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German Pages 328 Year 2017
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 106
Schiedsbindung von Organmitgliedern Entstehung und Reichweite von Schiedsanordnungen und Schiedsvereinbarungen in GmbH, AG und SE
Von
Maximilian Schlüter
Duncker & Humblot · Berlin
MAXIMILIAN SCHLÜTER
Schiedsbindung von Organmitgliedern
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 106
Schiedsbindung von Organmitgliedern Entstehung und Reichweite von Schiedsanordnungen und Schiedsvereinbarungen in GmbH, AG und SE
Von
Maximilian Schlüter
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahre 2016 als Dissertation angenommen.
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Meinen Großeltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im August 2016 von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen. An ihrem Anfang stand die Frage, ob Organhaftungsansprüche vor Schiedsgerichten durchgesetzt werden können. Bei der Recherche erkannte ich jedoch rasch, dass diese Frage nur ein Ausschnitt eines größeren Themenkomplexes ist: Wann kann ein Organmitglied überhaupt Partei eines Schiedsverfahrens gegen seine Gesellschaft sein? Die Literatur zu gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten vor Schiedsgerichten ist gerade im Hinblick auf die Beschlussmängelstreitigkeiten ausladend, setzt sich aber in vielerlei Hinsicht nur mit dem Verhältnis von Gesellschaftern zu ihrer Gesellschaft auseinander. Diese Arbeit soll die Lücke schließen, die durch die Vernachlässigung der Organmitglieder entstanden ist. Mein Dank gilt insbesondere meiner Betreuerin Prof. Dr. Jessica Schmidt, LL.M. (Nottingham). Sie hat für mich die idealen Umstände geschaffen, um meine Dissertation zügig und gewissenhaft bearbeiten zu können, und hat nach der Abgabe der Arbeit das Erstgutachten in Rekordzeit angefertigt. Meinem Zweitgutachter, Prof. Dr. Karl-Georg Loritz, danke ich für die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Ihnen beiden und Prof. Dr. André Meyer danke ich außerdem für eine sehr angenehme mündliche Prüfung. Besonderen Dank verdient auch Dr. Michael Müller, LL.M. (Austin), der mir mit seiner jederzeitigen Gesprächsbereitschaft und seinem brillanten Verständnis zur Seite stand. Ebenso bedanke ich mich bei meinen Kollegen am Lehrstuhl, allen voran Frank Buchhöcker, LL.M. (Stellenbosch), die für ein stets heiteres Arbeitsklima gesorgt haben. Weiterhin möchte ich Kristina Gütte, Christian Fleischmann und Max Blüher dafür danken, dass sie mir regelmäßig bei einem Kaffee dabei geholfen haben, mit Motivation in den Tag zu starten. Bei Kristina, sowie bei Gregor Opfermann, bedanke ich mich überdies für die sorgfältige Korrektur meiner Arbeit. Bei meinen Eltern bedanke ich mich dafür, dass sie mir den Weg geebnet haben, und bei Ute Kristen dafür, dass sie ihn mit mir gegangen ist. Größten Dank verdienen meine Großeltern für den unschätzbaren Beistand und die Hilfe, die sie mir mein Leben lang haben zukommen lassen. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. New York City, im April 2017
Maximilian Schlüter
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Begriff der Schiedsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 III. Sonstige Begriffe und Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Schiedsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Societas Europae (SE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3. Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 IV. Verlauf der Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Vor- und Nachteile von Schiedsverfahren bei Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Verfahrensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 III. Kompetenz der Schiedsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 IV. Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 V. Verfahrensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 VI. Keine Präzedenzwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 VII. Befriedungseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 VIII. Unparteilichkeit des Schiedsrichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 IX. Unvorhersehbarkeit von Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 X. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 XI. Ungeeignetheit für den einstweiligen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 XII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften und deren Schiedsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Objektive Schiedsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Gesetzgeberische Entwicklung der Schiedsfähigkeit im deutschen Recht 36 2. Schiedsfähigkeit nach § 1030 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 a) Vermögensrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Nicht-vermögensrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 c) Verhältnis zwischen Schiedsfähigkeit und Schiedsgrundlage . . . . . . . . . 39 II. Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Organschaftliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Grundsätzliche Erwägungen zur Schiedsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
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Inhaltsverzeichnis b) Streitigkeiten in einer GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 aa) Organschaftliche Erstattungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 bb) „Entlastungsklage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 cc) Beschlussmängelstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 (1) Klagebefugnis der Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 (a) Anfechtungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 (aa) Ansicht 1: Keine Klagebefugnis von Organmitgliedern 44 (bb) Ansicht 2: Klagebefugnis von Organmitgliedern gem. § 245 Nr. 4, 5 AktG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (cc) Ansicht 3: Klagebefugnis nur nach § 245 Nr. 5 AktG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (dd) Ansicht 4: Klagebefugnis bei allen ausführungsbedürftigen Beschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 (ee) Ansicht 5: Klagebefugnis bei allen ausführungsbedürftigen Beschlüssen, die nicht gegen Minderheitenrechte verstoßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (ff) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (b) Nichtigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (c) Beschlussfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (2) „Schiedsfähigkeit“ von Gesellschafterbeschlüssen einer GmbH 54 (a) Frühe Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (b) „Schiedsfähigkeit I“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (c) „Schiedsfähigkeit II“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (d) Bewertung der vom BGH entwickelten Voraussetzungen . . . 58 (aa) Wirkungserstreckung der Schiedsgrundlage . . . . . . . . . . 59 (bb) Beteiligungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (cc) Besetzung des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (dd) Konzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (e) Organmitglieder als Partei? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 (aa) Funktion der Rechtskraft gem. §§ 248 Abs. 1 S. 1, 249 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (a) Nichtigkeitsklage, §§ 248, 249 AktG . . . . . . . . . . . . 69 (b) Anfechtungsklage, § 248 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . 71 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (bb) Probleme bei fehlender Schiedsbindung . . . . . . . . . . . . 72 (a) Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruches auf die Organmitglieder? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (b) Keine Erstreckung der Schiedsgrundlage auf das Organmitglied als Problem der Verfahrenskonzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
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(c) Vertretung der Gesellschaft bei Schiedsklage und Parallelklage durch Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . 73 (cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 dd) Klage eines Geschäftsführers gegen die Abberufung . . . . . . . . . . . . 77 ee) Klagen mit Beteiligung von Mitgliedern des fakultativen oder obligatorischen Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 c) Streitigkeiten in einer AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 aa) Organschaftliche Erstattungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (1) Organhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (2) Ansprüche aus dem Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 bb) „Entlastungsklage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 cc) Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch des Aufsichtsrates . . 80 dd) Informationsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (1) § 90 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (a) Aktiv- und Passivlegitimation bei § 90 AktG . . . . . . . . . . . . 81 (aa) § 90 Abs. 3 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (bb) § 90 Abs. 3 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (cc) § 90 Abs. 5 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (b) Schiedsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (2) § 125 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (3) § 170 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 ee) Gesellschaftsrechtliche „Organklage?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 ff) Fehlerhaftigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . 89 (1) Übertragbarkeit der modifizierten Voraussetzungen des BGH . . 89 (2) § 23 Abs. 5 AktG als Hindernis für die Schiedsfähigkeit . . . . . . 89 (3) Schiedsgrundlage nach den modifizierten Voraussetzungen in der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (a) Wirkungserstreckung der Schiedsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . 90 (b) Beteiligungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (c) Besetzung des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (d) Konzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 gg) Fehlerhaftigkeit von Organbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (1) Fehlerhaftigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . 93 (2) Fehlerhaftigkeit von Vorstandsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (3) Schiedsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 hh) Abberufung von Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (1) Feststellungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
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Inhaltsverzeichnis (2) Gestaltungsklage, § 84 Abs. 3 S. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 ii) Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 d) Streitigkeiten in einer SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Dualistische SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (1) Organschaftliche Erstattungsansprüche/„Entlastungsklage“ . . . . 104 (2) Vergütungs- und Auslagenersatzanspruch des Aufsichtsorgans 105 (3) Informationsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (4) Fehlerhaftigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen . . . . . . . . . 107 (5) Fehlerhaftigkeit von Organbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (6) Abberufung von Organmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 bb) Monistische SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (1) Organschaftliche Erstattungsansprüche/„Entlastungsklage“ . . . . 108 (2) Vergütungs- und Auslagenersatzanspruch des Verwaltungsrats
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(3) Informationsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (4) Fehlerhaftigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen . . . . . . . . . 109 (5) Fehlerhaftigkeit von Organbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (6) Abberufung von Verwaltungsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (7) Abberufung von geschäftsführenden Direktoren . . . . . . . . . . . . . 111 e) Resümee und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Anstellungsvertragliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Verträge mit Organmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Allgemeines Hindernis der Schiedsfähigkeit nach § 101 Abs. 3 ArbGG 115 aa) Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Organmitglieder als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 cc) Unionsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 dd) Reichweite des § 101 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 2 Abs. 1 ArbGG . . . . . . . 119 ee) Erzwingung der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts . . . . . . . . . . . . . . 121 (1) Sic-non-Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (2) Aut-aut-Fälle und et-et-Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 d) Resümee, Zwischenergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Sonstige Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 D. Statutarische Schiedsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Abgrenzung zwischen echtem Schiedsgericht und „Schiedsgericht“ als Gesellschaftsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
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b) Kritik an den herkömmlichen Begründungsansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . 131 c) Zivilprozessrechtliche Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 aa) Regelungsfälle des § 1029 ZPO und des § 1066 ZPO . . . . . . . . . . . . 133 bb) Subsumtion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 3. Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Grundlage: Satzungsautonomie und echte Satzungsbestimmungen . . . . . 141 b) Verfassungsmäßige Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Art. 92 GG – Staatliche Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb) Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG – Grundrecht auf den gesetzlichen Richter 143 cc) Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG – allgemeiner Justizgewährungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (1) Herleitung und Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (2) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (a) Eingriff durch den Gesetzgeber durch § 1066 ZPO . . . . . . . . 146 (b) Eingriff durch die anordnende Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (c) Eingriff durch das „materielle Recht“/mittelbare Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (aa) Eingriff bei ausdrücklich freiwilligen Schiedsanordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (bb) Eingriff bei Schiedsanordnungen, die an das Bestehen der Gesellschafter- oder Organstellung anknüpfen und mit Beendigung enden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (cc) Eingriff von Schiedsanordnungen ohne Lösungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (3) Verfassungsmäßige Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (a) Reichweite des Art. 9 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (b) Verhältnismäßiger Ausgleich bei Wirkung für Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (aa) Gesellschaftsinterne Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (bb) Schuldrechtliche oder sonstige Streitigkeiten . . . . . . . . 157 (cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (c) Besonderheit bei Einpersonen-Gesellschaft mit Fremdgeschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 dd) Zwischenergebnis zu den verfassungsmäßigen Vorgaben . . . . . . . . . 160 c) Mehrheitserfordernisse bei Einführung einer statutarischen Schiedsklausel für Organmitglieder durch Satzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 aa) Qualifizierter Mehrheitsbeschluss oder Zustimmung aller Mitglieder bei statutarischer Schiedsklausel für Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . 162 (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (a) Stimmerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
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Inhaltsverzeichnis (b) Rechtsfolge bei Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 bb) Exkurs: Umdeutung einer unwirksamen statutarischen Schiedsklausel durch Mehrheitsbeschluss in eine Schiedsvereinbarung nach § 1029 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 cc) Durchschlagen der Unwirksamkeit der gesellschafterbindenden Schiedsklausel auf die organmitgliederbindende Schiedsklausel . . . 169 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 d) Zustimmung des Organmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 aa) Abgrenzung zum Verzicht durch Annahme des Amtes . . . . . . . . . . . 172 bb) Rechtsnatur der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 cc) Verbandsrechtliche Zulässigkeit eines Zustimmungserfordernisses
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dd) Verlust des Charakters als Schiedsanordnung durch Zustimmung? 175 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 e) Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Statutarische Schiedsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Annahme der Bestellung bei Bestehen einer statutarischen Schiedsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 cc) Zustimmung des Organmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4. Personale Reichweite: Bindung von Organmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . 180 5. Zeitraum der Schiedsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Satzungsänderung ohne Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Satzungsänderung mit Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 c) Schiedsklausel bei Annahme der Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 6. Resümee und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 II. Besonderheiten bei der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Statutarische Schiedsklausel ohne Zustimmung des Organmitglieds . . . . . . 185 a) Organschaftliche Erstattungsansprüche/„Entlastungsklage“ . . . . . . . . . . 186 b) Beschlussmängelstreitigkeiten in einer GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 aa) § 245 Nr. 4 AktG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) § 245 Nr. 5 AktG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 cc) § 249 Abs. 1 S. 1 AktG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 dd) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 c) Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen des obligatorischen und fakultativen Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 d) Abberufung des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 e) Abberufung des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 f) Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche des Aufsichtsrates . . . . . 194 g) Informationsansprüche des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
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h) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Statutarische Schiedsklausel mit Zustimmung des Organmitglieds . . . . . . . 198 a) Grundsätzliche Erwägungen zur Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Ausnahme bei der GmbH: § 64 GmbHG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 c) Einschub: Statutarische Schiedsklausel als unechte Satzungsbestimmung 200 III. Besonderheiten bei der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Satzungsstrenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Übersicht über den Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 c) Zwingende Regelungen zur prozessualen Geltendmachung gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 aa) Hauptversammlungsbeschlüsse und Organbeschlüsse . . . . . . . . . . . . 205 bb) Abberufung eines Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 cc) Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 dd) Organschaftliche Ersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (1) § 147 AktG als Spezialvorschrift? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (2) § 148 AktG als Spezialvorschrift? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (a) Variante 1: Klageverfahren durch Aktionär . . . . . . . . . . . . . . 209 (b) Variante 2: „Beiladungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (c) Variante 3: Verfahrensübernahme durch die AG . . . . . . . . . . 213 (d) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (3) § 93 Abs. 5 S. 1 AktG als Spezialvorschrift? . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 ee) „Entlastungsklage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 ff) Vergütungs- und Auslagenerstattungsansprüche der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 gg) Informationsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 hh) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 d) Fehlerfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2. Sachliche Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 IV. Besonderheiten bei der SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 1. Satzungsstrenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 a) Art. 9 Abs. 1 lit. b SE-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 b) Art. 9 Abs. 1 lit. c iii SE-VO i.V.m. § 23 Abs. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 220 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2. Sachliche Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 V. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Statutarische Schiedsklausel in der GmbH-Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. Statutarische Schiedsklausel in AG- und SE-Satzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 223
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Inhaltsverzeichnis 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
E. Vertragliche Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 I. Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied 230 1. Zustandekommen einer Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a) Abschlusskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen und Hindernisse . . . . . . . . . . 232 aa) Schiedsvereinbarung mit Geschäftsleitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (1) Formvoraussetzung: § 1031 Abs. 5 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (a) Verbraucherbegriff des § 1031 Abs. 5 ZPO . . . . . . . . . . . . . . 234 (b) Geschäftsleiter als Verbraucher i.S.d. § 1031 Abs. 5 ZPO i.V.m. § 13 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (aa) Anstellungsvertragliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . 237 (bb) Organschaftliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (cc) Teleologische Reduktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (2) Klausel-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (3) Nationales AGB-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (a) § 305 Abs. 1 BGB und § 310 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 246 (b) Bereichsausnahme, § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB . . . . . . . . . 249 (c) Wertungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (4) Allgemeine Nichtigkeitsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 bb) Schiedsvereinbarungen mit Aufsichtsorganmitgliedern . . . . . . . . . . . 257 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 2. Personale und sachliche Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b) Besonderheiten bei der GmbH: Ausnahme bei § 64 GmbHG? . . . . . . . . 261 c) Besonderheiten bei der AG und SE: Durchschlagen der Wirkung satzungsrechtlicher Wertungen auf die Schiedsvereinbarung? . . . . . . . . . . . 262 aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 bb) Schiedsvereinbarung über organschaftliche Ersatzansprüche und § 148 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 cc) Erstreckung auf § 93 Abs. 5 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 dd) Schiedsvereinbarung über Abberufung von Aufsichtsorganmitgliedern aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
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III. Mehrparteienschiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Abschluss mehrseitiger Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 a) Entwicklung der Grundsätze am Beispiel der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . 270 aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 bb) Zurechnung zur GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 cc) Formerfordernis – Anwendbarkeit des § 1031 ZPO . . . . . . . . . . . . . 277 b) Übertragung auf AG und SE – § 181 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 c) Praktischer Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 2. Erfasste Streitigkeiten und inhaltliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 3. Wechsel im Personalbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 a) Änderung im Gesellschafterbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 aa) GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 bb) AG und SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 b) Änderung auf Organebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 c) Umsetzung: Vertragsbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 IV. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 1. Zweipersonenschiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Mehrpersonenschiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 F. Gesamtauswertung und Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 I. Schiedsbindung von Organmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 1. GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 2. AG und SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 II. Zur Vorzugswürdigkeit des Schiedsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 III. Freiwilligkeit als Legitimation für das Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 IV. Definition der Schiedsanordnung, § 1066 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 V. Statutarische Schiedsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 VI. Voraussetzungen und Grenzen von Zweipersonenschiedsvereinbarungen . . . . 298 VII. Mehrparteienschiedsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 299 VIII. Organschaftliche Erstattungsansprüche und „Entlastungsklage“ . . . . . . . . . . . 300 IX. Streitigkeiten über Beschlüsse von Gesellschafter- und Hauptversammlungen 300 X. Andere Organbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 XI. Abberufung von Organmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 XII. Informationsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 XIII. Anstellungsvertragliche Streitigkeiten und Arbeitsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . 303 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
A. Einleitung I. Problemaufriss Organhaftung, Beschlussmängelstreitigkeiten, Abberufung, Informationsherausgabe, Vergütung und Kündigung. Das Verhältnis zwischen einer Gesellschaft und den für sie handelnden Personen bietet eine Menge Sprengstoff für juristische Konflikte. Konflikte, die für das Image einer Gesellschaft nicht unbedingt förderlich sind. Gerichtliche und damit sehr öffentliche Verfahren zu führen, kann der Gesellschaft daher einen Schaden zufügen, den es besser zu vermeiden gilt. Auch einem Geschäftsführer kann es nicht lieb sein, wenn ein von ihm verschuldetes, unternehmerisches Debakel vor den Augen interessierter Zuschauer im Gericht seziert wird. Karrierepläne können auf diese Weise zerstört werden. Das Schiedsverfahren bietet den Parteien die Möglichkeit, dem Rampenlicht zu entgehen. Denn Schiedsverfahren sind vertraulich und haben daher den Ruf, bestens für die Beilegung gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten geeignet zu sein. Doch wann kommt eine Streitigkeit zwischen einem Geschäftsführer, einem Vorstand oder einem Aufsichtsrat und der Gesellschaft, der er angehört(e), vor ein Schiedsgericht? Mit anderen Worten: Wann sind die Organmitglieder und die Gesellschaft schiedsgebunden? Dieser Frage geht die vorliegende Arbeit auf den Grund. Dabei soll erforscht werden, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, damit Schiedsbindung eintritt. Gegenstand der Untersuchung sind die Organmitglieder von GmbH, AG und SE. Die Literatur hat sich in den letzten Jahren vertieft mit einem Teilaspekt dieses Themas auseinandergesetzt, nämlich der Frage, ob und wie Organhaftungsansprüche vor einem Schiedsgericht verhandelt werden können.1 Dieses wissenschaftliche Interesse ist ein logischer Schritt in der Entwicklung, die der BGH im Jahre 1997 mit der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung2 in Gang setzte, in welcher er Aufsichtsräten von Aktiengesellschaften deren lange vernachlässigte Pflicht vorhielt, dem Fehlverhalten der Vorstände auf den Grund zu gehen und gegebenenfalls Schadensersatz einzuklagen. Auch neunzehn Jahre später ist vieles im Bereich der
1 Vgl. J.-H. Bauer/Arnold/Kramer, AG 2014, 677 ff.; Herresthal, ZIP 2014, 345 ff.; Leuering, NJW 2014, 657, 658; Scholz/Weiß, AG 2015, 523 ff.; Umbeck, SchiedsVZ 2009, 143 ff.; Thümmel, FS Geimer (2002), 1331 ff.; ders., FS Schütze (2014), 633 ff.; von Westphalen, ZIP 2013, 2184 ff.; Yuefang, ZJS 2015, 141 ff. 2 BGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926.
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A. Einleitung
Organhaftung noch ungeklärt und Gegenstand ausführlicher Diskussionen3, sodass es nur zu verständlich ist, dass sich mittlerweile auch die Prozessrechtswissenschaft hiermit auseinandersetzt. Auch hierzu soll ein Beitrag geleistet werden. Der Themenbereich dieser Arbeit geht aber weiter. Er umfasst neben den schiedsrechtlichen Aspekten der Organhaftung auch andere Streitigkeiten, an denen Mitglieder von Gesellschaftsorganen teilnehmen können.4 Ein wichtiges Beispiel sind dabei die Beschlussmängelstreitigkeiten. Es ist nun acht Jahre her, dass sich der II. Zivilsenat des BGH mit seiner Grundsatzentscheidung „Schiedsfähigkeit II“5 dazu durchrang, Gesellschaftern für Beschlussmängelstreitigkeiten den Weg vor die privaten Gerichte zu eröffnen. Doch könnte der BGH dabei etwas übersehen haben? Bis dato hat sich der BGH nämlich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich die von ihm entwickelte Rechtsprechung auf die Organmitglieder auswirkt, und auch in der Literatur wird diese Frage kaum besprochen. Diese Arbeit wird sich jedoch damit befassen, ob die Rechtsprechung auch der Situation gerecht wird, in der ein Organmitglied klagt. Daneben sollen aber auch die anderen Streitigkeiten, die zwischen den Gesellschaften und Organmitgliedern bestehen können, analysiert werden. Unter welchen Voraussetzungen können sonstige Organbeschlüsse von Schiedsgerichten überprüft werden? Genügt für die Klage gegen die Abberufung eines Vorstands eine einfache Schiedsvereinbarung? Können die Informationsrechte des Aufsichtsrates sinnvoll vor einem Schiedsgericht durchgesetzt werden? Wie wirken sich die jüngere Rechtsprechung des EuGH zur Arbeitnehmereigenschaft von Geschäftsführern und der zunehmend „arbeitsrechtsfreundliche“ Trend in Entscheidungen des BAG auf die Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten mit Geschäftsführern aus? Neben dem Themenkomplex ob die Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften überhaupt Gegenstand von Schiedsverfahren sein können, ist auch die Wahl nach dem richtigen Rechtsinstrument für die Begründung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts wichtig. Die Rechtsnatur von Schiedsklauseln in den Satzungen juristischer Personen ist seit jeher umstritten. Handelt es sich dabei um eine Schiedsanordnung oder eine Schiedsvereinbarung? Die Einordnung ist relevant für das anwendbare Recht und muss daher analysiert werden. Daneben stellt sich auch eine grundlegende, verfassungsrechtliche Frage: Muss die Schiedsbindung immer Resultat einer freiwilligen Unterwerfung sein oder gibt es im Gesellschaftsrecht Fälle, in denen einem Organmitglied der Weg vor die privaten Gerichte aufgezwungen werden darf? Die verfassungsrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen und prozessualen Voraussetzungen satzungsmäßiger Schiedsklauseln sollen ebenso überprüft werden wie ihre sachliche 3
Zu einer Reihe materielle Probleme vgl. Bachmann, BB 2015, 771 ff.; Faßbender, NZG 2015, 501 ff.; Habersack, NZG 2016, 321 ff.; Reichert ZIP 2016, 1189 ff. 4 Jüngst haben Habersack/Wasserbäch einen Aufsatz mit einer ähnlich weiten Themenstellung – allerdings nur auf die AG bezogen – veröffentlicht, vgl. AG 2016, 2 ff. 5 BGHZ 180, 221 ff.
II. Begriff der Schiedsbindung
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Reichweite. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei auch auf die in AG und SE geltende Satzungsstrenge gelegt. Daneben wird überprüft, welche Anforderungen und Grenzen für eine Schiedsvereinbarung bestehen, die zwischen einem Organmitglied und der Gesellschaft geschlossen werden. Kann es sein, dass sie, wie zum Teil behauptet wird, gegen AGB- oder sogar Europarecht verstößt? Um dies zu klären, muss besonders die konkrete Vertragsschlusssituation begutachtet werden. Ferner widmet sich die Arbeit auch den Mehrparteienschiedsvereinbarungen und geht dabei vor allem der schon lange einer Antwort harrenden Frage auf den Grund, wie solche dogmatisch abgeschlossen werden können – denn die allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre sind eigentlich auf zweiseitige Verträge ausgelegt. Alle diese Fragen und mehr müssen beantwortet werden, um eine Antwort auf die Hauptfrage dieser Arbeit zu geben: Wann und wie sind Organmitglieder schiedsgebunden? Jenseits des Themenspektrums dieser Untersuchung liegen hingegen Schiedsverfahren, die primär zwischen Organmitgliedern und den Gesellschaftern geführt werden, also insbesondere Schadensersatzansprüche, die den Gesellschaftern gegenüber den Organmitgliedern zustehen. Nicht näher erörtert wird ferner die schiedsgerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen Dritter gegen Organmitglieder. Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern werden nur soweit besprochen, wie es für das Verständnis oder die Herleitung von Ergebnissen notwendig ist.
II. Begriff der Schiedsbindung Um die Grundprämisse der Arbeit zu klären, muss zunächst nochmals ein Schritt zurückgegangen werden: Was heißt Schiedsbindung überhaupt? Wenn im Folgenden von einer Schiedsbindung gesprochen wird, ist damit das Rechtsverhältnis gemeint, das sich am besten aus § 1032 Abs. 1 ZPO ergibt. § 1032 Abs. 1 ZPO, der die Einrede der Schiedsvereinbarung regelt, lautet: „Wird vor einem Gericht Klage in einer Angelegenheit erhoben, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, so hat das Gericht die Klage als unzulässig abzuweisen, sofern der Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt, es sei denn, das Gericht stellt fest, dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist.“
§ 1032 Abs. 1 ZPO erlaubt es also dem Beklagten im Gerichtsverfahren, eine – selbst sonst zulässige und begründete – Klage durch Rüge scheitern zu lassen, wenn die Angelegenheit Gegenstand einer Schiedsvereinbarung6 ist. Zwischen den Parteien besteht also eine prozessuale Rechtsbeziehung, welche die staatliche Gerichtsbarkeit ausschließt. Diese Rechtsbeziehung besteht jedoch nicht abstrakt 6
Oder Schiedsanordnung, dann i.V.m. § 1066 ZPO.
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A. Einleitung
zwischen den Parteien, sondern ist in ihrer Wirkung auf bestimmte Angelegenheiten begrenzt, die eben Gegenstand der Schiedsvereinbarung sind. Für diese Angelegenheiten ist der gerichtliche Rechtsweg ausgeschlossen und an seine Stelle tritt die Schiedsgerichtsbarkeit, welche über die Rechtsstreitigkeit endgültig entscheiden muss. Diese Rechtsbeziehung ist die Schiedsbindung. Wenn im Folgenden von einer Schiedsbindung gesprochen wird, heißt dies: Die Rechtsbeziehung zwischen mindestens zwei Personen, durch welche die Zuständigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit, über eine bestimmte Streitigkeit zwischen den Personen zu entscheiden, ausgeschlossen ist, und stattdessen die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts begründet wird.
Diese Schiedsbindung hat abstrakt gesprochen drei Voraussetzungen: Zunächst bedarf es einer Schiedsvereinbarung gem. § 1029 ZPO oder einer Schiedsanordnung im Sinne des § 1066 ZPO (sog. Schiedsgrundlage). Sie hat die Wirkung, dass für bestimmte oder alle Streitigkeiten zwischen den Parteien oder den Adressaten die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts begründet wird. Ohne sie kommt es nicht zur Schiedsbindung. Zweitens müssen die Personen von der Schiedsvereinbarung oder -anordnung erfasst sein. Da allerdings nicht jede Streitigkeit Gegenstand eines schiedsgerichtlichen Verfahrens sein kann, ist die dritte Voraussetzung, dass die konkrete Streitigkeit schiedsfähig im Sinne des § 1030 ZPO ist.
III. Sonstige Begriffe und Prämissen 1. Schiedsgrundlage Im Folgenden wird der Begriff Schiedsgrundlage zusammenfassend für alle Formen der Schiedsvereinbarung (§ 1029 ZPO) und die Schiedsanordnung (§ 1066 ZPO) verwendet. Die Begriffe „Schiedsvereinbarung“, „Schiedsabrede“ oder „Schiedsklauseln“ taugen nicht als verallgemeinernde Begriffe für die privatrechtlichen Rechtsakte, auf deren Basis die Zuständigkeit von Schiedsgerichten begründet werden kann. Sie sind allesamt durch § 1029 ZPO definierte Rechtsbegriffe, welche die Schiedsanordnung nach § 1066 ZPO gar nicht erfassen. „Schiedsgrundlage“ ist ein durch das Gesetz nicht definierter Begriff, der besser zu Verallgemeinerung geeignet ist. 2. Societas Europae (SE) Wenn im Folgenden von einer SE die Rede ist, ist damit eine „deutsche“ SE gemeint, die also ihren Sitz gem. Art. 7 S. 1 SE-VO in Deutschland hat und auf die daher neben der SE-VO gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c i, iii SE-VO auch das deutsche SEEG und das SEAG sowie das nationale Aktienrecht anwendbar sind7. 7
Vgl. ausführlich J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 69 ff.
IV. Verlauf der Bearbeitung
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3. Organmitglieder Organmitglieder sind von den Organen selbst zu trennen.8 Das Organ ist ein durch die Organisation begründeter Zuständigkeitskomplex9, während Organmitglieder die natürlichen Personen sind, die dieses Organ besetzen und seine Aufgaben in tatsächlicher Hinsicht wahrnehmen10. Das Organ ist nicht mit dem Organmitglied identisch, viel mehr besteht es auch dann, wenn überhaupt kein Organmitglied berufen ist.11 Mithin sind die Organmitglieder die mit der Gesellschaft auf Grund eines körperschaftlichen Rechtsverhältnisses12 verbundenen Personen, die gemeinschaftlich die Aufgaben, die den Organen als Komplex zugeordnet sind, ausführen. Auch die Gesellschafter von Kapitalgesellschaften sind als Beteiligte an der Gesellschafts-, bzw. Hauptversammlung als „geborene“ Organmitglieder einzuordnen.13 Gegenstand dieser Arbeit sollen aber nicht die Gesellschafter sein, sondern die klassischerweise als solche bezeichneten, „gekorenen“14 Organmitglieder der Leitungs- und Aufsichtsorgane. Wird im vorliegenden das Wort Organmitglieder verwendet, dann meint dies Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder, Leitungsorganmitglieder, Aufsichtsorganmitglieder, Verwaltungsorganmitglieder und geschäftsführende Direktoren15. Bei der Bearbeitung wird ein Schwerpunkt auf Fremdorganmitglieder gelegt. Soweit nicht ausdrücklich etwas Anderes erklärt wird, gelten die folgenden Ausführungen für Organmitglieder, die nicht zugleich Gesellschafter sind.
IV. Verlauf der Bearbeitung Zunächst stellt die Arbeit dar, was für und gegen die Wahl des Schiedsverfahrens zur Beilegung gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten spricht (B.). Danach werden die Streitigkeiten, die zwischen einer Gesellschaft und ihren Organmitgliedern sowohl in organschaftlicher als auch anstellungsvertraglicher Art entstehen können, auf ihre Schiedsfähigkeit überprüft (C.). Danach sollen die Schiedsgrundlagen erörtert 8
Grundlegend Wolff, Organschaft, Bd. 2, 224 ff.; vgl. auch Fleischer, NJW 2006, 3239, 3243; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 1 a); Schürnbrand, Organschaft, 41. 9 Wolff, Organschaft, Bd. 2, 236; Schürnbrand, Organschaft, 43; vgl. auch Fleischer, NJW 2006, 3239, 3243. 10 Wolff, Organschaft, Bd. 2, 235; Fleischer, NJW 2006, 3239, 3243; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 1 b); Schürnbrand, Organschaft, 42. 11 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 1 a); Schürnbrand, Organschaft, 44. 12 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 2 a). 13 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 1 b). 14 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 1 b). 15 Zur Organqualität geschäftsführender Direktoren vgl. ausführlich M. Bauer, Organstellung und Organvergütung, 49 ff.; Mauch, Das Monistische Leitungssystem, 59 ff.; Seitz, Geschäftsführer einer monistischen Societas Europae, 145 ff.
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A. Einleitung
werden, die zur Begründung der Schiedsbindung in Frage kommen. Als erstes werden die Voraussetzungen für die Einführung statutarischer, also satzungsmäßiger Schiedsklauseln überprüft und bestimmt, welche Streitigkeiten von ihnen erfasst werden können (D.). Im Anschluss wird das Gleiche für Zweipersonen- und Mehrpersonenschiedsvereinbarungen vorgenommen (E). Hier wird mit der Satzungsklausel zwar die Ausnahme vor die Regel (Schiedsvereinbarung) gestellt, anhand von Satzungsklauseln können aber die gesellschaftsrechtlichen Wertungen besser dargestellt werden, die auch bei der Schiedsvereinbarung eine Rolle spielen. Im Anschluss werden die Erkenntnisse ausgewertet und zusammengefasst (F.) Bei einer Arbeit wie dieser, die einen Querschnitt sowohl durch das Schiedsverfahrensrecht, als auch durch die Organisationsverfassung von Kapitalgesellschaften darstellt, sind sachliche Wiederholungen nicht zu vermeiden. Bestimmte Themen werden an unterschiedlichen Stellen relevant. Diese Arbeit ist bemüht, alle Sachfragen in ihrem nächsten Sachzusammenhang zu klären. Das ist nicht notwendigerweise dort, wo sie zum ersten Mal auftreten. Daher wird in den Fußnoten umfassend auf vorherige und spätere Stellen im Text verwiesen. Für das Verständnis ist es allerdings nicht notwendig, den Verweisen auf spätere Stellen zu folgen.
B. Vor- und Nachteile von Schiedsverfahren bei Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaft Die Literatur zu den Vor- und Nachteilen der Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber den ordentlichen Gerichten ist umfangreich1, wobei die tendenziell positiven Stimmen2 die negativen Stimmen3 zahlenmäßig überwiegen. Die beschriebenen Vorund Nachteile werden in der Regel aber im Hinblick auf die internationale Schiedsgerichtsbarkeit, vornehmlich also bezogen auf Streitigkeiten zwischen Unternehmen4 oder auf bestimmte Rechtsgebiete5 herausgearbeitet. Das soll nicht heißen, dass nicht auch im Bereich des Gesellschaftsrechts gerne die Vorzugswürdigkeit von Schiedsverfahren hervorgehoben wird,6 insbesondere für Fälle der Organhaftung.7 Inwieweit diese fast einhellige Bevorzugung der Schiedsgerichtsbarkeit gerechtfertigt ist, muss jedoch gerade für Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften überprüft werden. Dabei lässt sich feststellen, dass sich so mancher gemeinhin als Vorteil bezeichnete Aspekt des Schiedsverfahrens bei genauer Betrachtung als Nachteil entpuppt. Überdies können unterschiedliche Aspekte je nach Situation unterschiedliche Folgen haben, sodass eine vorherige Einteilung in Vor- und Nachteile arbiträr anmutet. Viel mehr kommt es 1 Vgl. etwa Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, vor § 1025 ZPO Rn. 7; sehr ausführlich Ebbing, Private Zivilgerichte, 57 ff.; MüKoZPO/Münch, vor § 1025 ZPO Rn. 64 ff.; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 119 ff.; Lionett/Lionett, Schiedsgerichtspraxis, 75 ff.; Schütze, Schiedsgericht Rn. 29 ff.; Schwab/Walter, Kap. 1 Rn. 8 ff.; Torggler/Kutschera, 37 ff. 2 Vgl. exemplarisch Böckstiegel, DRiZ 1996, 267 ff.; Freymann/Weth, FS E. Müller (2008), 147, 154 ff.; Jagenburg, FS Oppenhoff (1985), 147 ff.; Lachmann, AnwBl. 1999, 241 ff.; Schütze, Effektivität (2006), 171 ff.; Stumpf, FS Bülow (1981), 217 ff. 3 Vgl. Garbe-Emden, BauR 2012, 1035; von Westphalen, ZIP 1986, 1159. 4 Vgl. Sandrock, WM 1994 405 ff. u. 445 ff. für internationale Kreditgeschäfte; Schroeder, lex mercatoria arbitralis, 23 ff.; Stumpf/Steinberger, RIW 1990, 174 ff. 5 Vgl. exemplarisch Bietz, NZBau 2003, 177 für Baustreitigkeiten; Harder, Schiedsverfahren im Erbrecht, 17 ff.; Ochmann, GRUR 1993, 255 ff. für den gewerblichen Rechtsschutz. 6 Vgl. etwa Heskamp, RNotZ 2012, 415, 415 f.; Kalss, JurBl. 2015, 205, 206 ff.; Westermann, FS R. Fischer (1979), 853, 856 ff.; Zilles, Schiedsgerichtsbarkeit im Gesellschaftsrecht, 3 ff. 7 J.-H. Bauer/Arnold/Kramer, AG 2014, 683 f.; Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2 ff.; Herresthal, ZIP 2014, 345; Leuering, NJW 2014, 657 ff.; Thümmel, FS Geimer (2002), 1331 ff.; ders., FS Schütze (2014), 633, 634 f.; insgesamt ablehnend von Westphalen, ZIP 2013, 2184 ff.
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B. Vor- und Nachteile von Schiedsverfahren
darauf an, die wichtigsten Unterschiede zu nennen und ihre möglichen Folgen auszuwerten.
I. Vertraulichkeit Ein nahezu einhellig als Vorteil anerkannter Aspekt der Schiedsgerichtsbarkeit ist ihre Vertraulichkeit. Staatliche Gerichte verhandeln grundsätzlich öffentlich (§ 169 S. 1 GVG), während für Schiedsgerichte der Grundsatz der „Parteiöffentlichkeit“8 gilt, also nur die am Verfahren beteiligten Parteien vollen Zugang haben.9 Dies ist auch und gerade für gesellschaftsinterne Streitigkeiten von großer Bedeutung. Bereits die Tatsache, dass hausintern gestritten wird, kann für eine Gesellschaft mit Reputationsschäden verbunden sein. Wenn darüber hinaus noch die Materie des Streites an die Öffentlichkeit gerät, besteht etwa die Gefahr der Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen. Das kann erhebliche wirtschaftliche Schäden für Unternehmen mit sich bringen, die durch die Vertraulichkeit vermieden werden können. Und wenn darüber hinaus noch Umstände ans Licht gebracht werden, die anderen die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Gesellschaft oder des Organmitglieds geben – beispielsweise bei Kartellrechtsverstößen –, dann wird der Wunsch nach Vertraulichkeit umso nachvollziehbarer.10 Auch von Seiten des Organmitgliedes ist die Vertraulichkeit regelmäßig als Vorteil anzusehen. Gerade bei Streitigkeiten über die Aufhebung der Organstellung oder über Fälle der Organhaftung ist es auch im Interesse des Organmitgliedes, die Gründe möglichst geheim zu halten. Zum Teil wird vorgebracht, dass die mangelnde Öffentlichkeit das Finden der Rechtswahrheit beeinträchtigt, da keine am Verfahren interessierten Dritten oder die Medien die Rechtsfindung des Schiedsgerichts überwachen können.11 Allein die Möglichkeit der Öffentlichkeitskontrolle entfalte aber bereits eine disziplinierende Wirkung auf staatliche Gerichte.12 Diese Behauptung lässt sich ebenso wenig sinnvoll entkräften wie die gegenteilige Behauptung, dass die vom Druck der Erwartungen der Öffentlichkeit befreiten Schiedsrichter sich besser auf die Rechtsfindung konzentrieren können.13 Beides kann im Einzelfall zutreffen oder eben nicht. Maßgeblich für die Relevanz beider Fälle ist das Bestehen eines öffentlichen Interesses, welches von Fall zu Fall unterschiedlich ist. Einzig wenn sich die Strei8
Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 144. Näheres zur Parteiöffentlichkeit und der Geheimhaltung siehe Geiben, Privatsphäre und Vertraulichkeit, passim; Kahlert, Vertraulichkeit, 138 ff.; Lionett/Lionett, Schiedsgerichtspraxis, 453 ff. 10 Vgl. Leuering, NJW 2014, 657, 658; von Westphalen, ZIP 2013, 2184, 2187. 11 Ebbing, Private Schiedsgerichtsbarkeit, 75. 12 Ebbing, Private Schiedsgerichtsbarkeit, 75. 13 Vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 143. 9
III. Kompetenz der Schiedsrichter
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tigkeiten im Zusammenhang mit AGs oder SEs ergeben, kann von einem erhöhten Interesse der Aktionäre ausgegangen werden. Ob in diesen Fällen die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens aber nun der Rechtsfindung beiträgt oder nicht, hängt viel zu sehr von der Erwartungshaltung der interessierten Öffentlichkeit ab, als dass eine endgültige Aussage darüber getroffen werden könnte. Allerdings ist die Vertraulichkeit auch im Schiedsverfahren und gerade für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten begrenzt. Zunächst kann schon aus praktischen Gründen ein Schiedsverfahren ab einer gewissen Größe kaum noch geheim gehalten werden.14 Außerdem sind Kapitalgesellschaften bestimmten Offenbarungspflichten unterworfen, die eine Geheimhaltung teilweise schwierig machen können: Gesellschaften, die einen Lagebericht nach § 289 HGB erstatten, müssen unter Umständen auch interne Klagen offenlegen, Inlandsemittenten können zur Ad-hoc-Publizität verpflichtet sein (Art.17 MAR15; bis 2. 7. 2016: § 15 WpHG)16 und auch bei Prospekten sind Angaben zu Schiedsverfahren zu machen.17
II. Verfahrensgestaltung § 1042 Abs. 3 ZPO ermöglicht den Parteien eine weitgehend freie Gestaltung des Schiedsverfahrens. Die ZPO stellt nur wenige zwingende Vorschriften auf. Das Grundaxiom ist die Parteiautonomie.18 Das ermöglicht den Parteien, durch die Schiedsvereinbarung oder durch nachträgliche Verfahrensvereinbarungen das Verfahren vor dem Schiedsgericht zu gestalten. Diese Flexibilität kann, soweit sie genutzt wird, durchaus zu einer höheren Effizienz des Verfahrens führen. Dies ist besonders für internationale Schiedsverfahren von Bedeutung,19 kann aber auch für Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften Vorteile bieten.
III. Kompetenz der Schiedsrichter Als weiterer, häufig als gewichtig eingeschätzter Vorteil wird die Sachkunde der frei gewählten Schiedsrichter angeführt. Denn anders als beim staatlichen Gericht, bei dem die Richter durch den Geschäftsverteilungsplan fest vorgeschrieben sind, 14
Vgl. Leuering, NJW 2014, 657, 658. VO (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16. 4. 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/ EG und 2004/72/EG der Kommission, ABlEU v. 12. 6. 2014, L 173/1 [Market Abuse Regulation – MAR]. 16 Vgl. auch Thümmel, FS Geimer (2002), 1331, 1335. 17 Näher Leuering, NJW 2014, 657, 658. 18 MüKoZPO/Münch, § 1042 ZPO Rn. 6 ff. 19 Lionett/Lionett, 77. 15
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B. Vor- und Nachteile von Schiedsverfahren
können Schiedsrichter speziell anhand ihrer Expertise ausgewählt werden; sie müssen nicht einmal selbst Juristen sein, sondern können stattdessen Experten für die jeweilige Sachmaterie sein. Außerdem kann durch die Auswahl vermieden werden, dass man an einen fachlich oder zeitlich überforderten Richter gerät, der dem Verfahren nicht die gebotene Aufmerksamkeit schenken kann.20 Diese Möglichkeit kann auch für Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften einen erheblichen Vorteil bieten: Insbesondere Fragen der Organhaftung können, je nach Art des vorgeworfenen Verstoßes und der Größe der Gesellschaft, vertiefte Kenntnisse verlangen, etwa über das Geschäftsfeld der Gesellschaft. Gerade bei großen, international tätigen Unternehmen können überdies Fremdsprachenkenntnisse von Bedeutung sein. Zudem sind hier Verfahren denkbar, die mit einem hohen Arbeitsaufwand für den Entscheider verbunden sind, den ein staatliches Gericht nicht mit gleicher Effizienz stemmen kann. Daraus folgt, dass gerade bei großen Gesellschaften, bei denen das Potential für aufwendige Verfahren höher ist, für interne Streitigkeiten auch im Hinblick auf die Wahl der Schiedsrichter durchaus an eine Schiedsvereinbarung gedacht werden sollte. Bei kleineren und mittleren Unternehmen ohne ausländischen Bezug ist für gesellschaftsinterne Streitigkeiten die Notwendigkeit einer besonderen Expertise nur in Ausnahmen anzunehmen, etwa wenn es sich auf Tatsachenebene um wirtschaftlich oder technologisch schwierige Fragen handelt.
IV. Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches Die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches ist ein weiterer Vorteil, der sich hauptsächlich für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit herauskristallisiert hat. Bei internationalen Streitigkeiten ermöglicht das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 195821 der obsiegenden Partei, ihre Schiedssprüche in allen Ländern, die das Übereinkommen ratifiziert haben,22 schneller durchzusetzen, als es für Urteile staatlicher Gerichte die Regel ist.23 Ob sich hieraus ein Vorteil für Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften ergibt, hängt also maßgeblich davon ab, ob eine Vollstreckung in Vermögenswerte im Ausland zu erwarten ist. Dies ist nur bei signifikanten Vermögenswerten im Ausland zu erwarten, was eher – aber nicht ausschließlich – bei größeren Unternehmen der Fall sein dürfte. 20 Vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 131 f.; siehe auch Lionett, FS Sandrock (2000), 607, der die zeitliche Überforderung staatlicher Richter als einen entscheidenden Grund für die Ausbreitung der nationalen Schiedsgerichtsbarkeit anführt. 21 Text zu finden bei http://www.uncitral.org/pdf/english/texts/arbitration/NY-conv/NewYork-Convention-E.pdf (Originalsprache), Stand April 2017. 22 Anzahl der Mitgliedsstaaten: 157, Stand April 2017, vgl. http://www.uncitral.org/uncitral/ en/uncitral_texts/arbitration/NYConvention_status.html. 23 Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 183.
VI. Keine Präzedenzwirkung
29
V. Verfahrensdauer Das Schiedsverfahren gilt häufig als schneller als staatliche Gerichtsverfahren.24 Dies wird mit dem fehlenden Instanzenzug und der Sachkunde der Schiedsrichter begründet; gerade auch in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist die Verfahrensdauer durch die Möglichkeit der formlosen Zustellung von Dokumenten und anderer Vereinfachungen verkürzt. So fällt beispielsweise die Notwendigkeit der Übersetzung fremdsprachiger Unterlagen25 im Schiedsverfahren regelmäßig weg. Andererseits wird auch vorgebracht, dass Schiedsverfahren mit einem strukturellen Nachteil ins Rennen starten, da das Schiedsgericht erst gebildet werden muss26 und bei ad-hoc-Schiedsverfahren keine Infrastruktur existiert, wie sie bei staatlichen Gerichten die Organisation des Verfahrens erleichtert. Aktuelle empirische Untersuchungen zur tatsächlichen Länge von Schiedsverfahren gibt es nicht.27 Es scheint insoweit aber jedenfalls Einigkeit zu bestehen, dass staatliche Gerichte in erster Instanz schnellere Entscheidungen treffen als Schiedsgerichte.28 Sobald aber der Weg durch die Instanzen beschritten wird, kann dies rasch anders aussehen. Dafür kann das Schiedsgerichtsverfahren noch durch die Bekämpfung der Vollstreckbarkeit in die Länge gezogen werden. Somit hängt die Verfahrensdauer maßgeblich von der Bereitschaft der Parteien ab, das Verfahren zu beschleunigen. Für die hier besprochenen Streitigkeiten lassen sich diesbezüglich keine Besonderheiten ausmachen. Situationen, in denen der zeitliche Gewinn wegen der besonderen fachlichen Kompetenz substantiell ist, dürften bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten zwar die Ausnahme bilden; da Schiedsrichter aber regelmäßig nicht so überlastet sind wie staatliche Richter kann hierdurch eine Beschleunigung des Verfahrens herbeigeführt werden.29
VI. Keine Präzedenzwirkung Während staatlichen Urteilen jedenfalls in der letzten Instanz auch in Deutschland eine faktische Präzedenzwirkung zukommt, kommt Schiedssprüchen eine solche in der Regel nicht zu. Dieses sich aus der Vertraulichkeit ergebende Fehlen einer Präzedenzwirkung, das gelegentlich bei den Erwägungen zur Zweckmäßigkeit des
24 Vgl. empirische Untersuchung über die Wahrnehmung der Verfahrensdauer bei SchmidtDiemitz, DB 1999, 369, 370 ff.; s. auch Schütze, Schiedsgericht Rn. 32; Schwab/Walter, Kap. 1 Rn. 8. 25 Vgl. § 142 Abs. 3 ZPO. 26 Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 156. 27 Die Untersuchung von Schmidt-Diemitz zeigt nur die Wahrnehmung der Parteien, nicht die tatsächliche Länge, vgl. DB 1999, 369, 370 ff. 28 MüKoZPO/Münch, vor § 1025 Rn. 65; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 156. 29 Vgl. B.III., S. 27.
30
B. Vor- und Nachteile von Schiedsverfahren
Schiedsverfahrens genannt wird,30 spielt bei der Entscheidung für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften vor Schiedsgerichten so gut wie keine Rolle. Ein Interesse, eine bestimmte Rechtsfrage über die eigene Gesellschaft hinaus geregelt zu wissen, ist vielleicht in absoluten Ausnahmefällen denkbar, in denen eine Partei auch für zukünftige Streitigkeiten gleicher Art Rechtssicherheit haben möchte. Es werden dennoch allgemeine Bedenken geäußert, nämlich, dass die fehlende Präzedenzwirkung der Rechtsfortbildung schade.31 Zwar ist diesen Bedenken zuzustimmen; die Rechtsfortbildung wird eingeschränkt, wenn die Schiedssprüche jedenfalls in der Begründung geheim bleiben und so keine Möglichkeit einer wissenschaftlichen oder gerichtlichen Auseinandersetzung mit ihnen besteht. Dabei handelt es sich aber um ein rechtspolitisches Problem, das bei der Entscheidung von Parteien für oder wider die Schiedsgerichtsbarkeit keine Rolle spielen sollte.
VII. Befriedungseffekt Dem Schiedsverfahren wird außerdem ein „Befriedungseffekt“32 zugesprochen. Das Schiedsverfahren sei im besonderen Maße geeignet, eine einvernehmliche Konfliktbeilegung bei ansonsten streitigen Fällen herbeizuführen. Freiwilligkeit sei der Schiedsgerichtsbarkeit eigen und setze sich auch noch im Streitfalle fort. Das führe dazu, dass die Schiedsgerichtsbarkeit umso besser geeignet sei, den Streit zwischen den Parteien friedlich zu lösen.33 Dies kann überzeugen. Zwar ist auch der staatliche Richter gem. § 278 Abs. 1 ZPO dazu angehalten, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Doch es ist naheliegend, dass ein Gericht, vor das man gezerrt wird, nicht den gleichen befriedenden Einfluss hat wie ein Schiedsgericht, für das man sich einmal freiwillig entschieden hat. Dafür spricht auch die Häufigkeit von Vergleichen bei Verfahren vor Schiedsgerichten gegenüber Verfahren vor staatlichen Gerichten.34 Diese Wirkung des Schiedsverfahrens ist natürlich abhängig vom Charakter der Streitigkeit und den beteiligten Parteien, allerdings kann die bessere Eignung des Schiedsgerichts für gütliche Einigungen nicht verneint werden. 30
Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 170; Schütze, Schiedsgericht, Rn. 37. Vor allem Duve/Keller, SchiedsVZ 2005, 169 ff. die für eine anonymisierte Veröffentlichung von Schiedssprüchen bei Schiedsrechtsinstitutionen plädieren; vgl. auch Gaier, http:// www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/gastbeitrag-schiedsgerichte-nuetzliche-konkur renz-14075395.html, Stand April 2017; Goette, AnwBl. 2012, 34; Hirsch, SchiedsVZ 2003, 52; krit. auch Yuefang, ZJS 2015, 141, 143. 32 Ebbing, Private Zivilgerichte, 94; Jagenburg, FS Oppenhoff (1985), 155 ff. 33 Vgl. auch Schroeder, lex mercatoria arbitralis, 28 f. 34 Vgl. Schmidt-Diemitz, DB 1999, 371 f., wonach zwei Drittel aller Verfahren vor Schiedsgerichten mit Vergleichen enden; dagegen werden gem. dem Forum des Deutschen Anwaltsvereins, AnwBl 2000, 179 nur 9,4 % der Verfahren vor dem Amtsgericht und 16,4 % der Verfahren vor dem Landgericht gütlich beigelegt. 31
VIII. Unparteilichkeit des Schiedsrichters
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Diesem Befriedungseffekt kann bei gesellschaftsinternen Streitigkeiten eine noch größere Bedeutung zugerechnet werden als bei Verfahren im Handelsverkehr. Es kann nämlich durchaus auch dann zu Streitigkeiten zwischen einem Unternehmen und seinen Organmitgliedern kommen, wenn das Organmitglied noch für das Unternehmen tätig ist. Für eine gute weitere Zusammenarbeit ist es dann von besonderer Bedeutung, dass die Streitigkeit sich nach Möglichkeit ohne allzu große Animositäten beenden lässt.
VIII. Unparteilichkeit des Schiedsrichters Häufig wird die vermeintliche Unparteilichkeit der Schiedsrichter als ein großer Pluspunkt für die Schiedsgerichtsbarkeit angeführt.35 Und es ist zuzugeben, dass man gerade bei Streitigkeiten im internationalen Wirtschaftsverkehr von nationalen Gerichten nicht die gleiche Neutralität erwarten sollte wie von ausgewählten Schiedsrichtern, die nicht aus den gleichen Ländern stammen wie die Streitparteien. Bei Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften ist die Situation in der Regel eine andere. Hier ist vor den ordentlichen Gerichten die Benachteiligung einer Partei wegen ihrer Nationalität nicht zu befürchten. Allenfalls in Ausnahmefällen kann dies eine Rolle spielen. Die Möglichkeit der Benachteiligung wegen der Nationalität kann also eher vernachlässigt werden. Was verbleibt ist jedenfalls die Problematik des „Parteischiedsrichters“36, also eines Schiedsrichters, der zugunsten der Partei voreingenommen ist, die ihn bestellt hat. Der in Deutschland für ad-hoc-Schiedsgerichte vorgesehene Grundfall ist ein Dreierschiedsgericht, in dem die Parteien jeweils einen Schiedsrichter auswählen, und diese beiden gemeinsam den Vorsitzenden auswählen (§ 1034 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 1035 Abs. 3 S. 2 ZPO). Dieses System ermöglicht es den Parteien, sich „ihre“ Schiedsrichter so auszusuchen, dass diese quasi die Rolle eines (zweiten) Parteivertreters im Schiedsgericht übernehmen.37 Ein Vorgehen dagegen kann sich zum Teil schwierig gestalten: Gem. § 1036 Abs. 2 S. 1 ZPO kann eine Ablehnung eines Schiedsrichters nur vorgenommen werden, wenn berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit der Schiedsrichter bestehen. Die Rechtsprechung setzt jedoch einen weniger strengen Maßstab an die Unparteilichkeit der Schiedsrichter an als bei staatlichen Richtern.38 Außerdem ist die innere Befangenheit eines Schiedsrichters schwerlich mit Tatsachen zu begründen, wenn sie überhaupt nur auf der Berufung als Schiedsrichter fußt, die ohnehin jeder Schiedsrichter durchläuft. Zum Teil wird argumentiert, dass gerade bei Dreierschiedsgerichten die Wahl von den Parteien gewogenen Schiedsrichtern unproblematisch sei, da durch den Bestellungsmodus 35 36 37 38
Vgl. Stumpf, FS Bülow (1981), 217, 220. Franzen, NJW 1986, 299. Vgl. Jagenburg, FS Oppenhoff (1985), 147, 158 ff.; Franzen, NJW 1986, 299 f. Vgl. Nachweise bei Stein/Jonas/Schlosser, § 1036 ZPO Rn. 27.
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B. Vor- und Nachteile von Schiedsverfahren
mit dem neutralen Vorsitzenden das Gleichgewicht gewahrt bleibt.39 Das lässt sich so nicht unterschreiben: Wenn sich nur eine der beiden Partei einen ihr gewogenen Schiedsrichter aussucht, dann kann dieser einseitig Einfluss auf das ansonsten neutrale Tribunal nehmen; wenn aber beide Parteien dies tun, dann stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit eines Dreierschiedsgerichts, wenn es im Ergebnis nur auf den einzelnen Vorsitzenden ankommt. Gerade bei Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften ergibt sich aber noch ein viel heikleres Problem, das durch keine noch so feine Ausgestaltung der Schiedsvereinbarung umgangen werden kann: Die Abhängigkeit der Schiedsrichter von den Parteien. Schiedsrichter, die primär als solche tätig sind, sind auch für die Zukunft auf weitere Bestellungen angewiesen.40 Damit ist die Notwendigkeit verbunden, sich in jedem Verfahren möglichst gut zu vermarkten. In einem Verfahren zwischen zwei strukturell gleich starken Parteien kann dies zu einem Bestreben nach besonderer Fairness führen. Doch gerade bei Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften besteht regelmäßig keine strukturelle Gleichheit. Die meisten Gesellschaften sind als Wirtschaftsunternehmen am Markt tätig, daher ist zu erwarten, dass sie mehr und größere Rechtsstreitigkeiten haben als ihre individuellen Organmitglieder, die gegebenenfalls das Unternehmen bereits verlassen haben. Ein unternehmensfreundlicher Schiedsrichter hat größere Chancen, die Vorzüge dieser Verfahrensmengen durch spätere Bestellungen zu genießen. Folglich bietet es sich für Schiedsrichter an, gerade in Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften eine unternehmensfreundliche Linie zu fahren. Dies muss sich nicht gleich in einer offenkundigen Parteilichkeit manifestieren (die in der Tat eher rufschädigend ist)41, sondern kann auch durch subtilere Formen der Verfahrensbeeinflussung geschehen. Dieser Nachteil sollte nicht überbewertet werden, da die meisten Schiedsrichter den Versuchungen wohl widerstehen können.42 Dennoch sollte sich jedes Organmitglied dieses Punktes bewusst sein, ehe es sich einer Schiedsvereinbarung unterwirft. Jedenfalls dieses Risiko ist vor staatlichen Gerichten nämlich kaum gegeben.
IX. Unvorhersehbarkeit von Entscheidungen Ein weiterer Nachteil gegenüber den staatlichen Gerichten ist die Unvorhersehbarkeit der Entscheidung des Schiedsgerichts im Hinblick auf etwaige Rechtsfragen. Vor staatlichen Gerichten kann gegebenenfalls durch die Möglichkeit des Instanzenzugs eine gewisse Kontinuität und damit Vorhersehbarkeit gewährleistet werden. Schiedsgerichte, insbesondere ad-hoc-Schiedsgerichte, sind wegen ihres Charakters 39 40 41 42
Vgl. Schütze, Effektivität (2006), 182. Vgl. etwa von Westphalen, ZIP 1986, 1159. Vgl. Ebbing, Private Zivilgerichte, 67. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis. Rn. 123.
X. Kosten
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als Einzelfallgerichte rein praktisch nicht in der Lage, eine solche Kontinuität aufzubauen. Allenfalls bei Einzelschiedsrichtern kann – etwa wegen vorheriger wissenschaftlicher Veröffentlichungen oder bekanntgewordenen Entscheidungen – noch von einer gewissen Vorhersehbarkeit die Rede sein. In Dreierschiedsgerichten, in denen die Beisitzer von den jeweiligen Parteien gegebenenfalls auch wegen ihrer Rechtsauffassungen bestellt werden, ist jedoch jeder Versuch einer Vorhersage aussichtslos. Umgekehrt kann diese Unvorhersehbarkeit von Entscheidungen durchaus auch Vorteile bieten, insbesondere nämlich dann, wenn eine gefestigte Rechtsprechung der staatlichen Gerichte den geltend gemachten Ansprüchen entgegensteht. Schiedsrichter sind in ihrer Entscheidung nicht an die Rechtsprechung der obersten Gerichte gebunden. Damit können sie von ihr abweichen ohne Gefahr zu laufen, in der Revision wieder aufgehoben zu werden.
X. Kosten Ob ein Schiedsverfahren teurer oder günstiger ist als ein Verfahren vor staatlichen Gerichten, hängt sehr von den Umständen ab. Lachmann bietet einen recht umfangreichen Kostenvergleich zwischen den staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten, die nach unterschiedlichen Systemen vergütet werden.43 Aus diesem ist zu schließen, dass Schiedsgerichte bei geringeren bis mittleren Streitwerten (10.000 Euro bis 10.000.000 Euro) teurer sind als staatliche Gerichte, bei höheren Streitwerten aber Schiedsgerichte langsam günstiger werden. Unterschiede können sich bei mehrinstanzlichen Verfahren vor staatlichen Gerichten oder bei Aufhebungsverfahren von Schiedssprüchen ergeben. Bei Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften bei mittleren Streitwerten bis 10.000.000 Euro sind staatliche Gerichte jedenfalls im Hinblick auf die Kosten vorzugswürdig. Allerdings geht Lachmann von der Prämisse des Dreierschiedsgerichts aus und weist zu Recht darauf hin, dass ein solches in der Regel unangemessen, aber in der Praxis üblich ist.44 Für Einzelschiedsgerichte kann die Kostenfrage wiederum anders ausfallen. Unter keinen Umständen darf jedoch eine pauschale Behauptung über die Kosten eines Schiedsverfahrens aufgestellt werden.
XI. Ungeeignetheit für den einstweiligen Rechtsschutz Das Schiedsverfahren hat gegenüber dem Gericht Schwächen in der Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes.45 Zwar gewährt § 1041 Abs. 1 ZPO dem 43 44 45
Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 4666 ff. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 4687. Vgl. Schütze, BB 1998, 1650 ff.; a.A. Schroth, SchiedsVZ 2003, 102, 108 f.
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B. Vor- und Nachteile von Schiedsverfahren
Schiedsgericht die Kompetenz vorläufige und sichernde Maßnahmen anzuordnen, die es in Bezug auf den Streitgegenstand für erforderlich hält. Damit es aber dazu kommen kann, muss überhaupt erst ein Schiedsgericht bestehen. Ein Schiedsgericht zu besetzen, nimmt aber Zeit in Anspruch, die im Einzelfall dazu führen kann, dass die Erreichung der Maßnahme bereits verspätet ist. Nicht umsonst hat der Gesetzgeber in § 1033 ZPO für den einstweiligen Rechtsschutz zwingend46 den parallelen Weg zu den staatlichen Gerichten offengehalten. Ist das Schiedsgericht gebildet und erlässt es eine Maßnahme, dann ist diese auch für sich genommen noch nicht vollstreckbar. Dafür muss sie zunächst nach § 1041 Abs. 2 S. 1 ZPO die Vollziehung zugelassen werden. Auch das hat zur Folge, dass der einstweilige Rechtsschutz vor staatlichen Gerichten effizienter ist als vor Schiedsgerichten. Die psychologische Situation des Schiedsverfahrens, in dem sich die Parteien ihren Schiedsrichter ausgesucht haben und auf seine Kompetenz vertrauen, mag zwar zu einer besseren Akzeptanz der Maßnahme des Schiedsgerichts führen.47 Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zeitspanne zwischen dem Zeitpunkt, in dem eine Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes nötig wird, und der letztlichen Anordnung durch das Schiedsgericht deutlich länger ist als bei staatlichen Gerichten.
XII. Zwischenergebnis Natürlich kann die Auswahl eines Schiedsgerichts im Einzelfall sowohl vorteilhaft als auch nachteilhaft sein. Dies vorher zu bestimmen ist nicht mit wissenschaftlicher Präzision möglich.48 Die vorliegenden Ausführungen haben aber gezeigt, dass sich die in der Literatur herausgearbeiteten Vorzüge der Schiedsgerichtsbarkeit nicht einfach auf gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten übertragen lassen, da diese Aspekte entweder keine Rolle spielen oder sogar ins Gegenteil umschlagen können. Das Schiedsverfahren ist wegen der Unvorhersehbarkeit der Entscheidung und der Gefahr parteilicher Schiedsrichter der riskantere Weg. Dennoch erscheint es für die große Mehrzahl aller Fälle als vorzugswürdig. Dafür streiten hauptsächlich die Vertraulichkeit, die Schiedsrichterauswahl und die Gestaltungsmöglichkeiten, die das Schiedsverfahren bietet. Diese können als handfeste Vorzüge von hohem Wert eingeordnet werden. Gegen das Schiedsverfahren sprechen die Kosten. Die Verfahrensdauer, der Befriedungseffekt und die (Un-)Parteilichkeit der Schiedsrichter hängen sehr von der konkreten Ausgestaltung des Verfahrens und der Interessenlage der Parteien ab. Die Unvorhersehbarkeit der Entscheidung ist weder zwingend ein Nachteil noch zwingend ein Vorteil. Dass sich das Schiedsverfahren für 46 47 48
MüKoZPO/Münch, § 1033 ZPO Rn. 18. Schroth, SchiedsVZ 2003, 102, 109. Vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 119.
XII. Zwischenergebnis
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den einstweiligen Rechtsschutz nicht eignet, ist nur für Streitigkeiten relevant, die schnell gelöst werden müssen. Eine für alle Fälle geltende Empfehlung für oder gegen die Schiedsgerichtsbarkeit für Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaft kann nicht gegeben werden.
C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften und deren Schiedsfähigkeit Bevor es sich lohnt, die vielen relevanten Facetten der Schiedsbindung im Hinblick auf Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften auszuleuchten, soll zuerst eine möglichst umfängliche Auflistung etwaiger Streitigkeiten zwischen diesen beiden Gruppen vorgenommen werden und festgestellt werden, inwieweit diese überhaupt schiedsfähig sein können. Anhand dieser Streitigkeiten können dann auch die relevanten Aspekte der Schiedsbindung besser analysiert werden. Dabei soll zunächst bestimmt werden, was (objektive) Schiedsfähigkeit bedeutet (I.); anschließend wird konkret auf die einzelnen Streitigkeiten eingegangen (II.)
I. Objektive Schiedsfähigkeit Die objektive Schiedsfähigkeit ist als abstrakte Eignung einer Streitigkeit zur Verhandlung in einem Schiedsverfahren in § 1030 ZPO geregelt. 1. Gesetzgeberische Entwicklung der Schiedsfähigkeit im deutschen Recht Ursprünglich richtete sich die objektive Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten in der Bundesrepublik nach § 1025 a.F. (in Kraft bis zum 31. 12. 1997), welcher die Schiedsfähigkeit daran knüpfte, dass die Parteien berechtigt waren, über den Gegenstand des Streits einen Vergleich zu schließen. Dies führte zu erheblichen Meinungsstreitigkeiten darüber, wie genau diese Vergleichsberechtigung zu verstehen war.1 Durch das SchiedsVfG vom 22. 12. 19972, welches am 01. 01. 1998 in Kraft trat, wurde das deutsche Schiedsverfahrensrecht von Grund auf novelliert. Die Schiedsfähigkeit richtet sich nun nach § 1030 ZPO, der vermögensrechtliche Streitigkeiten grundsätzlich für schiedsfähig erklärt und nur bei nicht-vermögensrechtlichen Streitigkeiten auf die Vergleichsberechtigung abstellt. Diese neue Vor1
Ausführlich dazu vgl. Kap. C. Fn. 14. Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts, 22. Dezember 1997, BGBl. 1997, 3224 ff. 2
I. Objektive Schiedsfähigkeit
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schrift hat keine Grundlage im ModG3 ; dieses enthält in Art. 1 Abs. 5 ModG nur eine negative Abgrenzung der Schiedsfähigkeit und richtet sich dabei nach der gesetzgeberischen Entscheidung des jeweiligen Staates. Tatsächlich hat sich der Gesetzgeber bei § 1030 ZPO wohl am schweizerischen Art. 177 Abs. 2 IPRG4 orientiert,5 welches aber nur auf vermögensrechtliche Streitigkeiten Bezug nimmt und nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten nicht erfasst. § 1030 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO blieben seither unverändert, einzig § 1030 Abs. 2 ZPO hat redaktionelle Überarbeitungen erfahren. Nach der Einführung des § 1030 Abs. 1 ZPO wurden Stimmen laut, welche wegen der nunmehr bestehenden Unabhängigkeit der Schiedsfähigkeit von der Vergleichsberechtigung an der verfassungsrechtlichen Legitimation des Schiedsverfahrens im Hinblick auf Art. 92 GG zweifeln6 und teilweise sogar die Verfassungswidrigkeit behaupten7. Im Hinblick darauf kann Ebbing jedoch mit einer überzeugenden Antwort aufwarten: Die Vertragsfreiheit besteht nicht nur aus der materiellen Dispositionsbefugnis, Rechtsbeziehungen zu begründen und zu gestalten, sondern auch der davon unabhängigen prozessualen Dispositionsbefugnis, die Rechtsschutzmöglichkeit zu bestimmen.8 Daher können Parteien Dritte zu Streitentscheidungen bevollmächtigen, da sie insoweit keine eigenen Befugnisse übertragen, sondern nur zwischen zwei Rechtsprechungsalternativen wählen. Aus diesem Grund kann die Vertragsfreiheit die neue Rechtslage legitimieren.9 2. Schiedsfähigkeit nach § 1030 ZPO Nach der neuen Rechtslage richtet sich die objektive Schiedsfähigkeit nach § 1030 ZPO. Gem. § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO sind grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Ansprüche schiedsfähig. Nicht-vermögensrechtliche Ansprüche sind gem. § 1030 Abs. 1 S. 2 ZPO insoweit schiedsfähig, als sie dem Vergleich zugänglich sind. Beides steht unter dem Vorbehalt der Ausnahmeregelungen des § 1030 Abs. 2 und 3 ZPO, wobei Abs. 2 wegen seines mietrechtlichen Bezugs im Rahmen dieser Arbeit keine Relevanz entfaltet.10 3 UNCITRAL Modellgesetz für die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit; Ursprungsfassung aus dem Jahr 1985, sowie die abgewandeltete Version aus dem Jahr 2006 sind zu finden unter: http://www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration/1985Model_arbitrati on.html (Englisch), Stand April 2017. Da die Novellierung durch das SchiedsVfG bereits im Jahr 1997 vorgenommen wurde, konnte auch nur die Ursprungsfassung als Vorlage verwendet werden. 4 Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (Schweiz), http://www.gesetze.ch/sr/2 91/291_000.htm, Stand April 2017. 5 Vgl. MüKoZPO/Münch, § 1030 ZPO Rn. 1. 6 Voit, JZ 1997, 120, 125; Musielak/Voit/Voit, § 1030 ZPO Rn. 1. 7 Vgl. Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, 131 ff.; krit. Besprechung von Prütting, FS Schlosser (2005), 705 ff. 8 Vgl. Ebbing Private Zivilgerichte, 25 f. 9 Ebbing Private Zivilgerichte, 25 f.; vgl. auch Prütting, FS Schlosser (2005), 705, 707 ff. 10 Zu § 1030 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 101 Abs. 3 ArbGG vgl. C.II.2.c), S. 115.
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
a) Vermögensrechtliche Ansprüche Die praktisch relevantere Variante des § 1030 Abs. 1 ZPO ist die des vermögensrechtlichen Anspruchs nach S. 1, wobei Anspruch nicht im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB (Recht ein Tun oder Unterlassen zu verlangen) gemeint ist, sondern als Streitgegenstand.11 Ein Streitgegenstand ist vermögensrechtlich, wenn er auf einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis basiert oder auf Geld, geldwerte Sachen oder Rechte abzielt.12 Das vermögensrechtliche Rechtsverhältnis ist vom personenrechtlichen abzugrenzen.13 Vermögensrechtliche Streitigkeiten stellen die absolute Regel dar und es dürfte im Verfahren so gut wie immer unstreitig sein, ob es sich bei einer Streitigkeit um eine vermögensrechtliche handelt oder nicht. b) Nicht-vermögensrechtliche Ansprüche Eine nicht-vermögensrechtliche Streitigkeit nach § 1030 Abs. 1 S. 2 ZPO ist im Umkehrschluss zu § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO jede, die keine vermögensrechtliche ist. Mit der Vergleichsfähigkeit ist nicht gemeint, dass die Streitigkeit Gegenstand eines Vergleiches gem. § 779 BGB sein kann. Ein Streitgegenstand ist viel mehr im Sinne der von Bork entwickelten Theorie einer objektiven Verfügbarkeit nur dann nicht vergleichs- und schiedsfähig, wenn „sich der Staat für das konkret begehrte Ergebnis im Interesse besonders schutzwürdiger Rechtsgüter ein Rechtsprechungsmonopol in dem Sinne vorbehalten hat, dass niemand außer dem staatlichen Richter in der Lage sein soll, den angestrebten Rechtszustand herbeizuführen.“14 11 Böcker, Recht der objektiven Schiedsfähigkeit, 60 f.; MüKoZPO/Münch, § 1030 ZPO Rn. 13. 12 AllgM., grundlegend Böcker, Recht der objektiven Schiedsfähigkeit, 61 ff.; vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1030 ZPO Rn. 4; BeckOKZPO/Wolf/Eslami, § 1030 Rn. 4; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 281; MüKoZPO/Münch, § 1030 Rn. 13; Schulze, Grenzen der objektiven Schiedsfähigkeit, 22; Stein/Jonas/Roth, § 1 Rn. 49; Zöller/ Geimer, § 1030 ZPO Rn. 1. 13 MüKoZPO/Münch, § 1030 Rn. 13. 14 Bork, ZZP 100 (1987), 249, 272; vgl. im Ergebnis auch ähnlich schon Becker, ZZP 97 (1984), 314, 318 ff.; Vollmer, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, 71 f.; vgl. auch Baur, Der schiedsrichterliche Vergleich, Rn. 40. Zur Bedeutung für das neue Recht vgl. MüKoZPO/ Münch, § 1030 ZPO Rn. 5 ff. Die Theorie der objektiven Verfügbarkeit wurde von Bork im Anschluss an eine lange Diskussion für den vor dem SchiedsVfG geltenden § 1025 Abs. 1 ZPO a.F. entwickelt, welcher die Schiedsfähigkeit aller Streitigkeiten von ihrer Vergleichsfähigkeit abhängig machte. Zuvor war die Ansicht herrschend, dass es sich bei der Vergleichsberechtigung der Parteien um eine materielle Berechtigung handeln müsse, also die Parteien einen materiell wirksamen Vergleich über den Streit schließen können mussten, Bärmann, FS F. Weber (1975), 1, 3 f.; Rosenberg/ Schwab/Gottwald (15. Aufl., 1993) § 172, I a); vgl. auch Schwab, FS Henckel (1995), 803, 804 ff. Kornmeier lehnte diese h.M. wegen ihrer Unvereinbarkeit mit den Regelungen des § 1041 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO a.F. ab. Er vertrat eine rein prozessuale Theorie, wonach ein Streit-
I. Objektive Schiedsfähigkeit
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c) Verhältnis zwischen Schiedsfähigkeit und Schiedsgrundlage Nach § 1025 Abs. 1 ZPO a.F. war die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung an die Schiedsfähigkeit der von ihr erfassten Streitigkeit geknüpft.15 Anders als bei § 1025 Abs. 1 ZPO a.F. ist die dogmatische Folge der fehlenden Schiedsfähigkeit einer Streitigkeit nach § 1030 ZPO nicht ganz so eindeutig. Dennoch wird die Schiedsfähigkeit einer Streitigkeit auch nach neuem Recht allgemein als Wirksamkeitskriterium für die Schiedsvereinbarung angesehen.16 Das ergibt sich aus der Formulierung des § 1030 Abs. 1 S. 2 ZPO. Dieser lautet: gegenstand nur dann nicht schiedsfähig war, wenn für ihn die prozessuale Untersuchungsmaxime gelte, ein von Amts wegen einzuleitendes oder durchzuführendes Verfahren berührt sei und wo es um die Einwirkung auf einen Hoheitsakt ginge (vgl. Kornmeier, Vergleichsbefugnis und Schiedsfähigkeit, 39 ff.; und im Wesentlichen identisch ders., ZZP 94 (1981), 27 ff.). Bork teilte Kornmeiers Kritik an der früheren h.M., wies aber darauf hin, dass die rein prozessuale Herangehensweise die materiellen Wertungen missachte; die Schiedsfähigkeit sei viel mehr davon abhängig zu machen, dass die Streitigkeit überhaupt objektiv verfügbar sei; auf diesem Wege kam er zur zitierten Definition (vgl. Bork, ZZP 100 (1987), 249 ff.). Rechtsprechung und Literatur folgten Bork (vgl. BGH NJW 1991, 2215, 2216, wo die Formulierung von Bork ohne Zitierung aufgriffen wird; BGHZ, 132, 278, 283 [„Schiedsfähigkeit I“]; Schwab/Walter, 5. Aufl., 1995, Kap. 4 Rn. 4; Zöller/Geimer, 20. Aufl., 1997 § 1025 ZPO a.F. Rn. 36 f.; krit. aber Vollkommer, IPRrax 1992, 207, 209). Die praktische Bedeutung dieses Problems ist heutzutage begrenzt, da sich das Merkmal der Vergleichsfähigkeit im Schiedsrecht nur noch in § 1031 Abs. 1 S. 2 ZPO finden lässt. Münch weist in MüKoZPO § 1030 ZPO Rn. 9 zwar darauf hin, dass der Streit eigentlich nur eine Verlagerung hin zu § 794 Abs. 1 Nr. 5 Halbs. 2 Var. 2 ZPO erfahren hat. Dies ist indes nicht überzeugend, da die Streitigkeit bzgl. § 1025 ZPO a.F. auf Basis der speziellen Wertungen des Schiedsrechts ausgetragen wurde, die nicht einfach auf § 794 Abs. 1 Nr. 5 Halbs. 2 Var. 2 ZPO übertragbar sind. Allerdings sind vor der Neuregelung durch das SchiedsVfG geschlossene Schiedsvereinbarungen gem. § 33 Abs. 1 EGZPO noch dem alten Recht unterworfen, zudem auch der als Wirksamkeitsvoraussetzung ausgestaltete § 1025 ZPO gehört, vgl. Thomas/Putzo, 20. Aufl., 1997, § 1025 ZPO a.F. Rn. 2 ff.; Schwab/Walter (5. Aufl., 2005), Kap. 4 Rn. 2. Mithin sind auch in Gesellschaftsverträge eingebundene Schiedsklauseln, die vor 1998 aufgenommen wurden, nach altem Recht zu bewerten, vgl. BGH, SchiedsVZ 2004, 259, 260 m. Anm. Habersack u. Anm. Kuhne, EWiR 2005, 239; BGHZ 180, 221, 225 („Schiedsfähigkeit II“). Zwar kommen Schiedsklauseln in AG-Satzungen nicht vor, weil ihre Zulässigkeit gem. § 23 Abs. 5 AktG bis heute umstritten ist (vgl. ausführlich D.III.1., S. 217 ff.). Ebenso wenig kann eine Streitigkeit in einer SE dem alten Recht unterfallen, weil die SE erst nach dem SchiedsVfG eingeführt wurde. Außerdem ist wegen der in § 84 Abs. 1 S. 5 AktG geregelten Höchstdauer von Anstellungsverträgen nicht davon auszugehen, dass heutzutage noch vertragliche Schiedsvereinbarungen mit Organmitgliedern von vor 1998 vorkommen. Es ist allerdings nicht ganz auszuschließen, dass es noch alte Schiedsklauseln in GmbH-Satzungen oder in alten Geschäftsführerverträgen gibt (vgl. Bechte-Horbach, Schiedsverfahren bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten, 17 ff.). Dem alten Recht kann daher in absoluten Ausnahmefällen noch eine praktische Bedeutung zukommen. 15 Vgl. Bork, ZZP 100 (1987), 249, 249. 16 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1030 ZPO Rn. 13; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 278; MüKoZPO/Münch, § 1030 ZPO Rn. 16; Thomas/Putz/Seiler, § 1031 ZPO Rn. 7.
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften „Eine Schiedsvereinbarung über nichtvermögensrechtliche Ansprüche hat insoweit rechtliche Wirkung, als die Parteien berechtigt sind, über den Gegenstand des Streites einen Vergleich zu schließen.“
Daraus ist zu folgern, dass eine Streitigkeit soweit wirksam ist, wie die Streitigkeiten, die sie erfasst, schiedsfähig sind.17 Zudem zeigt § 1030 Abs. 2 S. 1 ZPO, dass die Schiedsfähigkeit der Streitigkeit eine Wirksamkeitsvoraussetzung ist: „Eine Schiedsvereinbarung über Rechtsstreitigkeiten, die den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum im Inland betreffen, ist unwirksam.“
Diese Vorschriften sind keine gesetzlichen Verbote, deren Anwendung §§ 133, 139 BGB zur Anwendung hätte, sondern prozessuale Kompetenznormen.18 Die Schiedsfähigkeit ist also eine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Schiedsvereinbarung, die neben sonstige Vorschriften wie den wirksamen Vertragsschluss und sonstige Regelungen tritt. Entsprechendes kann auch für die Schiedsanordnung im Sinne des § 1066 ZPO gelten.
II. Streitigkeiten Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern von Kapitalgesellschaften können sich sowohl aus der organschaftlichen Stellung ergeben als auch aus den schuldrechtlichen Anstellungsverträgen, die sie vor ihrer Bestellung abgeschlossen haben. Inwieweit diese individuellen Streitigkeiten schiedsfähig sind, soll im Folgenden überprüft werden. Dabei soll auch auf sonstige spezifische Schwierigkeiten der Ansprüche eingegangen werden, die für die prozessualen Fragen relevant werden können. 1. Organschaftliche Streitigkeiten Als organschaftliche Streitigkeiten sollen solche betrachtet werden, die sich aus der Organstellung der Organmitglieder selbst ergeben; mithin also aus Rechtsnormen, die an die Organstellung anknüpfen. Anstellungsvertragliche Streitigkeiten oder Streitigkeiten, die sich aus Normen ergeben, die nicht an die Organstellung anknüpfen – wie etwa das Deliktsrecht –, sind keine organschaftlichen Streitigkeiten. Im Folgenden sollen zunächst kurze, grundsätzliche Erwägungen zur Schiedsfähigkeit solcher organschaftlichen, gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten gemacht werden (a) und dann die besonderen Streitigkeiten bei der GmbH (b), AG (c) und SE (d) analysiert werden.
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Vgl. MüKoZPO/Münch, § 1030 ZPO Rn. 16. MüKoZPO/Münch, § 1030 ZPO Rn. 16.
II. Streitigkeiten
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a) Grundsätzliche Erwägungen zur Schiedsfähigkeit Es ist anerkannt, dass alle gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten vermögensrechtlich sind, sodass ihre Schiedsfähigkeit nach § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO für sich genommen unbestritten ist.19 So facettenreich gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten auch sind, sie haben nie personenrechtlichen Bezug. Mithin sind sie alle schiedsfähig nach § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO. Allerdings gibt es für bestimmte Streitigkeiten, etwa Beschlussmängelstreitigkeiten, besondere verfahrensrechtliche Vorschriften, die auf staatliche Gerichte zugeschnitten sind. In diesen Fällen muss die allgemeine Schiedstauglichkeit dieser Streitigkeiten genauer begründet werden. b) Streitigkeiten in einer GmbH aa) Organschaftliche Erstattungsansprüche Die Gesellschaft kann gegen ihre Geschäftsführer auf Basis mehrerer unterschiedlicher Haftungsnormen organschaftliche Erstattungsansprüche haben. Der praktisch bedeutsamste Anspruch ist der Organhaftungsanspruch bei geschäftsführerischer Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG. Darüber hinaus gibt es aber noch einen besonderen Haftungsanspruch bei Zahlung aus zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft oder bei rechtswidrigem Erwerb von eigenen Geschäftsanteilen der Gesellschaft gem. § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG. Daneben ist der Geschäftsführer bei falschen Angaben bei der Anmeldung der GmbH dieser gem. § 9a GmbHG zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Das gleiche gilt gem. § 57 Abs. 4 GmbHG, wenn er bei der Anmeldung von Kapitalerhöhungen falsche Angaben gemacht hat. Bei all diesen Ansprüchen handelt es sich um vermögensrechtliche Ansprüche, da sie auf dem gesellschaftsrechtlichen Organverhältnis basieren und überdies auf Geld oder – rechtlich jedenfalls bei § 43 Abs. 2 GmbHG wegen Anwendung des § 249 BGB20 ausnahmsweise denkbar – auf geldwerte Leistungen gerichtet sind. Daher sind sie schiedsfähig nach § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO21.22 19
Vgl. Bayer, ZIP 2003, 881, 882 f.; Bechte-Horbach, Schiedsverfahren bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten 16 f.; Papmehl, Schiedsfähigkeit gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 219 ff.; K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1858. 20 Vgl. MüKoGmbHG/Fleischer, § 43 GmbHG Rn. 263. 21 AllgM., vgl. Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 12; Leuering, NJW 2014, 657; Scholz/ Weiß, AG 2015, 523; Thümmel, FS Geimer (2002), 1331, 1332; Umbeck, SchiedsVZ 2009, 143, 144; Yuefang, ZJS 2015, 141. 22 Das gilt trotz des Vergleichsverbots des § 9b Abs. 1 GmbHG auch bei Anwendung des alten Rechts (vgl. Kap. C. Fn. 14). Aus diesem Vergleichsverbot lässt sich kein Rechtsprechungsmonopol der staatlichen Gerichte ableiten. Obgleich man den Gläubigerschutz – bzw. Schutz des Gesellschaftsvermögens und der Gläubiger – als hochwertiges Interesse einordnen kann, so spricht doch nichts für eine Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidungskompetenz. Viel mehr kann auch ein Schiedsgericht diesem Zweck Genüge tun. Somit sind auch unter Anwendung des alten Rechts organschaftliche Erstattungsansprüche, die § 9b Abs. 1
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
Eine Sonderrolle unter den organschaftlichen Erstattungsansprüchen nimmt § 64 GmbHG ein. Laut dieser Norm sind Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Das Besondere an diesem Anspruch ist, dass er zwar einen Anspruch der Gesellschaft darstellt, aber dem Interesse der Gläubiger im Insolvenzfall dient.23 Es handelt sich bei § 64 GmbHG zwar insoweit um einen „organschaftlichen“ Anspruch, als er an die Organstellung anknüpft. Dennoch ist er kein gesellschaftsrechtlicher, sondern ein insolvenzrechtlicher Anspruch.24 Das ändert jedoch zunächst einmal nichts daran, dass es sich bei diesem Anspruch zweifelsohne um einen vermögensrechtlichen Anspruch im Sinne des § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO handelt. Ob die Gesellschaft aber im Wege einer Schiedsgrundlage über seine prozessuale Geltendmachung entscheiden kann, ist eine gänzlich andere Frage.25 bb) „Entlastungsklage“ Nach § 46 Nr. 5 Fall 3 GmbHG ist die Gesellschafterversammlung für die Entlastung des Geschäftsführers zuständig, ohne dass das Gesetz darüber Auskunft gibt, was unter einer solchen Entlastung zu verstehen ist. Die Entlastung ist eine einseitige, körperschaftsrechtliche Erklärung, welche die Amtsführung im vergangenen Geschäftsjahr billigt, dem Entlasteten für die Zukunft das Vertrauen ausspricht und ihn von allen bei der Beschlussfassung erkennbaren Ersatzansprüchen freistellt.26 Die früher herrschende Meinung27 und vereinzelte Stimmen im aktuellen Schrifttum28 billigen dem Geschäftsführer einen Anspruch auf Entlastung zu, den dieser im Rahmen einer Leistungsklage durchsetzen kann. Im Anschluss an eine BGH-Entscheidung aus dem Jahr 198529 lehnt die nun herrschende Meinung einen solchen einklagbaren Anspruch jedoch ab.30 Dies überzeugt, denn einen Anspruch GmbHG unterfallen, schiedsfähig, vgl. Schwab/Walter, 5. Aufl., 1995, Kap. 4 Rn. 6; vgl. auch Bayer, ZIP 2003, 881, 883 f. 23 Vgl. Baumbach/Hueck/Haas, § 64 GmbHG Rn. 5; Mehrbrey/Witte/Gossen, § 20 Rn. 82. 24 EuGH v. 10. 12. 2015, Kornhaas, Rs. C-594/14, ECLI:EU:C:2015:806 Rn. 8; BGH NZG 2015, 101, 102; Bayer/J. Schmidt, BB 2016, 1923, 1931; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 64 GmbHG Rn. 5. 25 Vgl. hierzu D.II.2.b), S. 199 (statutarische Schiedsklausel) und E.II.2.b), S. 261 (Schiedsvereinbarung). 26 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 46 GmbHG Rn. 26; Scholz/K. Schmidt, § 46 GmbHG Rn. 89. 27 Grundlegend RGZ 89, 396; für weitere Nachweise vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe/Hüffer/ Schürnbrand, § 46 GmbHG Rn. 78; bereits früh abl. K. Schmidt, ZGR 1978, 425, 439 ff. 28 Buchner, GmbHR 1988, 9, 14; Ulmer/Habersack/Löbbe/Hüffer/Schürnbrand, § 46 GmbHG Rn. 80 ff.; Baumbach/Hueck/Zöllner, § 46 GmbHG Rn. 47. 29 BGHZ 94, 324 ff. im Anschluss an K. Schmidt, ZGR 1978, 425. 30 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 46 GmbHG Rn. 28; Beuthien, GmbHR 2014, 799, 801 f.; MüKoGmbHG/Liebscher, § 46 GmbHG Rn. 164; Henssler/Stroh/Mollenkopf, § 46 GmbHG
II. Streitigkeiten
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auf Billigung der Geschäftsführung kann es vernünftigerweise nicht geben – und ebenso wenig gibt es einen Anspruch auf den Erlass von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer.31 Stattdessen hat ein Geschäftsführer nur die Möglichkeit, im Wege einer negativen Feststellungsklage das Nichtbestehen einzelner Haftungsansprüche feststellen zu lassen.32 Umstritten ist noch, wann ein Geschäftsführer ein Feststellungsinteresse hat.33 Richtigerweise kann ein solches nur angenommen werden, wenn sich die Gesellschafter eines konkreten Haftungsanspruches rühmen.34 Für eine negative Feststellungsklage im Falle der fehlenden Entlastung kann nichts anderes gelten als sonst im allgemeinen Prozessrecht; hiernach ist stets ein konkretes Feststellungsinteresse erforderlich (§ 256 ZPO), welches voraussetzt, dass sich der Beklagte gegenüber dem Kläger eines Anspruchs berühmt35. Bei der Entlastungsklage handelt sich also um eine negative Feststellungsklage als Gegenstück zur auf Schadensersatz gerichteten Leistungsklage der Gesellschaft. Es kann für die Schiedsfähigkeit nichts Anderes gelten. Daher ist auch eine negative Feststellungsklage gerichtet auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Organhaftungsanspruches schiedsfähig. cc) Beschlussmängelstreitigkeiten Unter Beschlussmängelstreitigkeiten versteht man Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit oder Fehlerhaftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen. Das GmbHG enthält keine Regeln über den Umgang mit fehlerhaften Gesellschafterbeschlüssen. Daher war bereits früh eine analoge Anwendung der §§ 241 ff. AktG auf die GmbH anerkannt, also einer Kontrolle von Beschlussmängeln im Rahmen einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gem. §§ 246, 249 AktG analog.36 Schiedsverfahren über Gesellschafterbeschlüsse der GmbH wurden in der Rechtsprechung ausschließlich und in der Literatur in weiten Teilen nur im ZuRn. 27; Roth/Altmeppen/Roth, § 46 GmbHG Rn. 41; Scholz/K. Schmidt, § 46 GmbHG Rn. 102. 31 Scholz/K. Schmidt, § 46 GmbHG Rn. 102; vgl. BGHZ 94, 324, 326. 32 BGHZ 94, 324, 329; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 46 GmbHG Rn. 28; Beuthien, GmbHR 2014, 799, 801 f.; MüKoGmbHG/Liebscher, § 46 GmbHG Rn. 164; Henssler/Stroh/ Mollenkopf, § 46 GmbHG Rn. 27; Roth/Altmeppen/Roth, § 46 GmbHG Rn. 41; Scholz/ K. Schmidt, § 46 GmbHG Rn. 102. 33 Vgl. zu Streitstand MüKoGmbHG/Liebscher, § 46 GmbHG Rn. 165. 34 Vgl. Beuthien, GmbHR 2014, 799, 801; MüKoGmbHG/Liebscher, § 46 GmbHG Rn. 166; Roth/Altmeppen/Roth, § 46 GmbHG Rn. 41 soweit zustimmend, darüber hinaus aber offenlassend BGHZ 94, 324, 329; weitergehend K. Schmidt, ZGR 1978, 439 ff.; Scholz/ders., § 46 GmbHG Rn. 102 (Versagung der Entlastung genügt); Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 46 GmbHG Rn. 28 (pauschaler Pflichtwidrigkeitsvorwurf genügt). 35 MüKoGmbHG/Liebscher, § 46 GmbHG Rn. 165. 36 Vgl. BGH NJW 1954, 385 ff.; Michalski/Römermann, Anh. § 47 GmbHG Rn. 1 ff. je m.w.N.
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
sammenhang mit Gesellschaftern als Klägern bearbeitet. Daher soll im Folgenden zunächst geklärt werden, ob und inwieweit Geschäftsführer und Mitglieder eines obligatorischen oder fakultativen Aufsichtsrates einer GmbH überhaupt an Beschlussmängelklagen teilnehmen können (1), und danach, ob diese auch schiedsfähig sind (2). (1) Klagebefugnis der Organmitglieder Damit ein Organmitglied in einer GmbH als Kläger in einer Beschlussmängelstreitigkeit auftreten kann, muss es klagebefugt sein. Ob eine solche Klagebefugnis in der GmbH besteht, ist umstritten. Insbesondere unterscheiden sich die Ansichten im Hinblick auf die Anfechtungsklage nach § 246 AktG analog und die Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG analog. (a) Anfechtungsklage Große Uneinigkeit besteht bei der Frage, ob Organmitglieder eine Anfechtungsklage gem. § 246 AktG analog erheben können. Der dazu geführte Streit ist wegen der in Details voneinander abweichenden Einzelmeinungen sehr unübersichtlich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Vertreter der Einzelmeinungen aufeinander verweisen, obwohl sie in Details voneinander abweichen.37 Daher ist eine ausführliche Auseinandersetzung mit den widerstreitenden Ansichten geboten.38 (aa) Ansicht 1: Keine Klagebefugnis von Organmitgliedern Eine Ansicht lehnt jede Klagebefugnis von anderen Personen als den Gesellschaftern im Rahmen der Anfechtungsklage ab.39 Dies ergebe sich zunächst daraus, dass die Unternehmensstruktur einer GmbH und einer AG zu verschieden wären, um eine Analogie zu § 245 AktG zuzulassen, insbesondere fehle es dem Geschäftsführer an der sich für den Vorstand aus § 76 Abs. 1 AktG ergebenden weisungsfreien Geschäftsführungskompetenz.40 Die unterschiedliche Struktur zeige sich auch dadurch, dass in § 246 Abs. 2 S. 3 AktG geregelt ist, dass die Gesellschaft bei Klagen des Vorstandes durch den Aufsichtsrat vertreten wird; einen solchen gibt es indes im gesetzlichen Regelfall bei der GmbH nicht, sodass nach § 29 BGB oder § 57 ZPO ein besonderer Vertreter bestellt werden müsste, was nicht zum Regelfall werden dürfe.41 37
Vgl. Michalski/Römermann, Anh. § 47 GmbHG Rn. 415. Die genauen Gründe für oder wider einer Anfechtungsbefugnis sind jedoch nicht nur für die Frage der Klageberechtigung entscheidend, sondern spielen, wie noch zu zeigen sein wird, bei der sachlichen Reichweite satzungsmäßiger Schiedsklauseln in der GmbH eine gewichtige Rolle, vgl. D.II.1.b), S. 186. 39 Vgl. Däubler, GmbHR 1968, 4, 8; Immenga, GmbHR 1973, 4, 7 f.; Michalski/Römermann, Anh. § 47 GmbHG Rn. 415 ff.; MüKoGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 GmbHG Rn. 191 ff.; Henssler/Strohn/Drescher, § 245 AktG Rn. 22 f. 40 Vgl. MüKoGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 GmbHG Rn. 191; Immenga, GmbHR 1973, 4, 7 f. 41 Däubler, GmbHR 1968, 4, 8. 38
II. Streitigkeiten
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Im Streitfall sei aber eine allgemeine Feststellungsklage gegen Weisungen der Gesellschafter zulässig.42 (bb) Ansicht 2: Klagebefugnis von Organmitgliedern gem. § 245 Nr. 4, 5 AktG analog Eine weitere Ansicht besteht darauf, dass für Geschäftsführer und (fakultative und obligatorische) Aufsichtsräte § 245 Nr. 4, 5 AktG analog gilt.43 Geschäftsführer seien gem. § 245 Nr. 4 AktG analog anfechtungsberechtigt, um die Zwickmühle zu vermeiden, dass sie einerseits weisungsunterworfen sind, andererseits aber persönlich haften.44 Auch obliege ihnen die Einhaltung von Verhaltenspflichten der Gesellschaft, die im öffentlichen Interesse bestehen.45 Die Anwendbarkeit des § 245 Nr. 5 AktG auf den fakultativen Aufsichtsrat ergebe sich daraus, dass man bei Einrichtung eines Aufsichtsrates davon ausgehen dürfe, dass die Gründer sich an das Verwaltungsmodell der Aktiengesellschaft anlehnen wollten.46 Für den obligatorischen Aufsichtsrat ergebe sich dies daraus, dass das MitbestG für alle mitbestimmungspflichtigen Unternehmen aktienrechtliche Maßstäbe anlege.47 Überdies müsse jeder Fremdgeschäftsführer einer EinpersonenGmbH ebenso ein Anfechtungsrecht haben, da andernfalls gar keine Rechtmäßigkeitskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen möglich wäre.48 (cc) Ansicht 3: Klagebefugnis nur nach § 245 Nr. 5 AktG analog Außerdem wird vertreten, dass jedenfalls ein Organmitglied nach § 245 Nr. 5 AktG analog, nicht aber nach Nr. 4, eine Anfechtungsbefugnis hat, wenn es sich durch die Ausführung des Beschlusses strafbar oder haftbar machen würde.49 Hier beruft man sich ebenfalls auf das Argument der Zwickmühle.50 Zudem diene § 245 Nr. 5 AktG nicht etwa dem Zweck, die Verwaltungsmitglieder vor einer persönlichen Haftung zu schützen, sondern ihnen im Rahmen späterer Haftungsprozesse den 42 Michalski/Römermann, Anh. § 47 GmbHG Rn. 431; MüKoGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 GmbHG Rn. 191; Henssler/Strohn/Drescher, § 245 AktG Rn. 22. 43 Becker, Verwaltungskontrolle, 453 ff.; Büchler, Anfechtungsrecht der Geschäftsführung, 64 ff.; vgl. auch Reuter, Mitbestimmung als Bestandteil des Normativsystems für die juristischen Personen, 25. 44 Becker, Verwaltungskontrolle, 454. 45 Becker, Verwaltungskontrolle, 455; vgl. auch Büchler, Anfechtungsrecht der Geschäftsführung, 72 ff. 46 Becker, Verwaltungskontrolle, 456. 47 Becker, Verwaltungskontrolle, 456. 48 Becker, Verwaltungskontrolle, 457; zust. Bork/Schäfer/Caspar, § 47 GmbHG Rn. 79. 49 Vgl. Bork/Schäfer/Caspar, § 47 GmbHG Rn. 79; Lutter/Hommelhoff/Bayer, Anh. § 47 GmbHG Rn. 73; Lehmann, Ergänzende Anwendung von Aktienrecht, 104 f.; M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 380; Schwerdtfeger/Alexander, § 47 GmbHG Rn. 82; Wicke, Anh. § 47 GmbHG Rn. 18. 50 M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 380.
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
Einwand zu nehmen, sie hätten sich gegen entsprechende Beschlüsse nicht wehren können: Verwaltungsmitglieder seien grundsätzlich auch bei anfechtbaren Beschlüssen weisungsgebunden, weil die Gesellschafter diese durch ein Unterlassen der Anfechtung bestandskräftig machen können.51 Hat ein Verwaltungsmitglied die Möglichkeit, die Weisungsbindung selbst zu aufzuheben, kann es sich bei Befolgen der rechtswidrigen Anweisung nicht auf die Weisungsbindung berufen.52 Das Anfechtungsrecht aus § 245 Nr. 5 AktG beruhe auf dem Grundsatz, dass ein nicht angefochtener Beschluss die Vermutung seiner Ordnungsmäßigkeit und Rechtmäßigkeit habe und daher immer mit seiner Durchsetzung zu rechnen sei, sodass er aus der Welt geschafft werden müsse; dieser Gedanke verdiene auch bei der GmbH Beachtung.53 (dd) Ansicht 4: Klagebefugnis bei allen ausführungsbedürftigen Beschlüssen K. Schmidt geht – teilweise mit Zustimmung von Zöllner – bei der Bestimmung der Anfechtungsbefugnis noch weiter: dem obligatorischen Aufsichtsrat in der mitbestimmten GmbH sei sogar – wie bei der AG – ein allgemeines Anfechtungsrecht zuzugestehen, während dem fakultativen Aufsichtsrat ein solches Recht nur durch den Gesellschaftsvertrag eingeräumt werden könne.54 Zur Anfechtung ausführungsbedürftiger Beschlüsse wegen inhaltlicher Mängel sei außer den Gesellschaftern – und zwar ohne die Beschränkung des § 245 Nr. 5 AktG – auch jeder Geschäftsführer befugt.55 Die Geschäftsführer sollten nicht darauf angewiesen sein, die materielle Rechtswidrigkeit eines anfechtbaren Beschlusses im Wege der Einrede geltend zu machen.56 Auszudehnen sei diese Befugnis auf die Abberufung aus wichtigem Grund und auf Sanktionsbeschlüsse im Rahmen von § 46 Nr. 8 AktG.57 Aufsichtsratsmitglieder als Einzelne könnten ausführungsbedürftige Beschlüsse zur Abwehr von Strafbarkeits- und Haftungsrisiken anfechten (insoweit rechtsähnlich § 245 AktG).58
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Vgl. M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 380. Vgl. M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 380. 53 Lehmann, Ergänzende Anwendung von Aktienrecht, 104 f.; vgl. auch Hirsch, ZHR 95 (1930), 69, 74. 54 Scholz/K. Schmidt, § 45 GmbHG Rn. 134; abl. Baumbach/Hueck/Zöllner, Anh. § 47 GmbHG Rn. 142. 55 Scholz/K. Schmidt, § 45 GmbHG Rn. 134, zust. Baumbach/Hueck/Zöllner, Anh. § 47 GmbHG Rn. 140; vgl. auch Reuter, Mitbestimmung als Bestandteil des Normativsystems für die juristischen Personen, 25. 56 Scholz/K. Schmidt, § 45 GmbHG Rn. 134. 57 Scholz/K. Schmidt, § 45 GmbHG Rn. 134; abl. Baumbach/Hueck/Zöllner, Anh. § 47 GmbHG Rn. 140. 58 Scholz/K. Schmidt, § 45 GmbHG Rn. 134, zust. Baumbach/Hueck/Zöllner, Anh. § 47 GmbHG Rn. 141. 52
II. Streitigkeiten
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(ee) Ansicht 5: Klagebefugnis bei allen ausführungsbedürftigen Beschlüssen, die nicht gegen Minderheitenrechte verstoßen Raiser vertritt zur Klagebefugnis einen differenzierteren Ansatz. Auf Anfechtungsgründe, die offenkundig allein dem Schutz der Gesellschafter dienen, könnten sich Geschäftsführer und Minderheitsgesellschafter auf keinen Fall berufen.59 Als Anfechtungsgründe blieben danach im Wesentlichen die Verletzung zwingender Rechtsvorschriften, der Verstoß gegen die guten Sitten und das Streben nach Sondervorteilen analog § 243 Abs. 2 AktG.60 In solchen Fällen entfalle nach den allgemeinen Vorschriften die Bindung der Geschäftsführer an die Weisungen der Gesellschafter, sodass es nur folgerichtig sei, ihnen dann auch die Befugnis zur Anfechtungsklage zu gewähren.61 Die Klagebefugnis stehe dann jedem Geschäftsführer einzeln zu.62 Dies soll gleichermaßen für Aufsichtsratsmitglieder gelten, sodass diese jedenfalls dann anfechtungsberechtigt sind, wenn ihnen die Ausführung des Beschlusses obliegt oder wenn sie sich durch die Ausführung strafbar oder schadensersatzpflichtig machen würden.63 (ff) Stellungnahme Zunächst ist festzustellen, dass der Standpunkt des BGH zur Anfechtungsbefugnis – entgegen einiger Stimmen in der Literatur, die dies durch Quellenverweise suggerieren – nicht eindeutig ist. Zwar deutet eine frühe Entscheidung auf eine grundlegend ablehnende Haltung hin,64 in einer jüngeren Entscheidung hat der BGH hingegen angedeutet, dass in Sonderfällen auch Klagerechte der Organmitglieder denkbar sind65. Richtigerweise muss jedenfalls der Fremdgeschäftsführer einer EinpersonenGmbH ein Anfechtungsrecht gem. § 245 Nr. 4 AktG analog haben. Die planwidrige Regelungslücke ergibt sich daraus, dass das GmbHG und die sonstigen Vorschriften 59
Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 179. Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 179. 61 Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 179. 62 Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 179. 63 Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 180. 64 BGHZ, 76, 154, 159 („Nach der zutreffenden Auffassung des BerGer. ist es in einer GmbH ausschließlich Sache der Gesellschafter zu entscheiden, ob ein mangelhafter Beschluß angefochten werden soll oder nicht.“) 65 BGH NJW-RR 2008, 706, 708 („Anfechtungsbefugt sind, von hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen [s. dazu Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 Rdn Rn. 65, 32; Karsten Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. § 45 Rdnr. 134], die Gesellschafter der GmbH.“); die Autoren, auf welche die Entscheidung hier verweist, gehen mit Abweichungen untereinander von einem Anfechtungsrecht der Organmitglieder aus. Vgl. auch in BGH NJW 1966, 1458, 1459 („Danach steht die Nichtigkeitsklage ebenso wie die Anfechtungsklage nur den Aktionären, dem Vorstand und den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrats zu. Das gilt sinngemäß auch für die GmbH.“) 60
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
der §§ 241 ff. AktG analog in diesem Fall niemandem die Möglichkeit einer Rechtmäßigkeitskontrolle einräumen. Daher ist es im allgemeinen Interesse geboten, dem Fremdgeschäftsführer an Stelle der Minderheitsgesellschafter eine voraussetzungslose Anfechtungsbefugnis für alle Gesellschafterbeschlüsse an die Hand zu geben. Es handelt sich, wie sich aus der Analogie zu § 245 Nr. 4 AktG ergibt, nicht um ein Individual-, sondern um ein Organrecht. Gibt es mehrere Geschäftsführer, müssen diese – ebenso wie der Vorstand – gemeinsam tätig werden. Für eine Mehrpersonen-GmbH fällt die planwidrige Regelungslücke jedoch weg, da die eigene Anfechtungsbefugnis von anderen Gesellschaftern66 die Möglichkeit der Rechtmäßigkeitskontrolle eröffnet. Es überzeugt auch nicht, die Analogie auf die Pflicht zur selbstständigen, allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle durch den Geschäftsführer zu stützen, weil er eine solche – anders als der Vorstand einer AG – mangels Eigenverantwortlichkeit nicht hat. Eine Analogie des § 245 Nr. 4 AktG lässt sich daher nicht begründen. Könnte sich aber eine Regelungslücke daraus ergeben, dass ein Organmitglied sich in der verzwickten Lage befände, einerseits einen Beschluss der Gesellschafterversammlung ausführen zu müssen, aber dafür persönlich straf-, ordnungs- und organhaftungsrechtlich zu haften? Diese sprichwörtliche Zwickmühle besteht scheinbar überhaupt nicht. Ist der Geschäftsführer mit einem Beschluss konfrontiert, bei dessen Ausführung er haften müsste, steht er vor einer denkbar einfachen Wahl: Er führt ihn aus und haftet – oder er führt ihn nicht aus und haftet nicht. Den Bedenken, dass ein Organmitglied zur Ausführung eines Beschlusses verpflichtet sei, ist zu entgegnen, dass eine solche Pflicht nicht in durchsetzbarer Weise besteht. Solange ein Beschluss anfechtbar ist, entfaltet er keine Folgepflicht67; wird er durch Unanfechtbarkeit bestandskräftig, würde die Ausführung aber dennoch gegen zwingendes Recht verstoßen, wäre jede Weisung zur Ausführung unwirksam68 – insbesondere auch bei Weisungen, die sonst zur Haftung des Gesellschafters nach § 64 S. 1 GmbHG führen würden, da es sich bei § 64 GmbHG um eine insolvenzrechtliche Vorschrift handelt69, die somit zumindest auch dem Schutz von Gläubigern dient70. Die einzigen rechtswidrigen Beschlüsse, für die tatsächlich eine Ausführungspflicht besteht, sind solche, die unanfechtbar geworden sind71, deren Ausfüh66 Das Anfechtungsrecht aller Gesellschafter einer GmbH auch ohne eine individuelle Rechtsverletzung ist mittlerweile allgemein anerkannt, vgl. BGHZ, 76, 154, 159; NJW-RR 2009, 706, 708; Lutter/Hommelhoff/Bayer, Anh. § 47 GmbHG Rn. 70; Scholz/K. Schmidt, § 45 GmbHG Rn. 128 f.; Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 168; krit. noch Lehmann, Ergänzende Anwendung des Aktienrechts, 102 f. 67 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 GmbHG Rn. 35. 68 Vgl. Konzen, NJW 1989, 2977, 2982; Scholz/Schneider/Crezelius, § 43 GmbHG Rn. 127. 69 Vgl. Kap. C. Fn. 24. 70 Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 52; vgl. auch Konzen NJW 1989, 2977, 2982. 71 Vgl. Scholz/Schneider/Crezelius, § 43 GmbHG Rn. 130.
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rung aber nicht gegen zwingendes Recht verstößt. Führt der Geschäftsführer aber eine solche bindende Weisung aus, muss er für die Folgen dieser Ausführung nicht haften.72 Somit kommt ein Geschäftsführer eigentlich gar nicht in die Verlegenheit, einen Beschluss ausführen zu müssen, und für die Ausführung haften zu müssen. Probleme ergeben sich für den Geschäftsführer oder das sonst zur Ausführung berufene Organmitglied aber in Zweifelsfragen. Ist sich das Organmitglied hinsichtlich der Rechtmäßigkeit unsicher, dann steht es vor der Wahl: Entweder es führt den Beschluss aus und nimmt die Gefahr auf sich, dass er rechtswidrig ist – oder es führt ihn nicht aus und nimmt die Gefahr auf sich, dass er rechtmäßig ist. Beides ist mit einem Haftungsrisiko verbunden. In der ersten Variante besteht das Risiko einer straf-, ordnungs- und organhaftungsrechtlichen Haftung, in der zweiten jedenfalls das einer organhaftungsrechtlichen73. Genau diese Zwangslage kann § 245 Nr. 5 AktG beseitigen, indem er dem Organmitglied eine Handhabe gibt, Zweifelsfragen durch gerichtliche Klärung aufzulösen.74 Zur Klärung von Zweifelfragen allein wäre aber – wie Römermann richtig anführt – auch eine einfache Feststellungsklage nach § 256 ZPO ausreichend.75 Neben der Beseitigung von Zweifelsfragen erfüllt § 245 Nr. 5 AktG für die AG aber noch die Funktion der Rechtmäßigkeitskontrolle für Hauptversammlungsbeschlüsse.76 Zwar wird die allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle in der AG durch den Vorstand durch § 245 Nr. 4 AktG gewährleistet. Aber § 245 Nr. 5 AktG hat eben auch die Funktion, die einzelnen Organmitglieder in die Pflicht zu nehmen, gegen besonders schwerwiegende Verstöße vorzugehen.77 Dieser Zweck ergibt sich aus dem Wortlaut, welcher eben nicht an eine persönliche Betroffenheit anknüpft, sondern die potentielle Haftung eines jeden Mitglieds ausreichen lässt.78 Dies dient auch unmittelbar der Gesellschaft, da gegen diese bei Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten ihrer Organe gem. § 130 Abs. 1 OWiG ein Bußgeld verhängt werden kann. Durch die Erweiterung der anfechtungsberechtigten Personen § 245 Nr. 5 Akt bei besonders erheblichen Verstößen hat der Gesetzgeber einen Kontrollmechanismus geschaffen, der über die Organe als Zuständigkeitskomplexe und die Aktionäre in Person hinausgeht. Selbst wenn alle Aktionäre und nahezu alle Organmitglieder einen Beschluss befürworten, muss eine Kontrolle durch die wenigen „Andersdenker“ gewährleistet sein, wenn durch den Beschluss ein erheblicher Gesetzesverstoß droht. Aus diesem Grund kann ein Vorstandsmitglied gem. § 245 Nr. 5 AktG mit Wirkung 72
BGH NJW 1979, 1088, 1089; MüKoGmbHG/Fleischer, § 43 GmbHG Rn. 278; Konzen, NJW 1989, 2977, 2982; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 GmbHG Rn. 35. 73 Vgl. MüKoGmbHG/Fleischer, § 37 GmbHG Rn. 122; Bork/Schäfer/Jacoby, § 37 GmbHG Rn. 19. 74 Ähnlich BGHZ 106, 54, 64; MüKoAktG/Hüffer/Schäfer, § 245 AktG Rn. 72; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats, 215. 75 Michalski/Römermann, Anh. § 47 GmbHG Rn. 431. 76 Vgl. MüKoAktG/Hüffer/Schäfer, § 245 AktG Rn. 72. 77 Vgl. M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 617 f. 78 Vgl. M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 617 f.
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inter omnes nach § 248 Abs. 1 S. 1 AktG die Unwirksamkeit eines solchen Beschlusses herbeiführen. Dieser Gedanke, dass die Organmitglieder sowohl im Gesellschaftsinteresse, als auch im allgemeinen, öffentlichen Interesse an der Rechtmäßigkeit des Gesellschaftsverhaltens zur Abwehr erheblicher Rechtsverstöße aktiviert werden sollen, lässt sich ohne Weiteres auf die GmbH übertragen. Es würde ihm aber zuwiderlaufen, wenn die Organmitglieder nur die Möglichkeit hätten, die Rechtswidrigkeit mit inter-partes-Wirkung feststellen zu lassen. Eine allgemeine Feststellungsklage nach § 254 ZPO genügt daher nicht, es muss zur Wirkung des § 248 Abs. 1 AktG analog kommen. Dies geschieht nur bei der Bejahung einer Anfechtungsbefugnis gem. § 245 Nr. 5 AktG. Der Annahme, dass die Klagebefugnis im Interesse der Gesellschaft besteht, steht es nicht entgegen, dass diese nach § 246 Abs. 2 S. 1 AktG die Beklagte ist. Denn § 246 Abs. 2 S. 1 AktG ordnet die Beklagtenrolle nicht aus materiellen Erwägungen an, sondern dient allein der Praktikabilität: Klagen gegen alle Aktionäre sind regelmäßig praktisch unmöglich79, und es soll eine Entscheidung ergehen, die gegenüber allen Aktionären Rechtskraft entfaltet (§ 248 AktG), aber gleichwohl denjenigen Aktionären eine Prozessbeteiligung erspart, die am Rechtsstreit nicht teilnehmen wollen.80 Daher spricht § 246 Abs. 2 S. 1 AktG – der vor dem Hintergrund dieser Erwägungen auch analog für die GmbH gilt81 – nicht dagegen, dass Beschlussmängelstreitigkeiten im Interesse der GmbH geführt werden. Ebenso überzeugend ist das Argument, dass durch § 245 Nr. 5 AktG dem Geschäftsführer die Möglichkeit aus der Hand geschlagen werden soll, sich in späteren Haftungsprozessen auf den bestehenden Beschluss zu berufen82. Ein Geschäftsführer soll sich nicht darauf berufen können, dass er keine Wahl gehabt habe, anders zu handeln, weil er ja den Beschluss hätte ausführen müssen und diesen nicht aus der Welt schaffen konnte. Diese Verteidigungsmöglichkeit wird ihm genommen, wenn er die Möglichkeit hat, den Beschluss anzufechten. Folge ist, dass das Organmitglied selbst zu rechtmäßigem Verhalten angehalten wird, indem es sich nicht auf Unzumutbarkeiten berufen kann. Das Gegenargument, wonach wegen des fehlenden Aufsichtsrats § 246 Abs. 2 S. 3 AktG analog grundsätzlich nicht eingreifen könne und die Wahl eines besonderen Vertreters nicht zum Regelfall bei der Anfechtungsklage werden dürfe,83 überzeugt nicht. Zunächst ist es ebenso denkbar, dass die Gesellschaft von einem 79
Näher M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 295. M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 296. 81 Ausführlich M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 405 ff.; vgl. auch BGH NJW 1981, 1041; Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 217; Michalski/Römermann, Anh. § 47 GmbHG Rn. 486 ff.; Scholz/K. Schmidt, § 45 GmbHG Rn. 148; MüKoGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 GmbHG Rn. 21; a.A. Joost, ZGR 1984, 71, 95 ff. (bei personalistischer GmbH). 82 M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 380. 83 Däubler, GmbHR 1968, 4, 8. 80
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anderen Geschäftsführer vertreten wird. Zudem ist es letztlich willkürlich, die Anfechtungsklage als den Ausnahmefall zu nennen, obgleich es auch andere Klagen gibt, die ein Geschäftsführer gegen die Gesellschaft richten kann. Dies wäre insbesondere auch bei der von der Gegenansicht grundsätzlich befürworteten Feststellungsklage der Fall. Außerdem spricht für die Klagebefugnis des Geschäftsführers eine rein praktische Erwägung: Ist ein Geschäftsführer für die Erhebung einer Anfechtungsklage nicht anfechtungsbefugt, dann fällt ihm bei einer dennoch erfolgenden Klage durch eine Gesellschafterminderheit die Pflicht zu, diesen Beschluss, den er nicht unterstützt, zu verteidigen. Selbst ein weisungsgebundener Geschäftsführer wird nicht in der gleichen, effektiven Weise einen Beschluss verteidigen wie eine Person, die an diesen Beschluss glaubt. Hat der Geschäftsführer aber die Kompetenz, diesen selbst anzugreifen, wird der Beschluss von genau den Personen verteidigt, die ihn stützen: Der Mehrheit der Gesellschafter. Daher ist es vor diesem Hintergrund gerechtfertigt, § 245 Nr. 5 AktG auf die Organmitglieder einer GmbH anzuwenden. Sie sind demnach jedenfalls dann anfechtungsbefugt, wenn sie sich durch die Ausführung des Beschlusses strafbar machen können, eine Ordnungswidrigkeit begehen könnten oder persönlich haften müssten.84 Eine über § 245 Nr. 5 AktG analog hinausgehende Anfechtungsbefugnis, wie sie in unterschiedlicher Form K. Schmidt und Raiser vorschlagen, ist hingegen abzulehnen. Zunächst gibt es für die von K. Schmidt vorgeschlagene allgemeine Anfechtungsbefugnis des Aufsichtsrates als Organ keine Grundlage im Gesetz und sie wäre auch im Aktienrecht nicht ernstlich begründbar.85 Außerdem besteht kein Bedürfnis zu einer weitergehenden Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Organmit84 Solche Fälle sind vor allem in der Insolvenz denkbar, gerade im Hinblick auf § 283 StGB und § 64 S. 1 GmbHG. Gem. § 241 Nr. 3 Var. 2 AktG analog sind Beschlüsse, die gegen Strafoder Ordnungswidrigkeiten verstoßen, bereits wegen Verstoßes gegen ein im öffentlichen Interesse stehendes Gesetz nichtig, vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, § 47 GmbHG, Rn. 103; Scholz/K. Schmidt, § 45 GmbHG Rn. 75; Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 54. Allerdings hat der BGH im Hinblick auf den – insoweit vergleichbaren – § 134 BGB entschieden, dass zu dessen Wirkung sowohl die objektiven als auch die subjektiven Deliktsvoraussetzungen vorliegen müssen, vgl. BGHZ 132, 313, 318. Entsprechend kann dann eine Nichtigkeit nach § 241 Nr. 3 Var. 2 AktG analog auch nicht vorliegen, wenn die Gesellschafter bei der Beschlussfassung keinen deliktischen Vorsatz haben. Hier kann es dann wegen des objektiven Unrechtsgehalts nur zur Anfechtung nach § 243 Abs. 1 AktG kommen, für die dann der Geschäftsführer nach § 245 Nr. 5 AktG analog anfechtungsbefugt wäre. Das wäre dann der Fall, wenn die Gesellschafter – und im Zeitpunkt der Beschlussfassung vielleicht auch die Organmitglieder – die drohende Zahlungsfähigkeit noch nicht kennen. Ebenso wäre ein Fall denkbar, in dem eine Ausführung im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch kein Delikt darstellen würde, sich dies aber zwischen Beschlussfassung und Ausführung ändert. In diesem Komplex spielt auch die persönliche Haftung des Geschäftsführers eine Rolle, da dieser nach § 64 S. 1 GmbHG gegenüber der Gesellschaft persönlich für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife haftet. 85 Baumbach/Hueck/Zöllner, Anh. § 47 GmbHG Rn. 142.
