Die ÖPNV-Abgabe: Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen einer Umlagefinanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs [1 ed.] 9783428554171, 9783428154173

Gerade im Hinblick auf die mögliche Einführung von Dieselfahrverboten in deutschen Innenstädten darf die Bedeutung des Ö

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Die ÖPNV-Abgabe: Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen einer Umlagefinanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs [1 ed.]
 9783428554171, 9783428154173

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1384

Die ÖPNV-Abgabe Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen einer Umlagefinanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs

Von

Denise Gruber

Duncker & Humblot · Berlin

DENISE GRUBER

Die ÖPNV-Abgabe

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1384

Die ÖPNV-Abgabe Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen einer Umlagefinanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs

Von

Denise Gruber

Duncker & Humblot · Berlin

Die Fakultät für Rechtswissenschaften der Universität Regensburg hat diese Arbeit im Jahr 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Textforma(r)t Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-15417-3 (Print) ISBN 978-3-428-55417-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-85417-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2017/2018 von der Universität Regensburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten vereinzelt noch bis zur Fertigstellung der Arbeit im Januar 2018 berücksichtigt werden. Zunächst möchte ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Gerrit Manssen bedanken, der bei mir bereits in den frühen Anfängen meines Studiums die Freude am Verwaltungsrecht geweckt und den Anstoß für die Befassung mit dem Thema dieser Arbeit gegeben hat. Er stand mir stets mit Rat und Tat zur Seite und ermöglichte mir, während meiner Dissertationszeit als wissenschaftliche Hilfskraft an seinem Lehrstuhl tätig zu sein. Weiterhin danke ich Herrn Prof. Dr. Jürgen Kühling für die sehr zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie für die hilfreichen Anregungen im Doktorandenseminar. Ferner möchte ich mich bei der Frauenbeauftragten der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Regensburg, Frau Prof. Dr. Katrin Gierhake, für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses bedanken. Besonderer Dank gebührt Herrn Bundesverfassungsrichter a. D. Prof. Dr. Udo Steiner, der das Entstehen meiner Arbeit stets mit großem Interesse verfolgte und mir mit seinen wertvollen Anregungen sowie seiner herzlichen Art über so manche schwere Stunde hinweghalf. Ich möchte mich auch ganz herzlich bei meinen Freunden bedanken, ohne deren konstante Ermutigung und moralische Unterstützung die Erstellung dieser Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Besonders herausgreifen möchte ich hierbei Martina Pfaffinger und Kerstin Seewald, die mir bei der Korrektur des Manuskripts zur Seite standen. Aber auch meinen Kollegen aus der Kanzlei, die zu sehr lieben Freunden geworden sind, möchte ich für ihren Glauben an mich und die vielen lieben Worte danken. Der größte Dank gebührt jedoch meinen Eltern, Rita und Werner Gruber. Ohne sie wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin. Sie haben immer an mich geglaubt und ich verdanke ihnen nicht nur die Kraft zur Fertigstellung dieser Arbeit, sondern alle meine persönlichen und beruflichen Erfolge. Sie sind mein größtes Vorbild. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Regensburg, Januar 2018

Denise Gruber

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einführung

21

A. Einführung in die Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Kapitel 2

Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

25

A. Bedeutung des ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. ÖPNV als Teil der Daseinsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Kompetenzkatalog des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Grundrechte als Aufgabenzuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Sozialstaatsprinzip als Aufgabenzuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Bedeutung des ÖPNV für den Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 III. Soziale Bedeutung des ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 IV. Wirtschaftliche Bedeutung des ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 B. Begriff und Rechtsquellen des ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Begriffsbestimmung ÖPNV im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Rechtsquellen des ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Regionalisierungsgesetz des Bundes (RegG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 aa) Sicherstellungsauftrag des § 1 Abs. 1 RegG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 bb) Definition ÖPNV nach dem Regionalisierungsgesetz . . . . . . . . . . . . . 40 b) Personenbeförderungsgesetz (PBefG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 aa) Geltungsbereich des Personenbeförderungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . 43 bb) Definition ÖPNV nach dem PBefG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 cc) Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (1) Genehmigungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (2) Aufgabenträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (3) Verkehrsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

10

Inhaltsverzeichnis 2. Die ÖPNV-Gesetze der Länder, insbesondere das BayÖPNVG . . . . . . . . . . . 49 a) Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern . . . . . . . . . . 50 b) Definition ÖPNV nach dem BayÖPNVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 c) Aufgabenträger für den allgemeinen ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 aa) Landkreise und kreisfreie Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 bb) Kreisangehörige Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 cc) Überörtliche Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (1) Kommunale Arbeitsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (2) Zweckverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (3) Gemeinsame Kommunalunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 dd) Regionaler Nahverkehrsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 ee) Verkehrskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 d) Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Unionsrecht: Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Definition ÖPNV nach der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 . . . . . . . . . . 62

Kapitel 3

Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen

64

A. Derzeitige Finanzierungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 I. Nutzerfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 II. Öffentliche Finanzierungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Betriebskostenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Tarifersatzleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 aa) Gesetzliche Ausgleichsleistungen im Ausbildungsverkehr . . . . . . . . . 67 (1) Anspruchsvoraussetzungen und Anspruchsberechtigte . . . . . . . . 70 (2) Umfang des Ausgleichsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 bb) Erstattung der Fahrgeldausfälle im Nahverkehr durch die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Kommunaler Querverbund zwischen Versorgung und ÖPNV . . . . . . . . . . 76 aa) Steuerrechtliche Zulässigkeit der internen Subventionierung des kommunalen Querverbunds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 bb) Beihilferechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (1) Rechtsprechung zur gesetzlichen Neuregelung des kommunalen Querverbunds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (2) Meinungsstand in der Literatur zu der beihilferechtlichen Zulässigkeit der gesetzlichen Regelung des kommunalen Querverbunds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

Inhaltsverzeichnis

11

cc) Auswirkungen des Vierten Eisenbahnpakets auf den kommunalen Querverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Investitionsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Regionalisierungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 aa) Regionalisierung und Bahnstrukturreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (1) Hintergründe der Bahnstrukturreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (2) Änderungen des Grundgesetzes durch die Bahnstrukturreform . . 106 (a) Eisenbahngewährleistungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . 108 (b) Übergangsregelung des Art. 143a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (c) Regelung der finanziellen Folgen der Regionalisierung . . . . 111 (3) Einfachgesetzliche Neuregelungen durch die Bahnstrukturreform 113 bb) Finanzmittel aus dem Regionalisierungsgesetz und deren Verteilung . 114 b) Investitionshilfen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und dem Entflechtungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) GVFG-Bundesmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 bb) Entflechtungsmittel- und GVFG-Landesprogramm . . . . . . . . . . . . . . 118 c) Bundesmittel nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz sowie nach der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zwischen Bund und Deutscher Bahn AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 d) Leistungen nach dem ­BayÖPNVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Investitionskostenhilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) ÖPNV-Zuweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 B. Schwächen und Problemstellungen der derzeitigen Finanzierungspraxis . . . . . . . . . . 131 I. Demographischer Wandel: Sinkende Schülerzahlen und ihre Auswirkungen auf die Ausgleichsleistungen nach § 45a PBefG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 II. Faktischer Investitionsstopp durch Unsicherheiten bei der Verlängerung des GVFG-Bundesprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 III. Keine gesicherte Folgeregelung für entfallende Entflechtungsmittel ab 2020 in Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 IV. Unklare Rechtslage beim kommunalen Querverbund und Energiewende . . . . . . 136 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Kapitel 4

„Nulltarife“ im ÖPNV

139

A. „Nulltarife“ im ÖPNV zu Werbezwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 I. „Tübingen macht blau“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

12

Inhaltsverzeichnis II. Autofreie Sonntage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 III. Führerscheintausch gegen kostenloses ÖPNV-Ticket . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 IV. Das Kölner PatenTicket . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

B. Steuerfinanzierte Nulltarife im In- und Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I. Fahrscheinfreier Stadtverkehr Templin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Lübben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 III. Tallinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 IV. Hasselt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 V. Schlussfolgerungen zum Nulltarif im ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Kapitel 5

Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

156

A. Politische Reformüberlegungen zur Finanzierung des ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. „Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr“ der Linken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Erhebung eines wiederkehrenden „ÖPNV-Erschließungsbeitrags“ . . . . . . . . 156 2. Einführung eines beitragsfinanzierten „Bürgertickets“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3. Einführung einer sog. „Gästeabgabe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. „Fahrscheinloser ÖPNV“ der Piratenpartei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 III. Fazit zu den politischen Reformüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 B. Definition der „ÖPNV-Abgabe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 C. Finanzverfassungsrechtliche Umsetzung der „ÖPNV-Abgabe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 I. Übersicht über die verschiedenen Abgabenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Die Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Verfassungsrechtlicher Steuerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Voraussetzungen für das Vorliegen einer Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Die Sonderabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Die Vorzugslasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Die Gebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Der Beitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 II. Abgabenrechtliche Einordnung der „ÖPNV-Abgabe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Gegenleistungscharakter der Zurverfügungstellung von ÖPNV-Leistungen . 171 2. „ÖPNV-Abgabe“ ist keine Gebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3. Einstufung der „ÖPNV-Abgabe“ als Beitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Inhaltsverzeichnis

13

4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 III. Wiederkehrender Beitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 D. Status quo: Rechtslage de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. Der Anschluss- und Benutzungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Rechtfertigung durch Gründe des öffentlichen Wohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Ausgestaltung eines Anschluss- und Benutzungszwangs . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Unionsrechtliche Aspekte des Anschluss- und Benutzungszwangs . . . . . . . . 187 4. Verfassungsrechtliche Aspekte des Anschluss- und Benutzungszwangs . . . . . 187 5. Übertragung rechtlicher Wertungen des Anschluss- und Benutzungszwangs auf den ÖPNV-Beitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Satzungsermächtigung als Flexibilitätsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Kriterium der Leistungsfähigkeit als grundrechtliches Korrektiv . . . . . . . 191 c) Kein Benutzungszwang in Bezug auf den ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 II. Das Semesterticket . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Begriff und Funktionsweise eines Semestertickets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Semesterticketmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 3. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Studentenschaft/Studierendenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 b) Studentenwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4. Rechtliche Beziehungen zwischen Studentenschaft/Studentenwerk und Verkehrsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Rechtsnatur der geschlossenen Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 aa) Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem Vertrag und zivilrechtlichem Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 bb) Abgrenzung zwischen Rahmenvertrag und Vertrag zugunsten Dritter 207 b) Zurückweisungsrecht gemäß § 333 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 5. Beziehung zwischen Studierenden und Verkehrsunternehmen . . . . . . . . . . . . 212 6. Rechtmäßigkeit der Einführung eines Semestertickets . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Studentenschaft als Zwangsmitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 b) Beitragsrechtliche Zulässigkeit des Semestertickets . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 c) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Semestertickets . . . . . . . . . . . . . . 217 7. Semesterticket als erste gesetzliche Ausgestaltung des ÖPNV-Beitrags . . . . . 219 III. Rundfunkbeitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 1. Hintergründe für die Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2. Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags . . . . . . . . . 222

14

Inhaltsverzeichnis 3. Mögliche Übertragung der Rechtsprechung zum Rundfunkbeitrag auf den ÖPNV-Beitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

E. Ausgestaltung des ÖPNV-Beitrags in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 I. Übertragung des Kriteriums der Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Mehrwert des MIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Zeitliche Vergleichbarkeit (Flexibilität) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Räumliche Vergleichbarkeit (Erreichbarkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 II. Beitragshöhe und Beitragsschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Beitragsschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Beitragshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 a) Zumutbare Höchstsumme des regulären ÖPNV-Beitrags . . . . . . . . . . . . . 234 b) Zumutbare Höchstsumme des ermäßigten ÖPNV-Beitrags . . . . . . . . . . . . 235 c) Äquivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 d) Kostendeckungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 F. Vereinbarkeit des ÖPNV-Beitrags mit dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I. Vereinbarkeit des ÖPNV-Beitrags mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Ungleichbehandlung von Nutzern und Nichtnutzern des ÖPNV . . . . . . . . . . 240 2. Rechtfertigung der Gleichbehandlung bzw. der Ungleichbehandlung . . . . . . 244 3. Grundsatz der Belastungsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 II. Vereinbarkeit des ÖPNV-Beitrags mit der allgemeinen Handlungsfreiheit . . . . . 252 G. Vereinbarkeit des ÖPNV-Beitrags mit dem Gebot der Steuerstaatlichkeit . . . . . . . . . 252 H. Gesetzliche Ermächtigungsgrundlagefür die Einführung des ÖPNV-Beitrags . . . . . 255 I. Regelungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 II. Gesetzesvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 III. Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Abkürzungsverzeichnis ABl. Amtsblatt Abs. Absatz Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club ADFC Allgemeines Eisenbahngesetz AEG Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AEUV AG Aktiengesellschaft Allgemeines Ministerialblatt AllMBl. ÄndVO Änderungsverordnung AO Abgabenordnung Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und GemeindeBayFAG verbänden – Finanzausgleichsgesetz ­BayGVFG Gesetz über Zuwendungen des Freistaates Bayern zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden  – Bayerisches Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz Bayerisches Hochschulgesetz BayHSchG Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern BayÖPNVG Bayerische Rechtssammlung BayRS BayVBl. Bayerische Verwaltungsblätter BayVerfGH Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerischer Verwaltungsgerichtshof BayVGH Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz BayVwZVG Betriebs Berater BB Bd. Band Beck’scher Online-Kommentar BeckOK Beck online Rechtsprechung BeckRS Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den StraBefBedV ßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen Bayerische Eisenbahngesellschaft BEG Berliner Hochschulgesetz BerlHG BFH Bundesfinanzhof BFM Bundesfinanzministerium Bürgerliches Gesetzbuch BGB BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BGHZ BR Bundesrat Bundesrepublik Deutschland BRD Bremisches Hochschulgesetz BremHG BRS Baurechtssammlung Gesetz über den Ausbau der Schienenwege des Bundes – BundesschienenBSchwAG wegeausbaugesetz

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Abkürzungsverzeichnis

BStBl. Bundessteuerblatt BT Bundestag Buchst. Buchstabe Bayerische Verfassung BV BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerwG Bundesverwaltungsgericht Baden-Württembergische Verwaltungspraxis BWVP Deutsche Bahn DB Deutsche Mark DM Die öffentliche Verwaltung DÖV Drucks. Drucksache Deutsche Steuer-Zeitung DStZ Deutsches Verwaltungsblatt DVBl. Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft DVWG E Entscheidungssammlung Entscheidungen der Finanzgerichte EFG Europäische Gemeinschaft EG Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EGV ENeuOG Eisenbahnneuordnungsgesetz Gesetz zur Entflechtung von Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen  – EntflechtG Entflechtungsgesetz Europäische Eisenbahnagentur ERA EStG Einkommensteuergesetz Europäisches Gericht EuG Europäischer Gerichtshof EuGH Vertrag über die Europäische Union EUV Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EuZW Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht EWS FG Finanzgericht FGO Finanzgerichtsordnung Finanz-Rundschau Ertragssteuerrecht FR Verordnung über die Befreiung bestimmter Beförderungsfälle von den VorFrStllgV schriften des Personenbeförderungsgesetzes FS Freistaat GewArch Gewerbearchiv GewStG Gewerbesteuergesetz GG Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbHG GO Gemeindeordnung GüKG Güterkraftverkehrsgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt GVBl. Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der VerkehrsverGVFG hältnisse der Gemeinden – Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa HdGR Handbuch des Staatsrechts HdStR Hessisches Hochschulgesetz HHG Hamburgisches Hochschulgesetz HmbHG

Abkürzungsverzeichnis

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HRG Hochschulrahmengesetz HSchRG Hochschulrahmengesetz Hochschulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt HSG LSA Gesetz über die Hochschulen und das Universitätsklinikum Schleswig-HolHSG SH stein – Hochschulgesetz i. E. im Ergebnis JStG Jahressteuergesetz Juristische Ausbildung Jura JZ JuristenZeitung KAG Kommunalabgabengesetz Kap. Kapitel KommJur Kommunaljurist ­KommZG Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit KraftStKompG Gesetz zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund KStG Körperschaftsteuergesetz Kommunale Steuer-Zeitschrift KStZ Kölner Verkehrsbetriebe KVB Gesetz über die Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern – LanLHG M-V deshochschulgesetz Landkreisordnung für den Freistaat Bayern LKrO Landes- und Kommunalverwaltung LKV Gesetz über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet LStVG der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – Landesstraf- und Verordnungsgesetz LT Landtag Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung LuFV Motorisierter Individualverkehr MIV MüKo Münchener Kommentar Münchener Verkehrs- und Tarifverbund MVV Niedersächsisches Hochschulgesetz NHG Neue Justiz NJ Neue Juristische Wochenschrift NJW Nr.  Nummer NRW Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter NWVBl. Österreichisches Körperschaftsteuergesetz öKStG Öffentlicher Personennahverkehr ÖPNV OVG Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten OWiG Verordnung über den Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen im StraPBefAusglV ßenpersonenverkehr PBefG Personenbeförderungsgesetz Verordnung über Kostensätze für Ausgleichszahlungen nach § 45a des PerPBefKostenV sonenbeförderungsgesetzes Praxis der Kommunalverwaltung PdK

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Abkürzungsverzeichnis

RAO Reichsabgabenordnung Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches SoRBEG zialgesetzbuch – Regelbedarf-Ermittlungsgesetz Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs – RegioRegG nalisierungsgesetz RGBl. Reichsgesetzblatt RGebStV Rundfunkgebührenstaatsvertrag Rn. Randnummer RP Rheinland-Pfalz Rspr. Rechtsprechung Regensburger Verkehrsverbund RVV Richtlinien für die Zuwendungen des Freistaates Bayern zu Straßen- und RZStra Brückenbauvorhaben kommunaler Baulastträger Verordnung über die Schülerbeförderung – Schülerbeförderungsverordnung SchBefV Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, BeSchwbG ruf und Gesellschaft SGB Sozialgesetzbuch SozR Sozialrecht Ständige Rechtsprechung St. Rspr. Verordnung über die bayerischen Studentenwerke StudWV Thüringer Hochschulgesetz ThürHG TransportR Transportrecht Technische Universität TU Gesetz über die Universitäten des Landes Nordrhein-Westfalen – UniverUG NRW sitätsgesetz Landesgesetz über die Universitäten in Rheinland-Pfalz  – Universitäten­ UG RP gesetz Saarländisches Universitätsgesetz UG Saarland UmwStG Umwandlungssteuergesetz UStG Umsatzsteuergesetz Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie VDB Verband Deutscher Verkehrsunternehmen VDV VerfGH Verfassungsgerichtshof Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs VerfVO VG Verwaltungsgericht VGH Verwaltungsgerichtshof Verkehrsverbund Hegau-Bodensee VHB VO Verordnung VRS Verkehrsrechts-Sammlung Verkehrsverbund Stuttgart VVS VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes NordrheinWissHG Westfalen WissR Wissenschaftsrecht Wirtschaft und Verwaltung (Beilage zur Zeitschrift Gewerbearchiv) WiVerw Gruppe gegen Kapitalismus, Krieg und Kohlendioxid ZAK 3 ZaöR Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ZfBR Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht

Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen ZögU Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht ZUM Zeitschrift für Umweltrecht ZUR ZustV Zuständigkeitsverordnung

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Kapitel 1

Einführung A. Einführung in die Problemlage Der ÖPNV boomt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts können im Nah- und Fernverkehr mit Bussen und Bahnen neue Fahrgastrekorde verbucht werden.1 So wurde der Liniennah- und -fernverkehr mit Bussen und Bahnen im Jahr 2016 rund 11,5 Milliarden Mal genutzt.2 Es konnte ein Anstieg von 180 Millionen Fahrgästen im Vergleich zum Jahr 2015 verzeichnet werden.3 „Damit wird auch deutlich: Der ÖPNV ist das Rückgrat einer effizienten und klimaschonenden Mobilität für alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland“.4 Die Finanzierung des ÖPNV – wie sie derzeit besteht – kann jedoch aufgrund verschiedener struktureller als auch demographischer Faktoren künftig nicht aufrechterhalten werden. Um weiterhin einen funktionierenden ÖPNV gewährleisten zu können – und damit auch dem staatlichen Daseinsvorsorgeauftrag gerecht zu werden –, müssen Reformen im Bereich der Finanzierung des ÖPNV angestrengt werden. Im Rahmen dieser Reformüberlegungen wird auch die (teilweise)  Umlagefinanzierung des ÖPNV diskutiert. „ÖPNV Flatrate für alle“ und „fahrscheinfreier ÖPNV“ ist in diesem Sinne derzeit eine Devise des „linken“ politischen Spektrums.5 Gemeint ist damit die unbeschränkte und „fahrscheinlose“ Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel durch die Einführung eines solidarisch (beitrags-)finanzierten Tickets.6 Das sog. „Berlin-Ticket“ soll – nach einer ersten Modellrechnung der Linkspartei – etwa 1 Pressemitteilung Nr. 124 des Statistischen Bundesamts vom 10. April 2017, abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2017/04/PD17_124_461. html; jsessionid=9F4C1661139492CF59E41D0801675D29.cae3 (letzter Abruf: 31.  Januar 2018). Vgl. dazu auch Balser, „Der Bund spart am Verkehr“, SZ vom 13. April 2017. 2 Pressemitteilung Nr. 124 des Statistischen Bundesamts vom 10. April 2017, abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2017/04/PD17_124_461. html;jsessionid=9F4C1661139492CF59E41D0801675D29.cae3 (letzter Abruf: 31.  Januar 2018). Vgl. dazu auch Balser, „Der Bund spart am Verkehr“, SZ vom 13. April 2017. 3 VDV Pressemitteilung vom 25. Januar 2017, abrufbar unter https://www.vdv.de/presse. aspx?id =2d32df11-d22e-45af-8475-ebfae152192b&mode=detail (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 4 Pressestatement des VDV Präsidenten Fenkse vom 10. April 2017 zum Fahrgastrekord bei Bussen und Bahnen, abrufbar unter https://www.vdv.de/presse.aspx?id=462d39f1-7932-4743-9467-7d7b237caa6f&mode=detail (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 5 Leidig, Disput 9/2014, 12, 12. 6 Heine, Tagesspiegel 30. Mai 2015, Parteitag in Berlin, abrufbar unter: www.tagesspiegel.de/ berlin/parteitag-in-berlin-linke-stimmt-fuer-flatrate-fuer-bus-und-bahn/11847742.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018).

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Kap. 1: Einführung

30 Euro kosten und von allen Einwohnern der Bundeshauptstadt bezogen werden.7 Dadurch lägen die Kosten für die Nutzung des ÖPNV deutlich unter den bisherigen Ticketpreisen, die derzeit für das gesamte Stadtgebiet Berlins – inklusive des Umlandes – 100,50 Euro pro Monat betragen.8 Zudem wäre es möglich, Investitionen zur Instandhaltung des bestehenden Angebots zu tätigen und Bauvorhaben zur Verdichtung des bestehenden Angebots anzustreben.9 Ziel dieser Dissertation ist es, die juristische Umsetzungsfähigkeit einer solchen Umlagefinanzierung des ÖPNV zu untersuchen.

B. Gang der Untersuchung Zu Beginn der Arbeit werden zunächst die rechtlichen Grundlagen des ÖPNV dargestellt und die Bedeutung des ÖPNV für das tägliche Leben herausgearbeitet. Abgestellt wird dabei zunächst vor allem auf den ÖPNV als Teil der Daseinsvorsorge. Besonderes Augenmerk wird jedoch auch auf die umweltpolitischen Belange des ÖPNV gelegt, indem auf nationale sowie internationale Klimaschutzziele eingegangen wird und die Rolle des ÖPNV im umweltpolitischen Prozess aufgezeigt wird. Aber auch der sozialstaatliche und wirtschaftliche Wert des ÖPNV wird herausgestellt (Kapitel 2). Der erste Schwerpunkt der Arbeit liegt dann auf der Analyse und Darstellung der derzeitigen Finanzierungssituation des ÖPNV. Da sich die Finanzierung des ÖPNV durch eine „unübersichtliche Finanzierungslandschaft“10 auszeichnet, ist es zunächst wichtig, eine Übersicht der wichtigsten Finanzierungsquellen zu erarbeiten. Dabei wird zwischen der Nutzerfinanzierung und der Finanzierung durch öffentliche Mittel unterschieden. Im Rahmen der öffentlichen Finanzierungsmittel ist zwischen der Betriebskostenfinanzierung des ÖPNV, die sich unter anderem aus Tarifersatzleistungen wie den gesetzlichen Ausgleichsleistungen im Ausbildungsverkehr (§ 45a PBefG) und der Erstattung von Fahrgeldausfällen im Nahverkehr durch die unentgeltliche Beförderung von schwerbehinderten Menschen zusammensetzt, sowie der Investitionsfinanzierung zu trennen. Für ein besseres Verständnis der verschiedenen Finanzierungsstränge ist auch auf die Auswirkungen der Bahnstrukturreform im Jahr 1993 einzugehen. Am Ende der Analyse ist eine 7 Benn, Öffi-Flatrate, in: extraDrei, Ausgabe September 2015, abrufbar unter: http://www. die-linke-pankow.de/nc/politik/nachrichten/detail/zurueck/ausgabe-september-2015/artikel/ oeffi-flat rate/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 8 Vgl. dazu die Informationen auf der Internetpräsenz der Berliner Verkehrsbetriebe unter https://shop.bvg.de/index.php/tickets (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 9 Leidig, Disput 9/2014, 12, 12. 10 Bormann/Bracher/Dümmler/et al., Neuordnung der Finanzierung des ÖPNV, S. 6; vgl. auch Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 63; vgl. auch Targan/Neumann, ZögU 2005, 93, 98. Zimmer verwendet das Begriffsbild einer „Spaghetti-Finanzierung“, Der ÖV-Beitrag, S. 14.

B. Gang der Untersuchung

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Bewertung der Finanzierungsquellen anhand einer wirtschaftlichen Betrachtung vorzunehmen. Weiterhin ist auf sich stellende Problempunkte wie das Auslaufen verschiedener staatlicher Fördermittel des ÖPNV einzugehen (Kapitel 3). Im vierten Kapitel wird eine verkehrswissenschaftliche Betrachtung von bereits bestehenden „Nulltarifen im ÖPNV“ vorgenommen. Dabei werden verschiedene Werbekampagnen wie zum Beispiel die Aktion „Tübingen macht blau“ oder die Veranstaltung von autofreien Sonntagen und deren Wirkung auf die ÖPNV-Nutzung erörtert. Im Anschluss daran werden steuerfinanzierte „Nulltarife“ im Inund Ausland betrachtet. Als deutsches Beispiel ist dabei unter anderem der fahrscheinfreie Stadtverkehr in der brandenburgischen Stadt Templin anzuführen. Im internationalen Vergleich wird verstärkt das Augenmerk auf den steuerfinanzierten Nulltarif im ÖPNV der belgischen Stadt Hasselt und den fahrscheinfreien Nah­ verkehr in der estnischen Hauptstadt Tallinn gelegt (Kapitel 4). Ein Kernpunkt der Untersuchung liegt bei der Frage, ob und gegebenenfalls wie eine Umlagefinanzierung des ÖPNV durch die Erhebung einer „ÖPNV-Abgabe“ juristisch umzusetzen ist. Dafür ist zunächst herauszuarbeiten, was konkret unter einer solchen „ÖPNV-Abgabe“ zu verstehen ist und welche Ausgestaltung ihr zugrunde liegt. Im Anschluss daran stellt sich die Frage ihrer finanzverfassungsrechtlichen Umsetzung. Es muss zunächst geprüft werden, unter welchen spezifischen Abgabentypus die „ÖPNV-Abgabe“ subsumiert werden kann und welche konkreten Voraussetzungen zu erfüllen sind. Einzugehen ist zudem auf die Problematik der Zulässigkeit einer monatlich wiederkehrenden Abgabenerhebung. Ist ein geeigneter Abgabentypus gefunden worden, müssen geeignete Kriterien erarbeitet werden, bei deren Vorliegen von einer Einhaltung der (finanz-)ver­ fassungsrechtlichen Anforderungen auszugehen ist. Dabei kann auf Erkenntnisse aus bereits bestehenden Rechtsinstituten zurückgegriffen werden. Mit in die Überlegungen einzubeziehen sind vor allem die Kriterien des kommunalen Anschlussund Benutzungszwangs sowie die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Semesterticket und zum Rundfunkbeitrag, da all diese Rechtsinstitute Anknüpfungspunkte und Parallelen zu der Erhebung einer „ÖPNV-Abgabe“ aufweisen. Sind geeignete Kriterien für die Erhebung einer „ÖPNV-Abgabe“ gefunden worden, ist auf die Frage einzugehen, welche konkreten Abgabenschuldner in Anspruch genommen werden können und welche Abgabenhöhe (finanz-)verfassungsrechtlich zumutbar ist. Weiterhin ist die „ÖPNV-Abgabe“ aus verfassungsrechtlicher Sicht zu betrachten. Zu beleuchten ist dabei vor allem die Frage, ob durch die Erhebung der „ÖPNVAbgabe“ der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG berührt wird und ob eine solche Tangierung verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist. Zudem ist im Anschluss ein möglicher Eingriff in die persönliche Freiheitsentfaltung im vermögensrechtlichen Bereich aus Art. 2 Abs. 1 GG zu thematisieren.

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Kap. 1: Einführung

Am Ende der Untersuchung soll ein Gesetzesvorschlag für eine Ermächtigungsgrundlage zur Erhebung einer „ÖPNV-Abgabe“ stehen, in dem die im Laufe der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse verarbeitet werden (Kapitel 5).

Kapitel 2

Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV Die Beförderung von Personen ist in einem modernen Land wie der Bundesrepublik Deutschland ein zentraler Gegenstand des öffentlichen Interesses.1 Allein im Jahr 2016 wurden nach einer Statistik des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen insgesamt rund zehn Milliarden Fahrgäste mit dem ÖPNV im Bundesgebiet befördert.2 Dabei wurden über 90  Milliarden Personenkilometer zurückgelegt.3 Der ÖPNV ist daher – nicht nur wirtschaftlich betrachtet – „Lebensader“4 unserer Gesellschaft. Besonders deutlich wird die Bedeutung des ÖPNV dann, wenn dieser aufgrund von Baumaßnahmen oder Streiks nicht zur Verfügung steht.5 Nicht selten sind verstopfte Straßen und endlose Staus in den Ballungszentren die Folge.6 In Zahlen ausgedrückt müssten ohne den ÖPNV täglich über 18 Millionen Autofahrten mehr im Bundesgebiet getätigt werden.7

A. Bedeutung des ÖPNV Viele Menschen nutzen den ÖPNV, um in die Arbeit oder in die Stadt zu fahren, Kinder werden sicher zur Schule gebracht und Touristen können mit ihm die Stadt erkunden. Kurzum: Der ÖPNV verbindet. Seine Bedeutung in unserer Gesellschaft geht jedoch weit über die bloße Verbindung räumlich getrennter Bereiche8 hinaus. Als zentraler Bestandteil des Daseinsvorsorgeauftrags des Staates sichert er die Mobilität des einzelnen Bürgers und leistet einen erheblichen Beitrag zur Chancengleichheit. Aber auch in Bezug auf Gesichtspunkte des Umweltschutzes spielt der ÖPNV eine wichtige Rolle. Gerade in Ballungszentren ist der ÖPNV im 1

Vgl. auch Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht – Besonderer Teil 2, § 10 I Rn. 1. 2 VDV-Statistik 2016, S. 26; ähnlich auch Bormann/Bracher/Dümmler/et al., Neuordnung der Finanzierung des ÖPNV, S. 6. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen sowie der Verband der Bahnindustrie in Deutschland e. V. sprechen in ihrem gemeinsamen Positionspapier zur Finanzierung des ÖPNV in Deutschland (S. 2) sogar von einem „Erfolgsmodell“. 3 VDV-Statistik 2016, S. 28. 4 Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht – Besonderer Teil 2, § 10 I Rn. 1; Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 43. 5 Tödtmann/Schauer, NVwZ 2008, 1, 1. 6 Tödtmann/Schauer, NVwZ 2008, 1, 1. 7 VDV und VDB Positionspapier zur Finanzierung des ÖPNV in Deutschland, S. 2; VDV, Investitionen, die sich lohnen, S. 33. 8 Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 34.

