vgl. LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 106. 99 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 561 ff.; Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 41; Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 234 m.w. N. & S. 246, der aber meint, die Inhaltskontrolle könne ihrerseits zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung führen, wenn die Ausübung unzulässigen Drucks durch eine Seite für den Abschluss der Schiedsvereinbarung kausal gewesen sei (S. 235); vgl. LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 106; Adolphsen, SpuRt 2016, 46, 48; Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 142. Es wird sich im Folgenden zeigen, dass zwar auch

§ 2 Auswirkungen des SchiedsVfG auf die materielle Wirksamkeitskontrolle

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Die herrschende Meinung hingegen will das Vorhandensein der Freiwilligkeit bei Abschluss der Schiedsvereinbarung auch weiterhin im Rahmen einer Abschlusskontrolle überprüfen.100 Hauptargument ist, dass das Freiwilligkeitserfordernis einen verfassungsrechtlichen Kern habe und deshalb nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers stehen könne.101 Schütze hat sogar behauptet, § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. sei weiterhin ungeschriebene Norm des Schiedsverfahrensrechts.102 nach geltendem Recht eine sog. Abschlusskontrolle möglich und nötig ist, diese jedoch faktisch immer zum selben Ergebnis führt, s. u. Kapitel 3 § 3 A. II. 1., B. I., C. II. 6. a). 100 H. M., s. nur: BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2271 Rn. 52; LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 106; Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 88; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 222; Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 214; Haas, ZGR 2001, 325, 333; Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2004, 175, 181 f.; Haas, SchiedsVZ 2009, 73, 79; Heermann, SchiedsVZ 2014, 66, 73 ff.; Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 283; Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 221; Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237, 238; Monheim, SpuRt 2014, 90, 91 f.; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 16, 21; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 164; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rn. 15; Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 281 f.; Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 808. Siehe die Gegenüberstellung bei Heermann, SchiedsVZ 2014, 66, 71 ff.; siehe auch Czibere, Die Beendigung von Schiedsvereinbarungen, S. 51; vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rn. 15, die zwar § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. für eine spezialgesetzliche Regelung hielten, nach dem Wegfall dieser aber wohl § 138 BGB wieder Raum geben wollen. 101 Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 118 f.; Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 88; Haas, ZGR 2001, 325, 333; Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2004, 175, 181; Monheim, SpuRt 2014, 90, 92; jetzt auch Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 137; vgl. Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 222; vgl. auch Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 202. S. auch Bleistein/Degenhart, NJW 2015, 1353, 1356, die deshalb auch § 11 AntiDopG für verfassungswidrig halten; zustimmend Eichel, ZZP 2016, 327, 334. S. ebenfalls Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 203 f., die § 1034 Abs. 2 als Abschaffung des Freiwilligkeitskriteriums versteht, die Norm deshalb aber für verfassungswidrig hält (S. 223 ff.). 102 Schütze, in: FS Coester-Waltjen, S. 757, 766; ähnlich Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 10 und jetzt Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 145; als zu weitgehend ablehnend Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 12a und Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 101 ff. Etwas unklar bleibt, was genau Schütze mit seiner Aussage meint. Auch der an vorgenannter Stelle in Fußnote 46 vorhandene Vorschlag, mit Rn. 61 der Kommentierung von Schütze zu § 1029 ZPO („Vgl. Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1029, Rdn. 61“) zu vergleichen, führt nur bedingt weiter. Denn dort wird lediglich ausgeführt, dass nach der Streichung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. § 138 BGB auf diese Fälle anzuwenden sei. So kann man die Aussage Schützes darauf beschränkt verstehen, dass § 138 BGB anwendbar ist. Möglich wäre hingegen auch, dass Schütze meint, § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. gelte im Gewand des § 138 BGB fort, dass also die Fälle von Übermacht im Rahmen des § 138 BGB unter den Voraussetzungen des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. zur Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung führen. In letzterem Sinne andenkend Classen, Rechtsschutz

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

Grundsätzlich gilt es bei der Diskussion um die Freiwilligkeit des Abschlusses von Schiedsvereinbarungen zwei Fragen auseinanderzuhalten. Eine Frage ist die danach, ob die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. als eine Abschaffung der Notwendigkeit einer freiwilligen Einigung auf die Schiedsvereinbarung zu verstehen ist.103 Ist sie es nicht, ist eine andere Frage, welche Anforderungen an die Freiwilligkeit der Einigung auf eine Schiedsvereinbarung zu stellen sind und in welchem Rahmen diese zu überprüfen sind. Zunächst zur ersten Frage, während die zweite Frage im weiteren Verlauf der Arbeit beantwortet wird104: aa) Die Abschaffung der Notwendigkeit einer freiwilligen Einigung auf die Schiedsvereinbarung wäre dem einfachen Gesetzgeber nicht möglich gewesen Zu Recht ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass die Notwendigkeit einer freiwilligen Einigung auf die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit darstellt.105 Als solche ist ihre Abschaffung dem einfachen Gesetzgeber nicht möglich.106 Dies bedeutet indes nicht, dass sich der Schutz der Freiwilligkeit der Einigung auf ein Schiedsgericht über eine spezielle Norm vollziehen müsste. In seiner Bürgschaftsentscheidung hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der Privatautonomie dort ihre Grenze gesetzt ist, wo sich die Selbstbestimmung der einen Partei als Fremdbestimmung für die andere Partei darstellt.107 Solange zum konkreten Schutz gegen solche Fremdbestimmungen keine spezialgesetzlichen Regelungen vorhanden sind, muss der Schutz über die zivilrechtlichen Generalklauseln gewährleistet werden. Hierzu kommt insbesondere § 138 BGB in Betracht.108 gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 91 und zustimmend auf S. 104: „hat die Streichung des ausdrücklichen Freiwilligkeitserfordernisses faktisch keine Rechtsänderung bewirkt“. Grundlage dieser Auffassung ist, dass nach Ansicht Classens an die „Nötigung“ i. S. d. § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. keine erhöhten Anforderungen zu stellen waren. Zur Diskussion um die Voraussetzungen einer Nötigung s. o. bei Kapitel 2 Fn. 16. 103 Dazu sogleich. 104 Siehe Kapitel 3. 105 Schon oben Kapitel 2 § 2 D. I. 1. 106 S. bereits Kapitel 2 Fn. 101. 107 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 232; BVerfG, Beschl. v. 05.08.1994 – 1 BvR 1402/89 – Bürgschaftsverträge II, NJW 1994, 2749, 2750; vgl. zuvor bereits BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 – Handelsvertreter, BVerfGE 81, 242, 255. 108 S. u. Kapitel 3 § 3 A. III. 2. a). Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 90, der § 138 BGB als die Norm identifiziert, in der das Erfordernis der Freiwilligkeit bei Abschluss einer Schiedsvereinbarung dogmatisch zu verorten sei.

§ 2 Auswirkungen des SchiedsVfG auf die materielle Wirksamkeitskontrolle

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Mit Blick auf das geltende Schiedsverfahrensrecht ist eine entsprechende Spezialregelung nicht vorhanden. Auch mit Blick auf die Formvorschrift des § 1031 ZPO lässt sich nicht sagen, der Gesetzgeber habe den Schutz unterlegener Parteien vor dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung bereits ausreichend anderweitig sichergestellt.109 Diese verhindert zwar, dass eine Partei ungesehen Teil einer Schiedsvereinbarung wird.110 Zu beachten ist auch, dass das Gesetz mit der Sonderregelung für Verbraucher zum Schutz vor Überrumplung in § 1031 Abs. 5 ZPO eine besondere Ungleichgewichtslage gezielt adressiert. Auch die Formvorschriften vermögen allerdings den Fall nicht zu adressieren, dass der unterlegenen Partei die Schiedsvereinbarung aufgezwungen wird. Denn wenn die unterlegene Partei schon zum Abschluss der Schiedsvereinbarung gezwungen werden kann, dann auch zur Einhaltung der dabei notwendigen Form.111 Zu Recht ist insoweit auch ein Ausschluss der Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle durch § 1031 Abs. 5 ZPO abgelehnt worden.112 Dass sich aus der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit einer freiwilligen Einigung auf die Schiedsgerichtsbarkeit aber ergeben würde, dass es einer § 1025

Ebenso LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 105 und jetzt auch Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 137 f. 109 So lässt sich BGH, Urt. v. 03.04.2000 – II ZR 373/98 – Körbuch, BGHZ 144, 146, 149 verstehen: „Die Formvorschrift des § 1027 a. F. ZPO soll, indem sie dem Betroffenen die Tragweite seiner Erklärung möglichst nachhaltig und eindringlich vor Augen führt, dementsprechend sicherstellen, daß der Verzicht auf die Entscheidung staatlicher Gerichte und auf den gesetzlichen Richter zugunsten eines privaten Schiedsgerichts bewußt und freiwillig erfolgt.“ Wie hier auch Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 177. Kritisch zu der Verknüpfung von Freiwilligkeit und Formvorschrift bspw. Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 89: „Schriftform und Freiwilligkeit haben nichts miteinander zu tun. [. . .] Aber auch eine formgerecht abgeschlossene Schiedsabrede kann die Freiwilligkeit der abgegebenen Erklärung nicht sicherstellen.“ Dem ist in dieser Absolutheit nicht zuzustimmen. Denn die schiedsverfahrensrechtliche Formvorschrift, heute § 1031 ZPO, wird zu Recht als Norm der Abschlusskontrolle eingeordnet, s. Wagner/Quinke, JZ 2005, 932, 934. Sie ist als solche sehr wohl eine Regelung zur Freiwilligkeit, nämlich zur Freiwilligkeit des Abschlusses. Richtig ist aber, dass sie nichts mit der Freiwilligkeit des Inhalts zu tun hat. Der BGH erwog auch in BGH, Urt. v. 13.01.2005 – III ZR 265/03, BGHZ 162, 9, 15 eine Verknüpfung zwischen § 1031 Abs. 5 ZPO und der Inhaltskontrolle (dort nach dem AGBGesetz), ließ die Frage dann aber offen. Auch § 1034 Abs. 2 ZPO passt hier nicht. Denn die Norm knüpft erst in einem späteren Stadium – wenn die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung feststeht – an. Ausführlich unten Kapitel 4 § 1 C. I. 3. b). 110 Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 222; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 94. 111 In diesem Sinne auch Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 89 f. 112 Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 116 und nun auch Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 94.

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

Abs. 2 ZPO a. F. vergleichbaren Regelung im Schiedsverfahrensrecht bedürfte, ist bisher noch nicht begründet worden. Hesselbarth hat zwar zuletzt das Gebot der Freiwilligkeit aus Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 1 und Abs. 3 sowie 92 GG abgeleitet.113 Auch sie legt hingegen nicht dar, anhand welcher Kriterien das Vorhandensein von Freiwilligkeit in der Sache zu beurteilen sein soll. Allein aus der Erkenntnis, dass verfassungsrechtlich eine freiwillige Einigung auf die Schiedsgerichtsbarkeit vorauszusetzen ist, folgt so eben noch nicht, dass dies mittels einer § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. vergleichbaren Regelung geschehen müsste. Einziger Begründungsansatz für eine Sonderbehandlung des Abschlusses von Schiedsvereinbarungen im Vergleich zu „normalen“ Verträgen und die Notwendigkeit einer spezialgesetzlichen Erfassung des Abschlusses kann die durch den erklärten Verzicht auf den Justizgewährungsanspruch bedingte besondere Verfassungsrelevanz sein. Zu Recht wird dies als Argument für eine besondere Freiwilligkeitskontrolle aber abgelehnt.114 Hauptgegenargument hierfür ist, dass es aufgrund der Gleichwertigkeit von staatlichem Gerichtsverfahren und Schiedsverfahren nicht zu einer Benachteiligung der Partei durch ein Schiedsverfahren kommen könne, die eine Sonderbehandlung rechtfertigte.115 Entscheidend ist auch, dass die Notwendigkeit der Freiwilligkeit der Einigung auf die Schiedsgerichtsbarkeit Ausfluss der Privatautonomie der Parteien ist und sie als solche aus verfassungsrechtlicher Perspektive keiner spezialgesetzlichen Schutznorm bedarf.116 bb) Die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. ist ohnehin nicht als Abschaffung der Notwendigkeit einer freiwilligen Einigung zu verstehen Entgegen der teilweisen Einschätzung, lässt sich die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. aber ohnehin nicht als eine Abschaffung der Notwendigkeit einer freiwilligen Einigung auf die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts verstehen. Weder aus der Streichung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. an sich noch aus der Begründung des SchiedsVfG lässt sich der Schluss ziehen, der Gesetzgeber hätte die Notwendigkeit eines freiwilligen Abschlusses der Schiedsvereinbarung ab-

113

Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 216 f. Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 214. Zur Gleichwertigkeit von staatlichem Gerichtsverfahren und Schiedsgerichtsverfahren s. o. Kapitel 2 § 2 D. I. 2. a). 115 Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 214. Hält man mit Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 26 ff. indes bereits die Gleichwertigkeit von Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit für „verfassungsrechtlich unhaltbar“, ergibt sich so ein Zirkelschluss. 116 Bereits oben Kapitel 2 § 2 D. I. 1. b). Die Frage, ob aus verfassungsrechtlicher Perspektive eine mit § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. vergleichbare Norm zum Schutz der Freiwilligkeit der Einigung auf eine Schiedsvereinbarung notwendig ist, kann hier nicht weiter vertieft werden. Die Arbeit setzt im Folgenden deshalb voraus, dass dies, analog zum geltenden Recht, nicht notwendig ist. 114

§ 2 Auswirkungen des SchiedsVfG auf die materielle Wirksamkeitskontrolle

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schaffen wollen.117 Die Ansicht, die von einer Abschaffung der Freiwilligkeitsvoraussetzung ausgeht, hat sich entsprechend bisher nicht durchgesetzt.118 § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. betraf in seiner ersten Variante zwar den Abschluss von Schiedsvereinbarungen. Aus der Abschaffung dieser Variante ist aber nicht zu folgern, dass die Kontrolle der Freiwilligkeit des Abschlusses einer Schiedsvereinbarung insgesamt weggefallen wäre. Weggefallen ist allein die speziell für Schiedsvereinbarungen geltende Sondernorm für den Fall des Abnötigens der Schiedsvereinbarung in Situationen wirtschaftlichen oder sozialen Ungleichgewichts. Das macht zunächst die Begründung der Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. deutlich: „Die in § 1025 Abs. 2 erste Alternative ZPO vorgesehene Rechtsfolge der Nichtigkeit des Schiedsvertrages für den Fall, daß eine Partei ihre wirtschaftliche und soziale Überlegenheit dazu ausgenutzt hat, die andere Partei zum Abschluß der Schiedsvereinbarung zu nötigen, erscheint angesichts der Tatsache, daß die Schiedsgerichtsbarkeit einen der staatlichen Gerichtsbarkeit grundsätzlich gleichwertigen Rechtsschutz bietet, zu weitgehend. Im übrigen sind Verträge zwischen Parteien, von denen die eine der anderen wirtschaftlich oder sozial überlegen ist, in der Realität sehr häufig. Ebensowenig wie sich aus dieser Tatsache als solcher die Nichtigkeit des Hauptvertrages herleiten läßt, kann dies allein für die Schiedsvereinbarung gelten.“ 119

Zwar spricht die Begründung zum SchiedsVfG davon, das SchiedsVfG sehe von einer Übernahme der Abschlussvariante des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. „ersatzlos“ ab.120 Abgeschafft worden ist aber nicht die Freiwilligkeitskontrolle überhaupt.121 Abgeschafft worden ist die Sonderbehandlung für Schiedsvereinbarungen. So wenig wie der Gesetzgeber das Ausnutzen einer strukturellen Übermacht zur Abnötigung irgendwelcher Rechtsgeschäfte mittels einer Sondernorm zu verhindern sucht, sollte dies fortan für Schiedsvereinbarungen der Fall sein. Die Entwicklung des Schiedsverfahrensrechts hin zu einer gleichwertigen und der staatlichen Endkontrolle unterliegenden Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit machte dies aus Sicht des Gesetzgebers unnötig. Das bedeutet aber nicht, dass die Freiwilligkeit nicht mehr geschützt und Verträge aus solchen Situationen nicht mehr kontrollierbar wären. Vielmehr treten an die Stelle des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. die Regelungen des allgemeinen Vertragsrechts.122 117 Haas, ZGR 2001, 325, 333; ähnlich Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 118 und Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 92. 118 Haas, ZGR 2001, 325, 333. 119 BT-Drucks. 13/5274, S. 34 li. Sp. 120 BT-Drucks. 13/5274, S. 34; darauf deutlich hinweisend Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 235. 121 S. o. in Kapitel 2 Fn. 96. 122 Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 214; Eichel, ZZP 2016, 327, 332; Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 177; in diesem Sinne nun auch Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport,

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

§ 1025 Abs. 2 ZPO a. F. lag noch der Gedanke zugrunde, eine unterlegene Partei vor einem Drängen in die Schiedsgerichtsbarkeit schützen zu müssen, weil es zu befürchten galt, die überlegene Partei werde das Schiedsverfahren zur Durchsetzung ihrer eigenen Agenda missbrauchen. Gleichem Zweck diente auch § 91 Abs. 1 S. 1 GWB a. F.123, der kartellrechtlichen Sachverhalten, in denen die Unterlegenheit einer Partei typisch ist, teilweise die Schiedsfähigkeit entzog.124 Die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. ist vor dem Hintergrund einer veränderten Auffassung des Gesetzgebers und der Rechtswirklichkeit bezüglich dieser zuvor genannten Befürchtungen zu sehen. Die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. in diesen Gesamtzusammenhang eingeordnet macht einmal mehr deutlich, dass nicht die Kontrolle der als verfassungsrechtliche Institution des Schiedsverfahrens notwendigen Freiwilligkeit abgeschafft worden ist, sondern vielmehr die Sonderbehandlung der Schiedsvereinbarung gegenüber anderen Rechtsgeschäften. Czibere hat zu Recht betont, es lasse sich nicht rückschließen, dass der Gesetzgeber die allgemein geteilte Charakteristik des Schiedsverfahrens als privatautonomes Verfahren habe auf den Kopf stellen wollen.125 Die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. hat deshalb auch nicht dazu geführt, dass § 138 BGB auf die Frage der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung nicht mehr anwendbar wäre.126 In diesem Zusammenhang ist immer wieder betont worden, dass die §§ 134, 138 BGB auch während der Geltung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. zu Recht immer schon parallel angewandt worden seien.127 Zwar diente § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. dem Schutz der Freiwilligkeit.128 RichtigerS. 160 f. sowie Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 93. 123 Danach waren Schiedsverträge über künftige Rechtsstreitigkeiten aus bestimmten wettbewerbsbeschränkenden Verträgen oder Beschlüssen oder aus Ansprüchen i. S. d. § 35 GWB a. F. nichtig, wenn sie nicht jedem Beteiligten das Recht gaben, im Einzelfall statt der Entscheidung durch das Schiedsgericht eine Entscheidung durch das ordentliche Gericht zu verlangen. 124 Ausführlich zu § 91 GWB a. F. und der weitergehenden Bedeutung seiner Abschaffung für die Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen unten Kapitel 4 § 3 D. II. 4. 125 Czibere, Die Beendigung von Schiedsvereinbarungen, S. 61. 126 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 203 ff. meint, § 1034 Abs. 2 ZPO als Nachfolgeregelung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. sperre die Anwendbarkeit des § 138 Abs. 1 ZPO, wenn es um die Überprüfung eines Zwangs einer überlegenen Partei gehe. Diese Ansicht beruht allerdings auf einer Überinterpretation des Anwendungsbereichs des § 1034 Abs. 2 ZPO. Ausführlich Kapitel 4 § 3 B. II. So wie hier Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 119; für die Anwendbarkeit des § 138 BGB jetzt auch Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 93. 127 Siehe z. B. Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 117. Überblick zu den verschiedenen Meinungen zum Verhältnis der Normen bei Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 102 ff. 128 S. o. Kapitel 2 § 1 A.

§ 2 Auswirkungen des SchiedsVfG auf die materielle Wirksamkeitskontrolle

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weise habe er aber immer nur eine sachliche Erweiterung des § 138 BGB darstellen, § 138 BGB in seiner Anwendbarkeit aber nicht verdrängen wollen.129 Die Abschaffung von § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. habe deshalb keine Auswirkung auf die Anwendbarkeit der §§ 134, 138 BGB.130 Die zur Begründung der Richtigkeit einer parallelen Anwendung von § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. immer wieder herangezogene Entscheidung des BGH131 taugt dazu allerdings nicht. In seiner Entscheidung hat der BGH zwar § 138 BGB neben § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. angewandt.132 Im konkreten Fall ging es aber nicht um eine überlegene Partei, die der anderen Partei die Schiedsvereinbarung aufgezwungen hatte. Vielmehr ging es um eine „offensichtlich ,handgestrickte‘ “ 133 Schiedsvereinbarung, die durch eine Vielzahl von inhaltlichen Regelungen der einen Partei ein Übergewicht einräumte und dadurch für die andere Partei zu einer übermäßigen Einschränkung des Rechtsschutzes führte.134 Deswegen hielt der BGH die Schiedsvereinbarung für nichtig, nicht aber wegen eines Mangels an Freiwilligkeit durch die Übermachtstellung der einen Partei. Eine solche Übermachtstellung ergibt sich auch nicht aus den Sachverhaltsangaben des entschiedenen Falls. Ob § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. im konkreten Fall also überhaupt anwendbar gewesen wäre, kann schon bezweifelt werden.135 So oder so: Aus der Entscheidung mag man nun die Erkenntnis ziehen, der BGH ist der Ansicht gewesen, dass es neben § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. noch weitere Fälle gibt, in denen die Schiedsvereinbarung auch ohne den Einsatz wirtschaftlicher oder sozialer Macht von der Rechtsordnung zu missbilligen ist. Eine Aussage über das Verhältnis der Normen für den Fall, dass die Schiedsvereinbarung Ergebnis der Ausnutzung von Überlegenheit einer Partei ist, ist der Entscheidung aber nur schwerlich zu entnehmen.136 Deswegen ist die Erkenntnis, dass der BGH in der Entscheidung § 138 BGB trotz der Existenz des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. angewandt hat, kein Argument dafür, dass § 138 BGB diese Fälle nach Wegfall des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. erfassen muss.

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Haas, ZGR 2001, 325, 333. Haas, ZGR 2001, 325, 333; vgl. Mäsch, in: FS Schlosser, S. 529, 532. 131 BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336. 132 BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 339 ff. 133 Walter, JZ 1989, 590. 134 Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 284. 135 Anders, jedoch ohne Begründung, Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 102. 136 Anders Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 102, der der Entscheidung aufgrund der Anwendung des § 138 BGB jedenfalls die Erkenntnis abgewinnen will, der BGH habe § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. nicht als lex specialis angesehen. Unter der Prämisse der Anwendbarkeit des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall wäre Classens Rückschluss zuzustimmen. Dass § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. im konkreten Fall jedoch wirklich anwendbar gewesen wäre, wird hier – wie gesagt – bezweifelt. 130

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

Dass § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. niemals dazu gedacht war, § 138 BGB zu ersetzen und deswegen der Wegfall von § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. auch nicht zu einer Unanwendbarkeit des § 138 BGB in den vorher von § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. erfassten Fällen geführt haben kann, ergibt sich vielmehr aus der ursprünglichen gesetzgeberischen Intention zu § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. Denn die Norm war im Jahre 1933 eingefügt worden, weil der Gesetzgeber der Meinung war, allein über § 138 BGB dem Missbrauch im Schiedsgerichtswesen nicht mehr Herr zu werden.137 Schon dieser mit § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. verfolgte Schutzgedanke eines zusätzlichen Schutzes gegen Schiedsvereinbarungen spricht gegen eine Verdrängung des § 138 BGB.138 cc) Zwischenergebnis Auch unter Geltung des neuen Schiedsverfahrensrechts ist deshalb das Vorhandensein von Freiwilligkeit beim Abschluss der Schiedsvereinbarung zu überprüfen. Auch der BGH hat an dem Erfordernis der Freiwilligkeit des Abschlusses der Schiedsvereinbarung festgehalten.139 Abgeschafft worden ist mit § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. eine Sondernorm für Schiedsvereinbarungen. Nach ihrem Wegfall, ist die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung anhand der allgemeinen Wirksamkeitsvorschriften zu bestimmen. Eine ganz andere Frage ist indes die, wann es an einer freiwilligen Einigung auf die Schiedsgerichtsbarkeit fehlt.140 c) § 11 AntiDopG und seine gesetzgeberische Intention als gesetzgeberische Meinungskundgabe zur Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen Im Zuge des jüngst erlassenen AntiDopG hat sich dann auch der Gesetzgeber nochmals zur Debatte um den Schutz der Freiwilligkeit des Abschlusses von Schiedsvereinbarungen geäußert, die teilweise auch als Bestätigung einer bereits durch die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. zum Ausdruck gekommene schiedsverfahrensfreundlichen Haltung des Gesetzgebers verstanden worden ist141. So heißt es in der Begründung zu § 11 AntiDopG des Referentenentwurfs: „Allerdings wird in letzter Zeit vereinzelt die Unwirksamkeit solcher Schiedsvereinbarungen vorgebracht, weil die Sportlerinnen und Sportler sich den Verbänden ge137 Vgl. Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 97 ff. § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. wurde eingefügt durch Gesetz vom 27.10.1933, RGBl. I S. 780, 785. 138 So auch Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 102 m.w. N. 139 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2271 Rn. 53 ff.; vgl. Czibere, Die Beendigung von Schiedsvereinbarungen, S. 45 f. 140 Dazu unten Kapitel 3. 141 Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280, 282. Ausführlich bereits oben Kapitel 2 § 2 D. I. 2.

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genüber in einer unterlegenen Stellung befänden und weil ihnen die schiedsrichterliche Streitbeilegung ,aufgezwungen‘ werde. Der Abschluss solcher Vereinbarungen als Voraussetzung für die Teilnahme am organisierten Sport hält jedoch einer rechtlichen Prüfung am Maßstab des § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch unter Berücksichtigung der Grundrechte und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vor dem Hintergrund der besonderen Umstände des Leistungssports stand. Wenn Schiedsvereinbarungen nach deutschem Recht als wirksam anzusehen sind, dürften auch Schiedsvereinbarungen, die einem ausländischen Recht unterliegen, jedenfalls regelmäßig nicht am Haupteinwand, dem deutschen Ordre-public-Vorbehalt nach Artikel 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche, scheitern. Der nationale und internationale Rechtsschutz vor Schiedsgerichten ist bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem organisierten Sport dem vor staatlichen Gerichten im Wesentlichen gleichwertig. Die Auswahl geeigneter Schiedsrichter und die Einhaltung elementarer Verfahrensgrundsätze durch Schiedsgerichte werden u. a. dadurch gewährleistet, dass den staatlichen Gerichten am Schiedsort regelmäßig eine begleitende rechtliche Kontrolle eingeräumt wird. Außerdem kann der Schiedsspruch selbst in eingeschränktem Umfang zur Überprüfung durch staatliche Gerichte gestellt werden. Eine trotz des grundsätzlich gleichwertigen Rechtsschutzes erwogene Beeinträchtigung der Rechte der Sportlerinnen und Sportler durch den Abschluss von Schiedsvereinbarungen wäre jedenfalls aufgrund der sportspezifischen Besonderheiten, die eine interessengerechte Organisation von Sport erst ermöglichen, gerechtfertigt. Die Verbände leisten vermehrt dazu ihren Beitrag, indem sie Sportlerinnen und Sportlern bei dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung deren Bedeutung und Reichweite verdeutlichen. Die Klarstellung in der Vorschrift dient dazu, die Zweifel an der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen zwischen Sportlerinnen und Sportlern mit den Verbänden auszuräumen.“ 142

Aufgrund dieser Begründung des auf den ersten Blick recht harmlos daherkommenden § 11 AntiDopG, fragte mancher nach der „Einführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Sportschiedsgerichtsbarkeit?“ 143. Bei ihrer Lektüre konnte man den Gesetzgeber nun endgültig dahingehend verstehen, als wollte er ein Scheitern der Schiedsvereinbarung am Kriterium der Freiwilligkeit des Abschlusses nicht mehr.144 So verstanden ist die Norm deshalb für verfassungswidrig gehalten worden. Denn der Gesetzgeber würde die „mehr denn je umstrittene Praxis“ des Abschlusses von Schiedsvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen nicht nur positiv anerkennen. Er würde nicht bloß den Schutz der

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Begr. Ref.-Entw. AntiDopG, Stand: 10.11.2014, S. 42 f. Heermann, SpuRt 2015, 5 ff. 144 Siehe bei Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 13 und das dortige Zitat, ausdrücklich in Rn. 32; Heermann, NJW 2016, 2224, 2227; sehr kritisch auch Heermann, SpuRt 2015, 5 ff. und Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 87. 143

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schwächeren Vertragspartei unterlassen, sondern deren Stellung vielmehr nachhaltig verschlechtern.145 Vermeintlich als Reaktion auf die verfassungsrechtlichen Bedenken und die Entscheidung des OLG München in der Rechtssache Pechstein ist die Aussage in der auf den Referentenentwurf folgenden Regierungsbegründung dann abgeschwächt worden.146 Sie betont, dass der Vorschrift keine Festlegung hinsichtlich des Ergebnisses einer Prüfung der Schiedsvereinbarung zu entnehmen sei. Es heißt: „Der Abschluss solcher Vereinbarungen als Voraussetzung für die Teilnahme am organisierten Sport hält jedoch in der Regel einer rechtlichen Prüfung am Maßstab des § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuchs [. . .]“ 147 stand. Und weiter: „Die Klarstellung in der Vorschrift dient insgesamt lediglich dazu, die Zweifel an der Wirksamkeit des Abschlusses von Schiedsvereinbarungen zwischen Sportlerinnen und Sportlern mit den Verbänden auszuräumen. Ob diese Schiedsvereinbarungen einer umfassenden Inhaltskontrolle standhalten und damit nicht gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) verstoßen, soll durch diese Vorschrift nicht entschieden werden. Eine funktionierende Sportschiedsgerichtsbarkeit, die den allgemeinen rechtsstaatlichen Anforderungen entspricht und damit solche Verstöße ausschließt, wird vielmehr vorausgesetzt.“ 148 Folgt man dieser Begründung, wird man § 11 AntiDopG im Sinne einer gesetzgeberischen Meinungskundgabe verstehen müssen, die der Anwendbarkeit von § 138 BGB zum Schutze der Freiwilligkeit des Abschlusses der Schiedsvereinbarung aber nicht im Wege steht.149 Bei diesem Bedeutungsumfang wird man die Norm auch nicht als verfassungswidrig ansehen können.150 3. Zwischenergebnis Die Schiedsvereinbarung ist der privatautonome Verzicht auf die staatliche Gerichtsbarkeit unter gleichzeitiger Einigung auf eine alternative Form der Gerichts145 Bleistein/Degenhart, NJW 2015, 1353, 1356; Lehner, causa sport 2015, 130, 132 ff.; zustimmend Eichel, ZZP 2016, 327, 334; vgl. Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 180. Adolphsen, SpuRt 2016, 46, 48 f. hingegen, hält die Norm für eine einfachgesetzliche Ausgestaltung des Justizgewährungsanspruchs. Die „heftige auch verfassungsrechtliche Kritik“ beruhe zum Teil auf einer Überinterpretation des Bedeutungsinhalts der Norm. 146 Heermann, WRP 2015, 1288, 1289 Rn. 12; Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 286. In diesem Sinne auch Lehner, in: Lehner/ Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 14 ff., insbes. Rn. 18. 147 BT-Drucks. 18/4898, S. 38 (Hervorh. d. Verf.). 148 BT-Drucks. 18/4898, S. 39 (Hervorh. d. Verf.). 149 In diesem Sinne wohl auch OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 21.12.2017 – 11 U 26/17 (Kart), NZKart 2018, 151, 152 und jetzt Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 158, 217, Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 147 sowie Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 180. Vgl. Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 286. 150 In diesem Sinne auch Eichel, ZZP 2016, 327, 334, insbes. in Fn. 46.

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barkeit. Eine privatautonome Einigung hierauf muss freiwillig erfolgen. Diese Notwendigkeit einer freiwilligen Einigung folgt indes nicht aus dem Charakter als Schiedsvereinbarung, sondern aus der Privatautonomie. Die Freiwilligkeitskontrolle bei Schiedsvereinbarungen ist deshalb nichts Besonderes. Weder durch die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. noch durch die Schaffung des § 11 AntiDopG hat sich an der Notwendigkeit eines freiwilligen Abschlusses von Schiedsvereinbarungen etwas geändert. Mit der Streichung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. abgeschafft worden ist eine Sonderbehandlung für Schiedsvereinbarungen. Nach dem Wegfall der Spezialnorm ist die Wirksamkeit des Abschlusses der Vereinbarung an den allgemeinen Vorschriften zu messen. § 11 AntiDopG ist in Verbindung mit seiner Gesetzesbegründung lediglich als gesetzgeberische Meinungskundgabe zu verstehen.

II. Trennung zwischen Schiedsvereinbarung und Schiedsverfahrensvereinbarung Bisher hat die Arbeit immer einheitlich von der Schiedsvereinbarung gesprochen. Auch insoweit hat das SchiedsVfG allerdings eine Neuerung gebracht. Denn dem neuen SchiedsVfG liegt eine Trennung zwischen der Schiedsvereinbarung und sie flankierenden Schiedsverfahrensvereinbarungen zugrunde. Diese Trennung wird oft – und sogar teilweise vom Gesetzgeber selbst im neuen Schiedsverfahrensrecht – verkannt. Dabei hat sie erhebliche Bedeutung, insbesondere für die Rechtsfolge einer Wirksamkeitskontrolle. 1. Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung Als Ausfluss ihrer Parteiautonomie steht es den Parteien frei, gemeinsam und für ein bestimmtes Rechtsverhältnis auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten zu verzichten.151 Diese Einigung ist die Schiedsvereinbarung. Ebenso Ausfluss der Parteiautonomie ist es aber auch, dass die Parteien grundsätzlich, solange nicht zwingendes Recht entgegensteht, frei in der Gestaltung des Verfahrens vor dem Schiedsgericht sind.152 Solche Vereinbarungen über die Ausgestaltung des Schiedsverfahrens stellen Schiedsverfahrensvereinbarungen dar. Zwischen der Schiedsvereinbarung einerseits und der Schiedsverfahrensvereinbarung andererseits ist zu trennen. Diese von Schlosser herausgearbeitete Unter-

151

S. o. Kapitel 2 § 2 D. I. 1. a). Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1042 Rn. 76; Saenger, in: Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 1042 Rn. 12. So explizit § 1042 Abs. 3 ZPO für das deutsche Recht. 152

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scheidung ist heute anerkannt.153 Bei der Schiedsvereinbarung geht es um das „Ob“ des Ausschlusses staatlicher Gerichtsbarkeit.154 Mit Schiedsverfahrensvereinbarungen hingegen regeln die Parteien das „Wie“ des Schiedsverfahrens,155 sei es beispielsweise die Bildung und Besetzung des Schiedsgerichts156, die Unterwerfung unter eine bestimmte Schiedsordnung157 oder der Ablauf des Verfahrens.158 Aus dieser Trennung ergeben sich begriffliche Schwierigkeiten. Denn oftmals, wenn von der „Schiedsvereinbarung“ gesprochen wird, ist damit nicht nur allein die Einigung auf die Schiedsgerichtsbarkeit gemeint. Gemeint ist die Gesamtheit aus der Einigung auf die Schiedsgerichtsbarkeit und den flankierenden Schiedsverfahrensvereinbarungen.159 Dies soll hier der Einfachheit halber beibehalten werden. Wenn die Arbeit also im Folgenden von der Schiedsvereinbarung spricht, dann meint sie die Gesamtheit der Vereinbarungen der Parteien bezüglich der Schiedsgerichtsbarkeit, ohne dass es ihr auf eine Differenzierung an153 Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, S. 257 ff. Ebenfalls: BGH, Beschl. v. 18.06.2014 – III ZB 89/13, SchiedsVZ 2014, 254, 255 Rn. 10; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12.05.2009 – 14 Sch 4/09, NJW-RR 2010, 788, 789; OLG Koblenz, Urt. v. 06.03.2008 – 6 U 610/07 (erhältlich in juris), Rn. 20; Eichel, ZZP 2016, 327, 337; Eichel, IPRax 2010, 219; Epping, Die Schiedsvereinbarung im internationalen privaten Rechtsverkehr nach der Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts, S. 27 f.; Geimer, IZPR, 8. Aufl. 2020, Rn. 3805; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 11, § 1042 Rn. 23; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 61, 308; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 11, 101, § 1042 Rn. 79; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 35; Otto, ZGR 2019, 1082, 1085; Saenger, in: Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 1042 Rn. 12; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 12. 154 Eichel, ZZP 2016, 327, 337; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 11, 101; Otto, ZGR 2019, 1082, 1086. 155 Eichel, ZZP 2016, 327, 337; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 11, 101; Otto, ZGR 2019, 1082, 1091. 156 BGH, Beschl. v. 18.06.2014 – III ZB 89/13, SchiedsVZ 2014, 254, 255 Rn. 10; OLG Koblenz, Urt. v. 06.03.2008 – 6 U 610/07 (erhältlich in juris), Rn. 20; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 11; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 103; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 261. 157 OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12.05.2009 – 14 Sch 4/09, NJW-RR 2010, 788, 789; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 11. 158 BGH, Beschl. v. 18.06.2014 – III ZB 89/13, SchiedsVZ 2014, 254, 255 Rn. 10; Epping, Die Schiedsvereinbarung im internationalen privaten Rechtsverkehr nach der Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts, S. 27; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1042 Rn. 24 f. mit weitern Beispielen für Schiedsverfahrensvereinbarungen; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 61; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18. Aufl. 2018, § 176 Rn. 8; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1042 Rn. 33 ebenfalls mit weiteren Beispielen. 159 Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 36. Gemeint ist teilweise auch nur die Schiedsverfahrensvereinbarung. So zum Beispiel in § 1034 Abs. 2 ZPO, s. u. Kapitel 4 § 1 C. I. 3. a).

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käme. Will die Arbeit differenzieren, spricht sie für die Einigung auf die Schiedsgerichtsbarkeit von der Schiedsvereinbarung i. e. S., für eine Vereinbarung hinsichtlich des Schiedsverfahrens von Schiedsverfahrensvereinbarung.160 Die Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung kannte das alte Schiedsverfahrensrecht noch nicht.161 Sie findet sich auch heute nicht geschrieben im Schiedsverfahrensrecht, klingt indes in einigen Vorschriften an. So insbesondere in § 1042 Abs. 3 ZPO, der es den Parteien ermöglicht, Schiedsverfahrensvereinbarungen zu schließen.162 Teilweise verkennt das Schiedsverfahrensrecht die Trennung – jedenfalls sprachlich – aber auch selbst.163 Sie liegt allerdings sowohl Art. V UNÜ als auch § 1059 ZPO zugrunde. So beziehen sich Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ beziehungsweise § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO auf die Schiedsvereinbarungen i. e. S. während es in Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ und § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO um Schiedsverfahrensvereinbarungen geht.164 Einige Details der Abgrenzung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung sind noch nicht abschließend geklärt. Eine rein zeitliche Abgrenzung, die danach fragt, ob „[. . .] anfangs gleich alles geklärt wird [. . .]“, gemeint ist wohl gleichzeitig mit und in der Schiedsvereinbarung165, kann jedenfalls nicht entscheidend sein.166 Denn dann hinge die Qualifikation als Schiedsverfahrensvereinbarung, die maßgeblichen Einfluss auf die Rechtsfolgen hat, vom Zufall eines zeitlichen Moments ab. Gleiches gilt für eine rein formale Abgrenzung danach, wo was steht, ob also die Verfahrensvereinbarung in der Schiedsvereinbarung enthalten ist oder sich in einem separaten Dokument findet.167 160 Ähnlich schon Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 35; anders Eichel, ZZP 2016, 327, 337, der von Schiedsvertrag, Schiedsvereinbarung und Schiedsverfahrensvereinbarung spricht. 161 Vgl. Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 260. 162 Vgl. Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1042 Rn. 33. Siehe darüber hinaus bspw. in § 1043 Abs. 1 S. 2 i.V. m. S. 1, näher hierzu s. Kapitel 2 Fn. 172. 163 S. u. Kapitel 4 § 1 C. I. 3. 164 Eichel, ZZP 2016, 327, 337; Eichel, IPRax 2010, 219; Epping, Die Schiedsvereinbarung im internationalen privaten Rechtsverkehr nach der Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts, S. 28; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 61; vgl. BGH, Beschl. v. 14.02.2019 – I ZB 33/18, SchiedsVZ 2019, 287, 288 Rn. 8. 165 So lässt sich Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 8 verstehen; vgl. Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 261. 166 So auch schon Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 261. 167 Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 261.

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

Zur Abgrenzung wird grundsätzlich zwischen notwendigem und fakultativem Inhalt differenziert.168 Nur der notwendige Inhalt ist Bedingung der Schiedsvereinbarung i. e. S., während fakultative Vereinbarungen Schiedsverfahrensvereinbarungen darstellen.169 Ungeklärt ist insbesondere noch, anhand welchen Rechts sich bestimmt, welche Teile der Parteivereinbarung zur Schiedsvereinbarung i. e. S. gehören und welche Teile Schiedsverfahrensvereinbarungen darstellen. Schlosser will auf die inhaltlichen Mindestvoraussetzungen abstellen, die das Statut der Schiedsvereinbarung voraussetzt.170 Wohl mehrheitlich wird hingegen zu Recht vorgeschlagen, den Begriff der Schiedsvereinbarung i. e. S. unabhängig vom Schiedsvereinbarungsstatut zu bestimmen und inhaltlich auf die Regelung zu beschränken, mit der die Parteien vereinbaren, dass und für welche Streitigkeit ein Schiedsverfahren durchgeführt werden soll.171 Alles was darüber hinausgeht, beispielsweise die Bestimmung des Schiedsorts172, der Verfahrenssprache, ein Verweis auf eine Schiedsordnung einer Schiedsinstitution oder eben Regelun-

168 Siehe nur Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 11 und Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 261 sowie Eichel, ZZP 2016, 327, 337. 169 Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 261. 170 Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 261; vgl. auch Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, Anh. § 1061 Rn. 70: Verlange eine Schiedsvereinbarung als Wirksamkeitsvoraussetzung nach dem Schiedsvereinbarungsstatut also die Regelung einer bestimmten Verfahrensfrage, etwa die Einigung der Parteien über die Besetzung des Schiedsgerichts, so stelle diese Einigung keine Schiedsverfahrensvereinbarung dar, sondern gehörte zur Schiedsvereinbarung, vgl. Eichel, IPRax 2010, 219, 221 und Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 36 in Fn. 170. 171 Eichel, ZZP 2016, 327, 337; Eichel, IPRax 2010, 219, 221; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 11 („=Vereinbarung, dass sich die Parteien überhaupt schiedsrichterl Entscheidung unterwerfen u damit den Rechtsweg zu den staatl Gerichten ausschließen“) und 32; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 36 m.w. N.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 44 Rn. 7. Auch die Rspr. hält inhaltlich allein die Bestimmung der sachlichen Reichweite der Schiedsvereinbarung für erforderlich, ohne, dass der Umgang mit abweichenden Mindestvoraussetzung eines ausländischen Schiedsvereinbarungsstatuts bisher jedoch in Frage gestanden hätte: KG Berlin, Beschl. v. 28.04. 2011 – 23 U 33/11, MDR 2011, 952; OLG Koblenz, Urt. v. 06.03.2008 – 6 U 610/07 (erhältlich in juris), Rn. 20; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 11.07.2013 – 26 SchH 8/ 12, SchiedsVZ 2013, 294, 296; vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12.05.2009 – 14 Sch 4/09, NJW-RR 2010, 788, 789. 172 Für die Bestimmung des Schiedsorts ergibt sich dies aus § 1043 Abs. 1 S. 2 ZPO, der lautet: „Fehlt eine solche Vereinbarung [über den Schiedsort], so wird der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens vom Schiedsgericht bestimmt.“ Wenn das Schiedsgericht trotz des Fehlens einer Bestimmung zum Schiedsort handeln kann, bedeutet dies, dass das Gesetz von der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. ausgeht. Dann kann der Schiedsort nicht Teil der Schiedsvereinbarung i. e. S. sein.

§ 2 Auswirkungen des SchiedsVfG auf die materielle Wirksamkeitskontrolle

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gen zur Besetzung des Schiedsgerichts173, stellt deshalb eine Schiedsverfahrensvereinbarungen dar.174 2. Bedeutung der Trennung insbesondere für die Rechtsfolge der Wirksamkeitskontrolle In Rechtsprechung und Literatur wird zwischen den beiden Begriffen oftmals nicht sauber unterschieden.175 Dies mag es – durch die Verwendung nur eines Oberbegriffs – sprachlich einfacher machen, verleitet jedoch teilweise dazu, die Unterscheidung auch da nicht vorzunehmen, wo sie Relevanz entfaltet. In der vorliegenden Arbeit von besonderer Relevanz ist die Trennung für die Rechtsfolge einer Wirksamkeitskontrolle.176 Denn für die Rechtsfolge kommt es maßgeblich darauf an, ob der Fehler in der Schiedsvereinbarung i. e. S. oder in einer Schiedsverfahrensvereinbarung zu verorten ist. Die Schiedsvereinbarung i. e. S. ist grundsätzlich nur dann unwirksam, wenn sie selbst fehlerhaft ist.177 Ist hingegen eine Schiedsverfahrensvereinbarung unwirksam, so stellt sich die Frage der Konsequenz dessen für die Schiedsvereinbarung i. e. S. Hält man es richtigerweise für möglich, dass Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung für die Frage ihrer Wirksamkeit unterschiedlichen Rechtsordnungen unterfallen können178, dann kommt es für diesen Fall auf die Regeln zur Teilnichtigkeit jener Rechtsordnung an, der der Teil der

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S. hierzu unten Kapitel 4 § 1 C. I. 3. a). Eichel, ZZP 2016, 327, 337; Eichel, IPRax 2010, 219, 221; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 36. 175 Eichel, IPRax 2010, 219; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1042 Rn. 79; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 36; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 260. So bspw. in OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 43 und 44 bei der Frage der Geschäftsbedingung. Dazu ausführlich nochmal unten Kapitel 3 § 3 C. II. 2. 176 So hat zuletzt OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40 die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung angenommen, ohne zu sehen, dass fehlerhaft im konkreten Fall nicht die Schiedsvereinbarung, sondern eine Schiedsverfahrensvereinbarung war. Zur Frage, ob sich aus der Tatsache, dass die Unwirksamkeit aus dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot folgte, etwas anderes ergibt unten Kapitel 3 § 3 C. II. 7. Darüber hinaus hat die Trennung insbesondere Relevanz für die Frage der Formbedürftigkeit des § 1031 ZPO (siehe nur Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1042 Rn. 23). Des Weiteren ist das auf die Schiedsvereinbarung i. e. S. und auf etwaige Schiedsverfahrensvereinbarungen anwendbare Recht unabhängig voneinander zu bestimmen (Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 259). 177 Eichel, ZZP 2016, 327, 345; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 26b. 178 Eichel, IPRax 2010, 219, 220 f.; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 259, 260, 263. 174

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

Schiedsvereinbarung unterliegt, um dessen Aufrechterhaltung es geht.179 Sind demgegenüber bloß Teile der Schiedsverfahrensvereinbarungen unwirksam, so entscheidet sich das Schicksal der restlichen Schiedsverfahrensvereinbarungen nach den dafür vorgesehenen Regeln der auf die Wirksamkeit der Schiedsverfahrensvereinbarungen anwendbaren Rechtsordnung.180 Für das deutsche Recht folgt aus der Unwirksamkeit der Schiedsverfahrensvereinbarung nach herrschender Meinung nicht gleich die Unwirksamkeit (auch) der Schiedsvereinbarung i. e. S., etwa aus § 139 BGB181, obwohl Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung als Einheit zu betrachten sind182. Unwirksam ist zunächst einmal nur die Schiedsverfahrensvereinbarung. Denn anzunehmen sein soll grundsätzlich, dass die Schiedsvereinbarung i. e. S. auch ohne die fehlerhafte Schiedsverfahrensvereinbarung geschlossen worden wäre.183 Dadurch soll der Grundentscheidung der Parteien zum Ausschluss staatlicher Gerichtsbarkeit Rechnung getragen werden.184 Für sportbezogene Streitigkeiten und Fälle einer Ungleichgewichtslage zwischen den Parteien ist ein solch grundlegender Wille beider Parteien zum Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit teilweise bezweifelt worden. Insbesondere eine Ungleichgewichtslage stehe der Annahme entgegen, der Athlet habe sich 179 Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 263; anders, aber wohl unabsichtlich (s. dortige Fn. 65), Eichel, IPRax 2010, 219, 224. 180 Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 263. 181 BGH, Beschl. v. 18.06.2014 – III ZB 89/13, SchiedsVZ 2014, 254, 255 Rn. 11; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 11.07.2013 – 26 SchH 8/12, SchiedsVZ 2013, 294, 296; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12.05.2009 – 14 Sch 4/09, NJW-RR 2010, 788, 789; OLG Brandenburg, Urt. v. 26.04.2006 – 4 U 161/05, NJOZ 2006, 2044, 2048; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 31, 60, § 1034 Rn. 13, § 1042 Rn. 26; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 311; Saenger, in: Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 1042 Rn. 14; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 263; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 6 Rn. 8; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 307 Rn. 129. Vgl. bereits, wenn auch unscharf, BGH, Beschl. v. 14.07.2011 – III ZB 70/10, NJW 2011, 2978; BGH, Urt. v. 01.03.2007 – III ZR 164/06, SchiedsVZ 2007, 163, 164 Rn. 16; OLG Koblenz, Urt. v. 06.03.2008 – 6 U 610/07 (erhältlich in juris), Rn. 20; etwas unklar Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 318. Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 263 hat darauf hingewiesen, dass ähnliche auf den hypothetischen Parteiwillen abstellende Regeln, „mit Nuancierungen hinsichtlich der Beweislastverteilung“, auch in den meisten anderen Rechtsordnungen existieren. 182 Eichel, IPRax 2010, 219, 224; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 318 in Fn. 846. 183 OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12.05.2009 – 14 Sch 4/09, NJW-RR 2010, 788, 789; OLG Brandenburg, Urt. v. 26.04.2006 – 4 U 161/05, NJOZ 2006, 2044, 2048; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 6 Rn. 8. 184 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 26b.

§ 2 Auswirkungen des SchiedsVfG auf die materielle Wirksamkeitskontrolle

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bewusst für die Schiedsvereinbarung i. e. S. entschieden.185 Zu überzeugen vermag dies nicht. Denn so wird auf Rechtsfolgenebene eine Frage aufgewärmt, die auf vorheriger Ebene bereits entschieden worden sein muss: Haben die Parteien sich wirksam auf eine Schiedsvereinbarung i. e. S. geeinigt? Wenn dem so ist, dann bleibt es auch für andere Bereiche als der Handelsschiedsgerichtsbarkeit und auch für Situationen eines strukturellen Ungleichgewichts zwischen den Parteien dabei, dass die Parteien den Ausschluss der staatlichen Schiedsgerichtsbarkeit wollten. Richtigerweise ist deshalb auch in Ungleichgewichtslagen aus der Unwirksamkeit einer Schiedsverfahrensvereinbarung nicht die Unwirksamkeit auch der Schiedsvereinbarung i. e. S. zu folgern. Holla hat die Begrenzung der Nichtigkeit auf die Schiedsverfahrensvereinbarung mit der gesetzgeberischen Wertung innerhalb des § 1034 Abs. 2 ZPO zu begründen versucht. Denn wenn der Gesetzgeber selbst bei einer nachteiligen Verfahrensregelung im Kernbereich rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze von der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. ausgehe, dann werde man diese Wertung auch im Schutzbereich anderer Vorschriften grundsätzlich beachten müssen.186 Die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. soll aus der Unwirksamkeit der Schiedsverfahrensvereinbarung aber regelmäßig dann folgen, wenn der unwirksame Teil das Gesamtgepräge der vereinbarten Schiedsgerichtsbarkeit berühre. Das soll insbesondere für den Fall gelten, in dem die Vereinbarung über die Verwaltung des Schiedsverfahrens durch eine bestimmte Schiedsorganisation daran scheitert, dass die Unabhängigkeit der Schiedsrichter oder eine gleichmäßige Einflussnahme beider Parteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts nicht gewährleistet sind.187 Jedenfalls für letzteren Fall kann dies bei Anwendbarkeit deutschen Rechts auf die Frage der Gesamtnichtigkeit heute nicht mehr gelten. Denn einerseits ergibt sich aus der Existenz des § 1034 Abs. 2 ZPO, dass trotz eines Übergewichts einer Partei bei der Besetzung des Schiedsgerichts, die Schiedsvereinbarung i. e. S. wirksam sein soll. Darüber hinaus verhindert § 1034 Abs. 2 ZPO bereits die Unwirksamkeit der Schiedsverfahrensvereinbarung aufgrund des Übergewichts bei der Besetzung.188 An die Stelle einer unwirksamen Schiedsverfahrensvereinbarung tritt dann die entsprechend einschlägige gesetzliche Regelung.189 Neben dieser Bedeutung auf 185

Eichel, ZZP 2016, 327, 345. Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 311. Siehe zu dieser Wirkung des § 1034 Abs. 2 ZPO noch ausführlich unten Kapitel 4 § 1 D. 187 Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 263. 188 S. u. Kapitel 4 § 1 D. 189 OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12.05.2009 – 14 Sch 4/09, NJW-RR 2010, 788, 789; Saenger, in: Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 1042 Rn. 14; Schwab/Walter, Schieds186

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

Rechtsfolgenebene, dient die Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung auch zur Identifikation des für die jeweilige Wirksamkeitsprüfung maßgeblichen Leitbilds.190 Im Falle einer AGB-rechtlichen Unwirksamkeit bedarf es der obigen Argumentation191 gegen eine Gesamtnichtigkeit insbesondere gemäß § 139 BGB hingegen nicht. Dort gibt § 306 Abs. 1 BGB das soeben über § 139 BGB begründete Ergebnis ohnehin vor. An die Stelle der unwirksamen Schiedsverfahrensvereinbarung tritt gemäß § 306 Abs. 2 BGB auch dort die gesetzliche Regelung.192

§ 3 Ergebnisse des 2. Kapitels Durch das SchiedsVfG hat das Schiedsverfahrensrecht insgesamt große Veränderungen erfahren. Auch für die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen hatte das SchiedsVfG große Bedeutung. Während das alte Schiedsverfahrensrecht mit § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. noch unmittelbar eine Regelung betreffend die Wirksamkeitskontrolle enthielt, ist diese durch das SchiedsVfG weggefallen. Die beiden in § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. enthaltenen Varianten finden sich nur noch in Teilen und dann abgewandelt im neuen Schiedsverfahrensrecht. Die Abschlussvariante des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. ist mit dem SchiedsVfG ersatzlos weggefallen. Die Annahmevariante des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. ist mit dem SchiedsVfG in § 1034 Abs. 2 ZPO überführt worden, wenn auch nur in Teilen und unter Abänderung der Rechtsfolge. Verglichen mit § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. ist der Tatbestand des § 1034 Abs. 2 ZPO enger und weiter zugleich. Enger, weil er im Gegensatz zu § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. nur noch eine konkrete Schiedsverfahrensvereinbarung erfasst. Weiter, weil § 1034 Abs. 2 ZPO die Rechtsfolge

gerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 6 Rn. 8; vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 11.07.2013 – 26 SchH 8/12, SchiedsVZ 2013, 294, 296. Problematisch kann der Fall sein, indem keine gesetzliche Vorgabe existiert, Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 26b. 190 Eichel, ZZP 2016, 327, 337; vgl. Eichel, IPRax 2010, 219, 220. 191 S. o. Kapitel 2 bei Fn. 181 f. 192 Eichel, IPRax 2010, 219, 224, der aber differenzieren will: Während es im Einredeverfahren bei der Aufrechterhaltung der Schiedsvereinbarung i. e. S. bleiben soll, soll dies nicht für das Vollstreckbarerklärungsverfahren gelten. Denn die Aufrechterhaltung der Schiedsvereinbarung dürfe nicht bedeuten, dass der Schiedsspruch bestehen bleibe, denn dann sei der mit der Unwirksamkeit verfolgte Schutz obsolet. Im Vollstreckbarerklärungsverfahren soll deshalb die Unwirksamkeit einer Schiedsverfahrensvereinbarung analog § 306 Abs. 3 BGB zur Unwirksamkeit auch der Schiedsvereinbarung i. e. S. führen. Denn ein Festhalten an ihr sei – anders als im Einredeverfahren – sinnlos. S. ablehnend dazu unten Kapitel 3 bei Fn. 485. Eichel will § 306 Abs. 1 BGB unangewendet lassen und aus der Unwirksamkeit der Schiedsverfahrensvereinbarung auch die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. folgern, wenn zwischen den Parteien ein Ungleichgewicht besteht. Dazu bereits zuvor Kapitel 2 bei Fn. 185.

§ 3 Ergebnisse des 2. Kapitels

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nicht mehr abhängig macht von einem Ausnutzen einer wirtschaftlichen oder sozialen Überlegenheit. Obwohl aus der gesetzgeberischen Begründung bezüglich der Abschaffung der Abschlussvariante deutlich hervorgeht, dass der Gesetzgeber die Rechtfolge der Nichtigkeit für die in § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. einst geregelten Situationen nicht mehr wollte, ist die Wirksamkeit von in solchen Situationen geschlossener Schiedsvereinbarungen auch heute noch hoch umstritten. Die Rechtssache Pechstein, die jüngst die Diskussion anfachte, veranlasste den Gesetzgeber, seinen Willen in der Begründung zu § 11 AntiDopG erneut zu bekunden. Eine über eine reine Willensbekundung hinausgehende Wirkung ist § 11 AntiDopG in Bezug auf den Abschluss von Schiedsvereinbarungen indes nicht beizumessen. Die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. und die ersatzlose Streichung der Abschlussvariante auch in Kombination mit der gesetzgeberischen Begründung darf jedoch nicht so verstanden werden, als habe der Gesetzgeber die Notwendigkeit der Freiwilligkeit des Abschlusses von Schiedsvereinbarungen abschaffen wollen. Eine dahingehende Schlussfolgerung wäre falsch. Die einzige Legitimation der Schiedsgerichtsbarkeit ist die auf der privatautonomen Entscheidung der Parteien beruhende Schiedsvereinbarung. Eine solche Schiedsvereinbarung müssen die Parteien freiwillig schließen. Das ist eine auch verfassungsrechtlich ableitbare Prämisse. Das ist für die Schiedsvereinbarung jedoch nichts Besonderes, sondern gilt für jede privatautonome Entscheidung. Die Freiwilligkeit ist kein schiedsverfahrensrechtliches Exotikum, sondern eine sich aus der Privatautonomie ergebende Voraussetzung. Die Voraussetzung eines freiwilligen Abschlusses der Schiedsvereinbarung ist durch die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. und den Wegfall der Abschlussvariante nicht weggefallen. Weggefallen ist allein die Sonderbehandlung des Abschlusses von Schiedsvereinbarungen, die im alten Recht in § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. enthalten war. Aufgrund der Gleichwertigkeit von Schiedsverfahren und staatlichem Gerichtsverfahren hielt der Gesetzgeber eine solche nicht mehr für nötig. Konsequenz dessen ist nicht, dass der Abschluss einer Schiedsvereinbarung nicht mehr zu prüfen wäre. Konsequenz ist, dass der Abschluss einer Schiedsvereinbarung genauso zu prüfen ist, wie der Abschluss einer jeden privatautonomen Vereinbarung, nämlich nach den allgemeinen Regeln. Dabei ist dann – wie bei jedem Rechtsgeschäft – auch zu prüfen, ob die Einigung der Parteien auf die Schiedsvereinbarung freiwillig erfolgte. Das neue Schiedsverfahrensrecht trennt, im Unterschied zum alten Schiedsverfahrensrecht, zwischen der Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarungen. Mit der Schiedsvereinbarung i. e. S. verzichten die Parteien für bestimmte Streitgegenstände auf den Zugang zur staatlichen Gerichtsbarkeit zugunsten der privaten Schiedsgerichtsbarkeit. Mit Schiedsverfahrensvereinbarungen legen die Parteien die Details des schiedsrichterlichen Verfahrens fest. Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarungen sind dogma-

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Kap. 2: Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle durch das SchiedsVfG

tisch streng zu unterscheiden. Diese Trennung wird in Rechtsprechung und Literatur oftmals nicht vorgenommen. Sie hat jedoch große Auswirkungen insbesondere auf die Rechtsfolge der Wirksamkeitskontrolle. Denn die Unwirksamkeit einer Schiedsverfahrensvereinbarung zieht grundsätzlich nicht auch die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. nach sich. Dies gilt auch für den Fall einer zwischen den Parteien bestehenden Ungleichgewichtslage. Vielmehr bleibt diese grundsätzlich wirksam, während an die Stelle der unwirksamen Schiedsverfahrensvereinbarung der gesetzliche vorgesehene Regelfall tritt.

Kapitel 3

Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen nach geltendem Recht Nachdem zuvor die Entwicklung der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen durch das SchiedsVfG beschrieben und geklärt worden ist, welche Rückschlüsse hieraus für die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen zu ziehen sind, soll nun ein Blick auf die Wirksamkeitskontrolle selbst unter geltendem Recht geworfen werden, zunächst auf die Abschlusskontrolle, dann auf die Inhaltskontrolle. Vorweggenommen werden übergreifende, allgemeine Überlegungen.

§ 1 Allgemeine Überlegungen zur Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen Bevor auf die Abschluss- und Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen unter geltendem Schiedsverfahrensrecht eingegangen wird, sollen zwei übergreifende Fragen vorangestellt werden. Erstens soll klargestellt werden, dass es für die Anwendung materiell-rechtlicher Wirksamkeitsregeln auf eine Entscheidung hinsichtlich der Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung nicht ankommt. Zweitens soll die Frage untersucht werden, welche Auswirkungen die im Schiedsverfahrensrecht anerkannte Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung von dem sie enthaltenden Hauptvertrag auf die Wirksamkeitskontrolle hat.

A. Die Anwendung materiell-rechtlicher Wirksamkeitsregeln auf die Schiedsvereinbarung ist unabhängig von der Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung Die Frage der Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung ist seit jeher eine der großen, umstrittenen Fragen des deutschen Schiedsverfahrensrechts.1 Obwohl das Rechtsinstitut des Vertrags unbestritten im BGB seine umfassende Regelung erfahren hat, gibt es durchaus auch Verträge, die anderen Rechtsgebieten angehören; man denke nur an die öffentlich-rechtlichen oder völkerrechtlichen Ver1 Ausführlich zuletzt und m.w. N. Czibere, Die Beendigung von Schiedsvereinbarungen, S. 23 ff. sowie Mayr, Schiedsvereinbarung und Privatrecht, S. 22 ff. Übersicht auch bei Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1029 Rn. 5.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

träge.2 Ein Vertrag soll dem Rechtsgebiet zuzurechnen sein, auf dessen Gebiet er seine unmittelbare Hauptwirkung entfaltet.3 Teilweise wird davon ausgegangen, dass es sich bei der Schiedsvereinbarung um einen Prozessvertrag handelt.4 Andere sehen in der Schiedsvereinbarung einen materiell-rechtlichen Vertrag5, wieder andere doppelfunktionale Verträge, also teils prozessrechtliche, teils materiell-rechtliche 6. Insbesondere die Rechtsprechung hingegen qualifiziert Schiedsvereinbarungen als materiell-rechtliche Verträge über prozessuale Beziehungen7, beschreitet also einen Sonderweg. Trotz des Streits um die Einordnung hält sich die Bedeutung der Einordnung im Ergebnis in Grenzen.8 Auch für die Anwendbarkeit materiell-rechtlicher Wirksamkeitsvorschriften auf die Schiedsvereinbarung hat sie keine Bedeutung.9 Denn selbst wenn man die Schiedsvereinbarung als reinen Prozessvertrag qualifiziert, so besteht doch 2

Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 7, Rn. 37. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 7, Rn. 37. 4 H. Lit., s. nur: Duve/Rösch, SchiedsVZ 2015, 69, 74; Geimer, IZPR, 8. Aufl. 2020, Rn. 3786; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 15 m.w. N.; Haas, SchiedsVZ 2007, 1, 3; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18. Aufl. 2018, § 176 Rn. 9; Hausmann, in: Staudinger, BGB, IntVertrVerfR 2, Neubearb. 2016, Rn. 434; Mayr, Schiedsvereinbarung und Privatrecht, S. 44 ff. (zusammenfassend), 189 (anschließend); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 2 m.w. N.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 7 Rn. 37 m.w. N. in Fn. 133; a. A. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rn. 180 mit dem Argument, dass die Willenserklärung bei Abschluss der Schiedsvereinbarung nicht gegenüber dem Gericht, das noch gar nicht bestehe, abgegeben werde, sondern gegenüber der anderen Partei. 5 Lorenz, AcP 157 (1958/59), 265, 270; Zumbusch, GRUR Int. 1988, 541, 546; a. A. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rn. 180, denn die Schiedsvereinbarung habe schließlich Wirkungen im Hinblick auf die Zuständigkeit zur Streitentscheidung; siehe auch Mayr, Schiedsvereinbarung und Privatrecht, S. 22 ff. 6 Kisch, ZZP 51 (1926), 321, 332; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, Rn. § 1029 Rn. 3 der zwischen der Sicht der Parteien und der des Schiedsgerichts trennt; siehe auch Mayr, Schiedsvereinbarung und Privatrecht, S. 41 f. 7 RG, Urt. v. 09.03.1934 – VII 262/33, RGZ 144, 96, 98; RG, Urt. v. 02.11.1937 – VII 120/37, RGZ 156, 101, 105; BGH, Urt. v. 30.01.1957 – V ZR 80/55, BGHZ 23, 198, 200; BGH, Urt. v. 28.11.1964 – VII ZR 112/62, BGHZ 40, 320, 322; BGH, Urt. v. 22.05.1967 – VII ZR 188/64, BGHZ 48, 35, 46; BGH, Urt. v. 29.02.1968 – VII ZR 102/65, BGHZ 49, 384, 386. In BGH, Urt. v. 03.12.1986 – IVb ZR 80/85, BGHZ 99, 143, 147 und BGH, Urt. v. 06.04.2009 – II ZR 255/08 – „Schiedsfähigkeit II“, BGHZ 180, 221, 228 sprach der BGH von der Schiedsvereinbarung als Unterfall des Prozessvertrags, freilich ohne sich mit seiner vorherigen Rechtsprechung zu befassen, s. hierzu Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 13 m.w. N. in Fn. 19; siehe auch Mayr, Schiedsvereinbarung und Privatrecht, S. 40 f. 8 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 7, Rn. 37; ausführlich zu den Konsequenzen der Einordnung Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 4 ff. 9 Bedeutung kommt der Einordnung indes für die Frage zu, wie das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht zu bestimmen ist, s. nur Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 32 ff. 3

§ 1 Allgemeine Überlegungen zur Wirksamkeitskontrolle

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Einigkeit darüber, dass eine solche Einordnung einen Rückgriff auf materielle Gültigkeitsnormen nicht verhindert.10 Vielmehr werden materielle Vertragsregeln auch für Prozessverträge angewandt. Dies mag man letztlich aus der Rechtsnatur ableiten oder – wie Wagner es ausführlich getan hat11 – daraus, dass die Vertragskategorie etwas Generelles, über das BGB hinausgehendes ist, was einen allgemeinen Rechtsgedanken vermittelt.12 Darauf kommt es aber hier nicht an. Einigkeit besteht darüber, dass sich die Frage des Zustandekommens einer Schiedsvereinbarung nach den auf den Abschluss schuldrechtlicher Verträge anzuwendenden Regeln richtet,13 jedenfalls, soweit es einen Grund für einen prozessualen Sonderweg nicht gibt. Dies bedeutet aber natürlich nicht, dass nicht prozessuale Wertungen in die materiell-rechtliche Beurteilung einfließen könnten.14 Anwendbar sind damit jedenfalls die Regeln der Rechtsgeschäftslehre des BGB, insbesondere die Regeln der §§ 104 ff., 116 ff., 134, 138, 145 ff. und 307 BGB.15 Selbstverständlich sind auch die kartellrechtlichen Wirksamkeitsnormen solche Regeln über den Abschluss von schuldrechtlichen Verträgen.16 Für das hier im Mittelpunkt stehende Missbrauchsverbot – unabhängig, ob nach deutschem (§ 19 GWB) oder europäischem (Art. 102 AEUV) Kartellrecht – ergibt sich dies schon daraus, dass die Missbrauchstatbestände nichts anderes als Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB sind17, über den sie ihre Rechtsfolgen entfalten. Auch

10 Epping, Die Schiedsvereinbarung im internationalen privaten Rechtsverkehr nach der Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts, S. 24; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 14; Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280, 282. 11 Wagner, Prozeßverträge, S. 278 ff. (Abschlusskontrolle) bzw. S. 125 ff. (Inhaltskontrolle); so sagt es Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 15, m.w. N. in Fn. 25. Siehe auch BGH, Urt. v. 06.04.2009 – II ZR 255/08 – „Schiedsfähigkeit II“, BGHZ 180, 221, 228 Rn. 17. 12 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 15. 13 Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, S. 120; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 18; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 16; Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280, 282; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 6; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, S. 180; Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 178; Trittmann/Hanefeld, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1029 Rn. 15; Wolf/ Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1029 Rn. 6. 14 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 16. 15 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 16; vgl. Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280, 282. 16 Dass sich Schiedsvereinbarungen am kartellrechtlichen Missbrauchsverbot messen lassen müssen: Eckel/Richter, WuW 2015, 1078, 1079. 17 Für § 19 GWB: Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 200; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 385; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 116. Für Art. 102 AEUV: Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 1, 6. Aufl. 2019, Art. 102 AEUV Rn. 200.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

der BGH hat in einer Entscheidung jüngst § 19 GWB ausdrücklich als zivilrechtliche Generalklausel angesehen.18 Festzuhalten bleibt also, dass die Anwendbarkeit materiell-rechtlicher Wirksamkeitsvorschriften auf die Schiedsvereinbarung nicht deswegen ausgeschlossen ist, weil der Schiedsvereinbarung eine bestimmte Rechtsnatur zuzuordnen ist. Vielmehr ergibt sich aus keiner der möglichen Qualifikationen der Schiedsvereinbarung die Unanwendbarkeit materiell-rechtlicher Wirksamkeitsvorschriften.

B. Der Einfluss der Unabhängigkeit von Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung auf die materiell-rechtliche Wirksamkeitsprüfung der Schiedsvereinbarung Die Frage, wie sich die Schiedsvereinbarung zu dem Vertrag verhält, der sie beinhaltet beziehungsweise, auf den sie Bezug nimmt19, ist keineswegs neu. Sie ist bereits vielfach und ausführlich diskutiert worden und heute nicht mehr umstritten. Schiedsvereinbarung und Hauptvertrag sind voneinander unabhängige Vereinbarungen. Konsequenz dessen ist unter anderem, dass beide Vereinbarungen isoliert voneinander auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen sind. Mit der Erkenntnis der Unabhängigkeit ist aber noch nichts über die eigentliche Wirksamkeitsprüfung von Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung gesagt. Die Konsequenzen, die die Unabhängigkeit von Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung für die materiell-rechtliche Wirksamkeitsprüfung hat, sind bisher noch nicht vertieft diskutiert worden. Dies mag daran liegen, dass sie in den wenigsten Fällen Relevanz haben. Wie zunächst gezeigt wird, haben sie aber gerade in den hier betrachteten Fällen Relevanz. Die dann zu beantwortende Frage lautet: Setzt sich die anerkannte Unabhängigkeit von Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung auch auf materiell-rechtlicher Ebene mit der Konsequenz fort, dass bei der Prüfung der jeweiligen Wirksamkeit die beiden Vereinbarungen völlig isoliert voneinander zu betrachten sind? 18 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2271 Rn. 57; vgl. Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 Rn. 2. In diesem Sinne auch Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 135. 19 Für diesen Vertrag, der die Schiedsvereinbarung beinhaltet bzw. auf den sie Bezug nimmt, wird vielfach der Begriff „Hauptvertrag“ verwendet. Er nimmt das Ergebnis der folgenden Ausführungen und die herrschende Sicht auf das Verhältnis zwischen Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung gewissermaßen vorweg. So ergibt sich aus ihm einerseits bereits, die Aufspaltung zwischen diesem Hauptvertrag und der Schiedsvereinbarung. Wo es einen „Hauptvertrag“ gibt, ist ein Nebenvertrag begrifflich nicht weit, was durchaus auf eine gewisse Verbindung zwischen Schiedsvereinbarung und ihrem Hauptvertrag hindeutet, also anzeigt, dass die Unabhängigkeit zwischen Schiedsvereinbarung und Hauptvertrag keine absolute ist. Auch diese Arbeit verwendet den Begriff „Hauptvertrag“, wenn sie den Vertrag meint, der die Schiedsvereinbarung enthält bzw. den auf den die Schiedsvereinbarung Bezug nimmt.

§ 1 Allgemeine Überlegungen zur Wirksamkeitskontrolle

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I. Problemaufriss Zunächst gilt es, verschiedene Fragen voneinander zu trennen. Stellt sich bei einem Gesamtvertragswerk bestehend aus einem Hauptvertrag und einer Schiedsvereinbarung die Frage der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung, kommt es zunächst einmal darauf an, wer über diese Frage überhaupt mit bindender Wirkung zu entscheiden hat. Könnte das Schiedsgericht über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung bindend entscheiden, dann käme ihm die Kompetenz der Entscheidung über die eigene Kompetenz zu. Das ist die Frage der Kompetenz-Kompetenz20 um die es hier nicht gehen soll. Ist klar, wer entscheidungsbefugt ist, lässt sich feststellen, dass sich bei Betrachtung der Wirksamkeit von Hauptvertrag und der Schiedsvereinbarung als einheitlichem Gesamtvertrag Probleme ergeben. Diese Probleme lassen sich umgehen, betrachtet man Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung trotz ihres faktischen Zusammenhangs als grundsätzlich voneinander unabhängig. Erst im nächsten Schritt geht es um die materiell-rechtliche Wirksamkeit von Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung. Im Fokus dieses Teiles der Arbeit steht die Überlegung, wie sich die grundsätzliche Unabhängigkeit von Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung auf die materiell-rechtliche Prüfung der Schiedsvereinbarung auswirkt. Die Arbeit beschäftigt sich mit der Überprüfung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung insbesondere anhand von drei Kontrollmechanismen: Der Generalklausel des § 138 BGB, der AGB-rechtlichen Spezialnorm des § 307 BGB und dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot des § 19 GWB. Wie sich zeigen wird, 20 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 6 Rn. 9 f. Nach deutschem Recht verfügt das Schiedsgericht über eine „provisorische Kompetenz-Kompetenz“, was ausländischen Standards entspricht (siehe nur Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1040 Rn. 4). Zwar kann das Schiedsgericht gemäß § 1040 Abs. 1 S. 1 ZPO über seine Zuständigkeit und im Zusammenhang damit über das Bestehen und die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung entscheiden. Diese Entscheidung ist für die staatlichen Gerichte indes nicht bindend, was sich für das deutsche Recht schon aus § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO ergibt (abweichend insoweit die Rspr. zum alten Recht, s. unter Änderung der Rspr. mit Nw. zur vorherigen Rspr. BGH, Urt. v. 13.01.2005 – III ZR 265/03, BGHZ 162, 9, 12 f.; Huber/Bach, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1040 Rn. 2; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1040 Rn. 2 m.w. N.). Ihnen obliegt die endgültige Kontrolle der Zuständigkeitsfrage (Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1040 Rn. 2). Neben dem Fall des § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO (i.V. m. §§ 1062 Abs. 1 Nr. 2 2. Fall, 1063 Abs. 1 ZPO) können deutsche Gerichte die Zuständigkeit des Schiedsgerichts im Aufhebungsverfahren (§§ 1059 Abs. 2 Nr. 1a, 1c und 2a, 1062 Abs. 1 Nr. 4a Var. 1, 1063 Abs. 2) beziehungsweise im Vollstreckbarerklärungsverfahren (§§ 1060 Abs. 2, 1062 Abs. 1 Nr. 4 Var. 2, 1064) bei inländischen Schiedssprüchen oder im Anerkennungsverfahren (§ 1061 Abs. 1 S. 1 i.V. m. (beachte aber § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO) Art. V Abs. 1 lit. a), c) oder d) UNÜ, §§ 1062 Abs. 1 Nr. 4 Var. 2, Abs. 2, 1064 ZPO) bei ausländischen Schiedssprüchen zu überprüfen haben. Darüber hinaus im Verfahren zur Vorabkontrolle des § 1032 Abs. 2 ZPO.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

kommt es bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Vertragsklausel im Rahmen aller drei Kontrollmechanismen immer auch auf eine Bewertung dieser im Gesamtkontext an. So kommt es für die Sittenwidrigkeit des § 138 BGB auch auf die Umstände des Rechtsgeschäfts an.21 Im Rahmen des § 307 BGB ist klar, dass einzelne Klauseln im Sinnzusammenhang des Gesamtvertrags zu beurteilen sind22, während das kartellrechtliche Missbrauchsverbot teilweise eine Gesamtbetrachtung des Leistungsbündels gebietet23. Wie verhalten sich diese Anforderungen zur Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung? Muss die Schiedsvereinbarung isoliert in den Blick genommen werden oder ist sie als Teil eines Gesamtvertragswerks zu betrachten? Der dahinterstehende Gedanke, Schiedsvereinbarungen könnten in ihrer materiell-rechtlichen Beurteilung isoliert zu betrachten sein, mag auf den ersten Blick fernliegend und kompliziert anmuten. Führt man sich jedoch die Tatsache vor Augen, dass die Beurteilung der Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung unumstritten unabhängig von der Wirksamkeit des Hauptvertrags vorzunehmen ist24, dann scheint die Frage, wieso etwas, was in seiner Wirksamkeit getrennt zu betrachten ist, bei Beurteilung gerade dieser Wirksamkeit doch wieder zusammen zu betrachten sein soll, durchaus angebracht. Dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden. Konkret geht es dabei um die Reichweite des Unabhängigkeitsgedankens.

II. Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung Eine mit der Kompetenz-Kompetenz nicht zu verwechselnde25 und hier entscheidende Frage, ist die Frage danach, in welchem Verhältnis Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung zueinander stehen. Heute ist man sich weltweit einig; es entspricht einem „allgemeinen Rechtsprinzip der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit“, dass Schiedsvereinbarung und Hauptvertrag zwei voneinander unabhängige Verträge sind.26 Dies gilt auch dann, wenn die Schiedsvereinbarung als 21

S. u. Kapitel 3 § 3 A. I. S. u. Kapitel 3 in und bei Fn. 465. 23 S. u. Kapitel 3 § 3 C. II. 3. a). 24 S. u. Kapitel 3 § 1 B. II. 1. 25 Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 402, 469; Epping, Die Schiedsvereinbarung im internationalen privaten Rechtsverkehr nach der Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts, S. 25; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1040 Rn. 10; Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 699 in Fn. 10. 26 BGH, Beschl. v. 27.11.2008 – III ZB 59/07, HmbSchRZ 2009, 5. Zum Recht Belgiens, der Schweiz, Italiens, der Niederlande und Englands Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 700. S. ebenfalls Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 350, 354, 395, 400, eingehend und mit entspr. Nachw. zu verschiedensten nationalen Rechtsordnungen; Huber/Bach, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1040 Rn. 4 m.w. N.; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, 22

§ 1 Allgemeine Überlegungen zur Wirksamkeitskontrolle

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Schiedsklausel in dem Hauptvertrag enthalten ist.27 So anerkannt die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag ihrem Grunde nach ist, so sehr bestehen Unsicherheiten über Grundlage, Inhalt und Auswirkungen. Auch eine einheitliche Begrifflichkeit hat sich bis heute noch nicht durchsetzen können. In Staaten des common law wird eher von „seperability“ gesprochen, in civil-law-Staaten eher von „autonomy“ oder „independence“.28 Im deutschen Recht schreibt diesen seit langem gesicherten Grundsatz29 seit der Änderung des Schiedsverfahrensrechts durch das SchiedsVfG § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO ausdrücklich fest. Die Selbstständigkeit der Schiedsvereinbarung ist in § 1040 Abs. 1 ZPO eingebettet in die Regelung über die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Kompetenz-Kompetenz. Das deutsche Schiedsverfahrensrecht folgt damit der Konzeption des UNCITRAL-Modellgesetzes (ModG)30, dessen

Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1040 Rn. 5 m.w. N. Auch der Gesetzgeber hat festgehalten, dass die Trennung zwischen Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung „dem Rechtszustand in nahezu allen Ländern“ entspricht, BT-Drucks. 13/5274, 43. 27 Grundsätzlich können Schiedsvereinbarungen auf verschiedenen Wegen abgeschlossen werden. Das deutsche Recht differenziert diesbezüglich in § 1029 Abs. 2 ZPO. Einerseits können Schiedsvereinbarungen als selbstständige vertragliche Vereinbarungen abgeschlossen werden. Für diesen Fall spricht das deutsche Recht von einer „Schiedsabrede“. Andererseits kann die Schiedsvereinbarung als Klausel in einem Vertragswerk enthalten sein. Für diesen Fall spricht das deutsche Recht von einer „Schiedsklausel“. Im Folgenden wird diese sprachliche Differenzierung zwischen den Begriffen „Schiedsabrede“ und „Schiedsklausel“ übernommen. Wenn eine Differenzierung nicht intendiert ist, spricht die Arbeit von „Schiedsvereinbarung“. Der Begriff „Schiedsvertrag“ ist ein Synonym zum Begriff „Schiedsvereinbarung“. 28 Zu den Unsicherheiten und Unterschieden in der Benennung Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 351 f. m.w. N. 29 Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 362 ff. Nachweise bei Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 532, Fn. 4 und Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1040 Rn. 8 bei und in Fn. 9 und 10. Bereits vor Einführung des § 1040 ZPO war die von Kisch, Judicum 1931, 53, 57 begründete Lehre herrschend gewesen, nach der § 139 BGB auf die Kombination aus Rechtsgeschäft und Schiedsvereinbarung nicht passe, weil die nach § 139 BGB zu stellende Frage für das Verhältnis zwischen Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung nicht sinnvoll gestellt werden könne. § 139 BGB folgend müsste man fragen, ob die Parteien die Schiedsvereinbarung auch geschlossen hätten, wenn sie die Nichtigkeit des Hauptvertrags gekannt hätten. Richtigerweise müsste die Frage aber lauten, ob die Parteien die Schiedsvereinbarung auch geschlossen hätten, wenn sie gewusst hätten, dass über die Wirksamkeit des Hauptvertrags Streit entsteht, Wagner, Prozeßverträge, S. 325. Diese Frage habe mit § 139 BGB aber nichts zu tun, s. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rn. 19 (s. zu letzterem wiederum auch Wagner, Prozeßverträge, S. 325, diesen Gedanken dann aber selbst ablehnend auf S. 328). Aber auch Stimmen, die § 139 BGB auf das Verhältnis zwischen Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung angewendet wissen wollen, argumentieren dann für die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung, ausführlich und m.w. N. Wagner, Prozeßverträge, S. 326. 30 UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit 1985, angenommen von der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht am 21.06.1985.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Art. 16 es im Wesentlichen übernimmt.31 Gemäß § 1040 Abs. 1 S. 1 ZPO kann das Schiedsgericht „über die eigene Zuständigkeit und im Zusammenhang hiermit über das Bestehen oder die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung entscheiden“. Gemäß § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO ist „hierbei [. . .] eine Schiedsklausel als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung zu behandeln“. Aus der Anerkennung der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag ergeben sich mehrere Konsequenzen, die es im Folgenden kurz darzustellen gilt. Wichtigste Konsequenz ist, dass die Schiedsvereinbarung in ihrer Wirksamkeit vom Hauptvertrag isoliert zu bewerten ist, sich eine (In-)Existenz oder (Un-)Wirksamkeit des Hauptvertrags also nicht zwangsläufig auf die Schiedsvereinbarung auswirkt. Weil Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung zwei voneinander unabhängige Verträge sind, ist das jeweils anwendbare Recht autonom zu bestimmen. Innerhalb einer anwendbaren nationalen Rechtsordnung kann es darüber hinaus zur Anwendung verschiedener Regeln kommen. 1. (In-)Existenz und (Un-)Wirksamkeit des Hauptvertrags haben grundsätzlich keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung Ließe man es zu, dass die Unwirksamkeit des Hauptvertrags die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung mehr oder weniger automatisch im Sinne einer Gesamtnichtigkeitsvermutung nach sich zieht, wie es im deutschen Recht § 139 BGB grundsätzlich statuiert32, so führte jede Feststellung der Unwirksamkeit eines Hauptvertrags durch das Schiedsgericht gleichsam zum Wegfall der Kompetenz desselben. Denn die Kompetenz des Schiedsgerichts steht und fällt mit der Schiedsvereinbarung.33 Ein solches Ergebnis wäre nicht nur „Sand im Getriebe der Schiedsgerichtsbarkeit“, sondern ebenso rechtspolitisch bedenklich, läge doch der Gedanke nah, ein Schiedsgericht wäre geneigter, die Wirksamkeit eines Hauptvertrags zu bestätigen, bedeutete eine anderweitige Entscheidung doch das Ende seiner Tätigkeit.34 Es entspräche aber insbesondere auch in mehrfacher Hinsicht nicht dem Willen der Parteien, mit dem sie das Schiedsgericht ursprünglich zur Streitentscheidung berufen hatten. 31 BT-Drucks. 13/5274, 43; Huber/Bach, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., §1040 Rn. 1; Art. 16 ModG und BT-Drs. 13/5274 zu § 1040 ZPO abgedruckt bei Wieczorek/Schütze, § 1040 Rn. 1 f.; kritisch zur Konzeption des ModG und damit auch der ZPO Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 699 in Fn. 10. 32 Besonders relevant ist die Regelung des § 139 BGB bei der Schiedsvereinbarung in Form der Schiedsklausel, wenn also die Schiedsvereinbarung Teil des Gesamtvertrags ist. Aber auch bei der Schiedsabrede kann § 139 u. U. Anwendung finden, s. dazu unten Kapitel 3 bei Fn. 125 und 140. 33 Schütze, in: Wieczorek/Schütze, Bd. 11, 4. Aufl. 2014, § 1040 Rn. 2. S. auch oben Kapitel 2 § 2 D. I. 1. a). 34 Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697 f.

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Denn wenn der Wille der Parteien erstens dahin ging, dass ein Schiedsgericht über alle Streitigkeiten aus einem bestimmten (Haupt-)Vertragsverhältnis entscheiden sollte, dann muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Parteien die Entscheidung des Schiedsgerichts auch in Bezug auf die Frage der Wirksamkeit des in Rede stehenden Hauptvertrags wollten.35 Denn auch die Frage nach der Unwirksamkeit des Hauptvertrags ist eine Frage, die sich aus diesem (Vertrags-)Verhältnis der Parteien ergibt. Dies wäre dem Schiedsgericht aber nur bedingt möglich. Würde die Unwirksamkeit des Hauptvertrags gleichsam die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung bedeuten, könnte das Schiedsgericht die Unwirksamkeit des Hauptvertrags nicht feststellen, weil es sich damit selbst die Grundlage entzöge. Ebenso ist davon auszugehen, dass die Parteien die Entscheidung des Schiedsgerichts auch in Bezug auf die der Feststellung der Unwirksamkeit nachfolgenden Fragestellungen – Rückabwicklung, Schadensersatz etc. – wollten.36 Bei Anrufung des staatlichen Gerichts wäre dieses zweitens nicht an die Feststellungen des Schiedsgerichts gebunden. Insbesondere für den Fall, in dem eine der Parteien die Unwirksamkeit der Schiedsklausel wegen Unwirksamkeit des Hauptvertrags behauptet, müsste das staatliche Gericht die Umstände des Hauptvertrags beurteilen, den die Parteien aber eigentlich von den staatlichen Gerichten fern halten wollten.37 Dies wäre insbesondere dann für die Parteien misslich, wenn diese mit der Schiedsvereinbarung ursprünglich beabsichtigt hatten, gerade nicht öffentlich verhandeln zu müssen. Schiedsgerichtsbarkeit basiert auf der privatautonomen Entscheidung der Parteien, im Falle eines Konflikts zwischen ihnen, diesen nicht vor einem staatlichen Gericht, sondern vor einem privaten Schiedsgericht auszutragen.38 Um diesem Parteiwillen zur Durchsetzung zu verhelfen und um o. g. Schwierigkeiten zu vermeiden, „verfiel man auf den konstruktiven Ausweg, aus dem mit der Schiedsklausel versehenen Vertrag deren zwei zu machen“ 39. International ist deshalb als Ausfluss der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung anerkannt, dass die Unwirksamkeit des Hauptvertrags grundsätzlich keinen Einfluss auf die Wirk-

35 Kronstein, Das Recht der internationalen Kartelle, S. 348; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rn. 16 mit Verweis auf BGHZ 69, 260 und BGHZ 53, 315. Beide Entscheidungen ergingen zum alten Schiedsverfahrensrecht. Hier war die dahin gehende Auslegung der Schiedsvereinbarung aufgrund der fehlenden ausdrücklichen Regelung (heute § 1040 Abs. 1 ZPO) von entscheidender Bedeutung. 36 Vgl. Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 392 („Auslegungsgrundsatz“). 37 Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 698. 38 Kapitel 2 § 2 D. I. 1. a). 39 Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 698. Vgl. auch Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 392.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

samkeit der Schiedsvereinbarung hat.40 Gleiches gilt für den positiven Fall: Auch die Feststellung der Existenz beziehungsweise Wirksamkeit des Hauptvertrags bedeutet nicht zwangsläufig, dass auch die Schiedsvereinbarung existent oder wirksam ist.41 Die getrennte Beurteilung von Wirksamkeit des Hauptvertrags und der Schiedsvereinbarung ist also gleichsam Hauptgrund wie Ausfluss der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag. Im deutschen Recht schließt § 1040 Abs. 1 ZPO die Anwendbarkeit der Regelung des § 139 BGB, nach der bei Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts im Zweifel das gesamte Rechtsgeschäft nichtig ist, für das Verhältnis zwischen Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung aus.42 Schon vor Einführung des § 1040 ZPO war unter Rückgriff auf die von Kisch43 begründete Lehre, nach der § 139 BGB auf die Kombination aus Rechtsgeschäft und Schiedsvereinbarung nicht passe, weil die nach § 139 BGB zu stellende Frage für das Verhältnis zwischen von Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung nicht sinnvoll gestellt werden könne, herrschend gewesen, dass wegen der prozessualen Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung diese selbstständig sei und nicht als Teil des Hauptvertrags angesehen werden dürfe.44 § 139 BGB folgend müsste man fragen, ob die Parteien die Schiedsvereinbarung auch geschlossen hätten, wenn sie die Nichtigkeit des Hauptvertrags gekannt hätten. Richtigerweise müsse die Frage aber lauten, ob die Parteien die Schiedsvereinbarung auch geschlossen hätten, wenn sie gewusst hätten, dass über die Wirksamkeit des Hauptvertrags Streit entsteht. Diese Frage habe mit § 139 BGB allerdings nichts zu tun.45 Aber auch Stimmen, die die Schiedsvereinbarung als materiell-rechtlichen Vertrag einstuften und § 139 BGB auf das Verhältnis zwischen Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung deswegen angewendet wissen wollten, argumentierten dann für die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung.46 Durch diese Aufspaltung des Gesamtvertrags in Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung als jeweils eigenständige Verträge lässt sich der Parteiwille zur 40 Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 402; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 392. 41 Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 466 f. 42 Huber/Bach, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1040 Rn. 5; Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 532; Münch, in: MüKoZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1040 Rn. 8; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, Bd. 11, 4. Aufl. 2014, § 1040 Rn. 4; Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09. 2020, § 1040 Rn. 8. Ausführlich hierzu, unten Kapitel 3 § 1 B. III. 3. 43 Kisch, Judicum 1931, 53, 57. 44 S. d. Nw. bei Wagner, Prozeßverträge, S. 325 in Fn. 215. 45 Kisch, Judicum 1931, 53, 57; vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rn. 19; Wagner, Prozeßverträge, S. 325, der diesen Gedanken dann auf S. 328 aber ablehnt. 46 Ausführlich und m. N. Wagner, Prozeßverträge, S. 328.

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Schiedsgerichtsbarkeit durchsetzen. (In-)Existenz oder (Un-)Wirksamkeit des Hauptvertrags haben also grundsätzlich keinen Einfluss auf Existenz beziehungsweise Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung. Ausnahmen von diesem Grundsatz gibt es nur in eng umgrenzten Fällen. Insbesondere dann, wenn die Parteien explizit vereinbart haben, dass die Schiedsvereinbarung an der Unwirksamkeit des Hauptvertrags teilhaben soll.47 Darüber hinaus hilft die grundsätzlich unabhängige Betrachtung der Schiedsvereinbarung dort nicht weiter, wo Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung an demselben Fehler leiden, also ein Fall der Fehleridentität vorliegt.48 Wobei genau genommen die Fälle der Fehleridentität keine Ausnahmefälle zum Grundsatz der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag sind. Denn in diesen Fällen bleibt es bei einer unabhängigen Betrachtung. Diese ergibt lediglich, dass Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung an demselben Fehler leiden. Die Schiedsvereinbarung ist nicht unwirksam, weil der Hauptvertrag es ist, sondern weil sie selbst es ist.49 Trotz der Einigkeit bezüglich der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag, besteht ebenso Einigkeit darüber, dass man die Schiedsvereinbarung nicht als vollkommen unabhängig oder losgelöst vom Hauptvertrag ansehen kann. Dies zeigt sich insbesondere, wenn überlegt wird, dass die Schiedsvereinbarung im Falle der Nichtexistenz des Hauptvertrags ebenfalls nicht existieren könne.50 a) „Ausnahme“: Fehleridentität Im Bereich der Fehleridentität ist beispielsweise an die Geschäftsunfähigkeit einer Partei zu denken.51 Darüber hinaus kommen insbesondere zwei Fallgruppen in Betracht: Willensmängel sowie Nichtigkeits- und Unwirksamkeitsgründe. Hinsichtlich letzterer Fallgruppe gilt es hier insbesondere festzustellen, dass Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung auch in Fällen von Verstößen gegen das Kartellrecht als voneinander unabhängig anzusehen sind. aa) Willensmängel Den Hauptvertrag betreffende Willensmängel (beispielsweise Irrtum oder arglistige Täuschung), also Mängel subjektiver Art, sind für die Schiedsvereinba47

Str., s. u. Kapitel 3 bei Fn. 150. Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 535 ff.; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1040 Rn. 9; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1040 Rn. 9; Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1040 Rn. 10. 49 Vgl. Kisch, Judicum 1931, 53, 59. 50 Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 402. 51 Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1040 Rn. 10. 48

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

rung solange unschädlich, wie sie nicht auch die Schiedsvereinbarung betreffen.52 Wann ein Willensmangel des Hauptvertrags auch die Schiedsvereinbarung betrifft ist bisher nicht abschließend geklärt.53 Denkbar ist selbstverständlich aber auch der Fall, in dem ein Willensmangel lediglich die Schiedsvereinbarung betrifft.54 bb) Unwirksamkeits- und Nichtigkeitsgründe Ihren Ausgangspunkt hat die Idee der Unabhängigkeit der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung von der des Hauptvertrags in Konstellationen genommen, in denen der Hauptvertrag wegen eines (externen) Grundes unwirksam war.55 Auch hier gilt: Trotz Unwirksamkeit des Hauptvertrags bleibt die Schiedsvereinbarung solange wirksam, wie sich der Unwirksamkeitsgrund nicht auch auf sie erstreckt. Für das deutsche Recht sind damit insbesondere die Fälle des Gesetzesverstoßes (§ 134 BGB) und des Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) angesprochen.56 Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung sind auch in Fällen von Verstößen gegen das Kartellrecht als voneinander unabhängig anzusehen. Auch wenn gerade die kartellrechtliche Sicht der Schiedsgerichtsbarkeit immer wieder kritisch gegenüberstand. Gegen die Schiedsgerichtsbarkeit wurde aus kartellrechtlicher Sicht immer wieder eingewandt, durch Schiedsvereinbarungen bestünde die Gefahr, dass die kartellrechtliche Beurteilung der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen werde. So könne es zu einem Schattendasein von Kartellverstößen kommen. Darüber hinaus würden Schiedsgerichte allzu oft der Kartelldisziplin dienen.

52 Ausführlich Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 710 ff. und Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 540 ff., jeweils mit Nennung von Rechtsprechung verschiedener Staaten; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rn. 18; Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1040 Rn. 10. 53 Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 711 will darauf abstellen, ob das Schiedsgericht der Marktseite des für den Willensmangel Verantwortlichen verbunden ist. Für diesen Fall soll auch die Schiedsvereinbarung von dem Mangel erfasst sein. Schlosser hat hier insbesondere die Fälle der Täuschung im Blick. Verweise die Schiedsvereinbarung hingegen auf eine branchenübliche Schiedsorganisation, erfasse ein dem Hauptvertrag anhaftender Willensmangel die Schiedsvereinbarung hingegen nicht. Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 541 hat sich dieser Differenzierung nicht angeschlossen. Es überzeuge nicht, die Auswirkung von Willensmängeln auf die Schiedsvereinbarung davon abhängig zu machen, wie das Schiedsgericht besetzt sei. Eine andere Präzisierung schlägt Lachmann allerdings nicht vor. In jedem Falle müsse die Täuschung über die Person des Vertragspartners auch die Schiedsvereinbarung erfassen, denn Verträge und Schiedsvereinbarungen schließe man nicht mit jedem Beteiligten (Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 542; so auch Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 712). 54 Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 543. 55 Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 707; Mok/Johannes, AWD 1965, 181, 184, die die Unabhängigkeit als „dogmatisch gewiss interessante Erfindung“ beschreiben. 56 Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 536; Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 707.

§ 1 Allgemeine Überlegungen zur Wirksamkeitskontrolle

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Schiedsgerichte verhinderten also nicht nur die effektive Durchsetzung des Kartellrechts, sondern trügen vielmehr zur Festigkeit der Kartelle bei. Eben diese Befürchtung lag auch § 91 GWB a. F. zugrunde57, demnach Schiedsverträge über kartellrechtliche Streitigkeiten nichtig waren, wenn sie nicht jedem Beteiligten das Recht gaben, im Einzelfall statt der Entscheidung durch das Schiedsgericht eine Entscheidung durch das ordentliche Gericht zu verlangen58. Dieser Angst und Gefahr ließe sich leicht dadurch beikommen, dass man die kartellrechtliche Unwirksamkeit des Hauptvertrags auf die Schiedsvereinbarung durchschlagen lässt.59 Teilweise ist insoweit die Ansicht vertreten worden, die Schiedsvereinbarung stelle lediglich eines von mehreren Organisationselementen eines Kartells dar und habe deshalb keine vom Hauptvertrag abtrennbare eigene Bedeutung. Die Schiedsvereinbarung sei deshalb nicht als selbstständige Vereinbarung anzusehen, weshalb ihre Gültigkeit der Gültigkeit des Hauptvertrags nachfolge.60 Selbstverständlich erhöht sich die Gefahr der Aushöhlung kartellrechtlicher Regeln, wenn man die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung auch unabhängig von der kartellrechtlichen Unwirksamkeit des Hauptvertrags lässt.61 Völlig zu Recht hat Altenmüller jedoch darauf hingewiesen, dass diese Gefahr nicht etwa aus der Deutung des Verhältnisses zwischen Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung herrührt, sondern vielmehr aus der grundsätzlichen Schiedsfähigkeit kartellrechtlicher Streitgegenstände. Wollte man diese Gefahr nicht, so müsste man eben dort ansetzen.62 Den kartellrechtlichen Vorbehalten gegen eine Trennung der Wirksamkeiten wird im geltenden deutschen System auf andere Weise ausreichend begegnet. Einerseits ist die Kompetenzentscheidung des Schiedsgerichts an sich nur eine vorläufige und durch die staatlichen Gerichte voll überprüfbar.63 Andererseits unterliegen die Schiedssprüche im Aufhebungs-, Vollstreckbarerklärungs- oder 57 S. u. Kapitel 4 bei Fn. 429 und Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 87 GWB Rn. 61. 58 Vollst. Wortlaut der alten Norm bei Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 87 GWB Rn. 61; s. auch Wagner, ZVglRWiss 114 (2015), 494, 497 ff. 59 Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 164. 60 Mok/Johannes, AWD 1965, 181, 183 f., die sich einem entsprechenden niederländischen Schiedsspruch anschließen; vgl. Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 164 f. S. auch die Entscheidung des Cour d’Appel von Paris bei Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 708. 61 Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 166. 62 Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 166 f. 63 S. o. in Kapitel 3 Fn. 20.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

im Anerkennungsverfahren der (eingeschränkten) Kontrolle der staatlichen Gerichte. Im Rahmen dessen haben die staatlichen Gerichte Gelegenheit, den Schiedsspruch auf seine Vereinbarkeit mit dem ordre public zu überprüfen (vgl. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ZPO bzw. Art. V Abs. 2 lit. b) UNÜ). Zu diesem zählen auch die Normen des Kartellrechts.64 Deswegen betrachtet die ganz h. M. Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung auch dann isoliert voneinander, wenn es kartellrechtliche Normen sind, die die Frage der Wirksamkeit entscheiden65, unabhängig davon, ob dies Normen des deutschen oder europäischen Kartellrechts sind66. b) Keine absolute Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag Obwohl Einigkeit über die grundsätzliche Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag herrscht, ist gleichzeitig klar, dass die Schiedsvereinbarung nicht absolut unabhängig vom Hauptvertrag ist. Vielmehr werden immer wieder auch Fälle diskutiert, in denen das Schicksal des Hauptvertrags doch Einfluss nimmt auf das der Schiedsvereinbarung. Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn der Hauptvertrag völlig inexistent ist. In diesem Fall soll es auch an einem Abschluss der Schiedsvereinbarung fehlen.67 Für die Zwecke dieser Arbeit reicht es hier festzuhalten, dass eine Schiedsvereinbarung zwar unabhängig vom Hauptvertrag ist, nicht aber derart unabhängig, dass sämtliche Wechselwirkungen ausgeschlossen wären. Im Ergebnis überrascht dies wenig. Denn zwei Parteien einigen sich – wie Born treffend hervorgehoben hat – nicht einfach abstrakt oder im luftleeren Raum auf eine Schiedsvereinbarung, sondern, dem Sinn der Festlegung eines Streitbeilegungsmechanismus 64 Ganz h. M., siehe nur Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 87 GWB Rn. 75, 77. 65 BGH, Urt. v. 27.02.1969 – KZR 3/68 – Fruchtsäfte, GRUR 1969, 501, 502, auch wenn der BGH sein Ergebnis hier mit § 139 BGB begründet, der freilich heute und auch damals schon nicht mehr zur Begründung der Unabhängigkeit herangezogen wird; Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 165; Kronstein, Das Recht der internationalen Kartelle, S. 348 f. mit Verweis auf BGH, Urt. v. 06.12.1962 – KZR 1/62 – Schotter, GRUR 1963, 331, 333 und 334; BGH, Urt. v. 05.12.1963 – KZR 9/62 – Mikrophos, GRUR 1964, 405, 409; Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 533; Steindorff, WuW 1984, 189, 193; Veeder/Stanley, in: Blanke/Landolt, EU and US antitrust arbitration, Vol. 1, 2011, Rn. 3–010; Zumbusch, GRUR Int. 1988, 541, 552. Anders mal ein niederländisches Schiedsgericht mit Schiedsspruch vom 22.07.1964, Arbitrale Rechtspraak 1964, 240; s. hierzu die Anm. von Mok/Johannes, AWD 1965, 181; hierauf erwidernd Cohn, AWD 1965, 267. 66 Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 165; mit Bezug zum EU-Recht Veeder/Stanley, in: Blanke/Landolt, EU and US antitrust arbitration, Vol. 1, 2011, Rn. 3–010. S. auch unten Kapitel 3 § 1 C. 67 Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 402 f. und 424 ff.; Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 704 f. m.w. N.

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durch die Vereinbarung folgend, immer nur in Verbindung mit oder in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsgeschäft. Kommt dieses Rechtsgeschäft niemals zustande, erscheint es angebracht, auch das Zustandekommen der Streitbeilegungsvereinbarung für dieses Rechtsgeschäft in Frage zu stellen.68 2. Das auf Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung anwendbare nationale Recht ist jeweils autonom zu bestimmen Aus der Unabhängigkeit von Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung folgt als weitere Konsequenz, dass das auf den Hauptvertrag und die Schiedsvereinbarung anwendbare nationale Recht jeweils autonom zu bestimmen ist. Deshalb kann das für die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht ein anderes als das für den Hauptvertrag maßgebende sein und ist dies auch regelmäßig.69 Entscheidend ist, dass für Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung jeweils eine eigenständige Anknüpfungsprüfung durchzuführen ist.70 Dies lässt sich am einfachsten mit der Erkenntnis begründen, dass es sich bei Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung um unabhängige Verträge mit eigenständigen Zielsetzungen handelt.71 Welches Recht über Abschluss und Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung zu entscheiden hat, ist eine Frage des Einzelfalls.72 Die Antwort hängt zunächst davon ab, ob die Parteien eine entsprechende Rechtswahl getroffen haben73, was zumindest in dem für Schiedsvereinbarungen relevanten Geschäftsverkehr der Regelfall sein dürfte. Fehlt eine solche Rechtswahl der Parteien, so richtet sich die Frage des auf Abschluss und Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung anwend68

Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 403. Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 698. Siehe auch jüngst nochmal Schlosser, IPRax 2020, 222, 223 f. (auch mit Bezug zur Rechtssache Pechstein). 70 Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 464. 71 Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 464; Epping, Die Schiedsvereinbarung im internationalen privaten Rechtsverkehr nach der Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts, S. 25; vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rn. 16. 72 Im deutschen Recht setzt sich die Diskussion um die Rechtnatur der Schiedsvereinbarung bei der Frage nach dem Schiedsvereinbarungsstatut fort. Stellt die Schiedsvereinbarung einen materiell-rechtlichen Vertrag dar, dann muss sich das Schiedsvereinbarungsstatut auch über eine materiell-rechtliche Anknüpfung ergeben, nicht über eine prozess-rechtliche, wie für den Fall, dass es sich um einen Prozessvertrag handelt, Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 107 ff. Ausführlich König, SchiedsVZ 2012, 129. Zur Reichweite des Schiedsvereinbarungsstatuts Hausmann, in: Staudinger, BGB, IntVertrVerfR 2, Neubearb. 2016, Rn. 460 ff. Kritisch in Bezug auf die Anknüpfung des OLG München in der Rechtssache Pechstein Duve/Rösch, SchiedsVZ 2015, 69, 76. 73 BGH, Beschl. v. 21.09.2005 – III ZB 18/05, NJW 2005, 3499, 3500; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 107; Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 222. Vgl. Prütting, in: FS Schlosser, S. 706, 708, der die Rechtswahlfreiheit der Parteien mit der prozessualen Privatautonomie begründet. 69

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

baren materiellen Rechts nach dem Recht am Schiedsort.74 Für die Normen des Kartellrechts besteht die Besonderheit, dass die meisten nationalen Kartellgesetze und auch das europäische Kartellrecht dem Auswirkungsprinzip folgen. Für das deutsche Kartellrecht regelt dies explizit § 185 Abs. 2 GWB. Auch wenn für das europäische Kartellrecht eine entsprechende Kollisionsnorm nicht existiert, so folgt die Kommission ausdrücklich, der EuGH jedenfalls faktisch, dem Auswirkungsprinzip.75 Nach dem Auswirkungsprinzip beansprucht das jeweilige Kartellrecht unabhängig von dem eigentlich anwendbaren nationalen Recht immer dann Anwendung, wenn sich die Wettbewerbsbeschränkung im Inland bzw. der Union auswirkt, selbst dann, wenn sie im Ausland veranlasst wurde.76 § 185 Abs. 2 GWB gilt nicht für bloß mittelbare und entfernte Auswirkungen von im Ausland veranlassten Wettbewerbsbeschränkungen. Erforderlich ist vielmehr eine spürbare und unmittelbare Beeinflussung eines durch das GWB geschützten Rechtsgutes. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob die Auswirkung im Inland auch tatsächlich eintreten muss oder allein die Eignung dazu genügt.77 Die grundsätzlich eigenständige Anknüpfung wirkt sich in Fällen mit Kartellrechtsbezug deshalb kaum aus. Denn selbst wenn auf Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung eigentlich zwei unterschiedliche Rechtsordnungen anwendbar wären, egalisiert sich diese unterschiedliche Rechtswahl durch das kartellrechtliche Auswirkungsprinzip. Ist auf den Hauptvertrag deutsches oder europäisches Kartellrecht anzuwenden, sind Fälle, in denen dies für die Schiedsvereinbarung nicht gilt, kaum vorstellbar. Denn wirkt sich der Hauptvertrag potentiell im Inland bzw. auf dem Markt der Union aus, so muss auch die in ihm enthaltene Schiedsvereinbarung dieses Potential bergen.78

74 Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 222; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 107. Dies jedenfalls dann, wenn man einer prozess-rechtlichen Anknüpfung folgt und in § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) bzw. in Art. V Abs. 1 lit. a) UNÜ die entscheidende Kollisionsnorm sieht. So nun – trotz Beibehaltung der Einordnung als „materiellrechtlicher Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen“ – auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2017 – VI-U (Kart) 8/17, BeckRS 2017, 140328, Rn. 35; vgl. Wächter, SchiedsVZ 2018, 294, 296. 75 Vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 27.09.1988 – Rs. 89, 104, 114, 116, 117 und 125 bis 129/ 85 – Zellstoffhersteller, ECLI:EU:C:1988:447, Tz. 14 und Komm., Ent. v. 21.12.1988 – 89/190/EWG, ABl. 1989 Nr. L 74, 1, Tz. 40. Siehe auch Dietze/Janssen, Kartellrecht in der anwaltlichen Praxis, 5. Aufl. 2015, Rn. 102. 76 S. § 185 Abs. 2 GWB, der lautet: „Die Vorschriften des Ersten bis Dritten Teils dieses Gesetzes sind auf alle Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden, die sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes auswirken, auch wenn sie außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes veranlasst werden.“ Zum Auswirkungsprinzip für das GWB Emmerich/Lange, KartR, 14. Aufl. 2018, § 20 Rn. 19. Für das europäische Recht Dietze/Janssen, Kartellrecht in der anwaltlichen Praxis, 5. Aufl. 2015, Rn. 102. 77 Emmerich/Lange, KartR, 14. Aufl. 2018, § 20 Rn. 19 mit Rspr.-Nw. 78 Zur Prüfung eines „Auslandsfalls“ als „hypothetischen Inlandssachverhalt“ Emmerich/Lange, KartR, 14. Aufl. 2018, § 20 Rn. 19.