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glieder. Über die Klagerechte der §§ 245 Nr. 5, 249 Abs. 1 S. 186 AktG analog ist bereits eine Überprüfung erheblicher Rechtsverstöße gewährleistet. Dem Geschäftsführer die Möglichkeit zu geben, noch weitere Beschlüsse zu überprüfen, widerspricht der Position der Gesellschafterversammlung als Organ, dem wegen seiner Weisungsbefugnis auch die allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle zustehen muss. Somit sind nach richtiger Ansicht Fremdgeschäftsführer von EinpersonenGmbHs immer und sonstige Geschäftsführer und Aufsichtsräte von GmbHs in Fällen des § 245 Nr. 5 AktG analog für Anfechtungsklagen klagebefugt. Bei der Anfechtungsbefugnis aus § 245 Nr. 5 AktG handelt es sich ausweislich des eindeutigen Wortlautes um eine individualrechtliche Anfechtungsbefugnis und nicht um eine Organbefugnis.87 Entsprechendes muss bei der analogen Anwendung auch für den Geschäftsführer gelten. Demnach ist er selbst Partei der Beschlussmängelstreitigkeit und klagt nicht etwa ein Recht der Gesellschaft ein. Neben der Anfechtungsbefugnis aus § 245 Nr. 5 AktG analog kann den Organmitgliedern durch die Satzung auch eine erweiterte Anfechtungsbefugnis eingeräumt werden.88 Es besteht kein Anlass, die Vertragsfreiheit aus Gründen des objektiven Rechts oder der öffentlichen Ordnung einzuschränken.89 Damit ein Geschäftsführer sein Anfechtungsrecht sinnvoll ausüben kann, darf ihm die Gesellschafterversammlung keine Anweisung geben, die ihm das Erheben einer Klage verbietet. Andernfalls wäre es der Mehrheit der Gesellschafter, die auch den Beschluss getragen hat, ein Leichtes, die Klage des Geschäftsführers trotz seines Rechts oder seiner Pflicht nach § 245 Nr. 5 AktG analog zu verhindern. Ein Beschluss, der eine solche Anweisung beinhaltet, würde § 245 Nr. 5 AktG analog widersprechen. § 245 Nr. 5 AktG gibt Organmitgliedern die Befugnis, vermutete, erhebliche Gesetzesverstöße zu überprüfen. Eine Anweisung, die eine solche Geltendmachung unterbinden soll, greift in diese Kompetenz des Organmitglieds ein. Ein Verstoß gegen die gefestigte Kompetenzordnung stellt einen Verstoß gegen § 241 Nr. 3 AktG dar.90 Trotz der Weisungsbefugnis ist auch bei der GmbH ein solcher Schutz zwingender Kompetenzen durch § 241 Nr. 3 AktG analog91 vorgesehen.92 Die Zuweisung eines Klagerechts durch § 245 Nr. 5 AktG analog muss wegen seiner 86
Vgl. dazu sogleich. Vgl. MüKoAktG/Hüffer/Schäfer, § 245 AktG Rn. 17. 88 AllgM., vgl. Lutter/Hommelhoff/Bayer, Anh. § 47 GmbHG Rn. 76; Scholz/K. Schmidt, § 45 GmbHG Rn. 135; Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 181. 89 Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 181. 90 Vgl. Spindler/Stilz/Würthwein, § 241 AktG Rn. 223. 91 Zur Anwendbarkeit des § 241 Nr. 3 AktG analog auf die GmbH vgl. Baumbach/Hueck/ Zöllner, Anh. § 47 GmbHG Rn. 51 ff.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, Anh. § 47 GmbHG Rn. 16 ff.; Michalski/Römermann, Anh. § 47 GmbHG Rn. 118 f.; Roth/Altmeppen/Roth, § 47 GmbHG Rn. 95. 92 Vgl. Scholz/K. Schmidt, § 45 GmbHG Rn. 71; MüKoGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 GmbHG Rn. 51. 87
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Begrenzung auf erhebliche Gesetzesverstöße als zwingendes Recht der Geschäftsführer eingeordnet werden. Daraus folgt, dass der Beschluss nach § 241 Nr. 3 AktG analog nichtig wäre. (b) Nichtigkeitsklage Nach ganz herrschender Meinung ist bei der Nichtigkeitsklage nach § 249 Abs. 1 S. 1 AktG analog jedes Organmitglied aktivlegitimiert.93 Zum Teil wird indes ohne nähere Begründung das Gegenteil vertreten.94 Grundsätzlich kann bei einer Nichtigkeit ein Interesse aller Beteiligten an der Feststellung bestehen. Bei der Anfechtungsklage mag von Seiten der Gesellschafter ein Interesse daran bestehen, dass diese zur Gewährleistung der Bestandskraft an besondere Voraussetzungen geknüpft ist, also nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 245 Nr. 5 AktG analog angefochten werden kann. Bei der Nichtigkeitsklage besteht dieses Interesse hingegen nicht. Daher ist eine allseitige Geltendmachung ohne besondere Voraussetzungen geboten. Zudem ist die Nichtigkeit nach § 241 AktG analog regelmäßig die Folge erheblicher Rechtsverstöße, sodass auch hier die Organmitglieder zur Klage mobilisiert werden müssen. Somit können alle Organmitglieder die Nichtigkeitsklage nach § 249 Abs. 1 S. 1 AktG analog geltend machen. Eine Anweisung, die Erhebung der Klage zu unterlassen, muss ebenso unwirksam sein wie bei der Anfechtungsklage. (c) Beschlussfeststellungsklage Nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist die positive Beschlussfeststellungsklage. Diese Klage ist für den Fall entwickelt worden, dass ein rechtswidriger ablehnender Beschluss gefasst wurde und bei ordnungsgemäßer Beschlussfassung ein positiver Beschluss gefasst worden wäre.95 Dafür wird eine Anfechtungs- oder eine Nichtigkeitsklage96 gegen den negativen Beschluss mit einer Klage auf positive Feststellung des Beschlussergebnisses verbunden, sodass der zuvor abgelehnte Beschluss als gefasst gilt.97 Die positive Beschlussfeststellungsklage ist für die AG98 und die GmbH99 gleichermaßen anerkannt.
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Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner, Anh. § 47 GmbHG Rn. 212; MüKoGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 GmbHG Rn. 184 f.; Scholz/K. Schmidt, § 45 GmbHG Rn. 134; M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 380 f.; Schwerdtfeger/Alexander, § 47 GmbHG Rn. 61; Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 212; vgl. auch das obiter dictum in BGH NJW 1966, 1458, 1459 („Danach steht die Nichtigkeitsklage ebenso wie die Anfechtungsklage nur den Aktionären, dem Vorstand und den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrats zu. Das gilt sinngemäß auch für die GmbH.“); BGHZ 89, 48, 50 (Bejahung für den obligatorischen Aufsichtsrat, sonst offenlassend). 94 Henssler/Strohn/Drescher, § 249 AktG Rn. 6. 95 Schwerdtfeger/S. Eberl/W. Eberl, Kap. 5 Rn. 463. 96 Vgl. GroßkommAktG/K. Schmidt, 4. Aufl. § 246 Rn. 103. 97 Schwerdtfeger/S. Eberl/W. Eberl, Kap. 5 Rn. 463.
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Rechtsprechung und Literatur schweigen zur Aktivlegitimation des Geschäftsführers oder der Mitglieder von Aufsichtsräten einer GmbH. Für die AG wird vertreten, dass sich die Klagebefugnis mit § 245 AktG deckt,100 bei den entsprechenden Ausführungen aber nur auf die Gesellschafter Bezug genommen101. In der GmbH sind Geschäftsführer und Aufsichtsratsmitglieder außer bei einer EinpersonenGmbH nur in den Fällen des § 245 Nr. 5 AktG analog zur Klage berechtigt. Das Klagerecht ist auf Fälle reduziert, in denen ein Geschäftsführer oder ein Mitglied des Aufsichtsrates durch die Ausführung des Beschlusses eine strafbare Handlung oder eine Ordnungswidrigkeit begehen oder wenn sie ersatzpflichtig werden würden. Ein ablehnender Beschluss kann eine solche Auswirkung gar nicht haben, da er nicht ausgeführt werden muss. Selbst wenn der ablehnende Beschluss darauf gerichtet war, einen vorherigen Beschluss im Sinne des § 245 Nr. 5 AktG aufzuheben, bestünde seitens der Organmitglieder kein Bedürfnis danach, den abgelehnten Beschluss positiv feststellen zu lassen, da der einfachere Weg die Anfechtung des ursprünglichen Beschlusses wäre. Eine Klagebefugnis von Organmitgliedern für eine positive Beschlussfeststellungsklage ist daher abzulehnen. (d) Zwischenergebnis Geschäftsführer und Aufsichtsräte in einer GmbH sind sowohl bei einer Anfechtungs-, als auch einer Nichtigkeitsklage gem. §§ 246, 249 AktG analog klagebefugt. Bei Anfechtungsklagen ergibt sich die Klagebefugnis für Fremdgeschäftsführer von Einpersonen-GmbHs aus § 245 Nr. 4 AktG analog, für sonstige Geschäftsführer und Aufsichtsräte aus § 245 Nr. 5 AktG analog. Bei Nichtigkeitsklagen ergibt sich dies einfach aus § 249 AktG analog. Bei der positiven Beschlussfeststellungsklage besteht hingegen kein Klagerecht. (2) „Schiedsfähigkeit“ von Gesellschafterbeschlüssen einer GmbH Die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten in GmbHs wurde in der Literatur und Rechtsprechung lange diskutiert. Dabei hat die Rechtsprechung ihre ganze Aufmerksamkeit den Gesellschaftern gewidmet, ohne die Besonderheiten der Beteiligung von Organmitgliedern zu benennen. Im Folgenden soll die Entwicklung der Rechtsprechung dargestellt und anschließend im Hinblick auf die Besonderheiten der Beteiligung von Organmitgliedern analysiert werden.
98 Vgl. BGH NJW 1465, 1467; Heer, ZIP 2012, 803 ff.; GroßkommAktG/K. Schmidt, 4. Aufl., § 246 AktG Rn. 98 ff.; K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 246 AktG Rn. 43 ff. 99 Vgl. BGH NJW 1984, 489, 491 f.; Michalski/Römermann, Anh. § 47 GmbHG Rn. 567 ff.; MüKoGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 GmbHG Rn. 283; Schwerdtfeger/S. Eberl/ W. Eberl, Kap. 5 Rn. 463. 100 Vgl. Heer, ZIP 2012, 803, 805; GroßKommAktG/K. Schmidt, 4. Aufl., § 246 AktG Rn. 108. 101 Vgl. Heer, ZIP 2012, 803, 805 f.
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(a) Frühe Entwicklungen In seinen ersten Entscheidungen zu dieser Problematik setzte sich der BGH in desinteressiert wirkender Kürze mit dem Thema der Verhandelbarkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten vor Schiedsgerichten auseinander. In einem Urteil aus dem Jahr 1951 folgerte der BGH aus der ausschließlichen Zuständigkeit der Landgerichte für Beschlussmängelstreitigkeiten nach § 246 Abs. 3 S. 1 AktG die Unzulässigkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens, da sich hieraus die ausschließliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit ergebe und daher die Parteien von Beschlussmängelstreitigkeiten keine Vergleichsbefugnis im Sinne des § 1025 ZPO a.F.102 hätten.103 In einer späteren Entscheidung lehnte der BGH die Vergleichsbefugnis ohne nähere Begründung ab.104 In einer weiteren Entscheidung ging es im Kern ebenfalls um einen Gesellschafterbeschluss bei einer GmbH als Streitgegenstand im Schiedsverfahren; dabei wurden die §§ 241 ff. AktG aber überhaupt nicht erwähnt, sondern eine einfache Feststellungsklage bemüht, da nur die Feststellung der Unwirksamkeit im Verhältnis zwischen zwei Gesellschaftern begehrt worden war.105 Dadurch vermied der BGH eine Auseinandersetzung mit den bis dahin noch ungeklärten Fragen. Für die Beteiligung von Organmitgliedern am Schiedsverfahren hat keine dieser Entscheidungen einen Erkenntniswert. (b) „Schiedsfähigkeit I“ Erst im Jahr 1996 kam es zur sogenannten „Schiedsfähigkeit I“-Entscheidung des BGH106, in welcher er sich das erste Mal fundiert mit seiner vorangegangenen Rechtsprechung und den tatsächlich aufgeworfenen schiedsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Fragen auseinandersetzte. Zunächst erkannte der BGH zu Recht, dass die Regelung der ausschließlichen Zuständigkeit gem. § 246 Abs. 3 S. 1 AktG keine Rolle spielte, da diese nur die Binnenzuständigkeit im ordentlichen Rechtsweg regelt, aber keinen Zwang für die ordentliche Gerichtsbarkeit an sich anordnet.107 Zudem bejahte er die grundsätzliche Vergleichsbefugnis und damit die Schiedsfähigkeit der Beschlussmängelstreitigkeit nach § 1025 ZPO a.F. wegen Ermangelung eines staatlichen Rechtsprechungsmonopols.108
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Vgl. Kap. C. Fn. 14 zur Schiedsfähigkeit nach altem Recht. Vgl. BGH DB 1951, 700 (bezogen auf die AG). 104 Vgl. BGH WM 1966, 1132, 1132. 105 Vgl. BGH NJW 1979, 2567; mit Anm. Kornmeier, DB 1980, 193 ff. 106 BGHZ 132, 278; mit Anm. Bork, ZHR 160 (1996), 374 ff.; Ebenroth/Bohne, BB 1996, 1393 ff.; Schlosser, JZ 1996, 1020 ff.; vgl. auch Kühn, FS Böckstiegel (2001), 443 ff.; Reichert, FS Ulmer (2003), 511 ff. 107 Vgl. BGHZ 132, 278, 281; so schon Kornmeier, DB 1980, 193, 194 f.; Henze, ZGR 1988, 542, 550; Petermann, BB 1996, 277, 277 f.; K. Schmidt, ZGR 1988, 523, 526 f.; ders., AG 1995, 551, 551 ff.; zust. Reichert, FS Ulmer (2003), 511, 514 f. 108 Vgl. BGHZ 132, 278, 280 f.; so schon K. Schmidt, ZGR 1988, 523, 528 f.; zuvor dagegen noch Henze, ZGR 1988, 542, 552 ff. zust. Reichert, FS Ulmer (2003), 511, 535. 103
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
Er setzte sich auch mit der sogenannten „subjektiven Vergleichsbefugnis“ auseinander. Nach § 1025 Abs. 1 ZPO a.F. mussten nämlich gerade die Parteien des Rechtsstreits berechtigt sein, einen Vergleich über den Streitgegenstand zu schließen. Die Beklagte sei jedoch die Gesellschaft, die Vergleichsbefugnis liege bei der Gesamtheit der Gesellschafter; diese fehlende Identität sei aber durch das Verbandsrecht überbrückt.109 Dennoch lehnte der BGH in dieser Entscheidung die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens für Beschlussmängel ab. Dagegen bestünden Bedenken, die nur durch den Gesetzgeber überwunden werden könnten.110 Zum einen sei die für die Funktionsfähigkeit der Klagen nach §§ 241 ff. AktG notwendige Rechtskraftregel des § 248 Abs. 1 S. 1 (i.V.m. § 249 Abs. 1 S. 1) AktG nicht auf Schiedsgerichte übertragbar. Diese – sowie die Konzentrationsregel des § 246 Abs. 3 S. 6 AktG – solle gewährleisten, dass widersprüchliche Entscheidungen vermieden würden und dass die (einzige) Entscheidung durch einen staatlichen Richter gefällt würde, dessen Unparteilichkeit garantiert sei.111 Zudem spreche der Wortlaut des § 1040 ZPO a.F. (§ 1055 ZPO) dagegen, da sich aus diesem nur eine Rechtskraftwirkung des Schiedsspruchs inter partes ergebe und der Wortlaut keinen Anknüpfungspunkt für die erweiterte Rechtskraft enthielte.112 Des Weiteren könne § 246 Abs. 3 S. 6 AktG – der die Konzentration mehrerer Beschlussmängelstreitigkeiten anordnet – nicht sinnvoll auf Schiedsgerichte angewendet werden, da die funktionalen Unterschiede zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten, insbesondere die Auswahl der Schiedsrichter durch die Partei, dies nicht erlaubten.113 (c) „Schiedsfähigkeit II“ Mit der viel beachteten114„Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung aus dem Jahr 2009115 entwickelte der BGH die Rechtsprechung aus der „Schiedsfähigkeit I“Entscheidung einerseits zwar weiter, rückte im Ergebnis aber davon ab – dies mag zunächst widersprüchlich erscheinen, ergibt sich aber daraus, dass die zweite Entscheidung nur ein konsequenter zweiter Schritt war116. Der BGH bejahte auch hier eine analoge Anwendung der §§ 241 ff. AktG auf die GmbH und erkannte knapp die 109
Vgl. BGHZ 132, 278, 283 ff.; so schon K. Schmidt, ZGR 1988, 523, 531, krit. Reichert, FS Ulmer (2003), 511, 516; abl. Petermann, BB 1996, 277, 280 ff. 110 Vgl. BGHZ 132, 278, 281. 111 Vgl. BGHZ 132, 278, 285 f. 112 Vgl. BGHZ 132, 278, 286. 113 Vgl. BGHZ 132, 278, 287 ff.; vgl. dagegen Timm, ZIP 1996, 445, 448 ff. für eine privatautonome Regelung des Verfahrens. Grundlegend zur privatautonomen Gestaltung K. Schmidt, ZGR 1988, 523 ff. 114 Vgl. Besprechungen von Goette, GWR 2009, 103 ff.; Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247 ff.; Müller, GmbHR 2010, 729 ff.; Münch, ZZP 123 (2010), 3 ff.; Nietsch, ZIP 2009, 2269 ff.; Riegger/Wilske, ZGR 2010, 733 ff.; Wolff, NJW 2009, 2021 ff. 115 BGHZ 180, 221 ff. 116 Vgl. Münch, ZZP 123 (2010), 3, 10 f.
II. Streitigkeiten
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grundsätzliche Schiedsfähigkeit nach § 1025 Abs. 1 ZPO a.F. und nach § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO an, ohne dies zu begründen.117 Mit der Entscheidung folgte der BGH dem Auftrag des Gesetzgebers. Zwar hatte dieser nach der „Schiedsfähigkeit I“-Entscheidung durch das SchiedsVfG das Schiedsverfahrensrecht grundlegend novelliert. Fragen zu Mehrparteienverfahren ließ er jedoch bewusst offen, da sie einer gesetzlichen Regelung nicht zugänglich seien und durch die Rechtsprechung konturiert werden müssten.118 Dies spezifizierte die Gesetzesbegründung auch ausdrücklich für Beschlussmängelstreitigkeiten.119 Der BGH brach mit der Auffassung, dass § 248 Abs. 1 S. 1 AktG im Schiedsverfahren keine Anwendung finden könne. Vielmehr sei es möglich, dessen Wirkung durch eine dies analog im Gesellschaftsvertrag festschreibende Schiedsvereinbarung120 oder eine außerhalb der Satzung unter Mitwirkung aller Gesellschafter und der Gesellschaft getroffene Individualabrede anzuordnen.121 Dies gelte nur unter der „Voraussetzung einer dem Rechtsschutz durch staatliche Gerichte gleichwertigen Ausgestaltung des schiedsgerichtlichen Verfahrens, die für sämtliche ihm unterworfenen Gesellschafter einen am Maßstab des § 138 BGB zu messenden […] Mindeststandard an Mitwirkungsrechten und damit Rechtsschutzmöglichkeiten sicherstellen muss.“122
Diese Gleichwertigkeit müsse gem. § 138 BGB durch eine entsprechende Ausgestaltung der Schiedsklausel erreicht werden, welcher dem wesentlichen Grundsätzen und Maßstäben der Rechtsordnung gegenüber einem Missbrauch der Vertragsfreiheit Achtung verschaffen soll.123 Aus § 138 BGB ergeben sich daher folgende Kriterien: „(1) Die Schiedsabrede muss grundsätzlich mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter in der Satzung verankert sein; alternativ reicht eine außerhalb der Satzung unter Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter und der Gesellschaft getroffene Absprache voraus. (2) Jeder Gesellschafter muss – neben den Gesellschaftsorganen – über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt werden, dem Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten […]. (3) Sämtliche Gesellschafter müssen an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, sofern nicht die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgt; im Rahmen der Beteiligung mehrerer Gesellschafter auf einer Seite des Streitverhältnisses kann dabei grundsätzlich das Mehrheitsprinzip zur Anwendung gebracht werden […].
117 118 119 120 121 122 123
Vgl. BGHZ 180, 221, 224 f. BT-Drucks. 13/5274, 26. BT-Drucks. 13/5274, 35. Gemeint ist eine Schiedsanordnung im Sinne des § 1066 ZPO, vgl. D.I.2., S. 128. BGHZ 180, 221, 224. BGHZ 180, 221, 226. BGHZ 180, 221, 227 f.; vgl. auch schon Timm, ZIP 1996, 445, 448.
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften (4) Schließlich muss gewährleistet sein, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei einem Schiedsgericht konzentriert werden.“124
(d) Bewertung der vom BGH entwickelten Voraussetzungen Für den verständigen Leser der Entscheidungen ist unmittelbar ersichtlich, dass beide „Schiedsfähigkeit“-Entscheidungen im Kern überhaupt nichts mit der objektiven Schiedsfähigkeit nach § 1025 Abs. 1 ZPO a.F./§ 1030 Abs. 1 ZPO zu tun haben125, da diese in beiden Entscheidungen – zu Recht – knapp bejaht wird. Nicht umsonst setzte der BGH den Begriff „schiedsfähig“ im Leitsatz der Entscheidung in Anführungszeichen126, die implizieren, dass er den Begriff untechnisch verwendet. Beschlussmängelstreitigkeiten sind gesellschaftsrechtlich, folglich auch vermögensrechtlich und damit gem. § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO schiedsfähig. Die Verwendung des Begriffs der „Schiedsfähigkeit“ durch den BGH ist daher irreführend. In beiden Entscheidungen geht es vielmehr hauptsächlich um die Voraussetzungen der analogen Anwendung von § 248 Abs. 1 S. 1 (i.V.m. § 249 Abs. 1 S. 1) AktG und § 246 Abs. 3 S. 6 AktG auf Schiedsgerichte. Die Schiedsfähigkeit im engeren Sinne ist von den Kriterien, die der BGH aufgestellt hat, unabhängig. Sind die Kriterien nicht erfüllt, so bleibt die Streitigkeit schiedsfähig im Sinne des § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO, es fehlt aber wegen § 138 BGB an einer tauglichen Schiedsgrundlage. Der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung ist im Hinblick auf diese grundsätzlichen Erwägungen zuzustimmen: Es überzeugt, die Möglichkeit eines Schiedsverfahrens an die Möglichkeit der Wirkungen von §§ 248 Abs. 1 S. 1, 246 Abs. 3 S. 6 AktG zu knüpfen, da diese zwingende Voraussetzung für ein Funktionieren der Anfechtungsund Nichtigkeitsklage ist, weil widersprüchliche Urteile zu immensen Unklarheiten führen würden.127 Die Anwendbarkeit setzt richtigerweise die Gleichwertigkeit von Schiedsverfahren und Gerichtsverfahren voraus, da §§ 248 Abs. 1 S. 1, 246 Abs. 3 S. 6 AktG auf staatliche Gerichte zugeschnitten sind.128 Während staatliche Gerichte durch die ZPO und sonstige Verfahrensvorschriften determiniert sind, sind Schiedsgerichte zwar einerseits flexibler, ihre Eignung für bestimmte Verfahrenstypen ist aber stark von der individuellen Organisation des schiedsgerichtlichen Verfahrens abhängig. Die Verfahrensorganisation liegt im Schiedsverfahren bei den Parteien, die diese durch die Schiedsvereinbarung ausüben. Somit kann die Gleichwertigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit mit der staatlichen Gerichtsbarkeit nur durch eine entsprechende Ausgestaltung der Schiedsgrundlage herbeigeführt werden.
124
BGHZ 180, 221, 228 f. (Gliederung durch den Bearbeiter hinzugefügt). Vgl. Bechte-Horbach, Schiedsverfahren bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten, 42; Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 250 f.; Wolff, NJW 2009, 2021, 2021 f. 126 BGHZ 180, 221. 127 Vgl. Reichert, FS Ulmer (2003), 511, 519; krit. Ebbing, NZG 1998, 281, 285 f. 128 Vgl. Wolff, NJW 2009, 2021, 2021; auch Berger, ZHR 164 (2000), 295, 299. 125
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Die vom BGH aufgestellten Kriterien an die Schiedsvereinbarung decken sich in Teilen bereits mit zuvor in der Literatur129 herausgearbeiteten Anforderungen an Schiedsvereinbarungen. Sie wurden allerdings auf den ersten Blick nur im Hinblick auf die Beteiligung von Gesellschaftern am Verfahren entwickelt. (aa) Wirkungserstreckung der Schiedsgrundlage Als erstes Kriterium nannte der BGH, dass die Schiedsklausel in der Satzung grundsätzlich mit der Zustimmung aller Gesellschafter verankert sein müsse oder alternativ eine Schiedsvereinbarung außerhalb der Satzung unter Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter und der Gesellschaft abgeschlossen werden müsse. Bei der Bewertung dieses Kriteriums ist weniger interessant, dass der BGH die Einstimmigkeit beim Einfügen der Schiedsklausel in die Satzung zum Kriterium gemacht hat, da diese, wie sich später zeigen wird130, ohnehin zwingende Voraussetzung für die Aufnahme einer jeden satzungsmäßigen Schiedsklausel mit Wirkung für die Gesellschafter ist. Durch dieses Kriterium hat der BGH vor allem das in der „Schiedsfähigkeit I“Entscheidung aufgestellte Postulat fortgeführt, dass ein Schiedsgericht nur über solche Streitigkeiten zwischen den Parteien entscheiden kann, die sich seiner Zuständigkeit auch unterworfen haben.131 Wenn ein Schiedsgericht analog §§ 248 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1 S. 1 AktG für alle, auch die nicht am Verfahren beteiligten, klagebefugten Personen eine bindende Entscheidung treffen soll, dann muss die Bindungswirkung des Schiedsspruches auch über die Parteien des Verfahrens hinaus für alle klagebefugten Personen legitimiert sein.132 Wenn man dem Kriterium nun diesen Zweck zu Grunde legt, versteht man auch besser, warum der BGH die Einstimmigkeit bei der Einführung der statutarischen Schiedsklausel verlangt hat: In der „Körbuch“-Entscheidung133, die vor „Schiedsfähigkeit II“ ergangen ist, deutete der BGH an, dass eine statutarische Schiedsklausel zwar auch ohne Einstimmigkeit in eine Satzung aufgenommen werden könne, dann aber nur für die Gesellschafter greife, die ihr zugestimmt haben.134 Es wird sich zwar zeigen, dass eine solche relative Wirkung abzulehnen ist135, für den Moment genügt 129 Vgl. Bender, DB 1998, 1900, 1901 ff.; Berger, ZHR 164 (2000), 295, 299 ff.; Bork, ZHR 160 (1996), 374, 382 ff.; Kühn, FS Böckstiegel (2001), 443, 457 ff.; Lenz, GmbHR 2000, 552, 554 f.; Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253, 297 ff.; Nicklisch, FS Böckstiegel (2001), 567, 569 ff.; Reichert, FS Ulmer (2003), 511, 522 ff.; Schneider, GmbHR 2005, 86, 87 ff. 130 D.I.3.c)aa), S. 162 ff. 131 BGHZ 132, 278, 284 („Schiedsfähigkeit I“); vgl. auch Müller, GmbHR 2010, 729, 730; Münch, ZZP 123 (2010), 3, 19 f.; Nicklisch, FS Böckstiegel (2001), 567, 575; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Schiedsbindung ohne freiwillige Unterwerfung vgl. aber D.I.3.b)cc)(2)(c)(bb) ff., S. 149 ff. 132 Vgl. Wolff, NJW 2009, 2021, 2022. 133 BGHZ 144, 146 ff. 134 Vgl. BGHZ 144, 146, 147; ausführlich dazu D.I.3.c)aa)(1), S. 162. 135 Vgl. D.I.3.c)aa)(2), S. 164 f.
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aber die Feststellung, dass der BGH nicht etwa eine allgemeine Vorgabe für die Aufnahme von Schiedsklauseln in die Satzung aufgestellt hat, sondern nur im Lichte seiner vorherigen Rechtsprechung konkrete Anforderungen für die Schiedsklauseln bezüglich Beschlussmängelstreitigkeiten gemacht hat. Um den Anforderungen des BGH Genüge zu tun, bedarf es demnach entweder einer einstimmigen Satzungsänderung, einer Aufnahme der Schiedsklausel bei der Gründung oder eines Abschlusses eines Schiedsvertrages zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft – eine Erstreckung auf Organmitglieder ist nicht gefordert. Wenn eine Vereinbarung außerhalb der Satzung geschlossen wird, muss die Gesellschaft am Vertragsschluss mitwirken, um von ihr erfasst zu werden, bestenfalls indem sämtliche Gesellschafter ihre Vertragserklärung mit dem Beschluss verbinden, den Geschäftsführer zum Abschluss der Schiedsvereinbarung anzuweisen.136 Die rein dogmatische Kritik an diesem Kriterium, die vorbringt, dass ein Rückgriff auf § 138 Abs. 1 BGB überflüssig sei, weil Unbeteiligte ohnehin ausgeklammert seien,137 ist abzulehnen. Sie verkennt, dass gerade bei Schiedsabreden, die nicht von allen Gesellschaftern abgeschlossen wurden, die Gefahr widersprüchlicher Urteile entsteht, wenn die unbeteiligten Gesellschafter selbst versuchen, den Beschluss anzugreifen. Das würde deren Rechtsschutzmöglichkeit entwerten und somit zu ihren Lasten gehen. Es genügt daher nicht, die Rechtskraft auf die Beteiligten zu begrenzen, vielmehr muss zum Schutz der Unbeteiligten die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung wegen Drittbenachteiligung auch für die Beteiligten festgestellt werden. Das erste Kriterium hat der BGH demnach entworfen, damit das Schiedsgericht auch legitimiert werden kann, eine auch über die Parteien des Verfahrens hinweg bindende Entscheidung zu treffen. (bb) Beteiligungsmöglichkeit Die zweite Voraussetzung für eine für Beschlussmängel wirksame Schiedsabrede ist die Notwendigkeit einer Regelung über die Beteiligung aller möglichen Parteien. Die Möglichkeit einer Beteiligung setzt zwei Elemente voraus: Informationen über das Verfahren und die Möglichkeit des Beitritts. Da Schiedsverfahren im Gegensatz zu Gerichtsverfahren grundsätzlich vertraulich sind, können sich die Gesellschafter sonst nicht auf dem Laufenden halten. Daher ist es überzeugend, dieses Kriterium zur zwingenden Voraussetzung zu ma-
136
Vgl. Nietsch, ZIP 2009, 2269, 2272; Goette, GWR 2009, 103, 104; Riegger/Wilske, ZGR 2010, 733, 742, Fn. 43. 137 Münch, ZZP 123 (2010), 3, 20; vgl. auch Voit, FS Werner (2009), 544, 551; Wolff, NJW 2009, 2021, 2022.
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chen.138 Die Informationspflicht trifft in erster Linie die Gesellschaft, vertreten durch den Geschäftsführer.139 Die Nebenintervention ist bei Gerichtsverfahren nach §§ 246 Abs. 4 S. 2, 249 Abs. 1 S. 1 AktG grundsätzlich möglich, daher muss zur Erreichung der Gleichwertigkeit für das Schiedsverfahren diese auch für das Schiedsgericht ermöglicht werden. Zur Nebenintervention selber ist in den Schiedsverfahrensregeln der ZPO nichts geregelt, sie ist aber im Rahmen der schiedsrichterlichen Ermessensausübung über das Verfahren grundsätzlich zulässig.140 Der BGH fordert indes, dass die Schiedsvereinbarung eine für das Schiedsgericht bindende Regelung über die Zulässigkeit der Nebenintervention gem. §§ 66 ff. ZPO enthält. Da andernfalls die Gleichwertigkeit nicht gewährleistet wäre, ist dieses Kriterium also zwingend notwendig.141 (cc) Besetzung des Schiedsgerichts Kritischer zu bewerten ist die Maßgabe des BGHs, dass bei der Besetzung des Schiedsgerichts alle Gesellschafter mitwirken können müssen. Wenn man bedenkt, dass der BGH durch seine Kriterien die Gleichwertigkeit von Schiedsverfahren und Gerichtsverfahren herbeiführen wollte, mutet diese Voraussetzung merkwürdig an. Es führt nicht zur Gleichwertigkeit zwischen staatlichem und schiedsgerichtlichem Verfahren,142 weil im staatlichen Verfahren überhaupt keine Auswahl des Richters vorgesehen ist – der erste Kläger bekommt den Richter, der nach dem Geschäftsplan zuständig ist, alle weiteren bekommen den gleichen Richter wegen der Konzentration nach § 246 Abs. 3 S. 6 AktG (analog). Dieses Kriterium lässt sich anders besser herleiten, nämlich aus der Bedeutung des Auswahlrechts für die Durchführung des Schiedsverfahrens. Das Recht auf die Auswahl des Schiedsrichters wird sogar als prozessuales „Grundrecht“143 der Parteien bezeichnet, es kommt ihm aber jedenfalls erhebliche Bedeutung zu, da es einen gewichtigen Grund für die Wahl des Schiedsverfahrens über das gerichtliche Verfahren darstellt.144 Der BGH ließ bei der Auswahl des Schiedsrichters die – unproblematisch zulässige145 – Auswahl durch eine neutrale Stelle sowie eine Entscheidung durch die 138
So schon Reichert, FS Ulmer (2003), 511, 523; vgl. auch Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 302; Münch, ZZP 123 (2010), 3, 20. 139 Goette, GWR 2009, 103, 104 f. 140 Vgl. Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 255 f. 141 Vgl. Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 302; Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 255 f.; Wolff, NJW 2009, 2021, 2022; auch Berger, ZHR 164 (2000), 295, 315 f. 142 So aber Münch, ZZP 123 (2010), 3, 21; Schneider, GmbHR 2005, 86, 87. 143 Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 308; Ebenroth/Bohne, BB 1996, 1393, 1397; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2818; Wolff, NJW 2009, 2021, 2023; krit. Markfort, MehrparteienSchiedsgerichtsbarkeit, 98 ff. 144 Vgl. auch Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 253. 145 Vgl. Bayer, ZIP 2003, 881, 889; Berger, ZHR 164 (2000), 295, 305; Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 308; Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 254 f.; Müller, GmbHR Münch, ZZP 123 (2010),
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
Mehrheit der Gesellschafter zu. Richtigerweise sind damit nur die klagenden Gesellschafter gemeint.146 Zwar können auf Beklagtenseite auch die den Beschluss stützenden Gesellschafter als notwendige Streitgenossen beitreten; hier kann es aber genügen, wenn die beklagte GmbH, vertreten durch die von der Gesellschafterversammlung angewiesene Geschäftsführung, den Parteischiedsrichter wählt.147 Beim Gesellschafterbeschluss dürfen dann die klagenden Gesellschafter gem. § 47 Abs. 5 S. 2 Alt. 2 GmbHG natürlich nicht mitwirken.148 Ein Abschluss durch die Gesellschafterversammlung genügt auf Beklagtenseite, denn selbst wenn die den Beschluss stützenden Gesellschafter auf dieser Seite dem Verfahren beitreten, ist es kaum denkbar, dass diese hier anders stimmen würden als beim Gesellschafterbeschluss über die Anweisung des Geschäftsführers.149 Dies deckt sich auch mit den aufgestellten Kriterien: zwar beschränkt sich der BGH nicht auf die Klägerseite150, verlangt aber auch nicht, dass die Durchführung der Mehrheitsentscheidung auf beiden Seiten auf die gleiche Art stattfinden muss. Durchaus problematisch wird es teilweise bewertet, dass der BGH eine Mehrheitsentscheidung ausreichen ließ. Vor der Entscheidung wurde die Möglichkeit einer Mehrheitsentscheidung von der Literatur abgelehnt151.152 Der BGH entschied sich gegen den Einigungszwang und lässt seither den Mehrheitsentscheid ausreichen. Eine Begründung unterblieb in der Entscheidung selbst, stattdessen verwies der BGH auf ein vorangegangenes Urteil, die „Schutzgemeinschaftsvertrag II“-Entscheidung153. Demnach ist eine Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag einer „Schutzgemeinschaft“, einer als Innen-GbR ausgestalteten Gruppe von Aktionären von Familien, welche die einheitliche Rechtsausübung aus gegenwärtigen und künftigen Beteiligungen der Mitglieder an dem Familienunternehmen sicherstellen soll, zulässig.154 Diese Übertragung von gesellschaftsrechtlichen Erwägungen auf
3, 21; Nicklisch, FS Böckstiegel (2001), 567, 571; Nietsch, ZIP 2009, 2269, 2275; Schlosser, JZ 1996, 1020, 1021. Nach Ebbing geht es sogar so weit, dass die Schiedsrichterbenennung einem Dritten übertragen werden müsse, andernfalls sei die Schiedsvereinbarung unwirksam, NZG 1998, 281, 287. 146 Goette, GWR 2009, 103, 105; vgl. Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 254. 147 Vgl. Berger, ZHR 164 (2000), 295, 310; Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 254, Fn. 105; Nietsch, ZIP 2009, 2269, 2276. 148 Vgl. Bayer, ZIP 2003, 881, 890; Berger, ZHR 164 (2000), 295, 310; Reichert, FS Ulmer (2003), 511, 527 f. 149 Vgl. Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 254, Fn. 105. 150 Der genaue Wortlaut lautet: „im Rahmen der Beteiligung mehrerer Gesellschafter auf einer Seite des Streitverhältnisses“, BGHZ 180, 221, 229. 151 Vgl. Bayer, ZIP 2003, 881, 889 f.; Bender, DB 1998, 1900, 1902; Ebenroth/Bohne, BB 1996, 1393, 1397; Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253, 285 ff. 152 Zweifelnd noch BGHZ 132, 278, 287 f. („Schiedsfähigkeit I“); diff. Berger, ZHR 164 (2000), 295, 307 ff. 153 BGH NJW 2009, 669 ff. 154 Vgl. BGH NJW 2009, 669, 670 f.; auch Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 254.
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diesen prozessualen Kontext scheint der Praktikabilität geschuldet zu sein155 und soll verhindern, dass es einzelnen Gesellschaftern ermöglicht wird, das Verfahren durch Zustimmungsverweigerung zu behindern156. Gegen die Möglichkeit einer Mehrheitsentscheidung wurde Kritik laut, weil dadurch zu Lasten der Minderheit eine Ungleichgewichtslage im Hinblick auf die Bedeutung des Rechts auf die Schiedsrichterauswahl geschaffen würde.157 Das Recht auf Auswahl des Schiedsrichters, so wichtig es auch für das Schiedsverfahren ist, darf allerdings nicht zum Selbstzweck verkommen. Die Mehrheitsentscheidung überzeugt, wenn man sich die Funktion der Schiedsrichterauswahl vor Augen führt: Der Gedanke ist, dass die Parteien sich einen Schiedsrichter suchen, der sowohl die fachliche Kompetenz für die konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen hat und der auswählenden Partei jedenfalls tendenziell gewogen ist. Auf Seite der klagenden Personen im Beschlussmängelstreit besteht regelmäßig eine Interessengemeinschaft, die Entscheidung für oder wider einen Schiedsrichter ist daher von den gleichen Erwägungen abhängig. Die individuellen Interessen und Gründe für die Klage mögen voneinander abweichen, das Rechtsschutzziel ist jedoch zwingend das gleiche. Wenn die Mehrheit sich für einen Schiedsrichter entscheidet, ist damit keine erhebliche Benachteiligung der Minderheit verbunden, da wegen des weitgehenden Interessengleichlaufs die Auswahl weitgehend den Interessen der Minderheit entspricht. Außerdem wäre es widersprüchlich, wenn man den Parteien erlaubte, ihre Entscheidung komplett in die Hand Dritter zu legen, nicht aber einem Mitgesellschafter zu überlassen, der allein oder zusammen mit anderen über eine Mehrheit verfügt.158 Die vom BGH geforderten Kriterien für die Besetzung des Schiedsgerichts überzeugen demnach ebenfalls. (dd) Konzentration Die von der Rechtsprechung geforderte Konzentration aller Beschlussmängelstreitigkeiten über den gleichen Streitgegenstand beim selben Schiedsgericht ist notwendig, damit gewährleistet ist, dass ein Streitgegenstand nicht unterschiedlich entschieden werden kann. Entsprechend müssen Vorkehrungen geschaffen werden, die dies verhindern. Eine Bestimmung der Schiedsgrundlage ist notwendig; es genügt nicht, sich insoweit auf eine Analogie zu § 246 Abs. 3 S. 6 AktG zu stützen159. Die Adressaten von § 246 Abs. 3 S. 6 AktG sind die Gerichte, im Falle einer analogen Anwendung die Schiedsgerichte. Die Schiedsgerichte selbst können eine solche Konzentration aber nicht herbeiführen. Um eine Konzentration im Verhältnis von Schiedsgerichten 155
Vgl. Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 254. Vgl. Goette, GWR 2009, 103, 105. 157 Vgl. Wolff, NJW 2009, 2021, 2023; abl. auch Münch, ZZP 123 (2010), 3, 21; Voit, FS Werner (2009), 544, 554 f.; krit. Nietsch, ZIP 2009, 2269, 2276 f. 158 Müller, GmbHR 2010, 729, 733. 159 So wohl Münch, ZZP (2010), 3, 22. 156
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
und staatlichen Gerichten zu gewährleisten, ist ein Parteihandeln notwendig. Ist bereits ein Schiedsverfahren anhängig, wird das staatliche Gericht ohne Zutun der Parteien vom (vertraulichen) Schiedsverfahren nichts erfahren und entsprechend § 246 Abs. 3 S. 6 AktG nicht anwenden. Daher muss die beklagte Gesellschaft durch die Schiedsvereinbarung verpflichtet werden, in einem solchen Fall die Einrede der Schiedsvereinbarung (§ 1032 Abs. 1 ZPO) zu erheben.160 Mehrere Klagen vor unterschiedlichen Schiedsgerichten werden dadurch verhindert, dass entsprechend § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO für die Dauer der Schiedshängigkeit die Streitsache nicht vor einem anderen Schiedsgericht erhoben werden kann.161 Der Umfang der Sperrwirkung richtet sich nach den subjektiven Grenzen der Rechtskraft, welche wegen § 248 Abs. 1 S. 1 AktG (analog) entsprechend weit bemessen sind.162 Die pauschale Forderung des BGH, dass die Schiedsgrundlage immer die Konzentration gewährleisten müsse, wurde in der Literatur kritisiert.163 Viel mehr bedürfe es einer Einzelfallbetrachtung, da etwa in einer Drei-Personen-GmbH, in der ein Gesellschafter gegen einen von der Mehrheit der Mehrheitsgesellschafter getroffenen Beschluss vorgeht, keine Gefahr einer mehrheitlichen Klage bestünde, da es nur zu einer möglichen Klage durch die Gesellschaft kommen könne164.165 Ein Wettlauf der (Schieds-)Gerichte drohe praktisch nur in Publikumsgesellschaften.166 In der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung versuchte der BGH, dieser Kritik zuvorzukommen, indem er forderte, dass die „Entscheidung über die Einhaltung rechtsstaatlicher Mindeststandards […] nicht vom Zufall abhängen“ dürfe.167 Dort, wo Rechtsschutzdefizite von vornherein nicht auftreten können, ist ein Festhalten an dieser verallgemeinernden Regel überzogen. Dies deckt sich auch ausdrücklich mit dem gesetzgeberischen Auftrag an die Rechtsprechung, die Problematik von Mehrpersonenverfahren „angesichts ihrer Vielschichtigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht weiterhin der Lösung durch die Rechtsprechung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls [zu] überlassen“168.169 Dort wo von vornherein also nur eine Klage einer einzigen Partei in Frage kommt, wäre es aus rechtlicher Sicht eigentlich nicht erforderlich, dass die Schiedsgrundlage eine Konzentrationsvorschrift enthält. 160
Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 303; Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 254, 257; Nietsch, ZIP 2009, 2269, 2274. 161 Vgl. Bayer, ZIP 2003, 881, 885; Berger, ZHR 164 (2000), 295, 310 f.; Bork, ZHR 160 (1996), 374, 380. 162 Vgl. Bayer, ZIP 2003, 881, 885; Berger, ZHR 164 (2000), 295, 311; Bork, ZHR 160 (1996), 374, 380; vgl. auch Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 303. 163 Vgl. Versin, GmbHR 2015, 969, 972 f. 164 So auch OLG Düsseldorf, NZG 2004, 916, 920. 165 Vgl. Versin, GmbHR 2015, 969, 972. 166 Versin, GmbHR 2015, 969, 972. 167 BGHZ 180, 221, 231; zust. Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 256 f. 168 BT-Dr. 13/5274, S. 35. 169 Versin, GmbHR 2015, 969, 973.
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Dennoch wäre es allein aus praktischen Gründen verfehlt, bei der Erstellung einer Schiedsgrundlage auf ein solches Kriterium zu verzichten. Der BGH hat der hier vertretenen Ansicht ausdrücklich eine Absage erteilt. Es wäre also bestenfalls kühn, sich dennoch in Trotz zu üben. Daher sollte jede Schiedsgrundlage eine entsprechende Konzentrationsvorschrift enthalten. (e) Organmitglieder als Partei? Der BGH ließ bei der Ausformulierung seiner Voraussetzungen die Beteiligung eines Organmitglieds als Kläger einer Beschlussmängelstreitigkeit weitgehend außer Acht. Im zweiten Kriterium formulierte er zwar, dass die Gesellschaftsorgane über den Fortgang des Verfahrens informiert werden müssten170, verlangte aber nicht etwa, dass die Organmitglieder selbst Partei einer Schiedsgrundlage sein müssten, die über die Beschlussmängelstreitigkeit geschlossen wird171. Aus der Formulierung des BGH wird nicht eindeutig klar, ob die Gesellschaftsorgane nur informiert werden sollen, oder ob sie sich auch an dem Verfahren zumindest als Nebenintervenienten beteiligen können sollen. Und wenn die Gesellschaftsorgane sich an dem Verfahren beteiligen können sollen, meint der BGH damit die Organe als Zuständigkeitskomplexe172 oder ihre Mitglieder als mit der Gesellschaft korporationsrechtlich verbundene, aber nicht identische Rechtssubjekte? Die Rechtskraft nach § 248 Abs. 1 S. 1 AktG (analog) erstreckt sich nämlich nicht nur – wie in der Literatur immer wieder behauptet wird173 – auf die Gesellschafter, die Gesellschaftsorgane und die Gesellschaft, sondern auf die Gesellschafter, die Gesellschaftsorganmitglieder und die Gesellschaft. Diese Unterscheidung ist mehr als nur eine terminologische, da etwa § 245 Nr. 4 und 5 AktG zwischen einem organschaftlichem Anfechtungsrecht des Vorstands und dem individuellen Anfechtungsrecht seiner Mitglieder differenzieren. Eine Schiedsbindung des Organs Geschäftsführung174 ließe sich ohne Weiteres begründen, da man es als ein durch die Organisation begründeten Zuständigkeitskomplex zwanglos quasi als Teil der Gesellschaft über diese als mitgebunden betrachten kann. Das Organmitglied ist jedoch weder mit dem Organ, noch mit der Gesellschaft identisch. Die Inhaberschaft einer Organstellung ist eine Rechtsstellung einer natürlichen Person.175 Diese natürliche Person ist auch Partei 170 BGHZ 180, 221, 228 f.: „Jeder Gesellschafter muss – neben den Gesellschaftsorganen – über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt werden, dem Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten“. 171 BGHZ 180, 221, 228: „Die Schiedsabrede muss grundsätzlich mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter in der Satzung verankert sein; alternativ reicht eine außerhalb der Satzung unter Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter und der Gesellschaft getroffene Absprache voraus.“ 172 Vgl. A.III.3., S. 23. 173 Vgl. Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 249; Lenz, GmbHR 2000, 552, 553; Petermann, BB 1996, 277, 278. 174 Dieses ist gem. § 245 Nr. 4 AktG (analog) nur in einer Einpersonen-GmbH mit Fremdgeschäftsführern anfechtungsberechtigt, vgl. C.II.1.b)cc)(1)(a)(ff), S. 47. 175 Vgl. Wolff, Organschaft, Bd. 2, 230 f.
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
des Verfahrens, wenn sie nach § 245 Nr. 5 AktG klagt, denn dabei handelt es sich um eine individuelle Klagebefugnis.176 Daher stellt sich die Frage, ob auch diese natürliche Person schiedsgebunden sein muss, damit die Gleichwertigkeit zwischen dem staatlichen und dem privaten Verfahren gewährleistet ist. Vielleicht sah es der BGH aber auch als Selbstverständlichkeit an, dass Organmitglieder auch individuell an alle Schiedsgrundlagen gebunden sind, an die auch die Gesellschaft gebunden ist. Die allseitige Schiedsbindung der Gesellschaft und der Gesellschafter, die der BGH fordert, ergibt sich aus der richtigen Erwägung, dass ein Schiedsspruch nur solche Parteien binden kann, für die auch die Zuständigkeit des Schiedsgerichts begründet wurde. Die Parteien der Schiedsgrundlage und des Schiedsverfahrens müssen identisch sein, weil Schiedsgerichten im Unterschied zu staatlichen Gerichten die Legitimation fehlt, Recht in Streitigkeiten zwischen Parteien zu sprechen, die sich ihrer Entscheidung nicht unterworfen haben.177 Für die Organmitglieder hat der BGH also diese zwei Fragen offengelassen: Muss das Organmitglied überhaupt an die Schiedsgrundlage gebunden sein? Und unter welchen Umständen ist eine solche Schiedsbindung für Beschlussmängelstreitigkeiten anzunehmen? Das überrascht wenig, weil der BGH die Anfechtungsbefugnis von Organmitgliedern einer GmbH trotz dafür sprechender guter Gründe bis jetzt noch nicht ausdrücklich bejaht hat.178 Doch selbst der BGH hat die Klagebefugnis von obligatorischen Aufsichtsratsmitgliedern einer GmbH für die Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG analog anerkannt,179 sodass jedenfalls vor diesem Hintergrund eine Auseinandersetzung mit der Beteiligung von Organmitgliedern am Schiedsverfahren geboten gewesen wäre. Es mag auch daran liegen, dass in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt der Geschäftsführer der beklagten GmbH selbst Gesellschafter war und es daher wohl nicht entscheidungserheblich schien. Zunächst ist also der Frage nachzugehen, ob ein Organmitglied für die Beschlussmängelstreitigkeit überhaupt schiedsgebunden sein muss. Mit dieser hat sich die Literatur bis dato kaum auseinandergesetzt. Die Besprechungen der Entscheidung gehen zwar meistens bei der Auseinandersetzung mit dem ersten Kriterium auf den Grundsatz ein, dass Schiedsvereinbarungen grundsätzlich nur ihre Parteien binden180, mit der Beteiligung der Organmitglieder als Partei setzen sie sich aber nicht auseinander. In der für Beschlussmängelstreitigkeiten entworfenen Schiedsklausel der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS), welche grundsätzlich empfohlen wird181, finden die Mitglieder der Gesellschaftsorgane hin176
Vgl. C.II.1.b)cc)(1)(a)(ff), S. 47. Vgl. BGHZ 132, 278, 284 („Schiedsfähigkeit I“). 178 Vgl. Kap. C. Fn. 64, 65. 179 Vgl. BGHZ 89, 48, 50. 180 Vgl. Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 252 f. 181 Eingehend zu dieser Borris, SchiedsVZ 2009, 299 ff., der als Mitglied des DIS-Ausschusses Musterklauseln die Musterklausel mit erarbeitet hat; Optimierungsvorschläge bei von Hase, BB 2011, 1993 ff. 177
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sichtlich der Schiedsbindung und der Rechtskrafterstreckung keine Erwähnung.182 Sie sind auch nicht als Betroffene aufgeführt, denn Betroffene im Sinne der Klausel sind nur die Gesellschafter und die Gesellschaft selbst.183 Wieder kann diese Klausel so verstanden werden, dass die Verfasser wie selbstverständlich der Ansicht waren, dass die Organmitglieder ohnehin über die Gesellschaft schiedsgebunden sind, also nicht erwähnt werden müssen. Dies steht jedoch jedenfalls für vertraglichen Schiedsvereinbarungen mit Dritten im Widerspruch zur herrschenden Meinung in der Literatur, wonach die Organmitglieder ohne eigene Zustimmung nicht an vertragliche Schiedsvereinbarungen gebunden werden können.184 Daher ist es wahrscheinlich, dass die Verfasser sich mit der Frage, ob Organmitglieder schiedsgebunden sein müssen, nicht auseinandergesetzt haben. Soweit die Literatur sich überhaupt hiermit auseinandersetzt, wird weitgehend vertreten, dass diese nicht an die Schiedsgrundlage gebunden werden müssten.185 Reichert geht dabei davon aus, dass diese Schiedsbindung nicht notwendig sei, weil die Geschäftsführer ohnehin nicht klagebefugt seien186, was jedoch bereits widerlegt wurde. Er führt weiterhin aus, dass sie, wenn sie klagebefugt wären, nicht von der Rechtskraft nach § 248 Abs. 1 S. 1 erfasst sein müssten. Das der Gesellschaft auferlegte Gebot, den Schiedsspruch zu beachten, gelte auch für deren Organe, und zwar 182 „1. Alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern im Zusammenhang mit diesem Gesellschaftsvertrag oder über seine Gültigkeit werden nach der Schiedsgerichtsordnung (DIS-SchO) und den Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (DIS-ERGeS) der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig entschieden. 2. Die Wirkungen des Schiedsspruchs erstrecken sich auch auf die Gesellschafter, die fristgemäß als Betroffene benannt werden, unabhängig davon, ob sie von der ihnen eingeräumten Möglichkeit, dem schiedsrichterlichen Verfahren als Partei oder Nebenintervenient beizutreten, Gebrauch gemacht haben (§ 11 DIS-ERGeS). Die fristgemäß als Betroffene benannten Gesellschafter verpflichten sich, die Wirkungen eines nach Maßgabe der Bestimmungen in den DIS-ERGeS ergangenen Schiedsspruchs anzuerkennen. 3. Ausgeschiedene Gesellschafter bleiben an diese Schiedsvereinbarung gebunden. 4. Die Gesellschaft hat gegenüber Klagen, die gegen sie vor einem staatlichen Gericht anhängig gemacht werden und Streitigkeiten betreffen, die gemäß Ziffer 1 der Schiedsvereinbarung unterfallen, stets die Einrede der Schiedsvereinbarung zu erheben.“, vgl. http://www. dis-arb.de/de/16/regeln/dis-erg%C3 %A4nzende-regeln-f%C3 %BCr-gesellschaftsrechtlichestreitigkeiten-09-erges-id5, Stand April 2017. 183 Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 306. 184 Vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 506; Müller/Keilmann, SchiedsVZ 2007, 113, 116; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 203; Schwab/Walter, Kap. 7 Rn. 35; Musielak/Voit/Voit, § 1029 ZPO, Rn. 8; eine ausführliche Auseinandersetzung mit diesem Thema ist hier noch nicht geboten, da es nur um die Frage geht, ob ein Organmitglied schiedsgebunden sein muss, nicht wie es schiedsgebunden wird. Konkret zu dieser Frage vgl. daher erst E.III.1.a)bb), S. 274. 185 Vgl. Berger, ZHR 164 (2000), 295, 302 f.; Bechte-Horbach, Schiedsverfahren bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten, 39 f.; Reichert, FS Ulmer (2003), 511, 521. 186 Reichert, FS Ulmer (2003), 511, 521.
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kraft Innenrechts, nicht wegen der Rechtskraft.187 Berger hat hingegen vertreten, dass die Zustimmung eines Geschäftsführers für § 248 Abs. 1 S. 1 AktG analog nicht erforderlich sei, da die Bindung (sprich Rechtskraftwirkung, nicht Schiedsbindung) nicht originärer Natur sei, denn soweit der Geschäftsführer für die Gesellschaft handele, beruhe die Bindung auf seiner Organstellung; darüber hinaus sei sie für ihn als Privatperson unerheblich.188 Allein Müller hat in einem einzigen Satz189 die Wirksamkeit einer nicht satzungsmäßigen Schiedsvereinbarung vom Beitritt der Organmitglieder abhängig gemacht. Die Argumentation Bergers verträgt sich nicht mit der individuellen Klageberechtigung des Geschäftsführers, die diesem individuell in seiner Person und nicht „als Organ“ zusteht. Dafür muss man sich nur mal vor Augen führen, dass die Kosten einer Klage durch Organmitglieder nach § 245 Nr. 5 AktG in direkter Anwendung zunächst vom Organmitglied selbst getragen werden müssen und nur ein Anspruch gegen die Gesellschaft auf Ersatz der Kosten besteht.190 Klagt ein Organmitglied, ist es also immer auch privat betroffen. Reichert und Bechte-Horbach ist zunächst vorzuwerfen, dass sie die Unterscheidung zwischen dem Organmitglied und dem Organ missachten191. Der Wortlaut von § 248 Abs. 1 S. 1 AktG ist allerdings schon ein Indikator dafür, dass sich die Rechtskraft nicht etwa vorrangig auf das Organ als organisationsrechtlichen Zuständigkeitskomplex erstreckt, sondern auf die Organmitglieder. § 248 Abs. 1 S. 1 AktG führt nämlich die Organe nicht einmal auf. Dass diese an die Rechtskraft gebunden sind, folgt daraus, dass das Urteil gegen die beklagte Gesellschaft wirkt, deren Organe sie sind.192 Die Begründung, warum dies auch bei der analogen Anwendung gelten muss, setzt aber eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Funktion der Rechtskraft von §§ 248 Abs. 1 S. 1, 249 AktG voraus (aa), an die sich dann eine Darstellung der Probleme anschließen soll, die ohne die Erstreckung der Rechtskraft und der Schiedsbindung für das Schiedsverfahren bestünden (bb). (aa) Funktion der Rechtskraft gem. §§ 248 Abs. 1 S. 1, 249 AktG Bei der Funktion der Rechtskraft nach §§ 248 Abs. 1 S. 1, 249 AktG ist zwischen der Nichtigkeitsklage und der Anfechtungsklage zu unterscheiden. Im Aktienrecht 187 Reichert, FS Ulmer (2003), 511, 521; zust. Bechte-Horbach, Schiedsverfahren bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten, 39 f. 188 Vgl. Berger, ZHR 164 (2000), 295, 302 f. 189 Müller, GmbHR 2010, 729, 731: „Die organschaftlichen Vertreter der Gesellschaft sind auch so berechtigt und verpflichtet, der Gesellschaftervereinbarung durch ihren Beitritt zur Wirksamkeit zu verhelfen.“. 190 Vgl. MüKoAktG/Hüffer/Schäfer, § 245 AktG Rn. 76; ausführlich zum Kostenersatzanspruch vgl. D.II.1.b)dd), S. 189. 191 Vgl. A.III.3, S. 23. 192 MüKoAktG/Hüffer/Schäfer, § 248 AktG Rn. 25.
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gilt § 248 Abs. 1 S. 1 AktG sowohl für die Anfechtungsklage als auch für die Nichtigkeitsklage über Hauptversammlungsbeschlüsse. (a) Nichtigkeitsklage, §§ 248, 249 AktG Dass § 248 Abs. 1 S. 1 AktG i.V.m. § 249 Abs. 1 AktG auf die Nichtigkeitsklage Anwendung findet, erschließt sich recht schnell: Durch die Nichtigkeitsklage wird nur der materielle Rechtszustand festgestellt193, diese Feststellung soll für die fol-
193 H.M.; vgl. BGH NJW 1952, 98; BGHZ 32, 318, 322; Spindler/Stilz/Dörr, § 249 AktG Rn. 2 ff.; MüKoAktG/Hüffer/Schäfer, § 249 AktG Rn. 4; K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 249 AktG Rn. 1; M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 270 ff.; Sosnitza, NZG 1998, 335; Hölters/Englisch, § 249 AktG Rn. 2. Die auf K. Schmidt zurückgehende Ansicht (zunächst in AG 1977, 205 ff., dann ausführlich in JZ 1988, 729 ff.; zust. Kindl, ZGR 2000, 166, 172 f.; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse, 92 ff.), auch die Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG sei eine Gestaltungsklage, mag indes nicht überzeugen. Diese auf Kipps „Lehre von der Doppelwirkung im Recht“ (vgl. Kipp, FS v. Martitz [1901], 211 ff) aufbauende Ansicht geht davon aus, dass die Urteilswirkung einer Nichtigkeitsklage einen neben dem Nichtigkeitsgrund stehenden zusätzlichen Nichtigkeitsgrund liefert (vgl. K. Schmidt, JZ 1988, 729, 732 f.). Als materieller Anknüpfungspunkt für diese zusätzliche Nichtigkeit wird (wohl) § 241 Nr. 5 AktG analog angeführt (vgl. GroßKommAktG/K. Schmidt, 4. Aufl. § 249 AktG Rn. 4). Eine direkte Anwendung des § 241 Nr. 5 AktG scheidet schon wegen des Wortlauts aus. Für eine Analogie fehlt jedoch die notwendige Regelungslücke: Ein Hauptversammlungsbeschluss, über den ein stattgebendes Urteil nach § 249 AktG gefällt ist, ist hierfür bereits nach einem anderen Tatbestand des § 241 AktG nichtig, sodass für die erneute (parallele) Begründung der Nichtigkeit kein Bedürfnis besteht – zu diskutieren, ob ein Hauptversammlungsbeschluss wegen der Lehre von der Doppelwirkung im Recht auf Grund mehrerer Nichtigkeitstatbestände nichtig sein kann, ist müßig, wenn es bereits an einem zweiten Nichtigkeitstatbestand fehlt. Es überzeugt ebenso nicht, dass nur dann, wenn die Nichtigkeitsklage eine Gestaltungsklage ist, die von der ganz h.M. angenommene Einheitlichkeit des Streitgegenstands von Nichtigkeits- und Anfechtungsklage begründet werden kann (vgl. K. Schmidt, JZ 1988, 729, 733 f.). Das Urteil, das eine Leistungsklage rechtskräftig abweist, führt zur rechtskräftigen Feststellung, dass der geltend gemachte Anspruch nicht besteht. Das gleiche Ergebnis kann der Beklagte mit Hilfe einer negativen Feststellungsklage erreichen. Beide Urteile würden dazu führen, dass eine zweite Leistungs- oder Feststellungsklage wegen Rechtskraft unzulässig wäre. Wenn aber die Rechtskraft beider Urteile den gleichen Umfang hat, kann der Streitgegenstand nicht unterschiedlich sein. Und wenn bei Leistungsklage und Feststellungsklage der Streitgegenstand ausgetauscht werden kann, dann leuchtet kaum ein, weswegen für die Gestaltungsklage etwas anderes gelten sollte (M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 273 f.) Ein weiteres Argument für die Nichtigkeitsklage als Gestaltungsklage sei, dass diese nach §§ 249, 246 Abs. 1 AktG gegen die Gesellschaft zu richten sei; Feststellungsklagen könnten von jedermann mit Feststellungsinteresse geltend gemacht werden, Gestaltungsklagen nur gegen eine bestimmte Partei und nur mit Klagebefugnis (vgl. K. Schmidt, JZ 1988, 729, 733). Diese Begrenzung auf einen einzelnen Beklagten lässt sich jedoch ohne Weiteres auch mit anderen Erwägungen erklären: Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit ist es geboten, dass im Verhältnis zwischen den Gesellschaftern, der Gesellschaft und der Organmitglieder eine unterschiedliche rechtliche Bewertung desselben Hauptversammlungsbeschlusses ausgeschlossen ist. Die Rechtskraftwirkung des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG gewährleistet, dass dies auch bei einer Klage allein gegen die Gesellschaft ohne irgendeine Beteiligung der anderen Betroffenen erreicht wird (vgl. bereits C.II.1.b)cc)(1)(a)(ff), S. 47).
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genden Entscheidungen anderer Gerichte auch dann bindend sein, wenn die Parteien des neuen Verfahrens nicht Parteien des alten Verfahrens waren – das gebietet die Rechtsklarheit. Die Rechtskraft feststellender Urteile wirkt allerdings nicht absolut. Nach herrschender Meinung wirkt Rechtskraft nur zwischen den Parteien194 bzw. soweit das Gesetz die Rechtskraft darüber hinaus anordnet195. Eine Rechtskraft gegenüber Dritten ist nach herrschender Meinung nicht vorgesehen, es sei denn, das Gesetz ordnet diese ausdrücklich an.196 Würde man nun mit Reichert und BechteHorbach annehmen, dass die Rechtskrafterstreckung nach §§ 248, 249 AktG sich nicht auf den Geschäftsführer als Individualperson erstrecken müsse, weil der Geschäftsführer als Organ über die Gesellschaft gebunden sei, dann wären die Entscheidung des Gerichts über die Nichtigkeit eines Beschlusses zwar zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft – und mit dieser dem Organ – rechtskräftig festgestellt, aber nicht im Verhältnis zum Geschäftsführer selbst. Man stelle sich folgenden Fall vor: Die Gesellschafterversammlung erlässt mit einfacher Mehrheit einen Beschluss, der bei näherer Betrachtung sittenwidrig und daher nichtig sein könnte. Der Geschäftsführer ist sich unsicher und führt den Beschluss nicht aus, unternimmt aber nichts weiter. Die unterlegene Minderheit klagt gegen diesen Beschluss und bekommt Recht. Die Nichtigkeit des Beschlusses wird rechtskräftig festgestellt. Die obsiegende Mehrheit ist von dem Urteil nicht überzeugt. Weil sie meint, dass bei Ausführung des Beschlusses ein erheblicher Vermögensvorteil für die Gesellschaft entstanden wäre, verklagt nun die Mehrheit der Gesellschafterversammlung gem. § 46 Nr. 8 AktG den Geschäftsführer auf Schadensersatz, weil er den Beschluss nicht ausgeführt hat. Im Prozess bringt der Geschäftsführer vor, er habe den Beschluss nicht ausführen müssen, weil dieser unwirksam gewesen sei. Die Gesellschaft, vertreten durch die Gesellschafterversammlung, ist anderer Ansicht. Dass die Wirkungen eines Anfechtungsurteils und eines Nichtigkeitsurteils identisch seien (vgl. K. Schmidt, JZ 1988, 729, 735), stimmt so pauschal auch nicht. Dafür muss man sich betrachten, wie die materielle Rechtslage ist, wenn diese Urteile nach Eintritt der Rechtskraft gem. § 590 ZPO aufgehoben werden (vgl. Musielak/Voit/Musielak, § 580 ZPO Rn. 3). Die Aufhebung eines Anfechtungsurteils hätte zur Folge, dass der Nichtigkeitstatbestand des § 241 Nr. 5 AktG nicht erfüllt wäre, der angefochtene Beschluss also nicht mehr nichtig wäre. Als „nur“ rechtswidriger Beschluss würde er wegen des abschließenden Katalogs des § 241 AktG aber noch Wirkung entfalten. Die Aufhebung des Nichtigkeitsurteils hätte allerdings keine materielle Auswirkung. Der Hauptversammlungsbeschluss ist hier unabhängig vom Urteil nichtig, durch die Aufhebung des Urteils wäre ein anderes Gericht aber nicht mehr nach § 248 Abs. 1 S. 1 AktG an diese Feststellung gebunden, sondern dürfte wegen fehlender materieller Rechtskraft eine eigene Prüfung der Nichtigkeit vornehmen. Letztlich wird man feststellen müssen, dass weder der Wortlaut (§ 249 Abs. 1 S. 1 AktG spricht von Feststellung) noch die Systematik der §§ 241 ff. AktG einen Anknüpfungspunkt dafür bieten, die Nichtigkeitsklage als Gestaltungsurteil zu klassifizieren. 194 Rosenberg/Schwab/Walter, § 156 Rn. 1. 195 Rosenberg/Schwab/Walter, § 156 Rn. 5. 196 Vgl. BGH NJW 1996, 395, 396; NJW 2011, 2048 f.; MüKoZPO/Gottwald, § 325 ZPO Rn. 3 ff.; Rosenberg/Schwab/Walter, § 156 Rn. 35 ff.; Musielak/Voit/Musielak, § 325 ZPO Rn. 2 f.; a.A. grundlegend Schwab ZZP 77 (1964), 124 ff. (Lehre von der Drittwirkung der Rechtskraft).
II. Streitigkeiten
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Wenn man nun annähme, dass sich die Rechtskraft nach §§ 248, 249 AktG (analog) in der GmbH nicht auf den Geschäftsführer erstreckt, dann wäre bei der Prüfung der Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführers zu prüfen, ob dieser den Beschluss hätte ausführen müssen, also ob dieser wirksam war. Die vorherige Feststellung wäre zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer nicht bindend. Das neue Gericht wäre nicht gehindert, eine neue Bewertung der Rechtslage vorzunehmen und dabei zum Ergebnis zu kommen, dass der Beschluss nicht sittenwidrig war. Wo ist die Rechtsklarheit? Eine solche doppelte Prüfung zwischen den materiell Beteiligten gilt es gerade durch § 248 AktG zu verhindern. Natürlich muss daher die materielle Rechtskraft der Nichtigkeitsklage auch im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer als Organmitglied, nicht nur als Organ wirken. (b) Anfechtungsklage, § 248 Abs. 1 S. 1 AktG Die Funktion der materiellen Rechtskraft von § 248 Abs. 1 S. 1 AktG für die Anfechtungsklage ist wiederum nicht direkt schlüssig. Hier wird durch das Urteil wegen § 241 Nr. 5 AktG die materielle Rechtslage direkt verändert.197 Ein Zweitgericht, dass in einer Folgeentscheidung die Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses als Vorfrage überprüfen muss, kann sich dabei also auf § 241 Nr. 5 AktG in Verbindung mit dem Anfechtungsurteil des Erstgerichts stützen. Das Gericht kommt durch eine eigene Prüfung der Rechtslage zum Ergebnis der Nichtigkeit, nicht durch die Bindung an die Vorentscheidung. Das Zweitgericht muss sich gar nicht auf § 248 Abs. 1 S. 1 AktG stützen. Die herrschende Meinung folgert aus der materiellen Rechtskraft des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG bei der Anfechtungsklage, dass die genannten Personen keine erneute Klage über den gleichen Klagegenstand erheben können, da diese wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig wäre.198 Dem ist sicherlich zuzustimmen, tatsächlich sind die Einzelfolgen des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG aber etwas umfangreicher. Dafür muss man sich nur die materielle Rechtskraftwirkung von Gestaltungsurteilen im Allgemeinen anschauen: Nach mittlerweile herrschende Meinung geht mit einem Gestaltungsurteil die Feststellung einher, dass im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein Anspruch auf Rechtsgestaltung vorlag. Diese Feststellung erwächst in Rechtskraft.199 Übertragen auf die Anfechtungsklage bedeutet dies, dass im Rahmen einer sonstigen Streitigkeit der festgestellte Beschlussmangel bindend
197 Vgl. Spindler/Stilz/Dörr, § 248 AktG Rn. 6; Hölters/Englisch, § 248 AktG Rn. 8; Hüffer/Koch, § 248 AktG Rn. 5; insoweit auch GroßKommAktG/K. Schmidt, 4. Aufl., § 248 Rn. 12; ders., AG 1977, 205, 206 f. unklar MüKoAktG/Hüffer/Schäfer, § 248 AktG, die in Rn. 12 auch auf eine Gestaltungswirkung durch § 241 Nr. 5 AktG abstellen, aber in Rn. 3 eine Möglichkeit der relativen Nichtigkeit ohne Beachtung des § 241 Nr. 5 AktG anzudeuten scheinen. 198 MüKoAktG/Hüffer/Schäfer, § 248 AktG Rn. 26; Hüffer/Koch, § 248 AktG Rn. 8; Hölters/Englisch, § 248 AktG Rn. 22. 199 Rosenberg/Schwab/Gottlieb, § 91 Rn. 16 m.w.N.
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
festgestellt ist.200 Diese Feststellung ist für alle in § 248 Abs. 1 S. 1 AktG genannten Personen bindend.201 Es gibt keinen Grund, warum diese Bindung für ein Vorstandsmitglied oder Aufsichtsratsmitglied einer AG bindend sein soll, für einen Geschäftsführer analog aber nicht, die Interessenlage ist insoweit identisch. (c) Zwischenergebnis Folglich müssen auch die Organmitglieder einer GmbH gem. § 248 Abs. 1 S. 1 (i.V.m. § 249 Abs. 1) AktG analog von der Rechtskraft einer Beschlussmängelstreitigkeit erfasst werden. (bb) Probleme bei fehlender Schiedsbindung Nach richtiger Ansicht sind auch Organmitglieder einer GmbH individuell von der Rechtskraft von Beschlussmängelstreitigkeiten erfasst. Daher ist es nur konsequent, dass diese auch schiedsgebunden sein müssen. Wie die Situation wäre, wenn sie klagebefugt, aber nicht schiedsgebunden wären, zeigt sich jetzt. (a) Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruches auf die Organmitglieder? Das Schiedsverfahren ist mit dem Gerichtsverfahren nur gleichwertig, wenn es in gleicher Weise von allen Personen bemüht werden kann, auf die sich anschließend auch die Rechtskraft erstrecken soll. Das ergibt sich daraus, dass die Rechtskraftwirkung nach § 248 Abs. 1 S. 1 AktG alle nach § 245 AktG anfechtungsberechtigten Personen erfasst. Solange eine Schiedsgrundlage aber die klageberechtigten Organmitglieder nicht erfasst, sind sie weder Partei noch Adressat, und können daher auch nicht am Schiedsverfahren als Partei teilnehmen. Wenn sie aber nicht Partei des Schiedsverfahrens sind oder sein können, kann ein Schiedsspruch sie auch nicht nach § 248 Abs. 1 S. 1 AktG analog binden. (b) Keine Erstreckung der Schiedsgrundlage auf das Organmitglied als Problem der Verfahrenskonzentration Wenn das Organ nicht schiedsgebunden ist, dann ergeben sich Probleme bei der Herbeiführung der Konzentration. Die Konzentration vor dem Schiedsgericht wird dadurch herbeigeführt, dass gegen alle gerichtlichen Klagen, die über den Beschlussmangel geführt werden sollen, die Klage der Schiedseinrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO erhoben werden soll.202 Ausgehend von der Prämisse, dass Organmitglieder selbst aktivlegitimiert sind, können diese auch im eigenen Namen und aus eigenem Recht gegen die Gesellschaft nach § 246 Abs. 2 S. 1 AktG klagen. Wenn die Organmitglieder nun vor einem staatlichen Gericht klagen würden, könnte die Gesellschaft die Einrede nicht erheben, weil diese bereits eine Schiedsbindung der 200 GroßKommAktG/K. Schmidt, 4. Aufl. § 248 Rn. 14; i.E. auch K. Schmidt/Lutter/ Schwab, § 248 AktG Rn. 3. 201 Vgl. GroßKommAktG/K. Schmidt, 4. Aufl., § 248 Rn. 13. 202 Vgl. C.II.1.b)cc)(2)(d)(dd), S. 63.
II. Streitigkeiten
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anderen Partei voraussetzt.203 Ein Organmitglied hätte die Möglichkeit, neben einem bereits laufenden Schiedsverfahren eine Klage vor einem staatlichen Gericht zu erheben und es gäbe seitens der Gesellschaft keine Möglichkeit, dieses durch das Erheben der Einrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO zu verhindern. Auch die Einrede der entgegenstehenden Rechtshängigkeit kann nicht erhoben werden, da diese nach herrschender Meinung im Verhältnis zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten nicht greift.204 Somit wird es der Gesellschaft nicht möglich sein, eine Konzentration des Verfahrens vor den staatlichen Gerichten zu erzwingen, wenn das Organmitglied nicht an die Schiedsgrundlage gebunden ist. Die Gesellschaft hätte demnach sonst nicht einmal die Möglichkeit, die Klage vor dem staatlichen Gericht mit der Einrede der Rechtskraft als unzulässig aburteilen zu lassen, wenn das Schiedsverfahren zeitlich vor dem staatlichen Gerichtsverfahren enden würde. Da die Schiedsgrundlage nicht für das Organmitglied gelten würde, würde ein Schiedsspruch für dieses auch nicht in Rechtskraft erwachsen. Umgekehrt würde das Urteil vor dem staatlichen Gericht, welches ja unabhängig vom Schiedsgericht gefällt wird, nach §§ 248 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1 S. 1 AktG analog selbst für die Gesellschafter im Schiedsverfahren Rechtskraft entfalten.205 Es käme somit zu einem Wettlauf der Verfahren. Genau diese Situation versuchen die §§ 246 Abs. 3 S. 6, 249 Abs. 2 S. 1 AktG zu vermeiden206. Eine gleichartige Verfahrenskonzentration kann jedoch – wie soeben dargelegt – im Schiedsverfahren nach den Kriterien des BGH gar nicht gewährleistet werden. Solange die Schiedsgrundlage nicht das Organmitglied erfasst, besteht somit die Gefahr widersprüchlicher Urteile. (c) Vertretung der Gesellschaft bei Schiedsklage und Parallelklage durch Geschäftsführer Weitere Probleme könnten sich auch im Hinblick auf die Vertretung der Gesellschaft ergeben, wenn diese entweder in einem Parallelverfahren vor einem staatlichen Gericht oder direkt vor einem Schiedsgericht von ihrem Geschäftsführer verklagt wird. Grundsätzlich wird eine GmbH bei einem Prozess gem. § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG von ihrem bzw. ihren Geschäftsführer(n) vertreten. Dies gilt unverändert auch für Beschlussmängelstreitigkeiten.207 Der Kläger kann jedoch nicht gleichzeitig für den Beklagten vertretungsberechtigt sein, sodass für diese Klagen die organschaftliche 203
Vgl. bereits A.II., S. 21. Vgl. BGH NJW 1958, 380; Schwab/Walter, Kap. 16 Rn. 4; MüKoZPO/Münch, § 1044 ZPO Rn. 29; Zöller/Geimer, § 1044 ZPO Rn. 5. 205 Zu dieser Folge bei Konkurrenz zwischen staatlichem und privatem Verfahren Nietsch, ZIP 2009, 2269, 2274. 206 BGHZ 132, 278, 285 („Schiedsfähigkeit I“); K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 246 AktG Rn. 34; Spindler/Stilz/Dörr, § 249 AktG Rn. 24. 207 Vgl. BGH NJW 1981, 1041; Lutter/Hommelhoff/Bayer, Anh. § 47 GmbHG Rn. 32; Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 218; Michalski/Römermann, Anh. § 47 GmbHG Rn. 490; MüKoGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 GmbHG Rn. 213. 204
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
Vertretungsbefugnis entfällt.208 Führt der Wegfall der Vertretungsbefugnis zur Führungslosigkeit der Gesellschaft, kann diese zwar von den Gesellschaftern nach § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG passiv vertreten werden, eine Aktivvertretung in Gestalt von Prozesshandlungen kommt aber wegen des Fehlens einer subsidiären Selbstorganschaft nicht in Frage.209 Dafür können die Gesellschafter nach § 46 Nr. 8 GmbHG einen besonderen Vertreter berufen.210 Solange eine solche Berufung noch nicht vorgenommen wurde, kann bei Verfahren vor staatlichen Gerichten ein Prozesspfleger nach § 57 ZPO und gegebenenfalls ein Notgeschäftsführer unter entsprechender Anwendung des § 29 BGB211 bestellt werden.212 Eine Vertretung durch den (fakultativen oder obligatorischen) Aufsichtsrat ist für Beschlussmängelstreitigkeiten immer ausgeschlossen.213 Solange ein Geschäftsführer alleine vor einem staatlichen Gericht gegen die Gesellschaft klagt, ist die Vertretung der Gesellschaft durch gesellschaftsrechtliche und zivilprozessuale Instrumente gewährleistet. Nach § 1062 Abs. 4 i.V.m. § 1050 ZPO ist auch im Schiedsverfahren die Einsetzung eines Prozesspflegers214 oder eines Notgeschäftsführers durch das staatliche Gericht möglich. Klagt ein Geschäftsführer direkt vor einem Schiedsgericht, ist die Vertretung also ebenso wie vor dem staatlichen Gericht gewährleistet. Richtig problematisch wird es, wenn der Geschäftsführer – grundsätzlich zulässig – vor einem staatlichen Gericht die Klage erhebt, während bereits ein Schiedsverfahren durch die Gesellschafter anhängig ist. Im Schiedsverfahren ist der Geschäftsführer dann nicht Kläger, sodass er nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich nach § 35 Abs. 1 S. 1 GmbH für die Vertretung der Gesellschaft zuständig wäre. Es drängt sich auf, dass es nicht die richtige Lösung sein kann, dass die Gesellschaft von dem Geschäftsführer vertreten wird, der sie vor einem anderen Forum in genau der gleichen Sache verklagt. Daher muss entsprechend der bereits genannten Grundsätze ein Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft angenommen werden. Die Gesellschaft muss dann gem. § 46 Nr. 8 GmbHG analog einen besonderen Vertreter für die Gesellschaft bestellen bzw. das zuständige Gericht gem. § 1062 Abs. 4 i.V.m. § 1050 ZPO einen Prozesspfleger gem. § 57 ZPO bzw. einen Notgeschäftsführer nach § 29 BGB bestellen. Die Analogie ergibt sich daraus, dass 208 Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 218; Michalski/Römermann, Anh. § 47 GmbHG Rn. 492; MüKoGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 GmbHG Rn. 215. 209 Vgl. Scholz/K. Schmidt, § 45 GmbHG Rn. 149; MüKoGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 GmbHG Rn. 216. 210 Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 218. 211 Vgl. zu dieser Möglichkeit für die GmbH im Allgemeinen Hohlfeld, GmbHR 1986, 181 ff. 212 Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 218; vgl. Michalski/Römermann, Anh. § 47 GmbHG Rn. 492. 213 Vgl. BGH NJW 1962, 538; Scholz/K. Schmidt, § 45 GmbHG Rn. 149; Ulmer/Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 218; MüKoGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 GmbHG Rn. 213. 214 Vgl. Schwab/Walter, Kap. 16 Rn. 14.
II. Streitigkeiten
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§ 46 Nr. 8 GmbHG eigentlich nur die Bestellung des besonderen Vertreters für Klagen gegen den Geschäftsführer vorsieht215, hier aber vor dem Schiedsgericht tatsächlich kein Prozess gegen den Geschäftsführer vorliegt216. Die Selbstverständlichkeit, dass eine Gesellschaft nicht von ihrem eigenen Ankläger vertreten werden kann, gebietet eine Analogie. Sobald ein Alleingeschäftsführer Klage gegen einen Beschluss erhebt, führt dies somit immer dazu, dass die Gesellschaft für diesen Streitgegenstand – sowohl vor dem staatlichen Gericht, als auch vor dem Schiedsgericht – führungslos wird. Für diesen Fall müssen die prozessualen und gesellschaftsrechtlichen Instrumente genutzt werden, welche die Vertretung der Gesellschaft absichern. (cc) Fazit Organmitglieder müssen auch in der GmbH von der Rechtskraft der Entscheidung erfasst werden. Daraus ist zu folgern, dass sie zwingend auch schiedsgebunden sein müssen. Sind sie nicht schiedsgebunden, kann die Rechtskraft des Schiedsspruchs ihnen gegenüber nicht begründet werden und eine Konzentration des Verfahrens ist nicht gewährleistet. Es besteht die Gefahr von Parallelverfahren, in denen auch die Vertretung der Gesellschaft höchst problematisch ist. Je nachdem, wie man die Kriterien aus der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung versteht, werden sie ihrem Ziel daher nicht gerecht, Gleichwertigkeit zwischen dem Schiedsverfahren und dem Gerichtsverfahren herbeizuführen. Die einfache Lösung dieses Problems ist es, dass erste Kriterium der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung, die Erstreckung der Schiedsgrundlage auf Gesellschaft und Gesellschafter, so zu erweitern, dass auch Organmitglieder zwingend an die Schiedsgrundlage gebunden sein müssen. Auf diese Weise stünde der GmbH auch im Beschlussmängelprozess gegen das Organmitglied vor dem staatlichen Gericht die Einrede nach § 1032 ZPO zu, sodass die Gefahr widersprüchlicher Urteile gebannt wäre. Inwieweit dies bloß der Klarstellung dient oder eine tatsächlich, inhaltliche Modifikation darstellt, ist deshalb schwierig zu beurteilen, weil nicht klar ist, aus welchen Gründen der BGH Organmitglieder nicht einbezogen hat. Hielt er sie für mitgebunden, dann ist die Modifikation nur klarstellend; hat er sie nicht beachtet, stellt es eine inhaltliche Modifikation dar. Folglich müssen auch die Kriterien, die der BGH an Schiedsgrundlagen gestellt hat, angepasst werden, um die Beteiligungsmöglichkeit von Organmitgliedern zu reflektieren. Die Anforderungen müssen daher in folgender Form geändert werden: (1) Die Schiedsabrede muss grundsätzlich mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter in der Satzung verankert sein und Wirkung für alle Geschäftsführer und Mitglieder des Auf215
Vgl. MüKoGmbHG/Liebscher, § 46 GmbHG Rn. 266. Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe/Hüffer/Schürnbrand, § 46 GmbHG für andere Fälle, in denen § 46 Nr. 8 GmbHG analog angewendet wird, obwohl der Geschäftsführer nicht selbst Prozesspartei ist. 216
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften sichtsrates entfalten; alternativ reicht eine außerhalb der Satzung unter Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter, der Gesellschaft, der Geschäftsführer und der Mitglieder des Aufsichtsrates getroffene Absprache aus. (2) Jeder Gesellschafter und die Mitglieder der Gesellschaftsorgane müssen über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt werden, dem Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten. (3) Sämtliche Gesellschafter und Mitglieder der Gesellschaftsorgane müssen an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, sofern nicht die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgt; im Rahmen der Beteiligung mehrerer Gesellschafter auf einer Seite des Streitverhältnisses kann dabei grundsätzlich das Mehrheitsprinzip zur Anwendung gebracht werden […]. (4) Schließlich muss gewährleistet sein, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei einem Schiedsgericht konzentriert werden.217
Ob Organmitglieder an die Schiedsgrundlage gebunden sein müssen, kann mit einem zwingenden Ja beantwortet werden. Wie sie an die Schiedsvereinbarung gebunden werden, wird noch zu prüfen sein. Dabei kommt es darauf an, wann satzungsmäßige Schiedsklauseln und Schiedsvereinbarungen auch Wirkung für Organmitglieder entfalten. Liegen die Voraussetzungen für eine solche Erstreckung nicht vor, ist das Organmitglied also nicht gebunden, dann ist die Beschlussmängelstreitigkeit nach hier vertretener Ansicht nicht im weiteren Sinne schiedsfähig. (f) Zwischenergebnis Die grundsätzliche Möglichkeit der Geltendmachung von Beschlussmängeln in Gesellschafterbeschlüssen vor Schiedsgerichten nach §§ 246, 249 Abs. 1 AktG analog ist als Folge einer längeren Entwicklung in der Rechtsprechung und Literatur mittlerweile anerkannt. Es hat sich der Konsens herausgebildet, dass die Rechtskrafterstreckung der §§ 248 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1 S. 1 AktG durch eine die gleiche Wirkung anordnende Gestaltung der Schiedsgrundlage auch für den Schiedsspruch angeordnet werden kann. Dies ist allerdings nur unter der Voraussetzung zulässig, dass die Schiedsgrundlage ein Verfahren regelt, welches die Gleichwertigkeit zwischen dem Schiedsverfahren und dem staatlichen Gerichtsverfahren herbeiführt. Die Kriterien des BGH für eine solche Schiedsgrundlage überzeugen nur teilweise. Kritik verdienen sie zunächst, weil sie beim Konzentrationskriterium keine Ausnahme für den Einzelfall vorsehen, in dem mehrere Verfahren ausgeschlossen sind. Tiefgreifender ist das Versäumnis, bei der Ausgestaltung der Anforderungen die Klagebefugnis der Organmitglieder (wohl) außer Acht zu lassen, mit der Folge, dass eine Erstreckung der Schiedsgrundlage auf diese nicht bzw. jedenfalls nicht ausdrücklich verlangt wurde. Zur Gleichwertigkeit der Verfahren vor dem staatlichen Gericht und dem Schiedsgericht ist diese Erstreckung aber geboten. 217 Diese Klausel ist rechtlich zwar nicht in allen Fällen geboten, wegen der ausdrücklichen BGH-Rechtsprechung zu diesem Thema aber notwendig, vgl. C.II.1.b)cc)(2)(d)(dd), S. 63.
II. Streitigkeiten
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dd) Klage eines Geschäftsführers gegen die Abberufung Wird ein Geschäftsführer abberufen, unterscheiden sich seine Rechtsschutzmöglichkeiten danach, ob es sich um eine mitbestimme oder eine nicht mitbestimmte GmbH handelt. Über die Abberufung in einer nicht mitbestimmten GmbH entscheidet gem. § 46 Nr. 5 GmbHG die Gesellschafterversammlung durch Beschluss. Bei einem Beschluss sind die aktienrechtlichen Vorschriften über Beschlussmängel heranzuziehen.218 Folglich richten sich die Klagerechte des Geschäftsführers nach den oben aufgestellten Grundsätzen über die Klagebefugnis bei Beschlussmängeln.219 Hält ein Geschäftsführer die Abberufung für nichtig, so kann er nach richtiger Ansicht gem. § 249 Abs. 1 S. 1 AktG analog Klage auf Feststellung der Nichtigkeit erheben.220 Die Gegenansicht, wonach immer eine einfache Feststellungsklage nach § 256 ZPO zu bemühen sei,221 verkennt, dass die Frage über die Abberufung eines Geschäftsführer über die Gesellschaft und den abberufenen Geschäftsführer hinaus auch Interesse und Relevanz für die Gesellschafter hat und daher statt der inter-partes-Rechtskraft der allgemeinen Feststellungsklage das Urteil sinnvollerweise nach §§ 249 Abs. 1 S. 1, 248 Abs. 1 AktG Rechtskraft für alle Gesellschafter entfalten muss. Da die Ausführung eines Abberufungsbeschlusses den Geschäftsführer aber nicht in eine Situation des § 245 Nr. 5 AktG bringen kann, besteht nicht die Möglichkeit, eine Anfechtungsklage zu erheben.222 Der Zweck der Klagebefugnis aus § 245 Nr. 5 AktG rechtfertigt auch keine doppelte Analogie, da dieser auf eine Überprüfung erheblicher Rechtsverstöße, nicht aber auf den Schutz der subjektiven Rechte der Organmitglieder ausgelegt ist.223 Eine Rechtsschutzmöglichkeit steht dem Geschäftsführer daher nur zu, wenn der Abberufungsbeschluss nichtig war. Ausnahmsweise kann der abberufene Geschäftsführer eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO erheben, wenn der Beschluss nicht festgestellt wurde.224 Ist der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter, ist er als normaler Gesellschafter auch anfechtungsbefugt.225 218
Vgl. BGH NZG 317, 318; BGHZ 104, 66, 69; Fischer, BB 2013, 2819, 2822 f.; MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, § 38 GmbHG Rn. 115. 219 Vgl. C.II.1.b)cc)(1)(a)(ff), S. 47. 220 H.M., vgl. Henssler/Strohn/Oetker, § 38 GmbHG Rn. 47; Ulmer/Habersack/Löbbe/ Paefgen, § 38 GmbHG Rn. 194; MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, § 38 GmbHG Rn. 115; Mehrbrey/Witte/Gossen, § 20 Rn. 136. 221 Fischer, BB 2013, 2819, 2825; vgl. auch BGH NZG 2008, 317, 319. 222 Jedenfalls i.E. h.M., vgl. BGH NZG 2008, 317, 319; Fischer, BB 2013, 2819, 2825; Henssler/Strohn/Oetker, § 38 GmbHG Rn. 47; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 38 GmbHG Rn. 199; Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 167; Mehrbrey/Witte/Gossen, § 20 Rn. 135. 223 BGH NZG 2008, 317, 318; BGHZ 104, 66, 69; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 38 GmbHG Rn. 196; MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, § 38 GmbHG Rn. 115. 224 BGH NZG 2008, 317, 318; BGHZ 104, 66, 69; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 38 GmbHG Rn. 196; MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, § 38 GmbHG Rn. 115. 225 Vgl. C.II.1.b)cc)(1)(a)(ff), S. 47.
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
In beiden Fällen ist die Klage direkt gegen die Gesellschaft zu richten. Die Schiedsfähigkeit der Nichtigkeitsklage nach § 249 Abs. 1 S. 1 AktG wurde bereits hinlänglich diskutiert. Begehrt der Geschäftsführer hingegen die Feststellung nach § 256 ZPO, dann ergibt sich die Schiedsfähigkeit aus dem der Streitigkeit zugrundeliegenden gesellschaftsrechtlichen und damit vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis. In einer mitbestimmten GmbH liegt die Abberufungskompetenz beim Aufsichtsrat; § 38 GmbHG ist durch §§ 12, 13 MontanMitbestG, 31 MitbestG ausgeschlossen.226 Die Abberufung wird durch den Aufsichtsrat nach § 84 AktG und daher nur aus wichtigem Grund vorgenommen.227 Nur in einer nach dem DrittelbG mitbestimmten GmbHG erfolgt die Abberufung wie in einer mitbestimmungsfreien GmbHG, da § 1 Nr. 3 S. 2 DrittelbG nicht auf § 84 AktG verweist.228 Daher sei an dieser Stelle auf die folgenden Ausführungen bei den besonderen Streitigkeiten in der AG verwiesen. Allerdings kann bereits vorweggenommen werden, dass eine Streitigkeit nach § 84 AktG als gesellschaftsrechtliche Streitigkeit ebenso wegen ihres vermögensrechtlichen Charakters nach § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO schiedsfähig ist. In einer mitbestimmungsfreien GmbH, in deren Satzung die Abberufungskompetenz einem fakultativen Aufsichtsrat oder einem anderen Organ übertragen wurde, gilt für den Rechtsschutz ebenso § 84 AktG entsprechend229.230 ee) Klagen mit Beteiligung von Mitgliedern des fakultativen oder obligatorischen Aufsichtsrates Klagen mit Beteiligung von Mitgliedern des fakultativen oder obligatorischen Aufsichtsrates sind in der GmbH die gleichen wie in der AG. Soweit sie also nicht bereits im vorangegangen angeklungen sind, soll hier auf die folgenden Ausführungen zu internen Streitigkeiten bei der AG verwiesen werden. Das gebietet der nähere Sachzusammenhang, da Aufsichtsräte in der GmbH die Ausnahme, in der AG aber zwingend sind.
226 Mehrbrey/Witte/Gossen, § 20 Rn. 133, vgl. Fischer, BB 2013, 2819, 2821; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 38 GmbHG Rn. 192. 227 Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 38 GmbHG Rn. 192; MüKoGmbHG/Stephan/ Tieves, § 38 GmbHG Rn. 122; Mehrbrey/Witte/Gossen, § 20 Rn. 133. 228 Mehrbrey/Witte/Gossen, § 20 Rn. 133; vgl. Fischer, BB 2013, 2819, 2821; MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, § 38 GmbHG Rn. 123. 229 Vgl. MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, § 38 GmbHG Rn. 124. 230 Zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die verschiedenen Formen der Abberufung vgl. Fischer, BB 2013, 2819 ff.
II. Streitigkeiten
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c) Streitigkeiten in einer AG aa) Organschaftliche Erstattungsansprüche (1) Organhaftung Die Organhaftung richtet sich im AktG nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG (i.V.m. § 116 AktG). Diese Ansprüche sind als Schadensersatzansprüche schiedsfähig, da sie sowohl auf Geld, geldwerte Sachen oder Rechte abzielen als auch auf einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis in Gestalt des Organverhältnisses basieren. Von der Frage nach der Schiedsfähigkeit ist die höchst umstrittene Frage zu trennen, ob die Satzung einer AG eine Schiedsklausel über solche Ansprüche enthalten kann oder ob über sie eine Schiedsvereinbarung geschlossen werden kann. Dies wird an gegebener Stelle noch zu erörtern sein.231 (2) Ansprüche aus dem Wettbewerbsverbot Das Wettbewerbsverbot für Vorstandsmitglieder aus § 88 AktG setzt sich aus dem verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch aus § 88 Abs. 1 S. 1 AktG232, dem Schadensersatzanspruch nach § 88 Abs. 2 S. 1 AktG und dem Eintrittsrecht nach § 88 Abs. 2 S. 2 AktG zusammen. Ausweislich des eindeutigen Wortlauts handelt es sich um Ansprüche der Gesellschaft gegen das einzelne, gegen das Verbot verstoßende Vorstandsmitglied. Entsprechend wird die Geltendmachung durch den Aufsichtsrat nach § 112 S. 1 AktG übernommen. Der Unterlassungsanspruch aus § 88 Abs. 1 S. 1 AktG basiert auf der Bestellung des Geschäftsführers als vermögensrechtlichem Rechtsverhältnis und ist somit schiedsfähig nach § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Schadensersatzanspruch ist als Anspruch gerichtet auf Geld oder eine geldwerte Leistung eindeutig als vermögensrechtlicher Anspruch schiedsfähig nach § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO. Gleiches kann man über die Schiedsfähigkeit des Eintrittsanspruches aus § 88 Abs. 2 S. 2 AktG sagen. Demnach ist jeder Anspruch mit dem Wettbewerbsverbot nach § 88 AktG schiedsfähig. bb) „Entlastungsklage“ Nach § 120 Abs. 2 S. 1 AktG kann die Hauptversammlung die Organmitglieder entlasten. Anders als bei der GmbH hat diese Entlastung aber ausweislich des eindeutigen Wortlauts von § 120 Abs. 2 S. 2 AktG nicht die Funktion eines Verzichts auf etwaige Ersatzansprüche. Ein einklagbarer Anspruch auf Erteilung der Entlastung besteht nicht, schon weil die Entlastung nach der Einführung von S. 2 keine un-
231
Vgl. D.III.1.c)dd), S. 207. Vgl. hierzu Hölters/Weber, § 88 AktG Rn. 14; MüKoAktG/Spindler, § 88 AktG Rn. 29; Spindler/Stilz/Fleischer, § 88 AktG Rn. 33. 232
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
mittelbare Rechtsfolge mit sich bringt.233 Wie auch bei der GmbH234 spricht jedoch nichts dagegen, dem Organmitglied die Möglichkeit zu geben, das Nichtbestehen eines Organhaftungsanspruches im Rahmen einer negativen Feststellungsklage feststellen zu lassen.235 Die Bezeichnung als „Entlastungsklage“ darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Klage mit der Entlastung im eigentlichen Sinne gar nichts zu tun hat, der Streitgegenstand viel mehr allein das vermeintliche haftungsrechtliche Rechtsverhältnis ist. Wie auch bei der GmbH ist diese „Entlastungsklage“ als negative Entsprechung zur Organhaftungsklage schiedsfähig. cc) Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch des Aufsichtsrates Anders als der Vorstand236 enthalten Mitglieder des Aufsichtsrates ihre Vergütung nicht auf Grund eines Vertrages, sondern auf Basis des korporationsrechtlichen Rechtsverhältnisses in Verbindung mit § 113 Abs. 1 S. 2 AktG.237 Ein Anspruch entsteht somit nur, wenn eine Vergütung in der Satzung vorgesehen oder von der Hauptversammlung gebilligt wird.238 Wenn dies nicht vorliegt, führen die Mitglieder des Aufsichtsrates ihre Tätigkeit unentgeltlich aus.239 Soweit ein Anspruch allerdings besteht, ist dieser vom Mitglied des Aufsichtsrates nach den normalen Regeln einklagbar.240 Daneben gibt es noch einen Anspruch auf den Ersatz von Auslagen, die das Mitglied des Aufsichtsrats erbracht hat. Dieser ergibt sich aus § 670 BGB, der aber wegen des fehlenden Vertrages nicht direkt herangezogen werden kann, sondern analog anzuwenden ist.241 Beide Ansprüche sind auf eine geldwerte Leistung gerichtet, folglich vermögensrechtlich und damit nach § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO schiedsfähig.
233 BGHZ 94, 324, 327; MüKoAktG/Kubis, § 120 AktG Rn. 39; K. Schmidt/Lutter/ Spindler, § 120 AktG Rn. 51. 234 Vgl. C.II.1.b)bb), S. 42. 235 Vgl. MüKoAktG/Kubis, § 120 AktG Rn. 41; K. Schmidt/Lutter/Spindler, § 120 AktG Rn. 51. 236 Vgl. dazu ausführlich C.II.2., S. 112. 237 MüKoAktG/Habersack, § 113 AktG Rn. 27; GroßKommAktG/Hopt/Roth, 4. Aufl., § 113 AktG Rn. 16 f.; KK/Mertens/Cahn, § 113 Rn. 8. 238 GroßKommAktG/Hopt/Roth, 4. Aufl., § 113 AktG Rn. 9. 239 MüKoAktG/Habersack, § 113 AktG Rn. 27; KK/Mertens/Cahn, § 113 Rn. 43. 240 Vgl. Spindler/Stilz/Spindler, § 113 AktG Rn. 63. 241 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 113 AktG Rn. 21; GroßKommAktG/Hopt/Roth, 4. Aufl., § 113 AktG Rn. 18; für eine direkte Anwendung der §§ 675, 670 BGB vgl. KK/ Mertens/Cahn, § 113 Rn. 12.
II. Streitigkeiten
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dd) Informationsansprüche (1) § 90 AktG242 § 90 AktG dreht sich um den Bericht des Vorstandes nach Abs. 1 S. 1, den dieser für den Aufsichtsrat zu erstellen hat. Zweck der Norm ist die Ermöglichung der Überwachung durch den Aufsichtsrat auf Basis ausreichender Informationen.243 Verweigern sich die Vorstandsmitglieder der Erstellung und Übergabe, so kann gem. § 407 AktG vom Registergericht zwar ein Zwangsgeld angeordnet werden. Darüber besteht aber auch die Möglichkeit, die Ansprüche klageweise durchzusetzen.244 § 90 AktG enthält drei unterschiedliche Rechte des Aufsichtsrates; gem. § 90 Abs. 3 S. 1 AktG kann der Aufsichtsrat selbst die Erstellung eines Berichts verlangen, gem. § 90 Abs. 3 S. 2 AktG kann ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied den Bericht an den Aufsichtsrat verlangen und gem. § 90 Abs. 5 S. 1 AktG hat jedes Aufsichtsratsmitglied ein Einsichtsrecht. (a) Aktiv- und Passivlegitimation bei § 90 AktG Wer Parteien dieser Ansprüche ist, ist teilweise umstritten – und insoweit ist auch fraglich, wer etwa die Parteien einer diesen Streit betreffenden Schiedsgrundlage sein müssen. (aa) § 90 Abs. 3 S. 1 AktG Nach wohl herrschender Meinung handelt es sich bei § 90 Abs. 3 S. 1 AktG um einen Anspruch der Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat nach § 112 S. 1 AktG, gegen die einzelnen Vorstandsmitglieder in Form einer Verpflichtung mehrerer zur einheitlichen Leistung; die Vorstandsmitglieder sind notwendige Streitgenossen.245 Von anderen wird vertreten, dass es sich um einen Anspruch des Organs Aufsichtsrat gegen das Organ Vorstand handelt.246 Letztere Ansicht ist abzulehnen. Soweit sie sich darauf beruft, dass das Berichtsrecht ein eigenes subjektives Recht
242
Die Ansprüche aus § 90 Abs. 1 S. 1, 5 AktG können m. E. Aufschluss über die Grundmuster gesellschaftsinterner Streitigkeiten geben, weswegen eine ausführliche Auseinandersetzung mit ihnen geboten ist. 243 Vgl. BGHZ 106, 54, 62; Hölters/Müller-Michaels, § 90 AktG Rn. 1; MüKoAktG/ Spindler, § 90 AktG Rn. 1. 244 Borgmann, Organstreit, 214; Lutter, Information und Vertraulichkeit, 51; H. Westermann, FS Bötticher (1969), 369, 373 f. 245 Hüffer/Koch, § 90 AktG Rn. 15; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 90 AktG Rn. 70; KK/Mertens/Cahn, § 90 AktG Rn. 66; MüKoAktG/Spindler, § 90 AktG Rn. 61; H. Westermann, FS Bötticher (1969), 369, 380. 246 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 294 ff.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, 39 ff.; Spindler/Stilz/Fleischer, § 90 AktG Rn. 69 f.
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
des Aufsichtsrates ist,247 widerspricht dies der Interessenlage, auf der § 90 AktG fußt – dieser dient unmittelbar der AG, sodass ihr bei einem Gleichlauf von Interesse und Rechtsinhaberschaft das subjektive Recht zugerechnet werden muss248. Außerdem fehlt es bei Organen an einem eigenen Vermögen zur Zuordnung der Rechte.249 Aus den gleichen Gründen kann die Ansicht abgelehnt werden, dass es sich bei § 90 Abs. 3 S. 1 AktG um ein Organrecht handelt, das vom subjektiven Recht zu unterscheiden ist250. Darüber hinaus wird vorgebracht, dass der Aufsichtsrat außer seiner Personalkompetenz und § 405 AktG ohne ein eigenes Klagerecht über keine Handhabe verfüge, seine Berichtsrechte durchzusetzen.251 Praktisch macht es jedoch keinen Unterschied, ob der Aufsichtsrat im Prozess als Kläger oder als Vertreter der klagenden Gesellschaft auftritt. Die Entscheidung liegt in beiden Varianten beim Aufsichtsrat. Zur Durchsetzung der Berichtsrechte ist keine Variante vorzugswürdig. Die Kritik, dass diese Deutung des § 90 Abs. 3 S. 1 AktG als Anspruch der Gesellschaft ein gespaltenes System der Wissenszurechnung im Innen- und Außenverhältnis der Gesellschaft zur Folge habe,252 überzeugt nicht. Die Berechtigung der Gesellschaft aus § 90 Abs. 3 S. 1 AktG muss nicht etwa auf die Erwägung gestützt werden, dass der Vorstand der Gesellschaft sein Wissen vermitteln muss, welches vom Aufsichtsrat entgegengenommen werden soll – der Gesellschaft aber im Verhältnis zu Dritten bereits zugerechnet wird.253 Die Erwägung ist schlicht, dass die Aufsichtsratsmitglieder im Interesse der Gesellschaft mit dem Wissen versorgt werden sollen, welches sie für ihre Kontrolle benötigen. Es geht also gar nicht darum, die Gesellschaft mit Wissen zu versorgen, sondern ihr durch die Aufsichtsratsmitglieder die Möglichkeit der Kontrolle zu geben; dass ihr selbst im Verhältnis zu Dritten das Wissen bereits zugerechnet wird, spielt keine Rolle. Der Ansicht ist jedoch zuzugestehen, dass sie gerade in prozessualen Fragen – insbesondere bei Parteiwechseln durch Austausch von Vorstandsmitgliedern254 – zu einfacher durchzuführenden Ergebnissen führt. Dies darf jedoch auch nicht überbewertet werden. Eine Klage ist gegen das neue Mitglied nur notwendig, wenn dieses
247 Lewerenz, Leistungsklagen zwischen Organen und Organmitgliedern, 63 ff.; krit. hierzu K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212 ff.; Bork, ZIP 1991, 137, 139; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats, 173 ff. 248 Vgl. H. Westermann, FS Bötticher (1969), 369, 378. 249 Vgl. Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 271 f. 250 So aber Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 302 ff. 251 Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, § 90 AktG Rn. 70. 252 M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 582. 253 So aber M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 582. 254 Vgl. dazu ausführlich M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 596 ff.; demnach müsse bei Austausch eines Vorstandsmitgliedes das neue separat verklagt werden und das Verfahren gegen das alte für erledigt erklärt werden.
II. Streitigkeiten
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selbst nicht zur Handlung bereit ist; darauf kann der Aufsichtsrat selbst durch seine Bestellung Einfluss nehmen. Der Gleichlauf von Interesse und Rechtsinhaberschaft spricht dafür, § 90 Abs. 3 S. 1 AktG als Anspruch der Gesellschaft gegen die einzelnen Mitglieder des Vorstandes auszugestalten. (bb) § 90 Abs. 3 S. 2 AktG § 90 Abs. 3 S. 2 AktG stellt nach herrschender Meinung einen individuellen Anspruch des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gegen die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, dar.255 Das erscheint zunächst inkonsequent. § 90 Abs. 3 S. 2 AktG dient in gleicher Weise wie § 90 Abs. 3 S. 1 AktG dem Zweck, den Aufsichtsrat durch Informationen die Durchführung seiner Überwachungspflichten für die Gesellschaft zu ermöglichen – er dient somit ebenfalls hauptsächlich dem Interesse der Gesellschaft.256 Es erscheint widersprüchlich, die Gesellschaft als Gegner des Anspruches zu bestimmen. Zudem ist fraglich, warum § 90 Abs. 3 S. 1 und S. 2 AktG unterschiedlich behandelt werden sollen, wenn sie doch dem gleichen Zweck dienen und in ihrer praktischen Umsetzung auf das gleiche Ergebnis abzielen.257 Wegen dieser vermeintlichen Widersprüchlichkeit wurde deshalb vertreten, dass § 90 Abs. 3 S. 2 AktG vielmehr einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft regelt, in der ein Mitglied des Aufsichtsrates im eigenen Namen das Recht der Gesellschaft aus § 90 Abs. 3 S. 1 AktG einklagt.258 Es würde also ein einzelnes Mitglied des Aufsichtsrates gegen die Mitglieder des Vorstandes klagen und zwar als fremdes Recht im eigenen Namen. Am Beispiel der Beschlussmängelstreitigkeiten wurde jedoch schon gezeigt, dass im Gesellschaftsrecht die Zuordnung von Befugnissen an bestimmte Individuen nicht bedeutet, dass diese auch in ihrem eigenen Interesse auszuüben sind. Umgekehrt bedeutet die rechtliche Beklagtenstellung der Gesellschaft nicht zwingend, dass sie im tatsächlichen Sinne die Gegnerin der Klage ist. Dass die Gesellschaft bei Beschlussmängelstreitigkeiten die Beklagte ist, ist eine reine Zweckmäßigkeitserwägung.259 Das Gleiche gilt hier: Eine Klage des Aufsichtsratsmitgliedes gegen die Gesellschaft ist schlicht eine einfachere Lösung als eine Prozessstandschaft. Das ist schon allein deshalb so, weil bei dieser Variante keine Probleme bestehen, wenn sich während des Prozesses die personale Zusammensetzung des Vorstandes ändert. Während es beim Anspruch nach § 90 Abs. 3 S. 1 AktG keine große Rolle spielt, da der Aufsichtsrat die Bestellungskompetenz hat, ist dieses Problem bei § 90 Abs. 3 255 BGHZ 106, 54, 62; Hüffer/Koch, § 90 AktG Rn. 23; GroßKommAktG/Kort, 5. Aufl., § 90 AktG Rn. 195 ff.; MüKoAktG/Spindler, § 90 AktG Rn. 63. 256 Vgl. Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 14 f. 257 Vgl. M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 583. 258 Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 15. 259 Vgl. C.II.1.b)cc)(1)(a)(ff), S. 47.
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
S. 2 AktG gewichtig, da ein einzelnes Mitglied des Aufsichtsrates eben keine Bestellungskompetenz hat. Um eine schwierige Prozesssituationen zu vermeiden, ist die Annahme der Passivlegitimation der Gesellschaft hier aus praktischen Gründen vorzugswürdig. (cc) § 90 Abs. 5 S. 1 AktG Bei § 90 Abs. 5 S. 1 AktG handelt es sich um ein subjektives Recht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds,260 was im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut der Norm auch nicht angezweifelt werden kann. Passivlegitimiert ist nach herrschender Meinung die Gesellschaft, die im Prozess durch den Vorstand vertreten wird.261 Die Gegenansicht, die einen Anspruch des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden annimmt,262 überzeugt nicht. Ebenso wie bei § 90 Abs. 3 S. 2 AktG ist es aus Gründen der Praktikabilität vorzuziehen, wenn der Anspruch gegen die Gesellschaft durchzusetzen ist, da diese anders als der Vorsitzende des Aufsichtsrates nicht während des Prozesses ausgetauscht werden kann. (dd) Zwischenergebnis Die Parteien bei Streitigkeiten aus § 90 Abs. 3 S. 1 AktG sind als Kläger die Gesellschaft vertreten durch den Aufsichtsrat und als Beklagte alle Vorstandsmitglieder, die sich der Berichtsübergabe verweigern, als notwendige Streitgenossen. Gem. § 90 Abs. 3 S. 1, 5 AktG kann das Aufsichtsratsmitglied überdies gegen die Gesellschaft auf Herausgabe der entsprechenden Informationen klagen. (b) Schiedsfähigkeit Die Schiedsfähigkeit der Streitigkeiten im Hinblick auf § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO ergibt sich aus ihrem gesellschaftsrechtlichen Charakter. Ein Hindernis für die Durchführung eines Schiedsverfahrens könnte sich allerdings bei § 90 Abs. 3 S. 1 AktG daraus ergeben, dass dieser Anspruch der Gesellschaft gegen alle Vorstandsmitglieder als notwendige Streitgenossen zusteht. Ein Schiedsgericht kann über Klagen mit notwendigen Streitgenossen nur entscheiden, wenn alle von ihnen an die Zuständigkeit des Schiedsgerichts gebunden sind.263 Andernfalls ist das Schiedsverfahren nicht durchführbar.
260
BGHZ 106, 54, 62 („Opel“); GroßKommAktG/Kort, 5. Aufl., § 90 AktG Rn. 199; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 90 AktG Rn. 71; KK/Mertens/Cahn, § 90 AktG Rn. 57; MüKoAktG/Spindler, § 90 AktG Rn. 48. 261 Ganz h.M., vgl. Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, § 90 AktG Rn. 26; GroßKommAktG/Kort, 5. Aufl., § 90 AktG Rn. 200; K. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, § 90 AktG Rn. 71; KK/Mertens/Cahn, § 90 AktG Rn. 66; vgl. auch BGH NJW 1983, 991 („Hertie“). 262 H. Westermann, FS Bötticher (1969), 369, 380 f.; Spindler/Spitz/Fleischer, § 90 AktG Rn. 57. 263 Schwab/Walter, Kap. 16 Rn. 16.
II. Streitigkeiten
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Damit ein Schiedsgericht also den Anspruch aus § 90 Abs. 3 S. 1 AktG durchsetzen kann, muss gewährleistet werden, dass die elementaren Voraussetzungen von Mehrparteienschiedsverfahren264 erfüllt sind. Diese lauten: – Bindung an die Zuständigkeit des Schiedsgerichts265, – Chancengleichheit bei der Besetzung des Schiedsgerichts266, – Einverständnis aller Schiedsrichter, nicht nur des Schiedsgerichts267. Dementsprechend muss eine Schiedsklausel, die eine Streitigkeit nach § 90 Abs. 3 S. 1 AktG erfassen will, diese Voraussetzungen erfüllen. Die Ansprüche aus § 90 Abs. 3 S. 2, 5 AktG regeln hingegen ein einfaches ZweiPersonen-Verhältnis. Für sie gibt es über die Schiedsfähigkeit nach § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO hinaus keine besonderen Anforderungen. (2) § 125 AktG § 125 AktG enthält zwei Informationsansprüche in Bezug auf die Hauptversammlung. § 125 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 AktG regelt den Anspruch auf Mitteilung des Aufsichtsrats durch den Vorstand vor der Hauptversammlung. Dieser ist für die schiedsgerichtliche Geltendmachung schlicht völlig ungeeignet; eine tatsächliche Geltendmachung im Hauptsacheverfahren kommt aus zeitlichen Gründen wegen der Erledigung durch die Hauptversammlung268 nicht in Betracht und zur Geltendmachung im Rahmen einer einstweiligen Verfügung ist das Schiedsgericht nicht geeignet269. Für eine Feststellung des Bestehens der Mitteilungspflicht gem. § 256 ZPO besteht wiederum kein rechtliches Interesse.270 Zwar basiert auch § 125 Abs. 3, Abs. 1 S. 1 AktG auf einem gesellschaftsrechtlichen und damit vermögensrechtlichen Schuldverhältnis und ist somit nach § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO schiedsfähig. Für eine Geltendmachung vor einem Schiedsgericht besteht aber trotzdem kein Raum. Etwas Anderes ergibt sich für den Mitteilungsanspruch der Aktionäre und Aufsichtsratsmitglieder nach der Hauptversammlung aus § 125 Abs. 4 AktG. Dieser ist nicht zeitlich begrenzt, kann also denkbar im Rahmen einer Leistungsklage geltend gemacht werden. Zudem ist er als gesellschaftsrechtlicher Anspruch als schiedsfähig 264
Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2806. Vgl. Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 15 f. In der Literatur wird hier zumeist auf einen Akt der freiwilligen Unterwerfung abgestellt, vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2806; Schütze, Schiedsgericht, Rn. 151. Ob es vor dem Hintergrund des § 1066 ZPO allerdings auf das Einverständnis ankommt, wird noch zu prüfen sein (vgl. D.I.3.b)cc)(3), S. 151). 266 Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2806; zu den Problemen bei der Besetzung des Schiedsgerichts in Mehrpersonenverfahren vgl. bereits C.II.1.b)cc)(2)(d)(cc), S. 61. 267 Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2806; Schütze, Schiedsgericht, Rn. 151. 268 Vgl. MüKoAktG/Kubis, § 125 AktG Rn. 49; Hüffer/Koch, § 125 AktG Rn. 19. 269 Vgl. hierzu B.XI., S. 33. 270 MüKoAktG/Kubis, § 125 Rn. 49. 265
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
einzustufen. Die Klage sowohl der Aktionäre als auch der Aufsichtsratsmitglieder ist nach allgemeiner Auffassung gegen die Gesellschaft vertreten durch den Vorstand zu richten.271 Dem ist zuzustimmen, da hier primär die individuellen Interessen des Aufsichtsratsmitglieds im Vordergrund stehen und nicht seine Überwachungspflicht des Aufsichtsrats im Interesse der Gesellschaft; der Aufsichtsrat hat die Pflicht, den Vorstand zu überwachen, nicht die Hauptversammlung. Letztlich wird man aber auch hier sagen müssen, dass die klageweise Geltendmachung dieses Anspruchs reine Theorie bleiben dürfte, da mangels Eigeninteresse praktisch kein Vorstand die Mitteilung der Beschlüsse absichtlich verweigern würde. (3) § 170 AktG § 170 AktG enthält die Pflicht der Vorstandsmitglieder zur Erstellung und Übermittlung eines Jahresabschlusses für den Aufsichtsrat. Aus § 170 Abs. 1, Abs. 2 AktG lässt sich richtigerweise kein Anspruch irgendeiner Art ableiten, da diese anders als § 90 Abs. 3 S. 1 AktG dem Aufsichtsrat nicht erlauben, die Berichte zu verlangen, sondern ihn nur als Empfangsadressaten bestimmen.272 Mithin ist diese Pflicht auch nicht klagbar, vielmehr kann bei Verstößen nur ein Zwangsgeld nach § 407 Abs. 1 S. 1 AktG verhängt werden und gegebenenfalls jedes einzelne Vorstandsmitglied wegen einer Organpflichtverletzung nach § 93 Abs. 2 AktG in Anspruch genommen werden.273 Anders verhält es sich mit § 170 Abs. 3 AktG. Dieser regelt das individuelle Informations- und Übermittlungsrecht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds. Dieser Anspruch ist dem Anspruch aus § 90 Abs. 5 AktG strukturgleich, sodass es sich um einen Anspruch des einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes gegen die Gesellschaft handelt und er in diesem Verhältnis durchgesetzt werden muss.274 Ebenso wie § 90 Abs. 5 S. 1 AktG ist § 170 Abs. 3 AktG schiedsfähig. ee) Gesellschaftsrechtliche „Organklage?“ Im Aktienrecht heftig umstritten ist die Frage, ob es den Organen möglich ist, im Rahmen von „Organklagen“ präventiv gegen Organe wegen voraussichtlich rechtswidrigen Verhaltens und zur Klärung von Fragen der Reichweite von Organkompetenzen vorzugehen. Soll es möglich sein, das sich abzeichnende, zukünftige Vorstandsverhalten einer (schieds-)gerichtlichen Prüfung zu unterziehen 271
OLG Frankfurt, NJW 1975, 392 f.; Hölters/Drinhausen, § 125 AktG Rn. 7; Hüffer/Koch, § 125 AktG Rn. 1; K. Schmidt/Lutter/Ziemons, § 125 AktG Rn. 49; MüKoAktG/Kubis, § 125 AktG Rn. 33. 272 KK/Ekkenga, § 170 AktG Rn. 10. 273 KK/Ekkenga, § 170 AktG Rn. 11. 274 Ganz h.M., vgl. etwa BGH NJW 1983, 991 („Hertie“); Hölters/Waclawik, § 170 AktG Rn. 34; MüKoAktG/Hennrichs/Pöschke, § 170 AktG Rn. 112 f.; Spindler/Stilz/Euler/Klein, § 170 AktG Rn. 56, a.A. Bork, ZGR 1981, 1, 32 siehe dazu aber bereits C.II.1.c)dd)(1)(a)(cc), S. 84.