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

Hinblick auf zunehmende Probleme des motorisierten Individualverkehrs unverzichtbar geworden, da der MIV allein die Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung nicht befriedigen könnte.9 Zudem wirken sich effiziente und preisgünstige öffentliche Verkehrssysteme auch sehr positiv auf das Wirtschaftswachstum aus.10 Arbeitnehmer und Unternehmer können sich schnell und kostengünstig fortbewegen, ohne dass andere Individualtransportmittel verfügbar gemacht werden müssen. Dies stellt einen erheblichen Vorteil für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und des Dienstleistungssektors dar.11 Der ÖPNV ist damit auch von erheblicher ökonomischer Bedeutung.12

I. ÖPNV als Teil der Daseinsvorsorge Die Daseinsvorsorge ist ein nicht mehr wegzudenkenden Bestandteil unserer Gesellschaft.13 Grundsätzlich stellt die Leistungsversorgung in einer freiheitlichen Ordnung keine Staatsaufgabe dar, sondern obliegt den Bürgern.14 Dennoch steht der Staat in der Pflicht, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Privaten ermöglichen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.15 Der von Ernst Forsthoff entwickelte Begriff der Daseinsvorsorge umschreibt die leistende Verwaltungstätigkeit von Bund, Ländern und insbesondere Gemeinden auf denjenigen Lebensfeldern, die für eine angemessene Lebensführung der Bürger erforderlich sind und auf denen freier Wettbewerb gerade nicht zu einer angemessenen Befriedigung der Bedürfnisse führen kann.16 Die Daseinsvorsorge knüpft dabei gerade nicht an das Merkmal der „Bedürftigkeit“ des Einzelnen an, sondern gilt grundsätzlich für jedermann.17 Hauptmerkmal der Daseinsvorsorge ist somit ihre Gemeinwohlorientiertheit.18 Nach allgemeiner Ansicht ist die Gewährleistung eines funktionstüchtigen ÖPNV ein wichtiger Bestandteil der Daseinsvorsorge.19 Begründet wird dies vor allem da 9

BT-Drucks. 12/6269, S. 136; Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 30. Mitteilung der Kommission, Für ein mobiles Europa, KOM(2006) 314 endg., S. 3; Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Vorbem. VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 19. 11 Mitteilung der Kommission, Für ein mobiles Europa, KOM(2006) 314 endg., S. 3; Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Vorbem. VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 19. 12 Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Vorbem. VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 19. 13 Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 47. 14 Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, HdStR IV, § 96 Rn. 4. 15 Vgl. Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, HdStR IV, § 96 Rn. 5; ebenso Hösch, Die kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 31 f. 16 Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, S. 4 ff.; Stender-Vorwachs, Staatliche Verantwortung für gemeinverträglichen Verkehr, S.  42; vgl. auch Zacher, in: Isensee/Kirchhof, HdStR II, § 28 Rn. 65. 17 Zacher, in: Isensee/Kirchhof, HdStR II, § 28 Rn. 65. 18 Bocklet, in: Mensch, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 12; Cox, in: Mensch, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 27. 19 Schon Forsthoff sah den ÖPNV als von der Daseinsvorsorge umfasst an, vgl. Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, S. 36 f.; Berschin, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb, S. 10; 10

A. Bedeutung des ÖPNV

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mit, dass Mobilität ein Grundbedürfnis des Menschen darstellt.20 Der Einzelne ist jedoch gerade nicht selbst dazu in der Lage, eine entsprechende Infrastruktur zu errichten, um diesem Grundbedürfnis ausreichend nachgehen zu können, sodass der Staat im Rahmen seines Daseinsvorsorgeauftrags in der Pflicht steht.21 Gestützt wird diese These auch von verschiedenen verfassungsrechtlichen Aspekten. 1. Kompetenzkatalog des Grundgesetzes Die Charakterisierung des ÖPNV als Aufgabe der Daseinsvorsorge kann nicht bereits aus der bloßen Existenz einer diesbezüglichen Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 und Nr. 23 GG22) geschlossen werden.23 Die Kataloge in den Art. 70 ff. GG dienen in erster Linie lediglich der Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern und nicht der Begründung von Staatsaufgaben.24 Dennoch können aus ihnen Rückschlüsse darauf gezogen werden, dass es sich um Bereiche handelt, mit denen sich der Staat beschäftigen kann.25 2. Grundrechte als Aufgabenzuweisung In erster Linie werden regelmäßig Grundrechte zur Begründung des Daseinsvorsorgeauftrages herangezogen. Diese dienen in ihrer klassisch-liberalen Funktion primär dazu, „die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Stender-Vorwachs, Staatliche Verantwortung für gemeinverträglichen Verkehr, S.  43; Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung, S. 1 f.; Rüfner, in: Isensee/ Kirchhof, HdStR IV, § 96 Rn. 7; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. März 1989, E 81, 312, 314; aber auch das Gesetz selbst ordnet den ÖPNV ganz klar der Daseinsvorsorge zu, vgl. dazu exemplarisch § 1 Abs. 1 RegG oder Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayÖPNVG. 20 Berschin, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb, S. 10; Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S.  22; vgl. auch Ronellenfitsch, DAR 1995, 241, 241, der sogar ein Grundrecht auf Mobilität annimmt. Siehe dazu auch Ronellenfitsch, DAR 1992, 321, 321 ff. und Ronellenfitsch, DAR 1994, 7, 7 ff.; ebenso Uerpmann-Wittzack, in: Isensee/Kirchhof, HdStR IV, § 89 Rn. 12, der ein Grundrecht auf Mobilität aus Art. 2 Abs. 1 GG ableitet. Auch die Europäische Kommission geht davon aus, dass Mobilität ein „grundlegendes Recht des Bürgers“ darstellt, vgl. dazu Mitteilung der Kommission, Für ein mobiles Europa, KOM(e006) 314 endg., S. 3. 21 Berschin, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb, S. 10. 22 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil  III, Gliederungsnummer 100–1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347) geändert worden ist. 23 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 27. 24 Vgl. Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, HdStR IV, § 96 Rn. 18; Stender-Vorwachs, Staatliche Verantwortung für gemeinverträglichen Verkehr, S. 14; Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 27. 25 Vgl. dazu Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, HdStR IV, § 96 Rn. 18, der dies allgemein für Bundeskompetenzen erläutert; zudem auch Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 27.

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

Gewalt zu sichern“.26 Sie gelten als Abwehrreche gegen jegliche Form staatlichen Handelns und somit auch im Bereich staatlicher Daseinsvorsorge.27 Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese verwaltungsförmig oder durch öffentliche Unternehmen erbracht wird.28 Die Funktion der Grundrechte geht jedoch über deren Eigenschaft als Abwehrrechte hinaus.29 Ihnen werden, meist unter Berufung auf ihren objektiv-rechtlichen Gehalt, auch sekundär positive Handlungspflichten des Staates entnommen.30 Das heißt jedoch nicht, dass Grundrechte originäre Leistungsansprüche vermitteln.31 Vielmehr werden solche vom Bundesverfassungsgericht im Regelfall verneint: „Die Grundrechte haben sich aus den im 18. Jahrhundert proklamierten Rechten der Freiheit und Gleichheit entwickelt. Ihr Grundgedanke war der Schutz des Einzelnen gegen den als allmächtig und willkürlich gedachten Staat. Im Wandel der Zeiten ist der Gedanke der Fürsorge des im Staat repräsentierten Volkes für den Einzelnen immer stärker und diese Fürsorge vor allem durch die Folgen des Zweiten Weltkriegs zu einer elementaren staatlichen Notwendigkeit geworden. Aber dieser – vergleichsweise neue – Gedanke des Anspruchs auf positive Fürsorge durch den Staat hat in die Grundrechte nur in beschränktem Maße Eingang gefunden“.32 Ein anderes Ergebnis kann sich aber dann ergeben, wenn ansonsten eine Grundrechtsausübung nicht möglich wäre.33 In solchen Fällen kann der Staat dazu angehalten sein, die freie Entfaltung der Bürger zu sichern, indem er reale Entfaltungsmöglichkeiten schafft.34 Zu begründen ist dies vor allem damit, dass sich in unserer heutigen Gesellschaft die Freiheit des Bürger als solche nicht mehr alleine durch das Freisein von staatlichen Eingriffen definiert.35 Vielmehr hängt die freie und autonome Lebensgestaltung meist von Faktoren ab, die der Einzelne nicht

26

BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958, E 7, 198, 204; Urteil vom 1. März 1979, E 50, 290, 337; Beschluss vom 31. Oktober 1984, E 68, 193, 205; Kloepfer, Verfassungsrecht II, § 48 Rn. 13 und 15; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HdStR IX, § 191 Rn. 2; Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 18; ausführlich zur Abwehrfunktion der Grundrechte vgl. auch Stern, Staatsrecht BRD III/1, § 66; Manssen, Staatsrecht II, Rn. 44; Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 27. 27 Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 182. 28 Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 182. 29 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1 Rn. 6; Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 185. 30 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1 Rn. 6; Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 185. 31 Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 186; Sachs, in: Sachs, GG, Vor Art. 1 Rn. 49. 32 BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 1951, E 1, 97, 104. 33 Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 186. 34 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 27; Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 186; Hesse, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der BRD, § 5 Rn. 25. 35 Hesse, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der BRD, § 5 Rn. 25; Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, HdStR IX, § 192 Rn. 31; vgl. auch Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 186.

A. Bedeutung des ÖPNV

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selbst erfüllen kann.36 Genau in diesen Fällen kann es die Aufgabe des Staates sein, diese Voraussetzungen zu schaffen und zu erhalten.37 Ansonsten würde der Einzelne zwar über „formale“ Freiheit verfügen, wäre jedoch materiell an deren Ausübung gehindert, da die notwendigen realen Bedingungen zur Freiheitsausübung nicht vorhanden sind.38 Gerade die Möglichkeit, sich fortzubewegen und temporäre Ortsveränderungen zu vollziehen, ist essentiell für die individuelle Lebensgestaltung und die Teilhabe am sozialen Leben.39 Die durch den ÖPNV gewährleistete Mobilität stellt nicht nur ein menschliches Urbedürfnis dar, sondern ist auch Grundvoraussetzung für die Ausübung von einigen bedeutenden Freiheitsrechten wie der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG40 oder der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG.41 Zu begründen ist dies damit, dass ein Versammlungsteilnehmer gerade faktisch nicht von seiner Versammlungsfreiheit Gebrauch machen kann, wenn es ihm aufgrund mangelnder Mobilität nicht möglich ist, der Versammlung beizuwohnen. Gleiches gilt für den Arbeitnehmer, der aufgrund von Art. 12 Abs. 1 GG zwar seinen Beruf und seinen Arbeitsplatz frei wählen darf, letzteren aber aus Mobilitätsgründen nicht erreichen kann.42 Aber nicht nur die Grundrechte aus Art. 8 und Art. 12 GG erfordern

36 Hesse, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der BRD, § 5 Rn. 25; Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, HdStR IX, § 192 Rn. 31; vgl. auch Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 186. 37 Hesse, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der BRD, § 5 Rn. 25; Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 186; Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, HdStR IX, § 192 Rn. 31. 38 Vgl. zu den Begriffen der „formalen“ und „materiellen“ Freiheit Murswiek, in: Isensee/ Kirchhof, HdStR IX, § 192 Rn. 31; Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 27. 39 Berschin, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb, S. 10; Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 27; Rodi, in: Rodi, Recht auf Mobilität, S. 2; Mahmoudi, Die Auswirkungen des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-280/00 Altmark Trans auf den ÖPNV, S. 90. 40 Der sachliche Schutzbereich von Art. 8 GG umfasst gerade auch die Anreise der Versammlungsteilnehmer zu der Versammlung, vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1991, E 84, 203, 209; ebenso Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 30; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 8 Rn. 33; Manssen, Staatsrecht II, Rn. 502; a. A. Kunig, in: v. Münch/ Kunig, GG, Bd. 1, Art. 8 Rn. 18, der davon ausgeht, dass die Anreise zur Versammlung nicht mehr dem Versammlungsbegriff unterfällt, wobei Art. 8 Abs. 1 GG dennoch auch insoweit Wirkungen entfalten solle. 41 Vgl. dazu Rodi, in: Rodi, Recht auf Mobilität, S. 2; Lott, Kommunale ÖPNV-Unternehmen im Wettbewerb, S. 77; ebenso Linke, die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 27. 42 Mit ähnlichem Beispiel Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 27; ebenso Lott, Kommunale ÖPNV-Unternehmen im Wettbewerb, S. 77; ausführlich zur Ausübung der Berufsfreiheit siehe auch Maaß, Der Wettbewerb im örtlichen Personenbeförderungswesen, S. 45 f.; Manssen, Staatsrecht II, Rn. 600 ff.; vgl. auch Manssen, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 12 Rn. 57, der „die gesamten rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen“ vom Schutz der Arbeitsplatzwahl mitumfasst sieht.

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

ein gewisses Maß an Mobilität. Auch zur umfassenden Nutzung des Eigentums (Art. 14 GG) – beispielweise am eigenen Haus – ist eine gute Verkehrsanbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oft unerlässlich.43 Die allgemeine Handlungsfreiheit, die in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet wird, weist ebenso eine gewisse Mobilitätskomponente auf.44 Der sachliche Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit erfasst grundsätzlich jedes menschliche Verhalten im umfassenden Sinne.45 Eine Eingrenzung durch qualitativ-wertende Merkmale findet gerade nicht statt.46 „Geschützt ist damit nicht nur ein begrenzter Bereich der Persönlichkeitsentfaltung, sondern jede Form menschlichen Handelns ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt“.47 Um diesem weiten Schutzbereich ausreichend Rechnung zu tragen, muss auch der Zugang zur Ausübung der geschützten Tätigkeiten mit Hilfe des ÖPNV mitumfasst werden.48 Die eigenständige Bedeutung des ÖPNV in diesem Kontext wird vor allem mit Blick auf die Tatsache deutlich, dass jährlich rund zehn Milliarden Fahrgäste den ÖPNV nutzen.49 Zudem belegt eine Statistik des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen, dass die Fahrgastzahlen im ÖPNV in den letzten zehn Jahren kontinuierlich angestiegen sind.50

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Vgl. dazu Maaß, Der Wettbewerb im örtlichen Personenbeförderungswesen, S. 46. Maaß, Der Wettbewerb im örtlichen Personenbeförderungswesen, S. 46; ebenso Ronellenfitsch, DAR 1992, 321, 323, der davon ausgeht, dass den meisten Grundrechten implizit ein Grundrecht auf Mobilität zugrunde liegt. 45 St. Rspr. seit BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957, E 6, 32, 36: „Das Grundgesetz kann mit der „freien Entfaltung der Persönlichkeit“ nicht nur die Entfaltung innerhalb jenes Kernbereichs der Persönlichkeit gemeint haben, der das Wesen des Menschen als geistig-sittliche Person ausmacht; denn es wäre nicht verständlich, wie die Entfaltung innerhalb dieses Kernbereichs gegen das Sittengesetz, die Rechte anderer oder sogar gegen die verfassungsmäßige Ordnung einer freiheitlichen Demokratie sollte verstoßen können. Gerade diese, dem Individuum als Mitglied der Gemeinschaft auferlegten Beschränkungen zeigen vielmehr, da[ss] das Grundgesetz in Art. 2 Abs. 1 GG die Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne meint“; exemplarisch dazu siehe auch BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994, E 90, 145, 171, BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 1994, E 91, 335, 338; Dreier, in: Dreier, GG Bd. I, Art. 2 Abs. 1, Rn. 26; Lang, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 2 Rn. 2; Manssen, Staatsrecht II, Rn. 237. 46 Vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 2 Abs. 1 Rn. 26. 47 BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989, E 80, 137, 152. 48 Vgl. dazu Maaß, Der Wettbewerb im örtlichen Personenbeförderungswesen, S. 46; ebenso Ronellenfitsch, DAR 1992, 321, 323. 49 Eine genaue Auflistung der Fahrgastzahlen im Öffentlichen Personenverkehr und ÖPNV in den Jahren 2006 bis 2015 findet sich in der VDV-Statistik 2016, S. 26. 50 Seit 2006 stiegen die Fahrgastzahlen um rund 8 Prozentpunkte an, vgl. dazu im Einzelnen die VDV-Statistik 2016, S. 26; ähnlich auch Neumann, Daseinsvorsorgeaufgabe Schienen­ personennahverkehr, S. 27. 44

A. Bedeutung des ÖPNV

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3. Sozialstaatsprinzip als Aufgabenzuweisung Die Gewährleistung eines funktionsfähigen ÖPNV im Rahmen der Daseinsvorsorge weist auch wichtige Bezüge zum Sozialstaatsprinzip auf.51 Diese in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Staatszielbestimmung52 beinhaltet im Wesentlichen die Forderungen nach sozialer Sicherheit und nach sozialem Ausgleich.53 Dementsprechend werden Hilfe gegen Not und Armut, ein menschenwürdiges Existenz­minimum für jedermann, mehr Gleichheit durch Abbau von Wohlstandsdifferenzen, die Kontrolle von Abhängigkeitsverhältnissen und wirtschaftliche Verhältnisse, die eine allgemeine Wohlstandsteilhabe ermöglichen, als die wichtigsten Ziele des „Sozialstaats“ verstanden.54 Das Sozialstaatsprinzip beinhaltet daher die Verpflichtung des Staates zur Herstellung sozialstaatlicher Freiheit.55 Er muss dafür sorgen, dass den Bürgern ihre grundrechtlich gewährten Freiheitsrechte nicht nur rein formell zustehen, da ihre Ausübung tatsächlich nur einem beschränkten Personenkreis möglich ist.56 Der Staat ist vielmehr dazu verpflichtet, die wirtschaftlich und infrastrukturell notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um jedem Bürger eine möglichst umfassende Entfaltungsmöglichkeit zu gewährleisten.57 Darunter fällt auch der verfassungsrechtliche Auftrag zur Infrastrukturverantwortung.58 Diese Verantwortung umfasst die staatliche Plicht, die für die Daseinsvorsorge notwendigen Einrichtungen bereitzustellen.59 Davon werden unter anderem die Einrichtungen zur Wasserversorgung, Verkehrswege, die Nahrungsmittelversorgung oder auch die Gewährleistung eines funktionstüchtigen ÖPNV erfasst.60 Es muss jedoch beachtet werden, dass das Sozialstaatsprinzip keinen „Verfassungsbefehl“ mit 51 Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 63; vgl. auch Werner, ZUR 1997, 12, 13. 52 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, Art. 20 Abs. 1 Rn. 103; Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 63; Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 11 Rn. 11; Benda, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der BRD, § 17 Rn. 116. 53 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, Art. 20 Abs. 1 Rn. 104; Detterbeck, Öffentliches Recht, Rn. 77; ebenso Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 192; vgl. auch Badura, DÖV 1968, 446, 446 f., der auf die „soziale Gerechtigkeit“ abstellt. 54 Zacher, in: Isensee/Kirchhof, HdStR II, § 28 Rn. 25; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 2, Art. 20 Abs. 1 Rn. 105. 55 Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 63. 56 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, Art. 20 Abs. 1 Rn. 111; Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 63; Benda, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der BRD, § 17 Rn. 94; speziell zum ÖPNV vgl. Werner, ZUR 1997, 12, 13. 57 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, Art. 20 Abs. 1 Rn. 111; Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 63; Benda, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der BRD, § 17 Rn. 94; speziell zum ÖPNV vgl. Werner, ZUR 1997, 12, 13. 58 Wittreck, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 30 f. 59 Wittreck, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 32. 60 Vgl. Wittreck, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 32; ebenso Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 11 Rn. 39; speziell zur Versorgung mit Verkehrsleistungen vgl. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 215; allgemein zu den Daseinsvorsorgeleistungen als Teil der Sozialstaatlichkeit siehe auch Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 194 f.

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

einem gegenständlich begrenzten und inhaltlich bestimmten Regelungsauftrag an den Gesetzgeber darstellt, sondern lediglich als „Verfassungsprogramm“ in Form eines sachlichen Richtsatzes angesehen werden kann, das den Gesetzgeber in eine gewisse Richtung lenkt.61 Es bleibt vielmehr stets der politischen Entscheidung des Gesetzgebers überlassen, über die konkrete Art und Weise der Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit und die damit verbundene Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips zu entscheiden.62 Unmittelbare Ansprüche des Einzelnen gegen den Staat können deshalb nicht aus dem Sozialstaatsprinzip abgeleitet werden.63 Da es sich um ein objektives Verfassungsprinzip handelt, kommt nur ausnahmsweise ein aus dem Sozialstaatsprinzip in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteter Anspruch des Bürgers in Betracht, „wenn der Gesetzgeber [seine Fürsorgepflicht] willkürlich, d. h. ohne sachlichen Grund [versäumt]“.64

II. Bedeutung des ÖPNV für den Umweltschutz Umweltschutz ist angesichts des voranschreitenden Klimawandels zu einem wichtigen Belang in unserem täglichen Leben geworden. Mit diesem „neuen“ Bewusstsein ging auch eine staats- und verfassungstheoretische Neubesinnung einher.65 Durch die Einfügung von Art. 20a in das Grundgesetz wurden die Staatszielbestimmungen um das Staatsziel des Schutzes der „natürlichen Lebensgrundlagen“66 und der „Tiere“67 „in Verantwortung für die künftigen Generationen“ ergänzt.68 Aber auch die internationale Staatengemeinschaft stellt sich den immer deutlicher werdenden Herausforderungen des Klimaschutzes. Aus diesem Grund wurde 61

Badura, DÖV 1968, 446, 449. Badura, DÖV 1968, 446, 449. 63 BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 1951, E 1, 97, 97 und 105; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 154; Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 193; Detterbeck, Öffentliches Recht, Rn. 78; Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 11 Rn. 76; speziell zum ÖPNV vgl. Werner, ZUR 1997, 12, 13. 64 BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 1951, E 1, 97, 97 und 105; Manssen, Staatsrecht II, Rn. 58; vgl. dazu auch Detterbeck, Öffentliches Recht, Rn. 78, der diesbzgl. beispielhaft auf das Hartz-IV-Urteil des BVerfG verweist. Das BVerfG ging in dieser Entscheidung davon aus, dass aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums abgeleitet werden könne. Dieser Anspruch erteile dem Gesetzgeber aber lediglich den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern, vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 9.  Februar 2010, E  125, 175, 222 ff. 65 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20a Rn. 2. 66 Vgl. dazu Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3146). 67 Vgl. dazu Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Tierschutz) vom 26. Juli 2002 (BGBl. I S. 2862). 68 Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20a Rn. 23; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. III, Art. 20a Rn. 19; Detterbeck, Öffentliches Recht, Rn. 79; Gärditz, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, GG Art. 20a Rn. 1. 62

A. Bedeutung des ÖPNV

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1997 das Kyoto Protokoll verabschiedet, das für die Industrie- und Transformations­ länder völkerrechtlich verbindliche Emissionsziele festlegt.69 Die in Annex B des Protokolls aufgeführten Industriestaaten haben sich in dessen Art.  3 dazu verpflichtet, die von ihnen emittierenden Treibhausgase in dem – mittlerweile abgelaufenen – Zeitraum 2008 bis 2012 um insgesamt fünf Prozent unter das Niveau des Jahres 1990 zu senken.70 Dabei übernahmen die einzelnen Länder jedoch nicht identische, sondern jeweils differenzierte, individuell ausgehandelte Reduktionspflichten.71 Die Emissionsreduktionsziele der Europäischen Union wurden im Rahmen des sog. „EU-Bubble“ zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten aufgeteilt.72 Die Bundesrepublik Deutschland hat sich zu einer Reduktion von 21 Prozent ihrer Treibausemissionen verpflichtet.73 Allerdings ist das Kyoto-Protokoll heute nicht mehr dazu in der Lage, die Begrenzung von Treibhausgasen suffizient zu regeln, da es nur noch die EU und einige wenige andere Industrieländer zu rechtlichen Emissionsminderungen verpflichtet.74 Damit werden durch das Kyoto-Protokoll ausschließlich Regelungen über weniger als 15 Prozent der globalen Emissionen getroffen.75 Mit dem Pariser Klimaübereinkommen sollte daher eine „neue Ära für den internationalen Klimaschutz“ eingeläutet werden.76 Zum ersten Mal in der Geschichte der internationalen Klimapolitik haben sich 195 Staaten77 weltweit und

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Haensgen, Das Kyoto-Protokoll, S. 18. Durner, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Umweltvölkerrecht Rn. 98; Haensgen, Das Kyoto-Protokoll, S. 18; Janik, Der Landkreis 2001, 508, 508. 71 Durner, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Umweltvölkerrecht Rn. 98. 72 Durner, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Umweltvölkerrecht Rn. 100. 73 Durner, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Umweltvölkerrecht, Rn.  100; vgl. dazu auch http://www.bmub.bund.de/themen/klima-energie/klimaschutz/internationale-klimapolitik/ kyoto-protokoll/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 74 Vgl. dazu die Ausführungen zur Klimakonferenz in Paris auf der Internetpräsenz des Bundesministeriums für Umwelt Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit unter http://www.bmub. bund.de/themen/klima-energie/klimaschutz/internationale-klimapolitik/pariser-abkommen/ #c331 80 (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 75 Vgl. dazu die Ausführungen zur Klimakonferenz in Paris auf der Internetpräsenz des Bundesministeriums für Umwelt Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit unter http://www.bmub. bund.de/themen/klima-energie/klimaschutz/internationale-klimapolitik/pariser-abkommen/ #c331 80 (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 76 Morgenstern/Dehnen, ZUR 2016, 131, 131. Ähnlich auch Schlacke, ZUR 2016, 65, 65 f., die von einer „wesentliche[n] Hürde im Kampf gegen den anthropogenen Klimawandel“ und von einem „Durchbruch in der internationalen Klimapolitik“ spricht. 77 Der derzeitige US-Präsident Donald Trump hat im Juni 2017 auf einer Pressekonferenz den Ausstieg der USA aus dem Pariser Übereinkommen verkündet. Vgl. dazu den Artikel der Süddeutschen Zeitung „Trump verkündet Ausstieg aus Pariser Klimaabkommen“ vom 1. Juni 2017, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/politik/eil-trump-verkuendet-ausstieg-aus-pariserklimaschutzabkommen-1.3531507 (letzter Abruf: 31. Januar 2018). Bereits im Jahr 2014 hatte Trump in einem seiner „Tweets“ auf der Internetplattform Twitter verkündet, dass er nichts von der Klimaerwärmung halte („This very expensive GLOBAL WARMING bullshit has got to stop. Our planet is freezing, record low temps, and our GW scientists are stuck in ice“), siehe dazu Wegener, ZUR 2017, 193, 194. 70

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

die Europäische Union auf ein 29 Artikel umfassendes Übereinkommen geeinigt.78 Dieses enthält unter anderem die Verpflichtung der Unterzeichnungsstaaten dahingehend, den Anstieg der globalen Mitteltemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Niveau „well below“ – d. h. deutlich unter 2 °C – zu halten und Anstrengungen für eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu unternehmen.79 Zudem wurde das Ziel der Treibhausneutralität für die zweite Hälfte des Jahrhunderts definiert.80 Insgesamt kann „[d]as Pariser Übereinkommen […] als Signal der Staatengemeinschaft an die gegenwärtige und zukünftige Menschheit verstanden werden, sich nunmehr ernsthaft dem Problem des anthropogenen Klimawandels zu widmen“.81 Vor diesem Hintergrund und den klimapolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung, die auch eine weitgehende Dekarbonisierung des Verkehrssektors82 bis zum Jahr 2050 umfassen, ist dem ÖPNV eine Schlüsselstellung bei der Erreichung dieser Ziele beizumessen.83 Gerade in Städten und Ballungszentren herrscht meist eine große Überlastung durch ein hohes Aufkommen an MIV.84 Damit gehen nicht nur schlechte Luftqualität und eine erhöhte Lärmbelästigung, sondern auch erhebliche Gesundheitsrisiken einher.85 Auf den Stadtverkehr entfallen rund ein Viertel aller verkehrsbedingten CO2-Emissionen und 69 Prozent der Verkehrsunfälle.86 Das Ziel nachhaltiger Umweltpolitik liegt daher darin, das hohe Maß an Mobilität zu bewahren und dennoch eine Verringerung des Verkehrsaufkommens zu erreichen.87 Der ÖPNV leistet einen wichtigen Beitrag dazu88 und ist im Gegensatz zum MIV deutlich umweltverträglicher.89 Vergleicht man ÖPNV und MIV miteinander, so fällt auf, dass der Energieverbrauch pro Kopf im ÖPNV deutlich geringer ausfällt als im MIV und 78

Schlacke, ZUR 2016, 65, 65; Böhringer, ZaörV 2016, 753, 753. Ähnlich auch Morgenstern/ Dehnen, ZUR 2016, 131, 131. Siehe dazu auch die Informationen auf der Internetpräsenz der Europäischen Kommission unter https://ec.europa.eu/clima/policies/international/negotiations/ paris_de (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 79 Schlacke, ZUR  2016, 65, 65; Morgenstern/Dehnen, ZUR  2016, 131, 131; Böhringer, ­ZaörV 2016, 753, 760. 80 Morgenstern/Dehnen, ZUR 2016, 131, 131. 81 Schlacke, ZUR 2016, 65, 66. 82 Vgl. dazu auch Umweltbundesamt, Treibhausgasneutrales Deutschland im Jahr 2050, S. 104 ff. 83 BT-Drucks. 18/9433, S. 1. 84 Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 308; Rodi, in: Rodi, Recht auf Mobilität, S. 3. 85 Weißbuch der Europäischen Kommission, Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum, KOM(2011) 144 endg., S. 9; vgl. auch Rodi, in: Rodi, Recht auf Mobilität, S. 3. 86 Weißbuch der Europäischen Kommission, Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum, KOM(2011) 144 endg., S. 9. 87 Rodi, in: Rodi, Recht auf Mobilität, S. 5. 88 Neumann, Daseinsvorsorgeaufgabe Schienenpersonennahverkehr, S. 34; Borrmann, Ausschreibungen im Schienenpersonennahverkehr, S. 31; vgl. auch Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 306; vgl. auch BT-Drucks. 18/9433, S. 1. 89 Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Vorbem. VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 19.