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Der Fokus dieser Arbeit liegt jedenfalls auf der Prüfung der Schiedsvereinbarung in den Fällen, in denen grundsätzlich jedenfalls auch deutsches oder europäisches Kartellrecht zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung berufen ist.79 3. Innerhalb eines auf Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung anwendbaren nationalen Rechts kann es zur Anwendung unterschiedlicher nationaler Regeln kommen Als dritte Konsequenz der Unabhängigkeit von Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung lässt sich festhalten: Ist auf Schiedsvereinbarung und Hauptvertrag dasselbe Recht anwendbar, so können innerhalb dieses Rechts verschiedene Regeln für die Schiedsvereinbarung beziehungsweise den Hauptvertrag maßgebend sein. Auch dies ist logische Konsequenz der Unabhängigkeit der beiden Vereinbarungen voneinander. Durch die Anwendung eigener Regeln auf die Schiedsvereinbarung innerhalb eines Rechtssystems lässt sich der eigenen Zwecksetzung der Schiedsvereinbarung Rechnung tragen. Mit Blick auf internationale Konventionen (insbesondere das UNÜ80) zur Schiedsgerichtsbarkeit und eine Vielzahl an nationalen Schiedsverfahrensrechten (für Deutschland §§ 1025 ff. ZPO) dürfte es auch eher die Regel sein, dass auf die Schiedsvereinbarung andere Regeln anwendbar sind als auf den Hauptvertrag.81

III. Keine Bedeutung des Unabhängigkeitsgrundsatzes für die materiell-rechtliche Wirksamkeitskontrolle der Schiedsvereinbarung Allein die Feststellung, dass Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung voneinander unabhängige Vereinbarungen sind, hilft für die hier in Rede stehende Frage noch nicht weiter. Denn aus dieser Erkenntnis ergibt sich noch keine Antwort darauf, inwieweit Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung auch bei Beurteilung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung getrennt voneinander zu betrachten sind. Noch einmal: Entscheidend ist die Beantwortung dieser Frage für die Anwendung von Normen, deren Tatbestände Merkmale enthalten, deren Prüfung 79 Richten sich Abschluss und Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung nach deutschem Recht, kommt das Kartellrecht daher nicht „bloß“ als Konsequenz des Auswirkungsprinzips zur Anwendung. Sind also auch die weiteren materiellen Wirksamkeitsregeln des deutschen Rechts anwendbar, so stellt sich die Frage, wie sich das Kartellrecht in Bezug auf die Wirksamkeitsprüfung einer Schiedsvereinbarung zu den anderen Regeln des deutschen Rechts verhält. Zu diesem Spannungsverhältnis ausführlich unten Kapitel 4 § 3 D. und E. 80 New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (UNÜ, BGBl. II 1961 S. 122). 81 Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 465, s. auch dort zum Vorstehenden.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

maßgeblich davon abhängt, ob nur die Schiedsvereinbarung oder das Gesamtvertragswerk in den Blick genommen wird.82 Überlegungen hierzu finden sich in der Literatur bisher kaum. In Anbetracht der Tatsache, dass insbesondere die Schiedsklausel rein faktisch Teil des Gesamtvertrags ist, hat Schlosser bereits versucht, den „Grad der Unabhängigkeit einer Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag“ näher zu beleuchten.83 Darüber hinaus finden sich insbesondere in der kartellrechtlichen Literatur vereinzelte, weitestgehend unbegründet gebliebene Aussagen.84 Zeigen wird sich hingegen, dass sich eine abschließende Antwort für das deutsche Recht erst aus einer Betrachtung und Auslegung der zur Umsetzung des Unabhängigkeitsgrundsatzes berufenen gesetzlichen Regelung und dem Grundgedanken des Unabhängigkeitsgedankens ergibt. 1. Schiedsvereinbarung und Hauptvertrag als eigenständige aber nicht gleichrangige Vereinbarungen Um den „Grad der Unabhängigkeit einer Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag“ zu bestimmen, hat sich Schlosser zunächst die Regelungen zur Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung in mehreren europäischen Jurisdiktionen angesehen, hierbei aber lediglich festgestellt, „dass das Ausbleiben einer rechtlichen Bindung bezüglich des Hauptvertrags nicht zwangsläufig auch der rechtlichen Verbindlichkeit einer Schiedsvereinbarung entgegensteht, die in dem angestrebten Hauptvertrag enthalten ist oder sich sonst auf ihn bezieht“ 85. Darüber hinaus sei es jedoch falsch, von diesem Ausgangspunkt aus zu folgern, das Fehlen rechtlicher Bindung bezüglich des Hauptvertrags beeinflusse die Schiedsvereinbarung nur dann, wenn diese an demselben Fehler leide. Denn die Schiedsvereinbarung sei eben doch und gerade regelmäßig kein auf gleicher Stufe mit dem Hauptvertrag stehender zweiter Vertrag.86 Zum Beleg dieser These für das deutsche Recht führt Schlosser zwei Beispiele an. Erstens den auf den Hauptvertrag bezogenen Vollmachtsmangel. Zweitens den Übergang der Schiedsvereinbarung im Zessionsfall. a) Der auf den Hauptvertrag bezogene Vollmachtsmangel Gemeint ist hier der Fall, in dem ein Vertreter einen von der der Vertretung zugrundeliegenden Vollmacht nicht gedeckten Hauptvertrag und mit diesem zusammen eine Schiedsvereinbarung schließt. Als Beispiel soll man an den Proku82 83 84 85 86

S. o. bei Kapitel 3 Fn. 21. Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697. S. hierzu unten in Kapitel 3 § 1 B. III. 2. Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 701. Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 701.

§ 1 Allgemeine Überlegungen zur Wirksamkeitskontrolle

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risten und die Regelung des § 49 Abs. 2 HGB denken, der dem Prokuristen die Vornahme von Grundstücksgeschäften nur dann erlaubt, wenn dieser hierzu besonders befugt ist.87 Aus der Tatsache, dass es eine solche Regelung für Schiedsvereinbarungen nicht gibt, folgert Schlosser, dass der Abschluss von Schiedsvereinbarung dem Prokuristen im Grunde immer erlaubt sei. Folgt man dem, dann könnte der Prokurist zwar den Hauptvertrag wegen § 49 Abs. 2 HGB nicht wirksam schließen, wohl aber die in ihm wohlmöglich enthaltene Schiedsvereinbarung. Würde man nun mit der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag ernst machen, dann bedeutete dies, dass über die Wirksamkeit des Hauptvertrags das Schiedsgericht zu entscheiden hätte. In konkreto also darüber, ob die besondere Befugnis des § 49 Abs. 2 HGB an den Prokuristen erteilt worden ist oder der Vollmachtgeber das Geschäft nachträglich genehmigt hat. Der Vollmachtgeber sähe sich also plötzlich bezüglich eines Vertrags einem Schiedsgericht ausgeliefert, von dem er überzeugt war, sein Prokurist könnte ihn nie abschließen. Deswegen ist Schlosser der Ansicht, ein Vollmachtgeber könne nie durch eine Schiedsklausel, die der Bevollmächtigte in Verträgen akzeptiert hat, die ihm verboten waren, in die Schiedsgerichtsbarkeit gezwungen werden. Zur Bedeutung dessen für die Schiedsvereinbarung äußert Schlosser sich nur indirekt, wenn er schreibt: „Mit Recht wendet man sich instinktiv gegen ein solches Resultat.“ Die Schiedsvereinbarung soll also wohl unwirksam sein. Gleiches soll auch „sonst gelten, wenn eine Vollmacht den Abschluss bestimmter ,Hauptverträge‘ nicht deckt.“ Daran zeige sich, dass die Schiedsvereinbarung kein unabhängiger, mit dem Hauptvertrag auf gleicher Ebene stehender Vertrag sein könne.88 Nicht klar wird, woraus sich dieses Ergebnis ableiten soll. Denken könnte man an § 49 Abs. 2 HGB selbst. Mit Blick auf den Sinn der Regelung leuchtet dies indes nicht ein. § 49 Abs. 2 HGB schützt den Vertretenen vor den, aufgrund des regelmäßig hohen Wertes von Grundstücken, mit diesen Geschäften verbundenen Risiken.89 Dieser Zweck würde die Unwirksamkeit des Abschlusses von korrespondierenden Schiedsvereinbarungen nur dann rechtfertigen können, wenn der Abschluss von Schiedsvereinbarungen per se Einfluss auf dieses Risiko hätte. Genau dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn man mit dem Gesetzgeber von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit ausgeht90. Zwar mögen Fälle denkbar sein, in denen die Vereinbarung einer Schiedsvereinbarung der Umgehung der Regelung des § 49 Abs. 2 HGB dient. Eine solche Schiedsvereinbarung mag dann unwirksam sein. Dies würde jedoch nicht aus dem ursprünglichen Vollmachtsmangel zum Ab87 § 49 Abs. 2 HGB lautet: „Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist.“ 88 Zu diesem gesamten Beispiel Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 701 f. 89 Meyer, in: BeckOK-HGB, 30. Ed., Stand: 15.10.2020, § 49 Rn. 10 m.w. N. 90 S. o. Kapitel 2 § 2 D. I. 2. a).

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

schluss des Hauptvertrags folgen, sondern allerhöchstens daraus, dass man eine Schiedsvereinbarung, die abgeschlossen wird, um einen unwirksamen Hauptvertrag durchzusetzen, für selbst unwirksam hält. Denkbar wäre es noch, § 49 Abs. 2 HGB die generelle Aussage zu entnehmen, dass dem Vertreter auch zum Abschluss aller mit dem Grundstückskaufvertrag korrespondierenden Verträge die Vertretungsmacht fehlt. Dies ginge jedoch zu weit. Bei rechtsgeschäftlicher Beschränkung der Vertretungsmacht ließe sich im Wege der Auslegung der Beschränkung im Einzelfall vielleicht folgern, dass die Vertretungsmacht auch in Bezug auf eine mit dem untersagten Hauptvertrag korrespondierende Schiedsvereinbarung beschränkt sein soll. Zwingend ist dies hingegen nicht. Selbstverständlich ist es diesem Gedanken folgend dem Vollmachtgeber dann durchaus möglich, seinen Vertreter zwar in Bezug auf den Abschluss einer Schiedsvereinbarung zu bevollmächtigen, nicht aber in Bezug auf den Hauptvertrag. Sinn dürfte dies freilich selten ergeben.91 Nur schwer begründen lässt sich die Unwirksamkeit auch der Schiedsvereinbarung im Fall des auf den Hauptvertrag bezogenen Mangels der Vertretungsmacht mit dem Grad der Unabhängigkeit dieser vom Hauptvertrag. Denn zu überlegen wäre schon, ob der Abschluss einer ungewollten Schiedsvereinbarung durch den Bevollmächtigten nicht schlichtweg ein von der Rechtordnung hingenommenes Risiko für den Vertretenen darstellt. Auch ansonsten sind Verträge, die von einem Vertreter innerhalb seiner Vertretungsmacht geschlossen werden aber vom Vertretenen nicht gewollt sind, ja keineswegs per se unwirksam. Nach hiesigem Verständnis bleibt es für Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung also bei einer voneinander unabhängigen Betrachtung, bei der die Vollmacht hinsichtlich des Abschlusses des Hauptvertrags einerseits und hinsichtlich des Abschlusses der Schiedsvereinbarung andererseits unabhängig voneinander in den Blick zu nehmen ist. Dass der Erklärung beziehungsweise gesetzlichen Regelung zur Beschränkung der Vollmacht durch den Vollmachtgeber auch die Aussage zu entnehmen sein kann, dass der Vertreter zum Abschluss korrespondierender Schiedsvereinbarungen nicht berechtigt ist, ist nicht Resultat einer mangelnden Unabhängigkeit der beiden Verträge, sondern der Auslegung der Vollmachtsbeschränkung. b) Übergang der Schiedsvereinbarung im Zessionsfall Als zweites Beispiel zum Beleg der These, dass die Schiedsvereinbarung kein mit dem Hauptvertrag auf gleicher Stufe stehender zweiter Vertrag sei, nennt Schlosser den Übergang der Rechte und Pflichten aus der Schiedsvereinbarung 91

So auch wieder Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 702.

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bei Übergang der Ansprüche aus dem Hauptvertrag. Würde man die Schiedsvereinbarung als vollkommen vom Hauptvertrag unabhängigen Vertrag anerkennen, so bliebe die Schiedsvereinbarung von einer Abtretung der Ansprüche aus dem Hauptvertrag unberührt. Mit dem Argument, der Schuldner aus einem Vertrag könne nicht dadurch seine Rechte aus der Schiedsvereinbarung verlieren, dass der Gläubiger seine Rechte abtritt, entspricht es der Rechtsprechung „aller Staaten“, dass die Bindung an die Schiedsvereinbarung bei rechtsgeschäftlichem Übergang des streitgegenständlichen Rechtsverhältnisses grundsätzlich auf den Sonderrechtsnachfolger mit übergeht und dies nicht etwa durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln ist.92 Im deutschen Recht stützt die Rechtsprechung dieses Ergebnis auf den Grundgedanken und eine entsprechende Anwendung des § 401 BGB. Die Schiedsvereinbarung stelle eine Eigenschaft des abgetretenen Rechts selbst dar und gehe deshalb nach dem in § 401 BGB enthaltenen Grundgedanken mit dem abgetretenen Recht auf den Erwerber über.93 Auf eine etwaige Zustimmung des Zessionars kommt es nicht an, erst recht nicht in der Form des § 1031 ZPO.94 Gleiches gilt im Fall der Vertragsübernahme.95 Die Herleitung des Ergebnisses aus einer entsprechenden Anwendung des § 401 BGB ist im Schrifttum aber auch immer wieder kritisiert worden. Denn § 401 BGB wolle lediglich den Übergang gewisser (Neben-)Rechte beziehungsweise Sicherungsrechte bewirken, nicht etwa aller vertraglich begründeten Rechte und Pflichten.96 Die Schiedsvereinbarung hingegen sei ein Gefüge von Rechten und eben auch Pflichten, weshalb § 401 BGB für sie ausscheiden müsse.97 92 Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 702 mit Nachweisen zu Rspr. aus Frankreich, England, den USA, der Schweiz und Österreich; für Deutschland: st. Rspr., s. nur BGH, Urt. v. 18.12.1975 – III ZR 103/73, NJW 1976, 852; BGH, Urt. v. 05.05.1977 – III ZR 177/74, NJW 1977, 1397, 1398; BGH, Urt. v. 02.03.1978 – III ZR 99/76, NJW 1978, 1585, 1586; BGH, Urt. v. 20.03.1980 – III ZR 151/79, NJW 1980, 2022, 2023; BGH, Urt. v. 02.10.1997 – III ZR 2/96, NJW 1998, 371; OLG München, Beschl. v. 26.06.2008 – 34 SchH 7/08. S. auch: Schricker, in: FS Quack, S. 99, 104; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 87a Fn. 330. 93 BGH, Urt. v. 02.03.1978 – III ZR 99/76, NJW 1978, 1585, 1586; BGH, Urt. v. 02.10.1997 – III ZR 2/96, NJW 1998, 371. Für die Lit.: Roth/Kieninger, in: MüKoBGB, Bd. 2, 8. Aufl. 2019, § 401 Rn. 12; Schricker, in: FS Quack, S. 99, 102 m.w. N.; vgl. Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 47. Haas/Oberhammer, in: FS K. Schmidt, 509 halten die durch Schiedsvereinbarung begründete Bindung dagegen für zu komplex, um sie als bloße Eigenschaft der Forderung begreifen zu können. 94 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 87a. 95 BGH, Urt. v. 03.05.2000 – XII ZR 42/98, NJW 2000, 2346. 96 Baur, in: FS Fasching, S. 81, 91 m.w. N.; Schricker, in: FS Quack, S. 99, 103; Haas/Oberhammer, in: FS K. Schmidt, 511 f. mit 509 f.; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 47; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 87a; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 7 Rn. 31. 97 Schricker, in: FS Quack, S. 99, 103 mit 100 f., der auf S. 103 f. herausstellt, dass sich die Anwendung des § 401 BGB genau betrachtet nicht mit RGZ 56, 182 begründen lässt.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Schlosser hat dagegen vorgeschlagen, den Übergang auf § 404 BGB oder alternativ auf einen aus §§ 398, 401, 404 hergeleiteten Grundsatz zu stützen. Denn so wie der Zessionar ohne Gutglaubensschutz an alle Vertragsbedingungen samt aller Einwendungen gebunden sei, die der Zedent mit dem Vertragspartner vereinbart hat, so sei er auch an Schiedsgerichts- und Gerichtsstandsklauseln gebunden. Denn entgegen seines Wortlauts erfasse § 404 BGB nicht lediglich die „Einwendungen“ des Schuldners, sondern bringe zum Ausdruck, dass die Forderung so abgetreten werde, wie sie in den Vertrag oder sonstigen Rechtsgrund eingebettet sei, aus dem sie stammt.98 Münch hält auch die Herleitung aus § 404 BGB für verfehlt. Denn die Norm habe lediglich die Verteidigung des Schuldners, im Fall der Schiedsvereinbarung also prozessual nach § 1032 Abs. 1 ZPO, im Auge. Stattdessen folge der Übergang der Schiedsvereinbarung schlicht aus § 398 BGB. Denn die Schiedsbindung präge das Wesen der Forderung und gehöre zum Inhalt des Rechts. Sie gehe deshalb zwangsläufig mit über. Denn andernfalls könnte sich der Gläubiger durch (Schein-)Zession seiner Bindung jederzeit entledigen.99 Einigkeit besteht aber jedenfalls dahingehend, dass ein Übergang ausnahmsweise dann nicht stattfindet, wenn ein abweichender Wille der Parteien feststellbar ist. Dies soll beispielsweise der Fall sein, wenn die ursprünglichen Parteien die Schiedsvereinbarung wegen eines besonderen zwischen ihnen bestehenden Vertrauensverhältnisses geschlossen hatten.100 Insbesondere früher wollten manche Autoren diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht folgen, sondern wollten die Wirkung zugunsten des Zessionars im Einzelfall prüfen, anstatt sie grundsätzlich anzunehmen.101 Der BGH hat sich in einer Entscheidung im Jahre 1998 mit der in der Literatur vorgebrachten Kritik explizit befasst, an seiner Rechtsprechung dann aber festgehalten: Zwar sei es richtig, so der BGH, dass § 401 BGB im Gegensatz zur Vertragsübernahme102 lediglich den Übergang gewisser Sicherungsrechte zugunsten des neuen Gläubigers bewirken wolle. Dies schließe hingegen nicht aus, die Schiedsklausel als eine „Eigenschaft“ des abgetretenen Rechts zu behandeln und anzunehmen, dass sie diesem entsprechend dem Grundgedanken des § 401 BGB nachfolge.103

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Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 88. Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 47. 100 BGH, Urt. v. 02.03.1978 – III ZR 99/76, NJW 1978, 1585, 1586; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 47; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 88. 101 Schricker, in: FS Quack, S. 99, 102 mit Nachw. zu den beiden Ansätzen. 102 Zu diesem Unterschied Schricker, in: FS Quack, S. 99, 101; ebenfalls Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 7 Rn. 32. 103 BGH, Urt. v. 02.10.1997 – III ZR 2/96, NJW 1998, 371. 99

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Ganz grundsätzlich gegen den grundsätzlichen Übergang der Schiedsvereinbarung im Falle der Zession beziehungsweise Vertragsübernahme haben sich Schwab/Walter positioniert. Für sie soll es darauf ankommen, ob Schuldner und neuer Gläubiger beziehungsweise die neuen Vertragspartner mit dem Übergang der Schiedsvereinbarung einverstanden sind. Nur dann sei die gerade beschriebene herrschende Meinung zutreffend.104 c) Schiedsvereinbarung als akzessorische Klausel Mit Blick auf diese beiden Beispiele schließt sich Schlosser der Meinung von Pierre Mayer an, dass es sich bei einer Schiedsvereinbarung um eine akzessorische Klausel handle, die jedoch nach dem Prinzip der möglichen Aufrechterhaltung einzelner Vertragsbestandteile durchaus auch wirksam sein könne, wenn der Hauptvertrag im Übrigen unwirksam sei.105 Obwohl sich für Schlossers erstes Beispiel zur Stützung seiner These durchaus gegenläufige Argumente finden lassen, zeigt doch – schließt man sich der herrschenden Meinung an – insbesondere das zweite Beispiel, dass Schiedsvereinbarung und Hauptvertrag keine Verträge sein können, die vollkommen voneinander unabhängig zu sehen sind. Ein anderes Ergebnis würde die Realität auch falsch widerspiegeln. Denn die Parteien schließen die Schiedsvereinbarung nicht völlig unabhängig von einem Hauptvertrag.106 Dies ergäbe auch wenig Sinn, dient die Schiedsvereinbarung doch gerade dazu, in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis einen Streitbeilegungsmechanismus festzulegen. Zwar sind Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung zwei Rechtsverhältnisse mit je eigenem Charakter, die jeweils völlig andere Zwecke verfolgen. Der Hauptvertrag ist ein materiell-rechtlicher Vertrag, die Schiedsvereinbarung hingegen ein Vertrag mit jedenfalls starken prozessualen Auswirkungen. Diese Erkenntnis darf allerdings nicht dazu verleiten, zu glauben, Schiedsvereinbarung und Hauptvertrag hätten nichts mehr miteinander zu tun. Denn selbstverständlich wird die Schiedsvereinbarung geschlossen, um einen Streitbeilegungsmechanismus gerade für diesen Hauptvertrag festzulegen. Auch der BGH bringt dies sprachlich immer wieder zum Ausdruck. In einer Entscheidung vom 02.10.1997 sprach er beispielsweise von der Schiedsvereinbarung als „bloßem Hilfsgeschäft (Annex)“.107 Auch wenn der Kontext hier ein anderer war, so zeigt die Wortwahl doch, dass Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung trotz ihrer jeweiligen Unabhängigkeit im Zusammenhang

104 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 7 Rn. 32; in diesem Sinne ebenfalls ablehnend Schricker, in: FS Quack, S. 99, 105. Ablehnend auch Baur, in: FS Fasching, S. 81, 91. 105 Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 703. Siehe dort für einen entspr. Nw. der in Bezug genommenen Sicht. 106 Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 403. 107 BGH, Urt. v. 02.10.1997 – III ZR 2/96, NJW 1998, 371.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

stehen. Eine ähnliche Sprachwahl findet sich auch in der Fruchtsäfte-Entscheidung. In dieser ging es gerade um die Frage der Bedeutung eines kartellrechtlich unwirksamen Hauptvertrags für die Schiedsvereinbarung. In diesem Zusammenhang bezeichnete der BGH die Schiedsvereinbarung als „Nebenabrede“.108 Der Schiedsvereinbarung kommt insoweit der Charakter eines bloßen Hilfsgeschäfts zu. Denn ohne die Verknüpfung zum Hauptvertrag schwebte die Schiedsvereinbarung gewissermaßen nutzlos im luftleeren Raum. Diese Überlegungen können eine abschließende Lösung der hier aufgeworfenen Frage hingegen nicht geben. Das Ergebnis, dass es sich bei Schiedsvereinbarungen um akzessorische Klauseln handelt, die nicht vollkommen losgelöst vom Hauptvertrag zu betrachten sind, ist Ergebnis phänologischer Betrachtungen zweier Einzelfragen, aus denen ein Ergebnis in Bezug auf den Umfang der materiell-rechtlichen Prüfung nicht zwingend ableitbar ist. An anderer Stelle aber mit Bezug auf den Übergang der Schiedsvereinbarung im Falle der Abtretung der Ansprüche aus dem Hauptvertrag heißt es von Schlosser, die grundsätzliche Selbstständigkeit der Schiedsvereinbarung gegenüber dem Hauptvertrag gelte nur in den Grenzen des § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO und sei daher kein Grund, der dem Übergang der Schiedsklausel entgegen steht.109 Wie es im Folgenden zu zeigen gilt, ist die Beschränkung des Grundsatzes der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag auf den durch § 1040 Abs. 1 ZPO festgelegten Umfang der Schlüssel zur Beantwortung der hier in Rede stehenden Frage. Bevor darauf eingegangen wird, sei ein kurzer Blick auf bisherige Aussagen zu diesem Thema geworfen. 2. Stimmen zur Bedeutung des Unabhängigkeitsgrundsatzes für die materiell-rechtliche Wirksamkeitskontrolle Die hier zu beantwortende Frage nach der Bedeutung der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung für die Prüfung ihrer materiell-rechtlichen Wirksamkeit ist bisher nur vereinzelt gestellt und meist nur am Rande berücksichtigt worden. An anderen Stellen klingt sie lediglich durch. a) Stimmen gegen eine Fortsetzung des Unabhängigkeitsgedankens auf materiell-rechtlicher Ebene Die wenigen vorhandenen Stimmen scheinen sich überwiegend gegen eine Fortsetzung des Unabhängigkeitsgedankens auf materiell-rechtlicher Ebene und damit gegen eine isolierte Betrachtung der Schiedsvereinbarung bei deren Wirksamkeitsprüfung zu positionieren. 108

BGH, Urt. v. 27.02.1969 – KZR 3/68 – Fruchtsäfte, GRUR 1969, 501, 502. Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 88 m. Nw. zur a. A. 109

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So hält es Landolt für unwahrscheinlich, dass das Kartellrecht – sein Beitrag bezieht sich auf EU- und US-Kartellrecht – den wettbewerbsbeschränkenden Effekt einer Schiedsklausel isoliert, also losgelöst von anderen wettbewerbsbeschränkenden Klauseln und damit dem ökonomischen Kontext des Gesamtvertrags, bewerten würde.110 Sachslehner hat im Zuge seiner Untersuchung der Frage wann Schiedsvereinbarungen unter das Kartellverbot fallen zwar zugestimmt, dass Schiedsvereinbarungen isoliert betrachtet keine wettbewerbsbeschränkende Wirkung zukomme. Eine solche isolierte Betrachtung hält er jedoch für „wenig hilfreich“. Weil Schiedsvereinbarungen in ein System von Vorschriften eingebettet sein könnten, die mehr oder weniger direkt den Wettbewerb regelten und sie mit diesen Vorschriften ein einheitliches System der Wettbewerbsbeschränkung bildeten, müssten sie auch im Zusammenhang mit diesen Vorschriften gesehen und beurteilt werden.111 Die Kommission hat im Zuge einiger Entscheidungen die Schiedsvereinbarungen immer im Zusammenhang mit dem sie enthaltenden Hauptvertrag betrachtet.112 Hieraus ist zu folgern, dass die Kommission nicht davon ausgeht, Schiedsvereinbarungen seien ausschließlich isoliert zu betrachten. Classen hat – anders als die vorherigen Stimmen nicht in einem kartellrechtlichen Kontext – vertreten, dass die Schiedsvereinbarung eng mit dem rechtlichen Grundverhältnis der Schiedsparteien verknüpft sei. Wolle man also die Parteiinteressen bezüglich der Schiedsvereinbarung abwägen, seien hierbei deshalb auch diejenigen Interessen aus dem rechtlichen Grundverhältnis zu berücksichtigen. Die schwächere Partei werde sich die Schiedsvereinbarung regelmäßig nur dann abnötigen lassen, wenn sie großes Interesse an dem mit ihr verknüpften Hauptvertrag habe. Das wiederum werde der Fall sein, wenn sie aus diesem von der stärkeren Partei eine Leistung begehre.113

110 Landolt, in: Blanke/Landolt, EU and US antitrust arbitration, Vol. 1, 2011, Rn. 2–021: „Moreover, it is unlikely that competition law would consider the competition effect of an arbitration clause in isolation, abstracting the anticompetitive contribution of various other clauses in a contract subject to arbitration and indeed the economic context of the contract.“ 111 Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 55. 112 Siehe zum Beispiel zu Komm., Ent. v. 15.07.1975 – 75/497/EWG – IFTRA-Regeln, ABl. 1975 Nr. L 228, 3, Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 76; zu Komm., Ent. v. 02.12.1977 – 75/59/EWG – Centraal Bureau voor de Rijwielhandel, ABl. 1978 Nr. L 20, 18, Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 78 und zu Komm., Ent. v. 03.06.1975 – 75/358/EGW – Haarden- en Kachelhandel, ABl. 1975 Nr. L 159, 22, Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 80. 113 Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 98.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Holla hat sich im Zusammenhang mit der Frage, wie sich die Nachteiligkeit einer in einer Schiedsvereinbarung enthaltenen Schiedsverfahrensvereinbarung überhaupt bestimmen lässt, Gedanken über das Verhältnis von Hauptvertrag, Schiedsvereinbarung und Schiedsverfahrensvereinbarung gemacht. Dabei hat er herausgestellt, dass die grundsätzlich vorgesehene Trennung zwischen Hauptvertrag, Schiedsvereinbarung und Schiedsverfahrensvereinbarungen inhaltlich meist keine Entsprechung finde. Vielmehr nähmen Hauptvertrag, Schiedsvereinbarung und Schiedsverfahrensvereinbarung inhaltlich aufeinander Bezug. So lasse sich ohne einen Blick auf den Hauptvertrag schon oft nicht feststellen, ob eine bestimmte Streitigkeit von der Schiedsvereinbarung erfasst sei oder nicht. Daher sei zumindest für die Auslegung der einzelnen Bestandteile eine Ausnahme von der grundsätzlichen Unabhängigkeit zu machen. Denn ohne eine Zusammenschau lasse sich der Wille der Parteien oder der hinter einer Regelung stehende Sinn im Einzelfall gar nicht erfassen. So würden letztendlich inhaltlich zusammengehörige und aufeinander bezogene Regelungskomplexe unnatürlich aufgespalten.114 b) Stimmen für eine Fortsetzung des Unabhängigkeitsgedankens auf materiell-rechtlicher Ebene Vereinzelt finden sich jedoch auch Stimmen, die sich in Richtung einer Fortsetzung des Unabhängigkeitsgedankens auf materiell-rechtlicher Ebene und damit in Richtung einer isolierten Betrachtung der Schiedsvereinbarung im Rahmen deren materiell-rechtlicher Wirksamkeitsprüfung verstehen lassen. So hat Hesselbarth vertreten, der Unabhängigkeitsgedanke des § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO bewirke, dass Umstände, die zur Sittenwidrigkeit des Hauptvertrages führten, grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung hätten.115 3. Eigene Begründung: Betrachtung und Auslegung des § 1040 Abs. 1 ZPO Eine rechtliche Begründung für die eine oder andere Richtung fehlt bisher jedoch. Eine Antwort auf die hier gestellte Frage der Auswirkung des Grundsatzes der Unabhängigkeit zwischen Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung auf die materiell-rechtliche Wirksamkeitsprüfung im deutschen Recht ergibt sich unmittelbar aus der den Unabhängigkeitsgrundsatz in das deutsche Recht umsetzenden Norm des § 1040 Abs. 1 ZPO. Notwendig ist es hierzu, sich den Umfang und die Bedeutung des § 1040 Abs. 1 ZPO genau anzusehen.

114 115

Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 312 f. Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 206 f.

§ 1 Allgemeine Überlegungen zur Wirksamkeitskontrolle

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§ 1040 Abs. 1 ZPO basiert auf Art. 16 ModG116 und integriert das internationale Rechtsprinzip der Unabhängigkeit zwischen Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung in das deutsche Recht. Die Unabhängigkeit zwischen Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung ist in § 1040 Abs. 1 ZPO, der Konzeption des ModG folgend, eingebettet in die Regelung zur Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts.117 Nach § 1040 Abs. 1 S. 1 ZPO kann das Schiedsgericht über die eigene Zuständigkeit entscheiden. „Im Zusammenhang hiermit“ ebenfalls „über das Bestehen oder die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung“ als notweniger Voraussetzung der eigenen Zuständigkeit118. „Hierbei“, so sagt es § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO, „ist eine Schiedsklausel als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung zu behandeln“. Kernanliegen von § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO ist es, den Wirksamkeitszusammenhang zwischen Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung aufzulösen.119 Einen solchen Wirksamkeitszusammenhang stellt im deutschen Recht eigentlich § 139 BGB her. Für den Fall der Teilbarkeit eines einheitlichen Rechtsgeschäfts ergibt sich aus § 139 BGB, dass im Zweifel das gesamte Rechtsgeschäft nichtig ist, sofern nicht davon auszugehen ist, dass der eigentlich wirksame auch ohne den nichtigen Teil abgeschlossen worden wäre. § 139 BGB stellt also die Vermutung auf, dass die Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts zur Gesamtnichtigkeit desselben führt.120 Die Anwendung dieser Vermutung auf das Verhältnis zwischen Hauptvertrag und Schiedsvereinbarungen ist allerdings aus bereits oben121 ausgeführten Gründen nicht zweckmäßig. Zur Auflösung des Wirksamkeitszusammenhangs bestimmt § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO, dass zur Entscheidung („hierbei“) über „Bestehen“ oder „Gültigkeit“ der Schiedsvereinbarung diese „als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung zu behandeln“ ist. Ein Blick in Art. 16 Abs. 1 ModG bestätigt, dass Kernanliegen der Regelung die Auflösung des Wirksamkeitszusammenhangs ist. Art. 16 Abs. 1 ModG besagt dies sogar noch deutlich klarer als die deutsche Regelung. Dessen Sätze 1 und 2 entsprechen den Sätzen 1 und 2 des § 1040 Abs. 1 ZPO. Satz 3 des Art. 16 Abs. 1 ModG ist in § 1040 Abs. 1 ZPO nicht übernommen worden. Hier jedoch findet 116

S. o. Kapitel 3 in Fn. 30. BT-Drucks. 13/5274, S. 43; Huber/Bach, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1040 Rn. 1; Art. 16 ModG und BT-Drs. 13/5274 zu § 1040 ZPO abgedruckt bei Wieczorek/Schütze, § 1040 Rn. 1 f.; kritisch zur Konzeption des ModG und damit auch der ZPO Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 699 in Fn. 10. 118 Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1040 Rn. 2. 119 Epping, Die Schiedsvereinbarung im internationalen privaten Rechtsverkehr nach der Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts, S. 25; Mok/Johannes, AWD 1965, 181, 184 m.w. N.; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1040 Rn. 1 [Nr. 2]. 120 Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 139 Rn. 1. 121 S. o. Kapitel 3 § 1 B. II. 1. 117

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

sich gewissermaßen die Erklärung, welche Konsequenz aus den beiden vorstehenden Sätzen folgen soll. So heißt es in Art. 16 Abs. 1 S. 3 ModG: „A decision by the arbitral tribunal that the contract is null and void shall not entail ipso iure the invalidity of the arbitration clause.“ Das ModG sagt es also deutlich. Kommt das Schiedsgericht zum Ergebnis der Unwirksamkeit des Hauptvertrags, so soll Konsequenz dessen nicht eine ipso iure eintretende Unwirksamkeit auch der Schiedsvereinbarung sein.122 Ist also im Rahmen der Frage der Zuständigkeit des Schiedsgerichts über die Frage des Bestehens oder der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung zu entscheiden, so ist die Schiedsvereinbarung hierfür als unabhängige Vereinbarung zu behandeln. Diese gesetzliche Fiktion bewirkt im Ergebnis, dass die Vermutung des § 139 BGB hin zu einer Gesamtnichtigkeit bei Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nicht mehr greift, sondern gerade – ganz im Gegenteil – auf den Kopf gestellt wird.123 Wie jedoch – rechtstechnisch, an welchem Tatbestandsmerkmal – die Regelung des § 139 BGB ausgehebelt wird, lösen die Kommentatoren des § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht auf. Wichtig ist es, sich zunächst über die Tatbestandsmerkmale des § 139 BGB im Klaren zu sein. „Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig“, lautet der erste Halbsatz des § 139 BGB. Hervorzuheben gilt es hierzu zunächst, dass § 139 BGB die Situation regelt, in der sich die Nichtigkeit auf einen bestimmten Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts begrenzen lässt. Der andere Teil hingegen ist nicht zu beanstanden. § 139 BGB betrifft nun allein die Frage, was als Konsequenz aus einer solchen Situation für den Gesamtvertrag folgt. Damit ist Grundvoraussetzung des § 139 BGB also, dass der eine Teil nichtig, der andere hingegen wirksam ist. § 139 BGB regelt aber nicht die Frage der Wirksamkeit der jeweiligen Teile. Der isoliert betrachtet unwirksame und der isoliert betrachtet wirksame Teil müssen zusammen ein einheitliches Rechtsgeschäft darstellen („eines Rechtsgeschäfts“ in § 139 BGB). Ein solches liegt unproblematisch vor, wenn es sich um ein einziges Rechtsgeschäft handelt, beispielweise also nur eine Vertragsklausel von der Nichtigkeit betroffen ist. Ein Vertrag als solcher ist insoweit einheitlich.124 § 139 BGB findet allerdings auch dann Anwendung, wenn es sich zwar um mehrere Rechtsgeschäfte handelt, die für sich besehen auch alleine existieren könnten, die Beteiligten diese jedoch zu einem einheitlichen Geschäft zusam122 S. hierzu auch Report of the Secretary-General: „Analytical Commentary on Draft Text of a Model Law on International Commercial Arbitration“, 25.03.1984, A/CN.9/264, S. 37 f. [„A finding by the arbitral tribunal that the contract is null and void, therefore, does not require the conclusion that the arbitration clause is invalid.“ (Hervorh. d. Verf.)]; Binder, International Commercial Arbitration and Conciliation in UNCITRAL Model Law Jurisdictions, 4th Ed. 2019, S. 254. 123 Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1040 Rn. 9. 124 Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 139 Rn. 15.

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mengesetzt haben. Hierfür wiederum kommt es nach herrschender Meinung auf einen Einheitlichkeitswillen der Parteien im Zeitpunkt der Vornahme an. Eine nur äußerliche oder rein wirtschaftliche Verknüpfung reicht also nicht. Ein Einheitlichkeitswille der Parteien liegt vor, wenn sich unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten und der Verkehrssitte im konkreten Einzelfall ergibt, dass die Geschäfte miteinander stehen und fallen sollen. Dabei kommt es auf den rechtlichen Zusammenhang, nicht auf eine wirtschaftliche Verknüpfung an.125 Ist festgestellt, dass die von der Nichtigkeit betroffene Abrede Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts ist, kommt es im nächsten Schritt auf die Teilbarkeit des einheitlichen Rechtsgeschäfts an. Hierbei ist zu prüfen, ob bei Abspaltung des nichtigen Teils des einheitlichen Rechtsgeschäfts von diesem ein selbständiger, wirksamer Teil verbleibt. Scheitert es hieran, führt jede Nichtigkeit auch nur eines Teils des einheitlichen Rechtsgeschäfts zur Gesamtnichtigkeit desselben.126 Ist das einheitliche Rechtsgeschäft hingegen teilbar, so kommt es im letzten Schritt auf den tatsächlichen beziehungsweise hypothetischen Parteiwillen an.127 Wie sich aus seiner Negativformulierung ergibt, enthält § 139 BGB insoweit eine Vermutung dahingehend, dass die Parteien das Rechtsgeschäft ohne den nichtigen Teil nicht geschlossen hätten, dass die Teilnichtigkeit also zur Gesamtnichtigkeit führt128. Um dem Zweck des § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO Wirkung zu verleihen, lässt sich letztlich an allen drei Tatbestandsmerkmalen des § 139 BGB ansetzen. Setzte man beim Tatbestandsmerkmal der Teilbarkeit an, ließe sich § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO dahin verstehen, dass zwischen Schiedsvereinbarung und Hauptvertrag stets Teilbarkeit besteht. Damit käme es jedoch dann bei dem im Einzelfall zu ermittelnden Parteiwillen genau genommen darauf an, ob die Parteien die Schiedsvereinbarung auch dann geschlossen hätten, wenn sie die Nichtigkeit des Hauptvertrags gekannt hätten. Diese Frage passt nicht. Stattdessen müsste sie lauten: Hätten die Parteien die Schiedsvereinbarung auch geschlossen, wenn sie gewusst hätten, dass über die Wirksamkeit des Hauptvertrags Streit entstehen wird. Diese Frage bewegt sich jedoch außerhalb von § 139 BGB.129 Ebenso ließe sich § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO die Aussage entnehmen, Ergebnis der Prüfung des Parteiwillens

125 St. Rspr., s. nur BGH, Urt. v. 22.09.2016 – III ZR 427/15, NJW 2016, 3525, 3526 Tz. 16 m.w. N., ebenso und zum ganzen Vorstehenden Wendtland, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 139 Rn. 8; a. A. Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 139 Rn. 15 für den es nicht auf einen Einheitlichkeitswillen ankommt, sondern auf den objektiven Sinngehalt zwischen den einzelnen Abreden. Speziell zum Fall des Zusammensetzens von privat- und prozessrechtlichen Verträgen Wagner, Prozeßverträge, S. 327. 126 Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 139 Rn. 24. 127 Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 139 Rn. 29 ff. 128 Wendtland, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 139 Rn. 16. 129 Vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rn. 19.

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im Rahmen des § 139 BGB ist immer, dass die Parteien den Abschluss der Schiedsvereinbarung auch bei Nichtigkeit des Hauptvertrags gewollt hätten. Dies käme einer „Umkehr“ der Vermutung des § 139 BGB am nächsten.130 Damit ließe sich jedoch nicht begründen, wieso die Schiedsvereinbarung vollkommen isoliert anzuknüpfen und auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen ist. Eine Anknüpfung an die Vermutung des § 139 BGB erforderte – wie eben dargestellt – darüber hinaus auch eine Modifikation der Kontrollfrage. Das Ziel des § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO lässt sich am besten mit einem vollständigen Ausschluss des § 139 BGB verwirklichen.131 Dieser lässt sich am einfachsten erreichen, wenn man am Tatbestandsmerkmal des „einheitlichen Rechtsgeschäfts“ ansetzt. Nach hier vertretener Ansicht, ist § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO daher die Aussage zu entnehmen, dass es sich bei Schiedsklausel und Hauptvertrag nicht um ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne des § 139 BGB handelt.132 Die Regel des § 139 BGB kann deswegen nicht zur Anwendung kommen und ist so ausgeschlossen. Diese Auslegung des § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO kommt auch seinem Wortlaut am nächsten. Schließlich lautet der, dass „eine Schiedsklausel als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung zu behandeln“ ist. Als „Klausel“ wäre sie eigentlich Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts.133 Ist die Schiedsvereinbarung also fiktiv nicht ein Teil des einheitlichen Vertrags, sondern eine unabhängige Vereinbarung, liegt bei Unwirksamkeit des Hauptvertrags keine Teilnichtigkeit vor, der sich eine Gesamtnichtigkeitsvermutung entnehmen ließe, die die Schiedsvereinbarung erfassen würde. Diesem Gedanken folgend bestimmt § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO auch lediglich, die Schiedsklausel sei als eigenständige Vereinbarung zu behandeln. Dem Wortlaut nach nicht etwa die Schiedsabrede134. Auch wenn der Wortlaut dies auf den ersten Blick vermuten ließe, der Gesetzgeber wollte nicht zwischen Schiedsklausel und Schiedsabrede differenzieren. Er erkannte in Bezug auf die Schiedsab130 In diesem Sinne wohl Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1040 Rn. 9. 131 Vgl. Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1040 Rn. 8; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rn. 19, die beide von „Ausschluss“ bzw. „Unabwendbarkeit“ des § 139 BGB sprechen. 132 In diesem Sinne versteht es auch Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 139 Rn. 22 und verweist auf BGH, Urt. v. 27.02.1970 – VII ZR 68/68, NJW 1970, 1046. So auch Nassall, in: jurisPK-BGB, Bd. 1, 9. Aufl. 2020, § 139 Rn. 20. Siehe unter Bezugnahme auf diese Entscheidung BGH, Urt. v. 22.09.1977 – III ZR 144/76, NJW 1978, 212 und BGH, Urt. v. 29.10.2008 – XII ZR 165/06, NJW-RR 2009, 637, 638 Rn. 24. Der BGH hat in diesen Entscheidungen jedoch lediglich in allgemeiner Formel darauf hingewiesen, dass „eine Unwirksamkeit des Hauptvertrags im Zweifel nicht auch die Unwirksamkeit der Schiedsklausel zur Folge hat“. 133 S. o. Kapitel 3 Fn. 124. 134 S. o. Kapitel 3 bei Fn. 27.

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rede vielmehr schlicht das Problem nicht. So heißt es in der Regierungsbegründung zu § 1040 ZPO: „Daher bestimmt Absatz 1 Satz 2, daß für die Beurteilung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung diese und der Hauptvertrag als zwei voneinander unabhängige Verträge zu betrachten sind, und zwar auch dann, wenn die Schiedsklausel Bestandteil des Hauptvertrages ist.“ 135 Der Gesetzgeber ging offenbar vielmehr davon aus, eine unabhängige Betrachtung der Schiedsabrede ergäbe sich schon aus deren eigenständigem Abschluss.136 Dabei übersah er jedoch, dass es, wie gezeigt137, für das Merkmal des „einheitlichen Rechtsgeschäfts“ in § 139 BGB statt auf äußerliche Verbindung auf inhaltliche Kriterien ankommt138.139 Allein der eigenständige Abschluss der Schiedsabrede kann die Anwendung der Gesamtnichtigkeitsvermutung des § 139 BGB also nicht zwingend verhindern. In Anbetracht seines Zwecks und des gesetzgeberischen Willens ist § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO deshalb über seinen Wortlaut hinaus auch auf Schiedsabreden anzuwenden.140 Auch diese stellen mit dem Hauptvertrag zusammen grundsätzlich kein „einheitliches Rechtsgeschäft“ dar. Den Parteien fehlt es grundsätzlich am Willen zur Verknüpfung der beiden Geschäfte. Es liegt also kein „Einheitlichkeitswille“ im Sinne des § 139 BGB vor, der notwendig wäre, um zwei äußerlich getrennte Geschäfte so zu verknüpfen, dass sie ein „einheitliches Rechtsgeschäft“ im Sinne des § 139 BGB darstellen würden. § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO verhindert im Ergebnis also, dass die Schiedsvereinbarung über § 139 BGB bei Nichtigkeit des Hauptvertrags ebenfalls nichtig ist. Und zwar sowohl für den Fall des Vorliegens einer Schiedsklausel als auch den einer Schiedsabrede. So bewirkt die Norm, dass die Gesamtnichtigkeit als Unwirksamkeitsgrund für die Schiedsvereinbarung ausscheidet, diese also nur wegen eigener Unwirksamkeit nichtig sein kann. Deshalb muss unabhängig vom Hauptvertrag untersucht werden, ob sich die Parteien auf das Schiedsverfahren als ihren Streitmechanismus geeinigt haben.141 Von § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO ausgeschlossen ist die Anwendung des § 139 BGB allerdings nur in dem Fall der Unwirksamkeit des Hauptvertrags. In der um135

BT-Drucks. 13/5274, S. 43 (Hervorh. d. Verf.). Man kann dies als Bestätigung dessen deuten, dass § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO in Bezug auf § 139 BGB seine Bedeutung im Rahmen des „einheitlichen Rechtsgeschäfts“ hat. Denn hielt der Gesetzgeber die Schiedsabrede offenbar für nicht regelungsbedürftig, so ging er offenbar davon aus, § 139 fände schon deswegen keine Anwendung, weil die Schiedsabrede im Vergleich zur -klausel sowieso schon eine „unabhängige Vereinbarung“ darstellte. 137 S. o. Kapitel 3 bei Fn. 124 ff. 138 Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 139 Rn. 15; Wagner, Prozeßverträge, S. 327; Wendtland, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 139 Rn. 8. 139 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1040 Rn. 8. 140 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1040 Rn. 8; Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1040 Rn. 7. 141 Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1040 Rn. 8. 136

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gekehrten Konstellation einer unwirksamen Schiedsvereinbarung aber – isoliert betrachtet – wirksamem Hauptvertrag, richtet sich die Wirksamkeit des Hauptvertrags nach § 139 BGB. Diese Richtung wird von § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht erfasst.142 Dies ist keine deutsche Besonderheit, sondern entspricht der internationalen Praxis.143 Zu fragen ist dann gemäß § 139 BGB schlussendlich also danach, ob die Parteien den Hauptvertrag auch abgeschlossen hätten, hätten sie um die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung gewusst. Im Ergebnis wird man wohl nur selten zur Annahme kommen, die Parteien hätten den Vertrag ohne die Schiedsklausel nicht abgeschlossen.144 Die Wirkung des § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO ist nicht auf § 139 BGB begrenzt. Ausgeschlossen wird nicht nur die Regelung hin zur Gesamtnichtigkeit des deutschen Rechts. Durch § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO ausgeschlossen wird – dessen Anwendbarkeit vorausgesetzt – jede nationale Regelung des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts, aus der sich eine solche Gesamtnichtigkeitsvermutung ergibt und zu deren Anwendung es kommen kann, weil in Konsequenz der unabhängigen Betrachtung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung auch das für ihre Wirksamkeit maßgebliche materielle Recht unabhängig zu bestimmen ist145.146 Bei genauer Betrachtung des Wortlauts fällt auf, dass Satz 2 über das Wort „hierbei“ auf Satz 1 Bezug nimmt. Die Wirkung des Satz 2 gilt streng genommen also nur in dem in Satz 1 beschriebenen Fall. Also in dem, wo das Schiedsgericht über die eigene Zuständigkeit und dazu über „Bestehen“ oder „Gültigkeit“, also Zustandekommen beziehungsweise Wirksamkeit147, der Schiedsvereinbarung entscheiden muss. Diese Einschränkung (auf eine Entscheidung durch das Schiedsgericht) ergibt selbstredend keinen Sinn.148 Satz 2 muss auch für die Situation gelten, in der das staatliche Gericht über Zustandekommen und Wirk-

142 Anders, in: Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO, 79. Aufl. 2021, § 1029 Rn. 19; etwas missverständlich Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 532, 534 der davon ausgeht, dass wohl regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass die Parteien den Vertrag auch ohne Schiedsvereinbarung abgeschlossen hätten und dieser deswegen, trotz Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung, aufrecht erhalten bleiben müsse; gleichsam Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 467 ff.; a. A. Epping, Die Schiedsvereinbarung im internationalen privaten Rechtsverkehr nach der Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts, S. 25 und wohl Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rn. 16. 143 Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 467 ff. 144 Born, International Commercial Arbitration, Vol. I, 2nd Ed. 2014, S. 467 ff.; Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 532, 534. 145 S. o. Kapitel 3 § 1 B. II. 2. 146 Huber/Bach, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1040 Rn. 5. 147 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1040 Rn. 6. 148 Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 700.

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samkeit der Schiedsvereinbarung zu entscheiden hat.149 Es kann keinen Unterschied machen, ob es das Schiedsgericht selbst ist, das über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung zu entschieden hat oder aber das staatliche Gericht. Konsequenz wäre ja, dass die Schiedsvereinbarung je nach Entscheidungskompetenz wirksam oder unwirksam sein kann. Einen sachlichen Grund hierfür gibt es nicht. Dies bestreitet freilich auch niemand. Uneinigkeit besteht im deutschen Recht darüber, ob § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO lediglich die Vermutung des § 139 BGB hin zu einer Gesamtnichtigkeit umkehrt oder zwingende Vorschrift ist, die einen Rückgriff auf den (hypothetischen) Parteiwillen gerade nicht mehr zulässt und die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung „unabdingbar objektiv“ 150 entscheiden will. Die Gesetzesbegründung spricht eher für einen hin zur Umkehrung der Vermutung gehenden Willen des Gesetzgebers, wenn es dort heißt, „aus der Unwirksamkeit des Hauptvertrags folgt also nicht ohne weiteres die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung“,151 auch wenn sich diese Stelle durchaus auch in anderem Sinne interpretieren lässt152. Für die hier im Fokus stehende Frage ist eine abschließende Antwort für dieses Problem nicht von Belang. Dennoch: Führt man sich vor Augen, dass die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung sowie die Schiedsvereinbarung an sich und mit ihr das gesamte Schiedsverfahren auf dem Willen der Parteien basiert153, leuchtet nicht ein, wieso dies bei der Frage der Auswirkung der Nichtigkeit des Hauptvertrags auf die Schiedsvereinbarung nicht der Fall sein sollte.154 Wenn die Parteien erst durch ihre Vereinbarung das Schiedsverfahren ins Leben rufen können, wieso sollten die Parteien diese Vereinbarung dann nicht mit dem Hauptvertrag, auf den sie Bezug nimmt, verknüpfen können, sodass beide Verträge ein „einheitliches Rechtsgeschäft“ im Sinne des § 139 BGB darstellen. Dagegen mag man – so hat es Münch getan – anführen, dass man auf „diesem Umwege nun wiederum zur erledigten ,Willensforschung‘ “ anhält.155 Das ist zwar richtig, 149 Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 700; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1040 Rn. 5. 150 So Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1040 Rn. 10. 151 BT-Drucks. 13/5274, S. 43 (Hervorh. d. Verf.). Hierauf weist auch Wagner, Prozeßverträge, S. 331 hin. 152 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1040 Rn. 10, der die Stelle im Sinne der Bezugnahme auf Sonderfälle wie die Fehleridentität oder „vielleicht zudem“ einen ausdrücklich erklärten Parteiwillen versteht. Letztes lehnt er sodann ab. 153 S. oben Kapitel 3 in und bei Fn. 38. 154 Wie hier: Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1040 Rn. 5 mit Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 704; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 13; Wagner, Prozeßverträge, S. 331 ff.; Wolf/Eslami, in: BeckOKZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1040 Rn. 9. Zum alten Schiedsverfahrensrecht Kronstein, Das Recht der internationalen Kartelle, S. 348 m.w. N. A. A.: Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1040 Rn. 10. 155 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1040 Rn. 10.

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kann als Gegenargument hingegen nicht überzeugen. Auch unter Geltung des „neuen“, durch das SchiedsVfG eingeführten Schiedsverfahrensrechts muss der Blick auf den Parteiwillen der Ausgangspunkt der Lösung der Teilnichtigkeitsproblematik bleiben.156 Diesen Rückgriff wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO keineswegs aufheben. Ziel war es vielmehr, die Judikatur des BGH zu den Kompetenz-Kompetenz-Klauseln157 zurückzudrängen, damit eine abschließende Entscheidung über die Kompetenz des Schiedsgerichts bei den staatlichen Gerichten verbleibt.158 Es bleibt also dabei, dass es maßgeblich auf den Parteiwillen ankommt.159 § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO lässt sich jedoch leicht missverstehen. Dem Eingangswort „hierbei“ ließe sich durchaus die Beschränkung der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung auf die Situation der Zuständigkeitsprüfung entnehmen. In Konsequenz dessen könnte § 139 BGB für ein und dieselbe Schiedsvereinbarung in dieser Situation unanwendbar sein, während die Norm ansonsten anwendbar wäre. Ein und dieselbe Schiedsvereinbarung könnte dann wegen der Unwirksamkeit des Hauptvertrags gleichzeitig wirksam und unwirksam sein. Abhängig davon, ob es sich um die Situation der Prüfung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts handelt oder nicht. So ist Satz 2 hingegen nicht gemeint. Zu Recht hat Schlosser die Übersetzung des Englischen „for that purpose“ in Art. 16 ModG mit dem deutschen Wort „hierbei“ in § 1040 ZPO als „blass“ beziehungsweise „farblos“ bezeichnet.160 Dieselbe Schiedsvereinbarung kann nicht mal wirksam und mal unwirksam sein.161 Die Formulierung ist vielmehr Ergebnis der Schwierigkeit, etwas zu trennen, um unterschiedlichen Zwecksetzungen Rechnung zu tragen, was nicht ganz trennbar ist. Denn die Schiedsvereinbarung ist nicht vollkommen losgelöst von ihrem Hauptvertrag, sie bleibt eine akzessorische Klau156

Wagner, Prozeßverträge, S. 331. Ebenso Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 704. Insbesondere der BGH war vor Geltung des heutigen § 1040 ZPO in seiner Rechtsprechung über diesen hinaus gegangen, indem er der bereits unabhängigen Schiedsvereinbarung durch Auslegung dieser gewissermaßen eine „zweite“ Schiedsvereinbarung (Kompetenz-Kompetenz-Klausel) entnahm, die das Schiedsgericht ermächtigen sollte, abschließend und für das staatliche Gericht bindend über Existenz und Wirksamkeit der „ersten“ Schiedsvereinbarung zu entscheiden. Durch die staatlichen Gerichte überprüfbar sollte danach nur noch die Auslegung hin zu dieser „zweiten“ Schiedsklausel sein. Die Frage der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung war den staatlichen Gerichten somit entzogen. Grundlegend BGH, Urt. v. 03.03.1955 – II ZR 323/53, BB 1955, 552 (Rn. 11) und BGH, Urt. v. 05.05.1977 – III ZR 177/74, NJW 1977, 1397, 1400. Vgl. ausführlich Wagner, Prozeßverträge, S. 332 mit zahlr. Nw. in Fn. 244. 158 Wagner, Prozeßverträge, S. 333. 159 Ob man dem nun durch eine Vermutung hin zur Gültigkeit der Schiedsvereinbarung gerecht wird oder die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung als Auslegungsregel betrachtet, kann an dieser Stelle dahinstehen. S. dazu bspw. Wagner, Prozeßverträge, S. 326 vor und bei Fn. 224. 160 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1040 Rn. 5 beziehungsweise Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 700. 161 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1040 Rn. 5. 157

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sel162 und ist deshalb manchmal durchaus als „nur“ unselbstständiger Bestandteil des Gesamtvertrags anzusehen163. Dieser Spagat ist es, den das Wort „hierbei“ ausdrückt. Rechtlich besehen beschränkt das Wort „hierbei“ den Umfang der Unabhängigkeitsanordnung auf den im Folgenden beschriebenen Umfang. 4. Schlussfolgerung und Ergebnis zu B.: Kein Einfluss der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung auf die materiell-rechtliche Wirksamkeitsprüfung Die Schiedsvereinbarung ist vom Hauptvertrag unabhängig. Anders lassen sich die eingangs164 beschriebenen Probleme nicht lösen und sich der Parteiwille nicht durchsetzen. Entscheidend kommt es aber auf den Umfang der Unabhängigkeit an. Die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag darf nicht als vollkommene Unabhängigkeit missverstanden werden. Die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung ist allein eine rechtliche, nicht eine tatsächliche. 165 Sie hat ihren Ursprung nicht in der Tatsache, dass Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung zwei voneinander vollkommen losgelöste, auf gleicher Ebene stehende, eigenständige Verträge wären. Sie ist vielmehr die gesetzliche Festschreibung eines für die meisten Fälle geltenden Auslegungsergebnisses der Schiedsvereinbarung.166 Der Unabhängigkeitsgedanke beschränkt sich auf zwei Konsequenzen.167 Erstens auf die Durchsetzung des Parteiwillens zur Schiedsgerichtsbarkeit per Durchbrechung der Gesamtnichtigkeitsvermutung. Insoweit ist die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung allein ein Problem der Teilnichtigkeit.168 So bleibt es dem Schiedsgericht grundsätzlich möglich, auch im Falle des unwirksamen Hauptvertrags zu entscheiden. Zweitens trägt er den verschiedenen Zielsetzungen zwischen Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung insoweit Rechnung, als es möglich ist, beide Vereinbarungen unterschiedlichen Rechtsregeln zu unterwerfen. In Bezug auf die Konsequenzen für die Wirksamkeitsprüfung der Schiedsvereinbarung ist die Wirkung des § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO auf diese beiden Konsequenzen beschränkt. Einerseits schirmt sie die Schiedsvereinbarung von einer 162

Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 703. Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1040 Rn. 5. 164 S. o. Kapitel 3 § 1 B. II. 1. 165 So auch, wenn auch nicht spezifisch für das deutsche Recht, Veeder/Stanley, in: Blanke/Landolt, EU and US antitrust arbitration, Vol. 1, 2011, Rn. 3–010. 166 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1040 Rn. 5; vgl. Kisch, Judicum 1931, 53, 59 f. 167 In diesem Sinne auch Epping, Die Schiedsvereinbarung im internationalen privaten Rechtsverkehr nach der Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts, S. 24 f. 168 Cohn, AWD 1965, 267, 269. 163

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materiell-rechtlichen Gesamtnichtigkeitsvermutung ab, verhindert also das Übergreifen der Unwirksamkeit von Hauptvertrag auf Schiedsvereinbarung. Andererseits ist als Konsequenz dessen die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung lediglich eigenständig in den Blick zu nehmen. Hierzu muss eigenständig angeknüpft werden. Auf diese Wirkungen ist die Unabhängigkeit aber gleichzeitig auch beschränkt. § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO löst nicht etwa die Schiedsvereinbarung aus ihrem Gesamtzusammenhang und ignoriert deren Bezüge zum Hauptvertrag. Die Norm erschöpft sich in ihrer Wirkung darin, zu bestimmen, dass das auf die Frage der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung anwendbare materielle Recht autonom zu bestimmen ist und, dass eine Regel in diesem materiellen Recht, die im Falle der Unwirksamkeit des Hauptvertrags die Unwirksamkeit der eigentlich wirksamen Schiedsvereinbarung vermutet, keine Anwendung findet. Sie regelt deshalb „lediglich“ den Eintritt in die und den Austritt aus der Wirksamkeitsprüfung der Schiedsvereinbarung. § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO betrifft nicht den Fall, in dem die Schiedsvereinbarung selbst unwirksam ist. Kommt eine Prüfung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung im Ergebnis zur Nichtigkeit derselben, so löst dies deshalb konsequenterweise wohl die Gesamtnichtigkeitsvermutung in Bezug auf den Hauptvertrag aus169. Auf die jeweils in Rede stehende konkrete materiell-rechtliche Prüfung von Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung hat sie jedoch keinerlei Einfluss. Festzuhalten bleibt deshalb: § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO darf nicht missverstanden werden. Die Norm löst nicht die Schiedsvereinbarung aus ihrem Zusammenhang heraus. Vielmehr berücksichtigt sie, dass die Schiedsvereinbarung nicht vollkommen unabhängig ist. Um der eigenen Zielsetzung der Schiedsvereinbarung und dem Parteiwillen Rechnung zu tragen, schließt sie lediglich ein Durchschlagen der Nichtigkeit des Hauptvertrags auf die Schiedsvereinbarung aus. In keiner Weise aber ist § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO eine Aussage über andere Unwirksamkeitsgründe als dem der Gesamtnichtigkeitsanordnung zu entnehmen. Konsequenz dessen ist, dass der Unabhängigkeitsvermutung keine Aussage zum Umfang einer materiell-rechtlichen Prüfung zu entnehmen ist. Inwieweit die Schiedsvereinbarung also isoliert oder im Gesamtzusammenhang mit dem Hauptvertrag in den Blick zu nehmen ist, ist eine Frage des jeweils anwendbaren materiellen Rechts. Dieses hier gefundene Ergebnis stimmt insoweit auch mit der bereits zuvor aufgezeigten Erkenntnis überein, dass sich zwei Parteien nicht einfach abstrakt oder im luftleeren Raum auf eine Schiedsvereinbarung einigen, sondern dies immer nur in Verbindung mit oder in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsgeschäft erfolgt.170 Mit Blick auf die zuvor dargestellten Stimmen im Schrifttum hinsichtlich der Fortsetzung des Unabhängigkeitsgedankens auf materiell-rechtlicher 169 170

Bereits oben Kapitel 3 bei Fn. 142. S. o. Kapitel 3 bei Fn. 68.

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Ebene gilt es festzuhalten, dass eine materiell-rechtlich geforderte gemeinsame Betrachtung von Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung, beispielsweise, weil es kartellrechtlich auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ankommt171, die zur gemeinsamen Betrachtung von Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung zwingt, nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil ihr der Unabhängigkeitsgedanke des § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO entgegen stünde.

C. Zur Frage der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung auch auf Ebene des europäischen Rechts Soweit ersichtlich hat sich der EuGH in seiner Rechtsprechung bisher nicht dazu geäußert, ob auch auf Ebene des europäischen Rechts die Schiedsvereinbarung als von dem Hauptvertrag unabhängig anzusehen ist. Das verwundert erst einmal nicht. Denn das europäische Recht enthält keine schiedsverfahrensrechtlichen Regelungen. Die Frage der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung ist vielmehr eine Frage des nationalen Rechts.172 Regelungen zur Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung finden sich deshalb jeweils nur auf nationaler Ebene. Der EuGH hat auf Grundlage des EuGVÜ173 allerdings bezüglich einer Gerichtsstandvereinbarung entschieden. Im Fall Benincasa hatte der EuGH sich mit der Vorlagefrage zu befassen, „ob eine nach den Vorschriften des Übereinkommens [gemeint ist das EuGVÜ] wirksam getroffene Gerichtsstandsvereinbarung, die in einen Hauptvertrag eingefügt ist, autonom und unabhängig von dem die Wirksamkeit des Vertrags im übrigen betreffenden Vorbringen zu prüfen ist.“ In Bejahung dieser Frage hat der EuGH entschieden, dass das Gericht eines Vertragsstaats, das in einer wirksam getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung als zuständiges Gericht bestimmt worden ist, auch dann ausschließlich zuständig ist, wenn mit der Klage die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages begehrt wird, in dem diese Vereinbarung enthalten ist.174 In CDC Hydrogen Peroxide hat 171 Vgl. bspw. Bechtold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, Einführung Rn. 88 ff., 90; Möller, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Privatrecht, S. 85 ff.; Zenker, Kartellrecht und Rechtsmissbrauch, S. 240 ff. und unten Kapitel 3 bei Fn. 792. 172 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 11.12.2014 – Rs. C-352/13 – CDC Hydrogen Peroxide, ECLI:EU:C:2014:2443, Rn. 98 m.w. N. in Fn. 112, bestätigt von EuGH, Urt. v. 21.05.2015 – Rs. C-352/13 – CDC Hydrogen Peroxide, ECLI:EU:C: 2015:335, Rn. 58, vgl. in diesem Sinne Schwarz/Harler/Schwedler, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 38 Rn. 11, die dies auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung zurückführen. S. auch Wagner, ZVglRWiss 114 (2015), 494, 506 und vgl. 502. 173 Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen – EuGVÜ). 174 EuGH, Urt. v. 03.07.1997 – Rs. C-269/95 – Benincasa, ECLI:EU:C:1997:337, Rn. 32; folgend EuGH, Urt. v. 16.03.1999 – Rs. C-159/97 – Castelletti, ECLI:EU: C:1999:142, Rn. 51 und EuGH, Urt. v. 21.05.2015 – Rs. C-352/13 – CDC Hydrogen

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

der EuGH seine Rechtsprechung zum EuGVÜ dann auf die Bestimmungen der EuGVVO175 übertragen und bestätigt, dass die materiellen Rechtsvorschriften, die einem Rechtsstreit in der Sache zugrunde liegen, keinen Einfluss auf die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung haben.176 Nun kann man sagen, dies müsse für Schiedsvereinbarungen auf Ebene des europäischen Rechts genauso gelten. Einerseits – so schreibt es Eilmansberger mit Blick auf Art. 101 AEUV – entspräche die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung einem international anerkannten Rechtsprinzip. Andererseits folge dies den kartellzivilrechtlichen Grundsätzen, nach denen selbstständig bestandsfähige Vertragsbestandteile aufrecht erhalten bleiben, wenn dies dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht.177

Peroxide, ECLI:EU:C:2015:335, Rn. 62; ebenso BGH, Urt. v. 30.03.2006 – VII ZR 249/04, NJW 2006, 1672 f.; vgl. Schlosser, in: FS Böckstiegel, S. 697, 713. 175 Verordnung Nr. 1215/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, in Kraft seit 10.01.2015, ABl. 2012 Nr. L 351/21 vom 20.12.2012. 176 EuGH, Urt. v. 21.05.2015 – Rs. C-352/13 – CDC Hydrogen Peroxide, ECLI:EU: C:2015:335, Rn. 62. 177 Eilmansberger, SchiedsVZ 2006, 5, 7; Eilmansberger, in: Böckstiegel/Berger/ Bredow, Schiedsgerichtsbarkeit und Kartellrecht, S. 11, 18. Richtig ist zwar, dass die Nichtigkeit des Art. 101 Abs. 2 AEUV nicht weiter reichen kann als das Verbot zu dessen Durchsetzung sie dient (Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 1, 6. Aufl. 2019, Art. 101 Abs. 2 AEUV Rn. 22; Schröter/van der Hout, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Bd. 2, 7. Aufl. 2015, Art. 101 AEUV Rn. 217). Nichtig sind deshalb nur die Vertragsabreden und Beschlussregelungen, die unmittelbar gegen Abs. 1 verstoßen (st. Rspr. seit EuGH, Urt. v. 30.06.1966 – Rs. 56/65 – Maschinenbau Ulm, ECLI:EU:C:1966:38, S. 304; s. bspw. auch EuGH, Urt. v. 25.11.1971 – Rs. 22/71 – Béguelin Import/G.L. Import Export, ECLI:EU:C:1971:113, Rn. 25, 28; Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 1, 6. Aufl. 2019, Art. 101 Abs. 2 AEUV Rn. 21 f.; Schröter/van der Hout, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Bd. 2, 7. Aufl. 2015, Art. 101 AEUV Rn. 217) oder von der verbotswidrigen Vertrags- oder Beschlussregelung nicht zu trennen sind (EuGH, Urt. v. 30.06.1966 – Rs. 56/65 – Maschinenbau Ulm, ECLI:EU:C:1966:38, S. 304; EuGH, Urt. v. 13.07.1966 – Rs. 56, 58/64 – Grundig/Costen, ECLI:EU:C:1966:41, S. 392 f.; EuGH, Urt. v. 28.02.1991 – Rs. C-234/89 – Delimitis/Henninger Bräu, ECLI:EU:C: 1991:91, Tz. 40; Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 1, 6. Aufl. 2019, Art. 101 Abs. 2 AEUV Rn. 21). Art. 101 Abs. 2 AEUV berührt deshalb die Wirksamkeit abtrennbarer Teile nicht (kritisch hierzu Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 322 f.). Insoweit passt dies mit der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung gut zusammen. Mit der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung hat dies aber nichts zu tun. Denn der Unabhängigkeitsgrundsatz verhindert nur, dass eine für sich besehen wirksame Schiedsvereinbarung von einem nichtigen Hauptvertrag mitgerissen wird. Die von Eilmansberger angesprochenen kartellzivilrechtlichen Grundsätze befassen sich hingegen mit der Vorfrage der Unabhängigkeitsvermutung, nämlich der Wirksamkeit als solcher. Ebenfalls die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung auch auf Ebene des europäischen Rechts annehmend Steindorff, WuW 1984, 189, 193; Zumbusch, GRUR Int. 1988, 541, 552; vgl. Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 553.

§ 1 Allgemeine Überlegungen zur Wirksamkeitskontrolle

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Interpretiert man die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung allerdings – wie hier – als Modifikation der Gesamtnichtigkeitsvermutung und erkennt man, dass jedenfalls von der Nichtigkeitswirkung des Art. 101 Abs. 2 AEUV nur der wettbewerbsbeschränkende Teil erfasst ist, das EU-Recht also zur Teilnichtigkeit führen kann178, dann spielt die Frage der Geltung der Unabhängigkeitsvermutung auf Ebene des europäischen Kartellrechts keine Rolle mehr. Denn die Frage, wie sich die Nichtigkeit eines Teils eines Vertrags auf den Gesamtvertrag auswirkt, ist eine Frage des nationalen Rechts, nicht des europäischen.179 Die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung kann also erst auf Ebene des nationalen Rechts Relevanz haben.

D. Zwischenergebnis Mit Blick auf die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen unter geltendem Schiedsverfahrensrecht ist grundlegend zweierlei festzuhalten: Erstens, dass eine Entscheidung hinsichtlich der Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung, eine im Schiedsrecht seit langem hoch umstrittene Frage, keinen Einfluss auf die materiell-rechtliche Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen hat. Unabhängig davon, welche Rechtsnatur man der Schiedsvereinbarung beimisst: Ein Rückgriff auf die materiell-rechtlichen Wirksamkeitsnormen inklusive des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots bleibt möglich. Zweitens ist festzuhalten, dass die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung kein Einfluss auf den Umfang der materiell-rechtlichen Wirksamkeitsprüfung hat. Die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag, die sich für das deutsche Recht aus § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO ergibt, darf nicht als vollkommene Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag missverstanden werden. Durch sie wird die Schiedsvereinbarung nicht aus ihrem Zusammenhang mit dem Hauptvertrag herausgelöst. Die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung beschränkt sich auf zwei Konsequenzen. Erstens entspringt ihr die Notwendigkeit einer eigenständigen Anknüpfung der Schiedsvereinbarung. Zweitens durchbricht sie für den Fall der Unwirksamkeit des Hauptvertrags die Gesamtnichtigkeitsvermutung, die eine Unwirksamkeit auch der Schiedsvereinbarung vermuten würde. Die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung betrifft damit „lediglich“ den Eintritt in und den Austritt aus der Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen nicht aber die Wirksamkeitskontrolle an sich. Die Schiedsvereinbarung ist deshalb bei ihrer materiell-rechtlichen Wirksamkeitskontrolle nicht etwa isoliert in den Blick zu nehmen, sondern vielmehr weiterhin,

178 In diesem Sinne auch Veeder/Stanley, in: Blanke/Landolt, EU and US antitrust arbitration, Vol. 1, 2011, Rn. 3–010. 179 EuGH, Urt. v. 11.09.2008 – C-279/06 – CEPSA, ECLI:EU:C:2008:485, Rn. 79; OLG Celle, Beschl. v. 14.10.2016 – 13 Sch 1/15 (Kart) (erhältlich in juris), Rn. 153.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

dort wo es darauf ankommt, in ihrem Gesamtzusammenhang mit dem Hauptvertrag zu betrachten.

§ 2 Abschlusskontrolle von Schiedsvereinbarungen unter geltendem Schiedsverfahrensrecht Im Folgenden soll zunächst ein Blick auf die Abschlusskontrolle von Schiedsvereinbarungen unter neuem Schiedsverfahrensrecht geworfen werden und untersucht werden, ob und wie sich in diesem Rahmen die Freiwilligkeit der Einigung auf die Schiedsgerichtsbarkeit schützen lässt. Im Rahmen einer klassischen Abschlusskontrolle ist die Frage zu beantworten, ob die Schiedsvereinbarung wirksam zustande gekommen und nicht nachträglich weggefallen ist.180 Für das wirksame Zustandekommen der Schiedsvereinbarung kommt es zunächst auf die Einhaltung der schiedsverfahrensrechtlichen Formvorschriften der §§ 1031 und 1066 ZPO an. Sodann muss überprüft werden, ob dem Zustandekommen der Schiedsvereinbarung allgemein-zivilrechtliche Regelungen entgegenstehen. Im Rahmen dessen kommt es insbesondere auf die Frage an, ob die Schiedsvereinbarung freiwillig abgeschlossen wurde. Aber auch darauf, ob die Schiedsvereinbarung im Nachhinein durch die Parteien beendet worden ist.181 Die Schiedsvereinbarung muss, wie jede andere vertragliche Vereinbarung auch, Ausfluss der freien Willensbildung der Parteien sein.182 Mängel des Willens sind bei der Schiedsvereinbarung, wie bei anderen Verträgen auch, nach den §§ 116 ff. BGB oder den §§ 119 ff. BGB zu behandeln. In den Fällen der §§ 116– 118 BGB kann die Schiedsvereinbarung als Konsequenz unwirksam sein. In den Fällen der §§ 119 und insbesondere 123 BGB mag sie anfechtbar sein.183 Über die §§ 116–118 BGB hinaus, kennt die Rechtsordnung allerdings keine Fälle, in denen Willensmängel beim Abschluss einer Schiedsvereinbarung zur Unwirksamkeit derselben führen.184 Indes wird immer wieder gesagt, die Freiwilligkeit des Abschlusses der Schiedsvereinbarung sei über § 138 BGB sicherzustellen.185 Insoweit wird dann 180

Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 213. Für diesen Aspekt ausführlich Czibere, Die Beendigung von Schiedsvereinbarungen; siehe auch Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 215. 182 S. o. Kapitel 2 § 2 D. I. 1. 183 Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 214; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 19. 184 Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 214. Zu Angebot und Annahme der Schiedsvereinbarung ausführlich Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 17. 185 Siehe z. B.: LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 105; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 225; Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426, 428; vgl. auch Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 32 Rn. 13 („Zustandekommen“); Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 284. 181

§ 2 Abschlusskontrolle von Schiedsvereinbarungen

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von einer „Abschlusskontrolle“ der Schiedsvereinbarung gesprochen.186 Bereits hier ist darauf hinzuweisen, dass dabei mit dem Begriff der Abschlusskontrolle in Bezug auf die Schiedsvereinbarung etwas anderes gemeint ist, als das, was der Begriff der Abschlusskontrolle gewöhnlich zu beschreiben gedenkt.

A. Abschluss- und Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen: Keine Abschlusskontrolle der Schiedsvereinbarung im klassischen Sinne über § 138 BGB Mit Blick auf die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen wird immer wieder von Abschlusskontrolle einerseits, Inhaltskontrolle andererseits gesprochen.187 Was mit dieser Unterscheidung gemeint ist, wird selten deutlich. Die Trennung zwischen Abschluss- und Inhaltskontrolle korrespondiert grundsätzlich mit den beiden Ausprägungen der Vertragsfreiheit; Abschluss- und Inhaltsfreiheit.188 Während die Abschlussfreiheit insbesondere die Freiheit der Entscheidung meint, ob ein Vertrag geschlossen werden soll, geht es bei der Inhaltsfreiheit um die Freiheit der Entscheidung, welchen Inhalts, also wie, der Vertrag sein soll.189 Der Unterschied zwischen Abschluss- und Inhaltskontrolle liegt also im Objekt der Betrachtung. Während bei der Abschlusskontrolle der Blick nur auf die Situation des Abschlusses gerichtet wird, ist Objekt der Prüfung bei der Inhaltskontrolle der Inhalt der Vereinbarung.190 Problem gerade der Diskussion um die Freiwilligkeit der Schiedsvereinbarung ist, dass zwischen diesen beiden Objekten oftmals nicht ausreichend differenziert und so verkannt wird, dass die Freiwilligkeit des Abschlusses nicht gleich der Freiwilligkeit des Inhalts ist.191 186

S. u. Kapitel 3 Fn. 187. S. bspw. LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 106; Ebbing, Private Zivilgerichte, S. 213 und 215, der die Begrifflichkeiten indes im hier nun beschriebenen Sinne verwendet; Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280, 281 ff.; Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 41 f.; Schulze, SpuRt 2014, 139, 140; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 139 f. 188 Vgl. Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 8 und Rn. 24 ff.; vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 231. Kritisch zu dieser Trennung Weischer, Das Grundrecht auf Vertragsfreiheit und die Inhaltskontrolle von Absatzmittlungsverträgen, S. 85, der eine Trennung zwischen beiden Kategorien für praktisch unmöglich hält. 189 S. u. Kapitel 3 in und bei Fn. 362 und BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 231. 190 Lorenz, NJW 1997, 2578 („Abschlußkontrolle, die allein auf die vorkonsensuale Phase abstellt“). 191 Das verkennen z. B. Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426, 428, wenn sie dem BGH einen „sehr eigenwilligen Begriff der ,Freiwilligkeit‘ “ vorwerfen. Bloß weil die Parteien frei über den Abschluss eines Vertrags entscheiden konnten, bedeutet dies nicht 187

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

§ 138 Abs. 1 BGB erklärt ein Rechtsgeschäft für nichtig, das gegen die guten Sitten verstößt. Denn eine Geltung eines Rechtsgeschäfts das gegen die guten Sitten verstößt wäre für die Rechtsordnung dermaßen unerträglich, dass sie einem solchen ohne jede Rücksicht auf die Privatautonomie die Geltung versagt.192 So stellt die Sittenwidrigkeit eine der Außengrenzen der Privatautonomie und der Rechtsordnung dar. Entscheidender Bezugspunkt für den Sittenverstoß ist der Inhalt des Rechtsgeschäfts.193 Zwar ist anerkannt, dass es neben der reinen Inhaltssittenwidrigkeit, bei der die Sittenwidrigkeit unmittelbar aus dem Inhalt abgeleitet wird, auch Fälle sogenannter Umstandssittenwidrigkeit gibt, in denen die Sittenwidrigkeit nicht alleine aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts, sondern erst aus der Kombination mit den hinzutretenden Umständen folgt.194 Auch in den Fällen der Umstandssittenwidrigkeit bleibt Bezugspunkt der Sittenwidrigkeit indes der Inhalt des Rechtsgeschäfts, der jedoch erst durch die Umstände im rechten Licht erscheinen mag.195 Nichts anderes gilt für § 138 Abs. 2 BGB.196 Denn § 138 BGB ist insgesamt eine Norm der Inhaltskontrolle. § 138 BGB führt daher nicht allein deswegen zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäft, weil die Umstände des Zustandekommens desselben sittenwidrig waren.197 Dies zeigt sich besonders im Verhältnis zu § 123 BGB. Obwohl dort ein Rechtsgeschäft in grob sittenwidriger Art und Weise zustande kommt, ist es nicht nichtig, sondern allenfalls anfechtbar. Grund dafür ist nach herrschender Meinung nicht etwa eine Spezialität des § 123 gegenüber § 138 BGB, sondern vielmehr die verschiedenen Blickwinkel der Normen.198 Während § 123 BGB den Abschluss im Blick hat, schaut § 138 BGB auf den Inhalt.199 Das bedeutet aber nicht, dass im Rahmen des § 138 BGB nicht berücksichtigt werden könnte, dass eine Zwangslage zum Abschluss geführt hat, selbst und gerade wenn sie für eine Anwendung des § 123 Abs. 1 BGB nicht ausreichend ist.200 zwangsläufig, dass sie auch frei bei der Entscheidung über den Inhalt des Vertrags waren; ebenfalls verkannt von Heermann, NJW 2016, 2224, 2225 („ein bemerkenswerter semantischer Spagat“); Rombach, SchiedsVZ 2016, 276, 278 unter b). 192 Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 1. 193 Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 8. 194 Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 9. 195 Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 9. 196 Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 12. 197 Kapitel 3 § 3 A. I. 198 Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 123 Rn. 100 und 131; Sack/ Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 13. 199 Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 13. 200 Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 123 Rn. 131.

§ 2 Abschlusskontrolle von Schiedsvereinbarungen

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In diesem Sinne muss man auch die Bürgschaftsentscheidungen des BVerfG201 verstehen, mit der nicht etwa die Entwicklung weg von der Inhaltskontrolle, hin zur Abschlusskontrolle am Maßstab des § 138 BGB begann.202 Die Ungleichgewichtslage zwischen den Parteien, die emotionale Bindung des Bürgen oder die Unerfahrenheit einer Partei dienen auch hier, und ähnlich des Konzepts bei § 138 Abs. 2 BGB, lediglich der Bewertung der Sittenwidrigkeit des Inhalts des Rechtsgeschäfts. „Denn vielfach wird erst durch Hinzunahme des subjektiven Moments, zB durch die verwerfliche Gesinnung, der Inhalt des Rechtsgeschäfts in das rechte Licht gerückt“.203 Versteht man also die Abschlusskontrolle als Kontrolle des Vorhandenseins von Abschlussfreiheit beim Abschluss eines Rechtsgeschäfts, ist § 138 BGB als Inhaltskontrollnorm dafür nicht anwendbar. Diejenigen, die im Zusammenhang mit § 138 BGB von einer Abschlusskontrolle der Schiedsvereinbarung reden204, meinen damit nicht eine Abschlusskontrolle im klassischen Sinne. Mit einer Abschlusskontrolle anhand des § 138 BGB meinen diese Stimmen die Inhaltkontrolle unter inhaltlicher Anknüpfung allein an die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts, also die Schiedsvereinbarung i. e. S. (was verkürzt als „Abschluss“ der Schiedsvereinbarung bezeichnet wird).205 Diese begriffliche Schwierigkeit gilt es bei den nachfolgenden Ausführungen zu berücksichtigen.

B. Unwirksamkeit des Abschlusses einer Schiedsvereinbarungen aufgrund von Unfreiheit der Willensbildung Schiedsvereinbarungen sind also an den Abschlusskontrollnormen des allgemeinen Zivilrechts zu messen, solange keine Sonderregelungen im Schiedsverfahrensrecht existieren. Einzige Sonderregelung betreffend die Abschlussfreiheit im Schiedsverfahrensrecht ist die Formvorschrift des § 1031 ZPO,206 die jedenfalls verhindert, dass eine Partei ohne ihr Wissen Teil einer Schiedsvereinbarung wird.207 Mit der Sonderregelung für Verbraucher adressiert das Gesetz zum 201

BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214. 202 Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 12. So aber Lorenz, NJW 1997, 2578. 203 Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 12. 204 S. zuvor Kapitel 3 Fn. 187. 205 Eindrücklich Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 139 ff. Ausführlich zur Inhaltskontrolle der Schiedsvereinbarung i. e. S. unten Kapitel 3 § 3. 206 Wagner/Quinke, JZ 2005, 932, 934. 207 Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 222

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Schutz vor Überrumplung in § 1031 Abs. 5 ZPO sogar eine besondere Ungleichgewichtslage. Ansonsten kommt es maßgeblich auf die §§ 116 ff. und §§ 119 ff. BGB an. Darüber hinaus ist insbesondere an die Regelungen der AGB-Abschlusskontrolle zu denken, soweit diese anwendbar sind. Darunter fallen die §§ 305 Abs. 2, 305c Abs. 1 und Abs. 2 BGB. Für die dort normierte Rechtsfolge kommt es auf den Inhalt der AGB nämlich gerade nicht an.208 Für die Situationen eines strukturellen Ungleichgewichts zwischen den Parteien wird nun immer wieder gesagt, eine Übermachtstellung in Kombination mit einer Angewiesenheit der unterlegenen Partei auf den Vertragsabschluss, beispielsweise aus Gründen der Berufsausübung, führe zu einem faktischen Abschlusszwang, der die Schiedsvereinbarung unwirksam mache.209 Lehner hat mit Blick auf den Sport beispielsweise hervorgehoben, dass es sich ersichtlich um Zwang zum Abschluss der Schiedsvereinbarung handle, wenn ohne eine solche eine Teilnahme am organisierten Sportbetrieb nicht möglich sei. Jegliche Versuche, dies zu relativieren, gingen fehl. Denn natürlich sei die Teilnahme am Sport generell freiwillig, die Wahl des Gerichtsweges aber sei es gerade nicht.210 Ein durch eine zwischen den Parteien bestehende Ungleichgewichtslage entstehender „faktischer Zwang“ ist jedoch aus zwei Gründen nicht geeignet, die Wirksamkeit des Abschlusses im klassischen Sinn in Zweifel zu ziehen. Zunächst erfordert nach geltender Rechtslage nicht jede Art von Zwang einen Eingriff der Rechtsordnung zum Schutze der Abschlussfreiheit. Darüber hinaus steht gerade in Fällen einer wirtschaftlichen Notwendigkeit des Vertragsabschlusses das Ob des Vertrages überhaupt nicht in Zweifel. Inwieweit ein faktischer Zwang im Rahmen der Inhaltskontrolle der Schiedsvereinbarung berücksichtigt werden kann, wird noch zu prüfen sein.211

I. Nicht jede Art von Zwang zum Vertragsschluss erfordert einen Eingriff der Rechtsordnung Richtig ist, dass es zum Abschluss eines Rechtsgeschäfts der Freiwilligkeit des Abschlusses bedarf. Richtig ist auch, dass Zwang zur Unfreiwilligkeit führt. Falsch wäre es aber zu glauben, die Rechtsordnung gehe bei jedem irgendwie gearteten Zwang von einem Mangel der Abschlussfreiheit aus. Im Gegenteil: erforderlich ist ein bestimmtes Maß an Zwang. Zu Recht: Denn der Zwang in einer 208

Basedow, in: MüKo-BGB, Bd. 2, 8. Aufl. 2019, § 305 BGB Rn. 63. Vgl. Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 7, 89, 104; Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 80; Heermann, NJW 2016, 2224, 2225; Wolf/ Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 817. 210 Lehner, in: Lehner/Nolte/Putzke, AntiDopG, § 11 Rn. 33 in Fn. 30. 211 S. u. Kapitel 3 § 3. 209

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Abschlusssituation muss ein solches Ausmaß haben, dass allein er die Annahme rechtfertigt, der Abschluss des Vertrags als solcher sei nicht gewollt gewesen. Vor dem Zwang zum Abschluss von Verträgen schützt maßgeblich § 123 Abs. 1 BGB. § 123 Abs. 1 BGB ist gerade Ausdruck des Gedankens, dass eine Willenserklärung nicht Ergebnis einer rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung sein kann, wenn die Willensbildung unfrei erfolgt. § 123 Abs. 1 BGB schützt so die Abschlussfreiheit.212 Die Erkenntnis, dass eine unfreie Willensbildung zum Vertragsschluss geführt hat, gibt den Vertrag hingegen nicht gleich der Nichtigkeit preis. Vielmehr ermöglicht die Anfechtungsmöglichkeit des § 123 Abs. 1 BGB die erneute, nun freie Willensbildung der getäuschten oder bedrohten Partei unter gleichzeitiger Bindung des anderen Teils an seine Willenserklärung. Das Gesetz gibt der bedrohten oder getäuschten Partei also eine zweite Möglichkeit, ihre im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung gestörte Abschlussfreiheit auszuüben. Diese Rechtsfolge ist auch für die bedrohte oder getäuschte Partei deutlich zweckgerechter als eine pauschale Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Denn das ursprüngliche Problem des Vertragsschlusses – die mangelnde Abschlussfreiheit – kann durch die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nicht behoben beziehungsweise wiederhergestellt werden. Durch die Rechtsfolge der Anfechtung, wenn auch nur nachträglich, gerade wohl. § 123 Abs. 1 BGB eröffnet die Möglichkeit einer Neuentscheidung über die abgegebene Willenserklärung allerdings nicht bei jedweder Unfreiheit der Willensbildung.213 Allein irgendeine Täuschung ist ebenso wenig ausreichend, wie irgendeine Drohung. Vielmehr bedarf es einer arglistigen Täuschung oder einer widerrechtlichen Drohung. Arglistig ist die Täuschung nur dann, wenn sie jedenfalls bedingt vorsätzlich vorgenommen worden ist. Entscheidend kommt es darauf an, dass der Getäuschte durch die Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst worden ist, die er ohne die Täuschung jedenfalls so nicht abgegeben hätte.214 Widerrechtlich ist eine Drohung, wenn schon das angedrohte Verhalten oder der erstrebte Erfolg jeweils für sich besehen oder das Verhalten und der Erfolg in Kombination wiederrechtlich sind.215 § 123 Abs. 1 BGB erfasst damit Zwangslagen nur sehr bedingt. Alleine das Ausnutzen irgendeiner Zwangslage ist für die Einschlägigkeit des § 123 Abs. 1 BGB gerade nicht ausreichend. Dies hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass manch einer eine analoge Anwendung des § 123 Abs. 1 BGB auch auf Willenserklärungen, zu denen der Erklärende unter Ausnutzung einer Zwangslage ver212 Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 123 Rn. 1; Wendtland, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 123 Rn. 1; vgl. auch Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 178. 213 Eichel, ZZP 2016, 327, 332. 214 Wendtland, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 123 Rn. 17. 215 Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 123 Rn. 115.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

anlasst worden war, befürwortete. Denn Schutzzweck der Norm sei gerade der Schutz der freien Willensbildung. Diese sei auch beim Ausnutzen einer Zwangslage beeinträchtigt.216 Diese Ansicht hat sich hingegen nicht durchgesetzt. Rechtsprechung und herrschende Literatur sind vielmehr der Ansicht, dass § 123 Abs. 1 BGB die Abschlussfreiheit zu Recht gerade nicht vor jedweder Beeinträchtigung durch Zwangslagen schützt.217 Denn rechtsgeschäftliches Handeln beruhe nicht selten auf wirklichen oder vermeintlichen wirtschaftlichen oder persönlichen Zwängen. Die Sicherheit des Rechtsverkehrs würde schwer beeinträchtigt werden, wenn Willenserklärungen allein deshalb angefochten werden könnten, weil der Erklärende zur Abgabe durch eine dem anderen Teil bekannte Zwangslage veranlasst wurde.218 Nichts anderes gilt für Schiedsvereinbarungen. Auch sie mögen gemäß § 123 Abs. 1 BGB anfechtbar sein. Eben aber nur unter den entsprechenden Voraussetzungen. Auch für sie kann nichts anderes gelten. Allein die Tatsache, dass der vielleicht strukturell überlegene Vertragspartner die sich aus seiner Überlegenheit in Kombination mit der wirtschaftlichen Angewiesenheit der anderen Partei auf den Vertragsschluss ergebenden Zwangslage ausgenutzt hat, um eine Schiedsvereinbarung durchsetzen zu könne, reicht nicht dafür, aus dieser Abschlusssituation einen rechtliche relevanten Zwang zum Abschlusses der Schiedsvereinbarung zu schlussfolgern.219 Manche meinen zwar, eine Norm, die diesen Rückschluss jedenfalls ermöglichen würde, wäre – wie in anderen Rechtsordnungen bereits existent – auch im deutschen Recht wünschenswert.220 Selbst wenn dem so wäre, ist jedoch anzuerkennen, dass nach jetziger Rechtslage das Ausnutzen einer Zwangslage in der Abschlusssituation einer Schiedsvereinbarung solange nicht sanktionierbar ist, wie die Schwelle des § 123 Abs. 1 BGB nicht überschritten ist. Das bestreiten auch diejenigen nicht, die es sich anders wünschten.221 216 Siehe bei BGH, Urt. v. 07.06.1988 – IX ZR 245/86, NJW 1988, 2599, 2601 m. entspr. Nw.; Sack, NJW 1974, 564, 565. 217 BGH, Urt. v. 07.06.1988 – IX ZR 245/86, NJW 1988, 2599, 2601; Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 123 Rn. 131 und ausführlich 135; Wendtland, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 123 Rn. 28; vgl. Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 164. 218 BGH, Urt. v. 07.06.1988 – IX ZR 245/86, NJW 1988, 2599, 2601; vgl. Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 123 Rn. 131; Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 178. 219 So auch schon: Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 31 f.; Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280, 282; Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 41. Siehe auch Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 115; Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257, 263; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 10 m.w. N.; vgl. Haas, SchiedsVZ 2009, 73, 79; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 164; Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 178; anders hingegen Schütze, in: Wieczorek/Schütze, Bd. 11, 4. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 18 f.; wohl auch Rombach, SchiedsVZ 2016, 276, 278. 220 Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 123 Rn. 135 mit Hinweis auf Art. 44 Abs. 4 des 3. Buchs des holländischen NBW. 221 Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 123 Rn. 135.

§ 2 Abschlusskontrolle von Schiedsvereinbarungen

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Im Jahr 2016 hatte sich der BGH im Rahmen seiner Revisionsentscheidung in der Rechtssache Pechstein mit der Frage der Freiwilligkeit zu befassen. Auch der BGH hat hohe Anforderungen an das Vorliegen eines Zwangs gestellt, der geeignet sein soll, die Freiwilligkeit des Abschlusses in Zweifel zu ziehen. Nach Ansicht des BGH liegt ein zur Unfreiwilligkeit des Abschlusses führender Zwang nur dann vor, „wenn physische oder psychische Gewalt, zum Beispiel durch Drohung mit einem empfindlichen Übel [Nachweise], ausgeübt wird, wenn der Verzichtende getäuscht wird, wenn er sich der Tragweite und Bedeutung seiner Erklärung nicht bewusst ist [Nachweise] oder wenn es gar an der (bewussten) Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung fehlt [Nachweise].“ 222

Dass der BGH nicht ausdrücklich auf die entsprechenden Normen des Zivilrechts Bezug genommen hat, liegt daran, dass der BGH im Konkreten nicht die Frage beantwortet hat, wann es an Freiwilligkeit eines Vertragsschlusses fehlt, sondern, wann ein freiwilliger Grundrechtsverzicht vorliegt. Erst bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den im konkreten Fall geschlossenen Vertrag wird die Anknüpfung insbesondere an § 123 Abs. 1 BGB deutlicher, wenn der BGH sagt: „Es ist nicht festgestellt oder vorgetragen, dass sie hierzu durch eine widerrechtliche Drohung oder Täuschung oder gar durch physischen Zwang veranlasst worden wäre.“ 223

Wenn dies teilweise kritisiert worden ist224, beruht diese Kritik auf einer Verkennung der Tatsache, dass Freiwilligkeit des Abschlusses nicht gleich der Freiwilligkeit des Inhalts ist225. Es reicht eben nicht jedweder Zwang aus, die Abschlussfreiheit in Zweifel zu ziehen. Vielmehr setze eine vertragliche Vereinbarung gerade voraus, dass die Vertragspartner eigene Positionen aufgeben und Vertragsbedingungen akzeptieren, die nicht dem eigenen Willen, sondern dem des Vertragspartners entspringen.226 Diese Tatsache ist dem Vertragsmechanismus aber so immanent, dass daraus keine Zweifel an der Abschlussfreiheit abzu222

BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2271 Rn. 54. BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2271 Rn. 55. In diese Richtung bereits die Vorinstanz OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/ 14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 43: „[. . .] sind Schiedsvereinbarungen [. . .] nicht schon deshalb generell unwirksam, weil es an einer freien Willensbildung der Athleten bei der Unterzeichnung fehlte.“ 224 Heermann, NJW 2016, 2224, 2225 („ein bemerkenswerter semantischer Spagat“); Heermann, NJW 2019, 1560, 1561 („nicht auflösbarer Widerspruch“); Rombach, SchiedsVZ 2016, 276, 278; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 143; Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426, 428; Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 816. 225 S. dazu oben Kapitel 3 in und bei Fn. 191. 226 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2271 Rn. 55; Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 115; Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 178. 223

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

leiten sind. Deswegen kann es einem freiwilligen Vertragsabschluss auch nicht entgegenstehen, wenn eine Vertragspartei eine Vertragsbedingung, etwa eine Schiedsvereinbarung, nicht gewollt hat.227

II. Insbesondere beim Abschluss von Verträgen in wirtschaftlicher Disparität zwischen Parteien steht das Ob des Vertragsschlusses selten in Frage Die Aufteilung in Abschluss- und Inhaltskontrolle ist die Fortsetzung der beiden Ausprägungen der Vertragsfreiheit, Abschluss- und Inhaltsfreiheit.228 Sichert die Abschlussfreiheit einem jeden, frei darüber zu entscheiden, ob und mit wem ein Vertrag geschlossen wird, muss die Abschlusskontrolle eben dies kontrollieren. Kommt eine Abschlusskontrolle zum Ergebnis, dass der Abschluss eines konkreten Vertrags unfreiwillig war, ist damit ausgesagt, dass die eine Partei den Vertragsschluss als solchen überhaupt nicht gewollt hat, ohne dass es auf den Inhalt ankäme. So liegt die Situation in den Fällen eines „faktischen Zwangs“ aber gerade nicht. Das „Ob“ des Vertrages steht überhaupt nicht in Zweifel. Im Gegenteil: Der Vertragsschluss ist aufgrund der Angewiesenheit auf ihn ja gerade oberstes Ziel. Eine wirtschaftliche Angewiesenheit auf einen Vertragsschluss ist schon deshalb nicht geeignet, das „Ob“ eines Vertragsschlusses in Zweifel zu ziehen. Aufgrund der Unterlegenheit und Angewiesenheit auf den Vertrag mag die unterlegene Partei zwar keine andere Wahl gehabt haben, als den Vertrag mit samt seiner ungewollten Konditionen zu akzeptieren. Darauf kommt es im Rahmen der Abschlusskontrolle aber nicht an. Vielmehr ist dies eine Frage der Inhaltskontrolle.

III. Rückschluss aus einem wirksamen Abschluss Ist ein Rechtsgeschäft in diesem Sinne frei(-willig) geschlossen worden, folgt aus der Willensübereinkunft der Parteien die Annahme eines sachgerechten Interessenausgleichs.229 Das bedeutet aber nicht, dass der Inhalt des geschlossenen Rechtsgeschäfts einer Kontrolle durch die Rechtsordnung entzogen wäre. Denn Privatautonomie bedarf notwendigerweise einer Begrenzung durch die Privatrechtsordnung.230 Im Rahmen dieser Kontrolle des Vertragsinhalts ergeben sich 227 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2271 Rn. 55; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 164. 228 S. o. Kapitel 3 § 2 A. 229 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 232. 230 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 231.

§ 3 Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen

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für Situationen strukturellen Ungleichgewichts zwischen den Parteien besondere Anforderungen an die Kontrolle des Inhalts der Vereinbarung. Zwar „wird sich regelmäßig eine weitergehende Inhaltskontrolle erübrigen“, wenn die Vertragsparteien eine an sich zulässige Regelung vereinbart haben. „Ist aber der Inhalt des Vertrags für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen, so dürfen sich die Gerichte nicht mit der Feststellung begnügen: ,Vertrag ist Vertrag‘. Sie müssen vielmehr klären, ob die Regelung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke ist, und gegebenenfalls im Rahmen der Generalklauseln des geltenden Zivilrechts korrigierend eingreifen.“ 231

C. Zwischenergebnis Schiedsvereinbarungen sind – wie alle anderen Rechtsgeschäfte auch – dahingehend zu untersuchen, ob ihr Abschluss Ergebnis einer freien Willensbildung im Rahmen der Abschlussfreiheit der Parteien war. Diese Untersuchung ist anhand der bestehenden Tatbestände des Zivilrechts betreffend die Abschlusskontrolle vorzunehmen. Vor einer durch Zwang gestörten Willensbildung schützt dabei insbesondere § 123 Abs. 1 BGB. Eine Betrachtung der Norm zeigt, dass die Parteien nicht vor jedwedem Zwang in der Abschlusssituation geschützt werden. Es bedarf vielmehr eines so gesteigerten Maßes an Zwang, dass allein aus seinem Vorhandensein in der Abschlusssituation gefolgert werden kann, dass der Abschluss des Rechtsgeschäfts nicht auf dem freien Willen einer Partei beruhte. Ihrem Charakter als Abschlusskontrollnorm folgend, erklärt § 123 Abs. 1 BGB das so geschlossene Rechtsgeschäft konsequenterweise nicht etwa für nichtig, sondern gibt der beeinträchtigten Partei die Möglichkeit, sich von dem Rechtsgeschäft nachträglich wieder zu lösen und so ihre Abschlussfreiheit erneut und ohne Zwang ausüben zu können.

§ 3 Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen unter geltendem Schiedsverfahrensrecht Im Folgenden soll nun ein Blick auf die Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen unter geltendem Schiedsverfahrensrecht geworfen werden. Dabei soll das Hauptaugenmerk zunächst auf der Inhaltskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB liegen. Gerade diese war in jüngerer Zeit Gegenstand kontroverser Diskussionen, nachdem das LG München I in der Rechtssache Pechstein die Schiedsvereinbarung nach einer „Abschlusskontrolle“ 232 gemäß § 138 Abs. 1 BGB für nichtig 231 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 234. 232 LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 106, Umkehrschluss aus (2).

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

befunden hatte.233 § 138 Abs. 2 BGB findet auf Schiedsvereinbarungen hingegen keine Anwendung, weil es an einem tatbestandlich vorausgesetzten Leistungsaustausch fehlt.234 Auf die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle soll nur kurz und unter der Frage eingegangen werden, ob sich die für § 138 Abs. 1 BGB gefundenen Ergebnisse übertragen lassen. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt sodann auf dem vom OLG München in seiner Berufungsentscheidung gewählten Ansatz einer Inhaltskontrolle am Maßstab des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots.

A. Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarung gemäß § 138 Abs. 1 BGB § 138 Abs. 1 BGB erklärt ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, für nichtig. Sittenwidrig ist ein Rechtsgeschäft nach ständiger Formel, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.235 Besonders im Fokus des § 138 Abs. 1 BGB stehen nicht etwa außerrechtliche Erwägungen, sondern allen voran innerrechtliche. Die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts ergibt sich zumeist aus einem Verstoß gegen Wertungen und Prinzipien, die sich aus der Rechtsordnung selbst ergeben.236 § 138 Abs. 1 BGB dient dabei insbesondere als „Einbruchstelle“ für das im Grundgesetz verkörperte Wertesystem.237 So zieht § 138 Abs. 1 BGB die Außengrenze dessen, was privatautonom vereinbart werden kann und versagt solchen Rechtsgeschäften die Anerkennung, die sich als Missbrauch der Privatautonomie darstellen.238 Betonung liegt dabei auf dem Wort Außengrenze. Denn nach herrschender Meinung bietet § 138 BGB nur einen „auf Extremfälle beschränkten Minimalschutz“ 239. Insoweit haben sich unter § 138 Abs. 1 BGB eine Vielzahl von – nicht feststehender und einander überlappender – Fallgruppen entwickelt, die in ihrer Gesamtheit zu überschauen nur schwer möglich ist.240 Darauf kommt es hier aber auch nicht an. Mit Blick auf die Schiedsvereinbarung von Relevanz sind nur zwei Fallgruppen beziehungsweise Aspekte des § 138 Abs. 1 BGB. Die 233 LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 105. 234 Vgl. zur Voraussetzung eines Leistungsaustauschs Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 143; Leenen, BGB AT, 1. Aufl. 2011, § 9 Rn. 229. 235 Ellenberger, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 138 Rn. 2; kritisch zu der Formel Leenen, BGB AT, 1. Aufl. 2011, § 9 Rn. 243. 236 Ellenberger, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 138 Rn. 3; Leenen, BGB AT, 1. Aufl. 2011, § 9 Rn. 242, jeweils m.w. N. 237 Ellenberger, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 138 Rn. 4; Leenen, BGB AT, 1. Aufl. 2011, § 9 Rn. 242. 238 Leenen, BGB AT, 1. Aufl. 2011, § 9 Rn. 242. 239 Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 71 mit entspr. Nw. 240 Vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 138 Rn. 24.

§ 3 Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen

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Ausnutzung von Übermacht einerseits, die übermäßige Einschränkung des Rechtsschutzes andererseits. Auf diese beiden Fallgruppen wird im Folgenden auch eingegangen werden. Der Fokus liegt indes nicht auf einer ausführlichen Erörterung dieser Fallgruppen, sondern vielmehr auf ihrer dogmatischen Verortung im Rahmen der Sittenwidrigkeitsprüfung der Schiedsvereinbarung. Bevor dies geschehen kann, soll zunächst einmal verdeutlicht werden, welche Bedeutung es für die Prüfung des § 138 Abs. 1 BGB hat, dass es sich bei der Norm um eine Inhaltskontrollnorm241 handelt. Diese Betrachtung wird auch verdeutlichen, dass die Bedeutung der beiden Fallgruppen für die Schiedsvereinbarung letztendlich Auswuchs der inhaltlichen Anknüpfung im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB ist. Die allgemeinen Überlegungen vorweggeschickt folgt sodann eine Betrachtung zunächst des „Abschlusses“ von Schiedsvereinbarungen, also der Schiedsvereinbarung i. e. S. Daran anschließend wird dann ein Blick auf die mögliche Sittenwidrigkeit inhaltlicher Ausgestaltungen des Schiedsverfahrens, also auf Schiedsverfahrensvereinbarungen, geworfen. Danach folgt ein kurzer Blick auf den subjektiven Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB und auf die Rechtsfolgen eines Sittenwidrigkeitsverstoßes.

I. Die Anknüpfung an den Inhalt des Rechtsgeschäfts im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB Wie bereits zuvor dargestellt242, kann ein Rechtsgeschäft im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB allein aufgrund seines Inhalts sittenwidrig sein (Inhaltssittenwidrigkeit). Dessen Sittenwidrigkeit kann sich aber auch erst aus der Hinzunahme der Umstände des Rechtsgeschäfts ergeben (Umstandssittenwidrigkeit). In letzterem Fall ist der Inhalt des Rechtsgeschäfts für sich besehen nicht sittenwidrig. Sonst bedürfte es der Zuhilfenahme der Umstände zur Feststellung der Sittenwidrigkeit nicht.243 Zur Feststellung einer Umstandssittenwidrigkeit ist eine Gesamtwürdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäfts, sowie der äußeren Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, vorzunehmen.244 Zu berück241 Siehe nur Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 8. Ob die Begrifflichkeit der Inhaltskontrolle für § 138 Abs. 1 BGB zutreffend ist, kommt im Wesentlichen darauf an, wie man diese Begrifflichkeit versteht. Heute wird auch für § 138 BGB meist von Inhaltskontrolle gesprochen. Zum Inhalt des Begriffs und zur Unterscheidung zwischen Inhaltskontrolle im weiteren Sinne und Inhaltskontrolle im engeren Sinne s. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 5 f. Folgt man dieser Unterscheidung, wird der Begriff Inhaltskontrolle hier in seinem weiteren Sinne verwandt, umfasst also die Kontrolle des Rechtsgeschäfts anhand bestimmter Maßstäbe. 242 S. o. Kapitel 3 bei Fn. 194. 243 Wendtland, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 138 BGB Rn. 21. S. auch bereits oben bei Fn. 195. 244 Formel der Rspr. und h. M., siehe nur Wendtland, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 138 Rn. 21 m. entspr. Nw.; auch Ellenberger, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 138 Rn. 8.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

sichtigen sind neben dem objektiven Inhalt des Rechtsgeschäfts also auch die Umstände, die zu dessen Abschluss geführt haben, sowie die Absichten und Motive der Parteien.245 Wie ebenfalls bereits dargestellt, ist aber auch bei der Umstandssittenwidrigkeit Anknüpfungspunkt für die Sittenwidrigkeit der Inhalt des Rechtsgeschäfts, der jedoch erst durch die Umstände „im rechten Licht“ 246 erscheinen mag. Klar ist deshalb zunächst: Die Umstände des Rechtsgeschäfts alleine können nicht zur Sittenwidrigkeit desselben führen.247 Dies zugrunde gelegt sind für die Umstandssittenwidrigkeit zwei Konstellationen denkbar: Zunächst die Situation, in der der Inhalt eines Rechtsgeschäfts zwar nicht sittenwidrig, doch aber auffällig oder gar anrüchig ist. Beispielsweise weil er für eine Partei sehr belastend ist. Treten nun entsprechende Umstände hinzu, mag der anrüchige Inhalt im Lichte der Umstände insgesamt als sittenwidrig zu bewerten sein. Ebenso sind aber Situationen denkbar, in denen der Inhalt eines Rechtsgeschäfts in keiner Weise problematisch ist, etwa, weil er marktüblichen Standards entspricht. Kann auch ein solch unbedenklicher Inhalt durch das Hinzutreten bedenklicher Umstände insgesamt als sittenwidrig anzusehen sein? Diese Frage hat besonders für die Schiedsvereinbarung ihre Relevanz, wie im Folgenden gezeigt wird. 1. Exkurs: Der Tatbestand des § 138 Abs. 2 BGB besteht aus objektiven sowie subjektiven Merkmalen Auch wenn § 138 Abs. 2 BGB für Schiedsvereinbarungen keine Relevanz hat248, so ist er doch hilfreich, um das zuvor Gesagte zu verdeutlichen. Denn bereits der Wortlaut des § 138 Abs. 2 ZPO macht deutlich, dass es für seine Erfüllung auf objektive und auf subjektive Merkmale ankommt. Neben dem Erfordernis des Vorliegens eines Rechtsgeschäfts, setzt § 138 Abs. 2 BGB auf objektiver Ebene das Vorliegen eines auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung voraus.249 Subjektiv erfordert die Norm dann, dass das Rechtsgeschäft unter „Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des 245

Ellenberger, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 138 Rn. 8 m.w. N. Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 12. 247 Eichel, ZZP 2016, 327, 333; Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 714. Beide für den Fall des Machtübergewichts einer Partei der Schiedsvereinbarung. Das Machtübergewicht einer Partei der Schiedsvereinbarung ist ein bedeutender Fall. Das Gesagte beschränkt sich aber nicht auf diesen Fall, sondern gilt grundsätzlich für das Verhältnis zwischen Umständen und Inhalt des Rechtsgeschäfts. S. insoweit Nassall, in: jurisPK-BGB, Bd. 1, 9. Aufl. 2020, § 138 Rn. 12. 248 S. o. Kapitel 3 bei Fn. 234. 249 Siehe auch Leenen, BGB AT, 1. Aufl. 2011, § 9 Rn. 232 f. 246

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Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche“ der anderen Vertragspartei oder eines Dritten zustande gekommen ist.250 Die ganz herrschende Meinung verlangt, dass die objektiven und subjektiven Merkmale jeweils für sich erfüllt sind. Die Gegenmeinung, das sog. „Sandhaufentheorem“, hat sich nicht durchgesetzt. Diese wollte zulassen, dass ein Defizit bei einem der Tatbestandsmerkmale des § 138 Abs. 2 BGB durch ein anderes „übererfülltes“ Tatbestandsmerkmal ausgeglichen werden kann.251 Ohne objektives Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann also ein Fall des § 138 Abs. 2 BGB nicht vorliegen. Das objektive Missverhältnis wirkt so gewissermaßen als Aufgreifschwelle für die Inhaltskontrolle nach § 138 Abs. 2 BGB. 2. Objektive Anknüpfung an den Inhalt im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB Zwar ist es richtig, dass sich das „Sandhaufentheorem“ im Rahmen des § 138 Abs. 2 BGB nicht durchgesetzt hat. Unbestritten ist aber, dass ein gegenseitiges „Auffüllen“ der Tatbestandsmerkmale im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB möglich ist. Die Entwicklung der Fallgruppe des wucherähnlichen Geschäfts entspringt gerade diesem Gedanken.252 Trotzdem besteht auch auf Ebene des § 138 Abs. 1 BGB eine Trennung zwischen objektivem und subjektivem Tatbestand.253 Ausgangspunkt und Auslöser einer Inhaltskontrolle ist immer der Inhalt des Rechtsgeschäfts. Ein Blick in die zu § 138 Abs. 1 BGB ergangene Rechtsprechung und die sich daraus gebildeten Fallgruppen bestätigt dies einerseits. Andererseits wird deutlich, dass es auf objektiver, inhaltlicher Ebene immer einer auffälligen Abweichung vom Maßstab der guten Sitten bedarf. Erst danach, in einem zweiten Schritt, kann die festgestellte Abweichung bewertet und gefragt werden, ob die Abweichung ein solches Ausmaß hat, dass dem Rechtsgeschäft die Anerkennung der Rechtsordnung versagt werden muss. Diese Zweistufigkeit hat Fastrich ausführlich für die Inhaltskontrolle im engeren Sinne herausgearbeitet.254 Ein Versuch, die notwendige objektive Abweichung begrifflich zu fassen, ist deswegen nahezu unmöglich, weil die guten Sitten als Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB in ihrer Weite so viele Konstellationen erfassen. 250

Siehe auch Leenen, BGB AT, 1. Aufl. 2011, § 9 Rn. 234. Siehe nur Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 293 m. entspr. Nw. 252 Siehe nur Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 293. 253 Siehe z. B. die Trennung bei Wendtland, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 138 Rn. 19 ff. und 22 ff. 254 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 280 f. Zum Begriff der Inhaltskontrolle im engeren Sinne, s. S. 6. Deutlich auch Nassall, in: jurisPK-BGB, Bd. 1, 9. Aufl. 2020, § 138 Rn. 12: „hinzukommen muss [. . .], dass das Geschäft auch seinem Inhalt nach den Rahmen des Üblichen verlässt“. 251

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Befindet man sich mit § 138 Abs. 1 BGB indes im Verhältnis zweier Vertragspartner zueinander, resultiert der Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden daraus, dass das Rechtsgeschäft beziehungsweise Teile von ihm einen der beiden Vertragspartner unerträglich benachteiligt.255 So kommt es für die Sittenwidrigkeit von Kreditverträgen auf objektiver Ebene beispielsweise darauf an, ob zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht, für das es auf einem Vergleich zwischen effektivem Vertragszins und marktüblichem Effektivzins ankommt.256 Auch ein wucherähnliches Geschäft erfordert auf inhaltlicher Ebene ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.257 Ein Blick in eine der grundlegenden Entscheidungen zu dieser Thematik, die Bürgschaftsverträge I-Entscheidung des BVerfG, verdeutlicht die grundlegende Herangehensweise: „Haben die Vertragspartner eine an sich zulässige Regelung vereinbart, so wird sich regelmäßig eine weitergehende Inhaltskontrolle erübrigen. Ist aber der Inhalt des Vertrages für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen, so dürfen sich die Gerichte nicht mit der Feststellung begnügen: ,Vertrag ist Vertrag‘. Sie müssen vielmehr klären, ob die Regelung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke ist, und gegebenenfalls im Rahmen der Generalklauseln des geltenden Zivilrechts korrigierend eingreifen.“ 258

Die vorstehende Stelle verdeutlicht gut die notwendige Zweischrittigkeit. Ausgangspunkt ist der Inhalt des Rechtsgeschäfts. Die Parteien eines Vertrags sind grundsätzlich auch darin frei, für sich negative Verträge abzuschließen. Das Recht schützt die Vertragsparteien nicht vor dem Abschluss von für sie nachteiligen Rechtsgeschäften. Die Privatautonomie gibt insoweit nicht nur die Möglichkeit zur Selbstbestimmung, sondern verpflichtet auch zur Selbstverantwortung.259 Hat ein Rechtsgeschäft allerdings einen Inhalt, der offensichtlich als Interessenausgleich ungeeignet ist, löst dies eine Inhaltskontrolle aus, im Rahmen derer zu untersuchen ist, ob der Inhalt des Rechtsgeschäfts wirklich Ergebnis der Selbstbestimmung der Parteien ist.260 Nichts anderes gilt bei der Schiedsvereinbarung.261 255 Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 326; vgl. Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 86; Eichel, ZZP 2016, 327, 333. 256 Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 119. 257 Ellenberger, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 138 Rn. 34. 258 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 234; siehe aber ebenfalls schon BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 338; Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 98 und 99, der die vom VerfG aufgestellten Voraussetzungen deutlich hervorhebt. 259 Ellenberger, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 138 Rn. 36. 260 Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 231; Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 99; siehe auch BGH, Urt. v.