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und ein Unterlassen zu erzwingen oder eine Feststellung über die Kompetenzen zu rügen? Hier sind zwei Aspekte zu unterscheiden, nämlich die Frage der Notwendigkeit einer gesellschaftsinternen präventiven Unterlassungs- oder Feststellungsklage einerseits und die Rechtsfähigkeit der Organe andererseits. Auch innerhalb des Lagers der Befürworter275 des Rechtsinstituts der kapitalgesellschaftsrechtlichen Organstreitigkeit sind Einzelheiten unklar. Von vielen Stimmen in der Literatur276 wird diese Konstruktion mittlerweile aber komplett abgelehnt; dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Zunächst einmal gibt es grundsätzlich kein Bedürfnis für die Einführung von Unterlassungs- und Feststellungsklagen für Streitigkeiten zwischen Organen. So wird richtigerweise angeführt, dass es sich um eine nicht zulässige Rechtsfortbildung handeln würde, da die dem Aufsichtsrat zustehenden Möglichkeiten – Abmahnung und Abberufung – zur Gewährleistung der Vorstandsdisziplin ausreichen.277 Dem ist zuzustimmen, auch unter praktischen Gesichtspunkten; käme der Aufsichtsrat in die Situation, in der nach der Gegenansicht eine Interorganklage anzustreben wäre, weil Abmahnungen nicht mehr ausreichten, wäre das Verhältnis bereits derart zerrüttet, dass eine Abberufung nach § 84 Abs. 3 AktG ohnehin folgen müsste. Diese ist überdies in praktischer Hinsicht schneller, da sie sofort mit Zugang wirksam wird278 und gem. § 84 Abs. 3 S. 4 AktG erstmal als wirksam behandelt wird. Überdies ist eine Blockade der Organe durch Interorganstreitigkeiten durch eine gerichtliche Intervention im Hinblick auf die aktienrechtliche Kompetenzordnung nicht wünschenswert.279 Im umgekehrten Fall, in dem der Vorstand einen Beschluss des Aufsichtsrats bemängelt, kann dies durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit nach § 256 ZPO erreicht werden.280 Allenfalls in seltenen Ausnahmefällen wäre ein (präventiver) Unterlassungsanspruch denkbar, nämlich gerade in dem Fall, dass ein Aufsichtsratsmitglied seine 275 Teilweise mit unterschiedlicher Begründung U. Bauer, Organklagen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, 87 ff.; Bork, ZGR 1989, 1 ff.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288 ff.; Pflugradt, Leistungsklage, 53 ff.; Raiser, ZGR 1989, 44 ff.; ders., AG 1989, 185, 188 f.; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats, 173 ff.; M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 578 ff.; Teichmann, FS Mühl (1981), 663 ff. 276 Gegen den Organstreit vgl. Brücher, AG 1989, 190 ff.; Flume, AT I/2, § 11 V; KK/ Mertens/Cahn, vor § 76 AktG Rn. 3 ff.; Mertens, ZHR 154 (1990), 24 ff.; MüKoAktG/Spindler, Vor §§ 84 ff. Rn. 54 f.; zurückhaltend Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1 ff.; gegen die Rechtsfähigkeit von Organen auch BGHZ 122, 342, 344. 277 Brücher, 1989, 190, 191; KK/Mertens/Cahn, vor § 76 AktG Rn. 3 ff.; Mertens, ZHR 154 (1990), 24; MüKoAktG/Spindler, Vor §§ 84 ff. Rn. 55; krit. Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 11 ff. 278 MüKoAktG/Spindler, § 84 AktG Rn. 123. 279 Vgl. Hüffer/Koch, § 90 AktG Rn. 25; wie KK/Mertens/Cahn, vor § 76 AktG Rn. 4 gleich von einem „Schreckensbild“ zu sprechen, ist dann aber übertrieben. 280 Vgl. dazu ausführlich C.II.1.c)gg), S. 93.
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Kompetenzen in anderer Weise als durch einen Beschluss überschreitet281; in einem solchen Fall bestünde keine Möglichkeit des Vorstandes, dies durch die ihm gegeben Möglichkeiten zu verhindern, da er allenfalls unverbindlich auf eine Abberufung hinwirken könnte. Wie groß dieses Bedürfnis für präventive Maßnahmen tatsächlich ist, lässt sich mangels praktischer Beispiele aus der Rechtsprechung nicht bestimmen.282 Dies ist vielleicht durch das hohe Prozesskostenrisiko zu erklären, da eine höchstrichterliche Klärung über die Existenz solcher Ansprüche noch aussteht, aber mittelfristig nicht zu erwarten ist. Inwieweit also etwa ein gesetzgeberisches Eingreifen zur Klärung dieser Unsicherheit notwendig ist,283 lässt sich nicht eindeutig feststellen. Andererseits könnte man aber auch hier argumentieren, dass die vom Gesetzgeber geschaffene Kompetenzordnung der AG kein „Hineinregieren“ der Gerichte erlaubt. Inwieweit es solche Ansprüche ausnahmsweise geben kann, soll an dieser Stelle nicht endgültig geklärt werden; denkbar wäre etwa eine Ableitung der Ansprüche aus den gesetzlichen Vorschriften,284 etwa aus einem Umkehrschluss aus § 111 Abs. 1 AktG. Allerdings wäre somit selbst bei Zuerkennung solcher Unterlassungsansprüche dies noch kein Argument für die Rechtsfähigkeit. Wie auch schon bei § 90 AktG ausgeführt,285 besteht dafür kein Bedürfnis, weil ebenso eine Klage der Gesellschaft gegen die individuellen Organmitglieder handhabbar wäre. Die Begründung jedweder Rechtsfähigkeit der Organe selbst, sei es auf Grund der gesellschaftsinternen Kompetenzzuweisung286, kraft Teilrechtsfähigkeit auf Grund von Innenrechten287 oder reiner Zweckmäßigkeit288, ist somit eine gekünstelte Rechtsfortbildung, für die es keinen Anlass gibt. Auch die Rechtsprechung, obgleich noch unentschieden bzgl. der Frage präventiver Unterlassungsansprüche, hat sich gegen die Parteifähigkeit der Organe entschieden.289 Da hier die eigenen Rechte der Organe abgelehnt werden,
281
Vgl. zu einem solchen Fall Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721 ff. BGHZ 106, 54, 62 („Opel“) hat diese Frage jedoch ausdrücklich offengelassen; in den Vorinstanzen wurde der Organstreit teilweise für zulässig, LG Darmstadt, ZIP 1986, 1289, und teilweise für unzulässig gehalten, OLG Darmstadt, NJW-RR 1988, 1115. 283 Vgl. bereits vorsichtig in diese Richtung Teichmann, FS Mühl (1981), 663, 664, der allerdings einen Ruf nach dem Gesetzgeber seinerzeit noch für verfrüht hielt. 284 Vgl. ähnlich Hüffer/Koch, § 90 AktG Rn. 25; gänzlich ablehnend KK/Mertens/Cahn, vor § 76 AktG Rn. 3 ff. 285 Vgl. C.II.1.c)dd)(1)(a)(aa), S. 81. 286 Lewerenz, Leistungsklagen zwischen Organen und Organmitgliedern, 65 ff. 287 U. Bauer, Organklagen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, 32 ff.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 303; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats, 173 ff. 288 Lutter, Information und Vertraulichkeit, 51 f. 289 BGHZ 122, 342, 344. 282
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bedarf es einer Auseinandersetzung mit der actio pro socio zur Geltendmachung vermeintlicher eigener Rechte der Organe nicht.290 Die besseren Gründe sprechen gegen die „Organklage“. Auf ihre Schiedsfähigkeit kommt es mithin nicht an. ff) Fehlerhaftigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen Beschlussmängel in Hauptversammlungen werden bei der AG nach den §§ 241 ff. AktG geltend gemacht. Die richtigen Klagen dafür sind die Anfechtungsund die Nichtigkeitsklage nach §§ 246, 249 AktG. Nach § 245 Nr. 4 AktG ist der Vorstand als Organ, nicht die einzelnen Mitglieder des Vorstandes, stets zur Anfechtung befugt. Eine individualrechtliche Anfechtungsbefugnis steht den Mitgliedern des Vorstandes, sowie des Aufsichtsrates aber unter den besonderen Voraussetzungen des § 245 Nr. 5 AktG zu. Für die Nichtigkeitsklage sind die Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates gem. § 249 Abs. 1 S. 1 AktG stets individuell klageberechtigt. Soweit diese Vorschriften auf Gesellschafterbeschlüsse der GmbH anwendbar sind, mag die „Schiedsfähigkeit“ anerkannt sein. Ob Beschlussmängeln in Hauptversammlungsbeschlüssen vor Schiedsgerichten geltend gemacht werden können, ist bis dato aber noch nicht endgültig geklärt. Probleme bereiten dabei die erheblichen Unterschiede in der Gesellschafterstruktur von AG und GmbH. Inwieweit dennoch von einer Schiedsfähigkeit auszugehen ist, wird im Folgenden geklärt. (1) Übertragbarkeit der modifizierten Voraussetzungen des BGH Die Voraussetzungen an die Schiedsgrundlage für die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten bei der GmbH sind auch auf die AG übertragbar. Sie wurden für die auf die GmbH analog angewendeten §§ 241 ff. AktG entworfen. Diese gelten für die AG direkt, mithin können die Voraussetzungen auch auf sie übertragen werden.291 Erst recht müssen auch hier die Organmitglieder einbezogen werden, da der Wortlaut von § 248 Abs. 1 S. 1 AktG die Rechtskrafterstreckung zwingend fordert. (2) § 23 Abs. 5 AktG als Hindernis für die Schiedsfähigkeit Vereinzelt wird bereits im Zusammenhang mit der objektiven Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten über Hauptversammlungsbeschlüsse die Vorschrift des § 23
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Vgl. hierzu etwa Semler/v. Schenck/v. Schenck, Aufsichtsratsmitglieder (2004), Rn. 235 ff. 291 Vgl. etwa Benedict/Gehle/U. Schmidt, in: MünchHdbGesR Bd. 7 § 146 Rn. 7 ff.; Borris, NZG 2010, 481, 484; vgl. auch bereits K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1860 ff.
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Abs. 5 AktG ins Spiel gebracht.292 Das ist aber der falsche dogmatische Anknüpfungspunkt. Dafür muss man sich nur das Verhältnis zwischen Schiedsfähigkeit und Schiedsgrundlage vor Augen führen. Die objektive Schiedsfähigkeit ist eine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Schiedsgrundlage293 und steht dabei neben anderen Wirksamkeitsvoraussetzungen für Verträge oder Satzungsbestimmungen. § 23 Abs. 5 AktG enthält eine Begrenzung der Zulässigkeit von Satzungsbestimmungen und könnte daher einer statutarischen Schiedsklausel entgegenstehen. Allerdings wäre dies dann ein Fall der Nichtigkeit der Schiedsklausel und nicht etwa ein Problem der objektiven Schiedsfähigkeit. Ob sich aus § 23 Abs. 5 AktG ergibt, dass statutarische Schiedsklauseln gegen die Satzungsstrenge verstoßen oder nicht, wird zwar ebenso zu prüfen sein294, wie die Frage wie sich diese Wirkung auf Schiedsvereinbarungen außerhalb von Satzungen auswirkt295. Dabei geht es jedoch gerade nicht um die Frage, ob ein Hauptversammlungsbeschluss schiedsfähig ist, sondern ob über diesen eine Schiedsgrundlage erschaffen werden kann. Die Verwendung des Begriffs der „Schiedsfähigkeit“ durch den BGH leitet daher fehl.296 (3) Schiedsgrundlage nach den modifizierten Voraussetzungen in der AG Damit die Beschlussmängel in einer Hauptversammlung vor einem Schiedsgericht verhandelt werden können, muss entsprechend den für die GmbH entwickelten Kriterien eine Schiedsgrundlage vorliegen, die das Schiedsverfahren dem staatlichen Gerichtsverfahren gleichwertig macht.297 (a) Wirkungserstreckung der Schiedsgrundlage Zunächst muss für die Streitigkeit eine Schiedsgrundlage bestehen, an die alle Aktionäre, die AG und die Mitglieder des Aufsichtsrates und des Vorstandes gebunden sind. Denkbar ist dies in Gestalt einer satzungsmäßigen Schiedsklausel oder in Gestalt einer Schiedsvereinbarung zwischen den besagten Parteien (AG, Aktionäre, Vorstandsmitglieder und Aufsichtsratsmitglieder). Auf eine Einbeziehung des Vorstandes als Organ kann jedoch verzichtet werden, da dieser keine von der AG unabhängige Rechtspersönlichkeit hat und dementsprechend einfach über die AG mitgebunden werden kann. Bei der satzungsmäßigen Schiedsklausel in der AG bestehen bereits Zweifel an der grundsätzlichen Zulässigkeit gem. § 23 Abs. 5 AktG. Inwieweit dieser eine Schiedsklausel in der Satzung sperrt, wird daher zu prüfen sein.298 Alternativ hat der BGH auch die Möglichkeit einer satzungsfernen 292 Vgl. Benedict/Gehle/U. Schmidt, in: MünchHdbGesR Bd. 7 § 146 Rn. 9 ff.; auch Hauschild/Böttcher, DNotZ 2012, 577, 587. 293 Vgl. C.I.2.c), S. 39. 294 Vgl. D.III.1.c)aa), S. 205. 295 Vgl. E.III.3.a)bb), S. 287. 296 Vgl. dazu bereits C.II.1.b)cc)(2)(d), S. 58. 297 Vgl. C.II.1.b)cc)(2)(e)(cc), S. 75 f. 298 Vgl. D.III.1.c)aa), S. 205.
II. Streitigkeiten
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Schiedsabrede zwischen allen Gesellschaftern gesehen, die nach hier vertretener Ansicht auch die Organmitglieder binden muss. Auch hier gilt es zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen eine solche Mehrparteienschiedsvereinbarung geschlossen werden kann.299 (b) Beteiligungsmöglichkeit Die Informationspflicht über das Schiedsverfahren zur Vorbereitung der Nebenintervention300 kann in einer Schiedsgrundlage in gleicher Weise wie bei der GmbH vereinbart werden. Hinsichtlich der Durchsetzbarkeit dieser Informationspflicht dürften ebenfalls bei größeren AGs immense Schwierigkeiten bestehen.301 In größeren, gerade börsennotierten AGs wird eine Information aller Aktionäre häufig nur durch eine öffentliche Bekanntmachung funktionieren, außer alle Aktionäre sind bekannt, was es etwa bei Namensaktien der Fall sein kann. Dies läuft praktisch aber dem Zweck der Schiedsverhandlung als vertrauliches Mittel zur Streitbeilegung zuwider. (c) Besetzung des Schiedsgerichts Die vom BGH geforderten Einflussmöglichkeiten aller (klagenden) Gesellschafter auf die Schiedsrichterwahl treffen bei der AG, insbesondere bei der Publikums-AG, auf erhebliche Bedenken: Je mehr Aktionäre an einem Schiedsverfahren teilnehmen wollen, desto aufwendiger ist es, dem einzelnen eine effektive Möglichkeit zu geben, auf die Auswahl Einfluss zu nehmen. Gegen die Anwendung des Mehrheitsprinzips spricht prinzipiell nichts, nur hat der BGH nicht klargestellt, ob die Mehrheit nach Köpfen oder nach Gesellschaftsanteilen zu bestimmen ist302. Es steht zu vermuten, dass der BGH bei der Ausprägung dieses Kriteriums nur die Gesellschafterstruktur einer GmbH vor Augen hatte, welche in der Regel viel kleiner ist und so jedem Gesellschafter grundsätzlich eine mehr oder weniger gewichtige Stimme zukommt. Folglich sollten beide Möglichkeiten grundsätzlich bestehen und der individuellen Gestaltung der Parteien überlassen werden.303 Während dies für die GmbH aber in der Regel unproblematisch ist, bestehen bei einer AG Bedenken. Bei einer Entscheidung nach Gesellschaftsanteilen würde das Recht von Kleinaktionären auf die Schiedsrichterwahl praktisch bedeutungslos. Wenn diese gar keine effektive Möglichkeit haben, auf die Schiedsrichterauswahl einzuwirken, stellt das – anders als bei den GmbH-Gesellschaftern, die diese Möglichkeit jedenfalls potentiell immer haben – eine Verletzung der individuellen Rechte dar. Einer Entscheidung nach Köpfen könnte man entgegenhalten, dass dies dem wirtschaftlichen Interesse von Großaktionären nicht gerecht wird, wenn diese zusammen mit den Kleinaktionären 299 300 301 302 303
Vgl. E.III., S. 269. Vgl. BGHZ 180, 221, 229. Vgl. von Hase, BB 2011, 1993, 1995. Vgl. Müller, GmbHR 2010, 729, 733. Vgl. Müller, GmbHR 2010, 729, 733.
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
klagen. Großaktionäre werden zwar im Hinblick auf ihr wirtschaftliches Gewicht benachteiligt, aber dafür verliert keine Partei praktisch ihr Benennungsrecht. Problematisch ist aber, dass bei einer Auswahl nach dem Kopfprinzip „räuberischen Aktionären“ Tür und Tor geöffnet wird, die Auswahl des Schiedsrichters und damit das Schiedsverfahren zu torpedieren, sodass auch diese Variante nicht ideal ist. Letztlich wird man daher auch bei der AG grundsätzlich beide Varianten für zulässig erachten müssen. Beim Erstellen der Schiedsgrundlage muss man sich nur der Schwierigkeiten bewusst sein, die mit beiden Varianten einhergehen. Allerdings lässt die Rechtsprechung für diese Problematik noch eine Hintertür offen: Die Besetzung durch eine neutrale Stelle ist nämlich ebenso möglich.304 Dies wäre als Alternative für die AG zu vorzuziehen. (d) Konzentration Eine schiedsvertragliche Regelung, die eine Konzentrationswirkung absichern kann, stellt auch für die AG das geringste Problem dar, sofern auch ihre Vorstandsmitglieder und Aufsichtsratsmitglieder von der Schiedsvereinbarung erfasst sind. Eine Verpflichtung der Gesellschaft, sich in weiteren Verfahren auf die Einrede der Schiedsvereinbarung zu berufen, und die Möglichkeit eines jeden Aktionärs, einem anhängigen Schiedsverfahren beizutreten, kann auch in eine Schiedsgrundlage für eine AG eingefügt werden. (4) Zwischenergebnis Weil für die AG und die GmbH die §§ 241 ff. AktG in nahezu gleicher Weise gelten, sind die Anforderungen an Schiedsgrundlagen für die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängeln von der GmbH auch auf die AG übertragbar. Grundsätzliche Bedenken gegen die rechtliche Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen nach § 1029 ZPO bestehen nicht, ihre Ausgestaltung entspricht der einer GmbH, nur dass statt der Geschäftsführer die Mitglieder des Aufsichtsrates und des Vorstandes neben den Aktionären und der AG Partei sein müssen. Weil die Schiedsvereinbarung aber auch mit allen Aktionären abgeschlossen werden muss, bestehen bei allen außer den kleinsten AGs durchgreifende Zweifel an der praktischen Durchsetzbarkeit.305 Damit Beschlussmängelstreitigkeiten sinnvoll und in praktisch durchführbarer Weise von einem Schiedsgericht entschieden werden können, kommt nur eine satzungsmäßige Schiedsklausel, die im Zeitpunkt der Gründung aufgenommen wurde, in Frage. Ob diese allerdings überhaupt rechtlich zulässig ist, wird noch zu prüfen sein.
304
BGHZ 180, 221, 229. So auch Goette, GWR 2009, 103, 105; Riegger/Wilske, ZGR 2010, 733, 748 f.; vgl. auch schon früh K. Schmidt, AG 1995, 551, 553 f. 305
II. Streitigkeiten
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gg) Fehlerhaftigkeit von Organbeschlüssen Neben der Hauptversammlung hat die AG mit dem Aufsichtsrat und dem Vorstand noch zwei weitere Kollegialorgane, die ihre Entscheidung durch Beschluss fällen. Es ist zu klären, wie Mängel in diesen Organbeschlüssen prozessual geltend gemacht werden und ob ein Schiedsgericht hierüber entscheiden könnte. (1) Fehlerhaftigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen Der Umgang mit der Fehlerhaftigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen war lange Zeit umstritten. Das ergibt sich daraus, dass die §§ 107 ff. AktG zwar einiges über das Verfahren von Aufsichtsratsbeschlüssen regeln, über die Fehlerfolge aber schweigen. Die früher herrschende Ansicht kam mit Verweis auf Art. 2 Abs. 1 EGHGB, §§ 134, 138 BGB, auf das Vereinsrecht und auf allgemeine Grundsätze zum Ergebnis, dass fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse immer nichtig seien und dies im Rahmen einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO geltend gemacht werden müsste.306 Dies wurde im Hinblick auf die damit einhergehende Rechtsunsicherheit, die sich daraus ergibt, dass Aufsichtsratsbeschlüsse dauerhaft einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden können, kritisiert und stattdessen eine analoge Anwendung der §§ 241 ff. AktG vorgeschlagen, was die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen anfechtbaren und nichtigen Aufsichtsratsbeschlüssen und die Anwendbarkeit der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen mit sich bringen würde.307 Wegen der erheblichen Strukturunterschiede zwischen dem Aufsichtsrat und der Hauptversammlung wurde die für eine Gesamtanalogie erforderliche Vergleichbarkeit der §§ 241 ff. AktG von Rechtsprechung und der ganz herrschenden Literatur aber abgelehnt.308 Nach mittlerweile wohl einhelliger Meinung ist auf materiell-rechtlicher Seite nach Art und Schwere des Mangels und daraus folgend zwischen Gültigkeit sowie eingeschränkter und uneingeschränkter Nichtigkeit zu unterscheiden.309 Die Geltendmachung der Nichtigkeit geschieht zwar weiterhin im Rahmen der Feststel306 Meilicke, FS W. Schmidt (1959), 71, 109 ff.; Scheuffler, Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse, 2 ff.; weitere Nachweise zur alten Kommentarliteratur finden sich bei Fleischer, DB 2013, 160, 160. 307 Zuerst Radtke, BB 1960, 1045, 1045 ff.; im Anschluss daran Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, 113 ff.; Baums, ZGR 1983, 300, 305 ff.; Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, 175 ff.; M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 562 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats, 212 f. 308 BGHZ 122, 342, 347 ff.; 125, 111, 115; 135, 244, 247 („ARAG Garmenbeck“); GroßKommAktG/Hopt/Roth, 4. Aufl., § 108 AktG Rn. 136 ff.; Henssler/Strohn/Henssler, § 108 AktG Rn. 23 f.; Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, § 108 AktG Rn. 76 f.; Hüffer/Koch, § 108 AktG Rn. 25 ff.; K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 108 AktG Rn. 37; MüKoAktG/Habersack, § 108 AktG Rn. 81 ff. 309 Vgl. etwa GroßKommAktG/Hopt/Roth, 4. Aufl., § 108 AktG Rn. 149 ff.; K. Schmidt/ Lutter/Drygala, § 108 AktG Rn. 37 ff.; Hüffer/Koch, § 108 AktG Rn. 27 ff.
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
lungsklage,310 denkbar sind aber auch andere Arten der Geltendmachung, etwa als Einwendung im Prozess311. Eine Feststellungsklage kann von jedermann mit einem Feststellungsinteresse geltend gemacht werden; insbesondere können Vorstandsund Aufsichtsratsmitglieder kraft ihrer Organstellung ein Feststellungsinteresse geltend machen.312 Auch Aktionäre können ausnahmsweise klagen, wenn es um den Vorwurf geht, dass der Aufsichtsrat sie in seinen Vermögensrechten verletzt habe.313 Dabei ist die Klage gegen die Gesellschaft zu richten.314 Ob eine solche Streitigkeit vor einem Schiedsgericht verhandelt werden kann, ist indes nicht geklärt. Die Schiedsfähigkeit der Feststellungsklage nach § 1030 Abs. 1 ZPO ist wegen ihrer gesellschaftsrechtlichen Grundlage unbestreitbar. Allerdings wendet die ganz herrschende Meinung auf die Feststellungsklage die Rechtskraftregel des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG analog auf stattgebende315 Urteile an, sodass ein durch Organmitglieder oder Aktionäre betriebenes Verfahren mit einem stattgebenden Urteil endet, das alle Aktionäre und Organmitglieder bindet.316 Die Analogie der §§ 248 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1 S. 1 AktG für die Feststellung der Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses führt dazu, dass die Entscheidung über die Nichtigkeit in materieller Rechtskraft erwächst. Aus der materiellen Rechtskraft folgt, dass die formell rechtskräftige317 Feststellung des entscheidenden Gerichts andere Gerichte in Folgeprozessen an der erneuten Feststellung der Nichtigkeit hindert318 und in Fällen, in denen die sie eine präjudizielle Voraussetzung eines Anspruchs im zweiten Prozess darstellt, die rechtskräftige Entscheidung zu Grunde gelegt werden muss319. Versucht ein Aktionär oder ein Mitglied eines Organs also in einem Folgeprozess die Nichtigkeit auf anderem Wege geltend zu machen, dann ist das Gericht in dieser Sache an die Feststellung der Nichtigkeit gem. § 248 Abs. 1 S. 1 310
Vgl. Kap. C. Fn. 308. GroßKommAktG/Hopt/Roth, 4. Aufl., § 108 AktG Rn. 171. 312 BGH NJW-RR 2013, 485, 486; Meilicke, FS W. Schmidt (1959), 71, 109 ff.; GroßKommAktG/Hopt/Roth, 4. Aufl., § 108 AktG Rn. 174; Hüffer/Koch, § 108 AktG Rn. 30; KK/ Mertens/Cahn, § 109 AktG Rn. 112; a.A. Fleischer, DB 2013, 217, 223, der aber der Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder gegenüber der AG zu wenig Gewicht einräumt. 313 KK/Mertens/Cahn, § 108 AktG Rn. 112. 314 Vgl. Kap. C. Fn. 308. 315 A.A. Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, § 108 AktG Rn. 78, der auch ablehnende Urteile erfassen will. 316 H.M., vgl. K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 108 AktG Rn. 46; Fleischer, DB 2013, 217, 223; MüKoAktG/Habersack, § 108 AktG Rn. 85; GroßKommAktG/Hopt/Roth, 4. Aufl., § 108 AktG Rn. 186; Meilicke, FS W. Schmidt (1959), 71, 112 ff.; Spindler/Stilz/Spindler, § 108 AktG Rn. 83; vgl. auch Tendenz in BGHZ 122, 342, 350 f.; a.A. Borgmann, Organstreit, 225, der stattdessen auf § 99 Abs. 5 AktG abstellt. 317 Zur formellen Rechtkraft als Voraussetzung der materiellen Rechtskraft vgl. Rosenberg/ Schwab/Gottwald, § 149 Rn. 3. 318 Materielle Rechtkraft als negative Prozessvoraussetzung, vgl. Rosenberg/Schwab/ Gottwald, § 151 Rn. 10. 319 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 151 Rn. 15. 311
II. Streitigkeiten
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AktG auch dann gebunden, wenn der Aktionär oder das Organmitglied nicht selbst am ursprünglichen Verfahren beteiligt war. Eine solche Erstreckung der materiellen Rechtskraft ist geboten, weil es sich bei Aufsichtsratsbeschlüssen um mehrseitige Rechtsgeschäfte handelt, die unterschiedliche Adressaten und Betroffene haben können, und daher aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist.320 Die Anwendung des § 248 setzt jedoch richtigerweise auch die Anwendung des § 246 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 AktG analog voraus.321 Denkt man diesen Gedanken zu Ende, drängt es sich außerdem geradezu auf, die Konzentrationsvorschrift des § 249 Abs. 2 AktG analog auf Klagen von Aktionären oder Organmitgliedern anzuwenden, um gesellschaftsintern widersprüchliche Urteile zu verhindern. (2) Fehlerhaftigkeit von Vorstandsbeschlüssen Der Frage, inwieweit die Fehlerhaftigkeit von Vorstandsbeschlüssen klageweise geltend gemacht werden kann, ist in der Wissenschaft nicht ansatzweise so viel Aufmerksamkeit geschenkt worden wie den Aufsichtsratsbeschlüssen. Soweit sich die Kommentarliteratur aber überhaupt mit dem Thema auseinandersetzt, gehen die Ausführungen in weiten Teilen mit den zu Aufsichtsratsbeschlüssen einher.322 Schwerwiegende Verfahrens- oder Inhaltsmängel führen demnach zur uneingeschränkten Nichtigkeit.323 Minderschwere Mängel müssen innerhalb angemessener Frist geltend gemacht werden. Geschieht dies, bleibt es bei der Beschlussnichtigkeit; andernfalls verwirkt der Betroffene sein Rügerecht.324 Die Nichtigkeit kann durch Feststellungsklage geltend gemacht werden. Klagegegnerin ist die Gesellschaft.325 Nach richtiger Ansicht haben alle Vorstandsmitglieder ein Feststellungsinteresse für diese Feststellungsklage.326 Die einschränkende Gegenansicht327 vernachlässigt, dass Vorstandsmitglieder auf Grund ihrer Organstellung eine Gesamtverantwortung für die Rechtmäßigkeit der von ihnen gefassten Beschlüsse haben328. Aktionäre könnten allenfalls ein Feststellungsinteresse haben, wenn der Beschluss in ihre Mitgliedschaftsrechte eingreift – dann haben 320
Vgl. Spindler/Stilz/Spindler, § 108 AktG Rn. 83. Vgl. Fleischer, DB 2013, 217, 223; zust. MüKoAktG/Habersack, § 108 AktG Rn. 85. 322 Vgl. insbesondere Spindler/Stilz/Fleischer, § 77 AktG Rn. 28 ff. 323 Spindler/Stilz/Fleischer, § 77 AktG Rn. 28; vgl. Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, Rn. 520 ff.; GroßKommAktG/Kort, 5. Aufl., § 77 AktG Rn. 18. 324 Spindler/Stilz/Fleischer, § 77 AktG Rn. 28; vgl. Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, Rn. 521; GroßKommAktG/Kort, 5. Aufl., § 77 AktG Rn. 18. 325 Spindler/Stilz/Fleischer, § 77 AktG Rn. 28b; vgl. Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, Rn. 522 ff.; GroßKommAktG/Kort, 5. Aufl., § 77 AktG Rn. 18. 326 Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, § 77 AktG Rn. 28b. 327 Vgl. GroßKommAktG/Kort, 5. Aufl., § 77 AktG Rn. 18; KK/Mertens/Cahn, § 77 AktG Rn. 47. 328 Spindler/Stilz/Fleischer, § 77 AktG Rn. 28b. 321
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
sie aber immer einen individuellen Unterlassungsanspruch329, sodass sie kein Feststellungsbedürfnis haben.330 Fraglich ist allein das Feststellungsinteresse der Mitglieder des Aufsichtsrates. Diese haben nach herrschender Meinung kein Feststellungsinteresse für Beschlüsse des Vorstands.331 Pauschal kann das jedoch nicht hingenommen werden. Richtig ist zunächst, dass der Aufsichtsrat als Organ keine Möglichkeit hat und braucht, die Unwirksamkeit eines Vorstandsbeschlusses feststellen zu lassen.332 Das ergibt sich richtigerweise daraus, dass diesem durch das Aktienrecht bereits genügend Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, rechtmäßiges Vorstandsverhalten herbeizuführen.333 Tätigwerden durch den Aufsichtsrat setzt allerdings gem. § 108 Abs. 1 AktG einen Beschluss voraus. Muss die Minderheit des Aufsichtsrates aber die Durchführung eines rechtswidrigen Vorstandsbeschlusses hinnehmen, weil sich die Mehrheit des Aufsichtsrates geweigert hat, diese zu verhindern? Grundsätzlich wird man dies bejahen müssen, da die Disziplinierungsrechte des Aufsichtsrates nun einmal nicht zur Disposition des einzelnen Mitglieds gestellt werden. Die Grenze muss aber dort gezogen werden, wo der Vorstandsbeschluss eine erhebliche Rechtsverletzung beinhaltet. Dann muss auch dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied die Möglichkeit zugebilligt werden, gegen das Vorstandsverhalten vorzugehen. Eine solche erhebliche Rechtsverletzung liegt unter Heranziehung des Rechtsgedankens von § 245 Nr. 5 AktG dann vor, wenn sich ein Organmitglied durch die Ausführung des Vorstandsbeschlusses strafrechtlich, ordnungsrechtlich oder gesellschaftsrechtlich haftbar machen würde. Nicht entscheidend kann es sein, dass das Aufsichtsratsmitglied selber haften würde – das kann es schon nicht, weil es Vorstandsbeschlüsse nicht ausführt. Es genügt die potentielle Haftung der Vorstandsmitglieder. Das deckt sich mit dem Zweck des § 245 Nr. 5 AktG, welcher einzelne Organmitglieder zur Verhinderung erheblicher Rechtsverstöße mobilisieren soll.334 Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob der angegriffene Beschluss ein Beschluss des Aufsichtsrates, des Vorstandes oder der Hauptversammlung ist. Daher muss einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied ein Feststellungsinteresse zugebilligt werden, wenn die Ausführung des Vorstandsbeschlusses einen Fall des § 245 Nr. 5 AktG erfüllen würde. Greift ein Vorstandsbeschluss in die Mitgliedsrechte der Aktionäre ein, ist die Feststellungsklage des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gegenüber der Unterlas329
Näher KK/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rn. 235. Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 77 AktG Rn. 48. 331 Vgl. GroßKommAktG/Kort, 5. Aufl., § 77 AktG Rn. 18; KK/Mertens/Cahn, § 77 AktG Rn. 48. 332 Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, § 77 AktG Rn. 28c; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, Rn. 522; GroßKommAktG/Kort, 5. Aufl. § 77 AktG Rn. 18; KK/Mertens/Cahn, § 77 AktG Rn 48. 333 Vgl. bereits C.II.1.c)ee), S. 86; ähnlich KK/Mertens/Cahn, vor § 76 AktG Rn. 4; MüKoAktG/Spindler, § 77 AktG Rn. 28. 334 Vgl. C.II.1.b)cc)(1)(a)(ff), S. 47. 330
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sungsklage durch die Aktionäre subsidiär. Ein Aufsichtsratsmitglied verliert sein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Nichtigkeit von Vorstandsbeschlüssen, wenn die Durchführung dieser Beschlüsse bereits auf anderem Wege verhindert wird. Die Klage eines Aufsichtsratsmitgliedes ist wegen des nun fehlenden Feststellungsinteresses für erledigt zu erklären, wenn nach Erhebung der Feststellungsklage ein Aktionär eine Unterlassungsklage erhebt. Bei der Feststellungsklage gegen Vorstandsbeschlüsse sind ebenso die §§ 248 Abs. 1 S. 1, 246 Abs. 3 S. 1, 249 Abs. 2 AktG analog anzuwenden.335 Auch Vorstandsbeschlüsse sind mehrseitige Rechtsgeschäfte, eine andere Behandlung als bei Aufsichtsratsbeschlüssen ist nicht geboten. Die Erstreckung der materiellen Rechtskraft auch auf die Aktionäre ist – obwohl diese nicht aus sich heraus klagebefugt sind – für eben solche Fälle notwendig, in denen diese die Nichtigkeit des Beschlusses inzident geltend machen336. Auch hier darf aus Gründen der Rechtssicherheit das zweite Gericht nicht von der Entscheidung des ersten Gerichts abweichen. Diese materielle Rechtskrafterstreckung hat zur Folge, dass die Aktionäre trotz fehlenden Feststellungsinteresses die Möglichkeit bekommen, am Verfahren teilzunehmen. Es muss ihnen nämlich selbst dann, wenn ihre Rechte nicht verletzt werden, die Möglichkeit zugebilligt werden, der Klage gem. §§ 66 Abs. 1, 69 ZPO i.V.m. § 246 Abs. 4 AktG als streitgenössische Nebenintervenienten337 auf Seite des Klägers einzutreten. § 66 ZPO lässt eine Nebenintervention zu, wenn der Nebenintervenient ein rechtliches Interesse am Sieg der Hauptpartei hat. Ein rechtliches Interesse kann sich schon allein338 aus einer Rechtskraftwirkung für den Nebenintervenienten ergeben.339 Die Feststellung der Nichtigkeit eines Vorstandsbeschlusses entfaltet nach § 248 Abs. 1 S. 1 AktG analog Rechtskraft für alle Aktionäre. Daher muss es diesen möglich sein, der Streitigkeit unter Maßgabe des § 246 Abs. 4 AktG beizutreten. (3) Schiedsfähigkeit Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass die Anwendbarkeit des § 248 Abs. 1 AktG weit über die Streitigkeiten über Hauptversammlungsbeschlüsse, für die geschaffen wurde, hinausgeht. Neben der ohnehin anerkannten analogen Anwendung für die GmbH findet die Norm auch bei sonstigen Beschlüssen von Kollegialorganen in der Aktiengesellschaft Anwendung.340 Das deckt sich mit der Er335
Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, § 77 AktG Rn. 28d. Zu dieser Möglichkeit vgl. KK/Mertens/Cahn, § 77 AktG Rn. 48. 337 Vgl. BGH NJW-RR 2007, 1634. 338 BGH NJW-RR 2007, 1634; ZIP 2008, 1398; NZG 2010, 1066, 1067 (allesamt zu § 248 Abs. 1 S. 1 AktG direkt); a.A. Sturm, NZG 2006, 921. 339 Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 50 Rn. 14; MüKoZPO/Schultes, § 66 ZPO Rn. 11. 340 Vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 II 3, der sogar §§ 246, 249 AktG auf alle verbandsrechtlichen Kollegialorgane übertragen möchte. 336
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kenntnis, dass es sich bei der erga-omnes-Wirkung des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG um einen verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken handelt, der über das Aktienrecht hinaus Gültigkeit beansprucht.341 Seine Legitimation ergibt sich aus der mit ihm einhergehenden Vereinfachung gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, die daraus resultiert, dass er eine allseits verbindliche Entscheidung herbeiführt, ohne dass die Betroffenen notwendigerweise am Verfahren beteiligt sind.342 Diese weitreichende Verbindlichkeit hat erhebliche Auswirkungen auf die Schiedsfähigkeit aller Streitigkeiten, für die § 248 Abs. 1 AktG wirkt. Anders als bei staatlichen Gerichten, bei denen die Wirkung des § 248 Abs. 1 AktG qua Gesetzes angeordnet werden kann, bedarf es für die Bindung der Schiedsgerichte als private Streitentscheidungsorgane einer entsprechenden Legitimation. Wie der BGH bereits in der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung, die an anderer Stelle ausführlich diskutiert wurde343, angesprochen hat, kann sich die Wirkung des § 248 Abs. 1 AktG für alle Parteien einer Schiedsgrundlage schon daraus ergeben, dass die Schiedsgrundlage die analoge Wirkung des § 248 Abs. 1 AktG festschreibt. Es ergibt sich aus der Natur des Schiedsgerichts als privates Rechtsprechungsorgan, dass seine Schiedssprüche keine Rechtkraft für die Personen entfalten können, für die keine Zuständigkeit begründet wurde. Die Kriterien, die der BGH an Schiedsgrundlagen gestellt hat und hier modifiziert wurden, die eine analoge Wirkung des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG herbeiführen sollen, sind auch auf Organbeschlüsse übertragbar. Bei Streitigkeiten über Organbeschlüsse muss also für Aktionäre und andere Organmitglieder die Möglichkeit bestehen, der Streitigkeit als Nebenintervenient beizutreten. Zudem muss gewährleistet werden, dass nur ein einzelner Spruchkörper über die Sache entscheidet – wobei dies wegen der Personen, die als Hauptpartei ein Feststellungsinteresse haben, eine geringere Bedeutung hat. Das ist die gleiche Situation wie bei einer Beschlussmängelstreitigkeit über Hauptversammlungsbeschlüsse. Eine Streitigkeit über einen Gesellschafterbeschluss und einen Organbeschluss ist prozessual so ähnlich, dass die in der Entscheidung erarbeiteten Grundsätze in ihrer modifizierten Form voll auf sie übertragbar sind. Das bedeutet natürlich, dass die gleichen praktischen Bedenken gegen eine Schiedsvereinbarung nach § 1029 ZPO greifen, da diese eine Beteiligung aller Aktionäre voraussetzen würde.344 Ob eine entsprechende Schiedsklausel aber trotz 341 Ausführlich Noack, Fehlerhafte Beschlüsse, 85 ff.; vgl. schon v. Tuhr, BGB AT Bd. 1, 519 der bereits früh darlegte, dass § 248 Abs. 1 AktG (=§ 273 Abs. 1 S. 1) AktG keine „Singularität des Aktienrechts“ ist. 342 Näher zur Vereinfachung durch § 248 AktG vgl. M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 440 f. 343 Vgl. C.II.1.b)cc)(2)(c), S. 56. 344 Nicht so problematisch wäre die Anwendung der Grundsätze für Beschlüsse eines fakultativen oder obligatorischen Aufsichtsrates einer GmbH, da hier die Einführung einer entsprechenden Schiedsgrundlage entweder durch Vereinbarung oder durch die Satzung weniger problematisch ist.
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Satzungsstrenge in eine AG-Satzung aufgenommen werden kann, wird noch zu prüfen sein.345 hh) Abberufung von Vorstandsmitgliedern Der Widerruf von der Bestellung von Vorstandsmitgliedern wird nach § 84 AktG durch den Aufsichtsrat vorgenommen. Für den Rechtsschutz steht dem Vorstandsmitglied die Möglichkeit zu, gegen die AG, vertreten durch den Aufsichtsrat, zu klagen.346 Was genau die richtige Klageart ist, richtet sich wegen der Regelung des § 84 Abs. 3 S. 4 AktG sowohl nach dem Klagebegehren als auch dem Angriffsgegenstand und dem Zeitpunkt der Klageerhebung.347 (1) Feststellungsklagen Will das Vorstandsmitglied nur die Feststellung, dass seine Abbestellung widerrechtlich war, aber keine Wiedereinsetzung in sein Amt, weil seine Amtszeit schon abgelaufen ist, dann handelt es sich hierbei um eine Feststellungsklage zwischen der Gesellschaft und dem abberufenen Vorstandsmitglied.348 Stützt das Organmitglied seine Klage allein auf das Fehlen oder die Ungültigkeit des Beschlusses, dann handelt es sich um eine echte Feststellungsklage.349 Genaugenommen liegt eine Organbeschlussmängelstreitigkeit vor, da hier auch nur ein Beschluss des Aufsichtsrates überprüft wird350. Dies hat zur Folge, dass für eine solche Klage die für die sonstigen Organbeschlüsse entwickelten Grundsätze greifen. Damit diese Streitigkeit also vor einem Schiedsgericht verhandelt werden kann, müssen die Schiedsgrundlage die Wirkung des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG analog festschreiben und den dazugehörigen inhaltlichen Gestaltungsanforderungen entsprechen. Die Feststellung über die Wirksamkeit der Abberufung wäre geradezu ein Paradebeispiel dafür, dass § 248 Abs. 1 S. 1 AktG analog den Zweck verfolgt, Rechtsklarheit für alle Beteiligten zu erreichen. Wenn Aktionäre sich etwa zur Wahrung ihrer Aktionärsrechte an die Gesellschaft wenden, muss Klarheit darüber bestehen, wer die vertretungsberechtigten Organmitglieder sind. Da der Aufsichtsrat allerdings nach § 244 AktG analog einen bestätigenden Aufsichtsratsbeschluss fassen und damit die Erledigung der Hauptsache herbeiführen kann351, ist eine Schiedsklage nicht erfolgversprechend. 345
Vgl. D.III.1.c)aa), S. 205. Hüffer/Koch, § 38 AktG Rn. 41; GroßKommAktG/Kort, 5. Aufl., § 84 Rn. 194; Mehrbrey/Witte/Gossen, § 9 Rn. 6. 347 Mehrbrey/Witte/Gossen, § 9 Rn. 7. 348 Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 84 AktG Rn. 135; Mehrbrey/Witte/Gossen, § 9 Rn. 10. 349 Vgl. OLG Hamm, AG 2010, 789, 791; KK/Mertens/Cahn, § 84 AktG Rn. 136; Mehrbrey/Witte/Gossen, § 9 Rn. 9. 350 Vgl. GroßKommAktG/Kort, 5. Aufl., § 84 AktG Rn. 205. 351 GroßKommAktG/Kort, 5. Aufl., § 84 AktG Rn. 205. 346
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(2) Gestaltungsklage, § 84 Abs. 3 S. 4 AktG Die praktisch relevantere Möglichkeit des Rechtsschutzes ist, dass das Vorstandsmitglied sich nach § 84 Abs. 3 S. 4 AktG auf das Fehlen eines wichtigen Grundes beruft. Klagt das Vorstandsmitglied während seiner Amtszeit und strebt es die Wiedereinsetzung an, so muss das Fehlen eines wichtigen Grundes im Rahmen einer Gestaltungsklage geltend gemacht werden.352 Die Organstellung soll rückwirkend wiederhergestellt werden.353 Die Klage ist funktional eine andere als die Feststellungsklage über die Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses. Gerade aus § 84 Abs. 3 S. 4 AktG ergibt sich, dass ein Beschluss über den Widerruf einer Vorstandsbestellung wirksam ist, bis das Fehlen des wichtigen Grundes festgestellt werden kann. Daher kann der Aufsichtsratsbeschluss nicht nichtig sein. Während es bei den sonstigen Klagen gegen Aufsichtsratsbeschlüsse also allein um die Feststellung der materiellen Rechtslage geht, wird diese durch eine Gestaltungsklage nach § 84 Abs. 3 S. 4 AktG geändert. Die Feststellungsklage klärt, dass ein Mitglied des Vorstands ein Mitglied des Vorstands ist, eine Gestaltungsklage macht das Mitglied des Vorstands wieder zu einem Mitglied des Vorstands. Findet also auch auf diese § 248 Abs. 1 S. 1 AktG mit seinem Tross von Normen Anwendung? Vergleicht man die Interessenlagen, dann ergibt sich folgende Parallelität: Normale Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen sind die Nichtigkeitsklagen des Organbeschlussrechts, also vergleichbar mit § 249 AktG. Die Klage auf Wiedereinsetzung nach § 84 Abs. 3 S. 4 AktG entspricht dagegen einer Anfechtungsklage nach § 246 AktG. Eine Nichtigkeitsklage stellt nur die materielle Rechtslage fest, eine Anfechtungsklage führt diese herbei. Wie bereits dargelegt, geht mit einem Anfechtungsurteil gem. § 248 Abs. 1 S. 1 AktG die rechtskräftige Feststellung einher, dass der behauptete Beschlussmangel im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorlag.354 Damit § 248 Abs. 1 S. 1 AktG auf die Gestaltungsklage nach § 84 Abs. 3 S. 4 AktG übertragbar ist, müsste also diese Wertung des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG hier auch passen. Es muss mithin die Notwendigkeit bestehen, dass das durch § 84 Abs. 3 S. 4 AktG geltend gemachte Gestaltungsrecht, bzw. der Beschlussmangel über das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Vorstandsmitglied hinaus auch für die Aktionäre rechtskräftig festgestellt wird. Der Mangel, aus dem sich das Gestaltungsrecht nach § 84 Abs. 3 S. 4 AktG ergibt, ist das Fehlen eines wichtigen 352 Vgl. OLG Hamm, AG 2010, 789, 791; LG Darmstadt, AG 1987, 318, 319; Henssler/ Strohn/Dauner-Lieb, § 84 AktG Rn. 34; Hüffer/Koch, § 84 AktG Rn. 41; GroßKommAktG/ Kort, 5. Aufl., § 84 Rn. 195; KK/Mertens/Cahn, § 84 AktG Rn. 135; Mehrbrey/Witte/Gossen, § 9 Rn. 8. 353 Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, § 84 AktG Rn. 34; Hüffer/Koch, § 84 AktG Rn. 41; vgl. KK/Mertens/Cahn, § 84 AktG Rn. 135; a.A. Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 166 f. (exnunc-Unwirksamkeit). 354 Vgl. C.II.1.b)cc)(2)(e)(aa), C.II.1.b)cc)(2)(e)(aa)(b), S. 71.
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Grundes. Mit der Gestaltungswirkung geht also die Feststellung einher, dass der behauptete wichtige Grund nicht vorlag. Dass diese Feststellung gegenüber den Aktionären in mittelbarer Rechtskraft erwächst, ist insbesondere für den Fall von Drittanstellungsverträgen zwischen dem Mitglied des Vorstands und einem Aktionär von Bedeutung. Drittanstellungsverträge sind Anstellungsverträge355, die das Vorstandsmitglied nicht mit der AG, sondern mit einem Dritten – üblicherweise einer Konzernmutter, aber auch anderen Aktionären – abschließt.356 Die Zulässigkeit dieser Verträge ist zwar noch nicht eindeutig geklärt, wird aber von der herrschenden Meinung mittlerweile angenommen.357 Anstellungsverträge können grundsätzlich nach § 626 Abs. 1 S. 1 BGB wegen Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden. Der Begriff des wichtigen Grundes in § 626 Abs. 1 S. 1 BGB ist nicht identisch mit dem des wichtigen Grundes in § 84 Abs. 3 AktG358, ist aber bei einem Vorstandsvertrag erfüllt, wenn ein wichtiger Grund für die Abberufung bestand und unter Einbeziehung der sozialen Folgen für den Gekündigten die Fortzahlung unzumutbar wäre.359 Bei der Abwägung, ob ein wichtiger Grund im Sinne des BGB vorliegt, wird also den Interessen des Organmitglieds mehr Gewicht beigemessen als beim wichtigen Grund für die Abberufung.360 Funktional ist der wichtige Grund des § 84 Abs. 3 AktG somit minimale Voraussetzung für den wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 S. 1 BGB, soweit er sich auf Vorstandsverträge erstreckt. Es wäre unsinnig, wenn einerseits kein wichtiger Grund – etwa in Gestalt einer groben Pflichtverletzung – für die Abberufung nach § 84 Abs. 3 AktG vorläge, andererseits aber doch ein wichtiger Grund für die Kündigung des Vertrages. Eine unterschiedliche Behandlung wäre auf jeden Fall verfehlt. Ist zwischen den Parteien bereits rechtskräftig festgestellt, dass schon kein wichtiger Grund zur Abberufung bestand, dann kann auch kein wichtiger Grund zur Kündigung bestehen. Es ist daher geboten, dass die Feststellung, dass kein wichtiger Grund für die Abberufung bestand, auch gegenüber den Aktionären bindend ist, weil die Möglichkeit besteht, dass diese Feststellung bei Drittanstellungsverträgen Wirkung entfaltet. Daher gibt es auch bei einer Gestaltungsklage nach § 84 Abs. 3 S. 4 AktG Fälle, in denen die Erstreckung der Rechtskraft über die Gesellschaft hinaus auch auf die Aktionäre geboten ist. Folglich ist die Interessenlage von § 248 Abs. 1 S. 1 AktG, soweit er sich auf die Anfechtungsklage bezieht, mit der Interessenlage einer Gestaltungsklage nach § 84 Abs. 3 S. 4
355 Zur Schiedsfähigkeit anstellungsvertraglicher Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und der Gesellschaft vgl. C.II.2., S. 112. 356 Vgl. Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, Rn. 234. 357 Vgl. KG NZG 2011, 865 ff.; zum Meinungsstand Jooß, NZG 2011, 1130 f. 358 Ausf. Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 161 ff. 359 KK/Mertens/Cahn, § 84 AktG Rn. 150; vgl. auch Hüffer/Koch, § 84 AktG Rn. 50; Spindler/Stilz/Fleischer, § 84 AktG Rn. 153. 360 Vgl. Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 162.
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AktG vergleichbar. § 248 Abs. 1 S. 1 AktG ist daher auch auf die Gestaltungsklage nach § 84 Abs. 3 S. 4 AktG analog anzuwenden361. Das hat erhebliche Bedeutung für den Prozess. Folgt man der bereits dargestellten herrschenden Meinung, dass zur Begründung einer Nebenintervention bereits eine Erstreckung der Rechtskraft auf den Nebenintervenienten ausreicht362, dann kann auch bei der Klage gegen die Abberufung jeder Aktionär mit Verweis auf § 248 Abs. 1 S. 1 AktG analog auf Seiten des Vorstandsmitglieds beitreten.363 Auf diese Weise kann im Einzelfall auch das einem Prozess innewohnende Machtgefälle zwischen dem einzelnen, ehemaligen Mitglied des Vorstands und der in der Regel mit mehr Mittel ausgestatten AG ausgeglichen werden. Für die Schiedsfähigkeit hat dies natürlich ebenso erhebliche Bedeutung, da bei einer Anwendung des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG auch die Begleitvorschriften Anwendung finden. Entsprechend muss die Schiedsgrundlage so ausgestaltet sein, dass sie die Wirkung des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG analog festschreibt und die Mindestkriterien erfüllt, die diese Reichweite des Schiedsspruchs rechtfertigen. Dabei kann auch nicht auf das vom BGH für Beschlussmängelstreitigkeiten geforderte Kriterium der Konzentration364 verzichtet werden, da es durchaus denkbar ist, dass der Aufsichtsrat mehrere Vorstandsmitglieder mit einem einzelnen Beschluss abberuft. Auch hier es geboten, dass über den Beschluss nicht einzeln entschieden wird, sondern durch das gleiche Gericht. (3) Zwischenergebnis Streitigkeiten über die Abberufung von Mitgliedern des Vorstandes können in drei unterschiedlichen Varianten auftreten. Die erste ist eine einfache Feststellungsklage über die Rechtswidrigkeit der Abberufung, die nicht auf Wiedereinsetzung gerichtet ist. Sie ist schiedsfähig. Daneben kommt eine Aufsichtsratsbeschlussmängelstreitigkeit wegen der Fehlerhaftigkeit des Abberufungsbeschlusses und eine Gestaltungsklage nach § 84 Abs. 3 S. 4 AktG in Frage. Da auf diese auch § 248 Abs. 1 AktG analog angewendet werden muss, ist eine Streitigkeit hierüber nur dann schiedsfähig, wenn die Schiedsgrundlage den (modifizierte) Voraussetzungen der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung entspricht. Auch die umstrittene Frage, ob eine Schiedsgrundlage über eine solche Streitigkeit aber gesellschaftsrechtlich zulässig ist, soll an einer anderen Stelle geklärt werden.365
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Dies nehmen auch Habersack/Wasserbäch an, ohne dies zu begründen, vgl. AG 2016, 2,
Vgl. dazu bereits C.II.1.c)gg)(2), S. 95. Dies übersehen Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 11. 364 Vgl. dazu in der AG C.II.1.c)ff)(3)(d), S. 92. 365 Vgl. D.III.1.c)bb), S. 206 (Satzungsklausel) und E.III.2., S. 284 (Mehrparteienschiedsvereinbarung). 363
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ii) Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern Die Abberufung von Mitgliedern des Aufsichtsrates richtet sich nach § 103 AktG. Dabei ist zwischen der Abberufung durch die Hauptversammlung (Abs. 1), durch den Entsendungsberechtigten (Abs. 2) und durch das Gericht (Abs. 3) zu unterscheiden. Der Abberufungsbeschluss durch die Hauptversammlung nach § 103 Abs. 1 AktG ist nicht an sachliche Kriterien geknüpft.366 Er kann zwar wegen formaler Fehler mit der Anfechtungsklage angegriffen werden.367 Das abberufene Mitglied des Aufsichtsrates selbst hat jedoch keine Klagebefugnis: Eine individuelle Klagebefugnis könnte sich allenfalls aus § 245 Nr. 5 AktG ergeben. Dieser wäre jedoch nicht einschlägig, da ein nur anfechtbarer Hauptversammlungsbeschluss bis zum rechtskräftigen Anfechtungsurteil (vgl. § 241 Nr. 5 AktG) wirksam ist, das Aufsichtsratsmitglied also bis zum Urteil wirksam abberufen wurde.368 Die Organinhaberschaft nach § 245 Nr. 5 AktG liegt nicht vor. Außerdem kann ein Abberufungsbeschluss eines Aufsichtsratsmitglieds nicht zu einer in § 245 Nr. 5 AktG dargestellten Haftung eines Organmitglieds führen, sodass § 245 Nr. 5 AktG auch sonst nicht erfüllt wäre. Eine Anfechtungsklage durch eine andere gem. § 245 AktG legitimierte Person wäre auch nicht erfolgversprechend, da der anfechtbare Abberufungsbeschluss nach § 244 S. 1 AktG durch die Hauptversammlung bestätigt werden kann. Zudem ist die Abberufung durch einen Entsendungsberechtigten nach § 103 Abs. 2 AktG nicht an sachliche Kriterien geknüpft. Eine gerichtliche Überprüfung ist auch hier nicht möglich.369 Denkbar wäre indes, dass das nach § 103 Abs. 3 AktG mögliche Abberufungsverfahren von einem Schiedsgericht anstelle eines staatlichen Gerichts durchgeführt wird. Hier kann der Aufsichtsrat als Organ370 nach S. 1 bzw. Aktionäre nach Maßgabe nach S. 3 bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Abberufung eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds vor dem Gericht einklagen. Das Verfahren folgt den Regeln der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach dem FamFG.371 Auf echte Parteistreitigkeiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist das 10. Buch der ZPO analog anwendbar.372 Es ist demnach für die Schiedsfähigkeit unerheblich, ob für die Geltendmachung des 366
K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 103 AktG Rn. 2; MüKoAktG/Habersack, § 103 AktG Rn. 12. 367 Mehrbrey/Witte/Gossen, § 9 Rn. 219. 368 Vgl. überzeugend MüKoAktG/Habersack, § 103 AktG Rn. 22. 369 Mehrbrey/Witte/Gossen, § 9 Rn. 220. 370 Vgl. Hoffmann/Kirchhoff, FS Beusch (1993), 377; KK/Mertens/Cahn, § 103 AktG Rn. 28. 371 Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 103 AktG Rn. 38 ff. 372 Grundlegend Habscheid, ZZP 66 (1953), 188 ff.; vgl. BGH NJW 1959, 1493 ff.; Ebbing NZG 1998, 281, 287; Zöller/Geimer, vor § 1025 ZPO Rn. 1; Muscheler, ZEV 2009, 317, 318.
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Rechts vor den staatlichen Gerichten ein Prozess im Sinne der ZPO oder ein Verfahren im Sinne des FamFG vorgesehen ist.373 Bei dem Verfahren nach § 103 Abs. 3 AktG handelt es sich um eine echte Streitsache.374 Deren Schiedsfähigkeit nach § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO analog ergibt sich aus dem gesellschaftsrechtlichen Charakter. Eine analoge Anwendung des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG auf das Verfahren nach § 103 Abs. 3 AktG bedarf es nicht, weil die rechtskräftige Entscheidung des in einem vom Aufsichtsrat eingeleiteten Verfahren ohnehin die Aktionäre präkludiert und umgekehrt.375 d) Streitigkeiten in einer SE Der europäische Gesetzgeber hat bei der Schaffung der SE mit dem dualistischen (Art. 39 ff. SE-VO) und dem monistischen (Art. 43 ff. SE-VO) zwei unterschiedliche Formen der Organisationsverfassung kreiert. Diese unterscheiden sich gem. Art. 38 lit. b) SE-VO durch die Art und Anzahl der für das jeweilige System notwendigen Organe. Entsprechend liegt es nahe, Unterschiede zwischen den Systemen bei den jeweiligen organschaftlichen Streitigkeiten zu erwarten. Im Folgenden sollen daher erst die potentiellen Streitigkeiten in einer dualistischen SE [aa)], und dann die potentiellen Streitigkeiten in einer monistischen SE [bb)] auf ihre Schiedsfähigkeit überprüft werden. aa) Dualistische SE Eine dualistische SE hat gem. Art. 38 SE-VO eine Hauptversammlung, ein Leitungsorgan und ein Aufsichtsorgan. (1) Organschaftliche Erstattungsansprüche/„Entlastungsklage“ Im Hinblick auf die Organhaftung enthält die SE-VO keine Regelungen,376 weder für die dualistische noch für die monistische SE. Sie beschränkt sich darauf, in Art. 51 bezüglich der Binnenhaftung377 der Organe gegenüber der SE auf das nationale Aktienrecht des Sitzstaats zu verweisen – wodurch aber zugleich zumindest klargestellt wird, dass jedenfalls ein Minimum an (Binnen)-Haftung gewährleistet 373
Vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 283. Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 103 Rn. 44. 375 KK/Mertens/Cahn, § 103 Rn. 49; vgl. GroßKommAktG/Hopt/Roth, 4. Aufl., § 103 AktG Rn. 75. 376 Zu den Hintergründen vgl. Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Teichmann, Art. 51 SE-VO Rn. 5. 377 Bzgl. der Außenhaftung von Organmitgliedern gilt gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO das nationale Recht, vgl. Hirte, NZG 2002, 1, 5; Manz/Mayer/Schröder/Manz, Art. 51 SE-VO Rn. 9; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 530; Schwarz, Art. 52 SE-VO, Rn. 25. 374
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sein muss.378 Für die dualistische SE folgt aus der Verweisung, dass für Mitglieder des Leitungsorgans § 93 AktG379 und für Mitglieder des Aufsichtsorgans §§ 112, 93 AktG380 gelten. Dass die Ansprüche aus § 93 AktG nach deutschem Recht schiedsfähig sind, wurde bereits dargelegt.381 Zu Wettbewerbsverboten der Mitglieder des Leitungsorgans enthält die SE-VO keine Regelung. Über Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO findet aber das nationale Recht Anwendung, welches in § 88 AktG ein Wettbewerbsverbot für Mitglieder eines Vorstandes anordnet, sodass entsprechend auch Leitungsorganmitglieder einem Wettbewerbsverbot unterliegen.382 Die Ansprüche, die sich hieraus ergeben, sind schiedsfähig.383 Das gleiche muss auch gelten, wenn nicht die Gesellschaft den Anspruch einklagt, sondern umgekehrt das Organmitglied das Nichtbestehen eines solchen Anspruchs feststellen lassen. Diese „Entlastungsklage“ ist für die AG anerkannt und voll auf die SE übertragbar. Dafür spielt es nicht etwa eine Rolle, ob § 120 AktG auch für die SE greift384, denn die „Entlastungsklage“ hat trotz ihres Namens nichts mit der Entlastung im Sinne des § 120 AktG zu tun. Bei ihr handelt es sich vielmehr nur um die prozessuale Umkehrung der organhaftungsrechtlichen Leistungsklage in Gestalt einer negativen Feststellungsklage. Es wird nicht auf Entlastung geklagt, sondern auf Feststellung, dass kein Organhaftungsanspruch besteht.385 (2) Vergütungs- und Auslagenersatzanspruch des Aufsichtsorgans Die Vergütungs- und Auslagenersatzansprüche richten sich gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO nach nationalem Recht.386 Daher sind §§ 113, 114 AktG anwendbar.387 Auf die entsprechenden Ausführungen wird verwiesen.388 378
Vgl. Lutter/Bayer/J. Schmidt, § 41 Rn. 104. Habersack/Drinhausen/Drinhausen, Art. 51 SE-VO Rn. 7; Manz/Mayer/Schröder/ Manz, Art. 51 SE-VO Rn. 11; Lutter/Bayer/J. Schmidt, § 41 Rn. 104; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 530. 380 Habersack/Drinhausen/Drinhausen, Art. 51 SE-VO Rn. 7; Manz/Mayer/Schröder/ Manz, Art. 51 SE-VO Rn. 11; Lutter/Bayer/J. Schmidt, § 41 Rn. 104; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 577. 381 Vgl. C.II.1.c)aa)(1), S. 79. 382 Vgl. Manz/Mayer/Schröder/Manz, Art. 39 SE-VO Rn. 91; MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 51 SE-VO Rn. 43. 383 Vgl. C.II.1.c)aa)(2), S. 79. 384 Was nach h.M. aber der Fall ist, vgl. Habersack/Drinhausen/Bücker, Art. 52 SE-VO Rn. 26; Spindler/Stilz/Eberspächer, Art. 52 SE-VO Rn. 10; MüKoAktG/Kubis, Art. 52 SE-VO Rn. 19; a.A. Brandt, Hauptversammlung der SE, 148 ff. 385 Vgl. zum Ganzen C.II.1.c)bb), S. 79. 386 Vgl. Lutter/Bayer/Schmidt, § 41 Rn. 129 m.w.N. 387 Vgl. Lutter/Bayer/Schmidt, § 41 Rn. 129 m.w.N. 388 Vgl. C.II.1.c)cc), S. 80. 379
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(3) Informationsansprüche Die SE-VO enthält in Art. 41 SE-VO die Informationsrechte des Aufsichtsrates. Bei der prozessualen Geltendmachung dieser Organrechte kann man sich insoweit an den im Aktienrecht geltenden Grundsätzen389 orientieren390, dass die Kollegialrechte aus Art. 41 Abs. 1, 2, und 3 S. 1 SE-VO durch Klage der SE gegen die Leitungsorganmitglieder als notwendige Streitgenossen durchgesetzt werden, wobei die SE nach Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO i.V.m. § 112 AktG vom Aufsichtsorgan vertreten wird.391 Entsprechend der Informationsansprüche, die dem Aufsichtsrat gegen die Mitglieder des Vorstandes zustehen, muss also auch hier gewährleistet sein, dass die Schiedsgrundlage die minimalen Voraussetzungen für Schiedsgrundlagen entfaltet. Diese lauten: Schiedsbindung aller Beteiligten, Chancengleichheit bei der Schiedsrichterauswahl und Zustimmung aller Schiedsrichter.392 Die Individualansprüche einzelner Aufsichtsorganmitglieder nach Art. 41 Abs. 3 S. 2 SE-VO i.V.m. § 18 SEAG sind entsprechend von den betroffenen Organmitgliedern als Klage im eigenen Recht gegen die SE geltend zu machen.393 Das Gleiche gilt für den Informationsanspruch aus Art. 41 Abs. 5 SE-VO.394 Hier wird die Gesellschaft durch das Leitungsorgan vertreten.395 Nach herrschender Meinung stehen dem Aufsichtsorgan neben den Informationsrechten aus Art. 41 SE-VO auch noch gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO die gleichen Informationsrechte wie dem Aufsichtsrat zu.396 Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen. Art. 41 SE-VO ist eine abschließende Regelung für die Informationsrechte des Aufsichtsorgans, sodass neben diesen für eine Anwendung des Art. 9 Abs. 1 lit. c SE-VO kein Raum ist.397
389
Vgl. bereits C.II.1.c)dd)(1), S. 81. KK/Paefgen, Art. 41 SE-VO Rn. 59; MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 41 SE-VO Rn. 28. 391 Vgl. KK/Paefgen, Art. 41 SE-VO Rn. 59; MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 41 SEVO Rn. 29. 392 Vgl. C.II.1.c)dd)(1)(b), S. 84. 393 KK/Paefgen, Art. 41 SE-VO Rn. 60; MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 41 SE-VO Rn. 30. 394 KK/Paefgen, Art. 41 SE-VO Rn. 60; MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 41 SE-VO Rn. 30. 395 KK/Paefgen, Art. 41 SE-VO Rn. 60; MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 41 SE-VO Rn. 30. 396 Vgl. KK/Paefgen, Art. 41 SE-VO Rn. 15; MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 41 SEVO Rn. 6; Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Sailer-Coceani, Art. 41 SE-VO Rn. 6. 397 Vgl. Lutter/Bayer/J. Schmidt, § 41 Rn. 125, Fn. 480. 390
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(4) Fehlerhaftigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen Die Fehlerhaftigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen398 richtet sich bei einer SE mit Sitz in Deutschland gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO nach den §§ 241 ff. AktG.399 Für die Anfechtungsklage richtet sich die Klagebefugnis nach § 245 AktG.400 Demnach kann das Leitungsorgan als Organ selbst immer Anfechtungsklage erheben, während eine Anfechtungsklage durch die Organmitglieder nur unter den Voraussetzungen des § 245 Nr. 5 AktG zulässig ist.401 Eine Nichtigkeitsklage kann gem. § 249 AktG von allen Organmitgliedern erhoben werden.402 Zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelklagen im Aktienrecht wurde bereits ausführlich Stellung bezogen403, sodass dem nichts mehr hinzugefügt werden muss. Die Schiedsfähigkeit ist demnach zu bejahen, wenn die Schiedsgrundlage entsprechend der (modifizierten) Kriterien aus der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung ausgestaltet ist. Ob dies durch Satzung404 oder Vertrag405 möglich ist, wird noch zu prüfen sein. (5) Fehlerhaftigkeit von Organbeschlüssen Sind Organbeschlüsse fehlerhaft, kann dies in gleicher Weise geltend gemacht werden wie bei Organbeschlüssen einer nationalen AG.406 Somit kann auf die dort gemachten Ausführungen verwiesen werden.407 Das bedeutet, dass auf die Klagen auch §§ 246 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, 248 Abs. 1, 249 Abs. 2 AktG analog anzuwenden sind. (6) Abberufung von Organmitgliedern Art. 39 Abs. 2 SE-VO regelt zwar die organschaftliche Kompetenz des Aufsichtsorgans zur Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Leitungsorgans,408 enthält aber keine Aussage über den Rechtsschutz des Leitungsorganmitglieds. Materiell wird jedoch von der herrschenden Meinung über Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE398
Zu diesem Thema ausführlich Göz, ZGR 2008, 593 ff. Habersack/Drinhausen/Bücker, Art. 57 SE-VO Rn. 32; Göz, ZGR 2008, 593, 595; KK/ Kiem, Art. 57 SE-VO, Rn. 43; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 702 f. 400 Vgl. Göz, ZGR 2008, 593, 596; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 703. 401 Manz/Mayer/Schröder/Mayer, Art. 57 SE-VO Rn. 79. 402 Manz/Mayer/Schröder/Mayer, Art. 57 SE-VO Rn. 102. 403 Vgl. C.II.1.c)ff), S. 89. 404 Vgl. D.IV.1.b), S. 220. 405 Vgl. E.III.2., S. 284. 406 Vgl. Habersack/Drinhausen/Drinhausen, Art. 50 SE-VO Rn. 22; Spindler/Stilz/Eberspächer, Art. 50 SE-VO Rn. 12; Manz/Mayer/Schröder/Manz, Art. 50 SE-VO Rn. 30; KK/ Siems, Art. 50 SE-VO Rn. 29; Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Teichmann, Art. 50 SE-VO Rn. 20. 407 Vgl. C.II.1.c)gg), S. 93. 408 KK/Paefgen, Art. 39 SE-VO Rn. 38; MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 39 SE-VO Rn. 15; Habersack/Drinhausen/Seibt, Art. 39 SE-VO Rn. 23. 399
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VO der § 84 Abs. 3 AktG angewendet,409 welcher einen wichtigen Grund für die Abberufung fordert. Ebenso wird § 84 Abs. 3 S. 4 AktG, der die vorläufige Wirksamkeit der Abberufung bis zur rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit regelt, angewendet.410 So ist es nur konsequent, die zu § 84 AktG entwickelten Rechtsschutzvarianten für den Vorstand auch für das Leitungsorgan gelten zu lassen. Die Schiedsfähigkeit dieser Streitigkeiten und die Anforderungen an die Schiedsgrundlage wurden bereits dargestellt.411 Die Abberufung von Mitgliedern des Aufsichtsorgans richtet sich ebenfalls gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO nach dem nationalen Recht.412 Also kann auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen werden.413 bb) Monistische SE (1) Organschaftliche Erstattungsansprüche/„Entlastungsklage“ Die Organhaftung in der monistischen SE ist nicht anders ausgestaltet als in der dualistischen SE, da auch hier letztlich § 93 AktG gilt. Für den Verwaltungsrat ergibt sich dies aus Art. 51 SE-VO i.V.m. § 39 SEAG414 und für die geschäftsführenden Direktoren gem. § 40 Abs. 8 SEAG415. Bei der Schiedsfähigkeit dieser Ansprüche gibt es keine Unterschiede zur Organhaftung in der dualistischen SE416. Die Schiedsfähigkeit ist demnach zu bejahen. Das Gleiche muss für die Umkehrung der Organhaftungsklage im Wege einer auch in der dualistischen SE möglichen „Entlastungsklage“ gelten.
409 Vgl. Manz/Mayer/Schröder/Manz, Art. 39 SE-VO Rn. 29 ff.; KK/Paefgen, Art. 39 SEVO Rn. 70; MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 39 SE-VO Rn. 33; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 514 f.; Schwarz, Art. 39 SE-VO Rn. 63; Habersack/Drinhausen/Seibt, Art. 39 SEVO Rn. 25; a.A. Hirte, NZG 2002, 1, 5; ders., DStR 2005, 653, 657; Lange, EuZW 2003, 301, 305 f.; Schindler, Europäische Aktiengesellschaft, 68; wohl auch Hommelhoff, AG 2001, 279, 283. 410 Vgl. MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 39 SE-VO Rn. 33. 411 Vgl. C.II.1.c)hh), S. 99. 412 H.M., Spindler/Stilz/Eberspächer, Art. 40 SE-VO Rn. 9; MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 40 SE-VO Rn. 59; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 563 f. m.w.N.; a.A. Hirte, NZG 2002, 1, 5; Hommelhoff, AG 2001, 279, 283 (vorzeitige Abberufung unzulässig). 413 Vgl. C.II.1.c)ii), S. 103. 414 Spindler/Stilz/Eberspächer, Art. 51 SE-VO Rn. 8; Manz/Mayer/Schröder/Manz, Art. 51 SE-VO Rn. 11; Lutter/Bayer/J. Schmidt, § 41 Rn. 104. 415 Spindler/Stilz/Eberspächer, Art. 51 SE-VO Rn. 9; Manz/Mayer/Schröder/Manz, Art. 51 SE-VO Rn. 11; Lutter/Bayer/J. Schmidt, § 41 Rn. 104. 416 Vgl. C.II.1.d)aa)(1), S. 104, insoweit identisch auch bei der AG, vgl. C.II.1.c)aa)(1), S. 79.
II. Streitigkeiten
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(2) Vergütungs- und Auslagenersatzanspruch des Verwaltungsrats Für die Verwaltungsratsmitglieder bestimmen sich Vergütung und Auslagenersatz nach dem nationalen Recht für Aufsichtsräte.417 Auf die entsprechenden Ausführungen wird verwiesen.418 (3) Informationsansprüche Art. 44 Abs. 2 SE-VO enthält einen individuellen und klagbaren Anspruch eines Verwaltungsratsmitglieds gegen die Gesellschaft.419 Bei der Klage wird die Gesellschaft durch den/die geschäftsführenden Direktor(en) vertreten.420 Die Norm ist insoweit mit § 41 Abs. 5 SE-VO421 und § 90 Abs. 5 AktG vergleichbar, sodass auf die entsprechenden Ausführungen verweisen wird. Überdies verweist § 40 Abs. 6 SEAG für die Informationspflichten der Geschäftsführung auf § 90 AktG. Insoweit greifen auch die dafür entwickelten Grundsätze.422 (4) Fehlerhaftigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen Die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelklagen über Hauptversammlungsbeschlüsse wurde bereits ausführlich besprochen. Für die monistische SE bleibt daher nur noch zu klären, welcher Organe und welche Organmitglieder für Anfechtungsund Nichtigkeitsklagen klagebefugt sind. Göz hat bereits herausgearbeitet, dass sich § 245 AktG nicht ohne Weiteres dadurch auf die SE übertragen lässt, dass der Verwaltungsrat mit dem Aufsichtsrat und die geschäftsführenden Direktoren mit dem Vorstand gleichgesetzt werden.423 Nach § 22 Abs. 1 SEAG leitet der Verwaltungsrat die SE und durch seine Weisungsbefugnisse kann er – anders als der Aufsichtsrat – unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben.424 Zudem kann der Verwaltungsrat die geschäftsführenden Direktoren jederzeit gem. § 40 Abs. 5 SEAG abberufen.425 Daher besteht ein Hierarchiegefälle, in Rahmen dessen dem Verwaltungsrat die unternehmerische Oberleitung zukommt.426 Da bei der SE mit monistischer Verfassung der Verwaltungsrat die Gesellschaft leitet, die Grundlinien ihrer Tätigkeit bestimmt und deren 417
Vgl. Lutter/Bayer/J. Schmidt, § 41 Rn. 137 m.w.N. Vgl. C.II.1.c)cc), S. 80. 419 Vgl. MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 44 SE-VO Rn. 40. 420 Vgl. MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 44 SE-VO Rn. 40. 421 Vgl. C.II.1.d)aa)(2), S. 105. 422 Vgl. zu § 90 AktG insgesamt C.II.1.c)dd)(1), S. 81. 423 Göz, ZGR 2009, 593, 597. 424 Göz, ZGR 2009, 593, 597; Göz, zitiert Art. 22 Abs. 1 SE-VO, gemeint ist aber § 22 Abs. 1 SEAG. 425 Göz, ZGR 2009, 593, 597. 426 Göz, ZGR 2009, 593, 597. 418
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
Umsetzung überwacht, kommt die bei der AG dem Vorstand verliehene Befugnis nach § 245 Nr. 4 AktG in der monistischen SE dem Verwaltungsrat zu.427 Die individuelle Klagebefugnis nach § 245 Nr. 5 AktG lässt sich jedoch auf alle Mitglieder des Verwaltungsrates und die geschäftsführenden Direktoren übertragen.428 Für die Mitglieder des Verwaltungsrates ergibt sich daraus, dass sie funktional sowohl den Mitgliedern des Aufsichtsrates als auch denen des Vorstandes gleichen. Die geschäftsführenden Direktoren sind zwar eher mit Geschäftsführern in einer GmbH vergleichbar,429 aber diese sind für Beschlussmängelstreitigkeiten ebenfalls nach § 245 Nr. 5 AktG analog klagebefugt430. (5) Fehlerhaftigkeit von Organbeschlüssen Auch auf die monistische SE sind die Erwägungen zu Klagen gegen die Fehlerhaftigkeit von Organbeschlüssen bei der AG übertragbar. Auch der Verwaltungsrat entscheidet gem. Art. 50 SE-VO durch Beschluss.431 Die Fehlerhaftigkeit von Verwaltungsratsbeschlüssen kann – wie beim Aufsichtsrat – von jedermann geltend gemacht werden.432 Entsprechend müssen auch die für den Aufsichtsrat entwickelten Grundsätze auf den Verwaltungsrat übertragen werden.433 Das bedeutet auch hier eine entsprechende Anwendung der §§ 246 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, 248 Abs. 1, 249 Abs. 2 AktG. (6) Abberufung von Verwaltungsratsmitgliedern Die Abberufung von Verwaltungsratsmitgliedern richtet sich nach § 29 SEAG. Dieser entspricht weitgehend § 103 AktG434, er enthält nur keine Entsprechung zu § 103 Abs. 4 AktG. Soweit also der Rechtsschutz gegen und die Schiedsfähigkeit von Maßnahmen nach § 29 SEAG betroffen ist, kann auf die Ausführungen zu § 103 Abs. 1 – 3 AktG verwiesen werden.435
427 Göz, ZGR 2009, 593, 598; vgl. auch Manz/Mayer/Schröder/Mayer, Art. 57 SE-VO Rn. 79. 428 Vgl. Göz, ZGR 2009, 593, 598. 429 Vgl. etwa BT-Drs. 15/3405, S. 39; Brandt, DStR 2003, 1208, 1212; Hirte, DStR 2005, 700, 702; Nagel, NZG 2004, 833, 836; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 607. 430 Vgl. C.II.1.b)cc)(1)(a)(ff), S. 47. 431 Näher Mauch, Das monistische Leitungssystem, 177; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 597 ff. 432 Zur Gleichbehandlung von Aufsichts- und Verwaltungsratsbeschlüssen vgl. Spindler/ Stilz/Eberspächer, Art. 50 SE-VO Rn. 12; MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 50 SE-VO Rn. 55. 433 Zu diesen vgl. C.II.1.c)gg)(1), S. 93. 434 Vgl. Mauch, Das monistische Leitungssystem, 80 f. 435 Vgl. C.II.1.c)ii), S. 103.
II. Streitigkeiten
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(7) Abberufung von geschäftsführenden Direktoren Geschäftsführende Direktoren einer monistischen SE können gem. § 40 Abs. 5 S. 1 SEAG jederzeit frei436 abberufen werden. Für Klagen ist entsprechend wenig Raum. Unter Umständen kann eine Feststellungsklage gegen die Gesellschaft aber erfolgversprechend sein, wenn zum Beispiel der statutarische verlangte wichtige Grund437 nicht gegeben ist oder der Betroffene zu Unrecht vom Stimmrecht ausgeschlossen war438.439 Wegen der Vergleichbarkeit des geschäftsführenden Direktors mit dem Geschäftsführer, bei deren Abberufung die § 248 Abs. 1 S. 1 AktG i.V.m. §§ 246 Abs. 3 S. 6, Abs. 4 AktG analog angewendet werden440, müssen diese Normen auch hier Anwendung finden. e) Resümee und Zwischenergebnis Alle organschaftlichen Streitigkeiten, die in einer Kapitalgesellschaft geführt werden können, sind nach den allgemeinen Regeln des § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO schiedsfähig. Dennoch ist der Weg zu den Schiedsgerichten nicht so einfach eröffnet, da sich aus der speziellen Ausgestaltung des Gesellschaftsrechts eine Reihe von Besonderheiten für Klagen vor einem Schiedsgericht ergeben. Konkret ergibt sich die besondere Behandlung organschaftlicher Streitigkeiten aus der Anwendung von § 248 Abs. 1 S. 1 AktG direkt oder analog. Dieser enthält einen Rechtsgedanken, der im Gefüge der Kapitalgesellschaften auf alle Streitigkeiten über Entscheidungsakte von Kollegialorganen übertragbar ist. Damit solche Streitigkeiten auf effiziente Art und Weise entschieden werden können, müssen sie alle gegen die Gesellschaft geführt werden und die stattgebende Entscheidung muss für alle potentiell Beteiligten verbindlich sein. Andernfalls müsste die Rechtskraft gegenüber jedem potentiell Beteiligten – Gesellschaft, Gesellschafter und Organmitglied – einzeln herbeigeführt werden. § 248 Abs. 1 S. 1 AktG ist jedoch nicht ohne Weiteres auf das Schiedsverfahren übertragbar. Vielmehr muss seine Wirkung analog in der Schiedsgrundlage festgeschrieben werden, auf welcher das Verfahren aufbaut. Allerdings steht § 248 Abs. 1 S. 1 AktG nicht allein, sondern ist mit §§ 246 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, 249 Abs. 2 AktG in 436
Vgl. M. Bauer, Organstellung und Organvergütung, 68; Mauch, Das monistische Leitungssystem, 120 f.; Seitz, Geschäftsführer einer monistischen Societas Europae, 182 f.; Habersack/Drinhausen/Verse, § 40 SEAG Rn. 51. 437 Dies ablehnend Seitz, Geschäftsführer einer monistischen Societas Europae, 184 f. 438 Zur Gestaltung durch die Satzung vgl. M. Bauer, Organstellung und Organvergütung, 68 ff.; Mauch, Das monistische Leitungssystem, 120 f. 439 MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 43 SE-VO, Rn. 140; Habersack/Drinhausen/Verse, § 40 SEAG Rn. 57; einschr. Seitz, Geschäftsführer einer monistischen Societas Europae, 186 f., der die Möglichkeit die Abberufung aus wichtigem Grund in der Satzung für unzulässig hält und daher nur Verfahrensfehler für angreifbar hält. 440 Vgl. C.II.1.b)dd), S. 77 (Geschäftsführer) und C.II.1.c)hh)(1), S. 99 (Vorstandsmitglied).
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
ein Normengefüge eingebettet, das seine Vereinfachungsfunktion erst ermöglicht. Die Schiedsklausel muss diese Normen nachbilden, damit im Beschlussmängelstreit diese rechtsstaatlichen Mindestanforderungen erfüllt sind. Die Kriterien, die der BGH hierfür in der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung entworfen hat, genügen dafür nur teilweise, weil sie nicht auf die Klagemöglichkeit von Organmitgliedern eingehen. Sie sind insoweit zu modifizieren. Streitigkeiten, die nur auf Basis einer solchen Schiedsgrundlage auszuführen sind, sind alle Formen von Gesellschafter- und Organbeschlussmängelstreitigkeiten inklusive aller Abberufungsbeschlüsse. § 90 Abs. 3 S. 1 AktG, der einen Informationsanspruch der Gesellschaft als (formal) passivlegitimierter Partei gegen alle Mitglieder des Vorstandes als notwendige Streitgenossen regelt, stellt einen weiteren Sonderfall dar. Da die Mitglieder des Vorstandes gemeinsam verklagt werden müssen, muss eine Schiedsgrundlage auch die Mindestanforderungen für Mehrparteienschiedsverfahren erfüllen: Schiedsbindung aller Parteien, Chancengleichheit bei der Schiedsrichterauswahl und Zustimmung aller Schiedsrichter. Die einzigen Streitigkeiten, die im Hinblick auf § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO schiedsfähig sind und aus sich heraus keiner besonderen Ausgestaltung der Schiedsgrundlage bedürfen, sind organschaftliche Erstattungsansprüche, Ansprüche aus dem Wettbewerbsverbot und die sonstigen Informationsansprüche in der AG und SE, die den Mitgliedern des Aufsichtsrats bzw. Aufsichtsorgans gegen die Gesellschaft zustehen. Hier genügt es, dass die Schiedsgrundlage allein das Organmitglied und die Gesellschaft bindet. 2. Anstellungsvertragliche Streitigkeiten Neben den Streitigkeiten, die sich aus der Organstellung ergeben, kommen auch solche aus einem Anstellungsvertrag in Frage. Zunächst gilt es daher zu klären, mit welchen Organmitgliedern Anstellungsverträge abgeschlossen werden [a)]. Danach soll die allgemeine Schiedsfähigkeit aller anstellungsvertraglichen Streitigkeiten dargestellt werden [b)] und überprüft werden, ob und wann sich Einschränkungen aus der arbeitsprozessualen Vorschrift des § 101 Abs. 3 ArbGG ergeben [c)]. a) Verträge mit Organmitgliedern Die Rechtsbeziehungen von Geschäftsführern441, Vorstandsmitgliedern442 und Mitgliedern des Leitungsorgans443 zur Gesellschaft sind gekennzeichnet durch die
441 Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 35 GmbHG Rn. 229; MüKoGmbHG/Jaeger, § 35 GmbHG Rn. 248. 442 Vgl. Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, Rn. 228; KK/Mertens/Cahn, § 84 AktG Rn. 34.
II. Streitigkeiten
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Trennung zwischen ihrem Organverhältnis und ihrem Anstellungsverhältnis.444 Die Wirksamkeit des einen Aktes ist von der Wirksamkeit des anderen unabhängig.445 Durch die korporationsrechtliche Bestellung werden die Organstellung und die damit einhergehenden Rechte und Pflichten begründet, eine Pflicht zum Tätigwerden gegenüber der Gesellschaft ergibt sich hingegen erst aus dem Anstellungsvertrag. Ist in ihm ein Entgelt vereinbart, dann handelt sich um einen Dienstvertrag in Gestalt eines Geschäftsbesorgungsvertrages, ist kein Entgelt vereinbart, um einen Auftrag.446 Letzteres ist indes nicht zwingend, bei einer unentgeltlichen Tätigkeit durch das Organmitglied kann auch auf den Abschluss eines Auftrages verzichtet werden.447 Typischerweise werden die Organmitglieder von Kapitalgesellschaften jedoch nicht unentgeltlich tätig, sodass in der Regel ein Anstellungsvertrag mit ihnen geschlossen wird.448 Mit Mitgliedern des Aufsichtsrats449 oder des Aufsichtsorgans450 besteht kein Anstellungsvertrag. Es fehlt dafür schon einer §§ 84, 112 AktG entsprechenden Regelung; außerdem ist das Bestehen eines Vergütungsanspruchs der Entscheidung der Satzung oder der Hauptversammlung zugewiesen.451 Bei den Organen einer monistischen SE ist zu differenzieren. Für Mitglieder des Verwaltungsrats ordnet § 38 Abs. 1 SEAG hinsichtlich der Vergütung die entsprechende Geltung des § 113 AktG an, der den Vergütungsanspruch der Regelung durch die Satzung oder die Hauptversammlung unterwirft. Da der Verwaltungsrat die Funktionen von Vorstand und Aufsichtsrat in sich vereint, fehlt es überdies an für den Abschluss des Vertrages einschlägigen Vertretungsregeln. Mit Mitgliedern des Verwaltungsrats wird daher ebenso kein Vertrag geschlossen, das Rechtsverhältnis ist rein korporationsrechtlicher Natur.452 Für geschäftsführende Direktoren geht § 40 443 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Drygala, Art. 39 SE-VO Rn. 36. Lutter/Bayer/ J. Schmidt, § 41 Rn. 121. 444 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 2. 445 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 2 b). 446 Vgl. Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, Rn. 232; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 35 GmbHG Rn. 230. 447 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 2 b). 448 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 84 AktG Rn. 56; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, Rn. 233. 449 Mittlerweile ganz h.M., vgl. K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 101 AktG Rn. 2; MüKoAktG/Habersack, § 101 AktG Rn. 67; Henssler/Strohn/Henssler, § 101 AktG Rn. 1; Hüffer/ Koch, § 101 AktG Rn. 2; a.A. heute noch KK/Mertens/Cahn, § 101 AktG Rn. 5 ff.; vgl. frühere h.M. RGZ 123, 351, 354; RGZ 146, 145, 152; RGZ 152, 273, 278; Säcker, NJW 1979, 1521, 1525 für Anstellungsvertrag. 450 Die Regelungen des Aufsichtsrates gelten für das Aufsichtsorgan entsprechend, vgl. J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 566 f. 451 K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 101 AktG Rn. 2; Spindler/Stilz/Spindler, § 101 AktG Rn. 9. 452 Ebenso Lutter/Hommelhoff/Teichmann/C. Teichmann, § 28 SEAG Rn. 5; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 595 f.; Habersack/Drinhausen/Verse, § 28 SEAG Rn. 3; a.A. Manz/ Mayer/Schröder/Manz, Art. 43 SE-VO Rn. 33; Schwarz, Art. 43 SE-VO Rn. 117.
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Abs. 5 S. 1 SEAG ausdrücklich von der Möglichkeit eines Anstellungsvertrages aus.453 Dieser ist, entsprechend dem Vorstands- oder Geschäftsführervertrag, ebenfalls als Dienstvertrag über Geschäftsbesorgungen zu qualifizieren.454 Ein Verwaltungsratsmitglied, das selbst gem. § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG zum geschäftsführenden Direktor berufen wird, kann in dieser Funktion aber einen Anstellungsvertrag mit der Gesellschaft schließen.455 b) Streitigkeiten Sofern zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied ein schuldrechtliches Anstellungsverhältnis besteht, können sich auch die üblichen anstellungsvertraglichen Streitigkeiten ergeben. Vor allem – aber nicht ausschließlich – relevant sind dabei die Geltendmachung von Leistungen (insbesondere der Vergütung)456, Streitigkeiten über die Wirksamkeit oder Beendigung des Vertrages (insbesondere bei Kündigung)457 und über die Rückgabe von Unterlagen nach §§ 675, 666, 667 BGB458. Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen aus dem Anstellungsvertrag459 sind strenggenommen keine vertraglichen Schadensersatzansprüche im Sinne des § 280 BGB. Sie werden viel mehr über die spezielle organschaftliche Anspruchsnorm eingeklagt und können daher als organschaftliche Erstattungsansprüche klassifiziert werden.460 Bei dem schuldrechtlichen Vertrag handelt es sich um ein vermögensrechtliches Rechtsverhältnis, ein personenrechtlicher Einschlag ist nicht ersichtlich. Folglich basieren alle Streitigkeiten aus dem Anstellungsvertrag oder im Zusammenhang mit dem Anstellungsvertrag auf einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis und sind daher gem. § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO schiedsfähig.
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Näher M. Bauer, Organstellung und Organvergütung, 137; Seitz, Geschäftsführer einer monistischen Societas Europae, 197 ff. 454 Vgl. Seitz, Geschäftsführer einer monistischen Societas Europae, 197; Habersack/ Drinhausen/Verse, § 40 SEAG Rn. 28. 455 J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 596; vgl. Schwarz, Anh. Art. 43 SE-VO Rn. 251, 290; a.A. M. Bauer, Organstellung und Organvergütung, 150 ff. 456 Näher KK/Mertens/Cahn, § 84 AktG Rn. 60 ff.; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 35 GmbHG Rn. 346 ff. 457 Näher KK/Mertens/Cahn, § 84 AktG Rn. 149 ff.; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 38 GmbHG Rn. 72 ff. 458 Näher Hölters/Weber, § 84 AktG Rn. 55; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 35 GmbHG Rn. 479. 459 Zu den einzelnen vertraglichen Pflichten näher KK/Mertens/Cahn, § 84 AktG Rn. 97; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 35 GmbHG Rn. 475 ff. 460 Vgl. KK/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rn. 124; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 35 GmbHG Rn. 478.
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c) Allgemeines Hindernis der Schiedsfähigkeit nach § 101 Abs. 3 ArbGG Allerdings könnte sich aus § 1030 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 101 Abs. 3 ArbGG ergeben, dass Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern von Kapitalgesellschaften und den Gesellschaften selbst nicht Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein können. § 101 Abs. 3 ArbGG bestimmt, dass die Vorschriften der ZPO über das schiedsrichterliche Verfahren in Arbeitssachen keine Anwendung finden. § 101 Abs. 3 ArbGG schließt die Schiedsfähigkeit arbeitsrechtlicher Streitigkeiten nicht vollständig aus, denn die §§ 101 – 110 ArbGG enthalten sogar eigene Regeln für das arbeitsschiedsgerichtliche Verfahren, diese erstrecken sich aber nur auf Tarifvertragsparteien bzw. einige wenige tarifvertragsbestimmte Arbeitsverhältnisse.461 § 101 Abs. 3 ArbGG schließt allerdings die Anwendbarkeit der § 1025 ff. ZPO eben nur für Arbeitssachen aus. In Frage kämen für Organmitglieder Katalogfälle des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. Damit § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG für Organmitglieder einschlägig ist, müssten diese allerdings Arbeitnehmer sein. Dies richtet sich im ArbGG nach § 5 ArbGG. Die Rechtsprechung des BAG zu § 5 ArbGG hat in jüngerer Zeit einen erheblichen Wandel erfahren.462 Im Folgenden wird daher ausgeführt, wie sich die neue Rechtsprechung zur Rechtswegeröffnung bei Klagen durch Organmitglieder auf das Schiedsverfahren auswirkt. aa) Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG Gem. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG gelten Personen in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind, nicht als Arbeitnehmer. Darunter fallen Geschäftsführer463 und Mitglieder des Vorstandes464 – entsprechend auch Mitglieder des Leitungsorgans einer dualistischen SE. Richtigerweise müssen auch geschäftsführende Direktoren einer SE darunter fallen465, da diese in ihrer Funktion mit Geschäftsführern466 vergleichbar sind und überdies gem. 461
Vgl. MüKoZPO/Münch, § 1030 ZPO Rn. 33; Schmitz, RNotZ 2003, 591, 595. Zur Entwicklung in der Rspr. vgl. Geck/Fiedler, BB 2015, 1077 ff.; Reinecke, ZIP 2014, 1057 ff.; Stagat, NZA 2015, 193 ff. 463 Vgl. BAG NJW 2011, 2684, 2685; GmbHR 2011, 1202; Henssler/Willemsen/Kalb/ Kalb, § 5 ArbGG, Rn. 14; Klasen, BB 2013, 1849, 1849. 464 Klasen, BB 2013, 1849, 1849; Schwab/Weth/Kliemt, § 5 ArbGG Rn. 288. 465 A.A. wohl Schwab/Weth/Kliemt, § 5 ArbGG Rn. 288, der nur Verwaltungsratsmitglieder für gesetzliche Vertreter hält. Dass diese keine Arbeitnehmer sind, ergibt sich schon daraus, dass mit ihnen kein Anstellungsvertrag geschlossen wird. 466 Vgl. etwa BT-Drs. 15/3405, S. 39; Brandt, DStR 2003, 1208, 1212; Hirte, DStR 2005, 700, 702; Nagel, NZG 2004, 833, 836; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 607. 462
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
§§ 41 Abs. 1, 44 Abs. 1 SEAG mit einer zwingend unbeschränkten, gesetzlichen Vertretungsmacht ausgestattet sind. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG enthält eine unwiderlegliche Vermutung.467 Sie greift unabhängig davon, ob das der Organstellung zu Grunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist.468 Durch die neue Rechtsprechung des BAG469 wurde der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG allerdings erheblich eingeschränkt: Basierend auf der Erwägung, dass nach Beendigung der Organstellung kein Streit im „Arbeitgeberlager“ vorliegt, ist der Anwendungsbereich auf den Zeitraum beschränkt, in welchem das Organmitglied noch sein Amt innehat.470 Die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG greift selbst dann nicht, wenn das ausgeschiedene Organmitglied Ansprüche aus der Zeit als Organmitglied geltend macht.471 bb) Organmitglieder als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG Die beschränkte Reichweite des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG hat erhebliche Bedeutung: Für Streitigkeiten während der Organstellung ist § 101 Abs. 3 ArbGG wegen § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG dann zwar ausgeschlossen, in der Regel kommt es aber erst nach der Beendigung der Organstellung zum Streit. Da in diesem Zeitraum § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht greift, bestimmt sich die Frage nach dem Charakter der Streitigkeit als Arbeitssache nach den allgemeinen Grundsätzen, mit anderen Worten danach, ob das Organmitglied Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG ist. Dabei ist zu beachten, dass durch die Beendigung der Organstellung ein Dienstvertrag nicht automatisch zum Arbeitsvertrag wird.472 Die Rechtsprechung nimmt bei Geschäftsführern allerdings nur in Ausnahmefällen an, dass ihr Anstellungsvertrag als Arbeitsvertrag zu qualifizieren ist. Beispiele sind, dass ein zuvor begründetes Arbeitsverhältnis nicht oder zumindest nicht formgerecht (§ 623 BGB) aufgehoben wurde, ein leitender Angestellter, der in einem Arbeitsverhältnis mit einer Konzerngesellschaft steht, in ein Geschäftsführeramt befördert wird oder ein hoher Grad der persönlichen Abhängigkeit besteht.473 Insoweit kann man also unterscheiden zwischen einem Arbeitnehmerstatus kraft einfachen Vertrages (Beförderung oder persönliche Abhängigkeit) und wegen 467 Reinecke, ZIP 2014, 1057, 1058; vgl. auch BAG GmbHR 2011, 1200, 1201; NJW 2011, 2684, 2685; Stagat, NZA 2015, 193, 194. 468 BAG GmbHR 2011, 1200, 1201; NZA 2015, 60, 61; Lunk, NJW 2015, 528, 529. 469 BAG GmbHR 2011, 1200 ff.; NZA 2013, 54 ff.; NZA 2013, 397 ff.; vgl. auch Henssler/ Willemsen/Kalb/Kalb, § 5 ArbGG Rn. 14. 470 Vgl. BAG GmbHR 2011, 1200, 1202; krit. Geck/Fiedler, BB 2015, 1077, 1078 ff. 471 So ausdrücklich der Leitsatz von BAG GmbHR 2011, 1200; vgl. auch BAG NZA 2015, 60; Stagat, NZA 2015, 193, 196; ErfKomm/Koch, § 5 ArbGG, Rn. 7; a.A. Schwab/Weth/ Kliemt, § 5 ArbGG Rn. 285. 472 Vgl. BAG NJW 1998, 260, 261. 473 Ausführliche Nachweise zur Rspr. finden sich bei Reinecke, ZIP 2014, 1057, 1059 ff.
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doppelter Vertragsbeziehungen (fehlende Aufhebung des zuvor begründeten Arbeitsverhältnisses). Im letzteren Fall ist nur das alte Vertragsverhältnis ein Arbeitsvertrag. Entsprechend dieser Fallgruppen ist auch ein Arbeitnehmerstatus geschäftsführender Direktoren in seltenen Ausnahmefällen denkbar474, insbesondere, weil diese nach § 44 Abs. 2 SEAG im Innenverhältnis an die Weisungen des Verwaltungsrates gebunden sind. Dies ist vergleichbar mit dem Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschafterversammlung.475 Dass ein geschäftsführender Direktor regelmäßig Arbeitgeberfunktionen hat476, hindert nicht daran, ihn in Ausnahmefällen doch als Arbeitnehmer zu qualifizieren. Für Vorstandsmitglieder gilt, dass die einer Arbeitnehmerstellung inhärente persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit mit der aktienrechtlichen Kompetenzordnung unvereinbar ist, welche nach § 76 Abs. 1 AktG grundsätzlich eine weisungsfreie Leitungsmacht statuiert477.478 Diese Argumentation lässt sich auf Leitungsorganmitglieder einer SE übertragen. Aufsichtsrats-, Aufsichtsorgans- und Verwaltungsratsmitglieder sind mangels eines Anstellungsvertrages nicht als Arbeitnehmer zu klassifizieren. Daher ist nur eine Arbeitnehmerstellung von Geschäftsführern und geschäftsführenden Direktoren denkbar und selbst dies nur in Ausnahmefällen. cc) Unionsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff Gänzlich anders würde sich die Anwendbarkeit von § 101 Abs. 3 ArbGG darstellen, wenn dem § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zugrunde läge. Hier stellt sich die Einordnung von Organmitgliedern nämlich anders als im deutschen Recht dar. Unter Fortsetzung der Leitentscheidungen „Lawrie Blum“479 und „Danosa“480 entschied der EuGH nämlich in „Balkaya“481, dass Geschäftsführer deutscher GmbHs unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fallen. Dieser setzt voraus, „dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung
474
Vgl. Habersack/Drinhausen/Verse, § 40 SEAG Rn. 28. Vgl. etwa Brandt, DStR 2003, 1208, 1212; Hirte, DStR 2005, 700, 702; Nagel, NZG 2004, 833, 836. 476 Vgl. Seitz, Geschäftsführer einer monistischen Societas Europae, 197. 477 Vgl. hierzu BGH NJW 1981, 767, 768. 478 Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, Rn. 240; vgl. KK/Mertens/Cahn, § 84 AktG Rn. 35; Thüsing, AG 2003, 484 f. 479 EuGH v. 03. 07. 1986, Deborah Lawrie-Blum, Rs. 66/85, ECLI:EU:C:1986:284. 480 EuGH v. 11. 11. 2010, Dita Danosa, Rs. C-232/09, ECLI:EU:C:2010:674 = NJW 2011, 2343. 481 EuGH v. 09. 07. 2015, Ender Balkaya, Rs. C-229/14, ECLI:EU:C:2015:455. 475
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
Leistung erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält“.482 Der EuGH folgte in „Balkaya“ seiner bereits in „Danosa“ aufgestellten Auffassung, „dass ein Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das gegen Entgelt Leistungen gegenüber der Gesellschaft erbringt, die es bestellt hat und in die es eingegliedert ist, das seine Tätigkeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und das jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden kann, die Voraussetzungen erfüllt, um als „Arbeitnehmer“ im Sinne des Unionsrechts zu gelten“.483
Ein Geschäftsführer ist jedoch – nach der Grundkonzeption des GmbHG – sowohl nach § 37 GmbHG den Weisungen der Gesellschaftsversammlung unterworfen als auch nach § 38 Abs. 1 GmbHG ohne Grund abrufbar. Nimmt man nun den Regelfall an, dass Geschäftsführer für die Gesellschaft im Rahmen eines entgeltlichen Dienstvertrages auftreten, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen allesamt erfüllt sind. Entsprechend kann man es als geklärt ansehen, dass der Geschäftsführer einer deutschen GmbH dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff unterfällt.484 Ein anderes kann sich bei einer mitbestimmten GmbH ergeben, auf die ebenfalls § 84 AktG anwendbar ist485, oder wenn die Satzung eine Abberufung des Geschäftsführers nur mit wichtigem Grund zulässt.486 Mitglieder eines Vorstandes einer AG oder des Leitungsorgans einer dualistischen SE verrichten ihre Aufgaben zwar unter Aufsicht des Aufsichtsrates oder -organs, ihre Abberufung ist jedoch gem. § 84 AktG (i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c SE-VO487) an die Voraussetzung eines wichtigen Grundes geknüpft, sodass sie nicht jederzeit frei abrufbar sind. Zudem sind sie gem. § 76 Abs. 1 AktG nicht weisungsgebunden. Selbst nach dem vom EuGH aufgestellt unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff sind sie damit keine Arbeitnehmer.488 Wenn dem § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG dieser Arbeitnehmerbegriff zu Grunde läge, wäre für alle anstellungsvertraglichen Streitigkeiten mit Geschäftsführern gem. §§ 101 Abs. 3, 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG der Zugang zu den Schiedsgerichten verwehrt. 482
Grundlegend EuGH v. 3. 07. 1986, Deborah Lawrie-Blum, Rs. 66/85, ECLI:EU:C:1986:284, Rn. 17; vgl. auch EuGH v. 11. 11. 2010, Dita Danosa, Rs. C-232/09, ECLI:EU:C:2010:674 Rn. 39; EuGH v. 09. 07. 2015, Ender Balkaya, Rs. C-229/14 ECLI:EU:C:2015:455 Rn. 35. 483 EuGH v. 09. 07. 2015, Ender Balkaya, Rs. C-229/14, ECLI:EU:C:2015:455 Rn. 39; vgl. auch EuGH v. 11. 11. 2010, Dita Danosa, Rs. C-232/09, ECLI:EU:C:2010:674 Rn. 51. 484 Vgl. Forst, EuZW 2015, 664 f.; ebenso schon Lunk, NJW 2015, 528; zusammenfassend zum Problem vgl. Mohr, ZHR 178 (2014), 326, 338 f.; Preis/Sagan, ZGR 2013, 26, 32 ff. 485 Vgl. C.II.1.b)dd), S. 77. 486 Vgl. Forst, EuZW 2015, 664, 667. 487 H.M., vgl. Spindler/Stilz/Eberspächer, Art. 39 SE-VO Rn. 9; Lutter/Bayer/J. Schmidt, § 41 Rn. 120; MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 39 SE-VO, Rn. 33; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 515. 488 Ebenso Forst, EuZW 2015, 664, 667; Klasen, BB 2013, 1849, 1852; MüKoAktG/ Spindler, § 84 AktG Rn. 57.
II. Streitigkeiten
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Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff muss indes nicht zwingend auf § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG übertragen werden, denn das ArbGG basiert nicht auf Unionsrecht.489 Ein anderes Ergebnis könnte auch nicht mit dem Gedanken des effet utile begründet werden, da die Wirkung der unionsrechtlichen Arbeitnehmerschutzregelungen auch vor anderen Gerichten als den Arbeitsgerichten gewährleistet werden kann. Daher liegt § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG weiterhin der nationale Arbeitnehmerbegriff zu Grunde.490 Daher greift § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG nur in den seltenen Fällen, in denen ein Organmitglied nach deutschem Recht als Arbeitnehmer gilt.491 dd) Reichweite des § 101 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 2 Abs. 1 ArbGG Welche Streitigkeiten nun genau wegen § 101 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht schiedsfähig sind, richtet sich nach § 2 Abs. 1 ArbGG. Nach noch herrschender Meinung können zwar Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und der Gesellschaft wegen § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG niemals § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG unterfallen492; diese Ansicht kann jedoch in ihrer Allgemeinheit wegen der neuen Rechtsprechung des BAG nicht mehr aufrecht gehalten werden. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG entfaltet seine unwiderlegbare Vermutungswirkung nur während das Organmitglied die Organstellung noch innehat; alle danach geltend gemachten Streitigkeiten werden von § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG selbst dann nicht mehr erfasst, wenn sie bereits im Zeitraum der Organstellung entstanden sind.493 Zum Streit zwischen einem Organmitglied und seiner Gesellschaft kommt es aber regelmäßig nur, nachdem dessen Amtsstellung beendet wurde – ein Rechtsstreit zwischen der Gesellschaft und ihren Organmitgliedern würde jede Arbeit unmöglich machen. Unter der – selten zutreffenden – Annahme, dass ein Organmitglied nach § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG als Arbeitnehmer einzustufen ist, müssen dann jedenfalls alle anstellungsvertraglichen Streitigkeiten nach § 2 Abs. 1 ArbGG vor den Arbeitsgerichten verhandelt werden.494 Im Hinblick auf organschaftliche Streitigkeiten stellt sich die Frage der Schiedsfähigkeit nach § 101 Abs. 3 ArbGG in der Regel schon deshalb nicht, weil diese zumeist die Inhaberschaft der Organstellung voraussetzen. Für die Dauer der Organstellung ist die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aber wegen § 5 Abs. 1 S. 3 489
Lunk, NJW 2015, 528. Vgl. ErfKomm/Koch, § 5 ArbGG Rn. 6; Germelmann/Mattes/Prütting/Müller-Glöge, § 5 ArbGG Rn. 45a; Lunk, NJW 2015, 528. 491 Vgl. C.II.2.c)bb), S. 116. 492 Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 35 GmbHG Rn. 513 m.w.N. zur alten Literatur; Michalski/Haas/Ziemons, § 43 GmbHG Rn. 243; Bork/Schäfer/Klöhn, § 43 GmbHG Rn. 83. 493 Vgl. C.II.2.c)bb), S. 116. 494 Vgl. MüKoGmbHG/Jaeger, § 35 GmbHG Rn. 296. 490
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
ArbGG ohnehin ausgeschlossen. Eine Ausnahme bilden nur die organschaftlichen Ersatzansprüche. Diese werden von Gesellschaften in der Regel erst nach Beendigung der Organstellung geltend gemacht. Daher ist fraglich, ob sie unter einen Fall des § 2 Abs. 1 ArbGG subsumiert werden können. Wegen des Trennungsgrundsatzes zwischen dem Anstellungsvertrag und der Organstellung kommt eine Subsumtion unter lit. a jedenfalls nicht in Frage. Denkbar wäre es indes, eine Streitigkeit wegen organschaftlicher Pflichtverletzung unter den Fall des § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d ArbGG zu subsumieren, der Streitigkeiten über unerlaubte Handlungen in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis regelt. Dies hat das HansOLG in einem Beschluss vom 29. September 2006 bezogen auf eine Vorstandshaftung ohne Begründung verneint.495 Es ist in der Tat fraglich, ob eine organschaftliche Pflichtverletzung eine solche unerlaubte Handlung in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis darstellt. Zweifel könnten zunächst aufkommen, weil wegen der Trennung zwischen dem korporationsrechtlichen Organrechtsverhältnis und dem schuldrechtlichen Dienstvertrag keine rechtliche Verbindung zwischen dem Anstellungsvertrag und der Organpflichtverletzung besteht. Allerdings ist eine durch eine rechtliche Ausgestaltung herbeigeführte Verbindung zwischen einem Vertrag und einer unerlaubten Handlung ohnehin schwer vorstellbar. § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d ArbGG verlangt vielmehr eine innere Beziehung zwischen unerlaubter Handlung und Arbeitsvertrag, so dass sie in der besonderen Eigenart des Arbeitsverhältnisses und den ihm eigentümlichen Reibungs- und Berührungspunkten wurzelt.496 Eine solche Beziehung kann für eine Organpflichtverletzung kaum verneint werden, da das organschaftliche Tätigwerden für den Geschäftsführer eine Ausführung seiner anstellungsvertraglichen Pflichten darstellt und daher jeder daraus resultierender Schaden einen direkten Berührungspunkt zum Arbeitsvertrag aufweist. Allerdings ist die Einordung einer Organpflichtverletzung als unerlaubte Handlung problematisch. Grundsätzlich wird dieser Begriff in § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d ArbGG zwar weit ausgelegt.497 Wenn man den Begriff der unerlaubten Handlung gem. §§ 823 ff. BGB und § 32 ZPO heranzieht498, fällt allerdings auf, dass abstrakte Verbotstatbestände zum Schutz absoluter Rechte gemeint sind. Organpflichten stellen aber eine relative Beziehung dar, sie gelten nur im Verhältnis zwischen den Organmitgliedern und der Gesellschaft. Daher fehlt es an dem einer unerlaubten Handlung eigentümlichen abstrakten Verbot. Allerdings ließe sich die Organhaftung möglicherweise unter § 2 Abs. 1 Nr. 4 lit. a Alt. 2 ArbGG subsumieren. Diese Norm unterstellt alle Streitigkeiten zwischen einem Arbeitnehmer (oder seinen Hinterbliebenen) und dem Arbeitgeber der 495
HansOLG, Beschluss vom 29. September 2006, Rs. 11 W 125/05, juris. Germelmann/Matthes/Prütting/Schlewing, § 2 ArbGG Rn. 76. 497 Vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Schlewing, § 2 ArbGG Rn. 74; Schwab/Weth/ Walker, § 2 ArbGG Rn. 130. 498 Für eine Aufzählung unter § 32 ZPO zu subsumierender Fälle deliktischer Haftung vgl. Musielak/Voit/Heinrich, § 32 ZPO Rn. 2 f. 496
II. Streitigkeiten
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Kompetenz des Arbeitsgerichts, wenn diese mit dem Arbeitsverhältnis in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Ein solcher liegt vor, wenn ein Anspruch zwar nicht aus dem Arbeitsverhältnis resultiert, aber doch nur im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis bestehen kann.499 Der Zusammenhang muss derart sein, dass das Rechtsverhältnis, aus dem die Streitigkeit folgt, ohne das Arbeitsverhältnis nicht zustande gekommen wäre.500 Obgleich zwar in rechtlicher Hinsicht zwischen Organverhältnis und Anstellungsvertrag strikt zu trennen sein mag, so kann doch nicht bezweifelt werden, dass der Anstellungsvertrag rein tatsächlich die wirtschaftliche Grundlage des Organverhältnisses bildet. Ohne einen Anstellungsvertrag wird sich ein Fremdgeschäftsführer in der Regel nicht auf seine Organstellung berufen lassen. Daher besteht ein wirtschaftlich unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Anstellungsvertrag und der Organpflichtverletzung. Handelt es sich daher bei dem Anstellungsvertrag des Organmitglieds um einen Arbeitsvertrag, so sind auch organschaftlicher Erstattungsansprüche nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 lit. a Alt. 2 ArbGG der ausschließlichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte unterworfen. Das hat zur Folge, dass organschaftliche Erstattungsansprüche zwischen einem Organmitglied und der Gesellschaft nach § 101 Abs. 3 ArbGG jedenfalls dann nicht schiedsfähig sind, wenn es sich bei dem Anstellungsvertrag um einen Arbeitsvertrag handelte und der Anspruch erst nach Beendigung der Organstellung erhoben wird. Das gibt dem Organmitglied natürlich im Falle einer Klage vor dem Schiedsgericht eine zusätzliche Verteidigungsmöglichkeit. Indem es geltend macht, dass es tatsächlich ein Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG war, kann es dem Schiedsgericht die Legitimation entziehen und dadurch die Schiedsklage zum Scheitern bringen. ee) Erzwingung der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Nachdem nun die Reichweite des § 101 Abs. 3 ArbGG im Hinblick auf organschaftliche Streitigkeiten erfasst wurde, soll noch überprüft werden, ob ein Organmitglied darüber hinaus noch die Möglichkeit hat, die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte trotz einer Schiedsvereinbarung zu erzwingen. Da der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff im Arbeitsprozessrecht nicht gilt, kann es nur in Ausnahmefällen dazu kommen, dass ein Organmitglied als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG einzustufen ist. Allerdings könnte es für den Geschäftsführer Möglichkeiten geben, auch für andere Fälle die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts zu erzwingen. In Frage kämen dafür die sogenannten arbeitsrechtlichen sic-non-, aut-aut- und et-et-Klagen.
499
Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 150. Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 150; vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1992, 562; ArbG Düsseldorf, NZA-RR 2013, 312, 313. 500
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
(1) Sic-non-Fälle Bei sic-non-Fällen handelt es sich um Fälle, in denen nicht nur der Rechtsweg, sondern auch gleichzeitig der Erfolg der Klage vom Arbeitnehmerstatus des Klägers abhängig ist.501 Ist der Kläger kein Arbeitnehmer, sind die ordentlichen Gerichte zuständig.502 Jedoch ist mit der Verneinung der Zuständigkeit der Rechtsstreit auch in der Sache praktisch entschieden; die Klage müsste wegen der fehlenden Arbeitnehmereigenschaft sowohl wegen der fehlenden Rechtswegzuständigkeit wie auch in der Sache selbst ohne Erfolg bleiben.503 Die statusbegründenden Tatsachen sind daher für den Rechtsweg und die Sachentscheidung doppelrelevant.504 Hier reicht die bloße Rechtsbehauptung505 des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Begründung der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aus.506 Ist sein Vortrag nicht schlüssig, ist die Klage nicht unzulässig, sondern unbegründet.507 Zum Teil wird mit Verweis auf ein jüngeres Urteil des BAG508 die Ansicht vertreten, dass die bloße Rechtsbehauptung nicht mehr ausreiche und stattdessen ein schlüssiger Tatsachenvortrag notwendig sei.509 Das BAG habe sic-non-Fälle nur bei streitiger Tatsachengrundlage für zulässig erklärt und damit seine Rechtsprechung modifiziert510. Gegen eine solche Rechtsprechungsmodifikation spricht jedoch, dass die Leitsätze der tragenden Entscheidung eine solche strittige Tatsachengrundlage nicht nennen und keine Auseinandersetzung des BAG mit der vorherigen Rechtsprechung stattgefunden hat.511 Von einer bewussten Rechtsprechungsänderung dürfte demnach nicht auszugehen sein.512 Ein sic-non-Fall kann nicht während der Amtszeit des Organs vorliegen, da § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ausschließt513. Klagt beispielsweise ein Geschäftsführer vor dem Arbeitsgericht gegen die Aufhebung seines Anstellungsvertrages und stützt er seine Argumentation auf § 1 501
ErfKomm/Koch, § 2 ArbGG Rn. 36; vgl. Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 235. ErfKomm/Koch, § 2 ArbGG Rn. 36; vgl. Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 235. 503 ErfKomm/Koch, § 2 ArbGG Rn. 36; vgl. Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 235. 504 ErfKomm/Koch, § 2 ArbGG Rn. 36; vgl. Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 235. 505 Vgl. BAG NZA 1996, 1005, 1007 f.; Stagat, NZA 2015, 193, 197; Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 238 f.; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit dieser geringen Anforderung vgl. den Nichtannahmebeschluss BVerfG NZA 1999, 1234. 506 Vgl. BAG NZA 2015, 60; ErfKomm/Koch, § 2 ArbGG Rn. 36; Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 238 f. 507 Vgl. BAG NZA 1996, 1005. 508 Vgl. BAG NZA 2013, 54, 56. 509 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg, ZIP 2013, 695. 510 Vgl. Klasen, BB 2013, 1849, 1850. 511 Vgl. Stagat, NZA 2015, 193, 198. 512 Stagat, NZA 2015, 193, 198. 513 Vgl. Germelmann/Mattes/Prütting/Müller-Glöge, § 5 ArbGG Rn. 45a. 502
II. Streitigkeiten
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KSchG, dann müsste sich das Arbeitsgericht für zuständig halten, und zwar unabhängig davon, ob der Geschäftsführer tatsächlich Arbeitnehmer ist oder dies auch nur schlüssig vorträgt. Selbst wenn zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer eine Schiedsvereinbarung bestünde, könnte die Gesellschaft die Einrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO nicht erheben, wenn nicht ausnahmsweise ein Fall des § 101 Abs. 1, 2 ArbGG vorliegt. Andernfalls ist § 1032 ZPO durch § 101 Abs. 3 ArbGG nämlich ausgeschlossen.514 Auf diesem Weg könnte der Geschäftsführer eine Streitigkeit über das Bestehen seines Dienstverhältnisses also theoretisch trotz einer Schiedsvereinbarung vor den staatlichen Gerichten führen. Sic-non-Fälle liegen allerdings nur vor, wenn der Kläger sich materiell ausschließlich auf Normen beruft, die einen Arbeitnehmerstatus voraussetzen.515 Beruft sich ein Organmitglied bei einer Klage gegen die Aufhebung seines Anstellungsverhältnisses sowohl auf das Kündigungsschutzrecht als auch auf allgemeines Dienstvertragsrecht, ist die Arbeitnehmerstellung nicht mehr doppeltrelevant, sodass eine Entscheidung hierüber bereits in der Prüfung des zuständigen Rechtswegs ergehen kann.516 Hier kann das Arbeitsgericht dann gem. § 17a Abs. 2 GVG an die ordentlichen Gerichte verweisen, vor denen dann auch die Einrede der Schiedsvereinbarung nach § 1032 ZPO erhoben werden kann. Die Schiedsfähigkeit anstellungsvertraglicher Streitigkeiten ist demnach gem. § 1030 Abs. 3 i.V.m. § 101 Abs. 3 ArbGG aufgehoben, wenn ein Organmitglied einen sic-non-Antrag stellt. Hier hat zwingend das Arbeitsgericht zu entscheiden und zwar unabhängig davon, ob es sich bei dem Organmitglied um einen Arbeitnehmer handelt oder nicht. Daher kann auch die Einrede nach § 1032 ZPO nicht erhoben werden. Bei der Überlegung des Geschäftsführers, ob er statt vor einem Schiedsgericht lieber vor einem Arbeitsgericht klagen möchte, darf er nicht vergessen, dass durch die Entscheidung über den Rechtsweg noch nichts gewonnen ist, denn das Arbeitsgericht kann den Arbeitnehmerstatus immer noch ablehnen und die Klage als unbegründet abweisen.517 Der Geschäftsführer sollte sich also nicht von der Möglichkeit kostengünstigerer und schnellerer Verfahren518 blenden lassen. Etwas Anderes könnte sich nur ergeben, wenn der Geschäftsführer die sic-nonKlage nutzt, um im Rahmen des § 2 Abs. 3 ArbGG weitere Streitigkeiten im Rahmen einer Zusammenhangsklage vor das Arbeitsgericht zu bringen. Streitigkeiten nach § 2 Abs. 3 ArbGG müssen nämlich selbst nicht arbeitsrechtlicher Art, sondern nur
514 Zu einem ähnlichen Fall vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 29. 10. 2012 – 9 Sa 1168/12, BeckRS 2012, 76078. 515 Vgl. BAG NJW 1998, 260, 261; Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 236. 516 Vgl. BAG NJW 1998, 260, 261. 517 Vgl. Lunk, NJW 2015, 528, 529. 518 Vgl. Lunk, NJW 2015, 528, 529 und B.X., S. 33 (Kosten des Schiedsverfahrens).