A. Bedeutung des ÖPNV

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auch eine vergleichsweise geringe Fläche für die Verkehrswege benötigt wird.90 Zudem trägt ein leistungsfähiger ÖPNV durch entsprechende Nachfragesteuerung und Flächennutzungsplanung zur Verringerung des Verkehrsaufkommens bei.91 Durch Investitionen in alternative Antriebssysteme und Kraftstoffe bei den Flotten städtischer Busse können weiterhin ein wesentlicher Beitrag zur Verringerung der CO2-Intensität des Stadtverkehrs geleistet sowie neue umweltfreundliche Technologien getestet und erprobt werden.92 Insgesamt kann somit festgestellt werden, dass der ÖPNV grundsätzlich einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz leisten kann. Um jedoch signifikante Erfolge erzielen zu können, muss der ÖPNV gerade in Ballungszentren so ausgebaut und modernisiert werden, dass er von der Bevölkerung als attraktive Alternative zur Benutzung des eigenen PKWs angesehen wird.93 Die durch eine Reform der Finanzierung des ÖPNV neu geschaffene finanzielle Stabilität und Sicherheit würde die Möglichkeit bieten, das Streckennetz auszubauen und den ÖPNV zu modernisieren. Dadurch würde die Nutzung des ÖPNV nicht nur für die Bevölkerung attraktiver, sondern wäre auch umweltpolitisch erstrebenswert.

III. Soziale Bedeutung des ÖPNV Der ÖPNV dient jedoch nicht nur der Sicherstellung der Mobilität oder dem Umweltschutz, sondern übernimmt auch eine wichtige soziale Funktion.94 Nach einer Statistik des Kraftfahrtbundesamts waren rund 45 Millionen Personenkraftwagen zum 1. Januar 2017 in Deutschland zugelassen.95 Daraus ergibt sich, dass rund 45 Prozent der Bevölkerung Deutschlands – also knapp jedem Zweiten – kein eigener PKW zur Verfügung steht, wobei jedoch nicht davon ausgegangen werden

90 Neumann, Daseinsvorsorgeaufgabe Schienenpersonennahverkehr, S. 34; Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 306. 91 Weißbuch der Europäischen Kommission, Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum, KOM(2011) 144 endg., S. 9; Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 44. 92 Weißbuch der Europäischen Kommission, Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum, KOM(2011) 144 endg., S. 9. 93 Vgl. Schade, in: Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 11, der jedoch für sich zu dem Ergebnis kommt, dass Umweltschutzgründe keine tauglichen Ziele für den Ausbau des ÖPNV seien, da diesbezüglich am Straßenverkehr angesetzt werden müsse; Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 307. 94 Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 304; Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 35; a. A. Siekmann, in: Püttner, ÖPNV in Bewegung, S. 105 ff., der davon ausgeht, dass Verkehrspolitik nicht die Aufgabe der „Beförderung sozialer Gerechtigkeit“ habe; vergleichbar auch Heinze, Der Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen und Aspekte künftiger Regulierung des ÖPNV unter Berücksichtigung der EG-Verordnung 1893/91, S. 127. 95 Statistik des deutschen Kraftfahrtbundesamts zum Fahrzeugbestand, abrufbar unter: http:// www.kba.de/DE/Statistik/Fahrzeuge/Bestand/bestand_node.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018).

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

kann, dass der PKW-Bestand gleichmäßig über die Bevölkerung verteilt ist.96 Durch einen funktionsfähigen ÖPNV kann die Mobilität von Personengruppen gewährleistet werden, die sich nicht durch den MIV fortbewegen können.97 Dieser soziale Aspekt wird dadurch verstärkt, dass bestimmte Benutzerkategorien wie Schüler, Studenten, Menschen mit Behinderung oder Rentner regelmäßig den ÖPNV zu Vorzugstarifen98 nutzen können.99 Zusammenfassend kann damit festgestellt werden, dass der ÖPNV einen großen Beitrag zur Chancengleichheit im täglichen Leben leistet. Dies ist gerade hinsichtlich der Verteuerung des MIV durch steigende Energiepreise und Anschaffungskosten nicht zu unterschätzen.100

IV. Wirtschaftliche Bedeutung des ÖPNV In den letzten Jahren hat sich die europäische Verkehrsnachfrage zusammen mit dem Bruttoinlandsprodukt erhöht, wodurch die starke Wechselbeziehung zwischen Verkehr und wirtschaftlicher Entwicklung verdeutlicht wird.101 Wie bereits angesprochen102 stellt die durch den ÖPNV geschaffene Mobilität eine grundlegende Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und des Dienstleistungssektors dar.103 Der ÖPNV dient zudem der Steigerung der Attraktivität der Stadt und der Lebensqualität ihrer Bewohner.104 Gerade die Innenstädte von großen Ballungszentren sind aufgrund der hohen Verkehrsdichte durch den MIV meist nur schwer oder nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung erreichbar.105 Ein leistungsstarker ÖPNV, der an diesem Defizit ansetzt, ist für die „Lebensfähigkeit“ der Innenstädte 96 Vgl. Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 305; dem Statistischen Bundesamt zufolge besaßen zu Beginn des Jahres rund ein Viertel aller privaten Haushalte in Deutschland kein Auto, vgl. dazu die Pressemittelung des Statistischen Bundesamts abrufbar unter: https://www.destatis. de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/zdw/2009/PD09_037_p00.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018); ähnlich auch die Zahlen von Preisendörfer/Rinn, Haushalte ohne Auto, S. 8. 97 Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 35; vgl. auch Ambrosius, in: Schwedes/Canzler/Knie, Handbuch Verkehrspolitik, 449, 454, der von einem Abzielen „auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ spricht; ähnlich auch Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 304; Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Vorbem. VO (EG) Nr. 1370/2008, Rn. 19; Schink/Kuhn/Rühl, Der Landkreis 2001, 438, 441. 98 Vgl. § 45a PBefG, §§ 145 ff. SGB IX, näheres dazu unter Kapitel 3 A. II. 1. a) aa) bzw. Kapitel 3 A. II. 1. a) bb). 99 Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 35; Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Vorbem. VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 19; vgl. auch Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 304. 100 Vgl. Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 43. 101 Henrichs/Maguire/Asquith, Die Umwelt in Europa, Synthesebericht (SOER 2015), S. 99. 102 Siehe bereits unter F. Bedeutung des ÖPNV. 103 Mitteilung der Kommission, Für ein mobiles Europa, KOM(2006) 314endg., S. 3; Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Vorbem. VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 19. 104 Vgl. Bodewig, Der Landkreis 2001, 491, 491; Heinze, Der Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen und Aspekte künftiger Regulierung des ÖPNV unter Berücksichtigung der EG-Verordnung 1893/91, S. 128; Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 307. 105 Vgl. dazu auch Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 308.

B. Begriff und Rechtsquellen des ÖPNV

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unverzichtbar geworden.106 Die Qualität des ÖPNV wird nicht selten deshalb auch zu einem Standortfaktor im Wettbewerb um Investitionen und Arbeitsplätze.107 Aber auch in Bezug auf den Tourismus kommt dem ÖPNV eine entscheidende Rolle zu. Nicht selten werden in Großstädten und Metropolen ÖPNV-Angebote mit anderen Freizeitaktivitäten kombiniert, um das Angebot attraktiver zu gestalten.108 Insgesamt kann daher festgestellt werden, dass dem ÖPNV gerade in Ballungsräumen eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung zukommt.

B. Begriff und Rechtsquellen des ÖPNV Obwohl sich der Begriff ÖPNV perfekt in unsere Alltagssprache integriert hat, erschließt sich seine exakte juristische Bedeutung nicht ohne Weiteres aus sich selbst heraus.109 In den Rechtsquellen des ÖPNV haben sich verschiedene Begriffsbestimmungen herausgebildet.

I. Begriffsbestimmung ÖPNV im Allgemeinen Eine Annäherung an den Begriff des ÖPNV im Allgemeinen kann durch Abgrenzung der unterschiedlichen Verkehrsarten voneinander erfolgen. Um den MIV vom ÖPNV abzugrenzen, muss zunächst geklärt werden, wann es sich um „öffentlichen“ Verkehr handelt.110 Während der Verkehrsteilnehmer beim MIV ihm persönlich, zeitlich und räumlich frei zur Verfügung stehende Verkehrsmittel nutzt, ist beim öffentlichen Verkehr entscheidend, dass dieser für jeden Nutzer in der Bevölkerung frei zugänglich ist.111 Der öffentliche Verkehr kann dann wiederum in Personen- und Güterverkehr sowie Nah- und Fernverkehr unterteilt werden.112 Unter Personenverkehr werden sämtliche innerhalb des öffentlichen Verkehrs stattfindende Beförderungen von Personen verstanden.113 Demgegenüber liegt Güterverkehr vor, wenn Güter aller Art auf den verschiedenen Verkehrswegen (Straße, 106

Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 307. Bodewig, Der Landkreis 2001, 491, 491; Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 308; Siekmann, in: Püttner/Metz, ÖPNV in Bewegung, S. 105. 108 Die München CityTourCard ermöglicht beispielsweise die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel des MVV und zudem bei ausgewählten Partnern unter Vorlage der CityTourCard Rabatte, freie Eintritte, Souvenirs oder kostenlose Aufmerksamkeiten zu erhalten, http://www. citytourcard-muenchen.com (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 109 Vgl. Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 295. 110 Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S.  18; Resch, Branchenanalyse: Zukunft des ÖPNV, S. 12. 111 Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 18; vgl. auch Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 45; Ambrosius, in: Schwedes/Canzler/Knie, Handbuch Verkehrspolitik, 449, 449. 112 Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 18. 113 Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 18. 107

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

Schiene, Wasser und Luft) öffentlich transportiert werden.114 Zwischen Nah- und Fernverkehr wird anhand von Entfernungsstufen unterschieden.115 Dient die Verkehrsverbindung nicht mehr hauptsächlich dazu, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr zu befriedigen, so kann von Fernverkehr ausgegangen werden.116 In Anlehnung an den Rechtsgedanken der § 2 Abs. 5 Satz 2 AEG117, § 8 Abs. 1 Satz 2 PBefG118 sowie § 2 Satz 2 RegG119 ist dies regelmäßig dann der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eine Gesamtreiseweite von 50 km oder eine Reisezeit von einer Stunde überschritten wird.120 Zum ÖPNV zählt nicht nur der straßengebundene öffentliche Personennah­ verkehr, sondern auch der öffentliche Schienenpersonennahverkehr.121 Während Schienenpersonennahverkehr die allgemein zugängliche Beförderung von Personen in Zügen meint, vgl. § 2 Abs. 5 Satz 1 AEG, versteht man unter ÖPNV die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 PBefG.122

II. Rechtsquellen des ÖPNV 1. Bundesebene Auf der Bundesebene dienen hauptsächlich das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) und das Regionalisierungsgesetz (RegG) als Rechtsquellen für den ÖPNV. Hinzu kommt das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) für den Schienenpersonennahverkehr.

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Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 18; vgl. auch Werner, Nach der Regionalisierung, S. 6; zur Definition des Güterkraftverkehrs siehe auch § 1 Abs. 1 GüKG sowie Mielchen, in: Buschbell, Münchener Anwaltshandbuch Straßenverkehrsrecht, § 55 Rn. 3. 115 Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 18. 116 Vgl. dazu auch die Legaldefinition in § 2 S. 1 RegG; ebenso Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 18. 117 Allgemeines Eisenbahngesetz vom 27.  Dezember 1993 (BGBl.  I. S.  2378, ber. 1994 I S. 2439), zuletzt durch Artikel 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) geändert worden ist. 118 Personenbeförderungsgesetz vom 8. August 1990 (BGBl. I S. 1690), das zuletzt durch Artikel 2 Abs. 14 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) geändert worden ist. 119 Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs vom 27.  Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378), das zuletzt durch Artikel 19 Abs. 23 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist. 120 Vgl. auch Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 18; ebenso Werner, Nach der Regionalisierung, S. 6. 121 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 44; Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 18 f. Zum schienengebundenen ÖPNV vgl. auch Götz, Die Organisation des regionalisierten ÖPNV, S. 21. 122 Vgl. dazu auch Werner, Nach der Regionalisierung, S. 6; Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 18 f.; Götz, Die Organisation des regionalisierten ÖPNV, S. 21.

B. Begriff und Rechtsquellen des ÖPNV

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a) Regionalisierungsgesetz des Bundes (RegG) Gemäß Art. 70 Abs. 1 und Art. 30 GG liegt die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung der Daseinsvorsorge im öffentlichen Personenverkehr bei den Ländern123, sodass dem Bundesgesetzgeber grundsätzlich keine Kompetenz zur Begründung einer Rechtspflicht der Länder zur Daseinsvorsorge im ÖPNV oder zur eigenständigen Regelung des Bereichs der Daseinsvorsorge im ÖPNV zukommt.124 Diesem Umstand wird hinsichtlich des Regionalisierungsgesetzes dahingehend Rechnung getragen, dass sich dieses auf Verweise auf das Landesrecht und die Formulierung von Programmsätzen beschränkt.125 Eigenständiger Regelungsgehalt kommt dem Regionalisierungsgesetz lediglich bezüglich der Verteilung der Transfermittel des Bundes auf die Länder zu.126 Diesbezüglich steht dem Bund auch die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 106a Satz 2 GG zu.127 Das Regionalisierungsgesetz kann aufgrund seines Regelungsgehalts in zwei Abschnitte aufgeteilt werden.128 Der erste Teil – bestehend aus den §§ 1 bis 4 RegG – wird durch konzeptionelle Erwägungen geprägt.129 Er beinhaltet in § 1 Abs. 1 RegG einen gesetzlichen Gewährleistungsauftrag130, der die ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV sicherstellen soll. Gleichzeitig stellt § 1 Abs. 1 RegG klar, dass es sich dabei um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge handelt. Diese gesetzliche Wertung stellt die besondere Bedeutung des ÖPNV für das Funktionieren unserer modernen Gesellschaft heraus.131 § 2 RegG enthält eine Legaldefinition132 des ÖPNV und dient somit der Begriffsbestimmung.133 § 3 Satz 1 RegG normiert das gesetzgeberische Ziel, zur Stärkung der Wirtschaftlichkeit der Verkehrsbedienung im ÖPNV die Zuständigkeiten für Planung, Organisation und Finanzierung des ÖPNV zusammenzuführen. Die nähere Ausgestaltung wurde dabei den Ländern durch einen bundesgesetzlichen Auftrag zur Regionalisierung des gesamten ÖPNV überlassen.134 Den Ländern wurde dabei jedoch ein sehr weiter Ausgestaltungsspielraum gelassen, da die Gesetzesformu-

123

Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 9; vgl. ausführlich zu den Gesetzgebungskompetenzen für den ÖPNV: Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 114 ff. 124 Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 115. 125 Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 9. 126 Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 9. 127 Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 9; ausführlich zu Art. 106a GG siehe unter Kapitel 3 A. II. 2. a) aa) (2) (c). 128 Vgl. Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 391. 129 Vgl. Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 391. 130 Werner, ZUR 1997, 12, 13.  131 Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 391. 132 Vgl. dazu auch Müller Kabisch, Umlagefinanzierung für den fahrscheinlosen ÖPNV, WD 4 – 3000 – 268/12, S. 5. 133 Vgl. dazu näher unter Kapitel 2 B. II.1. a) bb). 134 Muthesius, in: Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 77; Bauer, PBefG, § 8 Rn. 6; Muthesius, in: Püttner, ÖPNV in Bewegung, S. 15.  

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

lierung lediglich einem Programmsatz entspricht.135 § 4 RegG statuiert, dass für die Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung im ÖPNV die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007136 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße maßgeblich ist. Der zweite Abschnitt (§§ 5 und 6) des Regionalisierungsgesetzes beschäftigt sich mit den finanzrechtlichen Fragestellungen.137 Während § 5 RegG sich damit befasst, welcher konkrete Betrag138 den Ländern zusteht, schreibt § 6 RegG vor, für welche Zwecke – insbesondere die Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs – die zugesprochenen Leistungen verwendet werden müssen.139 aa) Sicherstellungsauftrag des § 1 Abs. 1 RegG § 1 Abs. 1 RegG statuiert, dass die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV eine Aufgabe der Daseinsvorsorge140 ist und zeigt damit die gesetzgeberische Wertung, „dass die Leistungen im ÖPNV dem Gemeinwohl dienen“.141 Daraus folgt jedoch nicht, dass die Verkehrsleistungen im ÖPNV auch durch die Verwaltung bzw. durch öffentliche Unternehmen erbracht werden müssen.142 Vielmehr ist die in § 1 Abs. 1 RegG geregelte Aufgabe der Daseinsvorsorge in der Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung zu sehen.143 bb) Definition ÖPNV nach dem Regionalisierungsgesetz Eine allgemein gefasste Legaldefinition des Begriffs ÖPNV ist in § 2 Satz  1 RegG enthalten.144 Danach versteht man unter ÖPNV die allgemein zugängliche 135 Muthesius, in: Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 77; Batzill/Zuck, Personenbeförderungsrecht im Spannungsfeld von Bahnstrukturreform, S. 22 f. 136 Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates. 137 Vgl. Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 391. Ausführlich zu den finanzrechtlichen Fragestellungen des RegG siehe unter Kapitel 3 A. II. 2. a). 138 Den Ländern steht für den ÖPNV aus dem Steueraufkommen des Bundes für das Jahr 2016 ein Betrag in Höhe von 8 Milliarden Euro zu. Dieser wird ab dem Jahr 2017 bis einschließlich des Jahres 2031 jährlich um 1,8 Prozent ansteigen, vgl. § 5 Abs. 2, Abs. 3 RegG. 139 Ausführlich zu den Mitteln des Regionalisierungsgesetzes vgl. unter Kapitel 3 A. II. 2. a). 140 Ausführlich zur Bedeutung des ÖPNV als Teil der Daseinsvorsorge siehe unter Kapitel 2 A. I. 141 Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 30; vgl. auch Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 393. 142 Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 31. 143 Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 31. 144 Vgl. dazu auch Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 29; Grätz, in: Fielitz/ Grätz, PBefG, § 8 Rn. 4; Hermanns/Hönig, LKV 2002, 206, 206 f.; Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 9.

B. Begriff und Rechtsquellen des ÖPNV

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Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist gemäß § 2 Satz 2 RegG im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 km oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt. Diese Definition ist sehr weit gefasst und umfasst nicht nur den Straßenpersonennahverkehr, sondern auch den Schienenpersonennahverkehr und darüber hinausgehend auch liniengebundene Sonderformen wie Bahnen besonderer Bauart und Fähren.145 „Sie hat den Zweck, eine eindeutige Zuweisung der einzelnen Verkehrsleistungen zum Nah- oder zum Fernverkehr zu ermöglichen und so eine klare Zuordnung der Aufgaben- und Finanzverantwortung treffen zu können“.146 Angesichts des eigentlichen Regelungsgehalts des Regionalisierungsgesetzes – nämlich die Regelung der Höhe und Verteilung der Transfermittel des Bundes auf die Länder sowie die Regelung einer Zweckbestimmung für die Verwendung der zur Verfügung gestellten Mittel durch die Länder – kommt dem ÖPNV-Begriff aus § 2 RegG lediglich in Bezug auf die Verwendungsbindung der Bundesmittel eigenständige Bedeutung zu.147 Die Legaldefinition des § 2 Satz 1 RegG stellt die erste formelle Definition des ÖPNV-Begriffs dar.148 Sie wurde in Anlehnung an § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG149, § 61 Abs. 1 SchwbG150 sowie Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69151 entwickelt.152 In § 61 Abs. 1 des SchwbG in der Fassung vom 26. August 1986 hieß es bereits: „Nahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist der öffentliche Personen­verkehr 145 Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 29; Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 297; ähnlich auch Siekmann, in: Püttner, ÖPNV in Bewegung, S. 105; vgl. auch ausführlich dazu Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 5. 146 BT-Drucks. 12/6269, S. 136; vgl. auch Barth, in: Baumeister, ÖPNV II, A2 Rn. 10. 147 Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 10. 148 BT-Drucks. 12/6269, S. 136, die § 2 RegG als „bislang noch fehlende […] allgemein gefaßte Begriffsbestimmung für den ÖPNV“ einstuft; Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 24; vgl. auch Götz, Die Organisation des regionalisierten ÖPNV, S. 18; vgl. auch Fromm, TransportR 1994, 425, 426; Gabler, ÖPNV in Bayern, S. 4 und 7.  149 Umsatzsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21a 2005 (BGBl. I S. 386), das zuletzt durch Art. 11 Abs. 35 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745) geändert worden ist. 150 Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl. I S. 1421, 1550), zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 19. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3158) und aufgehoben mit Wirkung vom 1. Juli 2001 durch Gesetz vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046); zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen siehe nun das Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX). 151 Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom 16. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs (ABl.  L 156 vom 28.  Juni 1969, S. 1), endgültig aufgehoben durch Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zum 3. Dezember 2010. 152 Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 24; vgl. auch Fromm, TransportR 1994, 425, 426; Gabler, ÖPNV in Bayern, S. 4 f.

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

mit Straßenbahnen und Obussen i. S. d. Personenbeförderungsgesetzes (Nr.  1), Kraftfahrzeugen im Linienverkehr nach den §§ 42 und 43 des Personenbeförderungsgesetzes auf Linien, bei denen die Mehrzahl der Beförderungen eine Strecke von 50 km nicht übersteigt (Nr. 2)[…]“.153 Mit ähnlicher Definition des ÖPNV enthält § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG eine Ermäßigung der Umsatzsteuer auf sieben Prozent für „die Beförderung von Personen im Schienenbahnverkehr, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen […] a)  innerhalb einer Gemeinde oder b)  wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 km beträgt“.154 Das Tatbestandsmerkmal der „Befriedigung der Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr“ wurde aus Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 entnommen: „Im Sinne dieser Verordnung bedeutet […] ‚Stadt- und Vorortverkehrsdienste‘ der Betrieb von Verkehrsdiensten, die die Verkehrsbedürfnisse sowohl in einem Stadtgebiet oder einem Ballungsraum als auch zwischen einem Stadtgebiet oder einem Ballungsraum und seinem Umland befriedigen und ‚Regionalverkehrsdienste‘ der Betrieb von Verkehrsdiensten, um die Verkehrsbedürfnisse in einer Region zu befriedigen“.155 b) Personenbeförderungsgesetz (PBefG) Das heute wohl zentrale Gesetz in Bezug auf den ÖPNV stellt das Personenbeförderungsgesetz dar.156 Es dient der Regelung der öffentlich-rechtlichen Verhältnisse der entgeltlichen und geschäftsmäßigen Personenbeförderung mit den auf den Straßen verwendeten Verkehrsmitteln.157 Das Personenbeförderungsgesetz behandelt daher gewerberechtliche und damit in Zusammenhang stehende Fragen der Verkehrssicherheit und des Verwaltungsverfahrens.158 Systematisch betrachtet, stellt es somit ein aus der Gewerbeordnung159 abgeleitetes Spezialgesetz dar.160 Das Personenbeförderungsgesetz erfuhr durch Art. 1 des am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften vom 14. Dezember 2012161 teilweise erhebliche Änderungen.162 Darunter 153

Vgl. dazu auch Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 24. Vgl. dazu auch Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 24. 155 Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 24 f.; Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 19. 156 Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 21. 157 Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, Einführung S. 1. 158 BGH, Urteil vom 4.  Juni 1986, VRS  71, 245, 248; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 1 PBefG Rn. 1; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 1. 159 Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S. 202), die durch Art. 1 des Gesetzes vom 17. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3562) geändert worden ist. 160 Vgl. Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 22; Heinze, in: Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, § 8 Rn. 1. 161 BGBl. I. S. 2598. 162 Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 1 PBefG Rn. 1a. 154

B. Begriff und Rechtsquellen des ÖPNV

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fallen vor allem Regelungen zur Gewährung von Ausgleichsleistungen für Verkehrsleistungen, die Anforderungen an die Vergabe von öffentlichen Aufträgen zur Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten sowie die Liberalisierung des Omnibusfernlinienverkehrs.163 Diese Änderungen wurden durch die am 3. Dezember 2009 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße veranlasst, da dadurch Anpassungen an das nationale Personenbeförderungsgesetz notwendig wurden.164 aa) Geltungsbereich des Personenbeförderungsgesetzes Dem sachlichen Geltungsbereich des PBefG unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 PBefG die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Oberleitungsbussen (Obusse)  und Kraftfahrzeugen.165 Der Geltungsbereich erstreckt sich zudem auf den grenzüberschreitenden Verkehr (§ 52 PBefG) und den Transitverkehr (§ 53 PBefG) sowie auf die Personenbeförderung außerhalb öffentlicher Straßen, wie dies beispielsweise bei dem Verkehr innerhalb eines Flughafens der Fall ist.166 Die Regelung des § 1 PBefG ist jedoch nicht abschließend. Neben der Beförderung von Personen werden auch Baumaßnahmen für Straßenbahnen und Obusse (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 PBefG) sowie planfeststellungsbedürftige Betriebsanlagen für Straßenbahnen (§§ 28, 28a PBefG) von dem Gegenstand des Gesetzes erfasst.167 Die Beförderung von Personen stellt die Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit des Personenbeförderungsgesetzes dar. Darunter versteht man „das Fortbewegen von Fahrgästen mit Hilfe von Fahrzeugen von einem Ort zum anderen, ohne da[ss] es darauf ankommt, welchem Zweck die Beförderung dient“.168 Die bloße Zurverfügungstellung eines Fahrzeugs wie dies beispielsweise bei einer Autovermietung der Fall ist, ist nicht ausreichend.169 Es ist vielmehr ein darüberhinausgehender Fahrgast-Transport durch den Unternehmer notwendig.170 Falls bei der Personenbeförderung auch Gepäckstücke, ähnliche Sachen oder Tiere mit 163

Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 1 PBefG Rn. 1. Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 1 PBefG Rn. 1. 165 Zum sachlichen Geltungsbereich des PBefG vgl. auch Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, Einführung S. 1 sowie § 1 PBefG Rn. 1 ff.; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 1 ff.; Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 1 PBefG Rn. 1 ff.; Heinze, in: Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, § 1 Rn. 1 ff. 166 Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 1 PBefG Rn. 1. 167 Heinze, in: Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, § 1 Rn. 1. 168 KG Berlin, Beschluss vom 30. Juli 1984, VRS 67, 276, 276; vgl. zum Begriff der Personenbeförderung auch H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 101; Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 1 PBefG Rn. 2; Bauer, PBefG, Teil A § 1 PBefG Rn. 3. 169 H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 101. 170 H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 101. 164

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

befördert werden, so wird dadurch der Charakter der Personenbeförderung nicht verändert.171 Dies gilt selbst dann, wenn die Beförderung der Gegenstände den eigentlichen Vertragsschwerpunkt darstellt und die beförderte Person lediglich die Gegenstände begleitet.172 Zudem muss die Personenbeförderung entgeltlich oder geschäftsmäßig erfolgen, um dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 PBefG zu unterfallen. Gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs.  1 Satz  1 PBefG („oder“) ist bereits das Vorliegen einer der beiden Tatbestandsalternativen für die Eröffnung des Anwendungsbereichs ausreichend.173 Ob die Beförderung entgeltlich oder geschäftsmäßig erfolgt, beurteilt sich nach der Interessenlage des für die Beförderung Verantwortlichen.174 Auf die Interessenlage des Fahrers oder Kraftfahrzeughalters kommt es somit nicht an.175 „Entgeltlich ist die Beförderung, wenn sie für [eine] Gegenleistung gewährt wird“.176 Der Begriff der Entgeltlichkeit wird weit ausgelegt, sodass davon nicht nur Geldleistungen im Rahmen einer Fahrpreisentrichtung erfasst werden, sondern auch Zuschüsse, Beiträge sowie Natural-, Werk- und Dienstleistungen.177 Wirtschaftliche Vorteile jedweder Art sind ausreichend.178 „Geschäftsmäßig handelt, wer beabsichtigt, die Tätigkeit in gleicher Art zu wiederholen und dadurch zu einem wiederkehrenden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen“.179 Entscheidend abgestellt wird dabei auf den inneren Willen und nicht auf die Frage, ob dieser auch tatsächlich verwirklicht werden kann.180 Gewerbsmäßiges Handeln, insbesondere

171 KG Berlin, Beschluss vom 30. Juli 1984, VRS 67, 276, 277; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 106; Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 1 PBefG Rn. 2. 172 KG Berlin, Beschluss vom 30. Juli 1984, VRS 67, 276, 276 f.; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 106. 173 BayVGH, Beschluss vom 1. Februar 2008 – 11 CS 07.1695 –, juris Rn. 8; VG Ansberg, Urteil vom 11. September 2003, GewArch 2004, 252, 252 f.; BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 1993, VRS 85, 239, 239; BGH, Beschluss vom 14. Mai 1981, BGHZ 80, 303, 307; ebenso H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 126. 174 H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 146. 175 BGH, Urteil vom 28. Mai 1991, BGHZ 114, 348, 351 f. 176 KG Berlin, Beschluss vom 30. Juli 1984, VRS 67, 276, 277; vgl. auch BT-Drucks. 3/255, S. 24; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 131; Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 1 PBefG Rn. 4. 177 Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 1 PBefG Rn. 4; H. Bidinger/R. Bidin­ ger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 131. 178 BGH, Urteil vom 14. Mai 1981, BGHZ 80, 303, 306 f.; Urteil vom 28. Mai 1991, BGHZ 114, 348, 352; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 131. 179 KG Berlin, Beschluss vom 30. Juli 1984, VRS 67, 276, 277; ebenfalls BGH, Urteil vom 14. Mai 1981, BGHZ 80, 303, 305; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 131; Heinze, in: Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, § 1 Rn. 9. 180 H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 146; Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 1 PBefG Rn. 6.

B. Begriff und Rechtsquellen des ÖPNV

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das Vorliegen von Gewinnerzielungsabsicht, ist gerade nicht notwendig.181 Dementsprechend sind die Begriffe der Entgeltlichkeit und Geschäftsmäßigkeit im Vergleich zur Gewerbsmäßigkeit im Sinne des allgemeinen Gewerberechts, die eine auf Gewinnerzielungsabsicht gerichtete und auf Dauer angelegte selbständige Tätigkeit voraussetzt182, weiter gefasst.183 bb) Definition ÖPNV nach dem PBefG Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes ist nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 PBefG „die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen“. Dies ist gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 PBefG im Zweifel dann der Fall, „wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 km oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt“. Diese Legaldefinition wurde durch das Eisenbahnneuordnungsgesetz in das PBefG eingefügt und ist grundsätzlich im Zusammenhang mit § 2 RegG und § 2 Abs. 5 AEG einzuordnen.184 Zu beachten ist jedoch, dass sich § 8 Abs. 1 PBefG auf bestimmte Verkehrsträger beschränkt, wohingegen eine solche Eingrenzung in dem weiter gefassten Regionalisierungsgesetz nicht zu finden ist.185 Zu den erfassten Verkehrsträgern zählen Straßenbahnen, Obusse und Kraftfahrzeuge, vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 PBefG.186 Diese werden in § 4 PBefG näher definiert.187 Zusammenfassend kann demnach festgestellt werden, dass § 8 Abs. 1 PBefG „den Begriff der Personenbeförderung im Nahverkehr als besondere Form der verkehrlichen Dienstleistung vom Oberbegriff der allgemeinen Personenbeförderung“ abgrenzt.188 181 Vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Mai 1981, BGHZ 80, 303, 305; Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 1 PBefG Rn. 6; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 146. 182 Zur st. Rspr. vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2008, NJW 2008, 1974, 1974; Urteil vom 26. Januar 1993, NVwZ 1993, 775, 775; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 127. 183 H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 1 PBefG Rn. 127. 184 Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 8 PBefG Rn. 4; vgl. auch Hermanns/Hönig, LKV 2002, 206, 206 f.; Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 8 PBefG Rn. 1; Heinze, in: Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, § 8 Rn. 9; vgl. auch Bormann/Bracher/Dümmler/et al., Neuordnung der Finanzierung des ÖPNV, S. 7. 185 Winnes, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 8 Abs. 1 PBefG Rn. 1; Winnes, Der Ordnungsrahmen im deutschen Nahverkehr, S. 39; Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 29. 186 Vgl. dazu auch Winnes, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 8 Abs. 1 PBefG Rn. 4; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 8 PBefG Rn. 4. 187 Vgl. dazu auch Winnes, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 8 Abs. 1 PBefG Rn. 4; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 8 PBefG Rn. 4. 188 Winnes, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 8 Abs. 1 PBefG Rn. 7.