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Dies bedeutet dann andersherum aber auch, dass ein Rechtsgeschäft mit objektiv unbedenklichem Inhalt nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein kann, unabhängig davon, wie die Umstände des Rechtsgeschäfts sind.262 Diesen Gedanken bestätigt ein Blick auf das Verhältnis des § 123 Abs. 1 BGB zu § 138 BGB. Die in § 123 Abs. 1 BGB erfassten Fälle stellen allemal sittenwidrige Umstände dar. § 138 BGB ist dennoch nicht anwendbar. Nicht, weil es sich bei § 123 BGB etwa um die speziellere Norm handelt, sondern weil der Blickwinkel ein anderer ist, eben weil der Inhalt nicht allein aufgrund der Umstände sittenwidrig sein kann.263 Gleiches ergibt ein Blick auf den Tatbestand des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots des § 19 GWB. Auch § 19 GWB ist – jedenfalls in Teilen – eine Regelung der Inhaltskontrolle von Verträgen.264 Weder verbietet, noch verhindert das Recht die Entstehung von beherrschender Marktmacht. Allein aus dem wirtschaftlichen Ungleichgewicht, das oftmals Ausgangspunkt und Bedingung der Übermacht einer Partei sein kann, lässt sich ein verwerfliches Verhalten der übermächtigen Partei nicht herleiten. Es bedarf vielmehr eines inhaltlichen Anknüpfungspunktes, um aus der Marktmacht einen Missbrauch herleiten zu können.265 Dass bei Vorliegen eines objektiv unbedenklichen Inhalts Sittenwidrigkeit nicht vorliegen kann, ergibt sich auch daraus, dass die Inhaltskontrolle in ihrer hier angewandten Ausprägung der Sicherung der Inhaltsfreiheit dient. Sie muss sich also die Frage stellen, ob die eine Partei das Rechtsgeschäft mit diesem Inhalt hat abschließen wollen. Gibt der Inhalt keinen Anlass dazu, an der Inhaltsfreiheit zu zweifeln, leiten sich die Zweifel vielmehr einzig und allein aus den Abschlussumständen ab, dann geht es nicht mehr um die Inhaltsfreiheit, sondern um die Abschlussfreiheit.266 Der Abschlusskontrolle dient § 138 Abs. 1 BGB aber eben nicht. Für Schiedsvereinbarungen bedeutet das zunächst, dass allein das Vorhandensein einer Übermacht auf Seiten einer Partei nicht zur Unwirksamkeit der

26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 338; vgl. auch Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 86; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 164. 261 So auch Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 164 und Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 284. 262 Gerade dies wird aber häufig verkannt, ausführlich unten Kapitel 3 § 3 A. II. 1., insbesondere in und bei Fn. 274. 263 S. o. Kapitel 3 vor Fn. 200. 264 Vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2271 Rn. 57, der § 19 GWB zu Recht in eine Reihe mit den zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138, 242, 307, 315 BGB stellt, s. u. Kapitel 3 Fn. 775. 265 Ausführlich unten Kapitel 3 § 3 C. II. 266 Vgl. in diesem Sinne Lorenz, NJW 1997, 2578.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Schiedsvereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB führen kann.267 Es bedarf eines inhaltlichen Anknüpfungspunktes. Als inhaltlicher Anknüpfungspunkt kommt bei einer Schiedsvereinbarung zweierlei in Betracht: Einerseits lässt sich bereits inhaltlich an die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zur Streitentscheidung, die Schiedsvereinbarung i. e. S., anknüpfen.268 Andererseits lässt sich inhaltlich nicht an die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts an sich anknüpfen, sondern an konkrete Abmachungen betreffend die Streitentscheidung durch das Schiedsgericht, also an Schiedsverfahrensvereinbarungen.269

II. Die Schiedsvereinbarung i. e. S. als Anknüpfungspunkt für die Inhaltskontrolle Für die Inhaltskontrolle einer Schiedsvereinbarung lässt sich einerseits anknüpfen allein an die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts im Streitfall, also an die Schiedsvereinbarung i. e. S. Das ist es, was diejenigen meinen, die im Zusammenhang mit § 138 Abs. 1 BGB und Schiedsvereinbarungen von „Abschlusskontrolle“ sprechen, beziehungsweise die an den „Abschluss“ der Schiedsvereinbarung anknüpfen wollen.270 Denn Anknüpfungspunkt ist allein die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts, also der Abschluss einer Schiedsvereinbarung i. e. S. überhaupt, unabhängig von ihren inhaltlichen Ausgestaltungen. Für diesen Fall von „Abschlusskontrolle“ zu sprechen, mag begrifflich packender sein, kann jedoch auch leicht verwirren. Denn die Begrifflichkeit 267 So auch: Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, S. 96; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 121; Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 284; Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 234; Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 714; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 138; vgl. Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 221 f.; wohl auch Czibere, Die Beendigung von Schiedsvereinbarungen, S. 47. Jedenfalls missverständlich Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 123 ff., der feststellt, inhaltssittenwidrig könne eine Schiedsvereinbarung nicht sein, weshalb für die Annahme der Sittenwidrigkeit weitere Umstände hinzutreten müssten, dann aber nicht erklärt, an welchen Inhalt er die Sittenwidrigkeit beim Hinzutreten der Umstände anknüpfen will. Siehe darüber hinaus insbesondere Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 164, der die Grundsätze der Bürgschaftsentscheidung zu Recht auf die Schiedsvereinbarung überträgt und für deren Unwirksamkeit zu Recht fordert, dass diese für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich „offensichtlich unangemessen“ sein muss. 268 Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 231. 269 Haas, ZGR 2001, 325, 334 formuliert so: „Ist der Abschluß einer Schiedsvereinbarung in Fällen von Ungleichgewichtslagen zwischen den Parteien per se anstößig oder nur dann, wenn besondere Umstände im Einzelfall hinzutreten?“ Dabei neigt man dazu, auf den „Abschluß“ zu rekurrieren. Entscheidend ist aber der Inhalt „Zuständigkeit eines Schiedsgerichts“. S. auch Otto, ZGR 2019, 1082, 1091. S. zur grundlegenden Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung oben Kapitel 2 § 2 D. II. 270 S. bereits o. Kapitel 3 Fn. 187.

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begründet die Gefahr, sich dazu hinreißen zu lassen, den Abschluss für das zentrale Prüfungsobjekt zu halten. Er ist es jedoch gerade nicht. Es bleibt der Inhalt.271 1. Keine Benachteiligung allein durch eine Vereinbarung, die als Inhalt die Einigung auf die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts im Streitfall (Schiedsvereinbarung i. e. S.) hat Beim Inhalt gilt es anzusetzen. Denn auch dann, wenn die Schiedsvereinbarung i. e. S. in einer Situation starken Machtgefälles und unter Ausnutzung dieses Zustandes zustande gekommen ist, liegt Sittenwidrigkeit nur vor, wenn das vertragliche Ergebnis eine für die schwächere Partei nachteilige Abweichung vom Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden ist.272 Es gilt deshalb zuallererst zu fragen, ob allein die Einigung auf die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts im Streitfall als Inhalt eines Rechtsgeschäfts eine solche Abweichung darstellen kann.273 Diese Frage jedoch überspringen zahlreiche Veröffentlichungen, die insbesondere als Reaktion auf die Urteile in der Rechtssache Pechstein ergangen sind. Stattdessen setzen sie direkt beim Übergewicht der einen Partei und der Frage an, inwieweit daraus ein (faktischer) Zwang entstehen kann.274 Auf das Übergewicht einer Partei kommt es aber überhaupt nur dann an, wenn bereits objektiv Anzeichen dafür auffindbar sind, dass der Inhalt nicht Ergebnis eines Interessenausgleichs zwischen den Parteien gewesen sein könnte.275 Andernfalls kommt es zu einer Vermischung von Abschluss- und Inhaltskontrolle.

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S. bereits oben Kapitel 3 § 2 A. und Kapitel 3 § 3 A. I. Ausführlich zuvor in Kapitel 3 § 3 A. I.; vgl. Czibere, Die Beendigung von Schiedsvereinbarungen, S. 47. 273 So zum Bsp. noch BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 339. 274 So das OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 43, (2) bbb); so kann man auch Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 235 verstehen, wenn er sagt, auch bei einer Inhaltskontrolle könne die Ausübung unzulässigen Drucks durch eine Seite zur Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung führen, wenn die Druckausübung für den Abschluss der Schiedsvereinbarung kausal gewesen ist. Ebenfalls Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 7, 89, 104 bei Fn. 542; Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 80; anschaulich auch bei Heermann, sport-recht.org vom 31.05.2016; Monheim, SpuRt 2014, 90, 92; Orth, ZWeR 2018, 382, 387; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 142; Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 816 f. Jedenfalls missverständlich auch Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 123 f., der einerseits feststellt, inhaltssittenwidrig könne eine Schiedsvereinbarung nicht sein, weshalb für die Annahme der Sittenwidrigkeit weitere Umstände hinzutreten müssten, dabei aber nicht erklärt, an welchen Inhalt er dabei anknüpfen will. 275 Vgl. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 281. S. bereits zuvor Kapitel 3 bei Fn. 267. Übersehen von Otto, ZGR 2019, 1082, 1088 bei Fn. 21. Ausführlich zum Ausnutzen von Übermacht als Fallgruppe i. R. d. § 138 BGB unten Kapitel 3 § 3 A. III. 2. 272

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Das LG München I als Eingangsinstanz in der Rechtssache Pechstein hingegen hatte in seiner Entscheidung diese inhaltliche Anknüpfung durchaus vorgenommen, wenn es festhält: „Die Schiedsvereinbarung zeitigt ungewöhnlich belastende Folgen für sie [die Klägerin als unterlegene Partei], da ihr die Vereinbarung den Zugang zu den ordentlichen Gerichten nimmt.“ 276

Weil die Schiedsvereinbarung i. e. S. inhaltlich nicht mehr enthält, als die Vereinbarung, in bestimmten Fällen den Streit durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen, kann sich eine Inhaltssittenwidrigkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. nur dann ergeben, wenn man der Ansicht des LG München I beipflichtet, dass allein die Unzuständigkeit des staatlichen Gerichts eine ungewöhnlich belastende Folge darstellt. Dem kann jedoch gerade nicht gefolgt werden. Denn die Einigung auf die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts im Streitfall als Inhalt eines Rechtsgeschäfts kann für sich besehen keine für eine Partei ungewöhnliche, unbillige oder offensichtliche Belastung darstellen, die es rechtfertigen würde, den Inhalt der Einigung als Ergebnis eines Interessenausgleichs zwischen den Parteien in Zweifel zu ziehen.277 Dieses Ergebnis ergibt sich aus einer Analyse des geltenden Schiedsverfahrensrechts und dem ihm zu Grunde liegenden gesetzgeberischen Willen: 276 LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 105. Das hatte zum alten Schiedsverfahrensrecht auch BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 339 noch so gesehen. Dies an der BGHEntscheidung bereits damals kritisierend Walter, JZ 1989, 590, 591. 277 Vgl. BT-Drucks. 13/5274, S. 34; Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 207 f., insbes. bei Fn. 962, die aufgrund dessen allerdings zur Verfassungswidrigkeit kommt (S. 236); Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 41; Otto, ZGR 2019, 1082, 1087, 1088; wohl auch Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 714 („muss das Machtungleichgewicht dazu geführt haben, dass die überlegene Partei faktisch einseitig ihr günstige Vertragsregelungen durchgesetzt hat, sodass bei der notwendigen Gesamtschau der Ausschluss staatlicher Gerichtsschutzmöglichkeiten als nicht hinnehmbare Übervorteilung der schwächeren Partei erscheint“); Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 45; schon zum alten Schiedsverfahrensrecht Schlosser, ZIP 1987, 492 („Schiedsrichterliche Streiterledigung zu vereinbaren, ist im Prinzip eine durch und durch integre Vertragsgestaltung.“); Schlosser, in: FS Zeuner, S. 467, 481, der das gleiche Ergebnis unter Geltung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. durch eine enge Auslegung des Nötigungsbegriffs erreicht („Einen inhaltlich nicht anstößigen Schiedsvertrag kann man einem Vertragspartner aber nicht ,abnötigen‘.“); Walter, JZ 1989, 590, 591; vgl. auch Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257, 263; undeutlich aber wohl wie hier auch Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 119, 123; anders noch BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 339 („haben die Parteien eine Einschränkung des Rechtsschutzes bereits dadurch vorgenommen, daß sie überhaupt eine Schiedsgerichtsklausel vereinbart haben“). Im Ergebnis auch Axtmann, Die Vorlageberechtigung von Sportschiedsgerichten zum Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV, S. 93 f., der Freiwilligkeit allerdings für nicht gegeben hält, ihr Fehlen jedoch durch den gleichwertigen Rechtsschutz kompensiert sieht.

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Das geltende Schiedsverfahrensrecht sichert an mehreren Stellen die Fairness im Schiedsverfahren und sorgt mit seinen Schutzmechanismen für eine Berücksichtigung der Interessen beider Parteien. § 1042 Abs. 1 S. 1 ZPO enthält das Gebot der Gleichbehandlung der Parteien. Satz 2 sichert jeder Partei rechtliches Gehör zu. Abs. 2 verbietet den Ausschluss der Vertretung durch Rechtsanwälte. Die §§ 1032 und 1040 Abs. 3 ZPO ermöglichen die gerichtliche Kontrolle der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung. Die §§ 1035, 1036 f. ZPO sichern die konkrete, § 1034 Abs. 2 ZPO sichert die strukturelle Unabhängigkeit der Schiedsrichter.278 Die so festgeschriebenen Verfahrensgrundsätze sollen verhindern, dass einer Partei ein Schiedsverfahren zum Nachteil gereicht.279 Darüber hinaus bedeutet die Zuwendung zur Schiedsgerichtsbarkeit unter geltendem Schiedsverfahrensrecht auch nicht den vollkommenen Einflussverlust der staatlichen Gerichtsbarkeit, oder anders gewendet, den vollkommenen Verzicht auf den eigenen Justizgewährungsanspruch. Vielmehr tritt die staatliche Gerichtsbarkeit bloß gegenüber der Schiedsgerichtsbarkeit zurück, behält aber doch die Letztkontrolle über die Entscheidung.280 Der Gesetzgeber hielt Schiedsverfahren deshalb nicht länger für eine bedenkliche Ausnahme vom Rechtsschutzsystem.281 Vielmehr stellt nach dem gesetzgeberischen Willen „der Abschluß der Schiedsvereinbarung als solcher [. . .] keine Benachteiligung einer Partei“ mehr dar.282 Der Gesetzgeber wollte die Schiedsgerichtsbarkeit fortan vielmehr als gleichwertige Rechtsschutzalternative verstanden wissen283, auf dass der Abschluss einer Schiedsvereinbarung neutral wirke284. Zum Ausdruck gekommen ist dieser gesetzgeberische Wille dann allem voran in der Streichung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F.285 Denn bei so verstandener Gleichwertigkeit zur staatlichen Gerichtsbarkeit, war es dann konsequenterweise auch nicht mehr nötig, die Parteien mehr als vor sonst jeder vertraglichen Einigung auch, vor der Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zu schützen.286 Wie dargestellt, bezweckte die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO 278 Zu den Schutzmechanismen und wie hier auch Axtmann, Die Vorlageberechtigung von Sportschiedsgerichten zum Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV, S. 83 ff. 279 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 207. 280 Haas, ZGR 2001, 325, 334; Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 284; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 120. 281 Haas, ZGR 2001, 325, 334. 282 BT-Drucks. 13/5274, S. 34. Gemeint ist auch hier nicht der Abschlussakt, sondern die Vereinbarung mit dem Inhalt, dass ein Schiedsgericht zuständig sein soll. 283 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18. Aufl. 2018, § 176 Rn. 24. 284 Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 87. 285 Haas, ZGR 2001, 325, 334; Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 207. 286 BT-Drucks. 13/5274, S. 34; Gottwald/Adolphsen, DStR 1998, 1017, 1019; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18. Aufl. 2018, § 176 Rn. 24.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

a. F. gerade die Aufgabe der Sonderbehandlung der Schiedsvereinbarung gegenüber anderen Rechtsgeschäften.287 Zu einer solchen käme es jedoch, sähe man allein in der Vereinbarung der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung als solcher schon einen möglichen inhaltlichen Anknüpfungspunkt für die Sittenwidrigkeitskontrolle. Denn anders als bei anderen Rechtsgeschäften, ließe sich dann allein die Vereinbarung als solche aufgrund der Umstände als sittenwidrig ansehen.288 Der gesetzgeberische Wille zeigt sich aber auch in der Tatsache, dass Schiedssprüche wegen § 1059 Abs. 2 ZPO bei inländischen Schiedssprüchen beziehungsweise wegen § 1061 ZPO i.V. m. Art. V Abs. 2 UNÜ nur bei schwerwiegenden Mängeln aufgehoben beziehungsweise nicht anerkannt werden können.289 Der Annahme einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit der beiden Rechtsschutzsysteme haben sich große Teile der Literatur und die Rechtsprechung zu Recht angeschlossen.290 Konsequenz dessen ist, dass alleine der Inhalt eines Rechtsgeschäfts, dass im Streitfall ein Schiedsgericht anstelle des staatlichen Gerichts zuständig sein soll, objektiv keine Benachteiligung einer Partei darstellt und deshalb nicht Auslöser einer Inhaltskontrolle sein kann. Sittenwidrig kann nicht sein, was nach der Gesetzeskonzeption gleichwertig zu der in Betracht kommenden Alternative ist. Selbst dann, wenn man für das Vorliegen des objektiven Tatbestandes des § 138 Abs. 1 BGB danach fragt, ob die vertragliche Vereinbarung – die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts im Streitfall – für die jeweils konkrete Vertragspartei objektiv eine unbillige Belastung darstellt,291 ändert dies an der Feststellung nichts. Insbesondere im Rahmen seiner Bürgschaftsrechtsprechung hat der BGH darauf abgestellt, ob der Vertragsinhalt für den konkreten Vertragspartner objektiv eine unbillige Belastung darstellt, etwa weil sie zu einer krassen Überforderung führt.292 Allein aus der Schiedsvereinbarung i. e. S. aber können sich Umstände, die zu einer subjektiv unbilligen Belastung führen, überhaupt nicht ergeben. Solche mögen sich erst aus einer Schiedsverfahrensvereinbarung ergeben. Die Schiedsvereinbarung i. e. S. jedoch ist für jede Partei gleich unbelastend: Fragte man nach der Belastung einer konkreten Partei, wäre eine Belastung durch eine Schiedsvereinbarung i. e. S. am ehesten denkbar für einen Verbraucher. Für ihn mag, obwohl das Verfahren gleichwertig ist, die Schiedsgerichtsbarkeit eine hohe Belastung darstellen. Dem durchschnittlichen Verbraucher dürfte 287

S. o. Kapitel 2 § 2 D. I. 2. b). Vgl. Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 284. 289 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1059 Rn. 4. 290 S. o. Kapitel 2 Fn. 91 und Kapitel 2 § 2 D. I. 2. a). 291 Das könnten auch Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 714 meinen, wenn sie gesondert nach der Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen „im Sportbereich“ fragen. 292 Ellenberger, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 138 Rn. 37 ff. 288

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die Schiedsgerichtsbarkeit – überspitzt gesagt – schon gar kein Begriff sein. Ihn würde die Pflicht, sein Recht in einem Schiedsverfahren durchsetzen zu müssen, vor noch höhere – wenn auch vielleicht nur gefühlt – Hürden stellen, als es ein staatliches Gerichtsverfahren ohnehin schon tut. Dies hat der Gesetzgeber gleichwohl gesehen und mit § 1031 Abs. 5 BGB auch adressiert, indem er eine Schiedsvereinbarung mit einem Verbraucher nur unter Einhaltung einer eine besondere Warnfunktion erfüllenden Form ermöglicht. Der Gesetzgeber wollte den Verbraucher aber keineswegs von der Schiedsgerichtsbarkeit ausgeschlossen wissen.293 Er traute ihm offenbar vielmehr zu, die Entscheidung über die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts selber treffen zu können, wollte ihm diese aber besonders deutlich vor Augen führen. Eine Schiedsvereinbarung kann deshalb selbst für einen Verbraucher keine unangemessene Benachteiligung darstellen.294 Wenn es aber selbst dem Verbraucher möglich ist, Schiedsvereinbarungen zu schließen, dann kann die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts auch für sonst keine Vertragspartei objektiv so belastend sein, dass daraus die Eröffnung einer Inhaltskontrolle gefolgert werden könnte.295 Insoweit ist auch immer wieder das Argument vorgebracht worden, die gesetzgeberischen Wertungen für die von ihm gesehenen Ungleichgewichtslagen müssten berücksichtigt werden.296 Etwas anderes gilt auch nicht etwa dann, wenn sich der Inhalt der Schiedsvereinbarung zwar an deutschem Recht messen lassen muss, weil die Schiedsvereinbarung deutschem Recht unterfällt, das deutsche Schiedsverfahrensrecht hingegen nicht anwendbar ist, weil das Schiedsverfahrensstatut nicht deutschem Recht unterfällt. Dies ist als Konsequenz der getrennten Anknüpfung dieser Fragen denkbar.297 Die Akzeptanz der Schiedsgerichtsbarkeit als einer zur staatlichen Gerichtsbarkeit gleichwertigen Rechtsschutzalternative ist nicht abhängig von der Anwendbarkeit des deutschen Schiedsverfahrensrechts. Das geltende deutsche Recht respektiert es grundsätzlich, wenn die Parteien ihr Schiedsverfahren durch die Wahl eines ausländischen Schiedsorts dem ausländischen Recht am Schiedsort verfahrensrechtlich unterworfen wissen wollen. Im Gegenzug behält sich das deutsche Recht jedoch eine Endkontrolle in den Fällen vor, in denen das deutsche Gewaltmonopol zur Vollstreckung des unter Aufsicht eines ausländi293

Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 119. Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 284; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 45. 295 Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 284; Wagner/Quinke, JZ 2005, 932, 936 haben insoweit auf eine „asymetrische Distribution der Vorteile“ hingewiesen. Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit im Handelsverkehr seien nicht zwingend auch Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit im Verbraucherverkehr. Diese Asymetrie der Interessen führe aber nicht dazu, Verbraucherschiedsvereinbarungen als unangemessene Benachteiligung zu qualifizieren. 296 Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 84. 297 S. nur Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 43 Rn. 1. 294

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

schen Schiedsverfahrensrechts zustandegekommenen Schiedsspruchs benutzt werden soll. Gerade diese schiedsverfahrensrechtliche Möglichkeit ist ja Grund für die Annahme der Gleichwertigkeit des schiedsverfahrensrechtlichen Rechtsschutzes. Denn so verbleibt die Macht zur Durchsetzung elementarer rechtlicher Vorstellungen stets bei den staatlichen Gerichten. Die Wahl des konkreten Schiedsortes und des tatsächlichen Sitzungsortes indes, sind als inhaltliche Regelungen der Schiedsvereinbarung überprüfbar.298 Insgesamt bleibt deshalb festzuhalten: Die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zur Streitentscheidung im Streitfall als Inhalt eines Rechtsgeschäfts (Schiedsvereinbarung i. e. S.) stellt für sich besehen keine unbillige Belastung einer Partei dar und kann deshalb nicht Auslöser einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB sein. Selbst wenn also eine Schiedsvereinbarung i. e. S. unter wirtschaftlichem, sozialen oder sonst wie geartetem Zwang in einer Situation zustande kommt, die durch ein Ungleichgewicht zwischen den Parteien geprägt ist, kann sich daraus die Sittenwidrigkeit nach geltendem Recht nicht ergeben. Denn es fehlt für § 138 Abs. 1 BGB an der Möglichkeit der inhaltlichen Anknüpfung.299 Das Einsetzen von Druck der überlegenen Partei gegenüber der unterlegenen Partei mit dem Ziel, eine Schiedsvereinbarung in einen Vertrag zu integrieren, ist deshalb „so legitim wie bei jeder anderen Vertragsklausel auch“ 300. Wenn also für Schiedsvereinbarungen deren Unwirksamkeit nach § 138 Abs. 1 BGB bereits deshalb diskutiert wird, weil sie in Situationen strukturellen Ungleichgewichts abgeschlossen wurden, dann beruht dies auf einer Überinterpretation des Freiwilligkeitskriteriums und einem Missverständnis der notwendigen Kontrolle zur Einhaltung der Vertragsfreiheit.301 2. Exkurs: keine entgegenstehenden Erwägungen Diese vom Gesetzgeber getroffene Einschätzung ist zu respektieren. Eine Umgehung dieser wäre nur dann berechtigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene 298

S. u. Kapitel 3 § 3 A. III. Das gilt selbstverständlich nur für die Art von Zwang, die nicht bereits für sich besehen den Vertragsmechanismus derart in Zweifel zieht, dass sie eine Aufhebung des Vertrags alleine rechtfertigen würde. S. dazu o. Kapitel 3 § 2. 300 Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 115; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 45. So schon Schlosser, in: Gottwald, Revision des EuGVÜ – Neues Schiedsverfahrensrecht, S. 188 und bereits vor Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. durch das SchiedsVfG Schlosser, ZIP 1987, 492. Vgl. Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 284. Anders Schütze, in: Wieczorek/Schütze, Bd. 11, 4. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 18 f. A. A. Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 122; Monheim, SpuRt 2014, 90, 91; wohl Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 235; zweifelnd auch Maihold, SpuRt 2013, 95, 96. Siehe zur Bedeutung dieses Ergebnisses für die Fallgruppe der Ausnutzung von Übermacht nochmal unten Kapitel 3 § 3 A. III. 2. b). 301 Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257, 263 („Argument beruht aber auf einem groben Missverständnis der Vertragsfreiheit“) und bereits oben Kapitel 2 § 2 D. I. 1. 299

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Einschätzung aus höherrangigen rechtlichen – nicht rechtspolitischen – Gründen fehlerhaft wäre. Auch wenn die Fehlerhaftigkeit der gesetzgeberischen Einschätzung teilweise behauptet worden ist302, hat sich diese Ansicht zu Recht nicht durchgesetzt.303 Mit den verfassungsrechtlichen Erwägungen zur Schiedsgerichtsbarkeit kann sich hier nicht in der Tiefe auseinandergesetzt werden. Angemerkt sei nur folgendes: Die Befugnis der Parteien, sich dem staatlichen Gerichtssystem zu entziehen, beruht unbeeinflusst von Art. 92 GG auf der Privatautonomie der Parteien.304 Art. 92 GG erfasst die Schiedsgerichtsbarkeit nicht.305 Aus dem Justizgewährungsprinzip ist kein staatliches Rechtsprechungsmonopol ableitbar.306 Der Abschluss einer Schiedsvereinbarung ist maßgeblich Ausfluss der prozessualen Privatautonomie der Parteien.307 Klar und bereits zuvor hergeleitet worden ist,308 dass von Verfassungs wegen, als Ausfluss der Privatautonomie, die in einer Situation eines starken Machtgefälles zwischen zwei Parteien benachteiligte Partei vor einer Fremdbestimmung durch die überlegene Partei zu schützen ist. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass die überlegene Partei dadurch ihrer grundrechtlich gewährleisteten Privatautonomie verlustig würde.309 Die aus dem Schutzgedanken der Privatautonomie abgeleiteten Maßstäbe zwingen die Gerichte deshalb nicht bei jedem Ungleichgewicht korrigierend einzugreifen. Ginge man so weit, wäre dies gleichbedeutend mit der Annahme, in Ungleichgewichtslagen wäre ein unfaires Ergebnis die Regel, nicht die Ausnahme. Der vom BVerfG immer wieder verwendete Begriff eines strukturellen Ungleichgewichts zwischen den Parteien ist insoweit richtigerweise auch als Klarstellung interpretiert worden, dass nicht ein jedes Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien ausreicht, um den Vertragsmechanismus in Frage stellen zu können.310 Führt man sich erneut vor Augen, dass der Abschluss eines Vertrags zwischen zwei gleich starken Vertragsparteien in der Praxis nahezu niemals

302 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 21 ff., insbes. S. 26 ff. und S. 233 ff. 303 S. insbes. Prütting, in: FS Schlosser, S. 706, der sich explizit mit der vorgenannten Arbeit auseinandersetzt. In diesem Sinne auch Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, S. 94. 304 Prütting, in: FS Schlosser, S. 706, 708; ähnlich Longrée/Putzier, MDR 2019, 391, 392. 305 Prütting, in: FS Schlosser, S. 706, 708; Longrée/Putzier, MDR 2019, 391, 392. 306 Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 91. Erg.-Lfg. 2020, Art. 92 Rn. 87. 307 Prütting, in: FS Schlosser, S. 706, 708 und bereits oben Kapitel 2 § 2 D. I. 1. a). 308 S. o. Kapitel 3 § 3 A. III. 2. a). 309 Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257, 263. 310 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, S. 275.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

vorkommt,311 wäre andernfalls eine Kontrolle des Vertrags bei jedem Vertragsschluss erforderlich. Der Schutzgedanke der Privatautonomie zwingt im Falle eines gewissen Maßes an Ungleichgewicht zu einer Kontrolle. Zu kontrollieren ist, ob der Inhalt einer Vereinbarung zwischen den Parteien nicht mehr Ausfluss der beiderseitigen Privatautonomie, sondern nur noch Folge der Übermachtstellung der einen Partei ist. Hielte man nun die zwischen strukturell ungleichen Vertragsparteien geschlossenen Schiedsvereinbarungen i. e. S. allein aufgrund ihres Abschlusses eben in dieser Situation strukturellen Ungleichgewichts für unwirksam, löste man sich erstens von der notwendigen Betrachtung des Inhalts des Rechtsgeschäfts. Zweitens bedeutete dies, man sähe jeden Abschluss einer Schiedsvereinbarung in einer solchen Situation allein als Ergebnis gerade der Ungleichgewichtslage an. Dann könnten strukturell ungleiche Parteien niemals – freiwillig – eine (Schieds-) Vereinbarung abschließen.312 Ein solches Verständnis ist weder verfassungsrechtlich vorausgesetzt, noch entspräche es dem Verständnis der geltenden Rechtsordnung. Die Rechtsordnung kennt vielmehr Situationen, die ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen den Parteien inzident voraussetzen. Zu denken ist beispielsweise an eine Vereinbarung mit einem marktbeherrschenden Unternehmen. Die Rechtsordnung verbietet entsprechende Vereinbarungen keineswegs. Sie erhebt erst dann Einwände, wenn die marktbeherrschende Stellung missbraucht wird. Wie der Gesetzgeber den Schutz der unterlegenen Partei bewerkstelligt, liegt in seinem Ermessen. Nur wenn keine oder soweit bloß unzureichende Regelungen vorhanden sind, ist der Schutz der unterlegenen Partei über die Generalklauseln des Zivilrechts sicher zu stellen. Insoweit ist ihm ein weiter Beurteilungsund Gestaltungsspielraum zuzugestehen.313 Mit seiner Konzeption des Schiedsverfahrens als zur staatlichen Gerichtsbarkeit gleichwertigen Rechtsschutzalternative, hat der Gesetzgeber diesen, ihm gegebenen, Gestaltungsspielraum ausgeübt und nicht überschritten.314 Diese Konzeption ist deshalb im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen.315 Haas hat insoweit bereits herausgearbeitet, dass keine rechtssystematischen Erwägungen gegen die Einschätzung des Gesetzgebers sprechen.316 Hervorzuheben ist dabei insbesondere, dass der Gesetzgeber die erhöhte Schutzbedürftigkeit be311 S. bspw. Weischer, Das Grundrecht auf Vertragsfreiheit und die Inhaltskontrolle von Absatzmittlungsverträgen, S. 85. 312 Vgl. Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257, 263. 313 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 – Handelsvertreter, BVerfGE 81, 242, 255; Haas, ZGR 2001, 325, 334; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 118 f. 314 Haas, ZGR 2001, 325, 335; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 119 f. 315 Haas, ZGR 2001, 325, 334. 316 Haas, ZGR 2001, 325, 335 f.

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stimmter Teilnehmer am Rechtsverkehr vor dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung i. e. S. durchaus gesehen und ihr Rechnung getragen hat. Die schiedsrichterliche Streitbeilegung ist deshalb – in gewissem Rahmen – ausgeschlossen für Streitigkeiten zwischen Mieter und Vermieter (§ 1030 Abs. 2 ZPO) sowie zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (§ 4 i.V. m. § 101 ArbGG).317 Eine Schiedsvereinbarung mit Verbrauchern ist gemäß § 1031 Abs. 5 ZPO nur unter Einhaltung der eine besondere Warnfunktion erfüllenden speziellen Form möglich.318

III. Die Schiedsverfahrensvereinbarung als Anknüpfungspunkt der Inhaltskontrolle im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB Für die Inhaltskontrolle einer Schiedsvereinbarung lässt sich andererseits anknüpfen an konkrete Abmachungen betreffend die Streitentscheidung durch das Schiedsgericht, mithin an Schiedsverfahrensvereinbarungen. Dazu gehört alles, was über die bloße Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts hinausgeht. Zu denken ist hierbei beispielsweise an Abmachungen bezüglich des Schiedsorts319, der Verfahrenssprache, der Verfahrensregeln (insbesondere über die Anwendung einer institutionellen oder ad hoc Schiedsordnung)320, Regelungen zur Beschränkung der Beweismittel321 oder der Besetzung des Schiedsgerichts.322 Darüber hinaus an Regelungen zu den Verfahrenskosten und der Kostentragung, an die Frage der Öffentlichkeit der Verhandlung, die Rolle der Schiedsinstitution und deren Organe.323 Insbesondere hinsichtlich etwaiger Vereinbarungen bezüglich der Anwendung institutioneller und ad hoc Schiedsordnungen gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Inhaltskontrolle nicht nur auf die Vereinbarung zur Anwendung der Regeln bezieht, sondern auch die Schiedsordnung selbst der Inhaltskontrolle unterliegt.324 Auch unter Anknüpfung an die konkreten inhaltlichen Abmachungen der Schiedsvereinbarung lässt sich grundsätzlich zwischen Inhalts- und Umstands317 Haas, ZGR 2001, 325, 335; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 119; vgl. auch Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 95. 318 Haas, ZGR 2001, 325, 335; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 119. 319 Schütze, in: Wieczorek/Schütze, Bd. 11, 4. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 69, dort aber zu § 307 BGB. 320 Hieran knüpft bspw. OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 44 an. 321 Schütze, in: FS Coester-Waltjen, S. 757, 766. 322 Ausführlich zu verschiedenen inhaltlichen Anknüpfungspunkten, dort jedoch im Rahmen der AGB-Kontrolle, Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 258 ff. 323 Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 43. 324 Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 218.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

sittenwidrigkeit unterschieden. Insoweit sind Fälle denkbar, in denen die Sittenwidrigkeit alleine aus den inhaltlichen Bestimmungen der Schiedsverfahrensvereinbarung gefolgert werden kann. Ebenso sind Fälle denkbar, in denen sich die Sittenwidrigkeit der Schiedsverfahrensvereinbarung erst unter Hinzunahme ihrer Umstände ergibt. Zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist die Schiedsverfahrensvereinbarung grundsätzlich im Gesamtzusammenhang, in dem sie steht, zu betrachten.325 1. Sittenwidrigkeit von Schiedsverfahrensvereinbarungen allein aufgrund ihrer inhaltlichen Bestimmungen Schiedsverfahrensvereinbarungen können allein aufgrund ihres Inhalts sittenwidrig sein.326 Wie bereits ausgeführt, sind für die Sittenwidrigkeit besonders innerrechtliche Wertungen und Prinzipien von Bedeutung. § 138 Abs. 1 BGB dient insoweit als „Einfallstor“ der Verfassungsordnung, insbesondere der Grundrechte, ins Privatrecht.327 Schiedsvereinbarungen sind dabei von besonderer verfassungsrechtlicher Relevanz. Denn nicht nur sind sie – wie alle Rechtsgeschäfte – Auswuchs der Privatautonomie der Parteien. Mit der Schiedsvereinbarung verzichten die Parteien privatautonom auf ihren grundgesetzlich garantierten Justizgewährungsanspruch. Dass dies grundsätzlich zulässig ist, steht zwar heute außer Frage.328 Erstmals im Jahr 1989 hat der BGH jedoch herausgestellt, dass auch das Rechtsstaatsprinzip ein durch § 138 Abs. 1 BGB geschütztes Prinzip darstellt.329 Der Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten ist insoweit nicht grenzenlos möglich. Der BGH hat mehrfach betont, aus dem Rechtsstaatsprinzip folge für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes.330 Zulässig ist es lediglich, den effektiven Rechtsschutz durch die Verweisung auf ein Schiedsgericht in seiner Ausgestaltung abzubedingen, nicht aber in seiner Substanz.331 325 S. o. Kapitel 2 § 1 B. III. 4., siehe auch Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 312 f. 326 So jetzt auch Otto, ZGR 2019, 1082, 1091. 327 S. o. Kapitel 3 § 3 A. und nochmal BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 338; BGH, Urt. v. 06.04.2009 – II ZR 255/08 – „Schiedsfähigkeit II“, BGHZ 180, 221, 228 Rn. 17 und Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 41. 328 S. o. Kapitel 2 § 2 D. I. 1. a). 329 BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 338. Dazu Walter, JZ 1989, 590. 330 BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 338; BGH, Urt. v. 06.04.2009 – II ZR 255/08 – „Schiedsfähigkeit II“, BGHZ 180, 221, 228 Rn. 17; Nassall, in: jurisPK-BGB, Bd. 1, 9. Aufl. 2020, § 138 Rn. 299. 331 BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 339; BGH, Urt. v. 06.04.2009 – II ZR 255/08 – „Schiedsfähigkeit II“, BGHZ 180, 221, 228, Rn. 18; BGH,

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Im Fall einer übermäßigen Einschränkung des Rechtsschutzes hat der BGH Schiedsvereinbarungen wiederholt für mit § 138 Abs. 1 BGB unvereinbar erklärt.332 Entscheidend kommt es also auf die Abmachungen zur konkreten Ausgestaltung des Schiedsverfahrens an.333 Eine solche übermäßige Einschränkung sollte vorliegen, wenn die Vereinbarung einer Schiedsklausel dazu führte, dass eine Partei benachteiligt beziehungsweise ihr der notwendige Rechtsschutz entzogen wurde.334 Mit Beschluss vom 16.04.2015 hat der BGH diese Grundsätze auch auf Verfahrensvereinbarungen erstreckt, die von den Parteien zur Durchführung der Schiedsvereinbarung getroffen worden sind.335 Jedenfalls die meisten dieser Entscheidungen des BGH sind allerdings zum alten Schiedsverfahrensrecht ergangen.336 Noch in der Findung befindet sich der Maßstab, an dem gemessen eine übermäßige Einschränkung festgestellt werden kann.337 In seinen Entscheidungen zur „Schiedsfähigkeit“ von Beschlussmängelstreitigkeiten in der GmbH hat der BGH die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen von einer dem Rechtsschutz durch staatliche Gerichte gleichwertigen Ausgestaltung des schiedsgerichtlichen VerBeschl. v. 16.04.2015 – I ZB 3/14, NJW 2015, 3234, 3237 Rn. 28; Otto, ZGR 2019, 1082, 1088; Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 714; Schmidt-Räntsch, in: Erman-BGB, Bd. I, 16. Aufl. 2020, § 138 Rn. 135a; Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 152; siehe auch Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 44. 332 BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 339 ff. Der BGH hielt dabei schon die Vereinbarung einer Schiedsklausel überhaupt für eine Einschränkung des Rechtsschutzes. Davon wird man heute nicht mehr ausgehen können, s. o. BGH, Urt. v. 06.04.2009 – II ZR 255/08 – „Schiedsfähigkeit II“, BGHZ 180, 221, 230 Rn. 23. Siehe auch BGH, Beschl. v. 16.04.2015 – I ZB 3/14, NJW 2015, 3234, 3237 Rn. 28, auch wenn die Schiedsvereinbarung im konkreten Fall der Kontrolle stand hielt; Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 207; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rn. 15. Dem folgend Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 44 in Fn. 177; Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 283 f.; Nassall, in: jurisPK-BGB, Bd. 1, 9. Aufl. 2020, § 138 Rn. 300; Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 714; Schmidt-Räntsch, in: Erman-BGB, Bd. I, 16. Aufl. 2020, § 138 Rn. 135a. 333 Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 42. Vgl. hierzu die Auflistung möglicher Klauselgestaltungen bei Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 223 ff. Siehe zur Ausgestaltung der (Sport-)Schiedsverfahren vor dem CAS ausführlich Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 159 ff., 208 ff., 218 ff. 334 BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 339; BGH, Urt. v. 06.04.2009 – II ZR 255/08 – „Schiedsfähigkeit II“, BGHZ 180, 221, 228 Rn. 18; BGH, Beschl. v. 16.04.2015 – I ZB 3/14, NJW 2015, 3234, 3237 Rn. 28. 335 BGH, Beschl. v. 16.04.2015 – I ZB 3/14, NJW 2015, 3234, 3237 Rn. 28. 336 Siehe BGH, Urt. v. 06.04.2009 – II ZR 255/08 – „Schiedsfähigkeit II“, BGHZ 180, 221, 225 Rn. 11, die zeitlich nach Inkrafttreten des SchiedsVfG liegt; unklar in BGH, Beschl. v. 16.04.2015 – I ZB 3/14, NJW 2015, 3234. 337 Vgl. Eichel, IPRax 2010, 219, 223 („Leitbild für Schiedsverfahrensvereinbarungen ist das Verfahrensrecht ihres Statuts“); Eichel, ZZP 2016, 327, 341 f.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

fahrens, also einem Mindeststandard an Mitwirkungsrechten und damit Rechtsschutzmöglichkeiten der Parteien abhängig gemacht.338 In einer späteren Entscheidung sprach der BGH dann vom „Grundsatz einer dem Rechtsschutz durch staatliche Gerichte gleichwertigen Ausgestaltung des schiedsrichterlichen Verfahrens“.339 Die konkreten Anforderungen können dabei je nach Streitigkeit unterschiedlich sein.340 Einige Beispiele: Eine übermäßige Einschränkung des Rechtsschutzes hat der BGH bejaht, wenn eine Schiedsklausel u. a. einer Partei, erstens, allein das Recht einräumt, zu entscheiden, ob ein ordentliches Gerichtsverfahren oder ein Schiedsverfahren durchgeführt werden soll, zweitens, diese Partei alleine den einzigen Schiedsrichter auswählen darf und drittens, der Schiedsvertrag vorsieht, dass der Streitwert eines Verfahrens auf 7.000 DM begrenzt ist und nicht mehr als ein Verfahren gleichzeitig geführt werden darf.341 Wenn also eine Häufung von unfairen Verfahrensbestimmungen vorliegt und sich zwischen wirksamen und unwirksamen Bestandteilen der Hauptvereinbarung nicht mehr unterscheiden lässt.342 Eine übermäßige Einschränkung des Rechtsschutzes kann auch dann vorliegen, wenn eine Schiedsvereinbarung für Beschlussmängelstreitigkeiten nicht die dafür erforderlichen Mindestvoraussetzungen erfüllt.343 Unwirksam soll eine Schiedsvereinbarung darüber hinaus sein können, wenn ein Schiedsort deshalb gewählt wurde, um dem anderen weit entfernt beheimateten Vertragsteil die Wahrung seiner Rechte erheblich zu erschweren.344

338 BGH, Urt. v. 06.04.2009 – II ZR 255/08 – „Schiedsfähigkeit II“, BGHZ 180, 221, 226; bestätigt in BGH, Beschl. v. 16.04.2015 – I ZB 3/14, NJW 2015, 3234, 3236; vgl. BGH, Urt. v. 29.03.1996 – II ZR 124/95 – Schiedsfähigkeit I, BGHZ 132, 278, 282; in diesem Sinne im Rahmen der AGB-Kontrolle auch Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 246 f. Siehe hierzu ausführlich Otto, ZGR 2019, 1082, 1093 ff. 339 BGH, Beschl. v. 16.04.2015 – I ZB 3/14, NJW 2015, 3234, 3238 Rn. 36. So auch das LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 106, wenn es einen abstrakten Vergleich zwischen dem Verfahren nach der ZPO einerseits, der DIS-SportSchO andererseits anstellt; diesem Ansatz zustimmend Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280, 284, der sich jedoch gegen eine übermäßig strenge Anwendung dieses Vergleichsmaßstabs ausspricht. 340 BGH, Beschl. v. 16.04.2015 – I ZB 3/14, NJW 2015, 3234, 3236 Rn. 13 einerseits, Rn. 16 andererseits. 341 BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 339 ff.; Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 284. 342 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 45; Mäsch, in: FS Schlosser, S. 529, 532. 343 BGH, Urt. v. 06.04.2009 – II ZR 255/08 – „Schiedsfähigkeit II“, BGHZ 180, 221, 228 Rn. 20; Schmidt-Räntsch, in: Erman-BGB, Bd. I, 16. Aufl. 2020, § 138 Rn. 135a. Siehe hierzu allerdings Otto, ZGR 2019, 1082, 1101 ff., der überzeugend gezeigt hat, dass dies entgegen der Lösung des BGH überwiegend keine Frage des § 138 BGB ist. 344 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 45.

§ 3 Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen

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Eine Schiedsverfahrensvereinbarung wird man auch dann als sittenwidrig beurteilen müssen, wenn durch sie die strukturelle Unabhängigkeit des Schiedsgerichts in Zweifel gestellt wird. Denn die Unabhängigkeit des Gerichts ist eine der Kernvoraussetzungen, um der Schiedsgerichtsbarkeit den Stellenwert materieller Rechtsprechung zumessen zu können.345 So ist dies schon zum alten Schiedsverfahrensrecht vertreten worden. Bereits da kam es auf ein Hinzutreten von weiteren Umständen nicht mehr an.346 An dem Gedanken hat sich im Grundsatz nichts geändert.347 Hingegen soll es sich um keine übermäßige Einschränkung des Rechtsschutzes handeln, wenn die Parteien vereinbaren, dass ein Abhilfeverfahren wegen eines Verstoßes des Schiedsgerichts gegen den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Schiedsspruchs eingeleitet werden muss.348 Denn es bleibe einer Partei unbenommen, den Gehörverstoß nach einem erfolglosen Abhilfeverfahren beim Schiedsgericht im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens als Verstoß des Schiedsgerichts gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. b 2. Fall ZPO) und damit den inländischen ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO) geltend zu machen.349 Zwar bestehe diese Möglichkeit nicht mehr, wenn eine Partei einen Gehörsverstoß nicht oder nicht fristgerecht im Rahmen des Abhilfeverfahrens geltend gemacht habe. Dadurch werde der Rechtsschutz der Partei jedoch nicht übermäßig eingeschränkt. Denn eine solche Frist sei sachgerecht und entspreche dem Zusammenspiel der gesetzlichen Regelungen des § 321a ZPO und des § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG, die für die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ebenfalls eine zweiwöchige Frist vorsähen.350 Ebenso keine übermäßige Einschränkung des Rechtsschutzes soll durch eine Regelung vorliegen, die vorsieht, dass Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein zu erfolgen habe. Auch dies sähen vergleichbare Regelungen des staatlichen Gerichtsverfahrens vor.351 Eine Beschränkung der Beweismittel auf Urkunden, die die Parteien ohne Zwang vereinbaren, soll nach Ansicht Schützes mit rechtsstaatlichen Mindest345

S. u. Kapitel 4 § 2 C. I. 2. S. o. Kapitel 2 § 1 B. 347 Zu beachten ist aber, dass sich § 1034 Abs. 2 ZPO in diesem Punkt auf § 138 BGB auswirkt, s. u. Kapitel 4 § 3 B. 348 BGH, Beschl. v. 16.04.2015 – I ZB 3/14, NJW 2015, 3234, 3237 Rn. 29; Nassall, in: jurisPK-BGB, Bd. 1, 9. Aufl. 2020, § 138 Rn. 302; Schmidt-Räntsch, in: ErmanBGB, Bd. I, 16. Aufl. 2020, § 138 Rn. 135a. 349 BGH, Beschl. v. 16.04.2015 – I ZB 3/14, NJW 2015, 3234, 3238 Rn. 29 f. 350 BGH, Beschl. v. 16.04.2015 – I ZB 3/14, NJW 2015, 3234, 3238 Rn. 31–34. 351 BGH, Beschl. v. 16.04.2015 – I ZB 3/14, NJW 2015, 3234, 3238 Rn. 36 f.; Nassall, in: jurisPK-BGB, Bd. 1, 9. Aufl. 2020, § 138 Rn. 302; Schmidt-Räntsch, in: Erman-BGB, Bd. I, 16. Aufl. 2020, § 138 Rn. 135a. 346

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

standards zu vereinbaren sein, anerkenne doch auch der staatliche Zivilprozess Beweismittelbeschränkungsverträge.352 Selbst wenn eine Einschränkung des Rechtsschutzes aber nicht so übermäßig ist, dass bereits aus ihr die Sittenwidrigkeit der Schiedsvereinbarung gefolgert werden kann, können diese dennoch im Lichte der Umstände als sittenwidrig zu bewerten sein.353 2. Sittenwidrigkeit von Schiedsverfahrensvereinbarungen aufgrund ihrer inhaltlichen Bestimmungen unter Hinzunahme ihrer Umstände – insbesondere das Ausnutzen von Übermacht Ergibt sich die Sittenwidrigkeit einer Schiedsverfahrensvereinbarung nicht allein aus ihrem Inhalt, kann das Hinzutreten von Umständen die Sittenwidrigkeit begründen. Entsprechende Umstände sind mannigfaltig. Hierzu haben sich im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB eine Vielzahl von Fallgruppen entwickelt.354 Für Schiedsvereinbarungen hat insbesondere die Fallgruppe der Ausnutzung von Übermacht ihre Relevanz. Das haben die Entscheidung des LG München I im Pechstein-Verfahren und die durch sie ausgelösten Diskussionen jüngst eindrucksvoll bewiesen. a) § 138 Abs. 1 BGB schützt die unterlegene Partei vor der Ausnutzung der Übermacht durch die überlegene Partei § 138 Abs. 1 BGB schützt insbesondere auch vor einem Missbrauch der Privatautonomie.355 Von diesem Gedanken ausgehend schützt § 138 Abs. 1 BGB nach einhelliger Meinung Vertragsparteien vor der Ausnutzung von Übermacht durch die andere Vertragspartei.356 Kernbestandteil der Privatautonomie357 ist die Vertragsfreiheit358, als der Hauptform der privatautonomen Gestaltung von Rechtsverhältnissen359 auf die 352

Schütze, in: FS Coester-Waltjen, S. 757, 766. Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 284. 354 S. bereits oben Kapitel 3 in und bei Fn. 240. 355 S. o. Kapitel 3 bei und in Fn. 238. 356 Ellenberger, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 138 Rn. 24. Allgemein zur Fallgruppe der „Abwehr der Ausnutzung von Übermacht“ s. Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 86 ff. 357 S. ausführlich zum Rechtsbegriff der Privatautonomie Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 13 ff. mit zahlr. Nachw.; zu den Ungleichgewichtslagen s. ausführlich zuletzt Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht. 358 Busche, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 7. Aufl. 2020, Rn. C4; Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 67; Köhler, BGB AT, 44. Aufl. 2020, § 5 Rn. 1; Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl. 2004, § 34 Rn. 22; Zöllner, in: FS Bydlinski, S. 517; vgl. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 29. 353

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jedes Rechtssubjekt angewiesen ist.360 Die Vertragsfreiheit überlässt jedem Einzelnen die Entscheidung des Vertragsschlusses.361 Sie setzt sich insbesondere zusammen aus der Abschlussfreiheit, also der Freiheit der Entscheidung ob und mit wem ein Vertrag geschlossen werden soll, und der Inhaltsfreiheit, also der Freiheit, welchen Inhalts der Vertrag sein soll.362 Privatautonomie und Vertragsfreiheit sind als für die heutige Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung unverzichtbare Grundwerte363 und als zivilrechtliches Pendant zur Handlungsfreiheit364 verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG abgesichert365. Verfassungsrechtlich abgesichert ist also nicht nur, und das entspricht nahezu einhelliger Auffassung, die Idee der Selbstbestimmung, sondern auch die zu ihrer Verwirklichung notwendigen Instrumente.366 So haben die Schöpfer des BGB diesem eine formale Vertragsfreiheit zugrunde gelegt, bei der sich der Staat „lediglich“ auf die Gewährleistung des zur Anerkennung notwendigen Instrumentariums konzentriert367 und sich gewissermaßen wie ein Notar allein auf die Anerkennung und Durchsetzung des ausgehandelten Interessenausgleichs zurückzieht368, sich in materieller Hinsicht jedoch auf die Setzung lediglich der äußersten Grenzen dessen beschränkt, was in privatautonom zulässiger Weise vereinbart werden kann369. Ob das Ergebnis der Vertragsfreiheit innerhalb dieser wenigen Grenzen gerecht oder richtig ist, ist von den Schöpfern des BGB unbeachtet geblieben.370 359 BVerfG, Urt. v. 06.02.2001 – 1 BvR 12/92 – Unterhaltsverzicht, NJW 2001, 957, 958; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 29, 37; Flume, BGB AT II, S. 7; Habersack, AcP 189 (1989), 403, 405. 360 Habersack, AcP 189 (1989), 403, 405. 361 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1; Köhler, BGB AT, 44. Aufl. 2020, § 5 Rn. 1. 362 Flume, BGB AT II, S. 12; Köhler, BGB AT, 44. Aufl. 2020, § 5 Rn. 1. 363 Olzen, in: Staudinger, BGB, Buch 2, Neubearb. 2019, Einleitung zum Schuldrecht Rn. 49; vgl. Becker, Grenze zwischen AGB und Individualvereinbarung, S. 10. 364 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 91. Erg.-Lfg. 2020, Art. 2 Rn. 101. 365 St. Rspr.: BVerfG, Beschl. v. 12.11.1958 – 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57, BVerfGE 8, 274, 328; BVerfG, Beschl. v. 16.05.1961 – 2 BvF 1/60, BVerfGE 12, 341, 347; BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 231; s. auch Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 22; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 91. Erg.-Lfg. 2020, Art. 2 Rn. 101; Köhler, BGB AT, 44. Aufl. 2020, § 5 Rn. 1; Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl. 2004, § 34 Rn. 22; Thüsing, RdA 2005, 257, 258; Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45, 50. 366 Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 3. 367 S. nur Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 50, 74; Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 5, 6; s. auch Becker, Grenze zwischen AGB und Individualvereinbarung, S. 11 m.w. N. in Fn. 74; Singer, JZ 1995, 1133, 1137 und Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45, 47. 368 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 50. 369 Becker, Grenze zwischen AGB und Individualvereinbarung, S. 11; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 74; Köhler, BGB AT, 44. Aufl. 2020, § 5 Rn. 2. 370 Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 5; Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S. 103;

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Nicht jedoch aus Gleichgültigkeit vor dem Ergebnis, sondern, so drückt es Busche aus, aus Überschätzung der Leistungsfähigkeit des Vertrags als Instrument privatautonomer Rechtsgestaltung.371 Ob oder dass der Vertrag objektiv gerecht oder richtig ist, darauf kommt es nach der insbesondere von Raiser372 und Flume373 vertretenen sog. Selbstbestimmungstheorie374 für seine Anerkennung auch überhaupt nicht an. Dem Grundgedanken der Selbstbestimmung folgend, soll allein die Tatsache, dass der Vertrag von den Parteien gewollt ist, Geltungsgrund des Vertrags sein.375 Dass beide Parteien selbstbestimmt in den Vertragsinhalt einwilligen und so jeder Einzelne kraft dieser Selbstbestimmung den Inhalt des Vertrags als verbindlich anerkennt, ist die Grundidee des Vertrags.376 Die Rechtsordnung muss deshalb den privatautonom entstandenen Vertragsinhalt anerkennen, unabhängig davon, ob dieser objektiv betrachtet vernünftig und richtig ist oder nicht.377 Nach der Idee der von Schmidt-Rimpler begründeten Lehre von der Richtigkeitsgewähr378, kommt jedoch dem Vertragsmechanismus, also dem Weg zum s. auch Becker, Grenze zwischen AGB und Individualvereinbarung, S. 11 und Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 67. 371 Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 50; Busche, in: MüKoBGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 5. 372 Raiser, in: FS Deutscher Juristentag, S. 101, 119. 373 Flume, in: FS Deutscher Juristentag, S. 135 ff.; Flume, BGB AT II, S. 1 ff. 374 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 36 ff. 375 Flume, in: FS Deutscher Juristentag, S. 135, 141. 376 Flume, BGB AT II, S. 7. 377 Flume, BGB AT II, S. 8; vgl. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S. 107. 378 Die Lehre von der Richtigkeitsgewähr hat in der Literatur große Zustimmung erfahren, siehe nur: Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 6; Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S. 62 f., der die Frage nach der Rechtfertigung der Rechtsgestaltung durch Vertrag für dadurch endgültig gelöst hält; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 12 f.; Thüsing, RdA 2005, 257, 259 der den Gedanken der Richtigkeitsgewähr und die von ihr ausgehende Indizwirkung des Willens der Parteien für heute allgemein akzeptiert hält, national wie international. Kritik (Becker, Grenze zwischen AGB und Individualvereinbarung, S. 14) hat ihr eingebracht, dass sie, jedenfalls in der ursprünglichen Version, von der Annahme ausgeht, dass Privatautonomie als Rechtsquelle gerade nicht in Betracht kommt (Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 159, 163). Vielfach ist davon ausgegangen worden, die Selbstbestimmungstheorie und die Lehre von der Richtigkeitsgewähr stünden sich als unvereinbar gegensätzliche Positionen der Vertragstheorie gegenüber (insbesondere von den Begründern selbst, Nw. bei Becker, Grenze zwischen AGB und Individualvereinbarung, S. 15; s. auch Habersack, AcP 189 (1989), 403, 408). Bei genauer Betrachtung und Auseinanderhalten der verschiedenen Ebenen, auf denen sich Selbstbestimmungstheorie und Lehre von der Richtigkeitsgewähr bewegen, zeigt sich jedoch, dass beide Ansätze nicht in dem lange behaupteten Widerspruch stehen, sondern sich vielmehr ergänzen. Stellt die Selbstbestimmungstheorie nämlich heraus, dass das Vertragsergebnis allein deshalb anerkannt wird, weil es die

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Abschluss eines Vertrags, und damit dann auch dem Vertragsinhalt eine gewisse Richtigkeitsgewähr379 zu. Denn die Parteien nehmen aufgrund ihrer gegenläufigen Interessen Belastungen nur dort hin, wo ihnen auf der anderen Seite ein Vorteil entsteht, weshalb man davon ausgehen kann, dass die Parteien das für sie Richtige vereinbaren.380 Der Vertrag ist also Ergebnis eines Vertragsmechanismus, im Zuge dessen die Parteien durch gegenseitiges Einwirken ihre Interessen ausgleichen und sich auf das für beide Seiten Tragbare verständigen.381 Er markiert also den Punkt, an dem die Interessen der Parteien in dieser Vertragssituation zum Ausgleich gekommen sind und ist deshalb das Vernünftige.382 Deswegen kommt dem Willen der Parteien eine Indizwirkung für einen angemessenen Vertrag zu.383 Die Rechtsordnung vertraut dieser Indizwirkung und schützt deshalb mit der Vertragsfreiheit die Entscheidung der Parteien.384 Sie lässt das Vereinbarte deshalb gelten, weil zwei selbstbestimmte Parteien vereinbart haben, dass es so sein soll.385 Einigkeit besteht seit jeher und über alle Grenzen von (Vertrags-)Theorien hinweg darüber, dass eine der größten Gefahren für die Verwirklichung der Vertragsfreiheit Machtgefälle zwischen den Vertragsparteien darstellen. Solche Ungleichgewichtslagen seien – so sagt es Zöllner – ein „Uraltgut vertragstheoretischer Erwägungen“.386 Noch vor Inkrafttreten des BGB hat Otto von Gierke im Jahr 1889 darauf hingewiesen, dass die Vertragsfreiheit eine „furchtbare Waffe in der Hand des Starken“, jedoch „ein stumpfes Werkzeug in der Hand des Schwachen“ sei, „ein Mittel der Unterdrückung des einen durch den anderen“.387 Parteien wollen, nicht weil es richtig wäre, begründet die Lehre von der Richtigkeitsgewähr, wieso die Richtigkeit des Vertragsergebnisses nicht mehr in Frage gestellt werden muss (Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 54; Habersack, AcP 189 (1989), 403, 409). 379 Der Begriff ließe sich als unpräzise beschreiben. Schmidt-Rimpler selbst hat später eingeräumt, dass man wohl eher von einer Richtigkeitschance denn einer -gewähr sprechen müsste. Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, S. 3, 12, will dies aus ästhetischen Gründen aber nicht tun. 380 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 151; seine Ansicht selbst zusammenfassend Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, S. 3, 4 ff. 381 Thüsing, RdA 2005, 257, 259. 382 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 15. 383 Thüsing, RdA 2005, 257, 259. 384 St. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 – Handelsvertreter, BVerfGE 81, 242, 254; BVerfG, Urt. v. 06.02.2001 – 1 BvR 12/92 – Unterhaltsverzicht, NJW 2001, 957, 958; s. auch Thüsing, RdA 2005, 257, 259. 385 Flume, BGB AT II, S. 7. 386 Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 15. S. auch die dortige historische Betrachtung. 387 Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, S. 28 f., zitiert nach Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 54. Gegenstand kritischer, wissenschaftlicher Hinterfragung wurden Ungleichgewichtslagen dann ab Mitte der 1970er-Jahre insbesondere in den Beiträgen von Zöllner (Zöllner, AcP 176 (1976), 221 und Zöllner, AcP 196 (1996), 1, s. hier S. 15 ff. für die

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Auch Schmidt-Rimpler hatte schon erkannt und betont, dass die dem Vertragsmechanismus von ihm zugesprochene Richtigkeitsgewähr nur eine sehr begrenzte ist.388 Das von ihm entwickelte Theorem gilt ausdrücklich nur für einen Zustand von Idealbedingungen.389 Die Parteien sind nämlich lange nicht immer in der Lage, im Vertragsmechanismus für eine ausreichende Durchsetzung ihrer Interessen zu sorgen. Sei es, weil sie ihre Situation nicht richtig einschätzen können, weil sie etwas Unvernünftiges wollen390 oder weil ihnen schlicht die Macht zur Durchsetzung ihrer Interessen fehlt. Denn der von den Parteien vorzunehmende und durch den Vertragsmechanismus erhoffte Interessenausgleich ist gleichsam immer auch ein Machtausgleich.391 Wobei es nicht wirklich um einen Ausgleich der Macht, denn vielmehr um einen Machtkampf geht.392 Dieser Machtausgleich kann zwischen den Parteien aber nur gelingen, wenn ein gewisses Gleichgewicht der Kräfte gewährleistet ist.393 Besteht ein solches nicht, so besteht die Gefahr, dass die schwächere Seite ihre Interessen nicht mehr durchsetzen kann und Verträge letztlich in Fremdbestimmung münden394. Diesen Gedanken hat dann auch das Bundesverfassungsgericht zunächst 1990 in seiner Handelsvertreter-Entscheidung395 aufgegriffen, ihn dann immer wieder bestätigt und vertieft396 und mit ihm der allzu formalen Sicht des BGH auf die

historische Betrachtung), Rittner (Rittner, AcP 188 (1988), 101) und Coester-Waltjen (Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1) sowie den Habilitationsschriften von Hönn (Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität), v. Stebut (Stebut, Der soziale Schutz als Regelungsproblem des Vertragsrechts), Fastrich (Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht) und Preis (Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht) (Zusammenstellung aus Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 15). 388 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 165; Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, S. 3, 12 ff., wo dieser auch zugibt, dass es deshalb zutreffender wäre von einer Richtigkeitschance zu sprechen; vgl. Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 15. 389 Limbach, JuS 1985, 10, 12 g. a. E., f. 390 Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 15. 391 So erstmals, in Erwiderung der Lehre von der Richtigkeitsgewähr, Raiser, in: FS Deutscher Juristentag, S. 101, 118; dies bestätigend dann Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, S. 3, 13. 392 Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, S. 3, 13 dort in Fn. 54. 393 Raiser, in: FS Deutscher Juristentag, S. 101, 118; Köhler, BGB AT, 44. Aufl. 2020, § 5 Rn. 2; vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 233. 394 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 233 f.; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 46 f.; vgl. Thüsing, RdA 2005, 257, 258. 395 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 – Handelsvertreter, BVerfGE 81, 242. 396 S. insbes. BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214 und BVerfG, Urt. v. 06.02.2001 – 1 BvR 12/92 – Unterhaltsverzicht, NJW 2001, 957; bestätigend auch BVerfG, Beschl. v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06 – Arbeit auf Abruf, NZA 2007, 85, 87.

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Privatautonomie eine klare Absage erteilt397. Dort, wo es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Parteien fehle, könne ein sachgerechter Interessenausgleich zwischen den Parteien nicht schon allein durch den Vertragsmechanismus gewährleistet werden.398 Das BVerfG baut damit, wie auch der Paritätsgedanke insgesamt, auf der Lehre von der Richtigkeitsgewähr auf, begründet es doch, wieso die zu erwartende Selbstregulierung der Privatautonomie in bestimmten Fällen versagt.399 Positiv gesagt, die Vertragsfreiheit kann nur im Falle eines annähernd ausgewogenen Kräfteverhältnisses Gewähr für einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien übernehmen.400 Denn, so das BVerfG, habe der eine Vertragsteil ein so starkes Übergewicht, dass er vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen könne, so bewirke dies für den anderen Teil Fremdbestimmung401. In einer solchen Situation sei mit den Mitteln des Vertragsrechts ein sachgerechter Ausgleich der Interessen zwischen den Vertragsparteien nicht mehr zu gewährleisten402, mit anderen Worten, die Richtigkeitsgewähr des durch das Vertragsrecht und seiner Bedingung der beiderseitigen Zustimmung gesicherten Vertragsmechanismus ist nicht mehr gegeben. Die auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruhende Privatautonomie setze daher voraus, dass die Bedingungen der Selbstbestimmung des Einzelnen auch tatsächlich gegeben seien.403 Werde in einer Ungleichgewichtslage über grundrechtlich verbürgte Positionen verfügt, so müssten staatliche Regelungen ausgleichend eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern und um sicherzustellen, dass sich die Selbstbestim-

397 S. zur BGH-Rspr. vor der Handelsvertreter-Entscheidung Ackermann, in: FS Schlick, S. 89, 91 und die dortigen Nachweise in Fn. 11 und 12; vgl. auch Mayer-Maly, AcP 194 (1994), 105, 152 ff. und Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, S. 266 mit entspr. Nachw. 398 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 – Handelsvertreter, BVerfGE 81, 242, 254. 399 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 216. 400 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 233; BVerfG, Urt. v. 06.02.2001 – 1 BvR 12/92 – Unterhaltsverzicht, NJW 2001, 957, 958. 401 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 – Handelsvertreter, BVerfGE 81, 242, 255; BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 232; BVerfG, Urt. v. 06.02.2001 – 1 BvR 12/92 – Unterhaltsverzicht, NJW 2001, 957, 958; s. auch Thüsing, RdA 2005, 257, 258 („Unfreiheit durch den oktroyierten Vertrag“). 402 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 – Handelsvertreter, BVerfGE 81, 242, 255. 403 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 – Handelsvertreter, BVerfGE 81, 242, 255; bestätigend und vertiefend dann insbes. BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 232; BVerfG, Urt. v. 06.02.2001 – 1 BvR 12/92 – Unterhaltsverzicht, NJW 2001, 957, 958; BVerfG, Beschl. v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06 – Arbeit auf Abruf, NZA 2007, 85, 87; vgl. Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 3.

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mung der einen Vertragspartei nicht als Fremdbestimmung für die andere Vertragspartei niederschlägt. Dies folge aus der grundrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG).404 Funktioniert die, eingangs beschriebene, Ordnungsfunktion405 der Privatautonomie also nicht mehr, muss die Rechtsordnung die Erfüllung dieser Ordnungsaufgabe auf andere Weise sicherstellen.406 Allerdings sei dabei zu beachten, dass jede Begrenzung der Vertragsfreiheit zum Schutze des einen Teils gleichzeitig in die Freiheit des anderen Teils eingreife. Diesen konkurrierenden Grundrechtspositionen sei ausgewogen Rechnung zu tragen.407 Dies entspricht dem Konzept der praktischen Konkordanz.408 Mit der Bürgschaftsverträge I-Entscheidung sowie insbesondere der Entscheidung Unterhaltsverzicht bestätigte und vertiefte das BVerfG 1993 und 2001 sein in der Handelsvertreter-Entscheidung gefundenes Ergebnis. 1993 sprach es dann auch erstmalig von Situationen struktureller Unterlegenheit409, ohne diesen Begriff jedoch näher zu erläutern, was es dann 2001 im Ansatz nachholte, indem es vereinzelte Kriterien aufstellte410, die Füllung des Begriffs mit Inhalt aber im Wesentlichen auf den Gesetzgeber übertrug411. Die Gerichte dürften sich für solche Situationen nicht mit der Feststellung begnügen: „Vertrag ist Vertrag“. Vielmehr sei es ihre Aufgabe zu klären, ob die Regelung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sei, und gegebenenfalls mittels der Generalklauseln

404 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 – Handelsvertreter, BVerfGE 81, 242, 255; BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 232; BVerfG, Urt. v. 06.02.2001 – 1 BvR 12/92 – Unterhaltsverzicht, NJW 2001, 957, 958 hier i.V. m. Art. 6 Abs. 4; ausführlich Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 259 ff.; vgl. auch Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 91. Erg.-Lfg. 2020, Art. 2 Rn. 108; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 60. 405 Becker, Grenze zwischen AGB und Individualvereinbarung, S. 9; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 55, 60; Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 14. 406 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 56. 407 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 – Handelsvertreter, BVerfGE 81, 242, 255. 408 Ausdrücklich BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 232; Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl. 2004, § 42 Rn. 2; sehr kritisch zur Handelsvertreter- und Bürgschafts-Entscheidung des BVerfG Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 4 ff., der eine Einwirkung der Grundrechte auf Schuldverträge ablehnt. 409 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 232. 410 BVerfG, Urt. v. 06.02.2001 – 1 BvR 12/92 – Unterhaltsverzicht, NJW 2001, 957, 958 ff. 411 BVerfG, Beschl. v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06 – Arbeit auf Abruf, NZA 2007, 85, 87.

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des geltenden Zivilrechts korrigierend einzugreifen.412 Woher das Gericht den Zusatz „strukturell“ nahm, wird nicht deutlich und teilweise stark kritisiert.413 Es lässt sich trefflich über nahezu alles Vorgesagte streiten. Über Ursprung, Hintergrund, Legitimation und Bedeutung der Privatautonomie und mit ihr der Vertragsfreiheit. Es lässt sich streiten über den Zusammenhang zwischen Vertragsmechanismus und Vertragsgerechtigkeit oder darüber, inwieweit sich durch den Vertragsmechanismus ein richtiges Ergebnis einzustellen vermag und auch, aus welcher Perspektive diese Richtigkeit zu beurteilen ist. Und natürlich auch darüber, ob das Kriterium des Ungleichgewichts richtigerweise Aufgreifkriterium der Vertragskontrolle sein kann und eine solche zu rechtfertigen vermag. All diese Fragen sollen hier aber nicht weiter diskutiert werden. Auf sie will die Arbeit keine neuen Antworten suchen. Vielmehr nimmt die Arbeit hin, dass trotz aller möglichen Fragen heute im Ergebnis in dreierlei Hinsicht Einigkeit besteht: Erstens dahingehend, dass die Vertragsfreiheit nur im Falle eines annähernd ausgewogenen Kräfteverhältnisses zwischen den Vertragsparteien ausreichend Gewähr für einen angemessenen und anerkennungswürdigen Interessenausgleich bietet.414 Alle Abgrenzungsschwierigkeiten und Schwächen des Begriffs können nichts an der Existenz evidenter Ungleichgewichtslagen ändern, die Anlass für die Einschränkung der Privatautonomie geben.415 Deshalb oder jedenfalls im Ergebnis hat sich der Begriff der strukturellen Ungleichgewichtslage bis heute gehalten, ja als Rechtsbegriff und Aufgreifkriterium zur Vertragskontrolle weitestgehend durchgesetzt.416 Zweitens dahingehend, dass der Ausgleich sogenannter gestörter Vertragsparität zu den Hauptaufgaben des geltenden Zivilrechts gehört und das Recht zum Schutze der schwächeren Partei deshalb korrigierend, also den Schutz des 412 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 234; BVerfG, Urt. v. 06.02.2001 – 1 BvR 12/92 – Unterhaltsverzicht, NJW 2001, 957, 958; vgl. auch Singer, JZ 1995, 1133, 1138. 413 Sehr kritisch Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 27; ebenso Adomeit, NJW 1994, 2467, 2468, der den Zusatz „strukturell“ auf das Werk „Macht und Recht“ von Reich aus dem Jahr 1977 zurückführt. Vgl. auch: Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 53. Drexl hat den Zusatz als Hinweis auf die Relevanz der äußeren Umstände des Vertragsschlusses, insbesondere der Marktverhältnisse, und als Klarstellung verstanden, dass nicht jegliches Ungleichgewicht vom BVerfG gemeint war (Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, S. 275; nicht ausdrücklich aber sinngemäß ebenso Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl. 2004, S. § 42 Rn. 6). 414 Siehe die Entscheidungen des BVerfG in Kapitel 3 Fn. 395 und 396; Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 6; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 15 mit zahlr. weiteren Nachw. in Fn. 64; Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl. 2004, § 42 Rn. 2 f.; Medicus, Abschied von der Privatautonomie im Schuldrecht?, S. 18; Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45, 56. 415 Medicus, Abschied von der Privatautonomie im Schuldrecht?, S. 24. 416 Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 62; Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl. 2004, § 42 Rn. 2 f.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Schwächeren intensivierend, eingreifen muss.417 Dabei dient die Lehre von der Richtigkeitsgewähr immer wieder als Legitimationsmuster für rechtspolitische Aktivitäten im Vertragsrecht.418 Die Vertragsfreiheit ermöglicht zwar die Selbstbestimmung, nur jedoch durch Konsens, nicht durch Alleinbestimmung.419 Eine einseitige Fremdbestimmung ist mit dem Prinzip der Privatautonomie gerade nicht vereinbar.420 Denn ansonsten verkümmere die Vertragsfreiheit zu einer Freiheit im rechtlich-formalen Sinne, die in der Realität keine Entsprechung mehr finde.421 Entscheidender Grund für die Notwendigkeit zum Eingreifen der Rechtsordnung ist also die der Vertragsfreiheit innewohnende Tendenz zur Selbstaufhebung.422 Und drittens auch dahingehend, wie solchen Situationen gestörter Vertragsparität zu begegnen ist. Es geht um die Wiederherstellung der Funktionsbedingungen der Privatautonomie.423 Dazu bleibt es dem Gesetzgeber zunächst unbenommen, für spezielle Lebensbereiche oder Vertragssituationen zwingendes Vertragsrecht zu schaffen424, um das Verhandlungsgleichgewicht zwischen den Parteien über einen Eingriff bzw. die Ausgestaltung des Vertragsmechanismus annähernd wiederherzustellen, ohne in den Vertragsinhalt direkt einzugreifen425. In diesem Sinne lassen sich heute große Teile des Bürgerlichen Gesetzbuches deuten.426 Man denke nur an die Regelungen des BGB zum Schutze der Arbeitnehmer oder der Mieter.427 Ist die Etablierung eines solchen, schützenden, zwingenden Ver417 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 233; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 206; Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 16 ff.; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 216 ff., insbes. 218; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 54; vgl. auch die Übersicht bei Limbach, JuS 1985, 10 ff. mit zahlr. weiteren Nachw. 418 Limbach, JuS 1985, 10, 12 mit einem Beleg aus der Begründung zum Regierungsentwurf des AGB-Gesetzes; vgl. auch Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45, 51. 419 Bydlinski, AcP 204 (2004), 309, 365; Zöllner, in: FS Bydlinski, S. 517, 525. 420 Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl. 2004, § 42 Rn. 2 f. 421 Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 6. 422 Vgl. Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 3. Gleiches gilt für die Wettbewerbsfreiheit, die mit der Vertragsfreiheit in einem Verhältnis „sachlicher Interdependenz“ steht, ausführlich unten Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) ff) (1). 423 Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl. 2004, § 42 Rn. 3; s. auch Medicus, Abschied von der Privatautonomie im Schuldrecht?, S. 18. 424 BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 – Handelsvertreter, BVerfGE 81, 242, 255. 425 Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl. 2004, § 42 Rn. 12. 426 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 233; vgl. Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 109 ff.; Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45, 47. 427 Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 7; Singer, JZ 1995, 1133, 1138; Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 287.

§ 3 Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen

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tragsrecht im konkreten Fall jedoch nicht möglich oder nicht vorhanden, so muss die Rechtsordnung die Gerechtigkeitsdefizite im Prozess der vertraglichen Selbstbestimmung durch direkte Eingriffe herstellen.428 Anknüpfungspunkt hierfür sind insbesondere die zivilrechtlichen Generalklauseln, die als Übermaßverbot wirken, allen voran § 134, 138, 242 BGB.429 In diese Reihe gehört richtigerweise auch die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle.430 Für § 138 BGB gilt: Nutzt der überlegene Vertragspartner sein Übergewicht dazu aus, gegenüber der anderen Partei unbillige Bedingungen durchzusetzen, verstoßen diese gegen die guten Sitten.431 Dabei geht es dann aber nicht um die Herbeiführung oder die Wiederherstellung von Vertragsgerechtigkeit. Dies darf nicht missverstanden werden.432 Vertragsgerechtigkeit ist etwas Anderes als Vertragsfreiheit.433 Für die Herstellung von Vertragsgerechtigkeit, also den Abschluss von günstigen Verträgen, ist der Abschließende selbst verantwortlich.434 b) Unter diesem Gesichtspunkt können auch Schiedsverfahrensvereinbarungen nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam sein Diese Grundsätze, die sich von der Handelsvertreter-Entscheidung des BVerfG aus entwickelt haben, gelten auch für Schiedsvereinbarungen.435 Denn, wie bereits dargelegt worden ist, sind auch sie nichts anderes als privatautonome Vereinbarungen, für die keine Besonderheiten gelten.436 Deshalb tragen auch Schiedsvereinbarungen, selbst wenn sie in Ungleichgewichtslagen geschlossen 428 Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 6; Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl. 2004, § 42 Rn. 13; Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45, 50; Raiser, in: FS Deutscher Juristentag, S. 101, 118 ff. 429 Siehe nur: BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 – Handelsvertreter, BVerfGE 81, 242, 256; BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – Bürgschaftsverträge I, BVerfGE 89, 214, 233; Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 6; Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl. 2004, § 42 Rn. 13, ferner Canaris, AcP 184 (1984), 201, 207. 430 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2272 Rn. 57; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 2. Ausführlich unten Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) ff) (3). 431 Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 86. 432 Missverständlich beispielsweise Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl. 2004, § 42 Rn. 13 der von der Herstellung der „Vertragsgerechtigkeit“ und des „gerechten Vertragsinhalts“ durch die Rechtsordnung spricht. 433 Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 6; so auch Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45, 68. 434 Vgl. nur BGH, Urt. v. 28.02.1989 – IX ZR 139/88, BGHZ 107, 92, 98; BGH, Urt. v. 19.01.1989 – IX ZR 124/88, BGHZ 106, 269, 272. 435 Siehe nur: Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 284; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 164; Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 714. 436 S. o. Kapitel 2 § 2 D. I. 1.

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worden sind, die Vermutung ihrer Richtigkeit in sich.437 Nutzt jedoch die gegenüber der anderen überlegene Partei ihre Übermachtstellung – ganz gleich, woraus sie sich begründet – dazu aus, unbillige Bedingungen in der Schiedsvereinbarung durchzusetzen, ist dies sittenwidrig.438 Das LG München I hat dies als erstes Gericht in seiner Pechstein-Entscheidung einer Schiedsvereinbarung zugrunde gelegt.439 Tatsächlich Relevanz hat die Sittenwidrigkeit allerdings nur für Schiedsverfahrensvereinbarungen. Denn da eine Schiedsvereinbarung i. e. S. eine unangemessene Benachteiligung nicht darstellen kann, kommt eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB für sie nicht in Betracht.440 Ebenso sind in dieser Fallgruppe nur solche unbilligen Bedingungen von Relevanz, die unterhalb der Schwelle der übermäßigen Einschränkung des Rechtsschutzes441 liegen, weil andernfalls die Sittenwidrigkeit allein daraus folgen würde und es auf die Ausnutzung von Übermacht nicht mehr ankäme. Denken kann man insoweit beispielsweise an die Durchsetzung eines in der Schiedsvereinbarung enthaltenen Klageverzichts.442 Genauso aber auch an die Vereinbarung einer „hinkenden“ Schiedsvereinbarung, die nur der stärkeren Partei die Möglichkeit offen lässt, auch Klage vor den staatlichen Gerichten zu erheben.443 Mit der Fallgruppe der Abwehr der Ausnutzung von Übermacht eng verwandt ist die Fallgruppe der wirtschaftlichen Knebelung.444 Teilweise wird die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf Schiedsvereinbarung auch unter dieser Terminologie diskutiert445, ohne dass damit inhaltlich etwas anderes gemeint wäre. Versteht man die Knebelung hingegen als Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheit durch das in Frage stehende Rechtsgeschäft446, dann passt dies auf Schiedsvereinbarungen nur bedingt. Auf eine trennscharfe Einordnung in eine Fallgruppe kommt es jedoch nicht an. Entscheidend ist die gedankliche Anknüpfung. 437

Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 241. Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 714. 439 So Schulze, SpuRt 2014, 139, 140. 440 Ausführlich bereits oben Kapitel 3 bei Fn. 299 und insgesamt in Kapitel 3 § 3 A. II. 1. 441 Zuvor Kapitel 3 § 3 A. III. 1. 442 Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 714. 443 Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 284. 444 Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 72. 445 Anders, in: Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO, 79. Aufl. 2021, § 1066 Rn. 17; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, S. 34, Kap. 4, Überschrift zu IV.; Schmidt, ZWeR 2007, 394, 415; Schütze, in: Wieczorek/ Schütze, Bd. 11, 4. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 19. 446 In diesem Sinne Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 71. 438

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3. Interessenabwägung zur Ermittlung der Sittenwidrigkeit Die Frage, ob ein Rechtsgeschäft sittenwidrig und deshalb rechtlich zu missbilligen ist, ist durch eine umfassende Interessenabwägung zu ermitteln.447 Dazu ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen, bei der alle Interessen zu berücksichtigen sind, die unmittelbar oder mittelbar, aktuell oder potentiell durch das zu bewertende Rechtsgeschäft berührt werden. Dabei sollen auch die rechtlichen und tatsächlichen Folgen von Entscheidungen miteinzubeziehen sein. Die anzusetzenden Wertmaßstäbe ergeben sich aus den gesetzlichen Regelungen einerseits, finden sich aber andererseits auch im außergesetzlichen Bereich.448 Richtigerweise ist die Schiedsvereinbarung bei dieser Abwägung der Interessen nicht etwa isoliert zu betrachten. Auch und gerade der Unabhängigkeitsgedanke des § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO bewirkt dies nicht.449 Vielmehr sind für die Abwägung der Parteiinteressen bezüglich der Schiedsvereinbarung auch die Interessen aus dem Hauptvertrag zu berücksichtigen. Der Unabhängigkeitsgedanke führt nicht etwa zu einer Herauslösung der Schiedsvereinbarung aus ihrem tatsächlichen und wertungsmäßigen Kontext. Dieser ermöglicht „lediglich“ eine getrennte Anknüpfung und verhindert das Durchschlagen von Unwirksamkeitsgründen des Hauptvertrags auf die Schiedsvereinbarung im Wege einer Gesamtnichtigkeitsvermutung.450

IV. Subjektiver Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB Ist die inhaltliche, objektive Anknüpfung des § 138 Abs. 1 BGB vorhanden, kommt es auf die Frage an, ob der Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB auch eine subjektive Komponente voraussetzt. Diese Frage ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Sie kann und soll hier nicht vertieft und vollständig abgebildet werden. Gesagt sei nur so viel: Ein Teil der Rechtsprechung und Literatur451 meint, die Bewertung als sittenwidrig setze wegen des mit ihr verbundenen Vorwurfs generell auf subjektiver Ebene eine verwerfliche Gesinnung voraus. Eine solche liegt vor, wenn dem 447 Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 121; Sack/ Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 94 m.w. N. 448 Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 95 m.w. N. Zur Auswirkung der Anwendbarkeit eines ausländischen Schiedsverfahrensrechts auf die anzusetzenden Maßstäbe s. u. Kapitel 3 bei Fn. 826. 449 S. o. Kapitel 3 § 1 B. III. 4. 450 Ausführlich dazu bereits oben Kapitel 3 § 1 B. Richtigerweise, wenn auch mit anderer Begründung, deshalb Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 98. 451 S. nur BGH, Urt. v. 09.10.2009 – V ZR 178/08, NJW 2010, 363 Rn. 6. Ausführlich zum Meinungsstand und mit entspr. Nw. Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 145 f.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

durch das Rechtsgeschäft begünstigten Teil „bewusst ist oder er sich grob fahrlässig der Einsicht verschließt, dass der Käufer nur unter dem Zwang der Verhältnisse oder aus anderen, die freie Willensentschließung beeinträchtigenden Umständen, wie einem Mangel an Urteilsvermögen oder wegen einer erheblicher [sic] Willensschwäche, sich auf den für ihn ungünstigen Vertrag einlässt“ 452. Teilweise wird die verwerfliche Gesinnung dann bei Vorliegen bestimmter objektiver Umstände vermutet.453 Notwendig ist, dass die Beteiligten zumindest alle die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände gekannt oder sich deren Kenntnis bewusst verschlossen oder entzogen haben.454 Folgt man dem, so ist diese Frage auch in Bezug auf die Schiedsvereinbarung im Einzelfall zu würdigen. In Fällen, in denen es um die Ausnutzung einer Übermacht geht, wird das subjektive Element regelmäßig kein Problem darstellen, wenn die überlegene Partei den Vertragsschluss von der Unterzeichnung auch einer Schiedsvereinbarung abhängig macht.455 Ein anderer Teil der Rechtsprechung und Literatur456 geht davon aus, dass § 138 Abs. 1 BGB nicht notwendig ein subjektives Element voraussetzt. Denn führe ein Rechtsgeschäft einen von der Rechtsordnung nicht zu akzeptierenden Zustand herbei, dann könne es für das Sittenwidrigkeitsurteil nicht darauf ankommen, ob die Beteiligten eine verwerfliche Gesinnung hätten oder nicht.457 Dies bedeute allerdings nicht, dass eine verwerfliche Gesinnung nicht im Rahmen der Gesamtwürdigung zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit ihren Einfluss haben kann.458

V. Rechtsfolge der Sittenwidrigkeit einer Schiedsverfahrensvereinbarung Es hat sich gezeigt, dass Schiedsvereinbarungen i. e. S. keine unbillige Benachteiligung einer Partei darstellen können, weshalb es für sie an einer möglichen inhaltlichen Anknüpfung fehlt und sie deshalb nicht sittenwidrig sein können. 452

BGH, Urt. v. 09.10.2009 – V ZR 178/08, NJW 2010, 363, 364 Rn. 10 m.w. N. Hierzu ausführlich und mit Nw. zur Rspr. Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 116. 454 Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 145 m. umfassenden Nw. 455 Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 127 f. 456 Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 129; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 138 Rn. 7; Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 146 ff. 457 Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 129; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 138 Rn. 7; Wendtland, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 138 Rn. 22. 458 Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 130; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 138 Rn. 8; Wendtland, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 138 Rn. 23. 453

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Sittenwidrig können aber Schiedsverfahrensvereinbarungen sein. Rechtsfolge dessen ist gemäß § 138 Abs. 1 BGB die Nichtigkeit der Schiedsverfahrensvereinbarung. Obwohl die Schiedsverfahrensvereinbarung mit der Schiedsvereinbarung i. e. S. als einheitliches Rechtsgeschäft anzusehen ist, führt die Nichtigkeit der Schiedsverfahrensvereinbarung grundsätzlich nicht etwa zur Nichtigkeit auch der Schiedsvereinbarung i. e. S.459

VI. Zwischenergebnis Die Betrachtung des § 138 Abs. 1 BGB hat gezeigt, dass Schiedsvereinbarungen unter verschiedenen Gesichtspunkten sittenwidrig sein können. Allerdings bedarf es dazu, weil § 138 Abs. 1 BGB eine Regelung der Inhaltskontrolle ist, immer einer inhaltlichen Anknüpfung. Daraus folgt, dass das Vorhandensein einer Übermacht auf Seiten einer Partei für sich besehen eine Sittenwidrigkeit nicht begründen kann. Schiedsvereinbarungen sind bisher unter zwei inhaltlichen Gesichtspunkten für mit § 138 Abs. 1 BGB unvereinbar gehalten worden. Im Falle einer durch die Schiedsvereinbarung bewirkten übermäßigen Einschränkung des Rechtsschutzes einerseits. Unter dem Gesichtspunkt des Ausnutzens von Übermacht andererseits. Unabhängig von der Einordnung in eine Fallgruppe ist eine Schiedsvereinbarung nur dann sittenwidrig, wenn durch sie eine Partei übermäßig benachteiligt wird. Die Feststellung einer solchen Benachteiligung einer Partei wirkt jedenfalls in Bezug auf Schiedsvereinbarungen als eine Art Aufgreifschwelle für die Sittenwidrigkeitskontrolle. Ausgehend von dieser Überlegung und einer Analyse der aktuellen gesetzlichen Konzeption ist festgestellt worden, dass allein die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts im Streitfall, also die Schiedsvereinbarung i. e. S. („Abschluss“ einer Schiedsvereinbarung), eine Sittenwidrigkeit nicht begründen kann. Denn allein die Tatsache, dass die Parteien den Streit statt vor einem staatlichen Gericht vor einem Schiedsgericht austragen müssen, führt nach der gesetzlichen Konzeption und dem dahinterstehenden, zu respektierenden gesetzgeberischen Willen nicht zu einer Benachteiligung einer Partei. Die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts allein kommt deshalb als inhaltlicher Anknüpfungspunkt der Inhaltskontrolle nicht in Betracht. Die sogenannte „Abschlusskontrolle“ von Schiedsvereinbarungen ist demzufolge nicht etwa abgeschafft. Sie kommt unter bestehender gesetzlicher Konzeption vielmehr stets zum selben Ergebnis. Schiedsverfahrensvereinbarungen können sittenwidrig sein, wenn sie zu einer übermäßigen Einschränkung des Rechtsschutzes führen. Führt allein der Inhalt

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S. o. Kapitel 2 § 2 D. II. 2.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

der Schiedsverfahrensvereinbarung nicht zu einer Sittenwidrigkeit, kann sich eine solche dennoch unter Hinzunahme der Umstände der Schiedsverfahrensvereinbarung ergeben. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine überlegene Partei ihre Übermacht gegenüber der anderen Partei ausgenutzt hat, um die sie übervorteilende Regelung durchzusetzen. Selbst wenn eine Schiedsverfahrensvereinbarung jedoch sittenwidrig sein sollte, folgt daraus nicht automatisch die Sittenwidrigkeit auch der Schiedsvereinbarung i. e. S. Vielmehr bleibt letztere grundsätzlich wirksam. Dies ist Konsequenz der bereits zuvor angesprochenen dogmatischen Trennung zwischen der Schiedsvereinbarung i. e. S. einerseits, der Schiedsverfahrensvereinbarung andererseits.

B. Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen am Maßstab des AGB-Rechts Neben einer Kontrolle durch § 138 Abs. 1 BGB können Schiedsvereinbarungen auch einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegen.460 Gegenüber der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB ist sie vorrangig, es sei denn, die zur Unwirksamkeit führenden Gründe würden den Sittenwidrigkeitsvorwurf auch bei einer Individualvereinbarung begründen.461 Nicht jeder Verstoß gegen die §§ 307 ff. BGB stellt dabei einen Fall der Sittenwidrigkeit dar.462 Zur AGB-Kontrolle muss es sich bei Schiedsvereinbarungen auch um AGB im Sinne des § 305 BGB handeln. Gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Im Grundsatz kommt es für die Beantwortung dieser Frage auf den Einzelfall an. Weil es gemäß § 305 Abs. 1 S. 2 BGB gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrages bilden oder in der Vertragsurkunde selbst aufgenommen sind, lässt sich eine Schiedsvereinbarung auch dann als AGB qualifizieren, wenn diese zur Einhaltung der Form des § 1031 Abs. 5 BGB in einer eigenen Urkunde enthalten ist.463 Handelt es sich im konkreten Fall bei der Schiedsvereinbarung um eine allgemeine Geschäftsbedingung, dann unterliegt sie einer Inhaltskontrolle am Maßstab 460 Zur Frage der Anwendbarkeit des AGB-Rechts auf in Satzungen enthaltene Schiedsvereinbarungen Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 300 f. 461 Schmidt, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 307 Rn. 12. Die Details sind allerdings str., s. bspw. Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 320. 462 Schmidt, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 307 Rn. 12; vgl. allgemein auch Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 18 f. 463 Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 124.

§ 3 Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen

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der § 307 ff. BGB.464 Anknüpfungspunkt der Inhaltskontrolle ist die einzelne Klausel.465 Dabei ist die Klausel aber nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr muss sie im Sinnzusammenhang des Gesamtvertrages beurteilt werden.466 Dies gilt auch für die Schiedsvereinbarung. Der Unabhängigkeitsgedanke des § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO bewirkt nicht etwa, dass die Schiedsvereinbarung aus ihrem Gesamtzusammenhang herauszulösen wäre.467 Unwirksam ist die allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dann, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen der Gebote von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Eine Benachteiligung liegt insbesondere dann vor, wenn die Klausel den Vertragspartner rechtlich oder tatsächlich schlechter stellt, als er ohne die vertragliche Regelung, also unter Anwendung der sonst einschlägigen gesetzlichen Regelungen, stünde.468 Ob insoweit eine Benachteiligung vorliegt, bestimmt sich objektiv.469 Unangemessen entgegen der Gebote von Treu und Glauben ist die Benachteiligung, „wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen“.470 Dies ist durch eine umfassende Interessenabwägung zu bestimmen.471 Allerdings ist auch im Rahmen der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle die Zweistufigkeit der Prüfung, auf die bereits im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB hingewiesen worden ist,472 zu beachten. Wie Fastrich ausführlich dargelegt hat, kann die Unangemessenheit einer AGB nicht etwa einschrittig aus einer Interessenabwägung bezüglich der Klausel abgeleitet werden. Vielmehr gilt es, im ersten Schritt, eine Benachteiligung der Verwendergegenseite gegenüber den Vorga464 Siehe nur Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 124; Maihold, SpuRt 2013, 95, 96; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 256 ff.; Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 45 ff. 465 Schmidt, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 307 Rn. 22. 466 Schmidt, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 307 Rn. 23. 467 Ausführlich bereits oben Kapitel 3 § 1 B. 468 Jacobs, in: BeckOK-ArbR, 57. Ed., Stand: 01.09.2020, § 307 Rn. 30; Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 46; Schmidt, in: BeckOKBGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 307 Rn. 29. 469 Jacobs, in: BeckOK-ArbR, 57. Ed., Stand: 01.09.2020, § 307 Rn. 30; Schmidt, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 307 Rn. 29. 470 St. Rspr., Nw. bei Schmidt, in: BeckOK-BGB, 56. Ed., Stand: 01.11.2020, § 307 Rn. 29. 471 Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 46. Zur Interessenabwägung zwischen Sportler und Sportverband bei Vereinbarung einer Schiedsklausel Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 124 ff. 472 Eichel, IPRax 2010, 219, 222, vgl. bereits oben Kapitel 3 § 3 A. I.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

ben des gesetzlichen Leitbildes festzustellen. Erst dann kann, in einem zweiten Schritt, geprüft werden, ob von diesem Maßstab in unangemessener Weise zu Lasten der einen Partei abgewichen wird.473 Wie auch im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB, findet dies auch im Rahmen der Prüfung des § 307 Abs. 1 BGB oftmals nicht hinreichend Beachtung. Zu schnell wird oft zu einer Interessenabwägung vorgedrungen, ohne die Frage zu beantworten, ob im konkreten Fall überhaupt eine objektive Benachteiligung vorliegt.474 Ohne die Feststellung einer Benachteiligung aber bedarf es der Interessenabwägung zur Ermittlung der Unangemessenheit nicht.

I. Keine unangemessene Benachteiligung durch Schiedsvereinbarungen i. e. S. Eine Schiedsvereinbarung i. e. S. stellt auch im Rahmen des § 307 BGB keine unangemessene Benachteiligung dar.475 Letztendlich kommt es dabei nicht darauf an, ob man in der Schiedsvereinbarung i. e. S. noch eine Benachteiligung sieht, diese jedoch nicht für unangemessen erachtet oder ob man eine Schiedsvereinbarung i. e. S. schon nicht für eine Benachteiligung hält.476 Richtig dürfte indes Letzteres sein. Denn durch eine Schiedsvereinbarung i. e. S. wird keiner der Vertragspartner schlechter gestellt als er ohne vertragliche Regelung stünde. Bei der Schiedsgerichtsbarkeit handelt es sich nach geltendem Recht im Vergleich zur staatlichen Gerichtsbarkeit um eine verfassungsrechtlich zulässige und gleichwertige Rechtsschutzalternative.477 Deshalb kommt es hinsichtlich einer Schiedsvereinbarung i. e. S. auch nicht auf das Vorliegen eines besonderen Bedürfnisses oder eines besonderen Interesses für die beziehungsweise an der Einsetzung eines Schiedsgerichts seitens des Verwenders an.478 473 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 280 f. und Eichel, IPRax 2010, 219, 222. 474 So bspw. Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 124 f. 475 Ganz h. M.: BGH, Urt. v. 13.01.2005 – III ZR 265/03, BGHZ 162, 9, 16; Eichel, ZZP 2016, 327, 337; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 307 Rn. 129; Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 222 m.w. N.; Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 313; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 257 f. m.w. N.; offengelassen bei Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 46; Otto, ZGR 2019, 1082, 1087, der jedoch durch die Berücksichtigung zusätzlicher, hinzutretender Umstände andere Ergebnisse für denkbar hält (1088). 476 Eine Benachteiligung aufgrund des Entzugs der staatlichen Gerichtsbarkeit annehmend Eichel, IPRax 2010, 219, 221; Eichel, ZZP 2016, 327, 338. 477 Ausführlich bereits oben in Kapitel 2 § 2 D. I. 2. a) und ihm Rahmen der Überlegungen zu § 138 Abs. 1 BGB bei Kapitel 3 § 3 A. II. S. auch BGH, Urt. v. 13.01.2005 – III ZR 265/03, BGHZ 162, 9, 16; Eichel, ZZP 2016, 327, 338. 478 Ganz h. M., siehe nur BGH, Urt. v. 13.01.2005 – III ZR 265/03, BGHZ 162, 9, 16; Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 222 f. m. Nw. zur Gegenmeinung;

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II. Inhaltskontrolle von Schiedsverfahrensvereinbarungen am Maßstab des AGB-Rechts Eine unangemessene Benachteiligung kann sich indes aus einer Schiedsverfahrensvereinbarung ergeben,479 wenn diese zu einer unbilligen Benachteiligung einer Seite im Vergleich zu einem Verfahren vor den staatlichen Gerichten führt.480 Insbesondere bezüglich Schiedsverfahrensvereinbarungen mit denen die Geltung einer institutionellen oder einer ad hoc Schiedsordnung vereinbart wird ist zu beachten, dass nicht nur die Vereinbarung an sich, sondern auch die in die Schiedsvereinbarung einbezogene Schiedsordnung der Inhaltskontrolle unterliegt.481 Grundsätzlich kann sich eine unangemessene Benachteiligung hierbei auch aus einem Übergewicht zugunsten der einen Partei hinsichtlich der Zusammensetzung des Schiedsgerichts ergeben.482

III. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das AGB-Recht für Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit einer Klausel regelt § 306 Abs. 1 BGB. Ist eine Geschäftsbedingung danach unwirksam, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. An die Stelle der unwirksamen Geschäftsbedingung tritt gemäß § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Regelung. Für das AGB-Recht ergibt sich damit sogar positiv aus dem Gesetz, dass die Unwirksamkeit einer Schiedsverfahrensvereinbarung nicht auch die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. zur Folge hat.483 Wenn diese Rechtsfolge teilweise für Fälle des Bestehens einer Ungleichgewichtslage zwischen den Vertragsparteien bestritten worden ist, trifft dies siehe insoweit bspw. Eichel, ZZP 2016, 327, 338, der über die Prüfung der „Unangemessenheit“ in die Prüfung der Interessen an einer Ausschließlichkeit der Schiedsklausel i. e. S. gelangt; anders wohl noch, aber bereits eine „Benachteiligung“ durch den Entzug der staatlichen Gerichtsbarkeit annehmend Eichel, IPRax 2010, 219, 221. S. dort auch zu weiteren Nw. der h. M. 479 BGH, Urt. v. 13.01.2005 – III ZR 265/03, BGHZ 162, 9, 18; Eichel, IPRax 2010, 219, 223; Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 223 ff. mit einer Aufzählung einer Vielzahl problematischer Vereinbarungen; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 258 ff. ebenso mit einer Vielzahl problematischer Fälle; Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 46. 480 Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 246 f. 481 Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 218. 482 Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 224. Zur sich daraus ergebenden Folgefrage des Verhältnisses von § 307 BGB zu § 1034 Abs. 2 ZPO s. ausführlich unten Kapitel 4 § 3 C. Zur Auswirkung der Anwendbarkeit eines ausländischen Schiedsverfahrensrechts auf die anzusetzenden Maßstäbe s. u. Kapitel 3 bei Fn. 826. 483 Eichel, IPRax 2010, 219, 224. S. dazu und zu den Auswirkungen der Unwirksamkeit einer Schiedsverfahrensvereinbarung in Fällen außerhalb des AGB-Rechts oben Kapitel 2 § 2 D. II. 2. Siehe auch dort zur Frage der Aufrechterhaltung der Schiedsvereinbarung i. e. S. im Falle eines strukturellen Ungleichgewichts zwischen den Parteien.

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nicht zu.484 Eichel meint, diese Rechtsfolge gelte nur im Einredeverfahren, wenn die Nutzung der restwirksamen Schiedsvereinbarung i. e. S. noch in Rede stehe. Im Vollstreckbarerklärungsverfahren hingegen bedeutete die Aufrechterhaltung der Schiedsvereinbarung i. e. S., dass der Schiedsspruch bestehen bleibe und der mit der Unwirksamkeit verfolgte Schutz obsolet werde. Deshalb sei im Vollstreckbarerklärungsverfahren analog § 306 Abs. 3 BGB von der Unwirksamkeit auch der Schiedsvereinbarung i. e. S. auszugehen, da ein Festhalten an ihr sinnlos sei.485 Im Vollstreckbarerklärungsverfahren jedoch bedeutet die Aufrechterhaltung der Schiedsvereinbarung i. e. S. nicht zwangsläufig auch die Aufrechterhaltung des Schiedsspruchs. Vielmehr trennen Art. V Abs. 1 lit. a) und d) UNÜ sowie § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) und d) ZPO gerade zwischen der Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarungen und statuieren hierbei die jeweils notwendigen Voraussetzungen unter denen ein Fehler in der Schiedsvereinbarung i. e. S. oder einer Schiedsverfahrensvereinbarung jeweils zur Nichtanerkennung des Schiedsspruchs führt. Ließe man es mit Eichel zu, dass aus der Unwirksamkeit der Schiedsverfahrensvereinbarung auch die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. folgt, führte dies zu einem Leerlaufen der in lit. d) festgeschriebenen Voraussetzungen zugunsten der Voraussetzungen in lit. a). Ein solches Leerlaufen lässt sich auch nicht durch das Bestehen einer Ungleichgewichtslage zwischen den Parteien rechtfertigen. Denn dies führte zu einer Verschiebung der Ungleichgewichtsproblematik von der Wirksamkeits- auf die Vollstreckbarerklärungsebene. Entscheidend kommt es deshalb auch im Vollstreckbarerklärungsverfahren darauf an, ob die Unwirksamkeit der Schiedsverfahrensvereinbarung nach dem Maßstab des Art. V Abs. 1 lit. d) UNÜ beziehungsweise des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d) ZPO zur Nichtanerkennung des Schiedsspruchs führt.

IV. Zwischenergebnis Im Grundsatz unterliegen sowohl die Schiedsvereinbarung i. e. S. als auch Schiedsverfahrensvereinbarungen einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Dabei kann aufgrund der Gleichwertigkeit von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit eine Schiedsvereinbarung i. e. S. jedoch keine unangemessene Benachteiligung darstellen. Eine solche kann sich aber aus einer Schiedsverfahrensvereinbarung ergeben. Für die Rechtsfolge einer solchen Unwirksamkeit schreibt § 306 Abs. 1 BGB positivrechtlich fest, was bereits zuvor aus der Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung abgeleitet worden ist486, nämlich, dass die Unwirksamkeit einer Schiedsverfahrensvereinbarung die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. unberührt lässt. Dies gilt – 484 485 486

So Eichel, ZZP 2016, 327, 345 f.; ablehnend bereits oben Kapitel 2 bei Fn. 185. Eichel, IPRax 2010, 219, 224. S. o. Kapitel 2 § 2 D. II. 2.

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entgegen teilweise vertretener Ansicht – auch für Fälle eines Ungleichgewichts zwischen den Parteien und auch im Vollstreckbarerklärungsverfahren.

C. Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen am Maßstab des kartellrechtlichen Konditionenmissbrauchs des § 19 GWB In dem nun folgenden Teil widmet sich die Arbeit der Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen anhand des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots. Die Kontrolle von Schiedsvereinbarungen anhand des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots hat bis zur Entscheidung des OLG München in der Rechtssache Pechstein487 keine Rolle gespielt. Erstmals488 hat ein deutsches Gericht dort die Unwirksamkeit einer Schiedsvereinbarung auf das kartellrechtliche Missbrauchsverbot gestützt. Auch der BGH489 hat die Schiedsvereinbarung in seiner auf das OLG München folgenden Revisionsentscheidung dem Grunde nach am Kartellrecht gemessen, wenn er auch in der Sache zu einem vom Ergebnis des OLG abweichenden Ergebnis kam.490 Das Kartellrecht kann an vielen Stellen auf die Schiedsvereinbarung und das Schiedsverfahren einwirken. Dadurch entsteht Raum für Verwechslungen und Vermischungen von Fragen, die miteinander wenig bis gar nichts zu tun haben. Um dies zu vermeiden, soll zunächst insbesondere eine Frage abgeschichtet werden, um die es hier nicht zentral gehen soll: Die Schiedsfähigkeit von Kartellstreitigkeiten und Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen in Kartellsachen. Denn nach hiesigem Verständnis, haben Schiedsfähigkeit einerseits und Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung andererseits miteinander nichts zu tun.491 Die Schiedsfähigkeit betrifft die Frage, ob eine Streitigkeit zwischen zwei Parteien ihrem Grunde nach einer Entscheidung durch ein Schiedsgericht zugänglich ist. Sie ist im Grundsatz unabhängig von der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung.492 Denn 487 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40. 488 Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 81; vgl. Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 116 („eine neue Wendung“); Motyka-Mojkowski/Kleiner, JECLAP 2017, 457, 460 („innovative legal approach“). 489 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266. 490 Podszun, JZ 2017, 208, 210; Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 815. 491 Anders wohl Otto, ZGR 2019, 1082, 1087 („Die Inhaltskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB geht in der Prüfung der Schiedsfähigkeit gem. § 1030 ZPO auf.“), anders bspw. auch Wolff, JuS 2008, 108, 109, der die Schiedsfähigkeit als Unterfrage der Wirksamkeit behandelt, bei dem allerdings auch – und darauf kommt es an – heraustritt, dass die Frage nach Schiedsfähigkeit eine andere ist, als die nach der Wirksamkeit gemessen an allgemeinen Unwirksamkeitsgründen. 492 Teilweise wird eine partielle Abhängigkeit der Schiedsfähigkeit von der Wirksamkeit bestimmter Schiedsverfahrensvereinbarungen angenommen: Otto, ZGR 2019, 1082, 1090.

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auch das Fehlen der Schiedsfähigkeit macht die Schiedsvereinbarung an sich nicht unwirksam, sondern führt lediglich dazu, dass es sich um keine „Schieds-“ Vereinbarung handelt. Über die objektive Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten entscheidet § 1030 ZPO.493 Die Frage nach der – rechtsgeschäftlichen – Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung betrifft hingegen die konkrete Parteivereinbarung bezüglich des Schiedsverfahrens. Sie richtet sich nach den im Schiedsverfahrensrecht enthaltenen speziellen Regeln, ansonsten nach den allgemeinen Regeln Rechtsgeschäfte betreffend.494 Anders ausgedrückt betrifft die Schiedsfähigkeit also die abstrakte Frage, ob es zwei Parteien überhaupt möglich ist, eine Streitigkeit vor ein Schiedsgericht zu bringen. Ob ihnen dies – die Schiedsfähigkeit vorausgesetzt – im konkreten Fall auch gelungen ist, hängt von der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung ab.