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
bürgerlich-rechtlich sein.519 Allerdings ist bereits sehr fraglich, ob die Zusammenhangsklage nach § 2 Abs. 3 ArbGG auch mit einer sic-non-Klage kombiniert werden kann. Das BAG lehnte dies ab, da andernfalls im Zusammenhang mit einer Klage, die nur erhoben wird, um den Rechtsstreit vor die Arbeitsgerichte zu bringen, Streitgegenstände vor die Gerichte für Arbeitssachen gelangen, für die andere Gerichte sachlich zuständig sind.520 Diese Lösung wäre mit Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, wonach der erkennende Richter normativ bestimmt sein muss, nicht vereinbar.521 Selbst wenn man aber annähme, dass eine Zusammenhangszuständigkeit mit einer sic-non-Klage begründet werden könnte, könnte für diese Fälle die Zuständigkeit immer noch durch § 1032 ZPO aufgehoben werden. Die fakultative Zuständigkeit nach § 2 Abs. 3 ArbGG kann nämlich auch durch eine Schiedsvereinbarung beseitigt werden.522 Die Einschränkungen der §§ 101 ff. ArbGG für die Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen gelten gemäß § 4 ArbGG nur für die ausschließliche Zuständigkeit nach § 2 Abs. 1 und 2 ArbGG.523 Auf diesem Weg besteht also nicht die Möglichkeit, trotz einer Schiedsvereinbarung die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zu erschleichen. (2) Aut-aut-Fälle und et-et-Fälle Weitere Sonderfälle bei der Rechtswegbestimmung im Arbeitsprozessrecht, die sich dann über § 101 Abs. 3 ArbGG auch im Schiedsverfahrensrecht niederschlagen können, sind sogenannte aut-aut-Fälle und sogenannte et-et-Fälle. In einem aut-aut-Fall macht der Kläger einen Anspruch geltend, der entweder auf eine arbeitsrechtliche oder auf eine bürgerlich-rechtliche Grundlage gestützt werden kann, die sich aber gegenseitig ausschließen.524 Typisches Beispiel ist die Klage auf Zahlung einer Vergütung aus einem Rechtsverhältnis, das der Kläger für ein Arbeitsverhältnis, der Beklagte dagegen für ein – nicht arbeitnehmerähnliches – freies Mitarbeiterverhältnis oder für ein Gesellschaftsverhältnis hält525.526 Klagt ein Organmitglied zum Beispiel seine Vergütung – denkbar insbesondere auch seinen Bonus – aus seinem Anstellungsvertrag ein und behauptet, es sei ein Arbeitsvertrag, aber die Gesellschaft ist der Überzeugung, es handele sich um einen normalen Dienstvertrag, dann liegt eben solch ein aut-aut-Fall vor. Das Arbeitsgericht ist nur 519
Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 208. BAG NJW 2006, 1146, 1147; vgl. auch Klasen, BB 2013, 1849, 1850. 521 BAG NJW 2006, 1146, 1147; vgl. auch BVerfG NZA 1999, 1234; krit. Schwab/Weth/ Walker, § 2 ArbGG Rn. 204. 522 Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 201. 523 Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 201. 524 Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 240. 525 Vgl. BAG NJW 1996, 2948, 2949 f.; NZA 1997, 674, 676 (Kündigung eines Vereinsvorstandes). 526 Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 240. 520
II. Streitigkeiten
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zuständig, wenn es sich bei der Anspruchsgrundlage tatsächlich um eine arbeitsrechtliche Rechtsbeziehung handelt. Hier ist nach Rechtsprechung und Literatur die Rechtsbehauptung für die Bestimmung des Rechtsweges nicht ausreichend, es bedarf viel mehr eines schlüssigen Tatsachenvortrages zur Begründung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit.527 Das ist zutreffend, da anders als in einem sic-non-Fall die Entscheidung über die Arbeitnehmerstellung nicht gleichzeitig eine Feststellung über die Begründetheit des klägerischen Begehrens ist. Entsprechend muss auch ein Schiedsgericht nicht automatisch nach §§ 1030 Abs. 3 ZPO, 101 Abs. 3 ArbGG seine Zuständigkeit wegen der bloßen Rechtsbehauptung eines Arbeitnehmerstatus ablehnen, sondern kann eine eigene Prüfung vornehmen. Nur wenn es sich um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit handelt, muss die Streitigkeit wegen der fehlenden Schiedsfähigkeit abgewiesen werden. In den seltenen sog. et-et-Fällen lässt sich der geltend gemachte Anspruch sowohl auf eine arbeitsrechtliche als auch auf eine nicht arbeitsrechtliche Grundlage stützen, die sich nicht gegenseitig ausschließen (nicht doppelrelevante Tatsache für eine von mehreren konkurrierenden Anspruchsgrundlagen).528 Auch genügt nach herrschender Meinung529 wenigstens ein schlüssiger Tatsachenvortrag aus, sodass in prozessualer Hinsicht diese nicht anders zu behandeln sind als aut-aut-Fälle. Da aut-aut-Fälle und et-et-Fälle wenigstens die schlüssige Tatsachenbehauptung eines Arbeitnehmerstatus voraussetzen, können sie auch nicht verwendet werden, um die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zu erschleichen, wo diese nicht ohnehin schon wegen §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG zuständig wären. d) Resümee, Zwischenergebnis und Ausblick In Kapitalgesellschaften werden Anstellungsverträge mit allen Organmitgliedern geschlossen, die nicht direkt durch die Hauptversammlung berufen werden. Vertraglich mit der Gesellschaft verbundene Personen sind daher: Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder, Leitungsorganmitglieder und geschäftsführende Direktoren. Ohne Anstellungsvertrag werden Mitglieder des Aufsichtsrates, des Aufsichtsorgans und des Verwaltungsrates tätig. Streitigkeiten aus dem Anstellungsvertrag sind wegen ihres vermögensrechtlichen Charakters nach § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO schiedsfähig. In Ausnahmefällen kann die Schiedsfähigkeit aber nach § 101 Abs. 3 ArbGG ausgeschlossen sein. Das kommt für Geschäftsführer und geschäftsführende Direktoren in Frage, die ausnahmsweise als Arbeitnehmer eingestuft werden können. Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff, nach dem Geschäftsführer immer Arbeitnehmer sind, findet im Arbeitsprozessrecht keine Anwendung. § 101 Abs. 3 ArbGG führt die Schiedsunfähigkeit 527 BAG NJW 1996, 2948, 2949 f.; NZA 1997, 674, 676; Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 240. 528 Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 242. 529 Schwab/Weth/Walker, § 2 ArbGG Rn. 242.
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C. Potentielle Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften
aller anstellungsvertraglichen Streitigkeiten sowie aller organschaftlichen Erstattungsansprüche herbei. Sonstige organschaftliche Streitigkeiten sind nicht erfasst. Über § 101 Abs. 3 ArbGG hinaus kann die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte von keinem Organmitglied in effektiver Weise erzwungen werden. Nach wie vor bleibt die Anerkennung des Arbeitnehmerstatus von GmbH-Geschäftsführern die Ausnahme. Die praktische Relevanz des § 101 Abs. 3 ArbGG kann für das Schiedsverfahren mit Geschäftsführern (noch) als gering eingestuft werden kann. Dies kann sich indes ändern, wenn sich der von der Literatur festgestellte Trend in der Rechtsprechung, Geschäftsführer immer weiter in die Nähe des Arbeitnehmers zu rücken,530 dergestalt durchsetzt, dass die Arbeitnehmerstellung des Fremdgeschäftsführers nach § 5 Abs. 1 S. 1 GmbHG grundsätzlich bejaht wird. Dann kann auch § 101 Abs. 3 ArbGG für Streitigkeiten mit Geschäftsführern eine erhebliche Rolle spielen. 3. Sonstige Streitigkeiten Neben den organschaftlichen und anstellungsvertraglichen Streitigkeiten können auch Streitigkeiten entstehen, die nicht in eine der beiden Kategorien fallen, da ihre Anspruchsgrundlage weder an die Organstellung, noch an den Anstellungsvertrag angekoppelt sind. Denkbar sind auch eine ganze Reihe weiterer Einzelfälle (Delikt, ungerechtfertigte Bereicherung, sonstige Verträge), in denen Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und ihren Organmitgliedern entstehen können, die aber zu zahlreich sind, um sie hier aufzulisten. Wenn sonstige Ansprüche von Organmitgliedern oder gegen Organmitglieder im Raum stehen, richtet sich die Schiedsfähigkeit nach den allgemeinen Regeln. Sie liegen außerhalb des Themas dieser Arbeit.
530
Vgl. zu diesem Trend Lunk, NJW 2015, 528, 529.
D. Statutarische Schiedsklauseln Unter statutarischen (satzungsmäßigen) Schiedsklauseln sind solche zu verstehen, die sich in der Satzung einer Kapitalgesellschaft oder eines Vereins befinden. Für sie werden von der DIS und den einschlägigen Formularbüchern Mustervorlagen angeboten1, diese beziehen sich aber nur auf Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern. Eine Bindung der Organmitglieder ist jedenfalls dem Wortlaut nach nicht vorgesehen. Auch setzt sich die Literatur vornehmlich mit der Bindung von Gesellschaftern an statutarische Schiedsklauseln auseinander. Unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Grenzen eine statutarische Schiedsklausel auch Wirkung für die Organmitglieder der Kapitalgesellschaft entfalten kann, verlangt nach einer genaueren Überprüfung. Im Folgenden sollen zunächst allgemeine Erwägungen zur Abgrenzung, rechtlichen Einordnung und zu den Voraussetzungen von statutarischen Schiedsklauseln vorgenommen werden (I.) und sodann ihre Besonderheiten bei der GmbH (II.), AG (III.) und SE (IV.) besprochen werden.
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln Zunächst soll hier der Unterschied zwischen einem echten satzungsmäßigen Schiedsgericht und einem bloß als „Schiedsgericht“ bezeichneten Gesellschaftsorgan vorgenommen werden (1.). Danach soll geklärt werden, nach welchem Recht sich die Aufnahme einer Schiedsklausel in eine Satzung richtet (2.). Darauf folgend werden die Voraussetzungen und Vorgaben ermittelt, die für eine Aufnahme einer statutarischen Schiedsklausel in eine Satzung immer erfüllt werden müssen (3.), sowie die subjektive (4.) und die zeitliche Wirkung einer solchen Schiedsklausel bestimmt (5.). 1. Abgrenzung zwischen echtem Schiedsgericht und „Schiedsgericht“ als Gesellschaftsorgan Eine wichtige Abgrenzung ist zwischen den in Satzungen tatsächlich vereinbarten echten Schiedsgerichten und solchen, die nur als „Schiedsgericht“ bezeichnet werden, aber tatsächlich Gesellschaftsorgane sind. Diese Abgrenzung kann anhand 1 Vgl. etwa http://www.dis-arb.de/de/17/klauseln/dis-musterklausel-f%C3 %BCr-gesell schaftsrechtliche-streitigkeiten-09-id11, Stand April 2017; Rombach, in: Lorz/Pfisterer/Gerber, C. II. 3.; Wälzholz, in: Fuhrmann/Wälzholz, Kap. 12 II. § 18.
128
D. Statutarische Schiedsklauseln
der dem „Schiedsgericht“ durch die Satzung zugewiesenen Aufgaben vorgenommen werden: Ein echtes Schiedsgericht ist ein privat eingerichtetes Rechtsprechungsorgan, vor dem Rechtstreitigkeiten verhandelt werden. Wenn dem „Schiedsgericht“ aber die Aufgabe von Organen der Gesellschaft übertragen wird, handelt es sich um ein Ersatzorgan und kein Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO.2 Letzteres ist der Fall, wenn das „Schiedsgericht“ an Stelle von sonstigen Organen über eine geschäftliche Frage entscheiden soll, da dies nicht die Aufgabe der Rechtsprechung ist.3 Also nur soweit das in der Satzung beschriebene „Schiedsgericht“ auch die Aufgabe der Rechtsprechung zugewiesen bekommen hat, handelt es sich um ein echtes Schiedsgericht. Die Unterscheidung ist gerade im Hinblick auf die AG und SE relevant; während die Zulässigkeit von echten Schiedsgerichten im Hinblick auf § 23 Abs. 5 S. 1 AktG wenigstens umstritten ist4, so ist die Schaffung neuer, gesetzlich nicht vorgesehener Organe, welche die Kompetenzen anderer Organe übernehmen, jedenfalls unzulässig5. 2. Anwendbares Recht Umstritten ist bereits, welcher rechtlichen Überprüfung eine satzungsmäßige Schiedsklausel unterworfen ist. Hier ist umstritten, ob diese unter § 1029 Abs. 1 ZPO oder unter § 1066 ZPO zu subsumieren ist. Der Unterschied ergibt sich daraus, dass § 1066 ZPO nur die entsprechende Anwendung des 10. Buches für solche Schiedsgerichte anordnet, die in anderer Weise als durch Schiedsvereinbarung angeordnet werden. Daraus ergibt sich vor allem, dass auf in dieser Weise angeordnete Schiedsgerichte nicht die Vorschriften Anwendung finden, die ihrem Zweck nach eine Schiedsvereinbarung als Tatbestandsmerkmal voraussetzen – insbesondere also die Formvorschriften des § 1031 ZPO.6 Daher kommt es maßgeblich darauf an, ob es sich bei einer Schiedsklausel in einer Satzung um eine vertragliche Schiedsvereinbarung handelt, auf welche die Vorschriften der §§ 1029 ff. ZPO anwendbar wären, oder eine satzungsmäßige Schiedsklausel eine Schiedsanordnung im Sinne des § 1066 ZPO ist, die nur den speziellen Vorschriften des Satzungsrechts unterworfen ist.
2
14. 3
Vgl. BGHZ 42, 261, 263 f.; Fenn, FS Henckel (1995), 173 ff.; auch Kröll, ZIP 2005, 13,
Vgl. Kröll, ZIP 2004, 13, 15. Vgl. D.III.1., S. 217 ff. 5 Vgl. Hüffer/Koch, § 23 AktG Rn. 36; MüKoAktG/Pentz, § 23 AktG Rn. 164. 6 Vgl. BeckOKZPO/Wolf/Eslami, § 1066 ZPO Rn. 10; MüKoZPO/Münch, § 1066 ZPO Rn. 23 f. 4
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
129
a) Meinungsstand Nach herrschender Meinung handelt es sich bei satzungsmäßigen Schiedsklauseln um Schiedsanordnungen im Sinne des § 1066 ZPO.7 Damit seien sie nicht den Vorschriften über die Wirksamkeit von Schiedsverträgen nach §§ 1029 ff. ZPO unterworfen, da § 1066 ZPO die Anordnung des Schiedsgerichts voraussetze und nur hinsichtlich des in statthafter Weise angeordneten Schiedsgerichts die allgemeinen Vorschriften für anwendbar erkläre.8 Dies ergebe sich schon aus dem nichtvertraglichen Charakter von Satzungen.9 Bei juristischen Personen bestünde auch ein Bedürfnis danach, dass auch bei Mitgliederwechseln einheitliche Rechtsschutzmechanismen greifen.10 Dem Bedürfnis der Rechtssicherheit, dem bei vertraglichen Schiedsvereinbarung die Form des § 1031 ZPO genügen solle, könne auch durch die entsprechenden Voraussetzungen des Satzungsrechts Genüge getan werden.11 Schon die Praktikabilität spreche dafür, da sonst bei jedem Beitritt eine Unterzeichnung der Schiedsvereinbarung erforderlich sei.12 Der BGH hat unter Fortsetzung seiner Rechtsprechung13 in der „Körbuch“Entscheidung14 ebenfalls eine Subsumtion statutarischer Schiedsklauseln unter § 1066 ZPO (§ 1048 ZPO a.F.) bejaht und dies damit begründet, dass die sonst durch die Formvorschrift des § 1031 ZPO (§ 1027 ZPO a.F.) gewährleistete Rechtssicherheit durch die Einhaltung gesellschaftsrechtlicher Vorschriften ebenso gewahrt werden kann.15 K. Schmidt subsumiert statutarische Schiedsklauseln auch unter § 1066 ZPO16, nähert sich diesem Punkt aber von einer anderen Seite. Für die Zuordnung zu § 1066 7
Bechte-Horbach, Schiedsverfahren bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten, 71 f.; Ebbing, NZG 1998, 281, 281 f.; Schwerdtfeger/Eberl/Eberl, Kap. 7 Rn. 55; Geimer, FS Schlosser (2005), 197, 210 f.; Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 8; Heskamp, RNotZ 2012, 415, 421; G. v. Jhering, Wirkung von Schiedsvereinbarungen, Schiedsklauseln und Schiedssprüchen, 84 ff.; Kröll, ZIP 2004, 13, 14; MüKoZPO/Münch, § 1066 ZPO Rn. 8 ff.; Reichert/ Harbarth, NZG 2003, 379, 380; Hk-ZPO/Saenger, § 1066 ZPO Rn. 5 ff.; Musielak/Voit/Voit, § 1066 ZPO Rn. 7; Vollmer, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, 61 ff.; Yuefang, ZJS 2015, 141, 142. 8 Musielak/Voit/Voit, § 1066 ZPO Rn. 7. 9 MüKoZPO/Münch, § 1066 ZPO Rn. 8; Schwerdtfeger/Eberl/Eberl, Kap. 7 Rn. 55. 10 Musielak/Voit/Voit, § 1066 ZPO Rn. 7; vgl. auch Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 ZPO Rn. 20. 11 BGHZ 144, 146, 148 („Körbuch“), allerdings zu § 1048 ZPO a.F.; ebenso G. v. Jhering, Wirkung von Schiedsvereinbarungen, Schiedsklauseln und Schiedssprüchen, 64. 12 Vgl. Kröll, ZIP 2004, 13, 14. 13 BGHZ 48, 35, 43. 14 BGHZ 144, 146, 146 ff. („Körbuch“) mit Anm. Haas, ZGR 2001, 325 ff. 15 BGHZ 144, 146, 148. 16 Vgl. K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1079 ff. (zu § 1048 ZPO a.F.); nach neuem Recht auch ders., ZHR 162 (1998), 265, 275 f.; zust. Bechte-Horbach, Schiedsverfahren bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten, 71 f.
130
D. Statutarische Schiedsklauseln
ZPO könne es keine Rolle spielen, ob es sich bei einer Satzung um einen Vertrag oder eine Norm handelt, da die Diskussion um diesen rechtsdogmatischen Gegensatz jünger sei als die Regelung des § 1066 ZPO.17 Die Schiedsgerichtszuständigkeit könne grundsätzlich durch eine individuelle Vereinbarung herbeigeführt werden. § 1066 ZPO ergänze dieses Grundkonzept durch eine Regel, wonach Schiedsklauseln auch solche Parteien binden können, die sich ihnen nicht individuell unterworfen haben, vorausgesetzt, die Schiedsklauseln sind „in gesetzlich statthafter Weise“ angeordnet worden.18 Unabhängig von der Rechtsnatur der Satzung bestehe die Besonderheit von Satzungsbestimmungen darin, dass sie nicht binden, weil der Gebundene sich ihnen unterworfen hat, sondern sie binden das Mitglied als solches.19 Eine statutarische Schiedsklausel könne sinnvoll nur für alle Mitglieder als solche wirken, sodass es überhaupt nur durch § 1066 ZPO legitimiert werden könne.20 Die Gegenansicht möchte auf die Schiedsvereinbarung die Regeln für den Schiedsvertrag nach §§ 1029 ff. ZPO anwenden.21 Dies ergebe sich aus dem rechtsgeschäftlichen Charakter der Gründung und des Beitritts zur Gesellschaft, jedenfalls aber daraus, dass die Situation der Gründung einer juristischen Person einem Vertrag ähnlicher sei als einer Schiedsgerichtseinsetzung nach § 1066 ZPO und die Schutzbedürftigkeit der Vereinsmitglieder die Anwendung der Formvorschriften § 1031 ZPO fordert.22 Dafür könnte auch die Rechtsprechung des EuGH in der Entscheidung „Powell Duffryn“23 sprechen, nach welcher jedenfalls statutarische Gerichtsstandvereinbarungen vertraglicher Art sind24, woraus man auch den Schluss ziehen könnte, dass dies für statutarische Schiedsklauseln ebenso gelte.25 Weitere Stimmen erkennen zwar einen vertraglichen Charakter der Schiedsklausel in der Satzung an, kommen aber im Wege einer Analogie zur Anwendbarkeit des § 1066 ZPO.26 Die Anwendung der Formerfordernisse von § 1031 ZPO wäre vom Sinn und Zweck der Norm nicht gedeckt27 und würde zu unüberwindbaren Schwierigkeiten bei Abschluss und Abänderung führen.28 17
Vgl. K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1079. K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1079; ders., ZHR 162 (1998), 265, 275. 19 K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1079; ders., ZHR 162 (1998), 265, 275. 20 K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1079. 21 Vgl. Hadding, FS R. Fischer (1979), 165, 177 ff.; Schütte, Einsetzung von Schiedsgerichten durch die Satzungen, 42 ff.; Schwab/Walter, Kap. 32 Rn. 5; Staudinger/Weick, Vor §§ 21 ff. BGB Rn. 52. 22 Schwab/Walter, Kap. 32 Rn. 6 mit Verweis auf Stein/Jonas/Schlosser (22. Aufl., 2002) § 1066 ZPO Rn. 10; Schlosser hat die Kritik mittlerweile aufgegeben, vgl. Kap. D. Fn. 26. 23 EuGH v. 10. 03. 1992, Rs. C-214/89, Powell Duffryn, ECLI:EU:C:1992:116. 24 EuGH v. 10. 03. 1992, Rs. C-214/89, Powell Duffryn, ECLI:EU:C:1992:116 Rn. 16 f. 25 So BT-Drucks. 13/5274, S. 66, wobei laut Gesetzesbegründung die Rechtsentwicklung im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH nicht präjudiziert werden sollte. 26 Vgl. Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 94 f.; Wagner, Prozeßverträge, 492 ff.; vgl auch Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 ZPO Rn. 20 ff. 27 Vgl. Wagner, Prozeßverträge, 492 ff. 18
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
131
Haas kommt durch Auslegung des § 1066 ZPO zu einem anderen Ergebnis.29 Er bestimmt zunächst die (vermeintlich) maßgeblichen Merkmale der testamentarischen Schiedsanordnung: Bei dieser sei die Verfahrensgestaltung einseitig durch den Erblasser, aber die Bindung sei Resultat des Autonomie des Adressaten, der sich durch Ausschlagung entziehen könne.30 Übertrage man diesen Gedanken auf statutarische Schiedsklauseln, ergebe sich folgendes Bild: Schiedsklausel im Gründungsvertrag unterfielen § 1029 ZPO; bei Satzungsänderungen greife § 1066 ZPO, da eine Mehrheitsentscheidung ausreiche und daher „Einseitigkeit“ vorliege; bei Beitritt greife § 1066 ZPO, da die Bindung an der Gesellschafterstellung anknüpfe und nicht daran, ob sich das Organmitglied durch Freiwilligkeit unterwerfe; werden Gesellschaftsanteile übertragen, greife ebenfalls § 1066 ZPO.31 b) Kritik an den herkömmlichen Begründungsansätzen Wenn man sich einmal die widerstreitenden Ansichten ansieht, entsteht schnell der Eindruck, dass eine Einordnung der statutarischen Schiedsklausel unter §§ 1029 ff. ZPO oder § 1066 ZPO aus dogmatischer Sicht gar nicht zwingend ist, sondern eine Entscheidung für eine der beiden Varianten nur das Resultat reiner Zweckabwägungen ist. So ist es etwa, wenn die Anwendung von §§ 1029 ff. ZPO mit dem Argument der Schutzbedürftigkeit von Mitgliedern der Körperschaft begründet wird, welcher nur durch die Formvorschrift des § 1031 ZPO Abhilfe geleistet werden kann,32 als Gegenargument aber dann nur aufgeführt wird, dass auch die Vorschriften des Satzungsrechts ausreichen würden.33 Ebenso wird die Anwendung von den Vertretern beider Ansichten an die jeweils von ihnen vertretene Rechtsnatur von Satzungsbestimmungen geknüpft. Der Gedankengang der herrschenden Meinung ließe sich dann dergestalt darstellen: Da Satzungen Normen sind, die alle Gesellschafter und unter Umständen auch die Organmitglieder binden sollen, haben auch satzungsmäßige Schiedsklauseln eine entsprechende Bindungswirkung. Die Gegenseite würde entsprechend herangehen: Weil Satzungsbestimmungen Verträge oder wenigstens vertragsähnlich sind, gelten für statutarische Schiedsklauseln die Voraussetzungen für Schiedsvereinbarungen. Dabei handelt es sich um einen Unterfall des Streits um die Rechtsnatur der Satzungen von Verbänden. Nach der alten, auf Gierke zurückgehenden „Normentheorie“ handelt es sich bei einer Satzung um objektives Recht, das in den Grenzen der 28 29
326. 30
Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 94. Haas, SchiedsVZ 2007, 1, 3 ff.; vgl. aber noch weniger differenziert in ZGR 2001, 325,
Haas, SchiedsVZ 2007, 1, 3 f. Haas, SchiedsVZ 2007, 1, 4 ff. 32 Schwab/Walter, Kap. 32 Rn. 6. 33 BGHZ 144, 146, 148; vgl. auch Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 94 f. 31
132
D. Statutarische Schiedsklauseln
Satzungsautonomie durch Verbandsschöpfungsakt geschaffen wird.34 Für die Vertreter der „Vertragstheorie“ handelt es sich bei der Satzung nur um einen Vertrag.35 Die mittlerweile herrschende „modifizierte Normentheorie“ differenziert dergestalt, dass zwar die Satzungserrichtung rechtsgeschäftlich einzuordnen ist, aber die hierdurch geschaffene Verbandsverfassung wie objektives Recht zu behandeln ist.36 Tatsächlich kommt es auf den Streit um die Rechtsnatur der Satzung aber überhaupt nicht an. Kölbl hat bereits nachgewiesen, dass durch die Bestimmung der Rechtsnatur von Satzungsbestimmungen noch nichts für die Bestimmung der Rechtsnatur von statutarischen Schiedsklauseln gewonnen wurde, da Satzungen sowohl Normen als auch vertragliche Abreden enthalten können.37 Aus „Powell Duffryn“38 lässt sich nicht ableiten, dass es sich bei einer statutarischen Schiedsklausel doch um einen Vertrag handelt, da sich aus dieser Entscheidung nur ergibt, dass eine Gerichtsstandklausel in der Satzung einer AG allein für den Zweck der autonomen Anwendung des Art. 17 EuGVÜ39 (ffi Art. 25 Brüssel Ia-VO40) als Vertrag anzusehen sei.41 Folgerungen für die nationale Rechtsanwendung sind damit also nicht intendiert oder gar etwa indiziert.42 Der Kern des Problems ist, dass man sich der Frage nach der Zuordnung statutarischer Schiedsklauseln zur §§ 1029 ff. ZPO oder § 1066 ZPO aus gesellschaftsrechtlicher Sicht annähert, insbesondere, wenn man sie auf die Natur der Satzung herunterbricht. Die Subsumtion unter einen der Tatbestände ist aber zuvorderst ein zivilprozessuales Problem, da sich durch die Auslegung der entsprechenden Normen lösen lässt. Haas hat sich bemüht, durch Auslegung die vermeintlich maßgeblichen Kriterien für die Einordnung in § 1066 ZPO zu ermitteln43, ohne dabei auf reine Zweckmäßigkeitserwägungen oder Kasuistik zurückzufallen. Allerdings überzeugt sein Ver34
Vgl. Gierke, Genossenschaftstheorie, 164. Vgl. Scholz/Emmerich/Wicke, § 2 GmbHG Rn. 7; Flume, AT II/2, § 9 I; v. Tuhr, BGB AT Bd. 1, 502 ff.; Staudinger/Weick, Vor § 21 BGB Rn. 35 f. 36 Vgl. RGZ 165, 140, 143; BGHZ 21, 370, 373 ff.; 47, 172, 179 f.; 96, 245 ff.; MüKoGmbhG/Mayer, § 2 GmbHG Rn. 5 ff.; Michalski/Michalski, § 2 GmbHG Rn. 6 f.; MüKoBGB/Reuter, § 25 BGB Rn. 16 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 1 c. 37 Vgl. Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 30 ff. 38 EuGH v. 10. 03. 1992, Rs. C-214/89, Powell Duffryn, ECLI:EU:C:1992:116 Rn. 16 f. 39 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, vom 27. 09. 1968. 40 EU-Verordnung Nr. 1215/2012, Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABlEG v. 20. 12. 2012, L 351/01 S. 1. 41 MüKoZPO/Münch, § 1066 ZPO Rn. 9; vgl. auch K. Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 276 f. 42 MüKoZPO/Münch, § 1066 ZPO Rn. 9. 43 Vgl. Haas, SchiedsVZ 2007, 1, 3 f. 35
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
133
such, den Begriff der Anordnung durch die Charakteristika der letztwilligen Schiedsanordnung zu bestimmen, nicht. Es wird sich zeigen, dass eine letztwillige Schiedsanordnung ihre Bindung keinesfalls durch den freiwilligen Verbleib in der Erbengemeinschaft legitimieren kann, da dieser Verbleib nicht zwingend den Grad echter Freiwilligkeit erreicht; tatsächlich ist auch die Bindung eines Erben ebenso unfreiwillig denkbar.44 Die von Haas umschriebene Abschlusssituation trifft daher nicht zu, sodass auch seine Folgerungen nicht überzeugen können. c) Zivilprozessrechtliche Herleitung Um bestimmen zu können, welcher Vorschrift eine statutarische Schiedsklausel unterfällt, muss zunächst herausgearbeitet werden, was der Unterschied zwischen einer Schiedsvereinbarung und einer Schiedsanordnung überhaupt ist. Das ist ein zivilprozessuales Problem, das zunächst nichts mit dem Gesellschaftsrecht zu tun hat. Im Folgenden soll daher eine Auslegung der §§ 1029 ff. ZPO und dem § 1066 ZPO vorgenommen werden, um den Regelungsbereich dieser Normen zu ermitteln. Danach soll ermittelt werden, in welchen Regelungsbereich die statutarische Schiedsvereinbarung fällt. aa) Regelungsfälle des § 1029 ZPO und des § 1066 ZPO K. Schmidt ist in seiner Ansicht, dass § 1066 ZPO das Grundkonzept zur Legitimation der Schiedsgerichtsbarkeit erweitere, grundsätzlich zuzustimmen. Dieses Legitimationskonzept kann sogar aus dem Wortlaut der Normen abgeleitet werden. Dafür müssen nur die Formulierungen von § 1029 ZPO und § 1066 ZPO gegenübergestellt werden. § 1029 ZPO regelt nämlich die Schiedsvereinbarung, also „eine Vereinbarung der Parteien, alle oder einzelne Streitigkeiten, die zwischen ihnen in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis vertraglicher oder nichtvertraglicher Art entstanden sind oder künftig entstehen, der Entscheidung durch ein Schiedsgericht zu unterwerfen.“
Eine Schiedsvereinbarung ist also ein Vertrag.45 Ein Vertrag ist das Resultat mindestens zweier korrespondierender Willenserklärungen, mithin ein mehrseitiges Rechtsgeschäft als Ausfluss der Privatautonomie. Wenn die §§ 1029 ff. ZPO also die Schiedsvereinbarungen regeln, ist ihr Leitgedanke der einer privatautonomen Entscheidung. Inhaltlich setzt eine Schiedsvereinbarung gem. § 1029 Abs. 1 ZPO voraus, dass sich die Parteien selbst („zwischen ihnen“) der Schiedsbindung unterwerfen wollen. Die §§ 1029 ff. ZPO regeln also den Fall einer vertraglichen Selbstbindung an die Schiedsgerichtsbarkeit. 44 45
Vgl. D.I.3.b)cc)(2)(c)(bb), S. 149. Zur Problematik der Rechtsnatur als materieller oder Prozessvertrag vgl. E.I., S. 228.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Der Leitgedanke des § 1066 ZPO ist indes nicht so einfach zu bestimmen, wie es auf den ersten Blick erscheint. Das liegt daran, dass bis dato eine Auslegung des Wortlauts und der systematischen Stellung weitgehend unterblieben ist und eher Fallgruppen bemüht wurden. § 1066 ZPO regelt die Anwendbarkeit der Vorschriften des 10. Buchs der ZPO für „Schiedsgerichte, die in gesetzlich statthafter Weise durch letztwillige Verfügung oder andere nicht auf Vereinbarung beruhende Verfügungen angeordnet werden“. Der wesentliche Unterschied zu § 1029 Abs. 1 ZPO besteht darin, dass § 1066 ZPO Fälle regelt, in denen eine Schiedsbindung durch Verfügung angeordnet wird. Unklar ist aber erstmal, wie sich eine Schiedsverfügung, bzw. -anordnung von einer Schiedsvereinbarung unterscheidet. Nach ganz herrschender Meinung sind Schiedsanordnungen privatrechtliche, einseitige Rechtsgeschäfte.46 Der Wortlaut der Vorschrift sei auf einseitige Rechtsgeschäfte geradezu zugeschnitten.47 Von diesem Ausgangspunkt ist es indes fraglich, warum etwa eine bei der Gründung einer juristischen Person aufgenommene Schiedsklausel unter § 1066 ZPO fallen soll, wo sie doch jedenfalls für die zustimmenden Gesellschafter eher beidseitig ist. Es bedarf allerdings einer Überprüfung, ob das Merkmal der „Einseitigkeit“ wirklich den Charakter einer Schiedsanordnung im Sinne des § 1066 ZPO bestimmt oder nicht vielmehr andere Kriterien im Vordergrund stehen. Um dies zu bestimmen, muss § 1066 ZPO im Hinblick auf die Reichweite von § 1029 ZPO ausgelegt werden.48 Während § 1029 ZPO also die Schiedsvereinbarung regelt, soll § 1066 ZPO Schiedsgerichte, die durch „nicht auf Vereinbarung beruhende Verfügungen“ angeordnet werden, regeln. Nur was genau ist unter „nicht auf Vereinbarung beruhende“ zu verstehen? Hier gibt es zwei Deutungsmöglichkeiten. Einerseits ist es denkbar, dass die Schiedsklausel selbst, die unter § 1066 ZPO subsumiert werden soll, nicht das Resultat einer Vereinbarung sein darf. Dann könne man eine statutarische Schiedsklausel hier nicht drunter subsumieren, da – wie K. Schmidt richtig zugibt – jede Satzungsklausel zumindest auch „auf Vereinbarung beruhe“49. Allerdings könnte man dies auch so auslegen, dass zwar die Schiedsklausel selbst Resultat einer Vereinbarung sein darf, aber die Schiedsbindung der Betroffenen nicht auf dieser Vereinbarung basiert. Hier ist Letzteres richtig. In § 1029 Abs. 1 ZPO heißt es nämlich, dass eine Schiedsvereinbarung nur Streitigkeiten „zwischen ihnen“ – sprich: den Parteien – erfasse. Nicht erfasst ist daher die Vereinbarung, die eine andere Person binden soll.
46 Vgl. BGH NJW 1967, 2057, 2059; Musielak/Voit/Voit, § 1066 ZPO Rn. 7; Hk-ZPO/ Saenger, § 1066 ZPO Rn. 1; einschr. MüKoZPO/Münch, § 1066 ZPO Rn. 1 („idR einseitigen“). 47 Vgl. Wagner, Prozeßverträge, 491. 48 Vgl. auch Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 43. 49 K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1079.
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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Denkbar ist eine solche „drittwirkende“ Schiedsvereinbarung aber durchaus. Zuvörderst kommt eine Schiedsklausel in einem Vertrag zugunsten Dritter in Frage. Hier ist anerkannt, dass diese Schiedsklausel auch den Dritten bindet50. Mit dem Wortlaut von § 1029 Abs. 1 ZPO ist dies aber nicht vereinbar; dieser spricht von Streitigkeiten „zwischen ihnen“, aber nicht „zwischen ihnen und Dritten“. Die Schiedsklausel steht zwar in einem Vertrag, ihre Bindung ergibt sich aber für den Dritten nicht aus einer Vereinbarung. Einen solchen Fall kann § 1066 ZPO deutlich besser abbilden als § 1029 ZPO. Interessanterweise wird zwar bei einem Vertrag zugunsten Dritter die Schiedsbindung über das Vertragsrecht hergeleitet, bei einer Schiedsklausel in einem Erbvertrag, die auch Dritte binden soll, wird für das Verhältnis der Parteien § 1029 ZPO,51 für die Dritten aber § 1066 ZPO52 herangezogen. Das ist richtig, denn der Dritte ist nicht Teil der Vereinbarung. Konsequent wäre es daher, auch die Schiedsklausel im Vertrag zugunsten Dritter für den Dritten als eine Anordnung im Sinne des § 1066 ZPO zu fassen. Wenn man eine Schiedsklausel im Vertrag zugunsten Dritter also richtigerweise als Anordnung ansieht, würde sich auch hier in der gesetzlichen Zulässigkeit das eigentliche Problem darstellen. Bei einem Vertrag zugunsten Dritter ergibt sich die Legitimation für die Anordnung aus der Erwägung, dass der Begünstigte das Recht in der Form erwirbt, in der es die Parteien vereinbart haben53. Eine Schiedsklausel kann also durchaus durch einen Akt der Vereinbarung entstehen, aber ihre Wirkung unabhängig von der Freiwilligkeit einer Person entfalten. Da § 1029 Abs. 1 ZPO diesen Fall nicht abbildet, muss § 1066 ZPO herangezogen werden und das Merkmal der „nicht auf Vereinbarung beruhenden Verfügung“ so ausgelegt werden, dass zwar die Schiedsklausel, nicht aber die resultierende Schiedsbindung das Resultat einer Vereinbarung zwischen den gebundenen Parteien sein darf.54 Also soll – wie K. Schmidt richtig erkannt hat55 – § 1066 ZPO eine Legitimationsmöglichkeit für Schiedsgrundlagen enthalten, denen sich die Parteien nicht individuell unterworfen haben. Das Anknüpfungsmerkmal, aus dem sich also die Schiedsbindung ergeben soll, ist ein anderes als die freiwillige Unterwerfung. Dass es für die Abgrenzung zwischen einer Schiedsvereinbarung und einer Schiedsanordnung nicht auf den Begründungsakt ankommt, kann auch aus der amtlichen Überschrift des 10. Abschnitts des 10. Buchs der ZPO, in den § 1066 ZPO 50
Vgl. BGH NJW 1967, 2057, 2059; MüKoZPO/Münch, § 1031 ZPO Rn. 18; Schmitz, RNotZ 2003, 591, 594; Schwab/Walter, Kap. 7 Rn. 36; ausführlich Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 159 ff. 51 Vgl. MüKoZPO/Münch, § 1066 ZPO Rn. 4; Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 ZPO Rn. 3; Musielak/Voit/Voit, § 1066 ZPO Rn. 5. 52 Vgl. OLG Hamm NJW-RR 1991, 455, 456; Haas, ZEV 2007, 49, 51 f.; Zöller/Geimer, § 1066 ZPO Rn. 15; MüKoZPO/Münch, § 1066 ZPO Rn. 4; Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 ZPO Rn. 3; Musielak/Voit/Voit, § 1066 ZPO Rn. 5. 53 Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 159. 54 Ähnlich RGZ 157, 106, 114. 55 K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1079.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
fällt, abgeleitet da werden. Diese lautet „Außervertragliche Schiedsgerichte“, bezieht sich also auf die Schiedsgerichte und nicht auf die Schiedsgrundlage selbst. Solange eine Schiedsgerichtszuständigkeit für eine Person nicht wegen einer eigenen vertraglichen Unterwerfung, sondern wegen äußerer Anordnung – egal welcher Art – zustande kommt, wäre es für diese Person außervertraglich. Damit eine Schiedsgrundlage also als Schiedsanordnung im Sinne des § 1066 ZPO zu qualifizieren ist, muss sie darauf angelegt sein, die Schiedsbindung an einem anderen Merkmal als der Freiwilligkeit festzumachen. Ob eine Schiedsgrundlage also eine Vereinbarung oder eine Anordnung ist, bestimmt sich nicht durch ihren Abschlussakt, sondern durch die von ihr intendierte Rechtsfolge. Man könnte gegen die hier erarbeitete Definition natürlich den Einwand bringen, dass sie schon deshalb keinen Anwendungsbereich haben kann, weil das Schiedsverfahren zwingend die Freiwilligkeit der anderen Partei voraussetze56, sodass eine Schiedsgrundlage, die keine Freiwilligkeit fordert, immer unwirksam sein müsse. Dem ist jedoch zunächst entgegenzuhalten, dass die Schiedsanordnung zwar an einem anderen Kriterium als der Freiwilligkeit anknüpft, dem Vorliegen einer solchen Freiwilligkeit aber – sogar als Tatbestandsvoraussetzung für die Zulässigkeit – nichts entgegensteht. Zweitens werden vom Dogma der Freiwilligkeit bereits jetzt Ausnahmen gemacht, in denen die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen auf Dritte erweitert wird, die nicht Vertragsparteien sind. So hat der BGH entschieden, dass auch der persönlich haftende Gesellschafter einer oHG an eine mit der oHG abgeschlossene Schiedsvereinbarung gebunden ist.57 Die hier gefundene Definition kann den vom BGH genannten Beispielsfall vor dem Hintergrund des Wortlauts von § 1029 Abs. 1 ZPO deutlich besser erklären: Wenn sich aus der (ergänzenden) Auslegung einer Schiedsvereinbarung mit einer oHG ergibt, dass diese auch die Gesellschafter binden soll, dann entfaltet sie im Verhältnis zur Gesellschaft die Wirkung des § 1029 Abs. 1 ZPO, im Verhältnis zum Gesellschafter greift § 1066 ZPO. Drittens ist das Freiwilligkeitsdogma ohnehin überholt, da es aus verfassungsrechtlicher Sicht keinen Grund gibt, Personen in Ausnahmefällen die Schiedsbindung auch gegen ihren Willen aufzuzwingen.58 Um zu überprüfen, ob diese ermittelte Definition der Anordnung zutrifft, muss diese auch auf die Anordnung eines Schiedsgerichts durch letztwillige Verfügung zutreffen. Diese stellt gem. § 1066 ZPO einen Unterfall der Anordnung dar, woraus folgt, dass jede Definition der Anordnung auch die durch letztwillige Verfügung erfassen muss. Eine durch Testament angeordnete Schiedsbindung intendiert gerade die Bindung der Erben im Falle des Erbfalls ohne deren Zustimmung. Anknüp56 So nahezu allgM., vgl. etwa BGH NJW 1976, 109; Haas, SchiedsVZ 2007, 1, 3 f.; HkZPO/I. Saenger, Vor §§ 1025 ff. ZPO Rn. 7; Seiters, FS Schlick (2015), 315, 316; a.A. Geimer, FS Schlosser (2005), 197, 200 ff. 57 Vgl. BGH NJW-RR, 1991, 423, 424; für weitere anerkannte Fälle der erweiterten Wirkung von Schiedsvereinbarungen vgl. Müller/Keilmann, SchiedsVZ 2007, 113, 115 ff. 58 Vgl. dazu sogleich D.I.3.b)cc)(3), S. 151.
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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fungspunkt für die Schiedsbindung ist nicht die freiwillige Unterwerfung, sondern die Stellung als Erbe bzw. Vermächtnisnehmer59 an sich. Somit handelt es sich bei einer testamentarischen Schiedsklausel um eine Anordnung in diesem Sinne. Allerdings kann sich ein Erbe der Schiedsbindung wieder entziehen, indem er das Erbe ausschlägt.60 Da sich eine letztwillige Schiedsverfügung nicht auf den Pflichtteilsanspruch beziehen darf,61 entfällt die Bindung mit dem Ausschlagen auch wirklich vollkommen. Spricht dies gegen die oben genannte Definition, weil das Dulden der Schiedsbindung als Freiwilligkeit im Sinne eines „kleinen Konsens“62 gewertet werden kann? Wie noch zu zeigen sein wird, kann die Duldung einer etwaigen Schiedsbindung nicht als Freiwilligkeit gewertet werden63, die Möglichkeit der Lösung von der Schiedsbindung ergibt sich nur aus dem grundgesetzlich gewährten allgemeinen Justizgewährungsanspruch.64 Soweit sich also eine testamentarische Schiedsklausel auch auf Pflichtteilsansprüche bezieht, ändert dies nichts an ihrem Charakter als Anordnung, führt aber insoweit zu ihrer Unzulässigkeit. Folglich ist die oben gefundene Definition der Anordnung auch auf die letztwillige Verfügung anwendbar. Diese Ausführungen zeigen, dass der Unterschied zwischen einer Schiedsvereinbarung und einer Schiedsverfügung nicht in der Art der Entstehung der Schiedsklausel, sondern in der Art der von ihr bezweckten Wirkung besteht. Soweit eine Schiedsklausel erstens auf einer freiwilligen Vereinbarung basiert und zweitens nur die Parteien der Vereinbarung binden soll, handelt es sich um eine Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1029 Abs. 1 ZPO. Soweit sie aber eine Partei unabhängig von ihrer freiwilligen Unterwerfung binden soll, handelt es sich um eine Anordnung im Sinne des § 1066 ZPO. Damit also § 1066 ZPO Anwendung findet, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Die erste ist, dass eine Schiedsanordnung vorliegt, welche die Schiedsbindung an einem anderen Merkmal als der Freiwilligkeit anknüpft. Die zweite ist, dass diese Schiedsanordnung „in gesetzlich statthafter Weise“ angeordnet wurde. Liegen diese beiden Voraussetzungen vor, sind die Adressaten der Schiedsanordnung schiedsgebunden.
59
Rn. 3. 60 61
Rn. 4. 62
Vgl. OLG Hamm NJW-RR 1991, 455, 456; BeckOKZPO/Wolf/Eslami, § 1066 ZPO Vgl. auch Haas, ZEV 2007, 49, 51. Vgl. Musielak/Voit/Voit, § 1066 ZPO Rn. 3; a.A. Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 ZPO
Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 44. Zum Vorliegen von Freiwilligkeit bei einer testamentarischen Schiedsanordnung und der Idee eines „kleinen Konsenses“ vgl. D.I.3.b)cc)(2)(c)(bb), S. 149. 64 Vgl. dazu ausführlich D.I.3.b)cc)(3)(b)(aa), S. 155. 63
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D. Statutarische Schiedsklauseln
bb) Subsumtion Als nächstes wäre also zu klären, ob eine statutarische Schiedsklausel „eine Vereinbarung der Parteien, alle oder einzelne Streitigkeiten, die zwischen ihnen in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis vertraglicher oder nichtvertraglicher Art entstanden sind oder künftig entstehen, der Entscheidung durch ein Schiedsgericht zu unterwerfen“
ist, wie es § 1029 Abs. 1 ZPO voraussetzt, oder eine Schiedsanordnung, welche die Schiedsbindung an einem anderen Merkmal als der Freiwilligkeit anknüpft. Man betrachte zunächst eine einfache statutarische Schiedsklausel, die nur gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern untereinander und mit der Gesellschaft erfasst und im Zeitpunkt der Gründung in eine Satzung einer Körperschaft aufgenommen werden soll. Da dies im Gründungszeitpunkt nur einstimmig möglich ist, spricht zunächst einiges für eine Schiedsvereinbarung, da sich die Gesellschafter selbst für ihre Schiedsbindung entscheiden. Dass auch die Körperschaft selbst daran gebunden werden soll, muss nicht einmal zwingend dagegensprechen, jedenfalls, wenn man die Einigung bei Gründung als eine vorweggenommene Willensbildung betrachtet. Allerdings ist es gerade Zweck einer statutarischen Schiedsklausel, nicht nur die Gründungsmitglieder, sondern alle zukünftigen Gesellschafter zu binden, und zwar unabhängig davon, ob sie sich der Schiedsbindung selbst unterwerfen wollen oder nicht. Ob nun ein Gesellschafter durch Abtretung von Gesellschafteranteilen oder im Rahmen einer Kapitalerhöhung in die Gesellschaft aufgenommen wird, soll die Schiedsklausel doch eine umfängliche Wirkung erlangen. Insoweit handelt es sich also jedenfalls um eine Anordnung nach § 1066 ZPO, die aber noch auf ihre gesetzliche Zulässigkeit geprüft werden muss. Dies muss ebenso für die Gründungsmitglieder gelten, da man auch insoweit davon ausgehen muss, dass für diese im Zeitpunkt der Schaffung der Schiedsklausel als Anknüpfungskriterium nicht die eigene freiwillige Unterwerfung im Vordergrund steht, sondern die Gesellschafterstellung65. Gleiches gilt auch, wenn die Zuständigkeit der Schiedsgerichte für statutarische Streitigkeiten mit Organmitgliedern angeordnet wird. Hier soll die Schiedsbindung ebenfalls unabhängig davongemacht werden, ob das Organmitglied diese freiwillig herbeiführt. Gerade für Organmitglieder, die anders als die Gesellschafter mit der Gesellschaft selbst sowohl statutarisch als auch in der Regel auf Grund eines Anstellungsvertrages verbunden sind, ist dies von erheblicher Bedeutung. Auf diese Weise kann nämlich gewährleistet werden, dass bestimmte statutarische Streitigkeiten vor Schiedsgerichten verhandelt werden, obwohl im Anstellungsvertrag keine oder eine unwirksame Schiedsvereinbarung enthalten ist. Zwar könnte man erwägen, dass man sich durch den Eintritt in die Gesellschaft oder die Annahme eines Amtes als Organmitglied auch rechtsgeschäftlich und 65
Vgl. MüKoZPO/Münch, § 1066 ZPO Rn. 8.
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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freiwillig der Schiedsbindung unterwirft. Im Hinblick auf die Gesellschafterstellung ist dies schon schwer begründbar, da eine solche mit Abschluss des Verfügungsgeschäfts über die Gesellschaftsanteile erreicht wird. Der Erklärungswert eines Verfügungsgeschäfts ist aber bekanntlich begrenzt.66 Zudem würde dies eine sehr weitgehende Auslegung darstellen, die den natürlichen Umständen widersprechen würde – es wäre schon sehr konstruiert, in die Abtretung eines Geschäftsanteils oder die Übertragung von Aktien gleichzeitig die Unterwerfung unter eine Schiedsklausel hineinzuinterpretieren.67 Gleiches gilt für die Annahme einer Bestellung zum Organmitglied, insbesondere wenn man diese mit der herrschenden Meinung nur als eine einseitige Willenserklärung und nicht als Annahme eines Vertragsangebots ansieht68. Letztlich soll dies auch gerade nicht entscheidend sein, weil in beiden Fällen für eine statutarische Schiedsklausel die Inhaberschaft der Stellung entscheidend ist. Ob Freiwilligkeit vorliegt, spielt für den Charakter als Schiedsanordnung nämlich keine Rolle, da sie ihre Wirkung nicht entgegen, sondern unabhängig davon entfalten soll. Gleiches gilt uneingeschränkt für die statutarische Schiedsklausel, die nachträglich durch eine Satzungsänderung eingefügt wird. Diese soll Gesellschafter und Organe ebenso unabhängig von ihrer freiwilligen Unterwerfung, sondern vielmehr auf Grund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung binden. Somit fallen statutarische Schiedsklauseln immer unter § 1066 ZPO, da die von ihnen bezweckte Schiedsbindung nicht durch freiwillige Unterwerfung, sondern wegen Inhaberschaft einer Gesellschafter- oder Organstellung entstehen soll.69 Da der Unterschied zwischen § 1029 Abs. 1 ZPO und § 1066 ZPO gar nicht in der Art der Entstehung einer Schiedsklausel, sondern in der Art der von ihr intendierten Form der Schiedsbindung liegt, kommt es für die Subsumtion gar nicht auf den Streit über die Rechtsnatur von Satzungen – Vertrag oder Norm – an. Die Gegenansicht, die fordert, dass eine statutarische Schiedsklausel unter § 1029 Abs. 1 ZPO subsumiert werden muss, und dies mit der Schutzbedürftigkeit der Mitglieder begründet,70 hat aber durchaus ihre Berechtigung, wenn man sie eher als Appell versteht: Statutarische Schiedsklauseln sind nicht unter § 1029 Abs. 1 ZPO zu subsumieren, weil es Schiedsvereinbarungen sind, sondern sie sollten nur als Schiedsvereinbarungen zwischen den Betroffenen ausgestaltet werden und deshalb 66 Man beachte nur die engen Grenzen der Anfechtbarkeit von Verfügungsgeschäften wegen Eigenschaftsirrtums, weil nach richtiger h.M. nicht einmal die Eigenschaft des Gegenstandes Inhalt der Einigung ist, vgl. grundlegend Grundmann, JA 1985, 80, 81 ff.; Jauernig/ Mansel, § 119 BGB Rn. 15; Wolf/Neuner, BGB AT, § 29 Rn. 71. 67 Vgl. K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1079; Haas, SchiedsVZ 2007, 1, 8. 68 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 84 AktG Rn. 10 (für den Vorstand); MüKoAktG/Habersack, § 101 AktG Rn. 67 (für den Aufsichtsrat); Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 6 GmbHG Rn. 44, jeweils m.w.N. 69 Vgl. K. Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 275; G. v. Jhering, Wirkung von Schiedsvereinbarungen, Schiedsklauseln und Schiedssprüchen, 85. 70 Vgl. Kap. D. Fn. 21.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
unter § 1029 Abs. 1 ZPO fallen; als Schiedsverfügung ohne die Vorschriften des §§ 1029 ff. ZPO seien sie nicht genug auf die Bedürfnisse der Betroffenen ausgerichtet. Dies würde aber dem Zweck von statutarischen Schiedsklausen, eine Bindung unabhängig von der Freiwilligkeit zu ermöglichen, unterlaufen. Vielmehr sollte man überprüfen, unter welchen Voraussetzungen dieser Zweck mit den Interessen der Betroffenen in Einklang gebracht werden kann. Dies ist aber keinesfalls ein Problem der Zuordnung zu §§ 1029 ff. ZPO oder § 1066 ZPO71, sondern nur ein Problem der gesetzlichen Zulässigkeit im Rahmen des § 1066 ZPO. Der Einwand, dass der Schutzzweck des § 1031 ZPO unterlaufen würde, wenn man eine statutarische Schiedsklausel unter § 1066 ZPO subsumieren würde, kann mithin keinen Einfluss auf diese Subsumtion haben, sondern allenfalls die Frage aufwerfen, ob nicht auf statutarische Schiedsklauseln die Formvorschrift analog angewendet werden könnte.72 cc) Ergebnis Statutarische Schiedsklauseln fallen immer unter § 1066 ZPO, da sie darauf abzielen, die Schiedsbindung nicht von einer freiwilligen Unterwerfung abhängig zu machen, sondern allein am Status des Gebundenen als Gesellschafter oder Organmitglied anknüpfen. Unter welchen Voraussetzungen eine solche Schiedsbindung dann aber auch tatsächlich stattfindet, hängt von der gesetzlichen Zulässigkeit dieser Verfügung ab. Bei einer statutarischen Schiedsklausel handelt es sich also nicht etwa um eine Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1029 ZPO, die nur in einer Satzung verortet ist73, sondern um ein anderes Rechtsinstitut, dass den gesellschaftsrechtlichen Regeln folgt. 3. Gesetzliche Vorgaben Nachdem gezeigt wurde, dass es sich bei einer statutarischen Schiedsklausel um eine Anordnung im Sinne des § 1066 ZPO handelt, stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit sie gesetzlich zulässig ist. Fest steht nur, dass auf Grund des Wortlauts von § 1066 ZPO die Anordnung „in gesetzlich statthafter Weise“ vorgenommen werden muss. Daher ist zunächst zu klären, was überhaupt das für die Schiedsklausel anzuwendende Sachrecht ist [a)]. Bei der Bestimmung der gesetzlichen Zulässigkeit ist zunächst zu überprüfen, welche Vorgaben sich hierfür aus dem Grundgesetz ergeben [b)]. Im Anschluss daran sind die sonstigen Voraussetzungen und Grenzen zu bestimmen, also die Frage nach den erforderlichen Abstimmergebnissen bei der Einfügung einer statutarischen 71
Vgl. auch Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 48 f. Vgl. dazu aber D.I.3.e), S. 176. 73 Dies suggerieren etwa von Hase, BB 2011, 1993, 1995; Thümmel, FS Schütze (2014), 633, 641; von Westphalen, ZIP 2013, 2184, 2184. 72
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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Schiedsklausel mit Wirkung für Organmitglieder [c)], die Notwendigkeit der Zustimmung des Organmitglieds [d)] und die für sie geltenden Formvorschriften [e)]. a) Grundlage: Satzungsautonomie und echte Satzungsbestimmungen § 1066 ZPO gibt mit seiner Voraussetzung, dass die Anordnung „in gesetzlich statthafter Weise“ vorgenommen sein muss, keine Auskunft darüber, nach welchem Recht sich die Zulässigkeit von Schiedsanordnungen grundsätzlich richtet. Dadurch, dass die Schiedsklausel sich in der Satzung einer Kapitalgesellschaft befinden soll, kann man allerdings schon einmal folgern, dass sich die Zulässigkeit nach Gesellschaftsrecht richten muss.74 Eine Suche in dem für Kapitalgesellschaften einschlägigen Recht verrät jedoch, dass der deutsche Gesetzgeber weder für die GmbH noch für die AG eine ausdrückliche Regelung über die Zulässigkeit von Schiedsanordnungen in deren Satzungen getroffen hat. Ebenso wenig enthalten die SE-VO oder das SEAG Vorschriften über die Zulässigkeit von Schiedsanordnungen in einer SE-Satzung. Ein vergleichender Blick in die §§ 2064 ff. BGB, welche die Errichtung des Testaments regeln, offenbart ebenso, dass diese kein Wort zur Schiedsanordnung verlieren, obwohl § 1066 ZPO die letztwillige Schiedsanordnung als einzige Schiedsanordnung ausdrücklich vorsieht. Wo ist also dieses materielle Recht, dass die Zulässigkeit der Schiedsanordnungen in Gesellschaftssatzungen regelt? Hier bleibt nur der Rückgriff auf die allgemeinen Regeln. Die Aufnahme von Schiedsklauseln in die Satzung geschieht auf Basis der den Kapitalgesellschaften eingeräumten Satzungsautonomie.75 Bei der GmbH gilt der Grundsatz der Satzungsautonomie.76 Bei der AG gilt hingegen der Grundsatz der Satzungsstrenge, statutarische Regelungen sind nur in den Grenzen des § 23 Abs. 5 AktG zulässig.77 Bei der SE ist der Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers durch Art. 9 Abs. 1 lit. b und Art. 9 Abs. 1 lit. c iii i.V.m. § 23 Abs. 5 AktG sogar quasi „doppelt beschränkt“.78 Weder für die GmbH noch für die AG oder SE existiert jedoch eine ausdrückliche Aussage zur Zulässigkeit von Schiedsklauseln, umgekehrt werden sie aber auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Die Aufnahme einer statutarischen Schiedsklausel muss sich daher an den allgemeinen Regeln für Satzungsbestimmungen messen lassen.
74
Vgl. K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1081. Vgl. Benedict/Gehle/U. Schmidt, in: MünchHdbGesR Bd. 7 § 144 Rn. 49; Schwerdtfeger/S. Eberl/W. Eberl, Kap. 7 Rn. 55; auch K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1082. 76 MüKoGmbHG/Wicke, § 3 GmbHG Rn. 148; allg. zum Grundsatz der Satzungsautonomie vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 3. 77 Ausführlich hierzu vgl. D.III.1., S. 217. 78 Lutter/Bayer/J. Schmidt, § 41 Rn. 25; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, S. 77. 75
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Diese Regeln für Satzungsbestimmungen sind allerdings nur für „echte“ Satzungsbestimmungen79 einschlägig. Daneben gibt es noch sog. „unechte“ oder „formelle“ Satzungsbestimmungen. Echte Satzungsbestimmungen sind solche, die entweder als Satzungsbestandteile vorgeschrieben sind oder nur als Organisationsregeln in der Satzung funktionieren können.80 Unechte Satzungsbestimmungen sind solche, die mit der Mitgliedschaft weder verbunden sind, noch verbunden sein können.81 Unechte Satzungsbestimmungen sind nur formal in der Satzung verortete Verträge, für welche die allgemeinen Regeln des Schuldrechts gelten.82 Eine Fallgruppe für echte Satzungsbestimmungen sind solche mit einem generellen Regelungsanspruch. Dabei handelt es sich um Satzungsbestimmungen, die korporative Rechtsverhältnisse ersichtlich mit genereller Wirkung für einen unbestimmten Personenkreis regeln sollen, was zwar auch außerhalb der Satzung prinzipiell möglich wäre, jedoch nur durch gesonderte Vereinbarung mit jedem einzelnen Betroffenen.83 Eine statutarische Schiedsklausel verfolgt den Zweck, Schiedsbindung von Organmitgliedern und Gesellschaftern unabhängig von ihrer individuellen Unterwerfung herbeizuführen. Daher ist sie als eine echte Satzungsbestimmung zu klassifizieren.84 Folglich gelten für sie die Regeln für Satzungsbestimmungen. b) Verfassungsmäßige Vorgaben Statutarische Schiedsklauseln sollen die Zuständigkeit privater Schiedsgerichte begründen und damit die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte weitgehend aufheben. Daher weisen sie, jedenfalls auf den ersten Blick, Berührungspunkte mit dem Grundsatz der staatlichen Gerichtsbarkeit nach Art. 92 GG, dem Grundrecht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. GG und dem allgemeinen Justizgewähranspruch auf. Ob diese Verfassungsnormen aber überhaupt betroffen sein können und welche Auswirkung sie im Rechtsverkehr zwischen Privaten haben, wird im Folgenden zu klären sein. aa) Art. 92 GG – Staatliche Gerichtsbarkeit Eine möglicherweise berührte Verfassungsnorm könnte Art. 92 GG sein. Danach ist die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut. Dem könnte man entnehmen, dass jede andere Form von Rechtsprechung, insbesondere auch die von Schiedsgerichten, nach dem Willen des Gesetzgebers ausgeschlossen sein solle. Dies 79 Auch körperschaftliche, körperschaftsrechtliche, korporative, normative oder materielle Satzungsbestimmungen genannt, vgl. MüKoAktG/Stein, § 179 AktG Rn. 8 m.w.N. 80 Vgl. Priester, DB 1979, 681 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I d) aa). 81 Vgl. Priester, DB 1979, 681, 682; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I d) bb). 82 Vgl. Priester, DB 1979, 681, 682. 83 MüKoAktG/Stein, § 179 AktG Rn. 16. 84 BGH NJW 1963, 203, 204; KK/Arnold, § 23 AktG Rn. 152; MüKoAktG/Stein, § 179 AktG Rn. 16.
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143
wird jedoch nach mittlerweile allgemeiner Auffassung85 richtigerweise abgelehnt: Es lässt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen, dass die Verfassungsväter durch die Einführung des Grundgesetzes das bereits vorkonstitutionell bestehende Institut der privaten Schiedsgerichtsbarkeit durch Art. 92 GG in irgendeiner Form für unzulässig erklären wollten.86 Art. 92 GG hat die staatsorganisationsrechtliche Funktion, das Rechtsprechungsmonopol der Judikative gegenüber der Exekutive und der Legislative abzusichern.87 Eine Aussage über private Schiedsgerichte enthält die Vorschrift hingegen nicht. Teilweise wird angeführt, dass ein Rückzug des Staates aus Kernbereichen der Rechtspflege sich auch am Maßstab des Art. 92 GG messen lassen müsse, gerade wenn der Staat Aufgaben der staatlichen Gerichte der nichtstaatlichen Gerichtsbarkeit zugänglich macht.88 § 1066 ZPO enthält jedoch keine Aussage über das Verhältnis zwischen staatlicher oder nichtstaatlicher Gerichtsbarkeit. Dem Verhältnis zwischen staatlicher und privater Rechtsprechung wird nämlich durch das Merkmal der Schiedsfähigkeit als Voraussetzung für ein Schiedsverfahren gem. § 1030 ZPO Rechnung getragen, welches den staatlichen Gerichten einen Kernbereich privatrechtlicher Streitigkeiten zuordnet.89 Einer darüber hinausgehende Beschränkung der Schiedsgerichtsbarkeit bedarf es nicht. bb) Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG – Grundrecht auf den gesetzlichen Richter Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG enthält mit dem Recht auf den gesetzlichen Richter das Gebot an den Gesetzgeber, den gesetzlichen Richter zu bestimmen, ihn im Voraus durch generelle, jeden möglichen Einzelfall erfassende Regelung so eindeutig wie möglich festzulegen und jeden vermeidbaren Spielraum auszuschließen.90 Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 S. 2 ist funktional jedes zuständige Gericht, innerhalb des Gerichts der Spruchkörper oder Einzelschiedsrichter – auch Ermittlungsrichter und Haftrichter –, im Spruchkörper der im Einzelfall zur Mitwirkung berufene Richter.91
85
2002. 86
Bzgl. früher vertretener Gegenansichten vgl. die Nachweise bei Stober, NJW 1979, 2001,
Vgl. v. Mangoldt/Klein/Stark/Classen, Art. 92 GG Rn. 41; Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 92 GG Rn. 87 f.; MüKoZPO/Münch, vor § 1025 ZPO Rn. 4; Stober, NJW 1979, 2001, 2002 ff. 87 Vgl. BeckOKGG/Morgenthaler, § 92 GG Rn. 1; Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 92 GG Rn. 13 f.; Stober, NJW 1979, 2001, 2003 f. 88 Sachs/Detterbeck, Art. 92 GG Rn. 29; Hesselbarth, Schiedsgerichtsbarkeit und Grundgesetz, 41 ff. 89 Vgl. dazu C.I.1., S. 36 f. 90 Sachs/Degenhart, Art. 101 GG Rn. 5; vgl. BeckOKGG/Morgenthaler, Art. 101 GG Rn. 10 ff.; Maunz/Dürig/Maunz, Art. 101 GG Rn. 5. 91 Sachs/Degenhart, Art. 101 Rn. 5 m.w.N.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Entgegen einer früher u. a. vom BAG vertretenen Auffassung92 werden Schiedsrichter nicht von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG umfasst, da dieser im IX. Abschnitt des GG angesiedelte Artikel sich auf die Rechtsprechung als Staatsgewalt bezieht und der gesamte IX. Abschnitt den Zweck hat, die rechtsprechende Staatsgewalt vor Eingriffen durch Legislative und Exekutive zu schützen.93 Was von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG allerdings nicht umfasst wird, ist der Zugang zu den staatlichen Gerichten als solcher. Dass ein solcher Zugang zu staatlichen Gerichten besteht, ist vielmehr nur eine Voraussetzung dafür, dass Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG überhaupt zur Anwendung kommen kann.94 Dem Wortlaut nach enthält Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG schon kein Recht auf einen Prozess, ein solches kann sich – wenn überhaupt – nur aus dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch ergeben.95 Erst wenn es zum Prozess vor einem staatlichen Gericht kommt, muss für diesen das Gebot des gesetzlichen Richters eingehalten werden. Somit ist es unpräzise, in der Einigung über die Schiedsgerichtszuständigkeit einen Verzicht auf den gesetzlichen Richter zu sehen96.97 Dies ist zwar der mittelbare Effekt einer solchen Vereinbarung, letztlich aber nur eine Folge aus dem Verzicht auf das vorgelagerte Recht auf einen Prozess vor einem staatlichen Gericht. Ebenso kann auch die Anordnung eines Schiedsgerichts keinen Eingriff in Art 101 Abs. 1 S. 2 GG darstellen, da auch hier bereits und nur die Zulassung zur staatlichen Gerichtsbarkeit als solchen aufgehoben werden soll. Eine Schiedsbindung durch eine statutarische Anordnung berührt somit nicht das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG.
92
Vgl. BAG NJW 1964, 268, 269: „Als gesetzlicher Richter im Sinne dieser Verfassungsvorschrift muß der Richter angesehen werden, der durch das Gesetz bestimmt ist. Zu diesen gesetzlichen Vorschriften, die den zuständigen Richter betreffen, gehören neben den §§ 1025 ff. ZPO auch die §§ 101 ff. ArbGG. Denn im Hinblick auf diese gesetzlichen Vorschriften, in denen ein Schiedsgericht unter bestimmten Voraussetzungen als streitentscheidende Instanz zugelassen ist, steht dieses Schiedsgericht nicht im Widerspruch zum gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 GG.“ 93 Ausführlich Distler, Schiedsgerichte und Verfassung, 57 f. 94 Vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck/Classen, Art. 101 GG Rn. 9; Geimer, Integritätsprobleme (1994), 113, 123; G. v. Jhering, Wirkung von Schiedsvereinbarungen, Schiedsklauseln und Schiedssprüchen, 10; Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 80; Papier, in: HStR VIII § 176 Rn. 2; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312, 313. 95 Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312, 313. 96 So aber etwa BGHZ 77, 146, 148 („Körbuch“); Ebbing, NZG 1998, 281, 282; Michalski/ Michalski/Funke, § 93 GmbHG Rn. 93; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 24; vgl. auch Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2. 9; Müller/Keilmann, SchiedsVZ 2007, 113, 115; Schütte, Einsetzung von Schiedsgerichten durch die Satzungen, 94 ff.; Wagner, Prozeßverträge, 494. 97 Ebenso G. v. Jhering, Wirkung von Schiedsvereinbarungen, Schiedsklauseln und Schiedssprüchen, 10; Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 79 f.; vgl. auch Umbeck, SchiedsVZ 2009, 143, 145; Musielak/Voit/Voit, § 1029 ZPO Rn. 2.
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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cc) Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG – allgemeiner Justizgewährungsanspruch Wie soeben festgestellt, greift die Anordnung eines Schiedsgerichts nicht in das Recht auf den gesetzlichen Richter ein, wohl aber besteht die Möglichkeit eines Eingriffs in den allgemeinen Justizgewährungsanspruch. Um dies zu überprüfen, müssen die Herleitung dieses Rechts und sein Schutzbereich (1), das Vorliegen eines Eingriffs (2) und eine etwaige Rechtfertigung (3) analysiert werden. (1) Herleitung und Schutzbereich Ausdrücklich gewährt Art. 19 Abs. 4 GG nur bei Akten der öffentlichen Gewalt einen Zugang zu den staatlichen Gerichten.98 Allerdings hat das BVerfG aus dem Rechtstaatsprinzip i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG den allgemeinen Justizgewährungsanspruch abgeleitet,99 wonach auch in zivilrechtlichen Streitigkeiten ein subjektives Recht auf Zugang zu den staatlichen Gerichten zu gewährleisten ist. In einem Staat, der das Gewaltmonopol für sich beansprucht, muss dem Bürger auch die Möglichkeit der Durchsetzung seiner privatrechtlichen Ansprüche gegeben werden.100 Seine subjektivrechtliche Komponente erlangt der allgemeine Justizgewährungsanspruch über das „Transportgrundrecht“ des Art. 2 Abs. 1 GG.101 Die grundgesetzliche Garantie des Rechtsschutzes umfasst den Zugang zu den Gerichten, die Prüfung des Streitbegehrens in einem förmlichen Verfahren sowie die verbindliche gerichtliche Entscheidung.102 Der allgemeine Justizgewährungsanspruch ist ein Leistungsgrundrecht, bei dessen Ausgestaltung dem Gesetzgeber ein gewisser Entscheidungsspielraum zukommt.103 Schiedsgerichte ersetzen die staatlichen Gerichte, sodass durch ihre Vereinbarung oder Anordnung jedenfalls der Schutzbereich des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs berührt ist. (2) Eingriff Sobald eine Partei in irgendeiner Form schiedsgebunden ist, ist ihr der Zugang zu den staatlichen Gerichten gem. § 1026 ZPO (weitgehend104) verwehrt. Parteien 98
Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312, 313. BVerfGE 107, 395, 406 f. m.w.N., st. Rspr; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312, 314 m.w.N. vgl. auch BeckOKGG/Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 199; Sachs/Sachs, Art. 20 GG Rn. 162. 100 BeckOKGG/Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 199; Musielak/Voit/Voit Einl. Rn. 6; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312, 312. 101 Zuck, NJW 2013, 1132; vgl. Papier, in: HStR VIII, § 176 Rn. 26. 102 BVerfGE 107, 395, 407; vgl. ausführlich Papier, in: HStR VIII, § 176 Rn. 12 ff. 103 Papier, in: HStR VIII, § 176 Rn. 15; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312, 313; Zuck, NJW 2013, 1132, 1133. 104 Die Fälle, in denen ein staatliches Gericht tätig werden darf, sind in § 1062 Abs. 1 ZPO aufgelistet. 99
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D. Statutarische Schiedsklauseln
können ihren Fall nicht mehr vor einem staatlichen Gericht verhandeln. Im Fall einer wirksamen Schiedsvereinbarung wird dies nicht als problematisch empfunden, da insoweit ein beidseitig freiwilliger und damit zulässiger Verzicht auf den allgemeinen Justizgewährungsanspruch vorliegt.105 Es ist jedoch eine Eigenschaft einer Schiedsanordnung, dass diese ihre Wirkung unabhängig von der Freiwilligkeit der Adressaten entfalten soll.106 Hier kann nicht die Rede davon sein, dass alle Parteien freiwillig auf ihren Justizgewährungsanspruch verzichten, sondern nur die anordnende Partei. Da liegt es sehr nahe, einen Eingriff, wenn auch noch nicht gleich einen Verstoß anzunehmen. Fraglich ist allerdings, woraus sich dieser Eingriff genau ergeben könnte. (a) Eingriff durch den Gesetzgeber durch § 1066 ZPO Eine Möglichkeit wäre, dass der Gesetzgeber durch die Einführung des § 1066 ZPO in das Grundrecht auf Justizgewähr eingegriffen hat. Das wäre allerdings nur der Fall, wenn § 1066 ZPO selbst die Zulässigkeit von Schiedsanordnungen regeln würde; auf diese Weise würde er einer Partei grundsätzlich die Möglichkeit geben, jedenfalls in einem gewissen Rahmen über den Justizgewährungsanspruch einer anderen Person zu verfügen. Diese Ausgestaltung des Schiedsverfahrens könnte bedeuten, dass der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes vor Zivilgerichten nicht nachkommt. Wie sich allerdings schon dem Wortlaut der Norm entnehmen lässt, begründet § 1066 ZPO selbst nicht die Zulässigkeit von Schiedsanordnungen, sondern verweist durch die Formulierung „in gesetzlich statthafter Weise“ auf andere Vorschriften, die solche Schiedsanordnungen zulassen. Die Zulässigkeit von Schiedsanordnungen ergibt sich mithin aus anderen materiell-rechtlichen Vorschriften, § 1066 ZPO setzt sie lediglich voraus.107 Da § 1066 ZPO selbst also nicht die Zulässigkeit von Schiedsanordnungen regelt, kann der Gesetzgeber durch diese Regelung auch nicht in das Recht auf allgemeine Justizgewährung eingegriffen haben. (b) Eingriff durch die anordnende Partei Eine weitere Möglichkeit besteht darin, einen Eingriff durch die anordnende Partei selbst anzunehmen, dergestalt, dass die Anordnung einer unfreiwilligen Schiedsbindung einen direkten Eingriff in das Recht auf Justizgewährung darstellt. Im Grundfall der testamentarischen Schiedsanordnung wäre dies der Erblasser, der seine Erben und Vermächtnisnehmer ohne ihren Willen bindet; bei einer statutari105
MüKoZPO/Münch, vor § 1025 ZPO Rn. 4; vgl. auch BGHZ 77, 146, 148 („Körbuch“). Vgl. D.I.2.c)aa), S. 133. 107 Vgl. MüKoZPO/Münch,§ 1066 ZPO Rn. 2; Musielak/Voit/Voit, § 1066 ZPO Rn. 1; HkZPO/Saenger, § 1066 ZPO Rn. 1. 106
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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schen Schiedsklausel wären es entweder die anordnenden Gesellschafter oder die Körperschaft selbst. Der allgemeine Justizgewährungsanspruch ist allerdings als ein Recht des Bürgers gegenüber dem Staat ausgestaltet. Als solches bindet es zunächst nur den Staat, nicht aber andere Personen, etwa durch eine unmittelbare Drittwirkung108. In Frage käme zwar eine mittelbare Drittwirkung. Aber selbst eine solche mittelbare Drittwirkung der Grundrechte führt nicht dazu, dass Private die Grundrechte verletzen können: sie können vielmehr nur das einfache Recht verletzen, welches im Rahmen der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte durch die Wertentscheidung der Grundrechte aufgeladen wird.109 Somit kann die anordnende Partei selbst keinen Eingriff in den Justizgewährungsanspruch vornehmen. (c) Eingriff durch das „materielle Recht“/mittelbare Drittwirkung Die Wirkung der Grundrechte könnte sich aber in Form einer mittelbaren Drittwirkung niederschlagen. Nach ganz herrschender Lehre und Rechtsprechung wirken Grundrechte zwischen Privaten zwar nicht direkt; allerdings bedeutet die objektiv-rechtliche Funktion der Grundrechte, dass sie „für alle Bereiche des Rechts Geltung haben, mithin auch das Privatrecht beeinflussen. Hier wirkt der Rechtsgehalt der Grundrechte über das Medium der das einzelne Rechtsgebiet beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen Begriffe, die im Sinne dieses Rechtsgehalts ausgelegt werden müssen.“110
Missachtet der staatliche Richter bei der Auslegung dieser Normen diese grundrechtlichen Wertungen, verletzt er damit nicht nur objektives Verfassungsrecht, sondern auch die subjektiven Rechte der Betroffenen.111 Wenn also Richter etwa nach §§ 1032 Abs. 1, 1066 ZPO oder §§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a a.E., 1066 ZPO das 108
Gegen die unmittelbare Drittwirkung vgl. statt vieler Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Rn. 190 ff. 109 Vgl. dazu sogleich. 110 BVerfGE 73, 261, 269; vgl. Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Rn. 196 ff.; Maunz/ Dürig/Herdegen, Art. 1 III GG Rn. 59 ff. 111 Vgl. BVerfGE 7, 198, 206 f. („Veit Harlan“): „Der Richter hat kraft Verfassungsgebots zu prüfen, ob die von ihm anzuwendenden materiellen zivilrechtlichen Vorschriften in der beschriebenen Weise grundrechtlich beeinflußt sind; trifft das zu, dann hat er bei Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften die sich hieraus ergebende Modifikation des Privatrechts zu beachten. Dies ist der Sinn der Bindung auch des Zivilrichters an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG). Verfehlt er diese Maßstäbe und beruht sein Urteil auf der Außerachtlassung dieses verfassungsrechtlichen Einflusses auf die zivilrechtlichen Normen, so verstößt er nicht nur gegen objektives Verfassungsrecht, indem er den Gehalt der Grundrechtsnorm (als objektiver Norm) verkennt, er verletzt vielmehr als Träger öffentlicher Gewalt durch sein Urteil das Grundrecht, auf dessen Beachtung auch durch die rechtsprechende Gewalt der Bürger einen verfassungsrechtlichen Anspruch hat.“
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Bestehen einer wirksamen, statutarischen Schiedsklausel überprüfen müssen, sind sie bei der Auslegung des für die Schiedsanordnung maßgeblichen Rechts an die Grundrechte gebunden. Gesellschaftssatzungen sind § 138 BGB unterworfen112, welcher wegen seiner Funktion als Wertungskorrektiv das typische Einfallstor für eine mittelbare Drittwirkung darstellt113. Wird eine Schiedsklausel durch eine nachträgliche Satzungsänderung aufgenommen, ist die Anwendung von § 138 BGB zwar durch § 241 Nr. 4 AktG als lex specialis gesperrt,114 allerdings ist der Maßstab der guten Sitten ebenso zu bestimmen wie bei § 138 BGB115. Wenn man nun von der These ausgeht, dass Schiedsanordnungen in Satzungen auf Basis der Satzungsautonomie grundsätzlich zulässig sind, aber gem. § 138 BGB, § 241 Nr. 4 AktG den verfassungsrechtlichen Wertungen unterworfen sind, ist im nächsten Schritt festzustellen, wann genau eine Klausel in das Recht auf Justizgewähr eingreifen würde. Dabei ist zwischen verschiedenen Varianten der Schiedsklausel zu unterscheiden. (aa) Eingriff bei ausdrücklich freiwilligen Schiedsanordnungen Als erstes käme eine Schiedsanordnung in Frage, die ihre Wirksamkeit von der Zustimmung des Adressaten abhängig macht. Eine statutarische Schiedsklausel, die von den Gesellschaftern einstimmig beschlossen wurde und sich nicht auf bereits wirksam berufene Organmitglieder bezieht, würde ihre Wirkung nur mit der Zustimmung der Adressaten entfalten. In diesem Fall wird niemand ohne oder gegen seinen Willen der Schiedsbindung unterworfen. Tritt jemand einer Gesellschaft mit einer statutarischen Schiedsklausel bei oder nimmt von einer solchen die Bestellung als Organmitglied an, dann liegt darin noch keine rechtsgeschäftliche Unterwerfung, da das Verhalten nicht als eine solche ausgelegt werden kann.116 Wohl aber kann dieses Verhalten als eine tatsächlich freiwillige Unterwerfung bezeichnet werden.117 Das gleiche gilt auch, wenn
112 Vgl. BGH NJW 2010, 1206 (Wettbewerbsverbot in Satzung als Verstoß gegen § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG); NZG 2014, 820, 821 (Sittenwidrigkeit von Abfindungsausschlüssen in GmbH-Satzungen); MüKoAktG/Pentz, § 23 AktG Rn. 167 (Anwendbarkeit allgemeiner Gesetze). 113 Vgl. MüKoBGB/Armbrüster, § 138 BGB Rn. 20; BeckOKBGB/Wendtland, § 138 BGB Rn. 17; Jauernig/Mansel, § 138 BGB Rn. 6. 114 Vgl. Spindler/Stilz/Würthwein, § 241 AktG, Rn. 26. 115 Vgl. K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 241 AktG Rn. 32; Spindler/Stilz/Würthwein, § 241 AktG Rn. 238. 116 Vgl. D.I.2.c)bb), S. 138 ff. 117 Ebenso G. v. Jhering, Wirkung von Schiedsvereinbarungen, Schiedsklauseln und Schiedssprüchen, 179 ff.; vgl. auch Benedict/Gehle/U. Schmidt, in: MünchHdbGesR Bd. 7, § 144 Rn. 55.
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
149
eine statutarische Schiedsklausel mit Wirkung für ein Organmitglied in eine Satzung eingefügt wird, die einen Zustimmungsakt des Organmitglieds voraussetzt.118 In all diesen Fällen liegt ein freiwilliger Verzicht auf Justizgewähr vor, sodass es keiner verfassungsmäßigen Legitimation für die Anerkennung einer derartigen Schiedsanordnung bedarf. Das hat vor allen Dingen Bedeutung für Schiedsklauseln, die bei der Gründung in die Satzung mit aufgenommen werden, da diese nur einstimmig aufgenommen werden können und noch kein aktives Organmitglied betreffen. (bb) Eingriff bei Schiedsanordnungen, die an das Bestehen der Gesellschafteroder Organstellung anknüpfen und mit Beendigung enden Über eine weitere Möglichkeit, die Schiedsbindung durch eine Anordnung zu gestalten, kann wieder die in § 1066 ZPO genannte Schiedsanordnung durch letztwillige Verfügung Aufschluss geben. Nach herkömmlichem Verständnis entsteht die Schiedsbindung zwar freiwillig, aber durch einen von der Schiedsvereinbarung zu unterscheidenden Akt der freiwilligen Unterwerfung. Eine letztwillige Schiedsanordnung soll im Erbfall eine Schiedsbindung der Erben und Vermächtnisnehmer herbeiführen. Diese haben jedoch nach herrschender Meinung die Möglichkeit, sich dieser Schiedsbindung durch Ausschlagung oder Verzicht restlos zu entledigen.119 Wenn sie ihre eigene Schiedsbindung durch ihr eigenes Tun aufheben können und dies nicht tun, könne man von einem „kleinen Konsens“120 sprechen. Die Anordnung ist damit nicht völlig einseitig, sondern enthält ein – gegenüber der Schiedsvereinbarung abgeschwächtes – Willenselement.121 Wenn man die Idee des kleinen Konsenses auf statutarische Schiedsklauseln mit Bindungswirkung für Organmitglieder übertragen will, dann stellt sich dies folgendermaßen dar: Wird eine statutarische Schiedsklausel durch spätere Satzungsänderung eingeführt, dann unterwerfen sich alle zustimmenden Gesellschafter freiwillig ihrer Wirkung. Die Situation der nicht zur Abstimmung berechtigten Organmitglieder und der ablehnenden Gesellschafter ist erstmal die gleiche wie die der Erben. Sie sollen der Schiedsbindung unterliegen, ohne sich dieser freiwillig unterworfen zu haben, können sich aber unter Umständen ihrer Schiedsbindung durch Niederlegung des Amtes oder Austritt aus der Gesellschaft entziehen.122 Da nach dem herkömmlichen Verständnis ein abgeschwächtes Willenselement vorliegt und sich daher alle Parteien freiwillig der Schiedsbindung unterworfen hätten, wäre das Recht auf Justizgewähr nicht verletzt.
118 119
Rn. 3. 120 121 122
Vgl. dazu D.I.3.d), S. 171. Haas, ZEV 2007, 49, 51; ders., SchiedsVZ 2007, 1, 4; Musielak/Voit/Voit, § 1066 ZPO, Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 44. Vgl. Haas, SchiedsVZ 2007, 1, 4; Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 44. So Haas, SchiedsVZ 2007, 1, 7 f.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Allerdings wird vorgebracht, dass ein kleiner Konsens schon im Erbfall gar nicht bestünde, da der typische Begünstigte ein Interesse am Erwerb der Nachlassgegenstände hat, jedoch keinen Willen, eine Schiedsbindung einzugehen.123 Auch im Hinblick auf die Wirkung für Organmitglieder wird die Annahme eines kleinen Konsenses als Verzicht auf das Recht auf Justizgewähr kritisch bewertet, weil der Verbleib des Organmitglieds nicht frei von wirtschaftlichen, sozialen und sonstigen faktischen Sachzwängen sei.124 Regelmäßig macht es weder für einen Erben noch für ein Organmitglied wirtschaftlich Sinn, wegen der Anordnung eines Schiedsgerichts das Erbe auszuschlagen125 oder das Amt niederzulegen126. Richtigerweise wird man davon ausgehen müssen, dass der Adressat einer testamentarischen oder statutarischen Schiedsklausel keine echte Wahl hat; das voluntative Element einer daraus resultierenden Schiedsbindung beschränkt sich darauf, nicht die unsinnige Entscheidung getroffen zu haben. Von einem freiwilligen Verzicht auf den Zugang zu staatlichen Gerichten kann nicht die Rede sein. Natürlich könnte man anführen, dass auch der Abschluss einer Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1029 Abs. 1 ZPO nicht immer eine von wirtschaftlichen, sozialen oder sonstigen faktischen Sachzwängen befreite Entscheidung darstellt. Man denke etwa an einen Fall, in dem der Verkäufer eines Einzelstücks nur bereit ist, dieses zu verkaufen, wenn der Käufer bereit ist, auch eine Schiedsvereinbarung zu unterschreiben. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann dies für den Käufer eine Zwangslage darstellen. Wenn man annähme, es handele sich dennoch um einen freiwilligen Verzicht auf Justizgewähr, dann müsste im Umkehrschluss auch die Duldung der Schiedsbindung bei entsprechenden Fällen einen freiwilligen Verzicht darstellen. Allerdings ist der Gesetzgeber auf Basis seiner grundrechtlichen Schutzpflichten dazu verpflichtet, für den Einzelfall taugliche Mechanismen zu schaffen, welche die Willensfreiheit der schwächeren Vertragspartei schützen. So kann eine Schiedsvereinbarung bei Vorliegen von Sachzwängen wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig sein.127 Mithin können Sachzwänge auch bei einer Vereinbarung zum Ausschluss der Schiedsbindung führen. Das Willenselement, welches die Duldung einer auferlegten Schiedsbindung mit sich bringt, erreicht nicht die Schwelle echter Freiwilligkeit, sodass ein Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten bei einer solchen Schiedsanordnung nicht angenommen werden kann. 123
Vgl. Geimer, FS Schlosser (2005), 197, 198. Vgl. G. v. Jhering, Wirkung von Schiedsvereinbarungen, Schiedsklauseln und Schiedssprüchen, 180 mit Verweis auf BGHZ 144, 146, 149 f. („Körbuch“), wonach die Aufrechterhaltung einer Vereinsmitgliedschaft nicht als Zustimmung auszulegen sei, wenn der Verbleib nicht frei und unabhängig von wirtschaftlichen, sozialen und sonstigen faktischen Sachzwängen sei. 125 Vgl. Geimer, FS Schlosser (2005), 197, 199. 126 Vgl. G. v. Jhering, Wirkung von Schiedsvereinbarungen, Schiedsklauseln und Schiedssprüchen, 180; auch Umbeck, SchiedsVZ 2009, 143, 146. 127 Zur Nichtigkeit von Schiedsvereinbarungen wegen § 138 BGB vgl. E.II.1.b)aa)(4), S. 256. 124
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
151
Die Zulassung einer entsprechenden statutarischen Schiedsanordnung würde es einem Privaten erlauben, jedenfalls temporär und relativ für einen anderen über den Zugang zu den Zivilgerichten zu bestimmen. Wäre eine statutarische Schiedsklausel nach dem Prinzip des kleinen Konsenses wirksam, müsste ein Organmitglied oder Gesellschafter zunächst aktiv werden, um durch Austritt seinen Zugang zu den staatlichen Gerichten zurückzuerlangen. Damit geht eine Beeinträchtigung des Rechts auf Justizgewähr einher, da dieser Zugang einer Person grundsätzlich voraussetzungslos zusteht. Wenn eine Schiedsklausel ihre Wirkung für alle Organmitglieder ohne Zustimmung entfalten soll, solange sie im Amt sind, dann wird dadurch solange in ihr Recht auf Justizgewähr eingegriffen, wie sie dieser nicht zugestimmt haben. (cc) Eingriff von Schiedsanordnungen ohne Lösungsmöglichkeit Erst Recht wird in das Recht auf Justizgewähr eingegriffen, wenn das Organmitglied einerseits die Schiedsanordnung aufgezwungen bekommt und andererseits keine Möglichkeit hat, sich von dieser durch Niederlegung des Amtes zu lösen. Das wäre der Fall, wenn die statutarische Schiedsklausel ihre Wirkung auch über die Beendigung des Amtes hinaus entfalten soll. (3) Verfassungsmäßige Legitimation Statutarische Schiedsklauseln nach dem Prinzip des kleinen Konsenses und solche ohne Willenselement des Adressaten greifen in das Recht des Adressaten auf Justizgewähr ein. Dieser Befund erlaubt – entgegen einiger Stimmen in der Literatur128 – aber noch nicht den Schluss, dass dies unzulässig sei. Die Behauptung, jede Schiedsgerichtsbarkeit setze aus verfassungsrechtlicher Sicht immer die freiwillige Unterwerfung der Betroffenen129 voraus, widerspricht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der praktischen Konkordanz, wonach unterschiedliche verfassungsmäßige Rechte in Konfliktlagen so aufgelöst werden müssen, dass beiden Wirkung verliehen wird.130 Durchaus kann es „Gegenrechte“ geben, die – damit sie im Einzelfall realisiert werden – verlangen, dass das Recht auf Justizgewähr des Betroffenen zum Teil eingeschränkt wird. Das Verfassungsrecht ist selten ein binäres System, in dem jeder Eingriff in ein Recht automatisch zur Rechtswidrigkeit der Handlung führt. Nahezu alle Grundrechte sind der Abwägung zugänglich, inklusive des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs131. Daher ist es umso erstaunlicher, dass das Dogma der „freiwilligen
128 Vgl. G. v. Jhering, Wirkung von Schiedsvereinbarungen, Schiedsklauseln und Schiedssprüchen, 178; Schütte, Einsetzung von Schiedsgerichten durch die Satzungen, 106 f. 129 Münch, ZZP 123 (2010), 3, 20; Seiters, FS Schlick (2015), 315, 316. 130 Näher zur praktischen Konkordanz vgl. Schladebach, Der Staat 53 (2014), 263 ff. 131 Vgl. Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312, 313.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Unterwerfung“ nahezu132 unüberprüft bleibt und die Schiedsbindung nur am Maßstab der Freiwilligkeit gemessen wird133. Stattdessen erfindet man Ideen wie den „kleinen Konsens“ und simuliert dabei eine Freiwilligkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht. Soweit Schiedsvereinbarungen zwischen zwei Parteien geschlossen werden, ist dagegen auch nichts einzuwenden, da beiden Seiten ein gleichwertiges Interesse an der Ausgestaltung des (schieds-)gerichtlichen Verfahrens zugebilligt werden kann. Allerdings kann es durchaus Konstellationen geben, in denen das einseitige Interesse an der Verfahrensgestaltung das Recht anderer auf Justizgewähr überwiegt. Der Justizgewährungsanspruch ist dem auch durchaus zugänglich. Zwar ist der Gesetzgeber gehalten, das Rechtsschutzsystem auszuformen und effektiven Rechtsschutz sicherzustellen; allerdings können sich aus gegenläufigen Belangen auch Beschränkungen des Rechtsschutzes ergeben.134 Diese müssen sachgerecht gewichtet und zu einem verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden.135 Rasch wird klar, dass es kein allgemeingültiges, den Rechtsschutz beschränkendes Interesse gibt, durch welches die Anerkennung von Schiedsanordnungen legitimiert werden könnte. Schiedsanordnungen können aus mehreren Gründen erlassen und damit als Ausfluss mehrerer Grundrechte verstanden werden. Bei der Suche nach Legitimationsgrundlagen für Schiedsanordnungen darf allerdings nicht vernachlässigt werden, dass es mit der Schiedsvereinbarung einen einvernehmlichen und nicht belastenden Weg zu einer allseitigen Schiedsbindung gibt. Zwar können Schiedsgerichte und staatliche Gerichte grundsätzlich als gleichwertig betrachtet werden.136 Da der Gesetzgeber aber durch die Schiedsvereinbarung ein milderes Mittel geschaffen hat, kann nicht jedes begründete Interesse an der Herbeiführung einer allseitigen Schiedsbindung ausreichen, um den Eingriff in die Justizgewähr durch Schiedsanordnungen zu legitimieren.137 Vielmehr muss das Interesse dergestalt sein, dass es jedes Interesse des Adressaten, über den Zugang zu den staatlichen Gerichten selbst zu disponieren, überwiegt. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn über die später vor den Schiedsgerichten verhandelbaren Ansprüchen sowieso nur einseitig disponiert werden kann: Da zum Beispiel ein Erbe keine rechtliche Handhabe hat, um auf die Gestaltung des Testaments einzuwirken, braucht ihm diesbezüglich auch kein eigenes Interesse an der Disposition über den Rechtsweg zugestanden werden. Aus diesem Grunde kann für die in § 1066 ZPO ausdrücklich genannte Schiedsanordnung kraft letztwilliger Verfügung Art. 14 132
In diese Richtung auch Geimer, FS Schlosser (2005), 197, 200 ff. Vgl. Kap. D. Fn. 56. 134 Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312, 313. 135 Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312, 313. 136 Vgl. dazu die ausführliche Untersuchung bei Ebbing, 56 ff. 137 In diese Richtung tendieren dann aber Ebbing, NZG 1999, 754, 755; ders., NZG 2000, 898, 899; Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 8, da diese hinsichtlich der Frage über Mehrheitsentscheidungen oder Einstimmigkeit bei der Einführung von Schiedsklauseln in die Satzung alleine darauf abstellen, dass das Schiedsverfahren gleichwertig sei. Zum Einstimmigkeitskritierium vgl. D.I.3.c)aa), S. 162. 133
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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Abs. 1 S. 2 GG (die Garantie des Erbrechts) als Legitimationsgrundlage herangezogen werden.138 Konkret stellt sich folglich die Frage, ob es für die Anerkennung von satzungsmäßigen Schiedsklauseln ohne Zustimmung des Adressaten gegenläufige Belange gibt, die eine entsprechende Beschränkung des Rechtsschutzes rechtfertigen. Hier kommt nur die Vereinigungsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 1 GG in Betracht. (a) Reichweite des Art. 9 Abs. 1 GG Die allgemeine Vereinigungsfreiheit in Art. 9 Abs. 1 GG ist ein Abwehrgrundrecht139, dessen sachlicher Schutzbereich sich aus mehreren Teilgarantien zusammensetzt: Es schützt die Freiheit der Gründung von, die Freiheit des Beitritts zu und die Organisations- und interne Betätigungsfreiheit von140 Vereinen und Gesellschaften, die in Art. 9 Abs. 2 GG unter dem Oberbegriff der Vereinigung zusammengefasst sind141. Der Vereinigungsbegriff ist nach ganz herrschender Meinung durch § 2 Abs. 1 VereinsG zutreffend umschrieben142 : „ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.“
Darunter fallen grundsätzlich auch Kapitalgesellschaften143, wobei bezweifelt wird, ob dies auch bei größeren Kapitalgesellschaften der Fall sei. So äußerte das BVerfG diese Bedenken: „Im Unterschied zu dem Typus der Vereinigungen, den das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit seiner Geschichte und seiner heutigen Geltung nach primär schützen will, tritt bei diesen das personale Element bis zur Bedeutungslosigkeit zurück. Das von den Gesellschaften betriebene Unternehmen umfaßt sowohl Gesellschaftsmitglieder als auch Nicht-Mitglieder; erst das freiwillige Zusammenwirken beider gewährleistet das Erreichen des Gesellschaftszweckes. Bedenken gegen die Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 1 GG er138
Ähnlich Harder, 67 ff., der allerdings nicht auf den Justizgewähranspruch eingeht, sondern nur zwischen der verfassungsrechtlichen Testierfreiheit des Erblassers und dem Recht des Erben, durch den Erbfall Eigentum zu erwerben, abwägt. Jedenfalls wird aber Art. 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG als das einziges spezielles Freiheitsgrundrecht identifiziert, das eine Schiedsanordnungen verfassungsrechtlich legitimieren kann, vgl. auch Geimer, FS Schlosser (2005), 197, 201. 139 Sachs/Höfling, Art. 9 GG Rn. 28; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Kannengießer, Art. 9 GG Rn. 11. 140 AllgM., vgl. Sachs/Höfling, Art. 9 GG Rn. 17 m.w.N. 141 Sachs/Höfling, Art. 9 GG Rn. 8. 142 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Rn. 783; BeckOKGG/Cornils, Art. 9 GG Rn. 5; Merten, in: HStR VII, § 165 Rn. 36; krit. Sachs/Höfling, Art. 9 GG Rn. 9; § 2 Abs. 1 VereinsG kann natürlich als unterverfassungsrechtliches Recht die Begriffe des Art. 9 GG nicht definieren, der Begriff wird nur entsprechend verwendet. 143 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Rn. 787; Merten, in: HStR VII § 165 Rn. 41 m.w.N.; vgl. auch Wollburg, Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 1 GG, 55 ff.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
geben sich insbesondere in Fällen juristischer Personen als Anteilseigner und, im Zusammenhang damit, der Konzernverflechtung; ebenso kann der Einfluß großer Anteilseigner in zahlreichen Gesellschaften zu einer Lage führen, in der von freier Organbestellung und Willensbildung durch gleichberechtigte Gesellschafter oder deren Repräsentanten, d. h. aber von dem in der Vereinigungsfreiheit enthaltenen Gedanken sich in freier Assoziation selbstbestimmender Mitglieder, nichts oder nur wenig übrig bleibt.“144
Das BVerfG ließ die Frage letztlich offen. Den geäußerten Bedenken ist indes nicht zu folgen. Merten stellt überzeugend klar, dass der Grundrechtskatalog kein „Kleiner-Leute-Katechismus“ ist, der nur den „Kleinen“ Schutz verheißt.145 Zudem tritt das personale Element nicht nur bei großen Kapitalgesellschaften, sondern auch bei kleinen „stillen“ Gesellschaften bis zur Bedeutungslosigkeit zurück, weil dem stillen Gesellschafter nur die Vermögensbeteiligung, nicht aber die personale Beziehung obliegt. Ebenso wenig ist die Heranziehung von Nicht-Mitgliedern zur Erreichung des Gesellschaftszwecks ein Spezifikum größerer Kapitalgesellschaften; sie kann sich bei allen Gesellschaften finden. Die Anteilseignerschaft juristischer Personen ist ebenfalls keine atypische Erscheinung, weil die Vereinigung ihrer Natur nach nicht auf einen personalen Zusammenschluss beschränkt ist.146 Einperson-Gesellschaften werden ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Anerkennung nach allgemeiner Auffassung nicht vom Grundrecht des Art. 9 Abs. 1 GG geschützt, da ihnen das Merkmal des Zusammenschlusses mehrerer Personen fehlt.147 Mithin kann eine Schiedsanordnung durch einen Einzelgesellschafter mit Wirkung für einen Fremdgeschäftsführer höchstens durch das Auffangrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG legitimiert werden. Grundrechtsträger sind alle Deutschen als natürliche Personen, sowie über Art. 19 Abs. 3 GG auch juristische Personen und Personenvereinigungen des Privatrechts als Mitglieder der Vereinigungen.148 Geschützt sind nicht nur die Mitglieder der Vereinigung, sondern auch die Vereinigung selbst149, also auch Kapitalgesellschaften selbst. Nur sehr eingeschränkt geschützt ist die Vereinsbetätigung nach außen. Nach herrschender Meinung ist nach außen hin nur der vereinssichernde Außenkontakt und die Selbstdarstellung des Vereins geschützt, während sonstiges Tätigwerden nur unter dem Schutz sonstiger, spezieller Grundrechte steht.150 Wenn eine Schiedsbindung ihre Legitimation nicht aus Art. 9 Abs. 1 GG herleiten kann, kommt 144
BVerfGE 50, 290, 355 f. = NJW 1979, 699, 706. Merten, in: HStR VII, § 165 Rn. 43. 146 Zum Ganzen Merten, in: HStR VII, § 165 Rn. 43; vgl. auch Wollburg, Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 1 GG, 126 ff.; Sachs/Höfling, Art. 19 GG Rn. 13. 147 Maunz/Dürig/Scholz, Art. 9 GG Rn. 61; Sachs/Höfling, Art. 9 GG Rn. 11. 148 Sachs/Höfling, Art. 9 GG Rn. 33 f. 149 BVerfGE 13, 174, 175; 30, 227, 241; 80, 244, 253; BGH, NJW 1970, 378, 381; Merten, in: HStR VII, § 165 Rn. 28. 150 Sachs/Höfling, Art. 9 GG Rn. 19 ff. m.w.N. 145
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stattdessen nur Art. 2 Abs. 1 GG in Frage, welcher unter anderem die privatrechtliche Privatautonomie und mit ihr die Vertragsfreiheit regelt.151 Kapitalgesellschaften und ihre Gesellschafter genießen also aus Art. 9 Abs. 1 GG die grundrechtlich garantierte Freiheit der internen Organisation und Betätigung. Daraus ergibt sich bereits eine vorläufige Erkenntnis über die verfassungsmäßige Legitimation von statutarischen Schiedsklauseln: Soweit eine statutarische Schiedsklausel also interne Streitfragen betrifft, stellt dies eine Ausformung der internen Organisation dar und fällt somit in den Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit; Streitigkeiten, die nicht gesellschaftsintern sind, können dem Schutzbereich nicht zugeordnet werden. Für sie kann demnach allenfalls Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht einen Eingriff in den allgemeinen Justizgewährungsanspruch rechtfertigen. (b) Verhältnismäßiger Ausgleich bei Wirkung für Organmitglieder Die Stellung von Organmitgliedern in Kapitalgesellschaften ist eine andere als die von Gesellschaftern, deren Schutz durch die Abstimmung gewährleistet ist152. Soweit sie nicht selbst an der Gesellschaft beteiligt sind, haben sie keinen direkten Einfluss auf die Einführung etwaiger Schiedsklauseln. Andererseits sind sie im Hinblick auf die Gesellschaft zur Ausführungen von Aufgaben in Gestalt der Geschäftsführung oder Aufsicht über die Geschäftsführung verpflichtet und bei Verletzung dieser Pflicht zu Schadensersatz verpflichtet. Sie haben ihre Stellung einerseits auf Grund des Gesellschaftsrechts inne, andererseits wird ihre Pflicht zum Tätigwerden vertraglich begründet. Somit können sie einerseits aus Gesellschaftsrecht klagen und verklagt werden (aa), andererseits aber auch aus sonstigen Rechten klagen und verklagt werden (bb); dabei greift jeweils ein unterschiedlicher Rechtfertigungsmaßstab ein. (aa) Gesellschaftsinterne Streitigkeiten Der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG umfasst vor allem die innere Betätigungsfreiheit, die äußere hingegen nur, soweit sie den vereinssichernden Außenkontakt und die Selbstdarstellung betrifft.153 Für die Legitimation der Schiedsgerichtsbarkeit bedeutet dies, dass diese nur insoweit auf Art. 9 Art. 1 GG gestützt werden kann, wie diese Bereiche betroffen sind. Das hat zur Folge, dass eine Schiedsanordnung nur insoweit den Schutz von Art. 9 Abs. 1 GG genießt, wie sie genau diese Bereiche umfasst.154 Folglich können Schiedsanordnungen nur insoweit hierauf basieren, wie sie rein gesellschaftsinterne Streitigkeiten umfassen. Alle sonstigen Streitigkeiten – also solche, die sich nicht speziell aus der Vereins- oder Gesellschaftszugehörigkeit ergeben – betreffen nicht die innere Betätigungsfreiheit, 151 152 153 154
Näher hierzu D.I.3.b)cc)(3)(b)(bb), S. 157. Vgl. dazu D.I.3.c)aa)(2), S. 164. D.I.3.b)cc)(3)(a), S. 153. Vgl. schon Stober, NJW 1979, 2001, 2006.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
den vereinssichernden Außenkontakt oder die Selbstdarstellung; daher kann man sich für die Anordnung einer Schiedsbindung hier nicht auf Art. 9 Abs. 1 GG berufen. Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften fallen dann in den Schutzbereich, wenn sie organschaftlicher Natur sind, also an die Organstellung anknüpfen155 und demnach gesellschaftsintern sind. In dienstvertraglichen oder sonstigen Streitigkeiten treten Organmitglieder wie Dritte gegenüber der Gesellschaft auf, sodass diese keine Interna der Gesellschaft mehr darstellen. Bei einer genauen Untersuchung der organschaftlichen Streitigkeiten hat sich gezeigt, dass häufig zwar Organmitglieder als subjektiv Berechtigte klagen können, dieses Klagerecht aber hauptsächlich dem Gesellschaftsinteresse gilt. Zudem sind bestimmte Klagerechte der Organmitglieder nur Fälle einer gesetzlich anerkannten Prozessstandschaft, bei der das Organmitglied ebenfalls für die Gesellschaft auftritt. Somit wird den Organmitgliedern das Klagerecht nur zu Erfüllung ihrer Aufgaben für die Gesellschaft zugewiesen. Andererseits gibt es Streitigkeiten, in denen Organmitglieder selbst Kläger oder Beklagte sind und in ihren eigenen Interessen und weiteren subjektiven Rechten betroffen sind, insbesondere bei der Organhaftung. Diese unterschiedlichen Interessen deuten darauf hin, dass eine verfassungsrechtliche Legitimation der Schiedsklausel nicht für alle gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten pauschal beantwortet werden kann. Stattdessen muss für jede gesellschaftsrechtliche Streitigkeit einzeln geprüft werden, ob für sie das durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützte Interesse der Gesellschaft das Interesse der Organmitglieder an einem Rechtsschutz durch die staatlichen Gerichte überwiegt. Bei einer solchen Abwägung können folgende Punkte für die Zulässigkeit der Erstreckung der Schiedsklausel angeführt werden: Gesellschaften haben ein gewichtiges Interesse an der vertraulichen Behandlung von gesellschaftsinternen Streitigkeiten, das nur durch ein Schiedsverfahren wirkungsvoll gewährleistet werden kann. Daneben streitet für die Zulässigkeit der Klausel, dass sich Organmitglieder durch Annahme ihrer Berufung grundsätzlich der Satzungskompetenz der Gesellschafter unterworfen haben und damit auch das Risiko, durch spätere Satzungsänderungen gebunden zu werden, antizipiert haben. Gegen die Erstreckung einer statutarischen Schiedsklausel kann der Grad der persönlichen Betroffenheit des Organmitglieds sprechen; je mehr die Streitigkeit neben gesellschaftlichen Interessen auch persönliche Interessen des Organmitglieds betrifft, desto stärker wiegt der Schutz des Rechts auf staatlichen Rechtsschutz. Zwar darf dabei nicht vernachlässigt werden, dass jede Klage des Organmitglieds auch seiner Pflichtenwahrnehmung und somit auch dem eigenen Interesse dient, allerdings steht bei bestimmten Streitigkeiten die Gewichtung des Gesellschaftsinteresses eindeutig im Vordergrund. Ebenso fällt es ins Gewicht, ob es dem Organmitglied – auch vor dem Hintergrund seiner anstellungsvertraglichen Pflichten – zumutbar ist, sich von der Schiedsbindung zu lösen. 155
Vgl. dazu C.II.1., S. 40.
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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Bei einer Schiedsklausel, die keine Zustimmung voraussetzt, ist zu differenzieren. Organschaftliche, also gesellschaftsinterne Streitigkeiten können nur dann entstehen, wenn das Organmitglied noch im Amt ist – Charakteristikum einer organschaftlichen Streitigkeit ist gerade die Organstellung des Klägers oder des Beklagten156. Mit der Amtsniederlegung entfällt die Organstellung157, welche Grundlage der statutarischen Bindung ist. Alle neuen Streitigkeiten, die nun zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied entstehen können, sind entweder schuldrechtlicher oder sonstiger Natur. Sie sind keine organschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten, eine Schiedsbindung über sie kann daher nicht aus Art. 9 Abs. 1 GG abgeleitet werden, sondern höchstens aus Art. 2 Abs. 1GG.158 Es spricht allerdings nichts dagegen, dass die Schiedsklausel ihre Wirkung für die organschaftlichen Streitigkeiten behält, die bereits vor dem Austritt entstanden sind. Durch den Austritt verlieren sie nicht ihren Charakter als gesellschaftliche Streitigkeiten und es tritt soweit keine Änderung der Interessenlage ein. Ist die Schiedsbindung durch eine Schiedsklausel einmal legitimiert, dann behält sie ihre Legitimation. Für den verhältnismäßigen Interessenausgleich zwischen dem Justizgewähranspruch des Organmitglieds und der Satzungsautonomie der Gesellschaft und der Gesellschafter ist es nicht erheblich, ob die Schiedsklausel durch eine Mehrheitsentscheidung oder durch Einstimmigkeit eingeführt werden muss. Dies spielt zwar für die Schiedsbindung der Gesellschafter eine Rolle und kann sich daher mittelbar auch auf die Wirksamkeit für die Organmitglieder auswirken. Da Organmitglieder selbst nicht stimmberechtigt sind, ist das Abstimmungsverhalten der Gesellschafter gar nicht geeignet, die Interessen der Organmitglieder zu schützen. (bb) Schuldrechtliche oder sonstige Streitigkeiten Streitigkeiten mit Organmitgliedern, in denen diese der Gesellschaft gegenüber wie Dritte auftreten, sind keine gesellschaftsinternen Streitigkeiten, sodass die Anordnung einer Schiedsgerichtszuständigkeit für diese Streitigkeiten in einer Satzung nicht von Art. 9 Abs. 1 GG geschützt ist. Eine verfassungsrechtliche Legitimation kann sich allein aus dem Auffanggrundrecht Art. 2 Abs. 1 GG ergeben. Die allgemeine Handlungsfreiheit schützt grundsätzlich jedes menschliche Verhalten ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht ihm in der Persönlichkeitsentfaltung zukommt.159 Die Freiheit mit Dritten Rechtsbeziehungen einzugehen ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 GG, aus dem sich die Vertragsfreiheit ableiten lässt, soweit sie sich 156
Vgl. C.II.1., S. 40. Vgl. MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, § 38 GmbHG Rn. 38 für Geschäftsführer; Hüffer/ Koch, § 84 AktG Rn. 44 für Vorstand; Schwerdtfeger/Paschke, § 103 AktG Rn. 3 für Aufsichtsrat; MüKoAktG/Reichert/Brandes, Art. 43 SE-VO Rn. 53 für Verwaltungsorganmitglieder, je m.w.N. 158 Zur Legitimation von Schiedsanordnungen über solche Streitigkeiten vgl. sogleich. 159 BVerfGE 80, 137, 152; Sachs/Murswiek, Art. 2 GG Rn. 52. 157
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D. Statutarische Schiedsklauseln
nicht bereits aus einem anderen Grundrecht ergibt.160 Sie ist also gegenüber Art. 9 Abs. 1 GG subsidiär und nur anwendbar, wo dieser nicht einschlägig ist.161 Art. 9 Abs. 1 GG schützt allerdings die innere Gestaltung und gewährleistet im Zusammenhang mit der Vertragsfreiheit nur die Freiheit zum Abschluss eines Gesellschaftsvertrages.162 Wenn also Art. 9 Abs. 1 GG den Außenkontakt nicht regelt, dann muss Art. 2 Abs. 1 GG herangezogen werden. Allerdings hat der Gesetzgeber durch die Anerkennung von Schiedsvereinbarungen gem. §§ 1029 ff. ZPO eine Ausgestaltung der Schiedsgerichtszuständigkeit vorgenommen und damit die Grundregel aufgestellt, dass diese durch eine Vereinbarung aller beteiligten Parteien herbeigeführt werden soll. § 1066 ZPO stellt eine Ausnahme von dieser Grundannahme dar. Damit eine Schiedsgerichtszuständigkeit durch Anordnung herbeigeführt wird, bedarf es daher einer zusätzlichen verfassungsrechtlichen Legitimation. Eine solche ist in Ausnahmefällen auch aus Art. 2 Abs. 1 GG denkbar;163 dies aber nur in besonderen Fällen, in denen die gesamte Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses von vornherein nicht in der Hand des Adressaten liegt und dieser die sich hieraus ergebenden Ansprüche ohnehin nur so nehmen kann, wie sie vom anderen ausgestaltet wurden. Sonstige Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und den Organmitgliedern können sich vor allem aus dem Anstellungsvertrag oder Delikt ergeben, beides Rechtsverhältnisse, deren Ausgestaltung nicht allein in den Händen der Gesellschaft liegt. Es ist nicht ersichtlich, warum einer Gesellschaft erlaubt werden soll, durch einseitige Anordnung die Schiedsgerichtszuständigkeit für Streitigkeiten zu begründen, bei denen mit jeder anderen Person eine Schiedsvereinbarung getroffen werden müsste. Aus verfassungsrechtlicher Sicht darf eine Schiedsanordnung in einer Satzung daher keine Wirkung für nicht-gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten entfalten. (cc) Ergebnis Der Interessenausgleich zwischen der Satzungsautonomie der Gesellschaft und dem Recht auf Justizgewähr des Organmitglieds führt also zu folgendem Ergebnis: Gesellschaften können durch Einführung einer statutarischen Schiedsklausel Organmitglieder auch nachträglich und ohne deren Zustimmung an die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts binden, wenn die Schiedsklausel nur gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten erfasst, bei denen das Interesse der Gesellschaft an einer schiedsge160 Vgl. BVerfGE 8, 274, 327 ff.; 12, 341, 347; 60, 329, 339; 65, 196, 210; 70, 1, 25; 70, 115, 123; 73, 261, 270; 89, 214, 231; 95, 267, 303 f.; Reul, DNotZ 2007, 184, 185 f.; Sachs/ Murswiek, Art. 2 GG Rn. 55a. 161 Vgl. Reul, DNotZ 2007, 184, 186. 162 BeckOKGG/Cornils, Art. 9 GG Rn. 18; vgl. auch Reul, DNotZ 2007, 184, 200 f. 163 Schiedsanordnungen sind etwa bei Stiftungen oder Auslobungen denkbar, vgl. Musielak/Voit/Voit, § 1066 ZPO Rn. 6. Hier kann sich eine Rechtfertigung allein aus der allgemeinen Handlungsfreiheit ergeben.
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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richtlichen Lösung das Interesse der Organmitglieder an staatlichem Rechtsschutz überwiegt. Welche Streitigkeiten dies sind, wird im Rahmen der sachlichen Reichweite zu prüfen sein. (c) Besonderheit bei Einpersonen-Gesellschaft mit Fremdgeschäftsführer Einpersonen-Gesellschaften sind keine Personenzusammenschlüsse und fallen daher nicht in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG.164 Entsprechend kann eine durch einen Einpersonen-Gesellschafter eingeführte Schiedsklausel ihre verfassungsrechtliche Legitimation für den Eingriff in das Recht auf Justizgewähr der Fremdorganmitglieder auch nicht aus der Vereinigungsfreiheit ziehen. Natürlich wäre es einfach, wegen der fehlenden Privilegierung durch Art. 9 Abs. 1 GG sofort zum Schluss zu kommen, dass die Schiedsklausel nicht verfassungsrechtlich legitimiert wäre. Ausnahmsweise könnte aber auch im Verhältnis zwischen einer Einpersonen-Gesellschaft und ihren Organmitgliedern eine statutarische Schiedsklausel durch Art. 2 Abs. 1 GG abgedeckt sein. Dagegen spricht zunächst, dass im Verhältnis zwischen der Gesellschaft, dem Gesellschafter und dem Organmitglied ebenso einfach eine Schiedsvereinbarung geschlossen werden könnte. Zwischen einem Fremdorganmitglied und einem Einzelgesellschafter dürfte in der Regel ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehen, das eine (in tatsächlicher Hinsicht) zweiseitige Lösung eher ermöglicht als dies bei Mehrpersonengesellschaften der Fall wäre. Jedoch ist dieses Vertrauensverhältnis keinesfalls zwingend – man denke an den Fall eines unliebsamen Unternehmensnachfolgers. Auch können oder müssen Einpersonen-Gesellschaften manchmal mehrere Organmitglieder haben, sodass die Einführung eines gleichartigen Rechtsschutzsystems vor Schiedsgerichten mit diesen nicht so einfach durch mehrere Schiedsvereinbarungen erreicht werden kann. Eine Gestaltung durch eine Mehrpersonenschiedsvereinbarung wäre zwar möglich, trifft aber auf praktische Probleme, wenn es zu Wechseln in der Geschäftsführung kommt.165 Jedenfalls wäre eine Schiedsklausel der einfachere Weg. Zudem befinden sich Fremdorganmitglieder und Einzelgesellschafter in der für Schiedsanordnungen typischen Situation: Die gesellschaftsrechtlichen Rechtsbeziehungen werden durch die Satzung grundsätzlich einseitig bestimmt, Organmitglieder haben hierauf keinen Einfluss. Dass es bei einer Kapitalgesellschaft typischerweise eine Mehrzahl von Gesellschaftern gibt, ändert nichts daran, dass die Bestimmung für die Organmitglieder einseitig ist. Aus Sicht der Organmitglieder macht es mithin keinen Unterschied, ob sie für eine Mehrpersonen- oder eine Einpersonen-Gesellschaft arbeiten. Wenn man für sie die gleichen Schutzmechanismen wie für Organmitglieder von Mehrpersonengesellschaften anwendet – also eine Erstreckung nur auf bestimmte gesellschaftsrechtliche 164 165
Vgl. dazu D.I.3.b)cc)(3)(a), S. 153 ff. Vgl. dazu ausführlich E.III.3., S. 285.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Streitigkeiten und eine Lösbarkeit von der Schiedsbindung –, ist der Eingriff auch der Gleiche. In der Abwägung der widerstreitenden Interessen zwischen dem Justizgewähranspruch und der allgemeinen Handlungsfreiheit kommt man für Einpersonen-Gesellschaften ebenso zu dem Ergebnis, dass statutarische Schiedsklauseln im gleichen Maß verfassungsrechtlich legitimiert werden können wie statutarische Schiedsklauseln für Mehrpersonengesellschaften. dd) Zwischenergebnis zu den verfassungsmäßigen Vorgaben Die statutarische Schiedsklausel erlangt ihre verfassungsrechtliche Legitimation, die Schiedsbindung an anderen Merkmalen (Eigenschaft als Organmitglied) als der Freiwilligkeit anzuknüpfen, in zwei Fällen: Der erste Fall ist, dass die Schiedsanordnung nur Organmitglieder erfasst, die sich ihr freiwillig unterwerfen, weil insoweit schon kein Eingriff in den Justizgewährungsanspruch vorliegt; eine verfassungsrechtliche Legitimation auf Basis eines konkurrierenden Grundrechts ist daher nicht notwendig. Der Freiwilligkeit kann für Gesellschafter durch Zustimmung zur Klausel oder durch Beitritt zu einer Gesellschaft mit statutarischer Schiedsklausel Ausdruck verliehen werden, während Organmitglieder entsprechend durch Annahme einer Organstellung in einer Gesellschaft mit statutarischer Schiedsklausel oder durch Zustimmung einer statutarischen Schiedsklausel mit Zustimmungsvorbehalt ihre Freiwilligkeit zeigen. Grundsätzlich zulässig sind weiterhin Schiedsanordnungen, die zwar auch Organmitglieder erfassen, die sich ihnen nicht freiwillig unterworfen haben, aber nur gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten erfassen, bei denen das Interesse der Gesellschaft am Schiedsverfahren die persönlichen Interessen der Organmitglieder überwiegen. Ist eine Schiedsanordnung so ausgestaltet, dass eine Trennung von ihr durch die Organmitglieder gar nicht möglich ist, ist sie unzulässig. Die Unzulässigkeit hat gem. § 138 BGB die Nichtigkeit zur Folge, da die Wertung des Grundgesetzes sich als gesellschaftliche Grundentscheidung im Rahmen einer mittelbaren Drittwirkung niederschlägt. c) Mehrheitserfordernisse bei Einführung einer statutarischen Schiedsklausel für Organmitglieder durch Satzungsänderung Für Satzungsänderungen der im Rahmen dieser Arbeit analysierten Kapitalgesellschaften genügen grundsätzlich qualifizierte Mehrheitsentscheidungen mit einer Dreiviertelmehrheit. Der Anknüpfungspunkt der Dreiviertelmehrheit ist allerdings bei den Gesellschaftsformen unterschiedlich. Für die GmbH ergibt sich aus § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG, dass die Anzahl der bei der Abstimmung abgegebenen Stimmen entscheidend ist, nicht die tatsächliche Kapitalmehrheit.166 Die Satzungsänderung in einer AG setzt gem. § 133 Abs. 1 AktG die einfache Mehrheit der bei der Be166
Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 53 GmbHG Rn. 61.