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

Über § 8 Abs. 2 PBefG wird auch der Verkehr mit Taxen oder Mietwagen eingeschränkt in die Definition des ÖPNV miteinbezogen.189 Damit soll dem – auch „in Räumen und Zeiten schwacher Verkehrsnachfrage“ – bestehenden Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung getragen werden, wodurch eine Differenzierung des Angebots und eine größere Flexibilität der Linienverkehre notwendig erscheint.190 Diesen Anforderungen kann und soll nach Auffassung des Gesetzgebers „ohne großen Aufwand und ohne Subventionen“ durch die Einbeziehung der bereits vorhandenen Kapazitäten des Taxen- und Mietwagengewerbes in den Linienverkehr entsprochen werden.191 Dies gilt jedoch nur insoweit der Verkehr mit Taxen oder Mietwagen eine der in Abs. 1 genannten Verkehrsarten ersetzt, ergänzt oder verdichtet.192 Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 PBefG ist jedoch leider missverständlich gewählt, da im Ergebnis jede weitere Verkehrsoption das genannte Verkehrsangebot zumindest ergänzt oder verdichtet.193 Eine solche extensive Erweiterung der ÖPNV-Definition war jedoch vom Gesetzgeber nicht gewollt; gemeint waren vielmehr sog. flexible Bedienformen, die in der Regel nicht als Taxen- oder Mietwagenverkehr eingestuft werden und die Fahrzeuge der genannten Verkehrsarten im Linienverkehr einsetzen.194 Diese zeichnen sich durch ein hohes Maß an zeitlicher und/oder räumlicher Flexibilität aus.195 Als Beispiele für einen Ersatz, eine Ergänzung oder eine Verdichtung für Straßenbahnen, Obusse oder Kraftfahrzeuge können unter anderem folgende verkehrliche Sonderformen angeführt werden: Linien-Taxen, die auf einer Verkehrslinie anstelle von Straßenbahnen oder Bussen verkehren; Anruf-Sammel-Taxen, bei denen Fahrgäste auf Bestellung basierend auf einem Fahrplan gesammelt von festgelegten Haltestellen bis nach Hause befördert werden, oder Anschluss-Linien-Taxen, bei denen Taxi- oder Mietwagenfahrzeuge den letzten Teil der Leistung auf einer Verkehrslinie erbringen.196 Der Vollständigkeit halber zu nennen sind zudem die Sonderformen des Anschluss-Linien-Taxis und des Taxi-Ruf-Services.197

189 Vgl. dazu ausführlich Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 8 Abs. 2 PBefG Rn. 1; Bauer, PBefG, § 8 Rn. 7; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 8 PBefG Rn. 6; Siekmann, in: Püttner, ÖPNV in Bewegung, S. 106; vgl. auch Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 13. 190 BT-Drucks. 12/6269, S. 142 f. 191 BT-Drucks. 12/6269, S. 142 f. 192 Vgl. dazu ausführlich Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 8 Abs. 2 PBefG Rn. 1 ff.; Bauer, PBefG, § 8 Rn. 7; vgl. auch Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 8 PBefG Rn. 6, der einige Beispiele für flexible Sonderformen aufzeigt; vgl. auch BT-Drucks. 12/6269, S. 143. 193 Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 8 Abs. 2 PBefG Rn. 3; Fromm/Sellmann/ Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 8 PBefG Rn. 3; Bauer, PBefG, § 8 Rn. 7. 194 Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 8 Abs. 2 PBefG Rn. 3; Grätz, in: Fielitz/ Grätz, PBefG, § 8 PBefG Rn. 6. 195 Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 8 Abs. 2 PBefG Rn. 4. 196 Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 8 Abs. 2 PBefG Rn. 4; Grätz, in: Fielitz/ Grätz, PBefG, § 8 PBefG Rn. 6; Siekmann, in: Püttner, ÖPNV in Bewegung, S. 106. 197 Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 8 Abs. 2 PBefG Rn. 4; Grätz, in: Fielitz/ Grätz, PBefG, § 8 PBefG Rn. 6.

B. Begriff und Rechtsquellen des ÖPNV

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cc) Beteiligte Am ÖPNV sind nach der Konzeption des Personenbeförderungsgesetzes Verkehrsunternehmen, Genehmigungsbehörden und Aufgabenträger beteiligt.198 Diese drei Hauptakteure im ÖPNV sind nicht rechtlich identisch, auch wenn in der Praxis die Kommunen als Aufgabenträger oft auch zugleich als Betreiber von Verkehrsdiensten fungieren und damit faktisch selbst als Verkehrsunternehmer tätig werden.199 (1) Genehmigungsbehörde Der Betrieb von Personennahverkehrsleistungen im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes bzw. des Allgemeinen Eisenbahngesetzes bedarf einer Genehmigung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 PBefG bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 AEG.200 Es handelt sich dabei um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt in Ausnahme zur grundsätzlich bestehenden Gewerbefreiheit, das der Gefahrenabwehr dient und von objektiven und subjektiven Zulassungsvoraussetzungen sowie Berufsausübungsregelungen abhängt.201 Die Erteilung der erforderlichen Genehmigung erfolgt durch die Genehmigungsbehörde,202 deren sachliche Zuständigkeit sich nach Landesrecht richtet, vgl. § 11 Abs. 1 PBefG.203 Dafür wurden von den Ländern Zuständigkeitsverordnungen erlassen, die die Zuweisung der verschiedenen Aufgaben an die nach der jeweiligen Landesorganisation zuständige Behörde regeln.204 In Bayern ist dies durch § 15 ZustV205 geschehen. Genehmigungsbehörden in Bayern sind nach § 15 Abs. 2 ZustV die Kreisverwaltungsbehörden für den Gelegenheitsverkehr mit Personenkraftwagen in Form von Ausflugsfahrten, Ferienziel-Reisen sowie Taxiund Mietwagenverkehr (Nr. 1) und in allen übrigen Fällen die Regierungen (Nr. 2). Die örtliche Zuständigkeit der Genehmigungsbehörden ist bundeseinheitlich in den Absätzen 2 bis 4 von § 11 PBefG geregelt.206 Die Genehmigungsbehörden regeln 198

Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 396. Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 396. 200 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 46. 201 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S.  46; Fehling, Die Verwaltung 2001, 25, 28; zu den Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens vgl. Wachinger/ Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 89 ff.; Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 430 ff.; Hermanns/Hönig, LKV 2002, 206, 208 ff. 202 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 49. 203 Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 11 PBefG Rn. 1 f.; Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 46; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 11 PBefG S. 2; Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 88; Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 38; Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 9. 204 Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 11 PBefG Rn. 2. 205 Zuständigkeitsverordnung vom 16. Juni 2015 (GVBl. S. 184), BayRS 2015–1-1-V, die zuletzt durch § 2 der Verordnung vom 12. September 2017 (GVBl. S. 490) geändert worden ist. 206 Vgl. dazu ausführlich Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 11 PBefG Rn. 3 ff.; H. Bidinger/ R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 11 PBefG S. 2 ff. 199

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

jedoch nicht nur den Marktzugang im ÖPNV, sondern üben auch die gewerberechtliche Aufsicht nach § 54 PBefG aus.207 (2) Aufgabenträger Unter Aufgabenträgern versteht man diejenigen Behörden, die für die Aufgabe der Daseinsvorsorge im ÖPNV nach § 1 Abs. 1 RegG zuständig sind.208 Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 PBefG obliegt ihnen die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV. Dazu definieren sie die Anforderungen an Umfang und Qualität des Verkehrsangebots, dessen Umweltqualität sowie die Vorgaben für die verkehrsmittelübergreifende Integration der Verkehrsleistungen in einem Nahverkehrsplan, § 8 Abs. 3 Satz 2 PBefG. Gemäß § 1 Abs. 2 RegG bestimmen die Bundesländer diejenigen Stellen, die die Aufgabenträgerschaft übernehmen.209 Im öffentlichen Straßenpersonennahverkehr wurden dafür überwiegend die kreisfreien Städte sowie die Landkreise gewählt.210 (3) Verkehrsunternehmen Die Beförderungsleistungen im ÖPNV werden überwiegend von öffentlichen Verkehrsunternehmen, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, und von privaten Unternehmen erbracht.211 Ihre Aufgabe ist es, die Planung und den Betrieb des Verkehrs im Rahmen der Rechtsordnung zu übernehmen.212 Dazu zählen 207 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 55; Grätz, in: Fielitz/ Grätz, PBefG, § 54 PBefG Rn. 2a f. 208 Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S.  88; Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 55; ähnlich auch Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 5; Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 9. 209 Vgl. dazu auch Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 55 f. 210 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 56; Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 197; Wachinger, Das Recht des Markzugangs im ÖPNV, S. 9; zu den Regelungen in den einzelnen Bundesländern vgl. die ÖPNV-Gesetze der Länder: Baden-Württemberg § 6 Abs. 1 Satz 1 ÖPNVG BW; Bayern Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayÖPNVG; Berlin § 3 Abs. 1 Satz 1 ÖPNVG BE; Brandenburg § 3 Abs. 3 Satz 1 ÖPNVG BB; Bremen § 6 BremÖPNVG; Hessen § 5 Abs. 1 Satz 1 ÖPNVG HE; Mecklenburg-Vorpommern § 3 Abs. 3 ÖPNVG M-V; Niedersachsen § 4 NNVG; Nordrhein-Westfalen § 3 Abs. 1 ÖPNVG NRW; Saarland § 5 Abs. 2 Satz 1 SaarlÖPNVG; Sachsen § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsÖPNVG; Sachsen-Anhalt § 4 Abs. 1 ÖPNVG LSA; Schleswig-Holstein § 2 Abs. 2 Satz 1 ÖPNVG SH; Thüringen § 3 Abs. 1 Satz 1 ThürÖPNVG. Zur konkreten Ausgestaltung in Bayern siehe unter Kapitel 2 B. II. 2. c). Ausführlich zu den Zuständigkeiten der Aufgabenträger im Schienenpersonennahverkehr Sellmann, NVwZ 1996, 857, 862. 211 Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 33; Frenz, ZUR 1997, 1, 2 f.; Scheele/ Sterzel, ÖPNV zwischen Gemeinwohlinteressen und Markt, S. 15; Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 32. 212 Hermanns/Hönig, LKV 2002, 206, 207 f.

B. Begriff und Rechtsquellen des ÖPNV

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nicht nur das reine Erbringen von Verkehrsleistungen, das Marketing und der Vertrieb, sondern auch Bau, Planung, Unterhaltung und Management der Infrastruktur sowie die Bereitstellung der Fahrzeuge und deren Instandhaltung.213 Aber auch die Verkehrsplanung und das Management des gesamten ÖPNV-Systems zählen zu den Aufgaben der Verkehrsunternehmen.214 2. Die ÖPNV-Gesetze der Länder, insbesondere das BayÖPNVG Durch die Bahnstrukturreformgesetze wurden den Ländern eine Vielzahl von Entscheidungen in eigener Regelungskompetenz auf dem Gebiet des ÖPNV übertragen.215 So obliegt ihnen unter anderem die genaue Ausgestaltung des Nahverkehrsplans sowie die Bestimmung der Aufgabenträger und der Genehmigungsbehörden.216 Da die Neuordnung des ÖPNV zum 1. Januar 1996 in Kraft treten sollte, musste die Verabschiedung der Nahverkehrsgesetze der Länder im Laufe des Jahres 1995 erfolgen.217 Dies wurde auch von allen Ländern – mit Ausnahme von Hamburg, das eine gesetzliche Regelung aufgrund seiner Eigenschaft als Stadtstaat nicht für erforderlich hielt – eingehalten.218 Die einzelnen Ländergesetze weichen zum Teil bei der Aufgabenzuweisung und bei der Bestimmung der Aufgabenträgerschaft voneinander ab.219 Während der ÖPNV in manchen Bundesländern als Pflichtaufgabe220 ausgestaltet ist, wird er in anderen Ländern lediglich als freiwillige Aufgabe221 213

Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 11. Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 11. 215 Muthesius, in: Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 82; ebenso Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 446. 216 Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 446; Scheele/Sterzel, ÖPNV zwischen Gemeinwohlinteressen und Markt, S. 44. 217 Muthesius, in: Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 82; Werner, Nach der Regionali­ sierung, S. 5; Muthesius, in: Püttner, ÖPNV in Bewegung, S. 15; Sellmann, NVwZ 1996, 857, 861. 218 Muthesius, in: Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S.  82; Muthesius, in: Püttner, ÖPNV in Bewegung, S. 15 Fn. 9; Sellmann, NVwZ 1996, 857, 861 f.; vgl. auch die Fundstellen der ÖPNV-Gesetze der Länder: Baden-Württemberg, GBl 1995, S. 417 und 604; Bayern, GVBl 1994, S. 1052, GVBl 1995, S. 863; Berlin, GVBl 1995, S. 390; Brandenburg GVBl 1994, S. 252; Bremen, GBl 1995, S. 317; Hessen, GVBl 1996, S. 50; Mecklenburg-Vorpommern, GVBl  1995, S.  550; Niedersachsen, GVBl  1995, S.  180; Nordrhein-Westfalen, GVBl  1995, S. 196, GVBl 1996, S. 234; Rheinland-Pfalz, GVBl 1995, S. 450; Saarland, Abl 1996, S. 74; Sachsen, GVBl 1995, S. 412 und S. 449; Sachsen-Anhalt, GVBl 1995, S. 339; Schleswig-Holstein, GVBl 1995, S. 261; Thüringen, GVBl 1995, S. 357. 219 Bauer, PBefG, § 8 Rn. 6. 220 So in Berlin, vgl. § 3 Abs. 1 ÖPNVG BE; Brandenburg, vgl. § 3 Abs. 1 ÖPNVG BB; Bremen, vgl. § 6 Abs. 1 BremÖPNVG; Hessen, vgl. § 5 Abs. 1 ÖPNVG HE; Mecklenburg-Vorpommern, vgl. § 3 Abs. 1 ÖPNVG M-V; Sachsen-Anhalt, vgl. § 1 Abs. 2 ÖPNVG LSA; Thüringen, vgl. § 3 Abs. 2 ThürÖPNVG. 221 So in Bayern, vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayÖPNV; Baden-Württemberg, vgl. Art. 5 ÖPNVG BW; Nordrhein-Westfalen, vgl. § 3 Abs.  1 Satz  2 ÖPNVG NRW; Rheinland-Pfalz, vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 NVG RP; Saarland, vgl. § 5 Abs. 3 SaarlÖPNVG; Sachsen, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsÖPNVG; Schleswig-Holstein, vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 ÖPNVG SH. 214

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

verstanden.222 Weiterhin beinhaltet jedes Landesgesetz der einzelnen Bundesländer eine dem § 2 RegG bzw. § 8 Abs. 1 PBefG entsprechende Definition des ÖPNV.223 Im Folgenden soll der Fokus jedoch auf das Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern (BayÖPNV)224 gelegt werden. a) Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern Das Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern wurde am 9. Dezember 1993 vom Bayerischen Landtag verabschiedet und trat am 1. Januar 1994 in Kraft.225 Da durch das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993 die Aufgaben- und Finanzverantwortung vom Bund auf die Länder übertragen wurde,226 musste zur Regelung der Einzelheiten eine landesgesetzliche Grundlage geschaffen werden.227 Da der Schienenpersonennahverkehr im Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern in seiner Fassung vom 24. Dezember 1993 nicht oder zumindest nur am Rande Berücksichtigung fand, erschien eine diesbezügliche Ergänzung des Gesetzes „zweckmäßig und notwendig“.228 Dabei hat sich der Gesetzgeber vor allem von drei Grundsätzen leiten lassen: Zunächst wurde eine schrittweise Verbesserung der Qualität und Quantität des Leistungsangebots im Schienenpersonennahverkehr angestrebt.229 Weiterhin sollte der Schienenpersonennahverkehr mit dem allgemeinen ÖPNV der Kommunen unter besonderer Berücksichtigung der spezifischen Probleme vor Ort verknüpft werden.230 Dies sollte durch eine Optimierung der Schnittstellen zwischen den ÖPNV-Systemen geschehen, um ein integriertes Gesamtverkehrssystem von Schiene und Straße zu erreichen, das mit deutlichen Leistungssteige-

222 Bauer, PBefG, § 8 Rn. 6; vgl. wohl auch Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 36 f. 223 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 ÖPNVG BW, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayÖPNVG, § 1 Abs. 1 Satz 1 ÖPNVG BE (Verweis auf das PBefG), § 1 Abs.  1 Satz  2 ÖPNVG BB, § 1 Abs.  2 Satz  1 BremÖPNVG, § 2 Abs. 1 Satz 1 ÖPNVG HE, § 1 Abs. 1 Satz 1 ÖPNVG M-V, § 1 Abs. 2 Satz 1 NNVG, § 1 Abs. 2 Satz 1 ÖPNVG NRW, § 1 Abs. 2 NVG RP, § 1 Abs. 2 Satz 1 SaarlÖPNVG, § 1 Abs. 1 Satz 1 SächsÖPNVG, § 2 Abs. 1 Satz 1 ÖPNVG LSA, § 1 Abs. 2 Satz 1 ÖPNVG SH (Verweis auf § 2 RegG), § 1 Abs. 2 Satz 1 ThürÖPNVG. 224 Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Juli 1996 (GVBl. S. 336, BayRS 922–1-W), zuletzt geändert durch § 1 Nr. 428 Verordnung zur Anpassung des Landesrechts an die geltende Geschäftsverteilung vom 22. Juli 2014 (GVBl. S. 286). 225 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Einl. S. 17. 226 Vgl. zur Bahnstrukturreform und den damit einhergehenden Gesetzesänderungen unter Kapitel 3 A. II. 2. a) aa). 227 LT-Drucks. Bayern 13/2783, S. 7. 228 LT-Drucks. Bayern 13/2783, S. 7; vgl. auch Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Einl. S. 19. 229 LT-Drucks. Bayern 13/2783, S. 7; vgl. auch Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Einl. S. 20. 230 LT-Drucks. Bayern 13/2783, S. 7; vgl. auch Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Einl. S. 20.

B. Begriff und Rechtsquellen des ÖPNV

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rungen für den Einzelnen einhergehen sollte.231 Schließlich sollte auch Wert auf eine Beteiligung der kommunalen Aufgabenträger des allgemeinen ÖPNV bei der Planung, Organisation und Durchführung des Schienenpersonennahverkehrs gelegt werden.232 Gleichzeitig sollten jedoch auch die Kommunen im Rahmen ihrer Nahverkehrsplanungen den Schienenpersonennahverkehr in notwendigem Umfang berücksichtigen.233 b) Definition ÖPNV nach dem BayÖPNVG Wie bereits gezeigt wurde, wird der Begriff des ÖPNV ebenfalls in § 8 Abs. 1 PBefG234 und § 2 RegG235 definiert. Allerdings besteht zwischen beiden Definitionen eine marginale Abweichung, da diese an der spezifischen Zielsetzung des jeweiligen Gesetzes orientiert sind, sodass es gerade keine allgemein gültige bundesrechtliche Definition gibt.236 Der bayerische Gesetzgeber hat sich deswegen dazu entschieden, eine eigene landesrechtliche Begriffsdefinition zu wählen, die sich jedoch sehr eng an der bundesgesetzlichen Regelung des Regionalisierungsgesetzes anlehnt.237 Nach der Legaldefinition des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayÖPNVG versteht man unter ÖPNV die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt ist, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Dies ist nach Satz 2 im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 km oder die gesamte Reisezeit eine Stunde in der Regel nicht übersteigt. Dementsprechend gliedert sich der ÖPNV in den allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr und den Schienenpersonennahverkehr, Art. 1 Abs. 1 Satz 3 BayÖPNVG.238 Während unter den allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr die Beförderung mit Straßenbahnen, Hoch- und Untergrundbahnen, Bahnen besonderer Art sowie Omnibusse und Kraftfahrzeuge im Linienverkehr (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayÖPNVG) fallen, zählt zum Schienenpersonennahverkehr die Beförderung mit Zügen der Eisenbahnen (Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayÖPNVG). Sofern mit Taxen oder Mietwägen der Verkehr – in der in den Absätzen 1 und 2 genannten Art – ersetzt, ergänzt oder verdichtet wird, unterfällt dieser auch dem allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr, Art. 1 Abs. 3 ­BayÖPNVG. Letztendlich kann dem Inhalt der Begriffsbestimmung in Art.  1

231

LT-Drucks. Bayern 13/2783, S. 7; vgl. auch Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Einl. S. 20. LT-Drucks. Bayern 13/2783, S. 7; vgl. auch Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Einl. S. 20. 233 LT-Drucks. Bayern 13/2783, S. 7; vgl. auch Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Einl. S. 20. 234 Vgl. ausführlich zur Legaldefinition in § 8 Abs. 1 PBefG unter Kapitel 2 B. II. 1. b) bb). 235 Zur Legaldefinition des § 2 RegG vgl. auch unter Kapitel 2 B. II. 1. a) bb). 236 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Einl. S. 21. 237 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Einl. S.  21; vgl. auch LT-Drucks. Bayern 13/2783, S. 7. 238 Vgl. dazu auch Gabler, ÖPNV in Bayern, S. 6. 232

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

­ ayÖPNVG jedoch nur deklaratorische Bedeutung beigemessen werden, da leB diglich festgeschrieben wurde, was bundesweit bereits als ÖPNV galt.239 c) Aufgabenträger für den allgemeinen ÖPNV Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayÖPNVG stellt klar, dass die Planung, Organisation und Sicherstellung des allgemeinen ÖPNV eine freiwillige Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Gemeinden im eigenen Wirkungskreis darstellt. Diese wird von den Gebietskörperschaften im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit durchgeführt, wobei sich diese dabei Dritter – insbesondere privater Planungsbüros und privater Verkehrs­ ayÖPNVG. unternehmen – bedienen sollen, vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 B Mit der Aufgabenträgerschaft der Landkreise und der kreisfreien Städte wurde den gewachsenen Verkehrsströmen und nahverkehrlichen Verflechtungen Rechnung getragen, die in der Regel die Grenzen der Leistungsfähigkeit einer einzelnen Gemeinde überschritten hätten.240 Damit wollte man Abstimmungs- und Zuordnungsprobleme vermeiden, die durch die  – im Regelfall gebotene  – Zusammenarbeit aller betroffenen Gemeinden in Form eines Zweckverbandes entstanden wären.241 Weiterhin hat sich der Gesetzgeber angesichts der finanziellen Dimension dazu entschlossen, die Aufgabe des ÖPNV als freiwillige Aufgabe auszugestalten.242 Freiwillige Aufgaben zeichnen sich gerade dadurch aus, dass dem Aufgabenträger ein (Entschließungs-) Ermessen dahingehend zukommt, ob und – wenn ja – wie er tätig werden möchte.243 Damit berücksichtigte der Gesetzgeber den Umstand, dass es letztendlich den Aufgabenträgern selbst überlassen werden muss, wie sie den ÖPNV auf ihrem Gebiet planen, organisieren und finanzieren möchten.244 Damit wurde nicht nur der kommunalen Planungshoheit, der Verfassungsrang245 zukommt, Rechnung getragen, sondern es fanden auch die finanziellen Belange der Landkreise, Städte und Gemeinden Berücksichtigung, da diese eine Vielzahl von – zum Teil sehr kostenintensiven – Aufgaben aus eigenen Mitteln tragen müssen.246

239 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 1, S. 21; zu den weiteren Hintergründen siehe auch unter Kapitel 2 B. II. 2. c) aa). 240 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 8, S. 39. 241 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 8, S. 39. 242 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 8, S. 39. 243 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 341; Röhl, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, Kapitel 1 Rn. 62; Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 97. 244 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 8, S. 40. 245 Manssen, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 4 Rn. 14; Oldiges, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, III Rn. 25; Krebs, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, Kapitel 4 Rn. 18. 246 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 8, S. 40.

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aa) Landkreise und kreisfreie Gemeinden Art.  83 Abs.  1 BV definiert den örtlichen Verkehr als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden. Darunter versteht man den Verkehr innerhalb einer Gemeinde einschließlich des öffentlichen Nahverkehrs.247 Daraus würde grundsätzlich nur die Zuständigkeit kreisangehöriger und kreisfreier Gemeinden resultieren, nicht jedoch die Zuständigkeit der Landkreise,248 da den Gemeinden grundsätzlich die universale sachliche Kompetenz für „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ (Aufgabenallzuständigkeit, Art.  28 Abs.  2 Satz  1 GG) zusteht.249 Diese werden in der grundlegenden Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts definiert als „diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen; auf die Verwaltungskraft der Gemeinde kommt es hierfür nicht an“.250 Vor der Änderung des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern konnten die Landkreise somit nur mittels einer Hilfskonstruktion über die Art. 5 und Art.  51 LKrO251 herangezogen werden.252 Man argumentierte dabei damit, dass die Landkreise für den überörtlichen ÖPNV zuständig seien, wobei diese Argumentation keine ausdrückliche Grundlage im Gesetzestext fand.253 Angesichts dieser unklaren Rechtslage und dem enormen Kostenaufwand, der mit der Aufgabenträgerschaft einherging, verneinten viele Landkreise ihre Zuständigkeit.254 Mit der ausdrücklichen Regelung der Zuständigkeiten für den allgemeinen ÖPNV in Art. 8 BayÖPNVG wurde die bestehende rechtliche Unsicherheit und damit eine Hauptursache für den – zu dieser Zeit bestehenden – unbefriedigenden Zustand des ÖPNV beseitigt.255

247 Holzner, in: PdK Verfassung des Freistaats Bayern, Bd. A1, Art. 83 BV Rn. 20; vgl. auch in Bezug auf Straßenbahnen BayVerfGH, Beschluss vom 20. Juni 1956, E 9, 114, 118 ff. 248 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Vorbemerkung vor Art. 9, S. 38. 249 Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 61; Becker, in: Becker/Heckmann/ Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 2 Rn. 56. 250 BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988, E 79, 127, 151 f.; vgl. dazu auch Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 2 Rn. 55; Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 61. 251 Landkreisordnung für den Freistaat Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. S. 826) BayRS 2020–3-1-I, die zuletzt durch Art. 17a Abs. 3 des Gesetzes vom 13. Dezember 2016 (GVBl. S. 335) geändert worden ist. 252 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Vorbemerkung vor Art. 8, S. 38. 253 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Vorbemerkung vor Art. 8, S. 38. 254 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Vorbemerkung vor Art. 8, S. 38. 255 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Vorbemerkung vor Art. 8, S. 38.

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

bb) Kreisangehörige Gemeinden Den kreisangehörigen Gemeinden wurde die Aufgabe der Planung, Organisation und Sicherstellung des ÖPNV durch die Zuweisung an die kreisfreien Gemeinden und die Landkreise (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayÖPNVG) entzogen.256 Dem Selbstverwaltungsrecht der kreisangehörigen Gemeinden wurde jedoch durch Art. 9 ­BayÖPNVG Rechnung getragen.257 Dieser besagt, dass die Landkreise den kreisangehörigen Gemeinden oder deren Zusammenschlüssen durch Verordnung einzelne Aufgaben des allgemeinen ÖPNV auf Verlangen übertragen müssen, wenn die Nahverkehrsbeziehungen im Wesentlichen auf das Gebiet einer Gemeinde oder eines Zusammenschlusses von Gemeinden beschränkt sind, vgl. Art.  9 Abs.  1­ BayÖPNVG. Der Wortlaut des Art.  9 Abs.  1 BayÖPNVG spricht dabei gerade nicht von einzelnen Verkehrslinien, sondern stellt auf die Nahverkehrsbeziehungen ab.258 Im Gegensatz zu Art. 9 Abs. 1 BayÖPNVG, der gerade davon ausgeht, dass die kreisangehörigen Gemeinden die Übertragung einzelner Aufgaben fordern können, sieht Abs. 2 die Möglichkeit vor, einzelne Aufgaben des allgemeinen ÖPNV auch dann an kreisangehörige Gemeinden zu delegieren, wenn diese eine solche nicht verlangen.259 Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es sich lediglich um einzelne Aufgaben des allgemeinen ÖPNV handelt und eine Beschränkung der Nah­verkehrsbeziehungen auf das Gebiet der betroffenen Gemeinde bzw. des Zusammenschlusses von Gemeinden vorgenommen wird.260 Die Übertragung erfolgt auch hier durch Verordnung.261 cc) Überörtliche Zusammenschlüsse Art. 10 BayÖPNVG statuiert die Möglichkeit für Aufgabenträger im allgemeinen ÖPNV, in privatrechtlicher Form oder nach Maßgabe des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit262 (­KommZG) zusammenzuwirken, insbesondere sich zu Arbeitsgemeinschaften, Zweckverbänden oder gemeinsamen Kommunalunternehmen zusammenzuschließen.

256

Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 104. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 105. 258 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 9, S. 42. 259 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 9, S. 42. 260 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 9, S. 42. 261 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 9, S. 42. 262 Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 1994 (GVBl. S. 555, ber. 1995 S. 98), BayRS 2020–6-1-I, zuletzt geändert durch Art. 9a Abs. 5 Bayerisches E-Government-Gesetz vom 22. Dezember 2015 (GVBl. S. 458). 257

B. Begriff und Rechtsquellen des ÖPNV

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(1) Kommunale Arbeitsgemeinschaften Art.  4 Abs.  1 Satz  1 ­KommZG gibt Gemeinden, Landkreisen und Bezirken die Möglichkeit, durch öffentlich-rechtlichen Vertrag eine Arbeitsgemeinschaft zu bilden. Daran können sich neben den genannten Akteuren auch sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts beteiligen, vgl. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 ­KommZG. Rechtsgrund für die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft ist ein öffentlich-rechtlicher koordinationsrechtlicher Vertrag.263 Die Arbeitsgemeinschaft befasst sich mit Angelegenheiten, welche die an ihr Beteiligten gemeinsam berüh­ ommZG. Sie dient mithin insbesondere dazu, Planunren, Art. 4 Abs. 2 Satz 1 K gen der einzelnen Beteiligten und das Tätigwerden von Einrichtungen aufeinander abzustimmen, gemeinsame Flächennutzungspläne vorzubereiten und die gemeinsame wirtschaftliche und zweckmäßige Erfüllung der Aufgaben in einem größeren nachbarlichen Gebiet sicherzustellen, Art. 4 Abs. 2 Satz 2 ­KommZG. Der kommunalen Arbeitsgemeinschaft kommt jedoch keine eigene Rechtspersönlichkeit ­ ommZG.264 Auch ihren Tätigkeiten kommt grundsätzlich zu, vgl. Art. 2 Abs. 2 K keine Rechtsverbindlichkeit zu.265 Bei den getroffenen Beschlüssen handelt es sich vielmehr um bloße Anregungen und Empfehlungen, die eine eigenständige Umsetzung durch die Beteiligten erfordern.266 Dementsprechend behalten auch alle Beteiligten einer Arbeitsgemeinschaft ihre rechtliche Selbständigkeit und erfüllen ihre Aufgaben eigenverantwortlich.267 Etwas anderes gilt jedoch bei besonderen Arbeitsgemeinschaften.268 Gemäß Art.  5 Abs.  1 Satz  1 ­KommZG kann vereinbart werden, dass die Beteiligten an Beschlüsse der Arbeitsgemeinschaft gebunden sind, wenn die zuständigen Organe aller Beteiligten diesen Beschlüssen zuge­ stimmt haben.