I. Einleitung: Schiedsfähigkeit kartellrechtlicher Streitigkeiten, Zulässigkeit ausschließlicher Schiedsvereinbarungen in Kartellsachen und Angriffspunkte des Kartellrechts in Bezug auf Schiedsvereinbarungen Zunächst sollen die Fragen der Schiedsfähigkeit kartellrechtlicher Streitigkeiten und der Zulässigkeit ausschließlicher Schiedsvereinbarungen in Kartellsachen abgeschichtet werden. Sodann werden die verschiedenen kartellrechtlichen Ansatzpunkte in Bezug auf die Schiedsvereinbarung kurz zusammengestellt. 1. Schiedsfähigkeit kartellrechtlicher Streitigkeiten Klar ist zunächst: Kartellrechtliche Streitigkeiten sind grundsätzlich schiedsfähig. Zwar enthält das europäische Recht hierzu keine explizite Regelung495, dennoch hat sich in Rechtsprechung und Literatur durchgesetzt, dass der Schiedsfähigkeit nicht grundsätzlich entgegensteht, dass der Streitgegenstand nach europäischem Kartellrecht zu beurteilen ist.496 Der EuGH hat die Schiedsfähigkeit 493 Neben der objektiven Schiedsfähigkeit entscheidet die subjektive Schiedsfähigkeit über die Fähigkeit Partei eines Schiedsverfahrens sein zu können, vgl. Wolff, JuS 2008, 108, 109. 494 S. bereits oben Kapitel 3 § 1 A. 495 Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 38; Wagner, ZVglRWiss 114 (2015), 494, 499; Zimmer, ZEuP 1994, 163, 165. 496 LG Dortmund, Urt. v. 13.09.2017 – 8 O 30/16 (Kart), WuW 2017, 621 Rn. 18; Botta, IIC 2017, 235, 238; Eilmansberger, SchiedsVZ 2006, 5, 8; Elsing, in: Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb e.V., Enforcement – die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts, S. 47, 48, 51 f., 81; Horn, SchiedsVZ 2008, 209, 212; Rehbinder/von Kalben, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 340; Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 38 mit jeweiligen Nachw. in Fn. 90 zur Rspr. und 91 zur Lit.; Schmidt, in: FS Kerameus, Bd. I, S. 1197, 1198; Schwarz/Harler/Schwedler, in: Kamann/Ohlhoff/

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des europäischen Kartellrechts in der Rechtssache Eco Swiss implizit anerkannt.497 Das deutsche Recht enthielt bis 1998 mit § 91 GWB a. F. eine abschließende Sonderregelung zur Schiedsfähigkeit von Kartellstreitigkeiten.498 Hiernach waren Schiedsverträge über kartellrechtliche Streitigkeiten nichtig, wenn sie nicht jedem Beteiligten das Recht gaben, im Einzelfall statt der Entscheidung durch das Schiedsgericht eine Entscheidung durch das ordentliche Gericht zu verlangen.499 Die Norm diente einerseits dazu, eine Zurückdrängung der grundsätzlich zur Entscheidung berufenen ordentlichen Gerichte zu verhindern, andererseits dem Schutz der Unternehmen vor innerem Kartellzwang.500 Die Norm ist vielerorts für rechtspolitisch verfehlt gehalten worden.501 Gepaart mit einem Wandel des „Rechtsbild[es] der Kartellschiedsgerichtsbarkeit“ 502 führte dies zur Abschaffung des § 91 GWB a. F. Seitdem sind Kartellstreitigkeiten auch nach deutschem Recht uneingeschränkt schiedsfähig.503 Bereits zuvor, noch unter Geltung des § 91 GWB a. F. hatte der BGH in seinen Entscheidungen Schotter und Mikrophos die grundsätzliche Schiedsfähigkeit von kartellrechtlichen Streitigkeiten anerkannt.504 Die Frage der Schiedsfähigkeit von Kartellstreitigkeiten ist jedoch eine vollkommen andere als die Frage der Vereinbarkeit der Schiedsvereinbarung mit dem Kartellrecht.505 Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 38 Rn. 4 f.; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1030 Rn. 12; Wagner, ZVglRWiss 114 (2015), 494, 496. 497 EuGH, Urt. v. 01.06.1999 – C-126/97 – Eco Swiss, ECLI:EU:C:1999:269; vgl. Wagner, ZVglRWiss 114 (2015), 494, 499. Siehe auch Botta, IIC 2017, 235, 239, der hervorhebt, dass der EuGH die Schiedsfähigkeit des EU-Kartellrechts nur implizit anerkannt hat. 498 Steindorff, WuW 1984, 189, 194. 499 Vollst. Wortlaut der alten Norm bei Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 87 GWB Rn. 61; s. auch Wagner, ZVglRWiss 114 (2015), 494, 497 ff. 500 Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 87 GWB Rn. 61; Schmidt, in: FS Kerameus, Bd. I, S. 1197 f.; Schmidt, in: FS Pfeiffer, S. 765, 766. 501 Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 87 GWB Rn. 61; Schmidt, in: FS Pfeiffer, S. 765, 765 ff. 502 Schmidt, in: FS Kerameus, Bd. I, S. 1197 f.; vgl. auch Eilmansberger, SchiedsVZ 2006, 5, 6. 503 OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 14.03.2019 – 26 Sch 10/18, BeckRS 2019, 6220, Rn. 84; LG Dortmund, Urt. v. 13.09.2017 – 8 O 30/16 (Kart), WuW 2017, 621 Rn. 18; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1030 Rn. 2; Thole, ZWeR 2017, 133 m.w. N. zur vereinzelt gebliebenen Gegenauffassung in Fn. 2; Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 38 mit Nachw. zur Rspr. und Lit. in Fn. 93; Wagner, ZVglRWiss 114 (2015), 494, 497 f.; Ollerdißen, in: Wiedemann, Hdb. KartR, 4. Aufl. 2020, § 62 Rn. 7. S. auch bereits zuvor Kapitel 3 Fn. 496. 504 BGH, Urt. v. 06.12.1962 – KZR 1/62 – Schotter, GRUR 1963, 331, 333 f.; BGH, Urt. v. 05.12.1963 – KZR 9/62 – Mikrophos, GRUR 1964, 405, 409. 505 Landolt, in: Blanke/Landolt, EU and US antitrust arbitration, Vol. 1, 2011, Rn. 2–003.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Allerdings sind die beiden Fragen eng miteinander verknüpft. Denn bestreitet man die Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen in Kartellsachen, kommt dies einer faktischen Einschränkung der Schiedsfähigkeit gleich.506 2. Die Zulässigkeit ausschließlicher Schiedsvereinbarungen in Kartellsachen Die Erkenntnis, dass Kartellstreitigkeiten grundsätzlich schiedsfähig sind, führt zur Zulässigkeit, durch Schiedsvereinbarung die Zuständigkeit der deutschen staatlichen Gerichte auszuschließen. Bis vor kurzem wurde die Zulässigkeit ausschließlicher Schiedsvereinbarungen, also die Derogation der staatlichen Gerichtsbarkeit, aber dennoch bestritten. Dies aber nicht deswegen, weil grundsätzlich daran gezweifelt wurde, dass Kartellstreitigkeiten vor Schiedsgerichten entschieden werden können507, sondern weil den Parteien die Möglichkeit genommen werden sollte, über die Vereinbarung schiedsgerichtlicher Zuständigkeit die zwingenden kartellrechtlichen Kollisionsnormen zu umgehen.508 Das ist ein feiner aber wichtiger Unterschied. Um diese beiden Aspekte voneinander zu trennen wird hier zwischen der Schiedsfähigkeit im Allgemeinen509 und der Zulässigkeit ausschließlicher Schiedsvereinbarungen, also der Derogation der staatlichen Gerichtsbarkeit, unterschieden. Die Zulässigkeit der Derogation der Zuständigkeit deutscher Gerichte in Kartellsachen durch ausschließliche Schiedsvereinbarungen ist eng verwandt aber nicht identisch mit der Frage der Zulässigkeit ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen in Kartellsachen. Während die Frage der Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen in Kartellsachen auf europäischer Ebene im Anwendungsbereich der EuGVVO als geklärt angesehen werden kann, ist die Frage der Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen eine Frage des nationalen Rechts. Auf nationaler Ebene des deutschen Rechts ist die Frage der Zulässigkeit der Derogation der Zuständigkeit deutscher Gerichte in Kartellsachen sowohl durch Gerichtsstands- als auch Schiedsvereinbarungen umstritten. Abschließend und in aller Tiefe, können die sich dabei stellenden Fragen hier nicht beantwortet werden, sollen aber der Vollständigkeit halber kurz erwähnt sein. Von der Frage der Zulässigkeit ausschließlicher Schiedsvereinbarungen ist neben der gleichen Frage für Gerichtsstandsvereinbarungen und der Frage nach der Schiedsfähigkeit von Kartellstreitigkeiten eine weitere Frage dringend zu unter-

506

Vgl. Horn, SchiedsVZ 2008, 209, 217. Dazu zuvor, Kapitel 3 § 3 C. I. 1. 508 Siehe bspw. noch Fezer/Koos, in: Staudinger, BGB, IntWirtR, Neubearb. 2015, Rn. 377; anders aber nunmehr Fezer/Koos, in: Staudinger, BGB, IntWirtR, Neubearb. 2019, Rn. 377. 509 Dazu zuvor, Kapitel 3 § 3 C. I. 1. 507

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scheiden: Hält man die Vereinbarung von ausschließlichen Schiedsvereinbarungen auch in Kartellsachen für zulässig, ist damit noch nichts darüber gesagt, ob und wann eine konkrete Schiedsvereinbarung bestimmte kartellrechtliche Ansprüche auch erfasst. Hierbei geht es um den Umfang der Vereinbarung, der durch Auslegung der konkreten Schiedsvereinbarung zu ermitteln ist.510 Diese Frage stellt sich genauso aber auch für Gerichtsstandsvereinbarungen. Diese Frage hat mit der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen nichts zu tun und bleibt deshalb hier unbehandelt. Ebensowenig ist mit der Feststellung der grundsätzlichen Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen entschieden, ob diese Schiedsvereinbarungen nicht unter bestimmten Umständen materiell-kartellrechtlich unwirksam sein können. a) Zulässigkeit der Derogation der Zuständigkeit eines deutschen Gerichts durch eine Gerichtsstandsvereinbarung in Kartellsachen Die Zulässigkeit einer derogierenden Gerichtsstandsvereinbarung ist eine prozessrechtliche Frage der lex fori des ausgeschlossenen Gerichts.511 Nach heute immer noch herrschender Meinung soll es nicht möglich sein, mittels Gerichtsstandsvereinbarung von der nach den Vorschriften der ZPO gegebenen internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte in Kartellzivilsachen abzuweichen.512 Entscheidendes Argument der herrschenden Meinung gegen die Zulässigkeit solch einer Derogation ist, dass es den Parteien nicht möglich sein dürfe, international zwingende Vorschriften zu umgehen.513 § 185 Abs. 2 GWB (früher § 130 Abs. 2 GWB a. F.) soll sich deshalb gegenüber einer Gerichtsstandsvereinbarung durchsetzen. Teilweise wird überlegt, die Unzulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen auf die Erfüllung und die Feststellung des Bestehens von Kartellverträgen zu beschränken. Denn darüber hinaus, bei Schadensersatzansprüchen aus Vertrag und Delikt, bestünde materiell-rechtlich Dispositionsfreiheit.514

510 Siehe hierzu bspw. LG Dortmund, Urt. v. 13.09.2017 – 8 O 30/16 (Kart), WuW 2017, 621 Rn. 19 ff.; Thole, ZWeR 2017, 133. 511 Siehe nur Fezer/Koos, in: Staudinger, BGB, IntWirtR, Neubearb. 2019, Rn. 375 m.w. N. 512 Fezer/Koos, in: Staudinger, BGB, IntWirtR, Neubearb. 2019, Rn. 375; Immenga, in: MüKo-BGB, Bd. 12, 7. Aufl. 2018, IntWettbR/IntKartellR, § 185 Abs. 2 GWB Rn. 59; Rehbinder/von Kalben, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 338; ebenso Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56, 62; a. A. Geimer, IZPR, 8. Aufl. 2020, Rn. 1055. 513 BGH, Urt. v. 12.03.1984 – II ZR 10/83, NJW 1984, 2037; Fezer/Koos, in: Staudinger, BGB, IntWirtR, Neubearb. 2019, Rn. 375; Rehbinder/von Kalben, in: Immenga/ Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 338 m.w. N.; vgl. bei Geimer, IZPR, 8. Aufl. 2020, Rn. 1059. Ausführlich zu den Hintergründen Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 34 f. 514 Rehbinder/von Kalben, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 338.

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Im Anwendungsbereich der EuGVVO515 sind Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten der Gerichte eines anderen Mitgliedsstaats auch in Kartellsachen zulässig. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 25 EuGVVO.516 Der EuGH hat sich in seiner Entscheidung CDC Hydrogen Peroxide in Bezug auf die der EuGVVO unterfallenden Gerichtsstandsvereinbarungen den Schlussanträgen des Generalanwalts Jääskinen im Ergebnis angeschlossen. Im Einklang mit Art. 23 EuGVVO a. F. (heute Art. 25 EuGVVO) stehende Gerichtsstandsvereinbarungen seien zulässig. Zur Begründung hat der EuGH lediglich darauf verwiesen, dass er dies schon bezüglich des EuGVÜ517, dem Vorgänger der EuGVVO, entschieden habe. Wie er ebenfalls bereits entschieden habe, sei die Auslegung der Normen des Übereinkommens auf die Normen der EuGVVO übertragbar, soweit die Normen gleichbedeutend seien.518 Umstritten ist das Verhältnis der EuGVVO zu den nationalen Vorschriften. Auch hier geht es um die Angst vor der Umgehung des deutschen Kartellrechts.519 Nach herrschender Meinung verdrängt Art. 25 EuGVVO in seinem Anwendungsbereich die Vorschriften der ZPO, weshalb eine Derogation der Zuständigkeit deutscher Gerichte insoweit möglich sein soll.520 Eine Mindermeinung plädiert für eine restriktive Auslegung des Art. 25 EuGVVO (Art. 23 EuGVVO a. F.) und will nationalen Derogationsverboten Vorrang gewähren.521 Ohnehin soll eine Derogation der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte unwirksam sein, wenn die Gefahr besteht, das das ausländische Urteil im Inland deswegen nicht anerkennungsfähig sein wird, weil das ausländische Gericht aus deutscher Sicht international zwingendes Recht nicht anwenden 515 Gleiches gilt im Anwendungsbereich des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen (Lugano-Übereinkommen, LugÜ) vom 30.10.2007, ABl. Nr. L 339/3 vom 21.12.2007. Hierzu Fezer/Koos, in: Staudinger, BGB, IntWirtR, Neubearb. 2019, Rn. 376. 516 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 11.12.2014 – Rs. C-352/13 – CDC Hydrogen Peroxide, ECLI:EU:C:2014:2443, Rn. 97. 517 S. o. Kapitel 3 in und bei Fn. 173. 518 EuGH, Urt. v. 21.05.2015 – Rs. C-352/13 – CDC Hydrogen Peroxide, ECLI:EU: C:2015:335, Rn. 59 und 60, jeweils mit entspr. Hinweis auf die Entsch. Siehe zu der Entsch. bspw. Petrasincu/Westerhoff, WuW 2017, 585, 587. 519 Rehbinder/von Kalben, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 339. 520 Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, 56, 67; Rehbinder/von Kalben, in: Immenga/ Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 339 m.w. N. Siehe für weitere Nw. zu dieser Ansicht auch Fezer/Koos, in: Staudinger, BGB, IntWirtR, Neubearb. 2019, Rn. 376. 521 So noch Fezer/Koos, in: Staudinger, BGB, IntWirtR, Neubearb. 2015, Rn. 376 m.w. N.; anders jetzt aber Fezer/Koos, in: Staudinger, BGB, IntWirtR, Neubearb. 2019, Rn. 376; für Nw. zu dieser Ansicht siehe auch Rehbinder/von Kalben, in: Immenga/ Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 339.

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wird.522 Das für die Unwirksamkeit notwendige Maß der Eintrittswahrscheinlichkeit der Gefahr der Nichtanwendung ist dabei ebenso streitig wie die dogmatische Verortung dieser Ansicht.523 Insbesondere Geimer hat sich gegen diese herrschende Meinung gestellt. Für ihn darf es nicht maßgeblich auf eine Prognose ankommen, die gar nicht möglich beziehungsweise zu unsicher sei. Vielmehr sei das ausländische Urteil abzuwarten. Sei dieses nicht anerkennungsfähig, sei im Inland nach allgemeinen Grundsätzen eine Ersatzzuständigkeit zu eröffnen.524 b) Zulässigkeit der Derogation der Zuständigkeit eines deutschen Gerichts durch eine Schiedsvereinbarung in Kartellsachen Auch die Zulässigkeit ausschließlicher Schiedsvereinbarungen richtet sich nach der lex fori des ausgeschlossenen Gerichts.525 Zunächst besteht Einigkeit, dass Schiedsvereinbarungen von Art. 25 EuGVVO (Art. 23 EuGVVO a. F.) nicht erfasst sind und, aufgrund des Prinzips begrenzter Einzelermächtigung526, Gültigkeit und Einwendbarkeit von Schiedsvereinbarungen deshalb Fragen des nationalen Rechts sind.527 Vom Standpunkt der zuvor dargestellten herrschenden Meinung bezüglich der Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen aus kommend, hält eine Mindermeinung auch ausschließliche Schiedsvereinbarungen zugunsten eines ausländischen Schiedsgerichts in Kartellsachen für unwirksam, um einen Gleichlauf zu Gerichtsstandsvereinbarungen zu erreichen und eine Umgehung deutschen Kartellrechts zu verhindern.528 522 OlG Stuttgart, Beschl. v. 19.12.2011 – 5 U 126/11, IHR 2012, 163; OLG München, Urt. v. 17.05.2006 – 7 U 1781/06 – Handelsvertreterausgleichsanspruch, WM 2006, 1556; s. bei Geimer, IZPR, 8. Aufl. 2020, Rn. 1057 für weitere Nw. in Rspr. und Lit. Das notwendige Maß der Eintrittswahrscheinlichkeit der Gefahr der Nichtbeachtung ist wiederrum streitig. Ausführlich auch Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 308 ff. 523 Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 310 f. 524 Geimer, IZPR, 8. Aufl. 2020, Rn. 1054 f., 1077. 525 Rehbinder/von Kalben, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 340. 526 Schwarz/Harler/Schwedler, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 38 Rn. 11. 527 Siehe nur: EuGH, Urt. v. 21.05.2015 – Rs. C-352/13 – CDC Hydrogen Peroxide, ECLI:EU:C:2015:335, Rn. 58; Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 11.12.2014 – Rs. C-352/13 – CDC Hydrogen Peroxide, ECLI:EU:C:2014:2443, Rn. 98, 118; Fezer/ Koos, in: Staudinger, BGB, IntWirtR, Neubearb. 2019, Rn. 377; Rehbinder/von Kalben, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 340 m.w. N., 343. S. in diesem Zusammenhang bereits oben Kapitel 3 § 1 C. 528 Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 34 ff., der diese Sicht anhand des Kartellrechts entwickelt hat; so noch Fezer/

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Die insoweit herrschende Meinung hingegen hält ausschließliche Schiedsvereinbarungen in Kartellsachen für zulässig auch wenn ein ausländisches Schiedsgericht für zuständig erklärt wird.529 Denn die Umgehungsmöglichkeiten seien unabhängig von der – fast beliebig manipulierbaren – Nationalität des Schiedsgerichts.530 Das ausländische Schiedsgericht soll allerdings deutsches Kartellrecht im Rahmen des § 185 Abs. 2 GWB (früher § 130 Abs. 2 GWB a. F.) zu beachten haben531, was im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren durch das staatliche Gericht nachprüfbar ist532. Dem so geschaffenen Risiko der Nichtbeachtung deutschen Kartellrechts533 aber auch der Nichtbeachtung von Eingriffsnormen insgesamt534 will die wohl herrschende Meinung nun wiederum dadurch begegnen, dass sie schon die Schiedsvereinbarung für unwirksam hält, wenn die Gefahr besteht, dass das Schiedsgericht einen nach deutschem Recht nicht anerkennungsfähigen Schiedsspruch erlässt535, wobei die notwendige Eintrittswahrscheinlichkeit der Gefahr

Koos, in: Staudinger, BGB, IntWirtR, Neubearb. 2015, Rn. 377; anders aber nunmehr Fezer/Koos, in: Staudinger, BGB, IntWirtR, Neubearb. 2019, Rn. 377; vgl. bei Rehbinder/von Kalben, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 341. Argumentativ dagegen Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 318. Dieser Gedanke ist auch Hintergrund von Unwirksamkeitsüberlegungen der Schiedsvereinbarung, vgl. unten Kapitel 3 in und bei Fn. 546. 529 LG Dortmund, Urt. v. 13.09.2017 – 8 O 30/16 (Kart), WuW 2017, 621, 622 Rn. 24; Fezer/Koos, in: Staudinger, BGB, IntWirtR, Neubearb. 2019, Rn. 377 (anders aber noch Fezer/Koos, in: Staudinger, BGB, IntWirtR, Neubearb. 2015, Rn. 377); Immenga, in: MüKo-BGB, Bd. 12, 7. Aufl. 2018, IntWettbR/IntKartellR, § 185 Abs. 2 GWB Rn. 59; Rehbinder/von Kalben, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 340; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 318; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 193. Vgl. auch die Nw. in Kapitel 3 Fn. 496. 530 Rehbinder/von Kalben, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 341. 531 Eilmansberger, SchiedsVZ 2006, 5, 10; Fezer/Koos, in: Staudinger, BGB, IntWirtR, Neubearb. 2019, Rn. 377; Rehbinder/von Kalben, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 341 m.w. N.; Schmidt, BB 2006, 1397, 1399; Steindorff, WuW 1984, 189, 197. S. bei Eilmansberger und Schmidt auch zur Frage, ob dies auch dann gilt, wenn sich keine der Parteien darauf beruft. 532 Rehbinder/von Kalben, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 341. 533 Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 38; Rehbinder/von Kalben, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 185 Rn. 341. 534 Vgl. Geimer, IZPR, 8. Aufl. 2020, Rn. 1057 ff. 535 Nw. bei Geimer, IZPR, 8. Aufl. 2020, Rn. 3799a und Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 308 ff.; vgl. auch Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 38 und schon Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 7, 21. Aufl. 1994, § 1025 Rn. 23.

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wiederum streitig ist536. Dieser Meinung hat sich für Deutschland 2006 auch das OLG München angeschlossen und neben der in einem Handelsvertretervertrag enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung auch die Schiedsvereinbarung wegen der naheliegenden Gefahr der Nichtbeachtung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs aus § 89b HGB, der eine deutsche Eingriffsnorm darstellt, für unwirksam erklärt.537 Zu Recht ist die Entscheidung auf Kritik gestoßen. Denn folgte man ihr, führte dies zu einer faktischen Einschränkung der Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten bei denen Eingriffsnormen von Relevanz sind.538 Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber einen solchen Ausschluss der Schiedsfähigkeit gewollt hätte, finden sich jedoch nicht.539 Teilweise ist deshalb angedacht worden, die Konsequenz der Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung auf Fälle „offensichtlicher Umgehung“ zu beschränken, wobei die dadurch entstehenden Abwägungsprobleme durchaus gesehen wurden.540 Andere verweisen für die Gefahr der Nichtbeachtung von Eingriffsnormen auf die ordre-public-Prüfung.541 Zu Recht wird hierbei darauf hingewiesen, dass das deutsche Recht die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs nur dann verweigert, wenn dadurch der anerkennungsrechtliche ordre public verletzt wird. Nicht jede Verletzung deutschen materiellen Rechts stellt aber einen Verstoß gegen den anerkennungsrechtlichen ordre public dar. Selbst dann nicht, wenn es sich bei den verletzten deutschen Normen um Eingriffsnormen handelt. Das deutsche Recht akzeptiert also selbst die Nichtbeachtung von Eingriffsnormen durch das Schiedsgericht bis zur Grenze der ordrepublic-Widrigkeit.542 Dass nun in der Einredesituation schon nur die Gefahr der Nichtbeachtung von Eingriffsnormen ausreichen soll, um der Schiedsvereinbarung insgesamt ihre Wirksamkeit zu versagen, erscheint jedenfalls zweifelhaft, wenn gleichzeitig in der Anerkennungs- beziehungsweise Vollstreckbarerklärungssituation nicht einmal jede Verletzung von Eingriffsnormen der Anerkennung beziehungsweise Vollstreckbarerklärung hinderlich ist. Wenn überhaupt könnte also auch in der Einredesituation lediglich die Gefahr der Nichtbeachtung solcher Eingriffsnormen ausreichen, bei deren Verstoß ein ordre-public-Verstoß vor536 Teilweise soll bereits eine „nahe liegende Gefahr“ der Nichtbeachtung ausreichen, OLG München, Urt. v. 17.05.2006 – 7 U 1781/06 – Handelsvertreterausgleichsanspruch, WM 2006, 1556, hierzu Quinke, SchiedsVZ 2007, 246. Teilweise soll die Derogation erst dann unwirksam sein, wenn die Nichtbeachtung feststeht, siehe hierzu die Nw. bei Geimer, IZPR, 8. Aufl. 2020, Rn. 1057. 537 OLG München, Urt. v. 17.05.2006 – 7 U 1781/06 – Handelsvertreterausgleichsanspruch, WM 2006, 1556. 538 Horn, SchiedsVZ 2008, 209, 217; Quinke, SchiedsVZ 2007, 246, 247 f. 539 Horn, SchiedsVZ 2008, 209, 217 f.; Quinke, SchiedsVZ 2007, 246, 248. 540 Horn, SchiedsVZ 2008, 209, 218. 541 Geimer, IZPR, 8. Aufl. 2020, Rn. 3799a und 1770; Quinke, SchiedsVZ 2007, 246, 248. 542 Quinke, SchiedsVZ 2007, 246, 248.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

läge.543 Richtigerweise kann jedoch auch eine solche Gefahr, gleich welche Wahrscheinlichkeitsanforderungen man an sie stellt, nicht ausreichen, um die Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung herbeizuführen. Denn diese Sicht ist Ergebnis grundsätzlicher Bedenken gegen die Schiedsgerichtsbarkeit, die zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Einschränkung der Schiedsfähigkeit durch die Hintertür führt. Ebenso wenig überzeugend scheint es jedoch zu sein, dass eine Verletzung des ordre public erst abzuwarten ist. So scheint es – korrespondierend zu seiner Sicht in Bezug auf Gerichtsstandsvereinbarungen – jedoch wohl Geimer zu sehen.544 Deshalb muss der anerkennungsrechtliche ordre public bereits in der Einredesituation Anwendung finden.545 Steht bereits in der Einredesituation fest, dass der noch zu erlassende Schiedsspruch später wegen eines Verstoßes gegen den ordre public nicht anerkennungsfähig sein wird, ist auch die Schiedsvereinbarung nicht anzuerkennen. Diese Sicht setzt einerseits die schiedsverfahrensfreundliche Intentionen des Gesetzgebers auch in der Einredesituation durch, indem nicht bereits eine Gefahr ausreichend ist. Andererseits führt sie zu einheitlichen Kriterien in Einrede- und Anerkennungs- beziehungsweise Vollstreckbarerklärungssituation. Fest steht also jedenfalls, dass nach ganz herrschender Meinung eine Schiedsvereinbarung nicht schon allein deswegen ausgeschlossen ist, weil es kartellrechtliche Fragen sind, die in Streit stehen. 3. Blickwinkel und Angriffspunkte der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen in Kartellstreitigkeiten Die Untersuchung hat gezeigt, dass sich die Schiedsfähigkeit von kartellrechtlichen Streitigkeiten sowohl im europäischen als auch im deutschen Recht mittlerweile durchgesetzt hat und ausschließliche Schiedsvereinbarungen in Kartellsachen – jedenfalls nach herrschender Meinung – auch ansonsten zulässig sind. Zuletzt bleibt nun die Frage zu beantworten, ob Schiedsvereinbarungen in Kartellstreitigkeiten auch materiell wirksam sind. Das mag auf den ersten Blick verwirren. Denn, die Anerkennung der Schiedsfähigkeit von Kartellstreitigkeiten und die Zulässigkeit entsprechender Schiedsvereinbarungen hat keinen Wert, wenn im nächsten Zuge die für solche Streitgegenstände geschlossenen Schiedsvereinbarungen für unwirksam befunden werden. Gleichwohl wird die Wirksamkeit von für kartellrechtliche Streitigkeiten geschlossenen Schiedsvereinbarungen immer wieder in Frage gestellt. Der Hinter543 Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 307 f. 544 Geimer, IZPR, 8. Aufl. 2020, Rn. 3799a; ausführlich zu den wechselseitig vertretenen Meinungen Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 308 ff. 545 Quinke, SchiedsVZ 2007, 246, 248 m.w. N.

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grund ist, wie schon bei der Diskussion um die Zulässigkeit entsprechender Vereinbarungen, nahezu immer derselbe: Die Angst, das System Schiedsgerichtsbarkeit könnte zur Umgehung oder Nichtdurchsetzung der Kartellvorschriften führen oder missbraucht werden, weil das Schiedsgericht sie nicht oder nicht richtig anwenden wird.546 Gleicher Hintergrund hat auch zur Infragestellung der Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen für besagte Streitigkeiten geführt. Mehrere Begründungsansätze haben sich ergeben, wieso Schiedsvereinbarungen in Kartellsachen unwirksam sollen sein können. Die verschiedenen Ansätze unterscheiden sich insbesondere darin, dass sie sich für verschiedene „Kartellsituationen“ entwickelt haben. Eine Unterscheidung ergibt sich aus der kartellrechtlichen Stellung der Parteien der Schiedsvereinbarung zueinander einerseits, aus der anwendbaren kartellrechtlichen Regel andererseits. Mit Blick auf das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen des Art. 101 AEUV beziehungsweise des § 1 GWB können Schiedsvereinbarungen sowohl im Horizontal- als auch im Vertikalverhältnis zwischen zwei Kartellparteien relevant werden: Im Horizontalverhältnis können zwei Kartellanten ihre wettbewerbswidrige Vereinbarung zugleich mit einer Schiedsvereinbarung versehen. Relevant wird diese insbesondere dann, wenn es zwischen den beiden Kartellanten zum Streit bezüglich der wettbewerbswidrigen Vereinbarung kommt. Dabei stellt sich dann die – nicht mehr neue – Frage, ob die sich in der wettbewerbswidrigen Vereinbarung befindliche Schiedsvereinbarung ebenfalls unwirksam ist.547 Das ist – wie herausgearbeitet wurde548 – aufgrund der Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung grundsätzlich nicht allein deswegen der Fall, weil die wettbewerbswidrige Vereinbarung gemäß § 101 AEUV beziehungsweise § 1 GWB unwirksam ist. Es bedarf vielmehr einer darüberhinausgehenden Begründung. Zwei Begründungen sind denkbar: Erstens lässt sich behaupten, dass die Schiedsvereinbarung für sich besehen ebenfalls eine wettbewerbswidrige Vereinbarung darstellt und deshalb – schon aus sich heraus – selbst unwirksam ist. Dies dürfte allerdings nicht der Fall sein. Denn die Schiedsvereinbarung dürfte grundsätzlich wettbewerbsneutral sein.549 Zweitens ließe sich aber überlegen, ob von der Nichtigkeit der wettbewerbswidrigen Vereinbarung, in der die Schiedsvereinbarung enthalten ist, nicht aus546 Siehe z. B.: Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 11.12.2014 – Rs. C-352/ 13 – CDC Hydrogen Peroxide, ECLI:EU:C:2014:2443, Rn. 122 ff. 547 Siehe ausführlich bspw. Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 54 ff. 548 Kapitel 3 § 1 B. II. 1. 549 Siehe nur Eilmansberger, SchiedsVZ 2006, 5, 7 a. E., f.; Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 55, 63; Tyrolt, Sportschiedsgerichtsbarkeit und zwingendes staatliches Recht, S. 44 f.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

nahmsweise auch die Schiedsvereinbarung selbst umfasst sein könnte. Dem stünde der Unabhängigkeitsgedanke der Schiedsvereinbarung jedenfalls dann nicht entgegen, wenn sich die Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung daraus ergäbe, dass die kartellrechtliche Nichtigkeit der wettbewerbswidrigen Vereinbarung auch die Schiedsvereinbarung umfasst550, obwohl die Schiedsvereinbarung selbst wettbewerbsneutral ist. Gerade dies soll dann der der Fall sein, wenn sich die Schiedsvereinbarung als sogenannte dienende Klausel darstellt.551 Eine solch dienende Klausel soll von der Nichtigkeitswirkung des Kartellverbots unmittelbar mit umfasst sein552, sodass sich ihre Nichtigkeit nicht etwa erst nachgelagert aus § 139 BGB ergibt. Neuer sind die Entwicklungen um Schiedsvereinbarungen im Vertikalverhältnis, also zwischen einem Kartellanten und seinem Abnehmer. Hier können die Parteien mittelbar kartellbelastete Verträge mit Schiedsvereinbarungen versehen. Kartellrechtliche Relevanz bekommt die Schiedsvereinbarung in diesem Verhältnis insbesondere dann, wenn es hinsichtlich des mittelbar kartellbelasteten Vertrags zu Streitigkeiten kommt. Hervorgehoben seien hier Streitigkeiten um kartellbedingten Schadensersatz des Abnehmers. In solchen Streitigkeiten kam jüngst die Frage auf, ob das kartellrechtliche Effektivitätsgebot der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung entgegensteht.553 Diese Fälle liegen jedoch gänzlich anders, als die, auf die sich die Arbeit konzentrieren will. Denn der eigentliche Makel liegt hier regelmäßig in der wettbewerbswidrigen Hauptvereinbarung, nicht in der Schiedsvereinbarung, die ledig550 Denn wie zuvor (Kapitel 3 § 1 B.) bereits dargelegt worden ist, zielt der Unabhängigkeitsgedanke der Schiedsvereinbarung lediglich auf die Durchbrechung einer Gesamtnichtigkeitswirkung ab. Ergibt sich die Notwendigkeit der Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung aber bereits aus der Kartellnichtigkeit der Vereinbarung selbst, kommt es auf den Unabhängigkeitsgedanken der Schiedsvereinbarung nicht mehr an. 551 Bechtold/Bosch/Brinker, EU-KartR, 3. Aufl. 2014, Art. 101 AEUV Rn. 85; Gleiss/Hirsch, EG-KartR, Bd. 1, 1993, Art. 85 (1) EGV Rn. 171; Roth/Ackermann, in: FK-KartR, Bd. II, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 EG Rn. 362 f.; Schröter/van Vormizeele, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Bd. 2, 7. Aufl. 2015, Art. 101 AEUV Rn. 129. 552 EuGH, Urt. v. 25.10.1977 – Rs. 26/76 – Metro/SABA I, ECLI:EU:C:1977:167, Rn. 27; Bechtold/Bosch/Brinker, EU-KartR, 3. Aufl. 2014, Art. 101 AEUV Rn. 85; Füller, in: KöKo-KartR, Bd. 3, 2016, Art. 101 AEUV Rn. 453; Roth/Ackermann, in: FK-KartR, Bd. II, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 EG Rn. 362; Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 1, 6. Aufl. 2019, Art. 101 Abs. 2 AEUV Rn. 21; Schröter/van der Hout, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Bd. 2, 7. Aufl. 2015, Art. 101 AEUV Rn. 221; Schröter/van Vormizeele, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Bd. 2, 7. Aufl. 2015, Art. 101 AEUV Rn. 128 f.; Weyer, in: FK-KartR, Bd. II, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, Zivilrechtsfolgen Art. 81 EG Rn. 138; wohl auch Säcker, in: MüKo-WettbR, Bd. 1, 3. Aufl. 2020, Art. 101 AEUV Rn. 868. S. auch Otto, Der Kartellgehilfe als Bußgeldadressat im Europäischen Kartellrecht, S. 317 f. 553 EuGH, Urt. v. 21.05.2015 – Rs. C-352/13 – CDC Hydrogen Peroxide, ECLI:EU: C:2015:335; LG Dortmund, Urt. v. 13.09.2017 – 8 O 30/16 (Kart), NZKart 2017, 604.

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lich als Reflex der Wettbewerbswidrigkeit der Hauptvereinbarung unwirksam sein könnte. Die Kontrolle von Schiedsvereinbarungen am Maßstab des Kartellverbots wird deshalb hier nicht weiter vertieft.554 Man darf indes nicht den Fehler machen, die dem Kartellverbot unterfallenden Fallkonstellationen mit denen gleichzusetzen oder zu vermischen, die dem Missbrauchsverbot unterfallen könnten.555 Auch mit Blick auf das Verbot des Missbrauches einer marktbeherrschenden Stellung des Art. 102 AEUV beziehungsweise des § 19 GWB können Schiedsvereinbarungen im Horizontal- und Vertikalverhältnis Relevanz haben.556 Im Verhältnis eines marktbeherrschenden Unternehmens zu seinem Vertragspartner erhält die Schiedsvereinbarung ihre kartellrechtliche Relevanz dann, wenn ihre Wirksamkeit aufgrund der marktbeherrschenden Stellung der einen Partei angezweifelt wird.

II. Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen am Maßstab des kartellrechtlichen Konditionenmissbrauchs aus § 19 GWB Wie bereits erwähnt,557 hat mit dem OLG München und dessen Pechstein-Entscheidung erstmals ein deutsches Gericht die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung am Maßstab des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots gemessen. Die Kontrolle von Schiedsvereinbarungen am Maßstab des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots liegt dabei nicht allzu fern. Es verwundert insbesondere mit Blick auf den Sportsektor eher, dass die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen zuvor noch nicht am Tatbestand des Missbrauchsverbots zu messen versucht worden ist.558 Denn gerade hier, wo eine Monopolstellung der Sportverbände durch das sogenannte Ein-Platz-Prinzip559 systemimmanent ist,560 ist die Anwendung des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots eigentlich der folgerichtige Schritt. 554

S. bereits oben Kapitel 1 § 2. So aber Orth, ZWeR 2018, 382, 383. 556 Hierzu auch nochmal unten Kapitel 3 bei Fn. 583. 557 S. o. Kapitel 3 in und bei Fn. 488. 558 Siehe zum zugrundeliegenden Problem bspw. bereits Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport; Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2004, 175; Haas, SchiedsVZ 2009, 73; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen. 559 Zur Erklärung des Ein-Platz-Prinzips s. o. Kapitel 1 in Fn. 4. 560 Haus/Heitzer, NZKart 2015, 181, 184; Heermann, WRP 2015, 1047; Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 81; Hofmann, Notwendigkeit einer institutionellen Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 334 f.; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 10; Orth, ZWeR 2018, 382, 382 f.; Thöne, SchiedsVZ 2020, 176; ausführlich Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 28 ff.; einschränkend Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, S. 398; vgl. jüngst nochmal LG München I, Urt. v. 28.09.2020 – I 37 O 11770/ 20 (erhältlich in juris), Rn. 97. 555

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Hatte Karsten Schmidt in anderem Zusammenhang noch festgehalten, dass das Kartellrecht als marktschützendes Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht von Vertrags- und Organisationsregeln bestimmt sei, sondern von wettbewerbsbeschützenden Verboten und Verbotssanktionen und das Kartellrechtsthema in der Schiedsgerichtsbarkeit deshalb von ganz anderen Fragen beherrscht sei, als von solchen der Unwirksamkeit der Schiedsklausel561, so gilt dies seit der Entscheidung des OLG München – jedenfalls in dieser Klarheit – nicht mehr. Der BGH entschied 2016 in der Rechtssache Pechstein zwar zugunsten der Wirksamkeit der in Frage stehenden Schiedsvereinbarung, blieb aber beim kartellrechtlichen Ansatz des OLG München562, ohne sich zu diesem jedoch grundsätzlich geäußert zu haben. Der BGH begnügt sich in seiner Entscheidung mit der Feststellung, dass jedenfalls die in Streit stehende Schiedsvereinbarung kartellrechtlich nicht problematisch sei.563 Ob und insbesondere inwieweit eine Schiedsvereinbarung gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot verstoßen kann, ist bis heute noch nicht abschließend geklärt.564 Der kartellrechtliche Ansatz zur Kontrolle von Schiedsvereinbarungen hat innerhalb der Literatur zwar Zustimmung erfahren.565 Die gegen ihn teilweise vorgebrachte Kritik hat hingegen, jedenfalls grundsätzlich, ihre Berechtigung. Denn eine tiefgreifende Beschäftigung mit dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot hat in Bezug auf Schiedsvereinbarungen bisher nicht stattgefunden.566 Vorschnell, weil kartellrechtsspezifische Erwägungen insbesondere hinsichtlich Zweck und Reichweite des Missbrauchsverbots weitestgehend außenvorlassend, werden die Tatbestandsvoraussetzungen des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots als erfüllt angesehen.567 Die in der Literatur vorgetragene Kritik gegen die Entscheidungen in der Rechtssache Pechstein ist vielschichtig und richtet sich gegen die Subsumtion unter nahezu jedes Tatbestandsmerkmals des kartellrechtlichen Missbrauchsver-

561

Schmidt, BB 2006, 1397, 1398. Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 815. In der Folge haben u. a. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 21.12.2017 – 11 U 26/17 (Kart), NZKart 2018, 151, 152 sowie OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 23.06.2020 – 26 Sch 1/20, NZKart 2020, 448, 449 Schiedsvereinbarungen an § 19 GWB gemessen. 563 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270, Rn. 48. 564 Vgl. Adam/Echtermann/Hofmann/Ortmann, npoR 2017, 82, 85. 565 S. bspw. Haus/Heitzer, NZKart 2015, 181, 186; Heermann, JZ 2015, 362, 363; Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 81. Bereits zuvor, aber ohne Prüfung der Frage, Tyrolt, Sportschiedsgerichtsbarkeit und zwingendes staatliches Recht, S. 44. 566 Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 314; Podszun, JZ 2017, 208, 211. 567 Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 314; vgl. Podszun, JZ 2017, 208, 211; Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257, 259. Vorgenannte Stimmen ablehnend Grewe, Missbrauchsverbot als Durchsetzungsinstrument, S. 212. 562

§ 3 Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen

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bots.568 Dabei bezieht sich die Kritik teilweise auf die Subsumtion des konkreten Falls unter den Tatbestand des Missbrauchsverbots, teilweise speist sich die Kritik aus sportrechtsspezifischen Argumenten, teilweise ist sie grundsätzlicher Natur. Kaum zu unterscheiden ist oftmals, ob die Erfüllung von Tatbestandsmerkmalen aus kartellrechtlichen Gründen oder bloß mit dem Blick auf das Ziel, (Sport-)Schiedsvereinbarungen von einer kartellrechtlichen Kontrolle auszunehmen, abgelehnt wird.569 Ob sich die kartellrechtliche Kontrolle von Schiedsvereinbarungen durchsetzen wird oder nicht hängt maßgeblich von der Entwicklung der Diskussion um die hoch umstrittene Frage ab, inwieweit sich die Missbräuchlichkeit von Konditionen neben einer quantitativen auch aus einer qualitativen Analyse ergeben kann. Hierfür wiederum kommt es maßgeblich auf die Reichweite des Missbrauchsverbots aufgrund dessen Schutzzwecks an. Eine Klärung dieser Frage kann nur durch eine tiefgehende Betrachtung des Missbrauchsverbots geschehen, die hier aus Gründen des Umfangs nicht vorgenommen werden kann.570 Beschränkt wird sich hier deshalb auf zwei Aspekte: Zum einen wird gezeigt, dass sich die Entscheidung des BGH in der Rechtssache Pechstein als auf einer Linie liegend sowohl mit einer Rechtsprechungsentwicklung hin zur Öffnung des Missbrauchsverbots auch für qualitative Erwägungen571, als auch mit der Linie des Gesetzgebers lesen lässt, der das Kartellrecht immer mehr auch für den Endverbraucherschutz zu öffnen scheint.572 Flankenschutz für diese Linie kommt dabei vom Bundeskartellamt.573 Zum anderen wird gezeigt, dass sich gute Gründe

568 S. bspw. Adolphsen, SpuRt 2016, 46, 50 („Diese Subsumtion ist – die Kartellrechtler mögen es verzeihen – eine gewollte falsche Ausdehnung des Kartellrechts auf Bereiche, die das Kartellrecht nicht normieren will.“); Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 314 Rn. 12, 317 Rn. 34; Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257, 258 und 259 („gänzlich unangemessen“ und „klar exzessiv“). 569 Siehe bspw. hinsichtlich der Beschränkung des Begriffs der Geschäftsbedingungen Kapitel 3 § 3 C. II. 2. a) cc). 570 Hierzu jüngst u. a.: Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften; Grewe, Missbrauchsverbot als Durchsetzungsinstrument; Krohn, Die methodengerechte Auflösung marktmachtbedingter Interessenkonflikte durch § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Siehe auch die Nw. in Kapitel 3 Fn. 674. 571 Deutlich ablehnend aber jüngst OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.08.2019 – VI-Kart 1/19 (V) – Facebook I, BeckRS 2019, 18837, Rn. 21. Nunmehr aber BGH, Beschl. v. 23.06.2020 – KVR 69/19 – Facebook II, NZKart 2020, 473, 476 Rn. 55. 572 Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) aa). Vgl. Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 269. 573 Siehe insoweit die Zustimmung des BKartA zum kartellrechtlichen Ansatz in der mündlichen Verhandlung der Rechtssache Pechstein vor dem BGH (hierzu Heermann, sport-recht.org vom 31.05.2016) sowie die Hintergrundinformationen zum FacebookVerfahren des BKartA (BKartA, Hintergrundinformationen zum Facebook-Verfahren). Siehe auch Mundt/Stempel, in: Kenning/Oehler/Reisch/Grugel, Verbraucherwissenschaften, S. 573, 577 und vgl. bei Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 257. Das weite Verständnis des BKartA nun aber bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren deutlich

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

für ein Schutzzweckverständnis des Missbrauchsverbots finden lassen, das eine rein qualitative Kontrolle von Konditionen, zu denen dann auch Schiedsvereinbarungen i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarungen zählen, zulässt. Bereits aus dieser Erkenntnis ergibt sich die Notwendigkeit, dass sich die Arbeit in ihrem 4. Kapitel mit den sich aus dem kartellrechtlichen Ansatz ergebenden Folgeproblemen im Verhältnis zu § 1034 Abs. 2 ZPO beschäftigt. Die Arbeit beschränkt den Blickwinkel allein auf den Missbrauch in seiner Ausprägung des Konditionenmissbrauchs. Daraus ergibt sich eine wichtige Einschränkung. Denn damit befinden sich von Anfang an nur die Fälle im Blick der Arbeit, die sich einerseits in aller Regel auf Vertikalebene abspielen, also zwischen einem Anbieter und einem Nachfrager.574 Andererseits konzentriert sich die Arbeit damit auf Situationen, in denen regelmäßig, auf Grund der Voraussetzung der Marktbeherrschung, ein wirtschaftliches Machtungleichgewicht zwischen den Parteien vorhanden ist. 1. Beschränkung auf die Fallgruppe des Konditionenmissbrauchs Ein kartellrechtlich erfasster Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung kann auf viele Weisen begangen werden. Zu unterscheiden ist grundsätzlich zwischen den Formen Behinderungsmissbrauch, Marktstrukturmissbrauch und Ausbeutungsmissbrauch. Die jeweiligen Formen stehen dabei nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander. Vielmehr gibt es vielfache Überschneidungen zwischen den einzelnen Formen.575 Ganz grundsätzlich geht es beim Behinderungsmissbrauch um die Mehrung von Marktmacht gegenüber dem Behinderten, beim Marktstrukturmissbrauch um die Verfestigung der eigenen Marktstellung und beim Ausbeutungsmissbrauch um die Fruchtziehung aus der bereits existenten Marktmacht.576 Der Konditionenmissbrauch ist ein Unterfall des Ausbeutungsmissbrauchs. Denn Erträge der Marktmacht lassen sich grundsätzlich auf zwei Arten erzielen. Einerseits durch zu hohe Preise, andererseits durch Geschäftsbedingungen, also Konditionen.577 Im Tatbestand des § 19 GWB findet sich der Konditionenmisszurückweisend OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.08.2019 – VI-Kart 1/19 (V) – Facebook I, BeckRS 2019, 18837. 574 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 201; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 120. 575 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 25; Fuchs, in: Immenga/ Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 18; Nothdurft, in: Langen/ Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 113 und für das Verhältnis zwischen Behinderungs- und Ausbeutungsmissbrauch Rn. 120. 576 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 25; Nothdurft, in: Langen/ Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 120 für den Behinderungs- und Ausbeutungsmissbrauch. 577 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 28.

§ 3 Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen

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brauch insbesondere in den Regelbeispielen des § 19 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 GWB.578 Darüber hinaus bleibt aber – naturgemäß – auch die Generalklausel auf die Kontrolle von Konditionen anwendbar. Ist ein Sachverhalt – grundsätzlich oder konkret – nicht von einem Regelbeispiel erfasst, schließt das die Anwendbarkeit der Generalklausel für diesen Fall nicht aus.579 Allerdings wird man bei Anwendung der Generalklausel in dem Fall, in dem ein Merkmal eines Tatbestandes eines Regelbeispiels nicht erfasst ist, entscheiden müssen, ob die negative Indizwirkung der Nichterfüllung des Tatbestands im Einzelfall überwunden werden kann und muss.580 Während die Regelbeispiele des § 19 GWB teilweise Einschränkungen hinsichtlich des zu schützenden Personenkreises enthalten, gilt dies sowohl für Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 sowie für die Generalklausel nicht. Folge dessen ist, dass das Verbot des Ausbeutungsmissbrauchs auch zugunsten privater Endverbraucher greift.581 Andererseits erfasst das Regelbeispiel der Nr. 2 das Verhalten des Marktbeherrschers unabhängig davon, ob er selbst Anbieter oder Nachfrager ist. Das Regelbeispiel der Nr. 3 gilt dem Wortlaut nach hingegen nur für die Preisund Konditionengestaltung des Marktbeherrschers gegenüber seinem Abnehmer.582 Die Arbeit beschränkt sich auf Überlegungen zur Kontrolle von Schiedsvereinbarungen aus Sicht des Konditionenmissbrauchs. Denn ihr Fokus liegt insgesamt auf der Frage der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung zwischen den beiden Schiedsparteien. Dabei ließen sich Schiedsvereinbarungen durchaus noch unter weiteren Blickwinkeln des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots hinterfragen. Immer wieder ist beispielsweise die Frage angeklungen, ob ein eigener Markt für Schiedsgerichtsbarkeit existiert583 und insoweit im Fordern einer Schiedsvereinbarung eine missbräuchliche Kopplung zu sehen sein könnte.584 578

Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 25. Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 11, 26; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 8, 60; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 117, 181. Siehe im Speziellen noch unten Kapitel 3 bei Fn. 608. 580 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 118. 581 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 120, 125. 582 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 125. 583 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 43 („Markt für Rechtsprechung“); Duval/van Rompuy, The compatibility of forced CAS arbitration with EU competition law, verfügbar auf SSRN, S. 12; Eckel/ Richter, WuW 2015, 1078, 1084; Motyka-Mojkowski/Kleiner, JECLAP 2017, 457, 461; Wagner, ZVglRWiss 114 (2015), 494, 513. 584 Eckel/Richter, WuW 2015, 1078, 1084 f.; Motyka-Mojkowski/Kleiner, JECLAP 2017, 457, 461. Ansätze auch bei Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 243. Ganz vereinzelt ist auch schon mal angedacht worden, in dem Verlangen nach dem Abschluss der Schiedsvereinbarung eine ausbeuterische Kopplung zu sehen, s. LG Berlin, Beschl. v. 24.03.2009 – 16 O 58/09 Kart, BeckRS 2015, 56394. 579

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

2. Die Schiedsvereinbarung als Kondition i. S. d. § 19 GWB Aus Sicht des Konditionenmissbrauchs liegt der Missbrauch im Fordern konkreter Konditionen. Insoweit stellt sich zunächst die Frage, was unter dem Begriff Kondition beziehungsweise dem Begriff der Geschäftsbedingung, der hier synonym gebraucht wird, zu verstehen ist und ob Schiedsvereinbarungen Konditionen in diesem Sinne darstellen. a) Stimmen zur Reichweite des Begriffs Geschäftsbedingungen in § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB in der Literatur Der Umfang des Begriffs der Geschäftsbedingungen in § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB wird in der Kommentarliteratur und Rechtsprechung uneinheitlich behandelt. aa) Stimmen für ein grundsätzlich weites Verständnis des Begriffs Viele Stimmen gehen von einem grundsätzlich weiten Verständnis des Begriffs aus. Er soll alles umfassen, was durch vertragliche Regelungen abgebildet werden kann.585 Teilweise wird dabei nicht ganz klar, in welcher Hinsicht der Begriff weit zu verstehen sein soll. Trennen lässt sich insoweit zwischen Überlegungen zur formellen Reichweite einerseits, zur inhaltlichen Reichweite andererseits. Formelle Reichweite betrifft dabei die Frage, welche Form vertragliche Vereinbarungen haben müssen, um Geschäftsbedingungen i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB darstellen zu können. Bei der inhaltlichen Reichweite hingegen geht es um die Frage, ob nur vertragliche Regelungen bestimmten Inhalts unter den Begriff der Geschäftsbedingungen i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB fallen. Teilweise wird die Feststellung, dass der Begriff alles erfasst, was durch vertragliche Regelungen abgebildet werden kann, in Zusammenhang mit der formellen Reichweite des Begriffs gesetzt. So umfasse der Begriff der Geschäftsbedingung nach Loewenheim all das, was Gegenstand vertraglicher Regelungen sein kann. „Also“, so heißt es, nicht nur allgemeine Geschäftsbedingungen im technischen Sinne, sondern auch Individualvereinbarungen.586 Ob sich für Loewenheim aus diesem „also“ eine Beschränkung des weiten Verständnisses allein auf die 585 Bechtold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 19 Rn. 53; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 68; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 208; OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 43; Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 28; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 68; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 181. 586 Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 68; ähnlich auch bei Fuchs, in: Immenga/ Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 208.

§ 3 Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen

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formelle Reichweite ergibt, wird nicht ganz klar. Hinsichtlich der formellen Reichweite besteht insgesamt jedoch Einigkeit, dass der Begriff sowohl allgemeine Geschäftsbedingungen als auch Individualvereinbarungen erfasst.587 Teilweise sollen auch Vertragsbestandteile Geschäftsbedingungen darstellen können.588 bb) Beschränkung der inhaltlichen Reichweite durch Notwendigkeit eines Leistungsbezugs? Sucht man nach Aussagen zur Reichweite des Begriffs hinsichtlich der inhaltlich von ihm erfassten Regelungen, so lassen sich aber durchaus – jedenfalls auf den ersten Blick – Einschränkungen finden. So heißt es von Busche, es seien alle vertraglichen Regelungen erfasst, die die Modalitäten der Leistungserbringung beträfen.589 Loewenheim meint, es könne sich bei Geschäftsbedingungen um alle Vereinbarungen handeln, die Leistung und Gegenleistung betreffen.590 Wolf wiederum meint, es seien unter Geschäftsbedingungen alle Bedingungen zu verstehen, die zum Inhalt eines Leistungsaustauschvertrages gemacht werden könnten. Es komme nicht darauf an, ob sie Haupt- oder Nebenleistung beträfen.591 All diese Stimmen lassen sich dahin verstehen, Geschäftsbedingung sei nur, was in Zusammenhang mit der Leistung steht. Allerdings stehen diese Aussagen dann ihrerseits teilweise wieder in Zusammenhang mit der Aussage, der Begriff sei weit zu verstehen592, sodass unklar bleibt, ob der Bezug zur Leistung wirklich als Beschränkung des inhaltlichen Umfangs des Begriffs der Geschäftsbedingungen zu verstehen sein soll oder lediglich sprachliches Relikt des seit Inkrafttreten 587 Bechtold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 19 Rn. 53; Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 28; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 208. 588 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 208; sprachlich noch weitgehender Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 181: Der Begriff der Geschäftsbedingung erfasse „sämtliche Parameter der Geschäftsbeziehung“. Es kommt dabei auf keinerlei Form an. Selbst „faktische Geschäftsbedingungen“ seien erfasst. 589 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 28. Mit einer Fußnote verweist Busche dann allerdings auf Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 253 (heute: Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 208), wo wieder die o. g. Aussage zu lesen ist, die sich eher in Richtung der formellen Reichweite des Begriffs verstehen lässt. 590 Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 68. 591 Wolf, in: MüKo-WettbR, Bd. 2, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 90. 592 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 28 [Als „Geschäftsbedingungen sind im weiteren Sinne alle vertraglichen Regelungen zu verstehen. (. . .) (W)erden damit (sic) alle vertraglichen Regelungen erfasst, die (. . .) die Modalitäten der Leistungserbringung betreffen.“]. Siehe auch bei Loewenheim, in: Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 68.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

des § 18 Abs. 2a GWB als überkommen anzusehenden Verständnisses ist, dass Markt und Marktverhalten nur dort vorliegen können, wo es um den entgeltlichen Austausch von Leistungen geht.593 Wären die Stimmen als Beschränkung zu verstehen, so ließe sich in Bezug auf Schiedsvereinbarungen i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarungen durchaus fragen, ob sie die „Modalitäten der Leistungsbeziehung“ betreffen594. cc) Stimmen zur inhaltlichen Beschränkung aufgrund der systematischen Verknüpfung der Geschäftsbedingungen mit den Entgelten in § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB Ausdrückliche Aussagen zur Einschränkung des Begriffs der Geschäftsbedingungen hinsichtlich seines Umfanges finden sich seltener. Aber sie finden sich: So wird eine Einschränkung der inhaltlichen Reichweite des Begriffs immer wieder aus der systematischen Verknüpfung der sonstigen Geschäftsbedingungen mit den Entgelten im Wortlaut des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB hergeleitet. Die hieraus gezogenen Einschränkungen werden verschiedentlich begrifflich zu fassen gesucht, wobei wieder nicht klar wird, ob die Autoren Gleiches oder doch Verschiedenes meinen. Franck meint, der Begriff der Geschäftsbedingungen erfasse alle Qualitätsmerkmale eines Produktes, die sich auf den Marktwert auswirkten.595 Motyka-Mojkowski/Kleiner und Nordmann/Förster haben in Reaktion auf die Entscheidung des OLG München in der Rechtssache Pechstein aus dem systematischen Zusammenhang zwischen Entgelten und Geschäftsbedingungen gefolgert, dass nur solche Vereinbarungen als Geschäftsbedingungen i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB in Betracht kämen, die den wirtschaftlichen Wert des Vertrages zu beeinflussen geeignet seien.596 Denn wäre die Einordnung des OLG richtig597, so hätte sie eine enorme Auswirkung. Denn dann, so befürchten die Autoren, komme die Nichtigkeit nicht nur von Schiedsvereinbarungen, sondern 593 In diese Richtung lässt sich Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das FacebookVerfahren des BKartA, S. 6 verstehen. 594 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 28. Zur hier nicht im Fokus stehenden Frage, ob „Regelungen über die Verarbeitung und Nutzung von Kundendaten“ Geschäftsbedingungen darstellen, s. bspw. Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 6. 595 Franck, ZWeR 2016, 137, 159. Vgl. ansatzweise und mit Bezug zum FacebookVerfahren des BKartA auch Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 6. 596 Motyka-Mojkowski/Kleiner, JECLAP 2017, 457, 461; Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 316 Rn. 23. Ebenfalls in Reaktion auf die Rechtssache Pechstein, indes ohne Begründung, Stancke, SpuRt 2015, 46, 49 („Überdehnung des Begriffs“), die Problematik nicht sehend Zimmermann, ZWeR 2016, 66, 74. 597 Das OLG München hatte Schiedsvereinbarungen als Geschäftsbedingungen eingeordnet, ohne hierin ein Problem zu sehen, s. OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 43.

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auch von Gerichtsstandsvereinbarungen und Rechtswahlklauseln in Betracht.598 Für den Begriff der Geschäftsbedingungen in Art. 102 AEUV scheint Fuchs der Ansicht zu sein, eine Geschäftsbedingung könne nur dann ungünstig sein, wenn sie einen wirtschaftlichen Nachteil darstelle, der sich rechnerisch in Geld ausdrücken ließe.599 Hält man eine solche Auswirkung auf den wirtschaftlichen Wert beziehungsweise den Marktwert für erforderlich, so bliebe zu untersuchen, ob Schiedsvereinbarungen i. e. S. beziehungsweise Schiedsverfahrensvereinbarungen dahingehende Auswirkungen haben können. Motyka-Mojkowski gehen implizit davon aus, dass dem nicht so ist. Wie sie zu diesem Ergebnis gelangt sind, bleibt indes offen. Nordmann/Förster „bezweifeln“, dass Schiedsvereinbarungen eine solche Auswirkung auf den wirtschaftlichen Wert des Vertrags „stets“ zukommt. Woraus sich ihre Zweifel ergeben, lassen aber auch Nordmann/Förster offen. Sicherlich wird man Schiedsvereinbarungen i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarungen nicht zu den wertbildenden Faktoren im klassischen Sinne zählen können, wenn es solche denn überhaupt gibt. Dass es Schiedsvereinbarungen i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarungen indes völlig unmöglich sein soll, Einfluss auf den wirtschaftlichen Wert beziehungsweise den Marktwert zu nehmen, erscheint bei näherem Hinsehen alles andere als zwingend. Denn wieso sollten die Vertragsparteien auch eine im Vertrag enthaltene Schiedsvereinbarung beziehungsweise Schiedsverfahrensvereinbarung nicht mit einpreisen können? Wieso sollten nicht auch die Modalitäten der Rechtsdurchsetzung Einfluss auf den wirtschaftlichen Wert des Vertrags haben können? Ob man aber dem Wortlaut des Abs. 2 Nr. 2 überhaupt eine systematischinhaltliche Verknüpfung der beiden Begriffe Entgelte und Geschäftsbedingungen entnehmen und eine kontrollfähige Geschäftsbedingung deshalb nur dann annehmen kann, wenn die Geschäftsbedingung geeignet ist, einen Einfluss auf den wirtschaftlichen Wert beziehungsweise den Marktwert zu haben, hängt maßgeblich davon ab, welche Bedeutung man dem Wort „oder“, das die sonstigen Geschäftsbedingungen mit den Entgelten im Wortlaut des § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB verknüpft, beimisst. Denn der Wortlaut lässt sich einerseits so verstehen, dass er Entgelte oder sonstige – den Entgelten ähnliche – Geschäftsbedingungen erfasst wissen will. Ebenso denkbar ist indes, dass er Entgelte und sonstige – im Sinne aller anderen – Geschäftsbedingungen meint. In diesem letzteren Sinne wird dann die inhaltliche Reichweite des Begriffes der Geschäftsbedingungen in der Literatur teilweise auch beschrieben. Nothdurft hat ausdrücklich hervorgehoben, dass der Begriff der Geschäftsbedingung kom598 Motyka-Mojkowski/Kleiner, JECLAP 2017, 457, 461; Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 316 Rn. 22. 599 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 1, 6. Aufl. 2019, Art. 102 AEUV Rn. 186.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

plementär zu dem des Entgelts sei und die Begriffe zusammen „die gesamte, von einem Machtgefälle geprägte Anbieter-Nachfrager-Beziehung dem Anwendungsbereich der Norm unterstellen“. Der Begriff erfasse demnach sämtliche Parameter der Geschäftsbeziehung, die nicht dem Bereich des Entgelts zuzuordnen sind.600 b) Rechtsprechung zur Schiedsvereinbarung als Geschäftsbedingung In der Rechtssache Pechstein hat das OLG München auf die o. g., sich immer wieder findende Formel zurückgegriffen, der Begriff der Geschäftsbedingungen sei weit zu verstehen und umfasse alles, was durch vertragliche Regelungen abgebildet werden könne. Deshalb, so folgert es, falle „auch die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts unter Ausschluss der Zuständigkeit der staatlichen Gerichte“, also die Schiedsvereinbarung i. e. S.601, unter den Begriff der Geschäftsbedingung i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB.602 Vereinzelt ist dieser Einordnung in der Literatur explizit zugestimmt worden,603 während sie im Übrigen höchstens unkommentiert Erwähnung findet604. In der Sache befasst sich das OLG dann zwar zunächst mit einem Missbrauch durch „das Verlangen einer Schiedsvereinbarung“ 605 und meint hier die Schiedsvereinbarung i. e. S. Sodann prüft das OLG aber einen Missbrauch durch das Verlangen der „Zustimmung zu der Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS“ 606. Bei der Vereinbarung, das Schiedsverfahren vor dem und nach den Regeln des CAS gestalten zu wollen, handelt es sich indes um eine Schiedsverfahrensvereinbarung.607 Das OLG übersieht unter anderem hier die Notwendigkeit der Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarungen. Nach Ansicht des OLG also fallen nicht bloß Schiedsvereinbarungen i. e. S. unter den Begriff der Geschäftsbedingungen, sondern auch Schiedsverfahrensvereinbarungen.

600 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 181; ähnlich weit Lettl, WuW 2016, 214, 216, zwar im Kontext des europäischen Rechts, was er aber auf S. 219 auch für das deutsche Recht vorauszusetzen scheint. 601 S. o. Kapitel 2 § 2 D. II. 602 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 43; offengelassen dann in der Revision von BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270 Rn. 48. 603 Eckel/Richter, WuW 2015, 1078, 1088. Zu den Gegenstimmen mit Bezug zur Rechtssache Pechstein s. o. Kapitel 3 Fn. 596. 604 Siehe bspw. bei Heermann, WRP 2015, 1047. 605 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 43 unter (2). 606 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 44 unter (3). 607 S. o. Kapitel 2 § 2 D. II.

§ 3 Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen

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Der BGH hat sich im Rahmen seiner Revisionsentscheidung zum Merkmal der Geschäftsbedingung nicht gesondert geäußert, sondern vielmehr ausdrücklich offen gelassen, ob Schiedsvereinbarungen an der Generalklausel des Abs. 1 oder am Regelbeispiel des Abs. 2 zu messen seien.608 c) Notwendigkeit einer abschließenden Einordnung der Schiedsvereinbarung als Geschäftsbedingung i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB? Ob es schlussendlich auf eine abschließende Einordnung der Schiedsvereinbarung als Geschäftsbedingung im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB wirklich ankommt, erscheint aus zwei Gründen fraglich. Erstens hat der BGH im Bereich des Konditionenmissbrauchs wiederholt Fälle, die nicht unter das Regelbeispiel der Nr. 2 zu subsumieren waren, als Fälle der Generalklausel des Abs. 1 angesehen.609 Wären Schiedsvereinbarungen nicht als Geschäftsbedingungen von den Regelbeispielen der Nr. 2 und 3 erfasst, stellte sich die Frage, ob sie von der Generalklausel des Abs. 1 erfasst sind. Allerdings lässt sich durchaus vertreten, dass auch dann, wenn man einen Konditionenmissbrauch unter der Generalklausel des Abs. 1 prüft, es bei der Notwendigkeit des Vorliegens einer Geschäftsbedingung bleibt. Zweitens lässt sich der Eindruck gewinnen, dass die Frage des Umfangs des Begriffs der Geschäftsbedingung vernebelt, worum es eigentlich geht. Denn die Stimmen, die sich für eine Einschränkung des Begriffs durch eine systematische Verknüpfung zum Begriff des Entgelts stark machen, tun dies immer zur Einschränkung des Missbrauchstatbestandes. Dahinter steht die Befürchtung, das Missbrauchsverbot könne als überambitionierter Korrekturmechanismus instrumentalisiert werden.610 Die entscheidende Frage lautet deshalb weniger, was genau unter dem Begriff Geschäftsbedingungen zu verstehen ist, sondern vielmehr, welche Reichweite man dem Konditionenmissbrauch insgesamt zusprechen will. Das wiederum ist maßgeblich davon abhängig, welchen Schutz- und Regelungszweck man dem Konditionenmissbrauch zuerkennt.611 Auf den Schutzzweck des Konditionenmissbrauchs wird es ebenfalls im Rahmen der Überlegungen dazu ankommen, wann das Fordern einer Kondition einen Missbrauch darstellt. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird im Rahmen des-

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BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270 Rn. 48. S. dazu unten Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) aa). 610 Franck, ZWeR 2016, 137, 159; Motyka-Mojkowski/Kleiner, JECLAP 2017, 457, 461, li. Sp.; Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 315 f. Rn. 22 f. 611 Ebenfalls den Zusammenhang zwischen dem Begriff der Geschäftsbedingungen und dem Schutzzweck herstellend Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 181. 609

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

sen auf den Schutzzweck einzugehen und danach auf die hier aufgezeigte Frage zurück zu kommen sein.612 3. Missbräuchlichkeit von Konditionen Um die Missbräuchlichkeit von Konditionen festzustellen, ist die Frage zu beantworten, ob die Forderung des Marktbeherrschers gegenüber einem Abnehmer oder Lieferanten noch angemessen oder eben missbräuchlich ist.613 Was aber noch angemessen oder gerecht ist, ist im Kern eine ethische Frage. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH setzt die Feststellung eines Ausbeutungsmissbrauchs im Sinne des § 19 GWB deshalb voraus, dass ein objektives Unwerturteil über die Forderung des Marktbeherrschers gefällt werden kann.614 Nach ganz herrschender Meinung geht es im Rahmen des § 19 GWB um ein objektives Unwerturteil, nicht um subjektive oder moralische Verwerflichkeit im Sinne einer Sittenwidrigkeit.615 Entscheidend kommt es darauf an, woraus sich dieses Unwerturteil ableiten lässt. Hierzu wird immer wieder zwischen quantitativen und qualitativen Erwägungen getrennt.616 Die Arbeit folgt dieser Trennung, wenn sie auch teilweise kritisiert wird.617 Rechtstatsächlich ist die Unterscheidung nicht absolut. Das Unwerturteil kann sich im konkreten Fall entweder aus einem der Aspekte, aus beiden Aspekten zusammen oder auch erst aus der Summe beider Aspekte ergeben.618 a) Missbräuchlichkeit aufgrund quantitativer Erwägungen Aus quantitativer Sicht mangelt es an einer Angemessenheit bei deutlicher Abweichung des Geforderten von dem, was unter machtfreien oder jedenfalls machtärmeren Marktbedingungen gefordert wird oder worden wäre. Dem liegt 612

S. u. Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) ff) (4). Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 126. 614 St. Rspr.: BGH, Urt. v. 24.01.2017 – KZR 2/15 – Kabelanlagen, NZKart 2017, 198, 199 Rn. 25; BGH, Urt. v. 12.04.2016 – KZR 30/14 – NetCologne, NZKart 2016, 374, 376 Rn. 48; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 17; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 126; Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 62. 615 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 17 m.w. N. 616 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 30; Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 252; Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 251; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/ Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 13; Nothdurft, in: Langen/ Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 181; Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 61. 617 Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 252 in Fn. 15. 618 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 181. 613

§ 3 Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen

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der Gedanke zugrunde, dass Ergebnis ungestörter Marktprozesse regelmäßig ein interessengerechtes Ergebnis ist.619 Bei der quantitativen Analyse ergibt sich das notwendige Unwerturteil aus einem Vergleich der Wertverhältnisse von geforderter Leistung und gebotener Gegenleistung. Dabei konzentriert sich die Prüfung auf die Preiswirkung der Konditionen.620 Sind die vom Marktbeherrscher angebotenen Leistungen unter Berücksichtigung der geforderten Preise und Konditionen für den Vertragspartner signifikant ungünstiger als sie wären, gäbe es wirksamen Wettbewerb, liegt ein Missbrauch vor.621 In diesem Sinne vergleicht das Regelbeispiel des Abs. 2 Nr. 2 die vom Marktbeherrscher geforderten Austauschbedingungen mit denen, die bei Wettbewerb bestehen oder bestünden.622 Der Konditionenmissbrauch ist legislativ in dieses Prinzip des Als-ob-Wettbewerbs und damit in die quantitative Herangehensweise eingebettet.623 Für die Beurteilung wiederum, welche Konditionen bei wirksamem Wettbewerb bestehen oder bestünden, schlägt Abs. 2 Nr. 2 das sog. Vergleichsmarktkonzept vor. Danach ist zur Ermittlung der Konditionen, die bei wirksamem Wettbewerb bestehen beziehungsweise bestünden, auf die von anderen Unternehmen auf demselben Markt oder auf sachlich und örtlich verschiedenen aber vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb erzielten Konditionen zu blicken. Die quantitative Betrachtung ist allerdings nicht auf das Vergleichsmarktkonzept beschränkt („insbesondere“ in Abs. 2 Nr. 2).624 Vielmehr existieren weitere Methoden zur Ermittlung insbesondere des wettbewerbskonformen Preises,625 die sich aber nicht auf den Konditionenmissbrauch übertragen lassen.626 Treten bei einer dahingehenden Prüfung Abweichungen einzelner Konditionen auf, so soll daraus aber noch nicht gleich die Missbräuchlichkeit zu folgern sein. Der BGH verlangt insoweit eine „Gesamtbetrachtung des Leistungsbündels“. Denn ein-

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Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 126. Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 183. Siehe auch Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 252. 621 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 216 ff.; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 127. 622 BGH, Beschl. v. 06.11.1984 – KVR 13/83 – Favorit, NJW 1986, 846, 847; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 128. 623 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 31; Fuchs, in: Immenga/ Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 210. 624 Siehe nur Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/MeyerLindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 70; Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 316 Rn. 26; Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 19; Wolf, in: MüKo-WettbR, Bd. 2, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 84. 625 Siehe bspw. bei Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 31 oder Wolf, in: MüKo-WettbR, Bd. 2, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 84, 108. Zur Frage von Zulässigkeit und vorallem Umfang von Methoden abseits des Als-ob-Wettbewerbs s. nachfolgend Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b). 626 Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 316 Rn. 26. 620

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zelne belastende Konditionen, sollen durch andere günstige Konditionen kompensiert werden können.627 Die Beurteilung, welche Konditionen sich bei wirksamem Wettbewerb herausgebildet hätten, birgt jedoch erhebliche Schwierigkeiten. Dies erst recht unter Berücksichtigung der vom BGH verlangten „Gesamtbetrachtung des Leistungsbündels“.628 Denn notwendig wäre dazu eine „Bepreisung“ aller Einzelkonditionen des Leistungsbündels, sowohl auf Seiten des Marktbeherrschers, als auch auf Seiten des Vergleichsunternehmens.629 Teilweise wird insoweit vorgeschlagen, die Regeln des AGB-Rechts als Indiz dafür heranzuziehen, welche Konditionen i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben beziehungsweise nicht ergeben hätten.630 Zu berücksichtigen gilt es allerdings, dass es im Rahmen der Erforschung des Als-Ob-Wettbewerbs nicht unmittelbar darauf ankommt, ob die geforderten Konditionen rechtswidrig sind oder nicht. Denn weder ist Voraussetzung eines Konditionenmissbrauchs nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB die Rechtswidrigkeit der Konditionen, noch lässt sich allein aus der Rechtswidrigkeit der Konditionen die Folgerung ziehen, dass diese sich so bei wirksamem Wettbewerb nicht ergeben hätten.631 Darüber hinaus mögen branchenübliche Standards Anhaltspunkt dessen sein können, was sich bei wirksamem Wettbewerb wohl herausgebildet hätte.632 Spätestens dort jedoch, wo keine solchen existieren, wird es nahezu unmöglich, zu erforschen, welches Leistungsbündel sich bei wirksamem Wettbewerb herausgebildet hätte. Nimmt man das weitere Erfordernis hinzu, dass erst eine erhebliche Abweichung vom Ergebnis auf dem Vergleichsmarkt das Unwerturteil zu recht627

Grundlegend BGH, Beschl. v. 06.11.1984 – KVR 13/83 – Favorit, NJW 1986, 846, 847; Bechtold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 19 Rn. 61; Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 30; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 209 f.; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 183; Wolf, in: MüKo-WettbR, Bd. 2, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 90. 628 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 30; Fuchs, in: Immenga/ Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 210; Nothdurft, in: Langen/ Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 183. Allgemein zur Kritik am Konzept des Als-ob-Wettbewerbs Wolf, in: MüKo-WettbR, Bd. 2, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 87. 629 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 184. 630 Franck, ZWeR 2016, 137, 147; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 Rn. 211c; wohl ähnlich Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 30; vgl. Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 196. In diesem Sinne auch Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 8 f. 631 Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 8 f. 632 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 30; Fuchs, in: Immenga/ Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 210.

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fertigen geeignet ist,633 wird die Prüfung der quantitativen Missbräuchlichkeit von Konditionen praktisch unmöglich.634 b) Missbräuchlichkeit aufgrund qualitativer Erwägungen Aufgrund der Schwierigkeiten bei der quantitativen Beurteilung von Geschäftsbedingungen im Rahmen des Als-ob-Wettbewerbs wird vielfach vorgeschlagen, die Missbräuchlichkeit der Konditionen anhand qualitativer Erwägungen festzustellen,635 in deren Zentrum nicht die Preiswirkung der Konditionen, sondern deren Interessengerechtigkeit steht636. Der qualitativen Herangehensweise liegt der Gedanke zugrunde, dass die von der Rechtsordnung angestellten Wertungen sowie die durch sie zugewiesenen Rechtspositionen gerade im Kontext eines wirtschaftlichen Machtunterschieds zum Schutz der wirtschaftlich schwächeren Partei zu einem verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen sind.637 Aufgrund der besonderen Marktverantwortung des Marktbeherrschers sollen die von ihm geforderten Konditionen deshalb einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen sein.638 aa) Zulässigkeit und Anknüpfung von qualitativen Erwägungen zur Feststellung der Missbräuchlichkeit innerhalb des § 19 GWB Hatte der BGH die Zulässigkeit qualitativer Erwägung in seiner Entscheidung Favorit noch ausdrücklich offen gelassen,639 hat er in VBL-Gegenwert I explizit 633 Str., aber h. M.: Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 232 ff.; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/ Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 74; Nothdurft, in: Langen/ Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 165; für Schiedsvereinbarungen Duve/ Rösch, SchiedsVZ 2015, 69, 76. 634 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 184. 635 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 30; Fuchs, in: Immenga/ Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 66a, 211 ff.; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 186; Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 60; vgl. Wiedemann, in: Wiedemann, Hdb. KartR, 4. Aufl. 2020, § 23 Rn. 209; Wolf, in: MüKo-WettbR, Bd. 2, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 122 f.; dagegen Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 254 f., der die qualitative Herangehensweise maßgeblich auf die Kommentierung Nothdurfts zurückführt, diesen Ausweg für einen Widerspruch zur Favorit-Entscheidung des BGH hält. Eine qualitative Analyse bildet auch die Grundlage des Facebook-Verfahrens, BKartA, Hintergrundinformationen zum Facebook-Verfahren, S. 4; dazu auch Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 10 ff. 636 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 186; vgl. Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 253. 637 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 126, 129. 638 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 129; ablehnend Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 267 f. 639 BGH, Beschl. v. 06.11.1984 – KVR 13/83 – Favorit, NJW 1986, 846, 848; vgl. Bechtold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 19 Rn. 62.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

klargestellt und in VBL-Gegenwert II bestätigt, dass sich die Missbräuchlichkeit auch aus den gesetzlichen Wertentscheidungen ergeben kann, die – für den konkreten Fall – der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB zugrunde liegen640.641 In der Rechtssache Pechstein hat der BGH dann grundrechtliche Wertungen zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit herangezogen.642 Uneinigkeit besteht hinsichtlich der Anknüpfung einer solchen qualitativen Analyse in § 19 GWB. Der BGH scheint differenzieren zu wollen: Unter § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB scheint er nur die Fälle fassen zu wollen, in denen sich die Missbräuchlichkeit einer Kondition aus quantitativen Erwägungen auf Grundlage des Konzepts des Als-ob-Wettbewerbs ergibt. Ergibt sich die Missbräuchlichkeit der Kondition indes aus einer qualitativen Analyse, scheint der BGH dies als einen Fall der Generalklausel des Abs. 1 zu sehen.643

640 BGH, Urt. v. 06.11.2013 – KZR 58/11 – VBL-Gegenwert I, BGHZ 199, 1, 14 Rn. 65 und BGH, Urt. v. 24.01.2017 – KZR 47/14 – VBL-Gegenwert II, NZKart 2017, 242, 243 f. Rn. 35; jetzt auch BGH, Beschl. v. 23.06.2020 – KVR 69/19 – Facebook II, NZKart 2020, 473, 476 Rn. 55; beachte aber OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.08.2019 – VI-Kart 1/19 (V) – Facebook I, BeckRS 2019, 18837, Rn. 36 f.; vgl. Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 11. 641 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 66a; vgl. Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 253. Ausführlich Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, S. 110 ff., jüngst Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, S. 73 ff. sowie Grewe, Missbrauchsverbot als Durchsetzungsinstrument, S. 200 ff. 642 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270 ff. Rn. 48 ff.; vgl. BKartA, Hintergrundinformationen zur Entscheidung im Facebook-Verfahren, S. 6; BKartA, Fallbericht zur Entscheidung im Facebook-Verfahren, S. 8 f.; Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 10; anders Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 258, der meint, der BGH habe die grundrechtlichen Wertungen lediglich auf Rechtfertigungsebene einbezogen. 643 So Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 66a, 211c, zustimmend in 211e; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 186 und nunmehr auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.08.2019 – VI-Kart 1/19 (V) – Facebook I, BeckRS 2019, 18837, Rn. 20 f.; vgl. Lettl, WRP 2020, 1391, 1395 Rn. 13. Anwendung der Generalklausel in BGH, Beschl. v. 06.11.1984 – KVR 13/83 – Favorit, NJW 1986, 846, 848; BGH, Urt. v. 06.11.2013 – KZR 58/11 – VBL-Gegenwert I, BGHZ 199, 1, 14 Rn. 65; BGH, Urt. v. 24.01.2017 – KZR 47/14 – VBL-Gegenwert II, NZKart 2017, 242, 243 f. Rn. 35; offen gelassen in BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270 Rn. 48; OLG München, Beschl. v. 16.08.2017 – 34 SchH 14/16, ZVertriebsR 2017, 371, 375 Rn. 60. Diese Differenzierung liegt auch dem Facebook-Verfahren des BKartA zugrunde, BKartA, Hintergrundinformationen zum Facebook-Verfahren, S. 5; BKartA, Fallbericht zur Entscheidung im Facebook-Verfahren, S. 8 f.; Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 9; so nun im Grundsatz auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.08.2019 – VI-Kart 1/19 (V) – Facebook I, BeckRS 2019, 18837, Rn. 22 ff.; unter Anwendung der Generalklausel nunmehr BGH, Beschl. v. 23.06.2020 – KVR 69/19 – Facebook II, NZKart 2020, 473, 476 Rn. 56.

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Der BGH geht also offenbar davon aus, dass die Methode des Als-ob-Wettbewerbs nicht die einzige, zwingende Methode zur Feststellung der Missbräuchlichkeit von Konditionen ist, sondern durchaus eine (rein) qualitative Analyse unter der Generalklausel möglich ist.644 Dem folgt die herrschende Literatur im Grundsatz. Für die Zulässigkeit anderer Methoden als der des Als-ob-Wettbewerbs zur Ermittlung der Missbräuchlichkeit von Konditionen spricht aus systematischer Sicht, dass es sich bei Abs. 2 Nr. 2, der den Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs enthält, nur um ein Regelbeispiel handelt, dem gerade keine abschließende Wirkung zukommt.645 Hält man eine rein qualitative Analyse für zulässig, soll es, da sich das Unwerturteil dann in beiden Fällen aus einer Interessenabwägung ergäbe646, auf die Einordnung in die Generalklausel oder das Regelbeispiel der Nr. 2 nicht ankommen.647 Mit der Einordnung der qualitativen Analyse in die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB durch den BGH gehen Folgefragen einher. So ist bisher ungeklärt, ob der BGH für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit im Rahmen des Abs. 1 am Konzept der Gesamtbetrachtung des Leistungsbündels648 festhält oder nicht.649 644 Dies folgert Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 31 bei Fn. 101 aus BGH, Beschl. v. 06.11.1984 – KVR 13/83 – Favorit, NJW 1986, 846, 848. Dort hatte der BGH dies auch explizit angedeutet und auf eine mögliche Unzulänglichkeit des Vergleichsmarktkonzepts gestützt: „[. . .] ob und inwieweit bei der Beurteilung von Konditionen (weil die Vergleichsmarktkonzeption [. . .] keinen angemessenen Prüfungsmaßstab abgibt) nicht nur auf die Ordnungsprinzipien einer Wettbewerbswirtschaft, sondern auch [. . .] auf die allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen abzustellen ist, wie sie dem dispositiven Recht, insbesondere auch dem Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen [. . .] zugrunde liegen“. Das scheinen auch die Kritiker im Grunde anzuerkennen Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 253. 645 Bechtold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 19 Rn. 55, 62; Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 31, ohne dem aber beizupflichten; Fuchs, in: Immenga/ Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 217; Lettl, WuW 2016, 214, 219; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 69; Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 60; Wiedemann, in: Wiedemann, Hdb. KartR, 4. Aufl. 2020, § 23 Rn. 200; Wolf, in: MüKo-WettbR, Bd. 2, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 123. Siehe auch Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 9. 646 Was indes für sich wieder str. ist, s. Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) bb). 647 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270 Rn. 48; OLG München, Beschl. v. 16.08.2017 – 34 SchH 14/16, ZVertriebsR 2017, 371, 375 Rn. 60; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 186. 648 S. o. Kapitel 3 bei Fn. 627. 649 Ein Aufgeben sehend Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 66a; Lettl, WuW 2016, 214, 219. Festhaltend Busche, in: KöKoKartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 30; Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 253. Die Gesamtbetrachtung für den Fall des Missbrauchs durch Rechtsverstoß ablehnend Franck, ZWeR 2016, 137, 154.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Vereinzelt wird die Zulässigkeit der Ermittlung der Missbräuchlichkeit außerhalb des Konzepts des Als-ob-Wettbewerbs auch bezweifelt.650 Auch für diejenigen, die rein qualitativen Erwägungen im Rahmen der Generalklausel kritisch gegenüberstehen, bedeutet das aber nicht zwingend, dass qualitative Erwägungen, insbesondere die Wertungen des AGB-Rechts, gar nicht berücksichtigungsfähig wären. Denn diese sollen teilweise im Rahmen des Vergleichsmarktkonzepts als Entscheidung dafür anzusehen sein, welche Konditionen i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben beziehungsweise nicht ergeben hätten.651 bb) Missbräuchlichkeit als Ergebnis allein einer Interessenabwägung anhand qualitativer Kriterien Insbesondere Nothdurft vertritt die Ansicht, die Missbräuchlichkeit von Konditionen könne sich aus rein qualitativen Erwägungen ergeben. Das für die Annahme der Missbräuchlichkeit notwendige Unwerturteil soll sich dabei aus einer Interessenabwägung ergeben.652 Bestätigt sieht er sich insoweit durch die Pechstein-Entscheidung des BGH.653 Diese Ansicht hat jüngst auch das Bundeskartellamt in seiner Facebook-Entscheidung vertreten654, wohingegen diese eine deutliche Ablehnung bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren durch das OLG Düsseldorf erfahren hat.655 Missbräuchlich soll eine Kondition sein, wenn sie sich im Lichte der Wertungen des GWB und der Wertungen des positiven Rechts außerhalb des Kartell-

650 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 31; Franck, ZWeR 2016, 137, 147. Teilweise beschränkt sich die Kritik auf eine völlige Entkopplung der Missbrauchsprüfung von quantitativen Kriterien Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 253. 651 S. schon oben Kapitel 3 bei Fn. 630; Franck, ZWeR 2016, 137, 147; wohl ähnlich Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 30; Fuchs, in: Immenga/ Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 211c; Lettl, WuW 2016, 214, 220. In diesem Sinne auch Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 196, der dieses Argument jedoch zur Begründung dessen benutzt, dass kein Widerspruch zum Konzept des Als-ob-Wettbewerbs auftritt, wenn man den Verstoß gegen außerkartellrechtliche Normen im Rahmen des § 19 Abs. 1 GWB berücksichtigt. Ebenfalls in diesem Sinne Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 8 f. 652 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 129, 186. 653 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 130: „explizit: BGH, 07.06.2016 – KZR 6/15, „Pechstein/International Skating Union“, WuW 2016, 364 Rn. 48, 51. 654 BKartA, Hintergrundinformationen zur Entscheidung im Facebook-Verfahren, S. 6; BKartA, Fallbericht zur Entscheidung im Facebook-Verfahren, S. 8 f. 655 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.08.2019 – VI-Kart 1/19 (V) – Facebook I, BeckRS 2019, 18837, Rn. 22 ff.; nunmehr aber BGH, Beschl. v. 23.06.2020 – KVR 69/ 19 – Facebook II, NZKart 2020, 473, 476 Rn. 55 ff., der – mit teilweise abweichender Begründung – i. S. d. BKartA entschieden hat.

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rechts einseitig belastend als nicht interessengerecht darstellt.656 Dies ist dann der Fall, wenn der Marktbeherrscher gegenüber der Marktgegenseite das Verhältnismäßigkeitsgebot verletzt.657 Denn Aufgabe des Kartellrechts sei es, die von der Rechtsordnung angestellten Wertungen und die von ihr zugewiesenen Rechtspositionen im Kontext wirtschaftlicher Machtunterschiede zum Schutze des Schwächeren zu einem verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen.658 Im Rahmen des Behinderungsmissbrauchs, so Nothdurft, sei die Notwendigkeit zur Achtung des Verhältnismäßigkeitsgebots durch den Marktbeherrscher bereits seit langem anerkannt. Es sei nicht ersichtlich, wieso der Marktbeherrscher gegenüber seinen Lieferanten und Abnehmern einen weiteren (Fehl-)Verhaltensspielraum erhalten sollte, als gegenüber seinen Wettbewerbern. Die Notwendigkeit der Achtung des Verhältnismäßigkeitsgebots sei deshalb mit mindestens der gleichen Berechtigung auch auf den Ausbeutungsmissbrauch zu übertragen.659 Da der Tatbestand des Konditionenmissbrauchs selbst keinerlei Vorgaben für die Interessengerechtigkeit von Geschäftsbedingungen enthält, soll es im Rahmen einer qualitativen Sicht auf die „Zuweisungsentscheidungen der Rechtsordnung im Übrigen“ ankommen,660 denn der Rechtsordnung komme „Modell- und Mustercharakter für einen Interessenausgleich unter der Bedingungen eines jedenfalls durch Wettbewerb erreichbaren Marktgleichgewichts“ zu661. Wichen die geforderten Konditionen im Einzelfall zu weit von den Wertungen des GWB und des sonstigen Rechts ab, könne sich dies zum Schutz des Schwächeren als nicht mehr interessengerecht darstellen.662 Diese fehlende Interessengerechtigkeit könne sich bereits aus einer „Aufrechnung“ der quantifizierbaren, sich gegenüberstehenden Interessen von Marktbeherrscher und Marktgegenseite ergeben. Gehe es hingegen um die Wahrung nicht direkt quantifizierbarer Interessen der Marktgegenseite oder der Allgemeinheit, bedürfe es einer normativen Interessenabwägung, anhand derer sich die Angemessenheit der Klausel entscheide.663

656 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 186; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 211c. 657 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 186; die Bindung der Konditionengestaltung des Marktbeherrschers an ein allgemeines Verhältnismäßigkeitsgebot ablehnend Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 261 f.; vgl. Lettl, WRP 2020, 1391, 1395 Rn. 13. 658 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 129. 659 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 129; ablehnend Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 261. 660 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 186. 661 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 211c. 662 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 129. 663 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 129.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Esser hingegen ist der Meinung, entgegen der Interpretation Nothdurfts664 lasse sich aus der Pechstein-Entscheidung gerade nicht ableiten, dass sich das Unwerturteil im Rahmen des Konditionenmissbrauchs auch aus dem Ergebnis einer Interessenabwägung ergeben kann. Vielmehr sei die Einbeziehung außerkartellrechtlicher Wertungen primär der Rechtfertigungsebene vorbehalten, was Auswirkungen insbesondere für die Beweislast habe.665 Denn der BGH sei in seiner Entscheidung auf die Tatbestandsebene des Missbrauchsverbots überhaupt nicht eingegangen. Er habe vielmehr sogar ausdrücklich offengelassen, ob das kartellrechtliche Missbrauchsverbot überhaupt anwendbar sei, weil ein etwaiger Verstoß jedenfalls sachlich gerechtfertigt wäre.666 Wörtlich habe der Kartellsenat formuliert: „Ob die Anwendbarkeit des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots ausgeschlossen ist [. . .] kann dahinstehen. Denn jedenfalls stellt das Verhalten [. . .] bei einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen keinen Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung dar.“ 667 Mit Blick auf die von Esser zitierte Aussage des BGH ist man geneigt, Essers daraus gezogener Schlussfolgerung zuzustimmen. Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass sich diese Schlussfolgerung nicht halten lässt. Denn der BGH lässt die Anwendbarkeit des Kartellrechts nicht etwa hinsichtlich der qualitativen Erwägungen offen, wie es Esser durch die vorgenommenen Auslassungen suggeriert. Vielmehr allein aufgrund einer sportrechtlichen Besonderheit, die für die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit qualitativer Erwägungen keine Relevanz hat.668 Der sowohl von Nothdurft als auch von Esser in Bezug genommenen Stelle der Entscheidung des BGH in der Rechtssache Pechstein lässt sich eine Tendenz des Gerichts in die eine oder andere Richtung tatsächlich nur schwerlich entnehmen. Ob sich der BGH mit seiner Interessenabwägung auf Tatbestands- oder Rechtfertigungsebene befindet, lässt sich nicht eindeutig feststellen. 664

S. o. Kapitel 3 bei Fn. 653. Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 258. 666 Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 258. 667 Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 258 in Fn. 47. Zitiert wird BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270 Rn. 47. 668 So lautet BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270 Rn. 47 vollständig: „Ob die Anwendbarkeit des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots ausgeschlossen ist, weil die Bekl. zu 2 bei der Schiedsvereinbarung nicht unternehmerisch gehandelt hat, sondern vielmehr verpflichtet ist, in Fällen, die im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer internationalen Sportveranstaltung stehen, oder in Fällen, die internationale Spitzenathleten betreffen, Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen in Anti-Doping-Verfahren ausschließlich zum CAS vorzusehen (Art. 13.2.1 i.V. m. Art. 23.2.2 WADC), kann dahinstehen. Denn Jedenfalls stellt das Verhalten der Bekl. zu 2 bei einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB keinen Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung dar.“ 665

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Ähnlich wie auch hinsichtlich der Diskussion um die Reichweite des Begriffs der Geschäftsbedingungen, ist auch hinsichtlich der Kritik am Vorgehen des BGH und der Zulässigkeit anderer Methoden zur Ermittlung der Missbräuchlichkeit als der des Als-ob-Wettbewerbs Hintergrund weniger die Systematik des Missbrauchstatbestandes, denn vielmehr die Angst einer übermäßigen, über den Schutzzweck hinausgehenden, Ausweitung des Missbrauchstatbestandes.669 Wie auch bei der Frage, ob Schiedsvereinbarungen Geschäftsbedingungen darstellen können, angekündigt, wird auch auf die hiesige Frage nach den Erwägungen zum Schutzzweck zurückzukommen sein.670 cc) Berücksichtigung kartellrechtlicher und außerkartellrechtlicher Wertungen Im Rahmen der qualitativen Analyse der geforderten Konditionen sollen sowohl kartellrechtliche als auch außerkartellrechtliche Wertungen zu berücksichtigen sein.671 Auch unter den Befürwortern der Zulässigkeit einer rein qualitativen, vom Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs losgelösten Analyse, ist noch nicht abschließend geklärt, in welchem Umfang und welche außerkartellrechtlichen Wertungen im Rahmen der Analyse der Konditionen zu berücksichtigen sind.672 Im Fokus der Diskussion stand und steht bisher insbesondere die Frage der Einbeziehung AGB-rechtlicher und datenschutzrechtlicher Wertungen. Erstere aufgrund der dazu ergangenen Entscheidungen in den Sachen Favorit und VBL-Gegenwert I sowie VBL-Gegenwert II. Letztere insbesondere aufgrund des vom Bundeskartellamt gegen die Onlineplattform Facebook eingeleiteten Marktmissbrauchsverfahrens wegen Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Vorschriften.673 Die Bearbeitung der Frage der Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Wertungen 669 Vgl. Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 31 a. E.; Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 60. 670 S. u. Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) ff) und ff) (4). 671 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 130, 186; Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 67 ff., der außerkartellrechtliche Wertungen hingegen nur ausnahmsweise für berücksichtigungsfähig hält. 672 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 187; Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 70; vgl. Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 258; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 211f, 212a. Zusammenfassung und Einordnungsversuch der Positionen in der Literatur bei Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, S. 182 ff.; jüngst Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, S. 80 ff. 673 Esser, in: FS Schroeder, S. 249; Kamann/Miller, NZKart 2016, 405; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 187. Deutlich ablehnend nunmehr OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.08.2019 – VI-Kart 1/19 (V) – Facebook I, BeckRS 2019, 18837, Rn. 22 ff.

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würde den hiesigen Rahmen sprengen. Da ihr in Bezug auf die Schiedsvereinbarung keine direkte Bedeutung zukommt, bleibt sie im Folgenden unberücksichtigt.674 (1) Berücksichtigung der Wertungen der §§ 307 ff. BGB Beginnend mit seiner Entscheidung Favorit über die Entscheidungen VBL-Gegenwert I und VBL-Gegenwert II hat der BGH mittlerweile klargestellt, dass bei der Prüfung des Missbrauchstatbestands die gesetzliche Wertentscheidung zu berücksichtigen ist, die der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB zugrundeliegt. Ein Konditionenmissbrauch kann sich deshalb auch aus der AGB-Rechtswidrigkeit der vom Marktbeherrscher verwendeten Konditionen ergeben.675 Allerdings hat der BGH in VBL-Gegenwert II ausgesprochen, was bereits in VBL-Gegenwert I angeklungen war676: Nicht jede Verwendung unwirksamer Geschäftsbedingungen durch eine Marktbeherrscher stelle zugleich einen Missbrauch von Marktmacht dar.677 Ein Missbrauch liege aber insbesondere vor, wenn die Vereinbarung der unwirksamen Klausel Ausfluss der Marktmacht oder der großen Machtüberlegenheit des Verwenders sei.678

674 Siehe dazu bspw: BKartA, Fallbericht zur Entscheidung im Facebook-Verfahren, S. 8 f.; BKartA, Hintergrundinformationen zur Entscheidung im Facebook-Verfahren, S. 6 f.; Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch; Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften; Esser, in: FS Schroeder, S. 249; Grewe, Missbrauchsverbot als Durchsetzungsinstrument; Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle; Kamann/Miller, NZKart 2016, 405; Körber, NZKart 2016, 348; Lettl, WRP 2020, 1391; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 192; Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 9 ff. 675 Noch offengelassen in BGH, Beschl. v. 06.11.1984 – KVR 13/83 – Favorit, NJW 1986, 846, 848; dann im Grundsatz klarstellend BGH, Urt. v. 06.11.2013 – KZR 58/11 – VBL-Gegenwert I, BGHZ 199, 1, 14 Rn. 65; bestätigt von BGH, Urt. v. 24.01.2017 – KZR 47/14 – VBL-Gegenwert II, NZKart 2017, 242, 243 f. Rn. 35. Siehe auch Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 211c; Franck, ZWeR 2016, 137, 146, aber 152; Lettl, WRP 2020, 1391, 1397 Rn. 19; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 188, beachte aber Rn. 208 f.; Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 71; Wolf, in: MüKo-WettbR, Bd. 2, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 123. Siehe auch BKartA, Fallbericht zur Entscheidung im Facebook-Verfahren, S. 8 f.; Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 11 und nunmehr BGH, Beschl. v. 23.06.2020 – KVR 69/19 – Facebook II, NZKart 2020, 473, 476 Rn. 55. 676 Insoweit Franck, ZWeR 2016, 137, 146. 677 BGH, Urt. v. 24.01.2017 – KZR 47/14 – VBL-Gegenwert II, NZKart 2017, 242, 244 Rn. 35; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.08.2019 – VI-Kart 1/19 (V) – Facebook I, BeckRS 2019, 18837, Rn. 37. 678 BGH, Urt. v. 24.01.2017 – KZR 47/14 – VBL-Gegenwert II, NZKart 2017, 242, 244 Rn. 35; so bereits BGH, Urt. v. 06.11.2013 – KZR 58/11 – VBL-Gegenwert I, BGHZ 199, 1, 14 Rn. 65. Eben hieraus wird abgeleitet, dass allein der Verstoß gegen außerkartellrechtliche Wertungen nicht ausreichend sei, um einen Missbrauch zu be-

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Unter welchen Voraussetzung und in welchem Umfang ein Verstoß gegen außerkartellrechtliche Wertungen einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung begründen kann, ist bis heute noch nicht abschließend geklärt.679 Die einschränkenden Aussagen des BGH in VBL-Gegenwert I und insbesondere VBL-Gegenwert II sind teilweise dahingehend interpretiert worden, dass zu dem Verstoß gegen eine außerkartellrechtliche Wertung eine „Markt- und Machtbezug“ hinzutreten müsse, um einen Missbrauch begründen zu können.680 Den Entscheidungen sei gerade zu entnehmen, dass ein Verstoß gegen außerkartellrechtliche Wertungen den erforderlichen Unrechtsgehalt allein nicht begründen könne.681 In dem den Entscheidungen VBL-Gegenwert zugrundeliegenden Sachverhalt hatten sowohl horizontale als auch vertikale Marktwirkungen vorgelegen. Offen war danach ebenso geblieben, ob dem BGH eine Berührung auch nur einer Ebene ausgereicht hätte.682 Teile der Literatur hingegen wollen eine Missbräuchlichkeit bei allen Verstößen einer geforderten Kondition gegen das AGB-Recht annehmen.683 Teilweise soll allein aus der AGB-Widrigkeit von Konditionen noch kein Verstoß gegen § 19 GWB herleitbar sein.684 Teilweise wird darauf hingewiesen, dass eine für sich genommen unangemessene Geschäftsbedingung mit Blick auf die konkrete Geschäftsbeziehung dennoch einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien darstellen kann.685

gründen, es vielmehr eines Markt- und Machtbezuges bedürfe, Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 263; s. nochmal unten Kapitel 3 in Fn. 831. 679 S. dazu noch im Folgenden. Siehe auch Lettl, WRP 2020, 1391, 1396 Rn. 17. 680 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.08.2019 – VI-Kart 1/19 (V) – Facebook I, BeckRS 2019, 18837, Rn. 37; Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 253 f., 263; Franck, ZWeR 2016, 137, 146; Thomas, LMK 2017, 392671. S. auch bei Fuchs, in: Immenga/ Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 211f; Lettl, WuW 2016, 214, 220. Das sieht im Grundsatz auch Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 188 so, will diesen Marktbezug dann aber im Sinne einer normativen Kausalität verstanden wissen, die gegeben ist, wenn die zu beurteilende Verhaltensweise anderen Unternehmen im Wettbewerb zwar möglich ist, sie dann aber nicht die besonders schädliche potentielle Auswirkung hat, wie sie bei besonderer Marktmacht festgestellt wird (Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 210; so auch BKartA, Fallbericht zur Entscheidung im Facebook-Verfahren, S. 12 f.). Nach Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 264 führe dies in der Sache zu einer vollständigen Aufgabe des Kausalitätserfordernisses. S. nochmal unten Kapitel 3 in Fn. 831. 681 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.08.2019 – VI-Kart 1/19 (V) – Facebook I, BeckRS 2019, 18837, Rn. 37; Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 254. 682 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 188. 683 Lettl, WuW 2016, 214, 220; Lettl, WRP 2020, 1391, 1397 Rn. 19; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 68; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 205. 684 Franck, ZWeR 2016, 137, 152; Körber, NZKart 2016, 348, 351 f., 355. 685 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 27.

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(2) Berücksichtigung grundrechtlicher Wertungen In seiner Entscheidung in der Rechtssache Pechstein hat der BGH im Jahr 2016 erstmals auch grundrechtliche Wertungen in die Prüfung der Missbräuchlichkeit des Verhaltens eines Marktbeherrschers mit einbezogen. Namentlich maß der BGH das „Verlangen nach einer Schiedsvereinbarung“ am Anspruch auf Justizgewährung, der Berufsfreiheit des Art. 12 GG sowie dem Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 6 EMRK.686 Teilweise war dies zuvor bereits in der Literatur angedacht beziehungsweise dahingehende Ansätze in der Rechtsprechung gesehen worden.687 Der BGH war damit maßgeblich auch von der Entscheidung der Berufungsinstanz abgewichen. Das OLG München hatte die Missbräuchlichkeit noch am Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB geprüft688, also im Rahmen einer quantitativen Analyse, wofür es in der Sache kritisiert worden ist689. Hinsichtlich der Notwendigkeit einer für die Annahme eines Missbrauchs notwendigen kartellrechtlich zu missbilligenden Marktwirkung, wie sie teilweise den Aussagen des BGH in den Entscheidungen VBL-Gegenwert entnommen worden war690, soll die Entscheidung Pechstein jedenfalls dafür sprechen, dass auch das Vorliegen allein vertikaler Nachteile ausreichen kann. Sie soll darüber hinaus ebenfalls den Rückschluss zulassen, dass es keiner über den Einzelfall hinausgehenden Marktwirkungen bedarf, denn solche waren im konkreten Fall „ersichtlich nicht zu erwarten“.691 Berücksichtigt man, dass die Entscheidung Pechstein zeitlich gesehen, zwischen den VBL-Entscheidungen liegt, wird klar: auch der BGH befindet sich hier noch in einer „Findungsphase“.692 Esser meint, grundrechtliche Wertungen hätten – wie außerkartellrechtliche Wertungen insgesamt693 – lediglich für die Rechtfertigungsebene ihre Relevanz. 686 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270 Rn. 48; vgl. (kritisch) Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 1, 6. Aufl. 2019, § 19 Rn. 211d. Siehe auch Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 10. Ausführlich hierzu Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, S. 241 ff. und jüngst Grewe, Missbrauchsverbot als Durchsetzungsinstrument, S. 207 ff. 687 Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 72. 688 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 43 f. 689 Die Kritik speist sich insbesondere aus der Tatsache, dass mit dem Boxsport ein Vergleichsmarkt bestand, in dem vier verschiedene Boxverbände miteinander im Wettbewerb standen, von denen einer seinen Athleten eine Unterwerfung unter die CASSchiedsgerichtsbarkeit vorschreibt, vgl. Heermann, sport-recht.org vom 31.05.2016; Zimmermann, ZWeR 2016, 66, 75. 690 S. o. Kapitel 3 Fn. 680. 691 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 188. 692 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 188. 693 S. o. Kapitel 3 in und bei Fn. 665.

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Aus ihnen lasse sich nicht der zur Tatbestandsverwirklichung notwendige Unrechtsgehalt konstituieren. Denn die Grundrechte seien im maßgeblichen Kontext nicht anwendbar. Denn beim Konditionenmissbrauch ginge es um die Ausgestaltung von Privatrechtsverhältnissen. Eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte gäbe es nicht und eine mittelbare Drittwirkung knüpfe an eine Schutzpflicht des Staates an, die im Hinblick auf den Datenschutz nicht bestehe.694 Unabhängig von der Frage der Notwendigkeit und des Vorliegens einer Schutzpflicht hinsichtlich des Datenschutzes, kann eine solche hinsichtlich des Abschlusses und der Ausgestaltung von Schiedsvereinbarung durchaus bestehen. Dies gilt jedenfalls, wenn es sich um Schiedsvereinbarungen aus Ungleichgewichtslagen handelt und man § 19 GWB – wie es der BGH getan hat695 – in die Reihe der Normen stellt, über die sich der grundrechtlich garantierte Schutz vor Fremdbestimmung vollzieht696. dd) Gewicht der Berücksichtigung außerkartellrechtlicher Wertungen Ebenso wenig geklärt ist die Frage, mit welchem Gewicht außerkartellrechtliche Wertungen Eingang in die Beurteilung der Missbräuchlichkeit eines Verhaltens eines Marktbeherrschers finden sollen beziehungsweise finden müssen. Nothdurft will insoweit zunächst noch einmal differenzieren. Zwischen reinen Wertungen außerkartellrechtlicher Normen einerseits, ohne dass es dazu auf einen direkten Verstoß gegen die die Wertung enthaltende Vorschrift ankäme, und wirklichen außerkartellrechtlichen Normverstößen andererseits. Während reine Wertungen grundsätzlich im Rahmen der zur Feststellung der Missbräuchlichkeit notwendigen Interessenabwägung zu berücksichtigen sein sollen, soll der wirkliche Verstoß gegen eine außerkartellrechtliche Norm die Interessenabwägung immer zu Lasten des Marktbeherrschers entscheiden.697 Mit welchem Gewicht rein außerkartellrechtliche Wertungen jenseits eines wirklichen Normverstoßes im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen und inwieweit sie geeignet sind, die Interessenabwägung in die eine oder andere Richtung zu verlagern, soll hingegen zunächst einmal davon abhängen, welche anderen privaten oder öffentlichen Interessen zu berücksichtigen sind.698 Obwohl Wertungen jenseits eines Normverstoßes eben keine „determinierende Bedeutung“ zukomme, sollten sie sich dennoch dann durchsetzen, wenn etwa die

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Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 259. BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2271 Rn. 57. 696 Hierzu bereits oben Kapitel 3 § 3 A. III. 2. a). 697 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 189, 193; ablehnend Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 260 f., 263. 698 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 190. 695

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Grundrechtsposition der von den Konditionen betroffenen Marktgegenseite bei wertender Betrachtung der Vorrang einzuräumen sei.699 Darüber hinaus komme es hinsichtlich des Gewichts der außerkartellrechtlichen Wertungen im Rahmen der Interessenabwägung aber auch auf die jeweiligen Schutzzwecke an. Außerkartellrechtlichen Wertungen soll umso mehr Gewicht zukommen, je ähnlicher die Schutzzwecke der entsprechenden Normen dem des § 19 GWB sind und je mehr diese einen Markt- und Machtbezug aufweisen, der die Anwendung des § 19 GWB trage.700 Exemplarisch lasse sich das am AGB-Recht zeigen. Auch das AGB-Recht diene nämlich dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag, zu verhindern, dass sich die Privatautonomie eines überlegenen Vertragsteils für den unterlegenen Gegenpart als Fremdbestimmung darstellt. Insoweit bestehe ein weitgehender Gleichlauf zum Regelungsplan des § 19 GWB.701 Anerkannt wird, dass die Ableitung eines Missbrauchs allein aus dem Fordern von Konditionen, die gegen außerkartellrechtliche Normen verstoßen, zu einer enormen Weite des Anwendungsbereichs des Konditionenmissbrauchs führt, weshalb die Befürworter dieser Sicht selbst Einschränkungen hinsichtlich des in Betracht kommenden Normenkreises vornehmen.702 (1) Ansatz zur Begrenzung des Kreises denkbarer außerkartellrechtlicher Normen im Rahmen des Konditionenmissbrauchs von Nothdurft Zur Beschränkung des Normkreises will Nothdurft das Fordern von rechtswidrigen Konditionen nur dann als missbräuchlich werten, wenn es sich um Normen handelt, die konkrete Vorgaben zur Ausgestaltung einer Anbieter-Nachfrager-Beziehung enthalten. Dies ergebe sich daraus, dass § 19 GWB eben den Schutz der gesamten Anbieter-Nachfrager-Beziehung vor Augen habe. Dann könnten Verstöße gegen außerkartellrechtliche Normen aber auch nur dann die Missbräuchlichkeit begründen, wenn sie konkrete Vorgaben zur Ausgestaltung eben dieser Beziehung enthielten. Bei der Notwendigkeit einer solchen Inhaltsrelevanz liege

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Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 190. Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 191; in diesem Sinne auch Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 70, der diese Kriterien jedoch verwendet, um zu entscheiden, ob eine außerkartellrechtliche Wertung überhaupt heranzuziehen ist. 701 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 191. 702 Körber, NZKart 2016, 348, 354; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 202; vgl. Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 1, 6. Aufl. 2019, § 19 Rn. 212a, 214 f. Weitere Ansätze zur Beschränkung bei Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, S. 89 ff.; Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, S. 233 ff.; Grewe, Missbrauchsverbot als Durchsetzungsinstrument, S. 321 f. 700

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dann auch der die Normanwendung tragende Markt- und Machtbezug vor.703 Der Marktbezug ergebe sich daraus, dass Gegenstand der Normanwendung ein Marktverhalten des Marktbeherrschers gegenüber seinem Vertragspartner sei. Der Machtbezug liege bei Normverstößen aufgrund der Einschränkung von Ausweichmöglichkeiten und der Erschwerung der Rechtsdurchsetzung aufgrund des Ungleichgewichts vor.704 (2) Ansatz zur Begrenzung des Kreises denkbarer außerkartellrechtlicher Normen im Rahmen des Konditionenmissbrauchs von Lettl Ähnlich vertritt es Lettl, der die Möglichkeit der Annahme eines missbräuchlichen Verhaltens bei Rechtsverstößen des Marktbeherrschers zwar nicht allein aus qualitativen Erwägungen im Rahmen der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB ableitet, wie es der BGH zu favorisieren scheint, es Nothdurft herausgestellt hat und wie es auch hier bevorzugt wird.705 Vielmehr berücksichtigt Lettl „Rechtsbrüche“ im Rahmen des Konzepts des Als-ob-Wettbewerbs und hält Recht brechende Geschäftsbedingungen für grundsätzlich nicht wettbewerbsanalog, ohne dass es auf die Erheblichkeit der Abweichung oder überhaupt eine Interessenabwägung ankommen soll.706 Wie bereits dargestellt, kommt es letztendlich auf die Einordnung in die Generalklausel des Abs. 1 oder das Regelbeispiel des Abs. 2 Nr. 2 nicht an. Erst recht nicht für die Frage, ob und wie der Kreis der relevanten Rechtsverstöße zu beschränken ist. Insoweit sieht auch Lettl vor dem Normzweck des § 19 GWB die Notwendigkeit einer Beschränkung des Kreises der zur Begründung eines Missbrauchs in Betracht kommenden Rechtsnormen. Damit eine Norm geeignet ist, bei einem Verstoß gegen sie einen Missbrauch zu begründen, muss sie nach Lettl drei Voraussetzungen erfüllen.707 Erstens müsse sie zumindest auch die Marktstruktur und/oder das Marktverhalten betreffen. Denn § 19 GWB diene gerade auch dem Schutz des Restwettbewerbs auf dem Markt des Beherrschers, indem dem marktbeherrschenden Unternehmen besondere Rücksichts- und Verhaltenspflichten auferlegt würden. Dieser Zweck gebiete es, für eine Regelung, deren Verletzung zur Annahme der Missbräuchlichkeit führen solle, einen Bezug zum Wettbewerb im Hinblick auf 703 In diesem Sinne auch BKartA, Fallbericht zur Entscheidung im Facebook-Verfahren, S. 9. 704 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 203. 705 S. o. Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) aa) und nochmal Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 186 ff. 706 Lettl, WuW 2016, 214, 220 und nochmal Lettl, WRP 2020, 1391, 1396 Rn. 15 und S. 1397 Rn. 19 f. 707 Lettl, WuW 2016, 214, 220, wo er die zuvor auf S. 216 ff. für Art. 102 AEUV herausgearbeiteten Voraussetzungen samt ihrer Begründungen auf § 19 GWB überträgt und nochmal Lettl, WRP 2020, 1391, 1397 Rn. 20.