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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schlussfassung abgegebenen Stimmen und gleichzeitig gem. § 179 Abs. 2 S. 1 AktG eine Mehrheit voraus, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst.167 Für die SE wird nach Art. 59 Abs. 1 SE-VO eindeutig eine qualifizierte ZweiDrittel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen verlangt. Ob darüber hinaus wie bei der AG eine Kapitalmehrheit im Sinne des § 179 Abs. 2 S. 1 AktG notwendig ist, ist umstritten. Eine Ansicht besagt, dass für die Satzungsänderung bei einer SE die Stimmmehrheit der beschließenden Hauptversammlung ausreiche.168 Nach richtiger Ansicht muss aber wegen Art. 59 Abs. 1 a.E. SE-VO wie bei der AG sowohl eine Stimm- als auch eine qualifizierte Kapitalmehrheit im Sinne des § 179 Abs. 2 S. 1 vorliegen.169 Das überzeugt schon deshalb, weil Art. 59 Abs. 1 a.E. SE-VO nicht nur eine größere Stimmenmehrheit, sondern allgemein eine „größere Mehrheit“ nach den nationalen Vorschriften des Sitzstaates für maßgeblich erklärt und somit auch zusätzliche Kapitalmehrheiten (im Sinne einer „größeren“ Mehrheit) erfasst werden.170 Auch spricht die generell fragmentarische Regelung der Hauptversammlung gerade dafür, dass nur hinsichtlich der notwendigen Stimmenmehrheit ein einheitlicher Mindeststandard geschaffen werden sollte, alles andere sich aber gem. Art. 53 SE-VO nach nationalem Recht richten soll.171 Daher ist neben der Zwei-DrittelStimmmehrheit auch eine Drei-Viertel-Kapitalmehrheit erforderlich. Dennoch ist bei der nachträglichen Aufnahme einer Schiedsklausel in die Satzung umstritten, ob nicht doch ein einstimmiger Beschluss erforderlich ist. Dieser Streit wird jedoch im Hinblick auf die justiziellen Grundrechte der Gesellschafter geführt und hat daher auf den ersten Blick für Schiedsklauseln mit Wirkung für Organmitglieder keine Bedeutung. Dem Recht auf Justizgewähr der Organmitglieder wird, wie soeben dargestellt, auf anderem Wege Rechnung getragen als durch die vorherige Einwilligung im Rahmen des Gesellschafterbeschlusses. Da Organmitglieder kein Abstimmungsrecht haben, können sie selbst ohnehin keinen unmittelbaren Einfluss auf das Ergebnis nehmen. Wird in eine Satzung eine Schiedsklausel aufgenommen, die nur die Organmitglieder binden soll – etwa für Organhaftungsansprüche –, dann bedarf es hierfür keiner Einstimmigkeit. Ein Einstimmigkeitserfordernis kann sich auch nicht daraus ergeben, dass eine solche Schiedsklausel die „prozessuale Grundstruktur“ einer Gesellschaft betreffe, sodass ein entsprechender Beschluss sämtlicher Gesellschafter vorliegen müsse172. Soweit eine Schiedsklausel nur das 167 AllgM.; Spindler/Stilz/Holzborn, § 179 AktG Rn. 115 f.; Hüffer/Koch, § 179 AktG Rn. 14; MüKoAktG/Stein, § 179 Rn. 85; Henssler/Strohn/Strohn, § 179 AktG Rn. 14. 168 Vgl. Brandt, Hauptversammlung der SE, 248; Spindler/Stilz/Eberspächer, Art. 59 SEVO Rn. 4; Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Spindler, Art. 57 SE-VO Rn. 13. 169 Vgl. grundlegend J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 692; weiter Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Bayer, Art. 59 SE-VO Rn. 16; Habersack/Drinhausen/Bücker, Art. 59 Rn. 18. 170 Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Bayer, Art. 59 SE-VO Rn. 16. 171 J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 692. 172 So aber G. v. Jhering, Wirkung von Schiedsvereinbarungen, Schiedsklauseln und Schiedssprüchen, 174.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Verhältnis zwischen den Organmitgliedern und der Gesellschaft erfasst, sind die individuellen Rechte der Gesellschafter nicht betroffen, sodass keinesfalls eine in die unentziehbaren Rechte der Gesellschafter eingreifende Entscheidung vorliegt, die eine solche Änderung der prozessualen Grundstruktur bedeuten würde. Soweit eine Schiedsanordnung nur die Organe betrifft, bedarf es sowohl aus Sicht der Organmitglieder als auch der Gesellschafter keiner Einstimmigkeit. Wie verhält es sich aber, wenn die statutarische Schiedsklausel Gesellschafter und Organmitglieder gleichsam binden soll oder durch die Satzungsänderung zwei Schiedsklauseln eingeführt werden sollen, eine mit Wirkung für Gesellschafter und die andere mit Wirkung für Organmitglieder? Wenn eine statutarische Schiedsklausel mit Wirkung für Gesellschafter nur einstimmig aufgenommen werden kann und bei Verstoß die Schiedsklausel nichtig ist, wäre zu fragen, ob dieser Verstoß auch auf die Schiedsbindung der Organmitglieder durchschlägt oder nur eine Teilnichtigkeit des Beschlusses und damit der Schiedsklausel gem. § 139 BGB vorliegt. aa) Qualifizierter Mehrheitsbeschluss oder Zustimmung aller Mitglieder bei statutarischer Schiedsklausel für Gesellschafter Die Anforderungen an das Abstimmungsergebnis bei der Aufnahme einer statutarischen Schiedsklausel mit Wirkung für Gesellschafter sind umstritten. (1) Meinungsstand Eine Auffassung in der Literatur fordert, dass eine Schiedsklausel nachträglich nur durch einen einstimmigen Beschluss aller Gesellschafter in die Satzung aufgenommen werden kann173, da es sich bei der Unterwerfung unter ein Schiedsgericht um einen Verzicht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG handele. Ohnehin sei für die Schiedsgerichtsbarkeit immer die freiwillige Unterwerfung notwendig.174 Zudem sei der verfassungsrechtlich garantierten Rechtsschutz vor den ordentlichen Gerichten zum Kernbereich der Mitgliedschaft zu zählen, der nicht ohne Zustimmung der Gesellschafter eingeschränkt werden dürfe.175 Über den Wortlaut des § 53 Abs. 3 GmbHG hinaus müsse dieser entsprechend bei jeder Beeinträchtigung besonders wesentlicher Gesellschafterrechte gelten, zu denen auch die Einführung von Schiedsklauseln gehört.176
173 Vgl. Bayer, ZIP 2003, 881, 890; Heskamp, RNotZ 2012, 415, 422 f.; MüKoGmbHG/ Merkt, § 13 GmbHG Rn. 68; Michalski/Michalski/Funke, § 13 GmbHG Rn. 94; Müller, GmbHR 2010, 729, 731; Münch, ZZP 123 (2010), 3, 19 f.; K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1861; einschr. Roth, FS Nagel (1987), 318, 326 f. (Ausnahme bei AG). 174 Münch, ZZP 123 (2010), 3, 20. 175 Vgl. K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1861. 176 Roth/Altmeppen/Roth, § 53 Rn. 39; ders., FS Nagel (1987), 318, 326.
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Die Gegenansicht lässt die Mehrheitsentscheidung grundsätzlich genügen.177 Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG liege schon nicht vor, weil Schiedsverfahren mit ordentlichen Gerichtsverfahren gleichwertig seien178 und die Gesellschaft somit nur ihr Wahlrecht zwischen staatlicher und privater Gerichtsbarkeit ausübt179 – ein einstimmiger Beschluss wäre allenfalls nötig, wenn in der Schiedsklausel in erheblicher Weise zum Nachteil der Mitglieder von den Regelungen der §§ 1025 ff. ZPO abgewichen wird180 oder faktische Sachzwänge keine freie Entscheidung über den Vereinsaustritt zulassen181. Für das Ausreichen einer Mehrheitsentscheidung spreche ferner, dass der Formulierung „in gesetzlich statthafter Weise“ in § 1066 ZPO gerade die Vorstellung zugrunde liege, dass es alleine auf den ordnungsgemäß erfolgten Prozess der kollektiven Willensbildung ankommt.182 Da die Möglichkeit bestünde, sich durch Austritt aus der Gesellschaft der Schiedsbindung zu entziehen, entspreche der Verbleib in der Gesellschaft einer Zustimmung, sodass auch die überstimmten Gesellschafter der Schiedsbindung freiwillig unterworfen seien.183 Dass der im Einzelfall überstimmte Gesellschafter der konkreten Satzungsänderung nicht zugestimmt hat, vermöge sein durch Beitritt erklärtes, grundsätzliches Einverständnis nicht abzuändern, denn er habe mit seinem Beitritt eine spätere Satzungsänderung in Kauf genommen.184 Der BGH hat noch keine endgültige Entscheidung zu dieser Frage getroffen, die über die Klärung eines speziellen Einzelfalls hinausging. In der „Körbuch“-Entscheidung185 entschied er nur, dass durch Mehrheitsbeschluss eingeführte Schiedsklauseln in eingetragenen Vereinen keine Wirkung für diejenigen Mitglieder hätten, die gegen die Einführung gestimmt haben, wenn sie nicht frei von faktischen Sachzwängen über den Verbleib und Austritt aus dem Verein entscheiden könnten.186 In einem solchen Fall könne der Verbleib nämlich nicht indirekt auch als freiwilliger Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten und das Grundrecht auf den
177
Vgl. Bechte-Horbach, Schiedsverfahren bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten, 78 ff.; Ebbing, NZG 1999, 754, 755; ders., NZG 2000, 898 f.; Haas, ZGR 2001, 325, 341 f.; ders., SchiedsVZ 2007, 1, 5 ff.; Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 8; Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 87 ff.; Raeschke-Kessler, SchiedsVZ 2003, 145, 154; Voit, FS Werner (2009), 544, 547 f.; BeckOKZPO/Wolf/Eslami, § 1066 ZPO Rn. 7; Wolff, NJW 2009, 2021, 2022; wohl auch Kröll, ZIP 2004, 13, 14. 178 Voit, FS Werner (2009), 544, 548. 179 Ebbing, NZG 1999, 754, 755; ders., NZG 2000, 898, 899; Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 8. 180 Vgl. Ebbing, NZG 1999, 754, 755; ders., NZG 2000, 898, 899. 181 BeckOKZPO/Wolf/Eslami, § 1066 ZPO Rn. 7. 182 Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 8. 183 Vgl. Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 90 ff.; Haas, SchiedsVZ 2007, 1 7 f. 184 Raeschke-Kessler, SchiedsVZ 2003, 145, 154. 185 BGHZ 144, 146 ff. m. abl. Anm. Ebbing, NZG 2000, 898 f. 186 BGHZ 144, 146, 149 f.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
staatlichen Richter gesehen werden.187 Zwei Fragen ließ der BGH dabei allerdings offen. Zum einen entschied nicht ausdrücklich, ob eine Mehrheitsentscheidung die Minderheit dann binden könne, wenn sie doch ohne faktische Sachzwänge aus dem Verein austreten könnten.188 Zum anderen stellte der BGH nicht ausdrücklich klar, was die Folge sei, wenn in einem Monopolverein eine statutarische Schiedsklausel durch Mehrheitsentscheidung eingeführt wird: Er deutete aber an, dass nicht etwa die gesamte statutarische Schiedsklausel unwirksam sei, sondern sie stattdessen nur für die Vereinsmitglieder gelte, die ihr zugestimmt haben.189 In der „Schiedsfähigkeit II“Entscheidung wiederum verlangte der BGH, dass Schiedsklauseln in Bezug auf Beschlussmängel entweder mit Zustimmung aller Gesellschafter in die Satzung aufgenommen werden oder alternativ alle Gesellschafter und die Gesellschaft eine Schiedsvereinbarung abschließen müssten.190 Dem kann indes keine allgemeine Aussage in Bezug auf das Erfordernis der Einstimmigkeit entnommen werden, sondern nur, dass diese für Beschlussmängelstreitigkeiten erforderlich ist. Für diese muss gewährleistet sein, dass alle Gesellschafter schiedsgebunden sind. Dies wäre nicht der Fall, wenn man entsprechend der (wohl) aus der „Körbuch“-Entscheidung zu entnehmenden These nur solche Gesellschafter erfasst sähe, die sich der Klausel unterworfen haben. (2) Stellungnahme (a) Stimmerfordernis Entgegen der Mindermeinung lässt sich das Ausreichen eines Mehrheitsbeschlusses nicht aus dem Grundgedanken des § 1066 ZPO ableiten: Dieser stellt zwar ausschließlich auf einen ordnungsgemäß erfolgten Prozess der Willensbildung ab, lässt aber keinen Rückschluss darauf zu, wann dieser Prozess überhaupt ordnungsgemäß erfolgt ist. Ob eine irgendwie geartete Form der freiwilligen Unterwerfung notwendige Voraussetzung für die Wirksamkeit der Schiedsanordnung ist, ergibt sich nicht aus § 1066 ZPO, da dieser keine Aussage über die Voraussetzungen für die Schiedsanordnung enthält. Zudem kann nicht einfach der Leitgedanke des § 1066 ZPO herangezogen werden, um die verfassungsmäßigen Rechte zu umgehen. 187
BGHZ 144, 146, 149. BGHZ 144, 146, 149 f. 189 In BGHZ 144, 146, 147 heißt es: „Das Berufungsgericht hat die Entscheidungszuständigkeit der ordentlichen Gerichte verneint. Die in § 26 Abs. 3 der Satzung des Beklagten vorgesehene Zuständigkeit eines Schiedsgerichts für Streitigkeiten zwischen dem Beklagten und seinen Mitgliedern binde auch diejenigen Mitglieder, die – wie der Kläger – der zugrunde liegenden Satzungsänderung nicht zugestimmt haben. Auf das Fehlen einer gesonderten individualvertraglichen Schiedsgerichtsabrede komme es deshalb nicht an. Diese Beurteilung hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand.“ Dies kann als Hinweis gedeutet werden, dass der BGH eine gespaltene Wirksamkeit der Schiedsklausel befürwortet; vgl. Ebbing, NZG 2000, 898, 898; Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 88; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 100. 190 Ausführlich zu dieser Entscheidung vgl. bereits C.II.1.b)cc)(2)(c), S. 56 ff. 188
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Wie bereits dargestellt, kann jedenfalls das von beiden Seiten angeführte Recht auf den gesetzlichen Richter nicht als Argumentationsgrundlage herangezogen werden, da dieses durch Schiedsanordnungen nicht berührt wird.191 Es kommt allein ein Verstoß gegen das Recht der widersprechenden Gesellschafter auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten aus dem Justizgewährungsanspruch in Betracht192. Daher ist vielmehr wie bei Organmitgliedern zu prüfen, ob der Eingriff in das Recht auf Justizgewähr gerechtfertigt werden kann. Das würde voraussetzen, dass ein entgegenstehendes Recht der Mehrheit das Recht der überstimmten Gesellschafter überwiegt. Auf verfassungsrechtlicher Ebene käme auch hier nur Art. 9 Abs. 1 GG in Frage. Dabei stellt sich die Frage, ob es ein Interesse der Gesellschaft oder der überstimmenden Mitgesellschafter an der Schiedsgerichtsbarkeit gibt, welches über das Interesse des einzelnen Gesellschafters, über den Zugang zu den Gerichten selbstständig zu entscheiden, hinausgeht. Es spielt auch keine Rolle, dass die Schiedsgerichtsbarkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit gegenüber grundsätzlich als gleichwertig zu betrachten ist, denn der Gesetzgeber hat durch die Schiedsvereinbarung eine Möglichkeit der einvernehmlichen Schiedsbindung gefunden und damit als Regelfall festgehalten, dass die Schiedsbindung zur Disposition beider Parteien steht. Eine Ausnahme von diesem Regelfall bedarf einer besonderen Rechtfertigung, die über die grundsätzliche Gleichwertigkeit hinausgeht. Während eine unfreiwillige Schiedsbindung bei Organmitgliedern auch mit dem Argument gestützt werden kann, dass diese einige Klagerechte im Interesse der Gesellschaft haben, so kann dies für Gesellschafter nicht überzeugen. Klagen, die ein Gesellschafter gegen die Gesellschaft führt, dienen vornehmlich dessen subjektivem Interesse und nicht dem der Gesellschaft. Es müsste also einen Grund geben, aus dem die Möglichkeit besteht, dass die prozessuale Rechtsbeziehung der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern einseitig gestaltet werden kann. Das könnte sich daraus ergeben, dass sich die Gesellschafter durch ihren Beitritt ohnehin dem Mehrheitsvotum unterwerfen und dementsprechend eine Fremdbestimmung ihrer Rechte akzeptiert haben. Allerdings ist die Fremdbestimmung durch die bei Gesellschaften niemals absolut. Es gibt nämlich materielle Mitgliedschaftsrechte von Gesellschaftern, die entweder gar nicht oder nur mit deren Zustimmung entzogen werden können.193 Akzeptiert man nun, dass es mehrheitsfeste Mitgliedschaftsrechte gibt, dann steht zunächst fest, dass die Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern nicht komplett durch Mehrheitsbeschluss fremdgeprägt sind, obwohl sich ein Gesellschafter grundsätzlich der Mehrheit unterwirft. Wenn es also bei unentziehbaren Rechten an einer einseitigen Prägung der materiellen Rechtsbeziehungen fehlt, ist es nur kon191
Vgl. D.I.3.b)bb), S. 143. So auch Bechte-Horbach, Schiedsverfahren bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten, 79 f., die sich aber nicht mit der Frage auseinandersetzt, ob dieser dann auch verletzt sein könne. 193 Vgl. etwa Michalski/Ebbing, § 14 GmbHG Rn. 59 ff.; Ulmer/Habersack/Löbbe/Hüffer/ Schürnbrand, § 45 GmbHG Rn. 32; MüKoGmbHG/Reichert/Weller, § 14 GmbHG Rn. 81 ff. 192
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D. Statutarische Schiedsklauseln
sequent, auch die prozessuale Seite des Rechts nicht einseitig prägen zu lassen. Soweit eine Schiedsklausel also die prozessuale Geltendmachung dieser unentziehbaren Rechte betrifft, kann sie daher nur einstimmig aufgenommen werden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um ein absolutes194 oder relatives195 unentziehbares Recht handelt, da in beiden Fällen die Rechtsbeziehung jedenfalls nicht einseitig ausgestaltet werden kann. Es spricht nichts dagegen, dass ein Gesellschafter seine absoluten Mitgliedsrechte einer Schiedsbindung unterwirft. Zwar kann er nicht auf sie verzichten, aber es spricht nichts dagegen, ihre prozessuale Geltendmachung zur Disposition zu stellen. Soweit es also an einer einseitigen Ausgestaltungskompetenz der materiellen Rechtsbeziehungen durch die Mehrheit der Gesellschafter fehlt, kann es auch keine einseitige Ausgestaltung der prozessualen Geltendmachung geben. Dem kann auch nicht mit dem Argument der Mindermeinung widersprochen werden, dass überstimmte Gesellschafter die Möglichkeit hätten, die Schiedsbindung durch Verlassen der Gesellschaft abzuwerfen und ihr Verbleib daher als Zustimmung zu werten sei. Eine solche Ausgestaltung wäre bei einer materiellen Verfügung über die relativ unentziehbaren Rechte nicht tragbar. Wegen der engen Verknüpfung von materiellem Recht und prozessualer Geltendmachung kann hier nichts andere gelten. Eine Schiedsklausel kann daher nur durch Mehrheitsentscheidung aufgenommen werden, soweit sie keine Schiedsbindung für die prozessuale Geltendmachung unentziehbarer Rechte anordnet. Für den Umfang dieser Arbeit ist dabei insbesondere zu beachten, dass Schiedsklauseln über Beschlussmängel – wie der BGH auch ausdrücklich klarstellte196 – nicht durch Mehrheitsentscheidungen aufgenommen werden können; sowohl das Anfechtungsrecht, als auch das Recht, die Nichtigkeit eines Beschlusses festzustellen, sind in der GmbH unentziehbare Rechte sind197.198 Für die AG und SE ist der Anwendungsbereich noch mehr eingeschränkt, da § 23 Abs. 5 AktG (i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO199) die Möglichkeit, über Aktionärsrechte zu verfügen, ohnehin begrenzt200 ist und daher die Möglichkeiten zur einseitigen Gestaltung noch geringer sind. 194 Absolute Mitgliedschaftsrechte können auch mit Zustimmung des Gesellschafters nicht entzogen werden, vgl. MüKoGmbHG/Reichert/Weller, § 14 GmbHG Rn. 83. 195 Relative Mitgliedschaftsrechte können (nur) mit Zustimmung des Gesellschafters entzogen werden, vgl. MüKoGmbHG/Reichert/Weller, § 14 GmbHG Rn. 89. 196 BGHZ 180, 221, 228 („Schiedsfähigkeit II“); vgl. hierzu bereits C.II.1.b)cc)(2)(c), S. 56. 197 Vgl. MüKoGmbHG/Reichert/Weller, § 14 GmbHG Rn. 85; Henssler/Strohn/Verse, § 14 GmbHG Rn. 61. 198 Zu weiteren unentziehbaren Rechten, deren schiedsgerichtliche Geltendmachung also nicht einseitig angeordnet werden kann, vgl. Henssler/Strohn/Verse, § 14 GmbHG Rn. 61. 199 Zur Anwendbarkeit auf die SE vgl. D.IV.1., S. 221. 200 Eine Auflistung möglicher Abweichungen findet sich bei MüKoAktG/Pentz, § 23 AktG Rn. 163. Von Aktionärsrechten kann so gut wie gar nicht abgewichen werden.
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Damit eine Schiedsklausel also für alle Gesellschafter Wirkung entfaltet, muss sie mit Zustimmung aller Gesellschafter in die Satzung aufgenommen worden sein. Grundsätzlich gilt, dass eine Satzungsänderung, die einer Zustimmung aller Gesellschafter bedarf, bis zur allseitigen Zustimmung nicht nichtig oder anfechtbar, sondern (schwebend) unwirksam ist.201 Dies muss im Hinblick auf Art. 59 Abs. 1 a.E. SE-VO auch bei der SE gelten, da die Regelungsoffenheit der Norm Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Aktionäre (wie § 180 AktG) gem. Art. 9 Abs. 2 lit. C ii SE-VO zulässt202, die Regelungen für die AG also entsprechend für die SE gelten. (b) Rechtsfolge bei Verstoß Die weitere Frage ist nun, ob sie auch Wirkung für die Gesellschafter entfaltet, die ihr zugestimmt haben, oder insgesamt unwirksam ist, wenn sie nur mit Mehrheitsbeschluss in die Satzung aufgenommen wurde. Laut herrschender Meinung ist eine Satzungsänderung, der die nötigen Zustimmungen fehlen, grundsätzlich unwirksam, kann aber im Ausnahmefall eine relative Wirkung gegenüber allen Gesellschaftern, die zugestimmt haben, entfalten.203 Entsprechend hat der BGH in der „Körbuch“Entscheidung des BGH eine solche gespaltene Wirksamkeit als Rechtsfolge angedeutet.204 Dem kann aber nicht zugestimmt werden. Typischerweise muss man davon ausgehen, dass die Gesellschafter sich an eine Satzungsänderung nur binden wollen, wenn sich auch alle anderen Gesellschafter binden, nur ausnahmsweise kann die Ausgestaltung der Satzungsänderung etwas Anderes erkennen lassen.205 Bei statutarischen Schiedsklauseln lässt sich eine solche Ausnahme nicht annehmen. Selbst wenn man davon absieht, dass typische Musterschiedsklauseln dem Wortlaut nach alle Gesellschafter erfassen206, ist es gerade der Zweck einer statutarischen Schiedsklausel, eine umfassende Schiedsbindung zur Erreichung gleichförmiger Rechtsschutzmechanismen zu etablieren. Zudem würden typische statutarische Schiedsklauseln im Falle einer relativen Wirksamkeit gegen den Grundsatz der Satzungsklarheit (wonach eine Satzung aus sich heraus verständlich sein muss207) verstoßen, da sie dem Wortlaut nach auf alle Gesellschafter ausgelegt sind, dann aber doch nicht für alle Gesellschafter gelten. Daher entfaltet eine statutarische 201 Für die GmbH vgl. etwa Scholz/Priester, § 53 GmbHG Rn. 96; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, § 53 GmbHG Rn. 78; Wicke, § 53 GmbHG Rn. 14; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 53 GmbHG Rn. 20; krit. Michalski/Hoffmann, § 53 GmbHG Rn. 94 ff.; für die AG vgl. MüKoAktG/Stein, § 179 AktG Rn. 133; Spindler/Stilz/Holzborn, § 179 AktG Rn. 155. 202 Vgl. Habersack/Drinhausen/Bücker, Art. 59 SE-VO Rn. 12; Lutter/Hommelhoff/ Teichmann/Bayer, Art. 59 SE-VO Rn. 13. 203 Scholz/Priester, § 53 GmbHG Rn. 96; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 53 GmbHG Rn. 78; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 53 GmbHG Rn. 20; GroßKommAktG/Wiedemann, 4. Aufl., § 180 AktG Rn. 20; krit. Michalski/Hoffmann, § 53 GmbHG Rn. 94 ff., der letztlich aber auch nur das Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehrt. 204 Vgl. Kap. D. Fn. 189. 205 Vgl. GroßKommAktG/Wiedemann, 4. Aufl. § 180 AktG Rn. 20. 206 Vgl. zu Musterschiedsklauseln Kap. D. Fn. 1. 207 Vgl. BayObLG, DB 1971, 1612; MüKoAktG/Pentz, § 23 AktG Rn. 46.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Schiedsklausel, die nur durch Mehrheitsentscheid beschlossen wurde, als Satzungsbestimmung keine Wirkung. (c) Zwischenergebnis Eine statutarische Schiedsklausel mit Wirkung für Gesellschafter muss einstimmig in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen worden sein. Fehlt es an der Einstimmigkeit, ist die Schiedsklausel insgesamt unwirksam. bb) Exkurs: Umdeutung einer unwirksamen statutarischen Schiedsklausel durch Mehrheitsbeschluss in eine Schiedsvereinbarung nach § 1029 Abs. 1 ZPO Wenn nicht alle Gesellschafter bei der Abstimmung über die Einführung einer Schiedsklausel in die Satzung zugestimmt haben, ist die Abstimmung zwar gescheitert. Über Umwege könnte der Schiedsklausel aber dennoch eine beschränkte Wirkung zukommen. Dies wäre der Fall, wenn man eine solche Schiedsklausel gem. § 140 BGB in eine Schiedsvereinbarung gem. § 1029 Abs. 1 ZPO umdeuten kann. Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt gem. § 140 BGB das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde. Eine ohne Einstimmigkeit aufgenommene statutarische Schiedsklausel kann daher umgedeutet werden, wenn sie die Erfordernisse einer Schiedsvereinbarung erfüllt und davon auszugehen ist, dass die Mehrheitsgesellschafter bei Kenntnis der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit diese auch abgeschlossen hätten. § 140 BGB erfasst über den Wortlaut hinaus neben nichtigen auch sonst unwirksame Rechtsgeschäfte208.209 Eine mangels der notwendigen Mehrheit nicht zustande gekommene statutarische Schiedsklausel ist, wie soeben dargestellt, unwirksam. Materiell setzt eine Schiedsvereinbarung gem. § 1029 ZPO parteiliche Willenserklärungen voraus, die dahingehend übereinstimmen, dass im Falle eines Rechtsstreits die staatliche Gerichtsbarkeit ausgeschlossen und ein Schiedsgericht mit der Entscheidung betraut werden soll.210 Die Stimmabgabe der Gesellschafter kann durchaus als eine solche Willenserklärung verstanden werden. Eine Schiedsvereinbarung könnte also zwischen ihnen durchaus zustande kommen. Allerdings würde eine Willenserklärung der Gesellschaft selber fehlen: Schiedsvereinbarungen ge-
208
Zur Unterscheidung von Nichtigkeit und Unwirksamkeit vgl. Jauernig/Mansel, Vor §§ 104 ff. BGB Rn. 16 ff. 209 MüKoBGB/Busche, § 140 BGB, Rn. 7; vgl. auch BGHZ 18, 262, 272; 40, 218, 222. 210 BGH, NJW 1984, 669; BeckOKZPO/Wolf/Eslami, § 1029 ZPO Rn. 6; MüKoZPO/ Münch, § 1029 ZPO Rn. 44.
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hören zu Außen- oder Verkehrsgeschäften211, daher wird die Gesellschaft durch ihre Vertretungsorgane vertreten. Diese sind jedoch – sofern sie nicht selbst Gesellschafter sind – bei der Abstimmung nicht stimmberechtigt, sodass eine der Gesellschaft zurechenbare Willenserklärung durch die Organmitglieder fehlen würde. Selbst ein Gesellschafter, der zugleich Geschäftsführer ist, wird die Gesellschaft im Regelfall nicht vertreten können, da die Abgabe einer Stimme während der Abstimmung eine Willenserklärung im eigenen Namen darstellt212. Diese Willenserklärung in separate Willenserklärungen im eigenen und im fremden Namen aufzuspalten, wäre nur schwer zu begründen, da ein Gesellschafter bei einer Satzungsänderung in der Regel nicht auch parallel noch einen Vertrag namens der Gesellschaft abschließen wollen wird. Eine nur durch Mehrheitsbeschluss herbeigeführte, nichtige Einführung einer statutarischen Schiedsklausel erfüllt somit die Erfordernisse einer Schiedsvereinbarung zwischen den Gesellschaftern, die zugestimmt haben. Dennoch wird regelmäßig eine Umdeutung in eine Schiedsvereinbarung daran scheitern, dass diese Schiedsvereinbarung nur einen Teil der Gesellschafter, aber nicht die Gesellschaft selbst oder die Organmitglieder erfasst. Denn ebenso wie wohl nie eine relative Wirkung der statutarischen Schiedsklausel gewollt ist, kann man nicht davon ausgehen, dass die Gesellschafter stattdessen eine Schiedsvereinbarung gewollt hätten, die wegen des Ausschlusses der Gesellschaft und der Organmitglieder, sofern diese nicht Gesellschafter sind, eine noch geringere Wirkung entfalten würde. Somit kann eine mangels Einstimmigkeit unwirksame statutarische Schiedsklausel nicht gem. § 140 BGB in eine Schiedsvereinbarung gem. § 1029 Abs. 1 ZPO umgedeutet werden. cc) Durchschlagen der Unwirksamkeit der gesellschafterbindenden Schiedsklausel auf die organmitgliederbindende Schiedsklausel Wenn nun der gesellschafterbindende Teil einer statutarischen Schiedsklausel immer die Zustimmung aller Gesellschafter braucht, dann stellt sich die Frage, ob dieses Erfordernis auch auf den organmitgliederbindenden Teil durchschlägt. Mit anderen Worten: Kann eine statutarische Schiedsklausel ihre Wirkung für Organmitglieder entfalten, wenn sie für Gesellschafter keine Wirkung entfaltet? Die Antwort auf diese Frage ist in § 139 BGB zu suchen.
211 Ein Geschäft, das unabhängig von der Gesellschafterposition mit jedermann abgeschlossen werden kann, ist ein Außengeschäft, für das bei der GmbH die Geschäftsführung vertretungsberechtigt ist, MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, § 35 GmbHG Rn. 97. Bei der AG und SE vertreten der Vorstand, Hölters/Weber, § 78 AktG Rn. 4, bzw. das Leitungsorgan, Verwaltungsorgan oder der geschäftsführende Direktor (vgl. § 41 Abs. 1 S. 1 SEAG), Lutter/Bayer/ J. Schmidt, § 41 Rn. 116, 132, 147, die Gesellschaft bei Außengeschäften. 212 Vgl. MüKoGmbHG/Drescher, § 48 GmbHG Rn. 31.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
§ 139 BGB besagt, dass, wenn ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig ist, das ganze Rechtsgeschäft nichtig ist, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen wurde. Nun ist eine Satzungsänderung, die nicht die nötige Zustimmung aller Gesellschafter enthält, zwar nicht nichtig, sondern unwirksam; allerdings wird § 139 BGB über seinen Wortlaut hinaus auch auf unwirksame Rechtsgeschäfte angewendet213. § 139 BGB kann dem Grundsatz nach auf Gesellschafterbeschlüsse in Kapitalgesellschaften angewendet werden.214 Voraussetzung für die Anwendbarkeit auf einen konkreten Gesellschafterbeschluss ist es, dass es sich bei diesem um ein einheitliches Rechtgeschäft handelt.215 Dies ist nach herrschender Meinung, die eine rein formale Betrachtungsweise wählt, bei Gesellschafterbeschlüssen zu bejahen, wenn eine einzige Beschlussfassung über den Tagesordnungspunkt vorliegt.216 Wird also eine statutarische Schiedsklausel, die Wirkung für Gesellschafter und Organmitglieder entfalten soll, in einem Beschlussakt in die Satzung aufgenommen, dann handelt es sich um ein einheitliches Rechtsgeschäft. Nach herrschender Meinung führt die Vermutung des § 139 BGB zur Gesamtunwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses, wenn nicht die Auslegung des Beschlusses etwas Anderes ergibt.217 Hinsichtlich einer allseitig bindenden Schiedsklausel kann diesbezüglich keine allgemeingültige Antwort gegeben werden, da es auf die konkrete Ausgestaltung der Schiedsklausel und die Umstände der Satzungsänderung ankommt. Für die Teilnichtigkeit wird es regelmäßig sprechen, dass es mit den Informationsansprüchen und den Organhaftungsansprüchen Streitigkeiten gibt, die allein zwischen der Gesellschaft und ihren Organmitgliedern bzw. zwischen den Organmitgliedern untereinander ausgeführt werden, also keine Beteiligung der Gesellschafter voraussetzen. Mithin wird es dem Willen der satzungsändernden Mehrheit entsprechen, wenigstens eine Bindung der Organmitglieder für eben diese Streitigkeiten herbeizuführen, die sie auch ohne Beteiligung der Gesellschafter führen können.
213
BeckOKBGB/Wendtland, § 139 BGB Rn. 3. H.M., vgl. nur BGH NJW 1988, 1215; OLG Hamburg, NZG 2000, 549, 551; Baumbach/ Hueck/Zöllner, Anh. § 47 GmbHG Rn. 78; Hölters/Englisch, § 241 AktG Rn. 96; Hüffer/Koch, § 241 AktG Rn. 32; Michalski/Römermann, Anh. § 47 GmbHG Rn. 222; MüKoGmbHG/ Wertenbruch, Anh. § 47 GmbHG Rn. 114; im Grundsatz auch Ulmer/Habersack/Löbbe/Ulmer, § 53 GmbHG Rn. 110. 215 Vgl. BGHZ 50, 8, 30; MüKoBGB/Busche, § 139 BGB Rn. 15. 216 Michalski/Römermann, Anh. § 47 Rn. 221; MüKoGmbHG/Wertenbruch, Anh. § 47 GmbHG Rn. 115; MüKoAktG/Hüffer/Schäfer, § 241 AktG Rn. 90; a.A. Scholz/K. Schmidt, § 45 GmbHG Rn. 42, der auf den inhaltlichen Zusammenhang der Beschlüsse abstellt. 217 Vgl. Michalski/Römermann, Anh. § 47 GmbHG Rn. 222; MüKoAktG/Hüffer/Schäfer, § 241 AktG Rn. 91 je m.w.N.; krit. aber Ulmer/Habersack/Löbbe/Ulmer, § 53 GmbHG Rn. 110, der stattdessen eine Vermutung für die Wirksamkeit annimmt. 214
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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Anders kann es sich im Einzelfall darstellen, wenn sich aus den Umständen der Satzungsänderung ergibt, dass die Gesellschafter die Intention haben, einen zwingenden Gleichlauf aller prozessualen Rechtsschutzmöglichkeiten herbeizuführen. Allerdings dürfte dies die klare Ausnahme sein, denn wenn die satzungsändernde Mehrheit schon versucht, eine Schiedsklausel, die auch für die Organmitglieder Wirkung entfalten soll, in die Satzung aufzunehmen, dann wird es auch in ihrem Interesse sein, die Wirksamkeit derselben so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Eine derartig teilunwirksame Schiedsklausel für Organmitglieder kann allerdings niemals Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen. Eine Schiedsklausel über Beschlussmängelstreitigkeiten, die nur die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer bindet, entspricht nicht den für die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten entwickelten Voraussetzungen an Schiedsklauseln.218 Zwar spricht die Vermutungswirkung für die Gesamtnichtigkeit der Satzungsbestimmung; allerdings kann es im Einzelfall gute Gründe geben, die Wirkung allein auf das Verhältnis zwischen Gesellschafter und Organmitglied zu erstrecken. Wird die Schiedsklausel allerdings in der GmbH vor allem für Beschlussmängelstreitigkeiten eingeführt, ist sie unwirksam. dd) Zwischenergebnis Wenn bei einer Satzungsänderung eine statutarische Schiedsklausel eingefügt wird, die nur die Organmitglieder erfassen soll, reicht hierfür die qualifizierte satzungsändernde Mehrheit der Gesellschafter aus. Ordnet die Schiedsklausel die Schiedsbindung von Organmitgliedern und Gesellschaftern gleichermaßen an, ist sie zwar einstimmig in die Satzung aufzunehmen. Wenn die Einstimmigkeit fehlt, kann sie aber gem. § 139 BGB ihre Wirkung für Organmitglieder behalten, wenn die sonst notwendige satzungsändernde Mehrheit zugestimmt hat. d) Zustimmung des Organmitglieds Aus den verfassungsrechtlichen Erwägungen ergibt sich, dass zwischen Schiedsanordnungen, deren Wirkung von der Freiwilligkeit abhängen, und solchen, die auch ohne die Freiwilligkeit des Adressaten Wirkung entfalten sollen, zu differenzieren ist.219 Erstere bewirken keinen Eingriff in das Recht auf staatlichen Rechtsschutz, letztere hingegen schon, weshalb sie auch einer besonderen, verfassungsrechtlichen Legitimation bedürfen. Es wird zu zeigen sein, dass sich hieraus auch eine unterschiedliche sachliche Reichweite der Schiedsklausel ergibt.220
218 219 220
Vgl. C.II.1.b)cc)(2)(e)(cc), S. 75. Vgl. D.I.3.b)cc)(2)(c)(aa) ff., S. 148 ff. Vgl. D.II., S. 185.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Um dem Rechnung zu tragen, könnte man in statutarische Schiedsklausel einen Zustimmungsvorbehalt aufnehmen, der klarstellt, dass die Klausel für alle oder nur für bestimmte Streitigkeiten erst Wirkung erlangt, wenn das Organmitglied dem zugestimmt hat. Dabei ist genau zu klären, was eine solche Zustimmung überhaupt ist, also ob und wie sie sich von einem Verzicht durch Annahme des Amtes unterscheidet [aa)], und welchen Rechtscharakter sie hat [bb)]. Danach ist zu prüfen, inwieweit ein Zustimmungserfordernis für statutarische Schiedsklauseln überhaupt verbandsrechtlich zulässig ist [cc)], und ob sich durch eine Zustimmung etwas am Charakter der Schiedsklausel als Anordnung nach § 1066 ZPO ändert [dd)]. aa) Abgrenzung zum Verzicht durch Annahme des Amtes Im Hinblick auf die statutarische Schiedsklausel mit Wirkung für Organmitglieder gibt es zwei Handlungen, die als Verzicht auf den staatlichen Rechtsschutz gewertet werden könnten: Neben der ausdrücklichen Erklärung einer Zustimmung kommt nämlich noch die Annahme eines Amtes in einer Gesellschaft mit Schiedsklausel in Frage. Durch beide gibt das Organmitglied in verfassungsrechtlich unbedenklicher Art seinen Verzicht auf den staatlichen Rechtsschutz kund.221 Dennoch könnte zwischen beiden ein funktionaler Unterschied bestehen. Die Annahme eines Amtes ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, durch welches die Bestellung wirksam wird.222 Dieses enthält jedoch für sich keine Aussage über eine etwaige Schiedsbindung. Rechtsfolge der Wirksamkeit der Bestellung ist der Beginn der Organstellung.223 Die Eigenschaft, Organmitglied zu sein, ist das Kriterium, an das statutarische Schiedsklauseln ihre Bindungswirkung anknüpfen.224 Durch die Annahme des Amtes führt der Bestellte also für sich selbst die Eigenschaft herbei, die seine Schiedsbindung begründet. Eine solche Entscheidung ist frei von Sachzwängen, da eine Pflicht zur Annahme des Amtes nicht besteht225 bzw. sich höchstens aus einem Anstellungsvertrag ergibt, zu dessen Abschluss er nicht von Gesetzes wegen verpflichtet ist. Der Bestellte führt durch die Aufnahme seines Amtes also selbst die Schiedsbindung herbei. Die Unterwerfung und der damit einhergehende Verzicht auf den staatlichen Rechtsschutz sind tatsächlicher Natur. Das Verhalten wie eine rechtsgeschäftliche Zustimmung zu behandeln226, ist nicht geboten: Der Bestellte erklärt nicht seine Zustimmung zur Schiedsbindung, sondern führt diese selbst 221
D.I.3.b)cc)(2)(c)(aa), S. 148. H.M.; vgl. MüKoAktG/Spindler, § 84 AktG Rn. 23 (für Vorstand); KK/Mertens/Cahn, § 101 AktG Rn. 36 (für Aufsichtsrat); Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 35 GmbHG, Rn. 32 (für Geschäftsführer), jeweils m.w.N. 223 Vgl. K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 84 AktG Rn. 19; MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, § 35 GmbHG Rn. 39. 224 Vgl. D.I.2.c)bb), S. 138. 225 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 84 AktG Rn. 22; KK/Mertens/Cahn, § 101 AktG Rn. 39. 226 Vgl. G. v. Jhering, Wirkung von Schiedsvereinbarungen, Schiedsklauseln und Schiedssprüchen, 179 f. 222
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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herbei, indem er sich selbst die Eigenschaft verleiht, an welche die Schiedsbindung geknüpft ist.227 Die Schiedsbindung an das Erlangen der Eigenschaft als Organmitglied zu knüpfen, ist jedenfalls dann zulässig, wenn dies freiwillig geschieht.228 Anders verhält es sich, wenn eine statutarische Schiedsklausel erst dann eingeführt wird, wenn das Organmitglied bereits seine Amtsstellung innehat. Hier wird die Organstellung mit einer Schiedsbindung verknüpft, nachdem die Organmitglieder diese herbeigeführt haben. Die ist demnach nicht freiwillig, sondern aufgezwungen. Ist die Schiedsbindung unfreiwillig, bedarf sie einer besonderen Legitimation, die nur bei einigen, aber – wie sich noch zeigen wird – nicht bei allen gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten229 tatsächlich besteht.230 Damit die Schiedsbindung auch die übrigen Streitigkeiten erfasst, bedarf es eines freiwilligen Verzichts auf den staatlichen Rechtsschutz. Der Verbleib in der Gesellschaft genügt dafür nicht.231 Da die Duldung der Schiedsbindung also nicht ausreicht, muss der Verzicht erklärt werden. Eine Zustimmung ist also eine Erklärung, durch welche ein Organmitglied die Wirkung einer nach seinem Eintritt in die Satzung aufgenommene Schiedsklausel akzeptiert. Sie ist auch denkbar, wenn die Schiedsklausel so formuliert ist, dass alle Streitigkeiten nur mit Zustimmung des Organmitglieds vor einem Schiedsgericht verhandelt werden können. bb) Rechtsnatur der Zustimmung Als Rechtsnatur für die Zustimmung kommen ein einseitiges Rechtsgeschäft, eine geschäftsähnliche Handlung und ein Realakt in Frage. Ein Rechtsgeschäft besteht aus mindestens einer Willenserklärung, die den Zweck verfolgt, eine privatrechtliche Rechtsfolge, d. h. eine Änderung in den rechtlichen Beziehungen herbeizuführen.232 Davon abzugrenzen ist die geschäftsähnliche Handlung, die zwar die willentliche Vornahme einer Handlung voraussetzt, aber anders als beim Rechtsgeschäft die Rechtsfolge unabhängig von einem darauf gerichteten Willen eintritt.233 Ein Realakt hingegen ist eine Handlung ohne Mitteilungs- oder Kundgabezweck, an die das Gesetz eine Rechtsfolge ohne Rücksicht auf das Gewollte knüpft.234
227
Vgl. auch Herresthal, ZIP 2014, 345, 347. Vgl. D.I.3.b)dd), S. 160. 229 Vgl. D.I.3.b)cc)(3)(b)(aa), S. 155 ff. 230 Vgl. D.II.1., S. 185 ff. 231 Vgl. D.I.3.b)cc)(2)(c)(bb), S. 149 f. 232 Vgl. Wolf/Neuner, BGB AT, § 28 Rn. 2; Bork, BGB AT, Rn. 395. 233 Vgl. Wolf/Neuner, BGB AT, § 28 Rn. 8; Bork, BGB AT, Rn. 412; Medicus, BGB AT, Rn. 197. 234 Vgl. Wolf/Neuner, BGB AT, § 28 Rn. 15; Bork, BGB AT, Rn. 407; Medicus, BGB AT, Rn. 196. 228
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Die Abgrenzung ist deshalb relevant, weil sich nach dem Charakter auch das anwendbare Recht richtet. Auf Rechtsgeschäfte sind die allgemeinen Vorschriften des BGB anwendbar, für geschäftsähnliche Handlungen gelten diese hingegen nur in bestimmten Fällen analog.235 Auf Realakte sind die Vorschriften für Rechtsgeschäfte nicht anwendbar.236 Ein Realakt scheidet aus, da die Zustimmung eindeutig einen Mitteilungszweck hat. Die Zustimmung durch das Organmitglied ist eine Erklärung, die auf die Herbeiführung der Erweiterung (oder Begründung) einer Schiedsbindung gerichtet ist. Sie zielt daher auf eine Rechtsfolge ab, diese ist nicht von der Handlung unabhängig. Damit handelt es sich bei der Zustimmung auch nicht um eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, sondern um ein Rechtsgeschäft, auf das die normalen BGBVorschriften für Rechtsgeschäfte anzuwenden sind. cc) Verbandsrechtliche Zulässigkeit eines Zustimmungserfordernisses Bedenken gegen die Zustimmung als Erfordernis für die volle Schiedsbindung könnten sich aus den allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsätzen für den Inhalt von Satzungen ergeben. Die Unzulässigkeit eines Zustimmungserfordernisses bei der Aufnahme einer statutarischen Schiedsklausel hätte zur Folge, dass diese für Organmitglieder ihre volle Wirkung nur entfalten könnten, wenn das Organmitglied nach der Satzungsänderung in die Gesellschaft aufgenommen würde, da in diesem Fall keine Zustimmung, sondern ein faktischer Verzicht auf den staatlichen Rechtsschutz vorliegt. Die Sperre eines Zustimmungserfordernisses könnte sich daraus ergeben, dass wegen der Satzungsautonomie der allgemeine Grundsatz gilt, dass Satzungsänderungen nicht von der Zustimmung der Organe237 oder Dritter238 abhängig gemacht werden dürfen. Die Zustimmung des Organmitglieds ist jedoch keine Zustimmung zur Satzungsänderung als solche; diese kann auch ohne die Zustimmung des Organmitglieds wirksam sein. Stattdessen akzeptiert das Organmitglied nur die von der Satzungsänderung herbeigeführte Schiedsbindung für sich. Fehlt es an der Zustimmung eines Organmitglieds, kann die statutarische Schiedsklausel in Relation zu anderen Organmitgliedern, die zugestimmt haben, sowie in Relation zu solchen, die später 235 Zur Fällen der Analogie vgl. Ulrici, NJW 2003, 2053 ff. Denkbar sind vor allem Analogien zu §§ 104 ff., 125, 130 ff., 164 ff. BGB, sowie ausnahmsweise §§ 119 ff. BGB. 236 Wolf/Neuner, BGB AT, § 28 Rn. 15. 237 Ganz h.M.; vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 53 GmbHG Rn. 55; MüKoGmbHG/Habarth, § 53 GmbHG Rn. 56; Scholz/Priester, § 53 GmbHG Rn. 62; GroßKommAktG/Wiedemann, 4. Aufl. § 179 AktG Rn. 134; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 179 AktG Rn. 22; MüKoAktG/Stein, § 179 AktG Rn. 147 f. 238 AllgM.; vgl. MüKoGmbHG/Habarth, § 53 GmbHG Rn. 57; Scholz/Priester, § 53 GmbHG Rn. 63; GroßKommAktG/Wiedemann, 4. Aufl. § 179 AktG Rn. 135; MüKoAktG/ Stein, § 179 AktG, Rn. 149; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 179 AktG Rn. 22.
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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eintreten, noch Wirkung entfalten. Eine Beeinträchtigung der Satzungsautonomie liegt außerdem auch schon deshalb nicht vor, weil diese sich aus Art. 9 Abs. 1 GG ergibt und dieser keinen allumfassenden Eingriff in den allgemeinen Justizgewährungsanspruch legitimieren kann.239 Die Satzungsautonomie ist durch die subjektiven Rechte der Organmitglieder begrenzt. dd) Verlust des Charakters als Schiedsanordnung durch Zustimmung? Denkbar wäre, dass eine Zustimmung dazu führt, dass die statutarische Schiedsklausel ihren Charakter als Schiedsanordnung im Sinne des § 1066 ZPO verliert und stattdessen zu einer Schiedsvereinbarung nach § 1029 ZPO wird. Daraus würde die Anwendbarkeit aller auf Schiedsvereinbarungen anwendbarer Vorschriften folgen, die durch § 1066 ZPO ausgeschlossen sind. Grundlage dieser Überlegung ist, dass die Schiedsklausel dann mit dem zustimmenden Organmitglied einen Adressaten hat, der sich der Schiedsbindung (jedenfalls teilweise) selbst unterworfen hat. Eine Freiwilligkeit, welche die Grundlage einer Schiedsvereinbarung nach § 1029 ZPO ist, läge somit vor. Allerdings ist der Unterschied zwischen einer Schiedsvereinbarung und einer Schiedsanordnung nicht, dass die eine nur mit Freiwilligkeit und die andere nur ohne oder gegen den Willen des Adressaten zustande kommt. Der Unterschied ist vielmehr, dass die Freiwilligkeit bei der Schiedsvereinbarung Anknüpfungspunkt für die Schiedsbindung ist, während die Schiedsanordnung an ein anderes Merkmal anknüpft.240 Das schließt nicht aus, dass die freiwillige Unterwerfung tatsächlich vorliegt oder gar materielle Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Statutarische Schiedsklauseln sollen ihre Adressaten, also Gesellschafter und Organmitglieder, binden, weil sie Gesellschafter und Organmitglieder sind und nicht weil sie sich unterworfen haben. Das ändert sich nicht, wenn sich die Adressaten doch tatsächlich oder rechtsgeschäftlich unterwerfen. Der Anknüpfungspunkt bleibt der gleiche. Daher ändert sich durch die Zustimmung nichts am Rechtscharakter der statutarischen Schiedsklausel als Schiedsanordnung im Sinne des § 1066 ZPO. ee) Zwischenergebnis Eine Zustimmung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft des Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft. Es hat zur Folge, dass nicht nur solche organschaftlichen Streitigkeiten Gegenstand der Schiedsklausel sein können, bei denen die Gesellschaft ein erhebliches, einseitiges Verfahrensgestaltungsinteresse hat, sondern alle Streitigkeiten. Ein solches Rechtsgeschäft liegt nicht vor, wenn ein Organmitglied die Bestellung einer Gesellschaft mit statutarischer Schiedsklausel annimmt, da die 239 240
Vgl. D.I.3.b)cc)(3)(b)(aa), S. 155 f. Vgl. D.I.2.c)aa), S. 133 ff.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Schiedsbindung dann das Resultat einer faktischen Unterwerfung ist. Eine solche Zustimmung widerspricht nicht dem Verbandsrecht und ändert auch nichts am Charakter der statutarischen Schiedsklausel als Schiedsanordnung. e) Formvorschriften aa) Statutarische Schiedsklausel Für statutarische Schiedsklausel gelten auf Grund ihres Charakters als Satzungsbestandteile die allgemeinen Formvorschriften des Gesellschaftsrechts. Das bedeutet, dass sie bei Gründung mit der restlichen Satzung notariell beurkundet werden müssen, § 2 GmbHG, § 23 Abs. 1 S. 1 AktG (i.V.m. Art. 15 Abs. 1 SEVO241). Das gleiche gilt gem. §§ 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG, 130 Abs. 1 S. 1, 179 Abs. 1 S. 1 AktG (i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii242 bzw. Art. 53 SE-VO243,244) für die Satzungsänderung. Daneben wird zum Teil vertreten, dass im Falle der Beteiligung eines Verbrauchers an der Abstimmung bzw. Gründung auf statutarische Schiedsklauseln auch die Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO angewandt werden müsse.245 Dies würde bedeuten, dass eine statutarische Schiedsklausel von allen Gesellschaftern unterschrieben werden müsste. Nicht erfasst wäre allerdings der Ausschluss sonstiger Regelungen nach § 1031 Abs. 5 S. 3 ZPO, da dieser im Fall notarieller Beurkundungen, die bei Satzungsänderungen notwendig sind, gem. § 1031 Abs. 5 S. 3 Hs. 2 ZPO keine Anwendung findet.246 Da eine direkte Anwendung wegen der Rechtsnatur statutarischer Schiedsklauseln als Schiedsanordnungen, nicht Schiedsvereinbarungen, nach § 1066 ZPO ausgeschlossen ist, käme allenfalls eine analoge Anwendung des § 1031 Abs. 5 ZPO in Frage. Eine Analogie würde indes eine Regelungslücke voraussetzen.247 Eine solche würde nur bestehen, wenn das Gesetz keine Formvorschriften für den Abschluss statutarischer Schiedsklauseln enthielte; dies ist jedoch nicht der Fall. Allenfalls könnte man eine Regelungslücke dann bejahen, wenn die notarielle Beurkundung der Satzung eine zu geringe Schutzwirkung entfalten würde und daher die Adressaten der Schiedsanordnung auf anderem Wege geschützt werden müssten. Deshalb wäre zu prüfen, ob sich das Schutzniveau von § 1031 Abs. 5 ZPO und den sat241 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Teichmann/J. Schmidt, Art. 6 SE-VO Rn. 10 f.; MüKoAktG/ Oechsler, Art. 6 SE-VO Rn. 4. 242 Vgl. Habersack/Drinhausen/Bücker, Art. 59 SE-VO Rn. 25. 243 Vgl. Spitzbart, RNotZ 2006, 369, 386. 244 Für beide Vorschriften parallel Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Bayer, Art. 59 SE-VO Rn. 25. 245 Vgl. Schwab/Walter, Kap. 32 Rn. 6. 246 Vgl. Musielak/Voit/Voit, § 1031 ZPO Rn. 11; Hk-ZPO/Saenger, § 1031 ZPO Rn. 14. 247 Vgl. Larenz, Methodenlehre, 269 ff.
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zungsrechtlichen Schutzvorschriften überhaupt unterscheidet und ob ein solcher Unterschied gerechtfertigt werden könnte. § 1031 Abs. 5 ZPO wird die Funktion zugesprochen, dem Verbraucher den Verzicht auf sein grundrechtlich gewährtes Recht auf Justizgewähr vor Augen zu führen und davor zu warnen.248 Dieser Zweck wird im Fall des § 1031 Abs. 5 S. 3 ZPO dadurch erfüllt, dass der vom Notar beratene Verbraucher sein Recht durch eine eigenhändige Unterschrift „wegzeichnet“ und die Entscheidung so vor Augen geführt bekommt. Eine eigenhändige Unterschrift ist bei der Satzungsänderung nicht notwendig, von einem gleichartigen „Wegzeichnen“ kann also nicht die Rede sein. Dem Gesellschafter wird nicht in der gleichen Weise wie dem normalen Verbraucher der Verzicht auf den Zugang wie zu den staatlichen Gerichten vor Augen geführt. Die Schutzwirkung der §§ 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG, 130 Abs. 1 S. 1, 179 Abs. 1 S. 1 AktG (i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii bzw. Art. 53 SE-VO) steht also hinter der des § 1031 Abs. 5 ZPO zurück. Eine unterschiedliche Behandlung ist aber durchaus gerechtfertigt, da Gesellschafter, die sich mit einer Satzungsänderung befassen, nicht wie normale Verbraucher typischerweise unvorbereitet sind. Viel mehr kann man bei Satzungsänderungen allgemein davon ausgehen, dass die Gesellschafter ausreichend Möglichkeiten haben, sich bewusst und mit der nötigen Ernsthaftigkeit mit der Regelung auseinanderzusetzen, bevor sie ihre Zustimmung erteilen.249 Da alle Gesellschafter ihre Zustimmung abgeben müssen250, ist auch ein Schutz aller Gesellschafter gewährleistet. Außerdem ist der typische Anwendungsfall von § 1031 Abs. 5 ZPO die Individualvereinbarung, bei der sich die Beteiligten mit gegenläufigen Interessen gegenüberstehen, wobei jede Partei darauf achtet, ihre Interessen gegenüber der anderen durchzusetzen.251 Diese Gefahrenlage fehlt bei Gesellschaften, da sich die Mitglieder zusammengeschlossen haben, um die gleichen Interessen zu verfolgen.252 Entsprechend ist das Schutzbedürfnis der einzelnen Mitglieder geringer.253 Eine analoge Anwendung des § 1031 Abs. 5 ZPO auf statutarische Schiedsklausel ist mithin nicht notwendig. Solche Klauseln sind nur den üblichen Formerfordernissen für Satzungen nach §§ 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG, 130 Abs. 1 S. 1, 179 Abs. 1 S. 1 AktG (i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii bzw. Art. 53 SE-VO) unterworfen.
248 Vgl. BGHZ 144, 146, 148 f. („Körbuch“); Musielak/Voit/Voit, § 1031 ZPO Rn. 1; MüKoZPO/Münch, § 1031 ZPO Rn. 7; BeckOKZPO/Wolf/Eslami, § 1031 ZPO Rn. 2. 249 Vgl. BGHZ 144, 146, 149 („Körbuch“) bzgl. Verein. 250 Vgl. D.I.3.c)aa)(2), S. 164 f. 251 Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 54. 252 Vgl. Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 54. 253 Vgl. Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 55.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
bb) Annahme der Bestellung bei Bestehen einer statutarischen Schiedsklausel Denkbar wäre aber, § 1031 Abs. 5 ZPO analog auf die Erklärung der Annahme einer Bestellung anzuwenden, wenn die Satzung der bestellenden Gesellschaft eine statutarische Schiedsklausel enthält. Hiergegen sprechen zunächst dogmatische Bedenken. Die Annahmeerklärung ist zwar ein einseitiges Rechtsgeschäft254, ihr Inhalt ist aber nicht auf die Herbeiführung einer Schiedsbindung gerichtet. Die Herbeiführung der Schiedsbindung ist vielmehr nur die Folge der mit Annahme verbundenen Erlangung der Organstellung.255 Anders als bei der Schiedsvereinbarung, die § 1031 Abs. 5 ZPO regelt, ist die Herbeiführung der Schiedsbindung nicht Ziel des Rechtsgeschäfts, sondern nur die Folge. Die Schiedsbindung selbst entsteht automatisch und nicht rechtsgeschäftlich, sodass §§ 125 BGB, 1031 Abs. 5 ZPO nicht greifen. Im Übrigen wird vor den Risiken einer Organstellung auch sonst nicht gewarnt, weder durch Formerfordernisse noch durch einen Notar – obwohl die Organstellung mit erheblichen Haftungsrisiken verbunden ist.256 Warum gerade die Schiedsbindung eine Sonderrolle erfahren soll, erschließt sich nicht. Ein typisches Organmitglied wird vor der Annahme der Bestellung die Satzung lesen257 und sich dadurch die spätere Schiedsbindung vor Augen führen. Es besteht somit kein Erfordernis für eine analoge Anwendung des § 1031 Abs. 5 ZPO auf die Annahme der Bestellung als Organmitglied.258 Daraus folgt, dass die Annahme einer Bestellung nicht der Form des § 1031 Abs. 5 ZPO bedarf. Es gelten somit die allgemeinen Regeln. Eine Annahme der Bestellung ist demnach auch bei Vorliegen einer statutarischen Schiedsklausel konkludent und formlos259 möglich. cc) Zustimmung des Organmitglieds Anders als bei der Annahme der Bestellung entsteht bei der Zustimmung zu einer satzungsändernden Schiedsklausel die Schiedsbindung jedenfalls durch Rechtsgeschäft, sodass eine Analogie des § 1031 Abs. 5 ZPO eher in Frage käme. Allerdings fehlt es an der für Analogie notwendigen vergleichbaren Interessenlage. Selbst wenn man annimmt, dass Organmitglieder im Zeitpunkt der Abgabe grundsätzlich unter
254
Vgl. Kap. D. Fn. 222. Vgl. D.I.3.d)aa), S. 172. 256 G. v. Jhering, Wirkung von Schiedsvereinbarungen, Schiedsklauseln und Schiedssprüchen, 180. 257 Vgl. Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 6 GmbHG Rn. 47. 258 Vgl. auch Herresthal, ZIP 2014, 345, 353. 259 Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 35 GmbHG Rn. 31. 255
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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den Verbraucherbegriff des § 13 BGB fallen260, so befindet es sich doch bei Abgabe der Annahmeerklärung nicht in der für das Verbraucherrecht typischen Situation einer strukturellen Unterlegenheit gegenüber der Gesellschaft, da es über die Geschehnisse in der Gesellschaft regelmäßig informiert ist. Die Anwendung des § 1031 Abs. 5 ZPO erfüllt ihre Warnfunktion überdies dadurch, dass die Schiedsvereinbarung auf einem separaten Dokument aufgeführt wird und dadurch nicht in den AGB versteckt werden kann.261 Bei einer Zustimmung ist eine solches Vergraben aber ohnehin nicht denkbar. Das Organmitglied erklärt seine Erklärung nicht zur Satzung, in der eine Schiedsklausel „vergraben“ ist, sondern er erklärt seine Zustimmung zu einer konkreten Satzungsbestimmung. Ohne konkrete Bezugnahme auf eine statutarische Schiedsklausel ist eine Zustimmung also gar nicht denkbar. Wenn man also – wie Thümmel – fordern will, dass eine Unterwerfung unter das Schiedsgericht immer eine den Formvorschriften des § 1031 Abs. 5 ZPO entsprechenden Willensakt des Organmitglieds erfordert262, dann geht dies zu weit, da die Schutzrichtung des § 1031 Abs. 5 ZPO nicht berührt wird. Es bedarf daher für das Organmitglied nicht des besonderen Schutzes von § 1031 Abs. 5 ZPO. Daher gelten die allgemeinen Grundsätze. Im Umkehrschluss aus § 125 S. 1 BGB ergibt sich, dass Rechtsgeschäfte grundsätzlich formlos gültig sind, es sei denn, das Gesetz ordnet eine bestimmte Form an. Da § 1031 Abs. 5 ZPO nicht greift und andere Formvorschriften nicht in Sicht sind, ist also die Zustimmung grundsätzlich formlos gültig. Allein aus Beweisgründen ist es allerdings geboten, die Zustimmung zu verschriftlichen. Entsprechend § 125 S. 2 BGB kann auch die statutarische Schiedsklausel selbst die Wirksamkeit der Zustimmung von einer bestimmten Form abhängig machen. dd) Zwischenergebnis Für statutarische Schiedsklauseln gelten bei Einführung in den Gesellschaftsvertrag bei Gründung, bzw. im Falle einer Satzungsänderung die allgemeinen Formvorschriften der §§ 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG, 130 Abs. 1 S. 1, 179 Abs. 1 S. 1 AktG (i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii bzw. Art. 53 SE-VO263). Eine analoge Anwendung des § 1031 Abs. 5 ZPO ist nicht geboten. Die Annahme der Bestellung auf eine Organstellung ist auch dann konkludent und formlos möglich, wenn die Satzung eine Schiedsklausel enthält. Die Zustimmung des Organmitglieds zu einer Schieds-
260
Zur Verbrauchereigenschaft von Organmitgliedern nach § 13 BGB vgl. E.II.1.b) aa)(1)(a), S. 234. 261 Vgl. Musielak/Voit/Voit, § 1031 ZPO Rn. 11; Weihe, Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 155 ff. 262 Thümmel, FS Schütze (2014), 633, 641. 263 Vgl. Kap. D. Fn. 242, 243, 244.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
klausel, die mit Satzungsänderung eingefügt wurde, ist ebenso formlos gültig, die Satzung kann aber nach § 125 S. 2 BGB ein Formerfordernis daran knüpfen. 4. Personale Reichweite: Bindung von Organmitgliedern Dass eine Person von einer Schiedsanordnung nach § 1066 ZPO erfasst wird, hat – wie dargelegt264 – zwei Voraussetzungen. Die erste ist, dass die Person die Eigenschaft hat, an welche die Schiedsanordnung die Schiedsbindung anknüpft – dies muss etwas Anderes sein als die freiwillige Unterwerfung (das Vorliegen freiwilliger Unterwerfung schadet aber nicht). Die zweite ist, dass die Anordnung der Schiedsbindung für diese Person „in gesetzlich statthafter Weise“ erfolgt ist. Damit eine statutarische Schiedsklausel also Wirkung für Organmitglieder entfaltet, muss mit dieser zunächst eine Schiedsbindung der Organmitglieder intendiert sein. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei die Auslegung getreu dem Wortlaut der Bestimmung vorzunehmen ist265. Darüber hinaus muss die für die Schiedsbindung von Organmitglieder in gesetzlich statthafter Weise angeordnet sein. Das bedeutet nur, dass die soeben dargestellten Kriterien erfüllt sein müssen. Die Schiedsbindung an eine statutarische Schiedsklausel tritt richtigerweise „infolge der Begründung des korporationsrechtlichen Rechtsverhältnisses“266, „kraft ihrer Organstellung“267 oder „kraft Verbandsrecht“268 ein, allerdings deshalb, weil dadurch die Eigenschaft, ein Organmitglied zu sein, begründet wird. An diese Eigenschaft knüpft die statutarische Schiedsklausel an. Sind die Voraussetzungen erfüllt, die an eine Schiedsklausel mit Wirkung für Organmitglieder zu stellen sind, dann sind sie gebunden. 5. Zeitraum der Schiedsbindung Um zu bestimmen, für welchen Zeitraum eine statutarische Schiedsklausel Wirkung für die Organmitglieder entfalten kann, muss zwischen einer Satzungsänderung ohne Zustimmungsvorbehalt [a)], einer Satzungsänderung mit Zustimmungsvorbehalt [b)] und dem Fall, dass die Schiedsklausel schon bei der Annahme der Bestellung durch das Organmitglied in der Satzung enthalten war [c)], unterschieden werden.
264
Vgl. D.I.2.c)aa), S. 133. Zur Einzelheiten über die Auslegung von Satzungsbestimmungen vgl. MüKoAktG/ Pentz, § 23 AktG Rn. 49 ff. 266 Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 5. 267 Benedict/Gehle/U. Schmidt, in: MünchHdbGesR Bd. 7, § 144 Rn. 55. 268 Umbeck, SchiedsVZ 2009, 143, 146; Bechte-Horbach, Schiedsverfahren bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten, 91 f. 265
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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a) Satzungsänderung ohne Zustimmungsvorbehalt Eine statutarische Schiedsklausel ohne Zustimmungsvorbehalt entfaltet nur für bestimmte gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und ihren Organmitgliedern Wirkung. Da sich ihre Legitimation aber allein aus dem gesellschaftlichen Interesse speist – und nicht aus dem Einverständnis des Organmitglieds –, muss es für das Wirksamwerden der Schiedsklausel ausreichen, dass die satzungsrechtlich typischerweise notwendigen Schritte für die Wirksamkeit von Satzungsbestimmungen gemacht werden. Wird eine statutarische Schiedsklausel mit Wirkung für Organmitglieder nach deren Beitritt durch eine Satzungsänderung eingefügt, beginnt ihre Wirksamkeit in dem Zeitpunkt, in welchem die Satzungsänderung an sich wirksam wird. Dies ist gem. §§ 54 Abs. 3 GmbHG, 181 Abs. 3 AktG (i.V.m. Artt. 59 Abs. 3, 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO269) der Zeitpunkt der konstitutiven Eintragung ins Handelsregister, sofern keine aufschiebende Bedingung aufgenommen wurde. Die Schiedsbindung endet mit Beendigung der Organstellung, da eine andere Regelung mit dem Recht des Organmitglieds auf Justizgewähr nicht vereinbar wäre.270 Endet die Amtsstellung im laufenden Schiedsverfahren, muss das Schiedsgericht demnach gem. §§ 1056 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2, 1066 ZPO271 das Verfahren durch Beschluss beenden, sodass auch eine begründete Schiedsklage durch Amtsniederlegung beendet werden kann.272
269
Vgl. Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Bayer, Art. 59 Abs. 3 SE-VO Rn. 24 m.w.N. Vgl. D.I.3.b)cc)(3)(b)(aa), S. 155 ff.; verkürzt daher Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 14, soweit sie sich auf statutarische Schiedsklauseln beziehen. 271 Nach wohl h.M. liegt bei Erlöschen der Schiedsvereinbarung Unmöglichkeit im Sinne des § 1056 Abs. 2 Nr. 3 ZPO vor, vgl. BT-Drs. 13/5274, 57; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1056 ZPO Rn. 29; BeckOKZPO/Wilske/Markert, § 1056 ZPO Rn. 10; Musielak/Voit/Voit, § 1056 ZPO Rn. 7; Entsprechendes muss auch bei einem Wegfall der Schiedsanordnung gem. § 1066 ZPO gelten. Nach a.A. muss das Schiedsgericht stattdessen das Verfahren nach § 1059 ZPO durch einen Prozessschiedsspruch entscheiden, vgl. Haas, SchiedsVZ 2010, 286, 293; MüKoZPO/Münch, § 1056 ZPO Rn. 33. 272 Der Beschluss über die Verfahrensbeendigung kann gem. §§ 1056 Abs. 3, 1057 Abs. 2 ZPO mit einer Kostenentscheidung verbunden werden. Bei einer Einstellung wegen § 1056 Abs. 2 Nr. 3 ZPO muss darauf abgestellt werden, aus wessen Sphäre die Unmöglichkeit herrührt, vgl. Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1057 ZPO Rn. 9 im Hinblick auf die Untätigkeit einer Partei (die zweite Auflistung von § 1056 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in Rn. 9 ist wohl ein Tippfehler, gemeint ist wohl Nr. 3). Wenn also eine Partei die Unmöglichkeit alleine herbeiführt, kann der Kostenentscheid regelmäßig zu ihren Lasten ergehen. Versucht eine Partei daher durch Niederlegung des Amtes oder Widerruf der Bestellung das Schiedsverfahren scheitern zu lassen, muss sie damit rechnen, die Kosten tragen zu müssen. 270
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D. Statutarische Schiedsklauseln
b) Satzungsänderung mit Zustimmungsvorbehalt Enthält die durch Satzungsänderung eingefügte statutarische Schiedsklausel einen Zustimmungsvorbehalt, kommt es darauf an, wann die Zustimmung erteilt wurde. Wurde die Zustimmung bereits vor der Satzungsänderung gegeben, dann ist das Organmitglied ebenfalls vom Wirksamwerden der Satzungsänderung nach §§ 54 Abs. 3 GmbHG, 181 Abs. 3 AktG (i.V.m. Artt. 59 Abs. 3, 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO) an schiedsgebunden, da mit Wirksamwerden alle Voraussetzungen vorliegen. Wann die Schiedsbindung endet, hängt von der Formulierung der Schiedsklausel ab. Sollte die Schiedsklausel keine Aussage über die Dauer enthalten, dann muss die Schiedsbindung ebenfalls mit Wegfall des Amtes entfallen, da in dem Zeitpunkt die statutarische Bindung endet. Enthält die Klausel die Aussage, dass die Schiedsbindung über das Ende der Amtsstellung hinaus Wirkung entfalten soll, was nur mit Zustimmung des Organmitglieds zulässig ist, dann gilt die Schiedsbindung somit fort. Eine entsprechende Ausgestaltung der Schiedsklausel ist aus Sicht der Gesellschaft gerade im Hinblick auf organschaftliche Erstattungsansprüche empfehlenswert. Diese werden typischerweise nach dem Ausscheiden der Organe erhoben, also in einem Zeitpunkt, in dem – wenn es an einer Schiedsvereinbarung fehlt – nur eine entsprechend formulierte statutarische Schiedsklausel die Streitigkeiten erfassen kann. Und wenn die Klage doch noch während der Amtszeit beginnt, gäbe man dem beklagten Organmitglied die Möglichkeit, durch eine Amtsniederlegung einen Beschluss des Schiedsgerichts nach §§ 1056 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2, 1066 ZPO273 herbeizuführen und so auch eine begründete Klage scheitern zu lassen. Die DIS-Musterschiedsklausel für Gesellschaftsverträge enthält bereits eine ähnliche Formulierung für ausgeschiedene Gesellschafter.274 Bedenken gegen die Zulässigkeit einer solchen Fortwirkungsklausel könnten sich aber aus folgender Erwägung heraus ergeben: Zwar bedarf es keiner Legitimation statutarischer Schiedsklauseln im Hinblick auf das Recht auf Justizgewähr, wenn der Adressat der Schiedsklausel zugestimmt hat.275 Allerdings könne man überlegen, dass die Möglichkeit von Gesellschaftern und Gesellschaften, Schiedsklauseln mit Anordnungswirkung in ihre Satzung aufzunehmen, eine Privilegierung der Gesellschaften gegenüber sonstigen Personen im Rechtsverkehr darstellt, die zur Erlangung einer Schiedsbindung regelmäßig eine Vereinbarung nach § 1029 ZPO abschließen müssen, an die andere Formvorschriften geknüpft sind276. Eine solche Privilegierung gegenüber sonstigen Personen ließe sich bei gesellschaftsinternen Streitigkeiten wiederum durch die Vereinigungsfreiheit rechtfertigen, allerdings ist ein Organmitglied nach Beendigung des Amtsverhältnisses nicht mehr gesell273 274 275 276
Vgl. Kap. D. Fn. 271. Vgl. Kap. D. Fn. 1. Vgl. D.I.3.b)cc)(2)(c)(aa), S. 148. Vgl. D.I.3.e), S. 176.
I. Allgemeine Erwägungen zu statutarischen Schiedsklauseln
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schaftsrechtlich an die Gesellschaft gebunden. Folglich könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass Klagen, die nach der Beendigung erhoben werden, keine gesellschaftsinternen Streitigkeiten darstellen und über sie daher, wie für jedermann, Schiedsvereinbarungen nach § 1029 ZPO geschlossen werden müssen. Die einzigen gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten, die auch noch nach der Beendigung der Amtsstellung ausgetragen werden können, sind allerdings solche über organschaftliche Erstattungsansprüche, insbesondere wegen Organpflichtverletzungen. Bei den Informationsansprüchen und Beschlussmängelstreitigkeiten endet die Klagebefugnis mit Verlust der Organstellung. Organschaftliche Erstattungsansprüche entstehen aber dem Grunde nach immer während der Amtszeit, da die Organstellung Anspruchsvoraussetzung ist. Ihrer Art nach basieren sie auf dem gesellschaftsrechtlichen Bestellungsverhältnis, was sich nicht dadurch ändert, dass dieses endet. Somit ist die Schiedsvereinbarung über sie weiterhin von der Vereinigungsfreiheit abgedeckt. Die Aufnahme einer Fortwirkungsregelung in einer statutarischen Schiedsklausel mit Wirkung für Organmitglieder ist daher ratsam. Solange es an der Zustimmung fehlt, diese also noch nicht abgegeben oder verweigert wurde, ist die Schiedsklausel teilweise schwebend unwirksam. Einer vollständigen Unwirksamkeit im Falle fehlender Zustimmung (wie sie bei Gesellschaftern anzunehmen wäre277) widerspricht es, dass die statutarische Schiedsklausel ihre Legitimation (anders als bei Gesellschaftern) nicht allein aus der privatautonomen Entscheidung der Organmitglieder zieht, sondern auch aus dem von Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Interesse der Gesellschaft. Fehlt es also an der Zustimmung, dann muss die Schiedsklausel immerhin ihre Wirkung soweit entfalten, wie es ohne Zustimmung möglich ist. Somit gilt das zuvor bezüglich einer Satzungsänderung ohne Zustimmungsvorbehalt Gesagte. c) Schiedsklausel bei Annahme der Bestellung Wenn die Schiedsklausel schon bestand, bevor das Organmitglied seine Bestellung angenommen hat, ist die Zeitspanne eindeutig zu bestimmen. In diesem Fall können vor Annahme ohnehin keine gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten aus der Organstellung bestehen, während alle Streitigkeiten nach der Annahme von der Schiedsklausel gedeckt sind, wie es bei einer statutarischen Schiedsklausel mit Zustimmungsvorbehalt der Fall ist, da man die Annahme der Bestellung als eine entsprechende Zustimmung ansehen kann278.
277 278
Vgl. D.I.3.c)aa)(2), S. 164. Vgl. D.I.3.b)cc)(2)(c)(aa), S. 148.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
6. Resümee und Zwischenergebnis Ist in der Satzung einer Kapitalgesellschaft ein „Schiedsgericht“ vereinbart, dann handelt es sich nur um ein Schiedsgericht im Sinne der ZPO, wenn es eine rein streitentscheidende Funktion hat. Wenn es geschäftliche Entscheidungen fällen soll, ist es ein Gesellschaftsorgan und unterfällt nicht den §§ 1025 ff. ZPO. Die Aufnahme einer Schiedsklausel in eine Satzung stellt eine Schiedsanordnung im Sinne des § 1066 ZPO dar. Schiedsanordnungen im Sinne des § 1066 ZPO sind alle Schiedsgrundlagen, die für die personale Reichweite an einem anderen Kriterium als der freiwilligen Unterwerfung anknüpfen. Liegt dennoch eine freiwillige Unterwerfung vor, so ändert dies nichts am Charakter der Schiedsgrundlage als Schiedsanordnung, solange sie nicht der Anknüpfungspunkt ist. Die materiell-rechtliche Legitimation für eine Schiedsanordnung in einer Gesellschaftssatzung ergibt sich aus der Satzungsautonomie. Die Reichweite von Schiedsanordnungen ist durch § 138 BGB oder § 241 Nr. 4 AktG (analog) beschränkt. Die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte im Rahmen einer mittelbaren Drittwirkung führt dazu, dass der Justizgewährungsanspruch der Adressaten gegen die Vereinigungsfreiheit der Anordnenden abgewogen werden muss. Schiedsanordnungen, die ihre Wirkung nur bei freiwilliger Unterwerfung entfalten, sind unbedenklich. Bei allen anderen muss das Interesse der Gesellschaft an der Verfahrensgestaltung gegen das Interesse des Adressaten, selbst Herr des Verfahrens zu sein, abgewogen werden. Maßstab für dieses Interesse ist der Grad der persönlichen Betroffenheit, der mit der zu erfassenden Streitigkeit einhergeht. Eine pauschale Abwägung kann wegen der unterschiedlichen Interessengewichtungen gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten nicht angenommen werden. Streitigkeiten, die nicht gesellschaftsrechtlicher Art sind, können nie von einer statutarischen Schiedsklausel erfasst werden. Wird eine statutarische Schiedsklausel durch Satzungsänderung aufgenommen, ist hinsichtlich der Stimmerfordernisse zu unterscheiden: Gilt sie nur für Organmitglieder, genügt eine satzungsändernde Mehrheit. Soll sie auch die Gesellschafter erfassen, muss sie einstimmig aufgenommen werden. Bei einer Aufnahme im Gründungsstadium liegt immer Einstimmigkeit vor. Das Organmitglied kann der Schiedsklausel zustimmen, wenn sie während seiner Amtszeit aufgenommen wurde. Diese Zustimmung ist ein Rechtsgeschäft, welches Auswirkungen auf den Zeitraum der Schiedsbindung haben kann. Die Auswirkungen auf die sachliche Reichweite der Schiedsklausel werden zu prüfen sein. Die Annahme einer Organstellung in einer Gesellschaft mit einer statutarischen Schiedsklausel kann zwar nicht als rechtsgeschäftliche Zustimmung gewertet werden; es liegt insoweit aber eine gleichwertige, faktische Unterwerfung vor. Für statutarische Schiedsklauseln gelten die gleichen Formvorschriften wie für alle anderen Satzungsbestimmungen. Weder die Zustimmung noch die faktische Unterwerfung durch Annahme einer Organstellung sind formbedürftig.
II. Besonderheiten bei der GmbH
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Die Wirkung einer statutarischen Schiedsklausel endet grundsätzlich mit Niederlegung des Amtes. Liegt eine Zustimmung oder eine faktische Unterwerfung durch Annahme der Organstellung vor, dann kann eine statutarische Schiedsklausel bei entsprechender Ausgestaltung ihre Wirkung aber auch darüber hinaus entfalten.
II. Besonderheiten bei der GmbH Die sachliche Reichweite einer Schiedsklausel bedeutet im Folgenden, welche Streitigkeiten sie abdeckt, also für welche Streitigkeit das Schiedsgericht auf Basis der Schiedsklausel zuständig ist. Die Entscheidung darüber trifft das Schiedsgericht gem. §§ 1040 Abs. 1 S. 1, 1066 ZPO auf Basis der Schiedsklausel selbst. Dabei wird es sich vor allem auf die Formulierung stützen, welche die Schiedsklausel verwendet. So werden in statutarischen Schiedsklausel typischerweise alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsvertrag und über sein Bestehen dem Schiedsgericht übertragen.279 Im Folgenden soll geprüft werden, was die maximale Reichweite ist, die eine statutarische Schiedsklausel für Organmitglieder haben darf. Wo genau die Grenzen verlaufen, hängt davon ab, ob die Klausel ohne (1.) oder mit (2.) Zustimmung des Organmitglieds aufgenommen wurde. 1. Statutarische Schiedsklausel ohne Zustimmung des Organmitglieds Wie bereits im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben herausgearbeitet wurde280, kann eine statutarische Schiedsklausel ohne Zustimmung des Organmitglieds nur für ausgewählte Streitigkeiten Wirkung entfalten. Dazu gehören nur solche gesellschaftsrechtlichen – und nicht schuldrechtlichen – Streitigkeiten, bei denen das Interesse der Gesellschaft an einer Schiedsanordnung das eigene Interesse der Organmitglieder an der Wahl der staatlichen Gerichte überwiegt. Maßstab für das Eigeninteresse an der Verfahrensgestaltung ist der Grad der persönlichen Betroffenheit der Organmitglieder. Im Folgenden müssen daher für alle Streitigkeiten die Interessen der Organmitglieder gegen die Interessen der Gesellschaft abgewogen werden.
279 280
Vgl. Kap. D. Fn. 1 für Musterbeispiele. Vgl. D.I.3.b)cc)(3)(a), S. 153.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
a) Organschaftliche Erstattungsansprüche/„Entlastungsklage“ Klagen zur Geltendmachung organschaftlicher Erstattungsansprüche betreffen in erheblicher Weise die individuellen Interessen der Organmitglieder. Als Beklagte müssen sie für Ansprüche der Gesellschaft mit ihrem gesamten Vermögen und unter Umständen ihrer Reputation einstehen. Mithin haben sie ein erhebliches Interesse daran, die Gestaltung des Verfahrens nicht aus der Hand zu geben. Ein Interesse der Gesellschaft mag darin bestehen, dass in Organhaftungsklagen auch Unternehmensinterna an die Öffentlichkeit gelangen können, was nur durch die Vertraulichkeit der Schiedsgerichtsbarkeit verhindert werden kann. Hinsichtlich der Organhaftung liegt kein für Schiedsanordnungen typisches Interessen- und Gestaltungsmachtgefälle281 vor. Dort, wo beide Seiten in gleicher Weise Interesse an der Ausgestaltung des Verfahrens haben, kann nicht eine Seite diese durch einseitige Schiedsanordnung an sich reißen. Für solche Fälle ist gerade die Schiedsvereinbarung geschaffen. Da es am überwiegenden Interesse der Gesellschaft fehlt, kann eine statutarische Schiedsklausel ohne Zustimmung der Organmitglieder keine Organhaftungsansprüche erfassen.282 Da die „Entlastungsklage“ nur eine prozessuale Umkehr der Organhaftungsklage darstellt, muss diese genauso behandelt werden. Daher kann eine statutarische Schiedsklausel ohne Zustimmung des Organmitglieds diese auch nicht erfassen. b) Beschlussmängelstreitigkeiten in einer GmbH Damit eine Beschlussmängelstreitigkeit in einer GmbH von einem Schiedsgericht verhandelt werden kann, muss die statutarische Schiedsklausel analog § 248 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1 S. 1 AktG eine Rechtskrafterstreckung auf alle Gesellschafter, die Gesellschaft und die Mitglieder der Organe anordnen und inhaltlich den bereits erarbeiteten Kriterien entsprechen.283 Das bedeutet insbesondere, dass die Erstreckung der Schiedsklausel auf Organmitglieder gewährleistet ist. Hier kommt es ebenfalls darauf an, ob das Interesse des Organmitglieds an der Ausgestaltung des Verfahrens hinter dem gegenläufigen Interesse der Gesellschaft zurückstehen muss. Zur Bestimmung des Grades der persönlichen Betroffenheit des Organmitglieds bei Anfechtungsklagen muss erneut auf den Zweck der Klagerechte der Organmitglieder rekurriert werden. Dabei ist zwischen dem Anfechtungsrecht von Fremdgeschäftsführern in Einpersonen-GmbHs nach § 245 Nr. 4 AktG analog [aa)], von sonstigen Geschäftsführern nach § 245 Nr. 5 AktG analog [bb)] und der Nichtigkeitsklage nach § 249 Abs. 1 S. 1 AktG analog zu unterscheiden [cc)].
281
Vgl. D.I.3.b)cc)(3)(b)(aa), S. 155. Ähnlich Umbeck, SchiedsVZ 2009, 143, 146, die aber für eine Abwägung im Einzelfall plädiert. 283 Vgl. C.II.1.b)cc)(2)(e)(cc), S. 75 ff. 282
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aa) § 245 Nr. 4 AktG analog Die für Fremdgeschäftsführer von Einpersonen-GmbHs geltende Anfechtungsbefugnis aus § 245 Nr. 4 AktG analog dient allein dem allgemeinen Rechtmäßigkeitsinteresse und mithin nicht dem Schutz des Geschäftsführers.284 Es handelt sich – wie sich aus der Analogie zu § 245 Nr. 4 AktG ergibt – nicht um ein Individual-, sondern um ein Organrecht. Gibt es mehrere Geschäftsführer, müssen diese somit zusammen tätig werden – ebenso wie der Vorstand. Organe sind kraft ihre Funktion als Teil der Gesellschaft an Schiedsklauseln in der Satzung gebunden und müssen nicht gesondert aufgeführt werden.285 bb) § 245 Nr. 5 AktG analog Das Klagerecht der individuellen Organmitglieder nach § 245 Nr. 5 AktG analog ist hingegen ein Individualrecht. Entsprechend ist nicht das Organ als solches klageberechtigt, eine Bindung qua Funktion kommt daher nicht in Frage. Da die Organmitglieder selbst als Person klageberechtigt und damit Partei des Verfahrens sind, müssen sie auch als Person von der Klausel erfasst werden.286 Die Anfechtungsbefugnis aus § 245 Nr. 5 AktG analog hat eine dreifache Funktionen: Sie dient der Auflösung von Zweifelsfragen hinsichtlich der Befolgungspflicht von Gesellschafterbeschlüssen, der Rechtmäßigkeitskontrolle bei besonderen Gesetzesverstößen im allgemeinen Interesse und Gesellschaftsinteresse, sowie der Gewährleistung rechtmäßigen Verhaltens der Organmitglieder.287 Eine Anfechtungsklage dient wegen ihrer Zweifelbereinigung zwar auch dem Interesse der Organmitglieder, die von der Rechtsklarheit natürlich profitieren. Darüber hinaus sind aber keine subjektiven Rechte und Pflichten des Organmitglieds betroffen, die unmittelbar über ihre gesellschaftsrechtlichen Pflichten als Organmitglied hinausgehen. Dies erkennt man daran, dass sowohl bei Erfolg als auch Misserfolg der Klage tatsächlich nur die Klarheit über die Befolgungspflicht des Beschlusses geschaffen wurde. Der Grad der persönlichen Betroffenheit des Organmitglieds bei der Anfechtungsklage ist demnach gering. Ein besonderes Interesse des Organmitglieds an der Regelung des Verfahrens kann auch nicht ausgemacht werden. Sowohl ein staatliches Gericht wie auch ein Schiedsgericht wären bei einer Beschlussmängelstreitigkeit entweder direkt oder auf Grund einer dies zwingend festschreibenden Regelung in der Schiedsgrundlage den §§ 241 ff. AktG analog unterworfen. Das Verfahren vor den Schiedsgerichten darf bei Beschlussmängelstreitigkeiten wegen der aufgezeigten Gleichwertigkeitserfordernisse in entscheidenden Fragen nicht anders arbeiten als ein Gericht. Somit 284 285 286 287
Vgl. C.II.1.b)cc)(1)(a)(ff), S. 47. Vgl. C.II.1.c)ff)(3)(a), S. 90. Vgl. C.II.1.b)cc)(2)(e), S. 65. Vgl. C.II.1.b)cc)(1)(a)(ff), S. 47.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
entsteht dem Organmitglied durch die Anordnung eines Schiedsgerichts kein wesentlicher Nachteil. Die Gesellschaft, als gem. § 246 Abs. 2 S. 1 AktG analog Beklagte der Anfechtungsklage, sowie die Gesellschafter (also die tatsächlich die Schiedsklausel einführende Personen) haben ein Interesse, gerade die Klärung der von § 245 Nr. 5 AktG analog erfassten Beschlussmängel vertraulich zu behandeln. Solange eine dem staatlichen Gericht gleichwertige Form der Klärung gewährleistet ist, ist dieses Interesse auch nicht verwerflich. Diese Vertraulichkeit bietet nur das Schiedsverfahren.288 Überdies erlaubt das Schiedsverfahren eine bessere Spezialisierung der Schiedsrichter, was gerade auch im Hinblick auf die nach § 245 Nr. 5 AktG genannten Fälle relevant ist. Es wäre so denkbar, dass bei einer behaupteten Strafbarkeit der Durchführung etwa ein strafrechtlich bewanderter Schiedsrichter berufen wird, während bei einer behaupteten Ordnungswidrigkeit ein Experte hierfür ins Schiedsgericht berufen wird. Da das Klagerecht nach § 245 Nr. 5 AktG auch eindeutig im Gesellschaftsinteresse besteht, ist es ebenso im Interesse der Gesellschaft, dass bei der Ausübung des Klagerechts die Streitigkeit besonders gründlich überprüft wird. Es sprechen somit keine besonderen Interessen gegen eine Anordnungswirkung für das Organmitglied. Die Gesellschaft hingegen hat ein Interesse an der Anordnung des Schiedsgerichts. Daher können statutarische Schiedsklauseln über Beschlussmängelstreitigkeiten das Organmitglied grundsätzlich auch erfassen, wenn es der Wirkung nicht zustimmt. cc) § 249 Abs. 1 S. 1 AktG analog Organmitglieder sind nach § 249 Abs. 1 S. 1 AktG analog voraussetzungslos zur Erhebung der Nichtigkeitsklage befugt.289 Auf Basis des bereits Gesagten kann dieser Klageberechtigung eine doppelte Funktion zugewiesen werden. Sie kann in bestimmen Situationen die gleiche Funktion wie eine Anfechtungsklage erfüllen, also gerade der Ausräumung von Rechtmäßigkeitszweifeln, der Rechtmäßigkeitskontrolle bei besonderen Gesetzesverstößen im allgemeinen und Gesellschaftsinteresse, sowie der Gewährleistung von rechtmäßigem Verhalten der Organmitglieder dienen. Eine Nichtigkeitsklage kann in einer ähnlichen Situation erhoben werden wie eine Anfechtungsklage und insoweit dem gleichen Zweck dienen. Vor dem Hintergrund dieser Funktionen ist die Erstreckung einer statutarischen Schiedsklausel auf die Organmitglieder bezüglich der Nichtigkeitsklage genauso gerechtfertigt wie bei der Anfechtungsklage.
288 289
Vgl. B.I., S. 26. Vgl. C.II.1.b)cc)(1)(b), S. 53.
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Anders als bei der Anfechtungsklage muss die Nichtigkeitsklage aber nicht in einer Situation erhoben werden, in welcher vermeintliche organschaftliche Pflichten betroffen sind. Vielmehr kann jeder Gesellschafterbeschluss betroffen sein. Insoweit hat die Nichtigkeitsklage die Funktion eines allgemeinen Rechtsbeanstandungsverfahrens.290 Hier ist der Grad der personalen Betroffenheit durch das Organmitglied noch geringer, sodass es erst Recht keine Gründe gibt, die gegen eine Anordnung der Schiedsbindung durch die Gesellschaft sprechen. Somit erstreckt sich eine statutarische Schiedsklausel auch ohne Zustimmung des Organmitglieds auf die Nichtigkeitsklage. dd) Kosten Ein Problem, dass sich nicht direkt im Schiedsverfahren stellt, aber im Anschluss daran, sind die Kosten. Diese sind jedenfalls in nationalen Schiedsverfahren regelmäßig höher als die Kosten von Gerichtsverfahren.291 Das ist bedenklich, denn dort, wo das Kostenrisiko des Klägers außer Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Erfolg steht, den er für sich persönlich erstrebt, kommt eine Verletzung des Justizgewährungsanspruches in Frage, und zwar auch dann, wenn seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dadurch nicht überschritten wird.292 Wenn dem Organmitglied durch die statutarische Schiedsklausel die typischerweise höheren Kosten des Schiedsverfahrens zugemutet werden, dann könnte sie wegen eines Verstoßes gegen den Justizgewährungsanspruch gem. § 138 BGB nichtig sein. Der Verstoß würde dann nicht daraus resultieren, dass der Zugang zu den staatlichen Gerichten verwehrt wäre – insofern wäre der Eingriff nämlich gerechtfertigt –, sondern daraus, dass der Zugang zu irgendeiner Form von Rechtsschutz an zu hohe Anforderungen geknüpft wäre. Für das Aktienrecht ist anerkannt, dass ein Organmitglied für Klagen nach § 245 Nr. 5 AktG zwar selbst die Kosten des Gerichtsverfahrens tragen muss.293 Dennoch kann es von der AG gem. §§ 675, 670 BGB Ersatz verlangen, wenn die Klage zu Beginn zumindest gewisse Erfolgsaussichten hatte, da die Klage dann zumindest auch im Interesse der Gesellschaft geführt wurde294. Analog § 669 BGB kann das klagende Verwaltungsmitglied sogar einen Vorschuss auf die von ihm aufzuwen-
290 Vgl. zur AG M. Schwab, Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 287 ff.; auch Radu, ZIP 1992, 303, 310; Pflugradt, Leistungsklage, 65 ff. 291 Vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 4671 ff. 292 Vgl. BVerfGE 85, 337, 347; auch MüKoAktG/Hüffer/Schäfer, § 247 AktG Rn. 4. 293 Vgl. Hölters/Englisch, § 245 AktG Rn. 48; Hüffer/Koch, § 245 AktG Rn. 41. 294 Ausführlich Dänzer-Vanotti, BB 1985, 1632 ff.; vgl. Hölters/Englisch, § 245 AktG Rn. 48; MüKoAktG/Hüffer/Schäfer, § 245 AktG Rn. 76; K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 245 AktG Rn. 38; auch Fonk, NZG 2009, 691.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
denden Kosten verlangen.295 Diese Ansprüche sind nur ausgeschlossen, wenn die Klage offenkundig aussichtslos ist.296 Inwieweit diese Ansprüche auch bei der Nichtigkeitsklage bestehen, wird nicht ausdrücklich diskutiert. Führt man sich allerdings vor Augen, dass die Nichtigkeitsklage ebenso wie die Anfechtungsklage wenigstens auch einem Rechtmäßigkeitsinteresse der Gesellschaft dient297, wird man auch nicht um die Anerkennung der gleichen Ansprüche herumkommen. Diese Ansprüche können eins zu eins auf die GmbH übertragen werden, in der das Anfechtungsrecht nach § 245 Nr. 5 AktG analog und das Recht Nichtigkeitsklage zu erheben ebenso wie bei der AG auch dem Gesellschaftsinteresse dienen. Will also ein Organmitglied vor einem Schiedsgericht klagen, kann es für die mit der Klage verbundenen Aufwendungen sowohl einen Vorschuss verlangen als auch im Falle einer Niederlage die Kosten des Verfahrens von der GmbH erstattet bekommen. Die Kosten für das Schiedsverfahren sind zwar höher als die des staatlichen Verfahrens. Da sich das Organmitglied diese aber regelmäßig von der Gesellschaft ersetzen lassen kann, ergeben sich hieraus keine Schranken. ee) Zwischenergebnis Eine statutarische Schiedsklausel kann auch ohne Zustimmung der Organmitglieder für alle Formen von Beschlussmängelstreitigkeiten in der GmbH angeordnet werden. Für die Kosten des Prozesses muss regelmäßig die GmbH aufkommen. Dem Organmitglied steht ein Anspruch hierauf zu. c) Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen des obligatorischen und fakultativen Aufsichtsrates Hat eine GmbH einen Aufsichtsrat, kann dieser durch Beschlüsse entscheiden. Zwar verweist § 52 Abs. 1 GmbHG nicht auf § 108 AktG, dessen Anwendbarkeit ergibt sich jedoch aus der Natur der Sache.298 Daneben sind auch die Vorschriften des Vereinsrechts (§§ 28, 32, 34 BGB) maßgeblich.299 Hinsichtlich der Folgen von Beschlussmängeln gelten die gleichen differenzierenden Grundsätze wie für die 295
K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 245 AktG Rn. 38; vgl. MüKoAktG/Hüffer/Schäfer, § 245 AktG Rn. 76. 296 Vgl. Hölters/Englisch, § 245 AktG Rn. 48; K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 245 AktG Rn. 38; vgl. MüKoAktG/Hüffer/Schäfer, § 245 AktG Rn. 76. 297 Vgl. C.II.1.b)cc)(1)(b), S. 53. 298 Michalski/Giedinghagen, § 52 GmbHG Rn. 357; vgl. Bork/Schäfer/Rieble, § 52 GmbHG Rn. 136 ff.; Scholz/Schneider, § 52 GmbHG Rn. 406; Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack, § 52 GmbHG Rn. 88. 299 Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe/Heermann, § 52 GmbHG Rn. 75; Michalski/Giedinghagen, § 52 GmbHG Rn. 357; MüKoGmbHG/Spindler, § 52 GmbHG Rn. 537.
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AG300.301 Beschlussmängel von Aufsichtsräten können auch in der GmbH durch eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO geltend gemacht werden302, wobei auf diese, wie bei der AG, die Vorschriften über die Rechtskraft303, Beteiligungsmöglichkeit der sonstigen Klageberechtigen und die Konzentration nach §§ 246 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, 248 Abs. 1, 249 Abs. 2 AktG analog304 anzuwenden sind. Entsprechend müssen die Voraussetzungen für Schiedsklauseln über Beschlussmängelstreitigkeiten auch bei der GmbH erfüllt werden.305 Das Rechtsschutzinteresse von Aufsichtsratsmitgliedern und Geschäftsführern bei Klagen gegen Aufsichtsratsbeschlüsse rechtfertigt sich aus ihrer Verpflichtung zum Handeln im Unternehmensinteresse306, der Organstellung selbst307 oder der Verletzung ihrer Organrechte308. Organstellung und Organrechte dienen dem Gesellschaftsinteresse, sodass das Rechtsschutzinteresse sich aus der Funktion als Organ der und für die Gesellschaft ergibt. Insoweit ist der Grund für das Rechtsschutzinteresse des Organmitglieds vergleichbar mit der Begründung für die Klagebefugnis bei Gesellschafterbeschlussmängeln.309 Daraus ist zu folgern, dass die Anordnung der Schiedsbindung für diese Klagen ebenso wie für die Gesellschafterbeschlussmängelklagen auch ohne die Zustimmung des Organmitglieds vorgenommen werden kann. d) Abberufung des Geschäftsführers Wenn die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer abberuft, ist dies ein Gesellschafterbeschluss. Der Geschäftsführer kann dagegen nur die Nichtigkeitsklage gem. § 249 Abs. 1 S. 1 AktG analog erheben; wenn eine Beschlussfeststellung fehlt, genügt die einfache Feststellungsklage gem. § 256 ZPO. Ist die GmbH mitbestimmt, richtet sich der Rechtsschutz gegen die Abberufung durch den Aufsichtsrat nach § 84 AktG.310 Hier kommt eine einfache Feststellung der Unwirksamkeit der Abberufung, eine Gestaltungsklage auf Wiedereinsetzung und eine Feststellung des fehlenden Aufsichtsratsbeschlusses in Frage.311 300
Zu diesen vgl. C.II.1.c)gg), S. 93. Ähnlich etwa Ulmer/Habersack/Löbbe/Heermann, § 52 GmbHG Rn. 85, 231; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 52 GmbHG Rn. 91 ff. 302 Vgl. Michalski/Giedinghagen, § 52 GmbHG Rn. 380; Ulmer/Habersack/Löbbe/Heermann, § 52 GmbHG Rn. 83, 231. 303 Zust. Ulmer/Habersack/Löbbe/Heermann, § 52 GmbHG Rn. 84. 304 Vgl. dazu C.II.1.c)gg), S. 93. 305 Vgl. Kap. C. Fn. 344. 306 Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe/Heermann, § 52 GmbHG Rn. 83. 307 Vgl. MüKoGmbHG/Spindler, § 52 GmbHG Rn. 581. 308 Vgl. Michalski/Giedinghagen, § 52 GmbHG Rn. 380. 309 Vgl. D.II.1.b)bb), S. 187 und D.II.1.b)cc), S. 188. 310 Vgl. C.II.1.b)dd), S. 77. 311 Insoweit wie bei der AG, vgl. dazu C.II.1.c)hh), S. 99. 301
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Für die Nichtigkeitsklage nach § 249 Abs. 1 S. 1 AktG analog kann die Schiedsbindung für den Geschäftsführer auch ohne dessen Zustimmung angeordnet werden. Die Nichtigkeitsklage gegen die Abberufung könnte jedoch eine Ausnahme von diesem Grundsatz darstellen. Dafür müsste der Grad der persönlichen Betroffenheit des abgerufenen Geschäftsführers ausnahmsweise höher sein als bei den übrigen Nichtigkeitsklagen. Natürlich liegt der Gedanke nahe, dass der Verlust der Organrechte einen hohen Grad der persönlichen Beeinträchtigung für den Geschäftsführer mitbringt. Wenn man aber die Funktion dieser Organrechte betrachtet und die Wirkungen der Abberufung – zunächst losgelöst vom Anstellungsvertrag – analysiert, kommen verblüffende Ergebnisse ans Licht. Zwar geht mit der Abberufung auch ein Verlust der organschaftlichen Rechte einher, diese stehen dem Geschäftsführer aber im Zusammenhang mit den organschaftlichen Pflichten312 zu. Er hat zum Beispiel Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnisse, weil seine Kernaufgabe die Leitung des Unternehmens ist313. Die Wahrnehmung dieser Pflichten ist nur insoweit im Eigeninteresse des Geschäftsführers, als dieser bei Verstößen wegen organschaftlicher Anspruchsnormen haften müsse. Ob man bei der Vertretungsbefugnis oder Geschäftsführungsbefugnis überhaupt von einem „Recht“ des Geschäftsführers reden kann, wenn ihre Ausführung durch den Geschäftsführer nur Teil seiner Aufgabe ist, darf schon bestritten werden, da Element eines subjektiven Rechts das Handeln für die eigene Freiheit oder den eigenen Zweck bedeutet.314 In der Tat gibt es keine organschaftliche Befugnis des Geschäftsführers, das diesem originär für dessen persönliches Interesse zugesprochen wird. Die Ausübung der Geschäftsführerposition ist fremdnützig. Wird sie dem Gesellschafter entzogen, tritt für den Geschäftsführer nur Entpflichtung ein, welche aber die gesellschaftsfernen Lebensbereiche des Geschäftsführers nicht betrifft. Rechtlich gesehen ist die Abberufung zunächst nur eine Erleichterung.315 Das heißt natürlich nicht, dass für den Geschäftsführer kein Eigeninteresse an der Organstellung besteht. Dieses Eigeninteresse ist allerdings nur mittelbarer Natur, denn es ergibt sich aus dem Anstellungsvertrag. In diesem sind die subjektiven Rechte des Geschäftsführers in Bezug auf seine Stellung geregelt, also vor allen Dingen seine Vergütung für seine Tätigkeit. Da der Anstellungsvertrag rein tatsächlich mit dem Organverhältnis verbunden ist, könnte sich auch ein rechtliches 312
Zu diesen vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht § 36 II 1 a). Vgl. Jula, GmbH-Geschäftsführer, 22 ff. 314 Näher zu den Wesensmerkmalen subjektiver Rechte vgl. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 43, § 44. 315 Hier liegt ein Unterschied zum Gesellschafter-Geschäftsführer, für den die Geschäftsführerposition wegen seiner Beteiligung an der Gesellschaft selbst auch im eigenen Interesse besteht. Gegen den Willen eines Gesellschafter-Geschäftsführers kann eine Schiedsklausel allerdings, anders als für den Fremdgeschäftsführer, überhaupt nicht angeordnet werden, da dieser entweder der Schiedsklausel bei der Einführung zustimmen muss (vgl. D.I.3.c)aa), S. 162) oder sich dieser durch Beitritt als Gesellschafter unterwirft. 313
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Interesse an der Organstellung ergeben, wenn diese mit dem Anstellungsvertrag rechtlich verbunden ist. Die Wirksamkeit des Anstellungsvertrages ist jedoch wegen der Trennung von Organrechtsverhältnis und Anstellungsverhältnis vom Schicksal des Organrechtsverhältnisses losgelöst.316 Die Abberufung führt nicht automatisch zur Kündigung des Anstellungsverhältnisses.317 Wird mit der Abberufung sogleich die Kündigung erklärt, so ist den subjektiven Interessen des Geschäftsführers durch eine Klage gegen die Kündigung Genüge getan. Problematisch könnte es allein werden, wenn die Wirksamkeit des Anstellungsvertrages durch eine sog. Koppelungsklausel318 an die Organstellung des Geschäftsführers geknüpft ist. Wäre es nicht im subjektiven Interesse des Gesellschafters zwingend, die Nichtigkeit seiner Abberufung feststellen zu lassen? Nein, denn auch hier ist das subjektiv entscheidende Element der Anstellungsvertrag. Der Geschäftsführer kann auf Feststellung der Wirksamkeit des Anstellungsvertrages oder auf Vergütung klagen und sich gem. § 249 Abs. 1 S. 2 AktG analog319 auf die Nichtigkeit der Abberufung berufen. Der Geltendmachung im Rahmen der Nichtigkeitsklage nach § 249 Abs. 1 S. 1 AktG bedarf es dafür nicht. Über den Anstellungsvertrag hinaus ist das Interesse des Geschäftsführers an seinem Amt ideell. Allerdings kann keine noch so tiefe Verbundenheit zu einer GmbH und kein noch so ausgeprägtes, emotionales Bedürfnis nach einer Geschäftsführerposition eine Ausnahme rechtfertigen. Auch bei einer Nichtigkeitsklage über eine Abberufung steht mithin das Klarstellungsinteresse für die Gesellschafter und die Gesellschaft im Vordergrund. Die Klage dient nur der Herbeiführung von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Daher ist es auch nur konsequent, dem klagenden Geschäftsführer die gleichen Vorschussund Aufwendungsersatzansprüche zuzugestehen wie bei jeder anderen Beschlussmängelstreitigkeit auch320. Diese Ansprüche müssen unabhängig vom Ausgang der Klage bestehen, da selbst ein abweisendes Urteil für Rechtsklarheit sorgt. Eine statutarische Schiedsklausel kann sich also auch ohne Zustimmung des Geschäftsführers auf die Nichtigkeitsklage über die Abberufung erstrecken. Das gleiche muss gelten, wenn die Abberufung wegen einer fehlenden Beschlussfeststellung nur durch eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO geltend gemacht werden kann oder die für mitbestimmte GmbHs einschlägigen Rechtsschutzmöglichkeiten nach § 84 AktG anzuwenden sind.
316
Vgl. Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider/Hohenstatt, § 35 GmbHG Rn. 425 f. Vgl. BGH WM 1966, 968; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider/Hohenstatt, § 35 GmbHG Rn. 425; Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 38 GmbHG Rn. 8. 318 Näher Jula, GmbH-Geschäftsführer, 184 f.; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider/ Hohenstatt, § 35 GmbHG Rn. 432 ff.; von Westphalen, BB 2015, 834 ff. 319 Zur Anwendbarkeit auf die GmbH vgl. BGHZ 11, 231, 239; Ulmer/Habersack/Löbbe/ Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 320 Vgl. D.II.1.b)dd), S. 189. 317
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D. Statutarische Schiedsklauseln
e) Abberufung des Aufsichtsrates Die Abberufung von Mitgliedern des Aufsichtsrates richtet sich gem. § 52 Abs. 1 GmbHG nach § 103 Abs. 1 S. 1 und 2 AktG, sie geschieht also durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung.321 Das Abberufungsrecht eines Entsendungsberechtigten nach § 103 Abs. 2 AktG ist zwar nicht von der Verweisung erfasst, kann aber im Wege einer ergänzenden Satzungsauslegung angewandt werden, wenn die Satzung einen Entsendungsberechtigten vorsieht.322 Gegen die Abberufung nach § 103 Abs. 1 und 2 AktG kann das Aufsichtsratsmitglied nicht klagen323, sodass auch für eine Erstreckung der Schiedsklausel kein Raum ist. Die Abberufung durch das Gericht auf Grund eines wichtigen Grundes nach § 103 Abs. 3 AktG ist wegen der abschließenden Verweisung des § 52 Abs. 1 GmbHG nicht anwendbar.324 Also kann auch ein Schiedsgericht nicht über eine Abberufung aus wichtigem Grund entscheiden. Wird einem „Schiedsgericht“ diese Aufgabe durch eine Satzung zugewiesen, dann hat es keine streitentscheidende Funktion mehr; ein Rechtsstreit kann nämlich nicht bestehen. Es handelt sich vielmehr um die Entscheidung einer geschäftlichen Frage, sodass insoweit kein Schiedsgericht im Sinne der ZPO vorliegt, sondern ein neues Gesellschaftsorgan geschaffen wird.325 f) Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche des Aufsichtsrates Den Mitgliedern des Aufsichtsrates einer GmbH kann gem. § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 113 Abs. 1 S. 2 AktG ein Anspruch auf Vergütung ihrer Tätigkeit zustehen.326 Daneben können diese in entsprechender Anwendung des § 670 BGB Ersatz für erbrachte Aufwendungen verlangen.327 Bei der Geltendmachung dieser Ansprüche geht es um das Durchsetzen eines subjektiven Rechts des Aufsichtsratsmitglieds. Daher könnte man auf die Idee kommen, dass hier die Anordnung eines Schiedsgerichts nicht einseitig vorgenommen werden darf. Tatsächlich muss man aber unterscheiden. Selbst wenn man mit einigen Stimmen in der Literatur die analoge Anwendung des § 612 BGB für den GmbH-Aufsichtsrat 321
Michalski/Giedinghagen, § 52 GmbHG Rn. 143. Vgl. Michalski/Giedinghagen, § 52 GmbHG Rn. 140, 145; Ulmer/Habersack/Löbbe/ Heermann, § 52 GmbHG, Rn. 53; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 52 GmbHG Rn. 49. 323 Vgl. C.II.1.c)ii), S. 103. 324 Ulmer/Habersack/Löbbe/Heermann, § 52 GmbHG, Rn. 51; Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack, § 52 GmbHG Rn. 49. 325 Vgl. hierzu bereits D.I.1., S. 127. 326 Näher Ulmer/Habersack/Löbbe/Heermann, § 52 GmbHG Rn. 123. 327 Näher Ulmer/Habersack/Löbbe/Heermann, § 52 GmbHG Rn. 126; zu den Ansprüchen ausführlich zur AG vgl. bereits C.II.1.c)cc), S. 80. 322
II. Besonderheiten bei der GmbH
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befürwortet,328 ist damit nicht ausgeschlossen, dass die Gesellschafter in ihrer Satzung die Aufsichtsratstätigkeit als unentgeltliche festschreiben, da auch eine Vermutung nur greift, wo es keine ausdrückliche Regelung gibt. Nach § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 113 Abs. 1 S. 2 AktG liegt die Existenz eines Vergütungsanspruches also allein in die Hand der Gesellschaftsversammlung bzw. der Gründungsmitglieder. Das eine nachträgliche Änderung nicht ausgeschlossen ist, stellt § 113 Abs. 1 S. 4 AktG klar.329 Diese Situation ist vergleichbar mit der eines Vertrages zugunsten Dritter, bei dem der Begünstige weder auf die Existenz noch auf den Inhalt des Anspruches Einfluss nehmen kann. Beim Vertrag zugunsten Dritter ist die Anordnung eines Schiedsgerichts mit Wirkung für den Anspruchsinhaber zulässig, ohne dass dieser zugestimmt hat. Die zugrundeliegende Erwägung, dass aus Sicht des Begünstigten der Anspruch ein „Glücksfall“ ist, auf den er in rechtlicher Sicht keinen direkten Anspruch hat, trifft auch hier zu. Das Mitglied des Aufsichtsrates kann Existenz und Inhalt des Anspruchs nicht bestimmen. Wenn der Anspruch allein von Seiten der Gesellschaft bestimmt werden kann, dann muss dieser auch zugebilligt werden, die prozessuale Geltendmachung einseitig auszugestalten. Die Legitimation der Schiedsbindung kommt daher, dass dort, wo das materielle Recht vollkommen fremdbestimmt ist, auch die prozessuale Ausgestaltung fremdbestimmt sein darf.330 Somit kann über den Vergütungsanspruch nach § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 113 Abs. 1 S. 2 AktG auch ohne Zustimmung des Aufsichtsrates ein Schiedsgericht angeordnet werden. Der Ersatz von Aufwendungen ist indes ipso jure geschuldet.331 Die Argumentation ist daher nicht übertragbar. Hier macht der Aufsichtsrat also Ansprüche geltend, welche nicht zur Disposition der Gesellschafter stehen. Daher kann hier die prozessuale Geltendmachung nicht allein in die Hände der Gesellschaft gelegt werden. Insoweit ist eine einseitige Anordnung eines Schiedsgerichts also nicht zulässig. g) Informationsansprüche des Aufsichtsrates Gem. § 52 Abs. 1 GmbHG sind §§ 90 Abs. 3 – 5, 170 AktG auch auf den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH anwendbar. Das Gleiche gilt nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, 6 MitbestG auch für die Aufsichtsräte von mitbestimmten GmbHs.332 Damit bestehen für Aufsichtsräte in der GmbH die gleichen Informationsrechte wie in der AG, mit Ausnahme des § 125 AktG, der nur in Bezug auf die Haupt328
Ulmer/Habersack/Löbbe/Heermann, § 52 GmbHG Rn. 123; vgl. auch Scholz/ U. H. Schneider, § 52 GmbHG Rn. 356. 329 Vgl. Scholz/U. H. Schneider, § 52 GmbHG Rn. 357. 330 Vgl. D.I.3.b)cc)(3), S. 151. 331 Lutter/Hommelhoff/Lutter/Hommelhoff, § 52 GmbHG Rn. 70. 332 Näher Ulmer/Habersack/Löbbe/Heermann, § 52 GmbHG Rn. 297; MüKoGmbHG/ Spindler, § 52 GmbHG Rn. 322.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
versammlung greift. Es besteht kein Grund, bei der dogmatischen Struktur zwischen der GmbH und der AG zu unterscheiden. Entsprechend der Erkenntnisse für die AG333 ergibt sich daher, dass § 90 Abs. 3 S. 1 AktG in der GmbH einen Anspruch der GmbH gegen die Geschäftsführung darstellt, während § 90 Abs. 3 S. 1 AktG und § 90 Abs. 5 AktG, sowie § 170 Abs. 3 AktG als Ansprüche des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gegen die Gesellschaft ausgestaltet sind.334 Die individuellen Informationsrechte der Aufsichtsratsmitglieder entspringen ihrer Organstellung; sie einzuklagen dient dem Interesse der Gesellschaft und nicht dem Eigeninteresse335. Daher ist es nur konsequent, die für Beschlussmängel angeführten Grundsätze hinsichtlich der Reichweite der Schiedsbindung336 auch hier heranzuziehen: Der Grad der persönlichen Betroffenheit ist gering, weil es sich um die Durchsetzung fremdnütziger Rechte handelt und die Kosten nach §§ 675, 670 BGB ersetzt werden können. Anders scheint es sich aber bei den Informationsansprüchen, die gegen die Mitglieder der Geschäftsführung geltend gemacht werden, zu verhalten. Im Falle einer erfolgreichen Klage werden die Geschäftsführer zur gemeinschaftlichen Leistung an die Gesellschaft verurteilt. Die persönliche Betroffenheit ist deshalb gering, weil die Leistung nicht aus den eigenen Mitteln der Geschäftsführer erbracht werden muss. Es wird nur die Ausführung einer ohnehin fremdnützigen Geschäftsführertätigkeit verlangt. Mit einer Niederlage im Prozess ist hingegen – wie grundsätzlich bei jedem Prozess – auch das Tragen der Kosten verbunden. Diese sind im Schiedsverfahren regelmäßig höher. Das Interesse der Mitglieder der Geschäftsführung, die Ausgestaltung des Verfahrens selbst vorzunehmen, könnte sich also daraus ergeben, dass sie im Falle der Niederlage nicht die höheren Verfahrenskosten tragen wollen. Wenn die Geschäftsführer diese Kosten allerdings gar nicht selber tragen müssen, dann verschwindet die persönliche Betroffenheit. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz wegen aufgewandter Prozesskosten des Organmitglieds aus §§ 675, 670 BGB337 wird klassischerweise nur in den Fällen anerkannt, in den das Organmitglied die Gesellschaft in ihrem Interesse verklagt.338 Man könnte argumentieren, dass ein Anspruch aus §§ 675, 670 BGB für Klagen der Gesellschaft gegen das Organmitglied nicht in Frage kommt, weil es in diesem Fall nicht im Interesse der Gesellschaft handelt. Dabei darf man aber nicht aus den Augen verlieren, dass die Verweigerung der Berichterstattung nicht zwangsläufig eine 333
Vgl. C.II.1.c)cc), S. 80. Ebenso MüKoGmbHG/Spindler, § 52 GmbHG Rn. 706. 335 Vgl. bereits C.II.1.c)dd)(1)(a)(bb), S. 83. 336 Vgl. D.II.1.b), S. 186. 337 Vgl. D.II.1.b)dd), S. 189. 338 Vgl. Dänzer-Vanotti, BB 1985, 1632, 1633 f.; vgl. aber auch GroßKommAktG/Hopt/ Roth, 4. Aufl., § 113 AktG Rn. 24. 334
II. Besonderheiten bei der GmbH
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Verletzung der Informationspflicht darstellt. In bestimmten Fällen dürfen die Mitglieder der Geschäftsführung wegen überwiegender entgegenstehender Interessen die Berichterstattung verweigern.339 Das ist insbesondere der Fall, wenn die Berichterstattung keinen Funktionsbezug mehr zur Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates hat.340 Nur weil es über die Informationspflichten zum Prozess kommt, heißt dies also noch nicht, dass einer Seite von vornherein ein Handeln im Widerspruch zum Gesellschaftsinteresse vorgeworfen werden kann. Die Geschäftsführung mag bei kritischer Würdigung des Einzelfalls nur zu einem anderen Ergebnis über die Reichweite der Berichtspflicht gekommen sein als der Aufsichtsrat. Ist die Ansicht der beklagten Geschäftsführer wenigstens vertretbar und begründet, dann kann man nicht zum Ergebnis kommen, die Verweigerung und das daraus folgende Nötigwerden einer Klage seien nicht im Interesse der Gesellschaft. Es findet durch die Klage dann nämlich eine Klärung der innergesellschaftlichen Kompetenzverteilungen statt, die auch im Interesse der Gesellschaft liegt. Daher muss man auch den Geschäftsführern, welche auf die Erfüllung von Informationspflichten verklagt werden, nach den gleichen Grundsätzen ein Kostenvorschuss- und Kostenersatzanspruch zustehen, wie Organmitgliedern, die im Interesse der Gesellschaft klagen. Nur dort, wo die Verweigerung von vornherein ohne Basis ist, kann dieser Anspruch nicht bestehen.341 Folgt man diesen Erwägungen, dann muss der Grad der persönlichen Betroffenheit auch bei Klagen der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer auf Erfüllung ihrer Informationspflichten als gering eingestuft werden. Mithin ist die Anordnung einer Schiedsklausel auch für diese Streitigkeiten möglich. h) Zwischenergebnis Eine statutarische Schiedsklausel kann auch ohne Zustimmung des Organmitglieds Streitigkeiten über alle Beschlussmängel, die Abberufung von Geschäftsführern und die Informationsansprüche des Aufsichtsrates erfassen. Organschaftliche Erstattungsansprüche, zu denen vor allem die Organhaftung gehört, können hingegen nicht ohne Zustimmung der Organmitglieder erfasst werden.