263 Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 443; Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 409; Dittmann, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungs­ recht II, Kap. 5, § 18 Rn. 38; vgl. auch Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn.  579; Schmidt, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht III, § 65 Rn. 52. 264 Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 409; Dittmann, in: Achterberg/ Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht II, Kap. 5, § 18 Rn. 38; Knemeyer, Bayeri­ sches Kommunalrecht, Rn. 443. 265 Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 409; Dittmann, in: Achterberg/ Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht II, Kap. 5, § 18 Rn. 38; Knemeyer, Bayeri­ sches Kommunalrecht, Rn. 443. 266 Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn.  409; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 443. 267 Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 443; vgl. zudem auch Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 409; Dittmann, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht II, Kap. 5, § 18 Rn. 38. 268 Vgl. auch Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 409.

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

(2) Zweckverbände Nach Art. 17 Abs. 1 ­KommZG können sich Gemeinden, Landkreise und Bezirke zu einem Zweckverband (Freiverband) zusammenschließen und ihm einzelne oder alle mit einem bestimmten Zweck zusammenhängenden Aufgaben übertragen. Neben den genannten Gebietskörperschaften können auch andere Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts Mitglieder eines Zweckverbandes sein, wenn nicht die für sie geltenden besonderen Verwaltungsvorschriften die Beteiligung ausschließen, vgl. Art. 17 Abs. 2 Satz 1 ­KommZG. Selbiges gilt für natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts, wenn die Erfüllung der Verbandsaufgaben dadurch gefördert wird und Gründe des öffentlichen Wohls nicht entgegenstehen, vgl. Art. 17 Abs. 2 Satz 2 ­KommZG. Die Gründung eines Zweckverbandes erfolgt durch einen verwaltungsrechtlichen Vertrag, in dem zugleich die Verbandssatzung zu vereinbaren ist, vgl. Art.  18 ­KommZG.269 Diese Verbandssatzung ist die Grundlage für die Tätigkeit des Zweckverbandes und bedarf einer ­ ommZG.270 Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde, vgl. Art. 20 Abs. 1 Satz 1 K Das Genehmigungserfordernis resultiert daraus, dass mit dem Zweckverband eine neue juristische Person des öffentlichen Rechts – eine Körperschaft271 – entsteht (vgl. Art. 2 Abs. 3 ­KommZG) und ein Übergang der entsprechenden Aufgaben und Befugnisse von den Mitgliedern auf den Verband erfolgt.272 Die eigenverantwortliche Wahrnehmung der Aufgaben durch jedes einzelne Mitglied wird somit durch die Beteiligung an der Willensbildung des Verbandes ersetzt.273 Der Zweckverband tritt auch im Außenverhältnis gegenüber dem Bürger auf.274 Alle Ansprüche der Verbandsangehörigen – also der Einwohner der Mitgliedskommunen – auf Nutzung der zugehörigen Einrichtungen sind ebenfalls nicht mehr gegen die Heimatkommune, sondern gegen den Verband zu richten.275

269 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 584; Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 415; Dittmann, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht II, Kap. 5, § 18 Rn. 45; Schmidt, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht III, § 65 Rn. 62. 270 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn.  584; Schmidt, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht  III, § 65 Rn. 63 f. 271 Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 411; Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Teil 2 Rn. 583; Dittmann, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht II, Kap. 5, § 18 Rn. 42. 272 Schmidt, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht III, § 65 Rn. 64. 273 Schmidt, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht III, § 65 Rn. 69. 274 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 585; Schmidt, in: Ehlers/Fehling/Pünder; Besonderes Verwaltungsrecht III, § 65 Rn. 71. 275 Schmidt, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht III, § 65 Rn. 71; ähnlich auch Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 585.

B. Begriff und Rechtsquellen des ÖPNV

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Ein Zweckverband ist dualistisch organisiert.276 Seine Hauptorgane sind die Verbandsversammlung und der Verbandsvorsitzende.277 Während die Verbandsversammlung für die Willensbildung des Verbandes zuständig ist,278 obliegt dem Verbandsvorsitzenden die Vertretung des Verbands nach außen und die Geschäftsführung nach innen.279 Darüber hinaus erlässt die Verbandsversammlung Satzungen, beschließt den Verbandshaushalt sowie wählt und kontrolliert den Verbandsvorsitzenden.280 (3) Gemeinsame Kommunalunternehmen Nach Art.  49 Abs.  1 Satz  1 K ­ ommZG können Gemeinden, Landkreise und Bezirke ein gemeinsames Kommunalunternehmen durch Vereinbarung einer Unternehmenssatzung errichten. Alternativ besteht zudem die Möglichkeit, bereits bestehenden Kommunalunternehmen oder einem bestehenden gemeinsamen Kommunalunternehmen durch Änderung der Unternehmenssatzung beizutreten, vgl. Art. 49 Abs. 1 Satz 2 ­KommZG. Auch bestehende Regie- und Eigenbetriebe können im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf das gemeinsame Kommunalunternehmen durch die Beteiligten ausgegliedert werden, Art. 17 Abs. 1 Satz 4 ­KommZG. Auch hier ist die Vereinbarung über die Ausgliederung in die Unternehmenssatzung aufzunehmen, Art. 17 Abs. 1 Satz 5 ­KommZG. Weiterhin kann ein Kommunalunternehmen mit einem anderen durch Vereinbarung einer entsprechenden Änderung der Unternehmenssatzung des aufnehmenden Unternehmens im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zu einem gemeinsamen Kommunalunternehmen verschmolzen werden, Art. 49 Abs. 2 ­KommZG. Auch das Kommunalunternehmen eines Zweckverbands, dem nur kommunale Körperschaften angehören, kann als gemeinsames Kommunalunternehmen der Verbandsmitglieder fortgeführt werden, wenn diese die Verschmelzung des Zweckverbands mit dem Kommunalunternehmen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zu einem gemeinsamen Kommunal­

276

Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 586; Schmidt, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht III, § 65 Rn. 80. 277 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn.  586; Schmidt, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht  III, § 65 Rn.  80; Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 414; Dittmann, in: Achterberg/Püttner/ Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht II, Kap. 5, § 18 Rn. 49. 278 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 586; Schmidt, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht III, § 65 Rn. 81. 279 Schmidt, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht III, § 65 Rn. 84; Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 414; vgl. auch Dittmann, in: Achterberg/ Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht II, Kap. 5, § 18 Rn. 52. 280 Schmidt, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht III, § 65 Rn. 81; vgl. auch Dittmann, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht II, Kap. 5, § 18 Rn. 50.

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

unternehmen und eine entsprechende Änderung der Unternehmenssatzung vereinbaren, Art. 49 Abs. 3 ­KommZG.281 dd) Regionaler Nahverkehrsraum Reichen die Beziehungen und Verflechtungen des allgemeinen ÖPNV in wesentlichem Umfang über den Bereich einer kreisfreien Gemeinde oder eines Landkreises hinaus, hat die Regierung im Einvernehmen mit den betroffenen Aufgabenträgern das Gebiet unter Beachtung der Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung als regionalen Nahverkehrsraum abzugrenzen, vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayÖPNVG. Dieser ist gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayÖPNVG sodann für die nahverkehrlichen Planungen und Entscheidungen als zusammengehöriges Gebiet zu betrachten. ee) Verkehrskooperationen Die Aufgabenträger für den allgemeinen ÖPNV eines Nahverkehrsraums haben bei der Sicherung und Verbesserung des allgemeinen ÖPNV im verkehrlich erforderlichen Umfang zusammenzuarbeiten, vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayÖPNVG. Die Zusammenarbeit erstreckt sich unter Einbeziehung der vorhandenen Verkehrsunternehmen insbesondere auf alle Fragen der Linienführung, der Fahrplanabstimmung, des Tarifs, der gegenseitigen Anerkennung von Fahrscheinen, der Bedienungshäufigkeit der betroffenen Linien sowie der wirtschaftlichen Verkehrsgestaltung, Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayÖPNVG. In Art. 7 Abs. 1 Satz 3 BayÖPNVG werden die gesetzlich vorgesehenen Kooperationsformen genannt. Auf der niedrigsten Kooperationsstufe steht die tarifliche Zusammenarbeit in Form eines Übergangstarifs oder einer Durchtarifierung (Art. 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BayÖPNV).282 Dabei findet eine gegenseitige Anerkennung von Fahrscheinen statt und bei einem Übergangstarif wird ein Fahrpreisnachlass dahingehend gewährt, dass unterschiedliche Tarife einzelner Verkehrsunternehmen nicht mehr addiert werden, sondern in ihrer Summe ein günstigeres Angebot darstellen.283 Ziel dieser Kooperation ist vor allem eine Attraktivitätssteigerung der Beförderung.284 Art. 7 Abs.  1 Satz  3 Nr.  2 BayÖPNVG sieht die Bildung einer Verkehrsgemeinschaft vor. Zwingende Voraussetzungen für diese Kooperationsform sind die gegenseitige Anerkennung von Fahrscheinen, die Abstimmung der Fahrpläne – bzw. die Er-

281 Ausführlich zu gemeinsamen Kommunalunternehmen vgl. auch Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn.  587 ff.; Schulz, in: PdK ­KommZG, Bd. B2, Art. 49, S. 172 ff. 282 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 7, S. 38. 283 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 7, S. 38. 284 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 7, S. 38.

B. Begriff und Rechtsquellen des ÖPNV

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stellung von gemeinsamen Fahrplänen – und ein weitgehend einheitliches äußeres Erscheinungsbild wie zum Beispiel gemeinsame Haltestellen.285 Die oberste Stufe der Kooperationen stellt die Bildung eines Verkehrs- und Tarifverbunds (Art. 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BayÖPNVG) dar. Darunter versteht man die Zusammenarbeit aller Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger in einem definierten und abgegrenzten Verkehrsraum sowohl in verkehrlicher als auch in tariflicher Hinsicht.286 Dafür ist der Abschluss eines Kooperationsvertrages notwendig, wobei es letztlich nicht darauf ankommt, ob eine gesellschaftliche Integration gewählt wird oder nicht.287 Als Beispiel für einen Verkehrs- und Tarifverbund ist die Münchener Verkehrs- und Tarifverbund GmbH (MVV) zu nennen, die seit 1996 als Aufgabenträgerverbund organisiert ist.288 Gesellschafter sind dabei der Freistaat Bayern, die Landeshauptstadt München sowie die acht Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Dachau, Ebersberg, Erding, Freising, Fürstenfeldbruck, München und Starnberg.289 d) Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr Die Planung, Organisation und Sicherstellung des Schienenpersonennahverkehres ist in Bayern eine Aufgabe des Freistaats, Art. 15 Abs. 1 Satz 1 ­­BayÖPNVG. Dieser bedient sich gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 1 ­BayÖPNVG zur Wahrnehmung von Aufgaben im Schienenpersonennahverkehr einer juristischen Person des Privatrechts – der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) –, die in seinem Auftrag und nach seinen Vorgaben tätig wird. Die BEG wurde im Zuge der Bahnstrukturreform im Jahr 1995 durch den Freistaat Bayern gegründet290 und unterliegt der Fachaufsicht des Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, vgl. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 ­BayÖPNVG. Sie plant im Auftrag und nach den Vorgaben der Fachaufsicht den Schienenpersonennahverkehr für das gesamte Staatsgebiet und stimmt diese Planung mit den Eisenbahninfrastrukturunternehmen, den Eisenbahnverkehrsunternehmen, den betroffenen Aufgabenträgern für den Schienenpersonennahverkehr in den Nachbarländern und den Aufgabenträgern für den allgemeinen ÖPNV ab, vgl. Art. 16 Abs. 2 ­BayÖPNVG.

285

Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 7, S. 37. Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 7, S. 37. 287 Scheder, Kommentar BayÖPNVG, Art. 7, S. 37. 288 http://www.mvv-muenchen.de/de/der-mvv/die-mvv-gmbh/index.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 289 http://www.mvv-muenchen.de/de/der-mvv/gesellschafter/index.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 290 http://beg.bahnland-bayern.de/de/die-beg (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 286

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Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

3. Unionsrecht: Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße wurde am 3. Dezember im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und trat zwei Jahre später am 3. Dezember 2009 in Kraft.291 Sie dient unter anderem der Bereitstellung eines europarechtlichen Rahmens für die Gewährung von Ausgleichsleistungen und ausschließlichen Rechten im ÖPNV.292 Zudem sollten die Hauptziele des Weißbuchs der Europäischen Verkehrspolitik 293 − darunter die Sicherstellung von sicheren, effizienten und hochwertigen Personenverkehrsdiensten durch einen regulierten Wettbewerb − umgesetzt werden.294 Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 wurde auch als Reaktion auf das sich verändernde wirtschaftliche Umfeld im Personennahverkehr erlassen, da die aus dem Jahr 1969 stammende Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 den neuen Anforderungen nicht mehr gewachsen zu sein schien.295 Zu nennen sind diesbezüglich vor allem die fortschreitende Internationalisierung der Märkte und Marktöffnungen, die gleiche Wettbewerbsbedingungen und Rechtssicherheit im Binnenmarkt erforderten.296 Die Verordnung setzt somit an dem Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Daseinsvorsorge und Wettbewerb an und versucht dieses durch die Gewährleistung von Versorgungssicherheit einerseits und – sofern möglich und sinnvoll – die Anordnung der Vergabe von öffentlichen Personenverkehrsleistungen im Wettbewerb andererseits angemessen miteinander in Einklang zu bringen.297 a) Anwendungsbereich Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 gilt für den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Personenverkehr mit der Eisenbahn und andere Arten des Schienenverkehrs sowie auf der Straße, mit Ausnahme von Verkehrsdiensten, die hauptsächlich aus Gründen historischen Interesses oder zu touristischen Zwecken betrieben 291 Art. 12 Verordnung (EG) Nr. 1370/2007; vgl. dazu auch Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Vorbem. VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 1; Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 148; Berschin, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A1 Rn. 2. 292 Linke, EuZW 2014, 766, 766. 293 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Weißbuch „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellung für die Zukunft“, KOM(2001) 370 vom 12. September 2001. 294 Kiepe/Mietzsch, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, Einführung (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 92, ähnlich auch Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 1 (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 6; vgl. ähnlich auch Berschin, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A1 Rn. 6 f. 295 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 150; vgl. auch Europäische Kommission, Vorschlag KOM(2000) 7 endg. vom 26. Juli 2000 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit den Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschifffahrtswegen, S. 2 ff.; ähnlich auch Berschin, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A1 Rn. 6. 296 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 150. 297 Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Vorbem. VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 3.

B. Begriff und Rechtsquellen des ÖPNV

61

werden, vgl. Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007.298 Unter Personenverkehr ist der öffentliche Personenverkehr zu verstehen, da mit der Verordnung gerade Interventions- und Tätigkeitsmöglichkeiten von Behörden im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs geregelt werden sollten, vgl. Art. 1 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007.299 Dies ergibt sich auch bereits daraus, dass in dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates300 noch von öffentlichen Personenverkehrsdiensten die Rede war.301 Im Rahmen der zweiten Lesung wurde diese Formulierung zwar vom Europäischen Parlament durch den heutigen Wortlaut ersetzt; es ist jedoch nicht ersichtlich, dass damit eine Ausweitung des Anwendungsbereichs erreicht werden sollte.302 Dies bestätigt sich unter anderem auch dadurch, dass im Titel der Verordnung die Bezeichnung „öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße“ verwendet wird.303 Folglich wird der gesamte öffentliche Personenverkehr von dem Anwendungsbereich der Verordnung erfasst.304 Darunter fällt auch der öffentliche Personenfernverkehr, da eine Beschränkung auf den Personennahverkehr gerade nicht gewollt war.305 Während das Tatbestandsmerkmal der Innerstaatlichkeit erfüllt ist, wenn die Verkehrsleistung ausschließlich innerhalb eines Staates erbracht wird, liegt grenzüberschreitender Personenverkehr vor, wenn die Verkehrsleistung teilweise außerhalb des eigenen Staatsgebiets erbracht wird.306 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 für den öffentlichen Schienenpersonenverkehr – unter anderem Eisenbahnen sowie U- und Straßenbahnen – und den öffentlichen Straßenpersonenverkehr eröffnet ist.307 298

Vgl. dazu auch Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 10; Saxinger, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 1; Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S.  156; vgl. auch ­Berschin, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A1 Rn. 15; Zuck, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, Art. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007, Rn. 6 f. 299 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 156. 300 Rat der Europäischen Union, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 2/2007 vom 11. Dezember 2006 im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. C 70E/1 vom 27. März 2007), Art. 1 Abs. 2. 301 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 156; Saxinger, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 9. 302 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 156 f.; Saxinger, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 9. 303 Saxinger, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 9. 304 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 157; ähnlich auch Saxinger, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 6; vgl. auch Zuck, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, Art. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 6. 305 Saxinger, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 6; Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S.  157; vgl. auch Zuck, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, Art. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 6. 306 Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 10. 307 Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art.  1 VO (EG) Nr.  1370/2007 Rn.  10;­ Saxinger, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 8; Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 157.

62

Kap. 2: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung des ÖPNV

b) Definition ÖPNV nach der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 Der Begriff des ÖPNV wird in Art. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1370/2007 legal­ definiert. Demnach wird ÖPNV als Personenbeförderungsleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die für die Allgemeinheit diskriminierungsfrei und fortlaufend erbracht werden, definiert. Davon erfasst werden jegliche Dienst- und Sachleistungen, die im Zusammenhang mit der Beförderung von Personen an Land stehen.308 Sämtliche Arten des Güterverkehrs werden nicht umfasst.309 Die zu erbringenden Personenbeförderungsleistungen müssen von „allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ sein, d. h. sie müssen sich durch ihre Bedeutung für die Allgemeinheit aus staatlicher Sicht auszeichnen und marktbezogenen Charakter aufweisen.310 Dies ist typischerweise bei solchen Leistungen der Fall, die vom Markt aufgrund fehlender Anreize nicht selbst erbracht werden.311 Da aus diesem Grund meist eine staatliche Bezuschussung angezeigt ist, ist der Begriff der „Personenbeförderungsleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ eng mit dem Begriff der „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV312 verknüpft.313 Weiterhin müssen die Personenbeförderungsleistungen für die Allgemeinheit erbracht werden, sodass jedem Interessierten eine Nutzungsmöglichkeit zur Verfügung stehen muss.314 Das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen ÖPNV und MIV sind gemäß Art. 2 Buchst. a Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 die Merkmale der Diskriminierungsfreiheit und der fortlaufenden Erbringung.315 Ersteres ist erfüllt, wenn die Verkehrsleistungen grundsätzlich von jedem in Anspruch genommen werden können und eventuell bestehende Beförderungsbedingungen nicht

308

Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 4; vgl. auch Winnes, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, Art. 2 lit. a VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 2. 309 Winnes, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, Art.  2 lit.  a VO (EG) Nr.  1370/2007 Rn.  2; vgl.  e contrario auch Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art.  2 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 1; Berschin, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A1 Rn. 15. 310 Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 5; zum Begriff der „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ vgl. auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Inte­ resse, KOM(2004) 374 endg. vom 12. Mai 2004, Anhang 1 („Begriffsbestimmungen“), S. 27; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße, KOM(2005) 319 endg. vom 20. Juli 2007, S. 5 ff. 311 Vgl. Mitteilung der Kommission zu Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl. 2001 C 17/4 Rn. 14; Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 2 (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 5. 312 Ehemalig Art. 86 Abs. 2 EG. 313 Vgl. dazu Erwägungsgrund 2 zur Verordnung (EG) Nr. 1370/2007; ebenso Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 5. 314 Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 6; vgl. auch Winnes, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, Art. 2 lit. a VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 4. 315 Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 6.

B. Begriff und Rechtsquellen des ÖPNV

63

willkürlich gewählt sind, sondern aus sachgemäßen Gründen erlassen wurden.316 Unter fortlaufenden Personenbeförderungsleistungen versteht man Verkehrsleistungen, die nicht auf Abruf, sondern regelmäßig – einem Fahrplan entsprechend – angeboten werden.317 Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Begriff der Personenbeförderung im Sinne von Art. 2 Buchst. a Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 weitgehender ist als der des deutschen Personenbeförderungsgesetzes.318 Während das Personen­ beförderungsgesetz lediglich einen Teil der Personenbeförderung – den des Straßenverkehrs – erfasst, unterfällt dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 unter anderem auch der Eisenbahnverkehr.319

316 Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art.  2 VO (EG) Nr.  1370/2007 Rn.  6; zum Merkmal der Diskriminierungsfreiheit vgl. auch Winnes, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, Art. 2 lit. a VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 5. 317 Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 6; zur fortlaufenden Erbringung vgl. auch Winnes, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, Art. 2 lit. a VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 6. 318 Winnes, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, Art. 2 lit. a VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 3. 319 Winnes, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, Art.  2 lit.  a VO (EG) Nr.  1370/2007 Rn.  3; so im Ergebnis auch Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art.  1 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 10.

Kapitel 3

Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen Die Zukunft des ÖPNV steht am Scheideweg. Nicht nur steigende Energiepreise und der demographische Wandel der Bevölkerung wirken sich negativ auf die bestehende Finanzierungssituation des ÖPNV aus, sondern auch das Auslaufen bestehender Finanzierungsinstrumente sowie zahlreiche Rechtsunsicherheiten geben Anlass dazu, über eine Reform des Systems nachzudenken. Die folgende Aufstellung der Finanzquellen des ÖPNV erhebt nicht den Anspruch der absoluten Vollständigkeit für sich, sondern dient vielmehr dazu, einen Einblick in die komplexe Finanzierungspraxis des ÖPNV zu geben und bestehende Probleme sowie Anknüpfungspunkte für Verbesserungen aufzuzeigen.

A. Derzeitige Finanzierungspraxis Die derzeitige Finanzierung des ÖPNV in Deutschland zeichnet sich durch eine „unübersichtliche Finanzierungslandschaft“ aus, in der auf zahlreiche unterschiedliche Förderinstrumente verschiedenster Stellen zurückgegriffen werden muss.1 Dies beruht größtenteils auf dem defizitären Charakter des ÖPNV2, der eine weitreichende Mitfinanzierung durch die öffentliche Hand unabdingbar macht.3 So betrug der Kostendeckungsgrad aus der Nutzerfinanzierung  – d. h. die Kos 1

Bormann/Bracher/Dümmler/et al., Neuordnung der Finanzierung des ÖPNV, S. 6; vgl. auch Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 63; vgl. auch Targan/Neumann, ZögU 2005, 93, 98. Zimmer verwendet das Begriffsbild einer „Spaghetti-Finanzierung“, Der ÖV-Beitrag, S. 14. 2 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 54; Roling, Transparenz bei der Finanzierung und Genehmigung des straßengebundenen ÖPNV, S.  9; Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 38 ff.; vgl. auch Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S.  57; Scheele/Sterzel, ÖPNV zwischen Gemeinwohlinteressen und Markt, S. 53; vgl. auch Gabler, ÖPNV in Bayern, S. 195; ähnlich auch Horn, Ordnungskonzept für die Einnahmenaufteilung und den Defizitausgleich bei Verkehrsverbünden des ÖPNV, S. 126 ff.; Zeiselmair, WiVerw 1989, 39, 39; Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Vorbem. VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 2. 3 Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 53; Roling, Transparenz bei der Finanzierung und Genehmigung des straßengebundenen ÖPNV, S.  11; vgl. auch Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 57; ähnlich auch Tödtmann/Schauer, NVwZ 2008, 1, 1; Lasch/Lemke, Wege zu einem zukunftsfähigen ÖPNV, S. 15; Scheele/Sterzel, ÖPNV zwischen Gemeinwohlinteressen und Markt, S. 53; Zimmer, Der ÖV-Beitrag, S. 15; vgl. auch Hölzl, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Vorbem. VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 2.

A. Derzeitige Finanzierungspraxis

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tendeckung, die durch die Erlöse aus dem Fahrausweisverkauf in Bezug auf den Gesamtaufwand erreicht wurde  – lediglich 42,9  Prozent.4 Durch eine steigende Nutzerfinanzierung zeichnet sich zwar in den letzten Jahren die Tendenz zu einer Verbesserung dieser Quote ab, dennoch ist es den Verkehrsunternehmen nur aufgrund der öffentlichen Leistungen möglich, eine näherungsweise Gesamtkostendeckung zu erreichen bzw. eine Deckung der Betriebskosten zu erzielen.5 Wie sich aus dem Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Kostendeckung im ÖPNV ergibt, ist der ÖPNV ohne öffentliche Mittel schlichtweg nicht finanzierbar.6 Aus diesem Grund kann auch von einer „staatlichen Misch-, Teil- oder Kofinanzierung“ des ÖPNV gesprochen werden.7 Die Gesamthöhe der öffentlichen Finanzleistungen beläuft sich auf einen zweistelligen Milliardenbereich.8

I. Nutzerfinanzierung Ein Großteil der Erträge des ÖPNV wird von dessen Nutzern geleistet.9 Unter diese unmittelbare Nutzerfinanzierung fallen vorwiegend die Fahrgelderträge.10 Diese beliefen sich – mit Tarifersatzleistungen11– im Jahr 2015 auf etwa 15,751 Milliarden Euro.12 Der Anteil der Nutzerfinanzierung ist jedoch nicht konstant, sondern differiert je nach Größe der Verkehrsräume, Bevölkerungsdichte, Nutzungsmöglichkeiten des Individualverkehrs und den spezifischen Systemkosten des ÖPNV.13 Der Forderung, dass der Anteil der Nutzerfinanzierung ansteigen solle, sind jedoch sowohl auf Kosten- als auch auf Ertragsseite Grenzen gesetzt.14 Wegen der regelmäßig sehr hohen Preiselastizität würden starke Preiserhöhungen mit einem deutlichen Rückgang der Nachfrage einhergehen.15 Stattdessen ist es erforderlich, die 4 Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Kostendeckung im ÖPNV, BT-Drucks. 18/8180, S. 7. 5 Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Kostendeckung im ÖPNV, BT-Drucks. 18/8180, S. 7. 6 Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Kostendeckung im ÖPNV, BT-Drucks. 18/8180, S. 8. 7 Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 57. 8 Im Jahr 2012 wurden durch den Staat 16,845 Mrd. Euro aufgewendet, vgl. Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Kostendeckung im ÖPNV, BT-Drucks. 18/8180, S. 10; vgl. auch Rolig, Transparenz bei der Finanzierung und Genehmigung des straßengebundenen ÖPNV, S. 11. 9 Bormann/Bracher/Dümmler/et al., Neuordnung der Finanzierung des ÖPNV, S. 10; ähnlich auch Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 13; ÖPNV-Zukunftskommission NRW, Zukunft des ÖPNV in NRW, S. 100. 10 Bormann/Bracher/Dümmler/et al., Neuordnung der Finanzierung des ÖPNV, S. 10; ähnlich auch Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 63. 11 Vgl. zu Tarifersatzleistungen auch die Ausführungen in Kapitel 3 A) II. 1. a). 12 VDV Statistik 2015, S. 29. 13 Bormann/Bracher/Dümmler/et al., Neuordnung der Finanzierung des ÖPNV, S. 10. 14 Bormann/Bracher/Dümmler/et al., Neuordnung der Finanzierung des ÖPNV, S. 10. 15 Bormann/Bracher/Dümmler/et al., Neuordnung der Finanzierung des ÖPNV, S. 10; Zimmer, Der ÖV-Beitrag, S. 11.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

Nachfrage nach ÖPNV-Leistungen durch günstige Konditionen zu steigern, da dadurch höhere Erlöse erzielt werden können.16 Deutlich wird dies anhand der folgenden mathematischen Näherung: Bei einem Preisanstieg von +10 Prozent muss ein Rückgang der Nachfrage von −3 Prozent erwartet werden, so dass die Erhöhung nur zu 70 Prozent wirksam würde.17 Umgekehrt wäre jedoch bei einer Preissenkung von -10 Prozent ein Nachfragezuwachs von +3 Prozent zu erwarten.18 Weiterhin ist zu beachten, dass der ÖPNV als Teil  der Daseinsvorsorge19 der Erfüllung öffentlicher Interessen und Funktionen dient, sodass bei der Preisbildung sowohl die Preishöhe als auch die Nachfrage wichtige Faktoren darstellen.20 Viele Menschen sind gerade aufgrund eines niedrigen Einkommens auf die Mobilität durch den ÖPNV angewiesen, sodass ein starker Anstieg der Fahrpreise auch aus sozialpolitischen Gründen verhindert werden muss.21 Aus diesen Gründen lassen sich kostendeckende Preise für die Nutzung des ÖPNV nicht realisieren.22

II. Öffentliche Finanzierungsmittel Die Finanzierung des ÖPNV aus öffentlichen Mitteln lässt sich grob in zwei Hauptkategorien einteilen: Die Investitionsfinanzierung und die Betriebskostenfinanzierung, wobei die Differenzierung nicht stets trennscharf eingehalten werden kann.23 1. Betriebskostenfinanzierung Die Komplementärfinanzierung des Betriebs des ÖPNV durch die öffentliche Hand ist sehr komplex und unübersichtlich.24 Sie umfasst unter anderem Tarifersatzleistungen, wie Ausgleichszahlungen für Ermäßigungen im Schülerverkehr nach § 45a PBefG sowie Erstattungsleistungen nach den §§ 145 ff. SGB IX für die unentgeltliche Beförderung von Schwerbehinderten. 16

Zimmer, Der ÖV-Beitrag, S. 11. Bastians, Preiselastizitäten im öffentlichen Personennahverkehr, S. 4 ff.; vgl. auch Zimmer, Der ÖV-Beitrag, S. 11. 18 Zimmer, Der ÖV-Beitrag, S. 11; vgl. ausführlich dazu Bastians, Preiselastizitäten im öffentlichen Personennahverkehr, S. 4 ff. 19 Ausführlich zur Bedeutung des ÖPNV als Teil der Daseinsvorsorge siehe unter Kapitel 2 A. I. 20 Bormann/Bracher/Dümmler/et al., Neuordnung der Finanzierung des ÖPNV, S.  10; Kons, in: Flieger/Gutknecht/Willeke, Handbuch der Verkehrswirtschaft, D4/13; Zimmer, Der ÖV-Beitrag, S. 11. 21 Vgl. Zimmer, Der ÖV-Beitrag, S. 10. 22 Bormann/Bracher/Dümmler/et al., Neuordnung der Finanzierung des ÖPNV, S. 10. 23 Rolig, Transparenz bei der Finanzierung und Genehmigung des straßengebundenen ÖPNV, S. 11. 24 Roling, Transparenz bei der Finanzierung und Genehmigung des straßengebundenen ÖPNV, S. 11 f. 17