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Marktstruktur und/oder Marktverhalten zu fordern. Andernfalls komme es zu einer normzweckwidrigen Ausweitung des Anwendungsbereichs der Norm. Marktstruktur betreffe dabei insbesondere das Vorhandensein von Restwettbewerb. Marktverhalten sei daneben jede Tätigkeit auf einem Markt, die objektiv den Absatz oder den Bezug eines Unternehmens fördere und mit dem Unternehmen auf Wettbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer einwirkten. Zweitens müsse ihr zumindest auch ein marktteilnehmerschützender Charakter zukommen. Auch dies ergebe sich aus dem Normzweck. Denn das Missbrauchsverbot schütze den Wettbewerb nicht um seiner selbst willen, sondern zumindest auch im Interesse der Marktteilnehmer. Drittens dürfe der Norm keine abschließende Sonderregelung der Rechtsfolgen entgegenstehen. Denn eine solche würde durch die Anwendung des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots unterlaufen. Im Ergebnis kommt der Ansatz Lettls dem von Nothdurft sehr nahe.708 ee) Konditionenmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Normen Umstritten und noch nicht abschließend entschieden ist auch die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Konditionenmissbrauch bereits direkt aus dem Verstoß gegen außerkartellrechtliche Normen folgen kann.709 Wäre bereits aus dem Verstoß gegen eine außerkartellrechtliche Norm die Missbräuchlichkeit der Konditionenforderung zu folgern, brächte dies eine wesentliche Erweiterung des Anwendungsbereichs des Konditionenmissbrauchs mit sich.710 Nach teilweise vertretener Ansicht, soll schon einem bloßen außerkartellrechtlichen Normverstoß im Rahmen der Interessenabwägung determinierende Wirkung zukommen. Die Interessenabwägung soll also immer dann zu Lasten des Marktbeherrschers ausfallen, wenn nicht bloß außerkartellrechtliche Wertungen entgegenstehen, sondern ein außerkartellrechtlicher Normverstoß vorliegt.711 Da708 Das sieht auch Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 203 selbst so („i. E. ähnlich: Lettl“). 709 Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften; Körber, NZKart 2016, 348, 351 ff.; Lettl, WuW 2016, 214, 214, 215; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 131. 710 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 131. 711 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 193, 197 und jüngst Grewe, Missbrauchsverbot als Durchsetzungsinstrument, S. 322. Lettl, WuW 2016, 214, 220 hält eine gesonderte Interessenabwägung sogar für entbehrlich und unzulässig; nochmal Lettl, WRP 2020, 1391, 1397 Rn. 20; ebenso Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, S. 99 f. BGH, Beschl. v. 23.06.2020 – KVR 69/19 – Facebook II, NZKart 2020, 473, 477 Rn. 64, S. 480 Rn. 99, will die Rechtswidrigkeit der Kondition hingegen nur als „gegebenenfalls ausschlaggebenden“ Faktor im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigen.

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bei soll es insbesondere nicht zusätzlich auf etwaige Marktwirkungen des Verstoßes ankommen.712 Vielmehr fielen Marktverhalten und Marktwirkung beim Konditionenmissbrauch zusammen. Denn missbräuchlich, oder auch nicht, sei das Verwenden bestimmter Konditionen an sich.713 Danach liegt ein qualitativer Konditionenmissbrauch also dann vor, wenn die vom Normadressaten geforderten Konditionen von der Rechtsordnung im Übrigen missbilligt würden. Denn dann werde das zur Bejahung einer Missbräuchlichkeit notwendige normative Unwerturteil bereits durch die Wertungen der außerkartellrechtlichen Norm getragen, gegen die verstoßen worden sei.714 Es stelle einen nicht hinzunehmenden Widerspruch dar, ein Verhalten, was bereits allen Marktteilnehmern verboten sei, im Rahmen des Missbrauchsverbots nicht mit einem Unwerturteil zu belegen.715 Dies soll jedoch nicht für jegliche außerkartellrechtliche Normen gelten, sondern bedürfe der Einschränkung, auch damit der Anwendungsbereich des Missbrauchsverbots nicht uferlos werde. Erfasst seien vielmehr nur Rechtsbrüche im Zusammenhang mit Konditionenforderungen und nur solche außerkartellrechtlichen Normen, die für den Normzweck des Missbrauchsverbots relevant seien.716 Handelt es sich um einen Verstoß gegen eine entsprechende außerkartellrechtliche Norm, soll es für die Missbräuchlichkeit dann nicht mehr auf die Erheblichkeit des Verstoßes ankommen, wie es im Rahmen der quantitativen Analyse gefordert wird.717 Dem hat der BGH bereits für die Fälle zugestimmt, in denen der außerkartellrechtlichen Norm, gegen die verstoßen worden ist, bereits eine Erheblichkeitsschwelle immanent ist, was nach Ansicht des BGH auf die Regeln der §§ 307 ff. BGB zutrifft.718 Die Gegenmeinung lehnt die Annahme der Missbräuchlichkeit allein abgeleitet aus einem Verstoß gegen außerkartellrechtliche Normen ab.719 Eine allgemeine 712 Franck, ZWeR 2016, 137, 151; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 194; vgl. Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 8. 713 Franck, ZWeR 2016, 137, 151, der daraus aber im Folgenden die Notwendigkeit des Vorliegens einer strikten Kausalbeziehung zwischen Verhalten und Verstoß ableitet. 714 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 193; a. A. BGH, Urt. v. 24.01.2017 – KZR 47/14 – VBL-Gegenwert II, NZKart 2017, 242, 244 Rn. 35. 715 Lettl, WRP 2020, 1391, 1397 Rn. 20; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 197. 716 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 193. 717 Lettl, WuW 2016, 214, 220; Lettl, WRP 2020, 1391, 1397 Rn. 19; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 Rn. 211e; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 198. Zur Notwendigkeit einer erheblichen Abweichung der geforderten Konditionen s. o. Kapitel 3 in und bei Fn. 633. 718 BGH, Urt. v. 06.11.2013 – KZR 58/11 – VBL-Gegenwert I, BGHZ 199, 1, 15 Rn. 66; Lettl, WuW 2016, 214, 220; kritisch Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 30; wohl übersehen von Haus, NZKart 2016, 366. 719 Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 260 f.; Körber, NZKart 2016, 348, 352 ff.; Teile, WRP 2016, 814, 818; so auch grundsätzlich Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg.,

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Rechtsbruchtheorie existiere gerade nicht.720 Gegen die Folgerung der Missbräuchlichkeit bereits aus einem Normverstoß wird vorgebracht, dass damit der „außerkartellrechtliche Regelungsplan des Gesetzgebers überschritten“ werde.721 Denn zur Bekämpfung von Missbräuchen marktbeherrschender Unternehmen habe der Gesetzgeber mit § 19 GWB eine strenge Sanktionsmöglichkeit geschaffen. Andere gesetzliche Regelungen blieben hinter dieser Sanktionsmöglichkeit zurück. Komme es so zu einer ineffektiven Durchsetzung dieser Normen, so sei es Aufgabe des Gesetzgebers für eine effektive Durchsetzung zu sorgen, nicht etwa der Gerichte oder gar der Kartellbehörden.722 Die Durchsetzung anderer Gesetze oder der Ausgleich ihrer Mängel durch Umdeklarierung der Gesetzesverstöße in kartellrechtliche Missbräuche sei eben nicht Aufgabe des Missbrauchsverbots.723 Hierauf wiederum wird entgegnet, dass das kartellrechtliche Missbrauchsverbot teilweise zwar besser durchsetzbar sei als außerkartellrechtliche Normen. Dies gelte aber nicht ausnahmslos, sondern beschränke sich auf die Durchsetzbarkeit gegenüber Marktbeherrschern. Aus dieser besonderen Adressatenstellung rechtfertige sich die erhöhte Durchsetzbarkeit. Denn § 19 GWB diene gerade dazu, das Verhalten marktbeherrschender Unternehmen aufgrund der durch die Übermacht begründeten spezifischen Gefahrenlage besonders wirkungsvoll kontrollieren und sanktionieren zu können. Vor diesem Hintergrund sei es nicht zu erklären, wieso einem Marktbeherrscher im Rahmen des § 19 GWB ein Verhalten erlaubt sein sollte, das selbst nicht marktbeherrschenden Unternehmen verboten sei.724 Neben dem Einwand der Missachtung des außerkartellrechtlichen Regelungsplans, wird gegen die Ableitung der Missbräuchlichkeit bereits aus dem bloßen Mai 2020, § 19 GWB Rn. 69 f., der aber Ausnahmen zulassen will, „je enger die außerkartellrechtlichen Wertungen in Zusammenhang mit Fragen des Marktzugangs und des Marktverhaltens stehen“. 720 Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 260. 721 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 199. 722 Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 266; vgl. Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 199. 723 Franck, ZWeR 2016, 137, 153; Körber, NZKart 2016, 348, 352 f.; vgl. Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 199. 724 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 199; anders Körber, NZKart 2016, 348, 352 („Doch begründet umgekehrt nicht zwingend jede im Sinne des BGB unbillige Vertragsregelung zugleich auch einen kartellrechtlich verbotenen Machtmissbrauch.“); ablehnend Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 261, so verkehre Nothdurft das Konzept des „Als-ob-Wettbewerbs“ in sein Gegenteil: Das entsprechende Verhalten sei selbstverständlich auch einem marktbeherrschenden Unternehmen untersagt, wenn es einschlägige außerkartellrechtliche Regelungen gebe. Diese Kritik indes geht an dem Argument Nothdurfts vorbei. Denn dieses lässt sich nicht dahin verstehen, als sei das Verhalten ohne Einschlägigkeit des Missbrauchsverbots sanktionsfrei. Vielmehr dahin, dass etwas, was allen aufgrund außerkartellrechtlicher Normen verboten ist, dem Marktbeherrscher auch als Missbrauch verboten sein muss.

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Verstoß gegen eine außerkartellrechtliche Norm aber auch der Regelungsplan des GWB ins Felde geführt. Denn weder das Kartellrecht insgesamt noch das Missbrauchsverbot im Konkreten seien Universalinstrumente zur Lösung aller Probleme der Gesellschaft. Ihr Schutz gelte allein dem Wettbewerbsprozess. Es gehe eben nicht um die Durchsetzung von Verbraucherschutzrecht mit kartellrechtlichen Mitteln, sondern nur um Verbraucherschutz durch einen funktionierenden Wettbewerbsprozess.725 Insbesondere Nothdurft hat hingegen die Zwecksetzung des Missbrauchstatbestands und des Konditionenmissbrauchs maßgeblich zur Begründung der Kontrolle von Normverstößen über den Konditionenmissbrauch herangezogen. Dabei stützt er sich insbesondere auf den Zweck des Schutzes der Privatautonomie des Vertragspartners vor einer Fremdbestimmung durch den Marktbeherrscher über den Marktprozess.726 Es komme vor dem Hintergrund dieses Zwecks auch gerade nicht darauf an, dass der Verstoß gegen die außerkartellrechtliche Norm eine nachteilige Marktwirkung entfalte.727 Vielmehr sei die nachteilige Marktwirkung bereits im Fordern der rechtswidrigen Konditionen zu sehen.728 Das Eingreifen der Missbrauchsverbote sei unter diesem Aspekt gerade auch dann erforderlich, wenn in der Sondersituation eines vermachteten Marktes die generelle Schutzwirkung außerkartellrechtlicher Normen beeinträchtigt sei. Zur Rechtfertigung wird insoweit auf die begrenzten bis nicht vorhandenen Möglichkeiten zum Ausweichen auf einen anderen Vertragspartner hingewiesen. Dem Vertragspartner fehle damit die einfachste Möglichkeit zur Sanktionierung von für ihn unbilligen Konditionen „über den Markt“. Der unterlegene Vertragspartner ist so zur Sanktionierung des Verhaltens des Marktbeherrschers über die Gerichte gezwungen.729 Aber auch diese Sanktionsmöglichkeit könne der Marktbeherrscher seinem unterlegenen Vertragspartner durch den Einsatz seiner Marktmacht und seiner Ressourcen jedenfalls erschweren.730 Auch wenn diese Gefahr mit zunehmender wirtschaftlicher Stärke des Vertragspartners abnehmen mag, ist sie umso existenter für den krass unterlegenen Endverbraucher. Wie auch die Fragen nach dem Umfang des Begriffs der Geschäftsbedingungen sowie die nach der generellen Zulässigkeit einer qualitativen Analyse der 725 Franck, ZWeR 2016, 137, 152; Körber, NZKart 2016, 348, 352 f.; vgl. Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 200. 726 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 195; ablehnend Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 262. BGH, Beschl. v. 23.06.2020 – KVR 69/19 – Facebook II, NZKart 2020, 473, 476 Rn. 58 begründet den Missbrauch nun gerade mit der fehlenden Wahlmöglichkeit. 727 So aber Körber, NZKart 2016, 348, 354 f. 728 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 200. 729 Lettl, WuW 2016, 214, 220; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 195. 730 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 195.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Konditionen, ist letztlich auch die Frage, ob man allein aus dem Verstoß des Marktbeherrschers gegen eine außerkartellrechtliche Norm die Missbräuchlichkeit seines Verhaltens ableiten kann, davon abhängig, ob mit Blick auf den Normzweck des Missbrauchsverbots eine solch weitgehende Kontrolle gerechtfertigt erscheint.731 ff) Schutz des Einzelnen vor Fremdbestimmung durch den Marktbeherrscher als vorrangiger Schutzzweck des Konditionenmissbrauchs? Die Frage, die es also insgesamt zu beantworten gilt ist die, ob und inwieweit der Schutzzweck des Konditionenmissbrauchs eine Bewertung einer Kondition als missbräuchlich auch anhand anderer Maßstäbe als dem des Als-ob-Wettbewerbs zulässt.732 Eben diese Frage lässt sich, wie bereits einleitend erwähnt733, allein aufgrund ihres Umfangs in dieser Untersuchung nicht einfach abschließend mitbeantworten. Denn sie erfordert eine tiefgreifende Befassung mit dem Missbrauchsverbot und dessen Grundprinzipien, mit den Grundprinzipien des Wettbewerbs und den wettbewerbsrechtlichen Leitlinien. Ihre umfassende Beantwortung muss eigenen Untersuchungen vorbehalten bleiben.734 Vor diesem Hintergrund lassen sich allerdings gute Gründe für ein Schutzzweckverständnis des Konditionenmissbrauchs finden, das im Wesentlichen auf den Schutz des Einzelnen vor Fremdbestimmung durch den Marktbeherrscher zielt. Daraus lässt sich folgern, dass sich Geschäftsbedingungen, zu denen auch Schiedsvereinbarungen i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarungen zählen, auch an einem rein qualitativen Maßstab messen lassen müssen, für dessen Ausfüllung es allein auf außerkartellrechtliche Wertungen ankommen kann. (1) Sachliche Interdependenz von Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit, Vielschichtigkeit der Zwecksetzung Obwohl die eine nicht ohne die andere existieren kann, sind Wettbewerbsfreiheit und Vertragsfreiheit nicht identisch. Wettbewerbsfreiheit und Vertragsfreiheit stehen vielmehr in einem Verhältnis „sachlicher Interdependenz“. Ohne Vertragsfreiheit – Abschluss- wie auch Inhaltsfreiheit735 – ist die Freiheit des Wettbewerbs kaum denkbar, was gleichsam auch andersherum gilt. Hier zeigt sich die 731 Lettl, WuW 2016, 214, 219; vgl. Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 195; dazu, dass die Bewertung als Missbrauch vom Normzweck ausgehen muss auch Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 58 und Wolf, in: MüKo-WettbR, Bd. 2, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 2. 732 Vgl. Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 60. 733 S. o. Kapitel 3 § 3 C. II. 734 S. o. Kapitel 3 Fn. 570. 735 S. o. Kapitel 3 § 3 A. III. 2. a).

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verfassungsrechtliche Dimension des Missbrauchsverbots.736 Denn erkennt man diese beiden Freiheiten an, zieht dies die Einräumung eines umfassenden Dispositionsschutzes nach sich. Jedem einzelnen obliegt die Verwirklichung seiner Interessen durch die Eingehung vertraglicher Bindungen. Neben der bloßen Entschließung zum Vertragsschluss, setzt dies idealerweise auch die Möglichkeit voraus, unter mehreren potentiellen Vertragspartnern frei wählen zu können. Der so entstehende Vertragswettbewerb begünstigt die Interessenverfolgung des Einzelnen. Hier zeigt sich die bestehende Interdependenz zwischen Vertragsfreiheit und Wettbewerbsfreiheit.737 Allerdings neigen Wettbewerbs- und Vertragsfreiheit dazu, sich selbst zu untergraben.738 Denn setzt sich im Wettbewerb ein Marktteilnehmer durch und erlangt so größere Marktmacht, ermöglicht ihm das Einsetzen dieser Macht die weitergehende Beschränkung des Wettbewerbs. Damit entfällt dann auch die Funktionsgrundlage der Vertragsfreiheit.739 Dem Kartellrecht kommt insoweit die Rolle einer „inhärenten Systemschranke der privaten Ordnung“ zu.740 Insoweit ist § 19 GWB eingebettet in ein wettbewerbliches Bezugssystem und ist streng der Marktlogik verpflichtet. Geschützt werden nicht irgendwelche außerhalb der Ordnung stehenden Interessen.741 Geschützt wird die private Ordnung selbst vor ihrer Selbstzerstörung, die sie sich selbst erst ermöglicht.742 Der Missbrauchsbegriff ist deshalb, wie bereits angedeutet, nicht im Sinne eines Sittenwidrigkeits- oder Moralurteils zu verstehen. Im Rahmen der Missbrauchskontrolle geht es vielmehr um die Aufrechterhaltung der Ordnungsprinzipien eines freien Wettbewerbs.743 Das Kartellrecht hat allerdings gegen die Mehrung von Marktmacht solange nichts einzuwenden, wie die Entstehung Ergebnis eines fairen Wettbewerbsprozesses und eines internen Wachstums ist.744 Insoweit geht es einerseits um die Verhinderung der Ausnutzung der Marktmacht zu wettbewerbsschädlichem Ver-

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Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 2. Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 11. 738 S. für die Vertragsfreiheit bereits oben Kapitel 3 in und bei Fn. 422. 739 Podszun, JZ 2017, 208, 211. 740 Podszun, JZ 2017, 208, 211. 741 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 5 und insbes. 18; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 16; Podszun, JZ 2017, 208, 211. 742 Podszun, JZ 2017, 208, 211. 743 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 16; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 13; Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 59. 744 S. nur Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 7. 737

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halten gegenüber den Wettbewerbern.745 Ist der Wettbewerb durch die Existenz eines marktmächtigen Marktteilnehmers geschwächt oder gar nicht mehr existent, geht es andererseits um die Kontrolle der vom Wettbewerb nicht mehr kontrollierten Handlungsspielräume des Marktbeherrschers gegenüber der Marktgegenseite.746 Gerade dort, wo es um Marktergebniskontrolle geht, offenbart die kartellrechtliche Kontrolle dann aber auch ihre Schwächen. Denn grundsätzlich ist das kartellrechtliche Instrumentarium nicht auf die Herbeiführung eines konkreten Wettbewerbsergebnisses angelegt. Vielmehr geht es um die Abstellung des wettbewerbswidrigen Verhaltens.747 Neben diesen beiden großen Schutzzwecken – der Verhinderung wettbewerbsschädlichen Verhaltens und der Kontrolle der vom Wettbewerb nicht kontrollierten Handlungsspielräume des Marktbeherrschers –, steht das Missbrauchsverbot auch im Dienste des Verbraucherschutzes748 sowie der volkswirtschaftlichen Optimierung der Allokation von Produktionsfaktoren749. Über die von der Rechtsprechung entwickelte und in ständiger Rechtsprechung verwandte Formel von der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB750 findet die Summe aller Zielsetzungen des Missbrauchsverbots Einzug in die Interessenabwägung, die zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit eines Verhaltens notwendig ist.751 (2) Notwendigkeit einer Trennung zwischen Behinderungs- und Ausbeutungsmissbrauch zur Ermittlung des konkreten Schutzzwecks Diese verschiedenen Schutzzwecke treten aufgrund der verschiedenen Ausgangssituationen und Blickwinkel in den einzelnen Ausprägungen des Missbrauchsverbots mal mehr und mal weniger zu Tage. Deswegen muss die jeweils in Rede stehende Ausprägung des Missbrauchsverbots zur Ermittlung des Schutzzwecks isoliert in den Blick genommen werden. Erst wenn man den in der 745 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 19; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 13; Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 59. 746 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 16, 19; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 13. 747 Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 27. 748 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 27; Nothdurft, in: Langen/ Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 4; Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257, 259. 749 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 4. 750 St. Rspr.: BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270 Rn. 47; BGH, Urt. v. 12.04.2016 – KZR 30/14 – NetCologne, NZKart 2016, 374, 376 Rn. 48. 751 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 22; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 7.

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jeweiligen Ausprägung des Missbrauchsverbots dominierenden beziehungsweise allein zu Tage tretenden Schutzzweck, dessen Verwirklichung die Ausprägung sucht, erkannt hat, lassen sich aus dem Schutzzweck zutreffende Schlussfolgerungen für die jeweilige Ausprägung ziehen.752 Essentiell ist es, zwischen Behinderungsmissbrauch und Ausbeutungsmissbrauch sowie dessen Ausprägung des Konditionenmissbrauchs zu trennen. Denn der Behinderungsmissbrauch dient über den Schutz von Unternehmen gleicher Wirtschaftsstufe vor Behinderungen und Marktzugangsbeschränkungen dem Schutz der Wettbewerbsstruktur.753 Beim primär horizontal wirkenden Behinderungsmissbrauch steht der Schutz des Wettbewerbsprozesses im Vordergrund, der Individualschutz im Hintergrund.754 Während sich beim Behinderungsmissbrauch der Individualschutz nur über den Schutz des Wettbewerbsprozesses, also gewissermaßen als begrüßenswerter Reflex,755 vollzieht, gilt dies beim Ausbeutungsmissbrauch nicht.756 Der Ausbeutungsmissbrauch hat maßgeblich eine vertikale Schutzrichtung.757 Er schützt Marktteilnehmer vor- und nachgelagerter Wirtschaftsstufen vor wettbewerbswidriger Machtausübung.758 Ihm kommt im System zur Marktmissbrauchskontrolle insoweit eine Sonderstellung zu.759 Denn weder schützt er die individuellen Wettbewerber des Marktbeherrschers vor einer Behinderung noch die individuellen Abnehmer beziehungsweise Anbieter vor einer Diskriminierung auf der vor- oder nachgelagerten Marktstufe.760 Er dient nicht dem Setzen von 752 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 18; vgl. Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 200. 753 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 19; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 13, 15; Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 8. 754 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 19. 755 Vgl. Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 16; Weyer, in: FKKartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 22. 756 Vgl. Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 200. 757 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 18, 201; Lettl, WRP 2020, 1391, 1395 Rn. 11; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 67. 758 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 201, 211; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/MeyerLindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 13; Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 59. Jetzt auch Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, S. 42. 759 Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, S. 86. 760 Nicht ganz so weitgehend Lettl, WRP 2020, 1391, 1395 Rn. 11 („drei Schutzrichtungen“, aber „Gedanke des Schutzes der Marktgegenseinte vor Ausbeutung im Vordergrund“).

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Spielregeln für unternehmerisches Handeln, sondern der hoheitlichen Korrektur der Spielergebnisse. Innerhalb eines Gesetzes und einer Vorschrift, die auf den Schutz der Wettbewerbsfreiheit ausgerichtet ist, stellt dies einen Systembruch dar.761 Er betrifft eben nicht die Aufrechterhaltung des Wettbewerbsprozesses, sondern hat im Gegenteil gerade den Fall vor Augen, in dem dieser gestört ist.762 Der Wettbewerbsprozess lässt sich im Vertikalverhältnis nicht wieder herstellen. Auch das präventive Unterbinden einer marktbeherrschenden Stellung käme für den konkreten Fall des Ausbeutungsmissbrauchs zu spät.763 Vor dem Hintergrund der Akzeptanz dieser Erkenntnis geht es beim Ausbeutungsmissbrauch darum, zu verhindern, dass der Marktbeherrscher seine Übermacht unbillig zu Lasten des Einzelnen ausüben kann. Anders als beim Behinderungsmissbrauch geht es beim Ausbeutungsmissbrauch also nicht um die Verhinderung einer Ausnutzung der Marktmacht zur Erlangung weiterer Marktmacht auf unredliche Weise, sondern („nur noch“) um den Schutz des Einzelnen vor einer Fremdbestimmung durch den Marktbeherrscher.764 Im Bereich des Ausbeutungsmissbrauchs tritt der Schutz des Wettbewerbsprozesses also hinter den Individualschutz des Vertragspartners zurück.765 Gerade dort, wo der Schutzzweck als Argument herangezogen wird, um Kritik an einer behaupteten Ausweitung des Konditionenmissbrauchs auf vermeintlich über den Schutzzweck hinaus gehende Fälle zu üben, wird dieser notwendigen Trennung oftmals nicht ausreichend Rechnung getragen.766 (3) Konditionenmissbrauch: Vorrangig Schutz der unterlegenen Partei vor Fremdbestimmung durch den Marktbeherrscher? Das Verhalten der Marktteilnehmer im Wettbewerb ist letztlich Betätigung von Grundrechtspositionen. Auf Anbieter- wie Nachfragerseite stehen sich in der Regel die beiderseitigen Wirtschaftsgrundrechte der Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG gegenüber.767 Wie bereits herausgearbeitet wurde768, sind die Par761 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 37; Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 316 Rn. 16. 762 Vgl. Weyer, in: FK-KartR, Bd. IV, 96. Erg.-Lfg., Mai 2020, § 19 GWB Rn. 22. 763 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 200. 764 Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 316 Rn. 16; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 200. Siehe auch Grewe, Missbrauchsverbot als Durchsetzungsinstrument, S. 327. 765 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 200; ähnlich Lettl, WRP 2020, 1391, 1395 Rn. 11. 766 So auch Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 200; übersehen bspw. von Körber, NZKart 2016, 348, 352 f.; Podszun, JZ 2017, 208, 211 („Schutz des freien Wettbewerbs, wird nicht mehr hinreichend gewürdigt“). 767 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 2. 768 S. o. Kapitel 3 § 3 A. III. 2. a). Siehe auch nochmal Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 2.

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teien in der Ausübung ihrer Grundrechte grundsätzlich frei. Aufgrund ihrer Freiheit bei der Ausübung ihrer Rechte akzeptiert die Rechtsordnung das Ergebnis ihrer Ausübung als für den jeweiligen Teil interessengerecht. Das privatautonom erzeugte Produkt der Vertragsparteien wird deshalb von der Rechtsordnung anerkannt und durchgesetzt, weil die Rechtsordnung diesem Produkt die Gewähr der – beiderseitigen, aus Sicht der Vertragsparteien – Richtigkeit beimisst. Diese der Anerkenntnis zugrundeliegende Annahme gilt aber dann nicht mehr, wenn aufgrund eines Machtungleichgewichts zwischen den Parteien die eine Seite in der Ausübung ihrer Freiheitsrechte nicht mehr so frei ist, dass sich daraus auf eine Interessengerechtigkeit des Vertragsergebnisses schließen ließe. In diesem Fall ist es Pflicht der Rechtsordnung, einzugreifen, um zu verhindern, dass sich aufgrund der Stärke der einen Vertragspartei die Selbstbestimmung auf der Seite der schwächeren Vertragspartei in Fremdbestimmung verkehrt.769 Eben diese Gefahr besteht im Fall der Marktbeherrschung einer Partei. Denn in diesem Fall fehlt es grundsätzlich an der Möglichkeit eines ausreichenden Vertragswettbewerbs, der Grundlage des Funktionierens der Vertragsfreiheit und der aus ihr abgeleiteten Richtigkeitsgewähr ist.770 Weil im Fall der einseitigen Marktbeherrschung eine kontrollbedürftige Ungleichgewichtslage zwischen den Vertragsparteien grundsätzlich vorliegt, ermöglicht der Missbrauchstatbestand die Kontrolle der Ergebnisse aus diesem Verhältnis.771 Konsequenz dessen ist dann auch, dass dem Marktbeherrscher ein Verhalten verboten sein kann, was nicht marktbeherrschenden Marktteilnehmern erlaubt ist. Den nicht marktbeherrschenden Unternehmen ist ihr Verhalten nicht deshalb erlaubt, weil es aus Sicht der Rechtsordnung das Richtige ist. Es ist ihnen erlaubt, weil die Rechtsordnung es in ihrem Fall aufgrund des vorhandenen Wettbewerbs und der damit wechselseitig bedingten Vertragsfreiheit als das für beide Parteien interessengerechte Ergebnis anerkennt.772 Anders als in anderen Bereichen des Missbrauchstatbestandes geht es im Rahmen des Konditionenmissbrauchs also nicht um die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfreiheit, sondern vielmehr um den aus der Erkenntnis mangelnder Wettbewerbsfreiheit folgenden Schutz der grundrechtlich geschützten Positionen der

769 S. o. Kapitel 3 § 3 A. III. 2. b). Im Zusammenhang mit § 19 GWB auch nochmal Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 2. 770 Zur aus dem Vertragsmechanismus abgeleiteten Richtigkeitsgewähr ausführlich schon oben in Kapitel 3 § 3 A. III. 2. a). 771 Vgl. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, S. 45, 86 f. 772 Vgl. Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 196 zur fehlenden Berücksichtigungsfähigkeit gleichsam rechtswidriger Verhalten von Unternehmen auf dem Vergleichsmarkt als „Benchmark“ im Rahmen des Als-ob-Wettbewerbs.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

unterlegenen Partei.773 Damit dient der Konditionenmissbrauch vorrangig dem Schutz des Einzelnen vor Fremdbestimmung. Der Missbrauchstatbestand in seiner Ausprägung des Konditionenmissbrauchs liegt insoweit auf einer Linie mit den privatrechtlichen Normen zur Inhaltskontrolle von Verträgen, über die sich ansonsten der Schutz vor einer Verkehrung der Vertragsfreiheit in Fremdbestimmung vollzieht.774 Zu Recht hat der BGH in der Rechtssache Pechstein deshalb § 19 GWB in eben diese Reihe der zivilrechtlichen Generalklausel des einfachen Rechts einsortiert, über die sich der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Schwächeren vor Fremdbestimmung vollziehen muss.775 (4) Schlussfolgerungen aus einem solchen Schutzzweckverständnis für die Kontrolle von Schiedsvereinbarungen Bei einem solchen Schutzzweckverständnis, stehen auch die zuvor offengelassenen Fragen zur Reichweite des Begriffs der Geschäftsbedingungen776, zur Zulässigkeit der Berücksichtigung anderer als rein quantitativer Methoden777 sowie zur Zulässigkeit der Folgerung der Missbräuchlichkeit allein aus der Forderung gegen außerkartellrechtliche Normen verstoßender Konditionen778 der Überprüfung von Schiedsvereinbarungen anhand des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots nicht entgegen. Denn sieht man den Schutzzweck des Ausbeutungsmissbrauchs nicht im Schutz des Wettbewerbsprozesses, sondern vorrangig im Schutz des Vertragspartners vor den Folgen des gerade nicht mehr existenten Wettbewerbsprozesses, kann der Begriff der Geschäftsbedingungen inhaltlichen Einschränkungen nicht unterliegen. Sonst ergäben sich im Umfange der Einschränkungen vor dem Schutzzweck nicht zu rechtfertigende Schutzlücken. Der Begriff ist demnach komplementär zu dem der Entgelte zu verstehen. Dem Schutzzweck wird er nur gerecht, wenn er alles aus der vom Machtungleichgewicht betroffenen AnbieterNachfrager-Beziehung umfasst, was nicht den Entgelten zuzuordnen ist. Dies 773 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 195; vgl. BKartA, Fallbericht zur Entscheidung im Facebook-Verfahren, S. 9. 774 Anders wohl Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 27, der aber nicht hinreichend zwischen den verschiedenen Schutzzwecken der Ausprägungen des Missbrauchsverbots differenziert. Hinsichtlich der Rolle der Generalklauseln des Privatrechts zum Schutz der unterlegenen Partei vor Fremdbestimmung, s. o. Kapitel 3 in und bei Fn. 429. 775 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2271 Rn. 57 und bereits oben Kapitel 3 in und bei Fn. 430. Siehe auch Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 10. 776 S. o. Kapitel 3 bei Fn. 612. 777 S. o. Kapitel 3 bei Fn. 670. 778 S. o. Kapitel 3 bei Fn. 731.

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würde dann sowohl im Rahmen des Konditionenmissbrauchs nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB als auch im Rahmen eines Konditionenmissbrauchs nach der Generalklausel des Abs. 1 gelten. Die Feststellung der Missbräuchlichkeit von Konditionen muss bei einem so verstandenen Schutzzweck auch anders als durch Blick auf den Zustand des Alsob-Wettbewerbs möglich sein. Zwar bietet das wettbewerbskonforme Marktergebnis zu Recht ein valides Indiz dafür, was das für die Parteien interessengerechte Ergebnis gewesen wäre. Die Frage, ob das von den Parteien erzielte Ergebnis interessengerecht ist oder es vor dem Hintergrund des grundrechtlich garantierten Schutzes einer unterlegenen Partei vor Fremdbestimmung eines Eingriffs der Rechtsordnung bedarf, lässt sich indes auch ohne den Blick auf das (hypothetische) Ergebnis bei wirksamem Wettbewerb anhand der Wertungen und Normen des Kartellrechts und auch der Rechtsordnung im Allgemeinen, insbesondere der des Grundgesetzes, feststellen. Denn die Rechtsordnung ist Ausdruck der aus Sicht des Gesetzgebers idealen Interessenverteilung.779 Für den grundrechtlich garantierten Schutz des Schwächeren vor einer Fremdbestimmung durch den überlegenen Vertragspartner kann es dann nicht auf eine zusätzlich nachteilige Marktwirkung der Fremdbestimmung ankommen.780 Vielmehr rechtfertigt sich der Eingriff der Rechtsordnung allein vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Garantie des Schutzes vor Fremdbestimmung. Im Falle der Fremdbestimmung lässt sich die nachteilige Marktwirkung jedoch aufgrund der Interdependenz von Privatautonomie und Wettbewerbsfreiheit auch allein in der Fremdbestimmung als solcher sehen. 4. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Konditionenmissbrauchs stark umstritten sind. Dies gilt insbesondere für die Frage, woraus sich das zur Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel notwendige Unwerturteil ergeben kann. Während Einigkeit über die Möglichkeit der Heranziehung quantitativer Kriterien im Rahmen des Konzepts des Als-ob-Wettbewerbs besteht, ist die Heranziehung qualitativer Kriterien hochgradig umstritten. Eine umfassende Klärung dieser Frage, die im Wesentlichen abhängig ist von dem dem Konditionenmissbrauch innewohnenden Schutzzweck, stand nicht im Fokus der Arbeit. Während mittlerweile wohl überwiegend davon ausgegangen wird, dass auch qualitative Kriterien bei der Bewertung von Konditionen ihre Relevanz haben können, ist der Umfang der Berücksichtigungs779 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 211c. 780 In diesem Sinne aber bspw. Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 263 ff.; Körber, NZKart 2016, 348, 354 f.; vgl. Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 200.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

fähigkeit noch ungeklärt. Teilweise wird für die Zulässigkeit einer Bewertung von Konditionen allein anhand qualitativer Kriterien gestritten. Berücksichtigungsfähig sollen dabei insbesondere auch außerkartellrechtliche Normen und Wertungen sein. In der Konsequenz dessen soll sich ein Missbrauch auch allein aus dem Fordern außerkartellrechtlichen Wertungen zuwiderlaufender Konditionen ergeben können. Berücksichtigt man die notwendige Trennung zwischen den verschiedenen Missbrauchstatbeständen für die Ermittlung des Schutzzwecks, lassen sich gute Argumente dafür finden, dass es im Rahmen des Konditionenmissbrauchs um den aus der Erkenntnis mangelnder Wettbewerbsfreiheit folgenden Schutz der grundrechtlich geschützten Positionen der unterlegenen Partei vor Fremdbestimmung geht. Bei einem solchen Schutzzweckverständnis ist § 19 GWB mit dem BGH in seiner Pechstein-Entscheidung in die Reihe der dem Schutz vor Fremdbestimmung dienenden zivilrechtlichen Generalklausel einzusortieren. Bei einem so verstandenen Schutzzwecks des Konditionenmissbrauchs müssen Schiedsvereinbarungen vom Begriff der Geschäftsbedingungen umfasst sein.781 Zum Schutz vor Fremdbestimmung durch den Marktbeherrscher müssen sich Schiedsvereinbarungen neben quantitativen Kriterien auch an qualitativen Kriterien, insbesondere an den Wertungen des Grundgesetzes, messen lassen. 5. Missbräuchlichkeit von Schiedsvereinbarungen aus quantitativer Sicht Beim Blick aus quantitativer Sicht auf Schiedsvereinbarungen, ist das Fordern einer solchen missbräuchlich, wenn sich – bei allen damit einhergehenden Schwierigkeiten782 – feststellen lässt, dass der Marktbeherrscher im Falle wirksamen Wettbewerbs die konkrete Schiedsvereinbarung nicht hätte durchsetzen können. Bei dieser Analyse ist zwischen der Schiedsvereinbarung i. e. S. und etwaigen Schiedsverfahrensvereinbarungen zu trennen. Versteht man den Begriff der Geschäftsbedingungen in § 19 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 GWB als komplementär zu dem der Entgelte und sieht von ihm alles aus der Anbieter-Nachfrager-Beziehung als erfasst an, was nicht unter den Begriff der Entgelte fällt,783 fallen sowohl Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarungen hierunter. In der Rechtssache Pechstein hatte das OLG München die zwischen den Parteien geschlossene Schiedsvereinbarung an diesem Maßstab gemessen. Insoweit 781 Siehe auch Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 250, der Schiedsvereinbarungen jüngst als Geschäftsbedingungen i. S. d. Art. 102 AEUV eingeordnet hat. 782 Zur Schwierigkeit der Anwendung des Vergleichsmarktkonzepts auf Schiedsvereinbarungen vgl. Heermann, sport-recht.org vom 31.05.2016. 783 S. o. Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) ff) (4).

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sah es in dem Verlangen der Schiedsvereinbarung i. e. S. „nicht schlechthin einen Missbrauch von Marktmacht“. Vielmehr bestünden gewichtige sachgerechte Gründe für das Verlangen der Schiedsvereinbarung i. e. S.784 Als missbräuchlich sah das OLG jedoch das Verlangen der „Zustimmung zu der Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS“ an. Denn es sei davon auszugehen, dass eine Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS, nicht abgegeben worden wäre, wenn auf dem konkreten Markt wirksamer Wettbewerb bestanden hätte. Denn die einseitige Ausgestaltung der Schiedsrichterbestellung nähmen die Vertragspartner nur deshalb hin, weil sie keine andere Möglichkeit hätten.785 Der Grund dafür, dass sich die unterlegene Partei auf die Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS einlasse, sei alleine in der Monopolstellung des Marktbeherrschers zu sehen. Es sei nämlich davon auszugehen, dass Schiedsvereinbarungen zugunsten des CAS bei Existenz einer Auswahlmöglichkeit nicht abgeschlossen würden.786 Im Verfahren hatte der beklagte Marktbeherrscher hiergegen vorgebracht, es gäbe einen Vergleichsmarkt mit vier Wettbewerbern. Auf diesem Vergleichsmarkt fordere jedenfalls einer der Wettbewerber auch den Abschluss zugunsten des CAS.787 Auch bei wirksamem Wettbewerb würden also Schiedsvereinbarungen zugunsten des CAS vereinbart. Dies stünde der Annahme des OLG jedoch nur dann entgegen, wenn zwischen den dortigen vier Wettbewerbern hinsichtlich der Schiedsvereinbarung auch wirklich Wettbewerb bestünde.788 Einen solchen Wettbewerb hinsichtlich der Schiedsvereinbarungen sah das OLG aber gerade nicht.789 In der Literatur ist teilweise noch vorgeschlagen worden, das OLG hätte neben einem Vergleich mit anderen Sportmärkten noch einen Vergleich mit den Schiedsvereinbarungen, die in anderen Bereichen abgeschlossen werden, anstellen und sich so der wettbewerblichen Wirklichkeit annähern können.790 Lässt sich danach im konkreten Einzelfall eine Abweichung von dem Zustand feststellen, der bei wirksamem Wettbewerb bestehen würde, ist des Weiteren die vom BGH verlangte „Gesamtbetrachtung des Leistungsbündels“ zu berücksichti784 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 43. 785 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 44. 786 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 45. 787 Vgl. OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 45; Heermann, sport-recht.org vom 31.05.2016. 788 Zimmermann, ZWeR 2016, 66, 75. 789 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 45; zustimmend Zimmermann, ZWeR 2016, 66, 75; kritisch, indes ohne Begründung, Haus/Heitzer, NZKart 2015, 181, 183 f. 790 Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 316 Rn. 27.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

gen.791 Allein die Feststellung einer Abweichung von wettbewerbsanalogen Konditionen reicht nicht aus. Vielmehr muss auch geprüft werden, ob die negative Abweichung nicht durch andere positive Abweichungen kompensiert wird. Bei dieser Überprüfung ist die Schiedsvereinbarung im gesamtvertraglichen Kontext zu behandeln, in dem sie steht. Die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung bewirkt insoweit nicht, dass die Schiedsvereinbarung isoliert in den Blick zu nehmen wäre.792 Dabei kann die negative Abweichung einer Kondition indes nicht durch die positive Wirkung des Vertragsschlusses an sich kompensiert werden. Denn dann bleibt es in Bezug auf die Konditionen bei der negativen Abweichung. Negative Konditionen lassen sich nur durch positive Konditionen ausgleichen. Wenn Nordmann/Förster dem OLG München in Bezug auf die Rechtssache Pechstein insoweit vorgeworfen haben, es hätte berücksichtigen können, dass erst die Anerkennung der Kondition (der Schiedsvereinbarung) zum Abschluss des Vertrages mit seinen positiven Effekten geführt hätte,793 beruht diese Kritik auf einem Fehlverständnis der geforderten Gesamtbetrachtung. Selbst wenn sich insoweit eine Abweichung von dem Zustand feststellen lässt, der bei wirksamem Wettbewerb bestanden hätte, muss diese Abweichung auch erheblich sein.794 Wann beim Konditionenmissbrauch im Generellen und bei einer Schiedsverfahrensvereinbarung im Speziellen eine erhebliche Abweichung vorliegen soll, erscheint nahezu unmöglich zu ermitteln.795 Denn es geht insoweit um quantitative Erwägungen, also den Versuch, die konkreten Klauseln zu bepreisen.796 Teilweise sollen aber auch andere Faktoren herangezogen werden: Nordmann/Förster wollen ein erhebliches Abweichen dann annehmen, wenn „die Abweichung vom ,normalen‘ Marktverhalten offenkundig und ohne weitergehende Prüfung offensichtlich“ ist. Dies soll wiederrum der Fall sein, wenn Klauseln vereinbart werden, „bei welchen aufgrund offensichtlich fehlender rechtsstaatlicher Grundsätze in der staatlichen Verfahrensordnung oder nur rudimentär ausgeprägter Behörden- und Gerichtsstrukturen eine Anspruchsdurchsetzung objektiv unmöglich erscheint“.797 Völlig unklar bleibt dabei, woher die Autoren den Zusammenhang zwischen der Erheblichkeit der Abweichung der geforderten Bedingungen von denen, die sich bei wirksamem Wettbewerb ergeben hätten, und den rechtsstaatlichen Grundsätzen nehmen. Sie scheinen zu übersehen, dass es

791

S. o. Kapitel 3 in und bei Fn. 627. S. o. Kapitel 3 § 1 B. III. 4. 793 Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 318 Rn. 35. 794 S. o. Kapitel 3 in und bei Fn. 633. Duve/Rösch, SchiedsVZ 2015, 69, 76. 795 S. o. Kapitel 3 in und bei Fn. 634. Vgl. Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 316 f. Rn. 28. 796 S. o. Kapitel 3 in und bei Fn. 629. Vgl. Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 316 f. Rn. 28. 797 Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 316 f. Rn. 28 f. 792

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auf eine objektive an irgendwelchen gesetzlichen Wertungen orientierte Analyse im Rahmen des Vergleichsmarktkonzeptes nicht ankommt.798 Duve/Rösch haben für den Fall Pechstein die Ansicht vertreten, die Erheblichkeitsschwelle sei jedoch bei einer Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS nicht überschritten, da die Neutralität von CAS-Schiedsgerichten über die schiedsgerichtlichen Kontrollmechanismen abgesichert sei.799 Dieses Argument ließe sich problemlos auf alle Fälle übertragen, wo Schiedsvereinbarungen in Rede stehen. Allerdings wird auch hier nicht klar, woher die Autoren den Zusammenhang zwischen der Erheblichkeit und der Existenz von Kontrollmechanismen nehmen. Sieht man das Erfordernis einer erheblichen Abweichung darin begründet, dass der Missbrauchsvorwurf ein besonderes Unwerturteil beinhaltet,800 bedeutet die Argumentation von Duve/Rösch, dass das Unwerturteil deswegen nicht besteht, weil der Mangel im schiedsgerichtlichen Verfahren hätte adressiert werden können. Das kann aber nicht überzeugen. Denn die Tatsache, dass sich die unterlegene Partei gegen ein Verhalten des Marktbeherrschers wehren kann, kann nichts an der Bewertung des Verhaltens des Marktbeherrschers ändern. 6. Missbräuchlichkeit von Schiedsvereinbarungen aus qualitativer Sicht Die vorstehenden Ausführungen lassen erahnen, welche Schwierigkeiten im Rahmen einer quantitativen Analyse zu überwinden sind. Insgesamt kommt deshalb bei der Bewertung von Schiedsvereinbarungen, auch aufgrund ihrer besonderen Verfassungsrelevanz801 der qualitativen Analyse größere Bedeutung zu. Vorausgesetzt natürlich, man stimmt zu, dass der Konditionenmissbrauch des § 19 GWB auch der Wahrung dieser verfassungsrechtlichen Werte dient.802 Notwendig ist insbesondere bei der qualitativen Analyse die Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung.803 Selbstverständlich, gilt diese Trennung auch für die quantitative Analyse. Dort ist der Maßstab – Als-ob-Wettbewerb – aber für Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung derselbe. Zum Tragen kommt die Trennung dort erst bei der Rechtsfolge eines festgestellten Missbrauchs.804 Im Rahmen einer 798

S. o. Kapitel 3 in und bei Fn. 631. Duve/Rösch, SchiedsVZ 2015, 69, 76; dagegen, aber mit anderem Argument als hier, Heermann, WRP 2015, 1172, 1179. 800 S. nur BGH, Urt. v. 28.06.2005 – KVR 17/04 – Stadtwerke Mainz, BGHZ 163, 282, 295; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 232 ff.; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 74. 801 S. o. Kapitel 2 vor Fn. 114. 802 Richtig erkannt von Eckel/Richter, WuW 2015, 1078, 1088 a. E. und f. Siehe hierzu bereits oben Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) cc) (2) und 3. b) ff) (4). 803 S. o. Kapitel 2 § 2 D. II. 804 S. u. Kapitel 3 bei Fn. 841. 799

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

qualitativen Analyse hat die Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung hingegen bereits bei der Prüfung der Missbräuchlichkeit ihre Relevanz. Grund dafür ist, dass im Rahmen der qualitativen Analyse ein festgelegter Maßstab nicht existiert, eine Schiedsvereinbarung i. e. S. vielmehr an einem anderen Maßstab zu messen sein mag als eine Schiedsverfahrensvereinbarung. Blickt man vor diesem Hintergrund auf die Entscheidungen des OLG München und des BGH in der Rechtssache Pechstein, fällt auf, dass beide Gerichte zwischen der Schiedsvereinbarung i. e. S. und der Schiedsverfahrensvereinbarung nicht hinreichend trennen805: Das OLG München, das die Schiedsvereinbarung am quantitativen Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs gemessen hat, spricht zwar einerseits von der „Schiedsvereinbarung“ und meint damit die Schiedsvereinbarung i. e. S., andererseits von der „Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS“ und meint damit die entsprechende Schiedsverfahrensvereinbarung.806 Während es die beiden Teile im Rahmen der Missbrauchsprüfung noch getrennt betrachtet, vermischt es sie in der Rechtsfolge, wo ihre Trennung Relevanz gehabt hätte, wenn es die Rechtsfolge der Nichtigkeit auf die gesamte Schiedsvereinbarung erstreckt.807 Zwar unterscheidet auch der BGH, der anhand qualitativer Maßstäbe prüft, im Rahmen der Prüfung des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots sprachlich zwischen dem „Abschluss der Schiedsvereinbarung“ und dem „Verlangen nach einer Schiedsvereinbarung, die den CAS als Schiedsgericht vorsieht“.808 Der BGH prüft dann den „Abschluss der Schiedsvereinbarung“, kommt dabei dann letztlich aber doch wieder auf die Frage der Unabhängigkeit des CAS zurück,809 was Indiz dafür ist, dass der BGH eine saubere Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung nicht vorgenommen hat. Mit der Zuweisung des Streits zum CAS hatte sich der BGH auch bereits im Rahmen der Zulässigkeit als Teil der Frage befasst, ob die Parteien überhaupt eine („echte“) Schiedsvereinbarung im Sinne der §§ 1025 ff. BGB abgeschlossen hatten.810 Darin ist teilweise eine Kurskorrektur der Entscheidung des OLG dahingehend gesehen worden, dass die Frage der Unabhängigkeit des CAS keine

805 Ebenso OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 21.12.2017 – 11 U 26/17 (Kart), NZKart 2018, 151, 152 und OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 23.06.2020 – 26 Sch 1/20, NZKart 2020, 448, 449. 806 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 43 unter (2) bzw. 44 unter (3). 807 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 45 unter cc). S. u. Kapitel 3 § 3 C. II. 7. 808 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270 Rn. 48. 809 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2272 insbes. in Rn. 62. 810 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268 Rn. 23 ff. S. dazu ausführlich unten Kapitel 4 § 2.

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des Kartellrechts sei, sondern des Prozessrechts.811 Dabei vermischen MotykaMojkowski/Kleiner indes zwei Dinge, die miteinander wenig zu tun haben. Die prozessuale Frage nämlich, ob auf die in Rede stehende Vereinbarung die Regeln des Schiedsverfahrens anwendbar sind und die materiell-rechtliche Frage, ob die prozessrechtlich zulässige Vereinbarung der Zuweisung des Schiedsverfahrens an eine bestimmte Schiedsinstitution wirksam ist. Die Frage der Unabhängigkeit eines Schiedsgerichts hat auf beiden Ebenen ihre Relevanz.812 Die Tatsache, dass beide Fragen inhaltlich miteinander verknüpft sind, macht sie aber noch nicht austauschbar. a) Missbräuchlichkeit von Schiedsvereinbarungen i. e. S. aus qualitativer Sicht Aus dem Blickwinkel einer qualitativen Analyse kann das Verlangen einer Schiedsvereinbarung i. e. S. durch den Marktbeherrscher ein missbräuchliches Verhalten nicht darstellen. Denn bei der Überprüfung, ob ein Verhalten missbräuchlich ist, sind positiv, also die Annahme der Missbräuchlichkeit abwendend, auch solche gesetzlichen Wertungen und Normen zu berücksichtigen, die die Ungleichgewichtslage, die die Anwendung des Ausbeutungsmissbrauchs erst rechtfertigt, bereits in sich aufgenommen haben. Für die Schiedsvereinbarung i. e. S. (den sog. „Abschluss der Schiedsvereinbarung“) ergibt sich – wie zuvor ausführlich dargestellt worden ist – eine solche positive Wertung aus der gesetzlichen Systematik des Schiedsverfahrensrechts. Nach der gesetzgeberischen Wertung, die ihren Niederschlag insbesondere in der Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. und dessen teilweiser Überführung in § 1034 Abs. 2 ZPO gefunden hat, sollte die Schiedsvereinbarung i. e. S. aufgrund der Gleichwertigkeit von staatlichem Gerichtsverfahren und schiedsrichterlichem Verfahren nicht länger bereits deswegen unwirksam sein, weil die eine Partei ihre wirtschaftliche Stärke eingesetzt hat, um diese Vereinbarung durchzusetzen.813 Die positive Berücksichtigung dieser Wertung verhindert es, allein das Fordern einer Schiedsvereinbarung i. e. S. als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ansehen zu können.814 811

Motyka-Mojkowski/Kleiner, JECLAP 2017, 457, 460 f. Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 230. 813 S. insbesondere oben in Kapitel 3 § 3 A. II. 1. zu § 138 BGB und allgemein in Kapitel 2 § 2. 814 So jetzt zutreffend OLG München, Beschl. v. 16.08.2017 – 34 SchH 14/16, ZVertriebsR 2017, 371, 375 Rn. 61 und Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 318 Rn. 36. Ähnlich Haus/Heitzer, NZKart 2015, 181, 184. Auch BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2272 Rn. 63 berücksichtigt die gesetzgeberische Wertung innerhalb der Interessenabwägung. Im Ansatz bereits Tyrolt, Sportschiedsgerichtsbarkeit und zwingendes staatliches Recht, S. 44 f. A. A. Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 82, wenn die Schiedsvereinbarung „fakitsch Aufgezwungen“ ist; differenzierend Eckel/Richter, WuW 2015, 1078, 1083 f. An die positive Berücksichtigung nochmal anknüpfend unten Kapitel 4 § 3 D. II. 5. 812

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

b) Missbräuchlichkeit von Schiedsverfahrensvereinbarungen aus qualitativer Sicht Unter zuvor dargestelltem Schutzzweckverständnis stellen auch Schiedsverfahrensvereinbarungen Geschäftsbedingungen im Sinne des Konditionenmissbrauchs dar. Aufgrund seines Schutzzwecks umfasst der Konditionenmissbrauch „die gesamte, von einem Machtgefälle geprägte Anbieter-Nachfrager-Beziehung“. Der Begriff der Geschäftsbedingungen ist dabei komplementär zu dem der Entgelte zu verstehen.815 Auch Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien hinsichtlich der Abwicklung des Schiedsverfahrens stellen solche Vereinbarungen aus der vom Machtgefälle geprägten Anbieter-Nachfrager-Beziehung dar. Auch das Fordern einer bestimmten Schiedsverfahrensvereinbarung kann deshalb grundsätzlich ein missbräuchliches Verhalten des Marktbeherrschers darstellen.816 Wie dargestellt817, dient auch § 19 GWB der Inhaltskontrolle der aus der Ungleichgewichtslage resultierenden Vereinbarung dahingehend, ob sie Ergebnis des Vertragsmechanismus oder der Ungleichgewichtslage zwischen den Parteien ist. Es gilt die unterlegene Partei vor einer Verwandlung der Selbstbestimmung in Fremdbestimmung und vor einem Missbrauch der Privatautonomie durch die überlegene Partei zu schützen. So verstanden sind bei einem Blick auf Schiedsverfahrensvereinbarungen aus qualitativer Sicht, insbesondere außerkartellrechtliche Wertungen und Normen zu berücksichtigen, aus denen sich die für die Missbrauchsanalyse notwendigen Anhaltspunkte ergeben. Im Wesentlichen finden hier die bereits im Rahmen der Überlegungen zu § 138 Abs. 1 BGB dargestellten Wertungen Berücksichtigung. Das gilt insbesondere für die grund- und verfassungsrechtlichen Garantien der Vertragsparteien. Zu denken ist hier einerseits an die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Garantie eines wirkungsvollen Rechtsschutzes. Eine Bewertung als missbräuchlich kann sich insbesondere unter dem Gesichtspunkt der übermäßigen Einschränkung des Rechtsschutzes ergeben.818 Andererseits zu denken ist an die grundrechtlichen Wertungen, allen voran der Wirtschaftsgrundrechte der Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG. Besondere Bedeutung kommt dabei der Privatautonomie des Art. 2 Abs. 1 GG zu.819 Anhaltspunkte für die Bewertung von Schiedsverfahrensvereinbarungen ergeben sich daneben insbesondere aus den gesetzlichen Wertungen des deutschen Schiedsverfahrensrechts.820 Gerade mit Blick auf die schiedsverfahrensrechtlichen Vorschriften kann auch die Frage des Missbrauchs durch Normverstoß, die 815

S. o. Kapitel 3 in und bei Fn. 600 sowie in Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) ff) (4). Vgl. Eichel, ZZP 2016, 327, 340, der Herausgestellt hat, dass Schiedsverfahrensvereinbarungen der Kontrolle des § 307 BGB unterfallen. 817 Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) ff) (3). 818 S. o. Kapitel 3 § 3 A. III. 1. 819 S. o. Kapitel 3 § 3 A. III. 2. 820 S. bereits oben Kapitel 3 bei Fn. 337. 816

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zuvor diskutiert worden ist821, relevant werden. Folgt man der Ansicht, die die Missbräuchlichkeit allein aus Normverstößen ableitet,822 sind hier insbesondere Verstöße gegen die Regeln des Schiedsverfahrensrechts von Relevanz. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn es sich bei den Regeln um zwingende Vorschriften handelt.823 Daran ändert sich auch nichts, wenn man mit dieser Ansicht zur Begrenzung der in Betracht kommenden Normen eine gewisse inhaltliche Relevanz dieser fordert.824 Denn die Regelungen des Schiedsverfahrensrechts weisen insoweit die geforderte „Inhaltsrelevanz“ auf beziehungsweise stellen „Marktverhaltensregeln mit Schutzcharakter“ dar.825 Denn schließlich dienen die Regeln des Schiedsverfahrensrecht gerade der Regulierung des privatautonom Zulässigen hinsichtlich der privaten Streitbeilegung durch ein Schiedsverfahren sowie dem Ausgleich der damit verbundenen gegenläufigen Interessen. Damit unterfallen sie selbst dem für einen Marktmissbrauch relevanten eingeschränkten Normenkreis. Unterliegt das Schiedsverfahren einem ausländischen Schiedsverfahrensrecht826, so stellt sich die Frage, ob im Rahmen der Prüfung der Missbräuchlichkeit auf die Regeln des deutschen oder des konkret anwendbare Schiedsverfahrensrecht abzustellen ist. Das OLG München hat in seiner Pechstein-Entscheidung – trotz Anwendbarkeit schweizerischen Schiedsverfahrensrechts827 – auf das deutsche Schiedsverfahrensrecht abgestellt und danach gefragt, ob die Ersetzung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. durch § 1034 Abs. 2 ZPO und die dahinter stehende gesetzgeberische Intention einer Würdigung als kartellrechtlichem Missbrauch entgegensteht.828 Es muss insoweit jedoch auf das jeweils anwendbare Schiedsverfahrensrecht ankommen. Zwar erscheint es auf den ersten Blick naheliegender, als Maßstab für die Missbräuchlichkeit im Rahmen des § 19 GWB allein auf die Regeln des deutschen Schiedsverfahrensrechts abzustellen. So ließen sich dann – was aus Perspektive des deutschen Rechts wünschenswert sein mag – die Grundsätze deutschen Schiedsverfahrensrechts über die kartellrechtliche Missbrauchsprüfung auf Schiedsverfahrensvereinbarungen übertragen, die eigentlich einem ausländischen Schiedsverfahrensrecht unterliegen. Dies ist indes nicht zutreffend: 821

S. o. Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) cc). S. o. Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) ff) (4). 823 Vgl. auch Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 246 f. 824 S. o. Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) dd) (1) und (2). 825 Für die Begriffe Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 203. Inhaltlich dazu oben Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) dd) (1). 826 Zum Problem, wenn auf das Schiedsverfahren nicht deutsches Recht anwendbar ist auch nochmal unten in Kapitel 4 § 2 C. II. 827 Siehe hierzu Kapitel 4 § 3 D. I. 828 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 45 eee). Siehe hierzu auch nochmal unten Kapitel 4 § 3 D. I. 822

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Denn eine Ausrichtung der Missbräuchlichkeit am Maßstab deutschen Schiedsverfahrensrechts führte trotz Anwendbarkeit eines ausländischen Schiedsverfahrensrechts zur Umgehung dieses für das Schiedsverfahren verbindlichen Rechts. So würde die zu respektierende Entscheidung der Parteien,829 ihr Schiedsverfahren einem ausländischen Schiedsverfahrensrecht zu unterstellen, über das kartellrechtliche Missbrauchsverbot ausgehebelt. Durch die Bindung an das UNÜ hat sich der deutsche Gesetzgeber jedoch zur grundsätzlichen Hinnahme und Achtung der Regeln und Grenzen des anwendbaren ausländischen Schiedsverfahrensrechts entschieden und verpflichtet. Ein Abweichen von den ausländischen Verfahrensregeln ist nur ausnahmsweise und in den engen Schranken des Art. V UNÜ, insbesondere bei einem Verstoß gegen den ordre-public zulässig.830 Im Rahmen der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Schiedsverfahrensvereinbarung muss es deshalb stets auf das anwendbare Schiedsverfahrensrecht und nicht per se auf deutsches Schiedsverfahrensrecht ankommen. Ein Missbrauch lässt sich deshalb bei Anwendbarkeit eines ausländischen Schiedsverfahrensrechts nicht mit einem Verstoß gegen Normen des deutschen Schiedsverfahrensrechts begründen. 7. Zivilrechtliche Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot Ist nach diesen Maßstäben eine Schiedsvereinbarung i. e. S. oder eine Schiedsverfahrensvereinbarung missbräuchlich, stellt sich, soweit auch der notwendige aber streitige, durch das Wort „Ausnutzung“ im Wortlaut des § 19 Abs. 1 GWB vorgeschriebene Grad an Kausalität831 gegeben ist und keine sachliche Rechtfer829

Siehe nur Adolphsen, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, Art. V Rn. 47. Siehe zur Parallelfrage nach den Auswirkungen einer fehlenden, mit § 1034 Abs. 2 ZPO vergleichbaren Behebbarkeit von Besetzungsmängeln im anwendbaren Schiedsverfahrensrecht unten Kapitel 4 § 2 C. II. 3. 831 § 19 Abs. 1 GWB setzt „die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung“ voraus. Aus dieser Formulierung wird die Notwendigkeit einer Kausalbeziehung zwischen Marktmacht und Missbrauch abgeleitet. Umstritten sind die Anforderungen an diese Kausalität. Teile der Lit. und das BKartA lassen eine normative Kausalität ausreichen. Diese liegt vor, wenn die marktbeherrschende Stellung für die wettbewerbsschädlichen Folgen des Marktverhaltens des Marktbeherrschers ursächlich ist, sich das Verhalten im Ergebnis also als wettbewerbsschädlich darstellt, was einer Ergebniskausalität entspricht. In diesem Sinne: BKartA, Fallbericht zur Entscheidung im Facebook-Verfahren, S. 12 f.; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 6, 72 ff., insbes. 72b; Loewenheim, in: Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 14; Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 188. Ausführlich und bedingt anschließend nunmehr BGH, Beschl. v. 23.06.2020 – KVR 69/19 – Facebook II, NZKart 2020, 473, 477 Rn. 66 ff. Teilweise wird auch eine strikte Kausalität verlangt, dass dem Marktbeherrscher die Durchsetzung der fraglichen Konditionen also nur aufgrund seiner Marktbeherrschung möglich ist. In diesem Sinne: Franck, ZWeR 2016, 137, 153; Körber, NZKart 2016, 830

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tigung832 für den Missbrauch vorliegt, die Frage nach der Rechtsfolge des festgestellten Missbrauchs. § 19 GWB stellt einen unmittelbar wirkenden Verbotstatbestand dar. Zivilrechtliche Rechtsfolge eines dagegen verstoßenden Rechtsgeschäfts ist daher gemäß § 134 BGB dessen Nichtigkeit, soweit der Verstoß nicht ohne die Nichtigkeit beseitigt werden kann.833 Allerdings betrifft die Nichtigkeit nicht zwangsläufig die gesamte Vereinbarung. Wie auch bezüglich des § 1 GWB,834 geht die Nichtigkeit nur so weit, wie das Verbot des § 19 GWB im konkreten Fall reicht. Die notwendige Weite des Verbots ist im konkreten Fall anhand des Normzwecks des § 19 GWB zu bestimmen.835 Aus kartellrechtlicher Sicht geht es um die Abstellung des Missbrauchs – hier: Ausbeutung durch missbräuchliche Konditionen. Dazu reicht es, die Nichtigkeitsfolge auf die konkret missbräuchliche Kondition(en) zu beschränken. Die Regelung der daraus für den Gesamtvertrag resultierenden Konsequenzen liegt nicht im Regelungsbereich des Kartellrechts, sondern ist vielmehr eine Frage des allgemeinen Vertragsrechts. Lassen sich insoweit die nicht von der Nichtigkeit berührten Teile vom nichtigen Teil abtrennen und handelt es sich bei ihnen um selbstständige Rechtsgeschäfte836, so werden sie von der kartellrechtlichen Nichtigkeit nicht erfasst. Es liegt Teilnichtigkeit vor.

348, 351 f., 355; Esser, in: FS Schroeder, S. 249, 264 ff. Bei dem Verlangen einer strikten Kausalität geht es teilweise aber auch „nur“ darum, den Anwendungsbereich des Missbrauchsverbots aus Angst vor einer Überdehnung einzuschränken (Franck, ZWeR 2016, 137, 152). Siehe nunmehr auch bei Grewe, Missbrauchsverbot als Durchsetzungsinstrument, S. 277 ff. 832 Obwohl für den Konditionenmissbrauch nicht ausdrücklich vorgesehen, so besteht doch Einigkeit darüber, dass ein Konditionenmissbrauch dann nicht vorliegt, wenn die Konditionenforderung gerechtfertigt ist. Dies soll sich insbesondere daraus ergeben, dass der Missbrauch ein Unwerturteil voraussetzt, was eben fehlt, soweit eine Rechtfertigung vorliegt (Wolf, in: MüKo-WettbR, Bd. 2, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 125). Bei einem Missbrauch durch Rechtsverstoß wird teilweise eine Rechtfertigung für nicht möglich gehalten, Franck, ZWeR 2016, 137, 151 ff., 162. In Reaktion auf die Entscheidung des OLG München in der Rechtssache Pechstein ist bspw. vorgeschlagen worden, den Kartellverstoß durch die Schiedsvereinbarung in Anwendung des Immanenzgedankens deshalb als gerechtfertigt anzusehen, weil mit ihr „kartellrechtsneutrale Ziele“ verfolgt würden. So Duve/Rösch, SchiedsVZ 2015, 69, 76 f. sowie Stancke, SpuRt 2015, 46, 47; zum Kartellverbot bereits Longrée, Dopingsperre, S. 150; Schürnbrand, ZWeR 2005, 396, 406; a. A. Heermann, WRP 2015, 1172, 1178. 833 Siehe nur Bechtold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 19 Rn. 95; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, KartR, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 116; Wolf, in: MüKo-WettbR, Bd. 2, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 210; Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 200. 834 Krauß, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 1 GWB Rn. 339; Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 1 Rn. 65. 835 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 385; Wolf, in: MüKo-WettbR, Bd. 2, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 212. 836 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 201; Wolf, in: MüKoWettbR, Bd. 2, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 214.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Über das Schicksal der abtrennbaren, nicht von der kartellrechtlichen Nichtigkeit erfassten Teile entscheidet dann § 139 BGB.837 Dieser enthält eine Vermutung der Nichtigkeit auch des abtrennbaren Teils, wenn nicht anzunehmen ist, dass die Parteien den abtrennbaren Teil auch ohne den nichtigen Teil vereinbart hätten. Wie bereits dargestellt worden ist, ist zwischen der Schiedsvereinbarung i. e. S. und der Schiedsverfahrensvereinbarung zu trennen. Die in § 139 BGB aufgestellte Vermutung der Gesamtnichtigkeit soll grundsätzlich gerade nicht im Verhältnis einer Schiedsverfahrensvereinbarung zur Schiedsvereinbarung i. e. S. greifen.838 Wenn das OLG München den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung in der Rechtssache Pechstein also in der Vereinbarung der Zuständigkeit des CAS sieht,839 dann liegt der Missbrauch im Fordern dieser Schiedsverfahrensvereinbarung. Wenn das OLG daraus dann auf die Nichtigkeit der gesamten Schiedsvereinbarung schließt, ohne auszuführen, wieso sich die Nichtigkeit entgegen der im Schiedsrecht vorherrschenden Grundannahme von der Schiedsverfahrensvereinbarung auf die Schiedsvereinbarung i. e. S. erstrecken soll,840 dann liegt die Annahme nah, dass das OLG die Notwendigkeit und die Bedeutung der Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung nicht hinreichend beachtet hat841. Zwar wird teilweise vertreten, die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. soll aus der Unwirksamkeit einer Schiedsverfahrensvereinbarung doch dann folgen, wenn die Schiedsverfahrensvereinbarung, mit der die Verwaltung des Schiedsverfahrens durch eine Schiedsorganisation vereinbart worden ist, daran scheitert, dass die Unabhängigkeit der Schiedsrichter oder eine gleichmäßige Einflussnahme beider Parteien auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts nicht gewährleistet sind. Denn dann sei das Gesamtgepräge der vereinbarten Schiedsgerichtsbarkeit berührt.842 Unabhängig davon, ob Schlosser in diesem Fall die Schiedsvereinbarung i. e. S. und die Schiedsverfahrensvereinbarung für untrennbar halten will, oder ob er in diesem Fall die Vermutung des § 139 BGB greifen lassen will, was nicht klar wird, kann diese Ansicht nicht überzeugen. 837 Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 GWB Rn. 201; Deister, in: Schulte/ Just, KartR, 2. Aufl. 2016, § 19 GWB Rn. 164; Wolf, in: MüKo-WettbR, Bd. 2, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 213. 838 S. o. Kapitel 2 § 2 D. II. 839 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 44 unter (3). Zur Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung s. o. Kapitel 2 § 2 D. II. 840 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 45 unter cc). 841 S. insoweit bereits oben Kapitel 3 bei Fn. 804. 842 Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 263.

§ 3 Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen

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Dies gilt jedenfalls seit der Einführung des § 1034 Abs. 2 ZPO und ergibt sich bereits aus dessen Existenz. Denn folgte man Schlosser in seiner Sicht, brächte man die Norm faktisch um ihre Anwendungsfälle. Denn § 1034 Abs. 2 ZPO setzt gerade voraus, dass die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. von der übermäßigen Einflussnahme der einen Partei auf die Besetzung des Schiedsgerichts unberührt bleibt.843 Auch die in Fällen des kartellrechtlichen Missbrauchs typischerweise vorliegende Situation strukturellen Ungleichgewichts zwischen den Vertragsparteien führt nicht automatisch zum Wiederaufleben der Vermutung des § 139 BGB. Denn das führte zum Aufwärmen einer in diesem Stadium bereits entschiedenen Frage.844 Auch im Falle einer missbrauchsindizierten Nichtigkeit bleibt es also dabei: Liegt der kartellrechtliche Mangel in einer Schiedsverfahrensvereinbarung, so beschränkt sich die kartellrechtliche Nichtigkeit grundsätzlich auf diese Vereinbarung. Aus der kartellrechtlichen Nichtigkeit dieser Vereinbarung folgt dann grundsätzlich nicht die Nichtigkeit auch der Schiedsvereinbarung i. e. S.

III. Zwischenergebnis Sowohl bei quantitativer als auch bei qualitativer Betrachtung ist zwischen der Schiedsvereinbarung i. e. S. und der Schiedsverfahrensvereinbarung zu trennen. Während bei der quantitativen Betrachtung die Trennung erst im Rahmen der Rechtsfolge von Bedeutung ist, kommt ihr im Rahmen der qualitativen Analyse bereits bei der Prüfung der Missbräuchlichkeit Bedeutung zu. Denn hier fehlt es, anders als im Rahmen der quantitativen Analyse, an einem festgelegten Maßstab. Hier muss der Maßstab, an dem die Interessengerechtigkeit einer Kondition gemessen werden kann, erst ermittelt werden. Eine quantitative Analyse muss die Frage stellen, ob der Marktbeherrscher im Falle wirksamen Wettbewerbs die konkrete Schiedsvereinbarung hätte durchsetzen können. Dabei kommt es auf eine Gesamtbetrachtung des Leistungsbündels an, bei der die Schiedsvereinbarung im gesamtvertraglichen Kontext zu beurteilen ist. Lassen sich Abweichungen vom wettbewerbsanalogen Ergebnis feststellen, kommt es auf deren Erheblichkeit an. Zulässigkeit und Umfang einer (rein) qualitativen Betrachtungsweise von Konditionen sind bislang noch nicht abschließend geklärt. Die Fortentwicklung dieser Frage hängt maßgeblich davon ab, welche Sicht auf den Schutzzweck des Konditionenmissbrauchs sich durchsetzen wird. Je mehr der Schutzzweck darin gesehen wird, die Marktgegenseite vor einer Fremdbestimmung durch den Marktbeherrscher zu schützen, desto eher ist eine (rein) qualitative Betrachtungsweise 843 844

Ausführlich unten Kapitel 4 § 1 C. I. 3. c). Ausführlich oben Kapitel 2 bei Fn. 185.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

von Konditionen zulässig. Nach hier vertretener Sicht ist Schutzzweck des Konditionenmissbrauchs vorrangig der Schutz der unterlegenen Partei vor Fremdbestimmung durch den Marktbeherrscher. Unabhängig davon, ob der Konditionenmissbrauch vorrangig dem Individualschutz vor Fremdbestimmung dient und auch davon, welche Auswirkungen dies auf den Anwendungsbereich des Konditionenmissbrauchs hat, gibt es starke Tendenzen in der Praxis des Bundeskartellamts, in Teilen der Literatur sowie in einigen Entscheidungen des BGH hin zu einer weiten Auslegung des Konditionenmissbrauchs und einer rein qualitativen Betrachtungsweise. Für die Richtigkeit dieser Sicht lassen sich gute Argumente finden. An ihr müssen sich dann auch Schiedsvereinbarungen messen lassen. Aus dem Blickwinkel einer qualitativen Betrachtung kann das Fordern einer Schiedsvereinbarung i. e. S. durch einen Marktbeherrscher keinen Missbrauch darstellen. Dies ergibt sich positiv aus der gesetzgeberischen Wertung und Konzeption, die insbesondere der Abschaffung des § 1025 Abs. 2 a. F. ZPO und dessen teilweiser Überführung in § 1034 Abs. 2 ZPO zugrunde liegt, nach der die Schiedsgerichtsbarkeit und die staatliche Gerichtsbarkeit gleichwertig sind. Im Rahmen einer qualitativen Analyse einer Schiedsverfahrensvereinbarung kommt es maßgeblich auf die bereits im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB herausgearbeiteten Kriterien und Wertungen an. Hervorzuheben sind hier die grundund verfassungsrechtlichen Garantien, insbesondere zur Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes. Anhaltspunkte zur Bewertung von Schiedsverfahrensvereinbarungen ergeben sich insbesondere aus den gesetzlichen Wertungen des konkret anwendbaren Schiedsverfahrensrechts. Lässt sich nach diesen Kriterien ein Missbrauch feststellen, so stellt sich bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen die Frage nach der Rechtsfolge. § 19 GWB stellt insoweit einen unmittelbar wirkenden Verbotstatbestand dar. Rechtsfolge für ein verstoßendes Rechtsgeschäfts ist gemäß § 134 BGB dessen Nichtigkeit. Allerdings ist die Nichtigkeitsfolge auf den missbräuchlichen Teil beschränkt. Die Regelung der daraus für den Gesamtvertrag resultierenden Konsequenzen ist eine Frage des allgemeinen Vertragsrechts, also von § 139 BGB. Dessen Vermutung greift zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung gerade nicht. Ist also eine Schiedsverfahrensvereinbarung aufgrund kartellrechtlicher Missbräuchlichkeit nichtig, so führt dies grundsätzlich nicht auch zur Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S.

§ 4 Ergebnisse des 3. Kapitels Im 3. Kapitel der Arbeit ist die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen nach geltendem Schiedsverfahrensrecht untersucht worden. Die Arbeit hat sich hierzu von der allgemeinen Sittenwidrigkeitskontrolle des § 138 BGB

§ 4 Ergebnisse des 3. Kapitels

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über die spezielle AGB-Kontrolle des § 307 BGB zur kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle des § 19 GWB vorgearbeitet. Grundlegend ist dabei zunächst festgestellt worden, dass unabhängig davon, welche Rechtsnatur man der Schiedsvereinbarung beimisst, ein Rückgriff auf die materiell-rechtlichen Wirksamkeitsnormen, inklusive des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots, möglich bleibt. Für die materiell-rechtliche Wirksamkeitskontrolle grundlegend festzuhalten ist des Weiteren, dass die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung, die für das deutsche Recht in § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO festgehalten ist, nicht als vollkommene Unabhängigkeit missverstanden werden darf. Durch sie wird die Schiedsvereinbarung nicht aus ihrem Gesamtzusammenhang herausgelöst. Sie betrifft vielmehr „lediglich“ den Eintritt in die und den Austritt aus der Wirksamkeitsprüfung. Deshalb ist die Schiedsvereinbarung bei ihrer Wirksamkeitskontrolle nicht etwa isoliert, sondern in ihrem Gesamtzusammenhang zu betrachten. Schiedsvereinbarungen unterliegen im deutschen Recht, wie alle anderen Rechtsgeschäfte auch, sowohl einer Abschluss- als auch einer Inhaltskontrolle. Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Kontrollen besteht im Anknüpfungsobjekt. Während die Abschlusskontrolle an die Abschlusssituation anknüpft, bewertet die Inhaltskontrolle den Inhalt des Rechtsgeschäfts. Bei der Abschlusskontrolle ist danach zu fragen, ob der Abschluss der Vereinbarung Ergebnis einer freien Willensbildung der Parteien war. Mit unter Zwang zustande gekommenen Vereinbarungen beschäftigt sich insbesondere § 123 Abs. 1 BGB. Aus dieser Norm ergibt sich, dass nicht jedweder Zwang in der Abschlusssituation ausreicht, um deshalb die freie Willensbildung der Parteien in Zweifel zu ziehen. Konsequenz der Feststellung eines entsprechend qualifizierten Zwangs ist dann auch nicht die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, sondern die Anfechtbarkeit desselben. In Bezug auf Schiedsvereinbarungen wird immer wieder von „Abschlusskontrolle“ gesprochen, bei der insbesondere überprüft werden soll, ob die Schiedsvereinbarung freiwillig zustande gekommen ist. Herausgearbeitet worden ist, dass damit jedoch nicht eine Abschlusskontrolle im klassischen Sinne gemeint ist. Wird von „Abschlusskontrolle“ der Schiedsvereinbarung gesprochen, ist damit vielmehr regelmäßig eine Inhaltskontrolle der Vereinbarung unter Anknüpfung allein an die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit gemeint, ohne dass es auf die Vereinbarungen zur Ausgestaltung des Schiedsverfahrens ankäme. Es geht also allein um den Inhalt der Vereinbarung, mit dem die Zuweisung des Rechtsstreits zu einem Schiedsgericht beschlossen wird. In die Begrifflichkeiten des Schiedsrechts übertragen, entspricht die „Abschlusskontrolle der Schiedsvereinbarung“ der Inhaltskontrolle der Schiedsvereinbarung i. e. S.

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Kap. 3: Die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen

Sowohl die Schiedsvereinbarung i. e. S. als auch etwaige Schiedsverfahrensvereinbarungen können grundsätzlich einer Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 138 und 307 BGB sowie § 19 GWB in seiner Ausprägung des Konditionenmissbrauchs unterliegen. Anknüpfungspunkt der Inhaltskontrolle ist der Inhalt des Rechtsgeschäfts. Durch die Inhaltskontrolle muss die Frage geklärt werden, ob einem Rechtsgeschäft die Anerkennung der Rechtsordnung deswegen zu versagen ist, weil sein Inhalt außerhalb der von der Rechtsordnung akzeptierten Grenzen liegt. Erscheint der Inhalt des Rechtsgeschäfts erst unter Hinzunahme von dessen Umständen im rechten Licht, sind auch diese mit zu berücksichtigen. Das ändert jedoch nichts daran, dass Anknüpfungspunkt und Ausgangspunkt der Inhaltskontrolle stets der Inhalt des Rechtsgeschäfts bleibt. Daraus ergibt sich zunächst die Konsequenz, dass sich die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Rahmen der Inhaltskontrolle niemals allein aus den Umständen des Rechtsgeschäfts ergeben kann. Wenn Auslöser der Inhaltskontrolle der Inhalt des Rechtsgeschäfts ist, dann ergibt sich daraus des Weiteren, dass der Inhalt auch Anlass zur Notwendigkeit einer inhaltlichen Kontrolle bieten muss. Geht es um die Frage, ob das Rechtsgeschäft für beide Parteien Ergebnis der freien Willensbildung war, bedarf es deshalb im ersten Schritt als inhaltlicher Anknüpfung einer Benachteiligung einer Partei. Das gilt sowohl für § 138 und § 307 BGB als auch für § 19 GWB. Allein die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts für den Streitfall unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit, also der „Abschluss einer Schiedsvereinbarung“ kann eine solche Benachteiligung aufgrund der Gleichwertigkeit von Schiedsverfahren und staatlichem Gerichtsverfahren jedoch nicht darstellen. Deshalb kommt die Inhaltskontrolle der Schiedsvereinbarung i. e. S. stets zum gleichen Ergebnis. Eine notwendige Benachteiligung einer Partei der Schiedsvereinbarung, die als inhaltlicher Anknüpfungspunkt für die Inhaltskontrolle dienen kann, kann sich jedoch aus einer Schiedsverfahrensvereinbarung ergeben. Schiedsverfahrensvereinbarungen können unter verschiedenen Gesichtspunkten inhaltlich problematisch sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn durch sie die Rechtsschutzmöglichkeiten übermäßig eingeschränkt werden oder, wenn sich eine Schiedsverfahrensvereinbarung als Ergebnis der Ausnutzung der Übermacht der überlegenen Partei darstellt. Wann dies jeweils der Fall ist, ist eine Abwägungsfrage im Einzelfall. Ist Ergebnis einer Inhaltskontrolle die Nichtigkeit einer Schiedsverfahrensvereinbarung so folgt daraus grundsätzlich nicht auch die Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. Zwar ist insoweit § 139 BGB einschlägig. Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass die Schiedsvereinbarung i. e. S. auch ohne die nichtige Schiedsverfahrensvereinbarung geschlossen worden wäre. Auch für die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle gilt nichts anderes. Für die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle ergibt sich dieses Ergebnis sogar unmittelbar aus § 306 Abs. 1 BGB.

Kapitel 4

Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen Obwohl § 1034 Abs. 2 ZPO die materielle Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung nicht direkt betrifft, so hat er für die Prüfung derer dennoch seine Bedeutung. So stellt § 1034 Abs. 2 ZPO eine spezialgesetzliche Norm dar, die die Inhaltskontrolle von Schiedsverfahrensvereinbarungen für den in § 1034 Abs. 2 ZPO geregelten Fall ausschließt. Zunächst soll hier ein Blick auf den Tatbestand des § 1034 Abs. 2 ZPO geworfen und dessen Auswirkungen auf den Begriff echter Schiedsgerichtsbarkeit untersucht werden. Sodann gilt es sich mit dem Verhältnis der Norm zur Inhaltskontrolle von Schiedsverfahrensvereinbarungen nach den zuvor dargestellten Nichtigkeitsnormen zu befassen.

§ 1 Tatbestand und Umfang des § 1034 Abs. 2 ZPO Unabhängig davon, welche Auswirkung § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen nach den zuvor dargestellten Normen hat, kann § 1034 Abs. 2 ZPO nur in den Fällen wirken, die er tatbestandlich erfasst. Es gilt deshalb im Folgenden, einen Blick auf Tatbestand und Umfang der Norm zu werfen.

A. Anwendbarkeit des deutschen Schiedsverfahrensrechts Der Umgang mit dem Besetzungsmechanismus des Schiedsgerichts ist eine Frage des auf das Schiedsverfahren anwendbaren Rechts.1 § 1034 Abs. 2 ZPO kann überhaupt nur dann zur Anwendung kommen, wenn das deutsche Schiedsverfahrensrecht insgesamt anwendbar ist.2 Dies ist gemäß § 1025 Abs. 1 ZPO dann der Fall, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens in Deutschland liegt. Fehlt es an der Vereinbarung eines Schiedsorts zwischen den Parteien, ist § 1034 ZPO gemäß § 1025 Abs. 3 ZPO solange anwendbar, bis ein Schiedsort bestimmt ist, wenn der Beklagte oder der Kläger seinen Sitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Ist deutsches Schiedsverfahrensrecht nicht anwendbar, hängt der Umgang mit dem Benennungsmechanismus von dem auf das Schiedsverfahren anwendbaren Recht ab. 1

Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 819. BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 35; Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 808, 819. 2

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Das deutsche Schiedsverfahrensrecht kommt darüber hinaus aber auch nur dann zur Anwendung, wenn es in der Sache anwendbar ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn es sich bei dem, was die Parteien vereinbart haben, um ein Verfahren handelt, das das deutsche Schiedsverfahrensrecht als ein Schiedsverfahren ansieht. Hierfür hat sich der Begriff der echten Schiedsgerichtsbarkeit eingebürgert. Systematisch besehen ist das Vorliegen echter Schiedsgerichtsbarkeit demnach Anwendbarkeitsvoraussetzung auch des § 1034 Abs. 2 ZPO. Wie noch zu zeigen sein wird, steht der Begriff der echten Schiedsgerichtsbarkeit mit dem Tatbestand des § 1034 Abs. 2 ZPO allerdings derart in Zusammenhang, dass sich das eine nicht ohne das andere erklären lässt. Eine Darstellung ohne einerseits vorgreiflich, andererseits rückblickend zu sein ist nicht möglich. Wie darzustellen sein wird, beschränkt § 1034 Abs. 2 ZPO den Begriff der echten Schiedsgerichtsbarkeit in seinem Umfang. Um dies darstellen zu können, wird der Begriff der echten Schiedsgerichtsbarkeit und die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf diesen den Erläuterungen zu § 1034 Abs. 2 ZPO nachgelagert dargestellt.3

B. Normzweck und gesetzgeberische Intention des § 1034 Abs. 2 ZPO Die Zusammensetzung des Schiedsgerichts ist im Schiedsverfahren von überragender Bedeutung, kann sie auf den Ausgang des Verfahrens und die Wahrung der Verfahrensinteressen der Parteien doch großen Einfluss haben.4 Auch wenn die Zusammensetzung des Schiedsgerichts und der Einfluss der Parteien hierauf größte Bedeutung für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts hat,5 darf nicht der Fehler gemacht werden, den Normzweck des § 1034 Abs. 2 ZPO allein auf die Sicherung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts zu verengen6. Denn § 1034 Abs. 2 ZPO ist nach einhelliger Auffassung Auswuchs des Gleichbehandlungsprinzips des § 1042 Abs. 1 S. 1 ZPO.7 Während § 1042 Abs. 1 S. 1 ZPO einem Übergewicht einer Partei während des Verfahrens entgegensteht, betrifft § 1034 Abs. 2 ZPO die Fälle, in denen die Ungleichbehandlung vor Beginn des Verfahrens liegt. So schafft § 1034 Abs. 2 3

S. u. Kapitel 4 § 2. Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 8; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 1; Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 818. 5 Anders, in: Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO, 79. Aufl. 2021, § 1034 Rn. 1. 6 Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 818. 7 Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 120; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 2; Kröll, ZIP 2005, 13, 18; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 1; Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 818; unklar Anders, in: Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO, 79. Aufl. 2021, § 1034 Rn. 1 („II dient der Gleichberechtigung aller Parteien des Verfahrens.“ gegenüber „Systematisch gehört diese Vorschrift zu § 1035.“). 4

§ 1 Tatbestand und Umfang des § 1034 Abs. 2 ZPO

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ZPO durch die Sicherstellung einer ausgewogenen Zusammensetzung des Schiedsgerichts eine formale Garantie materieller Gleichbehandlung.8 In dieser Rolle schützt § 1034 Abs. 2 ZPO nicht bloß davor, dass die eine Partei aufgrund ihres Übergewichts Schiedsrichter benennen kann, denen es an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit fehlt, sondern auch davor, dass die Partei Schiedsrichter auswählt, die beispielsweise nicht geeignet sind, das Schiedsverfahren zu bewältigen.9 Nur indirekt schützt § 1034 Abs. 2 ZPO also die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts. Insoweit schützt sie dann auch nur die abstrakte, strukturelle Unabhängigkeit und Unparteilichkeit.10 Dies zeigt sich insbesondere darin, dass es für § 1034 Abs. 2 ZPO auf die tatsächliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter nicht ankommt11, was wiederum bestätigt, dass § 1034 Abs. 2 ZPO Auswuchs des § 1042 Abs. 1 S. 1 ZPO ist.12 Selbst wenn deren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit über jeden Zweifel erhaben ist, kann die Korrektur der Besetzung nach § 1034 Abs. 2 ZPO als Sanktion der Ungleichbehandlung der Parteien verlangt werden.

C. Tatbestand Der den Tatbestand enthaltende Teil der Norm lautet: „Gibt die Schiedsvereinbarung einer Partei bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts ein Übergewicht, das die andere Partei benachteiligt . . .“

I. Schiedsvereinbarung gibt einer Partei Übergewicht bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts § 1034 Abs. 2 ZPO regelt Fälle, in denen einer Partei aufgrund der Schiedsvereinbarung ein Übergewicht bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts zukommt. 1. Übergewicht bei der Zusammensetzung Ein Übergewicht liegt dann vor, wenn die eine Partei auf die Besetzung des Gerichts einen größeren Einfluss hat als die andere Partei.13 Geschützt wird da8

Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 2. Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 819. 10 Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 117; Kröll, ZIP 2005, 13, 18; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 9. 11 Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 117. 12 Kröll, ZIP 2005, 13, 18 m.w. N. 13 Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, S. 92; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 9; Wolf/ Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1034 Rn. 7; vgl. Haas, 9

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

bei nicht die konkrete Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts, sondern deren abstrakte Gefährdung.14 Deshalb ist die Frage des Übergewichts objektiv zu bestimmen.15 Ausreichend ist also bereits jedwede Bevorzugung der einen Partei.16 Ein Übergewicht besteht insbesondere dann, wenn die eine Partei die Schiedsrichter alleine oder mehr Schiedsrichter als die andere Partei ernennen darf.17 Das Übergewicht muss in keiner Weise qualifiziert sein, beispielsweise im Sinne eines „offensichtlichen“ Übergewichts.18 Eine dahingehende Forderung ließe sich mit dem Schutzzweck der Norm nicht vereinbaren. 2. „einer Partei“ Das Übergewicht muss einer Partei gegeben sein. Trotz ihres Wortlauts soll die Vorschrift nach teilweise und zu Recht vertretener Ansicht auch dann anwendbar sein, wenn die Schiedsvereinbarung nicht einer Partei ein Übergewicht bei der Bestellung des Schiedsgerichts gewährt, sondern es nur einer Organisation ermöglicht, einer Partei ein Übergewicht zu verschaffen.19 Bedenkt man, dass die Einigung der Parteien auf die Organisation des Verfahrens durch eine Schiedsorganisation erhebliche praktische Relevanz haben dürfte, führte eine enge Wortlautauslegung zu einem Tatbestandsumfang, der der praktischen Realität nicht gerecht würde. 3. „Gibt die Schiedsvereinbarung“ Nach dem Wortlaut des § 1034 Abs. 2 ZPO muss das Übergewicht bei der Zusammensetzung durch die Schiedsvereinbarung gegeben sein. a) Gemeint ist Schiedsverfahrensvereinbarung Wie bereits dargestellt20, ist grundsätzlich zwischen der Schiedsvereinbarung i. e. S. einerseits und einer Schiedsverfahrensvereinbarung andererseits zu unterZVglRWiss 114 (2015), 516, 518 m.w. N. Ausführlich aber noch zum alten Recht Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 194 ff. 14 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 9; Voit, in: Musielak/ Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 3. 15 Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 935. 16 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 10a. 17 Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 3; Schlosser, in: Stein/ Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 5; a. A. Otto, ZGR 2019, 1082, 1104 f., der zwar anerkennt, dass auch der Fall eines alleinigen Bestimmungsrechts vom Wortlaut der Norm erfasst ist, der diesen Wortlaut aber verfassungskonform reduzieren will. 18 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 10a; Saenger, in: Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 1034 Rn. 13. 19 Schlosser, in: Gottwald, Revision des EuGVÜ – Neues Schiedsverfahrensrecht, S. 187. 20 S. o. Kapitel 2 § 2 D. II.

§ 1 Tatbestand und Umfang des § 1034 Abs. 2 ZPO

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scheiden. Daran anknüpfend stellt sich die Frage, was § 1034 Abs. 2 ZPO mit „Schiedsvereinbarung“ meint. Der Begriff der „Schiedsvereinbarung“ in § 1034 Abs. 2 ZPO soll nach Münch weit zu verstehen sein. Über die Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1029 Abs. 1 ZPO hinaus erfasse er ebenso Schiedsverfahrensvereinbarungen. Denn in § 1034 Abs. 2 ZPO gedacht sei nur an den Regelfall, dass anfangs gleich alles geklärt werde. Doch könnten die Parteien sich auch ergänzend noch einigen, ohne dass schon das Schiedsgericht konstituiert worden sei.21 Diese zeitliche Differenzierung lässt es jedoch leicht zu, zu übersehen, dass auch „[. . .] wenn anfangs gleich alles geklärt wird [. . .]“ 22, eine Vereinbarung über die Besetzung des Schiedsgerichts eine von der Schiedsvereinbarung i. e. S. zu trennende Schiedsverfahrensvereinbarung darstellt. Dies auch dann, wenn sie gleichzeitig und im selben Dokument mit der Schiedsvereinbarung i. e. S. vereinbart wird. Regelungen zur Besetzung des Schiedsgerichts gehören nicht zum notwendigen Inhalt einer Schiedsvereinbarung, weshalb entsprechende Regelungen Schiedsverfahrensvereinbarungen darstellen.23 Geht es in § 1034 Abs. 2 ZPO also um die Besetzung des Schiedsgerichts, kann sich ein Übergewicht einer Partei richtigerweise nicht aus der Schiedsvereinbarung i. e. S., sondern nur aus einer zur Schiedsvereinbarung i. e. S. getroffenen Schiedsverfahrensvereinbarung ergeben. Wenn § 1034 Abs. 2 ZPO also von „Schiedsvereinbarung“ spricht, dann meint er Schiedsverfahrensvereinbarung.24 b) Wirksame Schiedsvereinbarung i. e. S. als Tatbestandsvoraussetzung des § 1034 Abs. 2 ZPO Ausgangspunkt des von § 1034 Abs. 2 ZPO adressierten Übergewichts ist die Schiedsvereinbarung i. e. S. Schon der Wortlaut setzt das Vorliegen einer Schiedsvereinbarung voraus. Ausreichend ist es nicht, wenn die Parteien versucht haben, eine Schiedsvereinbarung i. e. S. zu schließen. Vielmehr muss diese auch wirksam sein.25 Das entspricht auch der gesetzgeberischen Zielsetzung, mit § 1034 21

Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 8. Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 8, gemeint ist wohl, dass die Besetzungsregelung bereits mit der Schiedsvereinbarung und mit ihr zeitlich in einem eigenständigen Akt vereinbart wird. 23 BGH, Beschl. v. 18.06.2014 – III ZB 89/13, SchiedsVZ 2014, 254, 255 Rn. 10; OLG Koblenz, Urt. v. 06.03.2008 – 6 U 610/07 (erhältlich in juris), Rn. 20. S. o. Kapitel 2 § 2 D. II. 1. 24 Epping, Die Schiedsvereinbarung im internationalen privaten Rechtsverkehr nach der Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts, S. 28 Rn. 62; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 308. 25 So auch Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 121; nunmehr auch Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 94. 22

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Abs. 2 ZPO ein Rechtmittel gegen eine Benachteiligung in einem grundsätzlich gewollten Schiedsverfahren zu schaffen.26 § 1034 Abs. 2 ZPO betrifft eben nicht die Frage des „Ob“, sondern lediglich des „Wie“ eines Schiedsverfahrens. Die Frage, ob zwischen den Parteien eine wirksame Schiedsvereinbarung i. e. S. zustande gekommen ist, ist deshalb richtigerweise eine § 1034 Abs. 2 ZPO vorgelagerte Frage.27 Darüber hinaus setzt § 1034 Abs. 2 ZPO voraus, dass es sich bei dem, was die Parteien vereinbart haben, nach objektiven Kriterien um ein Schiedsgericht handelt.28 Insoweit spricht man von der Notwendigkeit des Vorliegens eines echten Schiedsgerichts. Darauf, ob es sich bei der Voraussetzung eines echten Schiedsgerichts letztendlich dogmatisch um eine Tatbestandsvoraussetzung einer Schiedsvereinbarung i. S. d. § 1029 Abs. 1 ZPO oder um eine allgemeine Anwendbarkeitsvoraussetzung des Schiedsverfahrensrechts handelt, kommt es hier im Ergebnis nicht an. Auf den Begriff des echten Schiedsgerichts und seine dogmatische Verortung sowie den Einfluss des § 1034 Abs. 2 ZPO auf ihn wird an späterer Stelle ausführlich eingegangen.29 c) Der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. steht das im Fall des § 1034 Abs. 2 ZPO notwendig vorhandene Übergewicht einer Partei bei der Besetzung des Schiedsgerichts nicht entgegen Klarstellend sei gesagt: Das in § 1034 Abs. 2 ZPO vorausgesetzte Übergewicht bei der Besetzung des Schiedsgerichts hat auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. keinen Einfluss. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sich das Übergewicht aus einer Schiedsverfahrensvereinbarung ergibt, die Unwirksamkeit einer Schiedsverfahrensvereinbarung grundsätzlich aber nicht zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. führt.30 Ebenfalls ergibt sich dies bereits aus der Existenz des § 1034 Abs. 2 ZPO an sich. Führte das Übergewicht zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. wäre die Norm sinnlos.31 d) Unmittelbares und mittelbares Beruhen des Übergewichts auf der Schiedsvereinbarung Klar ist zunächst, dass die Norm solche Fälle erfasst, in denen das Übergewicht unmittelbar aus der „Schiedsvereinbarung“ – genauer: aus einer in ihr ent26

S. o. Kapitel 2 in und bei Fn. 59. Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, S. 96 („§ 1034 Abs. 2 ZPO vorgeordnete Problematik“). 28 S. nur BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 212. 29 Zum Begriff des echten Schiedsgerichts und den dogmatischen Überlegungen der Einordnung dieser Voraussetzung s. ausführlich Kapitel 4 § 2. 30 S. o. Kapitel 2 § 2 D. II. 2. 31 Zum Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu anderen Regeln der Inhaltskontrolle ausführlich unten, Kapitel 4 § 2. 27

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haltenen Schiedsverfahrensvereinbarungen – resultiert, also in ihr festgeschrieben ist. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Recht zur Ernennung der Schiedsrichter ausweislich der „Schiedsvereinbarung“ einseitig bei einer Partei liegt.32 Ein Übergewicht soll beispielsweise auch dann bestehen, wenn das Schiedsgericht von einem Verband gestellt wird, dem nur eine Partei angehört.33 Allerdings dürfte ein solches unmittelbares Übergewicht nicht die Regel sein. In der Praxis häufiger anzutreffen sein dürften Fälle, in denen das Übergewicht der einen Partei bloß mittelbar aus der „Schiedsvereinbarung“ resultiert, nämlich sich nicht aus ihr selbst, sondern sich aus einer in Bezug genommenen Regelung ergibt. Zu denken ist hier insbesondere an eine in Bezug genommene Schiedsordnung oder ein sonstiges Regelwerk, das Regeln für das konkrete Schiedsverfahren enthält. Ob auch solche Fälle von § 1034 Abs. 2 ZPO erfasst sind, scheint bisher kaum behandelt worden zu sein. Die Antwort ist durch Auslegung der Norm zu ermitteln. Der Wortlaut der Norm gibt insoweit nicht viel Aufschluss. Der Normteil „Gibt die Schiedsvereinbarung“ lässt sich zur Begründung beider Varianten heranziehen. Weder ist der Norm klar eine Beschränkung allein auf unmittelbar in der Schiedsvereinbarung angelegte Übergewichte, noch die Ausweitung auf in Bezug genommene Regelwerke zu entnehmen. Vertreten ließe sich, wenn der Gesetzgeber auch Übergewichte hätte erfassen wollen, die bloß mittelbar auf der Schiedsvereinbarung beruhen, so hätte er dies im Wortlaut klar gemacht. Beispielsweise indem er die anderen Möglichkeiten erfasst hätte.34 Dagegen lässt sich anführen, dass auch ein bloß mittelbar auf die Schiedsvereinbarung zurückführendes Übergewicht dennoch auf der Schiedsvereinbarung beruht. Auf der Schiedsvereinbarung beruht letztlich jedes Übergewicht, ganz gleich, worin es genau angelegt ist. Denn die Schiedsvereinbarung ist immer die Grundlage des ganzen Schiedsverfahrens.35 Der Schutzzweck des § 1034 Abs. 2 ZPO, die Gleichberechtigung der Parteien im Verfahren und mittelbar das Verhindern abstrakter Gefährdung der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit36, gebietet hingegen eine weite Auslegung der Norm und spricht dafür, von ihr auch ein mittelbar auf der Schiedsvereinbarung beruhendes Übergewicht erfasst zu verstehen.37 Denn für die Anwendbarkeit der 32 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 10 m. zahlr. Nw. in Fn. 19 und 20. 33 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 10 m. entspr. Nw.; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 10. 34 Z. B.: „Gibt die Schiedsvereinbarung oder eine in Bezug genommene Schiedsordnung . . .“. 35 Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rn. 179. 36 S. o. Kapitel 4 § 1 B. 37 Tendenziell auch Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 117. Inzident ebenso Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 413 und Steiner,

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Norm kann es dann nicht darauf ankommen, ob eine Partei unmittelbar oder mittelbar aufgrund der Schiedsvereinbarung benachteiligt wäre, beziehungsweise die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit letztlich durch die Schiedsvereinbarung unmittelbar oder mittelbar abstrakt-strukturell gefährdet wird. Für die Anwendbarkeit der Norm kann es deshalb insgesamt nicht darauf ankommen, ob das Übergewicht unmittelbar in der Schiedsvereinbarung festgeschrieben ist oder nicht. Entscheidend für die Anwendbarkeit der Norm ist nur, ob das Übergewicht der einen Partei kausal auf die Schiedsvereinbarung rückführbar ist. 4. Sonderfall: Übergewicht durch Besetzung des Schiedsgerichts aufgrund einer Schiedsrichterliste Insbesondere im Bereich der institutionellen Schiedsgerichtsbarkeit anzutreffen sind Schiedsrichterlisten. Solche Schiedsrichterlisten werden häufig von der Schiedsorganisation bereitgestellt. Teilweise können die Parteien, teilweise müssen die Parteien die Schiedsrichter für ihren Rechtsstreit aus dem Kreis der sich auf der Liste befindenden Schiedsrichter auswählen.38 Ob und inwieweit aus der Beschränkung des als Schiedsrichter in Betracht kommenden Personenkreises mittels einer solchen Schiedsrichterliste ein Übergewicht im Sinne des § 1034 Abs. 2 ZPO für die eine Partei erwachsen kann, bedarf einer besonderen Betrachtung.39 Relativ klar ist, dass allein die Beschränkung des als Schiedsrichter in Betracht kommenden Personenkreises mittels Verweises auf eine Schiedsrichterliste oder auf eine sie voraussetzende Schiedsordnung in der Schiedsvereinbarung nicht ausreicht, um ein Übergewicht für eine Partei zu begründen.40 Entscheidend kommt es vielmehr auf den Umfang der Beschränkung durch die Liste und deren Aufstellungsverfahren an.41

SchiedsVZ 2013, 15, 18, wenn sie von geschlossenen Schiedsrichterlisten als Anwendungsfall des § 1034 Abs. 2 ZPO sprechen. 38 So spricht man dann für den Fall, dass die Parteien die Schiedsrichter von der Liste wählen können von einer „offenen“ Schiedsrichterliste, für den Fall, dass sie es müssen von einer „geschlossenen“. Vgl. bei Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 69; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2015, 69, 70; Hantke, SchiedsVZ 2003, 269, 272 f.; Heermann, NJW 2016, 2224, 2226. 39 Neu ist die Frage hingegen nicht, vgl. Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 215 ff. 40 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 30; Nacimiento/Abt/Stein, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1034 Rn. 20; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 11; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 3. 41 Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 249; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 121.

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Grundsätzlich darf die Beschränkung durch die Schiedsrichterliste nur in einem solchen Maß erfolgen, dass dadurch nicht ein Vorteil für eine Partei entsteht42 oder ein bestehender Vorteil einer Partei institutionalisiert wird43. a) Fall 1: Beschränkung des Schiedsrichterkreises durch die Schiedsrichterliste Eine benachteiligende Beschränkung ist dann anzunehmen, wenn der in Betracht kommende Personenkreis so sehr eingeschränkt wird, dass eine ausreichende Auswahlmöglichkeit nicht mehr gegeben ist.44 Die genau notwendige Zahl an möglichen Schiedsrichtern und die notwendige Diversität der Schiedsrichter auf der Schiedsrichterliste ist bisher noch nicht abschließend geklärt. Eine Liste, die mindestens 150 potentielle Schiedsrichter enthielt, hat die Rechtsprechung zuletzt akzeptiert.45 Darüber hinaus müssen die in Betracht kommenden Schiedsrichter verschiedene sozio-ökonomische Hintergründe aufweisen, sodass letztlich jede potentielle Schiedspartei eine für sie vertrauenswürdige Person auf der Liste ausfindig machen kann.46 b) Fall 2: Möglichkeit der Einflussnahme auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste – die Lagertheorie Ein Übergewicht bei der Besetzung des Schiedsgerichts i. S. d. § 1034 Abs. 2 ZPO ist aber – auch trotz ausreichender Auswahlmöglichkeit – dann anzunehmen, wenn der einen Partei eine Vorbeeinflussung der in Betracht kommenden Schiedsrichter möglich ist.47 Wann genau eine schädliche Möglichkeit der Einflussnahme auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste besteht, ist nicht abschließend geklärt.48 Teilweise soll eine solche erst bei der Möglichkeit „di42

Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 3. BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 30; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 11. 44 Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 11; Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 218, 248 f.; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 10a; Nacimiento/Abt/Stein, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1034 Rn. 20; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 110 f. 45 Vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 31 und OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 44, das die Liste zwar nicht akzeptierte, dies aber nicht aufgrund der Anzahl möglicher Schiedsrichter. 46 Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257, 261. 47 Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 11; Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 250 f.; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, §1034 Rn. 10a; Nacimiento/Abt/Stein, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1034 Rn. 20. 48 Siehe hierzu ausführlich bereits Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 249 ff. 43

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rekter Vorbeeinflussung“, bei „bestimmendem“ 49 oder „maßgeblichem“ 50 Einfluss vorliegen.51 Teilweise soll aber auch ein „geringes [. . .] mittelbares“ Übergewicht genügen.52 In letzter Kategorie, in der ein Einfluss nur mittelbar möglich ist, hatte bisher insbesondere die Konstellation eine Rolle gespielt, in der die Schiedsrichterliste (oder die Schiedsrichter) von einem Verband aufgestellt (beziehungsweise ausgewählt) wurde. Ob daraus ein Übergewicht einer Partei resultiert, soll davon abhängen, wie die Beziehung des Verbandes zu den Parteien ist. Ein Übergewicht soll dann vorliegen, wenn der Verband der einen Seite näher steht als der anderen. Wenn also beispielsweise nur die eine Partei Mitglied des Verbandes ist. Steht der Verband beiden Seiten hingegen gleich nah beziehungsweise gleich fern, dann soll ihm die Zuständigkeit zur Bildung des Schiedsgerichts oder zur Aufstellung einer Schiedsrichterliste übertragen werden können.53 Diese Idee ist immer wieder als „Lagertheorie“ bezeichnet worden.54 Sie geht zurück auf die Entscheidung des BGH betreffend den Warenverein der Hamburger Börse55 und die Arbeit von Kornblum.56 aa) Übertragung der Lagertheorie in der Rechtssache Pechstein In der Rechtssache Pechstein ist diese Frage zuletzt wieder relevant geworden. Der Fall lag indes noch ein bisschen anders. Hier war es nicht der mit der Sportlerin Pechstein in Streit stehende Verband, in dem diese nicht direkt Mitglied war, der die Schiedsrichterliste aufstellte. Vielmehr übernahm die Aufstellung einer Schiedsrichterliste ein vom Verband organisatorisch unabhängiges Gremium, das einem komplizierten Zusammensetzungsverfahren unterlag.57 Von den zwanzig 49 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 31; kritisch Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 814. 50 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 10. 51 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 10a, der deshalb „Mediatisierung“ für ratsam hält. 52 Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 204. 53 Nacimiento/Abt/Stein, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1034 Rn. 20 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 10 f.; vgl. Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 79. 54 Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 528; Heermann, NJW 2016, 2224; Prütting, SpuRt 2016, 143, 146; Rombach, SchiedsVZ 2016, 276, 277; Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 814. 55 BGH, Urt. v. 19.12.1968 – VII ZR 83/66, VII ZR 84/66 – Warenverein der Hamburger Börse, BGHZ 51, 255. 56 Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 249. 57 Vgl. OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 44, a-1). Der sogenannte Internationale Rat für Sportsgerichtsbarkeit (International Council of Arbitration for Sport, ICAS), s. bei Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 44 ff., Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 110 ff., Widdascheck, Der

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Mitgliedern des Gremiums wurde der Großteil der Mitglieder von den verschiedenen Akteuren des internationalen Sportbetriebs ernannt. Dieser Teil des Gremiums wiederum ernannte die übrigen Mitglieder des Gremiums, von denen wiederum vier Mitglieder zur Wahrung der Interessen der Sportler ernannt werden sollten. Eine ähnliche Verteilung war auch für die dann von dem Gremium zu erstellende Schiedsrichterliste vorgesehen.58 Sowohl bei der Zusammensetzung des Gremiums als auch auf der von diesem Gremium zu erstellenden Schiedsrichterliste waren die Sportler als Gruppe also unterrepräsentiert.59 Andererseits hatte keiner der Verbände, auch nicht der konkret am Verfahren beteiligte, einen direkten Einfluss auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste. Nur wenige Stimmen in der neueren Literatur hatten sich im Vorfeld der Entscheidung dazu Gedanken gemacht, ob ein Übergewicht auch vorliegt, wenn einer Partei ein übermäßiger Einfluss auf die Zusammensetzung des die Schiedsrichterliste erstellenden Gremiums zukommt. Schlosser hat es so ausgedrückt: „Bisher war aber noch niemals der Gedanke aufgekommen, dass sogar das Gremium, das für die Aufstellung der Liste verantwortlich ist, seinerseits nach Integritätskriterien oder gar irgendwelchen Proporzgesichtspunkten bezüglich der möglichen ,Nutzer‘ zusammengesetzt sein muss.“ 60 Das OLG München hat unausgesprochen, der BGH ausdrücklich, in ihren Entscheidungen die bereits in der Literatur aufgeworfene Herangehensweise für den Fall, dass die Besetzung des Schiedsgerichts einem Verband übertragen wird, auf die Konstruktion des CAS übertragen und – freilich mit unterschiedlichen Ergebnissen in der Sache – darauf abgestellt, ob das Gremium, das einen maßgeblichen Einfluss auf die Erstellung der Schiedsrichterliste hat, der einen Verfahrenspartei näher steht als der anderen, also gleichsam einem bestimmten „Lager“ zugerechnet werden muss.61 Schlosser hat die Entscheidung des OLG München grundsätzlich kritisiert. Ein Proportionalitätserfordernis für das die Schiedsrichterliste aufstellende Gremium Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 208 f. und Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 811. Ausführlich zum Sachverhalt der Rechtssache Pechstein, oben Kapitel 1 § 1 A. 58 Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426, 429. 59 Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 122; Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 209; vgl. insgesamt OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 44, a-1). 60 Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257, 261. 61 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 30 mit ausdrücklichem Verweis auf Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 10; kritisch dazu Heermann, NJW 2016, 2224 und im Ansatz bereits OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 44, a-1); kritisch dazu Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 528 f. Siehe auch Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 236.