339
Vgl. ausführlich KK/Mertens/Cahn, § 90 AktG Rn. 8 ff. (für die AG). KK/Mertens/Cahn, § 90 AktG Rn. 13 (zur AG). 341 Wenn die Erhebung der Klage von vorne herein als völlig aussichtslos anzusehen war, sollte man sogar die klagenden Aufsichtsratsmitglieder wegen Verletzung ihrer Organpflichten für die Verfahrenskosten, die der Gesellschaft durch die Niederlage entstanden sind, einstehen lassen. 340
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D. Statutarische Schiedsklauseln
2. Statutarische Schiedsklausel mit Zustimmung des Organmitglieds a) Grundsätzliche Erwägungen zur Reichweite Hat das Organmitglied einer statutarischen Schiedsklausel zugestimmt, dann scheint auf den ersten Blick nichts dagegen zu sprechen, dem Schiedsgericht die Zuständigkeit für alle Streitigkeiten zu übertragen, die zwischen dem Organmitglied und der Gesellschaft entstehen. Dazu würden neben den organschaftlichen Streitigkeiten auch alle weiteren Streitigkeiten aus dem Anstellungsvertrag sowie sonstige Streitigkeiten fallen. Da die Zustimmung als Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten verstanden werden kann, spräche im Hinblick auf dieses Recht jedenfalls nichts gegen diese sehr weit gefasste Schiedsklausel. Dennoch ist allgemeine Meinung, dass sich statutarische Schiedsklauseln nur auf Streitigkeiten beziehen können, welche die statutarische Bindung betreffen.342 Tatsächlich spricht viel dafür, dies liegt jedoch nicht am Recht auf Justizgewähr, sondern an zwei davon unabhängigen Erwägungen. Zunächst ergibt sich die Begrenzung auf Streitigkeiten in Bezug auf statutarische Bindungen aus dem Charakter der Satzung als Verfassung des Verbandes343. Sie soll und kann auch nur das gesellschaftliche Innenleben regeln, nicht jedoch Drittbeziehungen. Streitigkeiten, die sich nicht aus der statutarischen Bindung ergeben, fallen nicht in den Regelungsbereich von Satzungen. Daraus folgt indes noch nicht zwingend, dass eine Schiedsklausel in der Satzung nur statutarische Rechte abdecken kann. Den Gesellschaftern stünde es offen, in der Satzung auch individuelle Streitigkeiten der Schiedsbindung zu unterwerfen. Dies wäre aber nicht mehr als Schiedsanordnung, sondern höchstens als Schiedsvereinbarung zulässig. Des Weiteren ergibt sich aus der Systematik des 10. Buchs der ZPO, dass die Schiedsanordnung gegenüber der Schiedsvereinbarung die Ausnahme sein muss. Die mit der Zulässigkeit der Schiedsanordnung einhergehende Privilegierung der Gesellschafter speist sich aus dem Grundrecht der Vereinigungsfreiheit, welches aber nur die innere Organisation unter Schutz stellt. Soweit das Außenverhältnis betroffen ist, bleibt für eine solche Privilegierung kein Raum. Deshalb muss für Außenstreitigkeiten, die nicht gesellschaftsrechtlicher Art sind und die Gesellschafter und Organe individuell bzw. quasi als Dritte (Vertragspartner, Begünstigte, Geschädigte, Schädiger) betreffen, eine Schiedsvereinbarung gem. § 1029 Abs. 1 ZPO abgeschlossen werden. 342 Vgl. BGH NJW 1963, 203, 204; J.-H. Bauer/Arnold/Kramer, AG 2014, 677, 681; Benedict/Gehle/U. Schmidt, in: MünchHdbGesR Bd. 7, § 144 Rn. 55; Schwerdtfeger/Eberl/ Eberl, Kap. 7 Rn. 61; G. v. Jhering, Wirkung von Schiedsvereinbarungen, Schiedsklauseln und Schiedssprüchen, 97; Herresthal, ZIP 2014, 345, 347; Hk-ZPO/Saenger, § 1066 ZPO Rn. 6; MüKoZPO/Münch, § 1066 ZPO Rn. 18; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1066 ZPO Rn. 10; Schwab/Walter, Kap. 32 Rn. 9 ff.; Umbeck, SchiedsVZ 2009, 143, 146; BeckOKZPO/Wolf/ Eslami, § 1066 ZPO Rn. 6; Yuefang, ZJS 2015, 141, 142 f. 343 BGHZ 47, 172, 179; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 1 b).
II. Besonderheiten bei der GmbH
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Daraus folgt, dass nur alle Streitigkeiten, die sich aus der Organstellung ergeben, Gegenstand einer statutarischen Schiedsklausel, der das Organmitglied zugestimmt hat, sein können. Das bedeutet insbesondere, dass auch für Organhaftungsklagen die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts begründet werden kann. Speziell bei Organhaftungsklagen muss darüber hinaus auch eine Ausnahme von dem Grundsatz gemacht werden, dass nur Streitigkeiten aus der statutarischen Bindung vom Schiedsgericht verhandelt werden können. Das Schiedsgericht sollte auch über idealkonkurrierende Streitigkeiten aus Delikt entscheiden dürfen, soweit diese neben der Organhaftung in Frage kommen344. Dies ergibt sich aus dem faktischen Gleichlauf von Organhaftung und deliktischer Haftung. Daher liefert eine statutarische Schiedsklausel, der das Organmitglied zugestimmt hat, eine Annexkompetenz für die gleichlaufenden Streitigkeiten aus unerlaubten Handlungen. b) Ausnahme bei der GmbH: § 64 GmbHG? Eine Ausnahme könnte für die GmbH aber der organschaftliche Erstattungsanspruch wegen unzulässiger Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife gem. § 64 GmbHG darstellen. Dieser ist (wie bereits dargelegt345) zwar ein Anspruch der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer, besteht aber im Interesse der Gläubigergesamtheit. Die Geltendmachung dieses Anspruchs ist nach herrschender Meinung an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geknüpft346, also kommt eine Geltendmachung durch die Gesellschaft selbst überhaupt nicht in Frage. Sie geschieht viel mehr allein durch den Insolvenzverwalter oder den Sachwalter.347 Der Insolvenzverwalter wäre als Prozessstandschafter zwar grundsätzlich auch an die statutarische Schiedsklausel, die zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied besteht, gebunden.348 Grundlage dafür ist aber die Erwägung, dass ein Prozessstandschafter bei der Durchsetzung eines Anspruchs rechtlich nicht besser als der Anspruchsinhaber gestellt sein darf. Da die Gesellschaft aber als Anspruchsinhaberin den Anspruch gar nicht geltend machen kann, läuft diese Erwägung für diesen Anspruch ins Leere. Weiterhin ist zu beachten, dass die statutarische Schiedsklausel sich ohnehin nur auf gesellschaftsinterne Streitigkeiten beziehen kann. Die Geltendmachung des Anspruchs aus § 64 GmbHG kann – auch wenn dieser an die Stellung als Geschäftsführer anknüpft – schwerlich als solche bezeichnet werden, wenn sie schon gar nicht durch die Gesellschaft betrieben werden kann. Nicht umsonst wird der 344 Konkurrierende Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag wegen Pflichtverletzung bestehen nicht, da diese in den Vorschriften über Organhaftung ausgehen, vgl. C.II.2.b), S. 114. 345 Vgl. C.II.1.b)aa), S. 41. 346 Vgl. BGH, NJW 2001, 304, 305; Baumbach/Hueck/Haas, § 64 GmbHG Rn. 12; Lutter/ Hommelhoff/Kleindiek, § 64 GmbHG Rn. 16; unklar BGH, NZI 2009, 487, 488, mit krit. Anm. Haas; a.A. Scholz/K. Schmidt, § 64 GmbHG Rn. 72. 347 MüKoGmbHG/H.-F. Müller, § 64 GmbHG Rn. 173. 348 Vgl. bereits D.III.1.c)dd)(2)(a), S. 209.
200
D. Statutarische Schiedsklauseln
Anspruch aus § 64 GmbHG als ein insolvenzrechtlicher, nicht gesellschaftsrechtlicher Anspruch eingeordnet.349 Schließlich darf nicht vernachlässigt werden, dass die Gläubiger der Gesellschaft ein Interesse daran haben, die Durchsetzung des Anspruchs durch den Insolvenzverwalter nachverfolgen zu können. Dies ist bei einem vertraulichen Schiedsverfahren nicht in gleicher Weise gewährleistet wie in einem öffentlichen Gerichtsprozess. Umgekehrt kann man der Gesellschaft kein begründetes Interesse an der vertraulichen Behandlung der Streitigkeit zusprechen, weil die Geltendmachung des Anspruchs ohnehin an die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geknüpft ist, womit auch eine öffentliche Bekanntmachung nach § 9 Abs. 1 InsO einhergeht. Somit kann der Erstattungsanspruch wegen Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife gem. § 64 GmbHG nicht Gegenstand einer statutarischen Schiedsklausel einer GmbH sein.350 c) Einschub: Statutarische Schiedsklausel als unechte Satzungsbestimmung Ordnet eine statutarische Schiedsklausel die Schiedsbindung für Streitigkeiten an, auf die sie sich nicht erstrecken kann – also insbesondere anstellungsvertragliche Streitigkeiten –, dann kann sie dies nicht als Schiedsanordnung im Sinne des § 1066 ZPO, sondern nur als Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1029 ZPO.351 Entsprechend gelten für sie auch die Voraussetzungen des § 1029 ZPO.352 Das lässt sich mit dem durch §§ 1029, 1066 ZPO aufgestellten Legitimationskonzept erklären353: § 1066 ZPO ermöglicht es, eine Schiedsbindung auf anderem Wege als durch Schiedsvereinbarung aus dem materiellen Recht heraus zu legitimieren; soweit das materielle Recht – wie die Satzungsautonomie – aber keine Legitimation einer Schiedsbindung ermöglicht, greift § 1066 ZPO nicht ein. Die Schiedsanordnung ist insoweit gesetzlich nicht statthaft. Dann kann die Schiedsbindung nur durch eine Schiedsvereinbarung gem. § 1029 ZPO legitimiert werden, mit der Folge, dass auch die Kriterien für eine Schiedsvereinbarung erfüllt sein müssen. Eine statutarische Schiedsklausel, die eine Schiedsbindung über den herausgearbeiteten Bereich hinaus erreichen soll, ist also insoweit unstatthaft. Ist eine solche erweiterte Schiedsklausel in einer Satzung enthalten, dann handelt es sich insoweit um eine unechte/formelle Satzungsbestimmung354.355 Als solche kann sie jedoch keine Wirkung für das Or-
349 350 351 352 353 354 355
Vgl. C.II.1.b)aa), S. 41. I. E. ebenso Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 15. Vgl. BGH NJW 1963, 203 ff. BGH NJW 1963, 203. Vgl. zu diesem D.I.2.c)aa), S. 133. Vgl. D.I.3.a), S. 141. BGH NJW 1963, 203, 204.
III. Besonderheiten bei der AG
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ganmitglied entfalten, da dieses die Satzung nicht unterschreibt und daher das Formerfordernis § 1031 Abs. 5 ZPO356 nicht erfüllt ist.357
III. Besonderheiten bei der AG 1. Satzungsstrenge Der Grundsatz der Satzungsstrenge ergibt sich bei der AG aus § 23 Abs. 5 AktG: Abweichungen vom Gesetz sind in der Satzung nur erlaubt, wenn es ausdrücklich zugelassen ist, ergänzende Bestimmungen hingegen sind zulässig, außer das Gesetz ist abschließend. Dabei sind die Stimmen in der Literatur bezüglich der Vereinbarkeit von Schiedsklauseln mit der Satzungsstrenge geteilt. a) Übersicht über den Meinungsstand Zum Teil wird vertreten, dass § 23 Abs. 5 AktG kein Hindernis für die Zulässigkeit statutarischer Schiedsklausel sei.358 Die Vertreter dieser Ansicht berufen sich dabei darauf, dass die Zuständigkeit der Gerichte nicht zur zwingenden Verfassung der Gesellschaft nach § 23 Abs. 5 AktG gehöre und die Schiedsfähigkeit in § 1025 ff. ZPO viel spezieller geregelt sei.359 Vor allem Mock plädiert für die Zulässigkeit von Schiedsklauseln in AG-Satzungen: Für die Gesamtheit der möglichen aktienrechtlichen Streitigkeiten könne nicht vermutet werden, dass die sie betreffenden Regelungen den Gerichten alleinige Entscheidungskompetenz zuordnen, da letztlich jede Durchsetzungsmöglichkeit eines zivilrechtlichen Anspruchs zunächst den staatlichen Gerichten zugewiesen sei.360 Diese Zuweisung von Streitigkeiten an die staatlichen Gerichte erschöpfe sich ohnehin nur in der Regelung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit.361 Zudem könne aus dem zwingenden Charakter des Aktienrechts nichts über Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen geschlossen werden, da auch andere Rechtsgebiete mit zwingenden Vorschriften – wie das Verbraucherschutzrecht – Schiedsvereinbarungen nicht für grundsätzlich unzulässig halten.362 Der von § 23 Abs. 5 AktG intendierte Aktionärs- und Anlegerschutz könne 356
Zu dessen Anwendbarkeit vgl. E.II.1.b)aa)(1)(b)(aa), S. 237. Vgl. Thümmel, FS Schütze (2014), 633, 641. 358 Vgl. Mock, FS Meilicke (2010), 489, 493; K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 246 AktG Rn. 48; Zöllner, AG 2000, 145, 150; auch Bechte-Horbach, Schiedsverfahren bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten, 57 ff.; Benedict/Gehle/U. Schmidt, in: MünchHdbGesR Bd. 7 § 146 Rn. 9 ff.; Borris, NZG 2010, 481, 482 f. (alle zu Beschlussmängelstreitigkeiten); von Hase, BB 2011, 1993, 1995; Hauschild/Böttcher, DNotZ 2012, 577, 586 f. 359 K. Schmidt/Lutter/Schwab, § 246 AktG Rn. 48. 360 Mock, FS Meilicke (2010), 489, 493 f. 361 Mock, FS Meilicke (2010), 489, 494; Zöllner, AG 2000, 145, 150. 362 Mock, FS Meilicke (2010), 489, 494. 357
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D. Statutarische Schiedsklauseln
durch entsprechende verfahrensrechtliche Garantien in der Schiedsklausel gewahrt werden, insbesondere indem man die vom BGH für Beschlussmängelstreitigkeiten in der GmbH entwickelten Grundsätze auf die AG überträgt.363 Andere halten die Anordnung von Schiedsgerichten in der Satzung einer AG hingegen wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 5 AktG für grundsätzlich unzulässig.364 Zum Teil wird dies damit begründet, dass damit praktisch ein weiteres Organ geschaffen und die vom AktG abschließend für die körperschaftsrechtlichen Fragen geregelten Zuständigkeiten durchbrochen würde, insbesondere auch weil durch dieses neue vierte Organ ein neues Element in die hierarchisch geschichtete Gleichordnung der drei Organe der AG hineingetragen würde.365 Wieder anderen halten statutarische Schiedsklauseln zwar auch im Hinblick auf § 23 Abs. 5 AktG im Grundsatz für zulässig; etwas andere gelte nur in Fällen, in denen das Gesetz bereits staatlichen Rechtsschutz geregelt hat.366 Der BGH hat sich bis dato noch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob § 23 Abs. 5 AktG statutarische Schiedsklausen zwingend ausschließt. Lediglich in der „Schiedsfähigkeit I“-Entscheidung hat der BGH auch Bedenken gegen die Zulässigkeit statutarischer Schiedsklausel in AG-Satzungen geäußert, aber nur soweit diese Beschlussmängelstreitigkeiten betreffen.367 Der BGH wies darauf hin, dass eine statutarische Schiedsklausel für Beschlussmängelstreitigkeiten bei einer GmbH unproblematisch sei, da diese anders als die AG keine Satzungsstrenge kenne,368 und deutete damit jedenfalls für Beschlussmängelstreitigkeiten eine ablehnende Meinung für die AG an. b) Stellungnahme Der Verweis der die Zulässigkeit von Schiedsklauseln allgemein bejahenden Ansicht auf die spezielleren Regelungen der §§ 1025 ff. ZPO verfängt nicht. Dass die §§ 1025 ff. ZPO überhaupt angewendet werden können, setzt entweder eine Schiedsvereinbarung oder eine Schiedsanordnung nach § 1066 ZPO voraus. Über die Zulässigkeitsvoraussetzungen statutarischer Schiedsklauseln als Schiedsanordnung enthält § 1066 ZPO keine Aussage, sondern verweist ins materielle Recht für Sat363 Vgl. Mock, FS Meilicke (2010), 489, 494, ähnlich Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 10; vgl. auch Bender, DB 1998, 1900, 1901. 364 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 312 f.; K. Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 282; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 84 AktG Rn. 53; MüKoAktG/Spindler, § 84 AktG Rn. 143; GroßKommAktG/Kort, 5. Aufl. § 84 AktG Rn. 589 f.; Zweifel an der Zulässigkeit äußern auch Musielak/Voit/Voit, § 1066 ZPO Rn. 8; Reichert, FS Ulmer (2003), 511, 531. 365 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 312 f.; MüKoAktG/Spindler, § 84 AktG Rn. 143; zust. K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 84 AktG Rn. 53. 366 Vgl. Heskamp, RNotZ 2012, 415; 424; MüKoAktG/Pentz, § 23 AktG Rn. 169; Umbeck, SchiedsVZ 2009, 143, 146. 367 Vgl. BGHZ 132, 278, 282. 368 BGHZ 132, 278, 282.
III. Besonderheiten bei der AG
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zungsklauseln und damit auch auf § 23 Abs. 5 AktG, an dem sich jede Satzungsbestimmung messen lassen muss. § 23 Abs. 5 AktG ist den §§ 1025 ff. ZPO somit vorgelagert. Der Vergleich mit dem Verbraucherschutzrecht überzeugt ebenfalls nicht. Schon aus § 1031 Abs. 5 ZPO ergibt sich, dass Schiedsvereinbarungen mit Verbrauchern grundsätzlich zulässig sind. Dass im Verbraucherrecht unter Umständen eine Schiedsvereinbarung vom Gesetzgeber für zulässig befunden wurde, sagt noch nichts darüber aus, wie es sich mit einer Schiedsanordnung im Aktienrecht verhält. Es ist eine gesetzgeberische Entscheidung, ob und welche Grenzen er der Schiedsgerichtsbarkeit im Aktienrecht setzt. Umgekehrt kann die Zulässigkeit statutarischer Schiedsklauseln nicht mit dem Argument widerlegt werden, durch sie würde ein viertes, vom Gesetzgeber nicht vorgesehenes Gesellschaftsorgan geschaffen, wodurch die gesetzliche Kompetenzverteilung unterwandert würde. Ein Schiedsgericht im Sinne der ZPO ist ebenso wenig ein Organ der AG wie es ein staatliches Gericht wäre. Das Schiedsgericht erfüllt keine andere streitentscheidende Funktion als das staatliche Gericht.369 Durch die Anordnung eines Schiedsgerichts wird nur die Zuständigkeit zur Streitentscheidung von den staatlichen Gerichten auf einen privaten Spruchkörper übertragen. Es wird nicht in die Kompetenz der Gesellschaftsorgane eingegriffen, da keines von ihnen gleich einem Gericht zur Streitentscheidung berufen ist.370 Um festzustellen, ob § 23 Abs. 5 AktG eine statutarische Schiedsklausel zulässt, muss also zunächst geklärt werden, ob es sich hierbei um eine Abweichung oder eine Ergänzung der gesetzlichen Regeln handelt. Eine Abweichung im Sinne des § 23 Abs. 5 AktG liegt vor, wenn die Satzung eine bestimmte Frage anders regeln soll als das Gesetz.371 Eine Ergänzung liegt vor, wenn das Gesetz eine entsprechende Regelung nicht enthält oder eine gesetzliche Regelung ihrem Gedanken nach weitergeführt wird.372 Einerseits findet sich im gesamten AktG keine Aussage über statutarische Schiedsklauseln an sich; dies würde für eine Ergänzung sprechen. Andererseits enthalten beispielsweise die §§ 243 ff. AktG eindeutige Regelungen über Zuständigkeit und das Verfahren von Beschlussmängelstreitigkeiten vor staatlichen Gerichten, sodass eine Anordnung von Beschlussmängelstreitigkeiten eine Abweichung von den gesetzlichen Regelungen darstellt. Dass § 23 Abs. 5 AktG demnach alle Schiedsklauseln von vornherein verhindern will, lässt sich schon einmal nicht feststellen. Die Argumente der bejahenden Ansicht laufen im Kern darauf hinaus, dass eine statutarische Schiedsklausel schon deshalb keine Abweichung von den Regelungen 369
KK/Mertens/Cahn, § 84 AktG Rn. 99; vgl. auch bereits D.I.1., S. 127. Vgl. auch J.-H. Bauer/Arnold/Kramer, AG 2014, 677, 682; Beiner/Braun, Vorstandsvertrag, Rn. 686; Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 11. 371 AllgM., vgl. Spindler/Stilz/Limmer, § 23 AktG Rn. 29 m.w.N. 372 AllgM., vgl. Spindler/Stilz/Limmer, § 23 AktG Rn. 30 m.w.N. 370
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D. Statutarische Schiedsklauseln
des Aktienrechts sei, weil das Aktienrecht zwar die Zuständigkeiten innerhalb der staatlichen ordentlichen Gerichtsbarkeit regelt, aber nirgendwo eine zwingende Zuständigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit selbst postuliert. Dem ist nicht zu folgen: Gerade dort, wo das Gesetz neben der Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts auch wesentliche Verfahrenselemente regelt, etwa in Gestalt von Beschwerde-, Konzentrations-, Beitritts- und Rechtskraftregelungen373, deutet dies auf eine Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die staatlichen Gerichte hin, wo ein einheitliches Verfahren jederzeit gewährleistet ist. § 23 Abs. 5 AktG dient unter anderem dem Zweck, die Aktie als Produkt zu standardisieren und den Informationsaufwand der Anleger zu begrenzen, indem ungewöhnliche Bestimmungen vermieden werden.374 Es geht also nicht (nur) um Minderheitenschutz.375 Ein Verstoß liegt also selbst dann vor, wenn die Satzungsklausel etwas regelt, das gegenüber dem Gesetz nur anders ist, selbst wenn damit keine sonstigen Nachteile für die Aktionäre verbunden sind. Wenn das Gesetz bereits ein bestimmtes Gerichtsverfahren geregelt hat, sollte ein Anleger nicht davon ausgehen müssen, dass dieses wesentlich durch die Satzung geändert wird; dort etwa, wo ein Anleger nach dem Gesetz zum Beispiel das Recht hat, einer Klage als Nebenintervenient beizutreten, darf er auch erwarten, dass alle damit verbundenen Verfahrensschritte gewährleistet sind. Dem wird es auch nicht gerecht, wenn man die Satzungsklauseln entsprechend der vom BGH für Beschlussmängelstreitigkeiten innerhalb der GmbH entwickelten Kriterien ausgestaltet. Diese sind mit besonderem Augenmerk auf das eher personalistische Gepräge der GmbH entwickelt worden, wo die Anzahl der Gesellschafter geringer ist und die Beziehungen untereinander typischerweise enger sind als bei der AG. Die Umsetzung eines Schiedsverfahrens nach den Maßstäben des BGH in einer börsennotierten AG würde auf erhebliche praktische Probleme treffen, insbesondere wenn man an die schiere Anzahl potentieller Kläger denkt.376 Eine Schiedsklausel würde in einem solchen Fall das prozessuale Gepräge der entsprechenden Klagen komplett umstellen und damit geradezu paradigmatisch für eine Satzungsbestimmung sein, die für die Anleger einen erhöhten Informationsaufwand bedeutet und damit gerade von § 23 Abs. 5 AktG verhindert werden soll. Natürlich könnte man argumentieren, dass dieses Argument nur für börsennotierte AGs gilt, viele AGs in Deutschland aber gar nicht börsennotiert sind. Und in der Tat gibt es gute Gründe, die Vorschrift des § 23 Abs. 5 AktG de lege ferenda so zu modifizieren, dass sie nicht börsennotierte AGs gegenüber börsennotierten AGs privilegiert.377 De lege lata differenziert § 23 Abs. 5 AktG allerdings nicht, sodass bis 373 374 375
58 f. 376
Siehe etwa §§ 147 Abs. 2 S. 1, 148 Abs. 3, 4, 5, 246 Abs. 2 S. 5, 248 Abs. 1 S. 1 AktG. Vgl. Hüffer/Koch, § 23 AktG Rn. 23; MüKoAktG/Pentz, § 23 AktG Rn. 158. So aber Bechte-Horbach, Schiedsverfahren bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten,
Vgl. dazu bereits C.II.1.c)ff)(3)(b), S. 91. Zur Debatte über die Notwendigkeit einer stärken Differenzierung zwischen börsennotierten und sonstigen AGs vgl. etwa Bayer, Verhandlungen des 67. Deutschen Juristentages 2008, Bd. E, 27 ff.; MüKoAktG/Pentz, § 23 AktG Rn. 158; Schäfer, NJW 2008, 2536 ff.; 377
III. Besonderheiten bei der AG
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zum Zeitpunkt einer Gesetzesänderung Schiedsklauseln nicht als ausnahmslos zulässig erachtet werden können. Eine pauschale Subsumtion statutarischer Streitigkeiten unter einen der beiden Begriffe fällt demnach aus. Daher ist für jede potentielle, gesellschaftsrechtliche Streitigkeit mit Organmitgliedern zunächst zu prüfen, ob das Gesetz Regelungen zur prozessualen Geltendmachung enthält und falls ja, ob das Gesetz eine andere Regelung zulässt. c) Zwingende Regelungen zur prozessualen Geltendmachung gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten aa) Hauptversammlungsbeschlüsse und Organbeschlüsse Aus dem eben Gesagten ergibt sich bereits, dass alle Beschlussmängelstreitigkeiten nicht Gegenstand einer statutarischen Schiedsklausel sein können. Für diese hat der Gesetzgeber eigene Verfahrensregeln für das Verfahren vor staatlichen Gerichten geschaffen, von denen eine Schiedsklausel eine unzulässige Abweichung im Sinne des § 23 Abs. 5 S. 1 AktG darstellt. Das gleiche gilt auch für Aufsichtsratsbeschlüsse und Vorstandsbeschlüsse, deren Nichtigkeit nur unter Heranziehung der für Hauptversammlungsbeschlüsse geltenden Prozess- und Rechtskraftvorschriften nach §§ 246 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, 248, 249 Abs. 2 AktG analog festgestellt werden kann.378 Prozessual sind Verfahren über Hauptversammlungsbeschlüsse und Aufsichtsratsbeschlüsse somit identisch, sodass eine andere Behandlung nicht gerechtfertigt werden kann. Dass § 23 Abs. 5 S. 1 AktG auch auf Normen, die nur analog zur Anwendung kommen, angewendet wird, entspricht seinem Telos, dass die Aktionäre vor dem Erwerb der Aktie keinen erhöhten Informationsaufwand haben sollen. Wenn man richtigerweise die gleichen Kriterien an Schiedsverfahren über Organbeschlüsse stellt wie an Gesellschafterbeschlüsse, dann weicht dieses in erheblicher Weise vom typischen Verfahren von staatlichen Gerichten ab. Damit würde also auch für Klagen in Bezug auf solche Beschlüsse ein erhöhter Informationsaufwand bestehen, den es zu vermeiden gilt.379 Daher verstoßen Schiedsklauseln über alle Formen von Beschlussmängelstreitigkeiten gegen die Satzungsstrenge.
Spindler, AG 2008, 598 ff.; konkret für Schiedsklauseln über Beschlussmängelstreitigkeiten vgl. K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1860. 378 Vgl. C.II.1.c)gg), S. 93. 379 Vgl. auch K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1861, der die Wirkung der Satzungsstrenge auch bei der analogen Anwendung ebenso für gerechtfertigt hält.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
bb) Abberufung eines Vorstandsmitglieds Fehler bei der Abberufung eines Vorstandsmitgliedes können in drei unterschiedlichen Verfahren geltend gemacht werden: Im Wege einer Gestaltungsklage, durch welches das Vorstandsmitglied wieder in sein Amt versetzt wird, durch Feststellung der Nichtigkeit oder des Beschlussfehlers oder durch einfache Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abberufungsbeschlusses.380 Bei der Feststellung der Nichtigkeit wegen eines Beschlussfehlers handelt es sich um einen Beschlussmängelstreitigkeit über einen Aufsichtsratsbeschluss, sodass § 23 Abs. 5 S. 2 AktG i.V.m §§ 246, 248, 249 AktG eine statutarische Schiedsklausel sperrt. Auch soweit eine statutarische Schiedsklausel das Verfahren nach § 84 Abs. 3 S. 4 AktG erfassen soll, ist sie nach § 23 Abs. 5 S. 2 AktG gesperrt. Das ergibt sich nicht etwa daraus, dass durch die Anordnung eines Schiedsgerichts ein neues Organ geschaffen würde381 – denn dass ein Schiedsgericht im Sinne der ZPO kein neues Organ darstellt, wurde bereits dargelegt. Eine Abweichung von § 84 Abs. 3 S. 4 AktG liegt ebenfalls nicht vor, da diese Norm nur eine rechtskräftige Entscheidung fordert, aber nicht bestimmt, dass diese von einem Gericht kommen muss. Gem. § 1055 ZPO hat auch ein Schiedsspruch zwischen den Parteien Rechtskraft. Allerdings wirkt auch das Gestaltungsurteil nach § 84 Abs. 3 S. 4 AktG gem. § 248 Abs. 1 S. 1 AktG analog für alle Aktionäre und Organmitglieder, sodass auch die entsprechenden Begleitvorschriften Anwendung finden.382 Daraus folgt – wie bei den Beschlussmängeln –, dass eine Schiedsklausel über diese Streitigkeit gegen § 23 Abs. 5 S. 2 AktG verstoßen würde. cc) Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds Die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds auf Grund eines wichtigen Grundes gem. § 103 Abs. 3 AktG kann bei einer analogen Anwendung des § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO auch durch ein Schiedsgericht vorgenommen werden.383 Unter satzungsrechtlichen Gesichtspunkten bestehen gegen die Anordnung eines Schiedsgerichts jedoch Bedenken. Zunächst einmal heißt es in § 103 Abs. 3 S. 1 AktG ausdrücklich, dass über die Abberufung ein Gericht entscheidet. Die Anordnung eines Schiedsgerichts in der Satzung würde von dieser Regelung abweichen. Hier könnte man allerdings noch vertreten, dass der Wortlaut nur den Regelfall abbilden soll, da jede Entscheidung im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ja erstmal durch ein staatliches Gericht gefällt wird. Dass § 103 Abs. 3 S. 1 AktG das Wort „Gericht“ enthält, deutet noch nicht auf eine zwingende Entscheidung des Gesetzgebers hin. 380 381 382 383
Vgl. C.II.1.c)hh), S. 99. So aber die Bedenken der h.M.; vgl. D., Fn. 365. Vgl. C.II.1.c)hh), S. 100. Vgl. C.II.1.c)ii), S. 103.
III. Besonderheiten bei der AG
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Gem. § 103 Abs. 3 S. 3 AktG sind allerdings auch die Aktionäre zur Erhebung der Klage befugt und gem. S. 4 ist überdies gegen den Beschluss die Beschwerde zulässig. Auf diese Weise hat der Gesetzgeber Teile eines Verfahrens im Aktienrecht geregelt, auf die der Aktionär beim Erwerb seiner Aktien vertrauen darf. Ihm wird die Möglichkeit eingeräumt, die Rechtmäßigkeit des Beschlusses gem. § 103 Abs. 3 S. 3 AktG i.V.m. § 58 ff. FamFG überprüfen zu lassen. Das Beschwerdegericht kann nach § 69 Abs. 1 FamFG eine Entscheidung treffen, die in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht von der Entscheidung der Vorinstanz unabhängig ist.384 Obgleich Schiedssprüche grundsätzlich durch staatliche Gerichte gem. § 1059 ZPO überprüfbar sind, beschränkt sich die Überprüfung auch nur auf den Katalog. Einen eigenen Instanzenzug kennt das Schiedsverfahren nicht.385 Vor dem Schiedsgericht kann also keine gleichwertige Überprüfung gewährleistet werden, obwohl § 103 Abs. 3 S. 4 AktG eine solche eindeutig zulässt. Also würde durch eine Schiedsklausel von § 103 Abs. 3 S. 4 AktG abgewichen. Das gilt auch, wenn der Aufsichtsrat nach § 103 Abs. 3 S. 1 AktG selbst klagt, da sich die Aktionäre durch Stellen eines Beschlussantrags gem. S. 3 an diesem beteiligen können386. Eine Trennung der Verfahren ist unmöglich.387 Da sie ihre Beteiligung durch einen Beschlussantrag herbeiführen, sind sie gem. § 103 Abs. 3 S. 4 AktG i.V.m. § 59 Abs. 2 FamFG auch dann beschwerdeberechtigt, wenn das Verfahren durch den Aufsichtsrat begonnen wurde. Daher ist es nicht möglich, eine Schiedsklausel zu entwerfen, die nur den Antrag des Aufsichtsrates erfasst. Auch an diesem Verfahren müssen sich die Aktionäre nämlich unter Wahrung ihrer Rechte beteiligen können. Eine statutarische Schiedsklausel, durch die für eine Entscheidung nach § 103 Abs. 3 AktG ein Schiedsgericht angeordnet wird, ist daher wegen Verstoßes gegen § 23 Abs. 5 S. 1 AktG unzulässig. dd) Organschaftliche Ersatzansprüche Mit organschaftlichen Ersatzansprüchen sind solche aus §§ 88 Abs. 2, 93 Abs. 1 S. 2, 116 AktG gemeint. Diese stellen Ansprüche der AG gegen ihre Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder dar. Bei der klageweisen Durchsetzung dieser Ansprüche sind grundsätzlich die Gesellschaft als Klägerin und das Organmitglied als Beklagter Streitpartei. Gegen die Zulässigkeit von statutarischen Schiedsklauseln über organschaftliche Ersatzansprüche kann nicht der Einwand vorgebracht werden, dass damit in die 384
MüKoZPO/A. Fischer, § 69 FamFG Rn. 7. Vgl. aber Schroth, SchiedsVZ 2007, 291 ff. zur Möglichkeit der Ergänzung des Schiedsspruch nach § 1058 Abs. 1 Nr. ZPO als „kleine Berufung“. Dort geht es aber nur um eine Ergänzung, nicht um eine Aufhebung. Zur Überprüfbarkeit von Entscheidungen von Schiedsgerichten durch staatliche Gerichte vgl. Schütze, SchiedsVZ 2009, 241 ff. 386 Vgl. K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 103 AktG Rn. 19; GroßKommAktG/Hopt/Roth, 4. Aufl. § 103 Rn. 69; KK/Mertens/Cahn, § 103 AktG Rn. 49. 387 GroßKommAktG/Hopt/Roth, 4. Aufl. § 103 Rn. 69. 385
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Kompetenz des Aufsichtsrates zur Geltendmachung derartiger Ansprüche eingegriffen würde – die Geltendmachung der Ansprüche bleibt dabei im uneingeschränkten Kompetenzbereich des Aufsichtsrates, allein das prozessuale Verfahren wird geändert. Es ist viel mehr zu prüfen, ob durch die Anordnung eines Schiedsgerichts von Normen des AktG abgewichen wird, welche die prozessuale Geltendmachung der organschaftlichen Erstattungsansprüche regeln. Als solche kommen die Spezialvorschriften §§ 147, 148, 93 Abs. 5 S. 1 AktG in Frage. (1) § 147 AktG als Spezialvorschrift? Im Klageerzwingungsverfahren nach § 147 Abs. 1 S. 1 AktG kann die Hauptversammlung den Aufsichtsrat bei Ansprüchen gegen den Vorstand und umgekehrt den Vorstand bei Ansprüchen gegen den Aufsichtsrat dazu verpflichten, entsprechende Klagen zu erheben.388 Hier werden die Organe verpflichtet, die Ersatzansprüche einzuklagen; dies betrifft aber noch nicht die prozessuale Durchsetzung der Ansprüche selbst. Allerdings können gem. § 147 Abs. 2 S. 2 AktG bestimmte Aktionäre beim nach § 14 AktG örtlich zuständigen Gericht beantragen, dass zur Geltendmachung der Ansprüche ein besonderer Vertreter eingesetzt werden soll. Die Bestellung eines solchen Vertreters durch das gem. §§ 375 Nr. 3 FamFG, 14 AktG zuständige Amtsgericht ist jedoch der tatsächlichen Klage vorgelagert und nicht Teil eines einheitlichen Verfahrens. Die Einsetzung eines besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 2 S. 1, 2 AktG entscheidet über die Frage, wer die Gesellschaft bei der Klage vertritt, aber nicht wie die Klage auszusehen hat. Sie ist der Klage zeitlich vorgelagert. Damit ändert eine statutarische Schiedsklausel diese Vorschrift nicht ab. § 147 Abs. 2 S. 2 AktG steht einer statutarischen Schiedsklausel über Organhaftungsklagen nicht gem. § 23 Abs. 5 AktG entgegen. (2) § 148 AktG als Spezialvorschrift? Dieses Klagezulassungsverfahren ist wie die Bestellung des besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 2 S. 2 AktG ein eigenes Verfahren, das der klageweisen Geltendmachung zeitlich vorgelagert ist. Es geht nicht direkt ins Klageverfahren über. Das ergibt sich aus § 148 Abs. 4 S. 1 AktG, der festlegt, dass nach einem stattgebenden Beschluss im Klagezulassungsverfahren die Aktionäre noch einmal die Gesellschaft zur Klage auffordern müssen, ehe sie diese selbst als Prozessstandschafter389 erheben können. Anders als bei der Bestimmung des besonderen Vertreters treffen § 148 AktG Abs. 3, 4, 5 AktG auch Regelungen, die das Klageverfahren selbst betreffen.
388
Vgl. Hüffer/Koch, § 147 AktG Rn. 6; Mehrbrey/Witte/Gossen, § 9 Rn. 65. Hüffer/Koch, § 148 AktG Rn. 15; Mencke, Beiladung im Klageverfahren gem. § 148 AktG, 1; K. Schmidt/Lutter/Spindler, § 148 AktG Rn. 2. 389
III. Besonderheiten bei der AG
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Um zu überprüfen, ob eine statutarische Schiedsklausel eine Abänderung dieser Regelungen enthält, soll geprüft werden, wie sich eine solche im Falle der Wirksamkeit auf das Klagezulassungsverfahren auswirkt. Dabei soll zunächst von zwei Voraussetzungen ausgegangen werden: – Die Schiedsklausel ist weit gefasst und erfasst „alle gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern des Vorstands oder des Aufsichtsrates und der Gesellschaft.“ – Das beklagte Organmitglied hat seine notwendige390 Zustimmung abgegeben. Organschaftliche Ersatzansprüche sind Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Organmitglieder, sodass die Begründung der Schiedsgerichtszuständigkeit zunächst nur die prozessuale Rechtsbeziehung zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied betrifft. Eine statutarische Schiedsklausel der dargestellten Art betrifft daher erst einmal nicht die Aktionäre. Wenn eine AG selbst einen Ersatzanspruch im Sinne des §§ 147 Abs. 1 S. 1, 148 Abs. 1 S. 1 AktG einklagt, ohne dass es zuvor zum Antrag auf Klagezulassung durch einen oder mehrere Aktionäre gekommen ist, findet keine Vorschrift des § 148 AktG Anwendung, denn diese setzen allesamt zumindest einen Antrag nach § 148 Abs. 1 S. 1 AktG voraus391. Soweit eine Schiedsklausel also nur den Fall einer direkten Schiedsklage durch die Gesellschaft gegen ihre Organmitglieder regelt, weicht sie nicht von den Regelungen des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG ab, sodass sie mit Blick auf § 23 Abs. 5 AktG unbedenklich ist.392 Anders könnte es sich aber darstellen, wenn die Schiedsklausel auch nach Antragstellung im Sinne des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG weiterhin Wirkung entfalten soll. Hier gibt es unterschiedliche Sachverhaltsvarianten, in denen die Anwendung der allgemeinen Grundsätze, die mit der Schiedsbindung einhergehen, möglicherweise eine Abweichung von § 148 AktG darstellen könnten. (a) Variante 1: Klageverfahren durch Aktionär Ein Aktionär oder eine Aktionärsgruppe beantragen die Klagezulassung nach § 148 Abs. 1 S. 1 AktG. Dem Antrag wird stattgegeben. Nach erfolgloser Aufforderung an die AG zur Klageerhebung nach § 148 Abs. 4 S. 1 AktG möchten sie gegen die Organmitglieder Klage erheben. Die AG unterlässt jegliches Tätigwerden. In diese Konstellation ist bereits fraglich, wo die Klage richtigerweise zu erheben wäre. Nach § 148 Abs. 4 S. 1 AktG ist die Klage vor dem Gericht zu erheben, bei dem auch das Klagezulassungsverfahren geführt wurde. Allerdings klagen die Aktionäre hier als Prozessstandschafter im eigenen Namen ein Recht der AG ein. Für Insol-
390 391 392
Vgl. D.II.1.a), S. 186. Vgl. § 148 Abs. 3, 4, 5 AktG. Soweit übereinstimmend Herresthal, ZIP 2014, 345, 347.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
venzverwalter, welche ebenfalls Prozessstandschafter393 sind, ist anerkannt, dass diese bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Insolvenzmasse an die darüber abgeschlossenen Schiedsvereinbarungen gebunden sind, selbst wenn sie nicht an der Schiedsvereinbarung beteiligt sind.394 Entsprechend muss bei einer Schiedsvereinbarung über einen organschaftlichen Erstattungsanspruch auch der Prozessstandschafter der Gesellschaft, also die Aktionäre, nach den allgemeinen Grundsätzen an die Schiedsvereinbarung gebunden sein.395 Diese Erstreckung ergibt sich aus der Erwägung, dass die Rechte des Prozessstandschafters nicht über die Rechte des materiell Berechtigten hinausgehen dürfen.396 Diese Erwägung lässt sich von der Schiedsvereinbarung auf die statutarische Schiedsklausel nach dem Gedanken § 1066 ZPO übertragen, da sie nicht auf dem Charakter der Schiedsvereinbarung als Vertrag fußt. Daraus folgt, dass nach den allgemeinen Grundsätzen eine statutarische Schiedsklausel auch die Aktionäre im Klageverfahren nach § 148 Abs. 4 S. 1 AktG binden würde.397 Eine statutarische Schiedsklausel über organschaftliche Erstattungsansprüche führt also zu einer Abweichung von § 148 Abs. 4 S. 1 AktG, da sie für den Fall der klageweisen Geltendmachung durch Aktionäre entgegen der Vorschrift die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts anordnet. § 148 Abs. 4 S. 1 AktG geht über eine einfache Zuständigkeitsregelung hinaus; er ist Ausdruck der Intention des Gesetzgebers, dass Klagezulassungsverfahren und Klageverfahren vor demselben Gericht zu führen sind398.399 Eine statutarische Schiedsklausel wäre also nur denkbar, wenn sie gleichzeitig die Zuständigkeit des Schiedsgerichts für das Klagezulassungsverfahren begründen könnte. Das Klagezulassungsverfahren kann zwar als schiedsfähig im Sinne des § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO eingeordnet werden, da es sich um eine gesellschaftsrechtliche Streitigkeit handelt400; eine Schiedsvereinbarung über diese ist also denkbar401. Allerdings steht einer statutarischen Schiedsklausel über das Klagezulassungsverfahren § 23 Abs. 5 S. 1 AktG im Wege402, da auch hier der Gesetzgeber ein Verfahren geschaffen hat, auf dessen Bestand ein Aktionär beim Er-
393 BGH NJW 1984, 739 (Konkursverwalter); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grdz § 50 ZPO Rn. 27; Zöller/Vollkommer, vor § 50 ZPO Rn. 21; vgl. auch BGH NZG 2008, 711, 712. 394 Vgl. BGH, NJW 1979, 2567 f.; SchiedsVZ 2004, 259, 260; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, § 1029 Rn. 26; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 516; Zöller/Geimer, § 1029 Rn. 65; Wagner, Böckstiegel/Berger/Bredow 2005, 7, 13 f., je m.w.N. 395 KK/Rieckers/Vetter, § 148 AktG Rn. 391. 396 Vgl. KK/Rieckers/Vetter, § 148 AktG Rn. 391. 397 So auch Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 13. 398 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22. 399 KK/Rieckers/Vetter, § 148 AktG Rn. 384. 400 Vgl. KK/Rieckers/Vetter, § 148 AktG Rn. 381. 401 Vgl. KK/Rieckers/Vetter, § 148 AktG Rn. 383. 402 KK/Rieckers/Vetter, § 148 AktG Rn. 389 lassen diese Frage offen.
III. Besonderheiten bei der AG
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werb einer Aktie vertrauen darf, ohne mit Änderungen rechnen zu müssen. Es ist also nicht möglich, dass eine statutarische Schiedsklausel beide Verfahren erfasst. Somit stellt die oben genannte statutarische Schiedsklausel eine Abweichung von § 148 Abs. 4 S. 1 AktG im Sinne des § 23 Abs. 5 S. 1 dar, da sie nach Anwendung der allgemeinen Grundsätze auch eine Zuständigkeit des Schiedsgerichts im Falle der klageweisen Geltendmachung durch Aktionäre anordnet. Insoweit ist sie wegen Verstoßes gegen § 23 Abs. 5 S. 1 AktG unzulässig. (b) Variante 2: „Beiladungen“ Nach Stellung eines Antrags gem. § 148 Abs. 1 AktG durch einen Aktionär oder eine Aktionärsmehrheit möchte die AG selbst Klage gegen das Organmitglied erheben. Hier ist ebenso fraglich, ob die AG selbst Klage vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht erheben muss. Grundsätzlich ergibt sich aus dem vorherig Gesagten nur, dass die statutarische Schiedsklausel keine Wirkung für das Verhältnis zwischen dem Aktionär und dem Organmitglied entfalten darf. Einer weiteren Schiedsbindung der Gesellschaft stehen jedenfalls § 148 Abs. 4 S. 1 AktG i.V.m. § 23 Abs. 5 S. 1 AktG nicht entgegen; insbesondere enthält § 148 Abs. 4 S. 1 AktG keine Aussage darüber, bei welchem Gericht die AG selbst Klage erheben muss403. In § 148 Abs. 3 S. 1 AktG heißt es zwar, dass die Gesellschaft die Möglichkeit hat, Ersatzansprüche „gerichtlich geltend zu machen“; dies kann aber nicht als zwingende Zuweisung an die staatlichen Gerichte verstanden werden. Vielmehr verhindert § 148 Abs. 3 S. 1 AktG nur, dass die Geltendmachung durch Aktionäre einer eigenen Geltendmachung durch die AG, etwa wegen des Einwands der Rechtshängigkeit, entgegensteht.404 Der Zweck des § 148 Abs. 3 S. 1 AktG ist somit die Gewährleistung des Klagerechts der AG, aber nicht die Begrenzung auf eine Art der prozessualen Geltendmachung. Somit stellt eine statutarische Schiedsklausel keine Abweichung von § 148 Abs. 3 S. 1 AktG im Sinne des § 23 Abs. 5 S. 1 AktG dar. Eine statutarische Schiedsklausel über organschaftliche Erstattungsansprüche könnte jedoch eine Abweichung von § 148 Abs. 3 S. 3 AktG darstellen. Dort ist geregelt, dass bei einer eigenen Klage der AG oder einer Übernahme des von den Aktionären geführten Verfahrens durch die AG nach § 148 Abs. 3 S. 2 AktG die Antragsteller bzw. Kläger beizuladen sind. Der Begriff der Beiladung ist dem zivilprozessualen Streitverfahren grundsätzlich fremd, nach herrschender Meinung 403 A.A. GroßKommAktG/G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, 4. Aufl., § 148 AktG Rn. 212; Hüffers/Koch, § 148 AktG Rn. 17; allerdings ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut eine ausschließliche Zuständigkeit nur für das Klagezulassungsverfahren und das Klageverfahren der Aktionäre vorgesehen und weder die Interessen der AG als Klägerin, noch die des Beklagten verlangen eine Abweichung von allgemeinen zivilprozessualen Regelungen, KK/ Rieckers/Vetter, § 148 AktG Rn. 501. 404 Vgl. GroßKommAktG/G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, 4. Aufl., § 148 AktG Rn. 206; KK/Rieckers/Vetter, § 148 AktG Rn. 485; MüKoAktG/Schröer, § 148 AktG Rn. 62.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
meint das Gesetz daher eine optionale, streitgenössische Nebenintervention405. Eine Nebenintervention ist im Schiedsverfahren nur denkbar, wenn für alle Parteien für diese Streitigkeit die Zuständigkeit des Schiedsgerichts festgelegt ist.406 Folglich müssten für die Durchführbarkeit einer streitgenössischen Nebenintervention nach § 148 Abs. 3 S. 3 AktG im Schiedsverfahren auch die Aktionäre schiedsgebunden sein. Für Aktionäre kann durch eine satzungsmäßige Schiedsklausel wegen § 148 Abs. 4 S. 1 AktG i.V.m. § 23 Abs. 5 S. 1 AktG schon keine Zuständigkeit eines Schiedsgerichts für das eigene Klageverfahren gegen die Organmitglieder begründet werden. Die personale Reichweite einer statutarischen Schiedsklausel auf die nach § 148 Abs. 3 S. 3 AktG Beizuladenden zu erstrecken, würde selbst eine Abweichung von § 148 Abs. 3 S. 3 AktG darstellen: Mit der Schaffung einer Beiladungsregel hat der Gesetzgeber eine Grundsatzentscheidung für die staatliche Gerichtsbarkeit getroffen, vor der die Einhaltung dieser Vorschriften garantiert werden kann. Telos des § 23 Abs. 5 AktG ist es, zur Standardisierung der Aktie als Produkt überraschende und untypische Satzungsbestimmungen zu verhindern.407 Damit ist es nicht vereinbar, einen Aktionär, der nach § 148 Abs. 3 S. 3 AktG mit der Möglichkeit einer Nebenintervention vor einem staatlichen Gericht rechnen darf, stattdessen vor ein Schiedsgericht zu zwingen, dessen Verfahrensgestaltung regelmäßig eine andere als vor staatlichen Gerichten ist. Vereinfacht gesagt: § 148 Abs. 3 S. 3 AktG gewährt eine Nebenintervention vor einem staatlichen Gericht, eine statutarische Schiedsklausel würde zur Nebenintervention vor einem Schiedsgericht führen. Dies stellt eine Abweichung im Sinne des § 23 Abs. 5 S. 1 AktG dar. Aus diesem Grund kann eine statutarische Schiedsklausel keine Schiedsbindung für die Beizuladenden nach § 148 Abs. 3 S. 3 AktG begründen. Wenn an die statutarische Schiedsklausel nur die AG und das beklagte Organmitglied gebunden wären, könnte im Falle einer Klage vor dem staatlichen Gericht letzteres die Einrede der Schiedsanordnung nach §§ 1032 Abs. 1, 1066 ZPO erheben und so eine Klage vor dem Schiedsgericht erzwingen. Vor diesem wäre aber mangels einer Schiedsbindung der Aktionäre keine Beiladung nach § 148 Abs. 3 S. 3 AktG garantiert. Dadurch würde die Beteiligung der Aktionäre in Abweichung von § 148 Abs. 3 S. 3 AktG ausgehebelt. Eine solche Ausgestaltung stellt mithin eine Abweichung von § 148 Abs. 3 S. 3 AktG dar, die nicht gem. § 23 Abs. 5 S. 1 AktG ausdrücklich zulässig ist. Somit verstößt auch eine statutarische Schiedsklausel, die nach der Begründung des Beiladungsrechts gem. § 148 Abs. 3 S. 3 AktG nur eine 405
Vgl. GroßKommAktG/G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, 4. Aufl. § 148 AktG Rn. 215; KK/Rieckers/Vetter, § 148 Rn. 514 ff.; K. Schmidt/Lutter/Spindler, § 148 AktG Rn. 36; Hüffer/ Koch, § 148 AktG Rn. 12; ausf. Mencke, Beiladung im Klageverfahren gem. § 148 AktG, 179 ff.; a.A. Hölters/Hirschmann, § 148 AktG Rn. 22; MüKoAktG/Schröer, § 148 AktG Rn. 65; Paschos/Neumann, DB 2005, 1779, 1784, die sich für eine Orientierung an §§ 65 Abs. 2, 66 VwGO aussprechen. 406 Vgl. Geimer, Böckstiegel/Berger/Bredow 2005, 71, 74 f.; vgl. auch Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2826, der nur auf das Einverständnis durch Schiedsvereinbarung abstellt, aber nicht auf eine Schiedsanordnung nach § 1066 ZPO eingeht. 407 Vgl. Kap. D. Fn. 374.
III. Besonderheiten bei der AG
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Schiedsbindung für die Organmitglieder und die AG herbeiführen soll, gegen die Satzungsstrenge. (c) Variante 3: Verfahrensübernahme durch die AG Nachdem die Aktionäre zulässigerweise nach § 148 Abs. 4 S. 1 AktG Klage gegen das Organmitglied erhoben haben, übernimmt die AG gem. § 148 Abs. 3 S. 2 AktG das Klageverfahren. In dieser Variante ist auf Grund des zuvor Gesagten ebenfalls die Unzulässigkeit der statutarischen Schiedsklausel nach § 23 Abs. 5 S. 1 AktG i.V.m. § 148 Abs. 3 S. 3 AktG festzustellen, da auch die klagenden Aktionäre nach § 148 Abs. 3 S. 3 AktG beizuladen sind. (d) Folgerungen Eine statutarische Schiedsklausel, die nur für „alle gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern des Vorstands oder des Aufsichtsrates und der Gesellschaft“ die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts anordnen soll, verstößt gegen § 23 Abs. 5 S. 1 AktG i.V.m. § 148 Abs. 3 S. 3, 4 S. 1 AktG. Damit sie satzungsrechtskonform ist, muss sie einen Passus enthalten, der besagt: „Organschaftliche Erstattungsansprüche unterfallen der Schiedsklausel nicht, wenn ein Aktionär einen Klagezulassungsantrag gem. § 148 Abs. 1 S. 1 AktG gestellt hat, bevor das Schiedsverfahren begonnen hat.“ Als Prozessstandschafter wären die Aktionäre an die statutarische Schiedsklausel gebunden, was eine Abweichung von § 148 Abs. 4 S. 1 AktG darstellen würden. Außerdem sind ab dem Zeitpunkt der zulässigen Erhebung eines Klagezulassungsantrages die Antragsteller beiladungsberechtigt408, sodass eine andere Regelung eine Abweichung von § 148 Abs. 1 S. 1 darstellt. (3) § 93 Abs. 5 S. 1 AktG als Spezialvorschrift? Eine weitere Begrenzung statutarischer Schiedsklauseln könnte sich aus § 93 Abs. 5 S. 1 AktG ergeben. Dieser bestimmt, dass ein Ersatzanspruch nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden kann, soweit diese von der Gesellschaft keine Befriedigung erwarten können. Die dogmatische Einordnung dieses Verfolgungsrechts ist noch nicht geklärt. Einer Ansicht nach handelt es sich bei § 93 Abs. 5 S. 1 AktG um einen Fall der Prozessstandschaft.409 Das hätte zur Folge, dass sich eine Schiedsbindung zwischen dem Anspruchsinhaber (AG) und dem Anspruchsgegner (Organmitglied) durch eine statutarische Schiedsklausel auch auf die Gläubiger als Prozessstandschafter er-
408
GroßKommAktG/G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, 4. Aufl. § 148 AktG Rn. 215. Vgl. OLG Frankfurt WM 1977, 59, 62; LG Köln AG 1976, 105; Habscheid, FS Weber 1975, 197, 198 ff. 409
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D. Statutarische Schiedsklauseln
strecken würde.410 Die Gläubiger wären danach nur vor dem Schiedsgericht in der Lage, die Ansprüche gegen das Organmitglied zu verfolgen. Anders als § 148 Abs. 4 S. 1 AktG enthält § 93 Abs. 5 S. 1 AktG allerdings keine Aussage über die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte oder das Verfahren vor denselben. Dem Gläubiger wird eine Geltendmachung vor den staatlichen Gerichten nicht garantiert. Nimmt man also an, dass die Gläubiger gem. § 93 Abs. 5 S. 1 AktG als Prozessstandschafter auftreten, führt dies nicht dazu, dass eine Schiedsklausel eine Abweichung von § 93 Abs. 5 S. 1 AktG darstellt. Nach der Gegenansicht führt § 93 Abs. 5 S. 1 AktG zu einer Anspruchsvervielfältigung sui generis, also zu einem eigenen Anspruch der Gläubiger gegen das Organmitglied.411 Ein eigener Anspruch des Gläubigers gegen das Organmitglied wäre schon kein gesellschaftsinterner Anspruch und könnte schon deshalb nicht Gegenstand einer statutarischen Schiedsklausel sein412. Eine statutarische Schiedsklausel kann und darf nur das Verhältnis der Gesellschaft, Gesellschafter und Aktionäre regeln, nicht aber das zu Dritten. Demnach wäre ein eigener Anspruch der Gläubiger von ihr gar nicht erfasst. Somit ist es unerheblich, welcher Ansicht man folgt, da eine statutarische Schiedsklausel nach keiner der beiden Ansichten eine Abweichung von § 93 Abs. 5 S. 1 AktG darstellt. (4) Zwischenergebnis Wenn eine statutarische Schiedsklausel organschaftliche Ersatzansprüche erfasst, dann verstößt sie nur gegen die Satzungsstrenge, wenn sie ihre Wirkung auch über einen Klagezulassungsantrag nach § 148 Abs. 1 S. 1 AktG analog hinaus entfalten soll. Dies ist bei der Ausgestaltung der Schiedsklausel entsprechend zu beachten. Sonstige Beschränkungen ergeben sich nicht. ee) „Entlastungsklage“ Das AktG enthält keine Regelung spezifisch für die „Entlastungsklage“. Da die „Entlastungsklage“ als negative Feststellungsklage aber das Gegenstück zur Organhaftungsklage darstellt, könnte sich eine Beschränkung ebenso aus § 148 AktG ergeben. Das Verhältnis zwischen der „Entlastungsklage“ und § 148 AktG wurde bis dato noch nicht analysiert. Zunächst ist festzustellen, dass die Durchführung einer „Entlastungsklage“ zwischen einem Organmitglied und der Gesellschaft nicht dazu führen kann, dass der Antrag auf Klagezulassung wegen Fehlens der Voraussetzungen von § 148 Abs. 1 410
Vgl. D.III.1.c)dd)(2)(a), S. 209. H.M., vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 AktG Rn. 294; GroßkommAktG/Hopt/Roth, 5. Aufl., § 93 AktG Rn. 549 ff., MüKoAktG/Spindler, § 93 AktG Rn. 267. 412 Vgl. ähnlich bereits zu § 64 GmbHG D.II.2.b), S. 199. 411
III. Besonderheiten bei der AG
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S. 2 Nr. 2 AktG scheitert. Dieser verlangt, dass „die Aktionäre nachweisen, dass sie die Gesellschaft unter Setzung einer angemessenen Frist vergeblich aufgefordert haben, selbst Klage zu erheben.“ Man könnte auf die Idee kommen, dass die Durchführung einer „Entlastungsklage“ zwischen einem Organmitglied und der AG dazu führt, dass über den vermeintlichen Erstattungsanspruch bereits entschieden wird, die Erhebung einer Leistungsklage nicht notwendig wäre und man das Auffordern Aktionäre folglich nicht als „vergeblich“ bezeichnen kann. Entscheidet nun aber das (Schieds-)Gericht, dass die „Entlastungsklage“ unbegründet ist, weil ein Organhaftungsanspruch besteht, so ist allein auf Grund dieser Entscheidung noch keine Zahlung des Organmitglieds garantiert, weil negative Feststellungsurteile nicht vollstreckbar sind413. § 148 AktG zielt darauf ab, die Durchsetzung von Organhaftungsansprüche zu gewährleisten.414 Diesem Zweck wäre nicht Genüge getan, wenn das Klagezulassungsverfahren in einem solchen Fall scheitern würde. Wie verhält es sich aber, wenn eine „Entlastungsklage“ noch läuft, nachdem die Aktionäre das Klagezulassungsverfahren über denselben Anspruch erhoben haben? Wären dann auf Grund der Schiedsbindung der Gesellschaft für die „Entlastungsklage“ die Gesellschaft und die Aktionäre entgegen der oben genannten Grundsätze dazu gezwungen, auch die Organhaftungsklage vor dem Schiedsgericht zu erheben? Wäre dies der Fall, dann hätte das zur Folge, dass die Anordnung einer Schiedsbindung über die „Entlastungsklage“ ebenso wie die Anordnung einer Schiedsbindung über die Organhaftungsklage gegen § 148 AktG verstieße. Grundsätzlich steht es dem Beklagten einer negativen Feststellungsklage offen, den bestrittenen Anspruch im Wege der Leistungsklage geltend zu machen. Die Rechtshängigkeit der Feststellungsklage steht dem nicht entgegen.415 Zum Teil wird vertreten, dass die Leistungsklage nur in Gestalt einer Leistungswiderklage zulässig sei.416 Ungeachtet, welcher Ansicht man folgt, kommt man nicht zu dem Ergebnis, dass die Klage vor dem Schiedsgericht verhandelt werden muss. Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts richtet sich auch in der Widerklage stets danach, ob sie für die konkrete Streitigkeit begründet wurde.417 Ein enger Zusammenhang als Zuständigkeitsbegründung418 reicht nicht aus, da eine solche weitergehende Zuständigkeit mit der eng begrenzten Zuständigkeit eines Schiedsgerichts unvereinbar wäre und auch nicht unter Hinweis auf die Prozessökonomie überwunden werden kann419. Eine 413
Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 90 Rn. 1. Vgl. K. Schmidt/Lutter/Spindler, § 148 AktG Rn. 2. 415 Vgl. BGH NJW 1994, 2954, 2955; NJW 1994, 3107, 3108; Musielak/Voit/Foerste, § 256 ZPO Rn. 16; Zöller/Greger, § 256 ZPO Rn. 16; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 98 Rn. 23; HkZPO/I. Saenger, § 256 ZPO Rn. 22. 416 Vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, § 256 ZPO Rn. 63 m.w.N. 417 Vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 1461; MüKoZPO/Münch, § 1046 Rn. 33; Stolzke, Aufrechnung und Widerklage, 116 f.; Musielak/Voit/Voit, § 1046 ZPO Rn. 14. 418 So aber Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1046 ZPO Rn. 7; Zöller/Geimer, § 1046 Rn. 5. 419 Stolzke, Aufrechnung und Widerklage, 116. 414
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Zuständigkeit der Schiedsgerichte kann für Organhaftung nach den oben entwickelten Grundsätzen für die hier problematisierten Fälle nicht durch die Satzung angeordnet werden. Also führt auch die Durchführung einer „Entlastungsklage“ vor dem Schiedsgericht nicht dazu, dass die Gesellschafter oder Aktionäre nach Beginn des Klagezulassungsverfahrens entgegen § 148 AktG vor ein Schiedsgericht müssten. Richtigerweise können dann die Gesellschaft nach § 148 AktG Abs. 3 S. 1 AktG oder die Aktionäre nach Abs. 4 S. 1 vor dem zuständigen Gericht Klage erheben, während die „Entlastungsklage“ im Schiedsverfahren wegen Wegfall des Feststellungsinteresses unzulässig wird420. Das klagende Organ kann die „Entlastungsklage“ dann für erledigt erklären.421 Daher führt eine statutarische Schiedsklausel über eine „Entlastungsklage“ nicht zu einer Abweichung von § 148 AktG, da sie weder die AG noch die Aktionäre nach Beginn des Klagezulassungsverfahrens dazu zwingt, die Organhaftungsklage vor dem Schiedsgericht zu erheben. Soweit die statutarische Schiedsklausel eine „Entlastungsklage“ erfasst, bei der über den bestrittenen Anspruch noch kein Klagezulassungsverfahren begründet wurde, steht ihr die Satzungsstrenge erst Recht nicht entgegen. ff) Vergütungs- und Auslagenerstattungsansprüche der Aufsichtsratsmitglieder Zum Anspruch des Aufsichtsrates auf Vergütung aus § 113 Abs. 2 AktG und auf Aufwendungsersatz nach § 670 BGB analog enthält das AktG keine Regeln, welche die prozessuale Geltendmachung betreffen. Eine statutarische Schiedsklausel, welche diese erfasst, weicht nicht vom AktG ab. gg) Informationsansprüche Das Gesetz enthält keine prozessualen Regelungen der Gesellschaft zur Geltendmachung der Informationsansprüche aus §§ 90 Abs. 4 u. 5, 125 Abs. 4, 170 Abs. 3 AktG. Soweit eine Schiedsanordnung also diese Ansprüche erfasst, weicht sie nicht vom AktG ab, sondern ergänzt dieses nur in einem Bereich, der nicht abschließend geregelt wurde. Somit steht § 23 Abs. 5 AktG statutarischen Schiedsklauseln nicht entgegen, soweit sie die Informationsansprüche der Organmitglieder erfassen.
420 Vgl. BGH NJW 1994, 3107, 3108; NJW 2006, 515, 516; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 90 Rn. 36. 421 Vgl. BGH NJW 1994, 3107; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 90 Rn. 36.
III. Besonderheiten bei der AG
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hh) Zwischenergebnis Die Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG steht einer statutarischen Schiedsklausel in einer Aktiengesellschaft nicht per se entgegen. Soweit Streitigkeiten mit Beteiligung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern betroffen sind, gilt das Folgende: Statutarische Schiedsklauseln über Hauptversammlungs- oder Organbeschlussmängelstreitigkeiten, sowie über die Abberufung von Organmitgliedern verstoßen gegen die Satzungsstrenge. Über Organhaftungsansprüche und Ersatzansprüche nach § 88 Abs. 2 S. 1 AktG sind sie zulässig, solange sie eine Ausnahme für den Fall vorsehen, dass über den gleichen Streitgegenstand ein Antrag im Klagezulassungsverfahren gestellt wurde. Für die „Entlastungsklage“, die Vergütungsund Auslagenerstattungsansprüche des Aufsichtsrates und die Informationsansprüche sind statutarische Schiedsklauseln unter satzungsrechtlichen Aspekten uneingeschränkt zulässig. d) Fehlerfolgen Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Satzungsstrenge ist umstritten. Zum Teil wird vertreten, dass sich die Rechtsfolge nach § 241 Nr. 3 AktG analog richte422, also eine gegen § 23 Abs. 5 AktG verstoßende Satzungsbestimmung ihre Wirksamkeit behält, es sei denn sie verletze durch ihren Inhalt gegen Vorschriften, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind. Andere nehmen wegen § 23 Abs. 5 AktG direkt423 immer die Nichtigkeit der Satzungsbestimmung an. Es überzeugt, bei einem Verstoß die Nichtigkeit direkt aus § 23 Abs. 5 AktG abzuleiten, da dieser auch ohne ausdrücklichen Ausspruch nach Sinn und Zweck den Vorrang des Gesetzesrechts sicherstellen soll.424 § 241 Nr. 3 AktG behandelt ausdrücklich nur die Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen, sodass er – wenn überhaupt – nur für spätere Satzungsänderungen herangezogen werden kann; nach Sinn und Zweck des § 23 Abs. 5 AktG kann aber nicht dazwischen unterschieden werden, in welchem Stadium die Satzungsbestimmung aufgenommen wurde.425 Das hat zur Folge, dass eine in die Satzung aufgenommene statutarische Schiedsklausel, die den oben genannten Anforderungen nicht entspricht, gem. § 23 Abs. 5 AktG nichtig ist. Bei Erhebung einer Schiedsklage müsste das Schiedsgericht gem. §§ 1040 Abs. 1 S. 1, 1066 ZPO seine Unzuständigkeit feststellen und ein
422
KK/Arnold, § 23 AktG Rn. 154; Hölters/Solveen, § 23 AktG Rn. 32. Hüffer/Koch, § 23 AktG Rn. 43; Geßler, ZGR 1980, 426, 444; GroßkommAktG/Röhricht/Schall, 5. Aufl., § 23 AktG Rn. 260; MüKoAktG/Pentz, § 23 AktG, Rn. 170. 424 Geßler, ZGR 1980, 426, 444; GroßkommAktG/Röhricht/Schall, 5. Aufl., § 23 AktG Rn. 260. 425 Vgl. GroßkommAktG/Röhricht/Schall, 5. Aufl., § 23 AktG Rn. 261. 423
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Richter im staatlichen Gerichtsprozess die Einrede nach §§ 1032 Abs. 1, 1066 ZPO abweisen. Wird die Satzungsänderung allerdings ins Handelsregister eingetragen, so kann dies gem. § 242 Abs. 2 AktG zur Heilung der Nichtigkeit führen426, was zur Folge hat, dass eine gegen § 23 Abs. 5 AktG verstoßende statutarische Schiedsklausel drei Jahre nach Eintragung ins Handelsregister doch wirksam wird. Dies gilt bei analoger Anwendung des § 242 Abs. 2 AktG427 auch für statutarische Schiedsklauseln, die im Gründungsstadium aufgenommen wurden. e) Zwischenergebnis Eine statutarische Schiedsklausel in der Satzung einer AG verstößt nicht gegen die Satzungsstrenge, wenn sie nur Informationsansprüche, sowie organschaftliche Erstattungsansprüche, die durch die AG vor Beginn eines Klagezulassungsverfahrens nach § 148 AktG eingeklagt werden, erfasst. Die Anordnung eines Schiedsgerichts für alle anderen Streitigkeiten verstößt gegen § 23 Abs. 5 S. 2 AktG i.V.m. § 246, 248, 249 AktG bzw. § 103 Abs. 3 S. 3 u. 4 AktG und ist daher nichtig. Die Nichtigkeit kann aber sowohl bei Einführung durch Satzungsänderung, als auch bei Einführung im Gründungsstadium gem. § 242 Abs. 2 AktG (analog) geheilt werden. 2. Sachliche Reichweite Soweit für die Anordnung eines Schiedsgerichts in der Satzung überhaupt noch Raum ist, sind die Erwägungen über die sachliche Reichweite von statutarischen Schiedsklauseln von der GmbH auf die AG voll zu übertragen. Die dargestellten Erwägungen treffen hier in gleichem Maße zu. Bei einer Schiedsklausel ohne Zustimmung des Organmitglieds ist Raum für die Informationsansprüche und die Vergütungsansprüche des Aufsichtsrates. Bei den gesellschaftsrechtlichen Erstattungsansprüchen gegen die Organmitglieder, also insbesondere der Organhaftung, und der umgekehrten „Entlastungsklage“428, sowie den korporationsrechtlichen Ansprüchen des Aufsichtsrates gegen die Gesellschaft auf Ersatz der Aufwendung429 ist der Grad der persönlichen Betroffenheit der Organmitglieder zu hoch, als dass die Zuständigkeit des Schiedsgerichts einseitig angeordnet werden könnte.
426 Ganz h.M.; vgl. BGHZ 99, 211, 217; 144, 365, 368; GroßkommAktG/Röhricht/Schall, 5. Aufl., § 23 AktG Rn. 262; Hüffer/Koch, § 23 AktG Rn. 43; KK/Arnold, § 23 AktG Rn. 155; MüKoAktG/Pentz, § 23 AktG, Rn. 172. 427 Vgl. BGHZ 144, 365; GroßkommAktG/Röhricht/Schall, 5. Aufl., § 23 AktG Rn. 262; KK/Arnold, § 23 AktG Rn. 155. 428 Vgl. D.II.1.a), S. 186. 429 Vgl. D.II.1.f), S. 194.
IV. Besonderheiten bei der SE
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Liegt eine Zustimmung des Organmitglieds vor, so können alle gesellschaftsrechtlichen Ansprüche zwischen Organmitglied und Gesellschaft Gegenstand einer statutarischen Schiedsklausel sein430, es sei denn, sie sind ohnehin durch die Satzungsstrenge ausgeschlossen.
IV. Besonderheiten bei der SE 1. Satzungsstrenge Die Zulässigkeit von Satzungsbestimmungen ergibt sich aus Art. 9 Abs. 1 SEVO, der das auf die SE anwendbare Recht regelt. Aus ihm ergibt sich eine fünfstufige Normenpyramide431, an deren Spitze das Recht der SE-VO steht (Art. 9 Abs. 1 lit. a SE-VO). Auf zweiter Stufe sind gem. Art. 9 Abs. 1 lit. b SE-VO die Bestimmungen der Satzung angesiedelt, sofern die Verordnung dies ausdrücklich zulässt. In Art. 9 Abs. 1 lit. c folgen dann jeweils wiederum untergeordnet das nationale SE-Recht (i), das nationale Aktienrecht (ii) und das nach nationalem Aktienrecht zulässige Satzungsrecht (iii). Letzteres stellt also die unterste Stufe der Normenpyramide dar. Zwar liest sich Art. 9 Abs. 1 lit. b SE-VO auf den ersten Blick wie ein Verbot sämtlicher Satzungsbestimmungen, es sei denn, sie sind durch die SE-VO ausdrücklich erlaubt. Die Systematik der SE-VO sieht jedoch etwas Anderes vor: Regelungslücken in der Verordnung sollen zunächst durch das nationale Recht geschlossen werden.432 Das nationale Recht mag wiederum Satzungsautonomie gewähren, welche jedoch erst durch Art. 9 Abs. 1 lit. c iii SE-VO zum Tragen kommt.433 Für die deutsche SE hat das gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c iii SE-VO i.V.m. § 23 Abs. 5 AktG zur Folge, dass die Satzungsstrenge auch für die SE gilt.434 Satzungsbestimmungen einer deutschen SE unterliegen somit einer doppelten Beschränkung435, da sie sowohl am Maßstab des Art. 9 Abs. 1 lit. b SE-VO als auch des Art. 9 Abs. 1 lit. c iii SE-VO i.V.m. § 23 Abs. 5 AktG gemessen werden müssen. a) Art. 9 Abs. 1 lit. b SE-VO Aus Art. 9 Abs. 1 lit. b SE-VO ergibt sich, dass Bestimmungen der Satzung, soweit die SE-VO eigene Regelungen enthält, nur im Falle einer ausdrücklichen 430
Vgl. D.II.2.a), S. 198. Anschaulich Lutter/Bayer/J. Schmidt, § 41 Rn. 25. 432 Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Hommelhoff/Teichmann, Art. 9 SE-VO Rn. 41. 433 Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Hommelhoff/Teichmann, Art. 9 SE-VO Rn. 41. 434 Vgl. J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 77; Habersack/Drinhausen/Schürnbrand, Art. 9 SE-VO Rn. 54; KK/Veil, Art. 9 SE-VO Rn. 78. 435 Schindler, Europäische Aktiengesellschaft, 11; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 77. 431
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Ermächtigung zulässig sind.436 Auf solchen Ermächtigungen basierende Satzungsbestimmungen haben sogar Vorrang vor den nationalen, zwingenden Gesetzen.437 Um also die Zulässigkeit einer Satzungsbestimmung nach Art. 9 Abs. 1 lit. b SE-VO festzustellen, muss zunächst geprüft werden, ob sie einen Regelungsbereich der SEVO betrifft, und dann, ob für diesen Regelungsbereich eine ausdrückliche Ermächtigung zum Erlass von Satzungsbestimmungen vorgesehen ist. Eine statutarische Schiedsklausel betrifft das Prozessrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, insbesondere die Art ihrer gerichtlichen oder außergerichtlichen Geltendmachung. Zu diesem Regelungsbereich enthält die SE-VO keine allgemeinen Regelungen. Auch für die hier relevanten speziellen Streitigkeiten enthält die SE-VO keine besonderen Regelungen: Für Beschlussmängel gilt nach Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO das deutsche Recht der §§ 241 ff. AktG438 ; zur Geltendmachung von Informationsansprüchen oder organschaftlichen Erstattungsansprüchen ist nichts geregelt, sodass auch hier nur Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO greifen kann. Statutarische Schiedsklauseln betreffen somit keinen von der SE-VO erfassten Regelungsbereich, sodass eine Prüfung nach der Zulässigkeit einer Abweichung hinfällig ist. Art. 9 Abs. 1 lit. b SE-VO steht einer statutarischen Schiedsklausel weder entgegen noch ist eine solche durch die Norm dergestalt legitimiert, dass sie über den nationalen Recht stünde. b) Art. 9 Abs. 1 lit. c iii SE-VO i.V.m. § 23 Abs. 5 AktG Enthält die SE-Verordnung zu einem bestimmten Regelungsbereich keine Normen, so ist nach Art. 9 Abs. 1 lit. c SE-VO das nationale Recht anwendbar. Gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c iii SE-VO greifen damit auch Satzungsbestimmungen für die SE ein, soweit sie dem nationalen Aktienrecht entsprechen. Daraus folgt die Anwendbarkeit des § 23 Abs. 5 AktG für Satzungsbestimmungen der SE.439 Bei der AG wurde bereits gezeigt, dass statutarische Schiedsklauseln gem. §§ 103 Abs. 3, 241 ff., 148 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 1 AktG i.V.m. § 23 Abs. 5 AktG unwirksam sind, wenn ihre Wirkung auch Beschlussmängelstreitigkeiten der Hauptversammlung und der Organe, die Abberufung von Organmitgliedern und organschaftliche Erstattungsansprüche, über die bereits ein Klagezulassungsver-
436
Habersack/Drinhausen/Schürnbrand, Art. 9 SE-VO Rn. 51. Vgl. Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Hommelhoff/Teichmann, Art. 9 SE-VO Rn. 39; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 68; Habersack/Drinhausen/Schürnbrand, Art. 9 SE-VO Rn. 47; KK/Veil, Art. 9 SE-VO, Rn. 79. 438 Vgl. Habersack/Drinhausen/Bücker, Art. 57 SE-VO Rn. 31; Spindler/Stilz/Eberspächer, Art. 58 SE-VO Rn. 7; J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 702 f.; Lutter/Hommelhoff/ Teichmann/Spindler, Art. 57 SE-VO Rn. 16. 439 Vgl. Kap. D. Fn. 434. 437
IV. Besonderheiten bei der SE
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fahren erhoben wurde, erfasst.440 Für eine SE würde das Gleiche gelten, wenn diese Vorschriften für sie ebenfalls anwendbar sind. Wie bereits dargelegt, enthält das Recht der SE keine Regelungen über die Geltendmachung von Beschlussmängeln. Also ist auf diese gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO das deutsche Aktienrecht mit den §§ 241 ff. AktG anwendbar.441 Folglich stehen § 23 Abs. 5 AktG i.V.m. §§ 241 ff. AktG einer statutarischen Schiedsklausel für Beschlussmängelstreitigkeiten entgegen. Das gleiche gilt für alle Formen von Organbeschlüssen, die im Recht der SE ebenso behandelt werden, wie die Organbeschlüsse von Vorständen und Aufsichtsräten442. Die Abberufung von Organmitgliedern richtet sich sowohl in der dualistischen als auch in der monistischen SE nach den gleichen Grundsätzen wie bei der AG, sodass die bereits gefundenen Ergebnisse übertragbar sind. Über Streitigkeiten über die Abberufung von Organmitgliedern kann die Zuständigkeit also nicht kraft statutarischer Schiedsklausel angeordnet werden. Da die SE-VO auch keine Vorschriften zur prozessualen Geltendmachung von organschaftlichen Erstattungsansprüchen enthält, muss ebenso gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO § 148 AktG auf die SE anwendbar sein.443 Folglich greifen die Beschränkungen des § 23 Abs. 5 AktG i.V.m. § 148 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 1 AktG auch für die SE. Zu den Fehlerfolgen gilt auch hier das zur AG bereits Gesagte444.445 c) Zwischenergebnis Für die SE gelten gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c. iii SE-VO i.V.m. § 23 Abs. 5 AktG die gleichen Einschränkungen wie für die AG446. Demnach dürfen statutarische Schiedsklauseln wegen der Satzungsstrenge keine Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen und für organschaftliche Erstattungsansprüche nur solange Bindungswirkung entfalten, wie über den Anspruch noch kein Klagezulassungsverfahren erhoben wurde.
440
Vgl. D.III.1.b), S. 202 ff. Vgl. Kap. D. Fn. 438. 442 Vgl. bereits C.II.1.d)aa)(5), S. 107 und C.II.1.d)bb)(5), S. 110. 443 Vgl. J. Schmidt, Deutsche vs. britische SE, 533. 444 Vgl. D.III.1.d), S. 217. 445 Der Streit um die Anwendbarkeit von § 242 Abs. 2 AktG auf die SE bei Verstößen gegen europäisches Recht spielt hier keine Rolle, da hier nur Verstöße gegen nationales Recht vorliegen können; vgl. zum Streit Habersack/Drinhausen/Bücker, Art. 57 SE-VO Rn. 34 m.w.N. 446 Vgl. hierzu D.III.1.e), S. 218. 441
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D. Statutarische Schiedsklauseln
2. Sachliche Reichweite Sowohl in der dualistischen als auch in der monistischen SE bleibt wenig Raum für statutarische Schiedsklauseln. Ähnlich wie bei der AG können nur die „Entlastungsklage“, die korporationsrechtlichen Vergütungsansprüche der Aufsichtsorgan-447 und Verwaltungsorganmitglieder448 sowie Informationsansprüche uneingeschränkt Gegenstand von Schiedsklauseln sein, ohne dass dies ein Verstoß gegen die Satzungsstrenge darstellt. Die organschaftlichen Erstattungsansprüche können ebenfalls nur mit den sich aus § 148 AktG ergebenden Beschränkungen Streitgegenstand einer statutarischen Schiedsklausel sein. Die sachliche Reichweite statutarischer Schiedsklausel in der SE folgt den gleichen Grundsätzen wie in der AG. Ohne Zustimmung des Organmitglieds kann allein für Informationsansprüche und die Vergütung der Aufsichtsorgan- und Verwaltungsorganmitglieder eine Schiedsklausel angeordnet werden. Die organschaftlichen Erstattungsansprüche gegen die Organmitglieder und die „Entlastungsklage“ sowie die korporationsrechtlichen Aufwendungsersatzansprüche von Aufsichtsorgan und Verwaltungsorgan können indes nur mit Zustimmung des betroffenen Organmitglieds Gegenstand einer statutarischen Schiedsklausel sein.449
V. Auswertung 1. Statutarische Schiedsklausel in der GmbH-Satzung Statutarische Schiedsklauseln in der GmbH-Satzung können nahezu alle gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten abdecken. Allein der Anspruch der Gesellschaft gegen die Geschäftsführung nach § 64 GmbHG kann weder mit noch ohne Zustimmung des Geschäftsführers von einer statutarischen Schiedsklausel erfasst werden. Vor allem Streitigkeiten, die sich rechtlich allein mit Interessen der GmbH auseinandersetzen, können ohne Zustimmung des Organmitglieds Gegenstand einer Schiedsklausel sein. Das sind alle Beschlussstreitigkeiten, sogar jene über die Abberufung. Das gilt für Geschäftsführer und Aufsichtsratsmitglieder gleichermaßen. Das zeigt schon einmal, dass entgegen der herrschenden Meinung die Begründung eines Schiedsgerichts nicht immer auch der freiwilligen Unterwerfung aller Parteien bedarf. Nicht in allen Streitigkeiten tritt eine Partei in tatsächlicher Hinsicht in eigener Sache auf, auch wenn sie rechtlich Inhaberin der subjektiven Rechte ist. Dort, wo die Zuordnung der Rechte einer anderen Funktion dient, als tatsächlichen Individualinteressen zu dienen, muss die Partei, in deren Interesse das Recht tat447 448 449
Vgl. C.II.1.d)aa)(2), S. 105. Vgl. C.II.1.d)bb)(2), S. 109. Vgl. D.III.2., S. 218.
V. Auswertung
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sächlich existiert, auch über die Ausgestaltung der prozessualen Geltendmachung entscheiden können. Die Geltendmachung von Beschlussmängeln, sowie die Geltendmachung von Informationsrechten durch den Aufsichtsrat, stellen Fälle mit einer derart gelagerten Interessenlage dar. Auch hier eine Zustimmung der Organmitglieder zu verlangen, würde dieser Interessenlage nicht gerecht. Beim Vergütungsanspruch der Mitglieder des Aufsichtsrates kann die Schiedsbindung auch gegen ihren Willen angeordnet werden; dies allerdings deshalb, weil die Existenz des Vergütungsanspruchs allein durch die Gesellschaft bestimmt ist. Ein Aufsichtsratsmitglied hat keinen gesetzlichen Anspruch auf Vergütung. Die Legitimation der Schiedsbindung ergibt sich daher nicht aus der Interessenlage der Streitigkeit, sondern aus der Erwägung, dass dort, wo das materielle Recht vollkommen fremdbestimmt ist, auch die prozessuale Ausgestaltung fremdbestimmt sein darf. Die Organhaftungsansprüche der Gesellschaft gegen die Organmitglieder sowie die korporationsrechtlichen Ansprüche der Mitglieder des Aufsichtsrates fallen in keine der beiden Kategorien und können daher nicht ohne Zustimmung des Organmitglieds zum Gegenstand eines Schiedsverfahrens gemacht werden. Schwierigkeiten bereitet es, wenn das Organmitglied Organhaftungsansprüche im Prozess gegen anstellungsvertragliche Ansprüche aufrechnen möchte oder eine Widerklage wegen Ansprüchen aus dem Anstellungsvertrag erheben möchte. Die statutarische Schiedsklausel kann nämlich nur gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten erfassen, nach richtiger Ansicht ist aber sowohl bei der Aufrechnung450 als auch bei der Widerklage451 im Schiedsverfahren notwendig, dass das Schiedsgericht auch für den Gegenanspruch zuständig ist. Statutarische Schiedsklauseln haben also die Schwäche, dass sie bei Organhaftungsklagen keine gerichtlichen Parallelprozesse über anstellungsvertragliche Streitigkeiten vermeiden können. Dazu bedarf es dann einer parallelen Schiedsvereinbarung nach § 1029 ZPO. 2. Statutarische Schiedsklausel in AG- und SE-Satzungen Im Augenblick kommen Schiedsklauseln in den Satzungen von AGs und SEs wohl gar nicht vor, was an der bis dato ungeklärten Rechtslage über ihre satzungsrechtliche Zulässigkeit liegen dürfte. In der Tat zeigen die bisherigen Ausführungen, dass der Anwendungsbereich für statutarische Schiedsklauseln wegen der aktienrechtlichen Satzungsstrenge sehr begrenzt ist.
450 Vgl. Zöller/Geimer, § 1029 ZPO Rn. 85; Hk-ZPO/I. Saenger, § 1029 ZPO Rn. 17; Stein/ Jonas/Schlosser, § 1029 ZPO Rn. 60; Thomas/Putzo/Seiler, § 1029 ZPO Rn. 9; Stolzke, Aufrechnung und Widerklage, 112; Musielak/Voit/Voit, § 1029 ZPO Rn. 24. 451 Vgl. Zöller/Geimer, § 1046 ZPO Rn. 4; Stolzke, Aufrechnung und Widerklage, 121; Stein/Jonas/Schlosser, § 1046 ZPO Rn. 6; Musielak/Voit/Voit, § 1046 ZPO Rn. 14.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
Weil aus der Satzungsstrenge folgt, dass keine Streitigkeit mit Aktionärsbeteiligung einer statutarischen Schiedsklausel unterworfen werden darf, genügt es, wenn eine statutarische Schiedsklausel mit einer satzungsändernden Mehrheit eingefügt wird. Es kann nicht in die Rechte der Aktionäre eingegriffen werden. Die Schiedsklausel hat nur Wirkung für die Organmitglieder und die Gesellschaft. Beschlussmängelstreitigkeiten aller Art und Rechtsstreitigkeiten über die Abberufung von Organmitgliedern können wegen der Satzungsstrenge nicht Gegenstand statutarischer Schiedsklauseln sein. Etwas Anderes könnte sich allenfalls de lege ferenda ergeben, wenn sich der Gesetzgeber der Kritik aus dem Schrifttum452 beugt und die Satzungsstrenge jedenfalls für nicht börsennotierte AGs und SEs aufweicht, da dann – abhängig von der konkreten Ausgestaltung einer hypothetischen Gesetzesreform – eine statutarische Schiedsklausel auch für diese Streitigkeiten denkbar wäre. Anders als bei der GmbH, in der fast alle organschaftlichen Streitigkeiten grundsätzlich Gegenstand einer statutarischen Schiedsklausel sein können, ist die Reichweite in der AG und SE daher begrenzt auf: Informationsansprüche, die korporationsrechtlichen Ansprüche der Aufsichtsorgane und die Organhaftung, soweit über diese noch kein Klagezulassungsverfahren eröffnet wurde. Für die Geltendmachung von Informationsansprüchen der Organmitglieder ist das Schiedsgericht jedoch wegen seiner Schwäche im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes eher ungeeignet. Eine Erstreckung der statutarischen Schiedsklausel auf eine solche Streitigkeit ist eher hinderlich denn nützlich. Nützlicher ist die statutarische Schiedsklausel, wenn man eine Schiedsbindung für organschaftliche Erstattungsansprüche, also insbesondere die Organhaftung herbeiführen will. Diese können Gegenstand einer solchen Klausel sein, wenn das Organmitglied im Falle einer Satzungsänderung zugestimmt hat oder die Klausel bereits Teil der Satzung war, als das Organmitglied die Bestellung angenommen hat. Die Schiedsklausel kann bei entsprechender Ausgestaltung ihre Wirkung auch über die Amtszeit hinaus behalten. Das ist insbesondere sinnvoll, um Organhaftungsklagen gegen das Organmitglied führen zu können, da diese regelmäßig erst nach Beendigung der Amtszeit erhoben werden. Ein Organmitglied, dem eine erhebliche Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, ist für die Gesellschaft nicht tragbar, und ein Rechtsstreit würde die Zusammenarbeit der Verwaltungsorgane unmöglich machen. Das Klageverfahren durch Aktionäre nach einem Klagezulassungsverfahren gem. § 148 AktG ist tatsächlich der einzige Fall, in dem die Geltendmachung organschaftlicher Ersatzansprüche während der Amtszeit des Organmitglieds realistisch453 ist. Die ansonsten gute Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat könnte 452
Vgl. Kap. D. Fn. 377. Wobei auch hier nicht vernachlässigt werden darf, dass Klagezulassungsverfahren bereits jetzt praktisch so gut wie keine Bedeutung haben, Peltzer, FS U. H. Schneider (2011), 953, 954 f.; vgl. auch KK/Rieckers/Vetter, § 148 AktG Rn. 81 ff. 453
V. Auswertung
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unter bestimmten Umständen nämlich ein Grund sein, wegen dem das zuständige Organ auf eine Geltendmachung verzichtet.454 Allerdings verbietet die Satzungsstrenge gerade für diese Fälle die Einführung von Schiedsklauseln. An der Anordnung eines Schiedsgerichts für die Organhaftung kann die Gesellschaft ein erhebliches rechtliches Interesse haben. Gerade in solchen Verfahren, in denen es um pflichtwidriges oder gar rechtswidriges Verhalten von (ehemaligen) Gesellschaftsorganen geht, besteht häufig ein Bedürfnis nach Vertraulichkeit, die nur von einem Schiedsverfahren geboten werden kann. Statutarische Schiedsklauseln mit Wirkung für Organmitglieder hätten ihren Hauptanwendungsbereich demnach im Bereich der Organhaftungsklagen und für sonstige organschaftliche Erstattungsansprüche. Hierfür ist die Zweckdienlichkeit der Einführung einer statutarischen Schiedsklausel aber eher zweifelhaft, wenn man annimmt, dass über diese auch einfache Schiedsvereinbarungen mit den Organmitgliedern abgeschlossen werden können. Es wird zu prüfen sein, welche Anforderungen an Schiedsvereinbarungen mit Organmitgliedern zu stellen sind und welche Reichweite diese haben, um den praktischen Nutzen statutarischer Schiedsklauseln zu ermitteln. 3. Fazit Es ist festzuhalten, dass die Satzungsstrenge in der AG und SE den Anwendungsbereich von statutarischen Schiedsklauseln mit Wirkung für Organmitglieder zwar nicht gänzlich aufhebt, aber doch auf ein geringes Maß beschränkt. In der GmbH, die keine Satzungsstrenge kennt, ist der Anwendungsbereich erheblich größer. Hier sind vor allem die äußerst relevanten Beschlussmängelstreitigkeiten auch ohne Zustimmung der Organmitglieder auf Schiedsgerichte übertragbar. Sogar die Abberufung der Geschäftsführer kann ohne deren Zustimmung zum Streitgegenstand vor einem Schiedsgericht gemacht werden, weil diese ihr Amt nicht im eigenen Interesse ausführen. In allen Gesellschaften können die organschaftlichen Erstattungsansprüche, also insbesondere die Organhaftung Gegenstand einer statutarischen Schiedsanordnung sein, bei der AG und SE ergeben sich aber aus § 23 Abs. 5 S. 1 AktG i.V.m. § 148 AktG Einschränkungen. Auch alle korporationsrechtlichen Vergütungsansprüche sind abgedeckt. Voraussetzung ist dafür aber immer, dass das Organmitglied der Wirkung zugestimmt hat. Daher können an der praktischen Tauglichkeit der statu454 Unklar bleibt die Frage, ob ein solcher Verzicht der Geltendmachung durch das zuständige Organ pflichtwidrig ist. In BGHZ 135, 244, 255 („ARAG Garmenbeck“) hat der BGH entschieden, dass das Betriebsklima und die effektive Vorstandsarbeit ausnahmsweise einer Geltendmachung der Ansprüche durch den Aufsichtsrat entgegenstehen können. In welchen Fallgruppen nun aber tatsächlich von einer Verfolgung abgesehen werden kann, ist noch immer höchst unklar; vgl. etwa Caspar, ZHR 176 (2012), 617, 632 ff.; Habersack, NZG 2016, 321, 323 f.
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D. Statutarische Schiedsklauseln
tarischen Schiedsklauseln hierzu Zweifel aufkommen. Diese Zweifel werden dadurch verstärkt, dass die statutarische Schiedsklausel überhaupt keine anstellungsvertraglichen Streitigkeiten erfassen kann, also weder Aufrechnung noch Widerklage möglich sind. Es wird noch zu prüfen sein, ob sich die Anordnung einer Schiedsklausel überhaupt lohnt oder ob eine Schiedsvereinbarung nicht der einfachere Weg wäre. Dass auch die Informationsansprüche der Aufsichtsorgane ohne Zustimmung der Organmitglieder Gegenstand einer Schiedsanordnung sein können, ist weniger bedeutsam. Diese sind besonders für den einstweiligen Rechtsschutz prädestiniert, der vor staatlichen Gerichten erheblich einfacher zu erlangen ist.
E. Vertragliche Schiedsvereinbarung Die Schiedsvereinbarung nach § 1029 ZPO ist neben der statutarischen Schiedsklausel die andere Möglichkeit, Streitigkeiten zwischen Organmitgliedern und der Gesellschaft dem Schiedsverfahren zuzuführen. Eine Schiedsvereinbarung „ist eine Vereinbarung der Parteien, alle oder einzelne Streitigkeiten, die zwischen ihnen in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis vertraglicher oder nichtvertraglicher Art entstanden sind oder künftig entstehen, der Entscheidung durch ein Schiedsgericht zu unterwerfen“
(§ 1029 Abs. 1 ZPO). Bei einer Schiedsvereinbarung handelt es sich also um einen Vertrag. Dieser kann gem. § 1029 Abs. 2 ZPO „in Form einer selbständigen Vereinbarung (Schiedsabrede) oder in Form einer Klausel in einem Vertrag (Schiedsklausel) geschlossen werden.“ Ob eine solche Schiedsvereinbarung allerdings eine veritable Alternative zur statutarischen Schiedsklausel darstellt, hängt von ihren Abschlussvoraussetzungen und ihrer sachlichen Reichweite ab. Diesen Themen sind die nächsten Seiten gewidmet. Noch immer ist die Frage umstritten, um was für einen Vertragstyp es sich bei der Schiedsvereinbarung handelt. Bei diesem Streit geht es darum, ob es sich bei der Schiedsvereinbarung um einen materiellen Vertrag oder um einen Prozessvertrag handelt. Materielle Verträge und Prozessverträge haben jedoch zum Teil unterschiedliche Abschlussvoraussetzungen, sodass eine Klärung dieser Frage geboten ist. Hinsichtlich der Voraussetzungen und Reichweite von Schiedsvereinbarungen ist zwischen solchen, die allein zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied abgeschlossen wurden, und solchen, die darüber hinaus auch mit allen Gesellschaftern geschlossen wurden, zu unterscheiden. Das ergibt sich schon aus dem Charakter der potentiellen Streitigkeiten, von denen einige klassische Zweiparteienstreitigkeiten und andere eben Mehrparteienstreitigkeiten sind. Nachdem die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung geklärt ist (I.), soll daher zunächst die Schiedsvereinbarung zwischen der Gesellschaft und den Organmitgliedern analysiert werden (II.) und danach die Mehrparteienschiedsvereinbarung betrachtet werden (III.).
228
E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
I. Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung Die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung ist seit jeher1 umstritten. In der Literatur wird die Vereinbarung teilweise als materiell-rechtlicher Vertrag2, teilweise als Prozessvertrag3 und teilweise als ein prozessual-materieller Mischvertrag4 bezeichnet. Obgleich der BGH die Schiedsvereinbarung früher als „materiell-rechtlichen Vertrag über prozessuale Beziehungen“5 bezeichnete, so hat er ihn doch mittlerweile als einen „Unterfall des Prozessvertrages“6 eingeordnet. Diese „Rechtsprechungsänderung“ ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, da die Einordnung als Prozessvertrag ohne Begründung erfolgte und die Entscheidung vom ansonsten nicht für Schiedsrecht zuständigen IVb. Zivilsenat stammt.7 Die Formulierung wurde allerdings vom II. Zivilsenat aufgenommen.8 Die Einordnung als Prozessvertrag überzeugt. Ein Prozessvertrag ist ein Vertrag, der seine Hauptwirkung im Prozess entfaltet.9 Die unmittelbare Hauptwirkung von Prozessverträgen besteht in der Regel darin, dass der durch den Vertrag angestrebte Erfolg unmittelbar eintritt.10 Man spricht von einer „Verfügungswirkung“.11 Die Verfügungswirkung der Schiedsvereinbarung ist zweierlei: Sie begründet zunächst die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts für bestimmte Streitigkeiten und sie lässt darüber hinaus die Einrede der Schiedsvereinbarung nach § 1032 ZPO entstehen. Dies führt dazu, dass die Schiedsrichter auf dieser Basis eine richterliche Entscheidung treffen, die sich regelmäßig12 an objektiv-rechtlichen Maßstäben orientiert und zu begründen ist.13 Zudem steht ein Schiedsspruch gem. § 1055 ZPO zwischen den Parteien einem gerichtlichen Urteil gleich. Angesichts dieser Rechtsfolge ist 1 Vgl. bereits Kisch, ZZP 51 (1926), 321 ff.; Habscheid, KTS 1955, 33 ff.; Lorenz, ACP 157 (1958/1959), 265 ff. 2 Vgl. Lorenz, ACP 157 (1958/1959), 265, 277 ff. 3 Vgl. Haas, SchiedsVZ 2007, 1, 3; Hauschild/Böttcher, DNotZ 2012, 577, 578; Zöller/ Geimer, § 1029 ZPO Rn. 15; MüKoZPO/Münch, § 1029 ZPO Rn. 13; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 46 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 175 Rn. 7; HkZPO/I. Saenger, § 1029 ZPO Rn. 1; Schmitz, RNotZ 2003, 591, 593; Wagner, Prozeßverträge, 578 ff. 4 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1029 ZPO Rn. 10; Habscheid, KTS 1955, 33; Kisch, ZZP 51 (1926), 331 ff.; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 266; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1029 ZPO Rn 5 ff.; Musielak/Voit/Voit, § 1029 ZPO Rn. 3. 5 BGH NJW 1957, 589; 1964, 591. 6 BGHZ 99, 143, 147. 7 Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 46; Wagner, Prozeßverträge, 579. 8 BGHZ 180, 221, 228 („Schiedsfähigkeit II“). 9 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 66 Rn. 1. 10 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 66 Rn. 2. 11 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 66 Rn. 2 m.w.N. 12 Vgl. § 1051 Abs. 3 ZPO. 13 Vgl. Wagner, Prozeßverträge, 582.
I. Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung
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nicht daran zu zweifeln, dass der Gegenstand der Schiedsvereinbarung verfahrensrechtlich ist.14 Die Behauptung, die Schiedsvereinbarung sei ein Mechanismus, den die Parteien auf der Grundlage des materiellen Rechts vereinbaren, um eine Lösung herbeizuführen, die sie auch durch eine vergleichsweise Einigung erreichen könnten15, überzeugt indes nicht. Das ergibt sich schon daraus, dass Schiedsverfahren seit dem SchiedsVfG auch über Streitigkeiten zulässig sind, die nicht vergleichsfähig sind.16 Anders als der Vergleich soll die Schiedsvereinbarung die Änderung der materiellen Rechtslage nicht selbst herbeiführen, sondern die Entscheidung über die materielle Rechtslage dem Schiedsrichter zutragen. Versteht man eine Schiedsvereinbarung materiell als einen Vergleich im Sinne von § 779 BGB, bei dem gem. §§ 317 ff. BGB die Leistung durch einen Dritten, den Schiedsrichter, bestimmt wird,17 dann können damit die prozessual angeordneten Folgen der materiellen Urteilswirkung nach § 1055 ZPO und der Vollstreckbarkeit nach §§ 794 Abs. 1 Nr. 4a, 1060 f. ZPO nicht erklärt werden.18 Dies spricht ebenfalls für eine prozessuale Einordnung. Der prozessualen Einordung widerspricht es auch nicht, dass einer Schiedsvereinbarung darüber hinaus auch Verpflichtungen der Parteien zu entnehmen sind, die konkret auf die Verfahrensförderung gerichtet sind19. Habscheid hat zur Herleitung dieser Pflichten die §§ 705 ff. BGB dergestalt bemüht, dass durch den Abschluss einer Schiedsvereinbarung eine Verfahrensgesellschaft begründet würde, deren Zweck die Fällung eines Schiedsspruches sei.20 Diese Einordnung kann indes nicht überzeugen. Während bei einer Gesellschaft die Individualinteressen der Gesellschafter miteinander vereinbar sind, haben die Parteien einer Schiedsvereinbarung konträr zueinanderstehende Interessen.21 Der Schwerpunkt dieser Pflichten liegt viel mehr im prozessualen Terrain.22 Im Hinblick auf diese prozessuale Gewichtung kann daher nicht von einer echten Doppelfunktion gesprochen werden.23 Die Einordnung als Prozessvertrag hat zur Folge, dass für Abschluss und Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung die Regeln für Prozessverträge gelten.24 Diese
14
Wagner, Prozeßverträge, 582. Musielak/Voit/Voit, § 1029 ZPO Rn. 3. 16 Vgl. C.II.1.a), S. 41. 17 In diese Richtung Kisch, ZZP 51 (1926), 321, 325. 18 Dieses Problem sah Kisch selbst, vgl. ZZP 51 (1926), 321, 325 ff. 19 Näher Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 443 ff.; Pflicht zur Vorschusszahlung, zum wahrheitsgemäßen Vortrag und zur Beachtung der Verfahrensordnung. 20 Vgl. Habscheid, KTS 1955, 33, 35. 21 Vgl. Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 42 f. 22 Vgl. MüKoZPO/Münch, § 1029 ZPO Rn. 13; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 47. 23 Ähnlich Schmitz, RNotZ 2003, 591, 593. 24 MüKoZPO/Münch, § 1029 ZPO Rn. 15; Wagner, Prozeßverträge, 582. 15
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
richten sich aber weitgehend nach den Regeln des allgemeinen Rechts.25 Unterschiede ergeben sich, wenn ein Prozessvertrag im Prozess geschlossen wird – hier müssen über die Vorschriften des BGB hinaus die persönlichen Prozesshandlungsvoraussetzungen erfüllt sein26.27 Da Schiedsvereinbarungen aber praktisch immer vor Beginn eines Prozesses abgeschlossen werden, genügt dabei ein Abschluss nach den Regeln der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre.28
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied Auch bei der Auseinandersetzung mit den Schiedsvereinbarungen zwischen der Gesellschaft und den Organmitgliedern bietet es sich an, zunächst auf die allgemeinen Elemente einer Schiedsvereinbarung zwischen einer Kapitalgesellschaft und einem Organmitglied und danach auf die jeweiligen Besonderheiten einzugehen, die sich bei der GmbH, AG und SE für sie ergeben. 1. Zustandekommen einer Schiedsvereinbarung Das Zustandekommen einer klassischen Zweipersonenschiedsvereinbarung nach § 1029 ZPO setzt den Abschluss eines Vertrages mit dem Inhalt voraus, dass alle oder bestimmte Streitigkeiten zwischen den Parteien bindend29 von einem Schiedsgericht verhandelt werden sollen. Da sich auch bei Prozessverträgen der Abschluss grundsätzlich nach der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre richtet, kommt ein solcher auch durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande. Da Kapitalgesellschaften durch ihre Organe handeln, stellt sich die Frage, welches Organ für den Abschluss einer solchen Schiedsvereinbarung mit den einzelnen Organmitgliedern zuständig ist [a)]. Daneben ist zu überprüfen, welche sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen in Gestalt von Form und Inhaltskontrolle an eine Schiedsvereinbarung gestellt werden [b)]. 25 Musielak/Voit/Musielak, Einl. Rn. 66; MüKoZPO/Rauscher, Einl. Rn. 415; Rosenberg/ Gottwald/Schwab, § 66 Rn. 11. 26 Vgl. MüKoZPO/Rauscher, Einl. Rn. 416; Rosenberg/Gottwald/Schwab, § 66 Rn. 12. 27 Die Einordnung der Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag zeitigt auch Konsequenzen für das auf sie anzuwendende Kollisionsrecht, näher König, SchiedsVZ 2012, 129, 130. 28 Vgl. MüKoZPO/Münch, § 1029 ZPO Rn. 16; Rosenberg/Gottwald/Schwab, § 66 Rn. 13; Wagner, Prozeßverträge, 583. 29 Behalten sich eine oder beide Parteien die vollständige, über die normalen Mechanismen hinausgehende Überprüfung des Schiedsspruchs in der Schiedsvereinbarung vor, so handelt es sich bei dieser Vereinbarung nicht um eine Schiedsvereinbarung, vgl. Hk-ZPO/I. Saenger, § 1029 ZPO Rn. 12; Musielak/Voit/Voit, § 1029 ZPO Rn. 20; zulässig ist jedoch ein Wahlrecht zwischen staatlicher und privater Gerichtsbarkeit, vgl. BGH NJW 1984, 1355; OLG München NJW 1959, 2220, 2221; MüKoZPO/Münch, § 1029 ZPO Rn. 96.
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
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a) Abschlusskompetenz Damit eine Schiedsvereinbarung zwischen einem Mitglied eines Gesellschaftsorgans und der Gesellschaft wirksam geschlossen werden kann, muss die Gesellschaft beim Abschluss wirksam vertreten worden sein. Normalerweise wird eine Gesellschaft beim Abschluss von Verträgen aber von ihren Organen vertreten. Wie verhält es sich also, wenn die Gesellschaft eine Schiedsvereinbarung mit einem Organmitglied abschließt? In der GmbH steht nach herrschender Meinung der Gesellschafterversammlung die Abschlusskompetenz auf Basis von § 46 Nr. 5 GmbHG zu.30 Dem Wortlaut nach ist dieser zwar nur auf die Berufung und Abberufung von Geschäftsführern gerichtet, umfasst aber auch die Annexkompetenz auf Abschluss des Anstellungsvertrags.31 Aus dieser Annexkompetenz könne also auch die Vereinbarung einer Schiedsabrede abgeleitet werden.32 Diese Ansicht überzeugt zwar im Ergebnis, nicht aber in der Begründung. Bei der Schiedsvereinbarung handelt es sich um einen Prozessvertrag, das Zustandekommen folgt somit primär aus dem Prozessrecht und nur sekundär aus der entsprechenden Anwendung materiell-rechtlicher Vorschriften.33 Der Abschluss der Schiedsvereinbarung ist somit ein prozessrechtlicher Akt. Daher ist es überzeugender, die Kompetenz der Gesellschafterversammlung aus § 46 Nr. 8 Hs. 2 GmbHG abzuleiten, wonach die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen gegen den Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung unterliegt. Ist die GmbH dem MitbestG unterworfen, dann hat der Aufsichtsrat diese Kompetenz (vgl. § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MitbestG bzw. § 1 Nr. 3 DrittelbG i.V.m. § 112 AktG).34 In der AG soll für den Abschluss mit der Schiedsabrede der Aufsichtsrat nach § 112 AktG35 zuständig sein, weil dieser auch für den Abschluss des Anstellungsvertrages zuständig sei36. Dies überzeugt indes ebenfalls nur im Ergebnis, nicht in der Begründung. Vielmehr ist der Aufsichtsrat für den Abschluss der Schiedsvereinbarung deshalb zuständig, weil diesem gem. § 112 S. 1 AktG auch die prozessuale Vertretung der AG gegenüber der den Mitgliedern des Vorstandes obliegt. Beim Abschluss einer Schiedsabrede mit dem Mitglied des Aufsichtsrates wird die Gesellschaft nach § 78 Abs. 1 S. 1 AktG vom Vorstand vertreten. Zwar werden die Mitglieder des Aufsichtsrates gem. § 101 AktG grundsätzlich von der Hauptversammlung berufen, im Prozess vertritt aber der Vorstand die Gesellschaft, sodass 30
Vgl. Herresthal, ZIP 2014, 345, 346; i.E. auch Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 4. Näher MüKoGmbHG/Liebscher, § 46 GmbHG Rn. 124 ff. 32 Vgl. Herresthal, ZIP 2014, 345, 346. 33 Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 66 Rn. 10; Musielak/Voit/Voit, Einl. Rn. 66; dem steht es nicht entgegen, dass auf Grund der nur bruchstückhaften Regelung des Prozessvertrages die Anwendung der Vorschriften des BGB die Regel darstellen. 34 Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 4. 35 Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 4; Herresthal, ZIP 2014, 345, 346; Umbeck, SchiedsVZ 2009, 143, 144. 36 Vgl. Herresthal, ZIP 2014, 345, 346. 31
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
dieser zum Abschluss von Prozessverträgen zuständig sein muss. Auf die Zustimmung des Aufsichtsrates nach § 114 Abs. 1 AktG kommt es dabei nicht an,37 da sich das Mitglied des Aufsichtsrates nicht zu einer Tätigkeit verpflichtet. Das gleiche gilt auch für die dualistische SE. Entgegen der Auffassung von Thümmel38 bedarf es für den Abschluss einer Schiedsvereinbarung auch nicht der Zustimmung der Hauptversammlung, da diese selbst im Verfahren nach § 147 AktG nur mittelbar an der Durchführung des Prozesses beteiligt sein kann, jedenfalls aber nicht selbst zur Vertretung befugt ist.39 In der monistischen SE vertritt der Verwaltungsrat die Gesellschaft gem. § 41 Abs. 5 SEAG gerichtlich und außergerichtlich gegenüber den geschäftsführenden Direktoren. Entsprechend ist der Verwaltungsrat das für prozessuale Fragen vertretungsberechtigte Organ. Er schließt daher die Schiedsvereinbarung mit den geschäftsführenden Direktoren ab. Das gilt auch dann, wenn der geschäftsführende Direktor zugleich Mitglied des Verwaltungsrates ist.40 Umgekehrt vertreten die geschäftsführenden Direktoren die Gesellschaft gegenüber dem Verwaltungsrat nach § 41 Abs. 1 S. 1 SEAG.41 Einer Zustimmung nach § 38 Abs. 2 SEAG i.V.m. § 114 AktG bedarf es nicht. Der Zustimmungsvorbehalt soll verhindern, dass geschäftsführende Direktoren versuchen, die Verwaltungsratsmitglieder durch Sondervorteile sachwidrig zu beeinflussen.42 Dieses Missbrauchspotential hat der Gesetzgeber aber nur bei den Fällen der §§ 114, 115 AktG (Dienst-, Werk- und Kreditverträge) gesehen.43 Einer analogen Anwendung auf Schiedsvereinbarungen steht es entgegen, dass die Vorschrift eine Spezialvorschrift ist und überdies bei Schiedsvereinbarungen kein Missbrauchspotential besteht, da durch diese nur ein anderes, aber dem gerichtlichen Verfahren gleichwertiges Streitbeilegungsverfahren vereinbart wird. b) Allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen und Hindernisse Um zu überprüfen, welche Voraussetzungen an die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen geknüpft sind und welche Grenzen ihnen gesetzt sind, ist es geboten, zwischen den Geschäftsleitern44 und den Mitgliedern der Aufsichtsorgane45 zu un37
A.A. Thümmel, FS Geimer (2002), 1331, 1340. Thümmel, FS Geimer (2002), 1331, 1340; ders., FS Schütze (2014), 633, 640. 39 Vgl. Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 4. 40 Vgl. Habersack/Drinhausen/Verse, § 41 SEAG Rn. 5. 41 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Teichmann, § 41 SEAG Rn. 19; Habersack/Drinhausen/Verse, § 41 SEAG Rn. 5. 42 Vgl. Seitz, Geschäftsführer einer monistischen Societas Europae, 249; Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Teichmann, § 41 SEAG Rn. 19; Habersack/Drinhausen/Verse, § 41 SEAG Rn. 5. 43 Vgl. Seitz, Geschäftsführer einer monistischen Societas Europae, 249; Lutter/Hommelhoff/Teichmann/Teichmann, § 41 SEAG Rn. 19. 44 Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder, Leitungsorganmitglieder und interne oder externe geschäftsführende Direktoren. 38
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
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terscheiden. Der Unterschied zwischen Geschäftsleitern und den Mitgliedern der Aufsichtsorgane ist, dass mit letzteren kein Anstellungsvertrag geschlossen wird.46 Daraus könnte sich eine Unterscheidung bei der inhaltlichen Kontrolle der Schiedsvereinbarung, gerade auch im Hinblick auf AGB, ergeben. Daher werden zunächst die Schiedsvereinbarungen mit Geschäftsleitern überprüft [aa)] und danach die Schiedsvereinbarungen mit Aufsichtsorganmitgliedern [bb)]. aa) Schiedsvereinbarung mit Geschäftsleitern (1) Formvoraussetzung: § 1031 Abs. 5 ZPO Welche Form eine Schiedsvereinbarung haben muss, richtet sich nach § 1031 ZPO. Dieser enthält in den ersten drei Absätzen allgemein gültige Voraussetzungen. Der Grundfall ist das von beiden Seiten unterschriebene Dokument nach § 1031 Abs. 1 Alt. 1 ZPO, wobei es noch nicht schadet, wenn das Dokument noch andere Regelungen, insbesondere den materiellen Vertrag, enthält.47 Gem. § 1031 Abs. 1 Alt. 2 ZPO muss die Vereinbarung aber gar nicht auf einem Dokument geschrieben sein; es genügt, wenn die Schiedsvereinbarung in einer anderen Form der Nachrichtenübermittlung zwischen den Parteien, die den Nachweis der Vereinbarung sicherstellt, enthalten ist. Gem. § 1031 Abs. 2 ZPO genügt sogar eine „halbe Schriftform“.48 Dafür muss die Schiedsvereinbarung in einem von einer Partei der anderen Partei oder von einem Dritten an beide Parteien übermittelten Dokument enthalten sein und der Inhalt des Dokuments im Falle eines nicht rechtzeitig erfolgten Widerspruchs nach der Verkehrssitte als Vertragsinhalt angesehen werden. Das führt insbesondere dazu, dass eine Schiedsvereinbarung auch aufgrund eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens formwirksam zustande kommen kann.49 Gem. § 1031 Abs. 3 ZPO kann auch eine Bezugnahme im Vertrag auf ein anderes Schriftstück ausreichen, das die Schiedsvereinbarung enthält, also insbesondere AGB. Die Bezugnahme muss unmissverständlich sein, d. h. der Vertragspartner muss zur Kenntnis nehmen können, dass die Parteien die ordentliche Gerichtsbarkeit ausschließen.50 Das verweisende Dokument hat den Anforderungen von § 1031 Abs. 2 oder 3 ZPO zu entsprechen. Ist wenigstens eine dieser Formvorschriften eingehalten, ist die Schiedsvereinbarung formell wirksam. Fehlt es allerdings an der Formwirksamkeit, kann nach § 1031 Abs. 6 ZPO die Formnichtigkeit durch rügelose Einlassung auf die schiedsgerichtliche Verhandlung geheilt werden.51 45
der. 46 47 48 49 50 51
Mitglieder des Aufsichtsrats und Aufsichtsorgans, sowie reine VerwaltungsratsmitglieVgl. C.II.2.a), S. 112. BGH NJW 2005, 3499, 3500. Zöller/Geimer, § 1031 ZPO Rn. 8; Hk-ZPO/Saenger, § 1031 ZPO Rn 5. Vgl. Zöller/Geimer, § 1031 ZPO Rn. 8; MüKoZPO/Münch, § 1031 Rn 35. Vgl. Zöller/Geimer, § 1031 ZPO Rn 10. Näher Zöller/Geimer, § 1031 ZPO Rn. 40 ff.