A. Derzeitige Finanzierungspraxis

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a) Tarifersatzleistungen In bestimmten Konstellationen werden die Zahlungen der Fahrgäste durch öffentliche Gelder ergänzt.25 Darunter fallen Ausgleichsleistungen und Zuschüsse der Länder, die für die Beförderung von Auszubildenden, Schülern und Schwerbehinderten gewährt werden.26 Daran zeigt sich erneut die wichtige gesellschaftspolitische Bedeutung des ÖPNV: Denn den genannten Personengruppen ist es meist aufgrund ihres Alters oder aufgrund ihrer körperlichen Verfassung nicht möglich, selbst ein Fahrzeug zu führen, wodurch ihnen die Teilnahme am MIV verwehrt bleibt.27 Durch den ÖPNV bietet sich ihnen dennoch die Möglichkeit, sich mobil fortzubewegen und am täglichen Leben teilzuhaben.28 Auch die Förderung der Verkehrssicherheit ist ein wichtiger Faktor bei der Gewährung der Ausgleichsleistungen.29 aa) Gesetzliche Ausgleichsleistungen im Ausbildungsverkehr § 45a PBefG wurde vor dem Hintergrund eingeführt, dass die Verkehrsunternehmen hohe negative Betriebsergebnisse zu verzeichnen hatten, die vorwiegend durch politisch motivierte Sozialtarife im Zeitfahrausweisverkehr für Schüler, Studenten, Auszubildende, Berufstätige und andere Personen hervorgerufen wurden.30 Bezweckt wurde mit der Regelung zumindest ein teilweiser Ausgleich der Lasten, indem die Länder dazu verpflichtet werden sollten, den Unternehmen des ÖPNV diejenigen Einnahmeausfälle zu ersetzen, die durch die sozialen Tarife für Zeitfahrausweise entstehen.31 § 45a PBefG folgt somit zumindest teilweise dem sog. Veranlasserprinzip, welches besagt, dass derjenige für die Kosten aufkommen muss, der sie veranlasst hat – in diesem Fall somit der Staat, der den Verkehrsunternehmer

25

Bormann/Bracher/Dümmler/et al., Neuordnung der Finanzierung des ÖPNV, S. 10 f.; Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 78. 26 Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 78 f. 27 Vgl. Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 78 f.; vgl. auch Masuch, in: Hauck/ Noftz, SGB IX Bd. 2, § 145 Rn. 1a. 28 Vgl. Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 78 f.; vgl. auch Masuch, in: Hauck/ Noftz, SGB IX Bd. 2, § 145 Rn. 1a. 29 Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 325 Rn. 483; Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 79. 30 Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 1; vgl. auch ähnlich Bauer, PBefG, Teil A § 45a Rn. 2; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 1; BT-Drucks. 7/4899 S. 2; Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der Kommunalen Praxis II, S. 326 Rn. 484; Zeiselmair, WiVerw 1989, 39, 39. 31 BT-Drucks. 7/4899 S. 2; Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 1; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 1; ähnlich auch Targan/Neumann, ZögU 2005, 93, 98; Zeiselmair, WiVerw 1989, 39, 39; Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 326 Rn. 484; ähnlich auch Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 13.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

nach § 39 Abs. 2 PBefG zur Beachtung eines bestimmten Tarifs verpflichtet.32 § 45a PBefG wird durch die Verordnung über den Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Straßenpersonenverkehr (PBefAusglV)33, die aufgrund der Ermächtigung in § 57 Abs. 1 Nr. 9 PBefG vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erlassen wurde, ergänzt.34 Heutzutage stellen die Ausgleichsleistungen des § 45a PBefG – zusammen mit dessen Ersatzregelungen auf Länderebene35 – einen Hauptbestandteil der Finanzierung des ÖPNV in Deutschland dar.36 Dadurch trägt § 45a PBefG in gewissem Maße  – über seine eigentliche Regelungsintention hinaus  – dazu bei, die Leistungsfähigkeit des ÖPNV aufrechtzuerhalten.37 Das gilt vor allem für ländliche Räume, in denen vorwiegend Schüler, Studenten und andere Auszubildende den ÖPNV nutzen und somit den Großteil der Fahrgäste darstellen.38 Die Ausgleichsleistungen nach § 45a PBefG und § 6a AEG a. F. betrugen im Jahr 2016 nach einer Statistik des VDV rund 628 Millionen Euro.39

32 Bauer, PBefG, Teil A § 45a Rn. 5; Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 1; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 1. 33 Verordnung über den Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Straßenpersonenverkehr vom 2. August 1977 (BGBl. I S. 1460), zuletzt geändert durch Artikel 5 Nr. 3 des Gesetzes vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931). 34 H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 3; Bauer, PBefG, Teil A § 45a Rn. 4; Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 3; Roling, Transparenz bei der Finanzierung und Genehmigung des straßengebundenen ÖPNV, S. 13; Zeiselmair, WiVerw 1989, 39, 40; Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 326 Rn. 485. 35 Gemäß § 64a PBefG können die Länder mit Wirkung ab dem 1. Januar 2007 § 45a und § 57 Abs. 1 Nr. 9 PBefG sowie die Vorschriften, zu deren Erlass § 57 Abs. 1 Nr. 9 PBefG ermächtigt, durch Landesrecht ersetzen. 36 Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 1; ders., Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 54; vgl. ebenso H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45 PBefG Rn. 13, die sogar so weit gehen und davon ausgehen, dass der ÖPNV „ohne den Ausgleich nach § 45a PBefG/§ 6a AEG […] insbesondere in der Fläche ernsthaft gefährdet wäre“; ähnlich auch Targan/Neumann, ZögU 2005, 93, 98, die den Ausgleichszahlungen eine „Finanzierungsfunktion“ des ÖPNV zuschreiben; Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 15, bezeichnet die Mittel nach § 45a PBefG gerade in ländlichen Gebieten als „tragende Säule des ÖPNV-Gesamtangebots“; vgl. auch Zeiss, ZfBR 2003, 749, 752; Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 327 Rn. 486; Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 206; Scheele/Sterzel, ÖPNV zwischen Gemeinwohlinteressen und Markt, S. 58; Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 81. 37 Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 1; ähnlich auch H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 13; vgl. auch Targan/Neumann, ZögU 2005, 93, 98. 38 Targan/Neumann, ZogÜ 2005, 93, 98 f.; Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 1; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a Rn. 1; Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 327 Rn. 486; ähnlich auch Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 80 f. 39 VDV-Statistik 2016, S. 31.

A. Derzeitige Finanzierungspraxis

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Der Geltungsbereich des § 45a PBefG erstreckt sich nach dessen Absatz 1 auf den Verkehr mit Straßenbahnen und Obussen sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, der in den §§ 42 und 43 Nr. 2 PBefG definiert wird.40 Darunter fällt somit der gesamte allgemeine Linienverkehr einschließlich des Sonderlinienverkehrs im Bereich der Schülerfahrten.41 Daneben setzt die Anwendbarkeit von § 45a PBefG – wie § 45a Abs. 1 Nr. 1 PBefG zeigt – die Genehmigung von Beförderungsentgelten nach § 39 PBefG voraus.42 Insgesamt kommt daher ein Ausgleich im Linienverkehr nach § 43 Nr. 2 PBefG nur dann in Betracht, wenn gerade nicht die Einhaltung der Vorschriften über die Beförderungsentgelte nach § 45 Abs. 3 Satz 1 PBefG ausgeschlossen wurde.43 Somit wird der sog. freigestellte Schülerverkehr44 nicht vom Anwendungsbereich des § 45a PBefG erfasst, da dieser gesonderte Vergütungsvereinbarungen mit der öffentlichen Hand ermöglicht und es keine Bindung des Unternehmers an die genehmigten Tarife gibt.45 Weiterhin setzt § 45a Abs.  1 PBefG die Beförderung von Personen mit Zeitfahrausweisen des Ausbildungsverkehrs voraus. Ein Zeitfahrausweis bezeichnet einen strecken- oder netzgebundenen Fahrausweis mit unbeschränkter Fahrtenanzahl,46 „der den Anspruch seines Inhabers zur Inanspruchnahme bestimmter (gleich­artiger) Beförderungsdienstleistungen während des in ihm bezeichneten Zeitraums dokumentiert“.47 Darunter fallen typischerweise Semester48- oder Be 40

H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn.  26; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a Rn. 3; Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 8; Bauer, PBefG, Teil A § 45a Rn. 5; Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis  II, S.  326 Rn.  484; Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 45a PBefG Rn. 2. 41 Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 8; vgl. auch H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 26; Fiedler, in: Heinze/Fehling/ Fiedler, PBefG, § 45a Rn. 13; Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 45a PBefG Rn. 2. 42 H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn.  27; Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 9. 43 Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 45a PBefG Rn.  2; H.  Bidinger/ R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 27; Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 9. 44 Darunter fallen gemäß § 1 Nr. 4 Buchst. d der Verordnung über die Befreiung bestimmter Beförderungsfälle von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes (FrStllgV) Beförderungen mit Kraftfahrzeugen durch oder für Schulträger zum und vom Unterricht. 45 Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn.  9; vgl. auch Bauer, PBefG, § 45a Rn. 5; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 26. 46 H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 29; Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 11. 47 BVerwG, Urteil vom 28. November 2007, NVwZ-RR 2008, 395, 395 Rn. 14; Urteil vom 26. April 2012, E 143, 60, 64 Rn. 15; vgl. auch Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 11; Bauer, PBefG, Teil A § 45a Rn. 10. 48 Zeiselmair, WiVerw 1989, 39, 43; a. A. H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 30, die davon ausgehen, dass das Ausgleichsrecht des § 45a für „solche weit gefassten Angebote mit Kollektivcharakter für den Ausbildungsverkehr nicht konzipiert“ seien; ähnlich auch Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 15, der

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

rufsschultickets, Jahres-, Halbjahres-, Monats- und Halbmonatsfahrkarten sowie Wochenkarten.49 Wer unter den Begriff des Auszubildenden im Sinne von § 45a Abs. 1 PBefG fällt, bestimmt sich abschließend nach dem Katalog des § 1 Abs. 1 PBefAusglV.50 Die Berechtigung zum Erwerb von Zeitfahrausweisen des Ausbildungsverkehrs muss jedoch von dem Personenkreis der Auszubildenden (§ 1 Abs. 1 PBefAusglV) gegenüber dem Verkehrsunternehmer nachgewiesen werden, § 1 Abs. 2 PBefAusglV. Gibt dieser gleichwohl Zeitfahrausweise ohne die erforderliche Bescheinigung aus, können die verkauften Fahrausweise nicht bei der Anspruchsberechnung nach § 45a Abs. 2 PBefG berücksichtigt werden.51 (1) Anspruchsvoraussetzungen und Anspruchsberechtigte Für die Begründung des Ausgleichsanspruchs aus § 45a PBefG ist es erforderlich, dass der vom Unternehmer erzielte Ertrag nicht ausreicht, um die in § 45a Abs. 2 Satz 2 PBefG definierten „verkehrsspezifischen Kosten“ zu decken (§ 45a Abs. 1 Nr. 1 PBefG).52 Als Erträge sind gemäß § 4 PBefAusglV die Fahrgeldeinnahmen aus dem Verkauf von Zeitfahrausweisen im Ausbildungsverkehr und die Einnahmen aus erhöhten Beförderungsentgelten anzusetzen, wobei dabei stets auf die BruttoEinnahmen abzustellen ist.53 Diese umfassen das Fahrgeld und die Umsatzsteuer.54 Was unter Einnahmen aus erhöhten Beförderungsentgelten zu verstehen ist, wird

davon ausgeht, dass die weitere Ermäßigung des Semestertickets gegenüber dem Ausbildungstarif nicht zu Lasten des Ausgleichsverpflichteten nach § 45a PBefG gehen dürfe. Demgegenüber klammert Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 330 Rn. 493, lediglich das Semesterticket für Studierende einer Fernuniversität aus dem Anwendungsbereich aus, da das Verhältnis zwischen der Universität und den Studierenden gerade durch die Nicht­ anwesenheit der Studierenden geprägt sei. 49 Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 11; H. Bidinger/R. Bidin­ ger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 29. 50 Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 12; H. Bidinger/R. Bidin­ ger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 28; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a Rn. 5; Fiedler, in: Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, § 45a Rn. 16; Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 45a PBefG Rn. 4; Bauer, PBefG, Teil A § 45a Rn. 4; Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 328 f. Rn. 488. 51 Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 12. 52 H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn.  36; Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 16; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a PBefG Rn. 7; Zeiselmair, WiVerw 1989, 39, 43; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, G § 4 PBefAusglV S. 1. 53 Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG II, A4 § 4 PBefAusglV Rn. 1; vgl. auch H. Bidinger/R. Bidin­ ger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 36; Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 26; Fiedler, in: Heinze/Fehling/Fiedler, Personenbeförderungsgesetz, § 45a Rn. 29. 54 H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, G § 4 PBefAusglV S. 1; Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 26; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG II, A4 § 4 PBefAusglV Rn. 1.

A. Derzeitige Finanzierungspraxis

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in § 9 BefBedV55 gesetzlich geregelt. Nach § 9 Abs. 1 BefBedV ist ein Fahrgast zur Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts verpflichtet, wenn er sich keinen gültigen Fahrausweis beschafft hat (Nr. 1), sich einen solchen beschafft hat, diesen jedoch bei einer Überprüfung nicht vorzeigen kann (Nr. 2), den Fahrausweis nicht oder nicht unverzüglich entwertet hat oder entwerten ließ (Nr. 3) oder den Fahrausweis auf Verlangen nicht zur Prüfung vorzeigt oder aushändigt (Nr. 4). Konkret bedeutet dies somit, dass auch solche Einnahmen zu dem Ertrag im Sinne von § 45a Abs. 1 Nr. 1 PBefG zählen, die von Schülern, Studenten und sonstigen Auszubildenden aufgrund von Schwarzfahrens entrichtet wurden.56 Demgegenüber werden Fahrgelderstattungen nach §§ 145 ff. SGB  IX nicht zu den Erträgen gezählt, da diese nicht auf einer Beförderung zu Ausbildungszwecken beruhen.57 Gleiches gilt für Umsätze aus Reklame, der Beförderung von Sachen und etwaiger Rabatte, die Schulträgern gewährt wurden.58 Sofern Monatsfahrausweise des Ausbildungsverkehrs auch an Sonntagen gelten, berechtigt dies den Unternehmer nicht zu einer anteiligen Kürzung der Erträge aus den Monats­fahrausweisen für die Berechnung der Ausgleichszahlung.59 Kumulativ dazu muss der Unternehmer innerhalb eines angemessenen Zeitraums die Zustimmung zu einer Anpassung der in den genannten Verkehrsformen erhobenen Beförderungsentgelte an die Ertrags- und Kostenlage beantragen, § 45a Abs. 1 Nr. 2 PBefG. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht bereits aus jeder Minderung der Ertragsseite ein Ausgleich resultiert.60 Für die Begründung des Anspruchs ist es jedoch gerade nicht erforderlich, dass der Antrag auf Zustimmung zu einer Anpassung der Beförderungsentgelte an die Ertrags- und Kostenlage genehmigt wurde.61 Vielmehr kommt es lediglich auf die rechtzeitige Stellung des 55

Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 27.  Februar 1970 (BGBl.  I S. 230), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 21. Mai 2015 (BGBl. I S. 782). 56 Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG II, A4 § 4 PBefAusglV Rn. 1; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 37; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Mai 1986, TransportR 1987, 195, 198. 57 H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 37; Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 27; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG II, A4 § 4 PBefAusglV Rn. 1; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, G § 4 PBef AusglV S. 1. 58 H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 37; Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 27. 59 OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.  November 1987, DÖV  1988, 925, 925 f.; H. Bidin­ger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 37; Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 26; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG II, A4 § 4 PBefAusglV Rn. 2; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a PBefG Rn. 7; vgl. auch Zeiselmair, WiVerw 1989, 39, 43; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, G § 5 PBefAusglV S. 2. 60 H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 38. 61 H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 39; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a PBefG Rn. 7.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

Antrags an.62 Begründet werden kann dies sowohl mit dem eindeutigen Wortlaut („der Unternehmer […] beantragt hat“) als auch mit dem Regelungszweck der Norm.63 Der Gesetzgeber gesteht den Verkehrsunternehmern aus sozialpolitischen Gründen den Ausgleichanspruch aus § 45a PBefG zu, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass diese ihrer Obliegenheit zu eigenwirtschaftlichem Handeln nachkommen.64 Da eine übermäßige öffentliche Subventionierung des Ausbildungsverkehrs vermieden werden soll, wird durch § 45a Abs. 1 Nr. 2 PBefG sichergestellt, dass die Verkehrsunternehmer durch den Anpassungsantrag selbst dafür Sorge tragen, „dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen betriebswirtschaftlichen und sozialpolitischen Erfordernissen hergestellt werden kann“.65 Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts kann die anspruchsbegründende Wirkung der Antragstellung jedoch trotzdem in besonderen Fallgestaltungen entfallen, unter anderem dann, „wenn der Antrag offenkundig unzulänglich und deshalb von vornherein genehmigungsunfähig ist“.66 (2) Umfang des Ausgleichsanspruchs Gemäß § 45a Abs. 2 Satz 1 PBefG werden 50 Prozent des Unterschiedsbetrags zwischen dem Ertrag, der in den in Absatz 1 genannten Verkehrsformen für die Beförderung von Personen mit Zeitfahrausweisen des Ausbildungsverkehrs erzielt worden ist, und dem Produkt aus den in diesem Verkehr geleisteten Personen-Kilo­ metern und den durchschnittlichen verkehrsspezifischen Kosten als Ausgleich gewährt. Dabei kommt den „durchschnittlichen verkehrsspezifischen Kosten“ als Faktor bei der Ausgleichsberechnung eine entscheidende Rolle zu.67 Als solche gelten nach § 45a Abs. 2 Satz 2 PBefG die Kostensätze68 je Personen-Kilometer, die von den Landesregierungen oder den von ihnen durch Rechtsverordnung er-

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BVerwG, Beschluss vom 12.  Juni 1987, VRS  73, 315, 315 ff.; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a PBefG Rn. 7; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 39. 63 Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a PBefG Rn. 7. 64 Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a PBefG Rn. 7. 65 Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a PBefG Rn. 7. 66 BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 1987, VRS 73, 315 Rn. 6; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 39. 67 Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a PBefG Rn. 8. 68 Diese wurden in Bayern durch § 1 PBefKostenV je Personen-Kilometer festgelegt auf: 0,2265 € für Unternehmen, die überwiegend Orts- und Nachbarortslinienverkehr mit Straßenbahnen bzw. O-Bussen oder Kraftomnibussen in Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohnern betreiben (§ 1 Nr.  1 PBefKostenV); 0,1999  € für Unternehmen, die überwiegend Orts- und Nachbarortslinienverkehr mit Kraftomnibussen in Gemeinden mit mehr als 44 000 Einwohnern betreiben (§ 1 Nr. 2 PBefKostenV); 0,1833 € für Unternehmen, die überwiegend Orts- und Nachbarortslinienverkehr mit Omnibussen in Gemeinden mit bis zu 44 000 Einwohnern betreiben (§ 1 Nr. 3 PBefKostenV); 0,1260 € für Unternehmen, die überwiegend sonstigen Linienverkehr mit Kraftomnibussen (Überlandlinienverkehr) betreiben (§ 1 Nr. 4 PBefKostenV).

A. Derzeitige Finanzierungspraxis

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mächtigten Behörden durch Rechtsverordnung69 nach Durchschnittswerten einzelner repräsentativer Unternehmen, die sparsam wirtschaften und leistungsfähig sind, pauschal festgelegt werden. Das Verfahren zur Ermittlung der durchschnittlichen verkehrsspezifischen Kosten und der Personen-Kilometer wird durch die Regelungen der §§ 2 und 3 PBefAusglV näher konkretisiert.70 Durch das Abstellen auf durchschnittliche Kosten, Durchschnittswerte und pauschale Festlegungen wurde dem Landesverordnungsgeber von dem Bundesgesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zugestanden.71 Damit wurde die Vereinfachung, Typisierung und Pauschalierung bei der Festsetzung der Kostensätze nicht nur ermöglicht, sondern ausdrücklich bezweckt.72 Dadurch besteht grundsätzlich das Risiko, dass einem Unternehmer bei Anwendung der festgesetzten Kostensätze ein höherer oder geringerer Erstattungsbetrag zugebilligt wird, als ihm nach § 45a Abs. 2 Satz 1 PBefG eigentlich zustünde.73 Dies sei nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch „bei Überschreitungen des grundsätzlich hälftigen Verlustausgleichs im Einzelfall jedenfalls solange bundesrechtlich unbedenklich, als der Erstattungsbetrag ein Verlustausgleich bleib[e]; denn einen anteiligen Verlust aus der Beförderungspflicht im Ausbildungsverkehr zu tragen, [sei] eine den Verkehrsunternehmen im Rahmen ihrer Gemeinwohlbindung74 […] auferlegte Last, die der Verordnungsgeber als mögliche Folge eines pauschalierenden Verlustausgleichs im Einzelfall auch abschwächen [dürfe]“.75 Letztlich bleibt somit festzuhalten, dass § 45a Abs. 2 Satz 1 PBefG nicht als starre Grenze verstanden werden darf, sondern unter den geschilderten Voraussetzungen durchaus Abweichungen zulässt.76

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Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr hat zu diesem Zweck auf Grundlage des § 45a Abs. 2 Satz 2 PBefG in Verbindung mit § 3a der Verordnung zur Ausführung des PBefG die Verordnung über Kostensätze für Ausgleichszahlungen nach § 45a des Personenbeförderungsgesetzes (Ausgleichszahlungsverordnung Personenbeförderung – ­PBefKostenV) vom 6. April 1993 (GVBl. S.  314) BayRS 922–3-I, zuletzt geändert durch § 1 ÄndVO vom 29. Oktober 2015 (GVBl. S. 406), erlassen. 70 Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a Rn. 8. 71 BVerwG, Urteil vom 15. April 1988, TranspR 1989, 28, 28; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a Rn. 8. 72 BVerwG, Urteil vom 15. April 1988, TranspR 1989, 28, 28; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a Rn. 8. 73 BVerwG, Urteil vom 15. April 1988, TranspR  1989, 28, 28 f.; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a Rn. 8; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 48. 74 Vgl. zur Gemeinwohlbindung im Ausbildungsverkehr: BVerwG, Urteil vom 23. März 1984, E  69, 104, 105 ff., das davon ausgeht, „da[ss] im Tarifbereich des Ausbildungsverkehrs aus Gründen des öffentlichen Verkehrsinteresses sowie aus sozial- und bildungspolitischen Gründen Leistungen zu einem Preis erbracht werden müss[t]en, der die Kosten nicht deck[e]“. Siehe dazu auch die Begründung zur Einfügung von § 45a PBefG im Rahmen des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des PBefG, BT-Drucks. 7/2018, S. 6. 75 BVerwG, Urteil vom 15. April 1988, TranspR  1989, 28, 28 f.; Grätz, in: Fielitz/Grätz, PBefG, § 45a Rn. 8. 76 Vgl. auch H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 48.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

bb) Erstattung der Fahrgeldausfälle im Nahverkehr durch die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen § 145 Abs.  1 Satz  1 SGB  IX normiert, dass schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises unentgeltlich befördert werden. Mit dieser Regelung soll unter anderem die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am öffentlichen Personenverkehr gefördert werden müssen.77 Zudem kommt der unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen auch maßgebliche Bedeutung im Hinblick auf die Erreichung der Ziele zu, die im „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung vom 13. Dezember 200678“ definiert wurden.79 So bestimmt beispielsweise Art. 20 Buchst. a des Übereinkommens, dass die Vertragsstaaten wirksame Maßnahmen treffen, um für Menschen mit Behinderung persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen, indem sie unter anderem die persönliche Mobilität von Menschen mit Behinderungen in der Art und Weise und zum Zeitpunkt ihrer Wahl und zu erschwinglichen Kosten erleichtern.  Insgesamt lässt sich somit feststellen, dass Mobilität gerade eine der „Grundbedingungen menschlichen Daseins in der neuzeitlichen Gesellschaft“80 darstellt und der geförderte Zugang zum ÖPNV einen wichtigen Beitrag zur Inklusion leistet. Da den Unternehmern durch die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen, deren Begleitpersonen und sonstigen orthopädischen Hilfsmitteln im Nahverkehr jedoch Fahrgeldausfälle entstehen, wurde in § 148 SGB IX die Erstattung dieser Ausfälle geregelt.81 Demnach werden die Fahrgeldausfälle im Nahverkehr nach einem Prozentsatz der von den Unternehmern oder den Nahverkehrsorganisationen im Sinne des § 150 Abs. 2 SGB IX nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen im Nahverkehr erstattet, § 148 Abs. 1 SGB IX. Fahrgeldeinnahmen definieren sich gemäß § 148 Abs. 2 SGB IX als alle Erträge aus dem Fahrkartenverkauf zum genehmigten Beförderungsentgelt. Sie umfassen jedoch auch Erträge aus der Beförderung von Handgepäck, Krankenfahrstühlen, sonstigen orthopädischen Hilfsmitteln,

77 Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX Bd. 2, § 145 Rn. 1a; Jabben, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK SozR, § 145 SGB IX Rn. 2; Oppermann, in: Knickrehm, Gesamtes soziales Entschädigungsrecht, § 145 SGB IX Rn. 1; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 145 Rn. 1. 78 Das Übereinkommen wird auch als sog. UN-Behindertenrechtskonvention bezeichnet, wurde als völkerrechtlicher Vertrag von Deutschland ratifiziert und trat am 26. März 2009 in Kraft (BGBl. II 2008 S. 1419 sowie BGBl. II 2009 S. 818). Vgl. dazu Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX Bd. 2, § 145 Rn. 1b. 79 Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX Bd. 2, § 145 Rn. 1b. 80 Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX Bd. 2, § 145 Rn. 1a. 81 Vgl. Jabben, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK SozR, § 148 SGB IX Rn. 1; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 148 Rn. 1.

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Tieren sowie aus erhöhten Beförderungsentgelten.82 Durch die Verwendung des Begriffs „Fahrgeld“ wird deutlich, dass ausschließlich das für den Verkauf eines Fahrscheins an den Kunden genehmigte Beförderungsentgelt nach § 39 Abs. 1 PBefG als maßgebliche Fahrgeldeinnahme anzusehen ist, sodass sich die Einbeziehung allgemeiner Abgeltungszahlungen oder anderer allgemeiner Zuschüsse der öffentlichen Hand gerade verbietet.83 Dies gilt auch dann, wenn diese zur Ertragssteigerung der aus sozialpolitischen Gründen nicht kostendeckend befördernden Unternehmen beitragen sollen.84 Die Erstattung der Fahrgeldausfälle wird nach einem Pauschalverfahren vorgenommen.85 Damit wird das Ziel verfolgt, eine möglichst einfache Verwaltungspraxis zu erreichen und dabei gleichzeitig dennoch eine nach den jeweiligen Verhältnissen gerechte Erstattung zu erzielen.86 Der dafür maßgebende Prozentsatz87 wird gemäß § 148 Abs. 4 Satz 1 SGB IX für jedes Land von der Landesregierung oder der von ihr bestimmten Behörde88 für jeweils ein Jahr bekanntgemacht. Weist ein Unternehmen durch Verkehrszählung jedoch nach, dass das Verhältnis zwischen den unentgeltlich beförderten Fahrgästen und den sonstigen Fahrgästen den nach § 148 Abs.  4 SGB IX festgesetzten Prozentsatz um mindestens ein Drittel übersteigt, wird neben dem sich aus der Berechnung nach § 148 Abs. 4 SGB IX ergebenden Erstattungsbetrag auf Antrag der nachgewiesene über dem Drittel liegende Anteil erstattet (sog. individuelles Erstattungsverfahren)89, vgl. § 148 Abs. 5 SGB IX. Dabei handelt es sich um eine Härteklausel90, die beispielsweise in Kur- und Erholungsgebieten von besonderer Bedeutung sein kann.91 Diese wurde

82 Zum Begriff der Fahrgeldeinnahmen vgl. auch Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 148 Rn. 2 ff.; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX Bd. 2, § 148 Rn. 4. 83 Oppermann, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 148 SGB IX Rn. 3; vgl. dazu auch ausführlich Fiedler, in: Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, § 45a (Exkurs); § 148 SGB IX Rn. 3 ff.; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 148 Rn. 3. 84 Oppermann, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 148 SGB  IX Rn. 3; ebenso und ausführlich Fiedler, in: Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, § 45a (Exkurs); § 148 SGB IX Rn. 3 ff. 85 Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 148 Rn. 5; Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 148 Rn. 5; Oppermann, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 148 SGB IX Rn. 4; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 148 Rn. 2. 86 Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 148 Rn. 2. 87 In Bayern beträgt der Pauschalsatz für das Jahr 2015 2,89 Prozent derjenigen Fahrgeldeinnahmen, die im Nahverkehr nachweislich erzielt wurden, vgl. Bayerischer Staatsanzeiger Nr. 4/2016 vom 29. Januar 2016. 88 In Bayern wird der Pauschalsatz vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, Ressort: Zentrum Bayern Familie und Soziales, festgesetzt. 89 Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 148 Rn. 9 ff. 90 Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 148 Rn. 10; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/MajerskiPahlen, SGB IX, § 148 Rn. 6. 91 BVerfG, Beschluss vom 17. Oktober 1984, E 68, 155, 174 f.; BT-Drucks. 10/335, S. 90; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 148 Rn. 10; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 148 Rn. 6; vgl. auch Fromm, NJW 1984, 649, 650.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

eingeführt, da gegen eine starre Pauschalierung der Erstattung ohne Härtefallklausel verfassungsmäßige Bedenken bestanden.92 b) Kommunaler Querverbund zwischen Versorgung und ÖPNV Durch die Bildung von kommunalen Querverbänden kommen den Aufgabenträgern des ÖPNV öffentliche Mittel in Form von Steuerersparnissen in beträchtlicher Höhe zu. Nach einer Schätzung des VDV belaufen sich die auf diese Weise in den öffentlichen Nahverkehr fließenden Mittel auf rund 1,3  Milliarden Euro jährlich.93 Gemäß der VDV-Erhebung zum Berichtsjahr 2014 sind 141 Unternehmen der rund 600 ÖPNV-Unternehmen im ÖPNV als Querverbund organisiert.94 Dementsprechend handelt es sich bei dem kommunalen Querverbund um ein „seit langer Zeit bewährtes Finanzierungsmittel für den ÖPNV“95, das aufgrund seines Gesamtumfangs als „existenzwichtig“ für den ÖPNV erachtet wird.96 Das Recht zur Bildung von kommunalen Querverbundunternehmen kann aus den in der Gemeindeordnung enthaltenen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie der Pflicht zur wirtschaftlichen Führung kommunaler Unternehmen abgeleitet werden.97 Ein kommunaler Querverbund besteht aus einer Zusammenfassung mehrerer Versorgungssparten – Strom, Fernwärme, Wasser und Abwasser oft auch unter Einbeziehung des ÖPNV – innerhalb eines kommunalen Unternehmens.98 Dies kann einerseits als Zusammenfassung mehrerer Betriebs 92 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.  Oktober 1984, E 68, 155, 156 und 173 ff.; BTDrucks. 10/335, S. 90; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 148 Rn. 6; vgl. auch Fromm, NJW 1984, 649, 650. 93 Stollberg, in: VDV-Jahresbericht 2011/2012, S. 17; ähnliche Zahlen liefert auch Hüttemann, DB 2009, 2629, 2630, der das jährliche Entlastungsvolumen der Kommunen zur Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge durch den kommunalen Querverbund auf 1,5 Milliarden Euro schätzt; ähnlich auch Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 465, der von einem Gesamtumfang von bis zu 1,0 Mrd. Euro ausgeht. 94 Zur Zahl der Mitgliedsunternehmen des VDV vgl. https://www.vdv.de/daten-_-fakten. aspx (letzter Abruf: 31. Januar 2018) sowie VDV Statistik 2015, Stand: 1. September 2016, S. 82 ff. Die Anzahl der im Querverbund organisierten Mitgliedsunternehmen wurde beim VDV erfragt. 95 Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 465; Räpple, in: Püttner, Der regionalisierte Nah­ verkehr, S.  139 f.; ähnlich auch Badura, in: Schwarz, Daseinsvorsorge im Lichte des Wettbewerbs, S. 27. 96 Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 465. 97 Schmid, BWVP 1996, 124, 125. 98 Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 364 Rn. 582; Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 16; Scheele/Sterzel, ÖPNV zwischen Gemeinwohlinteressen und Markt, S. 60; ähnlich auch Schmid, BWVP 1996, 124, 124 f.; Fromm, BB 1994, 2366, 2367; Eichhorn, in: Schauer, Der kommunale Querverbund aus der Sicht von Theorie und Praxis, 17, 17; Gottschalk, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 13, 13; Ambrosius, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 19, 19; Braun, in: Püttner, Der kommunale Quer­verbund, 63, 63; vgl. auch Weitemeyer, FR 2009, 1, 9.