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existiere nicht. Dies zeigten vielfältige praktische Beispiele.62 Dem ist – wie gezeigt werden wird – zu widersprechen.63 Solche Fälle mag es zwar geben, ein Argument für die Richtigkeit dieser Praxis sind sie hingegen nicht, führt die Praxis doch zu einer Aufweichung des von § 1034 Abs. 2 ZPO geschützten Gleichberechtigungsgrundsatzes. bb) Exkurs: Problem der Lagerzuordnung in der Rechtssache Pechstein Große Schwierigkeiten im konkreten Fall bereitete die Bestimmung der verschiedenen Lager. Diese Frage ist bis heute nicht geklärt. Das OLG war der Ansicht, über das Gremium sei es den Verbänden in ihrer Gesamtheit möglich, einen bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste zu nehmen, weshalb ihnen bei Streitigkeiten mit Sportlern ein strukturelles Übergewicht zukomme.64 Haas hat kritisiert, dass der Entscheidung des OLG offenbar die Vorstellung eines Interessengleichlaufs der Sportverbände in ihrer Gesamtheit und eines daraus resultierenden „Blockverhaltens“ zugrunde liege. Die Vorstellung solcher starren Lager in sportrechtlichen Streitigkeiten sei indes eine Fiktion, weil die Sportverbände untereinander durchaus in Konkurrenz stünden. Außerdem fehle es an einem Interessengleichlauf der Verbände. Selbst wenn daher die Sportverbände in ihrer Gesamtheit einen überwiegenden Einfluss auf die Besetzung der Schiedsrichterliste hätten, begründete dies kein Qualifikationsmerkmal der Schiedsrichter, das den Anschein nahelegte, diese wären Interessenvertreter des jeweiligen (konkret) im Streit stehenden internationalen Sportverbands.65 Der BGH hat in seiner Revisionsentscheidung zunächst auf den einzelnen Verband abgestellt. Zwar habe der einzelne Verband mittelbar über die Besetzung des Gremiums Einfluss auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste. Dabei handle es sich indes nicht um einen „bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste“. 66 Sodann nahm der BGH die Gesamtheit der Sportverbände in den Blick. Er stellte fest, dass zwar den Verbänden in ihrer Gesamtheit der maßgebliche Einfluss auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste zukomme, sich daraus ein Übergewicht des am konkreten Verfahren beteiligten Verbandes gegenüber den Athleten bei der Schiedsrichterbestimmung aber nur dann ergäbe, wenn sich die „Verbände“ einerseits, die „Athleten“ andererseits, als grundsätzlich von gegensätzlichen Interessen geleitete Lager gegenüber62

Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257, 261. S. u. Kapitel 4 § 1 C. I. 4. c) bb). 64 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 44, a-1); vgl. Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 528 f.; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 116 ff. 65 Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 528. 66 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 31. 63

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stünden. Von solch gegenseitigen Lagern sei beispielsweise im Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auszugehen. Nicht indes zwischen Sportverbänden und Athleten.67 Dem im konkreten Fall am Verfahren beteiligten Verband ließen sich, so der BGH, die anderen Verbände allerdings nicht ohne weiteres zurechnen. Die Verbände bildeten also kein einheitliches Lager. Denn sie stünden untereinander im Wettbewerb und verfolgten grundsätzlich höchst unterschiedliche Einzelinteressen. Zwar möge es sein, dass die Verbände in Dopingfällen – um einen solchen handelte es sich im Konkreten – grundsätzlich gleichgerichtete Interessen verträten.68 Doch auch diese Feststellung bewegte den BGH dann nicht dazu, von zwei gegensätzlichen Lagern auszugehen. Denn selbst wenn die Verbände in Dopingfällen in ihrer Gesamtheit gleichgerichtete Interessen verfolgten, dann – und das ist das entscheidende Argument des BGH – deckten sich diese Interessen auf Ebene des Gremiums doch mit den Interessen der Athleten an einem dopingfreien Sport. Auch wenn es innerhalb dieses Interesses dann doch wieder zu unterschiedlichen Einzelinteressen käme, so reiche dies nicht zur Annahme homogener Lager, bestehend aus „den Verbänden“ und „den Athleten“, die es zulassen würden, einem einzelnen Verband die übrigen Verbände zuzurechnen und hieraus ein Übergewicht eines einzelnen Verfahrensbeteiligten bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts herzuleiten.69 In der Literatur ist auch diese Entscheidung nicht ohne Kritik geblieben.70 Die Begründung der Verneinung eines strukturellen Ungleichgewichts bei der Besetzung des Schiedsgerichts hat Bunte als „unfassbar naiv“ bezeichnet.71 Heermann hat die Annahme des BGH, Verbänden und Sportlern sei gleichsam an einem dopingfreien Sport gelegen, stark bezweifelt. Angesichts der weltweiten Dopingskandale der letzten Jahre werde darauf vermutlich kaum jemand wetten wollen. 67 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 32; vgl. Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 123 f. 68 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 32 unter Verweis auf die zuvor angesprochene Kritik an der Entscheidung des OLG München von Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 528 ff. 69 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 32 f. 70 Longrée/Putzier, MDR 2019, 391, 393, auch Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 48 sowie Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 180. 71 Bunte, WuW 2016, 366, 368; siehe auch Bunte, EWiR 2016, 415, 416. In die genau andere Richtung, jedoch zum Urteil des OLG Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257, 262: „Es ist geradezu lächerlich anzunehmen wegen des Fehlens von Personen, die durch Sportlervereinigungen für die Liste vorgeschlagen worden sind, sei es einem Sportler unmöglich, auf der Liste eine für ihn vertrauenswürdige Persönlichkeit zu finden, die nicht wegen der Vorschlagsberechtigung einem Verdacht der Befangenheit ausgesetzt ist.“

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Darüber hinaus seien die Interessen zwischen Verbänden und Athleten jedoch so unterschiedlich, dass ein Interessengleichlauf insgesamt nicht angenommen werden könne. Außerdem liege es in der Natur der Sache, dass Vertragsparteien zunächst gemeinsam ein Hauptziel verfolgten, auch wenn sie sich danach darüber stritten.72 So sehen es auch Prütting, Rombach und Bunte: Auf das vom BGH herangezogene Beispiel bezogen lasse sich ein Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem konkreten Arbeitsgerichtsprozess nicht deshalb verneinen, weil im Allgemeinen die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer im wohlverstandenen Interesse eine gleichgerichtete Interessenlage im Hinblick auf ökonomische Prosperität des Unternehmens und Erhaltung der Arbeitsplätze aufwiesen.73 Immer wieder ist darüber hinaus darauf hingewiesen worden, dass sich die Parteien spätestens im konkreten Verfahren ganz offensichtlich mit entgegengesetzten Interessen gegenüber stünden. Erst so komme es ja zum Streit, der einer gerichtlichen Klärung bedarf.74 Zu Recht hat Rombach betont, die Schiedsrichterliste existiere nicht etwa zum Zwecke der Verfolgung des politischen Ziels eines dopingfreien Sports, sondern vielmehr zur Lösung konkreter Konflikte zwischen Verband und Sportler, in welchem sich beide Parteien mit gegensätzlichen Interessen gegenüberstünden.75 Ob die Argumente des BGH am Ende wirklich überzeugend sind, lässt sich bezweifeln. Zyniker würden wohl behaupten, man bräuchte in Zukunft das Übergewicht bei der Zusammenstellung der Schiedsrichterliste bloß auf eine hoch genug liegende Abstraktionsebene zu heben, um die „Lagerzuordnung“ den eigenen Wünschen entsprechend zu gestalten.76 c) Eigener Ansatz: Die Lagertheorie als Auffangkriterium im Rahmen des § 1034 Abs. 2 ZPO Die Begründung des BGH würde im Rahmen des § 1034 Abs. 2 ZPO indes nicht verfangen können.77 Denn auf eine Lagerzuordnung kommt es hier nur 72 Heermann, NJW 2016, 2224 f.; ähnlich auch Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 123 f., 128. 73 Prütting, SpuRt 2016, 143, 146; so auch Rombach, SchiedsVZ 2016, 276, 278; siehe auch Bunte, WuW 2016, 366, 368 a. E. mit einem Vergleich zum Arzthaftungsrecht und mit einem Vergleich zum Mietrecht Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426, 430. 74 Bunte, EWiR 2016, 415, 416; Bunte, WuW 2016, 366, 368; Prütting, SpuRt 2016, 143, 146; Rombach, SchiedsVZ 2016, 276, 278; Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426, 430. 75 Rombach, SchiedsVZ 2016, 276, 278. 76 So auch Rombach, SchiedsVZ 2016, 276, 278. So rät dann Münch, in: MüKoZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 10a auch zu einer „Mediatisierung“. 77 Zu berücksichtigen gilt es, dass der BGH die Problematik der Schiedsrichterliste zu Recht nicht am Maßstab des § 1034 Abs. 2 ZPO geprüft hat. Denn wie der BGH selbst festgestellt hat, gilt § 1034 Abs. 2 ZPO nur für Verfahren bei denen der Ort des

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dann an, wenn sich ein Übergewicht nicht bereits aus einem faktisch übermäßigen Einfluss einer Partei ergibt. Die Erörterungen der Frage des Übergewichts im Fall Pechstein und den sich damit beschäftigenden Veröffentlichungen verlieren sich in den Überlegungen bezüglich der Lagerbestimmung und Lagerzugehörigkeit zwischen konkretem Verband, der Gesamtheit der Verbände, konkretem Sportler und der Gesamtheit der Sportler.78 Diese Überlegungen gehen jedoch bezogen auf § 1034 Abs. 2 ZPO an der entscheidenden Frage vorbei, ob es auf eine Lagerzuordnung überhaupt ankommt.79 aa) Die Lagertheorie hat ihren Ursprung in einer Zeit vor § 1034 Abs. 2 ZPO Die der Lagertheorie zugrundeliegende Herangehensweise der Betrachtung von Näheverhältnissen wird zurückgeführt auf die Entscheidung des BGH in Sachen Warenverein der Hamburger Börse und auf Kornblum.80 Ende des Jahres 1968 hatte der BGH über die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung zu befinden, die zur Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Vereinsmitgliedern und Nichtmitgliedern ein nur aus Mitgliedern eines Vereins zu bildendes Schiedsgericht bestimmte. Der BGH stellt hierbei zunächst fest, dass sich die Unwirksamkeit nicht aus § 1025 Abs. 2 ZPO a. F.81 ableiten ließe. Zwar könnte ein Übergeschiedsrichterlichen Verfahrens in Deutschland liegt (BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 35. Die Kritik von Heermann, NJW 2016, 2224, 2225 ist deshalb insoweit unbegründet. Siehe dazu bereits oben Kapitel 4 bei Fn. 406 ff.). Im konkreten Fall lag der Schiedsort in der Schweiz. Der BGH prüfte die Frage des Übergewichts bei der Besetzung des Schiedsgerichts losgelöst von § 1034 Abs. 2 ZPO innerhalb der Frage, ob es sich bei dem von den Parteien vereinbarten Schiedsgericht um ein echtes Schiedsgericht handelte. Der Begriff des echten Schiedsgerichts, seine Bedeutung und die Frage, ob die Problematik des Übergewichts bei der Besetzung dort richtig aufgehoben ist, wird an späterer Stelle ausführlich betrachtet (s. unten Kapitel 4 § 2. Zum Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO und des Begriffs des echten Schiedsgerichts unten Kapitel 4 § 2 C. I. 4. b) aa)). 78 Vgl. bspw. Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 528 f.; Heermann, NJW 2016, 2224, 2224 f.; Prütting, SpuRt 2016, 143, 146. 79 In eine ähnliche Richtung tendierend jetzt Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 180 („scheint die Perspektive falsch gewählt, weil sie die Grundlagen der Schiedsgerichtsbarkeit in Vergessenheit geraten lässt“). 80 Vgl. den Verweis auf BGH, Urt. v. 19.12.1968 – VII ZR 83/66, VII ZR 84/66 – Warenverein der Hamburger Börse, BGHZ 51, 255 bei Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 11 in und bei Fn. 20 sowie bei Fn. 24 („Grundsatzurteil“) sowie den Verweis in Fn. 19 auf Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 249. Eben auf diese Kommentierung Schlossers hat sich der BGH in der Sache Pechstein bezogen (BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 30, kritisch hierzu Prütting, SpuRt 2016, 143, 147 f.). 81 § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. lautete: „Der Schiedsvertrag ist unwirksam, wenn eine Partei ihre wirtschaftliche oder soziale Überlegenheit dazu ausgenutzt hat, den anderen Teil zu seinem Abschluß oder zur Annahme von Bestimmungen zu nötigen, die ihr im

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wicht hinsichtlich der Ernennung zum Vorteil der Verbandsmitglieder in der – gerade genannten – Regelung der Schiedsgerichtsordnung gefunden werden, die weiteren Voraussetzungen der Norm – Ausnutzen der Überlegenheit um zu nötigen – lägen indes nicht vor. Allein weil sich der Fall nicht unter § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. subsumieren ließ, entschied der BGH, dass sich aus der Art der Besetzung eines Schiedsgerichts auch abseits des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung wegen eines Verstoßes gegen das Gebot überparteilicher Rechtspflege ergeben könnte. Diesen Verstoß leitete er dann daraus ab, dass es für die Nichtmitglieder zu befürchten galt, dass die Schiedsrichter den Streit nicht unbefangen, sondern aufgrund des Näheverhältnisses zum eigenen Verband von deren Standpunkt aus betrachten würden. Kornblum hat sich in seiner 1968 erschienenen Arbeit ausführlich der Frage gewidmet, wann ein Übergewicht einer Partei bei der Bildung des Schiedsgerichts aufgrund einer Bindung an eine Schiedsrichterliste anzunehmen ist.82 Dabei ist er von dem Grundgedanken ausgegangen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Voreingenommenheit der Schiedsrichter zugunsten „ihrer“ Partei geringer sei, wenn die Aufstellung der Liste durch eine Person oder Stelle, die beiden Parteien des Verfahrens gleich nahe oder gleich fern steht erfolge und wenn ähnliches für das Verhältnis zwischen den Parteien und den Listenschiedsrichtern gelte.83 bb) Die Feststellung eines faktisch übermäßigen Einflusses einer Partei macht eine Lagerzuordnung obsolet Diese Herangehensweise wird fälschlicherweise unmittelbar auf § 1034 Abs. 2 ZPO übertragen.84 Dabei scheint jedoch übersehen worden zu sein, dass es auf eine Lagerzuordnung nur dann ankommt, wenn sich ein Übergewicht nicht bereits aus einem faktisch übermäßigen Einfluss einer Partei ergibt. Selbst der BGH hätte sich 1968 im Fall betreffend den Warenverein der Hamburger Börse bei Geltung des § 1034 Abs. 2 ZPO keiner Lagerausführungen mehr bedienen müssen. Denn der BGH hatte ein Übergewicht der einen Partei hinsichtlich der Besetzung des Schiedsgerichts i. S. d. § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. schon allein aufgrund der Regelung, dass nur Verbandsmitglieder Schiedsrichter sein konnten, bejaht. Die Einschlägigkeit des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. scheiterte

Verfahren, insbesondere hinsichtlich der Ernennung oder Ablehnung der Schiedsrichter, ein Übergewicht über den anderen Teil einräumen.“ (S. dazu bereits oben Kapitel 2 § 1). 82 Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 249 ff. 83 Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 249. 84 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 30; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 11.

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jedoch an dessen weiteren Voraussetzungen.85 Führt man sich nun vor Augen, dass in der Quasi-Nachfolgenorm des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F., dem § 1034 Abs. 2 ZPO, gerade diese weiteren Voraussetzungen weggefallen sind86, an denen die Einschlägigkeit des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. gescheitert war, wird klar, § 1034 Abs. 2 ZPO wäre einschlägig gewesen. Denn dieser knüpft allein an das Übergewicht einer Partei hinsichtlich der Besetzung des Schiedsgerichts an, was nach Ansicht des BGH gerade vorgelegen hatte. Ebenso wird übersehen, dass auch Kornblum bereits herausgestellt hatte, dass gerade bei der Bindung der Verfahrensbeteiligten an eine Schiedsrichterliste dann ein Übergewicht vorliegt, wenn zwar jeder der Verfahrensbeteiligten formell die gleiche Anzahl von Schiedsrichtern ernennen darf, die eine Partei bei der Aufstellung der Liste jedoch über einen größeren Einfluss verfügte als die andere.87 Auf die Frage einer Lagerzuordnung kann es erst dann ankommen, wenn sich ein Übergewicht nicht bereits aus einem faktisch übermäßigen Einfluss einer Partei ergibt. Denn zu berücksichtigen ist, dass § 1034 Abs. 2 ZPO maßgeblich der Gleichberechtigung der Parteien im konkreten Schiedsverfahren dient. Die Norm sichert beiden am Verfahren beteiligten Parteien einen gleichberechtigten Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichts. So schützt die Norm auch vor strukturell angelegten Abhängigkeiten der Schiedsrichter.88 Ein Übergewicht im Sinne der Norm liegt immer dann vor, wenn die eine Partei objektiv einen größeren Einfluss auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts hat als die andere. Ausreichend ist dabei bereits jedwedes Übergewicht.89 Die Notwendigkeit eines besonders qualifizierten Übergewichts wird vollkommen zu Recht abgelehnt.90 Eine dahingehende Forderung verträgt sich weder mit dem Schutz der Gleichberechtigung noch dem Schutz vor strukturellen Abhängigkeiten. Diese Grundsätze müssen unverändert auch dann gelten, wenn es nicht um die Zusammensetzung des Schiedsgerichts, sondern um die Zusammensetzung einer Schiedsrichterliste geht. Andernfalls ließe sich der Grundsatz der Gleichberechtigung zwischen den Parteien durch die Einsetzung einer Schiedsrichterliste aufweichen oder gar umgehen. Ein Übergewicht einer Partei lässt sich gerade nicht durch „Mediatisierung“ rechtfertigen.91 Es muss sich deshalb gerade nicht um 85 BGH, Urt. v. 19.12.1968 – VII ZR 83/66, VII ZR 84/66 – Warenverein der Hamburger Börse, BGHZ 51, 255, 258. 86 S. zur Entwicklung von § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. zu § 1034 Abs. 2 ZPO oben Kapitel 2 § 2 A. und B. 87 Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 250 f. 88 S. o. Kapitel 4 § 1 B. 89 S. o. Kapitel 4 § 1 C. I. 1. 90 S. o. Kapitel 4 in und bei Fn. 18. 91 So aber Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 10a.

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einen „bestimmenden“ 92, „direkten“ 93 oder „maßgeblichen“ 94 Einfluss auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste handeln. Auch hier reicht allein die Feststellung eines Übergewichts bei der Besetzung des Schiedsgerichts, ganz gleich wie groß oder klein es ist. Dieser Gedanke lässt sich beliebig fortsetzen. Wollen die Parteien die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste nicht selbst vornehmen, sondern übertragen diese Aufgabe auf ein Gremium, so müssen die Parteien auf die Zusammensetzung dieses Gremiums gleichberechtigt Einfluss nehmen können. Kommt dabei einer Partei ein Übergewicht gegenüber der anderen Partei bezüglich der Zusammensetzung des zur Aufstellung der Schiedsrichterliste berufenen Gremiums zu, so verfügt diese Partei über ein Übergewicht im Sinne des § 1034 Abs. 2 ZPO.95 Dies gilt vollkommen unabhängig davon, wie groß das Übergewicht ist. Als Beispiel sei noch ein letztes Mal auf den Pechstein-Fall zurück zu kommen: Dass der konkret am Verfahren beteiligte Verband einen größeren Einfluss auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste hatte als die ihm gegenüberstehende Sportlerin, stand überhaupt nicht in Zweifel. Der BGH sagt hierzu: „Damit kommt einem internationalen Sportverband wie der Bekl. zu 2 ein gewisser Einfluss auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste zu. Dieser Einfluss besteht jedoch nicht in einem solchen Ausmaß, dass der Verband hierdurch einen bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste hätte.“ 96

Auf einen „bestimmenden Einfluss“ kommt es aber eben nicht an, sodass an § 1034 Abs. 2 ZPO gemessen in einem solchen Fall ein Übergewicht im Sinne des § 1034 Abs. 2 ZPO bereits ohne eine Lagerzuordnung zu bejahen gewesen wäre.97

92 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 31; kritisch Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 814. 93 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 10a. 94 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 10. 95 In diesem Sinne lässt sich auch bereits Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 253 verstehen, wenn er schreibt: „Sind aber beide Parteien Mitglieder des Ernennungsorgans und gehört die eine Partei zu der bei der Schiedsrichterbestellung erfolgreichen Mehrheit, die andere zur unterlegenen Minderheit, müßte man wohl ein unzulässiges Übergewicht ebenso als gegeben annehmen wie in dem Fall, in dem nur eine Partei dem Ernennungsorgan angehört.“ 96 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 31; vgl. Prütting, SpuRt 2016, 143, 145, Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 119 f., 122, 128 und Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 210 ff. 97 Im CAS-Verfahren ebenfalls einen Verstoß gegen § 1034 Abs. 2 ZPO – dessen Anwendbarkeit unterstellt – sehend, Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 821.

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cc) Anwendbarkeit der Lagertheorie nur im Falle gleichberechtigten Einflusses auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts Die Frage, ob eine mit der Besetzung des Schiedsgerichts oder der Aufstellung der Schiedsrichterliste beauftragte Stelle der einen Verfahrenspartei näher steht als der anderen, ist im Rahmen des § 1034 Abs. 2 ZPO nur in den Fällen relevant, in denen sich ein Übergewicht nicht schon aus einer größeren Einflussnahmemöglichkeit auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts, der Schiedsrichterliste, des Gremiums zur Aufstellung der Schiedsrichterliste oder des Gremiums zur Zusammenstellung des Gremiums zur Aufstellung der Schiedsrichterliste (usw.) ergibt. In diesen Fällen kann sich ein Übergewicht einer Verfahrenspartei daraus ergeben, dass die zuständige Stelle dieser näher steht als der anderen Verfahrenspartei, also ihrem „Lager“ zuzuordnen ist. Denn aufgrund des Näheverhältnisses besteht das Risiko, dass sich das Gremium oder die Stelle im Zweifel zu Gunsten der einen Partei entscheiden wird98, (nochmal:) ohne, dass diese einen unmittelbaren oder auch nur mittelbaren Einfluss darauf hätte. d) Zwischenergebnis Die Beschränkung der potentiellen Schiedsrichter durch eine Schiedsrichterliste kann solange nicht zu einem Übergewicht i. S. d. § 1034 Abs. 2 ZPO führen, wie durch sie nicht ein Vorteil für eine Partei entsteht oder ein bestehender Vorteil institutionalisiert wird. Klar ist, dass die Schiedsrichterliste ausreichende Auswahlmöglichkeiten für die Parteien bieten muss und nicht eine Partei mehr Einfluss auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste haben darf als die andere. Wird die Schiedsrichterliste nicht von den Parteien selbst aufgestellt, sondern von einem Dritten, beispielsweise von einem Verband oder einem Gremium, so soll es auf das Verhältnis des Dritten zu den Parteien ankommen. Steht der Dritte den beiden Schiedsparteien gleich nach oder gleich fern, so soll ein Übergewicht nicht vorliegen. Im Rahmen des § 1034 Abs. 2 ZPO ist diese Frage indes zweitrangig. Zunächst ist nämlich nach den faktischen Einflussmöglichkeiten auf den Dritten zu fragen. Tritt dabei zu Tage, dass der einen Partei ein größerer Einfluss auf den Dritten zukommt, mag er vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des § 1034 Abs. 2 ZPO noch so klein sein, kommt ihr gleichsam ein mittelbar größerer Einfluss auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste zu. Lässt sich ein solch faktischer Mehreinfluss der einen Partei feststellen, kommt es auf die Feststellung von Näheverhältnissen nicht mehr an. Einer solchen bedarf es erst dann, wenn sich ein faktischer Mehreinfluss einer Partei gerade nicht feststellen lässt. Denn dann kann sich ein Übergewicht i. S. d. § 1034 Abs. 2 ZPO einer Schieds98 Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 249; vgl. auch Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 41 a. E.

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partei daraus ergeben, dass sich der Dritte aufgrund des Näheverhältnisses der einen Partei mehr verpflichtet fühlt als der anderen.

II. Benachteiligung der anderen Partei durch das Übergewicht Der Tatbestand des § 1034 Abs. 2 ZPO setzt weiterhin voraus, dass die Partei, der kein Übergewicht zukommt, von dem Übergewicht der anderen Partei benachteiligt ist. Teilweise wird bezweifelt, ob dem Tatbestandsmerkmal der Benachteiligung eigenständige Bedeutung zukommt. Denn jedes Übergewicht wirke doch potentiell auch benachteiligend. Es hintertreibe die paritätische Ausgewogenheit. Wer sich nicht benachteiligt fühle, werde Abwehr ohnehin unterlassen.99 Dass der Tatbestand von „benachteiligen“ spricht, wird dann eher als Klarstellung dafür verstanden, dass Abstand von der hohen Hürde des „Nötigens“ aus § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. genommen werden sollte.100 Einigkeit besteht dahingehend, dass eine Benachteiligung nicht erst dann vorliegt, wenn die Entscheidung des Schiedsgerichts tatsächlich zu Lasten der unterlegenen Partei ausfällt.101 Teilweise wird eine Benachteiligung dann angenommen, wenn die Besetzung des Schiedsgerichts zu einer vorteilhaften Position im Verfahren dahingehend führt, dass sich die Erfolgsaussichten für den Ausgang des Verfahrens verbessern.102 Teilweise soll gerade nicht erforderlich sein, dass eine Konstellation vorliegt, die eine Entscheidung zu Gunsten der überlegenen Partei erwarten lässt. Vielmehr soll es bereits ausreichen, dass die unterlegene Partei angesichts des Übergewichts Grund zur Annahme hat, die Ausgewogenheit der Zusammensetzung des Schiedsgerichts sei nicht sichergestellt, sodass ihr Nachteile entstehen könnten.103 Eine Benachteiligung soll teilweise – und so käme dem Tatbestandsmerkmal dann doch noch eine eigenständige Bedeutung zu – nur dann nicht vorliegen, wenn ein bestehendes Übergewicht einer Partei „durch besondere Umstände auf Seiten der anderen Partei kompensiert wird“.104 99 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 6; ähnlich kritisch auch Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, S. 92. 100 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 7. 101 Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1034 Rn. 8. 102 Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1034 Rn. 8; ähnlich Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, S. 93, der eine „konkrete Benachteiligung“ verlangt. 103 Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 79; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 11 („die nackte (plausible) Besorgnis reicht aus“); Voit, in: Musielak/ Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 4. 104 Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 4.

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Ausreichend ist also jedenfalls, dem Schutzzweck konsequent folgend, bereits die Möglichkeit der Benachteiligung.

III. § 1034 Abs. 2 ZPO setzt tatbestandlich nicht eine Ungleichgewichtslage zwischen den Parteien voraus Teilweise lassen sich Literaturstimmen so verstehen, als setze § 1034 Abs. 2 ZPO bereits tatbestandlich ein Ungleichgewicht zwischen den Parteien voraus.105 Begründet worden ist dies teilweise damit, dass in einer von § 1034 Abs. 2 ZPO genannten Vertragsgestaltung sehr häufig eine Situation vorliege, in der hinsichtlich Abschluss und Inhalt der Schiedsvereinbarung Zwang ausgeübt worden sei. Denn die schwächere Partei würde sich nämlich zu einem für sie inhaltlichen derart nachteiligen Schiedsvertrag kaum jemals freiwillig entschließen.106 Zwar mag es sein, dass in der Praxis oftmals die Überlegenheit einer Vertragspartei zu der in der Schiedsvereinbarung verankerten Übermachtstellung führt. Zwingend – im Sinne eines Kausalzusammenhangs, wie Hesselbarth107 zu meinen scheint – ist dies aber keinesfalls.108 Der Gesetzgeber wollte die Schiedsparteien nicht nur für den Fall eines Kausalzusammenhangs zwischen Übergewicht und Benachteiligung im Schiedsver105 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 206 („§ 1034 Abs. 2 ZPO regelt also einen nicht untypischen Fall des Abschlusszwanges, bei dem zugleich ein schwerer Verstoß gegen das Gebot der Waffengleichheit im Schiedsverfahren vorliegt.“); Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 714 („wenn das Übergewicht einer Partei dazu führt, dass sie bei der Besetzung des Schiedsgerichts ein die andere Partei benachteiligendes Übergewicht erlangt. Da die benachteiligte Partei sodann gemäß § 1034 Abs. 2 ZPO das Recht hat“); Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807 („An die Stelle der Unwirksamkeit der gesamten Schiedsvereinbarung ist die Korrektur der gestörten Vertragsparität gerückt, soweit sich die Überlegenheit der einen Partei auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts ausgewirkt hat.“); uneindeutig Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2004, 175, 181 („Ausnutzen der Übermacht, um den Vertragspartner hinsichtlich der Besetzung des Schiedsgerichts zu übervorteilen, zumindest – im Grundsatz – in das neue Recht übernommen“). 106 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 205. 107 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 206 („§ 1034 Abs. 2 ZPO regelt also einen nicht untypischen Fall des Abschlusszwanges, bei dem zugleich ein schwerer Verstoß gegen das Gebot der Waffengleichheit im Schiedsverfahren vorliegt.“). Ähnlich Haas, SchiedsVZ 2004, 175, 181. Hesselbarth zitiert dazu Berger, Das neue Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, S. 27, der einen Zusammenhang zwischen Übergewicht und nachteiliger Ernennungsregel wie selbstverständlich voraussetze („Übergewicht einer Partei und darauf beruhender offensichtlicher Benachteiligung“). Dabei übersieht Hesselbarth indes, dass sich Berger in der von ihr zitierten Stelle auf § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. bezieht, der selbstverständlich eine Kausalität zwischen Überlegenheit der Partei und der in der Schiedsvereinbarung verankerten Übermacht voraussetzte. Damit ist jedoch nichts über § 1034 Abs. 2 ZPO gesagt. 108 S. schon o. Kapitel 2 § 2 B. Schon vor dem SchiedsVfG Schlosser, ZIP 1987, 492 („ohne, daß es, wie im bisherigen § 1025 Abs. 2 ZPO, auf die Ausnutzung überlegener Verhandlungsmacht ankommt“).

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fahren schützen, sondern unabhängig von der Ursache der vertraglichen Vereinbarung. Denn der Gesetzgeber sah in dem vertraglich vereinbarten Übergewicht bei der Schiedsrichterbestellung den denkbaren Fall, in dem die seiner Regelung zugrundeliegenden Annahme der Gleichwertigkeit von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit nicht zutrifft.109 Es kommt deswegen für § 1034 Abs. 2 ZPO nicht darauf an, aus welchem Grund der einen Partei ein Übergewicht bei der Besetzung des Schiedsgerichts zukommt.110

D. Rechtsfolge: Schiedsvereinbarung i. e. S. bleibt unberührt, Wahlrecht der benachteiligten Partei und Neubestellung des Schiedsgerichts Trotz des Übergewichts der einen Partei bei der Besetzung des Schiedsgerichts bleibt die Schiedsvereinbarung i. e. S. unberührt.111 Das ergibt sich schon aus der Existenz des § 1034 Abs. 2 ZPO, der eine wirksame Schiedsvereinbarung i. e. S. schon tatbestandlich voraussetzt.112 Diese Rechtsfolge fügt sich auch in das System der Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung ein.113 Auch die das Übergewicht enthaltende Schiedsverfahrensvereinbarung ist nach § 1034 Abs. 2 ZPO nicht etwa unwirksam. An ihre Stelle tritt deshalb auch nicht die gesetzliche Regelung des § 1035 Abs. 3 ZPO, die den Fall regelt, in dem eine Vereinbarung der Parteien über die Schiedsrichterbestellung fehlt.114 Vielmehr bleibt die Besetzungsregelung grundsätzlich wirksam.115 109 S. o. Kapitel 4 § 1 B. und bereits grundlegend vor dem SchiedsVfG Schlosser, ZIP 1987, 492, 492 f. 110 Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 5. So in der Konsequenz dann auch Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 231, wenn er sagt, § 1034 Abs. 2 ZPO „geht von dem gesetzlichen Regelfall eines intakten Vertragsschlussmechanismus’ aus“. 111 Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 819. Wohl auch Prütting, in: FS Schlosser, S. 706, 710, bei dem jedoch nicht klar wird, ob er die Schiedsvereinbarung i. e. S. oder die das Übergewicht enthaltende Schiedsverfahrensvereinbarung meint, wenn er sagt, „führt [. . .] nicht mehr zur Nichtigkeit dieser Vereinbarung“. 112 S. o. Kapitel 4 § 1 C. I. 3. b), siehe auch Schütze, in: Wieczorek/Schütze, Bd. 11, 4. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 27; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 5; Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1034 Rn. 17. Siehe allgemein und bereits vor Geltung des § 1034 Abs. 2 ZPO Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 518. 113 S. o. Kapitel 2 § 2 D. II. 114 A. A. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 11.07.2013 – 26 SchH 8/12, SchiedsVZ 2013, 294, 296. S. zu dieser Entscheidung nochmal unten Kapitel 4 nach Fn. 369. A. A. für den Fall des Fehlens jeglicher Mitwirkungsrechte auch Otto, ZGR 2019, 1082, 1105 f., weil er diesen Fall entgegen hier vertretener Auffassung (s. o. Kapitel 4 bei Fn. 17) nicht unter § 1034 Abs. 2 ZPO subsumiert wissen will. 115 So auch Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, S. 175.

§ 1 Tatbestand und Umfang des § 1034 Abs. 2 ZPO

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§ 1034 Abs. 2 ZPO eröffnet der durch das Übergewicht benachteiligten Partei jedoch die Möglichkeit gerichtlicher Bestellungshilfe. Schlosser hat diesen Mechanismus treffend als „geltungserhaltende Substitution“ beschrieben.116 Gemäß § 1034 Abs. 2 S. 2 ZPO ist die von der Vereinbarung abweichende Besetzung bis zum Ablauf von zwei Wochen, nachdem der Partei die Zusammensetzung des Schiedsgerichts bekannt geworden ist, zu beantragen. Wird die abweichende Besetzung bis zum Ablauf der Frist nicht beantragt, präkludiert das Antragsrecht und es bleibt bei der behauptet nachteiligen Benennungsregel.117 Das mag man für eine harte und – rechtspolitisch – nicht gerechtfertigte Konsequenz des § 1034 Abs. 2 ZPO halten.118 Diese Rechtsfolge ist als gesetzgeberische Entscheidung innerhalb des verfassungsrechtlich Zulässigen aber zu akzeptieren, gleich ob man ihr zustimmt oder nicht.119 Es bleibt der benachteiligten Partei aber so durchaus auch möglich, die konkrete Zusammensetzung des Schiedsgerichts zu akzeptieren. Fraglich ist, wie mit Fällen umzugehen ist, in denen die Identität der Schiedsrichter bereits bei Abschluss der Schiedsvereinbarung feststeht. Dem Wortlaut des § 1034 Abs. 2 ZPO nach müsste die Frist dann bereits mit Abschluss der Schiedsvereinbarung – oder gar noch früher – zu laufen beginnen. Richtigerweise ist das Abstellen auf den Zeitpunkt, in dem der benachteiligten Partei die Zusammensetzung des Schiedsgerichts bekannt geworden ist indes nur dann sinnvoll, wenn das Schiedsgericht erst nach Einleitung des Schiedsverfahrens konstituiert wird. Stehen die Schiedsrichter schon bei Abschluss der Schiedsvereinbarung fest, kann die Frist des § 1034 Abs. 2 ZPO richtigerweise erst dann zu laufen beginnen, wenn der benachteiligten Partei die Einleitung des Schiedsverfahrens bekannt geworden ist.120 Ist der Antrag begründet, stellt sich die Frage, welche Entscheidungsmöglichkeiten § 1034 Abs. 2 ZPO dem Gericht eröffnet. Die Formel im Wortlaut der 116 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 6; ähnlich und mit Verweis auf Schlosser Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, S. 91 („geltungserhaltende Reduktion der Besetzungsvereinbarung durch richterliche Gestaltungsmacht“) und Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 220 („geltungserhaltende Reduktion“). 117 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 15. 118 Siehe bspw. Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 237 oder Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, S. 95 m. entspr. Nw. 119 So schon Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, S. 94 ff., 175, der die Regelung des § 1034 Abs. 2 ZPO zu Recht als „verfassungsrechtlich zulässige Wertentscheidung“ beschreibt. 120 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 16; das Abstellen auf die Einleitung des Schiedsverfahrens befürwortend, unter aktuellem Wortlaut des § 1034 Abs. 2 ZPO aber ablehnend und ohne das hier aufgeworfene Problem zu sehen Schütze, in: Wieczorek/Schütze, Bd. 11, 4. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 34; a. A. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 11.07.2013 – 26 SchH 8/12, SchiedsVZ 2013, 294, 296.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Norm – „[. . .] den oder die Schiedsrichter abweichend von der erfolgten Ernennung oder der vereinbarten Ernennungsregelung zu bestellen“ – gibt unstreitig zwei Optionen: Erstens die Möglichkeit, einzelne Schiedsrichter auszuwechseln, zweitens, die Möglichkeit, das gesamte Schiedsgericht neu zu besetzen. Teilweise wird vertreten, dem Gericht erwachse aus § 1034 Abs. 2 ZPO noch eine dritte Option. So soll es dem Gericht auch möglich sein, ein Verfahren festzulegen, nach dem einzelne oder alle Schiedsrichter neu bestimmt werden sollen. Zwar sei diese Möglichkeit von der o. g. Formel des § 1034 Abs. 2 ZPO nicht zweifelsfrei erfasst, § 1034 Abs. 2 ZPO eröffne sie aber gleichwohl. Zur Begründung wird angeführt, es gebe schlicht keinen Grund, wieso das staatliche Gericht sich nicht darauf beschränken können soll, schlicht ein neues Verfahren zur Konstituierung eines neuen Schiedsgerichts festzulegen.121 Hierbei scheint es insbesondere um die Frage zu gehen, ob es dem staatlichen Gericht erlaubt ist, einer Schiedsorganisation aufzugeben unter Einhaltung gewisser Vorgaben die Schiedsrichter neu zu bestellen. Schlosser hält dies, wenn die Parteien eine Organisation eingeschaltet haben, für „naheliegend“.122 Voit hingegen meint, stets das Gericht müsse den oder die Schiedsrichter bestellen. Eine Übertragung des Bestellungsrechts an eine Schiedsorganisation sehe das Gesetz nicht vor.123 Richtig ist zwar, dass der Wortlaut der Norm eine Übertragung nicht ausdrücklich vorsieht. Der Wortlaut schließt ein solches Vorgehen allerdings auch nicht aus. Man wird hier wohl Schlosser beipflichten müssen: Es gibt schlicht keinen Grund, wieso das staatliche Gericht nicht ein neues Verfahren zur Konstituierung des Schiedsgerichts festlegen können soll.124 Für die Zulassung der Festlegung eines Verfahrens statt der unmittelbaren Neubesetzung durch das Gericht spricht auch, dass auf diesem Wege dem Parteiwillen bezüglich der Schiedsrichterauswahl besser Rechnung getragen wird. Sei es der Wille, die Auswahl der Schiedsrichter selbst, nun in einem gleichberechtigten Verfahren, zu treffen oder sei es der Wille, einer Schiedsorganisation die Auswahl zu überlassen. Wenn Zweck des § 1034 Abs. 2 ZPO die Wiederherstellung von Gleichberechtigung in einem auf Parteiautonomie beruhenden Verfahren ist, dann spricht einiges dafür, dies auf dem Wege zu tun, der dem ursprünglichen Parteiwillen am nächsten kommt. Fraglich ist darüber hinaus, inwieweit das staatliche Gericht bei der Neubesetzung an zwischen den Parteien vereinbarte Vorgaben gebunden ist. Unproblematisch erscheint es zunächst, zu verlangen, dass das Gericht zwischen den Parteien

121 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 23; so schon Schlosser, in: Gottwald, Revision des EuGVÜ – Neues Schiedsverfahrensrecht, S. 187 und 188. A. A. wohl Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 8. 122 Schlosser, in: Gottwald, Revision des EuGVÜ – Neues Schiedsverfahrensrecht, S. 188. 123 Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 8. 124 S. Kapitel 4 Fn. 121.

§ 1 Tatbestand und Umfang des § 1034 Abs. 2 ZPO

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vereinbarte Vorgaben bezüglich der Qualifikation der Schiedsrichter zu berücksichtigen hat. Jedenfalls solange dies möglich ist, ohne, dass dann der oder die Schiedsrichter bestellt werden müssten, dessen oder deren Bestellung erst zur Neubestellung nach § 1034 Abs. 2 ZPO geführt hat.125 Problematisch erscheinen jedoch Fälle, in denen die Parteien (unmittelbar oder mittelbar) vereinbart haben, dass die Schiedsrichter aus einer Schiedsrichterliste auszuwählen sind, aus der sich dann das die eine Partei benachteiligende Übergewicht ergibt.126 Monheim meint, in diesem Fall führe das Verfahren des § 1034 Abs. 2 ZPO nicht weiter. Denn wenn ein Schiedsrichter mangels Zulässigkeit des Einsatzes nicht auf der Schiedsrichterliste befindlicher Schiedsrichter weiterhin aus der Schiedsrichterliste, die das Übergewicht gerade begründet, ausgewählt werden müsse, könne eine Korrektur im Ergebnis nicht erreicht werden.127 So verstanden führt § 1034 Abs. 2 ZPO tatsächlich nicht weiter.128 Allerdings wird § 1034 Abs. 2 ZPO so wohl nicht zu verstehen sein dürfen. Denn die Rechtfolge der Norm ist, dass „die Schiedsrichter abweichend von der erfolgten Ernennung oder der vereinbarten Ernennungsregel zu bestellen“ sind, mit dem Ziel einer Benennung, die nicht durch das Übergewicht der einen Partei beeinflusst ist. Wenn gerade die Schiedsrichterliste das Problem darstellt, wenn sich das Übergewicht in ihr manifestiert hat, dann können die neu auszusuchenden Schiedsrichter nach § 1034 Abs. 2 ZPO nicht von dieser Liste zu wählen sein. Dies kann sich auch nicht dadurch ändern, dass eine im konkreten Fall anwendbare Verfahrensregel, typischerweise eine Schiedsordnung, vorsieht, dass Schiedsrichter nur sein kann, wer sich auf der Liste findet. Denn dann wäre es einer von den Parteien vereinbarten Regelung möglich, § 1034 Abs. 2 ZPO auszuhebeln. Das führte § 1034 Abs. 2 ZPO ad absurdum. Anders herum muss man es deshalb denken: Ist die Schiedsrichterliste das Problem, muss über § 1034 Abs. 2 ZPO abseits der Schiedsrichterliste bestellt werden. Bisher – soweit ersichtlich – noch unerforscht ist die Frage, welche Auswirkungen es auf Schiedsverfahren und Schiedsvereinbarung hat, wenn sich die Schiedsorganisation weigert, das Schiedsverfahren mit den neuen, nicht auf der Liste befindlichen, Schiedsrichtern fortzusetzen.

125 Schütze, in: Wieczorek/Schütze, Bd. 11, 4. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 36; Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1034 Rn. 19. Voit, in: Musielak/ Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 8 begründet dies mit einer entsprechenden Anwendung des § 1035 Abs. 5 ZPO. 126 S. dazu oben Kapitel 4 § 1 C. I. 4. 127 Monheim, SpuRt 2014, 90, 92. 128 Aus dieser Erkenntnis folgert Monheim, SpuRt 2014, 90, 92 dann, dass § 1034 Abs. 2 ZPO „kein ausreichendes Korrektiv“ für einen Mangel an Freiwilligkeit darstelle. Dabei verkennt Monheim indes, dass die von ihm gemeinte Freiwilligkeit des Abschlusses der Schiedsvereinbarung i. e. S. eine § 1034 Abs. 2 ZPO vorgelagerte Frage ist.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

E. Anwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO auf außervertragliche Schiedsgerichte im Sinne des § 1066 ZPO § 1034 Abs. 2 ZPO ist nach zutreffender ganz herrschender Meinung auch auf außervertragliche Schiedsgerichte i. S. d. § 1066 ZPO anwendbar.129 § 1066 ZPO erklärt die Regeln der §§ 1025 ff. ZPO auf außervertragliche Schiedsgerichte für entsprechend anwendbar. Nicht anwendbar sind deshalb allein jene Normen, die ihrem Zweck nach eine vertragliche Schiedsvereinbarung voraussetzen. Man denke insoweit beispielsweise an die Begriffsbestimmung des § 1029 ZPO oder die Formvorschrift des § 1031 ZPO.130 § 1034 Abs. 2 ZPO setzt eine vertragliche Schiedsvereinbarung ihrem Zweck nach nicht voraus. Vor dem Hintergrund des Zwecks der Gleichbehandlung im Schiedsverfahren, den § 1034 Abs. 2 ZPO primär schützt, muss die Norm ebenso Anwendung finden, wenn die Bindung an das Schiedsgericht nicht auf vertraglicher Grundlage basiert. Man neigt dazu zu sagen, sie muss erst recht Anwendung finden.131

F. Zwischenergebnis Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO ist die Anwendbarkeit deutschen Schiedsverfahrensrechts. Der Wortlaut des § 1034 Abs. 2 ZPO ist ein Beispiel mangelnder (sprachlicher) Unterscheidung zwischen der Schiedsvereinbarung i. e. S. und sie flankierender Schiedsverfahrensvereinbarungen. § 1034 Abs. 2 ZPO setzt seinem Wortlaut nach nämlich voraus, dass die „Schiedsvereinbarung“ es ist, die einer Partei ein Übergewicht gibt. Dieser Wortlaut ist insofern missverständlich, als er dazu verleiten mag, anzunehmen, das Übergewicht werde durch die Schiedsvereinbarung i. e. S. gegeben. Richtigerweise kann das Übergewicht einer Partei bei der Besetzung des – vertraglich oder außervertraglichen – Schiedsgerichts nur Ausfluss einer Schiedsverfahrensvereinbarung sein. 129 Kröll, ZIP 2005, 13, 18; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1066 Rn. 3; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1066 Rn. 15; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl. 2020, § 1066 Rn. 3; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1066 Rn. 1; Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1066 Rn. 10; widersprüchlich Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 32 Rn. 4 einerseits, Kap. 32 Rn. 15 andererseits. S. zum Parallelproblem der Anwendung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. auf außervertragliche Schiedsgerichte ausführlich Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, S. 214 f. und dann wie hier S. 221 f. Sieht man dies anders und hält § 1034 Abs. 2 ZPO auf außervertragliche Schiedsgerichte i. S. d. § 1066 ZPO für nicht anwendbar, führt dies zu einer Mehrdeutigkeit des Begriffs der echten Schiedsgerichtsbarkeit, Kröll, ZIP 2005, 13, 18, dazu auch unten Kapitel 4 § 2 C. I. 3. 130 Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1066 Rn. 10. 131 So auch Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1066 Rn. 1.

§ 1 Tatbestand und Umfang des § 1034 Abs. 2 ZPO

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Mit dem Begriff „Schiedsvereinbarung“ meint § 1034 Abs. 2 ZPO deshalb eine Schiedsverfahrensvereinbarung betreffend die Schiedsrichterbestellung. Die Frage, ob zwischen den Parteien überhaupt eine Schiedsvereinbarung i. e. S. (freiwillig) zustande gekommen ist, ist eine § 1034 Abs. 2 ZPO vorgelagerte Frage. Der Tatbestand des § 1034 Abs. 2 ZPO setzt die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. inzidenter voraus. Denn § 1034 Abs. 2 ZPO betrifft das „Wie“ des Schiedsverfahrens, nicht das „Ob“. Für die Anwendbarkeit von § 1034 Abs. 2 ZPO kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund eine Benachteiligung besteht. Insbesondere setzt § 1034 Abs. 2 ZPO nicht voraus, dass zwischen den Parteien der Schiedsvereinbarung beim Abschluss dieser eine Ungleichgewichtslage bestand. § 1034 Abs. 2 ZPO betrifft alle Fälle, in denen die eine Partei bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts einen größeren Einfluss hat als die andere Partei. Die Norm erfasst unproblematisch all jene Fälle, in denen sich das Übergewicht der einen Partei unmittelbar aus einer in der Schiedsvereinbarung enthaltenen Schiedsverfahrensvereinbarung ergibt. Praktisch häufiger anzutreffen sein dürften jedoch Fälle, in denen sich das Übergewicht erst mittelbar aus der Schiedsvereinbarung ergibt. Der am ehesten denkbare Fall dürfte der sein, in dem durch Bezugnahme in der Schiedsvereinbarung die Regeln einer Schiedsorganisation inkorporiert werden, die selbst Regelungen für die Besetzung des Schiedsgerichts enthalten. Auch solche Fälle eines bloß mittelbaren Beruhens des Übergewichts der einen Partei auf der Schiedsvereinbarung werden von § 1034 Abs. 2 ZPO erfasst. Ein Übergewicht bei der Besetzung des Schiedsgerichts kann sich auch aus der Beschränkung der zur Auswahl stehenden Schiedsrichter mittels einer Schiedsrichterliste ergeben. Dies ist zunächst dann der Fall, wenn der zur Verfügung stehende Personenkreis zum Nachteil der einen Partei so sehr eingeschränkt wird, dass eine ausreichende Auswahlmöglichkeit nicht mehr gegeben ist. Eine Benachteiligung der einen Partei kann sich aber auch daraus ergeben, dass der anderen Partei ein übermäßiger unmittelbarer oder mittelbarer Einfluss auf die Besetzung der Schiedsrichterliste möglich ist. Insoweit waren bisher insbesondere Fälle diskutiert worden, in denen die Schiedsrichter oder die Schiedsrichterliste von einem Verband ausgewählt beziehungsweise aufgestellt wurden. Ob sich hieraus eine Benachteiligung für die eine oder andere Seite ergibt, soll von der Beziehung des Verbandes zu den beiden Parteien und davon abhängen, ob jener einer der beiden Parteien näher steht. Besondere Schwierigkeiten hat jüngst die Konstellation gebracht, in der der Einfluss auf die Schiedsrichterliste nur mittelbar über ein Gremium, welches die Schiedsrichterliste zusammensetzte, besteht. Die Rechtsprechung hat die Herangehensweise für Verbände auf diese Konstellation, wenn im konkreten Fall auch außerhalb des § 1034 Abs. 2 ZPO, übertragen und danach gefragt, ob das Gremium der einen Seite näher steht als der anderen, also dem „Lager“ der einen oder anderen Partei zuzuordnen ist.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Im Rahmen des § 1034 Abs. 2 ZPO ist die Frage der Lagerzugehörigkeit allerdings erst der zweite Schritt. Denn im Rahmen des § 1034 Abs. 2 ZPO liegt ein Übergewicht immer dann vor, wenn die eine Partei einen größeren Einfluss auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts hat als die andere. Nichts anderes gilt, wenn es im Konkreten nicht um die Zusammensetzung des Schiedsgerichts direkt geht, sondern um die Aufstellung einer Schiedsrichterliste oder um die Zusammensetzung eines Gremiums zur Aufstellung einer Schiedsrichterliste. Das der einen Partei gegebene Übergewicht entschwindet nicht dadurch, dass der eigentliche Prozess der Besetzung des Schiedsgerichts auf höhere Ebenen abstrahiert wird. Das konkrete Übergewicht mag sich zwar schmälern. Auf ein besonders qualifiziertes Übergewicht kommt es im Rahmen des § 1034 Abs. 2 ZPO jedoch gerade nicht an. Lässt sich so ein Übergewicht feststellen, kommt es auf eine Lagerzuordnung nicht mehr an. Erst dort, wo die Parteien gleichberechtigten Einfluss auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts haben, kann ein Übergewicht der einen Partei ausnahmsweise doch bestehen, wenn die zur Besetzung auserkorene Stelle dieser Partei näher steht als der anderen, mithin also ihrem Lager zuzuordnen ist. Liegt ein Fall des § 1034 Abs. 2 ZPO vor, kommt der benachteiligten Partei ein Wahlrecht zu. Sie kann das Schiedsgericht unter Mithilfe des staatlichen Gerichts neu besetzen lassen. Ebenso kann sie die Besetzung des Schiedsgerichts akzeptieren. Auf die Wirksamkeit der zugrundeliegenden Schiedsvereinbarung i. e. S. hat das Vorliegen eines Falles des § 1034 Abs. 2 ZPO allerdings keinen Einfluss. Auch die das Übergewicht begründende Schiedsverfahrensvereinbarung ist nicht unwirksam.

§ 2 Das Vorliegen „echter Schiedsgerichtsbarkeit“ als Anwendungsvoraussetzung des § 1034 Abs. 2 ZPO und die Auswirkungen der Norm auf diesen Begriff Die Vorschriften des Schiedsverfahrensrechts sind nicht allein deswegen anwendbar, weil zwei Parteien sich auf einen Entscheidungskörper zur Streitbeilegung geeinigt haben, den sie „Schiedsgericht“ nennen.132 Die Regeln des Schiedsverfahrensrechts sind nur anwendbar, wenn es sich bei dem, auf das die Parteien sich geeinigt haben, tatsächlich um etwas handelt, was die §§ 1025 ff. ZPO als Schiedsgericht verstehen. Für diesen Fall wird dann von einem echten 132 BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 211; OLG München, Beschl. v. 24.08.2010 – 34 Sch 21/10, NJOZ 2011, 413, 415; OLG München, Beschl. v. 28.01.2015 – 34 SchH 16/14, NJOZ 2015, 1104, 1105; Kröll, ZIP 2005, 13, 15 m.w. N.; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, vor § 1025 Rn. 11. Gleiches gilt selbstverständlich auch anders herum, vgl. OLG Köln, Beschl. v. 16.11.2012 – 19 Sch 24/12, BeckRS 2013, 03938.

§ 2 „Echte Schiedsgerichtsbarkeit‘‘ als Anwendungsvoraussetzung

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Schiedsgericht gesprochen.133 § 1034 Abs. 2 ZPO wirkt sich nicht nur auf die Wirksamkeitskontrolle von Schiedsvereinbarungen, sondern auch auf den Begriff des echten Schiedsgerichts aus. Diese Auswirkungen gilt es darzustellen. Dazu sind zunächst Bedeutung und Herkunft des Begriffs zu verstehen. Vor diesem Hintergrund wird ein Blick auf seinen Inhalt und die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf ihn geworfen.

A. Bedeutung des Begriffs der echten Schiedsgerichtsbarkeit Schiedsgerichtsbarkeit ist eine auf der privatautonomen Entscheidung der Parteien beruhende, der staatlichen Gerichtsbarkeit gleichwertige, abschließende Streitbeilegungsalternative.134 Als solche erkennt sie der Staat auch an, indem er die Entscheidungen der privaten Schiedsgerichtsbarkeit an die Stelle staatlicher Entscheidungen treten lässt.135 Echte Schiedsgerichtsbarkeit ist deshalb materielle Rechtsprechung.136 Für inländische Schiedssprüche gilt dies sogar ganz unmittelbar, indem ihnen gemäß § 1055 ZPO die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils beigemessen wird.137 Die materielle Rechtskraftwirkung eines ausländischen Schiedsspruchs bestimmt sich zwar nach dem jeweils anwendbaren Schiedsverfahrensrecht.138 Darüber hinaus bedürfen ausländische Schiedssprüche der Anerkennung gemäß § 1061 ZPO. Dies steht ihrem Charakter als materielle Rechtsprechung jedoch nicht entgegen, gilt gemäß § 328 ZPO vielmehr grundsätzlich auch für Entscheidungen ausländischer staatlicher Gerichte. 133 S. bspw. BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 212; Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 37. 134 Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228. 135 BGH, Urt. v. 03.07.1975 – III ZR 78/73, BGHZ 65, 59, 61; BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 211; BGH, Urt. v. 23.04.2013 – II ZR 74/ 12, BGHZ 197, 162, 168. 136 St. Rspr.: BGH, Urt. v. 19.12.1968 – VII ZR 83/66, VII ZR 84/66 – Warenverein der Hamburger Börse, BGHZ 51, 255, 258; BGH, Urt. v. 05.11.1970 – VII ZR 31/69, BGHZ 54, 392, 395; BGH, Urt. v. 03.07.1975 – III ZR 78/73, BGHZ 65, 59, 61; BGH, Urt. v. 15.05.1986 – III ZR 192/84, BGHZ 98, 70, 72; in BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 211 sprach der BGH von „Rechtsprechung im weiteren Sinne“; ebenso OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.05.2005 – 8 Sc 1/04, SchiedsVZ 2005, 262, 263; BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268 spricht aber wieder von „materieller Rechtsprechung“; Longrée/Putzier, MDR 2019, 391, 392; Prütting, in: FS Schlosser, S. 706, 707 f.; Wolf/Eslami, in: BeckOKZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1025 Rn. 1. Rechtsprechung im materiellen Sinne meint einen Akt, durch den Ungewissheit über das Recht durch einen unbeteiligten Dritten mit Anspruch auf Letztverbindlichkeit beseitigt wird. Grundsätzlich ist Rechtsprechung in diesem Sinne gemäß Art. 92 GG den Richtern anvertraut. Siehe hierzu Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 91. Erg.-Lfg. 2020, Art. 92 Rn. 35. 137 Longrée/Putzier, MDR 2019, 391, 392. 138 Wilske/Markert, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, 31. Ed., Stand: 01.12.2018, § 1055 Rn. 2.1.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Dem Charakter der Schiedsgerichtsbarkeit als gleichwertiger und abschließender Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit trägt das Schiedsverfahrensrecht in mehrfacher Hinsicht Rechnung. Einerseits schützt es insbesondere durch seine Formvorschrift in § 1031 ZPO die Parteien vor einer unüberlegten Einigung auf die Schiedsgerichtsbarkeit. Sind die Parteien hingegen einmal wirksam durch privatautonome Einigung in die Schiedsgerichtsbarkeit eingetreten, so schützt das Schiedsverfahrensrecht den Zweck der Schiedsgerichtsbarkeit, eine alternative, abschließende Streitentscheidungsalternative zu sein, indem es die Kontrolle des Schiedsspruchs als dem Ergebnis dieses alternativen Mechanismus durch die staatlichen Gerichte auf ein Mindestmaß reduziert. Den staatlichen Gerichten kommt dann nur noch die Aufgabe der Überwachung der Einhaltung ganz grundlegender Standards zu. Dies gilt nicht nur in Bezug auf den Schiedsspruch als Ergebnis des Verfahrens, sondern schon für den Einfluss der staatlichen Gerichtsbarkeit auf das Verfahren selbst. Soll die Entscheidung des Schiedsgerichts als materielle Rechtsprechung die staatliche Rechtsprechung ersetzen, muss das Schiedsgericht auch die grundlegenden Anforderungen, die an staatliche Gerichte zu stellen sind, erfüllen.139 Nur dann kann es die staatliche Gerichtsbarkeit ersetzen und ausschließen.140 Nur dann unterfällt es den Regeln der §§ 1025 ff. ZPO.141 Nur dann ist das Schiedsgericht ein echtes Schiedsgericht. Der Begriff der echten Schiedsgerichtsbarkeit dient also der Abgrenzung zwischen der unter die Vorschriften der §§ 1025 ff. ZPO fallenden Schiedsgerichtsbarkeit, die echte Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit sein möchte und ist, und allen anderen Formen von Entscheidungsfindungs- oder Schlichtungsprozessen. Welche Anforderungen nun aber zu stellen sind, damit von einem Schiedsgericht als einem unter die Normen der §§ 1025 ff. ZPO fallenden echten Schiedsgericht gesprochen werden kann, ist freilich nicht ganz klar, weil gesetzlich nicht geregelt.

B. Ursprung des Begriffs: Vereins- und Verbandswesen Die größte praktische Relevanz und ihren Ursprung hat die Abgrenzung für das Vereins- und Verbandswesen und dort auftretende vereins- oder verbandsinterne Streitigkeiten.142 Weil Vereine und Verbände oftmals über interne Prozesse für 139 BGH, Urt. v. 03.07.1975 – III ZR 78/73, BGHZ 65, 59, 62; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229; Kröll, ZIP 2005, 13, 15; Longrée/Putzier, MDR 2019, 391, 392; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 19. 140 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268. 141 BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 11/94, BGHZ 128, 93, 110; OLG München, Beschl. v. 28.01.2015 – 34 SchH 16/14, NJOZ 2015, 1104, 1105. 142 Vgl. OLG München, Beschl. v. 24.08.2010 – 34 Sch 21/10, NJOZ 2011, 413, 415; Kröll, ZIP 2005, 13; Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 517. Haas/Neumayer,

§ 2 „Echte Schiedsgerichtsbarkeit‘‘ als Anwendungsvoraussetzung

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solche Streitigkeiten verfügen, die gerne als Schiedsverfahren bezeichnet werden, ist typischerweise hierbei zwischen echter Schiedsgerichtsbarkeit und bloßem verbandsinternen Entscheidungs- beziehungsweise Schlichtungsprozess abzugrenzen143, wenn die von der in der Vereins- oder Verbandssatzung eingerichteten Institution erlassene Entscheidung mit Hilfe staatlicher Gerichte vollstreckt werden soll. Denn dann stellt sich typischerweise die Frage, nach welchen Vorschriften sich diese Vollstreckung richtet und in welchem Umfang das staatliche Gericht die Entscheidung des in der Satzung benannten Organs überprüfen kann beziehungsweise muss. Im Gegensatz zur echten Schiedsgerichtsbarkeit handelt es sich bei bloßen Vereins- oder Verbandsgerichten um verbandsinterne Organe, denen „in Ausübung der autonomen Verbänden zustehenden Befugnis zur inneren Selbstorganisation die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen gegen die der Verbandsstrafgewalt unterworfenen Personen zugewiesen worden ist“ 144. Als solche verbandsinternen Organe sind sie gerade nicht Teil einer externen Schiedsgerichtsbarkeit, weshalb die Vorschriften der §§ 1025 ff. ZPO keine Anwendung finden.145

I. Entscheidung vereins- oder verbandsinterner Streitigkeiten durch Schiedsgerichte Es ist nahezu unumstritten, dass es grundsätzlich möglich ist, vereins- oder verbandsinterne Streitigkeiten in der Satzung des Vereins oder Verbands auf ein echtes Schiedsgericht zu übertragen.146 Die vereins- oder verbandsintern auftretenden Streitigkeiten sind regelmäßig objektiv schiedsfähig.147 Handelt es sich hingegen um Streitigkeiten über individuelle Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedern, die ihre Grundlage nicht im Mitgliedschaftsverhältnis zum Vereinoder Verband haben, können diese von einer satzungsmäßigen Schiedsklausel nicht erfasst sein.148

NZG 2017, 881 sprechen von ca. 600.000 Vereinen und 400.000 durch „Vereinsschiedsgerichte“ entschiedene Streitigkeiten alleine in Deutschland. 143 OLG München, Beschl. v. 24.08.2010 – 34 Sch 21/10, NJOZ 2011, 413, 415; Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 517; Kröll, ZIP 2005, 13, 14; Voit, in: Musielak/ Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 19. 144 BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 11/94, BGHZ 128, 93, 110. 145 Allg. M.: BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 11/94, BGHZ 128, 93, 110; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, vor § 1025 Rn. 11. 146 Kröll, ZIP 2005, 13 m.w. N.; ausdrücklich zum Beispiel auch OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.05.2005 – 8 Sc 1/04, SchiedsVZ 2005, 262, 263; BGH, Beschl. v. 09.05.2018 – I ZB 53/17, NJW-RR 2018, 1402, 1403 Rn. 12. 147 Kröll, ZIP 2005, 13. 148 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rn. 12.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Bis heute umstritten ist jedoch, ob es sich bei einem in einer Vereins- oder Verbandssatzung festgeschriebenen Schiedsgericht um ein vertragliches Schiedsgericht im Sinne des § 1029 ZPO oder um ein außervertragliches Schiedsgericht im Sinne des § 1066 ZPO handelt.149 Maßgebliche Bedeutung hat diese Unterscheidung insbesondere für die Anwendbarkeit des Formerfordernisses des § 1031 ZPO. 1. Bedeutung der Einordnung als vertragliches oder außervertragliches Schiedsgericht § 1029 ZPO regelt die Einsetzung von Schiedsgerichten auf vertraglicher Grundlage. Die vertragliche Einigung zur Schiedsgerichtsbarkeit ist die Schiedsvereinbarung. Weil Schiedsgerichtsbarkeit die privatautonome Entscheidung hin zu einem alternativen Streitbeilegungsmechanismus ist und die vertragliche Einigung die Grundform der Ausübung der Privatautonomie, stellt die Einsetzung eines Schiedsgerichts mittels Schiedsvereinbarung die Grundform der Einsetzung eines Schiedsgerichts dar. Für sie gilt die Formvorschrift des § 1031 ZPO. § 1066 ZPO hingegen betrifft sogenannte außervertragliche Schiedsgerichte, die entgegen § 1029 ZPO nicht durch vertragliche Vereinbarung, sondern durch Verfügung und somit durch einseitigen privatrechtlichen Akt eingesetzt werden.150 Ausdrücklich nennt § 1066 ZPO die Einsetzung eines Schiedsgerichts durch letztwillige Verfügung. Darüber hinaus kann ein Schiedsgericht aber auch durch eine „andere nicht auf Vereinbarung beruhende Verfügung“ eingesetzt werden. Für außervertragliche Schiedsgerichte gelten die Vorschriften des 10. Buches der ZPO über das schiedsrichterliche Verfahren gemäß § 1066 ZPO dann „entsprechend“. Bei der Frage, ob eine Norm des 10. Buches Anwendung auch auf ein außervertragliches Schiedsgericht findet, ist insbesondere danach zu fragen, ob die Norm, die angewendet werden soll, notwendigerweise eine Vereinbarung voraussetzt.151 Eben hierin liegt die Bedeutung dieser Unterscheidung. Denn weil die Vorschriften des 10. Buches eben „nur“ „entsprechend“ anzuwenden sind, ergeben sich Unterschiede, ordnet man ein Schiedsgericht als vertraglich oder aber außervertraglich eingesetztes ein. So soll insbesondere die Formvorschrift des § 1031 ZPO nach ganz herrschender Ansicht nur auf vertragliche, nicht aber auf außervertragliche Schiedsgerichte

149

Kröll, ZIP 2005, 13. Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1066 Rn. 1; vgl. Longrée/Putzier, MDR 2019, 391, 392. 151 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1066 Rn. 23; Saenger, in: Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 1066 Rn. 10; Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1066 Rn. 10. 150

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Anwendung finden.152 Über die Vorschriften des 10. Buches hinaus ist teilweise auch die Anwendbarkeit der Regel über die Einbeziehung von AGB abgelehnt worden, weil diese Schutzmechanismen auf individualvertragliche Austauschverhältnisse zugeschnitten seien.153 Bei einer Einordnung in § 1066 ZPO soll Konsequenz darüber hinaus sein, dass das Schiedsgericht auch entgegen einer ablehnenden Minderheit eingeführt werden kann.154 Dies gilt nach Ansicht des BGH seit der Körbuch-Entscheidung im Jahr 2000 jedoch jedenfalls nicht, wenn die Mitglieder für die Berufsausübung auf die Mitgliedschaft in einem Monopolverband faktisch angewiesen sind. Ob dies auch sonst gilt, ließ der BGH offen.155 2. Vereins- oder Verbandsschiedsgerichte als vertragliche oder außervertragliche Schiedsgerichte Bis heute umstritten ist, ob es sich bei einem in einer Vereins- oder Verbandssatzung festgeschriebenen Schiedsgericht um ein vertragliches oder außervertragliches Schiedsgericht handelt.156 Der Gesetzgeber des neuen Schiedsverfahrensrechts hat die Frage entgegen einer Tendenz der für die Ausarbeitung des Gesetzes zuständigen Kommission offengelassen.157 Die ganz herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung ordnet satzungsmäßige Schiedsgerichte insgesamt als außervertragliche Schiedsgerichte im Sinne des § 1066 ZPO ein.158 Die

152 Anders, in: Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO, 79. Aufl. 2021, § 1066 Rn. 1; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1066 Rn. 25; Haas, SchiedsVZ 2007, 1, 3; Kröll, ZIP 2005, 13, 14; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1031 Rn. 16 und § 1066 Rn. 23 mit weiteren Beispielen; Saenger, in: Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 1066 Rn. 10; a. A. Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1066 Rn. 7; Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1066 Rn. 5. Beachte aber Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rn. 20, der satzungsmäßige Schiedsvereinbarungen zwar als vertragliche einordnet, auf diese § 1031 ZPO aber dennoch nicht angewendet wissen will. 153 Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 412. 154 Siehe nur Kröll, ZIP 2005, 13, 14; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rn. 8 mit jew. entspr. Nw. 155 BGH, Urt. v. 03.04.2000 – II ZR 373/98 – Körbuch, BGHZ 144, 146, 148 ff.; vgl. auch Kröll, ZIP 2005, 13, 14 und Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rn. 10 mit Nw. der entspr. Literaturmeinung vor der Entscheidung des BGH. 156 Ausführlich Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 60 ff. 157 So Kröll, ZIP 2005, 13 f.; auch Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1066 Rn. 8. 158 BGH, Urt. v. 22.05.1967 – VII ZR 188/64, BGHZ 48, 35, 43; BGH, Urt. v. 25.10.1983 – K ZR 27/82, BGHZ 88, 314, 316; BGH, Urt. v. 03.04.2000 – II ZR 373/ 98 – Körbuch, BGHZ 144, 146, 148 (jeweils zum mit § 1066 ZPO wortgleichen § 1048 ZPO a. F.); BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 211; OLG

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Satzung muss dann aber das Wesentliche zu ihrer Zusammensetzung enthalten.159 Argument der herrschenden Meinung ist der nichtvertragliche Charakter der Satzung. Gleiches gilt insoweit für Gesellschaftsverträge, mit Ausnahme solcher für Personengesellschaften.160 Im Kern geht die herrschende Meinung aber insbesondere davon aus, dass das Gesetz mit der Unterscheidung zwischen § 1029 ZPO einerseits und § 1066 ZPO andererseits den verschiedenen Arten entspricht, wie eine Bindungswirkung entstehen kann. Einerseits mit, andererseits ohne ausdrückliche Unterwerfungserklärung des Betroffenen.161 Eine Mindermeinung hingegen meint, auch Satzungen und Vereinsbeitritte seien rechtsgeschäftlicher Natur, weshalb auch Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen und Vereinssatzungen insgesamt § 1029 ZPO unterfallen sollen, nicht zuletzt, damit die Schutzvorschrift des § 1031 ZPO Anwendung finden kann.162 Allein mit der Einordnung satzungsmäßiger Schiedsgerichte als vertragliche oder außervertragliche Schiedsgerichte ist aber noch nichts darüber gesagt, wann es sich bei einem solchen satzungsmäßig eingesetzten Schiedsgericht um ein echtes Schiedsgericht i. S. d. §§ 1025 ff. ZPO handelt.163

Braunschweig, Beschl. v. 12.05.2005 – 8 Sc 1/04, SchiedsVZ 2005, 262, 263; OLG Köln, Beschl. v. 16.11.2012 – 19 Sch 24/12, BeckRS 2013, 03938; Anders, in: Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO, 79. Aufl. 2021, § 1066 Rn. 7; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1066 Rn. 2 m.w. N.; Haas, ZGR 2001, 325, 325 f.; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 411; Kröll, ZIP 2005, 13, 14; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1066 Rn. 8; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1066 Rn. 7. Siehe auch Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 63 f. und die Nw. bei Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rn. 8 Fn. 32 und 33, der der h. M. und Rspr. jedoch nicht folgt. 159 Kröll, ZIP 2005, 13, 14; vgl. Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rn. 8. 160 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1066 Rn. 8; Voit, in: Musielak/ Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1066 Rn. 7; vgl. Haas, SchiedsVZ 2007, 1 ff. 161 Ausführlich Haas, SchiedsVZ 2007, 1 ff., der deshalb für die Abgrenzung zwischen § 1029 und § 1066 ZPO allein die Frage für entscheidend hält, ob der die Entscheidungszuständigkeit des Schiedsgerichts begründende Akt eher mit dem Grundgedanken der vertraglichen Einigung in § 1029 oder dem Grundgedanken der testamentarischen Anordnung in § 1066 ZPO vergleichbar ist; so schon Haas, ZGR 2001, 325, 326; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 411; in diesem Sinne auch Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rn. 20. 162 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 32 Rn. 5 m.w. N.; Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1025 Rn. 7; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rn. 20 der die Formvorschrift des § 1031 ZPO aber dennoch nicht anwendet wissen möchte; ausführlich Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 61 f. 163 Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1025 Rn. 8.

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II. Relevanz der Abgrenzung: Prüfungsumfang Die Entscheidung, ob es sich bei einem in einer Vereins- oder Verbandssatzung angeordneten Schiedsgericht um ein echtes Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO handelt oder nicht, hat erhebliche Konsequenzen insbesondere für den Umfang der Kontrolle der Entscheidung des Schiedsgerichts durch das staatliche Gericht.164 Handelt es sich um ein echtes Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO, dann finden die dortigen Vorschriften als lex specialis Anwendung. Während die Entscheidung eines echten Schiedsgerichts dadurch lediglich in dem sehr beschränkten Umfang des § 1059 ZPO bzw. des § 1061 ZPO, je nach Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens165, überprüft werden kann, unterliegen Entscheidungen von Vereins- oder Verbandsschiedsgerichten einer zwar ebenso beschränkten aber doch deutlich weitgehenderen Kontrolle nach den allgemeinen Vorschriften166.

III. Abgrenzung von Vereins- oder Verbandsgericht zu echtem Schiedsgericht Unter welchen Bedingungen es möglich ist, ein Schiedsgericht in einer Satzung einzusetzen, ist eine andere Frage als die, ob es sich bei dem durch die Satzung wirksam eingesetzten Gericht um ein echtes Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO handelt.167 Nur wenn es sich bei dem satzungsmäßigen Gericht um ein echtes Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO handelt, finden die dortigen Vorschriften auf die Einsetzung des Schiedsgerichts, das Schiedsverfahren und den Schiedsspruch Anwendung. Dies zeigt gleichzeitig die gegenseitige Abhängigkeit beider Fragen voneinander: Ohne satzungsmäßiges Schiedsge164

Hierzu Longrée/Putzier, MDR 2019, 391, 394 f. S. zum Begriffs des echten Schiedsgerichts im Falle eines ausländischen Schiedsverfahrensstatuts unten Kapitel 4 § 2 C. II. 1., s. auch Kröll, ZIP 2005, 13, 14. 166 BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 11/94, BGHZ 128, 93, 110: Entscheidungen von Vereins- oder Verbandsschiedsgerichten sind „auf ihre Begründetheit im Gesetz und in wirksamen – ihrerseits der Inhaltskontrolle auf ihre Angemessenheit unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben unterliegenden – Bestimmungen des maßgeblichen vereinsinternen Regelwerks [. . .], die Einhaltung eines elementaren rechtsstaatlichen Normen und der eigenen Verfahrensordnung des Verbandes entsprechenden Verfahrens, die Fehlerfreiheit der dem Spruch zugrundeliegenden Tatsachenermittlungen sowie bei sozial mächtigen Verbänden [. . .] auf ihre Billigkeit (sonst auf grobe Unbilligkeit)“ zu prüfen; BGH, Urt. v. 30.05.1983 – II ZR 138/82, BGHZ 87, 337, 343 f. unter Änderung der Rechtsprechung bzgl. der Nachprüfbarkeit von Tatsachenermittlungen m. entspr. Nw.; BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 211 m.w. N.; BGH, Urt. v. 23.04.2013 – II ZR 74/12, BGHZ 197, 162, 168; BGH, Beschl. v. 09.05.2018 – I ZB 53/17, NJW-RR 2018, 1402, 1403 Rn. 11; OLG Köln, Beschl. v. 16.11.2012 – 19 Sch 24/12, BeckRS 2013, 03938, II. A. 1.; Elsing, JR 2005, 199, 200; Kröll, ZIP 2005, 13, 14; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1066 Rn. 21b; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1025 Rn. 11; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 69. 167 S. o. Kapitel 4 bei Fn. 163. 165

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richt kein echtes Schiedsgericht, ohne echtes Schiedsgericht kein satzungsmäßiges Schiedsgericht. Es bleibt insoweit nichts anderes, als unter der Prämisse seiner wirksamen Einsetzung die Frage nach dem Vorliegen eines echten Schiedsgerichts oder eines lediglich internen Entscheidungs- oder Schlichtungsprozesses zu beantworten.168 Für letztere wird immer wieder von Vereins- oder Verbandsschiedsgerichtsbarkeit gesprochen, die von der echten Schiedsgerichtsbarkeit abzugrenzen sei, ohne dass damit also zwangsläufig gemeint wäre, dass es sich gleichzeitig auch um ein echtes Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO handelt.169 Dieser Begriffsgebrauch ist durchaus verwirrend.170 Insbesondere deswegen, weil in beiden voneinander abzugrenzenden Begrifflichkeiten das Wort „Schiedsgericht“ vorkommt. Zur Verdeutlichung spricht diese Arbeit von echten Schiedsgerichten auf der einen Seite, von Vereins- oder Verbandsgerichten, die gerade keine echten Schiedsgerichte darstellen, auf der anderen Seite.171

IV. Der Begriff des echten Schiedsgerichts hat Bedeutung auch außerhalb des § 1066 ZPO Die Begrifflichkeit des echten Schiedsgerichts hat ihre größte Bedeutung bei der Abgrenzung zu Vereins- beziehungsweise Verbandsgerichten im Zusammenhang mit satzungsmäßigen Schiedsklauseln und deswegen nach herrschender Meinung im Rahmen des § 1066 ZPO, weil satzungsmäßige Schiedsklauseln solche des § 1066 ZPO sind172. Es stellt sich deshalb die Frage, ob sich die Bedeutung der Begrifflichkeit auf außervertragliche Schiedsvereinbarungen des § 1066 ZPO beschränkt oder ihr darüberhinausgehende Bedeutung zukommt. 1. Notwendigkeit einer Abgrenzung zwischen Vereinsbeziehungsweise Verbandsgericht zu echtem Schiedsgericht im Rahmen des § 1029 Abs. 1 ZPO? Teilweise ist die Abgrenzung zwischen Vereins- beziehungsweise Verbandsgerichtsbarkeit und echter Schiedsgerichtsbarkeit auch im Rahmen des § 1029 168 Das gilt gleichsam für die Fälle der Einsetzung durch ein vertragliches Schiedsgericht. Hier ist die Frage des Vorliegens eines echten Schiedsgerichts unter der Prämisse der Wirksamkeit der vertraglichen Schiedsvereinbarung zu beantworten. Zur Frage der Geltung des Begriffs des echten Schiedsgerichts auch für vertragliche Schiedsgerichte außerhalb der Vereins- und Verbandsschiedsgerichtsbarkeit unten Kapitel 4 § 2 B. IV. 169 Vgl. bspw. Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1025 Rn. 7. Dies ebenfalls hervorhebend Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rn. 7. 170 So auch Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 240. 171 So z. B. auch Jahnke, Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Schiedsgerichtsbarkeit, S. 15; Kröll, ZIP 2005, 13; Longrée/Putzier, MDR 2019, 391; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1066 Rn. 21 ff.; vgl. Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rn. 7. 172 S. o. Kapitel 4 § 2 B. I. 2.

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Abs. 1 ZPO vorgenommen worden. Erst jüngst vom BGH in seiner Entscheidung in der Rechtssache Pechstein. Nur auf den ersten Blick jedoch wirkt sich die Abgrenzung dabei außerhalb des § 1066 ZPO aus. Der BGH hat in vorgenannter Entscheidung festgestellt, dass die Parteien eine Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1029 Abs. 1 ZPO geschlossen hätten, dennoch aber danach gefragt, ob es sich bei dem dort vereinbarten Gericht um ein Vereins- beziehungsweise Verbandsgericht oder um ein echtes Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO handelt.173 Diese Verknüpfung der Abgrenzungsfrage mit der vertraglichen Schiedsvereinbarung des § 1029 Abs. 1 ZPO mag verwirren. Denn die Abgrenzung zwischen Vereins- oder Verbandsgericht auf der einen Seite und echtem Schiedsgericht auf der anderen Seite betrifft regelmäßig Fälle, in denen das Schiedsgericht satzungsmäßig eingerichtet ist. Wenn sich die Einrichtung satzungsmäßiger Schiedsgerichte nach ganz herrschender Meinung aber nach § 1066 ZPO richtet, handelt es sich bei der Frage der Abgrenzung um eine Frage innerhalb des § 1066 ZPO. Deswegen verwirrt die Verknüpfung der Abgrenzungsfrage und der Norm des § 1029 Abs. 1 ZPO. Wenn zwischen den Parteien aber eine vertragliche Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1029 Abs. 1 ZPO geschlossen ist, dann findet die Abgrenzung außerhalb des § 1066 ZPO statt. Die Verknüpfung der Abgrenzung mit § 1029 Abs. 1 ZPO ist deswegen nicht falsch, aber eben verwirrend und bedarf einiger erklärender Sätze. Genau genommen lag in diesem Fall nämlich beides vor, nämlich ein satzungsmäßiges, außervertragliches Schiedsgericht, auf das die Parteien sich mittels vertraglicher Schiedsvereinbarung geeinigt haben.174 Darlegen lässt sich das Gemeinte am einfachsten unter Bezugnahme auf die Sachverhalte der o. g. Entscheidung.175 Im Wesentlichen ging es um die Unterwerfung einer Sportlerin unter die von einem Sportverband organisierte Schiedsgerichtsbarkeit. Die Sportlerin aber war nicht Mitglied des die Schiedsgerichtsbarkeit in seiner Satzung etablierenden Verbands.176 Diese Organisationsstruktur, in der der einzelne Sportler Mitglied eines Sportvereins ist, der wiederum Mitglied eines Verbands ist, ist typisch für den Sportsektor, aber keinesfalls auf diesen beschränkt. Dies bedeutet aber nicht, dass sich der einzelne Sportler nicht dennoch der vom Verband in der Satzung etablierten Gerichtsbarkeit, gleichgültig, ob es sich dabei um Verbandsgerichtsbarkeit oder echte Schiedsgerichtsbar173 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268 Rn. 23; implizit auch BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 11/94, BGHZ 128, 93, 109 f. 174 Vgl. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 559. Eine Aufschlüsselung der einzelnen Schiedsvereinbarungen im Fall Pechstein findet sich bei Michaelis, SchiedsVZ 2019, 331, 333 f. Ausführlich zu den Bindungsmöglichkeiten des Nichtmitglieds eines Sportverbands Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 64 ff. 175 Ausführliche Zusammenfassung bereits oben Kapitel 1 § 1. 176 Vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2267; BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 11/94, BGHZ 128, 93, 94.

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keit im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO handelt, unterwerfen könnte. Vielmehr hält die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur eine Unterwerfung für möglich.177 Eine solche Unterwerfung aber kann dann nur durch vertragliche Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1029 Abs. 1 ZPO erfolgen.178 Entscheidend ist es also, die Parteien der jeweiligen Schiedsvereinbarung auseinander zu halten. Die außervertragliche Schiedsvereinbarung in der Satzung des Verbandes gilt zwischen diesem und seinen Mitgliedern, typischerweise den Sportvereinen oder aber anderen auf tieferer Ebene stehenden Verbänden. Mittels der vertraglichen Schiedsvereinbarung hingegen unterwirft sich das Nichtmitglied der vom Verband in der Satzung zu seinen Mitgliedern eingerichteten Schiedsgerichtsbarkeit. Ob das Nichtmitglied und der Verband sich in ihrer vertraglichen Schiedsvereinbarung aber auf die Streitentscheidung durch ein echtes Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO geeinigt haben, hängt davon ab, ob es sich bei dem in der Satzung des Verbandes gegenüber seinen Mitgliedern eingesetzten Schiedsgericht um ein solches echtes Schiedsgericht oder um ein bloßes Verbandsgericht handelt. Genau genommen bleibt die Abgrenzung zwischen Vereins- beziehungsweise Verbandsgericht und echtem Schiedsgericht also eine Frage des § 1066 ZPO, auf deren Entscheidung es bloß im Rahmen der Prüfung des § 1029 Abs. 1 ZPO ankommt. 2. Überlegungen zur dogmatischen Verortung der Begrifflichkeit Dass der Begrifflichkeit auch Bedeutung außerhalb des § 1066 ZPO zukommen kann, ergibt sich aus der dogmatischen Verortung der Voraussetzung des Vorliegens eines echten Schiedsgerichts. Die Formulierung insbesondere der Rechtsprechung, ohne das Vorliegen eines echten Schiedsgerichts seien die §§ 1025 ff. ZPO nicht anwendbar,179 hinterlässt den Eindruck als sei das Vorhandensein eines echten Schiedsgerichts eine unangeknüpft vorgelagerte Anwendbarkeitsvoraussetzung. Versuchte man eine Anknüpfung, wäre es denkbar, die Normen der §§ 1025 ff. ZPO dahingehend auszulegen, dass immer dort, wo das Gesetz von einem „Schiedsgericht“ spricht, es ein „echtes Schiedsgericht“ meint. Das Vorliegen eines echten Schiedsgerichts wäre so insbesondere Voraussetzung

177 Siehe nur BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 11/94, BGHZ 128, 93, 96 f. m.w. N. Siehe S. 103 f. zu den typischen Formen der Unterwerfung im Sportbereich durch individuellen Vertrag, Wettkampfmeldung oder Antrag auf generelle Start- oder Spielerlaubnis; Leuschner, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 25 Rn. 60; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, vor § 1025 Rn. 11. 178 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rn. 7 und vor § 1025 Rn. 11; vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268. 179 So bspw. BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 211 und 212 a. E. und f.; Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 32.

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der vertraglichen und der außervertraglichen Schiedsvereinbarung.180 Denn eine vertragliche Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1029 Abs. 1 ZPO liegt nur dann vor, wenn die Parteien alle oder einzelne Streitigkeiten „der Entscheidung durch ein Schiedsgericht“ unterwerfen. § 1066 ZPO erklärt die Vorschriften des 10. Buches der ZPO für auf außervertragliche „Schiedsgerichte“ entsprechend anwendbar. Es ließe sich sagen, beide Normen meinten damit nur „echte Schiedsgerichte“.181 Weil die Einigung auf ein echtes Schiedsgericht Voraussetzung einer Schiedsvereinbarung wäre, wäre sie mittelbar ebenso Voraussetzung aller sich aus der Schiedsvereinbarung ableitenden Rechte und Rechtsbehelfe im 10. Buch der ZPO. Denn sie alle setzen eine wirksame Schiedsvereinbarung voraus. Nachfolgende Überlegungen zeigen aber: Die Notwendigkeit des Vorliegens eines echten Schiedsgerichts ist mehr als eine Voraussetzung der Schiedsvereinbarung. Der Begriff des echten Schiedsgerichts spielt auch an anderer Stelle eine Rolle. Er ist ebenso Voraussetzung eines Schiedsspruchs im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO. Er hat damit insbesondere Bedeutung für das Aufhebungsverfahren des § 1059 Abs. 1 ZPO, der das Vorliegen eines „Schiedsspruchs“ voraussetzt. Ein Schiedsspruch im Sinne des § 1059 Abs. 1 ZPO kann aber nur ein solcher sein, der von einem echten Schiedsgericht erlassen worden ist. Denn nur Schiedssprüche echter Schiedsgerichte können den Schutz des § 1059 ZPO vor einer umfänglichen Prüfung durch das staatliche Gericht genießen. Ob es sich bei dem Schiedsgericht im Einzelfall um ein echtes Schiedsgericht handelt, ist deshalb vom staatlichen Gericht von Amts wegen zu prüfen.182 Im Aufhebungsverfahren des § 1059 ZPO stellt die Frage so eine besondere Prozessvoraussetzung dar.183 Nun ließe sich wiederum sagen: Wenn das Vorliegen eines echten Schiedsgerichts Voraussetzung der Schiedsvereinbarung ist und eine Schiedsvereinbarung Voraussetzung eines Schiedsspruchs, dann ist das Vorliegen eines echten Schiedsgerichts mittelbar auch Voraussetzung eines Schiedsspruchs. Betrachtet man dagegen § 1059 ZPO, zeigt sich, dass das Vorliegen eines echten Schiedsgerichts schon Voraussetzung der Eröffnung eines Aufhebungsverfah180 Vgl. bei Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 35, der feststellt, der BGH sei zum Ergebnis gekommen, es handle sich um eine „echte Schiedsvereinbarung“. 181 Nicht eindeutig bei Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 40, der davon spricht, die Abgrenzung werde auch auf Schiedsvereinbarungen angewandt. 182 BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 210; OLG München, Beschl. v. 24.08.2010 – 34 Sch 21/10, NJOZ 2011, 413, 415. 183 BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 210 m.w. N.; OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.05.2005 – 8 Sc 1/04, SchiedsVZ 2005, 262, 263; OLG Dresden, Beschl. v. 10.11.2005 – 11 Sch 0017/05 (erhältlich in juris), Rn. 4; OLG München, Beschl. v. 24.08.2010 – 34 Sch 21/10, NJOZ 2011, 413, 415; Elsing, JR 2005, 199, 200.

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rens nach § 1059 Abs. 1 ZPO und deshalb auch besondere Prozessvoraussetzung ist. Zwar ermöglicht § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) ZPO die Prüfung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung. Qualifizierte man den Begriff der „echten Schiedsgerichtsbarkeit“ allein als Voraussetzung der Schiedsvereinbarung, ließe sich das Vorhandensein eines echten Schiedsgerichts an dieser Stelle also prüfen. Gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) ZPO jedoch nach dem für sie maßgeblichen Recht, welches mit dem im Falle des § 1059 ZPO anwendbaren deutschen Schiedsverfahrensrecht keinesfalls konform gehen muss.184 Ordnete man den Begriff der echten Schiedsgerichtsbarkeit also allein als Wirksamkeitsvoraussetzung der Schiedsvereinbarung ein, bedeutete dies, dass sich die Frage, ob es sich um ein echtes Schiedsgericht handelt oder nicht, im Falle des § 1059 ZPO und der Anwendbarkeit eines ausländischen Rechts auf die Schiedsvereinbarung nach diesem Recht entscheiden müsste. Gleiches würde auch für die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO gelten. Wird sie in einem Verfahren erhoben, prüft das staatliche Gericht das Vorliegen einer Schiedsvereinbarung. Auch hierbei nach dem auf sie anwendbaren Recht.185 Dass dies dem Gedanken des § 1059 ZPO zuwiderläuft, ist nahezu selbsterklärend. Denn begreift man das deutsche Schiedsverfahrensrecht als beiderseitiges Schutzrecht für die Parteien einerseits, für das Verfahren und sein Ergebnis andererseits186, dann ist klar, dass dieser Schutz nur solchen Verfahren zukommen kann, die der Gesetzgeber als eben schutzwürdig empfand. Das sind gerade nur solche, die aufgrund ihrer Gleichwertigkeit zum staatlichen Verfahren eine Anerkennung erhalten sollen, die der des staatlichen Verfahrens nahekommt. Wann dies der Fall ist, kann sich nur aus dem diesen Schutz regelnden deutschen Verfahrensrecht heraus bestimmen. Es kann deshalb nur das deutsche Verfahrensrecht selbst sein, dass darüber entscheidet, wann ein Gericht vorliegt, dass im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO als gleichwertig anzuerkennen ist. Die Frage ob es sich bei dem in Rede stehenden Gericht um ein echtes Schiedsgericht handelt, kann deshalb nicht bloße Voraussetzung der Schiedsvereinbarung sein. Das Vorliegen eines echten Schiedsgerichts ist vielmehr Voraussetzung der Anwendbarkeit des Schiedsverfahrensrechts insgesamt.187 Diese Überlegung mag auf den ersten Blick dogmatisch kleinlich wirken. Aus ihr ergibt sich jedoch eine wichtige Konsequenz, die im weiteren Verlauf nochmal aufgegriffen und vertieft wird188. Und zwar, dass die Frage des Vorliegens 184 Vgl. Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1059 Rn. 15; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 43 Rn. 1. 185 Vgl. Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1032 Rn. 5. 186 Vgl. Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, Vorbem. zu § 1025 Rn. 9 ff. 187 Vgl. Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 233. 188 S. u. Kapitel 4 § 2 C. II., insbesondere bei Fn. 291 und 298.

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eines echten Schiedsgerichts weder abhängig ist von dem auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren materiellen Recht noch dem auf das Schiedsverfahren anwendbaren Verfahrensrecht. Ausgeschlossen ist so, dass ein ausländisches Recht über die Anwendbarkeit deutschen Schiedsverfahrensrechts entscheiden kann. Auch der BGH scheint dies in seiner Entscheidung in der Rechtssache Pechstein so gesehen zu haben. Denn obwohl Schiedsvereinbarungs- und Schiedsverfahrensstatut dem schweizerischen Recht unterlagen, prüfte der BGH das Vorliegen eines echten Schiedsgerichts im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO als Voraussetzung der Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit, unabhängig aber von der Frage der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung.189

V. Zwischenergebnis Die Qualifikation als echtes Schiedsgericht hat ihre Notwendigkeit und ihren Ursprung in der Abgrenzung zu Vereinsgerichten. Die daraus folgende Entscheidung hinsichtlich der Anwendbarkeit der §§ 1025 ff. ZPO hat maßgeblichen Einfluss auf den Prüfungsumfang eines von dem konkreten „Gericht“ erlassenen Spruchs. Die Bedeutung des Begriffs beschränkt sich jedoch nicht auf diese Fälle, die nach herrschender Meinung im Rahmen des § 1066 ZPO verortet sind. Das Vorliegen eines echten Schiedsgerichts stellt vielmehr eine prozessuale Anwendbarkeitsvoraussetzung des 10. Buches der ZPO dar. Daraus ergibt sich insbesondere, dass die Notwendigkeit der Prüfung des Vorliegens eines echten Schiedsgerichts auch dann besteht, wenn die Schiedsvereinbarung oder das Schiedsverfahren einem ausländischen Recht unterliegen. Darüber hinaus ist der Charakter als echtes Schiedsgericht grundsätzlich allein aus deutschem Verfahrensrecht heraus zu bestimmen.

C. Der Begriff des echten Schiedsgerichts Die echte Schiedsgerichtsbarkeit muss, um echte Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit sein zu können, die grundlegenden Anforderungen erfüllen, die an staatliche Gerichte zu stellen sind.190 Selbstverständlich sind dabei die Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit zu berücksichtigen.191 189 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268 Rn. 23 ff.; die Tatsache, dass die Vorinstanz OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 42 die Frage nach dem echten Schiedsgericht offen ließ, dann aber die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung verneinte, zeigt, dass auch sie der Ansicht ist, dass das Vorliegen eines echten Schiedsgerichts eine von der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung getrennte Frage ist. Vgl. auch Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 35, der feststellt, der BGH sei zum Ergebnis gekommen, es handle sich um eine „echte Schiedsvereinbarung“. 190 BGH, Urt. v. 03.07.1975 – III ZR 78/73, BGHZ 65, 59, 62; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229; Kröll, ZIP 2005, 13, 15; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1029 Rn. 19.

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Während die notwendigen Kriterien eines echten Schiedsgerichts im Grunde geklärt sind, ist insbesondere noch ungeklärt, wie sich die Normen des Schiedsverfahrensrechts, die ein Nichtvorliegen eines eigentlich notwendigen Kriteriums gerade voraussetzen, auf den Begriff der echten Schiedsgerichtsbarkeit auswirken.

I. Kriterien eines echten Schiedsgerichts Um nun zu bestimmen, ob es sich bei dem Spruchkörper um ein echtes Schiedsgericht handelt oder nicht, ist die Vereinbarung beziehungsweise Satzung auszulegen.192 Der Bezeichnung durch die Parteien kommt höchstens indizielle Wirkung zu.193 Einzelnen Merkmalen kommt bei dieser Auslegung mehr oder weniger Gewicht zu. Immer wieder wird insoweit zwischen konstitutiven und nicht konstitutiven Merkmalen unterschieden. Während beim Fehlen eines konstitutiven Merkmals ein echtes Schiedsgericht nicht vorliegen kann, sind nicht konstitutive Merkmale zwar charakteristisch für ein echtes Schiedsgericht, aber eben nicht zwingend notwendig. Ihr Fehlen schließt deshalb das Vorliegen eines echten Schiedsgerichts nicht zwingend aus.194 Im Folgenden soll sich auf die Merkmale konzentriert werden, für die eine konstitutive Wirkung diskutiert wird.195 Der Arbeit geht es insoweit nicht um eine vollständige Darstellung der Abgrenzungsmerkmale eines echten Schiedsgerichts. Vielmehr steht der Einfluss des § 1034 Abs. 2 ZPO auf den Begriff der echten Schiedsgerichtsbarkeit im Vordergrund, wofür der Blick auf die Merkmale, die als konstitutiv angesehen werden, ausreicht. Insoweit formuliert der BGH: Ein echtes Schiedsgericht liegt vor, „wenn Rechtsstreitigkeiten unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges der Entscheidung durch eine unabhängige und unparteiliche Instanz unterworfen werden“.196

191 BGH, Urt. v. 03.07.1975 – III ZR 78/73, BGHZ 65, 59, 63; BGH, Urt. v. 15.05.1986 – III ZR 192/84, BGHZ 98, 70, 74. 192 Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228; Kröll, ZIP 2005, 13, 15. 193 Haas/Neumayer, NZG 2017, 881, 882; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228 m.w. N.; Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 37; Kröll, ZIP 2005, 13, 15; Longrée/Putzier, MDR 2019, 391, 392. 194 Kröll, ZIP 2005, 13, 15. 195 Zu nicht konstitutiven Merkmalen s. bspw. BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 11/ 94, BGHZ 128, 93, 108 (Satzung geht selbst nicht von echtem Schiedsgericht aus); BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 213 („typische vereinsinterne Verwaltungsmaßnahme“); OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.05.2005 – 8 Sc 1/04, SchiedsVZ 2005, 262, 264 (Regeln der ZPO für anwendbar erklärt); Kröll, ZIP 2005, 13, 18 f. 196 BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 211 a. E. und f.; BGH, Beschl. v. 09.05.2018 – I ZB 53/17, NJW-RR 2018, 1402, 1403 Rn. 12.

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1. Endgültige und verbindliche Entscheidung durch das Schiedsgericht Ein Schiedsgericht kann nur dann eine gleichwertige Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit darstellen, wenn es verbindlich und unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit entscheiden soll.197 Hierbei handelt es sich unumstritten um ein konstitutives Merkmal echter Schiedsgerichtsbarkeit.198 Dazu kommt es maßgeblich auf die Erforschung des Parteiwillens an.199 Die Endgültigkeit des Ausschlusses kann beispielsweise fehlen bei einer Entscheidung über die Zuständigkeit innerhalb eines Vereins als bloßer vereinsinterner Verwaltungsmaßnahme200 oder bei einer Regelung, die besagt, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts innerhalb des Vereins endgültig und nicht anfechtbar sein soll. Letzteres deswegen, weil die Regelung eine Anfechtung vor den staatlichen Gerichten nicht ausschließt201. Ebenso mag die Endgültigkeit fehlen, wenn die Parteien vereinbaren, dass gegen die Entscheidung des „Schiedsgerichts“ eine „Berufung“ zu den staatlichen Gerichten möglich sein soll.202 Fehlt es an dieser Voraussetzung, handelt es sich nicht um ein echtes Schiedsgericht. 2. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts Die Ausübung durch nichtbeteiligte Dritte stellt nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und des BGH ein Wesensmerkmal richterlicher Tätigkeit dar, weil diese Vorstellung untrennbar mit den Begriffen „Richter“ und „Gericht“ verknüpft und ihnen immanent ist.203 Aufgrund ihres Charakters als materielle 197 BGH, Urt. v. 03.07.1975 – III ZR 78/73, BGHZ 65, 59, 62; BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 212; BGH, Beschl. v. 09.05.2018 – I ZB 53/17, NJW-RR 2018, 1402, 1403 Rn. 12; OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.05.2005 – 8 Sc 1/04, SchiedsVZ 2005, 262, 263; OLG München, Beschl. v. 24.08.2010 – 34 Sch 21/10, NJOZ 2011, 413, 416; OLG Köln, Beschl. v. 16.11.2012 – 19 Sch 24/12, BeckRS 2013, 03938, II. A. 1.; Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 62; Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 517; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228; Kröll, ZIP 2005, 13, 16; Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 28; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, vor § 1025 Rn. 11. 198 Kröll, ZIP 2005, 13, 16. 199 Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228; vgl. Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 62; Kröll, ZIP 2005, 13, 16. 200 BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207; Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 62. 201 BayObLG, Beschl. v. 13.05.2003 – 4 Z Sch 35/02, BeckRS 2003, 30318056; Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 29. 202 Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228. 203 St. Rspr.: S. etwa BVerfG, Beschl. v. 29.04.1954 – 1 BvR 328/52, BVerfGE 3, 377, 381; BVerfG, Beschl. v. 08.02.1967 – 2 BvR 235/64, BVerfGE 21, 139, 145 f.; BVerfG, Beschl. v. 24.03.1976 – 2 BvR 804/75, BVerfGE 42, 64, 78; BGH, Urt. v. 03.07.1975 – III ZR 78/73, BGHZ 65, 59, 62; BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268 Rn. 24; BGH, Urt. v. 15.05.1986 – III ZR 192/84,

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Rechtsprechung, muss dies auch für die Schiedsgerichtsbarkeit gelten.204 Nur dann kann private Schiedsgerichtsbarkeit verfassungsrechtlich zulässig sein.205 Ein Schiedsgericht ist deshalb nur dann ein echtes Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO, wenn es sich bei ihm im Verhältnis zu den Parteien um eine unabhängige und unparteiliche Instanz handelt.206 Gerade der Grundsatz der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des streitentscheidenden Dritten ist von den Besonderheiten des schiedsrichterlichen Verfahrens betroffen, die zu berücksichtigen sind. Das gilt schon ganz allgemein für die Tatsache, dass die Parteien die streitentscheidenden Dritten überhaupt auswählen dürfen.207 Allgemein gesprochen gilt, dass die Anforderungen an die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des streitentscheidenden Dritten niedriger zu bemessen sind, wenn es sich um eine nach Streitentstehung getroffene Schiedsvereinbarung handelt.208 Die nachfolgenden Ausführungen gelten insbesondere für Schiedsvereinbarungen, die vor Streitentstehung geschlossen wurden. Kernbestandteil des Begriffspaars unabhängig und unparteilich, der zur begrifflichen Grundlage jeder Art von Rechtsprechung gehört, ist das Verbot des Richtens in eigener Sache.209 Entscheidend kommt es freilich darauf an, welche BGHZ 98, 70, 72; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229; s. auch Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 3. 204 St. Rspr.: BGH, Urt. v. 19.12.1968 – VII ZR 83/66, VII ZR 84/66 – Warenverein der Hamburger Börse, BGHZ 51, 255, 258; BGH, Urt. v. 05.11.1970 – VII ZR 31/69, BGHZ 54, 392, 395; BGH, Urt. v. 03.07.1975 – III ZR 78/73, BGHZ 65, 59, 62; BGH, Urt. v. 15.05.1986 – III ZR 192/84, BGHZ 98, 70, 72; BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268 Rn. 24; BGH, Beschl. v. 09.05.2018 – I ZB 53/17, NJW-RR 2018, 1402, 1403 Rn. 12. 205 Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, vor § 1025 Rn. 4; Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 91. Erg.-Lfg. 2020, Art. 92 Rn. 88. 206 St. Rspr., s. nur BGH, Urt. v. 19.12.1968 – VII ZR 83/66, VII ZR 84/66 – Warenverein der Hamburger Börse, BGHZ 51, 255, 258; BGH, Urt. v. 05.11.1970 – VII ZR 31/69, BGHZ 54, 392, 395; BGH, Urt. v. 03.07.1975 – III ZR 78/73, BGHZ 65, 59, 61 f.; BGH, Urt. v. 15.05.1986 – III ZR 192/84, BGHZ 98, 70, 72; BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 212; BGH, Urt. v. 23.04.2013 – II ZR 74/ 12, BGHZ 197, 162, 168; BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268; BGH, Beschl. v. 09.05.2018 – I ZB 53/17, NJW-RR 2018, 1402, 1403 Rn. 12; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 29.07.1970 – 18 W 32/70, NJW 1970, 2250, 2251; OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.05.2005 – 8 Sc 1/04, SchiedsVZ 2005, 262, 263; OLG Dresden, Beschl. v. 10.11.2005 – 11 Sch 0017/05 (erhältlich in juris), Rn. 4; Hanseatisches OLG Bremen, Urt. v. 30.12.2014 – 2 U 67/14, SchiedsVZ 2015, 149, 153; OLG München, Beschl. v. 28.01.2015 – 34 SchH 16/14, NJOZ 2015, 1104, 1105. Für die Lit.: Statt vieler, Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 62; Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 518; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229; Kröll, ZIP 2005, 13, 17. 207 BGH, Urt. v. 03.07.1975 – III ZR 78/73, BGHZ 65, 59, 63 f. 208 BGH, Urt. v. 03.07.1975 – III ZR 78/73, BGHZ 65, 59, 65. Grenze sei aber stets das Verbots des Richtens in eigener Sache, ebenda S. 67. 209 St. Rspr.: S. etwa BVerfG, Beschl. v. 29.04.1954 – 1 BvR 328/52, BVerfGE 3, 377, 381; BVerfG, Beschl. v. 08.02.1967 – 2 BvR 235/64, BVerfGE 21, 139, 145 f.;

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Anforderungen an die Neutralität und Distanz zu stellen sind, damit sich das Schiedsgericht als unabhängig und unparteilich einordnen lässt.210 Weil die Abgrenzung zum echten Schiedsgericht – wie dargestellt211 – ihre größte Bedeutung bei satzungsmäßigen Schiedsklauseln hat, verwundert es nicht, dass sich die Abgrenzung und die dafür notwendigen Kriterien davon ausgehend entwickelt haben. Abzugrenzen gilt es insoweit zwischen dem Handeln eines Vereinsorgans und der Entscheidung durch ein echtes satzungsmäßiges Schiedsgericht.212 Die Unabhängigkeit eines Gerichts ist dabei nicht erst dann in Frage gestellt, wenn die ihm angehörenden Richter tatsächlich voreingenommen sind. Vielmehr reicht es bereits aus, dass das Gericht für einen unbefangenen Dritten den Eindruck erwecken muss, die eine Partei könnte gegenüber der anderen benachteiligt sein.213 Es ist deshalb zunächst klar: Unabhängig und unparteilich müssen sowohl die einzelnen Schiedsrichter, aber auch der Spruchkörper als solcher sein.214 Bezogen auf das Schiedsgericht bedeutet dies: Der Spruchkörper darf institutionell, strukturell nicht in solchem Maße in Abhängigkeit zu einer Partei stehen, dass von vornherein eine überparteiliche Rechtsprechung nicht zu erwarten ist.215 Ein in einer Satzung angelegtes Schiedsgericht muss deshalb bereits in der Satzung als von den anderen Vereinsorganen unabhängige und unparteiliche Stelle organisiert sein, damit es sich bei ihm um ein echtes Schiedsgericht handeln kann.216 BVerfG, Beschl. v. 24.03.1976 – 2 BvR 804/75, BVerfGE 42, 64, 78; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 29.07.1970 – 18 W 32/70, NJW 1970, 2250, 2251; BGH, Urt. v. 19.12.1968 – VII ZR 83/66, VII ZR 84/66 – Warenverein der Hamburger Börse, BGHZ 51, 255, 258; BGH, Beschl. v. 08.11.2018 – I ZB 21/18, NJW 2019, 857, 859 Rn. 25; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 3; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229 m.w. N.; Kröll, ZIP 2005, 13, 17. 210 Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229. Haas/Neumayer, NZG 2017, 881, 883 haben hervorgehoben, dass diese Anforderungen nicht immer leicht zu bestimmen sind. 211 Kapitel 4 § 2 B. 212 OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.05.2005 – 8 Sc 1/04, SchiedsVZ 2005, 262, 263. 213 BGH, Urt. v. 05.11.1970 – VII ZR 31/69, BGHZ 54, 392, 395; BGH, Urt. v. 15.05.1986 – III ZR 192/84, BGHZ 98, 70, 74 f. 214 Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229. 215 Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229; Fenn, in: FS Henckel, S. 173, 189. 216 BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 211 f. m.w. N.; BGH, Urt. v. 23.04.2013 – II ZR 74/12, BGHZ 197, 162, 168 f.; BGH, Beschl. v. 09.05.2018 – I ZB 53/17, NJW-RR 2018, 1402, 1403 Rn. 12; OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.05.2005 – 8 Sc 1/04, SchiedsVZ 2005, 262, 263; OLG Köln, Beschl. v. 16.11.2012 – 19 Sch 24/12, BeckRS 2013, 03938, II. A. 1.; Hanseatisches OLG Bremen, Urt. v. 30.12.2014 – 2 U 67/14, SchiedsVZ 2015, 149, 153; Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 62; Longrée/Putzier, MDR 2019, 391, 392; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, vor § 1025 Rn. 11.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Die Beantwortung der Frage, ob das Schiedsgericht im konkreten Fall in der Satzung hinreichend unabhängig angelegt ist oder ob eine überparteiliche Rechtsprechung nicht zu erwarten ist und es sich deshalb um einen Fall des Richtens in eigener Sache handelt, ist genau wie die Frage nach der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit insgesamt eine Einzelfallfrage. Einerseits gibt es klare Fälle: Ist das „Schiedsgericht“ beispielsweise in der Satzung als Organ des Vereins vorgesehen,217 wird es lediglich mit Mitgliedern des Vorstands oder aber anderer Vereinsorgane besetzt218 oder sind die „Schiedsrichter“ weisungsabhängig219, so handelt es sich bereits strukturell um ein Richten in eigener Sache. Ein so angelegtes „Schiedsgericht“ kann kein echtes Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO sein. Nichts anderes gilt grundsätzlich, wenn die Mitglieder des Spruchkörpers allein oder weit überwiegend von einer Partei bestimmt werden220 oder wenn die Streitbeteiligten keinen paritätischen Einfluss auf die Besetzung des Spruchkörpers haben.221 Denn der paritätische Einfluss auf die Besetzung sichert die Überparteilichkeit des Schiedsgerichts.222 Auch hierbei kann die Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein. Das Kriterium ist offensichtlich unerfüllt, wenn „die personelle Besetzung dieser Gerichte aufgrund ihrer Konzeption als ständige Einrichtungen der betreffenden Monopol-Verbände von vornherein keinen Raum für die Mitwirkung der Reiter223 bei der Auswahl der Schiedsrichter im Einzel217 BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 212; OLG Dresden, Beschl. v. 10.11.2005 – 11 Sch 0017/05 (erhältlich in juris), Rn. 4. 218 OLG Dresden, Beschl. v. 10.11.2005 – 11 Sch 0017/05 (erhältlich in juris), Rn. 4; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1066 Rn. 15; offenlassend für die Besetzung einer parteiinternen Schiedskommission ausschließlich mit Parteimitgliedern, s. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 29.07.1970 – 18 W 32/70, NJW 1970, 2250, 2251. 219 Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229. 220 BGH, Urt. v. 05.11.1970 – VII ZR 31/69, BGHZ 54, 392, 394 f. Im Fall kam es nur zur einseitigen Schiedsrichterbestimmung, weil die andere Partei die Benennung versäumte. Trotz dieser Tatsache hielt der BGH das Schiedsgericht für nicht unabhängig und unparteilich; BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 213; BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 11/94, BGHZ 128, 93, 109; BGH, Urt. v. 23.04.2013 – II ZR 74/12, BGHZ 197, 162, 168 f.; BGH, Beschl. v. 09.05.2018 – I ZB 53/17, NJWRR 2018, 1402, 1403 Rn. 13; OLG Dresden, Beschl. v. 10.11.2005 – 11 Sch 0017/05 (erhältlich in juris), Rn. 4; Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 518; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229. 221 BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 213; BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268 Rn. 30; BGH, Beschl. v. 09.05.2018 – I ZB 53/17, NJW-RR 2018, 1402, 1403 Rn. 12; Longrée/Putzier, MDR 2019, 391, 393. 222 BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 213 f.; vgl. BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 11/94, BGHZ 128, 93, 109; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 29.07.1970 – 18 W 32/70, NJW 1970, 2250, 2251; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229. 223 Kläger im konkreten Fall waren mehrere Turnierreiter, die Mitglieder verschiedener Reitvereine waren. Die Reitvereine waren ihrerseits Mitglied der Beklagten. Beklagt war der Hessische Dachverband der Reit- und Fahrvereine.