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
Eine besondere Formvorschrift enthält § 1031 Abs. 5 ZPO für den Fall, dass an der Schiedsvereinbarung ein Verbraucher beteiligt ist. Die Schiedsabrede muss dann auf einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde enthalten sein, die keine anderen Vereinbarungen enthält. Die schriftliche Form kann durch die Form des § 126a BGB ersetzt werden. 52 Welcher Formvorschrift eine Schiedsvereinbarung mit einem Geschäftsleiter unterfällt, richtet sich danach, ob es sich bei diesem um einen Verbraucher im Sinne des § 1031 Abs. 5 ZPO handelt oder nicht. Dafür muss zunächst geklärt werden, was genau der Verbraucherbegriff des § 1031 Abs. 5 ZPO bedeutet (a) und ob und wann ein Geschäftsleiter diesem unterfällt (b). (a) Verbraucherbegriff des § 1031 Abs. 5 ZPO § 1031 Abs. 5 ZPO spricht nur von der Beteiligung eines Verbrauchers. Nach allgemeiner Auffassung ist das Merkmal „Verbraucher“ wie in § 13 BGB auszulegen.53 Bis zum 30. 06. 2000 enthielt § 1031 Abs. 5 S. 3 ZPO a.F. eine eigene Definition des Verbrauchers,54 die allerdings unter Verweis auf den damals neuen § 13 BGB a.F. aufgehoben wurde, ohne dass damit eine inhaltliche Veränderung verbunden sein sollte.55 Mangels anderslautender Aussagen des Gesetzgebers ist nicht davon auszugehen, dass die jüngste Änderung des § 13 BGB m. W.v. 13. 06. 201456 hieran etwas ändern sollte. Demnach greift § 1031 Abs. 5 ZPO immer dann ein, wenn ein Vertragspartner eine natürliche Person ist, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen Tätigkeit zugerechnet werden können. Diese Definition ist in Bezug auf § 1031 Abs. 5 ZPO jedoch bereits für sich genommen nicht ganz unproblematisch, ist doch unklar, auf welches Rechtsgeschäft abzustellen ist. Da die Schiedsvereinbarung unter Heranziehung von § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO ein vom Hauptvertrag zu trennender Vertrag ist57, müsste man für § 1031 Abs. 5 ZPO auf die Schiedsvereinbarung selbst abstellen. § 1031 Abs. 5 S. 3 ZPO a.F.58 nahm hingegen ausdrücklich Bezug auf den Hauptvertrag und nicht die Schiedsvereinbarung. Nach herrschender Meinung sei im Hinblick auf den ausdrücklichen Gesetzgeber52
Vgl. zum Ganzen Schlüter, Jura 2016, 1115, 1117. Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1031 ZPO Rn. 3; Zöller/Geimer, § 1031 ZPO Rn. 34; MüKoZPO/Münch, § 1031 ZPO Rn. 47; Weihe, Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 154. 54 § 1031 Abs. 5 S. 3 ZPO a.F. lautete: „Verbraucher ist eine natürliche Person, die bei dem Geschäft, das Gegenstand der Streitigkeit ist, zu einem Zweck handelt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.“ 55 BT-Drucks. 14/3195, 37. 56 Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung, vom 20. September 2013, BGBl. 2013 I, 3642 ff. 57 Vgl. OLG Hamm SchiedsVZ 2014, 38, 43; Zöller/Geimer, § 1040 ZPO Rn. 3; Hauschild/ Böttcher, DNotZ 2012, 577, 578; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1040 ZPO Rn. 3. 58 Vgl. Kap. E. Fn. 54. 53
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
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willen59 weiterhin auf den Hauptvertrag abzustellen, da dieser die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien präge.60 Daraus ergebe sich also, dass § 1031 Abs. 5 ZPO dann greift, wenn eine Partei eine natürliche Person ist, die den zu Grunde liegenden Hauptvertrag zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen Tätigkeit zugerechnet werden können.61 Diese Auslegung mag in der Praxis regelmäßig zu richtigen Ergebnissen führen, kann jedoch in ihrer systematischen Begründung nicht endgültig überzeugen. Sie geht nämlich davon aus, dass jeder Schiedsvereinbarung immer auch ein Hauptvertrag zu Grunde liegt. Eine Schiedsvereinbarung kann sich aber auch gem. § 1029 Abs. 1 ZPO allein auf Rechtsverhältnisse nicht vertraglicher Art beziehen. Man denke an eine Schiedsvereinbarung über eine deliktische Haftung, in einer Nachbarschaftssache oder im Erbrecht, wenn sich die Erben und nicht der Erblasser für ein Schiedsgericht entscheiden. Wenngleich eine Schiedsvereinbarung ohne ein zugrundeliegendes vertragliches Schuldverhältnis nicht die Regel ist, so ist sie doch nicht auszuschließen und nach der ZPO auch zulässig. In einem solchem Fall käme man mit der oben vertretenen Herangehensweise zu keinem sinnvollen Ergebnis. Zwar hatte der Gesetzgeber seinerzeit durch die Gesetzesänderung nicht den Wunsch, die Rechtslage zu ändern,62 allerdings war § 1031 Abs. 5 ZPO a.F. bereits missverständlich. Die Systematik der ZPO verhindert nämlich eine alleinige Bezugnahme auf den Hauptvertrag.63 Muss man stattdessen auf die Schiedsvereinbarung selbst abstellen64 ? Dies wäre ebenfalls mit Schwierigkeiten verbunden. Wie bestimmt man, ob eine Schiedsvereinbarung zu Zwecken abgeschlossen wurde, die überwiegend weder der gewerblichen noch der selbständigen beruflichen Tätigkeit einer Partei zugerechnet werden können? Der Zweck einer Schiedsvereinbarung ist immer der Gleiche: Die Herbeiführung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zur Entscheidung über eine Streitigkeit. Sie regelt ein Prozessrechtsverhältnis, welches losgelöst von der Streitigkeit nie einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Wenn also eine Schiedsvereinbarung grundsätzlich weder einer gewerblichen noch einer selbstständig beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann, dann müsste gem. § 1031 Abs. 5 ZPO i.V.m. § 13 BGB jede Schiedsvereinbarung unter Beteiligung einer natürlichen Person den Formerfordernissen des § 1031 Abs. 5 S. 1 ZPO entsprechen. Das ginge natürlich zu weit. Nicht jede natürliche Person benötigt den Schutz, den die Warnfunktion65 des § 1031 Abs. 5 S. 1 ZPO mit sich bringt. Und auch 59
BT-Drucks. 14/3195, 37. Ausdrücklich BGH NJW 2005, 1273, 1274; MüKoZPO/Münch, § 1031 ZPO Rn. 50; im Umkehrschluss Zöllner/Geimer, § 1031 ZPO Rn 34; Musielak/Voit/Voit, § 1031 ZPO Rn. 8. 61 So auch BGH NJW 2005, 1273, 1274. 62 BT-Drucks. 14/3195, 37. 63 Ebenso Ultsch, Verbraucherbegriff, 262 f. 64 Vgl. Ultsch, Verbraucherbegriff, 262 ff. 65 Vgl. Zöllner/Geimer, § 1031 ZPO Rn. 34; MüKoZPO/Münch, § 1031 ZPO Rn. 45. 60
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
wenn der gesetzgeberische Wille etwas verwirrend ist, so darf doch angenommen werden, dass allein die Verwendung des Begriffs „Verbraucher“ anstelle von „natürlicher Person“ eine gewisse Abgrenzung mit sich bringen sollte. Ganz ohne eine Bezugnahme auf die zugrundeliegende (potentielle) Streitigkeit kann man § 1031 Abs. 5 i.V.m. § 13 BGB daher nicht auslegen. Dort, wo die Schiedsvereinbarung über rechtsgeschäftliche Streitigkeiten geschlossen wurde, ist es sicherlich sinnvoll, auf dieses Rechtsgeschäft abzustellen. Das deckt sich mit dem gesetzgeberischen Willen und wird auch der Interessenlage gerecht.66 Damit ist allerdings noch nicht geklärt, wie § 1031 Abs. 5 i.V.m. § 13 BGB zu verstehen ist, wenn die zugrundeliegende Streitigkeit nicht vertraglicher Art ist. Man stelle sich nur einmal denn Fall eines Unfalls zwischen zwei Autofahrern vor, die beide auf dem Weg in den Urlaub sind. Wonach richtet sich die Form, wenn sie über die Schadensersatzansprüche eine Schiedsvereinbarung abschließen? Der Verkehrsunfall ist nicht vertraglicher Natur und man wird schwerlich vertreten können, dass jemand eine deliktische Handlung als Verbraucher tätigt; da es hierfür schon am Rechtsgeschäft fehlt, das § 13 BGB verlangt. Der Verbraucherbegriff des § 13 BGB ist ausweislich des Wortlauts nun einmal kein Statusbegriff, sondern bezieht sich auf ein Rechtsgeschäft.67 Wertungsmäßig würde man vielleicht zum Ergebnis kommen, dass beide Autofahrer als Verbraucher im Sinne des § 1031 Abs. 5 ZPO zu behandeln sind, weil die Streitigkeit aus ihrer privaten Lebensgestaltung (Urlaubsreise) resultiert. Wären die beiden Autofahrer aber Einzelkaufleute auf einer Lieferfahrt, dann wäre es allein unter Schutzwürdigkeitsgesichtspunkten übertrieben, die Schiedsvereinbarung dem § 1031 Abs. 5 ZPO zu unterwerfen. Für solche Schutzwürdigkeitserwägungen bietet die Dogmatik der § 1031 Abs. 5 ZPO i.V.m. § 13 BGB nur leider keinen Raum. Der deutsche Verbraucherbegriff ist rechtsgeschäftsbezogen und auf nicht-vertragliche Beziehungen nicht übertragbar. Auch wenn man – rechtsdogmatisch sauber – dazu kommt, dass das Rechtsgeschäft im Sinne des § 1031 Abs. 5 ZPO nicht der Hauptvertrag, sondern die Schiedsvereinbarung ist, kommt man nicht darum herum, den § 1031 Abs. 5 ZPO nur auf Fälle anzuwenden, in denen die Schiedsvereinbarung über rechtsgeschäftliche Streitigkeiten abgeschlossen wurde. Für sich genommen ist eine Schiedsvereinbarung zweckneutral und kann ohne das zugrundeliegende Gepräge eines Rechtsgeschäfts weder einem „Unternehmerbereich“, noch einem „Verbraucherbereich“ zugeordnet werden.68 Liegt kein Rechtsgeschäft vor, kann § 1031 Abs. 5 ZPO also auch nicht angewendet werden. Unter Schutzgesichtspunkten ist dies nicht problematisch: Wird eine Schiedsvereinbarung ohne Bezug zu einem Hauptvertrag geschlossen, ist in der Regel nicht damit zu rechnen, dass das Dokument eine Reihe sonstiger Abreden enthält. Der 66 67 68
Soweit übereinstimmend Ultsch, Verbraucherbegriff, 263 f. Vgl. etwa K. Schmidt, BB 2005, 837, 838. I. E. ebenso MüKoZPO/Münch, § 1031 ZPO Rn. 51.
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
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Zweck des § 1031 Abs. 5 ZPO, Verbraucher davor zu schützen, dass ihnen Schiedsklauseln in großen Vertragswerken wie AGB „untergejubelt“ werden69, ist nicht auf nicht vertragliche Streitigkeiten übertragbar, da bei diesen nicht mit großen Vertragswerken zu rechnen ist. (b) Geschäftsleiter als Verbraucher i.S.d. § 1031 Abs. 5 ZPO i.V.m. § 13 BGB Im Anschluss an das soeben Gesagte muss bei der Bestimmung, ob ein Geschäftsleiter ein Verbraucher im Sinne der § 1031 Abs. 5 ZPO i.V.m. § 13 BGB ist, unterschieden werden, welche Streitigkeiten die Schiedsvereinbarung erfasst. Denkbar sind zunächst Schiedsvereinbarungen, die nur vertragliche Streitigkeiten erfassen, solche die nur organschaftliche Streitigkeiten erfassen und vereinheitlichte Schiedsvereinbarungen70. (aa) Anstellungsvertragliche Streitigkeiten Soll die Schiedsvereinbarung nur anstellungsvertragliche Streitigkeiten zwischen einem Geschäftsleiter und der Gesellschaft erfassen, dann kann für die Frage, ob dieser ein Verbraucher im Sinne des § 1031 Abs. 5 i.V.m. § 13 BGB ist, auf eben diesen Anstellungsvertrag abgestellt werden. Ob Geschäftsleiter beim Abschluss ihres Anstellungsvertrages Verbraucher im Sinne von § 13 BGB sind, hängt davon ab, ob sie diesen Vertrag überwiegend zu einem Zweck abschließen, der nicht ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Dass der Abschluss eines Anstellungsvertrages für einen Geschäftsleiter keinen gewerblichen Zweck erfüllt, ist unstreitig und wird auch nicht diskutiert. Fraglich ist eher, ob der Abschluss des Anstellungsvertrages für den Geschäftsleiter einen unselbstständigen oder einen selbstständigen beruflichen Zweck erfüllt. Der Geschäftsführer einer GmbH ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH beim Abschluss von Verträgen in eigenem Namen im Grundsatz Verbraucher im Sinne des § 13 BGB, auch wenn sich die Verträge mittelbar auf die Geschäftstätigkeit der GmbH beziehen; Das Geschäft werde nicht zum Zwecke einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit geschlossen, wenn es im Zusammenhang mit der Geschäftsführertätigkeit steht.71 Eine Entscheidung des BGH über die Verbrauchereigenschaft des Geschäftsführers bei Abschluss seines Anstellungsvertrages steht noch aus, das BAG hat diese aber in Anschluss an die genannten Entscheidungen bejaht.72 Dieser
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Vgl. Musielak/Voit/Voit, § 1031 ZPO Rn. 11. Zur Möglichkeit einer solchen Trennung vgl. auch Thümmel, FS Geimer (2002), 1331, 1340 f. 71 Vgl. BGHZ 133, 71, 77 f.; 133, 220, 223; BGH NJW 1997, 1443; 2000, 3133, 3135 f.; vgl. auch MüKoBGB/Micklitz/Purnhagen, § 13 BGB Rn. 60; Staudinger/Kannowski, § 13 BGB Rn. 54. 72 BAG NJW 2010, 2827, 2829. 70
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
Einschätzung sind indes nicht alle Instanzgerichte gefolgt,73 von der Literatur wurde sie aber akzeptiert74. Die Mitglieder des Vorstandes einer AG hat das OLG Hamm – zufällig in einer Entscheidung zu § 1031 Abs. 5 ZPO – beim Abschluss ihres Anstellungsvertrages als Verbraucher eingeordnet.75 Das gegenüber dem Geschäftsführer größere Maß an Selbständigkeit bei der Wahrnehmung der dem Vorstandsmitglied obliegenden Pflichten rechtfertige es nicht, grundsätzlich von einer selbständigen beruflichen Tätigkeit auszugehen.76 Maßgeblich für die Einordnung einer beruflichen Tätigkeit als selbständig sei neben der weitgehenden Freiheit von Weisungen, dass die Tätigkeit im eigenen Namen, für eigene Rechnung und im eigenen Verantwortungsbereich ausgeübt werde, sodass das wirtschaftliche Risiko der Tätigkeit unmittelbar selbst getragen wird.77 Das unternehmerische Risiko trage aber die Gesellschaft und nicht der Vorstand selbst.78 Dieser Argumentation ist die gesellschaftsrechtliche Literatur gefolgt.79 Zunächst gilt es, sauber zwischen zwei Fällen zu trennen, nämlich zwischen dem Abschluss irgendeines Vertrages als Geschäftsleiter in mittelbaren Zusammenhang mit der Organstellung und dem Abschluss des Anstellungsvertrages mit der Gesellschaft selbst. Die erste Konstellation, mit der sich auch der BGH auseinandergesetzt hat80, ist hier nicht relevant, da es sich dabei um eine Rechtsbeziehung zu Dritten handelt. Für die Rechtsbeziehung zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsleiter ist der Anstellungsvertrag entscheidend. Ob ein Anstellungsvertrag selbst zu einem selbstständigen oder unselbstständigen beruflichen Zweck geschlossen wird, kann nicht pauschal beantwortet werden. Für den Geschäftsführer hat Hümmerich81 folgende Unterscheidung vorgenommen: Fremdgeschäftsführer sind demnach regelmäßig als Verbraucher zu qualifizieren, 73
Eine Verbrauchereigenschaft ablehnend vgl. OLG München BeckRS 2011, 06228. Vgl. etwa J.-H. Bauer/Arnold/Kramer, AG 2014, 677, 678; Benedict/Gehle/U. Schmidt, in: MünchHdbGesR Bd. 7 § 144 Rn. 66; Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 5; MüKoGmbHG/Jaeger, § 35 GmbHG Rn. 273; Schmitt-Rolfes, FS Hromadka (2008), 393, 396; Thümmel, FS Geimer (2002), 1331, 1337; von Westphalen, BB 2015, 834, 835 ff.; Yuefang, ZJS 2015, 141. 75 Vgl. OLG Hamm AG 2007, 910, 911 f.; vgl. bereits Thümmel, FS Geimer (2002), 1331, 1337. 76 OLG Hamm AG 2007, 910, 912. 77 OLG Hamm AG 2007, 910, 912. 78 OLG Hamm AG 2007, 910, 912. 79 Vgl. etwa J.-H. Bauer/Arnold/Kramer, AG 2014, 677, 678; Benedict/Gehle/U. Schmidt, in: MünchHdbGesR Bd. 7, § 144 Rn. 66; Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 5; Hüffer/Koch, § 84 AktG Rn. 21; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 AktG Rn. 6; Schmitt-Rolfes, FS Hromadka (2008), 393, 397; Umbeck, SchiedsVZ 2009, 143, 145; von Westphalen, ZIP 2013, 2184; ders., BB 2015, 834, 835 ff.; Yuefang, ZJS 2015, 141, 141. 80 Vgl. Kap. E. Fn. 71. 81 Vgl. Hümmerich, NZA 2006, 709, 710 f. 74
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
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weil sie ihre Tätigkeit faktisch weisungsgebunden ausführen; Gesellschaftergeschäftsführer sind solange als Verbraucher zu qualifizieren, wie sie weder eine Sperrminorität noch einen Kapitalanteil von 50 % haben.82 Letzteres führe zu einer faktischen Weisungsunabhängigkeit, welche die Tätigkeit zu einer selbstständigen macht.83 Diese Unterscheidung trägt im Ergebnis, nicht aber in der Begründung. Richtigerweise ist mit dem OLG Hamm nicht nur auf die Weisungsunabhängigkeit abzustellen, sondern daneben auch zu prüfen, ob die Tätigkeit im eigenen Namen, für eigene Rechnung und im eigenen Verantwortungsbereich ausgeübt wird, also danach, wer das wirtschaftliche Risiko trägt. Fremdgeschäftsleiter führen ihre Tätigkeit nicht im eigenen Namen, für eigene Rechnung oder im originär eigenen Verantwortungsbereich aus. Sie werden allein für die Gesellschaft tätig. Das wirtschaftliche Risiko ihrer Handlung tragen sie nur mittelbar, indem sie für die Verluste gegenüber der Gesellschaft haften. Das gilt nur dann nicht, wenn sie so in erheblicher Weise an der Gesellschaft beteiligt sind, dass sie bei faktischer Betrachtung als die hauptsächlichen Träger des unternehmerischen Risikos zu behandeln sind.84 Somit sind Geschäftsleiter im Einklang mit der mittlerweile herrschenden Meinung beim Abschluss des Anstellungsvertrages regelmäßig als Verbraucher zu klassifizieren. Eine Schiedsvereinbarung, die nur anstellungsvertragliche Streitigkeiten erfasst, hat demnach die Formvorschriften des § 1031 Abs. 5 ZPO zu erfüllen. (bb) Organschaftliche Streitigkeiten Fraglich ist, ob die Formvorschriften anders zu beurteilen sind, wenn die Schiedsvereinbarung nur organschaftliche Streitigkeiten behandeln soll. Das wäre beispielsweise denkbar, wenn die Gesellschaft und der Geschäftsleiter eine Schiedsvereinbarung über Organhaftungsansprüche schließen. Da eine Schiedsvereinbarung durch die erfassten Streitigkeiten ihr verbraucherrechtlich relevantes Gepräge bekommt, müsste der Geschäftsleiter bei diesen Streitigkeiten Verbraucher sein. Die rechtliche Grundlage aller organschaftlichen Streitigkeiten ist jedoch nicht der Anstellungsvertrag, sondern die Bestellung. Diese beiden Rechtsakte sind voneinander zu trennen.85 Daraus, dass ein Geschäftsleiter beim Abschluss seines Anstellungsvertrages als Verbraucher zu qualifizieren ist, kann nicht unmittelbar gefolgert werden, dass seine Verbrauchereigenschaft auch in Bezug auf die organschaftlichen Streitigkeiten vorliegt. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob ein Geschäftsleiter auch bei der Bestellung Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist. Dafür 82
Vgl. Hümmerich, NZA 2006, 709, 710 f. Vgl. Hümmerich, NZA 2006, 709, 711. 84 Diese Möglichkeit sehend, aber offenlassend OLG Hamm AG 2007, 910, 912; vgl. auch MüKoGmbHG/Jaeger, § 35 GmbHG Rn. 273; Schmitt-Rolfes, FS Hromadka (2008), 393, 396 f. 85 Vgl. bereits C.II.2.a), S. 112. 83
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
müsste § 13 BGB auf die Bestellung aber überhaupt erst anwendbar sein. § 13 BGB knüpft an rechtsgeschäftliches Handeln an. Damit § 13 BGB also auch auf die Bestellung anwendbar ist, müsste die Bestellung ein Rechtsgeschäft sein. Dass ein organschaftliches Rechtsverhältnis durch Bestellung und Annahme der Bestellung zustande kommt, ist unstreitig. Umstritten ist aber, ob es sich bei dieser Bestellung um einen gesellschaftsrechtlichen Vertrag handelt oder um zwei einseitige, aber aufeinander bezogene Willenserklärungen.86 Eine Entscheidung dieses Streites muss jedenfalls dann nicht vorgenommen werden, wenn § 13 BGB in jedem oder in keinem Fall anwendbar wäre. Wenn man die Bestellung als einen Vertrag einordnet, dann handelt es sich dabei jedenfalls um ein typisches zweiseitiges Rechtsgeschäft, auf das § 13 BGB unzweifelhaft angewendet werden kann. Folgt man hingegen der Ansicht, die eine Bestellung für zwei einseitige, aber aufeinander bezogene Willenserklärungen hält, dann wäre § 13 BGB nur anwendbar, wenn er auch für einseitige Rechtsgeschäfte gilt. Weder durch den Wortlaut noch durch den Zweck des § 13 BGB ergibt sich indes eine Beschränkung auf zweiseitige Rechtsgeschäfte. Demnach greift § 13 BGB auch für einseitige Rechtsgeschäfte.87 Organschaftliche Streitigkeiten sind damit für Geschäftsleiter zugleich verbraucherrechtlicher Art, wenn sie die Annahme der Bestellung zu einem Zweck vorgenommen haben, der nicht überwiegend ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Die Argumentation des OLG Hamm ist auch auf die Annahme der Bestellung durch den Geschäftsleiter übertragbar. Die gesellschaftsrechtliche Begründung der Organstellung ist regelmäßig ebenso wenig eine selbstständige berufliche Tätigkeit wie der Abschluss des dazugehörigen Anstellungsvertrages. Demnach ist also ein Geschäftsleiter bei der Begründung seiner Organstellung ein Verbraucher im Sinne des § 13 BGB. Die organschaftliche Rechtsbeziehung gibt der Schiedsvereinbarung über organschaftliche Streitigkeiten daher ein verbraucherrechtliches Gepräge. Entsprechend müssen auch Schiedsklauseln über gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten mit Geschäftsleitern dem Formerfordernis gem. § 1031 Abs. 5 ZPO i.V.m. § 13 BGB genügen. (cc) Teleologische Reduktion? Wenngleich Geschäftsleiter also unter den Verbraucherbegriff des § 13 BGB fallen, so kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei ihnen um atypische Verbraucher handelt. In der Regel sind sie geschäftserfahren und typischerweise darf man von ihnen erwarten, dass sie einen Vertrag, der ihnen vorgelegt wird, lesen. Ein Geschäftsführer, der sich etwa gegen die Einrede der Schiedsvereinbarung mit dem 86
Zum Streitstand vgl. Michalski/Römermann, § 46 GmbHG Rn. 213. AllgM., vgl. Staudinger/Kannowski, § 13 BGB Rn. 40; MüKoBGB/Micklitz/Purnhagen, § 13 BGB Rn. 80; Erman/I. Saenger, § 13 BGB Rn. 21. 87
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
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Einwand zur Wehr setzt, er habe die Schiedsvereinbarung im Vertrag nicht gelesen, „disqualifiziert“ sich selbst. Daher wäre zu überlegen, ob eine teleologische Reduktion des § 1031 Abs. 5 ZPO nicht angemessen wäre, wenn die Schiedsvereinbarung zwischen einer Gesellschaft und einem (zukünftigen) Geschäftsleiter geschlossen wird. Eine teleologische Reduktion ist immer dann vorzunehmen, wenn eine gesetzliche Regel entgegen ihrem Wortsinn, aber gemäß der immanenten Teleologie des Gesetzes einer Einschränkung bedarf, die im Gesetzestext nicht enthalten ist.88 Herresthal hat eine solche teleologische Reduktion des § 1031 Abs. 5 ZPO allerdings zu Recht verneint. Die durch § 1031 Abs. 5 ZPO gewährleistete Warnung, verbunden mit der Gewährleistung der Kenntnisnahme durch eine räumliche Trennung vom Vertragsinhalt, ist auch bei geschäftsgewandten Geschäftsleitern sinnvoll.89 Der Warnzweck einer Formvorschrift ist dem Grundsatz nach nicht spezifisch verbraucherrechtlich, sondern auch im allgemeinen Privatrecht und Gesellschaftsrecht anerkannt.90 Der Zweck dieser Warnung, die sich aus der Bedeutung der Festlegung auf ein bestimmtes Streitschlichtungsverfahren ergibt, ist auch beim Geschäftsleiter angesichts der Bedeutung der Abrede und den damit einhergehenden Vor- und Nachteilen einschlägig.91 Daraus folgt auch kein Wertungswiderspruch dazu, dass sowohl die Unterwerfung unter eine statutarische Schiedsklausel durch Annahme einer Bestellung als auch die Zustimmung zu einer durch Satzungsänderung aufgenommenen Schiedsklausel formlos möglich ist.92 Die Unterwerfung durch Annahme einer Bestellung ist faktischer und nicht rechtsgeschäftlicher Art, sodass eine Formvorschrift keine Anwendung findet. Bei der Zustimmung zu einer statutarischen Schiedsklausel ist die analoge Anwendung des § 1031 Abs. 5 ZPO auch ausgeschlossen, weil hierdurch kein gesteigertes Schutzniveau herbeigeführt würde. (c) Zwischenergebnis Alle Schiedsvereinbarungen im Sinne des § 1029 ZPO, die mit einem Geschäftsleiter über anstellungsvertragliche oder gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten geschlossen werden, müssen die Formvorgaben des § 1031 Abs. 5 ZPO erfüllen. (2) Klausel-RL Wie alle nationalen Vorschriften sind auch die Vorschriften des nationalen AGBRechts einer unionsrechtskonformen Auslegung unterworfen. Konkret für das AGB-
88 89 90 91 92
Larenz, Methodenlehre, 279. Herresthal, ZIP 2014, 345, 352. Herresthal, ZIP 2014, 345, 353. Vgl. Herresthal, ZIP 2014, 345, 353. Vgl. D.I.3.e)bb) u. cc), S. 178 f.
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
Recht ist dabei die Klausel-RL93 relevant, welche sich durch eine richtlininenkonforme Auslegung der nationalen Normen für Verbraucherverträge auswirkt.94 Ehe also ermittelt wird, ob eine Schiedsvereinbarung mit einem Geschäftsleiter wegen eines Verstoßes gegen das AGB-Recht unwirksam ist95, muss zunächst überprüft werden, ob die Klausel-RL zu von Verträgen zwischen Gesellschaften und Geschäftsleitern Vorgaben macht. von Westphalen hat in jüngerer Zeit die Ansicht vertreten, dass alle Schiedsvereinbarungen mit Geschäftsleitern gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Nr. 1 lit. q des Anhangs der Klausel-RL verstoßen.96 Demnach begründe eine Schiedsvereinbarung entgegen den Geboten von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers/Geschäftsleiters ein „erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien“ (vgl. Art. 3 Abs. 1 Klausel-RL).97 Nach Nr. 1 lit. q des Anhangs, der eine Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 Klausel-RL beinhalte, seien nur Schiedsvereinbarungen als unbedenklich anzusehen, welche durch ein gesetzlich vorgegebenes Schiedsverfahren zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern geprägt seien.98 Solche gesetzlich angeordneten Schiedsgerichte mit der Zuständigkeit für Verbraucherstreitigkeiten kenne das deutsche Recht aber nicht. Auch das Fehlen einer Berufung oder Revision ist ein Grund für die Missbräuchlichkeit der Klausel.99 Daneben seien auch die regelmäßig höheren Kosten des Schiedsverfahrens100 eine krasse Benachteiligung – und zwar selbst dann, wenn eine D&O-Versicherung bestehe, da nie gewährleistet sei, dass diese die Kosten auch wirklich übernehme.101 Zwar können die Kosten durch ein Einperson-Schiedsgericht verringert werden, aber ein solches biete im Übrigen einen eigenständigen Nachteil i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Klausel-RL, weil dann im Zweifel von einem systematischen Übergewicht der Gesellschaft auszugehen sei.102 Diese Benachteiligung könne auch nicht durch die Vertraulichkeit und vermeintliche Schnelligkeit des Schiedsverfahrens kompensiert werden, weil diese niemals gewährleistet seien.103 Das 93 Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABlEG v. 21. 4. 1993, L 95/29. 94 Vgl. MüKoBGB/Basedow, Vor § 305 BGB Rn. 28. 95 Vgl. E.II.1.b)aa)(3), S. 246. 96 Vgl. von Westphalen, ZIP 2013, 2184, 2186 ff. mit Verweis auf Thode, DNotZ 2007, 404 ff. 97 von Westphalen, ZIP 2013, 2184, 2186. 98 von Westphalen, ZIP 2013, 2184, 2186; Hervorhebung durch den Bearbeiter; vgl. auch Thode, DNotZ, 2007, 404, 407 f., der jede Schiedsvereinbarung unter den Anhang subsumiert. 99 Vgl. von Westphalen, ZIP 2013, 2184, 2186. 100 Vgl. dazu B.X., S. 33. 101 Vgl. von Westphalen, ZIP 2013, 2184, 2186 f.; vgl. zu den Kosten auch Thode, DNotZ 2007, 404, 409. 102 von Westphalen, ZIP 2013, 2184, 2186 f. 103 Vgl. von Westphalen, ZIP 2013, 2184, 2187. Darüber erhebt von Westphalen noch den Einwand, dass die im Zusammenhang mit der Finanzkrise angestrengten Schadensersatzklagen
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
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Schiedsverfahren verschließe überdies den Weg zum EuGH über Art. 267 Abs. 1 AEUV und erlaube keine sinnvolle Form der Streitverkündung.104 Daraus folgerte von Westphalen, dass im Anschluss an die „Mostaza“105- und „Asturcom“106-Entscheidungen des EuGH die Schiedsvereinbarung als ordre-public-widrig und damit absolut unverbindlich einzustufen sei.107 In der darauffolgenden Diskussion wurde diese Ansicht aber von der herrschenden Meinung zu Recht abgelehnt.108 Schon der Anwendungsbereich der Klausel-RL ist gar nicht eröffnet. Nach Art. 1 Abs. 1 Klausel-RL gilt die RL nämlich nur für Verträge zwischen Verbraucher und Gewerbetreibenden, wobei der Verbraucher in Art. 2 lit. b Vertragsklausel-RL definiert ist. Demnach ist Verbraucher „eine natürliche Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.“ Dieser Verbraucherbegriff muss europarechtlich autonom ausgelegt werden.109 Die von von Westphalen (wohl) vorgenommene Gleichsetzung des § 13 BGB mit Art. 2 lit. b Klausel-RL110 verstößt gegen diesen Grundsatz einer autonomen Auslegung. Anders als § 13 BGB enthält Art. 2 lit. b Klausel-RL keine Beschränkung auf eine selbstständige berufliche Tätigkeit. Daraus ist zu folgern, dass Verträge, die zur unselbstständigen beruflichen Tätigkeit gehören, von der Richtlinie nicht erfasst sind.111 Für diese Auslegung spricht auch, dass ausweislich des 10. Ergegen die Organe von Banken nicht vertraulich behandelt werden dürften, da die Öffentlichkeit ein vitales Interesse daran habe, dass – auch außerhalb eines Strafverfahrens – alles ans Licht gebracht werde, was Managern von Banken als Verfehlung vorgeworfen wird. Den dogmatischen Anknüpfungspunkt für diese Erwägung zu finden, ist bereits mehr als schwierig – denkbar ist vielleicht eine Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung nach § 138 BGB. Ob diese Abwägung zwischen Privatinteresse und Öffentlichkeitsinteresse letztlich trägt, kann hier aber dahingestellt werden, weil die Argumentation keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt und diesen auch nicht begründen könnte. 104 Vgl. von Westphalen, ZIP 2013, 2184, 2188. 105 EuGH v. 26. 10. 2006, Mostaza, Rs. C-168/05, ECLI:EU:C:2006:675. 106 EuGH v. 6. 10. 2009, Asturcom, Rs. C-168/05, ECLI:EU:C:2009:615. 107 Vgl. von Westphalen, ZIP 2013, 2184, 2189. 108 Vgl. J.-H. Bauer/Arnold/Kramer, AG 2014, 677, 679 ff.; Benedict/Gehle/U. Schmidt, in: MünchHdbGesR Bd. 7, § 144 Rn. 116; Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 5; Herresthal, ZIP 2014, 345, 347 f. 109 Zur autonomen Auslegung von europarechtlichen Begriffen vgl. EuGH v. 20. 01. 2005, Gruber, Rs. C-464/01, ECLI:EU:C:2005:32 Rn. 31 m.w.N. 110 In der Tat subsumiert von Westphalen an keiner Stelle unter Art. 2 lit. b Klausel-RL, sondern geht nur knapp auf § 13 BGB ein, vgl. ZIP 2013, 2184; vgl. aber auch J.-H. Bauer/ Arnold/Kramer, AG 2014, 677, 679, die es genauso handhaben. In einem späteren Aufsatz erkennt von Westphalen aber, dass Art. 2 lit. b Klausel-RL und § 13 BGB nicht gleichbedeutend sind, sondern jeweils autonom ausgelegt werden müssen, vgl. von Westphalen, SpuRt 2015, 186, 186. 111 Vgl. Bülow/Artz, NJW 2000, 2049, 2050; Däubler, NZA 2001, 1329, 1333; Herresthal, ZIP 2014, 345, 348; Hümmerich/Holthausen, NZA 2002, 173, 174; Staudinger/Kannowski, § 13 BGB Rn. 13; zweifelnd MüKoBGB/Basedow, § 310 BGB Rn. 50.
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
wägungsgrunds Arbeitsverträge von der Richtlinie nicht erfasst werden sollen.112 Daneben ist der Richtliniengeber von dem Fall ausgegangen, dass der Gewerbetreibende, nicht der Verbraucher, als Verkäufer oder Dienstleister auftritt, was sich aus den Erwägungsgründen 5, 6 und 7 der ergibt. Diese gegenüber § 13 BGB engere Auslegung des Verbraucherbegriffs nach Art. 2 lit. b. Klausel-RL deckt sich auch mit der Judikatur des EuGH zum fast wortgleichen Art. 13 EuGVÜ (Art. 15 EuGVVO). Dieser entschied in der Rs. Gruber, „dass nur Verträge, die eine Einzelperson ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit oder Zielsetzung und unabhängig von einer solchen allein zu dem Zweck schließt, ihren Eigenbedarf beim privaten Verbrauch zu decken, unter die Sonderregelung fallen, die das Brüsseler Übereinkommen zum Schutz des Verbrauchers als des als schwächer angesehenen Vertragspartners vorsieht, wohingegen dieser Schutz nicht gerechtfertigt ist bei Verträgen, deren Zweck in einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit besteht.“113
Anstellungsverträge mit Geschäftsleitern sind, wenn auch nicht als selbstständig beruflich, doch jedenfalls als unselbstständig beruflich einzuordnen. Daher fallen sie nicht unter die Klausel-RL. Schon aus diesem Grund können Schiedsklauseln in Anstellungsverträgen nicht gegen die Klausel-RL verstoßen. Zudem gilt die Klausel-RL gem. Art. 3 Abs. 1 nur für Vertragsklauseln, die nicht im Einzelnen ausgehandelt sind. Gem. Abs. 2 Klausel-RL ist eine Vertragsklausel „immer dann als nicht im einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb, insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags, keinen Einfluß auf ihren Inhalt nehmen konnte.“
Dass ein Geschäftsleiter keine Möglichkeit hat, auf den Inhalt einer Schiedsklausel Einfluss zu nehmen, wird so gut wie nie gegeben sein. Der Vollständigkeit halber ist auch festzustellen, dass die Klausel-RL einer Schiedsklausel auch nicht absolut entgegensteht. Nr. 1 lit. q des Anhangs darf keinesfalls so eng verstanden werden, wie von Westphalen die Norm verstanden hat. Dem Wortlaut nach erfasst dieses Beispiel nur Vertragsklauseln, durch die der Verbraucher ausschließlich auf ein nicht unter die rechtlichen Bestimmungen fallendes Schiedsgerichtsverfahren verwiesen wird. E contrario sind also solche Schiedsklauseln zulässig, durch die der Verbraucher auf ein doch unter die rechtlichen Bestimmungen fallendes Schiedsgerichtsverfahren verwiesen wird.114 Hier zu behaupten, dass die Ausnahme nur für gesetzlich angeordnete Schiedsverfahren gelten solle, wird diesem Wortlaut nicht gerecht. Ein nach den Regeln der ZPO durchgeführtes Schiedsverfahren fällt auch „unter die rechtlichen Bestimmungen“. 112
Herresthal, ZIP 2014, 345, 348. EuGH v. 20. 01. 2005, Gruber, Rs. C-464/01, ECLI:EU:C:2005:32 Rn. 36. 114 Vgl. BGH NJW 2005, 1125, 1127; J.-H. Bauer/Arnold/Kramer, AG 2014, 677, 680; Mäsch, FS Schlosser (2005), 529, 536 f.; MüKoZPO/Münch, § 1029 ZPO Rn. 26; MüKoBGB/ Wurmnest, § 307 BGB Rn. 262. 113
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
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Daher muss das Beispiel so verstanden werden, dass gesetzlich zugelassene Schiedsverfahren von der Ausnahme nicht erfasst sind.115 Nur dort, wo das durch die Klausel vereinbarte Schiedsverfahren vom Standardverfahren nach der ZPO zum Nachteil des Verbrauchers abweicht, ist Nr. 1 lit. q Anhang Klausel-RL einschlägig.116 Wenn sich also im Umkehrschluss aus Nr. 1 lit. q Anhang Klausel-RL ergibt, dass Schiedsklauseln in Übereinstimmung mit dem einschlägigen Prozessrecht zulässig sind, dann können auch die normalerweise mit dem Schiedsverfahren einhergehenden Nachteile nicht dazu führen, dass eine entsprechende Schiedsklausel nach der Generalklausel des Art. 3 Abs. 1 Klausel-RL unzulässig wäre. Das bedeutet, dass die höheren Kosten und der Verzicht auf Rechtsmittel, die mit einem Schiedsverfahren typischerweise einhergehen, nicht dazu führen, dass eine Schiedsklausel den Verbraucher benachteiligt. Entgegen der Behauptung von Westphalens stellt auch die Vereinbarung eines Einpersonen-Schiedsgerichts keine Abweichung zum Nachteil des Verbrauchers dar. Eine solche Vereinbarung führt jedenfalls dann nicht zu einem strukturellen Übergewicht des Gewerbetreibenden, wenn der Schiedsrichter entweder durch eine neutrale Stelle oder durch die beiden Parteien gemeinsam ausgewählt wird. Außerdem sieht § 1034 Abs. 2 ZPO eine Korrekturmöglichkeit für Fälle vor, in denen die vereinbarte Schiedsrichterbestellung eine Partei benachteiligen würde. Eine grundsätzliche strukturelle Benachteiligung von Verbrauchern durch einen Einzelschiedsrichter besteht – jenseits der durch § 1034 Abs. 2 ZPO zu korrigierenden Fälle – nicht, von einer pauschalen Parteilichkeit ist nicht auszugehen. Zwar heißt es in Erwägungsgrund 21 S. 4 der Kommissions-Empfehlung 98/257/ EG117, dass außergerichtliche Verfahren mit Verbrauchern nur zulässig sein sollten, wenn der Verbraucher „dies in voller Sachkenntnis nach Entstehung des Streitfalls ausdrücklich billigt“. Diese Empfehlung ist allerdings gem. Art. 288 Abs. 5 AEUV nicht verbindlich.118 Schiedsklausel in Anstellungsverträgen mit Geschäftsleitern verstoßen also nicht gegen die Klausel-RL, da der Anwendungsbereich nicht eröffnet ist. Selbst wenn der Anwendungsbereich eröffnet wäre, wären nur solche Schiedsklauseln unzulässig, die zum Nachteil des Verbrauchers von den Regeln der ZPO abweichen. 115
Vgl. BGH NJW 2005, 1125, 1127; J.-H. Bauer/Arnold/Kramer, AG 2014, 677, 680; Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 5; Herresthal, ZIP 2014, 345, 348; MüKoZPO/Münch, § 1029 ZPO Rn. 26; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Richtlinie Anhang Rn. 148; MüKoBGB/ Wurmnest, § 307 BGB Rn. 262. 116 Vgl. Herresthal, ZIP 2014, 345, 348; MüKoZPO/Münch, § 1029 ZPO Rn. 26; Wolf/ Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Richtlinie Anhang, Rn. 150; MüKoBGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 262. 117 Empfehlung 98/257/EG der Kommission vom 30. März 1998 betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind, ABlEG v. 17. 4. 1998, L 115/31. 118 Vgl. auch Herresthal, ZIP 2014, 345, 348.
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
(3) Nationales AGB-Recht Die Klausel-RL ist für Schiedsvereinbarungen mit Geschäftsleitern nicht einschlägig. Entsprechend zwingt sie insoweit auch nicht zu einer richtlinienkonformen Auslegung, sodass die Vorschriften des nationalen AGB-Rechts autonom angewendet werden können. Ob eine Schiedsvereinbarung also unwirksam ist, ergibt sich allein aus den §§ 305 ff. BGB. Bereits die Anwendbarkeit des AGB-Rechts auf Schiedsklauseln in Anstellungsverträgen mit Geschäftsleitern ist jedoch problematisch. Dies soll im Folgenden dadurch aufgezeigt werden, dass zunächst die Anwendbarkeit des AGB-Rechts unter Beachtung der allgemeinen Kriterien für Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB und der Bereichsausnahme nach § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB überprüft wird und danach das gefundene Ergebnis einer Wertungskontrolle unterzogen wird. (a) § 305 Abs. 1 BGB und § 310 Abs. 3 BGB Die Anwendbarkeit von AGB-Vorschriften setzt eigentlich voraus, dass die zu überprüfende Vertragsklausel AGB darstellt. Gem. § 305 Abs. 1 BGB sind AGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Für Verbraucherverträge enthält § 310 Abs. 3 BGB jedoch eine eigene Regelung über die Anwendbarkeit bestimmter Regelungen des AGB-Rechts. Liegen AGB vor119, so gelten sie gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB als vom Unternehmer gestellt. Diese Regelung ist von eher geringer Bedeutung, sie deckt vor allem AGB durch Dritte ab.120 Nr. 2 erklärt darüber hinaus die §§ 305c Abs. 2, 306, 307-309 BGB und Art. 46b EGBGB auch für vorformulierte Individualvereinbarungen für anwendbar, soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte.121 Die Anwendbarkeit der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle kommt also entweder über § 305 Abs. 1 BGB oder über § 310 Abs. 3 Nr. 2 in Frage. Eine Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB ohne Rückgriff auf §§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB kommt nur bei Formularverträgen in Betracht. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Schiedsvereinbarung in Gestalt einer Schiedsklausel (§ 1029 Abs. 2 Alt. 2 ZPO) Teil eines größeren Formularvertrags ist oder ob es sich um eine vom Vertragswerk losgelöste Schiedsabrede handelt (§ 1029 Abs. 2 Alt. 1 ZPO); entscheidend ist allein, dass sie für mehrere Verträge vorformuliert ist.122 Regelmäßig relevanter dürfte jedoch eine Schiedsklausel123 sein, die Teil eines Formularvertrages ist. Für die 119 Näher Erman/Roloff, § 310 BGB Rn. 13; Staudinger/Schlosser, § 310 BGB Rn. 54 ff.; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, § 310 BGB Rn. 50 f. 120 Vgl. Erman/Roloff, § 310 BGB Rn. 13; Staudinger/Schlosser, § 310 BGB Rn. 54; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, § 310 BGB Rn. 51. 121 Näher Staudinger/Schlosser, § 310 BGB Rn. 61 ff. 122 Vgl. Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 218. 123 MüKoZPO/Münch, § 1029 ZPO Rn. 22 meint, dass eine Schiedsklausel mit Verbrauchern wegen der Formvorschrift § 1031 Abs. 5 ZPO nicht in Frage kommt, sondern mit Ver-
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
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Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle ist es unerheblich, dass die Schiedsklausel nach § 1031 Abs. 5 S. 1 ZPO vom restlichen Vertrag getrennt aufzuführen ist, da § 305 Abs. 1 S. 2 BGB ausdrücklich festhält, dass eine vorformulierte Vertragsbestimmung auch dann der AGB-Kontrolle unterliegt, wenn sie einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrages bildet.124 Formularverträge kommen in der Praxis sogar bei Vorstandsverträgen durchaus vor125, sind aber nicht die Regel126. Damit ein Geschäftsleiter sich auf § 305 Abs. 1 S. 1 BGB berufen kann, muss er beweisen, dass die Schiedsklausel für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert war. Hierfür ist allerdings in der Regel der Nachweis ausreichend, dass ein gedrucktes oder sonst vervielfältigtes Klauselwerk verwandt worden ist127. Faktisch liegt die Beweislast also bei der Gesellschaft, die zum Ausschluss der Inhaltskontrolle nachweisen müsste, dass die Vertragsklausel nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB individuell ausgehandelt wurde.128 Grundsätzlich sind die Anforderungen an das „Aushandeln“ streng. Von „Aushandeln” kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen AGB enthaltenen „gesetzesfremden” Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen.129 „Aushandeln“ einer Vertragsbedingung verlangt noch mehr, als dass die eine Vertragsseite, die die Vertragsbedingung vorformuliert hat und so zu erkennen gegeben hat, dass sie – und nicht etwa aus eigenem Antrieb der Auftraggeber – diese als Vertragsinhalt wünscht, der anderen Vertragsseite hierzu einfach erklärt,
brauchern nur Schiedsabreden geschlossen werden können. Die Unterscheidung zwischen Schiedsabrede und Schiedsklausel in § 1029 ZPO Abs. 2 ZPO ist aber besser materiell und nicht formell zu verstehen. Eine Schiedsklausel kann auch einen engen sachlichen Bezug zu einem Vertragswerk haben, wenn sie auf einem separaten Dokument abgeschlossen werden muss. Eine Schiedsabrede als „selbstständige Vereinbarung“ ist daher so zu verstehen, dass sie in keinem sachlichen Zusammenhang zu einem Hauptvertragsschluss steht. Eine Schiedsabrede läge dann etwa vor, wenn sich die Parteien nach Entstehen eines Streits auf ein Schiedsgericht einigen. Da das Gesetz aber keine unterschiedliche Behandlung von Schiedsabreden und Schiedsklauseln vorsieht, ist diese Unterscheidung rein akademisch. 124 Vgl. Mäsch, FS Schlosser (2005), 529, 534. 125 Vgl. J.-H. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2338 f.; Schmitt-Rolfes, FS Hromadka (2008), 393, 394. 126 J.-H. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2338 f. 127 Vgl. BGHZ 118, 229, 238; 184, 259 Rn. 11; MüKoBGB/Basedow, § 305 BGG Rn. 45; Staudinger/Schlosser, § 305 BGB Rn. 51. 128 J.-H. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2339 f.; vgl. auch BGH NJW 1987, 144, 145; NJW 2003, 1313, 1314; MüKoBGB/Basedow, § 305 BGB Rn. 45; Staudinger/Schlosser, § 305 BGB Rn. 52. 129 BGHZ 85, 305, 308; BGH, NJW-RR 1986, 54; NJW-RR 1987, 144, 145; NJW 2005, 2543, 2544; näher Staudinger/Schlosser, § 305 BGB Rn. 37 ff.
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
es stehe dieser frei, mit oder ohne diese Vertragsbedingung abzuschließen, am bereits unterzeichneten Formularvertrag festzuhalten.130 Diese allzu strenge Handhabung ist bei Anstellungsverträgen mit Geschäftsleitern nicht geboten. In der Regel ist die Verhandlungsposition der Kandidaten so stark, dass sie die Verhandlungsbereitschaft auch tatsächlich nutzen können, sodass es ausreichen muss, dass die Gesellschaft die Klauseln allgemein zur Disposition stellt.131 Bei einem Vertragsschluss mit einem Geschäftsleiter kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verhandlungsbereitschaft nur vorgeschoben ist, da es sich bei Organanstellungsverträgen um Einzelfälle handelt, bei denen ein Abweichen vom Standardvertrag kein Problem darstellt.132 Daher muss es genügen, wenn die Gesellschaft nachweist, dass sie dem Geschäftsleiter beim Abschluss seines Anstellungsvertrages allein die Möglichkeit gegeben hat, die Klauseln zu ändern. Auf einen Anstellungsvertrag mit einem Geschäftsleiter ist § 310 Abs. 3 BGB dem Grundsatz nach anwendbar, da es sich bei diesem um einen Verbrauchervertrag handelt.133 Die Schiedsklausel – obgleich wegen § 1040 Abs. 1 S. 1 ZPO ein eigener Vertrag – ist auch als ein Verbrauchervertrag zu behandeln, da sie mit den anstellungsvertraglichen und den organschaftlichen Streitigkeiten nur verbraucherrechtliche Streitigkeiten erfasst134. Damit die Schiedsklausel aber nach §§ 307 – 309 BGB inhaltlich überprüft werden kann, muss der Verbraucher/Geschäftsleiter gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB nachweisen135, dass die fragliche Klausel vorformuliert war, er keine Möglichkeit der Einflussnahme hatte und dass die Vorformulierung für die fehlende Möglichkeit der Einflussnahme kausal war136. Diesen Beweis wird der Geschäftsleiter schwer führen können, da in der Praxis die Vertragsentwürfe mit geschäftsführenden Geschäftsleitern in der Regel mit dem Hinweis übersandt werden, dass jede Klausel zur Disposition steht137. Die Beweisführung ist also gegenüber der zu § 305 Abs. 1 S. 3 BGB für Geschäftsleiter spiegelverkehrt, da der Geschäftsleiter belegen muss, dass die Klausel überhaupt nicht zu seiner Disposition stand. Die Inhaltskontrolle einer Schiedsklausel kommt demnach grundsätzlich in zwei Fällen in Frage: Wenn die Klausel eine echte AGB ist (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB) und die Gesellschaft nicht nachweisen kann, dass die Klausel nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB 130
BGH NJW 2005, 2543, 2544. J.-H. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2340. 132 Vgl. J.-H. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2340. 133 Vgl. J.-H. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2339. 134 Vgl. E.II.1.b)aa)(1)(b), S. 237. 135 Zur Beweislast bei § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB vgl. BGHZ 176, 140; MüKoBGB/Basedow, § 310 BGB Rn. 72; Erman/Roloff, § 310 BGB Rn. 21; Staudinger/Schlosser, § 310 BGB Rn. 66; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, § 310 BGB Rn. 89; a.A. von Westphalen, BB 1996, 2101, 2103 (Unternehmer hat zu beweisen, dass die Klausel nicht vorformuliert war). 136 MüKoBGB/Basedow, § 310 BGB Rn. 73. 137 J.-H. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2340. 131
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
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individuell verhandelt wurde, oder wenn es sich um einen Individualvertrag handelt, aber der Geschäftsleiter gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB den Beweis führen kann, dass er keine Möglichkeit der Einflussnahme hatte. (b) Bereichsausnahme, § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB Die Inhaltskontrolle einer Schiedsklausel in einem Organanstellungsvertrag wäre jedoch ausgeschlossen, wenn die Klausel unter die Bereichsausnahme nach § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB fallen würde. Der Abschnitt über AGB findet demnach nämlich keine Anwendung für Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts. Diese Bereichsausnahme gilt auch für Verbraucherverträge, obwohl § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht auf Abs. 4 verweist.138 Es ist kein Grund ersichtlich, warum Einzelverträge einen strengeren Schutz als AGB genießen sollen.139 Wie weit die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB geht, ist bis jetzt nicht endgültig geklärt. Einigkeit besteht darüber, dass sie jedenfalls die Gründungsverträge und Satzungen von Personen- und Kapitalgesellschaften von der Inhaltskontrolle durch AGB ausschließt.140 Dabei ist allerdings umstritten, ob § 310 Abs. 4 S. 1 BGB im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung im Lichte der Klausel-RL dahin teleologisch zu reduzieren ist, dass er keine Anwendung findet, wenn es sich bei dem Vertrag um einen Verbrauchervertrag handelt.141 Für die hier zu klärende Frage, ob eine Schiedsklausel in einem Anstellungsvertrag mit einem Geschäftsleiter unter die Bereichsausnahme fallen kann, kann dieser Streit jedoch dahinstehen, da es sich bei diesen Verträgen nicht um Verbraucherverträge im Sinne der Klausel-RL handelt.142 Die teleologische Reduktion ist ohnehin abzulehnen, da auch Erwägungsgrund 10 der Klausel-RL eine Ausnahme für Gesellschaftsverträge enthält.143 Darüber hinaus sind die Konturen der Bereichsausnahme aber unklar und umstritten.144 Nach der von der Rechtsprechung entwickelten Formel sind auch Austauschverhältnisse zwischen der Gesellschaft und einem Mitglied nicht erfasst, wenn diese unmittelbar auf dem Gesellschaftsvertrag beruhen, mitgliedschaftlicher Natur 138 Vgl. Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 727 ff.; Erman/Roloff, § 310 BGB Rn. 12; Ulmer/ Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, § 310 BGB Rn. 92. 139 Erman/Roloff, § 310 BGB Rn. 12; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, § 310 BGB Rn. 92. 140 Vgl. MüKoBGB/Basedow, § 310 BGB Rn. 86; Grunewald, FS Semler (1993), 179, 181 Erman/Roloff, § 310 BGB Rn. 12; Staudinger/Schlosser, § 310 BGB Rn. 66; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/H. Schmidt, § 310 Abs. 4 BGB Rn. 11; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, § 310 BGB Rn. 92. 141 Dafür etwa: MüKoBGB/Basedow, § 310 BGB Rn. 92; Heinrichs NJW 1996, 2190, 2192; dagegen etwa: Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 3 GmbHG Rn. 73; Drygala ZIP 1997, 968 ff.; offenlassend BGH BeckRS 2015, 19758 Rn 28 m.w.N. 142 Vgl. E.II.1.b)aa)(2), S. 241. 143 Ausführlich Drygala ZIP 1997, 968, 970 f. 144 Vgl. Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 707 für Einzelfälle.
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
sind und unmittelbar zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks dienen.145 Unter Heranziehung dieser Formel sind die Anstellungsverträge mit Geschäftsleitern jedoch nicht von der Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB erfasst146, da sie nicht mitgliedschaftlicher Natur sind. Die Schiedsklausel selbst ist aber wegen § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO als eine vom Hauptvertrag getrennte Vereinbarung zu behandeln.147 Davon, dass § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB nicht für den Anstellungsvertrag gilt, kann also nicht unmittelbar darauf geschlossen werden, dass auch die Schiedsklausel nicht von der Bereichsausnahme erfasst wird148. Vielmehr muss für diese selbstständig geprüft werden, ob sie von der Bereichsausnahme erfasst wird. Die Formel der Rechtsprechung kann jedoch nicht verwendet werden, um zu überprüfen, ob die Bereichsausnahme auch die Schiedsklausel erfasst. Sie ist auf Austauschverträge ausgelegt, eine Schiedsvereinbarung stellt jedoch keinen Austauschvertrag dar. Führt man sich vor Augen, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Bereichsausnahme den Kontrollverzicht darauf stützte, dass die AGB-Vorschriften auf schuldrechtliche Austauschverträge zugeschnitten sind, die sich von Gesellschaftsverträgen unterscheiden,149 könnte man bereits an der Anwendbarkeit der AGB-Vorschriften auf Schiedsklauseln zweifeln. Daraus, dass eine Schiedsklausel kein Austauschvertrag ist, kann aber nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass sie deshalb unter § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB fällt. Dafür müsste sie nämlich auch gesellschaftsrechtlicher Art sein. Wie das Merkmal „Vertrag auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“ zu verstehen ist, kann allerdings nicht abstrakt begrifflich bestimmt werden. Eine solche abstrakte Bestimmung der Reichweite von § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB stößt nämlich auf das Problem, dass es keinen einzelnen Rechtfertigungsgrund für die AGB-rechtliche Kontrollfreiheit von gesellschaftsrechtlichen Verträgen gibt, sondern mehrere Einzelwertungen die Ausnahme jeweils teilweise rechtfertigen.150 Wenn eine abstrakte Bestimmung der Reichweite von § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB anhand einer Orientierung am Begriff des „Gesellschaftsrechts“ also wegen der unterschiedlichen 145 Vgl. BGH NJW-RR 1992, 379; NJW 1998, 454, 455; NJW-RR 2008, 1357 Rn. 14: vgl. auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/H. Schmidt, § 310 Abs. 4 BGB Rn. 12. 146 I. E. ebenso J.H. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2338; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/ H. Schmidt, § 310 Abs. 4 BGB Rn. 14; Schmitt-Rolfes, FS Hromadka (2008), 393, 395. 147 Vgl. Herresthal, ZIP 2014, 345, 346; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1040 ZPO Rn. 3; Schwab/Walter, Kap. 4 Rn. 16; Musielak/Voit/Voit, § 1040 ZPO Rn. 4. 148 Vgl. aber Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 5. 149 Vgl. BT-Drs. 7/3919, 41, vgl. auch Grunewald, FS Semler (1993), 179. § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB entspricht in etwa dem 10. Erwägungsgrund der Klausel-RL. Bei der Genese der Klausel-RL wurde die Bereichsausnahme von den Regelungen zwar in die Erwägungsgründe verschoben, eine Begründung für die Bereichsausnahme blieb jedoch aus, vgl. zur Genese Schmidt-Salzer, BB 1995, 1493, 1499. 150 Ausf. Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 714 ff.; vgl. auch bereits Grunewald, FS Semler (1993), 179.
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
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Wertungsgesichtspunkte nicht möglich ist, dann ist es nur konsequent, die Reichweite der Bereichsausnahme nicht abstrakt, sondern anhand flexibler Wertungen zu bestimmen. Ob ein Vertrag oder ein Vertragsteil unter die Bereichsausnahme von § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB fällt, muss unter Beachtung einer Vielzahl von Wertungskriterien festgestellt werden, durch welche die Besonderheiten des Gesellschaftsrechts und ihr spezifisches Gewicht für das konkrete Vertragswerk gewürdigt werden können.151 Solche Wertungskriterien können unter anderem sein: der Beitrag, den der Vertragsteil für die Erreichung des Vereinigungszwecks oder die Organisation der Gesellschaft leistet, ob eine vertragsschließende Partei außerhalb des Gesellschafterkreises steht oder ob die vertragliche Vereinbarung allein das Rechte- und Pflichtenprogramm der Gesellschafter betrifft oder auch andere Rechte und Pflichten erfasst.152 Versucht man eine Schiedsklausel nun anhand dieser Kriterien zu bewerten, stößt man schnell auf das Problem, dass die Klausel im Schwerpunkt prozessuale Fragen regelt, die genannten Wertungskriterien aber an materielle Gesichtspunkten anknüpfen. Eine isolierte Betrachtung der Schiedsklausel kann daher für die Zuordnung nicht weiterhelfen. Sie ist eher eine „Begleiterscheinung“ der von ihr erfassten materiellen Streitigkeiten. Entsprechend ist ihre Zuordnung in einen Rechtsbereich im Sinne des § 310 Abs. 4 S. 1 BGB – wie bei § 1031 Abs. 5 S. 1 ZPO153 – nur unter Heranziehung dieser Streitigkeiten denkbar. Es muss dafür zwischen den anstellungsvertraglichen und den organschaftlichen Streitigkeiten differenziert werden. Der Anstellungsvertrag des Geschäftsleiters fällt selbst nicht unter die Bereichsausnahme nach § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB. Deshalb ist es auch konsequent, dass eine Schiedsklausel über anstellungsvertragliche Streitigkeiten nicht als gesellschaftsrechtlich einzuordnen ist.154 Dass organschaftliche Streitigkeiten gesellschaftsrechtlicher Art sind, kann hingegen nicht bestritten werden. Sie basieren auf der gesellschaftsrechtlichen Stellung des Geschäftsleiters und betreffen demnach die innere Organisation der Gesellschaft. Dies wird auch durch einen Vergleich gestützt: Eine Schiedsklausel in der Satzung einer Kapitalgesellschaft kann, wie bereits ausführlich dargelegt wurde, grundsätzlich alle organschaftlichen Streitigkeiten erfassen. Eine solche Klausel ist schon wegen ihrer Verortung im durch zwingendes Recht geprägten Gesellschaftsvertrag von der Bereichsausnahme nach § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB erfasst. Eine Schiedsklausel im Anstellungsvertrag, die organschaftliche Streitigkeiten erfassen soll, ist letztlich nur anders verortet, hat aber den gleichen Regelungskern. Zudem ist der Schutz des Geschäftsleiters in formaler Hinsicht jedenfalls für die 151
Vgl. Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 724. Vgl. Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 725 f. 153 Vgl. E.II.1.b)aa)(1)(a), S. 234. 154 Auch § 310 Abs. 4 S. 2 BGB ist nicht einschlägig, vgl. hierzu E.II.1.b)aa)(3)(c)(aa), S. 253 u. E.II.1.b)aa)(3)(c)(bb), S. 254. 152
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
Streitigkeiten, bei denen es ein konkretes Interesse an der Verfahrensgestaltung hat, vergleichbar.155 Eine unterschiedliche Behandlung der Inhaltskontrolle ist nicht geboten. Eine im Anstellungsvertrag vereinbarte Schiedsklausel mit einem Geschäftsleiter sollte, jedenfalls soweit sie organschaftliche Streitigkeiten erfasst, von der Bereichsausnahme erfasst werden.156 Zwar wird bezweifelt, dass auch Vereinbarungen der Gesellschaft mit Dritten überhaupt unter die Bereichsausnahme fallen können.157 Und in der Tat wird man annehmen dürfen, dass eine Vereinbarung mit Dritten regelmäßig dagegenspricht, eine Vereinbarung im gesellschaftsrechtlichen Bereich anzunehmen. Zwingend ist dies ist jedoch nicht.158 Gerade wenn die Vereinbarung mit einem Geschäftsleiter geschlossen wird, dann liegt bei wertungsmäßiger Betrachtung keine Vereinbarung mit einem „klassischen“ Dritten vor, sondern eine Vereinbarung mit einer gesellschaftsinternen Person. Daher ist im Ergebnis festzustellen, dass das AGB-Recht wegen der Bereichsausnahme nach § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB auf eine Schiedsklausel in einem Anstellungsvertrag nicht anwendbar ist, soweit diese organschaftliche Streitigkeiten erfasst, über die ebenfalls eine statutarische Schiedsklausel in die Satzung aufgenommen werden könnte. Das ist besonders deshalb von Bedeutung, weil damit auch eine Schiedsklausel über die Organhaftung159 unter die Bereichsausnahme fällt. (c) Wertungskontrolle Nach den bisher gefundenen Ergebnissen kann eine anstellungsvertragliche Schiedsklausel nur der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterworfen werden, wenn es sich um einen Fall des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB oder des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB handelt und soweit sie nur anstellungsvertragliche Streitigkeiten regelt. Soweit sie organschaftliche Streitigkeiten erfasst, greift § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB. Da die Voraussetzungen der Inhaltskontrolle aber – wegen der Besonderheiten von Anstellungsverträgen mit Geschäftsleitern – schwer zu beweisen bzw. leicht zu widerlegen sind, ist der Anwendungsbereich entsprechend klein. Dennoch könnte sogar dieser kleine Anwendungsbereich der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle für Verträge mit Geschäftsleitern zu groß sein. Anstellungsverträge mit Geschäftsleitern mögen Austauschverträge sein und die §§ 305 ff. BGB mögen speziell auf Austauschverträge ausgelegt sein, dennoch sind diese Anstellungsverträge nicht typisch für die Anwendung der §§ 305 ff. BGB. Geschäftsleiter sind regelmäßig geschäftserfahren und haben beim Vertragsschluss häufig rechtlichen 155
Vgl. D.I.3.e)cc), S. 178. Vgl. auch Heskamp, RNotZ 2012, 415, 427 f., der Schiedsklauseln zwischen Gesellschaftern unter die Bereichsausnahme subsumiert, soweit sie gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten erfassen. 157 Vgl. Grunewald, FS Semler (1993), 179, 192; Staudinger/Schlosser, § 310 BGB Rn. 81. 158 Vgl. Bieder, ZHR 174 (2010), 706, 725 Fn. 97. 159 Vgl. etwa D.II.1.a), S. 186. 156
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Beistand. Daher haben sich unterschiedliche Ansichten herausgebildet, welche die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB für Geschäftsleiterverträge entweder allgemein oder konkret für Schiedsvereinbarungen einschränken wollen. (aa) Meinungsstand J.-H. Bauer/Arnold haben festgestellt, dass dem Wortlaut nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB zwar bei der Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen berücksichtigt werden müssen, aber eine solche Sonderbehandlung für Anstellungsverträge mit Geschäftsleitern nicht vorgenommen wird.160 Wenn die §§ 305 ff. BGB für Anstellungsverträge aber uneingeschränkt zur Anwendung kämen, hätte dies zur Folge, dass durch die Inhaltskontrolle strengere Maßstäbe an Anstellungsverträge mit Geschäftsleitern gestellt werden als an Arbeitsverträge. Dieser Wertungswiderspruch solle zumindest insoweit durch eine teleologische Reduktion der Inhaltskontrolle spezifischer Klauselverbote oder eine analoge Anwendung des § 310 Abs. 4 BGB korrigiert werden, als arbeits- und dienstvertragliche Besonderheiten übereinstimmen. Zudem dürften die aktien- und kapitalmarktrechtlichen Besonderheiten bei Vorstandsverhältnissen nicht außer Acht gelassen werden.161 Inwieweit die Schiedsklausel in einem Anstellungsvertrag davon betroffen ist, haben die Autoren allerdings – auch in einem späteren Aufsatz zu diesem Thema162 – nicht ausgeführt. Von Westphalen hat sich überhaupt nicht mit der speziellen Vertragsschlusssituation von organschaftlichen Anstellungsverträgen auseinandergesetzt und vertreten, dass die Kontrolle nach § 307 BGB für Schiedsvereinbarungen zwischen einem Geschäftsleiter und einer Gesellschaft ebenso wie für andere Verträge auch uneingeschränkt greife.163 Herresthal hat dafür plädiert, dass die Inhaltskontrolle von Anstellungsverträgen mit Geschäftsleitern so umfassend reduziert werden müsse, dass sie nicht für Schiedsklauseln gelten dürfe.164 Die Ratio der Inhaltskontrolle, partielles Marktversagen in Bezug auf die Klauselinhalte auf Grund eines Informations- oder Motivationsgefälles zwischen Verwender und Verwendungsgegner und einer einseitigen Beanspruchung der Vertragsgestaltungsfreiheit zu beheben, sei in diesen Fällen typisiert nicht einschlägig.165 Der gesamte Inhalt eines solchen Anstellungsvertrages finde Aufmerksamkeit und Geschäftsleiter hätten eine reale Beeinflussungsmöglichkeit.166 Es bestehe auch ein effizienter Konditionenwettbewerb, da für die Geschäftsleiter die Alternativen zur Schiedsklausel – also der Verzicht oder ihre Ab160 161 162 163 164 165 166
J.-H. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2338. J.-H. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2338. Vgl. J.-H. Bauer/Arnold/Kramer, AG 2014, 677 ff. Vgl. von Westphalen, ZIP 2013, 2184, 2185. Vgl. Herresthal, ZIP 2014, 345, 351; zust. Yuefang, ZJS 2015, 141, 142. Herresthal, ZIP 2014, 345, 350. Herresthal, ZIP 2014, 345, 350 f.
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wandlung – erkennbar und durchsetzbar seien167 Überdies verweist Herresthal auch auf den schon von J.-H. Bauer/Arnold festgestellten Wertungswiderspruch.168 Schwab/Walter haben – losgelöst von den Besonderheiten der Anstellungsverträge von Geschäftsleitern – vertreten, dass die Anwendung der Inhaltskontrolle in allen Fällen, in denen § 1031 Abs. 5 ZPO greife, ausgeschlossen sei, weil der Schutz bereits durch dessen Klarstellungswirkung gewährleistet sei.169 (bb) Stellungnahme Die Anwendbarkeit der AGB-Inhaltskontrolle kann erhebliche Auswirkungen haben. Anders als bei einer individualvertraglichen Schiedsvereinbarung kann der AGB-Verwender das Schiedsverfahren nicht frei und lediglich begrenzt durch die zwingenden Vorschriften regeln. Die Wirksamkeitskontrolle setzt bei AGBSchiedsklauseln nämlich bereits dort an, wo die Ausgestaltung der Schiedsklausel mit wesentlichen Grundgedanken des deutschen Schiedsverfahrensrechts nicht zu vereinbaren ist (vgl. § 307 BGB).170 Dass § 1031 Abs. 5 ZPO die Anwendung der Inhaltskontrolle komplett verdrängen soll, kann keinesfalls überzeugen. Das gibt schon eine Betrachtung der Zweckrichtungen von § 1031 Abs. 5 ZPO einerseits und der Inhaltskontrolle andererseits her. § 1031 Abs. 5 ZPO soll verhindern, dass eine Schiedsklausel in größeren Vertragswerken „vergraben“ wird, damit der Verbraucher nicht unbesehen seinen Zugang zu den staatlichen Gerichten wegzeichnet. Die Inhaltskontrolle dient in erster Linie dazu – und insoweit hat Herresthal Recht – das partielles Marktversagen in Gestalt eines Informations- und Motivationsgefälles zu kompensieren, welches dadurch entsteht, dass es für den Adressaten von AGB nicht ökonomisch wäre, unterschiedliche Vertragswerke zu vergleichen, während der Verwender ein ökonomisches Interesse daran hat, sein Vertragswerk für sich positiv auszugestalten.171 Man könnte insoweit natürlich noch argumentieren, dass dort, wo der Adressat der AGB auf anderem Wege – etwa durch § 1031 Abs. 5 ZPO – gewarnt wird, kein Informationsungleichgewicht besteht und die Annahme eines solchen Vertragsangebots mit AGB daher nicht mehr Resultat eines Marktversagens sei. Das überzeugt jedoch nicht. Die §§ 305 ff. BGB verlangen für die Anwendbarkeit an keiner Stelle, dass der Adressat die zu überprüfenden Klausel nicht zur Kenntnis genommen hat. Die Inhaltskontrolle kommt daher auch zur Anwendung, wenn der Adressat die AGB komplett gelesen und trotzdem zugestimmt hat. Dass zum Beispiel ein Verbraucher die Schiedsklausel kennt, heißt noch nicht, dass er eine wirkliche Wahl hat, etwa weil der Verwender der AGB alleiniger Anbieter der vom Verbraucher gewünschten Leistung ist. Die §§ 305 ff. BGB sollen auch diese strukturelle Störung der Ent167 168 169 170 171
Vgl. Herresthal, ZIP 2014, 345, 351. Vgl. Herresthal, ZIP 2014, 345, 351. Vgl. Schwab/Walter, Kap. 5 Rn. 14. Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2015, 217, 218. Näher MüKoBGB/Basedow, Vor §§ 305 ff. BGB Rn. 5.
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scheidungsfreiheit ausgleichen.172 Daher dürfen sie nicht pauschal durch § 1031 Abs. 5 ZPO verdrängt werden.173 Von Westphalens Ansicht kann indes ebenso wenig überzeugen. Gegen eine generelle Anwendung der §§ 305 ff. BGB auch auf Anstellungsverträge von Geschäftsleitern sprechen sowohl die von J.-H. Bauer/Arnold herausgearbeiteten Wertungswidersprüche als auch die von Herresthal dargelegte Zweckverfehlung, die mit deren Anwendung einherginge. Eine teleologische Reduktion ist im Hinblick auf die besondere Vertragsschlusssituation bei Anstellungsverträgen mit Geschäftsleitern also auf jeden Fall geboten. Im Anschluss an Herresthal muss eine teleologische Reduktion der Inhaltskontrolle in Bezug auf Schiedsklauseln vorgenommen werden. Dieser hat richtig festgestellt, dass keiner der Gründe, die eine AGB-Kontrolle normalerweise rechtfertigen, in dieser Vertragsschlusssituation typischerweise vorliegen. Weder ein partielles Marktversagen174 noch ein strukturelles Ungleichgewicht175 kann angenommen werden, wenn beide Seiten des Vertrages typischerweise ein Interesse an der vollständigen Lektüre des Vertragstextes und der Ausgestaltung des Vertragsinhalts haben und die Durchsetzung dieses Interesses für die Parteien in ökonomisch zumutbarer Weise erfolgen kann. Bei Anstellungsverträgen mit Geschäftsleitern ist dies definitiv der Fall, da es den Geschäftsleitern zumutbar ist, sich mit Hilfe eines Rechtsbeistandes in den Vertrag einzuarbeiten und auf die Änderung hinzuwirken.176 Für die Schiedsvereinbarung ist diese Möglichkeit sogar noch einmal konkretisiert, da dem Geschäftsleiter wegen des Formerfordernisses gem. § 1031 Abs. 5 ZPO die Bedeutung der Schiedsklausel noch einmal vor Augen geführt wird. Eines darüber hinaus gehenden Schutzes bedarf er daher nicht. (d) Zwischenergebnis Die Vorschriften der AGB-Kontrolle können trotz der Verbrauchereigenschaft von Geschäftsleitern nicht auf Schiedsvereinbarungen in Anstellungsverträgen an172
Rn. 4. 173
Vgl. Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 3; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Einl.
So i.E. etwa auch Haas/Hauptmann, SchiedsVZ 2004, 174, 178 f.; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Hau, Klauseln (S) Rn. 5; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 584. 174 Vgl. MüKoBGB/Basedow, Vor §§ 305 ff. BGB Rn. 5. 175 Vgl. Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 3; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, Einl. Rn. 4. 176 Insoweit vergleichbar ist die Situation mit der in der Literatur umstrittenen Frage, ob vorformulierte Unternehmenskaufverträge der AGB-Kontrolle unterliegen. Eine starke Auffassung vertritt auch hier, dass das AGB-Recht wegen der beidseitigen realen Möglichkeit der Vertragsgestaltung nicht angewendet werden sollte, vgl. Kästle, NZG 2014, 288, 289 f.; Koch, BB 2010, 1810, 1811 ff.; Müller/Griebeler/Pfeil, BB 2009, 2658, 2661 ff.; zum Streitstand vgl. Beisel/Klumpp/Beisel, Unternehmenskauf § 1 Rn. 118 ff. Da komplexe Unternehmenskaufverträge in der Rechtsprechung des BGH praktisch nicht vorkommen (vgl. Berger, NJW 2010, 465, 466), ist eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage erst einmal nicht zu erwarten.
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gewendet werden. Das ergibt sich zum Teil aus der Einschlägigkeit der Bereichsausnahme § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB, zum Teil aus der Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion der Inhaltskontrolle.177 (4) Allgemeine Nichtigkeitsgründe Eine Schiedsvereinbarung zwischen einem Geschäftsleiter kann also weder der nationalen AGB-Kontrolle unterfallen, noch verlangt die Klausel-RL nach einer besonderen Kontrolle im Wege einer europarechtskonformen Auslegung. Entsprechend bestimmen sich die materiellen Gültigkeitsgrenzen allein nach den allgemeinen Vorschriften. Die allgemeinen Vorschriften über Rechtsgeschäfte, also §§ 104 ff., 116 ff., 134, 138, 145 ff. BGB, sind auch auf die Schiedsvereinbarung anzuwenden.178 Grenze der möglichen Ausgestaltung der Schiedsklausel bildet nur das zwingende Recht (etwa § 1042 ZPO).179 Eine Schiedsvereinbarung ist zum Beispiel etwa dann unwirksam, wenn eine Partei die andere unter Ausnutzung einer überlegenen Position zum Abschluss der Vereinbarung genötigt hat.180 Bei der Prüfung der Gültigkeit einer Schiedsklausel (vgl. § 1029 Abs. 2 Alt. 2 ZPO) ist allerdings zu beachten, dass die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Hauptvertrages gem. § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht auf die Schiedsvereinbarung durchschlägt.181 § 139 BGB ist somit gesetzlich ausgeschlossen.182 Das stellt letztlich also umfassend sicher, dass über die Wirksamkeit des Hauptvertrages vom Schiedsgericht und direkt im Rahmen der Begründetheit geurteilt wird, und dass bei Nichtigkeit des Hauptvertrages normalerweise dann ersatzweise eine „hilfsweise“ Zuständigkeit für Rückabwicklungs-, Bereicherungs- oder sonstige Folgeansprüche besteht.183 Etwas anderes gilt nur in dem seltenen Fall der Fehleridentität184.185 177 Selbst wenn man annähme, dass eine Schiedsvereinbarung mit einem Geschäftsleiter der AGB-Kontrolle unterworfen ist, wäre diese regelmäßig wirksam. Die Klauselverbote von §§ 308, 309 BGB enthalten kein Verbot für Schiedsvereinbarungen, weswegen sie nur nach §§ 307 Abs. 1, 2 BGB gemessen werden können. Die vom Gesetzgeber selbst attestierte Gleichwertigkeit von Schiedsverfahren und gerichtlichem Verfahren (vgl. BT-Drucks. 13/5274, 34) verbietet es, eine Schiedsvereinbarung pauschal als nachteilhaft zu qualifizieren, vgl. Mäsch, FS Schlosser (2005), 529, 536; Schmitz, RNotZ 2003, 591, 604; auch Weihe, Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 279 f. Dass eine Schiedsvereinbarung nicht pauschal nachteilhaft ist, hat auch der EU-Gesetzgeber erkannt, wie im Folgenden dargestellt wird. 178 MüKoZPO/Münch, § 1029 ZPO Rn. 16; vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 175 Rn. 23; Musielak/Voit/Voit, § 1029 ZPO Rn. 10 f. 179 Vgl. Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 218. 180 Musielak/Voit/Voit, § 1029 ZPO Rn. 10. 181 Vgl. OLG Hamburg, SchiedsVZ 2013, 180, 181; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 532 ff. 182 Hauschild/Böttcher, DNotZ 2012, 577, 578 f.; MüKoZPO/Münch, § 1040 ZPO Rn. 8; Schwab/Walter, Kap. 4 Rn. 19; das übersieht Wagner, Prozeßverträge, 583. 183 MüKoZPO/Münch, § 1040 ZPO Rn. 9. 184 Vgl. OLG München, SchiedsVZ 2012, 159, 161; Schwab/Walter, Kap. 4 Rn. 17.
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Besonderheiten bei der Vereinbarung zwischen einem Geschäftsleiter und einer Kapitalgesellschaft bestehen dabei nicht. Ein Schutz über dieses Mindestniveau hinaus ist nicht geboten. (5) Zwischenergebnis Jede Schiedsvereinbarung zwischen einem Geschäftsleiter und der Kapitalgesellschaft muss dem Formerfordernis nach § 1031 Abs. 5 ZPO entsprechen. Materielle Wirksamkeitsgrenzen ergeben sich nur aus den allgemeinen Vorschriften über Rechtsgeschäfte. Eine Inhaltskontrolle nach AGB-Recht nach rein nationalem Recht oder im Wege einer richtlininienkonformen Auslegung findet nicht statt. bb) Schiedsvereinbarungen mit Aufsichtsorganmitgliedern Da mit Aufsichtsorganmitgliedern keine Anstellungsverträge geschlossen werden, fällt bei diesen die gesamte anstellungsvertragliche Komponente weg. Eine Schiedsvereinbarung kommt daher nur in Gestalt einer Schiedsabrede (vgl. § 1029 Abs. 2 Alt. 1 ZPO) in Frage, sie kann nur organschaftliche Streitigkeiten erfassen. Ob für diese Schiedsabrede die Formvorschriften des § 1031 Abs. 1 – 3 ZPO gelten oder ob sie der strengen Form des Abs. 5 genügen muss, hängt davon ab, ob die Mitglieder des Aufsichtsrates beim Abschluss dieser Schiedsabrede als Verbraucher einzuordnen sind. Dieser Fall belegt, dass es für die Bestimmung des Verbraucherbegriffs nach § 1031 Abs. 5 ZPO nicht allein auf einen Hauptvertrag ankommen kann. Eine Person ist beim Abschluss einer Schiedsabrede als Verbraucher anzusehen, wenn die Streitigkeiten, welche sie erfassen soll, verbraucherrechtlicher Art sind. Das ist der Fall, wenn sie auf einem verbraucherrechtlichen Rechtsgeschäft (§ 13 BGB) basieren. Wie auch die Geschäftsleiter erlangen die Mitglieder der Aufsichtsorgane ihre Organstellung durch die rechtsgeschäftliche Annahme der Bestellung.186 Damit die Mitglieder der Aufsichtsorgane bei der Annahme der Bestellung Verbraucher sind, müssten sie dieses Rechtsgeschäft zu einem Zweck vornehmen, der überwiegend weder ihrer gewerblichen noch seiner selbstständig beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Hier kann in Gleichlauf mit dem Geschäftsleiter die Annahme der Bestellung ebenfalls weder als gewerblich noch als selbstständig beruflich eingeordnet werden. Die Mitglieder von Aufsichtsorganen werden – sofern sie überhaupt für die Gesellschaft tätig werden – nur im fremden Namen und auf fremde Rechnung tätig und sind nicht die Träger des unternehmerischen Risikos. Daher sind sie bei Annahme der Bestellung als Verbraucher zu behandeln. Eine Schiedsabrede mit ihnen muss daher der Form des § 1031 Abs. 5 ZPO entsprechen. Es ergeben sich insoweit keine Unterschiede zur Form von Schiedsvereinbarungen mit Geschäftsleitern.187 185 186 187
Näher Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 535 ff. Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 101 Rn. 61; Spindler/Stilz/Spindler, § 101 AktG Rn. 10. Zum Ganzen bereits ausführlich für Geschäftsleiter vgl. E.II.1.b)aa)(1)(b)(bb), S. 239.
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
Dies hat erhebliche Bedeutung für die materielle Wirksamkeitskontrolle. Grundsätzlich können zwar auch Schiedsabreden, die nicht Teil eines Vertragswerkes sind, als AGB eingeordnet werden; dass der Vertrag, welchen die Schiedsvereinbarung bildet, aus nur einer einzigen vorformulierten Klausel besteht, steht der Qualifikation als AGB nicht entgegen188. Da eine Schiedsabrede mit Aufsichtsorganmitgliedern aber nur organschaftliche – also gesellschaftsrechtliche – Streitigkeiten erfassen kann, ist sie als ein Vertrag im Bereich des Gesellschaftsrechts einzuordnen und fällt damit unter die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB189. Eine AGB-Inhaltskontrolle kommt daher nicht in Frage. Der Anwendungsbereich der Klausel-RL ist ebenso nicht eröffnet. Das ergibt sich schon daraus, dass der 10. Erwägungsgrund gesellschaftsrechtliche Verträge vom Anwendungsbereich der Klausel-RL ausschließt. Zudem ist es auch im Rahmen der Auslegung der Klausel-RL überzeugend, eine Schiedsvereinbarung, die nur gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten erfasst, als gesellschaftsrechtlich im Sinne der RL einzuordnen. Doch selbst wenn der Anwendungsbereich der Klausel-RL grundsätzlich eröffnet wäre, so würde diese einer Schiedsabrede nicht im Wege stehen, da ein Aufsichtsorganmitglied jedenfalls die Möglichkeit hätte, diese mitzugestalten (Art. 3 Abs. 2 Klausel-RL) und eine Schiedsvereinbarung nur ausnahmsweise gegen die Richtlinie verstößt.190 Die Zulässigkeit einer Schiedsabrede mit einem Mitglied des Aufsichtsrates ist daher ebenfalls nur durch die allgemeinen Vorschriften über Rechtsgeschäfte und das zwingende Recht der ZPO begrenzt. Es besteht daher kein Unterschied zu Geschäftsleitern. c) Zwischenergebnis Für den Abschluss einer Schiedsvereinbarung mit einem Organmitglied sind die Gesellschaftsorgane zuständig, welche die Gesellschaft auch im Prozess gegen das Organmitglied vertreten würden. Schiedsvereinbarungen sowohl mit geschäftsleitenden als auch mit beaufsichtigenden Organmitgliedern unterfallen der Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO. Besondere materielle Gültigkeitsgrenzen haben sie nicht, da weder die nationale AGB-Kontrolle noch die Klausel-RL auf sie anwendbar sind. Es gelten daher die allgemeinen Grenzen.
188 Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217, 218; vgl. BGH NJW 1987, 2867; NJW 1988, 2465, 2466. 189 Dazu bereits ausführlich E.II.1.b)aa)(1)(b), S. 237. 190 Bereits für den Geschäftsleiter ausführlich vgl. E.II.1.b)aa)(2), S. 241.
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
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2. Personale und sachliche Reichweite a) Grundsatz Welche Ansprüche von einer Schiedsvereinbarung gem. § 1029 ZPO erfasst sind, ist durch ihre Auslegung festzustellen. Dabei ist grundsätzlich eine weite Auslegung vorzunehmen,191 da anzunehmen ist, dass die Parteien ihre Streitigkeiten vollumfänglich einem Schiedsgericht vorlegen wollen.192 Eine strikte Wortlautauslegung verbietet sich, die Auslegung orientiert sich an den bürgerlich-rechtlichen Maximen in Gestalt von §§ 133, 157 BGB.193 Eine typische Klausel für eine Schiedsvereinbarung mit einem Geschäftsleiter könnte etwa „alle Streitigkeiten in Verbindung mit dem Anstellungsvertrag oder dem Organverhältnis oder über deren oder im Zusammenhang mit deren Wirksamkeit“ erfassen. Dies würde zum Beispiel auch erfassen: Bereicherungsansprüche bei seiner Unwirksamkeit194 ; deliktische Ansprüche, soweit die schädigende Handlung in einem einheitlichen Lebensvorgang mit einer Vertragsverletzung steht195; Streitigkeiten aus einem Vergleich, der über eine Forderung geschlossen wurde, die der Schiedsvereinbarung unterlag196.197 Soweit die Schiedsvereinbarung die anstellungsvertraglichen Streitigkeiten erfassen soll, ist sie daher umfassend. Hinsichtlich der organschaftlichen Streitigkeiten ist eine Schiedsvereinbarung, die allein zwischen der Gesellschaft und dem Organ besteht, jedoch von vornherein auf solche Streitigkeiten begrenzt, in denen auch nur diese beiden Partei sind. Damit Streitigkeiten mit mehreren Parteien vor einem Schiedsgericht verhandelt werden können, müssen alle Parteien in gleicher Weise an die Zuständigkeit des Schiedsgerichts gebunden sein.198 Das kann erreicht werden, indem eine Mehrparteienschiedsvereinbarung geschlossen wird.199 Alternativ muss es aber auch ausreichen, wenn der andere, der neben dem Beklagten ebenfalls beklagt wird, eine individuelle Schiedsvereinbarung mit dem Kläger geschlossen hat, die im Wesentlichen den gleichen Inhalt hat. Das lässt sich am besten am Beispiel des Informationsanspruches 191 BGHZ 53, 315, 319; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1029 Rn. 12; Zöller/ Geimer, § 1029 ZPO Rn. 78; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 472; Hk-ZPO/I. Saenger, § 1029 Rn. 15; Schwab/Walter, Kap. 3 Rn. 19; Musielak/Voit/Voit, § 1029 ZPO Rn. 23; vgl. auch BGH NJW 1965, 591, 592. 192 Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 472; Musielak/Voit/Voit, § 1029 ZPO Rn. 23; vgl. auch BGH NJW-RR 2009, 790, 791 f., eine eingeschränkte Reichweite der Vereinbarung muss von den Parteien ausreichend substantiiert vorgetragen werden. 193 Vgl. MüKoZPO/Münch, § 1029 ZPO Rn. 105. 194 Vgl. Zöller/Geimer, § 1029 ZPO Rn. 80. 195 Vgl. BGH NJW 1965, 300; OLG München SchiedsVZ 2014, 262, 264; Zöller/Geimer, § 1029 ZPO Rn. 80. 196 Vgl. BGH NJW 1964, 591, 592; Schwab/Walter, Kap. 3 Rn. 19. 197 Vgl. Musielak/Voit/Voit, § 1029 Rn. 23. 198 Vgl. bereits C.II.1.c)dd)(1)(b), S. 84. 199 Vgl dazu E.III., S. 269.
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
der AG gegen die Mitglieder des Vorstandes nach § 90 Abs. 3 S. 1 AktG200 darstellen. Damit der Aufsichtsrat als Vertreter der AG die Mitglieder des Vorstandes dazu zwingen kann, die Informationen herauszugeben, muss er die Mitglieder einzeln als notwendige Streitgenossen verklagen. Ein Schiedsverfahren mit notwendigen Streitgenossen setzt allerdings voraus, dass alle Streitgenossen in gleicher Weise an die Zuständigkeit des Schiedsgerichts gebunden sind. Fehlt es an einer statutarischen Schiedsklausel, die diese Streitigkeiten erfasst201, müsste es reichen, wenn alle beklagten Mitglieder des Vorstandes gleichartige Schiedsvereinbarungen mit der Gesellschaft geschlossen haben, da sie insoweit in gleicher Weise schiedsgebunden sind, und einer Verbindung des Verfahrens zustimmen202. Das Gleiche muss gelten, wenn die Gesellschaft (wie es häufig der Fall ist203) mehrere Organmitglieder gleichzeitig wegen organschaftlicher Pflichtverletzung in Anspruch nimmt und es aus praktischen Gründen sinnvoller wäre, die Verfahren zu vereinen. Eine solche Vereinigung kann und sollte204 bereits durch eine entsprechende Ausgestaltung der Schiedsvereinbarung antizipiert werden, damit die Gesellschaft im späteren Verfahren nicht dazu gezwungen wird, zwei parallele Verfahren zu führen. Alternativ kann allerdings auch direkt eine Mehrparteienschiedsvereinbarung mit allen Organmitgliedern geschlossen werden.205 Es kann allerdings noch nicht genügen, wenn mit allen Organmitgliedern eine textgleiche Schiedsvereinbarung geschlossen wird206, wenn sich aus diesen nicht die Bereitschaft zu Mehrparteienschiedsvereinbarung ergibt. Theoretisch denkbar wäre eine solche Konstruktion auch für die Gesellschafteroder Organbeschlussmängelstreitigkeiten und Streitigkeiten über die Abberufung von Organmitgliedern. Da diese aber allesamt § 248 Abs. 1 S. 1 AktG (analog) unterliegen und eine entsprechende Schiedsvereinbarung daher alle Gesellschafter in gleicher Weise binden müsste, ist diese Konstruktion praktisch schwer vorstellbar. Eine Schiedsvereinbarung zwischen dem Organmitglied und der Gesellschaft kann somit in erster Linie von den organschaftlichen Streitigkeiten nur Zweipersonenstreitigkeiten umfassen. Diese sind: – Klagen über organschaftliche Ersatzansprüche207 und „Entlastungsklagen“,
200
Vgl. C.II.1.c)dd)(1)(a)(aa), S. 81. Vgl. D.III.2., S. 218. 202 Vgl. Massuras, Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit, 278 ff. zur Verbindung paralleler Schiedsverfahren. 203 Vgl. Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 3; Thümmel, FS Geimer (2002), 1331, 1340; Umbeck, SchiedsVZ 2009, 143, 148. 204 Vgl. Thümmel, FS Geimer (2002), 1331, 1340. 205 Vgl. dazu E.III., S. 269. 206 So aber Thümmel, FS Geimer (2002), 1331, 1342. 207 Vgl. aber E.II.2.c)bb), S. 264 zur Schiedsvereinbarung nach Beginn des Klagezulassungsverfahrens gem. § 148 AktG. 201
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
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– Vergütungs- und Auslagenersatzansprüche der Mitglieder des Aufsichtsrates, – Informationsansprüche nach §§ 90 Abs. 3 S. 2, Abs. 5 S. 1, 125 Abs. 4, 170 Abs. 3 AktG208, – Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abberufung eines Vorstandsoder Leitungsorganmitglieds, sowie eines geschäftsführenden Direktors, die nicht auf Wiedereinsetzung gerichtet ist.209 Organschaftliche Streitigkeiten, die nicht von einer individuellen Schiedsvereinbarung erfasst werden, sind daher: – Informationsanspruch nach § 90 Abs. 3 S. 1 AktG (Ausnahme: alle Mitglieder des Vorstandes sind an eine gleichartige Schiedsvereinbarung gebunden und stimmen der Verbindung zu), – Abberufung von Geschäftsführern, geschäftsführenden Direktoren und Leitungsorganmitgliedern210, – Streitigkeiten über Gesellschafter- oder Organbeschlüsse. b) Besonderheiten bei der GmbH: Ausnahme bei § 64 GmbHG? Zwar kann eine Schiedsvereinbarung grundsätzlich die organschaftlichen Ersatzansprüche erfassen. Allerdings hat sich bereits bei der sachlichen Reichweite statutarischer Schiedsklauseln gezeigt, dass diese den „organschaftlichen“ Erstattungsanspruch wegen unzulässiger Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife aus § 64 GmbHG nicht erfassen kann.211 Bei diesem Anspruch handelt es sich nur insoweit um einen „organschaftlichen“Anspruch, als er an die Organstellung anknüpft, dennoch ist er ein insolvenzrechtlicher und kein gesellschaftsrechtlicher Anspruch.212 Anders als die statutarische Schiedsklausel ist die Schiedsvereinbarung aber sachlich nicht auf gesellschaftsinterne Streitigkeiten reduziert, sondern kann zum Beispiel auch anstellungsvertragliche Streitigkeiten erfassen. Bei der Geltendmachung anstellungsvertraglicher Ansprüche wäre der Insolvenzverwalter auch an die Schiedsvereinbarung gebunden.213 Das Interesse der Gläubiger kann auch in diesen 208 Vgl. zu diesen genauer C.II.1.c)dd)(1)(a)(bb), S. 83 ff. Umfasst wäre theoretisch auch § 125 Abs. 3 AktG, dieser ist jedoch wegen seiner schnellen Erledigung durch die Hauptversammlung nur für den einstweiligen Rechtsschutz geeignet, der im Schiedsverfahren nicht in gleicher Weise gewährleistet werden kann. 209 Vgl. C.II.1.c)hh)(1), S. 99. 210 Zu Aufsichtsorganmitgliedern vgl. E.II.2.c)dd), S. 267. 211 Vgl. D.II.2.b), S. 199. 212 Vgl. C.II.1.b)aa), S. 41. 213 Zur Bindung von Insolvenzverwaltern an Schiedsvereinbarungen vgl. BGH, NJW 1979, 2567 f.; SchiedsVZ 2004, 259, 260; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1029 ZPO
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
Fällen durch deren Informations- und Auskunftsrechte im eröffneten Verfahren214 gewahrt werden. Die einzige Erwägung, die gegen die Erstreckung einer Schiedsvereinbarung auf den Anspruch aus § 64 AktG spricht, ist, dass die GmbH den Anspruch überhaupt nicht selbst geltend machen kann.215 Die Begründung der Schiedsbindung von Prozessstandschaftern, also auch von Insolvenzverwaltern, ergibt sich daraus, dass diese bei der Geltendmachung von Ansprüchen nicht anders gestellt sein dürfen als die Inhaber der Ansprüche. Bei einem Anspruch aus § 64 GmbHG trifft diese Erwägung nicht zu. Daher ist es nur überzeugend, dass – wie auch eine statutarische Schiedsklausel – eine Schiedsvereinbarung den Anspruch aus § 64 GmbHG nicht erfassen kann. c) Besonderheiten bei der AG und SE: Durchschlagen der Wirkung satzungsrechtlicher Wertungen auf die Schiedsvereinbarung? aa) Grundsätzliches Die Satzungsstrenge schränkt die Reichweite von statutarischen Schiedsklauseln in den Satzungen von AGs und SEs erheblich ein.216 Konkret dürfen alle Streitigkeiten, die § 248 Abs. 1 S. 1 AktG (analog) unterfallen, und die Klage über die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern nicht Gegenstand statutarischer Schiedsklauseln sein. Für die Organhaftungsklagen ergeben sich aus § 148 AktG Beschränkungen. Bei Schiedsvereinbarungen handelt es sich allerdings um Verträge, die nicht Bestandteil der Satzung sind. Wenn man aber annähme, dass eine Schiedsvereinbarung etwa uneingeschränkt Organhaftungsklagen auch nach Beginn eines Klagezulassungsverfahrens erfassen könnte, dann wäre es denkbar, diese vertragliche Vereinbarung als Umgehung der Satzungsstrenge zu qualifizieren. Dann könnte es dazu kommen, dass die Wertungen der Satzungsstrenge auf die vertragliche Vereinbarung durchschlagen. Das Aktienrecht kennt bereits Verträge, die mit der Satzung im Zusammenhang stehen, ohne Satzungsbestandteil zu sein. Gemeint sind die satzungsergänzenden (oder schuldrechtlichen) Nebenabreden217. Dabei handelt es sich um Vereinbarungen, die Aktionäre vor, bei oder nach Gründung der Gesellschaft zur Regelung ihrer Rechtsverhältnisse untereinander oder zur Gesellschaft außerhalb der Satzungsurkunde treffen.218 Soweit satzungsergänzende Nebenabreden mit der Gesellschaft geschlossen werden, unterfallen sie in einigen Fällen bestimmten Regeln des GeRn. 26; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 516; Zöller/Geimer, § 1029 ZPO Rn. 65; Wagner, Böckstiegel/Berger/Bredow 2005, 7, 13 f., je m.w.N. 214 Näher Thole, ZIP 2012, 1533, 1538 ff. 215 Vgl. Nachweise in Kap. D. Fn. 346. 216 Vgl. ausführlich D.III.1., S. 217. 217 Jüngst näher hierzu Cziupka/Kliebisch, BB 2013, 715 ff.; Noack, NZG 2013, 681 ff. 218 Hüffer/Koch, § 23 AktG Rn. 45; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 23 AktG Rn. 64.
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
263
sellschaftsrechts219, sie sind aber § 23 Abs. 5 AktG nicht unterworfen220. Ihre Nichtigkeit kann sich aber – zum Beispiel bei stimmbindenden Nebenabreden221 – aus dem allgemeinen Recht, etwa aus § 134 BGB i.V.m. § 136 AktG222 oder § 138 BGB223, ergeben. Der Gestaltungsspielraum reicht somit bei satzungsergänzenden Nebenabreden weiter als bei Satzungsbestimmungen. Dass § 23 Abs. 5 AktG keine Wirkung für satzungsergänzende Nebenabrede enthält, entspricht dem Zweck der Regelung. Sie soll die effiziente und freie Handelbarkeit der Aktie erleichtern, indem er durch das Erzwingen weitgehend einheitlicher Regelungen den Informationsaufwand potentieller Erwerber minimiert.224 Satzungsergänzende Nebenabrede binden auf Grund des Grundsatzes der Relativität der Schuldverhältnisse aber nur die Parteien, die den Abschluss auch selbst herbeiführen können. Da sie grundsätzlich225 nur die Parteien binden, müsste sich ein potentieller Erwerber auch nicht über ihr Bestehen informieren, da diese durch den Aktienerwerb nicht für ihn wirksam wird. Der Zweck von § 23 Abs. 5 AktG ist daher gar nicht berührt. Bei einer Schiedsvereinbarung mit einem Organmitglied handelt es sich zwar nicht um eine satzungsergänzende Nebenabrede im klassischen Sinne, denn der Vertrag wird nicht mit einem Aktionär geschlossen. Man kann aber von einer atypischen ergänzenden Nebenabrede sprechen, da durch sie mit dem Organverhältnis dennoch ein gesellschaftsrechtliches Rechtsverhältnis geregelt wird. Zudem regelt eine Schiedsvereinbarung jedenfalls teilweise einen Fall, der auch in durch Satzungsbestimmung geregelt werden könnte. Die Wertungen der satzungsergänzenden Nebenabreden sind also übertragbar. Da es sich auch bei der Schiedsvereinbarung also um einen von der Satzung zu trennenden (Prozess-)Vertrag handelt, müssen nicht die gleichen Anforderungen an ihn gestellt werden wie an eine Satzungsbestimmung. Auch wenn eine statutarische Schiedsklausel durch die Satzungsstrenge begrenzt ist, gilt dies nicht für die Schiedsvereinbarung mit einem Organmitglied.
219
Zu diesen Fällen vgl. Noack, NZG 2013, 681, 682 ff. Vgl. Cziupka/Kliebisch, BB 2013, 715; Heskamp, RNotZ 2012, 415, 425 (ausdrücklich für Schiedsvereinbarungen); Hüffer/Koch, § 23 AktG Rn. 45; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 23 AktG Rn. 65; zur strengen Trennung von Nebenabrede und Satzung vgl. auch MüKoAktG/ Pentz, § 23 AktG Rn. 200; Hölters/Solveen, § 23 AktG Rn. 41. 221 Näher Hüffer/Koch, § 133 AktG Rn. 28. 222 Vgl. MüKoAktG/Pentz, § 23 AktG Rn. 203. 223 Vgl. BGH NZG 2013, 220, 221, Leitsatz: „Ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen einer AG und einem Aktionär, wonach der Aktionär seine Aktien auf die Gesellschaft unentgeltlich zu übertragen hat, wenn der Vertrag beendet wird, ist jedenfalls dann nichtig, wenn der Aktionär die Aktien zuvor entgeltlich erworben hat.“ 224 Vgl. D.III.1.b), S. 202. 225 Zur vermeintlichen Ausnahme bei einer Schiedsvereinbarung vgl. E.III.3.a)bb), S. 287. 220
264
E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
bb) Schiedsvereinbarung über organschaftliche Ersatzansprüche und § 148 AktG Aus satzungsrechtlicher Sicht spricht also nichts dagegen, dass eine Schiedsvereinbarung auch organschaftliche Streitigkeiten erfasst, die erst nach Beginn des Klagezulassungsverfahrens eingeklagt werden. Allein aus § 138 S. 1 BGB könnte sich noch eine Einschränkung ergeben. In Frage kommen die sittenwidrige Drittschädigung und die sittenwidrige Gesetzesumgehung. Anders als bei § 23 Abs. 5 AktG, wo allein schon eine Veränderung der Rechtslage ohne materielle Benachteiligung ausreicht, kann eine Vertragsbestimmung in Bezug auf Dritte nur als sittenwidrig eingeordnet werden, wenn durch sie Rechte Dritter vereitelt werden. Konkret hat der BGH etwa entschieden, dass die bewusste Vereitelung fremder Forderungsrechte dazu führen kann, dass ein Vertrag sittenwidrig ist.226 Durch eine Schiedsvereinbarung über Organhaftungsansprüche können jedenfalls keine Forderungsrechte der Aktionäre verletzt werden, da sie nicht selbst Inhaber der Forderungen gegen die Organmitglieder sind, sondern diese nur für die Gesellschaft einklagen. Bei einer etwas breiteren Interpretation der Drittschädigung könnte man auch eine bewusste Beeinträchtigung aller Rechte Dritter als sittenwidrig einordnen. Eine Beeinträchtigung fremder Rechte könnte durch eine Schiedsvereinbarung allein im Hinblick auf das prozessuale Recht der Aktionäre auf Durchführung einer Klage nach Klagezulassung (§ 148 Abs. 4 S. 1 AktG) und ihr Recht auf Beiladung (§ 148 Abs. 3 S. 3 AktG) gesehen werden. Eine Schiedsvereinbarung führt jedoch nicht zur Beeinträchtigung dieser Rechte. Die Aktionäre können nach Klagezulassung die Klage gegen das Organmitglied weiterhin geltend machen, sie sind als Prozessstandschafter nur an die Schiedsvereinbarung gebunden.227 Dass die Klage nach § 148 Abs. 4 S. 1 AktG vor demselben Gericht erhoben werden muss, das auch den Klagezulassungsantrag gewährt hat, widerspricht dem ebenso nicht. Hierbei handelt es sich nicht um ein Recht der Aktionäre, sondern eine auf Basis von prozessökomischen Gesichtspunkten aufgestellte Zuständigkeitsregel228, die nur die Binnenzuständigkeit regelt und nicht gegen eine Schiedsvereinbarung spricht229. Problematisch ist eher das Recht der Aktionäre auf Beiladung. Die Beteiligung einer Partei an einem Schiedsverfahren verlangt, dass die Partei auch an die Schiedsvereinbarung gebunden ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die Schiedsvereinbarung nur zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied besteht. Eine Beiladung der Aktionäre scheint damit nicht gewährleistet, es sei denn, dass die Schiedsvereinbarung auf diese erweitert wird. Niklas hat nachgewiesen, dass unter Umständen ein Kontrahierungszwang bezüglich der Verfahrenserweiterung bestehen kann, der die Parteien der Schiedsvereinbarung oder den Dritten dazu verpflichtet, die notwendigen, rechtsgeschäftlichen Erklärungen für die Erweiterung der 226 227 228 229
Vgl. BGHZ 60, 102, 104; BGHZ 103, 235, 241; NJW-RR 1996, 869. Vgl. bereits D.III.1.c)dd)(2)(a), S. 209. Vgl. Hüffer/Koch, § 148 AktG Rn. 17. Vgl. bereits C.II.1.b)cc)(2)(b), S. 55.
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
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Schiedsvereinbarung zu geben.230 Niklas leitet diesen aus § 826 BGB ab, für die hier besprochenen Fälle wäre er aber aus der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht231 abzuleiten. Da auf diesem Wege eine Beteiligung der Aktionäre auch am Schiedsverfahren gesichert ist, liegt keine Beeinträchtigung ihrer prozessualen Rechte vor. Eine Sittenwidrigkeit wegen Drittschädigung liegt mithin nicht vor. In Einzelfällen hat der BGH232 angenommen, dass ein Vertrag nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sei, wenn dieser zwar nicht direkt gegen ein Verbotsgesetz verstoße, sondern dieses planmäßig umgehe.233 Man könnte auf die Idee kommen, eine Schiedsvereinbarung als Umgehung der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG zu bewerten, die Schiedsklauseln in der Satzung durch § 148 AktG beschränkt. Dies kann allerdings jedenfalls nicht als sittenwidrige Form der Umgehung gewertet werden, wenn sich aus dieser keine Benachteiligung für die betroffenen Aktionäre ergibt. Durch eine Schiedsvereinbarung neben der Satzung ist überdies der Zweck von § 23 Abs. 5 AktG nicht berührt, da durch die Schiedsvereinbarung für potentielle Aktienerwerber kein erhöhter Informationsaufwand besteht. Eine Schiedsvereinbarung, die auch die Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen nach Beginn des Klagezulassungsverfahrens erfasst, wäre dennoch unwirksam. Das ergibt sich aus § 148 Abs. 5 S. 1 AktG. Nach dieser Vorschrift entfaltet ein Urteil, auch wenn es auf Klageabweisung lautet, Wirkung für die Gesellschaft und die übrigen Aktionäre. Diese Rechtskraftregel gilt für die nach Beginn des Klagezulassungsverfahrens durch die Aktionäre oder die Gesellschaft erhobenen Klagen.234 Wie der BGH in der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung235 klargestellt hat, kann eine solche erweiterte Rechtskraftwirkung durch einen Schiedsspruch nur eintreten, wenn die Betroffenen an die Schiedsgrundlage gebunden sind; andernfalls ist sie wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig. Eine Schiedsvereinbarung allein zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied genügt diesen Anforderungen nicht. Im Ergebnis gilt für eine Schiedsvereinbarung zwischen der AG oder einer SE und einem Organmitglied über organschaftliche Erstattungsansprüche von daher die gleiche Beschränkung wie für eine statutarische Schiedsklausel. Dies ergibt sich jedoch nicht aus dem Durchschlagen der satzungsrechtlichen Wertungen, sondern aus den Anforderungen, die an Schiedsgrundlagen über Verfahren mit erweiterter Rechtskraftwirkung zu stellen sind.
230
Vgl. Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 258 ff. Näher K. Schmidt, Gesellschaftsrecht § 20 IV. 232 Vgl. BGH NJW 1961, 822, 823; NJW 1962, 955; NJW 1973, 1685; weitere Nachweise bei MüKoBGB/Armbrüster, § 138 BGB Rn. 53. 233 Vgl. auch Staudinger/Sack/Fischinger, § 138 BGB Rn. 672; abl. MüKoBGB/Armbrüster, § 138 BGB Rn. 54. 234 Vgl. K. Schmidt/Lutter/Spindler, § 148 AktG Rn. 48. 235 BGHZ 180, 221 ff.; vgl. dazu ausführlich C.II.1.b)cc)(2)(c), S. 56. 231
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
cc) Erstreckung auf § 93 Abs. 5 S. 1 AktG Umbeck vertritt, dass eine Schiedsvereinbarung die Anspruchsgeltendmachung durch Gläubiger nach § 93 Abs. 5 S. 1 nicht erfassen könne, weil es zu den Grundprinzipien der Schiedsgerichtsbarkeit gehöre, dass eine Schiedsvereinbarung nur die Personen binde, die sie geschlossen habe und eine Ausnahme nur Kraft Rechtsnachfolge oder Verbandsrecht zulässig sei.236 Allerdings wurde bereits festgestellt, dass eine Schiedsvereinbarung auch den Prozessstandschafter bindet, da dieser bei der Geltendmachung eines Anspruches nicht anders als der Rechtsinhaber gestellt werden darf.237 Nach einer Ansicht handelt es sich zwar bei § 93 Abs. 5 S. 1 AktG um einen Fall der Prozessstandschaft238, sodass einer Bindung der Gläubiger nichts entgegenstünde. Nach richtiger herrschender Meinung ist § 93 Abs. 5 S. 1 AktG jedoch als ein Fall der Anspruchsvervielfältigung sui generis zu sehen.239 Gegen eine reine Prozessstandschaft spricht, dass der Gläubiger unmittelbar Leistung an sich selbst verlangen kann.240 Bei einer Anspruchsvervielfältigung besteht das materielle Rechtsverhältnis allein zwischen den Gläubigern und dem Organmitglied. Danach wäre Umbeck zuzustimmen. Allerdings haben Habersack/Wasserbäch mit guten Argumenten eine Erstreckung auch auf § 93 Abs. 5 S. 1 AktG angenommen241: Das unmittelbare Verfolgungsrecht der Gläubiger nach § 93 Abs. 5 S. 1 AktG soll es den Gläubigern ersparen, sich zunächst einen Titel gegen die Gesellschaft zu verschaffen und auf dessen Grundlage den Schadensersatzanspruch zu pfänden.242 Bedürfte es einer solchen Pfändung, wäre der Pfändungsgläubiger bei der Geltendmachung des Anspruchs an eine über diesen Anspruch abgeschlossene Schiedsvereinbarung gebunden.243 Es ist nicht geboten, den Gläubiger sowohl durch die direkte Inanspruchnahme als auch über die fehlende Schiedsbindung zu privilegieren.244 Daher kann sich eine Schiedsvereinbarung auch sachlich auf § 93 Abs. 5 S. 1 AktG erstrecken und subjektiv soweit auch die Gläubiger binden.
236
Umbeck, SchiedsVZ 2009, 143, 145; zust. Benedict/Gehle/U. Schmidt, in: MünchHdbGesR Bd. 7 § 144 Rn. 28. 237 Vgl. D.III.1.c)dd)(2)(a), S. 209. 238 Vgl. OLG Frankfurt WM 1977, 59, 62; LG Köln AG 1976, 105; Habscheid, FS Weber 1975, 197, 198 ff. 239 Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 AktG Rn. 294; GroßkommAktG/Hopt/Roth, 5. Aufl., § 93 AktG Rn. 549 ff.; MüKoAktG/Spindler, § 93 AktG Rn. 267 je m.w.N. 240 MüKoAktG/Spindler, § 93 AktG Rn. 267. 241 Vgl. Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 15. 242 Vgl. MüKoAktG/Spindler, § 93 AktG Rn. 267 m.w.N. 243 BGH BB 1962, 616. 244 Vgl. Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 15.
II. Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Organmitglied
267
dd) Schiedsvereinbarung über Abberufung von Aufsichtsorganmitgliedern aus wichtigem Grund Bei der Abberufung von Aufsichtsorganmitgliedern ist zu beachten, dass diese regelmäßig nach §§ 103 Abs. 1, 2 AktG (i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO), 29 Abs. 1, 2 SEAG erfolgt und das Mitglied des Aufsichtsorganes nicht die Möglichkeit hat, gegen diese Entscheidungen in sinnvoller Weise vorzugehen. Dementsprechend ist nur zu überprüfen, ob eine Schiedsvereinbarung auch die gerichtliche Abberufung nach § 103 Abs. 3 AktG erfassen kann. Zwar handelt es sich bei dem Verfahren nach § 103 Abs. 3 AktG um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, allerdings sind auf die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die §§ 1025 ff. ZPO analog anzuwenden.245 Hier stellt sich allerdings die Frage, wer die Schiedsvereinbarung mit dem Mitglied des Aufsichtsorgans abschließen kann. Den Antrag nach §§ 103 Abs. 3 S. 1 AktG, 29 Abs. 3 S. 1 SEAG stellt nicht die Gesellschaft vertreten durch das Aufsichtsorgan, sondern das Aufsichtsorgan als Organ246. Das Geschäftsleitungsorgan hat kein Antragsrecht.247 Allerdings ist es grundsätzlich zum Abschluss von Schiedsvereinbarungen mit Mitgliedern der Aufsichtsorgane zuständig.248 Diese Abschlusskompetenz leitet sich jedoch aus seiner gerichtlichen Vertretungskompetenz ab, die ihm bei einem Abberufungsverfahren aus wichtigem Grund jedoch nicht zukommt. Daher ist es nur konsequent, dem Geschäftsleitungsorgan für dieses Verfahren keine Vertretungsbefugnis zuzusprechen. Eine zwischen dem Mitglied des Aufsichtsorgans und der Gesellschaft, vertreten durch das Geschäftsleitungsorgan, geschlossene Schiedsvereinbarung erstreckt sich demnach nicht auf das Abberufungsverfahren nach § 103 Abs. 3 S. 1 AktG. Eine entsprechende Schiedsvereinbarung muss dann viel mehr das Aufsichtsorgan mit seinem Mitglied abschließen. Denkbar wäre zwar wohl eine Schiedsabrede (§ 1029 Abs. 2 Alt. 1 ZPO analog) vor Streitbeginn, praktisch würde eine solche Schiedsabrede aber eher nach Aufkommen eines wichtigen Grundes abgeschlossen werden. Wird eine solche Schiedsvereinbarung zwischen dem Aufsichtsorgan und seinem Mitglied geschlossen, dann ist diese nicht dadurch unwirksam, dass sie die Aktionäre nicht miterfasst. Kommt es allerdings zum Verfahren und bemühen sich die Aktionäre darum, sich beteiligen zu können, dann ist das Aufsichtsorgan und das angegriffene Mitglied auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht dazu verpflichtet, die Schiedsvereinbarung auf diese Aktionäre zu erweitern.249 Die Satzungsstrenge schlägt nicht auf die vertragliche Ebene durch. 245
Vgl. zum Ganzen C.II.1.c)ii), S. 103. Vgl. Hoffmann/Kirchhoff, FS Beusch (1993), 377; KK/Mertens/Cahn, § 103 AktG Rn. 28. 247 K. Schmidt/Lutter/Drygala, § 103 AktG Rn. 13; KK/Mertens/Cahn, § 103 AktG Rn. 29 (für den Vorstand). 248 Vgl. E.II.1.a), S. 231. 249 Vgl. bereits E.II.2.c)bb), S. 264. 246
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
Wenn die Aktionäre nach §§ 103 Abs. 3 S. 3 AktG (i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO), 29 Abs. 3 S. 3 SEAG gegen ein Mitglied des Aufsichtsorgans klagen, ist es nur konsequent, dass diese in gleicher Weise wie das Aufsichtsorgan die Schiedsvereinbarung selbst abschließen. Wenn sich mehrere Aktionäre zusammentun, wäre dies sowohl in Gestalt einer Mehrpersonenschiedsvereinbarung als auch in Gestalt einer Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen dem Mitglied des Aufsichtsorganes und der Aktionäre in Gestalt einer Außen-GbR250 denkbar. Im letzteren Fall muss dann die Vereinbarung mit der GbR geschlossen werden. d) Ergebnis Eine Schiedsvereinbarung zwischen Organmitgliedern und ihrer Kapitalgesellschaft kann folglich erfassen: – alle anstellungsvertraglichen Streitigkeiten. – Klagen über organschaftliche Ersatzansprüche und „Entlastungsklagen“, inklusive § 93 Abs. 5 S. 1 AktG; in AG und SE aber nur soweit über die Streitigkeiten kein Klagezulassungsverfahren eröffnet wurde. – Vergütungs- und Auslagenersatzansprüche der Mitglieder des Aufsichtsrates. – Informationsansprüche nach §§ 90 Abs. 3 S. 2, Abs. 5 S. 1, 125 Abs. 4, 170 Abs. 3 AktG. – Klagen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abberufung eines Vorstandsoder Leitungsorganmitglieds sowie eines geschäftsführenden Direktors, die nicht auf Wiedereinsetzung gerichtet sind. Bestimmte organschaftliche Streitigkeiten können jedoch nicht erfasst werden: – Informationsanspruch nach § 90 Abs. 3 S. 1 AktG (Ausnahme: alle Mitglieder des Vorstandes sind an eine gleichartige Schiedsvereinbarung gebunden), – Abberufung von Geschäftsführern, geschäftsführenden Direktoren und Leitungsorganmitgliedern, – Streitigkeiten über Gesellschafter- oder Organbeschlüsse. Die Abberufung eines Mitglieds eines Aufsichtsorgans nach §§ 103 Abs. 3 AktG, 29 Abs. 3 SEAG kann Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein, in diesem Fall muss die Schiedsvereinbarung aber entweder mit den Aktionären oder mit dem Aufsichtsorgan selbst geschlossen werden, nicht mit der Gesellschaft.
250 Vgl. MüKoAktG/Schröer, § 148 AktG Rn. 54; K. Schmidt/Lutter/Spindler, § 148 AktG Rn. 12 zur insoweit vergleichbaren Konstruktion zur Erreichung eines Quorums nach § 148 Abs. 1 S. 1 AktG.
III. Mehrparteienschiedsvereinbarungen
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III. Mehrparteienschiedsvereinbarungen Eine Schiedsvereinbarung allein zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied kann folglich nicht alle Streitigkeiten erfassen, in denen das Organmitglied als Partei auftreten kann, da es sich bei diesen zwingend um Mehrparteienverfahren handelt. Bei den Beschlussmängelstreitigkeiten und den Streitigkeiten über die Abberufung von Geschäftsleitern handelt es sich sogar dann um „Mehrparteienverfahren“, wenn der tatsächliche Prozess nur zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied geführt wird, da ein solches Urteil unter analoger Anwendung des § 248 AktG auch für die nicht am Verfahren beteiligten Gesellschafter und Organmitglieder Rechtskraft entfalten kann. Entsprechend der „Schiedsfähigkeit II“Rechtsprechung des BGH kann eine solche Rechtskrafterstreckung nur legitimiert sein, wenn (neben anderen Voraussetzungen) die dem Schiedsverfahren zugrunde liegende Schiedsgrundlage alle Parteien erfasst, auf die sich die Rechtskraft erstrecken soll.251 Dazu gehören nach hier vertretener Ansicht auch die Organmitglieder.252 Zweipersonenschiedsvereinbarungen entfalten als Folge des Grundsatzes der Relativität von Vertragswirkungen grundsätzlich253 nur Wirkung zwischen den Parteien.254 Wenn es also an einer statutarischen Schiedsklausel fehlt, dann kann diese Allbindung von Gesellschaft, Gesellschaftern und Organmitgliedern nur durch den Abschluss einer Mehrpersonenschiedsvereinbarung erreicht werden. Das Gesetz enthält jedoch keine Regelungen über die Mehrpersonenschiedsvereinbarungen im Speziellen oder Mehrpersonenschiedsverfahren im Allgemeinen. Dies war eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, der die Entwicklungen der Rechtsprechung in dieser komplexen Materie nicht behindern wollte.255 Dass solche Mehrparteienschiedsvereinbarungen zulässig sind, ist unbestritten.256 Eine dogmatische Konstruktion des Vertragsschlusses hat indes noch niemand bemüht,257 wohl in der Annahme, dass die allgemeinen Grundsätze der Zweipersonenschiedsvereinbarung auf den Abschluss unmittelbar übertragbar sind. Führt man sich jedoch die nicht ganz unproblematische Abschlusssituation mehrseitiger Verträge im Allgemeinen vor Augen und bedenkt man, dass die Situation im Gesellschaftsrecht, in der unter251 Vgl. C.II.1.b)cc)(2)(d)(aa), S. 59 (Darlegung von „Schiedsfähigkeit II“) und C.II.1.b) cc)(2)(e)(a), S. 72 (Modifikation der Rechtsprechungskriterien im Hinblick auf Organmitglieder). 252 C.II.1.b)cc)(2)(e), S. 65. 253 Zu Ausnahmen vgl. bereits Nachweise in Kap. D. Fn. 57. 254 Massuras, Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit, 260; vgl. auch Wieczorek/Schütze/ Schütze, § 1029 ZPO Rn. 35; Schwab/Walter, Kap. 7 Rn. 22. 255 BT-Drucks. 13/5274, 26. 256 Vgl. Diesselhorst, Mehrparteienschiedsverfahren, 55; Zöller/Geimer, § 1029 ZPO Rn. 42; Massuras, Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit, 297; MüKoZPO/Münch, § 1029 ZPO Rn. 55 ff.; Musielak/Voit/Voit, § 1029 ZPO Rn. 7 a.E. 257 Dieses Thema wurde etwa ausgelassen in Diesselhorst, Mehrparteienschiedsverfahren; Markfort, Mehrparteien-Schiedsgerichtsbarkeit; Massuras, Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen.