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zweige in einem Unternehmen oder andererseits in Form von mehreren selbständigen Unternehmen unter dem Dach einer Holding geschehen.99 Dadurch können betriebs- und finanzwirtschaftliche Synergieeffekte ausgenutzt werden.100 Diese umfassen beispielsweise eine einheitliche Geschäftsführung über eine zentrale Unternehmensplanung, die gemeinsame Führung des Rechnungswesens sowie die gemeinsame Datenverarbeitung und Unterhaltung des Fuhrparks.101 Weiterhin kann ebenfalls von einer kontinuierlichen Auslastung des Personals profitiert werden.102 Aber auch durch die Zusammenführung der Finanzmassen in den einzelnen Geschäftsbereichen können positive Auswirkungen auf die Finanzierung und die Liquidität des Unternehmens erzielt werden, da aufgrund des zwischen den Sparten stattfindenden Finanz- und Liquiditätsausgleichs eine größere finanzielle „Manövriermasse“ im Querverbundunternehmen zur Verfügung steht.103 Weiterhin können flüssige Finanzmittel leichter bedarfsgerecht eingesetzt werden, wodurch auch eine Verringerung des Fremdkapitals erreicht werden kann.104 Die Finanzierungswirkung für den ÖPNV ergibt sich jedoch größtenteils aus steuerlichen Synergieeffekten.105 Dies liegt vor allem daran, dass durch den Zusammenschluss der verschiedenen Versorgungssparten in ein einziges Unternehmen eine Verrechnung der Ergebnisse der verschiedenen Sparten erfolgt (sog. interne

99 Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 16; ähnlich auch Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 364 Rn. 582; vgl. auch Kaiser, Der kommunale Querverbund, S. 2; Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 92; Fromm, BB 1994, 2366, 2367; vgl. auch Fredrich, Der Nahverkehr  2003, 48, 48; Eichhorn, in: Schauer, Der kommunale Querverbund aus der Sicht von Theorie und Praxis, 17, 17; Schmid, BWVP 1996, 124, 126. 100 Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 365 Rn. 384; ähnlich auch Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 93; Gottschalk, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 13, 14; kritisch betrachtet wird dies von Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 16 Fn. 60, der davon ausgeht, dass sich der Trend in der Kommunalwirtschaft wohl eher zu einer stärkeren Ausrichtung am Kerngeschäft entwickele. 101 Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 365 Rn. 584; ähnlich auch Eichhorn, in: Schauer, Der kommunale Querverbund aus der Sicht von Theorie und Praxis, 17, 22; Thiemeyer, in: Schauer, Der kommunale Querverbund aus der Sicht von Theorie und Praxis, 31, 36; vgl. auch Gottschalk, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 13, 14; Braun, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 63, 68 f.; Schmid, BWVP 1996, 124, 127. 102 Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 365 Rn. 584; ähnlich auch Thiemeyer, in: Schauer, Der kommunale Querverbund aus der Sicht von Theorie und Praxis, 31, 36; vgl. auch Schmid, BWVP 1996, 124, 127. 103 Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 365 Rn. 585; vgl. auch Ambrosius, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 19, 42; Braun, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 63, 69; ebenso Schmid, BWVP 1996, 124, 128. 104 Braun, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 63, 69; Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 365 Rn. 585. 105 Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 16; Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 365 Rn. 586; Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 93; Ambrosius, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 19, 43 f.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

Subventionierung106).107 Dadurch können beispielsweise etwaige Fehlbeträge aus dem ÖPNV-Geschäft durch etwaige Überschüsse aus der Energieversorgung ausgeglichen werden.108 Damit geht eine Verringerung der Körperschaftsteuer einher, wodurch die Finanzkraft des Querverbundes steigt.109 Vergleichbares kann auch dann stattfinden, wenn der ÖPNV und die leistungsgebundene Versorgung unter einer Holdinggesellschaft zusammengefasst worden sind.110 Der Ausgleich der Gewinne und Verluste der Tochtergesellschaften erfolgt dann auf der Ebene der Holdinggesellschaft im Rahmen von Ergebnisabführungsverträgen.111 Die durch den kommunalen Querverbund entstehende Steuerersparnis ist so beträchtlich, dass die Gemeinden ohne sie nicht mehr dazu in der der Lage wären, den ÖPNV zu finanzieren.112 aa) Steuerrechtliche Zulässigkeit der internen Subventionierung des kommunalen Querverbunds Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG113 sind inländische Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Dazu zählen gemäß § 4 Abs. 3 KStG auch Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen. Grundsätzlich ist eine juristische Person des 106

Braun, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 63, 70; Münch, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 93, 93 und 96. 107 Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 365 Rn. 586; Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 16; Fromm, BB 1994, 2366, 2367; vgl. auch Eichhorn, in: Schauer, Der kommunale Querverbund aus der Sicht von Theorie und Praxis, 17, 17; Thiemeyer, in: Schauer, Der kommunale Querverbund aus der Sicht von Theorie und Praxis, 31, 46; Fredrich, Der Nahverkehr 2003, 48, 48; Bolsenkötter, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 111, 112; vgl. auch Weitemeyer, FR 2009, 1, 9. 108 Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 365 Rn. 586; Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 16; Scheele/Sterzel, ÖPNV zwischen Gemein­ wohlinteressen und Markt, S. 60; allgemein zur linienbezogenen Quersubventionierung Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 92. 109 Braun, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 63, 70. 110 Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 365 Rn. 586; Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 16. 111 Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 365 Rn. 586; Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 16; vgl. auch Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 93; Gottschalk, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 13, 16; vgl. auch Fromm, BB 1994, 2366, 2367. 112 Münch, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 93, 104; ähnlich auch Schmid, BWVP 1996, 124, 126, der „die Beibehaltung des kommunalen Querverbunds als unverzichtbare Grundlage für die Wahrnehmung unterschiedlicher Daseinsvorsorgeaufgaben in der kommunalen Versorgungs- und Verkehrswirtschaft“ bezeichnet. 113 Körperschaftsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.  Oktober 2002 (BGBl. I S. 4144), das zuletzt durch Art. 5 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2730) geändert worden ist.

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öffentlichen Rechts jedoch wegen jedes einzelnen ihrer Betriebe gewerblicher Art Steuersubjekt, sodass für jeden einzelnen ihrer Betriebe gewerblicher Art die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens gesondert zu erfolgen hat.114 Daraus ergibt sich, dass ein Verlustausgleich zwischen mehreren Betrieben gewerblicher Art nicht möglich ist, sondern ausschließlich innerhalb desselben Betriebs gewerblicher Art erfolgen kann.115 Ausnahmen davon wurden vom Bundesfinanzhof (BFH) vor der Reform des Steuerrechts durch das Jahressteuergesetz  2009 (JStG 2009)116 nur für gleichartige Betriebe gewerblicher Art anerkannt, die durch organisatorische Maßnahmen mit steuerrechtlicher Wirkung zu einem einzigen Betrieb zusammengefasst worden sind.117 Eine Zusammenfassung verschiedener Betriebe gewerblicher Art war dagegen nur dann möglich, wenn diese objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht zueinander aufwiesen.118 Begründet wurde dies damit, dass ansonsten der Zweck der Besteuerung von öffentlichen Unternehmen, der gerade in der Herstellung von Wettbewerbsgleichheit mit privaten Unternehmen zu sehen ist, nicht erreicht werden könne.119 Schließlich hat die Rechtsprechung auch die Zusammenfassung mehrerer Versorgungsbetriebe oder Versorgungsbetriebe und Verkehrsbetriebe zu einer juristischen Person des öffentlichen Rechts anerkannt, „da die in ihnen geübten Betätigungen dem gleichen Gedanken, nämlich der Versorgung der Bevölkerung, untergeordnet sind“.120 Der BFH wandte sich jedoch in seinem Grundsatzurteil vom 22. August 2007 von der bisherigen Verwaltungspraxis – und somit auch dem Querverbund – ab.121 114

BFH, Urteil vom 20. März 1956, E 62 448, 450; Märtens, in: Gosch, KStG, § 4 Rn. 170; vgl. auch Gay/Neudert, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, G Rn. 173; Alvermann, in: Streck, KStG, § 4 Rn. 3; Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 4 Rn. 4, Rn. 12; Erhard, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 4 KStG Rn. 12; Leippe, DStZ 2008, 33, 34; Mai, in: Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 4 Rn. 26; Heger, FR 2009, 301, 301 f.; Leippe, DStZ 2008, 33, 34. 115 Märtens, in: Gosch, KStG, § 4 Rn. 170; Gay/Neudert, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, G Rn. 173; Mai, in: Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/ UmwStG, § 4 Rn. 26. 116 Jahressteuergesetz 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794, Nr. 63). 117 Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 4 Rn. 131. 118 BFH, Beschluss vom 16. Januar 1967, E 88, 3, 3 und 8; Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 4 Rn. 131; Alvermann, in: Streck, KStG, § 4 Rn. 44; Gay/Neudert, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, G Rn. 177; Ambrosius, in: Püttner, Der kommunale Querverbund, 19, 44; Weitemeyer, FR 2009, 1, 3. 119 BFH, Urteil vom 20. März 1956, E 62, 448, 448 ff.; Weitemeyer, FR 2009, 1, 3; Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 8 Rn. 390; vgl. auch Heger, FR 2009, 301, 301. 120 BFH, Urteil vom 4. September 2002, BFH/NV 2003, 511, 512; ebenso Urteil vom 10. Juli 1962, E 75, 498, 501; Urteil vom 8. Februar 1966, E 85, 213, 215; BFH, Urteil vom 12. Juli 1967, E 85, 416, 418 f.; Urteil vom 8. November 1989, E 159, 52, 55; vgl. auch Zimmermann, in: Lademann, KStG § 4 Rn. 131; Weitemeyer, FR 2009, 1, 3; ähnlich auch Hüttemann, DB 2009, 2629, 2630, der von einer „einheitlichen Aufgabe“ spricht. 121 Hüttemann, DB 2007, 2508, 2508; Hüttemann, DB 2009 2629, 2629; Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 311 sprechen sogar von einer „Kehrtwende“.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

Der Senat wendete seine „Liebhaberei“-Rechtsprechung122 zur verdeckten Gewinnausschüttung nun auch auf kommunale Verlustbetriebe an.123 Der Senat ging davon aus, dass das Unterhalten eines strukturell dauerdefizitären kommunalen Eigenbetriebs in der Rechtsform einer GmbH ohne Verlustausgleich und ggf. ohne angemessenen Gewinnaufschlag durch die Gesellschafterin regelmäßig zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung führe.124 Das Institut der verdeckten Gewinnausschüttung beschreibt ein Instrument des Steuergesetzgebers, mit dem – unter bestimmten Voraussetzungen – das körperschaftsteuerliche Einkommen einer Kapitalgesellschaft korrigiert werden kann, § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG.125 Konkret versteht man unter einer verdeckten Gewinnausschüttung bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die Veranlassung in dem Gesellschaftsverhältnis findet und sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 KStG auswirkt, wobei sie jedoch in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht.126 Dem Urteil lag eine dauerdefizitäre „Hallenbad- und Freizeit GmbH“ zugrunde, die als Organgesellschaft gemeinsam mit anderen profitablen Eigengesellschaften in eine kommunale Holding eingegliedert worden war.127 Das Finanzamt hatte die Verluste der GmbH jedoch nicht steuerlich berücksichtigt, wogegen diese gerichtlich vorging.128 Die Nichtberücksichtigung der Verluste wurde vom BFH mit der Begründung bestätigt, dass der von der defizitären Eigengesellschaft unterhaltene Betrieb „strukturell dauerverlustbringend“ sei und Abhilfe nur durch einen monetären Verlustausgleich durch die Gemeinde als Alleingesellschafterin der Trägerkörperschaft geschaffen werden könne.129 „Auf einen derartigen (schuldrechtlichen) Ausgleich würde ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nicht verzichten. Ein solcher wäre nach Lage der Dinge nicht bereit, Leistungen zu erbringen, die an sich dem (unmittelbaren oder mittelbaren) Allein-

122 Diese besagt, dass eine Kapitalgesellschaft keine außerbetriebliche Sphäre besitzt und „deswegen verlustbringende Aktivitäten, die die Kapitalgesellschaft in gesellschaftlicher (Mit-) Veranlassung unternimmt, unter den Voraussetzungen einer ertragsteuerlichen sog. Liebhaberei eine verdeckte Gewinnausschüttung der Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter auslösen“, BFH, Urteil vom 22. August 2007, E 218, 523, 526; ebenso Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 311 Fn. 86; vgl. auch Leippe, DStZ 2008, 33, 43. 123 Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 311. 124 BFH, Urteil vom 22. August 2007, E 218, 523, 523 und 526; Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 4 Rn. 131, 167; vgl. auch Hüttemann, DB 2007, 2508, 2508; Leippe, DStZ 2008, 33, 43; Neu, EFG 2010, 1351, 1351; Fiand/Klaiber, KStZ 2009, 41, 41. 125 Deussen, in: Ziemons/Jaeger, BeckOK GmbHG, § 29 Rn. 38. 126 Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 4 Rn. 165; ähnlich auch Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 60; Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 166. 127 BFH, Urteil vom 22. August 2007, E 218, 523, 524 f.; Hüttemann, DB 2007, 2508, 2509; Leippe, ZKF 2008, 78, 78 ff.; Heger, FR 2009, 301, 306. 128 BFH, Urteil vom 22. August 2007, E 218, 523, 524 f.; Hüttemann, DB 2007, 2508, 2509. 129 BFH, Urteil vom 22. August 2007, E 218, 523, 529; Hüttemann, DB 2007, 2508, 2509; vgl. auch Leippe, ZFK 2008, 78, 78 ff.

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gesellschafter obliegen, und dafür auf Dauer Verluste hinzunehmen“.130 Auch die für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung erforderliche Vorteilsgeneigtheit wurde bejaht.131 Dazu führte der Senat aus, dass das Unterhalten des Bäderbetriebs zwar zu den eigenen Aufgaben der Gemeinde als Trägerkörperschaft im Rahmen der ihr übertragenen kommunalen Daseinsvorsorge gehöre, indem die Gemeinde diese Aufgabe jedoch der Tochtergesellschaft übertragen habe, lagere sie eigene und ihr obliegende Tätigkeiten aus.132 „Dass die Aufgaben von ihr [der Tochtergesellschaft] freiwillig, nicht jedoch gezwungenermaßen übernommen werden, steh[e] dem ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass die Gemeinde ihrerseits einen insoweit altruistischen, ideellen Zweck verfolg[e] und dass das ‚tragende Motiv‘ für ihr Tätigwerden die ‚Befriedigung der Bedürfnisse der Bürger‘ [sei]. Ausschlaggebend [sei] – wie bei anderen Körperschaften auch – allein die gesellschaftsrechtliche (Mit-)Veranlassung der Vermögensminderung“.133 Weiterhin vermeide die Gemeinde infolge der Auslagerung in die Eigengesellschaft „andernfalls unmittelbar bei ihr auflaufende eigene Verluste“, da diese Verluste die Eigengesellschaft insoweit als eigenständiges Rechtssubjekt beträfen.134 „Dass die Verluste direkt oder indirekt im wirtschaftlichen Ergebnis doch wieder von der Gemeinde als Trägerkörperschaft getragen werden, indem diese die Verluste ausgleich[e], änder[e] daran jedenfalls dann nichts, wenn jeder Anspruch auf gesellschaftsrechtlicher Basis erfolg[e]“, was hier der Fall sei.135 Die Frage, ob zudem neben der als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizierenden Übernahme der Dauerverluste zusätzlich ein (angemessener) Gewinnaufschlag zu machen ist, hat der BFH aufgrund des bestehenden Verböserungsverbots dahinstehen lassen.136 Folge dieser Rechtsprechung wäre somit der Entfall der Verluste aus den Bäderbetrieben und dem öffentlichen Nahverkehr gewesen, sodass die Kommunen aufgrund der dadurch erhöhten Gewinne aus den Versorgungssparten (Energie und Wasser) zur Leistung einer erhöhten Körperschaftsteuer verpflichtet gewesen wären.137 Damit wurde nicht nur die seit Jahrzehnten praktizierte Form der Finanzierung kommunaler Verlustbetriebe durch steuerliche Querverbünde mit kommunalen gewinnerzielenden Betrieben in Frage gestellt, sondern es bestand auch die Gefahr, dass fortan „defizitär arbeitende Betriebe einen Ertrag in Höhe eines 130

BFH, Urteil vom 22. August 2007, E 218, 523, 530; Hüttemann, DB 2007, 2508, 2509; vgl. Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 8 Rn. 392; Leippe, DStZ 2008, 33, 43. 131 BFH, Urteil vom 22. August 2007, E 218, 523, 530; Hüttemann, DB 2007, 2508, 2509. 132 BFH, Urteil vom 22. August 2007, E 218, 523, 530; vgl. auch Hüttemann, DB 2007, 2508, 2509. 133 BFH, Urteil vom 22. August 2007, E 218, 523, 530 f.; vgl. auch Leippe, ZFK 2008, 87, 87 ff. 134 BFH, Urteil vom 22. August 2007, E 218, 523, 532; Hüttemann, DB 2007, 2508, 2509; Leippe, DStZ 2008, 33, 43. 135 BFH, Urteil vom 22. August 2007, E 218, 523, 532; Hüttemann, DB 2007, 2508, 2509; Leippe, DStZ 2008, 33, 43. 136 BFH, Urteil vom 22. August 2007, E 218, 523, 527; Hüttemann, DB 2007, 2508, 2509; vgl. auch Heger, FR 2009, 301, 306. 137 Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 311.

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angemessenen Gewinnaufschlags für ihre Leistungen versteuern müssten“.138 In Reaktion auf Drängen und Proteste der Kommunen139, sowie um die bestehenden Formen kommunaler Zusammenarbeit und Finanzierung weitgehend unangetastet zu lassen und Zeit für eine gesetzliche Regelung zu schaffen, hat das Bundesfinanzministerium im Dezember 2007 einen Nichtanwendungserlass ausgesprochen.140 Demnach seien die Grundsätze des genannten BFH-Urteils für die Beurteilung der Zusammenfassung von Tätigkeiten in einer Eigengesellschaft oder in vergleichbaren Gestaltungen, die in einem Betrieb gewerblicher Art zusammengefasst werden können, nicht allgemein anzuwenden.141 „Dies [gelte] auch in den Fällen, in denen eine Eigengesellschaft eine Verlusttätigkeit der Trägerkörperschaft übernehme, ohne sonst eine weitere Tätigkeit auszuüben, und bei der Besteuerung von Betrieben gewerblicher Art“.142 Durch das Jahressteuergesetz 2009 wurde schließlich der bislang nicht gesetzlich geregelte kommunale Querverbund kodifiziert.143 Hauptintention war dabei die Wahrung des status quo144 und die gesetzliche Verankerung der bisherigen Verwaltungspraxis.145 Begründet wurden die Änderungen damit, dass die angesprochene Rechtsprechung des BFH146 nicht der bisherigen steuerlichen Handhabung durch die Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung entspreche.147 Vielmehr stelle die Ergebnisverrechnung im Rahmen von Eigen­ gesellschaften und auch in Betrieben gewerblicher Art einen wichtigen Faktor bei der Finanzierung von Leistungen der Daseinsvorsorge dar.148 Das Bereithalten solcher Leistungen sei jedoch gerade Aufgabe der öffentlichen Hand, sodass auch eine faktische Erwartungshaltung der Bürger auf deren Bereitstellung angenommen werden könne.149 In Anbetracht dieser Tatsachen sei es daher gerechtfertigt, die bisherigen Verwaltungsgrundsätze aufrechtzuerhalten.150 138 Weitemeyer, FR 2009, 1, 1; vgl. auch Fiand/Klaiber, KStZ 2009, 41, 41, die vom „Ende des steuerlichen Querverbunds“ sprechen. 139 Hüttemann, DB 2009, 2629, 2630; Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 4 Rn. 132, 167. 140 Vgl. Verwaltungsanweisung des BMF vom 7. Dezember 2007, BStBl. I 2007, 905. Weitemeyer, FR 2009, 1, 1; Schiffers, DStZ 2010, 119, 119; Neu, EFG 2010, 1351, 1351; Leippe, DStZ 2010, 106, 106; Fiand/Klaiber, KStZ 2009, 41, 41. 141 Verwaltungsanweisung des BMF vom 7. Dezember 2007, BStBl. I 2007, 905; vgl. auch Leippe, DStZ 2008, 33, 46; Neu, EFG 2010, 1351, 1351; Fiand/Klaiber, KStZ 2009, 41, 41. 142 Verwaltungsanweisung des BMF vom 7. Dezember 2007, BStBl. I 2007, 905; vgl. auch Leippe, DStZ 2008, 33, 46; Neu, EFG 2010, 1351, 1351. 143 Bracksiek, FR 2009, 15, 15; vgl. auch Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 311 f., die von einer Wiederherstellung der „ursprünglichen Rechtslage“ sprechen; Schiffers, DStZ 2010, 119, 119. 144 BT-Drucks. 16/10189, S. 68; Bracksiek, FR 2009, 15, 15. 145 BT-Drucks. 16/10189, S. 1; Mai, in: Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 4 KStG Rn.  26a; Alvermann, in: Streck, KStG, § 4 Rn.  44; Hüttemann, DB  2009, 2629, 2630; vgl. auch Schiffers, DStZ 2009, 119, 119; Neu, EFG 2010, 1351, 1351; Westermann/Zemke, KommJur 2013, 1, 2. 146 BFH, Urteil vom 22. August 2007, E 218, 523 ff. 147 BT-Drucks. 16/10189, S. 69; vgl. auch Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 8 Rn. 391. 148 BT-Drucks. 16/10189, S. 69; vgl. auch Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 8 Rn. 391. 149 BT-Drucks. 16/10189, S. 69; vgl. auch Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 8 Rn. 391. 150 BT-Drucks. 16/10189, S. 69; vgl. auch Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 8 Rn. 391.

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Rechnung getragen wurde diesen Erwägungen vor allem durch die Einfügung der §§ 4 Abs. 6 und 8 Abs. 7 bis Abs. 10 KStG. Gemäß § 4 Abs. 6 Nr. 3 KStG können Betriebe gewerblicher Art im Sinne des § 4 Abs. 3 KStG – also Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen – mit einem oder mehreren Betrieben gewerblicher Art zusammengefasst werden151, ohne dass diese gleichartig sein müssen oder eine wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung erforderlich ist.152 Damit wurde eine vollumfängliche gesetzliche Regelung der Zusammenfassungsmöglichkeiten von Betrieben gewerblicher Art – die zuvor nur auf „Richtlinienrecht“ bzw. auf Rechtsprechung basierten – geschaffen.153 § 4 Abs. 6 KStG gilt über die Verweisungen in § 8 Abs. 8, Abs. 9 KStG und § 15 Nr. 4 und Nr. 5 KStG entsprechend auch für die Zusammenfassung in Kapitalgesellschaften und die steuerliche Organschaft.154 Die Neuschaffung des § 8 Abs. 7 ff. KStG dient der Neuregelung der Ergebnisverrechnung unter Einbeziehung strukturell dauerdefizitärer Tätigkeiten.155 Die §§ 8 Abs.  7 ff. KStG enthalten spezielle Regelungen darüber, wie Dauerverlustgeschäfte von Betrieben gewerblicher Art und von der öffentlichen Hand beherrschten Kapitalgesellschaften zu behandeln sind.156 § 8 Abs. 7 Satz 1 KStG statuiert, dass die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht bereits allein deshalb eintreten, weil ein Betrieb gewerblicher Art (Nr. 1) oder eine Kapitalgesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar von der öffentlichen Hand beherrscht wird (Nr. 2), ein Dauerverlustgeschäft ausüben.157 Ein Dauerverlustgeschäft liegt nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG vor, soweit aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen eine wirtschaftliche Betätigung ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird oder in den Fällen von § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG das Geschäft Ausfluss einer Tätigkeit ist, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsakt gehört. Ein Verlustausgleich zwischen verschiedenen wirtschaftlichen Tätigkeiten kann somit erfolgen, wenn Tätigkeiten vorliegen, die nach § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG zusammengefasst werden können, vgl. § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 KStG.158 Damit wurden letztlich die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung speziell für 151 Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 4 Rn. 131 und 133; Mai, in: Frotscher/Drüen, KStG/ GewStG/UmwStG, § 4 Rn. 29. 152 Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 4 Rn. 141; Erhard, in: Blümich, KStG, § 4 Rn. 105; Mai, in: Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 4 Rn. 26 ff. 153 Fiand/Klaiber, KStZ 2009, 41, 42. 154 Alvermann, in: Streck, KStG, § 4 Rn.  44; Hüttemann, DB  2009, 2629, 2630; vgl. auch Leippe/Baldauf, DStZ 2009, 67, 73; Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 311; Kohlhepp, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8 Rn. 824. 155 Mai, in: Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 4 Rn. 30c. 156 Mai, in: Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 8 Rn.  577; vgl. auch Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1043. 157 Mai, in: Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 8 Rn. 580; vgl. auch Heger, FR 2009, 301, 306; Neu, EFG 2010, 1351, 1352; Fiand/Klaiber, KStZ 2009, 41, 43; Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1043. 158 Heger, FR 2009, 301, 306.