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fall“ 224 lässt. Der BGH hielt das Kriterium auch dann für nicht erfüllt, wenn die Mitglieder des Schiedsgerichts von der Generalversammlung des Verbandes gewählt werden.225 Noch schwieriger wird es aber beispielsweise, wenn sich die Frage stellt, ob das Schiedsgericht hinreichend unabhängig ist, obwohl den nationalen Sportverbänden in einem internationalen Verband gegenüber den an einer Veranstaltung teilnehmenden Sportlern ein Übergewicht bei der Aufstellung einer geschlossenen Schiedsrichterliste zukommt, aus der die Schiedsrichter im Streitfall zu wählen sind.226 Andererseits sind unklare Grenzfälle denkbar: Kröll hat beispielsweise an die Situation gedacht, in der die Satzung hinsichtlich der Besetzung des „Schiedsgerichts“ offen sei. Es komme also nicht zwangsläufig zu einem Richten in eigener Sache, diese Gefahr sei aber auch nicht ganz ausgeschlossen. In diesem Fall sei die fehlende Neutralität des streitentscheidenden Dritten nicht bereits strukturell vorgegeben, sondern ergebe sich erst aus der konkreten Besetzung im Einzelfall. Die Situation sei also vergleichbar mit der Situation bei vertraglichen Schiedsgerichten, wo die fehlende konkrete Unabhängigkeit des Schiedsgerichts auch nicht dazu führe, diesem seinen Charakter als echtes Schiedsgericht abzusprechen, sondern227 lediglich zu dem Recht, den einzelnen Schiedsrichter abzulehnen bzw. einen ergangenen Schiedsspruch aufzuheben. Jedenfalls keine Lösung sei es, die Frage des Charakters als echtes Schiedsgericht von der Besetzungspraxis abhängig zu machen. Dies führe zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit.228 Diese Sicht stimmt mit der von der Rechtsprechung aufgestellten Forderung – satzungsmäßig unabhängig und unparteilich – nicht ganz überein. Stimmte man Kröll zu, müsste man die Bedingung so formulieren: satzungsmäßig nicht abhängig oder parteilich. Das mag ein kleiner, aber doch feiner Unterschied sein. Ob der BGH der Einschätzung von Kröll also beipflichten würde, kann deshalb durchaus bezweifelt werden.

224

BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 11/94, BGHZ 128, 93, 109. BGH, Urt. v. 23.04.2013 – II ZR 74/12, BGHZ 197, 162, 169; BGH, Beschl. v. 09.05.2018 – I ZB 53/17, NJW-RR 2018, 1402, 1403 f. Rn. 13; Longrée/Putzier, MDR 2019, 391, 393, jedenfalls, wenn der Einfluss einer Partei so auf ein Minimum beschränkt wird. 226 Siehe dazu die Entscheidung BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268 f., Rn. 30 ff. Dazu auch schon oben Kapitel 4 § 1 C. I. 4. und nochmal unten Kapitel 4 § 2 C. II. 227 In BGH, Urt. v. 03.07.1975 – III ZR 78/73, BGHZ 65, 59, 65 sah der BGH die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht verletzt, obwohl der alleinige Schiedsrichter Mitglied des Vertretungsorgans einer am Schiedsverfahren als Partei beteiligten juristischen Person war. Grund hierfür war aber die Tatsache, dass die Schiedsvereinbarung erst nach entstehen des Streits geschlossen worden war. Ausdrücklich offen ließ der BGH die Beantwortung der Frage für den Fall der vor Streitentstehung geschlossenen Schiedsvereinbarung. 228 Kröll, ZIP 2005, 13, 17. 225

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Nicht eindeutig sind darüber hinaus auch Fälle, in denen ein Schiedsrichter aus dem Kreise der Vereinsmitglieder kommen muss.229 3. Geltung der Kriterien auch für andere Abgrenzungen als der zum Vereinsgericht Was für Vereins- und Verbandsgerichte bereits vielfach entschieden worden ist, gilt im Grundsatz – angepasst auf die konkrete Situation – auch für jede andere Form von Schiedsgericht. Seien es andere unter § 1066 ZPO fallende außervertragliche Schiedsgerichte, beispielsweise bei Gesellschaften230, oder seien es vertragliche Schiedsgerichte im Sinne des § 1029 ZPO231, insbesondere institutionelle Schiedsgerichte, die meist einer Schiedsordnung folgen.232 Würde man dies anders sehen, wäre Konsequenz dessen eine Zweideutigkeit des Begriffs des echten Schiedsgerichts, je nach dem, wozu abgegrenzt werden soll. Bedenkt man, dass es um die Entscheidung geht, ob man dem in Frage stehenden Spruchkörper den Schutz des Schiedsverfahrensrechts zuerkennen will oder nicht, kann eine Zweideutigkeit des Begriffs nicht gerechtfertigt sein. 4. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit als konstitutives Merkmal eines echten Schiedsgerichts? Die Rechtsfolge einer Verletzung der gerade beschriebenen Anforderungen an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts sind weder einheitlich geregelt noch abschließend geklärt.233

229 BGH, Urt. v. 19.12.1968 – VII ZR 83/66, VII ZR 84/66 – Warenverein der Hamburger Börse, BGHZ 51, 255, 259 hatte ein solches Schiedsgericht für nicht unabhängig gehalten; Kröll, ZIP 2005, 13, 17, differenzierend nach der Größe des Vereins einerseits, vereinsinternen Streitigkeiten gegenüber Streitigkeiten zwischen einem Mitglied und einem Dritten andererseits; ebenfalls nach der Größe des Vereins differenzierend Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 9 Rn. 7. 230 Siehe bspw. für den Fall einer parteiinternen Schiedskommission OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 29.07.1970 – 18 W 32/70, NJW 1970, 2250, 2251. 231 Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 233, der dies daraus ableitet, dass BGHZ 159, 207 in seiner Entscheidung ausdrücklich auf §§ 1029 und 1034 Abs. 2 ZPO eingeht. 232 Kennzeichen eines institutionellen Schiedsgerichts ist, dass es von einer Schiedsorganisation verwaltet wird und so eine dauerhafte Einrichtung bildet, s. Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 64. Siehe Haas/Neumayer, NZG 2017, 881, 882 für „Schiedsgerichte“ i. S. d. § 14 PartG. 233 Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229; Kröll, ZIP 2005, 13, 16; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 236.

§ 2 „Echte Schiedsgerichtsbarkeit‘‘ als Anwendungsvoraussetzung

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Zwar hatte der BGH immer wieder auf die Notwendigkeit der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit hingewiesen.234 Erst eine Entscheidung des BGH im Jahre 2004235 ist dann aber im Sinne einer endgültigen Aufwertung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu einer zweiten konstitutiven Voraussetzung echter Schiedsgerichtsbarkeit gewertet worden.236 Der BGH hatte hier ausgeführt: „In Anlehnung an § 1029 Abs. 1 ZPO ist das satzungsmäßig berufene ,Schiedsgericht‘ aber nur dann als Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. (i.V. m. § 1066 ZPO) anzuerkennen, wenn Rechtsstreitigkeiten unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges der Entscheidung durch eine unabhängige und unparteiliche Instanz unterworfen werden [. . .]. [. . .] Dementsprechend muß das Vereins- oder Verbandsgericht, um ,echtes‘ Schiedsgericht zu sein, – satzungsmäßig – als unabhängige und unparteiliche Stelle organisiert sein [. . .]. [. . .] Sind dagegen in der Satzung Abhängigkeiten angelegt [. . .], liegt schon begrifflich nicht Schiedsgerichtsbarkeit, sondern Organhandeln vor [. . .]. Es geht nicht an, die benachteiligte Partei in einem solchen Fall auf Rechtsbehelfe zu den staatlichen Gerichten entsprechend §§ 1034 ff. ZPO zu verweisen [. . .]. Beim Ablehnungsrecht (§§ 1036 f. ZPO) ist an einzelne Schiedsrichter gedacht, die aus Gründen, die gerade in ihrer Person liegen, als befangen erscheinen [. . .]. Die Bestellung des Schiedsrichter durch das staatliche Gericht ist ausnahmsweise zulässig, wenn insoweit eine Parteivereinbarung fehlt (§ 1035 ZPO) oder die Schiedsvereinbarung einer Partei das Übergewicht bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts gibt (§ 1034 ZPO); dabei wird aber naturgemäß eine Schiedsvereinbarung (§ 1029 ZPO) vorausgesetzt, die grundsätzlich auf eine Streitentscheidung durch ein unabhängiges und unparteiliches Schiedsgericht ausgerichtet ist.“ 237

In ihrer Absolutheit kann die Sicht des BGH nicht überzeugen. Denn sie verträgt sich nicht mit den Regeln des geltenden deutschen Schiedsverfahrensrechts. Das deutsche Schiedsverfahrensrecht kennt durchaus Regeln, die eine fehlende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts adressieren und so gerade voraussetzen. Dies gilt insbesondere für die Regeln der §§ 1036 f. ZPO und § 1034 Abs. 2 ZPO.238 § 1036 ZPO regelt zusammen mit § 1037 ZPO die Ablehnung von Schiedsrichtern im Falle der fehlenden Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit. § 1034 Abs. 2 ZPO betrifft den Fall, in dem einer Partei ein Übergewicht bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts zukommt. Entfiele der Charakter als Schiedsgericht und mit ihm auch die Anwendbarkeit der §§ 1025 ff. ZPO bei jedem Mangel an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit,

234 Siehe nur BGH, Urt. v. 19.12.1968 – VII ZR 83/66, VII ZR 84/66 – Warenverein der Hamburger Börse, BGHZ 51, 255, 258; BGH, Urt. v. 03.07.1975 – III ZR 78/73, BGHZ 65, 59, 62 und Kröll, ZIP 2005, 13, 16. 235 BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 212. 236 Kröll, ZIP 2005, 13, 16; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 234. 237 BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 211 f. 238 Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 518.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

wären diese Normen ihres Anwendungsbereichs beraubt.239 Deshalb ist die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts nur insoweit konstitutive Voraussetzung eines echten Schiedsgerichts, wie die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht Anwendungsvoraussetzung entsprechender Regelungen innerhalb des Schiedsverfahrensrechts ist.240 Konsequenz dessen ist, dass sich das Erfordernis der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in einen konstitutiven Kernbereich und einen nicht konstitutiven Bereich aufspaltet.241 Durch die Adressierung bestimmter Fälle mangelnder Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit im Schiedsverfahrensrecht werden diese Fälle dem konstitutiven Kernbereich entnommen und in den nicht konstitutiven Bereich verlagert. Im konstitutiven Kernbereich verbleibt insbesondere das Verbot des Richtens in eigener Sache.242 a) Mängel individueller Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit des Schiedsrichters Nicht im konstitutiven Kernbereich liegen individuelle Mängel der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts beziehungsweise seiner Schiedsrichter. Insoweit regelt § 1036 ZPO zunächst die Pflicht der Schiedsrichter beziehungsweise der dazu vorgesehenen Person, die Gründe offen zu legen, die Zweifel an ihrer Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken könnten. Darüber hinaus eröffnet Abs. 2 die Möglichkeit der Ablehnung von Schiedsrichtern, bei denen berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit bestehen. Zwar zeigt der Gesetzgeber damit, dass ein Schiedsgericht nicht deswegen seinen Charakter als echtes Schiedsgericht verliert, weil ein Schiedsrichter nicht unabhängig oder unparteilich ist. Vielmehr eröffnet § 1036 Abs. 2 i.V. m. § 1037 ZPO die Möglichkeit, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts durch Ablehnung des betroffenen Schiedsrichters wiederherzustellen.243 Die Art und Weise der Ablehnung überlässt § 1037 Abs. 1 ZPO im Grunde den Parteien.

239 So für § 1034 Abs. 2 ZPO jetzt auch Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 40. 240 Kröll, ZIP 2005, 13, 17 f. Zu weitgehend, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit keinerlei konstitutive Bedeutung mehr zumessend, Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 414. Im Ergebnis auch Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 233 f. 241 Kröll, ZIP 2005, 13, 17; Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 518 spricht anstatt von nicht konstitutiven Merkmalen von „behebbaren Mängeln“. 242 Kröll, ZIP 2005, 13, 17; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 234. In diesem Sinne auch Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 230; vgl. die Fälle bei Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229. Vgl. in diesem Sinne schon Wagner, Prozeßverträge, S. 487 f., der neben der Berufung zur Entscheidung des Rechtsstreits die Unabhängigkeit des Schiedsgerichts im Sinne eines Verbots der Entscheidung in eigener Sache als essentialium negotii (S. 485) des Schiedsvertrags bezeichnet hat. 243 Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229.

§ 2 „Echte Schiedsgerichtsbarkeit‘‘ als Anwendungsvoraussetzung

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Abs. 2 gibt für den Fall des Fehlens einer Vereinbarung ein Verfahren vor. Gleichzeitig aber unterstellt Abs. 3 die erfolglose Ablehnung der Kontrolle durch die staatlichen Gerichte, die so die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des konkreten Schiedsgerichts gewährleisten können. Allerdings zielt das Ablehnungsrecht des § 1036 ZPO auf Situationen, in denen einzelne Schiedsrichter aus Gründen, die gerade in ihrer Person liegen, als nicht unabhängig oder unparteilich anzusehen sind.244 Mithin zielt das Ablehnungsrecht auf Situationen einer individuellen Befangenheit, nicht einer abstrakten, strukturellen. In Fällen struktureller Mängel der Neutralität hilft das Recht, einen Schiedsrichter abzulehnen, zumeist nicht weiter. Denn der Mangel an struktureller Neutralität des Schiedsgerichts lässt sich durch den Austausch eines einzelnen Schiedsrichters nicht beheben.245 Dies gilt gleichsam anders herum. Allein ein individueller Mangel der Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit des Schiedsgerichts reicht also nicht aus, um den Charakter als echtes Schiedsgericht zu beseitigen.246 b) Übergewicht einer Partei bei der Besetzung des Schiedsgerichts Ebenso wenig im konstitutiven Kernbereich der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit liegt ein strukturell angelegtes Übergewicht einer Partei bei der Konstituierung des Schiedsgerichts247, was sich aus einem Übergewicht einer Partei bei der Besetzung des Schiedsgerichts ergibt. Grund dafür ist die Existenz des § 1034 Abs. 2 ZPO. Dies gilt sowohl für den Fall, in dem § 1034 Abs. 2 ZPO anwendbar ist, als auch für den Fall, in dem § 1034 Abs. 2 ZPO aufgrund eines ausländischen Schiedsverfahrensstatuts nicht anwendbar ist.248

244 BGH, Urt. v. 19.12.1968 – VII ZR 83/66, VII ZR 84/66 – Warenverein der Hamburger Börse, BGHZ 51, 255, 261; zustimmend Kröll, ZIP 2005, 13, 17; BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 212; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229. 245 Dies hebt Bunte, WuW 2016, 366, 368, 369 zu Recht hervor. Zu Unrecht kritisiert er allerdings die Bezugnahme des BGH in der Pechstein-Entscheidung auf die Möglichkeit der Ablehnung wegen Befangenheit in der Verfahrensordnung des CAS als Vermischung der strukturellen einerseits, der konkreten Unabhängigkeit andererseits. Denn der BGH bezieht sich an den entsprechenden Stellen ausdrücklich auf die individuellkonkrete Unabhängigkeit der einzelnen Schiedsrichter. Ähnliche Kritik am BGH auch von Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 291. 246 Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 229. 247 Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 230; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 214; Kröll, ZIP 2005, 13, 17 f.; Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 233 f. 248 Zu letzterem s. u. Kapitel 4 § 2 C. II.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

aa) § 1034 Abs. 2 ZPO löst die von ihm erfassten Fälle aus dem konstitutiven Kernbereich der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit heraus In der oben angesprochenen Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2004249 hat der BGH ausgeführt: Es gehe nicht an, eine benachteiligte Partei in einem solchen Fall auf Rechtsbehelfe zu den staatlichen Gerichten entsprechend der §§ 1034 ff. ZPO zu verweisen. Zwar sei die Bestellung des Schiedsrichters durch das staatliche Gericht ausnahmsweise zulässig, wenn die Schiedsvereinbarung einer Partei das Übergewicht bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts gibt. „Dabei wird aber naturgemäß eine Schiedsvereinbarung (§ 1029 ZPO) vorausgesetzt, die grundsätzlich auf eine Streitentscheidung durch ein unabhängiges und unparteiliches Schiedsgericht ausgerichtet ist.“ 250 Diese Aussagen des BGH ließen sich durchaus dahingehend verstehen, als rechnete er – trotz § 1034 Abs. 2 ZPO – auch den Fall des überwiegenden Einflusses einer Partei auf das Ernennungsverfahren zum konstitutiven Kernbereich der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit.251 Offenbar meinte der BGH, es sei zu differenzieren zwischen einem bloßen Ungleichgewicht im Benennungsmechanismus und einer strukturellen Befangenheit des Schiedsgerichts.252 Die genaue Abgrenzung blieb aber unklar. Denn unverständlich war, was der BGH mit einer Schiedsvereinbarung, die grundsätzlich auf eine Streitentscheidung durch ein unabhängiges und unparteiliches Schiedsgericht ausgerichtet ist, gemeint hatte. In seiner Entscheidung zur Rechtssache Pechstein aus dem Jahre 2016 hat der BGH unter Bezugnahme auf die vorgenannte Entscheidung aber ohne Auseinandersetzung mit dieser ausgeführt: „Der Regelung des § 1034 II ZPO, die bei inländischen Schiedsgerichten für den Fall eines strukturellen Übergewichts einer Partei bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts ein besonderes, fristgebundenes Verfahren vorsieht, kann entnommen werden, dass nicht jedwede Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Neutralität des Schiedsgerichts zu einer Nichtanwendbarkeit der §§ 1025 ff. ZPO führt. Vielmehr scheidet eine Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO nur dann aus, wenn das Schiedsgericht satzungsmäßig nicht als unabhängige und unparteiische Stelle organisiert ist oder das ,Schiedsverfahren‘ auf ein Richten des Vereins oder Verbands in eigener Sache

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BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207. BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 212. 251 Kröll, ZIP 2005, 13, 17; so auch Fenn, in: FS Henckel, S. 173, 518; so auch Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 518 und BGH, Urt. v. 23.04.2013 – II ZR 74/12, BGHZ 197, 162, 169, der aber übersieht, dass der BGH in BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 213 den paritätischen Einfluss „lediglich“ in einer Gesamtbetrachtung berücksichtigte; letzteres hervorhebend Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 233. 252 Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 236. 250

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hinauslaufe, mithin bloße Vereins- beziehungsweise Verbandsgerichtsbarkeit vorgezeichnet ist.“ 253

Unklar ist, ob der BGH damit seine Zustimmung zu einer Trennung in einen konstitutiven Kernbereich und einen nicht konstitutiven Bereich der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ausdrücken oder aber an seiner vorherigen Rechtsprechung254 festhalten wollte. Der explizite Hinweis darauf, dass § 1034 Abs. 2 ZPO entnommen werden könne, dass nicht jede Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Neutralität des Schiedsgerichts zum Ausschluss des Charakters eines echten Schiedsgerichts führe, lässt sich aber durchaus so verstehen, als messe der BGH einem Übergewicht bei der Besetzung aufgrund der Existenz des § 1034 Abs. 2 ZPO keine konstitutive Qualität (mehr) bei. Im Folgesatz verknüpft der BGH dann aber den Fall, dass das Schiedsgericht satzungsmäßig nicht als unabhängige und unparteiische Stelle organisiert ist und den Fall, dass das „Schiedsverfahren“ auf ein Richten in eigener Sache hinausläuft, die beide zum Wegfall der Qualität eines echten Schiedsgerichts führen sollen mit dem Wort „oder“. Daraus ist zu folgern, dass der BGH neben dem Richten in eigener Sache jedenfalls noch weitere Fälle sieht, in denen das Schiedsgericht satzungsmäßig nicht als unabhängige und unparteiische Stelle organisiert ist. Welche das abseits der von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Fälle sein sollen, bleibt unklar. Ob der BGH hier etwa an Fälle gedacht hat, die andere bereits dem Verbot des Richtens in eigener Sache zurechnen255, bleibt offen. Unabhängig davon, wie die Rechtsprechungsaussagen des BGH genau zu verstehen sind: § 1034 Abs. 2 ZPO nimmt die in seinem Anwendungsbereich liegenden Fälle256 aus dem konstitutiven Bereich der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts aus.257 Ist also eine Fallgestaltung vom Tatbestand des § 1034 Abs. 2 ZPO erfasst, kann dieser Grund nicht auch dazu führen, dem Schiedsgericht seinen Charakter als echtes Schiedsgericht abzusprechen. Man mag dies aufgrund der kurzen Frist des § 1034 Abs. 2 ZPO für – rechtspolitisch – verfehlt halten.258 Das kann aber nichts daran ändern, dass es als gesetzgeberische Entscheidung zu akzeptieren ist. Zu Recht hat Kröll insoweit bereits darauf hingewiesen, dass das in der oben zitierten Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2004 genannte Argument, § 1034 Abs. 2 ZPO setze naturgemäß eine Schiedsvereinbarung voraus, die auf eine 253

BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 35. BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 212. 255 Kröll, ZIP 2005, 13, 17 (Beschränkung auf Vereinsmitglieder). 256 Dazu bereits zuvor Kapitel 4 § 1 C. 257 Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 230; Kröll, ZIP 2005, 13, 18 und jetzt auch Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 40. 258 Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 237. 254

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Streitentscheidung durch ein unabhängiges und unparteiliches Schiedsgericht ausgerichtet ist259, nicht verfängt. So mag es – wie ausgeführt260 – für das Ablehnungsrecht des § 1036 ZPO gelten. Nicht aber für § 1034 Abs. 2 ZPO. Diese Vorschrift betrifft gerade den Fall, in dem die Ungleichbehandlung, deren Abwehr § 1034 Abs. 2 ZPO primär dient261, bereits strukturell in der Schiedsvereinbarung angelegt ist.262 Allerdings kann § 1034 Abs. 2 ZPO die von ihm erfassten Fallgestaltungen nur dann direkt aus dem konstitutiven Kernbereich der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit herauslösen, wenn er auch anwendbar ist.263 Wo Konsequenz eines von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten strukturellen Ungleichgewichts im Benennungssystem vor der Änderung des Schiedsverfahrensrechts das Absprechen des Charakters eines echten Schiedsgerichts war, werden die Parteien im neuen Schiedsverfahrensrecht keineswegs schutzlos gestellt. Zwar bleibt dem Schiedsgericht trotz des Mangels aus § 1034 Abs. 2 ZPO sein Charakter als echtes Schiedsgericht erhalten. Allerdings gibt § 1034 Abs. 2 ZPO der durch den von ihm erfassten Mangel benachteiligten Partei die Möglichkeit zur Beseitigung des Mangels.264 Entscheidender Unterschied zur Zeit vor Einführung des § 1034 Abs. 2 ZPO ist, dass § 1034 Abs. 2 ZPO die Möglichkeit zur Mängelbeseitigung innerhalb des Schiedsverfahren selbst gibt.265 bb) Die Herauslösung gilt sowohl für vertragliche Schiedsgerichte wie auch für außervertragliche Schiedsgerichte Die Herausnahme der von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Fälle aus dem konstitutiven Teil des Begriffs des echten Schiedsgerichts gilt für vertragliche wie für außervertragliche, insbesondere satzungsmäßige, Schiedsgerichte. Denn einerseits gilt § 1034 Abs. 2 ZPO und seine Abhilfemöglichkeit auch für außervertragliche Schiedsgerichte.266 Des Weiteren kommt der Begrifflichkeit für vertragliche, wie für außervertragliche Schiedsgerichte gleichsam und mit den gleichen Kriterien Bedeutung zu. Erstreckte man die Herauslösung nicht sowohl auf vertragliche als auch auf außervertragliche Schiedsgerichte, wäre dies mit der hinter der Notwendigkeit des Vorliegens eines echten Schiedsgerichts stehenden Zielsetzung nicht verein259

BGH, Beschl. v. 27.05.2004 – III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 212. S. o. Kapitel 4 § 2 C. I. 4. a). 261 S. o. Kapitel 4 § 1 B. 262 Kröll, ZIP 2005, 13, 18. 263 Zum Begriff des echten Schiedsgerichts bei Unanwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO unten Kapitel 4 § 2 C. II. 264 Kröll, ZIP 2005, 13, 19. 265 S. o. Kapitel 2 § 2 B. und Kapitel 4 § 1 D. 266 S. o. Kapitel 4 § 1 E. 260

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bar. Darüber hinaus käme es sonst zu einer Zweideutigkeit der Begrifflichkeit, weil sich ihre Kriterien je nach konkreter Abgrenzung ändern würden.267 c) Zwischenergebnis Die bisherigen Überlegungen zum Begriff des echten Schiedsgerichts haben gezeigt, dass ein mit der staatlichen Gerichtsbarkeit gleichwertiges Schiedsgericht nur dann vorliegen kann, wenn es auch die für staatliche Gerichte geltende grundlegende Anforderung der Streitentscheidung durch einen neutralen Dritten erfüllt. Ein Spruchkörper ist deshalb nur dann als echtes Schiedsgericht anzusehen, wenn er als unabhängige und unparteiliche Instanz endgültig und verbindlich über einen Streit entscheiden soll. Diese Kriterien gelten für sämtliche Formen von Schiedsgerichten, seien es satzungsmäßige oder vertragliche Schiedsgerichte. Kernbereich der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts ist zunächst das Verbot des Richtens in eigener Sache, das insbesondere für außervertragliche Schiedsgerichte und hier für Vereins- beziehungsweise Verbandsgerichte seine Relevanz hat. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung bis vor kurzem auch die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts zu diesem Kernbereich gerechnet. Die Existenz insbesondere der §§ 1034 Abs. 2 und 1036 ZPO zeigt aber, dass der Charakter als echtes Schiedsgericht nicht von einer vollkommenen Unabhängigkeit abhängen kann. Ansonsten wären die Normen ihrer Anwendungsbereiche beraubt. Deswegen führen Mängel individueller Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit der Schiedsrichter sowie Mängel struktureller Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts soweit nicht zum Wegfall des Charakters eines echten Schiedsgerichts, wie sie von § 1036 ZPO beziehungsweise § 1034 Abs. 2 ZPO tatbestandlich erfasst sind. Dadurch kommt es zu einer Teilung der für den Charakter eines echten Schiedsgerichts notwendigen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in einen für die Bejahung des Charakters konstitutiven und einen nicht konstitutiven Bereich. Im konstitutiven Bereich verbleibt insbesondere das Verbot des Richtens in eigener Sache.

II. Strukturelle Unabhängigkeit und Unparteilichkeit als konstitutive Merkmale eines echten Schiedsgerichts bei Nichtanwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO? Sind Abgrenzung und Herausarbeitung der Kriterien eines echten Schiedsgerichts auf rein deutscher Ebene schon durchaus komplex, wird dies in Fällen mit ausländischem Schiedsverfahrensstatut keinesfalls einfacher.268 Konzentriert werden soll sich hier deshalb auf die Auswirkung des § 1034 Abs. 2 ZPO auf den 267 268

Vgl. Kröll, ZIP 2005, 13, 18. Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 518.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Begriff der echten Schiedsgerichtsbarkeit in Fällen mit ausländischem Schiedsverfahrensstatut. Herausgestellt worden ist, dass bei Anwendbarkeit von § 1034 Abs. 2 ZPO die von ihm erfassten Fälle nicht Teil der für den Charakter eines echten Schiedsgerichts konstitutiven strukturellen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts sind.269 In Fällen mit ausländischem Schiedsverfahrensstatut, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens also nicht in Deutschland liegt, ist § 1034 Abs. 2 ZPO gemäß § 1025 Abs. 1 und 2 ZPO aber nicht anwendbar.270 Zu klären gilt es, ob § 1034 Abs. 2 ZPO Auswirkungen auf den Begriff des echten Schiedsgerichts trotz seiner Nichtanwendbarkeit hat. Gezeigt werden soll zunächst, wo der Begriff der echten Schiedsgerichtsbarkeit in Fällen mit ausländischem Schiedsverfahrensstatut seine Relevanz hat. Sodann wird erläutert, dass § 1034 Abs. 2 ZPO seine Auswirkungen auf den Begriff des echten Schiedsgerichts trotz seiner Nichtanwendbarkeit behält. Eine Kompensation des nicht anwendbaren Korrekturmechanismus des § 1034 Abs. 2 ZPO muss im Rahmen des Anerkennungs- beziehungsweise Vollstreckbarerklärungsverfahrens stattfinden. 1. Die Bedeutung des deutschen Begriffs eines echten Schiedsgerichts für Fälle eines ausländischen Schiedsverfahrensstatuts Deutsche Gerichte sehen sich mit der Notwendigkeit der Feststellung, dass es sich um ein echtes Schiedsgericht handelt, trotz ausländischem Schiedsverfahrensstatut in zwei Situationen konfrontiert: Einerseits in einem der in § 1025 Abs. 2 ZPO bezeichneten Fälle. Andererseits im Falle des § 1061 ZPO. Die Situationen des § 1025 Abs. 2 ZPO unterscheiden sich von der des § 1061 ZPO in einem entscheidenden Punkt. Bei den in § 1025 Abs. 2 ZPO bezeichneten Situationen geht es um das Zusammenspiel zwischen ausländisch schiedsgerichtlichem und inländisch staatlichem Verfahren, in der Situation des § 1061 ZPO hingegen um die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs, als dem Ergebnis eines abgeschlossenen Verfahrens. Für die Überlegungen zur Bedeutung des Begriffs der echten Schiedsgerichtsbarkeit in Fällen mit ausländischem Schiedsverfahrensstatut ist zwischen diesen beiden Situationen zu trennen. a) Der Begriff des echten Schiedsgerichts in den Fällen des § 1025 Abs. 2 ZPO § 1025 Abs. 2 ZPO nennt drei Regelungen, die trotz der Nichtanwendbarkeit des deutschen Schiedsverfahrensrechts aufgrund eines ausländischen Schiedsorts Anwendung finden sollen. Die §§ 1032, 1033 und 1050 ZPO. § 1032 ZPO regelt 269 270

S. o. Kapitel 4 § 2 C. I. 4. b) aa). S. o. Kapitel 4 § 1 A.

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das Verhältnis zwischen Schiedsvereinbarung und einer Klage vor Gericht und beinhaltet in Abs. 1 insbesondere die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit. § 1033 ZPO stellt klar, dass einstweilige Maßnahmen durch ein staatliches Gericht nicht deswegen ausgeschlossen sind, weil die Parteien eine Schiedsvereinbarung geschlossen haben. § 1050 ZPO regelt die Möglichkeit der Unterstützung des Schiedsgerichts durch richterliche Unterstützungshandlungen. § 1025 Abs. 2 ZPO erklärt die dort genannten Regeln des deutschen Rechts trotz und ohne Rücksicht auf das eigentlich maßgebliche Schiedsverfahrensrecht für anwendbar. All den genannten Regeln ist gemein, dass sie ein Tätigwerden deutscher Gerichte regeln, das jeweils aber keinen eingreifenden Charakter für das Schiedsverfahren hat. Anders wäre es beispielsweise bei § 1036 ZPO. Das anwendbare ausländische Schiedsverfahrensrecht kann das Tätigwerden deutscher staatlicher Gerichte nicht regeln. Die Frage, ob es sich bei dem in Rede stehenden Gericht um ein Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO handelt oder nicht, ist im Rahmen der in § 1025 Abs. 2 ZPO geregelten Fälle mit ausländischem Schiedsverfahrensstatut deshalb allein nach deutschem Prozessrecht zu entscheiden.271 Grundsätzlich ändert sich am Inhalt des Begriffs der echten Schiedsgerichtsbarkeit durch das ausländische Schiedsverfahrensstatut im Rahmen der Anwendung der durch § 1025 Abs. 2 ZPO genannten Regeln also im Vergleich zu reinen Inlandsfällen nichts. b) Der Begriff des echten Schiedsgerichts in der Anerkennungsbzw. Vollstreckbarerklärungssituation des § 1061 ZPO Ein ausländisches Schiedsverfahrensstatut besteht zwingend auch dann, wenn ein deutsches staatliches Gericht um Anerkennung- beziehungsweise Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs gemäß § 1061 Abs. 1 ZPO ersucht wird. Im Vergleich zu den Situationen die den in § 1025 Abs. 2 ZPO genannten Normen zugrunde liegen, geht es im Rahmen des § 1061 ZPO um die Anerkennung des Schiedsspruchs als Ergebnis eines ausländischen Schiedsverfahrens. Gemäß § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem UNÜ. Gemäß S. 2 bleiben Vorschriften in anderen Staatsverträgen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen unberührt. Betrachtet wird hier nur der Fall der Anwendbarkeit des UNÜ als dem vom Gesetz vorgesehenen Standardfall. Anders also als im Fall des § 1025 Abs. 2 ZPO erklärt sich das deutsche Recht im Fall des § 1061 Abs. 1 ZPO nicht trotz des ausländischen Schiedsverfahrensstatut für anwendbar. Vielmehr verweist § 1061 Abs. 1 ZPO lediglich auf das 271 Siehe bereits oben Kapitel 4 § 2 B. IV. 2. Siehe BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2268 als Beispiel für die Anwendbarkeit des § 1032 ZPO trotz ausländischem Schiedsverfahrensstatut.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

UNÜ. Wie für alle Normen der §§ 1025 ff. ZPO, stellt sich auch für § 1061 ZPO die Frage nach seiner Anwendbarkeit. Denn abzugrenzen ist das Verfahren des § 1061 ZPO von den Verfahren der §§ 328, 722, 723 ZPO für ausländische Urteile beziehungsweise des § 110 FamFG für ausländische Entscheidungen im Anwendungsbereich des FamFG. Abgrenzungskriterium ist das Vorliegen eines Schiedsspruchs.272 Ein Schiedsspruch wiederum ist die Entscheidung eines Schiedsgerichts.273 Umstritten ist insbesondere, nach welchem Recht die Frage der Einordnung als Schiedsspruch zu entscheiden ist. In Betracht kommen im Grundsatz drei Optionen.274 Erstens, das anwendbare ausländische Schiedsverfahrensrecht. Zweitens, das deutsche Recht, als das Recht des Anerkennungs- und Vollstreckungsstaates. Drittens, das UNÜ: Teilweise wird vertreten, zur Einordnung als Schiedsspruch sei das anwendbare Schiedsverfahrensstatut maßgeblich.275 Im Zweifel wäre Deutschland so gezwungen, Entscheidungen von Gerichten oder Organen als mit der staatlichen Gerichtsbarkeit gleichwertig anzuerkennen, die diese Beschreibung nach deutschem Verständnis nicht im Ansatz verdienen, solange nur das ausländische Schiedsverfahrensstatut sie als Schiedssprüche ansieht. Die Mehrzahl der deutschen Autoren meint, die Einordnung als Schiedsspruch sei nach deutschem Recht zu bestimmen. Schiedsspruch i. S. d. § 1061 ZPO ist also nur eine Entscheidung, die äquivalent zu einem deutschen Schiedsspruch ist.276 Schiedsspruch nach deutschem Verständnis sind nur Entscheidungen echter Schiedsgerichte277, die bestimmte formale Anforderungen erfüllen.278 Dieser 272

Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1061 Rn. 4. Vgl. nur Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 518 und für das UNÜ Haas/Kahlert, in: Weigand/Baumann, Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 3rd Ed. 2019, Rn. 21.77 ff. 274 Ausführlicher Überblick bei Ehle, in: Wolff, New York Convention, 2. Aufl. 2020, Art. I Rn. 14 ff. 275 Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, S. 67; vgl. Ehle, in: Wolff, New York Convention, 2. Aufl. 2020, Art. I Rn. 16, jeweils m.w. N. 276 Anders, in: Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO, 79. Aufl. 2021, § 1061 Rn. 4; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1061 Rn. 4; Kröll, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1061 Rn. 10; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, Bd. 11, 4. Aufl. 2014, § 1061 Rn. 19; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 30 Rn. 11; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1061 Rn. 3; vgl. Ehle, in: Wolff, New York Convention, 2. Aufl. 2020, Art. I Rn. 15. 277 Deutlich OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 46, B. II. 278 Zu den formellen Anforderungen an Schiedssprüche Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1061 Rn. 9; Schlabrendorff/Sessler, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1054 Rn. 5 ff. Wiederum unklar ist aber, ob sich die formellen Anforderungen an Schiedssprüche nach der lex fori oder der lex arbi273

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Sicht scheint sich auch die deutsche Rechtsprechung – „unbesehen“ wie Haas kritisch bemerkt hat279 – angeschlossen zu haben.280 Teilweise wird auch eine doppelte Qualifikation vertreten. Danach soll ausnahmsweise dann kein Schiedsspruch vorliegen, obwohl das deutsche Recht die Entscheidung als solchen einordnet, wenn das maßgebliche ausländische Recht die Entscheidung nicht als Schiedsspruch qualifiziert.281 Argument dieser Sicht ist, dass die Verweisung auf das UNÜ des § 1061 ZPO einen ausländischen Schiedsspruch voraussetzt.282 Andere Autoren hingegen meinen, für die Einordnung sei das UNÜ maßgeblich.283 Hierbei ist dann wieder umstritten, wie die Voraussetzungen zur Einordnung innerhalb des UNÜ angesichts des Fehlens entsprechender Regeln zu ermitteln sind. Die hierbei überwiegende Ansicht will den Begriff des „Schiedsspruchs“ im UNÜ in autonomer Weise funktional auslegen.284 Schiedsspruch ist demnach die Entscheidung eines gerichtsförmigen Verfahrens, die von seiner Wirkung her im Erlassstaat einem Gerichtsurteil jedenfalls teilweise vergleichbar ist.285 Argutri bestimmen. Für eine Bestimmung nach der lex arbitri s. nur Kröll, in: Böckstiegel/ Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1061 Rn. 10 m.w. N. 279 Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 519. 280 OLG Rostock, Beschl. v. 22.11.2001 – 1 Sch 3/2000, BeckRS, 17668, Rn. 40; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.01.2005 – I-26 Sch 5/03, SchiedsVZ 2005, 214, 215; implizit und ohne das Problem zu nennen auch LG Stuttgart, Urt. v. 02.04.2002 – 17 O 611/00, BeckRS 2002, 12114, Rn. 116; LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 108; unklar und nicht entscheidungsrelevant in OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 46, B. II. 281 LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 108; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 1061 Rn. 5; Kröll, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1061 Rn. 10; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1061 Rn. 9; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1061 Rn. 3; Wilske/Markert, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, §1061 Rn. 5, 26. Ed., Stand: 15.09.2017; vgl. Ehle, in: Wolff, New York Convention, 2. Aufl. 2020, Art. I Rn. 17. 282 Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1061 Rn. 3. 283 Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 519; Haas/Kahlert, in: Weigand/Baumann, Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 3rd Ed. 2019, Rn. 21.78 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, Anh. § 1061 Rn. 16; vgl. Ehle, in: Wolff, New York Convention, 2. Aufl. 2020, Art. I Rn. 18. 284 Adolphsen, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, Anh. § 1061, Art. I UNÜ Rn. 3 f.; Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 519; Haas/Kahlert, in: Weigand/Baumann, Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 3rd Ed. 2019, Rn. 21.78; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 766; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, Anh. § 1061 Rn. 16. 285 Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 519; Haas/Kahlert, in: Weigand/Baumann, Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 3rd Ed. 2019, Rn. 21.79; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989, Rn. 766.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

mentiert wird insbesondere mit dem Sinn und Zweck des UNÜ selbst, welches ja gerade dazu diene die Umlauffähigkeit von privaten Streitentscheidungen im Ausland sicherzustellen.286 Teilweise wird versucht einen Mittelweg zu gehen, indem entweder alternativ auf den deutschen Begriff oder den des UNÜ abgestellt wird 287, oder aber die Erwägungen des UNÜ bei der Bestimmung des deutschen Begriffs im Rahmen des § 1061 ZPO berücksichtigt werden sollen, weil sie Kraft der Verweisung in § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO Teil des deutschen Rechts seien288. Wieder andere meinen, es solle im ersten Schritt auf die Einordnung nach dem Recht am Schiedsort ankommen. Alternativ, falls eine Entscheidung danach nicht als Schiedsspruch zu qualifizieren ist, darauf, ob die Entscheidung einen Schiedsspruch i. S. d. UNÜ darstellt.289 Für die Sicht der herrschenden Literatur und der Rechtsprechung im deutschen Recht, die die Einordnung als „Schiedsspruch“ an deutschem Recht messen will, spricht, dass deutsche Gerichte andernfalls gezwungen sein können, einen Schiedsspruch anzuerkennen und zu vollstrecken, der nach hiesigen Vorstellungen keinen solchen darstellt. Rechtfertigung des Schutzes, der Schiedssprüchen über das Schiedsverfahrensrecht zukommt, ist die Gleichwertigkeit zum staatlichen Verfahren. Das schützt zwar auch ausländische Schiedssprüche als alternative, gleichwertige Entscheidungen. Dieser Rechtfertigung entzöge man jedoch den Boden, ließe man zu, dass auch „Schiedssprüche“ ausländischer Schiedsgerichte anzuerkennen wären, denen das deutsche Recht diese Qualifikation nicht beimessen würde. Zwar dient das UNÜ der Sicherstellung weitgehender Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen. Das kann aber nur dann gelten, wenn der „Schiedsspruch“ auch ein solcher im Sinne des Rechtes des Vollstreckungsstaates ist. Erst dann kann ihm der Schutz des Schiedsverfahrensrechts und des UNÜ zukommen. Zu prüfen gilt es also, wie bei inländischen Schiedssprüchen, ob der ausländische Schiedsspruch von einem – nach deutschem Verständnis290 – echten Schiedsgericht erlassen wurde. Dieses Ergebnis deckt sich dann auch mit der bereits oben herausgearbeiteten dogmatischen Verortung des Begriffs des echten Schiedsgerichts.291 286 Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 519 f.; Haas/Kahlert, in: Weigand/Baumann, Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 3rd Ed. 2019, Rn. 21.78; Ehle, in: Wolff, New York Convention, 2. Aufl. 2020, Art. I Rn. 15, 19. 287 Wilske/Markert, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1061 Rn. 5, 26. Ed., Stand: 15.09.2017. 288 Kröll, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1061 Rn. 10; Saenger, in: Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 1061 Rn. 2; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 30 Rn. 11. 289 Ehle, in: Wolff, New York Convention, 2. Aufl. 2020, Art. I Rn. 19. 290 Zu den Kriterien bereits oben Kapitel 4 § 2 C. I. 291 Kapitel 4 § 2 B. IV. 2.

§ 2 „Echte Schiedsgerichtsbarkeit‘‘ als Anwendungsvoraussetzung

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c) Zwischenergebnis Trotz ausländischem Schiedsverfahrensstatut kommt dem deutschen Begriff eines echten Schiedsgerichts Bedeutung im Rahmen der Fälle des § 1025 Abs. 2 ZPO und im Rahmen der Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungssituation des § 1061 ZPO zu. Letzteres jedenfalls, stimmt man der herrschenden Meinung im deutschen Recht zu. 2. Nichtkonstitutiver Charakter der von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Fälle auch bei dessen Nichtanwendbarkeit aufgrund ausländischen Schiedsverfahrensstatuts Wie gezeigt worden ist292, kennt das deutsche Schiedsverfahrensrecht in § 1034 Abs. 2 ZPO Umstände, deren Vorliegen den Charakter eines echten Schiedsgerichts zwar grundsätzlich entfallen ließen, die der deutsche Gesetzgeber aber ausdrücklich anders, nämlich durch ausgleichende Eingriffe der staatlichen Gerichtsbarkeit, gelöst wissen wollte und die deshalb nicht dazu führen, dass dem Schiedsgericht sein Charakter als echtes Schiedsgericht zu versagen wäre. Daraus ergibt sich die Frage, wie sich § 1034 Abs. 2 ZPO auf den Begriff des echten Schiedsgerichts bei seiner Nichtanwendbarkeit aufgrund eines ausländischen Schiedsverfahrensstatuts auswirkt. Grundsätzlich sind zwei Wege denkbar: Erstens: Ist das deutsche Schiedsverfahrensrecht und deshalb § 1034 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar, dann fallen die von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Fälle aus dem für den Charakter als echtes Schiedsgericht nicht konstitutiven Bereich der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zurück in den konstitutiven Bereich des Begriffs der echten Schiedsgerichtsbarkeit. Liegt also ein Fall des § 1034 Abs. 2 ZPO vor, entfällt der Charakter als echtes Schiedsgericht. Dies entspräche der Rechtslage für inländische Schiedsverfahren vor Einführung des § 1034 Abs. 2 ZPO. Insbesondere die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit griffe dann nicht durch. Konsequenz dessen wäre eine Zweideutigkeit des Begriffs des echten Schiedsgerichts je nachdem, ob es sich um ein in- oder ausländisches Schiedsverfahren handelt. Zweitens: Die im deutschen Recht vorgesehene Herausnahme der insbesondere von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Fälle aus dem Begriff der echten Schiedsgerichtsbarkeit bleibt auch für den Fall der Anwendbarkeit ausländischen Schiedsverfahrensrechts erhalten. Dabei fehlte es jedoch dann aufgrund der Nichtanwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO an einer Möglichkeit zur Korrektur des Besetzungsmechanismus. Der BGH ist jüngst den zweiten Weg gegangen. In seiner Entscheidung in der Rechtssache Pechstein hat der BGH trotz Nichtanwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 292

S. o. Kapitel 4 § 2 C. I. 4.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

ZPO aus dessen Existenz geschlussfolgert, dass nicht jedwede Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Neutralität des Schiedsgerichts zu einer Nichtanwendbarkeit der §§ 1025 ff. ZPO führe.293 Dem ist zuzustimmen. Auch im Falle der Nichtanwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO aufgrund eines ausländischen Schiedsverfahrensstatuts, bleibt es bei dessen herauslösender Wirkung in Bezug auf den Begriff des echten Schiedsgerichts.294 So verbleiben die von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Fälle stets im nicht konstitutiven Bereich der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines echten Schiedsgerichts. Auch bei Nichtanwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO handelt es sich also trotz grundsätzlichen Vorliegens eines Falls des § 1034 Abs. 2 ZPO um ein echtes Schiedsgericht.295 Hierfür spricht insbesondere, dass § 1034 Abs. 2 ZPO die gesetzgeberische Intention zugrunde liegt, Mängel im Besetzungsverfahren innerhalb des grundsätzlich gewollten und gleichwertigen Schiedsverfahrens zu beheben. Daran ändert sich im Grundsatz auch bei Anwendbarkeit eines ausländischen Schiedsverfahrensrechts nichts.296 Darüber hinaus kann nur so eine Zweideutigkeit des Begriffs echter Schiedsgerichtsbarkeit vermieden werden, die zur Folge hätte, dass ein echtes Schiedsgericht unter je anderen Voraussetzungen zu bejahen wäre, je nachdem, ob es sich um ein in- oder ausländisches Verfahren handelt. Das wäre nicht nur unpraktisch, sondern würde in gewissem Maße konterkarieren, dass es auch in den Situationen der §§ 1025 Abs. 2 und 1061 ZPO auf den deutschen Begriff eines echten Schiedsgerichts ankommt.297 Auch dieses Ergebnis deckt sich mit der bereits oben herausgearbeiteten dogmatischen Verortung des Begriffs des echten Schiedsgerichts.298 3. Auswirkungen mangelnder Behebbarkeit von Besetzungsmängeln im anwendbaren ausländischen Schiedsverfahrensrecht Die Herauslösung der von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Fälle aus den für ein echtes Schiedsgericht konstitutiven Voraussetzungen wird im deutschen Recht durch die von § 1034 Abs. 2 ZPO gegebene Abhilfemöglichkeit kompensiert. Nur so lässt sich die Herauslösung der von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Fälle aus dem konstitutiven Bereich überhaupt rechtfertigen. Denn auch wenn der 293

BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2269 Rn. 35. So jetzt auch Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 40, ohne aber die hier nachfolgend in Kapitel 4 § 2 C. II. 3. beantwortete Frage zu diskutieren. 295 Unausgesprochen, aber scheinbar voraussetzend auch Adolphsen, SpuRt 2016, 46, 50; Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 819 f. 296 Vgl. schon oben Kapitel 3 bei Fn. 297. Eine andere Frage ist, wie sich die mangelnde Behebbarkeit der Besetzungsmängel im ausländischen Schiedsverfahrensrecht auswirkt. Dazu im Folgenden. 297 Kapitel 4 § 2 C. II. 1. 298 Kapitel 4 § 2 B. IV. 2. 294

§ 2 „Echte Schiedsgerichtsbarkeit‘‘ als Anwendungsvoraussetzung

293

Staat den Parteien ihre privatautonome Entscheidung hin zur Schiedsgerichtsbarkeit nicht versagen kann, so trifft ihn doch die Pflicht zur Sicherstellung der Einhaltung von Rechtsstaatlichkeitsanforderungen.299 Fehlt es an der Anwendbarkeit der von § 1034 Abs. 2 ZPO gegebenen Abhilfemöglichkeit aufgrund dessen Nichtanwendbarkeit, muss an anderer Stelle sichergestellt werden, dass sich die benachteiligte Partei gegen den sie benachteiligenden Besetzungsmechanismus zur Wehr setzen kann. Richtiger Ort hierfür ist die Anerkennungs- beziehungsweise Vollstreckbarerklärungskontrolle gemäß § 1061 Abs. 1 ZPO i.V. m. Art. V UNÜ. Denn seit jeher ist in Literatur und Rechtsprechung anerkannt, dass die Unabhängigkeit des Schiedsgerichts Bestandteil des verfahrensrechtlichen ordre public ist.300 Gleiches gilt dann auch für den Grundsatz des § 1034 Abs. 2 ZPO.301 Im Rahmen der ordre-public-Prüfung kommt es also darauf an, ob das maßgebliche Schiedsverfahrensrecht eine mit § 1034 Abs. 2 ZPO vergleichbare Korrektur bereithält.302 Besteht eine mit § 1034 Abs. 2 ZPO vergleichbare Korrekturmöglichkeit nicht, so handelt es sich gleichwohl nach deutschem Recht um einen echten Schiedsspruch, dem seine Anerkennung und Vollstreckbarerklärung bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen eines verfahrensrechtlichen ordre-public-Verstoßes303 jedoch zu versagen ist.304 Wolf/Eslami hingegen meinen, ein Eingreifen erst auf anerkennungs- beziehungsweise vollstreckungsrechtlicher Ebene komme zu spät. Denn das Ergebnis gerate so in Konflikt mit dem Grundsatz der effektiven Justizgewähr. In den Fällen, wo der Ernennungsmechanismus der Schiedsrichter den Grundsätzen des § 1034 Abs. 2 ZPO widerspreche, das auf das Schiedsverfahren anwendbare ausländische Schiedsverfahrensrecht aber keine § 1034 Abs. 2 ZPO entsprechende Korrekturmöglichkeit vorsehe, dürfe schon die Schiedseinrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO nicht durchgreifen. Die Schiedsvereinbarung sei in diesen Fällen als unwirksam anzusehen.305 299

S. o. Kapitel 2 § 2 D. I. 1. a). Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 526 m.w. N. S. auch Adolphsen, SpuRt 2016, 46, 50; Adolphsen, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, Anh. § 1061, Art. V UNÜ Rn. 75; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, Anh. § 1061 Rn. 356. 301 Adolphsen, SpuRt 2016, 46, 50; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, Anh. § 1061 Rn. 356; Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 819. 302 Bspw. enthält das schweizerische Schiedsverfahrensrecht in Art. 368 ZPO eine mit § 1034 Abs. 2 ZPO vergleichbare Regel. So auch Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 40, anders aber Thöne, SchiedsVZ 2020, 176, 181. 303 So soll der verfahrensrechtliche ordre public nur dann verletzt sein, wenn sich der Mangel auf den Schiedsspruch ausgewirkt haben könnte, wobei das genau notwendige Maß an Kausalität streitig ist, Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, Anh. § 1061 Rn. 367. 304 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, Anh. § 1061 Rn. 356; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 4. 305 Wolf/Eslami, in: FS Geimer, S. 807, 820. 300

294

Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Dass ein unter § 1034 Abs. 2 ZPO fallender Mangel im Ernennungsmechanismus grundsätzlich zur materiell-rechtlichen Unwirksamkeit der Schiedsverfahrensvereinbarung führen kann, ist hier umfassend dargelegt worden.306 Voraussetzung wäre jedoch die Anwendbarkeit deutschen materiellen Rechts auf die Schiedsverfahrensvereinbarung. Eine in der Schiedseinredesituation durchgeführte ordre-public-Widrigkeitsprognose ist indes kritisch zu sehen.307 Aus der Tatsache aber, dass die unter § 1034 Abs. 2 ZPO fallenden Fälle unter bestimmten Voraussetzungen auch Anknüpfungspunkte einer materiell-rechtlichen Unwirksamkeit der sie enthaltenden Schiedsverfahrensvereinbarung sein können, ergibt sich eine weitere Besonderheit. Denn Konsequenz der Unwirksamkeit der Schiedsverfahrensvereinbarung ist, dass die von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Mängel zugleich im verfahrensrechtlichen sowie im materiell-rechtlichen ordre public308 Relevanz haben können, soweit die konkret verletzte materiell-rechtliche Regel Teil des ordre-public ist, was jedenfalls für das kartellrechtliche Missbrauchsverbot unstreitig der Fall ist309. Eine ausführliche Betrachtung dieser Doppelrelevanz kann hier jedoch aus Gründen des Umfangs nicht mehr erfolgen und muss deshalb weiteren Forschungen vorbehalten bleiben. 4. Zwischenergebnis Der deutsche Begriff echter Schiedsgerichtsbarkeit hat trotz ausländischem Schiedsverfahrensstatut Bedeutung im Rahmen des § 1025 Abs. 2 und des § 1061 ZPO. Trotz der Nichtanwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO bei ausländischen Schiedsverfahren nimmt die Norm die von ihm erfassten Fälle aus dem für die Qualifizierung als echtes Schiedsgericht konstitutiven Kern der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit heraus. Insoweit ist der Begriff des echten Schiedsgerichts ungeachtet des anwendbaren Schiedsverfahrensstatuts gleich zu beurteilen. Allerdings fehlt es mangels Anwendbarkeit von § 1034 Abs. 2 ZPO an der notwendigen Abhilfemöglichkeit gegen eine Benachteiligung im Besetzungsverfahren. Es muss deshalb an anderer Stelle sichergestellt werden, dass sich die benachteiligte Partei gegen den sie benachteiligenden Besetzungsmechanismus zur Wehr setzen kann. Weil die Unabhängigkeit des Schiedsgerichts und der Grundsatz des § 1034 Abs. 2 ZPO Bestandteil des verfahrensrechtlichen ordre public ist, ist die Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungskontrolle gemäß § 1061 306 S. o. Kapitel 3 § 3. Zum Maßstab im Rahmen der materiell-rechtlichen Prüfung nach deutschem Recht bei Anwendbarkeit eines ausländischen Schiedsverfahrensrechts siehe Kapitel 3 bei Fn. 826. 307 S. o. Kapitel 3 § 3 C. I. 2. b) nach Fn. 533. 308 Zur Unterscheidung Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, Anh. § 1061 Rn. 320. 309 Siehe nur Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, Anh. § 1061 Rn. 349 m.w. N.

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 295

Abs. 1 ZPO i.V. m. Art. V UNÜ hierfür der richtige Ort. Im Rahmen der ordrepublic-Prüfung kommt es dann darauf an, ob das maßgebliche Schiedsverfahrensrecht eine mit § 1034 Abs. 2 ZPO vergleichbare Korrekturmöglichkeit bereithält. Bei Anwendbarkeit deutschen materiellen Rechts auf die Schiedsverfahrensvereinbarung hat die Arbeit jedoch schon zuvor gezeigt, dass auch eine materiellrechtliche Unwirksamkeit der Verfahrensvereinbarung in Betracht kommen kann.

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle Nachdem nun Klarheit über den Umfang des § 1034 Abs. 2 ZPO besteht, soll im Folgenden ein Blick auf das Verhältnis und die Auswirkungen der Norm auf materiell-rechtliche Inhaltskontrollnormen geworfen werden. Analog zu den vorherigen Ausführungen soll sich nach einigen kurzen methodischen Überlegungen auf das Verhältnis zu § 138 Abs. 1 BGB, § 307 BGB und insbesondere auf das Verhältnis zu § 19 GWB konzentriert werden. Anders als zuvor, soll hier auch ein Blick auf das Verhältnis zu Art. 102 AEUV geworfen werden. Klarstellend sei nochmals hervorgehoben: Wenn die Arbeit im Folgenden das Verhältnis der §§ 138, 307 BGB und 19 GWB zu § 1034 Abs. 2 ZPO in den Blick nimmt, dann hat dies seine Relevanz für Fälle, in denen die jeweilige Inhaltskontrollnorm gleichzeitig mit § 1034 Abs. 2 ZPO auf eine Schiedsvereinbarung anwendbar ist. Dies kann von vornherein nicht der Fall sein für die Schiedsvereinbarung i. e. S. Dies aus zwei Gründen: Zunächst erfasst § 1034 Abs. 2 ZPO seinem Tatbestand nach nur Schiedsverfahrensvereinbarungen.310 Schon deshalb kann es zu keiner gleichzeitigen Anwendbarkeit der Inhaltskontrollnormen und § 1034 Abs. 2 ZPO hinsichtlich der Schiedsvereinbarung i. e. S. kommen. Zwar erfassen die Inhaltskontrollnormen grundsätzlich auch Schiedsvereinbarungen i. e. S. Allerdings hat sich gezeigt, dass eine Schiedsvereinbarung i. e. S. eine Inhaltskontrolle grundsätzlich nicht auslösen kann.311 Der von § 1034 Abs. 2 ZPO erfasste Fall des Übergewichts bei der Besetzung des Schiedsgerichts kann, wie dargestellt worden ist, grundsätzlich Ursache einer Unwirksamkeit der betreffenden Schiedsverfahrensvereinbarung sowohl im Rahmen der §§ 138 und 307 BGB als auch im Rahmen des § 19 GWB sein. Entsprechend haben Regelungen zur Besetzung des Schiedsgerichts in der Schiedsvereinbarung immer wieder eine große Rolle in Entscheidungen zur Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung gespielt.312 310

S. o. Kapitel 4 § 1 C. I. 3. a). S. o. Kapitel 3 § 4. 312 S. bspw. BGH, Urt. v. 26.01.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 339, das einseitige Besetzungsrecht war hier allerdings nur einer von mehreren Mängeln; BGH, Urt. v. 01.03.2007 – III ZR 164/06, SchiedsVZ 2007, 163 f.; BGH, Urt. v. 07.06.2016 – 311

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Ist eine der Inhaltskontrollnormen gleichzeitig mit § 1034 Abs. 2 ZPO einschlägig, dann wird das Übergewicht bei der Besetzung des Schiedsgerichts gleichzeitig von mehreren Normen erfasst. Das wäre grundsätzlich nicht weiter problematisch, würden die verschiedenen Normen gleiche oder jedenfalls miteinander verträgliche Rechtsfolgen anordnen. Dann wären die Regeln grundsätzlich nebeneinander anzuwenden. Für diesen Fall spricht man von „kumulativer Normenkonkurrenz“.313 So mag es für die Verhältnisse der §§ 138, 307 BGB und § 19 GWB jeweils zueinander sein. Nicht aber für das Verhältnis dieser Normen zu § 1034 Abs. 2 ZPO. Denn die jeweiligen Rechtsfolgen sind weder gleich noch miteinander verträglich. Entgegen der §§ 138, 307 BGB und 19 GWB, ist Rechtsfolge des § 1034 Abs. 2 ZPO nicht die Nichtigkeit der die Besetzung regelnden Schiedsverfahrensvereinbarung. Vielmehr gibt § 1034 Abs. 2 ZPO die Möglichkeit, entgegen des vereinbarten Besetzungsverfahrens das Schiedsgericht durch das staatliche Gericht besetzen zu lassen. Bei Anwendung der §§ 138 Abs. 1, 307 BGB, § 19 GWB hingegen wäre Rechtsfolge des Verstoßes für die Schiedsverfahrensvereinbarung über die Besetzung des Schiedsgerichts deren Unwirksamkeit. An ihre Stelle träte dann die gesetzliche Regelung des § 1035 ZPO, der letztlich über § 1035 Abs. 3 ZPO zu einer Neubesetzung des Schiedsgerichts durch das staatliche Gericht führen kann. Man mag einwenden, dass der Unterschied nur in der anwendbaren Norm liegt. Denn so oder so kommt es auf Antrag einer Partei zu einer Neubesetzung des Schiedsgerichts durch das staatliche Gericht. Maßgeblicher Unterschied aber ist die Frist des § 1034 Abs. 2 ZPO. Der Unterschied und die Unverträglichkeit der Rechtsfolgen der allgemeinen Unwirksamkeitsregeln einerseits und des § 1034 Abs. 2 ZPO andererseits, wird offenbar, wenn die im Falle des § 1034 Abs. 2 ZPO antragsberechtigte Partei den Antrag nicht stellt. Denn lässt die antragsberechtigte Partei die Frist des Satzes 2 tatenlos verstreichen, ist Ergebnis der Nichtgeltendmachung der Abhilfemöglichkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO die Präklusion des Einwands. Dann kommt § 1034 Abs. 2 S. 2 ZPO gewissermaßen „heilende Wirkung“ zu und es bleibt bei dem benachteiligenden Besetzungsverfahren.314 Eine parallele Anwendung der allgemeinen Inhaltskontrollregeln würde die Präklusionswirkung des § 1034 Abs. 2 ZPO dann im Ergebnis aufheben.315 KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2270 ff.; OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 43 ff.; LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 105 ff. 313 Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 30. 314 S. o. Kapitel 4 § 1 D. 315 S. ausführlich am Bsp. des der Entscheidung OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 11.07.2013 – 26 SchH 8/12, SchiedsVZ 2013, 294 zugrundeliegenden Falls unten Kapitel 4 nach Fn. 369.

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 297

A. Methodische Eingangsüberlegungen: Tatbestands- oder Konkurrenzlösung Dieser Konflikt muss aufgelöst werden. Bei dem Versuch einer Auflösung allerdings stößt man recht schnell an methodische Grenzen. Denn die Frage, wie ein solcher Konflikt überhaupt zu qualifizieren, geschweige denn aufzulösen ist, ist bis heute alles andere als geklärt.

I. Konkurrenzlösung Schwierigkeiten bereitet bereits die Einordnung des § 1034 Abs. 2 ZPO. Immer wieder ist § 1034 Abs. 2 ZPO als eigene Inhaltskontrollnorm bezeichnet worden.316 Denn das von einer Partei angerufene Gericht muss die Schiedsvereinbarung inhaltlich auf das Vorliegen der in § 1034 Abs. 2 ZPO genannten Voraussetzungen prüfen. So verstanden, stünde § 1034 Abs. 2 ZPO als Inhaltskontrollnorm den anderen Regeln der Inhaltskontrolle gleichrangig gegenüber. § 1034 Abs. 2 ZPO setzt im Vergleich zu den anderen Inhaltkontrollnormen jedoch eine andere Rechtsfolge. Dieses Verhältnis ist bisher noch nicht abschließend qualifiziert worden. Teilweise heißt es oberflächlich, § 1034 Abs. 2 ZPO sei die speziellere Norm.317 Auch schon zum alten Recht war das Verhältnis der damaligen schiedsverfahrensrechtlichen Sonderregelung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. zu den allgemeinen Wirksamkeitsregeln umstritten. Teilweise wurde von § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. als „lex specialis“, teilweise als „sachliche Erweiterung“ und teilweise als „Konkretisierung“ gesprochen.318 Wird von Spezialität gesprochen, befindet man sich dogmatisch auf Konkurrenzebene. Dann geht es darum, welcher von zwei Normen der Vorrang zu gewähren ist. Von Spezialität wird gesprochen, wenn eine Norm alle Tatbestandsmerkmale einer anderen Regelung und dazu wenigstens ein weiteres, spezielleres, Merkmal enthält. Die erste Norm ist also vollständig in der zweiten Norm enthalten.319 Die enthaltene Norm ist die generellere Norm, die enthaltende die speziellere Norm. Eine solche Kollision zwischen zwei Normen wird über den 316 BGH, Urt. v. 01.03.2007 – III ZR 164/06, SchiedsVZ 2007, 163, 164; erwägend Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2004, 175, 178; vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 11.07.2013 – 26 SchH 8/12, SchiedsVZ 2013, 294, 295 a. E. 317 Siehe bspw. BGH, Urt. v. 01.03.2007 – III ZR 164/06, SchiedsVZ 2007, 163, 164; Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 224 (einschränkend aber im Verhältnis zu § 307 BGB). 318 S. für die Nw. und insges. schon o. Kapitel 2 bei Fn. 23 und ausführlich Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 101 ff. 319 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 88; Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 199 f.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 31 f.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Grundsatz lex specialis derogat legi generali gelöst. Die speziellere Norm verdrängt also die generellere. Man spricht insoweit von „logischer Spezialität“.320 Dieser Grundsatz gilt allerdings nur im Verhältnis zweier Normen gleichen Rangs.321 Denn bei Normen unterschiedlichen Ranges gilt der Grundsatz, dass sich das höherrangige Recht gegenüber dem niederrangigen Recht durchsetzt (lex superior derogat legi inferiori).322 Bei § 1034 Abs. 2 ZPO und den §§ 138, 307 BGB und 19 GWB handelt es sich problemlos um gleichrangiges Recht. Nicht aber bei § 1034 Abs. 2 ZPO im Verhältnis zu Art. 102 AEUV.323 Klassisches Beispiel eines Spezialitätsverhältnisses ist die Beziehung zwischen § 223 und § 224 StGB. Der einfachen zur gefährlichen Körperverletzung. Unzweifelhaft setzt § 224 StGB seinem Tatbestand nach einerseits den ganzen Tatbestand des § 223 StGB voraus, fügt dem andererseits noch weitere Merkmale – hier: eine besondere abstrakte Gefährlichkeit der Tathandlung, die eine höhere Strafandrohung rechtfertigt – hinzu. Einhellig wird aus dieser Spezialität die Nichtanwendbarkeit des § 223 StGB in den von § 224 StGB erfassten Fällen angenommen.324 In einem so verstandenen Spezialitätsverhältnis steht § 1034 Abs. 2 ZPO zu den §§ 138, 307 BGB und 19 GWB jedoch nicht. Denn § 1034 Abs. 2 ZPO ergänzt nicht etwa die Tatbestände der anderen Normen um ein weiteres Merkmal. § 1034 Abs. 2 ZPO erfasst vielmehr nur einen konkreten Fall, einen Ausschnitt aller von §§ 138, 307 BGB oder 19 GWB erfassten Fälle. Das Verhältnis lässt sich also nicht als hinzuaddieren eines weiteren Merkmals beschreiben. Zutreffend ist vielmehr das Bild zweier ineinanderliegender Kreise. Ein solches Verhältnis stellt keinen Fall logischer Spezialität dar.325 Reimer hat für diesen Fall, in dem sich Normen nicht generell, sondern nur in konkreten Anwendungssituationen überschneiden, von „ad-hoc-Spezialität“ oder „partieller Spezialität“ gesprochen.326 Auch für den Fall zweier sich überschneidender Kreise meinen beispielsweise Larenz/Canaris und Zippelius, dass es sich dabei nicht um einen Fall logischer Spezialität handelt.327 320

Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 199. Tettinger/Mann, Einführung in die juristische Arbeitstechnik, 5. Aufl. 2015, Rn. 92. 322 Tettinger/Mann, Einführung in die juristische Arbeitstechnik, 5. Aufl. 2015, Rn. 89; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 32. 323 Ausführlich unten Kapitel 4 § 3 E. I. 324 Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 31 f. 325 Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 203; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 32; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 89. 326 Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 203. 327 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 89; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 32. 321

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 299

Während Reimer auch den Fall der partiellen Spezialität über den lex-specialis-Satz aufgelöst wissen will328, kommt es für Larenz/Canaris und Zippelius für den Fall zweier sich überschneidender Kreise, auf teleologische Erwägungen an329. Gerade dann, wenn sich zwei Normen nur teilweise überlagern, könne es sein, dass das Gesetz bestimmte Vorgänge aus besonderen Gründen einer einheitlichen Regelung hat unterwerfen wollen, die es für diese Fälle als abschließend gedacht hat. Würde man dann auf einen Teil dieser Vorgänge, die auch dem Tatbestand einer anderen Norm unterfallen, diese andere Norm ebenfalls anwenden wollen, so könne der Zweck der besonderen Regelung damit für einen Teil der Fälle vereitelt werden.330 Am Ende kommt es auf eine passgenaue Einordnung indes nicht an. Denn auch bei dem lex-specialis-Satz handelt es sich nicht um einen logisch zwingenden Satz oder gar um ein Naturrecht. Vielmehr stellt er eine Vermutungs- und Auslegungsregel dar. Sie beruht auf dem Gedanken, dass ein Vorrang der spezielleren, engeren Norm vor der generelleren, allgemeineren Norm dem Willen des Gesetzgebers entspricht.331 Als solche entbindet sie den Normanwender jedoch nicht davon, im Einzelfall zu prüfen, ob die Vermutung zutreffend ist.332 Deshalb ist das Verhältnis sich mehr oder weniger überlagernder Normen immer nach den jeweiligen Zwecksetzungen aufzulösen. Es ist zu prüfen, ob die Normen aufgrund ihrer Zwecksetzungen parallel angewandt werden können oder einer Norm der Vorrang gebührt. Im hier zur Diskussion stehenden Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den §§ 138, 307 BGB und 19 GWB gilt es noch einen weiteren Aspekt zu beachten. Es sind hier nicht nur einzelne Regelungen, die sich teilweise widersprechend gegenüberstehen. Vielmehr entstammen die einzelnen Normen jeweils auch vollkommen anderen Regelungskomplexen, die alle eigene Zielsetzungen verfolgen. Die damit angesprochene Koordinierung von verschiedenen Regelungsregimen ist bis heute kaum erforscht.333 Es tritt also nicht nur § 1034 Abs. 2 ZPO jeweils in Konflikt zu §§ 138, 307 BGB und 19 GWB, sondern auch das Schiedsverfahrensrecht zum allgemeinen Zivilrecht, zum Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen beziehungsweise zum Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen. 328

Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 203. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 89; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 32. 330 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 89. 331 Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 209; vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 88. 332 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 88; vgl. Tettinger/ Mann, Einführung in die juristische Arbeitstechnik, 5. Aufl. 2015, Rn. 96. 333 Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 210. Ansatzweise Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 90 f. 329

300

Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Reimer meint, Ausgangspunkt einer Auflösung von Konflikten zwischen Regelungskomplexen müsse die Vermutung sein, dass die Normkomplexe soweit sie unterschiedliche, aber nicht per se unvereinbare, Regelungsziele verfolgen, nicht in einem Verhältnis der Alternativität stehen. Deshalb soll die anwendbare Norm beziehungsweise die anwendbaren Normen nicht durch den lex-specialis oder lex-posterior-Satz334 aufzulösen sein. Vielmehr sollen die Regeln der verschiedenen Regelungskomplexe parallel Anwendung finden. So soll und kann verhindert werden, dass einzelne Regelungsziele beziehungsweise Problemaspekte unberücksichtigt bleiben.335 Auch im Verhältnis verschiedener Regelungsregime zueinander geht es am Ende also um die Zwecksetzungen der in Konflikt stehenden Normen beziehungsweise Regelungskomplexe. Es verwundert deshalb nicht, dass sich zeigen wird: Die Behauptung unterschiedlicher Zwecksetzungen der verschiedenen Normen dient oft als Argument für eine parallele Anwendung des §§ 138, 307 BGB oder 19 GWB neben § 1034 Abs. 2 ZPO.

II. Tatbestandslösung Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Auflösung von Normwidersprüchen eng verbunden ist mit Auslegungsfragen der betreffenden Normen. Denn, dass zwei Normen in Widerspruch zueinander treten, ist oft erst das Ergebnis der Auslegung der Normen. Insoweit gilt es also vor Beantwortung der Kollisionsfrage zu prüfen, ob sich der Konflikt nicht durch Auslegung der Normen verhindern lässt.336 Gerade mit Blick auf die hier angesprochenen Verhältnisse wäre es denkbar, die angesprochenen Kollisionen durch Auslegung der Normen zu beseitigen. Alle hier angesprochenen Normen, die in Konflikt zu § 1034 Abs. 2 ZPO treten können, enthalten unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Sittenwidrigkeit bei § 138 Abs. 1 BGB. Die unangemessene Benachteiligung in § 307 Abs. 1 BGB, sowie den Missbrauch bei § 19 Abs. 1 GWB und Art. 102 AEUV. In Bezug auf diese Begriffe steht es dem Gesetzgeber durchaus frei, bestimmte Sachverhalte vom Anwendungsbereich der Normen auszunehmen. Man denke für § 138 Abs. 1 BGB beispielsweise an die Prostitution.337 334 Nach dem Grundsatz lex posterior derogat legi priori kann eine zeitliche Betrachtung bei der Auflösung von Konkurrenzproblemen helfen. Denn grundsätzlich soll das neuere Recht dem älteren Recht vorgehen. Hintergrund dieser Regelung ist insbesondere der Gedanke, dass bestehendes Recht durch den Gesetzgeber abgeändert werden kann. S. Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 33. 335 Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 211. 336 Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 200; Tettinger/Mann, Einführung in die juristische Arbeitstechnik, 5. Aufl. 2015, Rn. 87; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 33. Zur Auslegung des § 1034 Abs. 2 ZPO s. o. Kapitel 4 § 1. 337 Armbrüster, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 1 ProstG Rn. 19.

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 301

Es wäre insoweit durchaus auch denkbar, bereits auf Tatbestandsebene der jeweiligen Normen anzusetzen und die unbestimmten Rechtsbegriffe dahingehend auszulegen, dass die Fälle des § 1034 Abs. 2 ZPO aufgrund dessen Existenz von den jeweiligen Tatbeständen der Normen nicht (mehr) erfasst sind.338 Dahingehend sind dann auch einige Autoren zu verstehen.339 Teilweise werden Tatbestands- und Konkurrenzebene auch vermischt.340 Das Problem der Normenkonkurrenz stellte sich dann nicht mehr. Auch diese Frage aber hinge maßgeblich davon ab, zu entscheiden, ob die jeweiligen Normen neben § 1034 Abs. 2 ZPO zur Anwendung kommen müssen oder nicht. Es liefe also wieder auf eine Betrachtung der jeweiligen Zwecksetzung hinaus. Letztlich kommt es deshalb auf eine trennscharfe Verortung in eine dogmatische Kategorie nicht an. Entscheidend ist und bleibt eine Frage: Ergibt ein Vergleich der Zwecksetzungen der §§ 138, 307 BGB und § 19 GWB sowie Art. 102 AEUV mit der des § 1034 Abs. 2 ZPO, dass die Normen parallel zur Anwendung kommen müssen oder nicht?

B. Das Verhältnis von § 1034 Abs. 2 ZPO zur Inhaltskontrolle gemäß § 138 BGB Vor diesem Hintergrund soll zunächst das Verhältnis von § 1034 Abs. 2 ZPO zu § 138 Abs. 1 BGB in den Blick genommen werden.

I. § 1034 Abs. 2 ZPO als die Sittenwidrigkeitskontrolle des § 138 Abs. 1 BGB beschränkende Norm Insbesondere der historischen und teleologischen Auslegung der Norm ist entnommen worden, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass „[a]ngesichts des in § 1042 Abs. 1 ZPO-E verankerten Gebots der Gleichbehandlung beider Parteien durch das Schiedsgericht [. . .] ein nicht hinzunehmendes Übergewicht einer Partei über die andere Partei im schiedsrichterlichen Verfahren selbst nur bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts auftreten“ kann. Für diese Fälle wollte der Gesetzgeber jedoch entgegen der früheren Regelung in § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. nicht mehr die Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung. Vielmehr sollte die 338 In diese Richtung lassen sich auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 88 verstehen, wenn sie sagen: „[. . .] verdrängt [. . .] die speziellere Norm für ihren engeren Anwendungsbereich stets die allgemeinere, was nichts anderes bedeutet, als daß die allgemeinere Norm durch die speziellere eingeschränkt wird.“ 339 Siehe zum Beispiel Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 225, die davon ausgehen, der Verweis auf einen vom Gesetzgeber vorgesehenen Rechtsbehelf könne nicht unbillig i. S. d. § 307 BGB sein. 340 So zum Beispiel bei Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 224 a. E., wo von § 1034 Abs. 2 ZPO als lex specialis gesprochen wird, während dann auf S. 225 vertreten wird, der Verweis auf § 1034 Abs. 2 ZPO könne keine unbillige Härte darstellen.

302

Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Ungleichbehandlung einer Partei im Schiedsverfahren selbst korrigiert werden können.341 Die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist deshalb zu Recht der Ansicht, dass die Sittenwidrigkeitskontrolle des § 138 Abs. 1 BGB im Anwendungsbereich des § 1034 Abs. 2 ZPO nicht greift.342 Teilweise lassen sich die Stimmen dabei im Sinne einer Tatbestandslösung, teilweise im Sinne einer Konkurrenzlösung verstehen. Teilweise findet eine genaue Einordnung nicht statt. Entscheidend kommt es darauf an, dass aus der gesetzgeberischen Intention und Systematik des § 1034 Abs. 2 ZPO zu Recht abgeleitet wird, dass er mit seiner Rechtsfolge der des § 138 Abs. 1 BGB vorgehen muss, sei es auf Tatbestandsebene oder auf Konkurrenzebene.343 Wäre eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB in den von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Fällen hingegen möglich, führte dies zu einer Umgehung der gesetzlichen Systematik und der Intention des Gesetzgebers.344 341

BT-Drucks. 13/5274, S. 34 und schon oben Kapitel 2 § 2 B. BGH, Urt. v. 01.03.2007 – III ZR 164/06, SchiedsVZ 2007, 163, 164. Aus der Formulierung in der Entscheidung („nach dieser – auch dem AGB-Recht vorgehenden – Spezialregelung“) hat Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 935 zu Recht gefolgert, dass der BGH in § 1034 Abs. 2 ZPO offenbar eine allen die ungleichgewichtige Besetzung verbietenden Vorschriften vorgehende Spezialregelung sieht. Ebenso: Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 561; Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 118; Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 230; Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2004, 175, 182; Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 225; Hilpert, Die Geschichte des Sportrechts, S. 425; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 308 f.; Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, S. 96; Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 233; Prütting, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 12. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 2; Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 714; Schack, IZVR, 7. Aufl. 2019, Rn. 1334; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 45 und § 1034 Rn. 3; Schlosser, in: Gottwald, Revision des EuGVÜ – Neues Schiedsverfahrensrecht, S. 189; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 5 mit § 1029 Rn. 10; jetzt auch Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 122; etwas zögerlich Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 560; Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 2 und 12a i.V. m. 13 sowie § 1029 Rn. 16; wohl auch Saenger, in: Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 1034 Rn. 13; Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 32 Rn. 13, im Konkreten zwar nur mit Bezug auf Vereine, wohl aber mit allgemeiner Geltung; Schütze, in: Wieczorek/ Schütze, Bd. 11, 4. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 18, 26 („Freiwilligkeitsmängel“) in Abgrenzung zu Rn. 21, 27 („Gleichheitsmängel“); Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1034 Rn. 1, aber Rn. 9; nicht abgeneigt Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 284 in Fn. 31. Siehe zu einigen Gegenstimmen bei Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 45 in Fn. 156. Kritisch insbesondere für den Fall der sittenwidrigen Herbeiführung der Vereinbarung einer ungleichgewichtigen Besetzung Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 935. 343 Ganz ausführlich zum Schutzzweck des § 1034 Abs. 2 ZPO nochmal unten Kapitel 4 § 3 D. II. 4. 344 Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 308; Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 560. 342

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 303

Darüber hinaus soll nach Holla die grundsätzlich vorzunehmende Trennung zwischen Schiedsvereinbarung und Schiedsverfahrensvereinbarung für einen Vorrang des § 1034 Abs. 2 ZPO sprechen. Wie bereits dargestellt345, ist es die Schiedsverfahrensvereinbarung, nicht die Schiedsvereinbarung i. e. S., die der einen Partei ein Übergewicht bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts einräumt. Lediglich die Schiedsverfahrensvereinbarung wird nach § 1034 Abs. 2 ZPO durch den Eingriff des staatlichen Gerichtes abgeändert. Die Schiedsvereinbarung i. e. S. soll gerade unberührt bleiben.346 Dieses Argument vermag indes nichts zur Beantwortung der Frage beizutragen, wie sich die materiell-rechtlichen Inhaltskontrollnormen auf die Besetzungsvereinbarung auswirken, die im Anwendungsbereich des § 1034 Abs. 2 ZPO liegt. Denn auch für die materiellrechtlichen Inhaltskontrollnormen ist Anknüpfungspunkt die sich mit der Besetzung befassende Schiedsverfahrensvereinbarung. Gegen einen Ausschluss des § 138 Abs. 1 BGB ließe sich anführen, dass § 1034 Abs. 2 ZPO das einer Partei durch die Schiedsvereinbarung gegebene Übergewicht bei der Besetzung des Schiedsgerichts nicht ausreichend ausgleicht.347 Denn die von dem Übergewicht der einen Seite betroffene Partei bleibt auch durch das Verfahren des § 1034 Abs. 2 ZPO noch belastet, muss sie immerhin selbst, innerhalb einer recht kurzen Frist, nach deren Ablauf Präklusion eintritt, aktiv werden.348 Zu bedenken ist indes: Die Präklusionswirkung des § 1034 Abs. 2 S. 2 ZPO dient der Rechtssicherheit und Prozessökonomie und soll klare Verhältnisse schaffen.349 Dieser Zweck würde durch eine parallele Anwendbarkeit materiell-rechtlicher Inhaltskontrollnormen umgangen. Diese Zwecksetzung ist übrigens auch dem staatlichen Gerichtsverfahren nicht vollkommen fremd. Sie liegt im Wesentlichen auch § 43 ZPO zu Grunde,350 wenn es dort auch um die Ablehnung eines konkreten Richters geht. Gegen eine parallele Anwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO einerseits, des § 138 Abs. 1 BGB andererseits spricht auch, dass sich die Rechtfolgen der Normen gegenseitig ausschließen.351

345

S. o. Kapitel 4 § 1 C. I. 3. a). Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 308 f. 347 Vgl. Kapitel 4 Fn. 381. 348 Dass Präklusion eintritt, Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 15. Daran anknüpfend Überlegungen zur parallelen Anwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO und der materiell-rechtlichen Inhaltskontrollnormen, ebenda Rn.13 i.V. m. 12a. S. zur Rechtsfolge des § 1034 Abs. 2 ZPO bei Verstreichenlassen der Frist bereits oben Kapitel 4 § 1 D. 349 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 15. 350 Stackmann, in: MüKo-ZPO, Bd. 1, 6. Aufl. 2020, § 43 Rn. 1. 351 Vgl. zur Frage der parallelen Anwendbarkeit von Normen im Falle, dass sich die Rechtsfolgen gegenseitig ausschließen Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 87. 346

304

Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Darüber hinaus gibt § 1034 Abs. 2 ZPO der durch die Regelung unterlegenen Partei eine Möglichkeit zur aktiven Entscheidung, ob sie die Regelung in der Schiedsvereinbarung, aus welchen Gründen auch immer, akzeptiert, oder, ob sie das Schiedsgericht entgegen der Vereinbarung besetzt wissen will. Diese Wahlmöglichkeit wäre der Partei durch die von Gesetzes wegen eintretende Nichtigkeitswirkung genommen. Letztlich wird auch dem Gesetzgeber ein gewisses Maß an Einschätzungsprärogative zuzubilligen sein, wie er das Problem des Übergewichts bei der Besetzung des Schiedsgerichts lösen möchte.352 Teilweise soll die Anwendung des § 1034 Abs. 2 ZPO oder die Anwendung allgemeiner zivilrechtlicher Generalklauseln auch danach abzugrenzen sein, wie schwer der konkrete Mangel ist. Auch dies ist zu Recht abgelehnt worden. Denn eine rechtssichere Differenzierung ist auf diesem Wege nicht möglich.353

II. Exkurs: § 1034 Abs. 2 ZPO stellt allerdings keine abschließende Regelung zum sog. Abschlusszwang dar Hesselbarth hat sich auf den Standpunkt gestellt, § 1034 Abs. 2 ZPO stelle eine „abschließende Regelung im gesetzessystematischen Kontext“ dar.354 Die Norm soll also, obwohl aus ihrem Wortlaut auf den ersten Blick nicht ersichtlich, die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf die Schiedsvereinbarung i. e. S. („Abschlusskontrolle“) ausschließen.355 Dies begründet Hesselbarth mit einem sich ihrer Meinung nach bei „Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf den unfreiwilligen Abschluss von Schiedsverträgen im Falle des Fehlens sonstiger nachteiliger Schiedsvertragsbestimmungen“ ergebenden „unüberbrückbaren Widerspruch mit den in § 1034 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Rechtsfolgen.356 Folgt man der vorliegenden Arbeit in ihrer Sicht, dass allein der Abschluss einer Vereinbarung mit dem Inhalt der Einigung auf die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts im Streitfall unter geltendem Schiedsverfahrensrecht selbst bei Vorliegen eines faktischen Zwangs nicht zur Sittenwidrigkeit der Schiedsvereinbarung führen kann, hat das Verhältnis des § 138 Abs. 1 BGB zu § 1034 Abs. 2 ZPO für diesen Fall im Ergebnis keine Relevanz mehr. Dennoch soll auf die Meinung Hesselbarths eingegangen werden, weil sie auf einer Überdehnung des § 1034 Abs. 2 ZPO beruht, die aufzuzeigen sinnvoll erscheint. 352

Vgl. Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280, 282. Siehe, zu Recht ablehnend, bei Haas/Gedeon, SpuRt 2000, 228, 230; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 310; vgl. Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1034 Rn. 17. 354 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 205 ff. 355 In diesem Sinne lässt sich auch Steiner, SchiedsVZ 2013, 15, 108 verstehen; vgl. Czibere, Die Beendigung von Schiedsvereinbarungen, S. 47 bei und in Fn. 115, der Steiner in diesem Sinne versteht. 356 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 206. 353

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 305

Der von Hesselbarth angeführte Widerspruch soll sich aus folgendem Gedanken ergeben: Zwar erfasse die Regelung des § 1034 Abs. 2 ZPO bei vordergründiger Betrachtung die Ausübung bloßen Abschlusszwangs nicht, tatsächlich liege aber bei der von § 1034 Abs. 2 ZPO genannten Vertragsgestaltung sehr häufig eine Situation vor, in der (auch) hinsichtlich des Abschlusses der Schiedsvereinbarung Zwang ausgeübt worden sei. Denn die schwächere Partei würde sich zu einem für sie inhaltlich derartig nachteiligen Schiedsvertrag kaum jemals freiwillig entschließen.357 Weil, so Hesselbarth, die Freiwilligkeit nur danach beurteilt werden könne, ob der Schiedsvertrag mit seinem konkreten Inhalt freiwillig abgeschlossen worden sei, lasse sich bei einer nachteiligen Ernennungsregel das Vorliegen von Abschlusszwang praktisch vermuten.358 Deshalb, so folgert Hesselbarth, regele § 1034 Abs. 2 ZPO einen nicht untypischen Fall des Abschlusszwangs, bei dem zugleich ein schwerer Verstoß gegen das Gebot der Waffengleichheit im Schiedsverfahren vorliege. Weil eben die für eine Partei nachteilige Schiedsrichterernennungsregel grundsätzlich auf eine ungleiche Verhandlungsposition beim Abschluss des Schiedsvertrags schließen lasse, führe die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf den unfreiwilligen Abschluss von Schiedsverträgen dazu, dass die Partei, die ihre überlegene Verhandlungsposition dazu ausnutze, die andere Seite nicht nur zum Abschluss der Schiedsvereinbarung, sondern auch noch zur Annahme einer für sie nachteiligen Ernennungsregelung zu zwingen, sich im letztgenannten Fall (wegen der Anwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO) auf eine wirksame Schiedsvereinbarung berufen könne, während ansonsten die Schiedsvereinbarung gemäß § 138 Abs. 1 BGB insgesamt nichtig sei.359 Dieser Widerspruch ist jedoch Ergebnis einer Überdehnung des § 1034 Abs. 2 ZPO, auf der Hesselbarths Argumentation bezüglich des § 1034 Abs. 2 ZPO im Wesentlichen fußt.360 Zwar mag es sein, dass in der Praxis oftmals die Überlegenheit einer Vertragspartei zu der in der Schiedsvereinbarung verankerten Übermachtstellung führt. Zwingend, im Sinne eines Kausalzusammenhangs, ist dies – wie bereits dargestellt361 – aber keinesfalls. § 1034 Abs. 2 ZPO setzt vielmehr voraus, dass die Schiedsvereinbarung nicht bereits – aus welchen Gründen auch immer – unwirksam ist. Wie Karl richtig betont hat, ist die Frage des Vorliegens eines freiwilligen „Abschlusses“ deshalb eine § 1034 Abs. 2 ZPO vorgelagerte Frage.362

357

Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 205. Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 206. 359 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 206. 360 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, Ergebniszusammenfassung auf S. 236. 361 S. o. Kapitel 4 § 1 C. III. 362 Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, S. 94, 96; ebenfalls Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, S. 85 und 90. 358

306

Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Folgt man Hesselbarth in diesem Punkt nicht, ergibt sich der von ihr befürchtete Widerspruch nicht. Auch die von Hesselbarth aufgestellte Vermutung eines Abschlusszwangs bei Vorliegen einer nachteiligen Ernennungsregel ist bereits in ihrer Grundannahme unrichtig. Sie basiert nämlich auf der Annahme, die Freiwilligkeit könne nur danach beurteilt werden, ob der Schiedsvertrag mit seinem konkreten Inhalt freiwillig abgeschlossen worden sei. Hesselbarth vermischt so jedoch die beiden denkbaren inhaltlichen Anknüpfungspunkte für die Inhaltskontrolle der Schiedsvereinbarung. Die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts für sich besehen einerseits, die konkreten Ausgestaltungen dieser Zuständigkeitsvereinbarung andererseits. Darüber hinaus lässt sich schon grundsätzlich nicht aus der bloßen inhaltlichen Bedenklichkeit der Vereinbarung auf das Vorhandensein von Zwang schließen. Erst recht nicht im Sinne einer Vermutung. Ein solcher Rückschluss widerspräche grundlegend dem Gedanken der Inhaltsfreiheit und verkehrte gleichsam die zu diesem Themenkomplex ergangene Rechtsprechung ins Gegenteil. Denn auch der Abschluss unsinniger oder nachteiliger Verträge liegt in der Freiheit des Einzelnen.363 Es reicht eben grundsätzlich gerade nicht die Feststellung eines für eine Partei nachteiligen oder belastenden Inhalts einer vertraglichen Vereinbarung zum Rückschluss darauf, dass diese Ergebnis eines gestörten Vertragsmechanismus ist. Vielmehr ist die Feststellung einer Benachteiligung einer Partei in der vertraglichen Vereinbarung allein Auslöser einer Überprüfung. Erst so indiziert ist die Frage zu stellen, ob die Benachteiligung deren Vereinbarung als solche zulässig ist, bloß Ergebnis der Ausnutzung der Übermacht war, weshalb die Benachteiligung sich dann als sittenwidrig entpuppt. Darüber hinaus meint Hesselbarth, eine Anwendbarkeit des § 138 Abs. 1 BGB komme allenfalls dann in Betracht, wenn neben dem Zwang zum Abschluss der Schiedsvereinbarung weitere Umstände vorlägen, die den Abschluss als sittenwidrig erscheinen ließen.364 Dies werde praktisch jedoch kaum vorkommen, da eine Schiedsklausel gemäß § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO als von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung zu behandeln sei und Umstände, die zur Sittenwidrigkeit des Hauptvertrages führten grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung hätten.365 Hesselbarth geht dabei offenbar davon aus, dass nur Zwang zum Abschluss der Schiedsvereinbarung im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit dieser führen kann. Dabei gibt es durchaus auch Fälle, in denen es des Rückgriffs auf

363

S. o. Kapitel 3 § 3 A. III. 2. a). So auch Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, S. 96. 365 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 206 f. 364

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 307

die Umstände des Abschlusses überhaupt nicht bedarf, weil bereits der Inhalt der Schiedsvereinbarung für sich besehen sittenwidrig ist. Dass der Unabhängigkeitsgedanke nicht dahingehend zu verstehen ist, dass er die Schiedsvereinbarung aus dem Gesamtzusammenhang, in dem sie steht, herauslöst, ist bereits an anderer Stelle ausführlich herausgearbeitet worden.366 Insgesamt lässt sich § 1034 Abs. 2 ZPO also entgegen der Ansicht von Hesselbarth nicht als „abschließende Regelung im gesetzessystematischen Kontext“ 367 einordnen. § 1034 Abs. 2 ZPO betrifft vielmehr eine der sogenannten Freiwilligkeit nachgelagerte Frage.

C. Das Verhältnis von § 1034 Abs. 2 ZPO zur AGB-Kontrolle Ebenfalls umstritten ist das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zur AGB-Kontrolle.

I. Ansicht der Rechtsprechung und Problemaufriss Im Jahr 2007 hatte der BGH einen Fall zu entscheiden, der ihm Gelegenheit gab, sich zu dem Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO und § 307 BGB zu äußern. Gegenstand der Entscheidung war eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Schiedsvereinbarung, die ein Schiedsgericht mit nur einem, in der Schiedsvereinbarung bereits benannten, Schiedsrichter vorsah. Nachdem die durch die Besetzungsregelung benachteiligte Partei den Rechtbehelf des § 1034 Abs. 2 ZPO nicht fristgerecht geltend gemacht hatte, machte sie gerichtlich die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung aus § 307 BGB geltend. In seiner Entscheidung schloss sich der BGH der herrschenden Meinung in der Literatur an und erklärte § 307 BGB aufgrund der Spezialität des § 1034 Abs. 2 ZPO für nicht anwendbar.368 Auch wenn im konkreten Fall nur das Verhältnis zu § 307 BGB in Frage stand, ist die Formulierung des BGH – „[. . .] nach dieser [gemeint: § 1034 Abs. 2 ZPO] – auch dem AGB-Recht vorgehenden – Spezialregelung [. . .]“ – doch so zu verstehen, dass er § 1034 Abs. 2 ZPO grundsätzlich als Spezialregelung verstehen will.369 Die Relevanz der Überlegungen zum Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zur AGB-Kontrolle (und den materiellen Inhaltskontrollnormen insgesamt) lässt sich gut anhand eines zu dem gerade zitierten Fall des BGH von 2007 ähnlich gelagerten Fall verdeutlichen, den das OLG Frankfurt a. M. 2013 zu entscheiden hatte. Der Unterschied in den Fällen lag in der Formulierung der Schiedsverein366 367 368 369

S. o. Kapitel 3 § 1 B. Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 205. BGH, Urt. v. 01.03.2007 – III ZR 164/06, SchiedsVZ 2007, 163, 164. In diesem Sinne Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 935.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

barung. In dem der BGH-Entscheidung von 2007 zugrunde liegenden Fall sah die Schiedsvereinbarung vor, dass die Parteien Einwendungen gegen die – namentlich bereits benannte – Person des Schiedsrichters innerhalb von 14 Tagen, beginnend mit dem Tag der Kenntnis von der Einleitung des Schiedsverfahrens, geltend machen mussten. In dem der Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. zugrunde liegenden Fall von 2013 war die Person des Schiedsrichters ebenfalls bereits in der Schiedsvereinbarung benannt. Die Schiedsvereinbarung enthielt eine besondere Regelung zur Frist der Geltendmachung entsprechender Bedenken hingegen nicht.370 Das OLG Frankfurt a. M. meinte, die durch die Benennung des Schiedsrichters benachteiligte Partei könne ihr Begehren auf Benennung eines Schiedsrichters durch das staatliche Gericht nun nicht auf § 1034 Abs. 2 ZPO stützen. Denn die Frist des § 1034 Abs. 2 ZPO beginne mit Bekanntwerden der Zusammensetzung des Schiedsgerichts, was hier schon im Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarung der Fall sei.371 So gerechnet war die Frist bereits verstrichen.372 Trotz der Einschlägigkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO und der Feststellungen, dass die dortige Frist abgelaufen und insoweit Präklusion eingetreten war, hielt das OLG die Schiedsverfahrensvereinbarung über die Besetzung des Schiedsgerichts für AGB-rechtlich unwirksam. Folge der Unwirksamkeit war nach Ansicht des OLG das Eingreifen der gesetzlichen Regelungen. Da sich die Parteien nicht auf einen Schiedsrichter hatten einigen können, hielt das OLG das gerichtliche Bestellungsverfahren des § 1035 Abs. 3 S. 1 ZPO für einschlägig.373 Das OLG wendete also die prozessuale Kontrolle des § 1034 Abs. 2 ZPO und die materielle Kontrolle des AGB-Rechts parallel an.374 Nachdem eine Neubesetzung über § 1034 Abs. 2 ZPO wegen Fristablaufs nicht möglich war, erklärte das OLG die Benennungsregelung für unwirksam und ließ an ihre Stelle das Besetzungsverfahren des § 1035 Abs. 3 S. 1 ZPO treten. Hält man § 307 BGB jedoch aufgrund der Einschlägigkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO für nicht anwendbar, wäre eine Neubesetzung im Falle des OLG nicht möglich gewesen. Denn die Präklusion hätte gewissermaßen heilend auf die unter § 1034 Abs. 2 ZPO fallende

370 OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 11.07.2013 – 26 SchH 8/12, SchiedsVZ 2013, 294, 296. 371 Siehe zu diesem Problem und der insoweit hier vertretenen a. A. bereits oben Kapitel 4 bei Fn. 120. 372 OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 11.07.2013 – 26 SchH 8/12, SchiedsVZ 2013, 294, 296. 373 OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 11.07.2013 – 26 SchH 8/12, SchiedsVZ 2013, 294, 296. 374 Dies andenkend auch Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 13, gleichsam auch eingestehend, dass sich der Gesetzgeber dies wohl so nicht gedacht habe. Zur Parallelen Anwendung, s. bereits oben Kapitel 4 nach Fn. 348.

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 309

Besetzungsregelung gewirkt.375 Zu § 1035 Abs. 3 S. 1 ZPO wäre man so nie gekommen. Zwar sah das OLG die vorgenannte BGH-Entscheidung. Es erwähnt diese Entscheidung aber nur zur Abgrenzung der Anträge nach § 1034 Abs. 2 ZPO einerseits, § 1035 Abs. 3 ZPO andererseits. Den eigentlichen Konflikt scheint das OLG übersehen zu haben. Relevanz hat die Frage des Verhältnisses von § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der materiell-rechtlichen Inhaltskontrolle also insbesondere dann, wenn § 1034 Abs. 2 ZPO seinem Tatbestand nach zwar einschlägig, die Frist der Norm hingegen abgelaufen ist. Hält man § 1034 Abs. 2 ZPO nun für gegenüber den materiell-rechtlichen Regelungen der Inhaltskontrolle abschließend, dann bleibt es bei dem benachteiligenden Besetzungsverfahren. Andernfalls lässt sich – wie im Fall des OLG Frankfurt a. M. – beispielsweise über § 307 BGB die Nichtigkeit der Besetzungsvereinbarung mit der Konsequenz der Einschlägigkeit des § 1035 ZPO begründen.

II. Ansicht der Literatur und Stellungnahme Wie auch in Bezug auf § 138 Abs. 1 BGB geht die herrschende Meinung in der Literatur376 davon aus, dass § 1034 Abs. 2 ZPO Vorrang vor § 307 BGB genießt.377 Teilweise wird eine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB hingegen auch im Anwendungsbereich des § 1034 Abs. 2 ZPO für zulässig gehalten: Einige Stimmen bleiben dabei recht „undifferenziert“ 378, als sähen sie den Konflikt nicht.379 Teilweise fehlt es an einer Begründung.380 Einige andere haben 375

Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 15. Anders in Bezug auf die Bewertung, welche Meinung herrschend ist Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1034 Rn. 10 in Fn. 22. Wie hier Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 225. 377 Anders, in: Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO, 79. Aufl. 2021, § 1034 Rn. 5; Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 118; Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 224 f.; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 308 f.; Karl, Die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters, S. 92; Prütting, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 12. Aufl. 2020, § 1034 Rn. 3; Sack/Fischinger, in: Staudinger, BGB, Buch 1 (AT 4a), Neubearb. 2017, § 138 Rn. 714; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 45 und § 1034 Rn. 3; Steinitz, Die Notwendigkeit der Umgestaltung Deutscher Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 94 f.; unsicher Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1029 Rn. 16 und § 1034 Rn. 12a einerseits, Rn. 13 und Rn. 10 in und bei Fn. 22 andererseits. 378 Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 45 in Fn. 156. 379 Graf von Westphalen, in: Graf v. Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Teil „Vertragsrecht“, 45. Erg.-Lfg. 2020, Schiedsgerichtsklauseln Rn. 9 ff.; weitere Nw. bei Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rn. 45 in Fn. 156. 380 Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1034 Rn. 9; siehe auch Wagner, Prozeßverträge, S. 594 ff. 376

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

diese Sicht argumentativ zu untermauern versucht. Teilweise beschränkt sich die Kritik auf die Entscheidung des BGH von 2007. Es erscheine lebensfremd zu erwarten, dass die schwächere Partei, die im Vorfeld eine sie in dem wichtigsten Bereich wesentlich benachteiligende Regelung hingenommen hat, im Schiedsverfahren vor einem unausgewogenen Schiedsgericht plötzlich fristgerecht erstarke und das Ungleichgewicht korrigiere.381 Teilweise wird genereller argumentiert. So ist Niedermaier der Ansicht, § 1034 Abs. 2 ZPO habe deshalb keine Vorrangstellung gegenüber der AGB-Inhaltskontrolle des § 307 BGB, weil beiden Normen unterschiedliche Zwecksetzungen zugrunde lägen. Während § 1034 Abs. 2 ZPO vom gesetzlichen Regelfall eines intakten Vertragsschlussmechanismus ausgehe, bezwecke § 307 BGB gerade die Korrektur der sich aus der Verwendung vorformulierter Vertragsbedingungen ergebenden Ungleichgewichtslage zwischen den Parteien.382 Diesem generellen Argument kann jedoch nicht gefolgt werden: Zwar ist es richtig, dass das AGB-Recht in seiner Gänze einen gesetzlich geregelten Ausgleich eines strukturellen Ungleichgewichts darstellt, § 1034 Abs. 2 ZPO hingegen ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern nicht voraussetzt. Dennoch darf dies nicht dazu verleiten, § 307 BGB aufgrund unterschiedlicher Zwecksetzungen der Normen uneingeschränkt anwenden zu wollen. Denn so sehr ein zwischen den Parteien bestehendes Ungleichgewicht Grundannahme des § 307 BGB ist, so wenig kommt es für die Anwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Existenz eines solchen zwischen den Parteien an. Wie bereits ausgeführt worden ist, kommt es für § 1034 Abs. 2 ZPO überhaupt nicht darauf an, wie sich das Machtverhältnis zwischen den Parteien darstellt.383 Die Norm knüpft an die durch das benachteiligende Übergewicht bei der Besetzung bestehende Ungleichbehandlung der Parteien an, ganz gleich was Ursache dieses Übergewichts ist. § 1034 Abs. 2 ZPO bezweckt die Regelung des Falls, in dem ein Übergewicht der einen Partei bei der Besetzung des Schiedsgerichts besteht, also auch für den Fall, dass zwischen den Parteien ein strukturelles Ungleichgewicht besteht. § 307 BGB und § 1034 Abs. 2 ZPO liegen deshalb keine unterschiedlichen Zwecksetzungen zugrunde.384 381 Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 935; zustimmend auch Nacimiento/Abt/Stein, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1034 Rn. 28; dagegen Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 10, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rn. 3. 382 Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 232; zustimmend wohl Brunk, Der Sportler und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 121; tendenziell auch Wolf/Eslami, in: BeckOKZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1034 Rn. 9; siehe auch Wagner, Prozeßverträge, S. 594 ff. 383 S. o. Kapitel 4 § 1 C. III. 384 Zur Zwecksetzung des § 1034 Abs. 2 ZPO nochmal ausführlich unten Kapitel 4 § 3 D. II. 4. und 5.

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 311

Die Aussage Niedermaiers, § 1034 Abs. 2 ZPO gehe vom gesetzlichen Regelfall eines intakten Vertragsschlussmechanismus aus, verleitet im Zusammenhang mit der Frage nach dem Verhältnis zu § 307 BGB überdies zu Fehlschlüssen. Richtig ist zwar, dass § 1034 Abs. 2 ZPO von einem intakten Vertragsschluss in Bezug auf die Schiedsvereinbarung i. e. S. ausgeht.385 Darum geht es jedoch für das Verhältnis zu § 307 BGB nicht. Es geht um die die Besetzung des Schiedsgerichts regelnde Schiedsverfahrensvereinbarung. In Bezug auf diese geht § 1034 Abs. 2 ZPO gerade nicht von einem intakten Vertragsschlussmechanismus aus. Der Norm kommt es für ihre Rechtsfolge auf die Intaktheit des diesbezüglichen Vertragsschlussmechanismus nicht an. Insgesamt ist deshalb der herrschenden Literatur und der Rechtsprechung des BGH zuzustimmen: Im Anwendungsbereich von § 1034 Abs. 2 ZPO kommt eine gleichzeitige Anwendung des § 307 BGB nicht in Betracht.

III. Sonderfall: Verbraucherbeteiligung Teilweise wiederum beschränkt sich die Kritik auf Fälle mit Verbraucherbeteiligung, in denen eine Ausnahme vom Vorrang des § 1034 Abs. 2 ZPO gemacht werden soll. Die vorgenannte BGH Entscheidung betraf das Verhältnis zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Der BGH wollte eine Ausnahme dort nicht machen.386 Manche stützen eine Ausnahme vom Vorrang des § 1034 Abs. 2 ZPO im Falle der Verbraucherbeteiligung wieder auf das Argument der Benachteiligung durch die Frist des § 1034 Abs. 2 ZPO. Die Notwendigkeit einer Antragstellung innerhalb einer zweiwöchigen Frist stelle eine zu einschneidende Beeinträchtigung für Verbraucher dar. Denn trotz der besonderen Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO bei Verbraucherbeteiligung könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Verbraucher die überaus kurze Frist kenne.387 Darüber hinaus wird die Vereinbarkeit eines Vorrangs des § 1034 Abs. 2 ZPO vor § 307 BGB mit EU-Recht bezweifelt. Dies folge aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 310 Abs. 3 BGB unter Berücksichtigung der EG-Richtlinie 93/13 des Rates vom 05.04.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucher-

385

S. o. Kapitel 4 § 1 C. I. 3. b). Siehe nochmal BGH, Urt. v. 01.03.2007 – III ZR 164/06, SchiedsVZ 2007, 163, 164. „Zumindest“ für den Fall der Verbraucherbeteiligung ohne Begründung den Vorrang des § 1034 Abs. 2 ZPO ablehnend Wolf/Eslami, in: BeckOK-ZPO, 38. Ed., Stand: 01.09.2020, § 1034 Rn. 9. 387 Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 415; Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 560; vgl. Wagner/Quinke, JZ 2005, 932, 936 die sich ebenfalls in diese Richtung verstehen lassen. 386

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

verträgen.388 Denn der von der Richtlinie gewährte Verbraucherschutz erfordere, dass das Gericht die Missbräuchlichkeit neben § 1034 Abs. 2 ZPO von Amts wegen prüfen könne.389 Deswegen müsse im Anwendungsbereich der Richtlinie, also im Verhältnis zwischen Verbraucher und Unternehmer, neben § 1034 Abs. 2 ZPO eine Inhaltskontrolle nach §§ 310 Abs. 3, 307 ff. BGB anwendbar sein.390 Insoweit ist die Frage bisher noch nicht abschließend geklärt.391 Mit Blick auf die Richtlinie 93/13 vom 05.04.1993, mag einiges dafür sprechen, dass der Vorrang des § 1034 Abs. 2 ZPO aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des § 310 Abs. 3 BGB einer Einschränkung bedarf.392 Gegen eine Anwendung des § 307 BGB und für einen Vorrang des § 1034 Abs. 2 ZPO auch im Falle der Verbraucherbeteiligung spricht aus der Perspektive des deutschen Rechts jedoch, dass die Schiedsgerichtsbarkeit im Vergleich zur staatlichen Gerichtsbarkeit auch für den Verbraucher unter geltendem Schiedsverfahrensrecht keine anrüchige Ausnahme im Rechtsschutzsystem mehr darstellt. Vielmehr zeigt die Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO, dass der Gesetzgeber erstens die besondere Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers gesehen hat. Zweitens, dass er dem Verbraucher ein Schiedsverfahren zutraut.393 Das Argument, vom Verbraucher könne nicht erwartet werden, dass er den Rechtsbehelf des § 1034 Abs. 2 ZPO und die für ihn nötige Frist kenne, kann schon vom Grundansatz her nicht überzeugen.394 Es wäre nur richtig, könnte man gleichsam vom Verbraucher erwarten, dass er im Vergleich die dann einzuhaltenden Fristen des staatlichen Verfahrens kannte. Das ist aber nicht der Fall. Auch dem Verbraucher, dem der Eintritt in die Schiedsgerichtsbarkeit durch § 1031 Abs. 5 ZPO unübersehbar vor Augen geführt wird, muss zugemutet werden können, sich über das anstehende Verfahren zu informieren, und sei es durch Hinzuziehung von Rechtsrat.395 388 Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2004, 175, 178 f.; vgl. Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 309 f. Insoweit noch ablehnend BGH, Urt. v. 13.01.2005 – III ZR 265/03, BGHZ 162, 9, 17. 389 Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2004, 175, 179. 390 Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2004, 175, 179. in diesem Sinne auch Graf von Westphalen, in: Graf v. Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Teil „Vertragsrecht“, 45. Erg.-Lfg. 2020, Schiedsgerichtsklauseln Rn. 15. auch Lachmann, Hdb. d. Schiedsgerichtspraxis, Rn. 937 und ähnlich Nacimiento/Abt/Stein, in: Böckstiegel/ Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1034 Rn. 29 f. gehen davon aus, der EuGH würde anders entscheiden. 391 Nacimiento/Abt/Stein, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany, 2nd Ed., § 1034 Rn. 30. 392 Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 310. 393 S. o. Kapitel 3 bei Fn. 317; vgl. BGH, Urt. v. 13.01.2005 – III ZR 265/03, BGHZ 162, 9, 15; Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 284; Maihold, SpuRt 2013, 95, 96. 394 Ohne Beschränkung auf die Fälle der Verbraucherbeteiligung Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 225. 395 Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 225; vgl. BGH, Urt. v. 09.10.2009 – V ZR 178/08, NJW 2010, 363, 364 Rn. 9: „Aus dem Umstand, dass ein Käufer in An-

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 313

Ebenso wenig überzeugt das Argument, der Rechtsbehelf des § 1034 Abs. 2 ZPO sei selbst den meisten Juristen nicht bekannt. Denn selbst wenn dem so wäre, kann dies nicht zu einer Ausweitung des Verbraucherschutzes führen, sondern muss – wie immer bei mangelnder Kenntnis des anwaltlichen Beistands – eine Frage der Haftung aus Pflichtverletzung im Verhältnis des Verbrauchers zu seinem Beistand sein. Insoweit wird teilweise auch argumentiert, der Verweis auf einen vom Gesetzgeber explizit vorgesehenen Rechtsbehelf könne nicht unbillig sein.396

IV. Zwischenergebnis Im Ergebnis wird hier der herrschenden Meinung und der Rechtsprechung des BGH zugestimmt und eine Anwendung des § 307 BGB im Anwendungsbereich des § 1034 Abs. 2 ZPO abgelehnt. Eine Analyse der Zwecksetzungen ergibt, dass für die Anwendung des § 307 BGB neben § 1034 Abs. 2 ZPO kein Platz ist. Eine Ausnahme ist davon auch bei Verbraucherbeteiligung nicht zu machen.

D. Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zur kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle des § 19 GWB Als drittes soll das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zur kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle des § 19 GWB in den Blick genommen werden. Diese Frage ist bisher – soweit ersichtlich – allenfalls oberflächlich bearbeitet worden. Anlass, sich mit der Frage zu beschäftigen, bieten – wie mehrfach herausgestellt – insbesondere die in den Jahren 2014, 2015 und 2016 ergangenen Entscheidungen in der Rechtssache Pechstein. In Bezug auf das Verhältnis zwischen § 1034 Abs. 2 ZPO und § 19 GWB ist die Berufungsentscheidung des OLG München aus dem Jahre 2015 von größter Bedeutung. Nach einem Problemaufriss, soll nachfolgend das Verhältnis untersucht werden.

I. Ausgangspunkt und Problemaufriss Einen vollkommen neuen Ansatz für die Kontrolle von Schiedsvereinbarungen wählte das OLG München als Berufungsgericht in seiner Pechstein-Entscheidung, indem es den Inhalt der Schiedsvereinbarung am Maßstab des § 19 GWB, dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot, überprüfte,397 damit aber wohl mehr

gelegenheiten der Finanzierung unerfahren ist, ergibt sich nicht zugleich, dass er auch keine Kenntnisse über die für vergleichbare Immobilien am Markt geforderte Preise hatte und der Verkäufer das ausgenutzt hat. Dieser darf vielmehr grundsätzlich davon ausgehen, dass sein künftiger Vertragspartner sich insoweit selbst im eigenen Interesse Klarheit verschafft hat“; vgl. Huber, SchiedsVZ 2004, 280, 284. 396 Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 225. 397 S. o. Kapitel 3 in Fn. 488.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

neue Fragen aufwarf, als bereits existente beantwortete.398 Hintergrund dieses Neuansatzes waren wohl eher praktische denn rechtliche Erwägungen.399 Denn weder die §§ 138 und 242 BGB noch die Regeln des AGB-Rechts stellen international zwingendes Recht dar. Sie sind deshalb auf Schiedsvereinbarungen, die – wie im Fall Pechstein – einem ausländischen Schiedsvereinbarungsstatut unterliegen, nicht ohne weiteres anwendbar. Zwar mögen sie in gewissem Maße Teil des deutschen ordre public sein. Die Messlatte hierbei liegt aber jedenfalls deutlich höher.400 Anders, so das OLG München, verhält es sich mit den Regeln des Kartellrechts. Diese sollen zwingendes, ohne Rücksicht auf das Schiedsvereinbarungsstatut anwendbares Recht darstellen.401 Das LG München I als Eingangsinstanz hatte die Schiedsvereinbarung noch am Maßstab des Schweizer Rechts als dem Schiedsvereinbarungsstatut gemessen und war entgegen der Rechtsprechung des obersten Zivilgerichts der Schweiz zu dem Ergebnis gekommen, dass die Schiedsvereinbarung nach schweizerischem Recht unwirksam ist.402 Etwas widerspruchsfreier, jedenfalls in Bezug auf das anwendbare Recht, führte das OLG selbige Rechtsfolge in zweiter Instanz über das kartellrechtliche Missbrauchsverbot herbei. Insbesondere wenn die Literatur- und Rechtsprechungstendenzen hinsichtlich des Schutzzwecks und daraus folgend hinsichtlich einer weiten Auslegung des Konditionenmissbrauchs anhalten und sich durchsetzen, müssen sich Schiedsvereinbarungen an § 19 GWB messen lassen.403 Für diesen Fall kann diese Inhaltskontrolle auch in Konkurrenz zur Regelung des § 1034 Abs. 2 ZPO treten404. Dazu ist grundsätzlich Voraussetzung, dass § 1034 Abs. 2 ZPO auch anwendbar ist.405 Für die Entscheidung des OLG (und auch des BGH als Revisionsinstanz) in der Rechtssache Pechstein zu berücksichtigen gilt es allerdings, dass § 1034 Abs. 2 ZPO im konkreten Fall nicht anwendbar war. Das ist in den Reaktionen der Literatur auf die Entscheidungen ein ums andere Mal übersehen worden.406 398

Sehr kritisch Schlosser, SchiedsVZ 2015, 257. Eichel, ZZP 2016, 327, 335. 400 Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 45, 47. 401 Stancke, SpuRt 2015, 46, 46 f. 402 LG München I, Urt. v. 26.02.2014 – 37 O 28331/12 – Pechstein, SchiedsVZ 2014, 100, 108. Dieser Aspekt hat zu Recht vielfach Kritik erfahren, s. nur Duve/ Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 221 m.w. N.; Schulze, SpuRt 2014, 139, 140. 403 S. o. in Kapitel 3 § 3 C. II. 404 Das OLG München hatte seine Entscheidung maßgeblich auf ein Übergewicht bei der Besetzung des Schiedsgerichts gestützt, s. OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 44, ab (3). 405 Zur Frage, ob für die Missbräuchlichkeit im Rahmen des § 19 GWB dennoch, trotz dessen Unanwendbarkeit, auf den Maßstab des § 1034 Abs. 2 ZPO abzustellen ist, bereits oben Kapitel 3 § 3 C. II. 6. b). 406 Das übersehen sowohl Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 118 als auch Weyer, IBR 2015, 1079 in Bezug auf die Entscheidung des OLG und Heermann, NJW 2016, 2224, 2225 in Bezug auf die Entscheidung des BGH, wenn er meint, der BGH 399

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 315

Denn § 1034 Abs. 2 ZPO setzt für seine Anwendbarkeit voraus, dass das deutsche Schiedsverfahrensrecht anwendbar ist.407 Das wiederum ist abhängig vom Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens, § 1025 Abs. 1 ZPO. Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens lag in Fall Pechstein jedoch unstreitig nicht in Deutschland, sodass § 1034 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar war und sich die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis der beiden Normen nicht stellte. Das OLG hat § 1034 Abs. 2 ZPO aber durchaus beachtet, berücksichtigt dessen Existenz jedoch unter einer etwas anderen Fragestellung als der, ob § 1034 Abs. 2 ZPO im Falle seiner Anwendbarkeit einer Inhaltskontrolle am Maßstab des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots entgegensteht. Das OLG erwägt die Regelung des § 1034 Abs. 2 ZPO erst im Rahmen der Prüfung des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots und fragt sich, ob die Ersetzung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. durch § 1034 Abs. 2 ZPO und die dahinter stehende gesetzgeberische Intention408 einer Würdigung als kartellrechtlichem Missbrauch entgegensteht.409 Denn dem Gesetzgeber, so das OLG, erschien die Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung aufgrund der Gleichwertigkeit von staatlichem Gerichtsverfahren und Schiedsverfahren als zu weitgehend, weshalb er § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. durch § 1034 Abs. 2 ZPO ersetzt habe. Die historische Bedeutung und die damit verbundene gesetzgeberische Intention des § 1034 Abs. 2 ZPO hielt das OLG dann aber als „kartellrechtsunabhängige Erwägungen“ für bedeutungslos. Es begnügte sich insoweit mit der Feststellung, es sei für die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle typisch, dass bei kartellrechtlich relevanten Sachverhalten andere Rechtsfolgen einträten als bei solchen, die ausschließlich den allgemeinen zivilrechtlichen oder zivilprozessualen Vorschriften unterlägen.410 Aus dieser Begründung wird man wohl folgern müssen, dass das OLG zum selben Ergebnis gekommen wäre, wäre § 1034 Abs. 2 ZPO direkt anwendbar gewesen. So oder so, die Frage nach dem Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO und der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle ist klärungsbedürftig und bisher ungeklärt. Nur wenige Autoren haben sich in Reaktion auf die Entscheidung des OLG München zur Frage des Verhältnisses zwischen § 1034 Abs. 2 ZPO und dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot des § 19 Abs. 1 GWB geäußert: habe seine Rechtsprechung zu § 1034 Abs. 2 ZPO „offensichtlich“ nicht weiterentwickeln wollen. 407 S. o. Kapitel 4 § 1 A. 408 S. dazu oben Kapitel 2 § 2. 409 Mit der hier vertretenen Ansicht, dass es bei Anwendbarkeit eines ausländischen Schiedsverfahrensrechts im Rahmen der Beurteilung der Missbräuchlichkeit nach § 19 GWB auf dieses und nicht auf das deutsche Schiedsverfahrensrecht ankommen muss (s. o. Kapitel 3 § 3 C. II. 6. b)), ist diese Erwägung des OLG München nicht vereinbar. 410 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 45, eee); hervorhebend Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 118.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Teilweise wird § 19 Abs. 1 GWB für vorrangig gehalten, ohne dass dies jedoch näher begründet worden wäre.411 Teilweise wiederum wird § 1034 Abs. 2 ZPO für vorrangig erachtet und der „lapidaren“ Begründung des OLG „erhebliche Schwächen“ bescheinigt.412 Denn es sei anerkannt, dass § 1034 Abs. 2 ZPO eine abschließende Regelung darstelle. Das gelte auch gegenüber § 134 BGB. Auch das kartellrechtliche Missbrauchsverbot führe aber „nur“ über die allgemeine zivilrechtliche Vorschrift des § 134 BGB413 zur Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung.414 Woraus das OLG dennoch den behaupteten typischen Vorrang des Kartellrechts vor § 1034 Abs. 2 ZPO ableiten möchte, bleibe deshalb unklar und werde auch nicht erläutert.415 Obwohl die harsche Kritik von Brandner/Kläger am OLG mit Blick darauf, dass § 1034 Abs. 2 ZPO im konkreten Fall – was auch die Autoren selbst hervorheben416 – überhaupt nicht anwendbar war, etwas überzogen sein dürfte, ist sie – wie gezeigt wird417 – mit Blick auf die allgemeingültige Argumentation des OLG gleichwohl gerechtfertigt.

II. § 1034 Abs. 2 ZPO als die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle des § 19 Abs. 1 GWB beschränkende Norm Die Ansicht, die einen Vorrang des § 1034 Abs. 2 ZPO auch gegenüber der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle des § 19 Abs. 1 GWB annimmt, ist zutreffend. Denn § 1034 Abs. 2 ZPO geht – wie auch §§ 138 Abs. 1 und 307 BGB – § 19 Abs. 1 GWB vor. Das gilt jedoch nur, wenn § 1034 Abs. 2 ZPO auch anwendbar ist. Das dagegen vorgebrachte und zuvor zitierte Argument führt ins Leere und geht an der eigentlichen Frage vorbei. Es kommt nämlich darauf an, ob die kartellrechtliche Rechtsfolge gegenüber der Rechtsfolge des § 1034 Abs. 2 ZPO besonders durchsetzungsbedürftig ist. Dies ist aber nicht der Fall. Denn zum einen stellen Schiedsverfahrensvereinbarungen Prozessvereinbarungen dar, die sich vorrangig nach den Regeln des Prozessrechts richten. Zum anderen, ist der Abschaffung des § 91 GWB a. F. zu entnehmen, dass der Gesetzgeber den Schutz 411 Bunte, WuW 2016, 366, 368; wohl auch LG Berlin, Beschl. v. 24.03.2009 – 16 O 58/09 Kart, BeckRS 2015, 56394 (bei 3.). 412 Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 118. 413 S. o. Kapitel 3 § 3 C. II. 7. 414 Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 118. Die Grundannahme dieser Begründung – der anerkannt abschließende Charakter des § 1034 Abs. 2 ZPO – trifft jedoch nur bedingt zu. Wie zuvor gezeigt, wird vielfach der abschließende Charakter des § 1034 Abs. 2 ZPO in Zweifel gezogen. 415 Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 118. 416 Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 118. 417 S. u. Kapitel 4 § 3 D. II. 1.

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 317

der Parteien im Schiedsverfahren dem Schiedsverfahrensrecht überlassen wollte. Auch aus Sicht der objektiven Zwecksetzungen der Normen ergibt sich keine besondere Durchsetzungsbedürftigkeit des § 19 GWB gegenüber § 1034 Abs. 2 ZPO. 1. Entgegen der Ansicht des OLG München: kein typischer Vorrang des Kartellrechts gegenüber dem Schiedsverfahrensrecht Das OLG München war in seiner Entscheidung in der Rechtssache Pechstein der Ansicht, der hinter § 1034 Abs. 2 ZPO stehenden Erwägungen komme als „kartellrechtsunabhängige[n] Erwägungen“ für die Einschlägigkeit des § 19 GWB keine Relevanz zu. Vielmehr hat es sich auf den Standpunkt gestellt, es sei gerade „typisch für die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle – die einem marktbeherrschenden Unternehmen Vorgehensweisen untersagt, die anderen Marktteilnehmern ohne weiteres gestattet wären –, dass bei kartellrechtlich relevanten Sachverhalten andere Rechtsfolgen eintreten als bei solchen, die ausschließlich den allgemeinen zivilrechtlichen und zivilprozessualen Vorschriften unterliegen“.418 Diese Aussage kann so nicht überzeugen419, denn die für diese Schlussfolgerung entscheidende Begründung liefert das OLG nicht. Ausschlaggebend ist aber nicht das von Brandner und Kläger vorgebrachte Argument. Diese haben darauf hingewiesen, dass auch das kartellrechtliche Missbrauchsverbot seine Rechtsfolgen erst über die allgemein zivilrechtliche Vorschrift des § 134 BGB entfaltet420 und die herrschende Meinung von einem Vorrang des § 1034 Abs. 2 ZPO auch vor § 134 BGB ausgeht.421 Das ist zwar beides richtig, hilft aber nicht recht weiter, geht es doch an dem eigentlichen Argument des OLG vorbei. Denn das OLG vergleicht kartellrechtlich relevante Sachverhalte mit solchen, die ausschließlich allgemeinen zivilrechtlichen oder zivilprozessualen Vorschriften unterliegen. Die Tatsache, dass auch das kartellrechtliche Missbrauchsverbot erst über § 134 BGB zur Nichtigkeit führt, ändert aber nichts daran, dass der Sachverhalt eben nicht ausschließlich allgemeinen Regeln, sondern dem Kartellrecht unterliegt. Vielmehr kommt es darauf an, dass der Aussage des OLG, dass bei kartellrechtlich relevanten Sachverhalten andere Rechtsfolgen eintreten können, als bei solchen Sachverhalten, die ausschließlich den allgemeinen zivilrechtlichen und 418 OLG München, Urt. v. 15.01.2015 – U 1110/14 Kart – Pechstein, SchiedsVZ 2015, 40, 45, eee). 419 So auch Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 118; vgl. Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 314. 420 Siehe nur Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 385. Zur Rechtsfolge des § 19 GWB in Bezug auf Schiedsvereinbarungen im Allgemeinen, oben Kapitel 3 § 3 C. II. 7., im Verhältnis zu § 1034 Abs. 2 ZPO, unten Kapitel 4 § 3 D. II. 4. 421 Brandner/Kläger, SchiedsVZ 2015, 112, 118.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

zivilprozessualen Vorschriften unterliegen, zwar zuzustimmen ist, sich aus ihr allein aber keine Erkenntnisse für das Verhältnis des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots zu anderen Regeln des Zivil- oder Zivilprozessrechts ableiten lassen. Denn wenn das Kartellrecht bestimmte Sachverhalte gesondert erfasst, ist es nur logisch, dass diese Sachverhalte anderen Rechtsfolgen unterliegen als die kartellrechtlich nicht erfassten Sachverhalte. Sonst bedürften sie keiner gesonderten kartellrechtlichen Erfassung. Ein typischer Vorrang des Kartellrechts ergibt sich erst aus der weitergehenden Schlussfolgerung, dass sich aus der gesonderten Erfassung eines Sachverhalts durch eine kartellrechtliche Norm die Spezialität dieser Regelung gegenüber den allgemeinen Regelungen ergibt. Dies wiederum ist nicht zwingend, sondern bedarf der Prüfung. Eben diese Prüfung stellt das OLG nicht an und verkennt so, dass mit § 1034 Abs. 2 ZPO ebenfalls eine Norm existiert, die – auf den Anwendungsbereich des § 1034 Abs. 2 ZPO begrenzt – denselben Sachverhalt mit einer Rechtsfolge belegt, die bei Anwendung der allgemeinen Vorschriften nicht eintreten würde, und die mit § 19 GWB auf gleicher Stufe eines einfachen Gesetzes steht.422 Die entscheidende und bisher unbeantwortete Frage lautet also: Muss sich das kartellrechtliche Missbrauchsverbot gegenüber § 1034 Abs. 2 ZPO durchsetzen, weil das kartellrechtliche Missbrauchsverbot besonders durchsetzungsbedürftig ist? 2. Prozessrecht ist für Besetzungsvereinbarungen, die als Schiedsverfahrensvereinbarungen Prozessverträge darstellen, vorrangig Die im Anwendungsbereich des § 1034 Abs. 2 ZPO liegenden Vereinbarungen der Parteien über die Besetzung des Schiedsgerichts stellen als Vereinbarungen über die Gestaltung des Schiedsverfahrens Verfahrensvereinbarungen dar. Während das staatliche Gerichtsverfahren weitestgehend vordefiniert ist und den Parteien nur wenige Möglichkeiten eigener Gestaltung bleiben, ist dies im Schiedsverfahren anders.423 Das Schiedsverfahren ist nämlich nicht nur bezüglich des „Ob“, sondern gemäß § 1042 Abs. 3 ZPO auch hinsichtlich des „Wie“ einer parteiautonomen Gestaltung zugänglich, solange die wenigen zwingenden Vorschriften des Schiedsverfahrensrechts nicht verletzt werden.424 Verfahrensvereinbarungen über die Besetzung des Schiedsgerichts entfalten ihre Hauptwirkung auf prozessualer Ebene indem durch sie festgelegt ist, nach welchem System das Schiedsgericht besetzt werden soll. Sie stellen deshalb Pro422

Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 314. Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1042 Rn. 74 f. Siehe auch dort zu den Möglichkeiten der Verfahrensgestaltung im deutschen staatlichen Gerichtsverfahren. 424 Münch, in: MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 1042 Rn. 76. 423

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 319

zessverträge dar.425 Zulässigkeit und Wirkungen von Prozessverträgen bestimmen sich grundsätzlich nach dem Prozessrecht. Nur ergänzend ist auf die Regeln des materiellen Rechts zurückzugreifen.426 Dies spricht dafür, dass man der prozessualen Regelung des § 1034 Abs. 2 ZPO den Vorrang gegenüber der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle einräumen muss. Dafür spricht darüber hinaus auch folgendes: Das GWB enthält in den §§ 87 ff. GWB Verfahrensregeln. Sowohl zum alten als auch zum neuen GWB geht die herrschende Meinung jedoch richtigerweise davon aus, dass die §§ 87 ff. GWB nicht gelten, sondern sich das Verfahren vor dem Schiedsgericht allein nach den Vorschriften des 10. Buches der ZPO regelt.427 3. Die Abschaffung des § 91 GWB a. F. spricht für einen Vorrang des § 1034 Abs. 2 ZPO vor der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle des § 19 GWB Mit dem SchiedsVfG abgeschafft worden ist auch § 91 GWB a. F. Die Abschaffung der Norm zeigt erstens, dass der Gesetzgeber die Bezüge des Rechts der Schiedsgerichtsbarkeit zum Kartellrecht durchaus im Blick hatte. Aus ihr lässt sich, zweitens, ebenfalls ableiten, dass sich der Gesetzgeber „der Erkenntnis gebeugt [hat], dass das durchaus berechtigte Anliegen, Parteien – auch Verbandsmitglieder – gegen die Unterwerfung unter Schiedsklauseln zu schützen, nicht Aufgabe des marktschützenden Kartellrechts, sondern des Schiedsvertragsrechts ist“ 428. Dies spricht dafür, dass die durch das SchiedsVfG geschaffenen Regeln zum Schutz vor einer Benachteiligung einer Partei nicht durch kartellrechtliche Inhaltskontrollregeln sollen ausgehebelt werden können. Nach § 91 Abs. 1 S. 1 GWB a. F. waren Schiedsverträge über künftige Rechtsstreitigkeiten aus bestimmten wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, Beschlüssen429 oder aus Ansprüchen i. S. d. § 35 GWB a. F. nichtig, wenn sie nicht jedem 425 Dass es zur Einordnung darauf ankommt, wo sich die unmittelbare Hauptwirkung entfaltet: Musielak, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 66. 426 Musielak, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 66; Greger, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, vor § 128 Rn. 27; ausdrücklich für den Schiedsvertrag Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18. Aufl. 2018, § 176 Rn. 9. 427 Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl. 1992, § 91 Rn. 38; Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 87 GWB Rn. 70. 428 Schmidt, BB 2006, 1397; ähnlich Schmidt, ZWeR 2007, 394, 414 f. und im Ansatz bereits in der Überschrift zu 4. Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 283: „Kartellschiedsgerichtsbarkeit: Ablösung des § 91 GWB durch Inhaltskontrolle“. Ganz ähnlich Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 221. In Bezug auf die Zielsetzung des § 91 GWB a. F. wurde bereits vor Abschaffung der Norm immer wieder In Frage gestellt, ob der Schutz der wirtschaftlich schwächeren Vertragspartei wirklich in das Kartellgesetz gehört, s. Bumiller, in: Wiedemann, Hdb. KartR, 1. Aufl. 1999, § 61 Rn. 2 und Schlosser, in: FS Zeuner, S. 467, 471 ff. 429 Genauer: Aus Verträgen oder Beschlüssen der in den §§ 1 bis 5b, 7, 8, 29, 99 Abs. 2 Nr. 1a–4, §§ 100, 102, 102a und 103 GWB a. F. bezeichneten Art.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Beteiligten das Recht gaben, im Einzelfall statt der Entscheidung durch das Schiedsgericht eine Entscheidung durch das ordentliche Gericht zu verlangen.430 Dabei verfolgte die Regelung einen doppelten Zweck.431 Zum einen sollte sie die Anwendung materiellen Kartellrechts sicherstellen, indem sie die Zurückdrängung der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung in Kartellsachen einzudämmen suchte. Zum anderen diente die Vorschrift, indem sie dem inneren Kartellzwang entgegenwirkte, dem Schutz der wirtschaftlich schwächeren Partei, die zur Durchsetzung ihres Wunsches nach staatlicher Gerichtsbarkeit möglicherweise nicht stark genug war.432 In letzterem Aspekt lag die wesentliche Bedeutung der Norm433, sind doch gerade kartellrechtlich geprägte Sachverhalte anfällig für die Übermachtstellung einer Partei.434 Kern der Norm war also der Schutz des Einzelnen davor, mit wirtschaftlicher Macht unter die Schiedsklausel gezwungen zu werden.435 1952 hatte der Gesetzgeber die Einfügung des § 91 GWB a. F. auch damit begründet, man dürfe es nicht zulassen, dass Kartellsachen den staatlichen Gerichten entzogen und der Verbandsschiedsgerichtsbarkeit überlassen würden. Es sei deshalb wichtig zu verhindern, dass „unter Ausnutzung des oft missbrauchten Grundsatzes der Vertragsfreiheit die Beteiligten sich durch Formularverträge oder ähnliche Maßnahmen bereits für alle zukünftigen Rechtstreitigkeiten einer Verbandsschiedsgerichtsbarkeit unterwerfen“.436 430 Haas, in: Freytag, Rechte der Athleten, S. 57, 72. Normtext vollständig abgedruckt bei Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 87 GWB Rn. 61. 431 Haas, in: Freytag, Rechte der Athleten, S. 57, 73; Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 19 f.; Schmidt, in: FS Pfeiffer, S. 765, 766; Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl. 1992, § 91 Rn. 2. 432 Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 114 f.; Bumiller, in: Wiedemann, Hdb. KartR, 1. Aufl. 1999, § 61 Rn. 1; Gottwald/Adolphsen, DStR 1998, 1017, 1019; Haas, in: Freytag, Rechte der Athleten, S. 57, 73; Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 220; Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 19 f.; Schmidt, in: FS Pfeiffer, S. 765, 766; Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl. 1992, § 91 Rn. 2; Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 283; Schmidt, BB 2006, 1397; Schmidt, ZWeR 2007, 394, 414; Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 87 GWB Rn. 61; insbes. auch die Stellungnahme des BR zum SchiedsVfG, BT-Drucks. 13/5274, S. 74. 433 Gottwald/Adolphsen, DStR 1998, 1017, 1019 m.w. N.; Haas, in: Freytag, Rechte der Athleten, S. 57, 73; Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 220. 434 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 220, m.w. N. in Fn. 1026; Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 23. 435 Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 115. 436 Begr. zu § 66 d. Regierungsentwurfs 1952, BT-Drs. 11/1158, S. 54, zitiert nach Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 220 f. in und bei Fn. 1027 und Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 114 sowie Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 19.

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 321

Mit Blick auf den individualschützenden Charakter der Norm verfolgte § 91 GWB a. F. damit einen in Teilen identischen Regelungszweck wie § 1025 Abs. 2 ZPO a. F.437 Ähnlich wie auch § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. setzte § 91 GWB a. F. für den Schutz der schwächeren Partei und für die Kartellrechtskontrolle direkt bei der Schiedsvereinbarung an.438 Zwar hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme unter Hinweis auf die Notwendigkeit des Schutzes der schwächeren Partei gegen die geplante Aufhebung plädiert.439 Konsequenterweise ist § 91 GWB a. F. dann aber ebenso wie § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. mit dem SchiedsVfG abgeschafft worden.440 Aufgrund der Gleichwertigkeit der Verfahren wollte der Gesetzgeber die Belange der schwächeren Partei nicht mehr durch Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit geschützt wissen, sondern ihnen durch strikte Einhaltung des Gleichbehandlungsgebots im Schiedsverfahren Rechnung tragen.441 Ohnehin war die Abschaffung des § 91 GWB a. F. schon lange Zeit in der Literatur gefordert worden.442 Gegen die Norm wurde vorgebracht, sie sei Ausdruck eines überholten Verständnisses des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen, liege ihr doch das Bild konsolidierter Kartellorganisationen zu Grunde. Sie sei deshalb mit dem Konzept eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unvereinbar.443 Darüber hinaus war angeführt worden, der Schutz der wirtschaftlich schwächeren Partei vor einem Schiedsverfahren sei nicht Aufgabe des Kartellrechts444, sondern vielmehr ein allgemeines Problem.445 437 Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 115; Haas, in: Freytag, Rechte der Athleten, S. 57, 73; Steindorff, WuW 1984, 189, 192. 438 Vgl. Schmidt, BB 2006, 1397 und Schmidt, ZWeR 2007, 394, 414. 439 BT-Drucks. 13/5274, S. 74. Vgl. Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 35 f. zu den Gegenäußerungen der Bundesregierung und des Rechtsausschusses des BT. 440 Vgl. Gottwald/Adolphsen, DStR 1998, 1017, 1019. 441 Gottwald/Adolphsen, DStR 1998, 1017, 1019; Haas, in: Freytag, Rechte der Athleten, S. 57, 73. So allgemein dazu schon oben Kapitel 2 § 2 D. I. 2. a). 442 Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl. 1992, § 91 Rn. 2; Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 283 m. entspr. Nw. Siehe auch Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 87 GWB Rn. 61, siehe dort auch zur Ablehnung rechtspolitischer Bedenken gegen die Streichung des § 91 GWB a. F.; zusammenfassend Sachslehner, Schiedsvereinbarungen in wettbewerbsbeschränkenden Verträgen, S. 27 ff. 443 Schmidt, in: FS Pfeiffer, S. 765, 766 ff.; Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl. 1992, § 91 Rn. 2; Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 283; Schmidt, BB 2006, 1397; Zimmer, Zulässigkeit und Grenzen schiedsgerichtlicher Entscheidung von Kartellrechtsstreitigkeiten, S. 144 ff. So dann auch BT-Drucks. 13/5274, S. 71. 444 Bumiller, in: Wiedemann, Hdb. KartR, 1. Aufl. 1999, § 61 Rn. 2; Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl. 1992, § 91 Rn. 2; vgl. Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 78. 445 Haas, in: Freytag, Rechte der Athleten, S. 57, 73; Schlosser, in: FS Zeuner, S. 467, 471 f.; vgl. Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, S. 78.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Der zuvor zitierten Schlussfolgerung Schmidts, der Gesetzgeber habe sich mit Abschaffung des § 91 GWB a. F. der Erkenntnis gebeugt, der Schutz vor der Unterwerfung unter die Schiedsklausel sei nicht Aufgabe des marktschützenden Kartellrechts, sondern des Schiedsvertragsrechts,446 ist deshalb vollumfänglich zuzustimmen. Ähnlich hat dies auch Hesselbarth447 gefolgert, wenn sie auch mit der Folgerung, die Abschaffung der Norm zeige den Willen des Gesetzgebers zur Aufrechterhaltung von unter Zwang geschlossener Schiedsvereinbarungen, zu weit geht448. Bestätigt wird die Schlussfolgerung bezüglich des gesetzgeberischen Willens auch durch folgenden Gedanken: § 91 GWB a. F. räumte der ordentlichen Gerichtsbarkeit eine Vorrangstellung ein.449 Teilweise war die Norm sehr weitgehend als spezielle, die kartellrechtlichen Probleme im Zusammenhang mit der Schiedsgerichtsbarkeit völlig abschließend regelnde Norm interpretiert worden.450 Nach anderer Ansicht erschöpfte sich die Norm in der Aufstellung besonderer Wirksamkeitsbedingungen für Kartellschiedsklauseln. Darüber hinaus lasse sie für die Einwirkungen des Kartellrechts auf die Schiedsgerichtsbarkeit über das allgemeine Schiedsrecht jedoch noch viel Raum.451 Unabhängig davon, wie man zu dieser Frage steht, macht die Diskussion doch eines klar: § 91 GWB a. F. war eine für bestimmte kartellrechtliche Streitigkeiten geltende Spezialnorm gegenüber dem allgemeinen Schiedsverfahrensrecht.452 Mit der Abschaffung hat der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er diese durch § 91 GWB a. F. geleistete Spezialbehandlung von Schiedsklauseln aus kartellrechtsrelevanten Sachverhalten nicht mehr möchte, sondern sie anderen Schiedsklauseln gleichgestellt wissen wollte.453 Damit liegt der Abschaffung des § 91 GWB a. F. derselbe Grundgedanke zugrunde, wie auch der Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F.454 Auch kartellrechtlich konnotierte Schiedsklauseln 446 Oben Kapitel 4 bei Fn. 428: Schmidt, BB 2006, 1397. In diesem Sinne auch Gottwald/Adolphsen, DStR 1998, 1017, 1019, wenn sie sagen, „[. . .] es ist kein Grund ersichtlich, warum in diesen Fällen die schwächere Partei vor dem Abschluß einer Schiedsvereinbarung durch den Gesetzgeber zu schützen wäre.“ 447 Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 221. 448 Ausführlich oben Kapitel 2 § 2 D. I. 2. 449 Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 116. 450 U. a. Kroitzsch, GRUR 1969, 387, 392, der daraus die kartellrechtliche Unüberprüfbarkeit von Schiedssprüchen herleitete, so Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 116 in Fn. 14. 451 Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 116. 452 Vgl. z. B. Altenmüller, Die schiedsrichterliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten, S. 117. 453 BT-Drucks. 13/5274, S. 70 f. 454 S. o. Kapitel 2 § 2 D. I. 2. b) und nochmal unten Kapitel 4 § 3 D. II. 4.

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und Schiedsverfahren stellen also „ganz normale“ Schiedsklauseln und Schiedsverfahren dar, mit der Konsequenz, dass sich die Schiedsklausel den Regeln des anwendbaren materiellen Rechts und das Schiedsverfahren dem anwendbaren Schiedsverfahrensrecht zu unterwerfen haben.455 Deshalb muss insgesamt der Anwendung einer schiedsverfahrensrechtlichen Regelung, die als teilweise Nachfolgeregelung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. eine Übervorteilung einer Partei im Schiedsverfahren verhindert, in ihrem Anwendungsbereich der Vorrang gegenüber der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle des § 19 GWB gebühren. Ist man der Ansicht, die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle des § 19 GWB sei gegenüber § 1034 Abs. 2 ZPO vorrangig, missachtete man den Willen des Gesetzgebers, der mit der Abschaffung des § 91 GWB a. F. zum Ausdruck kam und führte die vom Gesetzgeber nicht mehr gewollte Sonderbehandlung kartellrechtlich relevanter Schiedsvereinbarungen und -verfahren durch die Hintertür wieder ein. § 1034 Abs. 2 ZPO ist schon deshalb in seinem Anwendungsbereich einer Inhaltskontrolle am Maßstab des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots des § 19 GWB vorrangig. 4. § 1034 Abs. 2 ZPO muss seinem Schutzzweck nach auch in den von § 19 GWB erfassten Fällen des Ausbeutungsmissbrauchs zur Geltung kommen Eine über die zuvor angestellte Betrachtung hinausgehende Begründung kann sich letztendlich nur durch Auslegung der jeweiligen Normen sowie der jeweiligen Regelungskomplexe und deren jeweiliger Schutzzwecke ergeben.456 Eine Vorrangigkeit des Kartellrechts zu anderen Rechtsgebieten aus sich heraus existiert nicht. Entscheidend kommt es immer auf den jeweiligen Schutzzweck der konkreten in Konflikt stehenden Normen an.457 Dies gilt auch für den hier in Rede stehenden Konflikt zwischen § 1034 Abs. 2 ZPO und § 19 GWB. Wie bereits ausgeführt, kommt es für die Kontrollfähigkeit von Schiedsvereinbarungen am Maßstab des § 19 GWB und den Umfang einer solchen Kontrolle maßgeblich auf die Entwicklungen hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Konditionenmissbrauchs an.458 § 19 GWB ist als Maßstab für Schiedsvereinbarungen insbesondere dann relevant, wenn sich die berechtigten Tendenzen durchsetzen, den Schutzzweck des Ausbeutungsmissbrauchs zentral im Schutz der un455 Vgl. die Überschrift zu 4. bei Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 283: „Kartellschiedsgerichtsbarkeit: Ablösung des § 91 GWB durch Inhaltskontrolle“. 456 Vgl. Looschelders/Roth, Juristische Methodik im Prozeß der Rechtsanwendung, S. 87 ff.; Reimer, Juristische Methodenlehre, Rn. 197 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 32. Vgl. auch Busche, in: KöKo-KartR, Bd. 1, 2017, § 19 Rn. 209. 457 S. o. Kapitel 4 § 3 D. II. 1. 458 S. o. Kapitel 3 § 3 C. II. 4.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

terlegenen Partei vor einer Fremdbestimmung des Marktbeherrschers zu sehen, der damit auf einer Linie liegt mit den Generalklauseln des Zivilrechts, über die sich der verfassungsrechtlich gebotene Schutz vor einer Ausnutzung von Übermacht durch eine überlegene Partei vollzieht.459 Auf den ersten Blick hat § 1034 Abs. 2 ZPO im Vergleich dazu einen vollkommen anderen Schutzzweck. Die Norm ist zuallererst einmal Ausfluss des Gleichberechtigungsgrundsatzes der Parteien im Schiedsverfahren. Sie schützt diese Gleichberechtigung für eine der von den Parteien vorzunehmenden Kernhandlung im Schiedsverfahren, die Besetzung des Schiedsgerichts. Ist mit der Vereinbarung der Parteien, sich der Schiedsgerichtsbarkeit hinwenden zu wollen, bereits eine solche Ungleichberechtigung einer Partei angelegt, so bietet die Norm eine entsprechende Abhilfemöglichkeit für die benachteiligte Partei. Reflexartig schützt die Norm so auch die Unabhängigkeit des Schiedsgerichts, indem sie die Möglichkeit gibt, strukturell angelegte Abhängigkeitsgefahren zu beseitigen.460 Blickt man tiefer, so wird in § 1034 Abs. 2 ZPO auch die Trennung zwischen der als Legitimationsgrundlage für das Tätigwerden des Schiedsgerichts dienenden Schiedsvereinbarung i. e. S. einerseits und der allein der Ausgestaltung dieses gewählten Privatrechtsweges dienenden Schiedsverfahrensvereinbarung deutlich. § 1034 Abs. 2 ZPO muss durch Auslegung dann auch entnommen werden, dass für den in § 1034 Abs. 2 ZPO geregelten Fall weder das eine noch das andere unwirksam sein soll. Eine wirksame Schiedsvereinbarung i. e. S. ist vielmehr Tatbestandsvoraussetzung des § 1034 Abs. 2 ZPO. Auch die ungerechte Schiedsverfahrensvereinbarung ist nicht unwirksam. Vielmehr besteht die Möglichkeit ihrer Modifikation, die zu nutzen aber im Verantwortungsbereich der benachteiligten Partei liegt.461 Daraus ließe sich folgern, dass nicht nur der Regelungsinhalt – Missbrauch einer Marktstellung gegenüber Benachteiligung im Schiedsverfahren –, sondern auch die Grundausgangslage der Normen so verschieden sind, dass sie nebeneinander zur Geltung kommen müssen. In Bezug auf den Regelungsinhalt lässt sich durch einen zweiten Blick auf die Normen indes doch eine Gemeinsamkeit herausarbeiten: Denn beide Normen dienen dem Schutz einer benachteiligten Partei. Von § 19 GWB geschützt wird – versteht man diesen im vorgenannten Sinne – die wirtschaftlich unterlegene Partei vor einem Missbrauch der Marktmacht seitens des Marktbeherrschers. Beim Ausbeutungsmissbrauch geht es dann, anders als beim Behinderungsmissbrauch, 459 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2271 Rn. 57; Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 37. Siehe auch Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 10 und oben Kapitel 3 bei Fn. 775. 460 S. o. Kapitel 4 § 1 B. 461 S. o. Kapitel 4 § 1 D.

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 325

primär um eine Marktergebniskontrolle im Vertikalverhältnis.462 § 1034 Abs. 2 ZPO schützt demgegenüber die eine Schiedspartei vor einer Benachteiligung gegenüber der anderen Partei bei der Besetzung des Schiedsgerichts. Auch der Vergleich der Grundausganglagen der Normen ergibt bei genauem Hinsehen kein Argument für eine parallele Anwendbarkeit von § 1034 Abs. 2 ZPO und § 19 GWB: Genau wie es zum Verhältnis zwischen § 1034 Abs. 2 ZPO zu § 307 BGB vertreten wird463, könnte man auch hier meinen, § 1034 Abs. 2 ZPO gehe von einem funktionierenden Vertragsschlussmechanismus aus, während § 19 GWB in der Form des Ausbeutungsmissbrauchs die gegenteilige Situation zu Grunde liege. In Bezug auf § 19 GWB ließe sich also argumentieren, der Norm müsste aufgrund ihrer Konzentration auf bestimmte Marktkonstellationen gegenüber § 1034 Abs. 2 ZPO im Falle einer solchen Marktkonstellation der Vorzug gebühren. So wenig dies jedoch im Verhältnis von § 1034 Abs. 2 ZPO und § 307 BGB überzeugt464, trifft dies für § 19 GWB zu. Denn ein solches Argument könnte nur dann überzeugen, wenn § 1034 Abs. 2 ZPO nicht auch die § 19 GWB zugrunde liegende Situation würde regeln wollen. Gerade dies ist indes der Fall: Denn aus dogmatischer Sicht, liegt § 1034 Abs. 2 ZPO die Grundannahme eines funktionierenden Vertragsschlusses nur in Bezug auf die Schiedsvereinbarung i. e. S. zugrunde.465 Nicht jedoch in Bezug auf die Schiedsverfahrensvereinbarung.466 In Bezug auf diese nämlich will § 1034 Abs. 2 ZPO den Fall des Übergewichts bei der Besetzung des Schiedsgerichts unabhängig von den Bedingungen erfassen, unter denen die Schiedsverfahrensvereinbarung zustande gekommen ist. Dafür spricht wiederum die Abschaffung des § 91 GWB a. F. und der dahinter stehende gesetzgeberische Wille.467 Berücksichtigt werden muss darüber hinaus die historische Herkunft des § 1034 Abs. 2 ZPO. Bloß weil die Norm ein wirtschaftliches Ungleichgewicht tatbestandlich nicht voraussetzt468, heißt das noch nicht, dass sie Fälle eines solchen Ungleichgewichts nicht dennoch erfasst wissen will. § 1025 Abs. 2 ZPO a. F., die Quasi-Vorgängernorm des heutigen § 1034 Abs. 2 ZPO469, knüpfte tatbestandlich noch ausdrücklich an eine „wirtschaftliche oder soziale Überlegenheit“ an. Wurde diese ausgenutzt, um der überlegenen Partei ein Übergewicht hinsichtlich der Ernennung oder Ablehnung der Schieds462

S. o. Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) ff) (3). S. o. Kapitel 4 bei Fn. 382. Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, S. 232. 464 S. o. Kapitel 4 § 3 C. II. 465 S. o. Kapitel 4 § 1 C. I. 3. b). 466 Und nur für diese wird das Verhältnis von § 19 GWB und § 1034 Abs. 2 ZPO relevant. 467 S. o. Kapitel 4 § 3 D. II. 3. 468 S. o. Kapitel 4 § 1 C. III. 469 S. o. Kapitel 2 § 2 B. 463

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

richter zu sichern, war der Schiedsvertrag nach § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. unwirksam. Diese Regelung ist im neuen Schiedsrecht in § 1034 Abs. 2 ZPO aufgegangen, ohne dass es noch auf das Ausnutzen einer wirtschaftlichen Übermacht der einen Partei ankommt. Dies aber nicht deshalb, weil der Gesetzgeber die Situation einer wirtschaftlichen Übermacht der einen Partei nicht mehr für regelungsbedürftig hielt. Vielmehr deshalb, weil der Gesetzgeber das Übergewicht einer Partei bei der Besetzung des Schiedsgerichts unabhängig davon gleich geregelt wissen wollte, was Ursache des Übergewichts ist. § 1034 Abs. 2 ZPO beansprucht deshalb ebenso in Situationen wirtschaftlichen oder sonstigen Übergewichts einer Partei Geltung.470 Für dieses Ergebnis spricht auch die Tatsache, dass wichtiger Anwendungsfall des § 1025 Abs. 2 a. F. gerade marktbeherrschende Unternehmen waren. Durch Überführung in § 1034 Abs. 2 ZPO hat der Gesetzgeber deshalb deutlich gemacht, dass er gerade auf die von § 1025 Abs. 2 a. F. ursprünglich erfassten Fälle die Rechtsfolge des § 1034 Abs. 2 ZPO angewandt wissen wollte.471 Dies erscheint auch folgerichtig, denn die Notwendigkeit des Schutzes vor einem Übergewicht einer Partei im Schiedsverfahren besteht unabhängig vom Verhältnis der Kräfte zwischen den Parteien.472 Die Zwecksetzungen der Normen liegen bei genauer Betrachtung also deutlich weiter übereinander, als es auf den ersten Blick zu erwarten wäre. Mit der Verschiedenheit der Zwecksetzungen lässt sich eine notwendige parallele Anwendung des § 19 GWB in den von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Fällen deshalb nicht rechtfertigen. Vielmehr hat sich gezeigt, dass § 1034 Abs. 2 ZPO gerade auch die gleichzeitig von § 19 GWB erfassten Fälle zu regeln beabsichtigt. § 1034 Abs. 2 ZPO gebührt deshalb in seinem Anwendungsbereich der Vorrang vor § 19 GWB. Würde man hingegen § 19 GWB trotz der Anwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO anwenden, risse man die von § 1034 Abs. 2 ZPO gewollte einheitliche Rechtsfolge für die in seinem Anwendungsbereich liegenden Sachverhalte auseinander. 5. Begrenzung des Anwendungsbereichs des Missbrauchsverbots durch negative wie positive Berücksichtigung außerkartellrechtlicher Wertungen und Normen Ergibt sich die Anwendbarkeit des § 19 GWB aus dem Gesichtspunkt des Schutzes vor der Ausnutzung von Übermacht durch den überlegenen Vertragspartner,473 spricht auch folgende Überlegung für einen Vorrang des § 1034 Abs. 2 ZPO vor § 19 GWB: 470

S. o. Kapitel 4 bei Fn. 467. Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, S. 204; Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 318 Rn. 36. 472 Bereits vor dem SchiedsVfG Schlosser, ZIP 1987, 492. 473 S. o. Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) ff) und Kapitel 3 § 3 C. II. 6. b). 471

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 327

Insbesondere gegen den kartellrechtlichen Ansatz in der Rechtssache Pechstein, aber auch gegen die Einbeziehung außerkartellrechtlicher Wertungen und Normen in die Missbrauchsprüfung insgesamt ist vorgebracht worden, das Kartellrecht werde hierbei zur Lösung wettbewerbsfremder Rechtsstreitigkeiten herangezogen, zu deren Beantwortung eigentlich andere verfassungs-, zivil-, zivilverfahrens-, öffentlich- oder gar strafrechtliche Vorschriften bereits eingriffen und zur Lösung der in Rede stehenden Frage dem ersten Eindruck nach auch besser geeignet seien.474 Dabei ist die Kritik oft mehr Ausdruck eines Judizes der Autoren, dem es an einer belastbaren dogmatischen Verortung im Tatbestand des Missbrauchsverbots fehlt.475 Die dahinterstehenden Bedenken, das Kartellrecht könnte mit all seiner Durchsetzungsmacht über bereits existierende Regelungssysteme hinwegfegen, ist indes berechtigt. Im Grundsatz zu Recht hat Nothdurft deshalb hervorgehoben, es sei im Einzelfall zu entscheiden, ob ein für den Einsatz kartellrechtlicher Instrumente hinreichender Markt- und Machtbezug vorliege, oder ob dies nicht der Fall sei und andere Teile der Rechtsordnung eine Antwort böten oder schuldig bleiben sollten.476 Darin klingt der Gedanke an, den Lettl damit versucht hat zu fassen, dass er einen Missbrauch durch Verstoß gegen eine außerkartellrechtliche Rechtsnorm nur dann annehmen will, wenn eine abschließende Sonderregel der Rechtsfolge nicht vorhanden ist.477 Die Berücksichtigungsfähigkeit außerkartellrechtlicher Wertungen und außerkartellrechtlicher Rechtsverstöße wird zumeist im negativen Sinne diskutiert. Also vor der Frage, ob sich aus einem Verstoß gegen eine außerkartellrechtliche Wertung oder eine außerkartellrechtliche Rechtsnorm die Missbräuchlichkeit des Forderns der dagegen verstoßenden Konditionen ableiten lässt.478 Die Frage muss jedoch auch im Sinne einer positiven Berücksichtigung, diskutiert werden. Entscheidet man sich aufgrund des Schutzzwecks des Konditionenmissbrauchs für die Zulässigkeit einer rein qualitativen Analyse zur Ermittlung der Missbräuchlichkeit von Konditionen und zur Einbeziehung außerkartellrechtlicher Wertungen und Normverstöße in diese Analyse, kann dies keine Einbahn474 Mit Bezug zur Rechtssache Pechstein Haas, ZVglRWiss 114 (2015), 516, 526; Motyka-Mojkowski/Kleiner, JECLAP 2017, 457, 461 (siehe hierzu auch oben Kapitel 3 in und bei Fn. 811); Nordmann/Förster, WRP 2016, 312, 317 Rn. 30, 318 Rn. 40; dem kartellrechtlichen Ansatz in der Rechtssache Pechstein indes zustimmend Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 81. 475 Ähnlich aber ohne direkten Bezug auf die Kritiker des Ansatzes in der Rechtssache Pechstein Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 5 („. . . verbieten sich angesichts der verfassungsrechtlichen und historischen Radizierung der deutschen Missbrauchsverbote generelle Aussagen dahingehend, dass die Lösung neu entstehender Problemlagen ,kein Fall für das Kartellrecht‘ sei.“). 476 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 5. 477 S. o. Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) dd) (2). 478 S. o. Kapitel 3 § 3 C. II. 3. b) cc).

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

straße sein. In Anbetracht außerkartellrechtlicher Wertungen und Normen mag sich die Missbräuchlichkeit eines Verhaltens einerseits erst ergeben. Aufgrund außerkartellrechtlicher Wertungen und Normen mag ein Verhalten aber andererseits auch gerade als nicht missbräuchlich zu bewerten sein. Insoweit kann man das Argument und die Bedenken der Überschreitung des außerkartellrechtlichen Regelungsplans durch eine Einbeziehung außerkartellrechtlicher Wertungen und Normen nicht vollständig mit dem Hinweis darauf beiseite räumen, dass es gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen eben einer stärkeren Durchsetzung bedürfe und das GWB gerade der Bereitstellung der dafür notwendigen Durchsetzungsmechanismen diene.479 Denn wenn man für den Ausbeutungs- beziehungsweise Konditionenmissbrauch den Schutzzweck nahezu nur noch darin sehen will, den unterlegenen Vertragspartner davor zu schützen, dass sich die Vertragsfreiheit für die unterlegene Vertragspartei nicht in Fremdbestimmung verkehrt, dann reiht man den Ausbeutungsmissbrauch in die Reihe der Generalklauseln ein, über die dieser Schutz bisher verwirklicht worden ist. Eben dies hat der BGH in seiner Pechstein-Entscheidung zu Recht ausdrücklich getan.480 Wenn man den Ausbeutungs- und insbesondere Konditionenmissbrauch in diesem Falle aber loslöst von der Notwendigkeit einer zusätzlichen Marktwirkung und auf den Schutz privatautonomer Entscheidungen in Ungleichgewichtslagen konzentriert,481 dann muss man sich dabei auch an die zur Kontrolle der Ergebnisse aus Ungleichgewichtslagen bisher entwickelten Grundsätze halten. Insoweit ist anerkannt, dass ein Eingreifen über die Generalklauseln nur solange und nur so weit in Betracht kommt, wie der Gesetzgeber die Folgen der entsprechenden Ungleichgewichtslage nicht anderweitig zu kompensieren gesucht hat.482 Hat der Gesetzgeber eine konkrete Ungleichgewichtslage im konkreten Fall bereits durch entsprechende Regeln adressiert, so kann sich auch der kartellrechtliche Konditionenmissbrauch mit seiner Sanktionswirkung nicht einfach über diese Regeln hinwegsetzen. Etwas anderes wäre nur denkbar, wenn spezifisch kartellrechtliche Erwägungen dafür zu finden wären, die ein Abweichen von den außerkartellrechtlichen Wertungen und Normen über den Konditionenmissbrauch rechtfertigen könnten.

479 In diesem Sinne aber Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 199. 480 BGH, Urt. v. 07.06.2016 – KZR 6/15 – Pechstein, NJW 2016, 2266, 2271 Rn. 57; Niedermaier, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht VIII, S. 25, 37. Siehe auch Wiss. Dienste des BT, Sachstand – Das Facebook-Verfahren des BKartA, S. 10 und oben Kapitel 3 bei Fn. 775. 481 Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartR, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB Rn. 194 f. 482 S. nur BVerfG, Beschl. v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 – Handelsvertreter, BVerfGE 81, 242, 255 f. und Busche, in: MüKo-BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 7.

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Eine solche spezifisch kartellrechtliche Wertung kann sich nur aus dem Schutzzweck der Norm ergeben. Sieht man den Schutzzweck des Konditionenmissbrauchs aber im Schutz der unterlegenen Partei vor der Macht des Marktbeherrschers, kann sich die spezifisch kartellrechtliche Erwägung, die es rechtfertigt, dass sich das Kartellrecht über außerkartellrechtliche Wertungen und Normen hinwegsetzt, nur aus dem besonderen Machtgefälle zwischen Marktbeherrscher und Vertragspartner ergeben, das die Anwendung des Konditionenmissbrauchs erst rechtfertigt. Genau daran fehlt es jedoch dann, wenn die außerkartellrechtlichen Wertungen oder Normen das Ungleichgewicht, vor dessen Auswirkungen der Konditionenmissbrauch zu schützen sucht, bereits in sich aufgenommen haben. Anders gewendet: Decken außerrechtliche Wertungen oder Normen, ihrem Regelungszweck entsprechend, auch die Fälle ab, in denen eine Ungleichgewichtslage zwischen den Parteien vorliegt, kann sich auch der kartellrechtliche Konditionenmissbrauch über diese Wertungen nicht mit dem Argument des Vorliegens einer Ungleichgewichtslage hinwegsetzen.483 Auch das Argument, gegenüber einem Marktbeherrscher bedürfe es stärkerer Sanktionsmechanismen, kann dann nicht als Rechtfertigung dafür dienen, dass sich das kartellrechtliche Missbrauchsverbot über außerkartellrechtliche Wertungen und Normen, die ein Ungleichgewicht der Vertragsparteien bereits in sich berücksichtigt haben, hinwegsetzt. Denn nimmt man im ersten Schritt bei der Bestimmung des Schutzzwecks der Norm den Schutz der Marktstruktur aus dem Zweck des Ausbeutungsmissbrauchs heraus, kann dieser nicht im zweiten Schritt dazu gereichen, zu begründen, dass sich der Ausbeutungsmissbrauch über die für die konkrete Ungleichgewichtslage vorhandenen gesetzlichen Regelungen hinwegsetzt. Im Rahmen der Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Forderung bestimmter Kondition seitens des Marktbeherrschers sind also im negativen Sinne außerkartellrechtliche Wertungen und Rechtsnormen zu berücksichtigen, soweit diese zur Ausgestaltung der Anbieter-Nachfrager-Beziehung bestimmt sind. Darüber hinaus finden jedoch auch außerkartellrechtliche Wertungen und Normen positive Berücksichtigung, wenn diese die Ungleichgewichtslage, dessen Auswirkungen der Konditionenmissbrauch zu kontrollieren beabsichtigt, bereits in sich aufgenommen haben. Insoweit existiert ein Vorrang des Kartellrechts nicht.484 6. Zwischenergebnis Mit Blick auf das Verhältnis zwischen § 1034 Abs. 2 ZPO und § 19 GWB lässt sich deshalb festhalten, dass § 1034 Abs. 2 ZPO vorrangig ist. Für dieses Ergeb483

Genau dies ist für § 1034 Abs. 2 ZPO der Fall, s. o. Kapitel 4 § 3 D. II. 4. In diesem Sinne nun jüngst OLG München, Beschl. v. 16.08.2017 – 34 SchH 14/ 16, ZVertriebsR 2017, 371, 375 Rn. 61, das der Ansicht war, im Rahmen der Prüfung eines Missbrauchs sei die gesetzgeberische Wertung der Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. und dessen teilweise Überführung in § 1034 Abs. 2 ZPO positiv, also entgegen der Annahme eines Missbrauchs, zu berücksichtigen. 484

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

nis sprechen eine Vielzahl von Argumenten: Erstens, dass es sich bei einer von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Schiedsverfahrensvereinbarung um eine Prozessvereinbarung handelt, die sich schon grundsätzlich primär nach den Regeln des Prozessrechts richtet. Aus der Abschaffung des § 91 GWB a. F. wird, zweitens, deutlich, dass der Gesetzgeber die Verknüpfung zwischen Schiedsverfahrensrecht und Kartellrecht bei Schaffung des § 1034 Abs. 2 ZPO durchaus gesehen hat, den Schutz der Verfahrensparteien aber dem Schiedsverfahrensrecht überlassen wollte. Drittens, ergibt sich dieses Ergebnis aus einem Vergleich der Zwecksetzungen des § 1034 Abs. 2 ZPO und des § 19 GWB. Und viertens daraus, dass im Rahmen des § 19 GWB auch außerkartellrechtliche Wertungen und Normen positive Berücksichtigung finden müssen, die die Ungleichgewichtslage, dessen Auswirkungen der Konditionenmissbrauch zu kontrollieren beabsichtigt, bereits in sich aufgenommen haben. Ist § 1034 Abs. 2 ZPO im konkreten Fall nicht anwendbar, ergibt sich die Konkurrenzsituation nicht, sodass § 19 GWB zur Anwendung gelangen kann. Bereits zuvor ist festgestellt worden, dass es für die Missbräuchlichkeit im Rahmen des § 19 GWB dann auf die Maßstäbe des konkret anwendbaren Schiedsverfahrensrechts ankommen muss.485

E. Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zur europakartellrechtlichen Missbrauchskontrolle des Art. 102 AEUV Ob und inwieweit eine Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen auch am Maßstab des europäischen Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV gemessen werden kann, ist hier aus Platzgründen nicht untersucht worden. Bislang haben sich Rechtsprechungstendenzen wie im deutschen Recht hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit außerkartellrechtlicher Wertungen auf europäischer Ebene noch nicht herausentwickelt.486 Mit Blick darauf, dass Art. 102 AEUV in seinem materiellen Regelungsgehalt weitgehend dem des § 19 GWB entspricht,487 ist jedoch davon auszugehen, dass Schiedsverfahrensvereinbarungen betreffend die Besetzung des Schiedsgerichts die dem deutschen kartellrechtlichen Missbrauchsverbot des § 19 GWB unterfallen können, auch dem europäischen Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV unterfallen können.488 Bei grundsätzlicher Anwendbarkeit des Art. 102 AEUV auf die Schiedsverfahrensvereinbarung und gleichzeitiger Anwendbarkeit auch des deutschen Schieds485

S. o. Kapitel 3 § 3 C. II. 6. b). BKartA, Pressemitteilung: Bundeskartellamt untersagt Facebook die Zusammenführung von Nutzerdaten aus verschiedenen Quellen, S. 7. 487 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, WettbR, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB Rn. 59. 488 Vgl. für einen Verstoß gegen deutsches Datenschutzrecht BKartA, Pressemitteilung: Bundeskartellamt untersagt Facebook die Zusammenführung von Nutzerdaten aus verschiedenen Quellen, S. 7. 486

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verfahrensrechts, kann sich so auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen Art. 102 AEUV und § 1034 Abs. 2 ZPO stellen. Anders als bei dem Verhältnis zwischen § 1034 Abs. 2 ZPO und § 19 GWB handelt es sich bei Art. 102 AEUV um eine europäische Regelung, deren Anwendung Vorrang hat. Eine tiefgreifende Analyse dieses Konflikts kann hier nicht mehr erfolgen. Im Folgenden wird jedoch ein kurzer Versuch der Annäherung an die Auflösung dieses Konflikts unternommen. Gezeigt wird, dass es sich bei § 1034 Abs. 2 ZPO um eine in nationaler Kompetenz erlassene Verfahrensvorschrift handelt, gegenüber der sich Art. 102 AEUV trotz des grundsätzlichen Anwendungsvorrangs nicht durchsetzen kann.

I. Grundsatz: Anwendungsvorrang des europäischen Rechts gegenüber nationalem Recht Will man dieses Verhältnis auflösen, so helfen Spezialitätserwägungen erst einmal nicht weiter. Denn Art. 102 AEUV und § 1034 Abs. 2 ZPO sind keine Normen gleichen Rangs. Im Verhältnis zweier Normen verschiedenen Rangs gilt der auf der Anerkenntnis einer Normenhierarchie basierende Grundsatz lex superior derogat legi inferiori, der besagt, dass das ranghöhere Recht dem rangniedrigeren Recht vorgeht.489 Art. 102 AEUV entstammt dem europäischen Primärrecht, während § 1034 Abs. 2 ZPO nationales Recht darstellt. Für dieses Verhältnis gilt im Grundsatz: Nationales Recht tritt gegenüber europäischem Recht zurück. Das europäische Recht genießt Anwendungsvorrang.490

II. Genuin nationales Schiedsverfahrensrecht versus europäisches Kartellrecht Zu berücksichtigen gilt es indes, dass das Schiedsverfahrensrecht – anders als die Frage der Derogation durch eine Gerichtsstandsklausel – im Ausgangspunkt genuin nationales Recht ist.491 Art. 5 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 EUV enthalten den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung. Nach diesem Grundsatz wird die Europäische Union nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeit tätig, die die

489 Tettinger/Mann, Einführung in die juristische Arbeitstechnik, 5. Aufl. 2015, Rn. 89; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 32. 490 Grundlegend EuGH, Urt. v. 15.07.1964 – Rs. 6-64 – Costa/ENEL, ECLI:EU: C:1965:66; bestätigt von BVerfG, Beschl. v. 09.06.1971 – 2 BvR 225/69 – Milchpulver, BVerfGE 31, 145. Siehe nur Tettinger/Mann, Einführung in die juristische Arbeitstechnik, 5. Aufl. 2015, Rn. 91; Geismann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Bd. 2, 7. Aufl. 2015, Art. 288 AEUV Rn. 4. 491 LG Dortmund, Urt. v. 13.09.2017 – 8 O 30/16 (Kart), WuW 2017, 621, 623 Rn. 37; Schwarz/Harler/Schwedler, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 38 Rn. 11. S. bereits o. Kapitel 3 § 1 C.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

Mitgliedsstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben. Alle der Europäischen Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten verbleiben gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 2 EUV bei den Mitgliedsstaaten. Zwar dürfte im Rahmen der Ermächtigung des Art. 81 AEUV zur Regelung der justiziellen Zusammenarbeit für die Europäische Union die Kompetenz bestehen, für internationale Schiedsverfahren einheitliche Regelungen zu erlassen. Die Union hat von dieser Kompetenz bislang jedoch jedenfalls keinen Gebrauch gemacht.492 Die auf diesem Gebiet bislang erlassene ROM-IVerordnung zur Ermittlung des auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbaren Rechts gilt gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. e) explizit nicht für die Schiedsgerichtsbarkeit. Gleiches gilt auch für die Brüssel-Ia-Verordnung (EuGVVO) über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung. Im Rahmen der EuGVVO gilt dies nach der Rechtsprechung des EuGH auch für alle bei den staatlichen Gerichten eingeleiteten Verfahren bei denen sich die beantragte Maßnahme auf die Durchführung eines Schiedsverfahrens richtet.493 Der EuGH geht deshalb in ständiger Rechtsprechung von einer Autonomie des nationalen Verfahrensrechts aus.494 Ob und inwieweit das europäische Kartellrecht Einfluss auf nationales Schiedsverfahrensrecht nehmen kann, ist eine bisher nicht abschließend geklärte Frage. Angesprochen ist die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem primären Unionsrecht und den nationalen Verfahensordnungen.495 Diese Frage hat mehrere Facetten. Prominent sind spätestens seit den EuGH-Entscheidungen in den Sachen CDC Hydrogen Peroxide und Genentech zwei Fragen: Erstens die, ob das kartellrechtliche Effektivitätsgebot der Vereinbarung einer Schiedsvereinbarung in Kartellschadensersatzstreitigkeiten entgegensteht.496 Zweitens die, inwieweit nationale Schiedsverfahrensrechte den Umfang der Überprüfbarkeit des Schiedsspruchs durch die nationalen Gerichte auf die Vereinbarkeit mit dem Unions-

492

Ebenfalls mit Hinweis auf Kompetenzbedenken Franck, ZWeR 2016, 137, 143. EuGH, Urt. v. 17.11.1998 – Rs. C-391/95 – van Uden, ECLI:EU:C:1998:543, Rn. 33. Mit der Entscheidung hat der EuGH die ursprünglich sehr weite Interpretation des Ausschlusses der Schiedsgerichtsbarkeit aus EuGH, Urt. v. 25.07.1991 – Rs. C-190/ 89 – Marc Rich, ECLI:EU:C:1991:319, Rn. 18 und 29 wieder eingeschränkt. Eine weitere Einschränkung erfolgte dann in EuGH, Urt. v. 10.02.2009 – Rs. C-185/07 – West Tankers, ECLI:EU:C:2009:69. Ausführlich Baumann, in: FS Ahrens, 470 ff. und Lehmann, NJW 2009, 1645. 494 Grundlegend EuGH, Urt. v. 16.12.1976 – Rs. 33/76 – Rewe, ECLI:EU:C: 1976:188, Rn. 5: „Mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung auf diesem Gebiet sind deshalb die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung des Verfahrens für die Klagen, die den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechten gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedsstaaten [. . .]“; EuGH, Urt. v. 15.03. 2017 – Rs. C-3/16 – Aquino, ECLI:EU:C:2017:209, Rn. 48; EuGH, Urt. v. 19.10.2017 – Rs. C-425/16 – Raimund, ECLI:EU:C:2017:776, Rn. 40. 495 Vgl. Funke, WuW 2017, 624. 496 Schon oben Kapitel 3 § 3 C. I. 3. 493

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kartellrecht einschränken können. Beide Fragen hat der EuGH in den jeweiligen Entscheidungen unbeantwortet gelassen. Hier stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen primärem Unionsrecht und nationalem Verfahrensrecht in einem dritten Gewand. Die Frage hier lautet: Setzt sich eine Vorschrift des nationalen Schiedsverfahrensrechts, die an eine bestimmte Schiedsverfahrensvereinbarung eine andere Rechtsfolge knüpft, als es das Unionskartellrecht vorsieht, gegenüber dieser unionsrechtlichen Regelung durch? Das Problem liegt insbesondere in der Rechtsnatur der Schiedsverfahrensvereinbarung als Prozessvertrag.497 Denn als Prozessvertrag richtet sich ihre Wirksamkeit vorrangig nach den Regeln des Prozessrechts, nachrangig aber auch nach den für Rechtsgeschäfte geltenden Regeln des materiellen Rechts, was auch die Regeln des europäischen Kartellrechts einschließt498. Die Frage ist also: Welche Regel setzt sich durch, wenn eine Schiedsverfahrensvereinbarung nach nationalem Schiedsverfahrensrecht wirksam ist, diese Vereinbarung bei Anwendung europäischen Kartellrechts aber als unwirksam zu bewerten wäre? Diese Frage ist mit der in der CDC Hydrogen Peroxide Entscheidung gestellten Frage nicht identisch. Denn dort ging es um die Zulässigkeit, Auslegung und Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen und der diesbezüglichen Entscheidungskompetenz des EuGH. Diese Aspekte gilt es auseinander zu halten. Während sich die Kompetenz des Europakartellrechts und damit auch des EuGH bezüglich Zulässigkeit und Auslegung von Schiedsvereinbarungen durchaus bezweifeln lässt499, mag man dem EuGH die Kompetenz zur Beurteilung der materiell-rechtlichen Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung jedenfalls dann nicht versagen können, wenn sich diese nach den Regeln des europäischen Kartellrechts richtet.500 Auch die der Genentech-Entscheidung zugrundeliegende Frage war eine andere. Denn dort ging es um die Einflüsse des europäischen Effektivitätsgebots auf den Prüfungsumfang von Schiedssprüchen nach nationalem Recht. Je nachdem allerdings, wie man die Aussagen des EuGH in Genentech interpretiert, lässt sich daraus gleichwohl eine Tendenz bezüglich des Verhältnisses zwischen Unionsrecht und nationalem Schiedsverfahrensrecht ableiten.

497

H. Lit., s. o. Kapitel 3 in Fn. 4. S. o. Kapitel 3 § 1 A. 499 Siehe nur: LG Dortmund, Urt. v. 13.09.2017 – 8 O 30/16 (Kart), WuW 2017, 621, 623 Rn. 37; Thiede, NZKart 2017, 589, 592; Thole ZweR 2017, 133, 141. 500 Funke, WuW 2017, 624, der seine Erkenntnis zu Unrecht in Gegensatz zur dort zitierten Aussage von Thiede setzt. Denn Thiede beschäftigt sich mit der Kompetenz betreffend Zulässigkeit und Auslegung der Schiedsvereinbarung, nicht mit der Kompetenz betreffend die Wirksamkeit, was sich aus den von Thiede zitierten Entscheidungen des EuGH ergibt. 498

334

Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

1. Ausgangsfrage der Genentech-Entscheidung des EuGH vom 07.06.2016 Im Rahmen eines Verfahrens zur Nichtigerklärung eines Schiedsspruchs stellte sich dem französischen Cour d’appel de Paris die Frage nach der Vereinbarkeit einer Lizenzvereinbarung mit Art. 101 AEUV. Deshalb legte das Gericht dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob ein Lizenzvertrag mit Art. 101 AEUV zu vereinbaren ist, der die Zahlung einer Lizenzgebühr auch dann vorsieht, wenn das Patent für nichtig erklärt worden ist.501 Abseits dieser Vorlagefrage ging es in dem Verfahren vor dem EuGH auch, und darauf kommt es hier an, um das Verhältnis zwischen europäischem Kartellrecht und nationalem französischem Schiedsverfahrensrecht.502 Genentech, die Beklagte des Ausgangsverfahrens, war von einem ICCSchiedsgericht zur Zahlung von Lizenzgebühren verurteilt worden. Vor dem Cour d’appel de Paris griff Genentech diesen Schiedsspruch mit dem Argument an, der Lizenzvertrag, aus dem das Schiedsgericht die Zahlungsverpflichtung hergeleitet hatte, sei mit Art. 101 AEUV unvereinbar und deshalb unwirksam. Der Schiedsspruch verstieße aus diesem Grunde gegen den französischen ordre public und sei deshalb gemäß Art. 1518 des französischen Zivilprozessgesetzbuches, der Art. V Abs. 2 lit. b) UNÜ für das nationale französische Recht entspricht, aufzuheben. Sanofi Aventis, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, war hingegen der Ansicht, für eine Aufhebung des Schiedsspruchs bedürfe es nach französischem Recht eines „offensichtlichen“ Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung. Ein solcher liege jedoch nicht vor.503 2. Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet In seinen Schlussanträgen vertrat Generalanwalt Wathelet die Ansicht, dass jedwede Beschränkung des Umfangs der Kontrolle internationaler Schiedssprüche – beispielsweise durch das Erfordernis eines „offenkundigen“ Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung – mit dem Grundsatz der Effektivität des Unionsrechts nicht vereinbar sei.504 Wathelet begründet dies damit, dass Schiedsgerichte zur Vorlage an den EuGH nicht berechtigt seien. Es sei daher Sache der Gerichte der Mitgliedsstaaten, Schiedssprüche im Rahmen des Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahrens oder irgendeines anderen im nationalen Recht vorgesehenen Verfahrens 501 EuGH, Urt. v. 07.06.2016 – C-567/14 – Genentech, ECLI:EU:C:2016:526, Rn. 19. Zusammenfassungen des Sachverhalts auch bei Botta, IIC 2017, 235, 236. 502 Botta, IIC 2017, 235. 503 Botta, IIC 2017, 235, 236. 504 Generalanwalt Wathelet, Schlussanträge v. 17.03.2016 – C-567/14 – Genentech, ECLI:EU:C:2016:177, Rn. 58.

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 335

unter Rückgriff auf den Vorlagemechanismus zum EuGH auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht zu prüfen.505 Dieses System funktioniere also in umgekehrter Reihenfolge als das der EuGVVO zugrundeliegende System gegenseitigen Vertrauens zwischen den Gerichten der Mitgliedsstaaten, in dem die Kontrolle der Einhaltung des Unionsrechts dem in der Sache mit dem Rechtsstreit befassten Gericht und nicht dem Anerkennungs- und Vollstreckungsgericht obliege.506 3. Entscheidung des EuGH und Interpretationsmöglichkeiten Der EuGH hat die Überlegungen des Generalanwalts zum Effektivitätsgebot in seiner Entscheidung nicht diskutiert. Einzig zu Beginn der Entscheidung findet sich ein kurzer allgemeiner Hinweis auf die Autonomie des Verfahrensrechts.507 Der EuGH führt aus: „Es ist jedoch daran zu erinnern, dass der Gerichtshof im Rahmen von Art. 267 AEUV weder zur Auslegung innerstaatlicher Rechts- oder Verwaltungsvorschriften noch zu Äußerungen über deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht befugt ist [. . .], und zum anderen, dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, nachzuprüfen, ob die Vorlageentscheidung den nationalen Vorschriften über die Gerichtsorganisation und das Gerichtsverfahren entspricht [. . .].“ 508

Das Schweigen des EuGH zu den Erwägungen des Generalanwalts lässt zwei Interpretationsmöglichkeiten zu. Es ist denkbar, dass der EuGH sich zu den Erwägungen des Generalanwaltes nicht geäußert hat, weil diese mit der Vorlagefrage nur indirekt verbunden waren und außerdem deswegen für den EuGH irrelevant waren, weil er einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV in der Sache ohnehin ablehnte509. Ebenso ließe sich ein absichtliches Schweigen insbesondere in Kombination mit den vorgenannten allgemeinen Ausführungen als Ausdruck einer den Ausführungen des Generalanwalts entgegengesetzten Ansicht deuten.510 Interpretierte man die Entscheidung des EuGH in letzterer Weise, so ließen sich daraus auch Rückschlüsse für die hier in Rede stehende Frage ziehen. Wirkte das Effektivitätsgebot nämlich noch nicht einmal auf den Umfang der Kontrolle des gesamten Schiedsspruchs auf die materiell-rechtliche Einhaltung des Kartellrechts ein, so ließe sich vertreten, dass dies erst recht nicht in Bezug auf einzelne prozessuale Verfahrensvereinbarungen der Fall sein kann. Wenn das 505 Generalanwalt Wathelet, Schlussanträge v. 17.03.2016 – C-567/14 – Genentech, ECLI:EU:C:2016:177, Rn. 59. 506 Generalanwalt Wathelet, Schlussanträge v. 17.03.2016 – C-567/14 – Genentech, ECLI:EU:C:2016:177, Rn. 62. 507 Botta, IIC 2017, 235, 237 a. E., f.; vgl. Geradin, Public Policy and Breach of Competition Law in International Arbitration, verfügbar auf SSRN, S. 22. 508 EuGH, Urt. v. 07.06.2016 – C-567/14 – Genentech, ECLI:EU:C:2016:526, Rn. 22. 509 EuGH, Urt. v. 07.06.2016 – C-567/14 – Genentech, ECLI:EU:C:2016:526, Rn. 43. 510 Die beiden Interpretationsmöglichkeiten herausstellend Botta, IIC 2017, 235, 241.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

europäische Kartellrecht schon bei der Ergebniskontrolle des Schiedsverfahrens hinter nationalem Schiedsverfahrensrecht zurücktreten müsste, dann spricht wenig dafür, dies für Regeln des nationalen Schiedsverfahrensrechts, die bloß der Hinführung auf ein Ergebnis dienen, anders zu sehen.

III. Auflösung über die Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung Die Beantwortung der grundlegenden Frage, wie weit das europäische Kartellrecht in das nationale Verfahrensrecht hineinwirken kann, würde hier den Rahmen sprengen. Es muss deshalb bei einigen wenigen Gedanken bezüglich des hier in Rede stehende Verhältnisses zwischen Art. 102 AEUV und § 1034 Abs. 2 ZPO bleiben. Trotz eines grundsätzlichen Vorrangs des europäischen Kartellrechts vor nationalem Recht, muss im Verhältnis zwischen Art. 102 AEUV und § 1034 Abs. 2 ZPO der deutschen Regelung Vorrang gebühren.511 Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass es sich bei der von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Vereinbarung um eine Schiedsverfahrensvereinbarung und nicht um die Schiedsvereinbarung i. e. S. handelt. Denn mit Schiedsverfahrensvereinbarungen regeln die Parteien die Details des Schiedsverfahrens, das im Sinne des Grundsatzes der Verfahrensautonomie in die absolute Kompetenz der Mitgliedsstaaten fällt.512 Damit muss es auch den Mitgliedsstaaten überlassen sein, im Rahmen ihres Schiedsverfahrensrechts zu bestimmen, welche Möglichkeiten den Parteien zur privatautonomen Gestaltung des Verfahrens gegeben sein sollen. Hervorzuheben ist abermals, dass in dem Fall, in dem sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Art. 102 AEUV und § 1034 Abs. 2 ZPO stellt, die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. bereits feststeht. Fest steht also, dass sich die Parteien wirksam auf den Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit geeinigt haben. Die von § 1034 Abs. 2 ZPO geregelte Frage der Besetzung des Schiedsgerichts ist einzig und allein eine Verfahrensfrage. Zwar mag sie Rückwirkungen auf die Frage der Wirksamkeit der entsprechenden Verfahrensvereinbarung haben, ihr primärer Zweck liegt jedoch auf der Lösung der von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Problematik innerhalb des Schiedsverfahrens. Sie entfaltet so ihre primäre Wirkung im Schiedsverfahren selbst, das zu regeln der Kompetenz der Mitgliedsstaaten unterliegt.

511 In diesem Sinne auch Wagner, ZVglRWiss 114 (2015), 494, 511, der zwischen der Schiedsvereinbarung i. e. S. und der Schiedsverfahrensvereinbarung allerdings nicht differenziert, was ihn insbesondere in Bezug auf die Schiedsverfahrensvereinbarung in argumentative Schwierigkeiten bringt. 512 S. o. Kapitel 4 in und bei Fn. 494.

§ 3 Das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den Regeln der Inhaltskontrolle 337

Ließe man es zu, dass sich Art. 102 AEUV gegenüber § 1034 Abs. 2 ZPO durchsetzte, käme dies einer Umgehung der Kompetenzverteilung gleich.513 Dies wöge umso schwerer, als die Besetzung des Schiedsgerichts eine zentrale Frage eines jeden Schiedsverfahrens ist. Durch die Anwendung des Art. 102 AEUV im Anwendungsbereich des § 1034 Abs. 2 ZPO würde dann auch – wie auch bei Anwendung der zuvor diskutierten Inhaltskontrollregeln – ein in sich geschlossenes und austariertes System und die hinter ihm stehenden Regelungszwecke unterlaufen.514 Was hier für das Verhältnis zwischen Art. 102 AEUV und § 1034 Abs. 2 ZPO diskutiert worden ist, könnte sich übertragen lassen auf das grundsätzliche Verhältnis zwischen europäischem Kartellrecht und nationalem Schiedsverfahrensrecht. So könnte die Grenze des Einflusses europäischen Kartellrechts dort liegen, wo es nicht mehr um die Schiedsvereinbarung i. e. S. geht. Während die Frage, ob die Parteien den Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit wirksam vereinbart haben, durchaus auch von den Regelungen des europäischen Kartellrecht abhängen kann, muss sich das europäische Kartellrecht zurückhalten, wenn es um Fragen der nationalen Ausgestaltung des vereinbarten Verfahrens geht. Der Einfluss des europäischen Kartellrechts auf das nationale Schiedsverfahrensrecht könnte also dort enden, wo die Schiedsverfahrensvereinbarung beginnt.

IV. Zwischenergebnis Unterfällt eine Schiedsverfahrensvereinbarung über die Besetzung des Schiedsgerichts gleichzeitig § 1034 Abs. 2 ZPO und Art. 102 AEUV, so setzt sich § 1034 Abs. 2 ZPO gegenüber Art. 102 AEUV mit der Konsequenz durch, dass die § 1034 Abs. 2 ZPO unterfallende Schiedsverfahrensvereinbarung nicht unwirksam ist, die betreffende Problematik vielmehr im Rahmen des von § 1034 Abs. 2 ZPO vorgegebenen Verfahrens zu lösen ist. Hauptgrund ist die den Mitgliedsstaaten obliegende Kompetenz zur Ausgestaltung des Schiedsverfahrens. § 1034 Abs. 2 ZPO ist gerade eine solche Norm der Ausgestaltung des nationalen Schiedsverfahrens. Der Einflussbereich des europäischen Kartellrechts kann nur so weit gehen, wie durch dessen Anwendung nicht in die nationale Regelungshoheit eingegriffen wird. Das hier für das Verhältnis zwischen § 1034 Abs. 2 ZPO und Art. 102 AEUV gefundene Ergebnis könnte sich deshalb auch auf das Verhältnis zwischen europäischem Kartellrecht und nationalem Schiedsverfahrensrecht insgesamt übertragen lassen. Der Einfluss des Europakartellrechts könnte deshalb dort enden, wo die Schiedsverfahrensvereinbarung beginnt.

513 514

Ebenfalls mit Hinweis auf Kompetenzbedenken Franck, ZWeR 2016, 137, 143. Ähnlich auch Wagner, ZVglRWiss 114 (2015), 494, 511.

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Kap. 4: Die Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle

F. Zwischenergebnis Nach alledem ist festzuhalten, dass § 1034 Abs. 2 ZPO nach hier vertretener Auffassung in seinem Anwendungsbereich einer Inhaltskontrolle durch §§ 138 Abs. 1 und 307 BGB sowie § 19 GWB vorgeht. § 1034 Abs. 2 ZPO geht in seinem Anwendungsbereich auch Art. 102 AEUV vor. Es bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten, abschließend zu beurteilen, ob die hier erarbeiteten Erkenntnisse für das Verhältnis zwischen § 1034 Abs. 2 ZPO und Art. 102 AEUV auf das Verhältnis zwischen europäischem Kartellrecht und nationalem Schiedsverfahrensrecht insgesamt übertragbar sind.

§ 4 Ergebnisse des 4. Kapitels Das 4. Kapitel hat die Frage untersucht, wie sich § 1034 Abs. 2 ZPO auf die Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen auswirkt. Nachdem ein Blick auf den Tatbestand des § 1034 Abs. 2 ZPO geworfen und dessen Auswirkungen auf den Begriff echter Schiedsgerichtsbarkeit untersucht wurden, ist das Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu den §§ 138 und 307 BGB, § 19 GWB und Art. 102 AEUV in den Blick genommen worden. Herausgearbeitet worden ist insbesondere, dass § 1034 Abs. 2 ZPO – dessen Anwendbarkeit die Anwendbarkeit deutschen Schiedsverfahrensrechts voraussetzt – die Gleichberechtigung der Schiedsverfahrensparteien und nur reflexartig die strukturelle Unabhängigkeit des Schiedsgerichts schützt. Weil das Übergewicht, anders als es der Wortlaut auf den ersten Blick vermuten lässt, nur aus einer Schiedsverfahrensvereinbarung resultieren kann, setzt § 1034 Abs. 2 ZPO denknotwendig die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. voraus. Für ein Übergewicht im Sinne des § 1034 Abs. 2 ZPO kommt es nicht auf eine Qualifikation an, sodass jedes Übergewicht der Norm unterfällt. Es kommt auch nicht darauf an, ob das Übergewicht unmittelbar oder mittelbar auf der Schiedsverfahrensvereinbarung beruht. So kann sich ein Übergewicht auch aus in Bezug genommenen Schiedsverfahrensregeln ergeben. Ein Sonderproblem stellen insoweit Schiedsrichterlisten dar. Hier ist ein Übergewicht anzunehmen, wenn die Auswahlmöglichkeit zu Lasten einer Partei zu sehr eingeschränkt ist. Darüber hinaus auch dann, wenn einer Partei eine Vorbeeinflussung der in Betracht kommenden Schiedsrichter möglich ist. Auf eine Lagerzuordnung kommt es hingegen erst dann an, wenn sich ein Übergewicht nicht bereits aus einem faktisch übermäßigen Einfluss einer Partei ergibt. Die Norm des § 1034 Abs. 2 ZPO hat nicht nur Auswirkungen auf die Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen, sondern maßgeblich auch auf den Begriff der echten Schiedsgerichtsbarkeit, dessen Vorliegen gleichsam auch Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO ist. Aus dem Sinn und Zweck der Norm ist abgeleitet worden, dass die in ihrem Anwendungsbereich liegenden

§ 4 Ergebnis des 4. Kapitels

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Fälle nicht gleichzeitig zum konstitutiven Bereich echter Schiedsgerichtsbarkeit gehören können. Sonst wäre die Norm obsolet. Dabei bleibt es auch im Falle der Nichtanwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO aufgrund eines ausländischen Schiedsverfahrensstatuts. Nur so lässt sich der gesetzgeberischen Intention Rechnung tragen und eine Zweideutigkeit des Begrifs echter Schiedsgerichtsbarkeit vermeiden. Im Rahmen der ordre-public-Prüfung kommt es dann darauf an, ob das maßgebliche Schiedsverfahrensrecht eine mit § 1034 Abs. 2 ZPO vergleichbare Korrekturmöglichkeit bereithält. Fehlt eine solche, liegt ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public vor. Für alle hier in den Blick genommenen Inhaltskontrollnormen ist herausgearbeitet worden, dass sie im Anwendungsbereich des § 1034 Abs. 2 ZPO nicht greifen. Hier kommt es auf § 1034 Abs. 2 ZPO und die von ihm vorgesehene Rechtsfolge an. Dies ergibt sich insbesondere aus der Zwecksetzung der Norm. Zwar kommt dem europäischen Kartellrecht grundsätzlich Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht zu. Allerdings kann dies nur so weit gelten, wie dadurch die Kompetenz des nationalen Rechts nicht verletzt wird. Der Einfluss des europäischen Kartellrechts endet deshalb dort, wo es um Schiedsverfahrensvereinbarungen geht. § 1034 Abs. 2 ZPO geht deshalb in seinem Anwendungsbereich auch Art. 102 AEUV vor.

Kapitel 5

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen 1. Das alte Schiedsverfahrensrecht enthielt in § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. unmittelbar eine Wirksamkeitskontrollnorm für Schiedsvereinbarungen. § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. ist mit dem SchiedsVfG abgeschafft worden. Die in § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. enthaltene Abschlussvariante ist ersatzlos weggefallen. Die in § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. enthaltene Annahmevariante findet sich unter Abänderung der Rechtsfolge heute in § 1034 Abs. 2 ZPO. 2. Grundlage des geltenden Schiedsverfahrensrechts ist die Gleichwertigkeit zwischen Schiedsverfahren und staatlichem Gerichtsverfahren. 3. Durch die Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. ist die Notwendigkeit eines freiwilligen Abschlusses der Schiedsvereinbarung nicht weggefallen. Weggefallen ist nur die von § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. vorgesehene Sonderbehandlung von Schiedsvereinbarungen im Vergleich zu anderen Vereinbarungen. a) Legitimationsgrundlage der Schiedsgerichtsbarkeit ist die auf der privatautonomen Entscheidung der Parteien beruhende Schiedsvereinbarung. b) Eine solche Schiedsvereinbarung muss freiwillig geschlossen sein. c) Die Notwendigkeit von Freiwilligkeit ist indes keine schiedsverfahrensrechtliche Besonderheit, sondern Voraussetzung einer jeden privatautonomen Entscheidung. d) Konsequenz der Abschaffung des § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. ist, dass der Abschluss einer Schiedsvereinbarung genauso zu überprüfen ist, wie der Abschluss einer jeden anderen privatautonomen Vereinbarung auch. 4. Dem geltenden Schiedsverfahrensrecht liegt eine Trennung zwischen der Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarungen zugrunde. Die Schiedsvereinbarung i. e. S. und die Schiedsverfahrensvereinbarungen sind eigenständig anzuknüpfen und unterfallen nicht zwingend dem gleichen Recht. a) Schiedsvereinbarung i. e. S. meint die Einigung der Parteien, für ein bestimmtes Rechtsverhältnis auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten zu verzichten. Die Schiedsvereinbarung i. e. S. betrifft das „Ob“ des Schiedsverfahrens.

Kap. 5: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

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b) Mit Schiedsverfahrensvereinbarungen regeln die Parteien das „Wie“ des Verfahrens. 5. Diese Trennung hat neben der Identifikation des für die jeweilige Wirksamkeitsprüfung maßgeblichen Leitbilds insbesondere für die Rechtsfolge der Wirksamkeitskontrolle ihre Bedeutung: a) Die Schiedsvereinbarung i. e. S. ist grundsätzlich nur dann unwirksam, wenn sie selbst fehlerhaft ist. b) Ist eine Schiedsverfahrensvereinbarung unwirksam, so kommt es für die Wirksamkeit der weiteren Schiedsverfahrensvereinbarungen beziehungsweise der Schiedsvereinbarung i. e. S. auf die Regeln zur Teilnichtigkeit jener Rechtsordnung an, der der Teil unterliegt, um dessen Aufrechterhaltung es geht. c) Im deutschen Recht folgt aus der Unwirksamkeit einer Schiedsverfahrensvereinbarung nach zutreffender herrschender Meinung nicht gleich die Unwirksamkeit auch der Schiedsvereinbarung i. e. S. gemäß § 139 BGB. Denn grundsätzlich ist anzunehmen, dass die Schiedsvereinbarung i. e. S. auch ohne die fehlerhafte Schiedsverfahrensvereinbarung geschlossen worden wäre. d) An die Stelle einer unwirksamen Schiedsverfahrensvereinbarung tritt die entsprechend einschlägige gesetzliche Regelung. 6. Die allgemeinen Wirksamkeitskontrollregeln gelten auch für Schiedsvereinbarungen, unabhängig davon, welche Rechtsnatur man Schiedsvereinbarungen beimisst. 7. Die Schiedsvereinbarung ist unabhängig (§ 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO). a) Diese Unabhängigkeit darf nicht als vollkommene Unabhängigkeit missverstanden werden. Sie beschränkt sich vielmehr auf zwei Konsequenzen: i. Erstens ergibt sich aus ihr die Notwendigkeit einer eigenständigen Anknüpfung der Schiedsvereinbarung. ii. Zweitens durchbricht sie für den Fall der Unwirksamkeit des Hauptvertrags die Gesamtnichtigkeitsvermutung des § 139 BGB, die eine Unwirksamkeit auch der Schiedsvereinbarung vermuten würde. Insoweit sind Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung nicht als „einheitliches Rechtsgeschäft“ im Sinne des § 139 BGB anzusehen. b) Die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung betrifft aber nicht die Wirksamkeitskontrolle an sich. Konsequenz dessen ist, dass die Schiedsvereinbarung bei ihrer Wirksamkeitskontrolle nicht isoliert, sondern in dem Gesamtzusammenhang zu betrachten ist, in dem sie steht. c) Weil die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung die Frage der Teilnichtigkeit betrifft und die Teilnichtigkeit eine Frage des nationalen Rechts ist,

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Kap. 5: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

hat die Unabhängigkeit auf Ebene des europäischen Rechts insoweit keine Bedeutung. 8. Schiedsvereinbarungen unterliegen im deutschen Recht sowohl einer Abschluss- als auch einer Inhaltskontrolle. Der wesentliche Unterschied besteht im Anknüpfungsobjekt. Während die Abschlusskontrolle an die Abschlusssituation anknüpft, bewertet die Inhaltskontrolle den Inhalt eines Rechtsgeschäfts. 9. Bei der Abschlusskontrolle ist danach zu fragen, ob der Abschluss der Schiedsvereinbarung Ergebnis einer freien Willensbildung war. Mit unter Zwang zustande gekommenen Vereinbarungen beschäftigt sich insbesondere § 123 Abs. 1 BGB. Hieraus ergibt sich, dass nicht jedweder Zwang in der Abschlusssituation ausreicht, um die freie Willensbildung der Parteien in Zweifel zu ziehen. 10. Wird in Bezug auf die Schiedsvereinbarung von „Abschlusskontrolle“ gesprochen, ist damit nicht die Abschlusskontrolle in ihrer klassischen Form gemeint. Gemeint ist damit regelmäßig eine Inhaltskontrolle der Schiedsvereinbarung i. e. S. Damit einher geht, dass verkannt wird, dass Freiwilligkeit des Abschlusses nicht gleich Freiwilligkeit des Inhalts ist. 11. Sowohl die Schiedsvereinbarung i. e. S. als auch Schiedsverfahrensvereinbarungen können grundsätzlich einer Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 138 und 307 BGB unterliegen. a) Bei der Inhaltskontrolle ist danach zu fragen, ob einem Rechtsgeschäft die Anerkennung der Rechtsordnung deswegen zu versagen ist, weil sein Inhalt außerhalb der von der Rechtsordnung akzeptierten Grenzen liegt. b) Erscheint der Inhalt erst unter Hinzunahme der Umstände des Rechtsgeschäfts im rechten Licht, so sind auch diese mit zu berücksichtigen. c) Das ändert aber nichts daran, dass Anknüpfungspunkt der Inhaltskontrolle der Inhalt des Rechtsgeschäfts bleibt. i. Die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts kann sich deshalb im Rahmen der Inhaltskontrolle niemals allein aus den Umständen des Rechtsgeschäfts ergeben. ii. Vielmehr muss der Inhalt Anlass zur Kontrolle gebieten. Es bedarf deshalb einer inhaltlichen Anknüpfung der Inhaltskontrolle, etwa in Form einer Benachteiligung einer Partei. 12. Allein die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts für einen Streitfall (Schiedsvereinbarung i. e. S.) kann aufgrund der Gleichwertigkeit von Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit keine Benachteiligung einer Partei darstellen. Es fehlt damit für die Inhaltskontrolle der Schiedsvereinbarung i. e. S. an einem inhaltlichen Anknüpfungspunkt.

Kap. 5: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

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13. Eine als inhaltlicher Anknüpfungspunkt dienende Benachteiligung kann sich jedoch aus einer Schiedsverfahrensvereinbarung ergeben. Schiedsverfahrensvereinbarungen können insbesondere unter dem Gesichtspunkt der übermäßigen Einschränkung des Rechtsschutzes oder unter dem Gesichtspunkt der Ausnutzung von Übermacht problematisch sein. 14. Ob Schiedsvereinbarungen einer Kontrolle nach § 19 GWB unterliegen, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Beantwortung dieser Frage hängt im Wesentlichen vom Verständnis des Schutzzwecks und der sich daraus ergebenden Reichweite des Konditionenmissbrauchs ab. a) Für ein weites Schutzzweckverständnis lässt sich insbesondere das Argument finden, dass der Konditionenmissbrauch nach hier vertretener Ansicht primär dem Individualschutz dient. b) Vor einem solchen Schutzzweckverständnis stellen Schiedsvereinbarungen Geschäftsbedingungen i. S. d. § 19 GWB dar. c) Umstritten ist insbesondere, anhand welcher Maßstäbe die Missbräuchlichkeit von Konditionen geprüft werden kann. i. Während Einigkeit über die quantitative Methode des Als-ob-Wettbewerbs besteht, ist die Möglichkeit und der Umfang einer qualitativen Betrachtung hoch umstritten. ii. Jedenfalls eine Tendenz in Rechtsprechung und Praxis geht zur Zulässigkeit einer rein qualitativen Betrachtung. iii. Aus der Annahme eines vorrangig dem Individualschutz dienenden Schutzzweckverständnisses folgt sowohl die Zulässigkeit einer qualitativen Betrachtung als auch die Zulässigkeit der Folgerung der Missbräuchlichkeit aus dem Fordern von gegen außerkartellrechtliche Normen verstoßender Konditionen. Im Gegenzug sind außerkartellrechtliche Normen positiv zu berücksichtigen, die die Ungleichgewichtslage, deren Kontrolle der Konditionenmissbrauch dient, bereits in sich aufgenommen haben. 15. Während die notwendige Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung bei der quantitativen Kontrolle erst auf Rechtsfolgenebene relevant wird, entfaltet sie bei einer qualitativen Kontrolle bereits im Rahmen der Missbrauchsprüfung ihre Relevanz. Denn für Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarungen können insoweit andere Maßstäbe gelten. 16. Im Rahmen einer quantitativen Kontrolle von Schiedsvereinbarungen im Rahmen des § 19 GWB kommt es auf eine erhebliche Abweichung von dem wettbewerbskonformen Zustand unter Berücksichtigung einer Gesamtbetrachtung

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Kap. 5: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

des Leistungsbündels an bei der die Schiedsvereinbarung im gesamtvertraglichen Kontext zu betrachten ist. 17. Im Rahmen einer qualitativen Kontrolle im Rahmen des § 19 GWB kann die Schiedsvereinbarung i. e. S. aufgrund der Gleichwertigkeit von Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit keine Benachteiligung einer Partei und deshalb keinen Missbrauch darstellen. 18. Bei der qualitativen Kontrolle von Schiedsverfahrensvereinbarungen im Rahmen des § 19 GWB gelten im Wesentlichen die auch zu §§ 138 und 307 BGB dargestellten Maßstäbe. Das gilt insbesondere für die grund- und verfassungsrechtlichen Garantien der Parteien. Anhaltspunkte für die qualitative Bewertung von Schiedsvereinbarungen können sich dabei insbesondere aus den gesetzlichen Wertungen des deutschen Schiedsverfahrensrechts ergeben. Unterliegt das Schiedsverfahren allerdings einem ausländischen Schiedsverfahrensrecht, so kommt es im Rahmen des § 19 GWB auf die Wertungen dieses Schiedsverfahrensrechts an. 19. Die Anwendbarkeit des § 1034 Abs. 2 ZPO setzt die Anwendbarkeit der §§ 1025 ff. ZPO voraus. 20. Schutzzweck des § 1034 Abs. 2 ZPO ist die Gleichberechtigung der Schiedsverfahrensparteien. Reflexartig schützt § 1034 Abs. 2 ZPO die strukturelle Unabhängigkeit des Schiedsgerichts. 21. Übergewicht im Sinne des § 1034 Abs. 2 ZPO ist jedes Übergewicht, ohne dass es auf eine Qualifikation ankäme. 22. Entgegen des Wortlauts des § 1034 Abs. 2 ZPO resultiert das Übergewicht aus einer Schiedsverfahrensvereinbarung. § 1034 Abs. 2 ZPO setzt denklogisch die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung i. e. S. voraus. 23. Es kommt nicht darauf an, ob das Übergewicht unmittelbar oder mittelbar auf der Schiedsverfahrensvereinbarung beruht. a) Ein Sonderproblem stellen Schiedsrichterlisten dar. Ein Übergewicht ist anzunehmen, wenn die Auswahlmöglichkeit zu Lasten einer Partei zu sehr eingeschränkt ist. Darüber hinaus auch dann, wenn einer Partei eine Vorbeeinflussung der in Betracht kommenden Schiedsrichter möglich ist. b) Erst, wenn sich ein faktisch übermäßiger Einfluss einer Partei nicht feststellen lässt, kommt die Lagertheorie zum Tragen. 24. Anwendbar sind die §§ 1025 ff. ZPO und damit auch die §§ 1034 Abs. 2 und 1036 ZPO nur auf echte Schiedsgerichte. a) Ein echtes Schiedsgericht liegt nur vor, wenn der Spruchkörper unabhängig und unparteilich ist.

Kap. 5: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

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b) Der Begriff des echten Schiedsgerichts ist unabhängig sowohl von dem auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren materiellen Recht als auch von dem auf das Schiedsverfahren anwendbaren Verfahrensrecht. c) Sowohl § 1034 Abs. 2 ZPO als auch § 1036 ZPO setzen jedoch tatbestandlich gerade einen Mangel an struktureller beziehungsweise individueller Unabhängigkeit voraus. d) Diese Mängel können nicht gleichzeitig zum Wegfall des Charakters als echtes Schiedsgericht führen. Soweit Mängel der Unabhängigkeit des Schiedsgerichts von § 1034 Abs. 2 ZPO oder § 1036 ZPO erfasst sind, sind sie nicht konstitutive Voraussetzung eines echten Schiedsgerichts. 25. Bei der Einordnung der von § 1034 Abs. 2 ZPO erfassten Unabhängigkeit als nicht konstitutiv für das Vorliegen eines echten Schiedsgerichts bleibt es auch, wenn § 1034 Abs. 2 ZPO aufgrund eines ausländischen Schiedsverfahrensstatuts nicht anwendbar ist. 26. Fehlt es jedoch an einer mit § 1034 Abs. 2 ZPO vergleichbaren Abhilfemöglichkeit im anwendbaren Schiedsverfahrensrecht, liegt ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public vor. 27. Unterfällt eine Schiedsverfahrensvereinbarung dem Anwendungsbereich des § 1034 Abs. 2 ZPO, kann diese Schiedsverfahrensvereinbarung nicht in Folge einer Inhaltskontrolle nach den §§ 138, 307 BGB, 19 GWB oder nach Art. 102 AEUV unwirksam sein. Denn diese Inhaltskontrollen sind nicht parallel zu § 1034 Abs. 2 ZPO anwendbar. Für das Verhältnis des Art. 102 AEUV zu § 1034 Abs. 2 ZPO gilt dies deshalb, weil es sich bei der im Rahmen des § 1034 Abs. 2 ZPO betroffenen Vereinbarung um eine Schiedsverfahrensvereinbarung handelt, die in die Kompetenz des nationalen Schiedsverfahrensrechts fällt. 28. Das zuvor gefundene Ergebnis ließe sich auf das Verhältnis des europäischen Kartellrechts zu den nationalen Schiedsverfahrensrechten insgesamt übertragen. Die Grenze des Einflusses des europäischen Kartellrechts wäre dann dort, wo es nicht mehr um die Schiedsvereinbarung i. e. S., sondern um die Schiedsverfahrensvereinbarung geht.

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Sachwortverzeichnis § 19 GWB 165, 342 – siehe Konditionenmissbrauch § 91 GWB a. F. 89, 167, 319 § 138 BGB 126, 341 – Anknüpfung an Inhalt 127 – Interessenabwägung 157 – objektiver Tatbestand 128 – Rechtsfolge 158 – Schiedsvereinbarung i. e. S. 132 – Schiedsverfahrensvereinbarung 141 – Schutz vor Ausnutzen von Übermacht 155 – subjektiver Tatbestand 157 § 307 BGB 160, 341 – Anknüpfung an Inhalt 161 – Schiedsvereinbarung i. e. S. 162 – Schiedsverfahrensvereinbarung 163 – Rechtsfolge 163 § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. 37, 55, 339 – Abschlussvariante 39 – Annahmevariante 42 – Verhältnis zu allgemeinen Normen 41, 42 § 1034 Abs. 2 ZPO 231, 343 – Auswirkungen auf den Begriff der echten Schiedsgerichtsbarkeit 279, 281 – Auswirkungen auf den Begriff der echten Schiedsgerichtsbarkeit bei Nichtanwendbarkeit 285, 291 – Benachteiligung durch Übergewicht 250 – Lagertheorie 239, 249 – Schutzzweck 232, 237, 323 – Rechtsfolge 252 – Schiedsrichterliste 238, 255, 257

– Tatbestand 231, 251, 256 – Übergewicht bei Zusammensetzung des Schiedsgerichts 233, 236, 244, 246, 257 – Verhältnis zu . . . siehe Verhältnis § 1034 Abs. 2 ZPO § 1040 Abs. 1 ZPO – Auslegung 102 – siehe auch bei Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung Abschlusskontrolle 56, 116 – über § 138 BGB 117, 131, 132 – Unfreiheit der Willensbildung 119 – vs. Inhaltskontrolle siehe bei Wirksamkeitskontrolle AGB-Kontrolle siehe § 307 BGB Akzessorische Klausel siehe bei Schiedsvereinbarung Als-Ob-Wettbewerb siehe bei Konditionenmissbrauch Anerkennungssituation 172, 286, 287, 293 Anti-Doping-Gesetz (AntiDopG) 45 – Bedeutung für Freiwilligkeit 64, 75 Anwendbares Recht 137, 223, 270, 287, 291, 295, 323, 332 – auf Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung 84, 91, 93, 108 Anwendungsvorrang 331 Ausbeutungsmissbrauch 180, 188, 195, 210, 221, 323 – siehe auch bei Behinderungsmissbrauch und Konditionenmissbrauch Ausnutzen von Übermacht 38, 61, 120, 127, 146, 230, 306, 324, 326, 342

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Sachwortverzeichnis

Ausschließliche – Gerichtsstandsvereinbarungen in Kartellsachen 169 – Schiedsvereinbarungen in Kartellsachen 165, 169, 171 Außerkartellrechtliche Wertungen – Ansätze zur Begrenzung 202, 203 – bei Anwendbarkeit ausländischen Schiedsverfahrensrechts 223 – Berücksichtigung i. R. d. Missbrauchs 197 – Gewicht der Berücksichtigung 201 – grundrechtliche Wertungen 200, 215, 222 – Konditionenmissbrauch durch Verstoß 204 – negative Berücksichtigung 197 – positive Berücksichtigung 326 – schiedsverfahrensrechtliche Wertungen 222 – Wertungen der §§ 307 ff. BGB 198 Außervertragliche Schiedsgerichte 256, 262, 266, 284 Behinderungsmissbrauch 195 – siehe auch bei Ausbeutungsmissbrauch und Konditionenmissbrauch – Trennung vom Ausbeutungsmissbrauch 210 Bürgschaftsverträge I (BVerfG) 152 CAS 26, 241 CAS-Statutes 2004 27 CDC Hydrogen Peroxide (EuGH) 22, 113, 170, 332 Derogation siehe bei Ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen DESG 25 DIS 26 Echtes Schiedsgericht 258, 343 – Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO siehe bei § 1034 Abs. 2 ZPO

– Auswirkungen des § 1034 Abs. 2 ZPO bei Nichtanwendbarkeit siehe bei § 1034 Abs. 2 ZPO – Bedeutung bei ausländischem Schiedsverfahrensstatut 286 – Begrifflichkeit 259, 271 – dogmatische Verortung 268 – Kriterien 272 – Richten in eigener Sache 274 – Unabhängigkeit und Unparteilichkeit 273, 278, 280 – Ursprung 260 – Vereins-/Verbands(schieds)gericht 263, 265, 278 Ein-Platz-Prinzip 26 Eingriffsnormen 172 Entgelte siehe bei Kondition EuGVÜ 114 EuGVVO 114, 332 Facebook 22, 194, 197 Favorit (BGH) 191, 197, 198 Fehleridentität 87 Freiwilligkeit – Abschluss- vs. Inhaltsfreiheit 117, 123 – der Schiedsvereinbarung 34, 49, 51, 305, 339, 341 – Keine Abschaffung durch SchiedsVfG 53, 55, 58, 60, 339 Fremdbestimmung 49, 52, 58, 139, 150, 201 – Als Schutzzweck des Konditionenmissbrauchs 208, 212, 228, 324, 328 Genentech (EuGH) 332, 334 Gesamtnichtigkeit siehe bei Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung Geschäftsbedingung siehe bei Kondition Gleichbehandlungsprinzip 232 Gleichwertigkeit 48, 53, 252, 270, 290, 315, 321, 339, 341, 342 Handelsvertreter (BVerfG) 150, 152, 155 Horizontalverhältnis 175, 177, 199, 211

Sachwortverzeichnis Inhaltskontrolle 125 – § 19 GWB 165, 177, siehe auch bei § 19 GWB – § 138 BGB 126, siehe auch bei § 138 BGB – § 307 BGB 160, siehe auch bei § 307 BGB – Anknüpfung an Inhalt 127, 129, 161 – Schiedsvereinbarung i. e. S. 132 – Schiedsverfahrensvereinbarung 141 – Verhältnis des § 1034 Abs. 2 ZPO zu siehe bei Verhältnis § 1034 Abs. 2 ZPO – vs. Abschlusskontrolle siehe bei Wirksamkeitskontrolle ISU 25 Justizgewährungsanspruch 33, 60, 135, 139, 142, 200 – Freiwilligkeit als Bedingung eines Verzichts siehe bei Freiwilligkeit der Schiedsvereinbarung – Schiedsvereinbarung als Verzicht 50 Kartellrecht – § 19 GWB siehe dort – Ausbeutungsmissbrauch siehe dort – Blickwinkel und Angriffspunkte 174 – Konditionenmissbrauch siehe dort – Verhältnis zu Schiedsverfahrensrecht siehe bei Verhältnis Kartellverbot 35, 115, 175, 334 – dienende Klausel 176 Kondition siehe bei Konditionenmissbrauch Konditionenmissbrauch 180, 188 – Als-ob-Wettbewerb 189, 191, 197, 190, 208, 215, 219 – außerkartellrechtliche Wertungen siehe dort – Generalklausel 33, 181, 193, 203, 215, 224 – Gesamtbetrachtung des Leistungsbündels 189, 217

– – – – – – – –

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Kausalität 224 Kondition 182, 214, 216 Missbräuchlichkeit 188 qualitative Analyse 179, 191, 214, 219, 227, 328 quantitative Analyse 179, 188, 216, 227 Rechtsfolge 224, 228 Schutzzweck 179, 207, 208, 214, 227 Vergleichsmarktkonzept 189

Lagertheorie siehe bei § 1034 Abs. 2 ZPO Missbrauch – durch Schiedsvereinbarung i. e. S. 216, 221 – durch Schiedsverfahrensvereinbarung 216, 222 Missbrauchsverbot – Ausbeutungsmissbrauch siehe dort – Konditionenmissbrauch siehe dort ModG 46, 83, 103, 110 Ordre-Public 173, 224, 293, 338, 344 Pechstein 25 – LG München I 25 – OLG München 22, 29 – BGH 30 Privatautonomie 49, 75, 85, 118, 124, 126, 130, 139, 142, 146, 202, 222, 339 Qualitativer Konditionenmissbrauch siehe Konditionenmissbrauch Quantitativer Konditionenmissbrauch siehe Konditionenmissbrauch Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung 77, 115, 229, 318, 333, 340 – Einfluss auf die materielle Wirksamkeitskontrolle 77, 340 Richtigkeitsgewähr 148, 213

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Sachwortverzeichnis

Schiedsfähigkeit – kartellrechtlicher Streitigkeiten 22, 89, 165 – Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen in Kartellsachen siehe dort Schiedsrichterliste siehe bei § 1034 Abs. 2 ZPO Schiedsspruch – Anwendbares Recht zur Einordnung 288 Schiedsvereinbarung – als akzessorische Klausel 99 – als Verzicht auf Justizgewährungsanspruch siehe bei Justizgewährungsanspruch – Justizgewährungsanspruch siehe dort – Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung siehe dort – Unabhängigkeit siehe dort Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz (SchiedsVfG) 21, 37, 43, 44, 46, 53, 60, 67, 74, 339 Schiedsverfahrensvereinbarung siehe Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung Strukturelles Ungleichgewicht siehe Übergewicht/Ungleichgewicht Trennung zwischen Schiedsvereinbarung i. e. S. und Schiedsverfahrensvereinbarung 67, 339 – Bedeutung der Trennung für die Wirksamkeitskontrolle 71, 219, 226, 227, 340 – Bedeutung für das Verhältnis von nationalem Verfahrensrecht zu Europakartellrecht 336 – Bedeutung für das Verhältnis zwischen § 1034 Abs. 2 ZPO und Art. 102 AEUV 336

Übergewicht/Ungleichgewicht – bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts siehe bei § 1034 Abs. 2 ZPO – Schutz durch Rechtsordnung 146, 155 – strukturelles 39, 44, 120, 122, 139, 140, 152, 153, 227, 242 Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung 80, 82, 340 – anwendbares Recht 91 – Auf Ebene des europäischen Rechts 113 – Bedeutung für Wirksamkeitskontrolle 93, 100, 102, 111, 157, 161, 175, 218, 229, 340 – Fehleridentität 87 – keine absolute 90 Unabhängigkeit des Schiedsgerichts 233 – individuelle 281 – strukturelle 42, 135, 233, 247, 281, 285, 310, 324, 343 Ungleichgewicht 38, 39, 44, 46, 124 – ausnutzen 38 – strukturelles 152 UNÜ 93, 224, 287 VBL-Gegenwert I/II (BGH) 191, 192, 197, 198, 200 Verbraucher 119, 136, 179, 210, 311 Vereins-/Verbands(schieds)gericht siehe bei echtes Schiedsgericht Verhältnis 295, 344 – § 1034 Abs. 2 ZPO zu § 19 GWB 295, 313, 344 – § 1034 Abs. 2 ZPO zu § 138 BGB 295, 301, 344 – § 1034 Abs. 2 ZPO zu § 307 BGB 295, 307, 344 – § 1034 Abs. 2 ZPO zu Art. 102 AEUV 295, 330, 344 – Europäisches Kartellrecht zu nationalem Schiedsverfahrensrecht 331, 337, 344 – Methodische Überlegungen 297 Vertikalverhältnis 176, 177, 211

Sachwortverzeichnis Vertragsfreiheit 117, 124, 138, 146, 320, 328 – sachliche Interdependenz mit Wettbewerbsfreiheit 208 Vertragsparität 124, 153 Vollmachtsmangel 94 Vollstreckbarerklärungssituation 287 Vorrang des Kartellrechts vor Schiedsverfahrensrecht 317 Willensmängel 87 Wirksamkeitskontrolle

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– Abschluss- vs. Inhaltskontrolle 117, 119, 132, 159, 341 – Altes Schiedsverfahrensrecht 37 Zessionsfall – Übergang der Schiedsvereinbarung 96 Zulässigkeit – von Gerichtsstands-/Schiedsvereinbarungen in Kartellsachen siehe Ausschließliche Zwang 33, 46, 120, 133, 138, 229, 251, 341 – Abschlusszwang 304, 341