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
schiedliche Organe mit unterschiedlicher Vertretungsbefugnis interagieren, diese nicht gerade vereinfachen kann, so ist eine Auseinandersetzung mit dieser Frage geboten. Daher werden im Folgenden die Kriterien für den Abschluss mehrseitiger Schiedsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht entwickelt (1.) und im Anschluss überprüft, welche Streitigkeiten eine auf diese Weise abgeschlossene Schiedsvereinbarung erfassen kann (2.). 1. Abschluss mehrseitiger Schiedsvereinbarungen a) Entwicklung der Grundsätze am Beispiel der GmbH Ein Grund für das Schweigen der schiedsrechtlichen Literatur zu Fragen des Abschlusses von Mehrparteienschiedsvereinbarungen mag sein, dass in praktischer Hinsicht der Abschluss derselben kein besonders komplexer Vorgang ist: Wollen mehrere Personen sich an eine mehrseitige Schiedsvereinbarung binden, dann wird einfach ein entsprechend ausgestaltetes Dokument von allen Personen unterschrieben und man geht davon aus, dass der Vertrag wirksam geschlossen wurde. Eine Auseinandersetzung mit dem, was in diesem Augenblick rechtlich geschieht, bedarf es solange nicht, wie keine Partei Zweifel an der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung äußert. Es gilt dann der alte Grundsatz: Wo kein Kläger, da kein Richter. Nur, wie verhält es sich in Situationen, in denen der Vertragsschluss nicht durch alle Parteien zur gleichen Zeit am gleichen Ort und durch Unterschrift unter das gleiche Dokument stattfindet? Man stelle sich folgenden Fall vor: G ist Geschäftsführer der AB-GmbH mit den Gesellschaftern A und B. G schickt an A und B jeweils einen Entwurf einer Schiedsvereinbarung über etwaige gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten mit Bitte um Zustimmung. A und B schicken ihre Dokumententwürfe jeweils unterschrieben an G zurück.258
Allein anhand dieses Beispiels lassen sich bereits erhebliche Probleme für den Abschluss ausmachen. Ist jetzt eine wirksame Mehrpersonenschiedsvereinbarung zustande gekommen? Sind A und B auch im Verhältnis zueinander an die Schiedsvereinbarung gebunden? Ist G an die Schiedsvereinbarung gebunden? Ist die AB-GmbH gebunden? Lässt man allein die Frage der richtigen Form für einen Augenblick außer Acht, dann ist bereits die materielle Einigung über eine Mehrpersonenschiedsvereinbarung nur schwerlich zweifelsfrei festzustellen. G hat zwar als Vertreter der AB-GmbH gem. § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG Erklärungen gegenüber A und B abgegeben und diese haben auch Erklärungen gegenüber der AB-GmbH abgegeben, indem sie ihre unterschriebenen Entwürfe an den Empfangsvertreter G schickten. Nur haben A und B untereinander keine Erklärung abgegeben. Zudem G hat hier zwar als Vertreter der GmbH gehandelt. Aber ist er auch selbst an die Schiedsvereinbarung gebunden, 258
Beispiel abgewandelt nach Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, 147.
III. Mehrparteienschiedsvereinbarungen
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wenn keine Erklärung durch die Gesellschafterversammlung (die eigentlich für Schiedsvereinbarungen mit Geschäftsführern zuständig ist259) vorliegt? aa) Grundsätzliches Dass sich bis dato niemand mit den Feinheiten des Abschlusses mehrseitiger Schiedsvereinbarungen auseinandergesetzt hat, mag daran liegen, dass die rechtswissenschaftliche Literatur sich überhaupt nur sehr begrenzt mit dem Abschluss mehrseitiger Verträge auseinandergesetzt hat. Mit den Werken von Zwanzger und Luber lassen sich gerade einmal zwei Arbeiten finden, die sich vertieft mit der Frage auseinandersetzen.260 Eine umfangreiche Herleitung der rechtsgeschäftlichen Grundsätze beim Abschluss von mehrseitigen Verträgen, wie sie von Zwangzer und Luber vorgenommen wurde, kann und soll diese Arbeit nicht leisten. Im Folgenden sollen daher nur die dort gefundenen Ergebnisse in Kürze gegenübergestellt werden. Luber geht davon aus, dass bei einem mehrseitigen Vertragsschluss jede Partei nur eine Willenserklärung abgibt, die an alle Vertragsparteien gerichtet ist.261 Nach Zwanzger kommt ein mehrseitiger Vertrag hingegen richtigerweise dadurch zustande, dass jede Vertragspartei mehrere Willenserklärungen abgibt, die jeweils an jeden Vertragspartner einzeln gerichtet sind.262 Das Argument Lubers, eine solche Handhabung, die etwa beim dreiseitigen Vertrag zum Erfordernis von sechs Willenserklärungen führt, sei lebensfremd,263 überzeugt nicht. Nur eine einzelne Willenserklärung mit nur einem einzelnen Empfänger ist in der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre systemkonform. Schon die eminent wichtige Frage, auf welchen Zeitpunkt es für das Wirksamwerden der Willenserklärung ankommt, kann die Auffassung Lubers indes nicht zufriedenstellend beantworten: Käme es auf den Zeitpunkt des ersten Zugangs an, dann wäre die Willenserklärung schon ohne Kenntnis des zweiten Adressaten für diesen gültig; käme es auf den Zeitpunkt des letzten Zugangs beim letzten Adressaten an, dann kann kein Adressat sicher wissen, ob und wann ihm gegenüber eine wirksame Willenserklärung vorliegt, weil er die anderen Zugangsdaten nicht zwingend kennt.264 Daher kann nur eine Konstruktion mit mehreren grundsätzlich zugangsbedürftigen Willenserklärungen überzeugen.
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Vgl. E.II.1.a), S. 231. Vgl. Luber, Der mehrseitige Austauschvertrag, 34 ff.; Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, 133 ff.; vgl. auch Klimke, Vertragsübernahme, 95 ff.; knapp hingegen Bork, BGB AT, Rn. 432 ff. 261 Vgl. Luber, Der mehrseitige Austauschvertrag, 35, 41, 44; vgl. auch Klimke, Vertragsübernahme, 96. 262 Vgl. Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, 143 ff. 263 Vgl. Luber, Der mehrseitige Austauschvertrag, 44. 264 Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, 139 ff., mit weiteren Argumenten. 260
272
E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
Zeitigen diese Erwägungen bereits Erkenntnisse zu dem obigen Fall? Man könnte auf die Idee kommen, dass es schon deshalb nicht zu einem mehrseitigen Vertragsschluss gekommen sei, weil seitens von A und B mit den Unterschriften nur Willenserklärungen vorliegen, die an die GmbH gerichtet sind. Man darf allerdings nicht den Fehler machen, das Erklärungszeichen (Unterschrift) mit der Willenserklärung zu verwechseln. Das Erklärungszeichen ist eine Tatsache, die für den äußeren Tatbestand der Willenserklärung und deren Wirksamwerden (durch Zugang) von Bedeutung ist.265 Die Willenserklärung hingegen ist ein Rechtsgebilde, das nicht mit dem Erklärungszeichen identisch ist, sondern dieses – aber nicht nur dieses – voraussetzt.266 Da das Erklärungszeichen und die Willenserklärung nicht identisch sind, gibt es auch keine notwendige Korrelation zwischen der Erklärungszeichen und der Zahl der damit abgegebenen Willenserklärungen.267 Mithin kann auch die jeweils einzelne Unterschrift von A und B sowohl eine Willenserklärung gegenüber der GmbH als auch gegenüber G und dem jeweils anderen Gesellschafter sein. Problematisch ist viel mehr, ob diese Willenserklärungen auch wirksam geworden sind. Gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Eine Willenserklärung ist zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass unter normalen Umständen mit Kenntnisnahme zu rechnen ist.268 Soweit mit der Unterschrift Willenserklärungen gerichtet an die AB-GmbH und an G abgegeben wurden, sind diese natürlich durch den Eingang bei G als Geschäftsführer der AB-GmbH269 zugegangen. Ein Gelangen in den Machtbereich von A und B liegt indes nicht vor. Zwar könnte man konkret für GmbH-Gesellschafter auf die Idee kommen, den Geschäftsführer als einen Empfangsboten270 einzuordnen. Empfangsbote ist, wer vom Erklärungsempfänger zur Entgegennahme von Erklärungen ermächtigt ist.271 Diese Ermächtigung kann sich auch aus der Verkehrsanschauung ergeben272, jedenfalls ist aber erforderlich, dass die Empfangsperson dem Herrschaftsbereich des Empfängers
265
Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, 137. Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, 137 f. 267 Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, 138. 268 AllgM., BGH NJW-RR 2011, 1184, 1185; Bork, BGB AT, Rn. 619; Jauernig/Mansel, § 130 BGB Rn. 4. 269 Willenserklärungen gehen der GmbH über ihren Geschäftsführer zu, vgl. BGH NJW 2003, 2370. 270 Einer Einordnung als Empfangsvertreter steht bereits entgegen, dass ein solcher zur Annahme von Willenserklärungen in Gestalt einer passiven Vertretungsmacht bevollmächtigt wurde, vgl. MüKoBGB/Einsele, § 130 BGB Rn. 27. Ein Geschäftsführer ist zwar gem. § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG gesetzlicher Vertreter der GmbH, eine Vertretungsmacht für die Gesellschafter hat er aber nicht. 271 MüKoBGB/Einsele, § 130 BGB Rn. 25; Wolf/Neuner, BGB AT § 33 Rn. 45. 272 Vgl. Wolf/Neuner, BGB AT § 33 Rn. 45. 266
III. Mehrparteienschiedsvereinbarungen
273
zuzurechnen ist273. Den Geschäftsführer pauschal als einen solchen „personifizierten Briefkasten“ der Gesellschafter zu betrachten, wird seiner Rolle nicht gerecht, da er diesen gegenüber individuell nicht weisungsgebunden ist. Seine Funktion liegt darin, der Gesellschaft zu dienen, und nicht jedem Gesellschafter einzeln zuzuarbeiten. Ausnahmen können aber je nach Personalisierungsgrad der GmbH angenommen werden. Nimmt man für diesen Beispielfall an, dass der GmbH-Geschäftsführer nicht als Empfangsbote zu klassifizieren ist, dann sind die Willenserklärungen auch nicht zugegangen. Ohne Zugang wird eine Willenserklärung aber grundsätzlich nicht wirksam. Ausnahmen vom Erfordernis des Zugangs sehen allerdings die §§ 151, 152 BGB274 vor. Eine direkte Anwendung der §§ 151, 152 BGB ist für mehrseitige Verträge jedoch ausgeschlossen, da diese allein von einem zweiseitigen Vertragsschluss mit Angebot und Annahme ausgehen.275 Beide Normen sprechen vom Zustandekommen des Vertrages durch die zugangslose Annahme, beim mehrseitigen Vertrag genügt die reagierende Willenserklärung alleine aber noch nicht aus.276 Eine entsprechende Anwendung der §§ 151, 152 BGB kann jedoch grundsätzlich vorgenommen werden.277 In beiden Fällen ist die Anwendung aber auf die „reagierende“ Willenserklärung ergänzt: Die Willenserklärungen, die beim mehrseitigen Vertragsschluss nach diesen Kriterien der Annahmeerklärung im Sinne der §§ 151, 152 BGB entsprechen, sind die „reagierenden“ Willenserklärung einer Vertragspartei auf die „initiierende“ Vertragspartei.278 Die „reagierenden“ Willenserklärungen im Beispielfall sind die Willenserklärungen, welche A und B auf die Erklärung der „initiierenden“ (von G vertretenen) AB-GmbH abgeben. Die zwischen A und B abgegebene Willenserklärung stellt jedoch keine „reagierende“ Willenserklärung dar.279 Bei ihr kann nicht auf den Zugang verzichtet werden. Zusammenfassend setzt der Abschluss einer Mehrpersonenschiedsvereinbarung also voraus: Willenserklärungen von jeder Partei der Schiedsvereinbarung an jede andere Partei der Schiedsvereinbarung, diese Willenserklärungen können in einem einzelnen Erklärungszeichen zusammenfallen; Zugang aller Willenserklärungen, wobei ein Verzicht auf den Zugang der Willenserklärungen nur bei „reagierenden“ Willenserklärungen greift.280 Je mehr Gesellschafter und Geschäftsführer die GmbH 273
Vgl. Bork, BGB AT, Rn. 622. Auch nach § 156 S. 1 BGB ist kein Zugang notwendig, aber eine solche Situation kommt bei mehrseitigen Verträgen nicht vor, vgl. Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, 168. 275 Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, 168 f. 276 Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, 169. 277 Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, 169 ff. 278 Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, 170. 279 Ähnliches Beispiel bei Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, 170. 280 Ein weiteres Problem, dem Zwanzger einige Seiten widmet, ist die Bindungswirkung der Willenserklärung, also die Frage, wie lange ein Erklärender nach der Abgabe einer Willenserklärung gerichtet auf den Abschluss eines mehrseitigen Vertrages an diese gebunden ist, vgl. Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, 145 ff. Dieses Problem wurde hier ausgeklammert, weil es 274
274
E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
hat, desto mehr Willenserklärungen müssen auch abgegeben werden. Die Anzahl der zum Abschluss von mehrseitigen Verträgen notwendigen Willenserklärungen ist n*(n-1) wobei n die Zahl der Vertragsparteien ist.281 Bei einer Mehrpersonenschiedsvereinbarung im Gesellschaftsrecht ist n entsprechend die Gesellschaft plus die Zahl der Gesellschafter plus die Zahl der Organmitglieder. bb) Zurechnung zur GmbH Der Abschluss einer Schiedsvereinbarung setzt also eine ganze Reihe von Willenserklärungen voraus. Verkompliziert wird dies bei der GmbH natürlich noch dadurch, dass diese als juristische Person nicht selbst handlungsfähig ist, sondern durch ihre Organe vertreten werden muss. Die auf den Abschluss einer Schiedsvereinbarung gerichteten Willenserklärungen müssen also der Gesellschaft zugerechnet werden. Noch verhältnismäßig einfach stellt es sich dar, wenn die Schiedsvereinbarung nur zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern abgeschlossen werden soll. Die Gesellschaft gibt dann ihre Willenserklärungen gem. § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG vertreten durch ihren Geschäftsführer282 ab.283 Dieser kann zur Abgabe dieser Willenserklärungen namens der Gesellschaft auch durch eine Weisung der Gesellschaftsversammlung verpflichtet werden. Der Empfangsvertreter der GmbH ist der Geschäftsführer, also gehen an die Gesellschaft gerichtete Willenserklärungen auch ihm zu. Daneben muss aber noch gewährleistet werden, dass die Willenserklärungen der Gesellschafter auch untereinander zugehen. Das kann auf unterschiedlichem Wege geschehen. Deutlich komplexer wird es allerdings, wenn auch die Person, die das Amt des Geschäftsführers innehat, Partei der Schiedsvereinbarung sein muss. Das ist nach keine gesellschafts- oder schiedsrechtlichen Besonderheiten aufweist und daher in vollem Umfang auf Zwanzgers Ausführungen verwiesen werden kann. 281 Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, 143. 282 Dies könnte man mit dem Argument bestreiten, dass es sich beim Abschluss der Schiedsvereinbarung um ein mitgliedschaftsbezogenes Geschäft handelt, für dessen Abschluss der Geschäftsführer nicht zuständig sei, vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 35 GmbHG Rn. 47; MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, § 35 GmbHG Rn. 98; Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack, § 35 GmbHG Rn. 92. Die Vertretungsbefugnis zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung leitet sich jedoch nicht aus der Befugnis zur Vertretung beim Abschluss gesellschaftsrechtlicher oder schuldrechtlicher Verträge ab, sondern aus der Befugnis zur prozessualen Vertretung, vgl. E.II.1.a), S. 231. Im Prozess, auch gegen die Gesellschafter, wird die GmbH grundsätzlich vom Geschäftsführer vertreten. Ausnahmen gelten insoweit in bestimmten Haftungsprozessen, bei denen gem. § 46 Nr. 8 GmbHG (analog) die Gesellschaftsversammlung zuständig ist, vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 46 GmbHG Rn. 103, 122. In Beschlussmängelklagen hingegen, für die Mehrparteienschiedsvereinbarungen grundsätzlich relevant sind, findet die Prozessvertretung durch den Geschäftsführer statt, vgl. Ulmer/ Habersack/Löbbe/Raiser, Anh. § 47 GmbHG Rn. 218. 283 Vgl. Goette, GWR 2009, 103, 104; Nietsch, ZIP 2009, 2269, 2272.
III. Mehrparteienschiedsvereinbarungen
275
hier vertretener Ansicht insbesondere bei Mehrpersonenschiedsvereinbarungen über Beschlussmängelstreitigkeiten der Fall.284 Damit ein Organmitglied von einer Schiedsvereinbarung erfasst wird, genügt es nicht, dass die Gesellschaft Partei der Schiedsvereinbarung ist. Eine andere Ansicht hat zwar das OLG München in einem Urteil aus dem Jahr 1997 vertreten; danach soll eine mit einer juristischen Person abgeschlossene Schiedsvereinbarung auch gegen deren Organmitglieder wirken, wenn diese beim Abschluss der Abrede beteiligt waren.285 Diese Ansicht wurde jedoch von nahezu der gesamten Literatur286 zu Recht abgelehnt. Denn sie missachtet die Rechtsnatur juristischer Personen287 und steht im Widerspruch zu den Prinzipien der gesetzlichen Vertretung288. Zum Teil wird vertreten, dass eine Zustimmung des Organmitglieds nur notwendig sei, wenn es an die Schiedsvereinbarung „auch als Privatperson“ gebunden sein soll, während Organmitglieder „in ihrer Eigenschaft als solche“ schon dann an eine Schiedsvereinbarung gebunden sein, wenn diese für die Gesellschaft verbindlich sind.289 Anders als das Organ, also der innergesellschaftlichen Zuständigkeitskomplex selbst, sind die Organmitglieder nicht mit der Gesellschaft identisch, sondern von ihr unabhängige Rechtssubjekte, die nur in einer korporationsrechtlichen Beziehung zur Gesellschaft stehen.290 Als von der Gesellschaft zu trennende Personen können sie von der Gesellschaft nicht einfach mitgebunden werden. Auch dies würde der Rechtsnatur juristischer Personen widersprechen. Die Bindung eines Organmitglieds an eine mit der Gesellschaft abgeschlossenen Schiedsvereinbarung setzt also eine eigene Willenserklärung des Organmitglieds voraus. Allein bei dem oben geschilderten Ausgangsfall einer GmbH mit zwei Gesellschaftern und einem Geschäftsführer bedarf es insgesamt zwölf Willenserklärungen, jeweils von jeder Person (A, B, G und AB-GmbH) an jeweils jede andere Person.
284
Vgl. C.II.1.b)cc)(2)(e), S. 65. Vgl. OLG München NJW-RR 1998, 198, 199; zust. OLG Bremen, Beschluss vom 10. 11. 2005 – 2 Sch 2/2005, BeckRS 2005, 32835; teilweise zust. Thomas/Putzo/Seiler, § 1029 ZPO Rn. 14; vgl. auch Heskamp, RNotZ 2012, 415, 419 f. 286 Vgl. Benedict/Gehle/U. Schmidt, in: MünchHdbGesR Bd. 7, § 144 Rn. 29; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 506; Müller/Keilmann, SchiedsVZ 2007, 113, 116; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen. 203; Schwab/Walter, Kap. 7 Rn. 35; Musielak/Voit/Voit, § 1029 ZPO Rn. 8. 287 Vgl. Müller/Keilmann, SchiedsVZ 2007, 113, 116. 288 Vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 506; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 203. 289 Heskamp, RNotZ 2012, 415, 419 f. 290 Vgl. A.III.3., S. 23. 285
276
E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
A
G
B
AB-GmbH
Von diesen zwölf Willenserklärungen sind drei immer vertretungsbedürftig, und zwar die der GmbH gegenüber A, B und G. Gegenüber A und B wird die GmbH beim Vertragsschluss durch G vertreten. Gegenüber G wird die GmbH allerdings gem. § 46 Abs. 8 GmbHG durch die Gesellschafterversammlung vertreten.291 Das bedeutet, dass A und B erst einen Beschluss über die Abgabe einer Willenserklärung im Namen der GmbH fassen müssen. Erst danach kann die GmbH gegenüber G eine auf Abschluss einer Schiedsvereinbarung gerichtete Willenserklärung abgeben. Die reagierende Willenserklärung des G muss der Gesellschaft grundsätzlich auch zugehen. G ist selbst in dieser Sache nicht Aktivvertreter der GmbH, dementsprechend auch nicht Passivvertreter. Der Zugang seiner Willenserklärung gegenüber der GmbH tritt entsprechend § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG dann ein, wenn die an die GmbH gerichtete Willenserklärung des G A oder B zugeht. Dies kann mit dem Zugang der Willenserklärungen zusammenfallen, die G als Vertreter der GmbH gegenüber A und B abgeben muss. Hat die Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer die Weisung292 erteilt, den Gesellschaftern gegenüber eine Willenserklärung auf Abschluss einer Schiedsvereinbarung abzugeben, dann kann aus dem daraufhin gesetzten Erklärungszeichen keine Willenserklärung des Geschäftsführers in eigener Sache gesehen werden. Da der Geschäftsführer verpflichtet ist, das Erklärungszeichen namens der GmbH zu setzen, kann dieses Erklärungszeichen zwar als Willenserklärung der Gesellschaft ausgelegt werden. Wegen der Verpflichtung kann das Erklärungszeichen aber nicht nach dem Empfängerhorizont der Gesellschafter als Willenserklärung des Geschäftsführers im eigenen Namen ausgelegt werden – gerade auch deshalb, weil die Gesellschafter auf Grund ihrer eigenen Weisung in der Gesellschafterversammlung wissen, dass der Geschäftsführer zur Abgabe des Erklärungszeichens verpflichtet ist. In diesem Fall müssen Umstände hinzutreten, auf 291
Vgl. E.II.1.a), S. 231. Der Beschluss über die Weisung kann mit dem Beschluss über die Abgabe einer auf Abschluss einer Schiedsvereinbarung gerichteten Willenserklärung einhergehen. Dieser Beschluss kann mit einfacher Mehrheit ergehen, da anders als bei einer statutarischen Schiedsklausel (vgl. dazu D.I.3.c)aa)(1), S. 164) mit dem Beschluss noch kein Eingriff in die Rechte der Gesellschafter verbunden ist. Diese können den Abschluss einer Schiedsvereinbarung verhindern, indem sie ihre eigenen Willenserklärungen unterlassen. 292
III. Mehrparteienschiedsvereinbarungen
277
Grund derer sich ergibt, dass das gesetzte Erklärungszeichen sowohl im fremden als auch im eigenen Namen abgegeben wurde und dementsprechend zwei Willenserklärungen vorliegen. Alternativ können auch zwei Erklärungszeichen gesetzt werden.293 § 181 BGB steht einer solchen Schiedsvereinbarung nicht entgegen. Zwar ist bei einer solchen mehrseitigen Schiedsvereinbarung der Geschäftsführer sowohl im eigenen Namen als auch als Vertreter tätig. Allerdings setzt ein Abschluss einer mehrseitigen Schiedsvereinbarung auch einen Beschluss der Gesellschaftsversammlung gerichtet auf den Abschluss dieses Vertrages voraus. Dadurch ist das Geschäft jedenfalls genehmigt.294 Hat die GmbH mehr als einen Geschäftsführer, dann funktioniert die Zurechnung der Willenserklärungen der Gesellschaft nicht anders. Geschäftsführer haben keine Vertretungsbefugnis für Fälle, in denen die Gesellschafterversammlung zur Vertretung berechtigt ist,295 sodass auch für den Abschluss einer Schiedsvereinbarung mit mehreren Geschäftsführern die Gesellschafterversammlung zuständig ist. cc) Formerfordernis – Anwendbarkeit des § 1031 ZPO Die Anwendung von § 1031 ZPO ist dann schon deutlich weniger komplex. Zwar könnten sich beim Abschluss von Mehrparteienschiedsvereinbarungen im Hinblick auf die Form nach § 1031 Abs. 1 – 3 ZPO Probleme hinsichtlich der Übertragbarkeit auf Mehrpersonenschiedsvereinbarung ergeben296. Schiedsvereinbarungen über Beschlussmängelstreitigkeiten müssen immer zumindest ein Organmitglied als Partei haben, sodass auch Mehrpersonenschiedsvereinbarungen immer dem § 1031 Abs. 5 ZPO unterfallen297. § 1031 Abs. 5 ZPO ist weder vom Wortlaut noch vom Zweck auf zweiseitige Schiedsvereinbarungen begrenzt. Der Zweck, Verbraucher vor versteckten Schiedsvereinbarungen in langen und komplexen Verträgen zu schützen, wiegt bei Vertragsbeziehungen mit mehr Personen sogar umso schwerer, da Hauptverträge in Mehrpersonenbeziehungen regelmäßig noch einmal besonders kompliziert sein dürften. Dementsprechend muss eine Schiedsvereinbarung zwischen der Gesellschaft, dem Gesellschafter und dem Geschäftsführer der Form des § 1031 Abs. 5 ZPO genügen. Daher kann sie nur auf einem von allen Parteien unterschriebenen Dokument enthalten sein, das außer der Schiedsvereinbarung keine besonderen Regeln enthält.
293
Etwa so, dass der Geschäftsführer das Vertragspapier zweimal unterzeichnet. Außerdem wäre § 181 BGB teleologisch zu reduzieren, vgl. dazu E.III.1.b), S. 277. 295 Vgl. Ulmer/Habersack/Löbbe/Paefgen, § 35 GmbHG Rn. 60. 296 Insbesondere § 1031 Abs. 2 ZPO ist eindeutig auf einen zweiseitigen Vertragsschluss ausgelegt, da er von der „der einen Partei“ und „der anderen Partei“ ausgeht. 297 Vgl. E.II.1.b)aa)(1), S. 233. 294
278
E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
b) Übertragung auf AG und SE – § 181 BGB Für den Vertragsschluss bei der AG oder SE ergeben sich keine großen Abweichungen. Hier bedarf es ebenfalls der Zurechnung der Willenserklärungen zur Gesellschaft. Anders als bei der GmbH ist für die Abgabe der Willenserklärungen gegenüber den Organmitgliedern bei den Aktiengesellschaften jedoch nicht die Hauptversammlung zuständig, sondern das jeweils gegenüberstehende Organ298. Gegenüber den Aktionären wird eine AG gem. § 78 AktG vom Vorstand vertreten.299 Die Vertretung einer dualistischen SE richtet sich inhaltlich nach gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c SE-VO ebenso nach § 78 AktG, wobei die SE vom Leitungsorgan vertreten wird.300 Eine monistische SE wird von den geschäftsführenden Direktoren vertreten.301 Anders als bei der GmbH ist allerdings weder bei der AG noch bei der SE ein Beschluss der Hauptversammlung notwendig, da die Vertretung gegenüber den Organmitgliedern von den ihnen entgegengesetzten Organen übernommen werden kann. Bei der GmbH hat der Beschluss der Gesellschafterversammlung, auf dessen Basis die Willenserklärung an den Geschäftsführer abgegeben werden kann, aber auch die Funktion, dass bei den hier besprochenen Fällen immer vorliegende Insichgeschäft nach § 181 BGB zu genehmigen. Grundsätzlich wird zwar angenommen, dass § 181 BGB durch die Kompetenzverlagerung für Vertragsabschlüsse mit Vorstandsmitgliedern auf den Aufsichtsrat in § 112 S. 1 AktG außer in Fällen der Mehrvertretung302 keine Anwendung findet.303 Allerdings ist § 112 S. 1 AktG auf Zweipersonenverträge zugeschnitten und passt nicht auf Mehrpersonenverträge. Wenn die Gesellschaft, die Vorstandsmitglieder, Aufsichtsratsmitglieder und Aktionäre erfasst werden sollen, dann kommt § 112 S. 1 AktG an seine Grenzen. Daher müsste allgemein auf § 181 BGB rekurriert werden. Wie genau eine Genehmigung im Sinne des § 181 BGB bei einer AG vorzunehmen ist, ist nicht eindeutig geklärt;304 allerdings wäre es für diesen konkreten Fall einer mehrseitigen Schiedsvereinbarung wertungswidersprüchlich, wie grundsätzlich angenommen305, auf eine Genehmigung durch den Aufsichtsrat abzustellen. Die Mitglieder des Aufsichtsrates sollen selber Partei sein, für sie liegt also selbst ein Insichgeschäft vor.
298
Vgl. E.II.1.a), S. 231. Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, § 78 AktG Rn. 4. 300 Lutter/Bayer/Schmidt, § 41 Rn. 116; Schwarz, Art. 39 SE-VO Rn. 14; Habersack/ Drinhausen/Verse, Art. 39 SE-VO Rn. 10. 301 Habersack/Drinhausen/Verse, § 41 SEAG Rn. 5. 302 MüKoBGB/Schubert, § 181 BGB Rn. 26: „Eine Mehrvertretung iSv § 181 liegt vor, wenn der Vertreter auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts als Vertreter auftritt.“ 303 AllgM., vgl. Hüffer/Koch, § 78 AktG Rn. 6; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 78 AktG Rn. 8; MüKoAktG/Spindler, § 78 AktG Rn. 116 ff. 304 Näher Hüffer/Koch, § 78 AktG Rn. 7; MüKoAktG/Spindler, § 78 AktG Rn. 124 ff. 305 K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 78 AktG Rn. 8. 299
III. Mehrparteienschiedsvereinbarungen
279
Richtigerweise ist an § 181 BGB direkt anzuknüpfen. Die von § 181 BGB adressierte Interessenkollision306 liegt nicht vor, wenn an dem Rechtsgeschäft ausnahmslos alle Personen beteiligt sind, in deren Interesse der Vertreter tätig werden soll. Der Vorstand führt die Geschicke der Gesellschaft zwar in eigener Verantwortung, aber sein Tätigwerden lässt sich jedenfalls als Interessenwahrnehmung für die Aktionäre deuten. Das Gleiche gilt für die Überwachungspflicht durch den Aufsichtsrat. Die Aktionäre sollen bei einer mehrseitigen Schiedsvereinbarung aber selbst allesamt beteiligt sein. Einen solchen Fall wird der Gesetzgeber bei der Schaffung von § 181 BGB keinesfalls bedacht haben. Somit ist § 181 BGB entsprechend teleologisch zu reduzieren. c) Praktischer Vertragsschluss Nachdem die dogmatische Konstruktion mehrseitiger Schiedsvereinbarungen herausgearbeitet wurde, ist nun zu fragen, nach welchem Modus eine solche praktisch abgeschlossen werden kann. Dabei gilt es, mehrere Situationen zu unterscheiden. Die erste Möglichkeit eines Vertragsschlusses ist bei einer Zusammenkunft aller Vertragsparteien. Man stelle sich einfach vor, alle Gesellschafter und Organmitglieder kommen zusammen und setzen ihre Unterschrift unter denselben Vertragsentwurf. Dies entspricht schon einmal der Form von § 1031 Abs. 5 S. 1 ZPO, der verlangt, dass die Schiedsvereinbarung von allen Parteien unterschrieben wird. Aus Beweisgründen ist es geboten, dass jeder Partei eine von allen Seiten unterschriebene Ausfertigung mitgegeben wird. Formal ist dies jedoch nicht nötig, da § 1031 Abs. 5 S. 1 ZPO nur die Unterschrift auf dem gleichen Dokument, aber nicht die Aushändigung dieses Dokuments an den Verbraucher verlangt. Durch ihre Unterschrift setzen die Beteiligten auch ein Erklärungszeichen, aus dem sich die gesamten Willenserklärungen ergeben, die für den Abschluss notwendig sind.307 Da alle Parteien die sofortige Möglichkeit der Kenntnisnahme haben, tritt Zugang sofort ein.308 Den Vertrag bei Zusammenkunft zu schließen, ist also einfach möglich. Dass auf juristisch-dogmatischer Ebene recht komplexe Vorgänge geschehen, bei denen etliche Willenserklärungen vorausgesetzt sind, heißt nicht zugleich, dass der Vertragsschluss praktisch besonders kompliziert sein muss. Gerade bei einer GmbH ist dieser Weg auch empfehlenswert, da auf diesem Wege der Abschluss mit einem Zusammenkommen der Gesellschafterversammlung kombiniert werden kann. Die Gesellschafterversammlung muss ohnehin ein Beschluss über die Vertretung gegenüber den Geschäftsführern fassen, sodass dieser Weg der effizienteste ist. Na306
Vgl. MüKoBGB/Schubert, § 181 BGB Rn. 2 m.w.N. Zur Erinnerung: Wird die Geschäftsführung auf Weisung tätig, empfiehlt es sich, dass die Geschäftsführer kenntlich machen, dass sie sowohl in eigenem als auch im fremden Namen handeln. 308 Zum Zugang unter Anwesenden bei Schriftstücken vgl. Wolf/Neuner, BGB AT, § 33 Rn. 35. 307
280
E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
türlich bietet sich auch die Hauptversammlung der AG oder SE an, da bei dieser die Aktionäre zusammenkommen. Gerade bei Hauptversammlungen ist es jedoch eher Ausnahme als Regel, dass alle Aktionäre oder ihre Vertreter tatsächlich anwesend sind. Wird der Vertrag durch sukzessive Unterschrift der Parteien geschlossen, dann ist genau zu prüfen, ob die Willenserklärungen allesamt zugegangen sind. Das kann in unterschiedlichen Situation vorkommen: Gesellschafter, die bei der ursprünglichen Vertragsunterzeichnung dabei waren, holen die Unterschrift zu einem späteren Zeitpunkt nach; die Schiedsvereinbarung wird von den Organmitgliedern erstellt und dann an die Gesellschafter im Umlaufverfahren verschickt, in dem jeder Gesellschafter das mit seiner Unterschrift versehene Dokument an den nächsten Gesellschafter weiterschickt; die von den Organmitgliedern entworfene Schiedsvereinbarung wird am Sitz der Gesellschaft ausgelegt, sodass alle Gesellschafter nacheinander die Möglichkeit haben, die Schiedsvereinbarung zu unterschreiben. In all diesen Varianten besteht das Problem, dass den Gesellschaftern die sukzessiv abgegebenen Willenserklärungen nicht direkt zugehen. Sind die Gesellschafter nicht anwesend, haben sie keine Möglichkeit der Kenntnisnahme hinsichtlich der zeitlich nachfolgenden Schiedsvereinbarungen. Denkbar wäre es aber, dass die Schiedsvereinbarung eine Klausel enthält, nach welcher die Parteien auf den Zugang der Willenserklärungen der ihnen nachfolgenden Parteien gem. § 151 S. 1 Alt. 2 BGB verzichten. Da jede nachfolgende Willenserklärung, soweit sie an eine Partei gerichtet sind, die bereits unterschrieben hat, nur eine „reagierende“ Willenserklärung ist, kann auf den Zugang derselben verzichtet werden. Alternativ wäre es denkbar, dass die Parteien die zuletzt unterzeichnende Partei oder alternativ die Gesellschaft durch eine Klausel zur Empfangsvertretung ermächtigen.309 Wird eine solche Ausgestaltung vorgenommen, ist aber wegen § 1031 Abs. 5 ZPO darauf zu achten, dass zwischen diesen Erklärungen und der Schiedsvereinbarung wenigstens eine räumliche Trennung besteht, da sonst die Schiedsvereinbarung formunwirksam wäre.310 Pauschal zu argumentieren, dass bei Umlaufverfahren (oder vergleichbaren Verfahren) nach der Verkehrssitte gem. § 151 S. 1 Alt. 1 BGB kein Zugang erforderlich sei311, kann indes nicht überzeugen. Ob eine Verkehrssitte vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls. Es ist 309 Eine Erteilung der Empfangsbotenschaft brächte ihre eigenen Probleme mit, da auch nach dieser für den Zugang der Willenserklärung die Möglichkeit der Kenntnisnahme vorausgesetzt ist, vgl. Bork, BGB AT, Rn. 622. 310 Für die Wahrung des § 1031 Abs. 5 ZPO genügt es, wenn die Abrede mit anderen Vereinbarungen zwar auf demselben Blatt, aber räumlich deutlich getrennt getroffen und gesondert unterschrieben wird, vgl. MüKoZPO/Münch, § 1031 ZPO Rn. 59; Hk-ZPO/I. Saenger, § 1031 ZPO Rn. 13; Musielak/Voit/Voit, § 1031 ZPO Rn. 11; zum alten Recht BGHZ 38, 155, 165; krit. Mäsch, FS Schlosser (2005), 529, 531. 311 In diese Richtung LAG Köln, Urteil vom 04. 12. 2014, 7 Sa 681/14, BeckRS 2015 70901: „Zwar kommt ein Vertrag, der, wie gemäß § 1 Abs. 2 TVG ein Tarifvertrag, der Schriftform unterliegt, im sog. Umlaufverfahren erst dann zustande, wenn die Annahme des Angebots der zuerst unterschreibenden Partei durch die Unterschrift der zuletzt unterschreibenden Partei der ersten Partei wieder zugegangen ist, § 151 BGB.“
III. Mehrparteienschiedsvereinbarungen
281
zu fragen, ob bei einem Geschäft dieser Art unter vergleichbaren Umständen üblicherweise auf eine Annahmeerklärung gerade dem Antragenden gegenüber verzichtet wird.312 Bei Verträgen mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung wird der Zugang der Annahmeerklärung in der Regel regelmäßig nicht entbehrlich sein.313 Der Abschluss einer Schiedsvereinbarung selbst hat keine erhebliche, wirtschaftliche Bedeutung, weil mit ihr keine irgendwie gearteten Verpflichtungen einhergehen. Allerdings hat sie eine erhebliche Bedeutung für die prozessuale Geltendmachung von Rechten, denen wiederum eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zukommen kann. Insoweit kommt einer Schiedsvereinbarung durch die Umstrukturierung des prozessualen Gepräges jedenfalls eine wirtschaftliche Bedeutung zu, was gegen die Annahme einer Verkehrssitte im Sinne des § 151 S. 1 Alt. 1 BGB spricht. Je bedeutender der Vertragsschluss, desto weniger kann von einer Verkehrssitte ausgegangen werden. Zudem spricht der Rechtsgedanke des § 1031 Abs. 5 ZPO gegen die Annahme einer Verkehrssitte. Im Hinblick auf die prozessuale Bedeutung der Schiedsvereinbarung hat der Gesetzgeber nicht umsonst mit § 1031 Abs. 5 ZPO eine Norm geschaffen, durch die ein unerkannter Vertragsschluss verhindert werden soll. Nähme man an, dass im Umlaufverfahren oder auf ähnliche Weise zustande gekommene Schiedsvereinbarungen nach der Verkehrssitte auch ohne Zugang der Willenserklärung wirksam würden, käme es aber gerade zu einem solchen verdeckten Vertragsschluss. Die Erklärenden könnten nicht wissen, wann sie tatsächlich schiedsgebunden sind. Freilich weiß aber jeder Unterzeichner einer Schiedsklausel, die dem § 1031 Abs. 5 ZPO entspricht, dass er vermutlich irgendwann einmal schiedsgebunden sein wird. Zudem hat der Gesetzgeber ausweislich des Schweigens der Gesetzesbegründung314 bei § 1031 Abs. 5 ZPO nicht an die Besonderheiten des Gesellschaftsrechts gedacht. Umlaufverfahren sind hier nicht gänzlich unüblich. In der GmbH können gem. § 48 Abs. 2 GmbHG Gesellschafterbeschlüsse auch ohne Satzungsbestimmung im Umlaufverfahren getätigt werden.315 Man könnte überlegen, ob diese Möglichkeit eine verallgemeinerbare Wertung enthält, die sich auf Schiedsvereinbarungen übertragen ließe. Allerdings lässt sich eine Schiedsvereinbarung nicht mit irgendeinem Gesellschafterbeschluss vergleichen. Sie erfordert die Zustimmung aller Gesellschafter, der Gesellschaft und der Organmitglieder316 und verändert, wie die Gesellschafter ihre Rechte klageweise geltend machen können. Von den Wertungen her ist der Abschluss einer Mehrpersonenschiedsvereinbarung daher nur mit einem Beschluss über eine Satzungsänderung vergleichbar. Ob eine Satzungsänderung überhaupt im Verfahren nach § 48 Abs. 2 GmbHG geschlossen 312 313 314 315 316
Staudinger/Bork, § 151 BGB Rn. 6. Staudinger/Bork, § 151 BGB Rn. 6; vgl. OLG Köln NJW 1990, 1051. BT-Drs. 13/5274. MüKoGmbHG/Liebscher, § 48 GmbHG Rn. 142. Vgl. E.III.1.a)aa), S. 271.
282
E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
werden kann, ist umstritten.317 Problematisch ist dabei nämlich die nach § 53 Abs. 2 GmbHG notwendige notarielle Beurkundung. Zwar spricht einiges dafür, dass auch hier ein Umlaufverfahren theoretisch möglich ist318, seine praktische Umsetzung ist jedoch sehr schwierig zu handhaben und daher unüblich319. Und selbst wenn ein solcher Beschluss im Umlaufverfahren geschlossen würde, verlangt § 54 Abs. 1 S. 1 GmbHG immer noch eine Eintragung ins Handelsregister, wodurch auch die Gesellschafter die Möglichkeit bekommen, den spätesten Eintritt der Wirksamkeit einzusehen. Die Wirksamkeit tritt also gleichzeitig mit einem Publizitätsakt ein. Nähme man an, dass im Umlaufverfahren geschlossene Verträge wegen § 151 Abs. 1 Alt. 1 BGB nicht zugehen müssen, dann fällt das Wirksamwerden mit keiner Publizität zusammen. Die Parteien wären gebunden, bevor und ohne dass ihnen jemals ein unterschriebener Vertrag zukommt. Sinnvoller wäre daher, den Zugang der Willenserklärungen für die Wirksamkeit vorauszusetzen. In der AG320 und SE321 ist die Beschlussfassung der Hauptversammlung im Umlaufverfahren unzulässig. Somit sprechen auch die Wertungen des Gesellschaftsrechts gegen die Annahme einer Verkehrssitte im Sinne des § 151 S. 1 Alt. 1 BGB. Daher kann auf den Zugang der Willenserklärung auch nicht verzichtet werden. Zugang und Wirksamkeit tritt also erst dann ein, wenn den Parteien eine unterschriebene Ausfertigung zukommt. Anders als bei der unter Anwesenden abgeschlossenen Schiedsvereinbarung kommt der unterschriebenen Ausfertigung also in diesem Fall mehr als eine Beweisfunktion zu. Sie ist Wirksamkeitsvoraussetzung. Formal unzulässig ist der Vertragsschluss immer dann, wenn die Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien – wie im Ausgangsbeispiel – auf mehreren Dokumenten zu finden ist. Neben der bereits geschilderten Zugangsproblematik wäre die Schiedsvereinbarung in diesem Fall auch schon wegen Verstoßes gegen § 1031 Abs. 5 S. 1 ZPO nichtig, da kein Dokument vorliegt, auf dem alle Parteien unterschrieben haben. Wenn allerdings auf materieller Ebene ein Vertragsschluss zustande gekommen ist, kann die formale Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung gem. § 1031 Abs. 6 ZPO geheilt werden. Fehlt es allerdings an einem materiellen Vertragsschluss über eine Mehrpersonenschiedsvereinbarung, kann dies nicht gem. § 1040 Abs. 2 ZPO geheilt werden. Das ergibt die folgende Erwägung: § 1040 Abs. 2 317
Dafür etwa: grundlegend Pleyer, GmbHR 1959, 237, 328; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 53 GmbHG Rn. 12; Scholz/Priester, § 53 GmbHG Rn. 66; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 53 GmbHG Rn. 17. Dagegen: BGH NJW 1955, 220; Roth/Altmeppen/Roth, § 53 GmbHG Rn. 17. 318 Da § 53 GmbHG keine Abweichungen enthält, müssen auch bei einer Satzungsänderung beide Wege offen stehen, sofern das Beurkundungserfordernis eingehalten wird, Scholz/ Priester, § 53 GmbHG Rn. 66. 319 Scholz/Priester, § 53 GmbHG Rn. 66. 320 Vgl. Spindler/Stilz/Hoffmann, § 118 AktG Rn. 8; MüKoAktG/Kubis, § 118 AktG Rn. 32. 321 Vgl. MüKoAktG/Kubis, Art. 53 SE-VO Rn. 23; Lutter/Hommelhoff/Teichmann/ Spindler, Art. 53 SE-VO Rn. 15.
III. Mehrparteienschiedsvereinbarungen
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ZPO macht die Unzuständigkeit eines von der Gegenpartei angerufenen Schiedsgerichts rügepflichtig322; verzichtet die Partei daher auf die Rüge, ist das Schiedsgericht zuständig. Fehlt es komplett an einer Schiedsvereinbarung, was bei einer fehlenden Einigung der Fall ist, dann liegt in der Erhebung der Schiedsklage einerseits und der rügelosen Einlassung andererseits der stillschweigend erfolgte Erstabschluss, wenn und weil jenen beiden Akten der Wille entnommen werden kann, eine Schiedsvereinbarung über den betreffenden Streitgegenstand abzuschließen323. Demnach wird durch die fehlende Rüge – jedenfalls dem Grundgedanken nach – eine Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien wirksam. Wenn allerdings die Einigung nur zwischen den Parteien besteht, kann auch nur zwischen ihnen eine Schiedsvereinbarung entstehen. Es liegt also bei einer Streitigkeit zwischen zwei Personen nach § 1040 Abs. 2 ZPO nur Schiedsbindung zwischen den beiden Personen vor. Damit fehlt eine Schiedsvereinbarung mit den anderen Parteien. Alle Schiedsverfahren, die eine Schiedsbindung aller anderen Parteien voraussetzen, können daher nicht auf Basis einer durch § 1040 Abs. 2 ZPO geheilten Schiedsvereinbarung verhandelt werden. Das Formerfordernis bei einer Schiedsvereinbarung macht den Abschluss insgesamt einfacher, da allein schon durch die notwendige Verkörperung der Willenserklärungen dem Vertragsschluss eine Struktur gegeben wird, die beim Abschluss mündlicher mehrseitiger Verträge nicht besteht. Jedenfalls wenn Verbraucher beteiligt sind, sind Mehrparteienschiedsvereinbarungen einfacher abzuschließen als sonstige mehrseitige Verträge, wenn diese mündlich abgeschlossen werden. d) Zwischenergebnis Der Abschluss einer mehrseitigen Schiedsvereinbarung unterscheidet sich dogmatisch in ganz erheblichem Maße von der normalen Schiedsvereinbarung. Die normalen Vertragsschlussregelungen sind nicht auf sie anwendbar. Für den Abschluss bedarf es einer Vielzahl von Willenserklärungen, da jede Partei gegenüber jeder anderen Partei die Zustimmung erklären muss. Diese Erklärungen können jedoch in einem Akt zusammenfallen. Damit eine gesellschaftsrechtliche mehrseitige Schiedsvereinbarung zwischen den Gesellschaftern, der Gesellschaft und den Organmitgliedern wirksam ist, müssen die Willenserklärungen der Gesellschaft zurechenbar sein. Dies ruft wegen der Beteiligung der Organmitglieder alle Organe auf den Plan. In praktischer Hinsicht ist der Abschluss einer Schiedsvereinbarung einfach möglich, wenn alle Beteiligten zur gleichen Zeit am gleichen Ort den Vertrag unterzeichnen. Zu Wirksamkeitsproblemen kann es aber kommen, wenn der Abschluss nicht zur gleichen Zeit oder nicht am gleichen Ort stattfindet, da der Zugang der Willenserklärungen nicht gewährleistet ist. Eine entsprechende Gestaltung des Verfahrens durch Verzicht nach § 151 S. 1 Alt. 1 BGB oder Berufung eines Emp322 323
Stein/Jonas/Schlosser, § 1040 ZPO Rn. 1. MüKoZPO/Münch, § 1040 ZPO Rn. 35.
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
fangsvertreters kann dabei Abhilfe schaffen. Eine mehrseitige Schiedsvereinbarung muss jedenfalls wegen der Beteiligung von Organmitgliedern der Form des § 1031 Abs. 5 ZPO entsprechen.324 2. Erfasste Streitigkeiten und inhaltliche Anforderungen Ist eine Schiedsvereinbarung wirksam mit allen Gesellschaftern, der Gesellschaft und allen Organmitgliedern geschlossen, dann ist damit die erste Voraussetzung erfüllt, die vorliegen muss, damit in einer Schiedsvereinbarung eine analoge Anwendung des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG angeordnet werden kann. Daneben muss die Schiedsvereinbarung für die Anwendbarkeit der § 248 Abs. 1 S. 1 AktG aber auch die sonstigen modifizierten Voraussetzungen der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung des BGH enthalten.325 Von einer solchen Schiedsvereinbarung können dann alle Beschlussmängelstreitigkeiten, sowohl von der Gesellschafter- oder Hauptversammlung als auch von den sonstigen Gesellschaftsorganen erfasst werden. Dazu gehören auch alle Klagen über die Abberufung von Geschäftsleitern; bei der GmbH handelt es sich dabei um eine normale Gesellschafterbeschlussmängelstreitigkeit, in der AG und SE geschieht dies entweder durch eine Feststellung der Nichtigkeit des Aufsichtsorganbeschlusses oder durch Erhebung der Gestaltungsklage nach § 84 Abs. 3 S. 4 AktG, wobei auch diese § 248 Abs. 1 S. 1 AktG unterworfen ist.326
324 Die herausgearbeiteten Ergebnisse zeitigen auch Konsequenzen für Fälle, in denen Organmitglieder an Schiedsvereinbarungen zwischen der Gesellschaft und Dritten gebunden sein sollen. Diese ist nach richtiger Ansicht nur zulässig, wenn sie dazu ihre Zustimmung erklären, vgl. die Nachweise in Kap. E. Fn. 286. Es genügt jedoch nicht, wenn das Organmitglied seine Willenserklärung gegenüber dem Dritten abgibt. Damit eine allseitige Bindung vorliegt, muss es auch zum Austausch von Willenserklärungen zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied kommen. Daran muss dann das für die Abgabe der Willenserklärung gegenüber dem Organmitglied zuständige Organ am Vertragsschluss beteiligt werden. Fehlt es daran, dann besteht keine allseitige Bindung. Es wird im Rahmen der Auslegung der Willenserklärungen zu prüfen sein, ob diese nur auf den Abschluss einer Mehrparteienschiedsvereinbarung gerichtet sein sollte oder eine Schiedsvereinbarung des Organmitglieds allein mit dem Dritten gewollt war. Ist Ersteres der Fall, ist der Vertrag mangels Einigung unwirksam. Ist Letzteres der Fall, dann bestehen zwei voneinander unabhängige (vgl. E.III., S. 269) Zweipersonenschiedsvereinbarungen und zwar zwischen der Gesellschaft und dem Dritten und zwischen dem Organmitglied und dem Dritten. Dabei ist irrelevant, ob die Vereinbarung in nur einem Vertragsstück vorliegt oder in mehreren; die Unterschriften auf dem Vertragspapier sind die Erklärungszeichen, nicht die Willenserklärungen. Unabhängig davon muss die Schiedsvereinbarung der Form des § 1031 Abs. 5 ZPO entsprechen. Organmitglieder sind auch bei Verträgen mit Dritten, die sie für, aber nicht im Namen der Gesellschaft abschließen, als Verbraucher zu klassifizieren, vgl. E.II.1.b)aa)(1)(b), S. 237. Ist die Schiedsvereinbarung also Teil eines größeren Vertragswerkes, ist sie formunwirksam. 325 Vgl. zu diesen C.II.1.b)cc)(2)(e)(cc), S. 75. 326 Vgl. C.II.1.c)hh)(2), S. 100.
III. Mehrparteienschiedsvereinbarungen
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Daneben kann eine solche Schiedsvereinbarung auch alle individuellen Streitigkeiten zwischen den Organmitgliedern und der Gesellschaft erfassen, die auch Gegenstand einer Zweipersonenschiedsvereinbarung sein können – jedenfalls wenn die konkrete Formulierung der Schiedsvereinbarung eine solche Auslegung zulässt. Da in einer Mehrpersonenschiedsvereinbarung auch zwingend die Voraussetzungen einer Zweipersonenschiedsvereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied miterfüllt sind, wäre es eine unnötige Förmelei, den Abschluss einer separaten Zweipersonenschiedsvereinbarung zu verlangen. Konkret für die AG und SE ist dann auch die Beschränkung, die sich aus § 148 Abs. 5 S. 1 AktG i.V.m. § 138 BGB ergibt327, aufgehoben. Wenn alle Aktionäre an die Schiedsvereinbarung gebunden sind, dann kann der Schiedsspruch entsprechend § 148 Abs. 5 S. 1 AktG auch Rechtskraft für diese entfalten, soweit die sonstigen Anforderungen erfüllt sind. Folglich können alle gesellschaftsrechtlichen oder anstellungsvertraglichen Streitigkeiten Gegenstand einer Mehrparteienschiedsvereinbarung zwischen den Gesellschaftern, der Gesellschaft und den Organmitgliedern sein, solange die modifizierten „Schiedsfähigkeit II“-Kriterien erfüllt sind. 3. Wechsel im Personalbestand Die Mehrpersonenschiedsvereinbarung ist ein Vertrag und bindet daher grundsätzlich auch nur ihre Parteien. Anders als die statutarische Schiedsklausel, die ihre Wirkung an die Gesellschafter- und Organstellung knüpft, geschieht die Bindung über das Kriterium der freiwilligen vertraglichen Unterwerfung. Was geschieht nun aber, wenn sich der Gesellschafterbestand ändert oder wenn die Organmitglieder ausgetauscht werden? a) Änderung im Gesellschafterbestand aa) GmbH Eine Änderung im Gesellschafterbestand kann bei der GmbH auf zwei Wegen geschehen. Entweder indem Geschäftsanteile an der GmbH auf eine andere Person übertragen werden oder indem im Wege einer effektiven Kapitalerhöhung328 neue Gesellschafter hinzukommen In der GmbH werden Geschäftsanteile im Wege der Abtretung, Pfändung oder Vererbung übertragen329, also alles Fälle der Singular- oder Gesamtrechtsnachfolge. Gehen Rechte, über die eine Schiedsvereinbarung vereinbart wurde, im Wege der Rechtsnachfolge auf eine andere Person über, dann geht auch die Schiedsverein327
Vgl. E.II.2.c)bb), S. 264. Zum Unterschied zwischen effektiver und nomineller Kapitalerhöhung vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 III 1. 329 Näher K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 35 II. 328
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
barung nach allgemeiner Auffassung auf den Rechtsnachfolger über.330 Aus §§ 265, 325, 727 ZPO lässt sich ein allgemeiner Rechtsgedanke entnehmen, dass Rechtsnachfolger an die prozessrechtliche Stellung ihres Rechtsvorgängers und damit auch an die Rechtsfolgen eines Prozessvertrages gebunden sind.331 Für die Abtretung kann diese Erstreckung auch auf §§ 413, 401, 412 BGB gestützt werden.332 Jedenfalls entspricht es aber dem Wesen der Rechtsnachfolge.333 Folglich ist es nicht notwendig, dass der Rechtsnachfolger im Wege eines Vertragsschlusses mit Beachtung der Form des § 1031 ZPO in den Vertrag „eintritt“.334 Etwas anderes lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass sich Erwerber von Kapitalgesellschaftsanteilen grundsätzlich mehr auf den Inhalt von im Handelsregister veröffentlichten Satzungen verlassen und daher nur an solche Schiedsklauseln gebunden sein sollen, die sich auch in der Satzung befinden335. Die aufgezeigten Grundsätze für die Schiedsbindung von Rechtsnachfolgern gelten über das Gesellschaftsrecht hinaus auch für sonstige abtretbare Rechte, bei denen gar keine Publizität besteht. Eine Privilegierung von Personen, die Gesellschaftsanteile erwerben, ist nicht geboten. Deswegen sind Personen, denen GmbH-Geschäftsanteile übertragen werden, auch an Schiedsvereinbarungen gebunden, die im Zusammenhang mit diesen Anteilen geschlossen wurden.336 Tritt eine Änderung im Gesellschafterbestand einer GmbH also dadurch ein, dass die Anteile auf einen neuen Gesellschafter übertragen werden, dann bleibt es bei der Korrelation von Vereinbarungsparteien und Gesellschaftern. Durch die Rechtsnachfolge wird der bisherige Rechtsinhaber nicht automatisch aus der Schiedsvereinbarung entlassen, es sei denn dies ergibt sich durch Auslegung der Schiedsvereinbarung.337 Es ist zu empfehlen, dass auch die Schiedsvereinbarung das Verbleiben des ausgeschiedenen Gesellschafters in der Schiedsvereinbarung ausdrücklich klarstellt.338 Nur so können gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten mit dieser Person auch nach Verlust der Gesellschafterstellung Gegenstand des Schiedsverfahren werden. 330
Vgl. BGH NJW 1979, 2567 ff.; NJW 2000, 2346; NJW-RR 2002, 1462; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1029 ZPO Rn. 24; Zöller/Geimer, § 1029 ZPO Rn. 66 ff.; Massuras, Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit. 111 ff.; Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 113 ff.; HK-ZPO/I. Saenger, § 1029 ZPO Rn. 20; Schütze, Schiedsgericht, Rn. 183 ff.; Musielak/Voit/Voit, § 1029 ZPO Rn. 8. Konkret für Pfändungsgläubiger vgl. BGH BB 1962, 616. 331 Niklas, Die subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, 113. 332 Vgl. BGH NJW 2000, 2346; NJW-RR, 2002, 1462; Schütze, Schiedsgericht, Rn. 184. 333 Vgl. Zöller/Geimer, § 1029 ZPO Rn. 68; Hk-ZPO/I. Saenger, § 1029 ZPO Rn. 20. 334 Vgl. BGH NJW-RR, 2002, 1462; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1029 ZPO Rn. 24; Zöller/Geimer, § 1029 ZPO Rn. 68. 335 So aber Heskamp, RNotZ 2012, 415, 421. 336 Vgl. BGH NJW 1979, 2567; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1029 ZPO Rn. 24; MüKoGmbHG/Reichert/Weller, § 15 GmbHG Rn. 69. 337 BGH NJW-RR 2002, 1462, 1463; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1029 ZPO Rn. 24. 338 Vgl. Heskamp, RNotZ 2012, 415, 422.
III. Mehrparteienschiedsvereinbarungen
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Hat die Gesellschafterversammlung einer GmbH eine Erhöhung des Stammkapitals beschlossen, kann ein neuer Gesellschafter nach § 55 Abs. 1 GmbHG die neuen Gesellschaftsanteile durch notariell aufgenommene oder beglaubigte Erklärung übernehmen. Mit der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister (§ 54 Abs. 3 GmbHG) entstehen dabei Geschäftsanteile originär in der Person des Erwerbers und müssen nicht erst auf ihn übertragen werden.339 Folglich liegt kein Fall einer Rechtsnachfolge vor, die Schiedsvereinbarung erstreckt sich damit nicht auf einen neuen Gesellschafter. Ab diesem Zeitpunkt weicht der Gesellschafterbestand also von den Parteien der Schiedsvereinbarung ab. bb) AG und SE Dass der Erwerber einer Aktie ebenso Rechtsnachfolger des vorherigen Aktionärs ist wie der Erwerber eines GmbH-Anteils, wird, soweit ersichtlich, nirgendwo ausdrücklich gesagt. Der nachträgliche Erwerb und Verlust von Mitgliedschaftsrechten geschieht zwar durch Erwerb bzw. Veräußerung der Aktien340, die Situation ist also zumindest mit der eines Rechtsnachfolgers vergleichbar. Allerdings geschieht die rechtsgeschäftliche Übertragung einer Aktie nicht zwingend durch eine Abtretung, sondern kann auch auf anderem Wege geschehen. Es gilt der Grundsatz der freien Übertragbarkeit.341 Die Möglichkeiten sind im Kern die Zession342 und die (sachenrechtliche und/oder wertpapierrechtliche) Übereignung343.344 Die genaue Ausgestaltung des Übertragungstatbestands kann je nach Art der Aktie (Inhaberoder Namensaktie) und je nachdem, ob die Aktie verwahrt wird, im Detail unterschiedliche Kriterien haben.345 An dieser Stelle relevant ist aber nur die Folge einer solchen Veräußerung, die immer gleich ist: Der Erwerb von Aktien stellt immer einen Fall der Rechtsnachfolge dar, wodurch bei einer wirksamen Veräußerung das Ende der Mitgliedschaft auf der einen Seite den Beginn der Mitgliedschaft auf der anderen Seite darstellt.346 Dennoch ist ein Übergang der Schiedsbindung parallel zur Aktienveräußerung – anders als bei der Übertragung von GmbH-Anteilen347 – abzulehnen. Dies ergibt sich allerdings nicht allein daraus, dass es sich bei einer solchen Schiedsvereinbarung um eine satzungsergänzende Nebenabrede handelt, deren Wirkung grundsätzlich nicht
339 340 341 342 343 344 345 346 347
MüKoGmbHG/Lieder, § 55 GmbHG Rn. 147; Scholz/Priester, § 55 GmbHG Rn. 120. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 I 1 b). Spindler/Stilz/Vatter, § 10 AktG Rn. 49. Näher Spindler/Stilz/Vatter, § 10 AktG Rn. 52 f. Näher Spindler/Stilz/Vatter, § 10 AktG Rn. 54 ff. Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 658; vgl. auch Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201. Ausführlich dazu Eder, NZG 2004, 107 ff.; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201 ff. Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 658. Vgl. E.III.3.a)aa), S. 285.
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
auf Erwerber von Aktien übergeht.348 Es ist nun einmal Charakteristikum einer Schiedsvereinbarung, wonach diese mit dem Recht, über das sie geschlossen wurde, übergeht. Es kommt daher darauf an, ob es vom Grundsatz des Beitritts bei Rechtsnachfolge eine Ausnahme gibt. Und tatsächlich ergibt sich diese aus den Wertungen des Satzungsrechts. Nähme man an, dass mit dem Erwerb der Aktie auch die Schiedsbindung einherginge, dann würde eine außerhalb der Satzung vereinbarte Schiedsvereinbarung der Sache nach die gleiche Wirkung haben wie eine eigentlich wegen § 23 Abs. 5 S. 1 AktG unzulässige satzungsmäßige Schiedsklausel.349 Das wäre widersprüchlich. Richtig ist daher aus dem Rechtsgedanken des § 23 Abs. 5 AktG ein Ausnahmetatbestand für den allgemeinen Grundsatz abzuleiten, dass Rechtsnachfolger an die Schiedsvereinbarung ihrer Vorgänger gebunden sind. Dafür spricht auch ein argumentum a fortiori: Wie bereits dargelegt, kann eine statutarische Schiedsklausel keine Streitigkeiten mit Aktionärsbeteiligung erfassen, weil sie sonst gegen die Satzungsstrenge verstieße.350 Grund dafür ist, dass § 23 Abs. 5 S. 1 AktG die Aktie zu einem einfach handelbaren Finanzprodukt machen soll, indem sie zur Vermeidung eines erhöhten Informationsaufwands standardisiert wird. Wenn die Satzung die Art der prozessualen Geltendmachung von Aktionärsrechten ändert, dann stellt dies eine Abweichung dar, über die sich ein Erwerber informieren müsste. Daher ist die statutarische Schiedsklausel unzulässig. Sich über eine (theoretische) statutarische Schiedsklausel zu informieren, wäre dem Aktionär vor dem Erwerb allerdings möglich, da die Informationen öffentlich zugänglich sind. Die Satzung einer Aktiengesellschaft ist gem. § 37 Abs. 4 Nr. 1 AktG beim Handelsregister einzureichen und gem. § 181 Abs. 1 S. 1 AktG aktuell zu halten. Nach § 9 Abs. 1 S. 1 HGB kann jedermann ins Handelsregister Einsicht nehmen. Obwohl der Erwerber sich über eine statutarische Schiedsklausel informieren könnte, ist sie unzulässig, da die Informationssuche mit Aufwand verbunden wäre. Bei einer Schiedsvereinbarung wäre der Aufwand, sich zu informieren, noch größer, da diese nicht öffentlich bekanntgemacht ist. Entsprechend muss ihre Wirkung einem Aktionär erst recht erspart werden.351 Dem Abschluss der Schiedsvereinbarung selbst steht der Rechtsgedanke von § 23 Abs. 5 S. 1 AktG allerdings nicht entgegen. Seinem Zweck ist Genüge getan, wenn zukünftige Aktionäre von der Wirkung der Schiedsvereinbarung geschützt werden. Wenn alle aktuellen Aktionäre sich darauf einigen, dass ihre gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht verhandelt werden, dann steht § 23 Abs. 5 S. 1 AktG dem nicht entgegen. Die Sperrwirkung von § 23 Abs. 5 S. 1 AktG erstreckt sich auch nicht auf Erben oder Pfandgläubiger, da § 23 Abs. 5 S. 1 AktG in keiner Weise die Funktion hat, diese besonders zu schützen.
348 349 350 351
So aber K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1861. Reichert, FS Ulmer (2003), 511, 532; vgl. auch K. Schmidt, AG 1995, 551, 553. Vgl. D.III.1.c), S. 205 ff. (AG) und D.IV.1.b), S. 220 (SE). Vgl. auch Reichert, FS Ulmer (2003), 511, 532; K. Schmidt AG 1995, 531, 553.
III. Mehrparteienschiedsvereinbarungen
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Wird eine Aktie daher an eine Person übertragen, die nicht schon schiedsgebunden ist, kommt es demnach zu einem Auseinanderfallen von Parteien der Schiedsvereinbarung und dem Bestand der Aktionäre. Entsprechend der Ausführungen zur GmbH gilt das Gleiche, wenn neue Aktionäre im Wege einer Stammkapitalerhöhung hinzukommen. Allerdings würde auch hier der Rechtsgedanke von § 23 Abs. 5 S. 1 AktG greifen, sodass es auch hier zu einem entsprechenden Auseinanderfallen von Schiedsgebundenen und Aktionären kommt b) Änderung auf Organebene Der Wechsel auf Organebene geschieht nicht durch Abtretung, sondern durch Abberufung und Neubestellung. Es geht nicht etwa ein „Recht auf Geschäftsführung“ von einem Organmitglied auf das nächste Organmitglied über, vielmehr wird eine alte Organstellung beendet und eine neue Organstellung begründet. Die Bestellung ist körperschaftlicher Akt352 und keine Abtretung. Die Schiedsvereinbarung ist mit den Befugnissen und Pflichten des Organmitglieds verknüpft, durch die Neubestellung gehen diese jedoch nicht etwa über, sondern werden für das neue Organmitglied neu begründet. Das neue Organmitglied ist selbstverständlich nicht Rechtsnachfolger des alten: Organhaftungsansprüche gegen den alten Geschäftsführer bestehen nicht gegen den neuen, Aufwendungsersatzansprüche alter Aufsichtsratsmitglieder gehen nicht auf neue Aufsichtsratsmitglieder über. Eine solche Ausgestaltung wäre unsinnig. Wenn das neue Organmitglied aber nicht Rechtsnachfolger ist, dann geht die Schiedsvereinbarung auch nicht im Wege der Rechtsnachfolge auf es über. Eine Änderung auf Personalebene führt also zu einer Dissonanz zwischen den Parteien, die an die Schiedsvereinbarung gebunden sind, und den Personen, die auf Basis der modifizierten „Schiedsfähigkeit II“-Kriterien gebunden sein müssten. Damit die Kriterien wieder erfüllt sind, muss daher die Schiedsvereinbarung auf das neue Organmitglied erweitert werden. c) Umsetzung: Vertragsbeitritt Kommt es zu einem Wechsel im Personalbestand der Gesellschaft, der nicht zugleich eine Änderung auf Ebene der Schiedsvereinbarung mit sich bringt, dann entspricht die Klausel nicht mehr den Kriterien der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung. Wenngleich individuelle Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und ihren Organmitgliedern oder Gesellschaftern also noch von einem Schiedsgericht verhandelt werden können, können alle Arten von Beschlussmängeln nicht mehr Gegenstand eines Schiedsverfahrens sein. Um dies zu ändern, müssen die Parteien wieder die Schiedsbindung aller Personen erreichen. Regelmäßig wird bei Mehr-
352 MüKoGmbHG/Goette, § 6 GmbHG Rn. 57; Henssler/Strohn/Oetker, § 6 GmbHG Rn. 36; MüKoAktG/Spindler, § 84 AktG Rn. 9.
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
personenschiedsvereinbarungen – unproblematisch – festgestellt, dass die neue Partei der Schiedsvereinbarung beitreten kann.353 Betrachtet man jedoch die Dogmatik des Vertragsbeitritts, ist diese beiläufige Erwähnung einer Beitrittsmöglichkeit jedoch alles andere als ausreichend. Für einen Beitritt zu einem zweiseitigen Vertrags bedarf es nämlich zwingend eines dreiseitigen Vertrages oder aber bei zweiseitigen Abmachungen der Zustimmung des anderen Teils, die im Voraus oder nachträglich gegeben werden kann.354 Extrapoliert man dies nun auf den Beitritt zu mehrseitigen Verträgen, bedarf es entweder eines (erneuten) allseitigen Vertragsschlusses oder wenigstens eines Vertrages zwischen wenigstens einer Partei der Schiedsvereinbarung und dem Beitretenden sowie die Zustimmung sämtlicher anderer Parteien. Ersteres würde also praktisch auf die Wiederholung eines Vertragsschlusses hinauslaufen. Kommt es zur Personenänderung alleine dadurch, dass eine neue Partei hinzukommt, ohne dass eine andere wegfällt – also indem ein Gesellschafter durch Kapitalerhöhung beitritt oder ein zusätzliches Organmitglied berufen wird – dürfte dies noch recht unproblematisch gelingen. Da alle alten Parteien sowie die neuen Parteien dann mitgliedschaftlich oder organschaftlich Teil der Gesellschaft sind, sollte regelmäßig der Abschluss einer solchen Vereinbarung herbeigeführt werden können. Schon hier kann aber eine einfache Verweigerung der Zustimmung einer einzigen Partei den Beitritt scheitern lassen. Eine solche Verweigerung wird praktisch wahrscheinlicher, wenn ein Gesellschafter oder ein Organmitglied die Gesellschaft verlassen und neue hinzukommen, ohne dass die Schiedsbindung automatisch mit übergeht355. Wenn die Trennung im Streit erfolgte, kann schon allein deshalb eine Zustimmung verweigert werden – die menschliche Komponente ist dabei nicht zu vernachlässigen. Man könnte zwar darüber nachdenken, dass eine solche Zustimmung auf Basis der nachwirkenden gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht356 geschuldet ist.357 Eine solche einzuklagen wäre jedoch sehr umständlich. Dieses Problem kann und sollte durch eine entsprechende Verfahrensgestaltung umgangen werden. Da nach herrschender Meinung ein Vertragsbeitritt auch durch eine zweiseitige Einigung mit der vorherigen Zustimmung der anderen Vertragsparteien geschehen kann358, sollte mit der Schiedsvereinbarung zusammen auch der Gesellschaft – nicht der Geschäftsleitung selbst, da diese ausgetauscht werden kann – 353
Vgl. Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 14; Reichert, FS Ulmer (2003), 511, 523. Staudinger/Busche, Vor §§ 398 ff. BGB Rn. 207; MüKoBGB/Roth/Kieninger, § 398 BGB Rn. 190; vgl. auch BGH NJW 1975, 969, 970; a.A. Pieper, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt, 219 (nur mehrseitiger Vertrag). 355 Wie es immer bei Aktionären (vgl. E.III.3.a)bb), S. 287) und Organmitgliedern (E.III.3.b), S. 289) der Fall ist. 356 Zur nachwirkenden Treuepflicht vgl. etwa BGH BB 1960, 305 ff.; BB 1977, 313 ff. 357 Zur aus der Treuepflicht abgeleiteten Zustimmungspflicht vgl. bereits E.II.2.c)dd), S. 267. 358 Vgl. Nachweise in Kap. E. Fn. 354. 354
IV. Auswertung
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die unwiderrufliche Zustimmung aller anderen Parteien359 erteilt werden, dass die Gesellschaft die Schiedsvereinbarung erweitern kann360. Tritt dann ein Gesellschafter bei, der nicht automatisch an die Schiedsvereinbarung gebunden ist, kann die Geschäftsleitung als Vertretungsorgan der Gesellschaft die Schiedsvereinbarung erweitern; wird ein neues Organmitglied berufen, kann die Gesellschaft, vertreten durch das zuständige Organ361, durch eine zweiseitige Einigung den Beitritt herbeiführen.
IV. Auswertung 1. Zweipersonenschiedsvereinbarung Schiedsvereinbarungen zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied können leicht abgeschlossen werden, sie müssen dabei nur der Form des § 1031 Abs. 5 ZPO entsprechen. Zuständig für den Abschluss ist alleine das für die Prozessvertretung zuständige Gesellschaftsorgan. Eine inhaltliche Kontrolle ist auf § 138 BGB und damit erhebliche Verstöße gegen die guten Sitten beschränkt. Eine AGB-Inhaltskontrolle ist selbst dann unzulässig, wenn die Schiedsvereinbarung von einer Seite tatsächlich vorformuliert ist. Die Anwendung der AGB-Normen wird der Vertragsschlusssituation zwischen einer Gesellschaft und den Organmitgliedern nicht gerecht, da für Letztere sowohl ein Interesse an der Einflussnahme auf jede Vertragsklausel als auch eine Möglichkeit dazu besteht. Außerdem sind Schiedsvereinbarungen über organschaftliche Streitigkeiten Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts im Sinne des § 310 Abs. 4 S. 1 BGB. Auch eine europarechtliche Kontrolle ist nicht vorzunehmen, da die Klausel-RL nicht einschlägig ist. Die sachliche Reichweite ist jedoch auf Zweipersonenstreitigkeiten zwischen der Gesellschaft begrenzt. Diese können sowohl gesellschaftsrechtlicher als auch anstellungsvertraglicher Art sein sowie die dazugehörigen Begleitansprüche erfassen, etwa aus Delikt oder ungerechtfertigter Bereicherung. Sie sind also vor allem geeignet, Organhaftungsansprüche geltend zu machen, es sei denn, dass über diese bereits ein Klagezulassungsverfahren begonnen wurde. Sie kann allerdings nahezu keine Streitigkeiten über die Abberufung von Organmitgliedern erfassen, da es sich bei diesen immer um besondere Organ- oder Gesellschafterbeschlussmängelstreitigkeiten handelt. Solche sind wegen der zwingenden Anwendung des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG (analog) nur auf Basis von Schiedsgrundlagen zulässig, die alle Gesellschafter mitumfassen. Ausgenommen sind allein eine Feststellungsklage, durch welche die Rechtswidrigkeit der Abbe359
Also Organmitglieder und Gesellschafter. Beachte aber auch hier, dass diese Zustimmungserklärung äußerlich so ausgestaltet werden muss, dass die Schiedsvereinbarung nicht wegen § 1031 Abs. 5 ZPO nichtig ist, vgl. näher E.III.1.c), S. 279. 361 Zu diesen vgl. E.II.1.a), S. 231. 360
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E. Vertragliche Schiedsvereinbarung
rufung angegriffen werden soll, ohne dass dies zur Wiedereinsetzung führt, und die Abberufung von Aufsichtsorganmitgliedern nach §§ 103 Abs. 1, 2 AktG (i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO), 29 Abs. 1, 2 SEAG. Hier müssen das Aufsichtsorgan und das angegriffene Mitglied einer Erweiterung der Schiedsvereinbarung aber auf Basis der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zustimmen, wenn die Aktionäre die Beteiligung am Verfahren wünschen. Erhebliche Unterschiede zwischen den Gesellschaftsformen gibt es keine. Insbesondere schlägt die Wertung der Satzungsstrenge nicht auf die vertragliche Ebene durch, da der Zweck des § 23 Abs. 5 AktG durch den Abschluss von satzungsergänzenden Nebenabreden nicht berührt wird.
2. Mehrpersonenschiedsvereinbarung Schon der Abschluss von Mehrpersonenschiedsvereinbarungen ist deutlich komplexer als es die Schweigsamkeit der Literatur zu diesem Thema suggerieren würde. Da es sich um einen mehrseitigen Vertrag handelt, sind schon die Grundsätze der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre nicht anwendbar. Der Vertragsschluss richtet sich nach einem anderen, komplexen System aus einer großen Zahl von Willenserklärungen, deren Zugangsvoraussetzungen im Einzelfall schwierig zu erfüllen sein können. Im Gesellschaftsrecht tritt noch die erschwerende Komponente hinzu, dass beim Abschluss mehrseitiger Verträge unter Einbeziehung von Gesellschaftern, Gesellschaft und Organmitgliedern Vertretungsprobleme auftreten. Probleme können sich sowohl beim Zugang der notwendigen Willenserklärungen (bei Vertragsschluss im Umlaufverfahren) als auch bei der nachträglichen Vertragsänderung ergeben. Hier ist es den Parteien anzuraten, durch eine entsprechende Gestaltung des Verfahrens – Zugangsverzicht oder Empfangsvertretung einerseits, vorherige Zustimmung andererseits – diese Schwierigkeiten zu umgehen. Fehlt es an dieser Verfahrensgestaltung, kann schon durch leichte Fehler der gesamte Abschluss scheitern. Da an den Vereinbarungen Organmitglieder beteiligt werden müssen, ist auf die Schiedsvereinbarung § 1031 Abs. 5 ZPO anzuwenden, sodass bei der tatsächlichen Ausgestaltung des Verfahrens darauf zu achten ist, dass die Schiedsvereinbarung nicht schon wegen Formmangels nichtig wird – zwischen den Regeln zur Verfahrensgestaltung und der Schiedsvereinbarung muss ein genügender Abstand bestehen. Anders als die statutarische Schiedsklausel, die automatisch alle Beteiligten der Gesellschaft und die Gesellschaft bindet, besteht eine Mehrpersonenschiedsvereinbarung grundsätzlich nur zwischen den Abschlussparteien. Nur bei einer Gesamtoder Einzelrechtsfolge geht die Schiedsbindung auf den Nachfolger über. Anders aber im Falle der Bestellung neuer Organmitglieder und – wegen des Rechtsgedankens des § 23 Abs. 5 AktG – bei AG und SE: Hier kommt es nie zu einem (automatischen) Übergang der Schiedsbindung. Für die AG und SE ist die Mehrpersonenschiedsvereinbarung also mit erheblichen Opportunitätskosten verbunden,
IV. Auswertung
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da sie jedes Mal geändert werden muss, wenn eine Aktie veräußert wird. Eine Mehrpersonenschiedsvereinbarung ist folglich nur dort handhabbar, wo eine solche Änderung auch effizient durchgeführt werden kann. Große, vor allem börsennotierte Aktiengesellschaften und SE fallen damit von vornherein weg, da der Aktionärsbestand sich so rapide ändert, dass eine Änderung praktisch ausgeschlossen ist. Rentabel ist eine Mehrpersonenschiedsvereinbarung also nur in kleinen Aktiengesellschaften und SE, bei denen die Aktionäre allesamt im Blick behalten werden können. Sinnvoll ist eine Kombination mit einer Vinkulierungsklausel: Hier kann der Vorstand seine Zustimmung vom Beitritt an die Schiedsvereinbarung abhängig machen362 – vorausgesetzt, der Gesellschaft wurde durch die anderen Parteien die Zustimmung zum Beitrittsvertrag erteilt. Für die GmbH stellt eine mehrseitige Schiedsvereinbarung eine echte Alternative zur statutarischen Schiedsklausel dar. Sie bindet nämlich alle Gesellschafter und deren Rechtsnachfolger, sodass auch bei Abtretung der Gesellschaftsanteile die neuen Gesellschafter im Wege des Vertragsbeitritts von der Schiedsvereinbarung erfasst werden. Allein wenn Gesellschafter durch eine Kapitalerhöhung hinzutreten oder die Geschäftsführung ausgetauscht wird, muss der Vertrag geändert werden. Das macht die Mehrparteienschiedsvereinbarung vor allem für personalistisch organisierte GmbHs mit einem festen Gesellschafterbestand und Gesellschaftergeschäftsführern vorzugswürdig, denn so sparen sich die Gesellschafter die Kosten, die mit einer Satzungsänderung einhergehen. Auch bei Fremdgeschäftsführern ist eine solche Schiedsvereinbarung aber sinnvoll, da man bei der neuen Bestellung statt der Vereinbarung einer Zweipersonenschiedsvereinbarung auch einfach einen Beitritt zur bestehenden Mehrpersonenschiedsvereinbarung vereinbaren kann.
362 Vgl. Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 14; von Hase, BB 2011, 1993, 1995; Hausschild/Böttcher, DNotZ 2012, 577; Reichert, FS Ulmer (2003), 511, 532.
F. Gesamtauswertung und Erkenntnisse I. Schiedsbindung von Organmitgliedern Die Schiedsbindung von Organmitgliedern kann auf drei verschiedenen Wegen erreicht werden: Durch eine statutarische Schiedsklausel, eine Zweipersonen- oder eine Mehrpersonenschiedsvereinbarung. Natürlich handelt es sich bei der Zweipersonen- und der Mehrpersonenschiedsvereinbarung juristisch um den gleichen Vertragstyp, die dogmatische Konstruktion des Abschlusses unterscheidet sich jedoch erheblich. 1. GmbH Statutarische Schiedsklauseln können problemlos in die Satzung einer GmbH aufgenommen werden. Wenn sie nur die Organmitglieder betreffen sollen, dann genügt bereits eine satzungsändernde Mehrheitsentscheidung der Gesellschafter. Aus Sicht der Gesellschaft hat dies mehrere Vorteile. Für alle Beschlussmängelstreitigkeiten kann die Gesellschaft die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts auch ohne die bei Schiedsvereinbarungen immer nötige Zustimmung des Organmitglieds herbeiführen. Zudem sind statutarische Schiedsklauseln überhaupt nicht „wartungsintensiv“; sie müssen bei Änderung des Gesellschafterbestands oder bei Austausch von Organmitgliedern nicht geändert werden. Ihre Bindungswirkung entstammt der Gesellschafter- oder Organstellung, nicht der freiwilligen Unterwerfung. Sie eignen sich somit hervorragend für Beschlussmängelstreitigkeiten aller Art – also auch über die Abberufung des Geschäftsführers. Damit eine statutarische Schiedsklausel auch Organhaftungsansprüche erfassen kann, muss das Organmitglied dieser zustimmen. Aber selbst dann entfaltet die Schiedsklausel nur Wirkung für den organschaftlichen Erstattungsanspruch und etwaige deliktische Nebenansprüche. Anstellungsvertragliche Ansprüche erfasst sie gar nicht. Zur Herbeiführung der Schiedsbindung in Bezug auf organschaftliche Erstattungsansprüche eignen sich Schiedsvereinbarungen daher mehr als statutarische Schiedsklauseln, da sie neben den organschaftlichen Ansprüchen auch anstellungsvertragliche Ansprüche erfassen können. Das verhindert, dass für anstellungsvertragliche (Gegen-)Ansprüche ein paralleles Gerichtsverfahren geführt werden muss. Auf Basis von Schiedsvereinbarungen können nämlich auch anstellungsvertragliche Ansprüche durch Aufrechnung oder im Rahmen der Widerklage geltend gemacht werden.
I. Schiedsbindung von Organmitgliedern
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Für Beschlussmängelstreitigkeiten besteht die Wahl zwischen einer Mehrpersonenschiedsvereinbarung und einer statutarischen Schiedsklausel. Erstere sind vor allem bei personalistisch organisierten Gesellschaften mit einem konstanten Bestand an Organmitgliedern und Gesellschaftern günstig, da diese keine Kosten für die Satzungsänderung mit sich bringt. Ebenso sind sie Schiedsanordnungen gegenüber auch bei Publikumsgesellschaften grundsätzlich vorzugswürdig, solange sowohl die Organmitglieder, als auch die Gesellschaftsanteile konstant bleiben. GmbHs, die sich im Wachstum befinden und mit künftigen Kapitalerhöhungen rechnen, sollten aber statutarische Schiedsklauseln vorziehen, da so auch neue Gesellschafter, die keine alten Gesellschafteranteile übernehmen, daran gebunden sind. Das Gleiche gilt für Gesellschaften mit Fremdgeschäftsführern. Insgesamt sind die organschaftlichen und anstellungsvertraglichen Streitigkeiten in der GmbH offen für die schiedsgerichtliche Streitentscheidung. Die Hindernisse rechtlicher und praktischer Natur sind leicht zu nehmen. Weil für unterschiedliche Streitigkeiten auch unterschiedliche Arten der Schiedsgrundlage vorzugswürdig sind, bedarf es aber auch eines darauf abgestimmten Konzepts. Für Fremdorganmitglieder ist es ratsam, sich entweder einer Mehrpersonenschiedsvereinbarung zu unterwerfen oder neben einer statutarischen Schiedsklausel auch eine Schiedsvereinbarung mit der Gesellschaft abzuschließen, damit auch die anstellungsvertraglichen Ansprüche der Schiedsbindung unterfallen. 2. AG und SE Die Schiedsbindung von Organmitgliedern in AG und SE kann rechtlich und praktisch in deutlich engeren Grenzen begründet werden. Obgleich statutarische Schiedsklauseln in der Satzung einer AG oder SE nicht von vornherein ausgeschlossen sind, so ist ihre Tauglichkeit für Streitigkeiten mit Organmitgliedern jedoch so sehr eingeschränkt, dass es sich für keine der beiden Seiten lohnt, sie in die Satzung aufzunehmen. Ein Hauptversammlungsbeschluss mit satzungsändernder Mehrheit1 ist deutlich schwieriger herbeizuführen als ein einfacher Vertragsschluss. Eine Zweipersonenschiedsvereinbarung kann nahezu die gleichen Streitigkeiten wie eine statutarische Schiedsklausel erfassen. Der Unterschied ist nur, dass Erstere nur mit Zustimmung aller Vorstandsmitglieder einen Informationsanspruch nach § 90 Abs. 3 S. 1 AktG erfassen kann. Das ist kein großer Verlust, da Informationsansprüche wegen ihrer Eilbedürftigkeit ohnehin nicht für Schiedsverfahren geeignet sind. Eine Schiedsvereinbarung mit Organmitgliedern geht teilweise sogar weiter als die Satzungsklausel, weil sie auch §§ 103 Abs. 1, 2 AktG (i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO), 29 Abs. 1, 2 SEAG erfassen kann.
1 Diese reicht aus, weil schon wegen § 23 Abs. 5 AktG keine Streitigkeiten mit Aktionären erfasst werden dürfen, vgl. D.I.3.c)aa)(2), S. 164.
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F. Gesamtauswertung und Erkenntnisse
Mehrseitige Schiedsvereinbarungen sind zulässig, aber bei größeren, insbesondere börsennotierten Aktiengesellschaften nicht handhabbar: Mit jedem Aktionärswechsel muss auch die Vereinbarung geändert werden, was bei einer hohen Aktionärsfluktuation de facto ausgeschlossen ist. Nur in kleinen Aktiengesellschaften mit einem überschaubaren Aktionärsaufkommen ist eine Schiedsvereinbarung überhaupt denkbar. Da Organ- und Gesellschafterbeschlussmängelstreitigkeiten – zu denen auch fast alle Abberufungsentscheidungen gehören – in Aktiengesellschaften aber eine Schiedsvereinbarung mit allen Aktionären voraussetzen, werden diese Streitigkeiten für die Zukunft die Domäne der staatlichen Gerichte bleiben. Um die Schiedsbindung von Organmitgliedern in Aktiengesellschaften herbeizuführen, eignen sich praktisch nur zweiseitige Schiedsvereinbarungen, die allerdings auch nur zweiseitige Streitigkeiten erfassen können.
II. Zur Vorzugswürdigkeit des Schiedsverfahrens Schiedsverfahren kann in gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten nicht pauschal ein Vorzug gegenüber staatlichen Gerichten gegeben werden. Zwar sind Schiedsverfahren vertraulich, was gerade für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten ein entscheidender Vorteil sein kann. Zudem eignen sie sich bestens zur gütlichen Einigung und erlauben eine besondere Spezialisierung und Kompetenz der Entscheidungspersonen. Dafür gehen mit ihnen aber auch gewisse Unwägbarkeiten einher. Ihre Entscheidungen sind mangels einer gefestigten Rechtsprechung noch weniger vorhersehbar als die von staatlichen Gerichten und die Neutralität der Schiedsrichter ist nicht im gleichen Maße gewährleistet wie dies vor staatlichen Gerichten der Fall ist. Darüber hinaus sind sie regelmäßig teurer – wobei dies jedenfalls aus Sicht des Organmitglieds nicht immer ins Gewicht fallen muss, da es bei einigen Streitigkeiten von der Gesellschaft Ersatz verlangen kann. All dies müssen Gesellschafter und Organmitglieder in Betracht ziehen, wenn sie sich mit der Frage auseinandersetzen, ob sie sich der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts unterwerfen wollen.
III. Freiwilligkeit als Legitimation für das Schiedsverfahren Entgegen der fast einhelligen Meinung in der Literatur ist das Dogma der „freiwilligen Unterwerfung“ nicht die einzige Legitimationsgrundlage für das Schiedsverfahren. Natürlich ist es der Regelfall, dass sich Parteien einer Schiedsvereinbarung unterwerfen und deshalb gebunden werden. Das liegt aber daran, dass bei Schiedsvereinbarungen – die ja regelmäßig vertragliche Streitigkeiten regeln – keiner Seite ein überwiegendes Interesse an der Verfahrensgestaltung zugebilligt werden kann. Daher würde eine einseitige Gestaltung in das Recht des Adressaten auf Justizgewähr – nicht aber in das Recht auf den gesetzlichen Richter – eingreifen.
IV. Definition der Schiedsanordnung, § 1066 ZPO
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Das Recht auf Justizgewähr ist aber wie jedes Grundrecht der Abwägung zugänglich. Es gibt Konstellationen, in denen ein einseitiges Interesse an der Gestaltung des (schieds-)gerichtlichen Verfahrens das Interesse anderer so überwiegt, dass deren Recht auf Justizgewähr zurücktreten muss. Solche Situationen gibt es etwa bei der einseitigen Anordnung von Schiedsgerichten im Erbrecht, im Vertrag zugunsten Dritter und – eingeschränkt – auch im Gesellschaftsrecht.
IV. Definition der Schiedsanordnung, § 1066 ZPO Die von der Literatur und Rechtsprechung vorgenommene Einordnung der Schiedsanordnung als ein „einseitiges, privatrechtliches Rechtsgeschäft“ versperrt den Blick auf die eigentliche Frage, nämlich die nach der tatsächlichen Definition der Schiedsanordnung. Eine solche Definition des Begriffs wurde bis dato nicht versucht, sodass die Handhabung des § 1066 ZPO gerade im Hinblick auf die Einordnung statutarischer Schiedsklauseln schwierig ist und sich nur an der eben genannten knappen Einordnung orientiert. In dieser Arbeit wurde eine Auslegung sowohl des Wortlauts von § 1029 ZPO und § 1066 ZPO als auch der Systematik des 10. Buchs vorgenommen, um auf diesem Wege die Definition der Schiedsanordnung vorzunehmen. Dabei hat sich ergeben, dass es für die Einordnung nicht darauf ankommen kann, ob die unter den Begriff zu subsumierende Klausel zwischen den Parteien vertraglich vereinbart wurde oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, was für eine Rechtswirkung die Schöpfer der Klausel intendiert haben. Damit ein Rechtsgeschäft als Schiedsanordnung zu qualifizieren ist, muss es sich um eine Schiedsgrundlage handeln, die darauf angelegt ist, die Schiedsbindung an einem anderen Merkmal als der Freiwilligkeit festzumachen. Das ergibt sich daraus, dass das Charakteristikum einer Schiedsvereinbarung nach § 1029 ZPO die freiwillige Unterwerfung ist – umgekehrt also alle Fälle, die keine freiwillige Unterwerfung verlangen, unter § 1066 ZPO zu fassen sind. Eine Schiedsanordnung wird also über die Rechtsfolge bestimmt. Ob ein Rechtsgeschäft diese Rechtsfolge tatsächlich setzen kann, hängt von den Voraussetzungen ab, die an Rechtsgeschäfte dieser Art ohnehin gestellt werden. Dazu gehört auch § 138 BGB, dem in diesem Kontext eine erhebliche Bedeutung zukommt, da bei einer Schiedsanordnung im Wege der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte der Justizgewährungsanspruch des Adressaten gegen das Interesse des Erstellers auf Verfahrensgestaltung abgewogen werden kann. Ein Beispiel, für eine Schiedsgrundlage, die typischerweise als eine Schiedsvereinbarung verstanden wird, aber richtigerweise eine Schiedsanordnung ist, ist eine solche in einem Vertrag zugunsten Dritter, soweit sie den Dritten an die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts binden soll. Der Dritte soll jedoch nicht an die Schiedsklausel gebunden sein, weil er sich ihr unterworfen hat – das hat er nicht –, sondern weil er Begünstigter des Vertrages ist. Ebenso handelt es sich bei einer statutarischen Schiedsklausel um eine Schiedsanordnung im Sinne des § 1066 ZPO, weil bei ihr der Anknüpfungspunkt für die Wirkung nicht die freiwillige Unterwerfung, sondern die
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F. Gesamtauswertung und Erkenntnisse
Eigenschaft einer Person als Gesellschafter oder Organmitglied ist. Entscheidend ist dabei nicht, ob eine freiwillige Unterwerfung wirklich vorliegt. Sie kann sogar Wirksamkeitsvoraussetzung sein. Das ist dann aber Folge der verfassungsrechtlichen Wertungen. Auf die Einordnung hat das Vorliegen einer freiwilligen Unterwerfung keinen Einfluss.
V. Statutarische Schiedsklausel Kapitalgesellschaften können auf Grund der Satzungsautonomie befugt sein, statutarische Schiedsklauseln in ihre Satzung aufzunehmen. Die genauen Voraussetzungen für diese Anordnung hängen von der konkreten Gestaltung der Schiedsklausel ab. Gilt sie nur für die Gesellschafter, genügt das Einhalten der Formvorschriften bei Gründung; bei Aufnahme durch eine Satzungsänderung bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und es müssen die Formvorschriften für die Satzungsänderung gewahrt werden. Gilt sie hingegen nur für die Organmitglieder, genügt zwar ein Beschluss mit satzungsändernder Mehrheit. Ohne Zustimmung des Organmitglieds kann die Schiedsklausel aber nur solche Streitigkeiten erfassen, bei denen das Interesse der Gesellschaft an der Ausgestaltung des Verfahrens das entgegengesetzte Interesse des Organmitglieds an der Verfahrensgestaltung überwiegt. Zudem endet die Schiedsbindung des Organmitglieds mit Ende der Amtszeit. Das ist Resultat einer über § 138 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung zwischen dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch des Organmitglieds und der durch Art. 9 GG gewährleisteten Vereinsautonomie. Die Kosten des Schiedsverfahrens fallen bei dieser Abwägung regelmäßig nicht ins Gewicht, weil das Organmitglied bei den meisten Streitigkeiten einen Anspruch auf Ersatz der Kosten hat. Liegt eine Zustimmung vor, dann kann die Schiedsklausel alle gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten erfassen und auch über die Amtszeit hinaus Wirkung entfalten. Der Zustimmung kommt es gleich, wenn die Bestellung einer Gesellschaft mit statutarischer Schiedsklausel angenommen wird. Beides bedarf keiner besonderen Form. Eine Schiedsklausel, die sowohl die Organmitglieder als auch die Gesellschafter binden soll, muss all diese Anforderungen erfüllen.
VI. Voraussetzungen und Grenzen von Zweipersonenschiedsvereinbarungen Für den Abschluss einer Schiedsvereinbarung mit einem Organmitglied sind die Gesellschaftsorgane zuständig, welche auch für die Vertretung im Prozess gegen das Organmitglied zuständig wären. Die GmbH wird daher gegenüber dem Geschäftsführer gem. § 46 Nr. 8 GmbHG von der Gesellschafterversammlung vertreten. Die AG wird gegenüber den Vorstandsmitgliedern vom Aufsichtsrat vertreten (§ 112 S. 1 AktG), gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern vom Vorstand (§ 78 Abs. 1 S. 1
VII. Mehrparteienschiedsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht
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AktG). Das Gleiche gilt für die dualistischen SE im Verhältnis von Leitungsorgan und Aufsichtsorgan. Die Vertretung in der monistischen SE folgt dem gleichen Schema (vgl. § 41 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 SEAG). Schiedsvereinbarungen mit Organmitgliedern (egal ob geschäftsleitenden oder beaufsichtigenden) unterfallen der Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO. Sowohl bei anstellungsvertraglichen als auch bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten sind Organmitglieder Verbraucher im Sinne des § 13 BGB, sodass die Form des § 1031 Abs. 5 ZPO Anwendung findet. Eine besondere Inhaltskontrolle der Schiedsvereinbarung findet jedoch nicht statt. Für die AGB-Kontrolle ergibt sich dies zum einen aus einem Eingreifen der Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 S. 1 Var. 3 BGB, zum anderen daraus, dass die Regeln der AGB-Kontrolle auf Anstellungsverträge mit Organmitgliedern nicht passen und daher teleologisch zu reduzieren sind. Die Klausel-RL ist schon nicht einschlägig, da ein Organmitglied kein Verbraucher im Sinne dieser Richtlinie ist. Selbst wenn sie einschlägig wäre, spräche sie nicht jedoch gegen eine Schiedsvereinbarung. Die Schiedsvereinbarung unterliegt mithin nur den Grenzen der allgemeinen Vorschriften über Rechtsgeschäfte. Sie ist auch nicht deshalb unwirksam, weil sie eine Regelung enthält, die bei einer AG oder SE gegen die Satzungsstrenge verstoßen würde.
VII. Mehrparteienschiedsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht Der dogmatischen Konstruktion des Abschlusses von Mehrparteienschiedsvereinbarungen wurde in der Literatur bislang – soweit ersichtlich – keine Silbe gewidmet. Da die allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre aber auf zweiseitige Verträge abgestimmt sind, sind sie nicht einfach auf den Abschluss mehrseitiger Schiedsvereinbarungen übertragbar. Damit eine Mehrparteienschiedsvereinbarung geschlossen werden kann, setzt dies eine Reihe von Willenserklärungen zwischen den Parteien voraus: Jede Partei muss jeder anderen Partei ihren Willen zum Abschluss des Vertrages erklären. Diese Willenserklärungen müssen den anderen Parteien auch zugehen, da eine Willenserklärung erst mit Zugang wirksam wird. Im Gesellschaftsrecht tritt ein weiterer, verkomplizierender Komplex hinzu, nämlich das Erfordernis der Vertretung der Gesellschaft. Wenn an der Schiedsvereinbarung neben den Gesellschaftern und der Gesellschaft auch die Organmitglieder beteiligt werden sollen – was sie nach richtiger Ansicht gerade bei Schiedsvereinbarungen über Beschlussmängelstreitigkeiten müssen –, dann wird jedes Gesellschaftsorgan auf den Plan gerufen. Der Abschluss der Schiedsvereinbarung ist zwar dogmatisch komplex, wird aber im Gesellschaftsrecht jedenfalls dann etwas vereinfacht, wenn ein Organmitglied beteiligt ist. Da dann die Schiedsvereinbarung ohnehin der Form des § 1031 Abs. 5 ZPO entsprechen muss, kann eine Schiedsvereinbarung unproblematisch geschlossen werden, wenn alle Parteien die Schiedsvereinbarung zur gleichen Zeit am
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F. Gesamtauswertung und Erkenntnisse
gleichen Ort unterschreiben. Bei einem Abschluss der Schiedsvereinbarung unter Abwesenden wird die Schiedsvereinbarung spätestens dann wirksam, wenn jedem Mitglied ein Exemplar zugeht.
VIII. Organschaftliche Erstattungsansprüche und „Entlastungsklage“ Alle Klagen über organschaftliche Erstattungsansprüche sind schiedsfähig und können Gegenstand von statutarischen Schiedsklauseln und Schiedsvereinbarungen sein. Stimmen in der aktienrechtlichen Literatur, die daran zweifeln, weil durch die Zuständigkeitsbegründung für ein Schiedsgericht die Kompetenzordnung in der Aktiengesellschaft zerstört werde, verkennen die streitentscheidende Funktion des Schiedsgerichts. Damit organschaftliche Erstattungsansprüche Gegenstand einer statutarischen Schiedsklausel sein können, muss das Organmitglied dieser zustimmen. Eine statutarische Schiedsklausel und eine Zweipersonenschiedsvereinbarung können jedoch keine Bindung für organschaftliche Erstattungsansprüche entfalten, wenn über den Anspruch bereits ein Klagezulassungsverfahren nach § 148 AktG begonnen wurde. Diese Beschränkung gilt nicht für Mehrparteienschiedsvereinbarungen, die auch alle Aktionäre erfassen. Das Gleiche gilt grundsätzlich für die „Entlastungsklage“, mit der ein Organmitglied die Feststellung verlangt, dass kein Organhaftungsanspruch besteht. Der einzige Unterschied besteht darin, dass sich für das Schiedsverfahren über die Belastungsklage keine Schranken aus § 148 AktG ergeben.
IX. Streitigkeiten über Beschlüsse von Gesellschafterund Hauptversammlungen Es deckt sich mit der allgemeinen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass die Übertragung von Streitigkeiten über Gesellschafterbeschlüsse auf Schiedsgerichte nur dann möglich ist, wenn die Schiedsgrundlage bestimmte Kriterien erfüllt. Weil gem. § 248 Abs. 1 S. 1 AktG (analog) in AG, SE und GmbH die Entscheidungen über alle Gesellschafterbeschlüsse Wirkung für die Aktionäre entfaltet, muss eine Schiedsgrundlage die Wirkung des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG für die Schiedssprüche vorschreiben. Aus dem sich in § 138 BGB niederschlagenden Rechtsstaatsprinzip folgt, dass die analoge Wirkung des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG nur dann zugelassen ist, wenn die Begleitvorschriften des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG – also insbesondere § 246 AktG – ebenfalls analog vorgeschrieben sind. Die Kriterien, die der BGH in seiner „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung aufgestellt hat, tragen dem weitgehend Rechnung. Bei der Formulierung dieser Kriterien hat der BGH – und ihm folgend die Literatur – jedoch vernachlässigt, der Klagebefugnis von Organmitgliedern Rechnung zu tragen. Während sich die Klagebefugnis von Organmitglie-
XI. Abberufung von Organmitgliedern
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dern in der AG und SE eindeutig aus §§ 245 Nr. 5, 249 Abs. 1 AktG (i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO) ergibt, folgt sie bei Organmitgliedern der GmbH aus einer analogen Anwendung der §§ 245 Nr. 5, 249 Abs. 1 AktG, ausnahmsweise aus einer analogen Anwendung von § 245 Nr. 4 AktG. Da die nach §§ 245 Nr. 5, 249 AktG klagebefugten Personen nicht als Organe, sondern als Personen klagen, werden sie auch von § 248 Abs. 1 S. 1 AktG erfasst. Entsprechend können sie auch nur an einen Schiedsspruch, der auf einer analogen Anwendung des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG basiert, gebunden sein, wenn sie auch an die Schiedsgrundlage gebunden sind. Eine solche Schiedsgrundlage kann bei einer GmbH die Gestalt einer statutarischen Schiedsklausel annehmen, auf die Zustimmung des Organmitglieds kommt es dann nicht an. Bei der AG und SE würde eine solche Satzungsbestimmung einen Verstoß gegen die Satzungsstrenge darstellen. Dies ergibt sich daraus, dass die Satzungsstrenge schon dann einschlägig ist, wenn eine Satzungsbestimmung nur vom Gesetz abweicht, ohne dabei die Aktionäre in ihren Rechten zu beeinträchtigen.
X. Andere Organbeschlüsse Die Beschlüsse der anderen Kollegialorgane in der AG und SE können ebenfalls klageweise angegriffen werden. Bei diesen Klagen handelt es sich um Feststellungsklagen, gerichtet auf die Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse. Auf die Urteile in diesen Klagen wird § 248 Abs. 1 S. 1 AktG analog angewendet, weswegen konsequenterweise auch seine Begleitvorschriften §§ 246 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, 249 Abs. 2 AktG analog anzuwenden sind. Folglich können auch Organbeschlüsse vor Schiedsgerichten nur auf Grund von Schiedsgrundlagen verhandelt werden, die entsprechend der modifizierten „Schiedsfähigkeit II“-Kriterien ausgestaltet ist. Da eine statutarische Schiedsklausel eine Abweichung vom Verfahren nach diesen Vorschriften darstellt, ist sie bei einer AG oder SE wegen der Satzungsstrenge unzulässig. Hat eine GmbH einen Aufsichtsrat, spricht allerdings nichts gegen eine statutarische Schiedsklausel. Auf die Zustimmung des Organmitglieds kommt es dann nicht an. Für alle Gesellschaften wäre eine Mehrpersonenschiedsvereinbarung, die auch alle Aktionäre erfasst, aber zulässig.
XI. Abberufung von Organmitgliedern Die Durchführung der Abberufung von Organmitgliedern und Streitigkeiten über diese unterscheiden sich je nach Gesellschaftsform. Bei der GmbH geschieht die Abberufung des Geschäftsführers grundsätzlich durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung. Der Gesellschafter kann gegen diesen nur im Wege der Nichtigkeitsklage vorgehen, die Anfechtungsklage steht ihm nicht offen. Da es sich um eine Beschlussmängelstreitigkeit handelt, muss die Schiedsgrundlage den entsprechenden Kriterien entsprechen. Die Streitigkeit kann auch ohne Zustimmung
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F. Gesamtauswertung und Erkenntnisse
Gegenstand statutarischer Schiedsklauseln sein. Zunächst mag dies überraschen, da man dem Geschäftsführer instinktiv ein gesteigertes Interesse an der Ausgestaltung eines entsprechenden Prozesses zubilligen mag. Führt man sich allerdings vor Augen, dass die Ausübung eines Gesellschafteramtes jedenfalls für Fremdgeschäftsführer bei rechtlicher Betrachtung allein im Interesse der Gesellschaft vorgenommen wird und die Interessen des Geschäftsleiters durch den Anstellungsvertrag gewahrt sind, ergibt dieses Ergebnis Sinn. Die Abberufung eines Vorstands- oder Leitungsorganmitglieds einer AG oder SE kann fast ausschließlich im Wege eines Beschlussmängelstreits geltend gemacht werden. Eine Variante ist die Klage wegen eines Formfehlers des Aufsichtsratsbeschlusses, bei dem es sich um einen Organbeschlussmangel handelt. Diese Streitigkeit ist jedoch regelmäßig nicht von Erfolg gekrönt, da der Aufsichtsratsbeschluss einfach nachgeholt werden kann. Allerdings ist auch auf die Gestaltungsklage gem. § 84 Abs. 3 S. 4 AktG nach hier vertretener Ansicht § 248 Abs. 1 S. 1 AktG mit seinen Begleitvorschriften analog anzuwenden. § 84 Abs. 3 S. 4 AktG stellt für Aufsichtsratsbeschlüsse das Äquivalent zur Anfechtungsklage nach § 246 AktG dar, da auch hier ein eigentlich rechtswidriger Beschluss erst nachträglich aufgehoben wird. Der Grundgedanke, weshalb ein Anfechtungsurteil nach § 246 AktG gem. § 248 Abs. 1 S. 1 AktG über die Parteien hinaus materielle Rechtskraft entfalten soll, ist auch auf § 84 Abs. 3 S. 4 AktG übertragbar. Dies deckt sich auch mit der allgemeinen Funktion der Rechtskraft von Gestaltungsurteilen. Das bedeutet vor allem, dass Zweipersonenschiedsvereinbarungen über diese Streitigkeiten auch nicht zulässig sind, sondern – die für AG und SE schwer handhabbaren – Mehrparteienschiedsvereinbarungen abgeschlossen werden müssen. Eine statutarische Schiedsklausel hierüber ist unzulässig, da sie eine Abweichung von § 248 Abs. 1 S. 1 AktG und seinen notwendigen Begleitvorschriften darstellen und damit gegen die Satzungsstrenge verstoßen würde. Die Abberufung eines Vorstandsmitglieds kann regelmäßig nicht sinnvoll vor einem Schiedsgericht verhandelt werden. Die einzige Ausnahme bildet der Fall, in dem das Organmitglied die Rechtswidrigkeit seiner Abberufung festgestellt wissen will, ohne dabei die Wiedereinsetzung zu verlangen. Dabei handelt es sich um eine einfache Feststellungsklage. Das Gleiche gilt im Wesentlichen für die geschäftsführenden Direktoren einer SE. Aufsichtsrats-, Aufsichtsorgan- und Verwaltungsratsmitglieder haben gegen ihre Abberufung keine erfolgversprechende Klagemöglichkeit. Allerdings kann deren gerichtliche Abberufung nach § 103 Abs. 3 AktG auf ein Schiedsgericht übertragen werden. Für die freiwillige Gerichtsbarkeit gelten die §§ 1025 ff. ZPO analog. Eine statutarische Schiedsklausel hierüber würde gegen die Satzungsstrenge verstoßen, weil sie eine Abweichung von § 103 Abs. 3 S. 4 AktG darstellen würde. Eine Zweiparteienschiedsvereinbarung ist aber möglich. Hier vertritt ausnahmsweise das klagende Organ die AG. Aktionäre, die nach § 103 Abs. 3 S. 3 AktG an dem Verfahren beteiligt werden wollen, haben einen Anspruch darauf, dass die Schiedsvereinbarung auf sie erweitert wird.
XIII. Anstellungsvertragliche Streitigkeiten und Arbeitsgerichtsbarkeit
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XII. Informationsansprüche Insbesondere in der AG stehen dem Aufsichtsrat einige Informationsansprüche zu, die entweder als Ansprüche der Gesellschaft gegen die Mitglieder des Vorstandes oder als Ansprüche des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gegen die Gesellschaft ausgestaltet sind. Diese Ausgestaltung dient jedoch der Vereinfachung und darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass all diese Ansprüche im Interesse der Gesellschaft bestehen. Daher können sie auch ohne Zustimmung der Organmitglieder Gegenstand statutarischer Schiedsklauseln werden. Alternativ sind sie auch Schiedsvereinbarungen zugänglich. Informationsansprüche müssen jedoch häufig schnell geltend gemacht werden, wozu das Schiedsverfahren wegen seiner Schwächen im unmittelbaren einstweiligen Rechtsschutz nicht geeignet ist. Nicht immer kann erst auf die Konstituierung eines Schiedsgerichts gewartet werden. Dafür schafft aber auch bei einer bestehenden Schiedsbindung § 1033 ZPO Abhilfe, der den Zugang zu den staatlichen Gerichten erlaubt.
XIII. Anstellungsvertragliche Streitigkeiten und Arbeitsgerichtsbarkeit Anstellungsvertragliche Streitigkeiten sind schuldrechtlich und immer auf Vermögenswerte gerichtet, also schiedsfähig im Sinne des § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO. Ausnahmsweise kann die Schiedsgerichtsbarkeit aber wegen § 101 Abs. 3 ArbGG vollständig ausgeschlossen sein. In Ausnahmefällen kann der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers oder eines geschäftsführenden Direktors als Arbeitsvertrag qualifiziert werden, wodurch die Streitigkeiten gem. § 2 Abs. 1 ArbGG in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fallen. Es gilt der nationale Arbeitnehmerbegriff. Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff, nach welchem alle Geschäftsführer Arbeitnehmer sind, schlägt nicht auf das Prozessrecht durch und spielt daher keine Rolle. Zwar ist der Weg zu den Arbeitsgerichten für Geschäftsführer wegen § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG ausgeschlossen; nach neuerer Rechtsprechung des BAG gilt dies aber nur für Klagen, die während der Amtszeit erhoben werden. Wird die Klage nach Abschluss der Amtszeit erhoben, greift § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG selbst dann nicht mehr, wenn die eingeklagten Ansprüche bereits während der Amtszeit entstanden sind. Fehlt es am Arbeitnehmerstatus, dann können bestimmte anstellungsvertragliche Streitigkeiten trotz Schiedsbindung durch sic-non-, aut-aut- oder et-et-Anträge vor die Arbeitsgerichte gebracht werden, nur wäre die Klage in solchen Fällen immer unbegründet.
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Stichwortverzeichnis Abberufung – Aufsichtsorgan 107 – Aufsichtsratsmitglied 103, 194 – Geschäftsführender Direktor 111 – Geschäftsführer 77, 191 – Leitungsorgan 107 – Satzungsstrenge 206 – Schiedsfähigkeit 77, 99 f., 103, 107, 110 f. – Schiedsvereinbarung 261, 267 f., 284 – Statutarische Schiedsklausel 191, 194 – Verwaltungsrat 110 – Vorstandsmitglied 99 f. AGB-Kontrolle – Anwendbarkeit 246 – Bereichsausnahme 249 – Teleologische Reduktion 254 Anstellungsvertrag – Abberufung 101, 112 – Abschlusskompetenz 231 – AGB-Kontrolle siehe AGB-Kontrolle – Arbeitsvertrag 116 f. – Klausel-RL 241 – Organmitglied 112 – Schiedsvereinbarung 268, 285 – Streitigkeiten 114 – Verbrauchervertrag 237 Arbeitnehmerbegriff – Nationaler 116 – Unionsrechtlicher 117 Aufsichtsorgan – Abberufung siehe Abberufung – Aufwendungsersatzanspruch 105, 261 – Verbraucher 257 – Vergütungsanspruch 105, 261 Aufsichtsrat – Abberufung siehe Abberufung – Aufwendungsersatzanspruch 80, 194, 216, 218, 222, 261, 268 – Verbraucher 257
– Vergütungsanspruch 222, 261, 268 Aut-aut-Fälle 124
80, 194, 216, 218,
Befriedungseffekt 30 Beschlussmängelstreitigkeit – § 1030 ZPO 58 – Besetzung des Schiedsgerichts 61, 91 – Beteiligungsmöglichkeit am Schiedsverfahren 60, 91 – Fehlende Schiedsbindung der Organmitglieder 72 – Klagebefugnis Anfechtungsklage 44 – Klagebefugnis Beschlussfeststellunsklage 53 – Klagebefugnis Nichtigkeitsklage 53 – Klagebefugnis SE 109 – Konzentration 63, 92 – Organmitglieder als Partei 65 – Rechtskraft 68 – Satzungsstrenge 89, 203, 205 – Schiedsfähigkeit 54 – 76, 107, 109 – Schiedsvereinbarung 268, 284 – Statutarische Schiedsklausel 186, 205, 221 – Wirkungserstreckung der Schiedsgrundlage 59, 90 Deutsche SE
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Einstweiliger Rechtsschutz 33 Entlastungsklage – Schiedsfähigkeit 42, 79, 104, 108 – Schiedsvereinbarung 260, 268 – Statutarische Schiedsklausel 214, 218, 222 Et-et-Fälle 124 Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG 115 Freiwillige Gerichtsbarkeit 103, 267
Stichwortverzeichnis Geschäftsführender Direktor – Abberufung siehe Abberufung – Anstellungsvertrag siehe Anstellungsvertrag – Arbeitnehmer 116 f. Geschäftsführer – Abberufung siehe Abberufung – Anstellungsvertrag siehe Anstellungsvertrag – Klagebefugnis Anfechtungsklage 44 – Klagebefugnis Beschlussfeststellungsklage 53 – Klagebefugnis Nichtigkeitsklage 53 – Verbraucher 237 Geschäftsleiter 232, 237 Informationsansprüche 81 – 86, 109, 195, 216, 218, 222, 260 f., 268, 303 Klagezulassungsverfahren 208, 264, 285 Klausel-RL 241 Kompetenz der Schiedsrichter 27 Kosten – Beschlussmängelstreitigkeiten 189 – Schiedsverfahren 33 Leitungsorgan – Abberufung siehe Abberufung – Anstellungsvertrag siehe Anstellungsvertrag – Arbeitnehmer 116 f. Mehrseitige Schiedsvereinbarung – Abschluss 270, 279, 299 – Empfangsvertretung 280 – Form 277 – Gesellschafterwechsel 285, 287 – Insichgeschäft 277 f. – Organmitgliedswechsel 289 – Rechtsnachfolge 285 – Sachliche Reichweite 284 – Satzungsstrenge 287 – Vertragsbeitritt 289 – Zugang der Willenserklärung 280 – Zulässigkeit 269 – Zurechnung 274 Mehrseitige Verträge, Abschluss 271
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Mittelbare Drittwirkung der Grundrechte 147 Organbeschlüsse – Fehlerhaftigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen 93, 190 – Fehlerhaftigkeit von Vorstandsbeschlüssen 95 – Satzungsstrenge 205 – Schiedsfähigkeit 97, 107, 110 – Schiedsvereinbarung 261, 268, 284 – SE 107, 110 – Statutarische Schiedsklausel 190 Organklage 86 Organmitglieder – Arbeitnehmer 116 f. – Begriff 23 – Organschaftliche Streitigkeiten 40, 239 – Verbraucher 237, 257 Organschaftliche Erstattungsansprüche – § 93 Abs. 5 S. 1 AktG 213, 266 – als Arbeitssache 120 – Klagezulassungsverfahren 208, 285 – nach Zahlungsunfähigkeit (§ 64 GmbHG) 42, 199, 261 – Satzungsstrenge 208 – Schiedsfähigkeit 41, 79, 104, 108, 120 – Schiedsvereinbarung 260, 268, 285 – Statutarische Schiedsklausel 185, 199, 207 – Wettbewerbsverbot 79 Präzedenzwirkung, keine 29 Prozessvertrag 228, 230 Satzung (Rechtsnatur) 131 Satzungsautonomie 141 Satzungsstrenge 201 – § 93 Abs. 5 S. 1 AktG 213 – Fehlerfolgen bei Verstoß 217 – Geltendmachung von Ersatzansprüchen 208 – Klagezulassungsverfahren 208 – Satzungsergänzende Nebenabrede 262 – Schiedsfähigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen 89 – Schiedsvereinbarung 262 – SE 219
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Stichwortverzeichnis
Schiedsanordnung – Begriff 133, 297 – Letztwillige Verfügung 136 – Statutarische Schiedsklausel 138 – Vertrag zugunsten Dritter 135 Schiedsbindung – Begriff 21 – Statutarische Schiedsklausel 180 Schiedsfähigkeit (allgemein) – § 101 Abs. 3 ArbGG 115, 119 – § 1030 ZPO 37 – Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten 41 – Verhältnis zur Schiedsgrundlage 39 Schiedsfähigkeit I-Entscheidung 55 Schiedsfähigkeit II-Entscheidung 56, 265, 269, 284 – Modifizierte Voraussetzungen 75, 107 Schiedsgrundlage – Begriff 22 – Verhältnis zur Schiedsfähigkeit 39 Schiedsvereinbarung – Abberufung 268 – Abschlusskompetenz 231 – AGB-Kontrolle siehe AGB-Kontrolle – Anstellungsvertragliche Streitigkeiten 268 – Beschlussmängelstreitigkeit 268 – Entlastungsklage 260, 268 – Form 233, 240 – Informationsansprüche 261, 268 – Klagezulassungsverfahren 264 – Klausel-RL 241 – Mehrseitige Schiedsvereinbarung siehe Mehrseitige Schiedsvereinbarung – Nichtigkeitsgründe 256, 264 – Organbeschlüsse 268 – Organschaftliche Erstattungsansprüche 260, 268 – Rechtsnachfolge 285 – Rechtsnatur 228 – Reichweite, personal 259 – Reichweite, sachlich 259 – Satzungsstrenge 262 Schiedsverfahren (Legitimation) – Freiwilligkeit 135, 296 – Gesetzlicher Richter 143 – Justizgewähranspruch, allgemeiner 145 – Kleiner Konsens 137, 149, 151
– Staatliche Gerichtsbarkeit 142 – Vereinigungsfreiheit 151 Sic-non-Fälle 122 Statutarische Schiedsklausel – § 64 GmbHG 199 – Abberufung 191, 194, 206 – Abgrenzung 127 – Anwendbares Recht 128 – Aufwendungsersatzanspruch des Aufsichtsrates 194, 216, 218, 222 – Beschlussmängelstreitigkeiten 186, 203, 205 – Einpersonen-Gesellschaft 159 – Einstimmigkeit für Gesellschafter 164 – Entlastungsklage 185, 214, 218, 222 – Formvorschriften (Klausel) 176 – Formvorschriften (Zustimmung) 178 – Gesellschaftsinterne Streitigkeiten 155, 198 – Informationsansprüche 195, 216, 218, 222 – Legitimation 151 – Organbeschlüsse 190, 205 – Organschaftliche Erstattungsansprüche 185, 207 – Personale Reichweite 180 – Satzungsbestimmung, echte 141 – Satzungsbestimmung, unechte 137, 200 – Satzungsstrenge 201, 217 – Schiedsanordnung 138 – Sonstige Streitigkeiten 157, 198 – Stimmenmehrheit für Organmitglieder 161 – Umdeutung in Schiedsvereinbarung 168 – Vergütungsanspruch des Aufsichtsrates 194, 216, 218, 222 – Zeitraum der Schiedsbindung 180 – Zustimmung des Organmitglieds 171, 181 f. Unparteilichkeit des Schiedsrichters
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Verbraucherbegriff des § 1031 Abs. 5 ZPO 234 Verfahrensdauer 29 Verfahrensgestaltung 27 Vertraulichkeit 26
Stichwortverzeichnis Verwaltungsrat – Abberufung siehe Abberufung – Anstellungsvertrag siehe Anstellungsvertrag – Arbeitnehmer 116 f. – Auslagenersatzanspruch 109 – Verbraucher 257 – Vergütungsanspruch 109
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Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches 28 Vor- und Nachteile von Schiedsverfahren 25, 296 Vorstand – Abberufung siehe Abberufung – Anstellungsvertrag siehe Anstellungsvertrag – Verbraucher 238