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bestimmte Dauerverlustgeschäfte der kommunalen Daseinsvorsorge im Sinne von § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG ausgeschlossen.159 bb) Beihilferechtliche Zulässigkeit Mit der Kodifizierung des kommunalen Querverbunds geht die Frage nach ihrer beihilferechtlichen Zulässigkeit einher. Angesichts der weiten Verbreitung des Querverbunds unter den Kommunen kann dessen steuerliche Bedeutung und damit ebenso die Frage nach der beihilferechtlichen Zulässigkeit seiner Kodifizierung nicht hoch genug eingeschätzt werden.160 Manche Stimmen in der Literatur sehen die durch das Jahressteuergesetz 2009 ermöglichte Verlustverrechnung aus dauerdefizitären Tätigkeiten mit Gewinnen aus ertragsstärkeren Versorgungsbetrieben durchaus kritisch.161 Begründet wird dies unter anderem damit, dass der öffentlichen Hand – abweichend von sämtlichen anderen Steuersubjekten – gestattet wird, Aufwendungen, die gerade aus einer hoheitlichen Tätigkeit stammen und somit eigentlich der Einkommensverwendung zuzurechnen wären, mit Gewinnen, die durch wirtschaftliche Tätigkeiten erwirtschaftet wurden, zu verrechnen.162 Es lasse sich aber nicht mit der Wettbewerbsneutralität vereinbaren, die gerade den Hauptgrund für die Besteuerung der wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand darstelle, dass gewerbliche Einkünfte durch Aufwendungen der außerbetrieblichen Sphäre gemindert werden können.163 Aus diesem Grund wird ein Verstoß gegen das unionsrechtliche Beihilfenverbot von vielen Seiten zumindest als möglich eingestuft.164 Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) versteht man unter einer Beihilfe, „die von den staatlichen Stellen gewährten Vorteile, die in verschiedener Form die Belastungen mindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat“.165 Der Beihilfebegriff ist jedoch weit auszulegen und umfasst – 159

Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 312. Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 311. 161 Vgl. z. B. Heger, FR 2009, 301, 307; Müller-Gatermann, FR 2009, 314, 321. 162 Heger, FR 2009, 301, 307. 163 Heger, FR 2009, 301, 307; Müller-Gatermann, FR 2009, 314, 320. 164 Kritisch Heger, FR 2009, 301, 307; Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 313; Hüttemann, FR 2009, 308, 311; Müller-Gatermann, FR 2009, 314, 321, geht sogar davon aus, dass der Ausschluss der Rechtsfolge der Rechtsprechung des BFH zum steuerlichen Querverbund durch das JStG 2009 „systemwidrig“ sei und den EG-Vertrag verletze. 165 EuGH, Urteil vom 7. März 2002, Rs. C-310/99, ECLI:EU:C:2002:143, Rn. 51 – Kommission/Italien; Urteil vom 27. Juni 2000, Rs. C-404/97, ECLI:EU:C:2000:345, Rn. 44 – Kommission/Portugal; Urteil vom 17. Juni 1999, Rs. C-75/97, ECLI:EU:C:1999:311, Rn. 23 – Belgien/ Kommission; Urteil vom 11.  Juli 1996, Rs.  C-39/94, ECLI:EU:C:1996:285, Rn.  58  – SFEI u. a.; Urteil vom 15. März 1994, Rs. C-387/92, ECLI:EU:C:1994:100, Rn. 13 – Banco Exterior de España; Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  107 AEUV Rn.  10; Weitemeyer, FR  2009, 1, 2; Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht  III, Art. 107 Abs. 1 AEUV Rn. 1. 160

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anders als Subventionen – nicht nur positive Leistungen, „sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen regelmäßig zu tragen hat, und die somit, obwohl sie keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen nach Art und Wirkung gleichstehen“.166 Daraus ergibt sich, „dass eine Maßnahme, mit der die staatlichen Stellen bestimmten Unternehmen eine Abgabenbefreiung gewähren, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber die Begünstigten finanziell besser stellt als die übrigen Abgabenpflichtigen, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG [heute Art. 107 Abs. 1 AEUV] ist. Genauso kann eine Maßnahme, mit der bestimmten Unternehmen eine Steuersenkung oder ein Zahlungsaufschub für die sonst geschuldete Steuer gewährt wird, eine staatliche Beihilfe sein“.167 Dementsprechend fällt auch die steuerliche Verrechnungsmöglichkeit gewinnträchtiger Tätigkeiten mit Dauerverlustgeschäften nach § 8 Abs. 7 KStG unter den Beihilfenbegriff.168 Die Einführung und Umgestaltung von Beihilfen unterliegt einer Anmeldepflicht.169 Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV statuiert, dass die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet werden muss, dass sie sich dazu äußern kann. Die beabsichtigte Beihilfe darf von dem Mitgliedstaat solange nicht gewährt werden, bis die Kommission diese mit einem abschließenden Beschluss für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt hat.170 Findet bereits zuvor eine Leistung von Beihilfen statt, so kann die Kommission deren Rückforderung (ex tunc) anordnen.171 Dieses Durchführungsverbot gilt jedoch nicht, wenn eine sog. „bestehende Beihilfe“ vorliegt, da dieser ein gewisser Bestandsschutz zukommt („Grandfathering“).172 Für die Frage, ob die gesetzliche Kodifikation des kommunalen Querverbunds – und die damit 166 EuGH, Urteil vom 10. Januar 2006, Rs. C-222/04, ECLI:EU:C:2006:8, Rn. 131 – Cassa di Rispormio di Firenze u. a.; Urteil vom 8. November 2001, Rs. C-143/99, ECLI:EU:C:2001:598, Rn. 38 – Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke; Urteil vom 15. Juli 2004, Rs. C-501/00, ELCI:EU:C:2004:438, Rn. 90 – Spanien/Kommission; Urteil vom 15. Dezember 2005, Rs. C-66/02, ECLI:EU:C:2005:768, Rn. 77 – Italien/Kommission; vgl. auch FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 2010, 1345, 1350; Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 8 Rn. 394. 167 EuGH, Urteil vom 10. Januar 2006, Rs. C-222/04, ECLI:EU:C:2006:8, Rn. 132 – Cassa di Rispormio di Firenze u. a.; Urteil vom 15. Dezember 2005, Rs. C-66/02, ECLI:EU:C:2005:768, Rn. 78 – Italien/Kommission; Urteil vom 15. März 1994, Rs. C-387/92, ECLI:EU:C:1994:100 – Banco Exterior de España; vgl. auch FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 2010, 1345, 1350; Heger, FG 2009, 301, 307; vgl. auch Bartosch, EU-Beihilfenrecht, Art. 107 Abs. 1 AEUV Rn. 86; Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 8 Rn. 394. 168 Heger, FG 2009, 301, 307. 169 Soltész/Wagner, EuZW 2013, 856, 856; vgl. auch Rittner/Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, § 26 Rn. 51; vgl. auch Werner, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 108 AEUV Rn. 21; vgl. auch Weitemeyer, FR 2009, 1, 13. 170 Soltész/Wagner, EuZW 2013, 856, 856; Rittner/Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, § 26 Rn. 51; Gundel, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Art. 108 AEUV Rn. 6; Sächs. FG, Urteil vom 15. Dezember 2010, BeckRS 2011, 94202; Weitemeyer, FR 2009, 1, 13. 171 Soltész/Wagner, EuZW 2013, 856, 856; Weitemeyer, FR 2009, 1, 13. 172 Soltész/Wagner, EuZW 2013, 856, 856; Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 313.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

verbundenen Steuererleichterungen – gegen europäisches Beihilfenrecht verstößt, kommt es daher entscheidend darauf an, ob § 8 Abs. 7 KStG als „bestehende Beihilfe“ oder als „Neubeihilfe“ einzustufen ist. (1) Rechtsprechung zur gesetzlichen Neuregelung des kommunalen Querverbunds Das FG Köln vertritt in seinem Urteil – der ersten Entscheidung nach der Gesetzesänderung durch das Jahressteuergesetz – die Auffassung, dass es sich bei § 8 Abs. 7 KStG gerade nicht um eine neue Beihilfe im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV handele.173 Dazu führt es aus, dass man unter bestehenden Beihilfen solche Beihilfen verstehe, die bereits vor Inkrafttreten des EG-Vertrages in dem entsprechenden Mitgliedstaat Bestand hatten, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, deren Einführungen zeitlich vor Inkrafttreten des EG-Vertrages lagen und die auch anschließend noch Anwendung fanden, Art. 1 Buchst. b Verordnung (EG) Nr. 659/1999174 (heute Art. 1 Buchst. b Verordnung (EU) Nr. 2015/1589175).176 Demgegenüber liege nach der negativen Begriffsbestimmung eine neue Beihilfe bei solchen Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen vor, die gerade keine bestehenden Beihilfen seien.177 173

FG Köln, Urteil vom 9.  März 2010, EFG  2010, 1345, 1349; Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 8 Rn. 394; vgl. auch zustimmend Sächs. FG, Urteil vom 15. Dezember 2010, BeckRS 2011, 94202. 174 Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG Vertrages, ABlEU Nr. L 83/1 vom 27. März 1999, aufgehoben m.W.v. 14. Oktober 2015 durch Art. 35 Beihilfenverfahrens-VO vom 13. Juli 2015, ABlEU Nr. L 248, S. 9. 175 Verordnung (EU) Nr. 2015/1589 vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABlEU Nr. L 248/9 vom 24. September 2015. 176 FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 2010, 1345, 1349; Rittner/Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, § 26 Rn. 54; Soltész/Wagner, EuZW 2013, 856, 856; Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 108 AEUV Rn. 3; Gundel, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Art. 108 AEUV Rn. 2; Werner, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 1 VerfVO Rn. 6; Bartosch, EU-Beihilfenrecht, Art. 1 VO (EG) Nr. 2015/1589 Rn. 3; Weitemeyer, FR 2009, 1, 13. Mittlerweile wurde die Definition der „bestehenden Beihilfe“ durch Neufassung des Art. 1 Buchst. b Verordnung (EU) Nr. 2015/1589 präzisiert. In diesem Fall würde die Definition des Art. 1 Buchst. b lit. i) eingreifen, wonach unbeschadet der Artikel 144 und 172 der Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens, des Anhangs IV Nummer 3 und der Anlage zu diesem Anhang der Akte über den Beitritt der Tschechischen Republik, Estlands, Zyperns, Lettlands, Litauens, Ungarns, Maltas, Polens, Sloweniens und der Slowakei, des Anhangs 5 Nummer 2 und Nummer 3 Buchst. b und der Anlage zu diesem Anhang der Akte über den Beitritt Bulgariens und Rumäniens und des Anhangs IV Nummer 2 und Nummer 3 Buchst. b und der Anlage zu diesem Anhang der Akte über den Beitritt Kroatiens alle Beihilfen, die vor Inkrafttreten des AEUV in dem entsprechenden Mitgliedstaat eingeführt worden sind und auch nach dessen Inkrafttreten noch anwendbar sind, bestehende Beihilfen sind. 177 FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 2010, 1345, 1349; Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  108 AEUV Rn.  4; Werner, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art.  1

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Darunter falle auch die Änderung bestehender Beihilfen, vgl. Art. 1 Buchst. c Verordnung (EG) Nr. 659/1999 (heute Art. 1 Buchst. c Verordnung (EU) Nr. 2015/1589).178 Die Neuregelung von § 8 Abs. 7 KStG falle somit nicht unter die Anwendungssperre des Art. 108 Abs. 3 AEUV, da es sich bei der gesetzlichen Neuregelung lediglich um die Fortschreibung der alten Rechtslage handele.179 Begründet wird dies damit, dass die als Beihilfen einzuordnenden Steuervorteile im Querverbund kommunaler Unternehmen gerade auf der Auslegung und Anwendung von Vorschriften über die Besteuerung der öffentlichen Hand beruhten, die in dieser Form seit dem KStG von 1925 Bestand hatten.180 Dazu führt das FG Köln unter anderem das Grundsatzurteil181 des BFH vom 20. März 1956 an, in dem dieser eine Beschränkung der Möglichkeit zur Verlustverrechnung durch Einführung der Kriterien der Gleichartigkeit der Betriebe und des engen wechselseitigen technisch-wirtschaftlichen Zusammenhangs vornahm182 und stellt heraus, dass dieses Urteil gerade die Grundlage der bisherigen Rechtsauffassung in der Bundesrepublik Deutschland darstelle.183 Auch die wesentlichen Entscheidungen des BFH aus dem Jahr 1967, die in den KStG-Richtlinien 1995 aufgeführt werden, nähmen eindeutig auf dieses Grundsatzurteil Bezug.184 Gerade auf diesem Rechtsverständnis, das vor dem Inkrafttreten des EG-Vertrages am 1. Januar 1958 in Deutschland begründet wurde, beruhe jedoch die Auffassung der Finanzverwaltung.185 Dies könne beispielsweise auch anhand der KSt-Richtlinien nachvollzogen werden.186 Auch die Rechtsprechung der Finanz­gerichte schloss sich dieser Interpretation bis in die jüngere Vergangenheit an.187 Daran ändere auch die Rechtsprechungsänderung durch das neue Grund­satzurteil188 des BFH vom 22. August 2007 nichts, da die bestehende Rechtslage gerade durch den Nichtanwendungserlass des BFM189 und anschließend durch VerfVO Rn. 23; Bartosch, EU-Beihilfenrecht, Art.1 VO (EG) Nr. 2015/1589 Rn. 4; Weitemeyer, FR 2009, 1, 13. 178 FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 2010, 1345, 1349: Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 108 AEUV Rn. 4. 179 FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 2010, 1345, 1350; vgl. auch Zimmermann, in: Lademann, KStG, § 8 Rn. 394; vgl. auch zustimmend Sächs. FG, Urteil vom 15. Dezember 2010, BeckRS 2011, 94202; Jenner/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 313. 180 FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 2010, 1345, 1350; zustimmend auch Sächs. FG, Urteil vom 15. Dezember 2010, BeckRS 2011, 94202. 181 BFH, Urteil vom 20. März 1956, E 62, 448, 448 ff. 182 BFH, Urteil vom 20.  März 1956, E  62, 448, 453; FG Köln, Urteil vom 9.  März 2010, EFG 2010, 1345, 1350. 183 FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 2010, 1345, 1350; vgl. auch Weitemeyer, FR 2009, 1, 13. 184 Vgl. dazu z. B. BFH, Beschluss vom 16. Januar 1967, E 88, 3, 6; FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 2010, 1345, 1350. 185 FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 2010, 1345, 1350, zustimmend Sächs. FG, Urteil vom 15. Dezember 2010, BeckRS 2011, 94202. 186 FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 2010, 1345, 1350. 187 FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 2010, 1345, 1350. 188 BFH, Urteil vom 22. August 2007, E 218, 523 ff. 189 Vgl. Verwaltungsanweisung des BMF vom 7. Dezember 2007, BStBl. I 2007, 905.

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die Gesetzesänderung aufrechterhalten wurde.190 Ausweislich der Gesetzesbegründung war es gerade das Ziel des Gesetzgebers, den status quo der bisherigen steuerlichen Handhabung zu bewahren und Rechtssicherheit zu schaffen.191 Aus Sorge vor einem möglichen Beihilfeverfahren nach Art. 87 EGV a. F. (heute Art. 107 AEUV) habe sich der Gesetzgeber bei der angesprochenen Festschreibung des Querverbunds in den §§ 4 Abs. 6, 8 Abs. 1 Satz 2, 8 Abs. 7 bis Abs. 9, 15 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 KStG darum bemüht, den bisherigen Rechtszustand „möglichst eins zu eins“ in das Gesetz zu übernehmen.192 Dementsprechend könne eine neue Beihilfe im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV nur dann angenommen werden, wenn trotz der Intention des Gesetzgebers – Wahrung der bestehenden Rechtslage und gesetzliche Absicherung der bisherigen Verwaltungsauffassung – die bisherige (Alt-)Beihilfe im Rahmen des steuerlichen Querverbunds durch § 8 Abs. 7 KStG und die mit ihm zusammen ergangenen Neuregelungen geändert wurde.193 Der Begriff der Umgestaltung im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV wird von der Rechtsprechung weiter ausgelegt, als dies mit Blick auf den Wortlaut zunächst zu vermuten wäre.194 Erfasst werden soll neben der Umgestaltung der Beihilfe selbst auch die Änderung der Tätigkeit des Unternehmens; eine bloße rechtliche Umstrukturierung des Unternehmens (Beihilfeempfänger) ist in der Regel jedoch unbeachtlich.195 Aber auch von der Kommission wird der Begriff der Umgestaltung einer Beihilfe sehr weit als „jede Änderung außer einer Änderung rein formaler oder verwaltungstechnischer Art, die keinen Einfluss auf die Würdigung der Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahme mit dem Gemeinsamen Markt haben kann“196 verstanden.197 Das FG Köln kommt zu dem Ergebnis, dass jedoch gerade keine 190

FG Köln, Urteil vom 22. August 2007, EFG 2010, 1345, 1350. BT-Drucks. 16/10189, S. 69; BT-Drucks. 16/11108, S. 6; FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 2010, 1345, 1350; zustimmend Sächs. FG, Urteil vom 15. Dezember 2010, BeckRS 2011, 94202. 192 Hüttemann, DB 2009, 2629, 2630; vgl. auch Leippe/Baldauff, DStZ 2009, 67, 67 f.; vgl. auch Schiffers, DStZ 2010, 119, 119; Neu, EFG 2010, 1351, 1351; Leippe, DStZ 2010, 106, 106. Hüttemann, FR 2009, 308, 311, kritisiert, dass der Gesetzgeber für die gesetzliche Verankerung des Querverbunds „mehr Worte benötigt [habe] als für die gesamte bisherige Regelung der Steuerpflicht von Betrieben gewerblicher Art in § 4 KStG“. Von anderen wird die Regelung als „ein an Komplexität kaum zu überbietendes Regelungsmonstrum“ bezeichnet, vgl. dazu Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1044h; Hüttemann, DB 2009, 2629, 2630. 193 FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 2010, 1345, 1350; ausführlich zur Änderung bestehender Beihilfen Soltész/Wagner, EuZW 2013, 856, 857 ff. 194 Soltész/Wagner, EuZW 2013, 856, 857. 195 Soltész/Wagner, EuZW 2013, 856, 857; vgl. auch Werner, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 1 VerfVO Rn. 25. 196 Vgl. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. März 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999, ABlEU Nr. L 140 vom 30. April 2004, S. 1; Soltész/Wagner, EuZW 2013, 856, 857; vgl. auch FG Köln, Urteil vom 9. März 2009, EFG 2010, 1345, 1350; Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 313; Weitemeyer, FR 2009, 1, 13. 197 Soltész/Wagner, EuZW 2013, 856, 857; zur Legaldefinition der Kommission zur wesentlichen Änderung vgl. auch Rusche, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Art.  108 AEUV Rn. 15; Werner, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 1 VerfVO Rn. 27. 191

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Änderung der bisherigen Beihilfen durch die Regelungen des steuerlichen Querverbunds vorliege.198 Es sollte gerade keine Änderung der bisherigen Verlustrechnung vorgenommen werden; vielmehr wurden lediglich die bisherigen Verwaltungsanweisungen gesetzlich geregelt.199 Dafür spreche auch, dass diese Verwaltungsanweisungen auch in der weit überwiegenden Anzahl aller praktischen Fälle zur Anwendung gekommen seien.200 Gerade in Anbetracht der beträchtlichen Zahl der über 11.500 selbständigen Städte und Gemeinden in Deutschland, von denen die überwiegende Mehrheit über Eigengesellschaften und Betriebe gewerblicher Art verfüge, vermögen gerade die wenigen Fälle, in denen die Besteuerung in Abweichung von den bisherigen Verwaltungsgrundsätzen erfolgte – auch wenn diese Entscheidungen „spektakulär“ waren – nicht die Verwaltungspraxis zu ändern, die durch eine 50 Jahre andauernde – auf der Grundlage der Rechtsprechung des BFH aus den fünfziger Jahren basierende – Verwaltungsauffassung geprägt wurde.201 Dieser Auffassung hat sich auch das Sächsische Finanzgericht in mehreren nachfolgenden Entscheidungen angeschlossen und § 8 Abs. 7 KStG ebenfalls als bestehende Beihilfe eingestuft.202 (2) Meinungsstand in der Literatur zu der beihilferechtlichen Zulässigkeit der gesetzlichen Regelung des kommunalen Querverbunds Die Ansichten in der Literatur zu der beihilferechtlichen Zulässigkeit des kommunalen Querverbundes sind sehr differenziert. Kritisch betrachtet wird vor allem die Einstufung von § 8 Abs. 7 KStG als bestehende Beihilfe. Für Heger203 ist es „unklar“, ob es sich bei der gesetzlichen Neuregelung um eine Neu- oder Altbeihilfe handele.204 Ein Indikator für das Vorliegen einer „Altbeihilfe“ könne darin liegen, dass durch das Gesetz lediglich die seit Jahrzehnten bestehende Auffassung in der Verwaltung fortgeschrieben werde.205 Andererseits könne man anhand der bisher beim BFH anhängigen Verfahren erkennen, dass offenkundig nicht die gesamte Verwaltung der Auffassung sei, dass dauerdefizitäre Tätigkeiten mit Gewinnen aus anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten verrechnet werden dürfen.206 Zudem sei durch die Einführung der gesetzlichen Regelung des kommunalen Querverbunds

198 FG Köln, Urteil vom 9.  März 2009, EFG  2010, 1345, 1350 f.; zustimmend Sächs. FG, Urteil vom 15. Dezember 2010, BeckRS 2011, 94202; Jennert/Ellenrieder, EWS 2010, 305, 313. 199 FG Köln, Urteil vom 9. März 2009, EFG 2010, 1345, 1351. 200 FG Köln, Urteil vom 9. März 2009, EFG 2010, 1345, 1351. 201 FG Köln, Urteil vom 9. März 2009, EFG 2010, 1345, 1351. 202 Sächs. FG, Urteil vom 9. Dezember 2010, BeckRS 2011, 96395 und Urteil vom 15. Dezember 2010, BeckRS 2011, 94202. Vgl. dazu auch Westermann/Zemke, KommJur 2013, 1, 2. 203 Heger, FR 2009, 301 ff. 204 Heger, FR 2009, 301, 307. 205 Heger, FR 2009, 301, 307. 206 Heger, FR 2009, 301, 307.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

eine Änderung der objektiven Rechtslage eingetreten, weshalb man auch von einer Neubeihilfe ausgehen könne.207 Auch Jennert/Ellenrieder208 sehen das Vorliegen einer Neubeihilfe durchaus kritisch. Sie gehen zwar davon aus, dass es nicht auszuschließen sei, dass sich die Kommission aus praktischen Erwägungen – eine ansonsten gebotene Rückforderung sämtlicher bereits gezahlter Beihilfen wäre wohl „weder praktisch noch politisch durchsetzbar“ – der Ansicht des FG Köln anschließe und eine „Altbeihilfe“ annehme, allerdings dränge sich gerade im Hinblick auf die chronologische Entwicklung (Verwaltungspraxis – abweichende höchstrichterliche Entscheidung – Verwaltungsanordnung – erstmalige gesetzliche Regelung) die Frage auf, ob es sich tatsächlich nur um eine „Änderung rein formaler oder verwaltungstechnischer Art“ handele.209 Dies hänge ihrer Meinung nach davon ab, ob sich – vor der Rechtsprechungsänderung durch den BFH – das vom FG Köln angenommene Nichtvorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung bereits aus der herrschenden Auslegung des Gesetzes durch die Verwaltung und die Rechtsprechung ergebe.210 Dabei gehen Jennert/Ellenrieder auf zwei verschiedene Szenarien ein:211 Würde man die eingangs genannte Frage bejahen und zudem davon ausgehen, dass nur dann eine Steuerbeihilfe angenommen werden könne, wenn eine Abweichung vom allgemeinen Steuersystem vorliegt, so könne man argumentieren, dass keine Abweichung vom System vorlag.212 Als Konsequenz daraus würde sich ergeben, dass auch keine Beihilfe vorgelegen hätte.213 Vielmehr müsse man sich anschließend mit der Frage auseinandersetzen, ob die Rechtsprechungsänderung des BFH im Jahr 2007 eine beihilferechtlich relevante Änderung des „alten Systems“ dahingehend darstelle, dass nach dem „neuen Referenzsystem“ erstmalig eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen war.214 Würde man dies bejahen, so wäre die erfolgte abermalige Änderung des Systems durch den Nichtanwendungserlass des Bundesfinanzministeriums sowie die Einführung der gesetzlichen Ausnahmeregelung der §§ 4 Abs. 6, 8 Abs. 7, Abs. 8, Abs. 9 KStG mangels „Altregelung“ wohl als – nicht dem Bestandsschutz unterliegende – Neubeihilfe zu qualifizieren.215 Ginge man demgegenüber jedoch davon aus, dass es sich bei der steuerlichen Anerkennung von Dauerverlusten schon immer um einen „Fremdkörper“ innerhalb des Steuersystems gehandelt habe, so müsse man wohl davon ausgehen, dass bereits die seinerzeitige Verwaltungspraxis eine Abweichung vom System und damit eine Beihilfe darstelle.216 In diesem Fall würde sich somit die Frage stellen, ob die Rückgängig­ 207

Heger, FR 2009, 301, 307. Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305 ff. 209 Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 313. 210 Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 313. 211 Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 313. 212 Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 313. 213 Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 313. 214 Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 313. 215 Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 313. 216 Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 313. 208

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machung der Rechtsprechungsänderung des BFH als Änderung der Rechtslage – und damit auch des beihilferechtlich relevanten Steuersystems – einzustufen wäre.217 Beantwortet man diese Frage mit „Ja“, käme man zu dem Ergebnis einer Neubeihilfe. Nähme man im Gegenzug jedoch lediglich die „Wiederaufnahme“ einer Altbeihilfe an, der die Unterbrechung durch die „neue“ Rechtsprechung des BFH nicht entgegenstünde, so käme man zur beihilferechtlichen Zulässigkeit der gesetzlichen Regelung des kommunalen Querverbundes.218 Letztlich legen sich auch Jennert/Ellenrieder nicht fest und hoffen auf eine baldige höchstrichterliche Klärung dieser Frage.219 Hüttemann220 kritisiert die gesetzliche Regelung des kommunalen Querverbunds.221 Er ist der Ansicht, dass die Beteiligung der Länder an den Kosten für städtische Verkehrsbetriebe und Schwimmbäder grundsätzlich begrüßenswert sei, allerdings habe sich der Gesetzgeber für eine „komplizierte steuerrechtliche Verrechnungsmöglichkeit“ entschieden.222 Stattdessen hätte dies „in einer für die Wettbewerber (und die EU-Kommission) transparenten Form“ – wie beispielsweise durch direkte staatliche Zuweisungen – geschehen sollen.223 Insgesamt sei die gesetzliche Regelung auch aufgrund ihrer Komplexität wenig gelungen und stelle „ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für kommunale Steuerabteilungen, Finanzverwaltung und Gerichte“ dar.224 Auch beihilferechtlich sei mit Unsicherheiten zu rechnen: Es könne zwar mit guten Gründen – die nicht genauer erläutert werden – bestritten werden, dass eine Anmeldepflicht als „neue Beihilfe“ nach Art. 88 Abs. 3 EG (heute Art. 108 Abs. 3 AEUV) vorliege, allerdings sei dennoch fraglich, ob „eine derart komplizierte steuerliche Subvention“ überhaupt den beihilferechtlichen Transparenzanforderungen entsprechen könne.225 Miteinzubeziehen sei jedoch auch, dass auch in anderen Mitgliedstaaten vergleichbare Regelungen anzutreffen seien (vgl. z. B. § 2 Abs. 4 öKStG226).227 Letztlich beurteilt auch Hüttemann die Rechtslage als unsicher.228 217

Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 313. Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 313. 219 Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305, 313. 220 Hüttemann, FR 2009, 308 ff. 221 Hüttemann, FR 2009, 308, 311. 222 Hüttemann, FR 2009, 308, 311. 223 Hüttemann, FR 2009, 308, 311. 224 Hüttemann, FR 2009, 308, 311; ähnlich auch Leippe/Baldauf, DStZ 2009, 67, 70. 225 Hüttemann, FR 2009, 308, 311. 226 § 2 Abs. 4 des österreichischen Körperschaftsteuergesetzes besagt: „Ein Betrieb gewerblicher Art ist auch dann unbeschränkt steuerpflichtig, wenn er selbst eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Betriebe, die von juristischen Personen des privaten Rechts geführt werden, sind nach den für diese Rechtsform geltenden Vorschriften zu besteuern. Sind an der juristischen Person des privaten Rechts unmittelbar oder mittelbar ausschließlich Körperschaften des öffentlichen Rechts beteiligt, gelten in einem gesonderten Rechnungskreis geführte Tätigkeiten im Sinne des Abs. 3 als einheitliche Tätigkeit, auch wenn bei den einzelnen Tätigkeiten die Absicht fehlt, Gewinne zu erzielen. Auf das Zusammenfassen derartiger Tätigkeiten in einer juristischen Person des privaten Rechts ist § 8 Abs. 2 nicht anzuwenden“. 227 Hüttemann, FR 2009, 308, 311. 228 Hüttemann, FR 2009, 308, 311; vgl. auch Richter/Welling, FR 2009, 323, 325. 218

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Im Gegensatz zu den bereits genannten Stimmen in der Literatur verneint Kohlhepp229 ganz klar das Vorliegen einer Altbeihilfe. Begründet wird dies damit, dass eine Altbeihilfe nach der Definition der Kommission nur dann vorliege, wenn diese vor Inkrafttreten des EG-Vertrages im Jahr 1958 bereits in dem entsprechenden Mitgliedstaat bestanden habe.230 Der BFH habe jedoch klargestellt, dass die bisherige Verwaltungspraxis einen Verstoß gegen geltendes Recht dargestellt habe, sodass damit gerade keine (zulässige) Regelung vorhanden gewesen sei, die eine Begünstigung der öffentlichen Hand in einer ähnlichen Form als durch die gesetzliche Neuregelung begründen könnte.231 Dennoch geht Kohlhepp nicht von einem Verstoß gegen Unionsrecht aus.232 Gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV233 (Art. 87 Abs. 1 EG234 a. F.) sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Da es sich bei dem Beihilfeverbot um ein präventives Verbot handelt, das den Schutz des Wettbewerbs durch das Verbot von staatlichen Eingriffen in den Wettbewerb durch selektive Begünstigung einzelner oder mehrere Unternehmen oder Produktionszweige bezweckt, kann das Beihilferecht nur angewendet werden, wenn eine selektive Begünstigung eines Unternehmens im Sinne des EU-Wettbewerbsrechts durch eine staatliche Zuwendung vorliegt.235 Nach dem funktionalen Unternehmensbegriff ist ein Unternehmen „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform, der Art der Finanzierung wie auch vom Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht“.236 Darunter fallen auch Städte und 229

Kohlhepp, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8 Rn. 830 f. Kohlhepp, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8 Rn. 830. 231 Kohlhepp, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8 Rn. 830. 232 Kohlhepp, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8 Rn. 831. 233 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Fassung aufgrund des am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon (Konsolidierte Fassung bekanntgemacht im ABl. EG Nr. C 115 vom 9. Mai 2008, S. 47), zuletzt geändert durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien und die Anpassungen des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. EU L 112/21 vom 24. April 2012) m. W. v. 1. Juli 2013. 234 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung bis zum 30. November 2009. 235 Koenig/Förtsch, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rn. 73; vgl. auch Mestmäcker/ Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Art. 107 Abs. 1 AEUV Rn. 10. 236 EuGH, Urteil vom 23. April 1991, Rs. C-41/90, ECLI:EU:C:1991:161, Rn. 21 – Höfner und Elser; Urteil vom 10. Januar 2006, Rs. C-222/04, ECLI:EU:2006:8, Rn. 107 – Cassa di Rispormio di Firenze u. a.; Urteil vom 22. Januar 2002, Rs. C-218/00, ECLI:EU:C:200:36, Rn. 22 – Cisal; Urteil vom 16. März 2004, Rs. C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01, C-264/01, C-354/01, C-355/01, ECLI:EU:2004:150, Rn. 46 – AOK Bundesverband; Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der EU 2012/C 8/02 ABlEU Nr. C 8/4 vom 11. Januar 2012, Rn. 9; Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Art. 107 Abs. 1 AEUV Rn. 10; vgl. auch Arhold, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 107 AEUV Rn. 309; Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rn. 27. 230

A. Derzeitige Finanzierungspraxis

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Gemeinden, da sie ebenfalls wirtschaftliche Tätigkeiten ausübende Einheiten darstellen und die Frage der Rechtsform und der Art der Finanzierung für die Einordnung als Unternehmen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV gerade keine Bedeutung hat.237 Weiterhin setzt Art. 107 Abs. 1 AEUV das Vorliegen einer – zumindest drohenden – Wettbewerbsverfälschung voraus.238 „Eine Wettbewerbsverfälschung liegt vor, wenn die staatliche Maßnahme in ein bestehendes oder möglicherweise zur Entstehung kommendes Wettbewerbsverhältnis zwischen Unternehmen oder Produktionszweigen eingreift und damit den Ablauf des Wettbewerbs auf dem relevanten Markt verändert oder die Chancengleichheit zwischen miteinander in Wettbewerb stehenden Unternehmen manipuliert“.239 Kohlhepp geht davon aus, dass eine solche jedoch gerade nicht vorliege.240 Begründet wird dies damit, dass die für die Anwendung von § 8 Abs. 7 KStG erforderlichen verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründe nur dann vorliegen könnten, wenn gerade keine Wettbewerbssituation im konkreten Markt vorhanden sei.241 Somit könne der Tatbestand des § 8 Abs. 7 KStG gerade nicht einschlägig sein, wenn eine für Art. 107 AEUV relevante Wettbewerbssituation anzunehmen sei.242 In solchen Fällen sei eine verdeckte Gewinnausschüttung nach den allgemeinen Grundsätzen vorzunehmen, sodass keine besondere Begünstigung der öffentlichen Hand angenommen werden könne.243 Damit bezieht Kohlhepp klar Stellung und spricht sich für die beihilferechtliche Zulässigkeit von § 8 Abs. 7 KStG aus. Gosch geht dagegen einen Schritt weiter und verneint erst das Vorliegen einer Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten.244 Eine solche liegt vor, „wenn eine von einem Mitgliedstaat gewährte Beihilfe die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen Wettbewerbern im Binnenmarkt stärkt“.245 Seiner 237

FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 1345, 1350. Cremer, in: Calliess/Ruffert, AEUV/EUV, Art. 107 AEUV Rn. 32; von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht des EU, Bd. I, Art. 107 AEUV Rn. 66; Bartosch, EUBeihilfenrecht, Art. 107 Abs. 1 AEUV Rn. 154; Kohlhepp, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8 Rn. 831; Soltész, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 107 Rn. 404; Koenig/Paul, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rn. 101. 239 Koenig/Paul, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 107 Rn. 101; EuGH, Urteil vom 17. September 1980, Rs. C-730/79, ECLI:EU:C:1980:209, Rn. 11 – Philipp Morris/Kommission; Urteil vom 22. November 2001, Rs. C-53/00, ECLI:EU:C:2001:627, Rn. 21 – Ferring; Urteil vom 22. Juni 2006, Rs. C-182/03, ECLI:EU:C:2006:416, Rn. 131 – Belgien und Forum 187/Kommission; vgl. auch Soltész, in: Montag/Säcker, MüKo Kartellrecht, Art. 107 AEUV Rn. 409; von Wallenberg/ Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 107 Abs. 1 AEUV Rn. 68; Cremer, in: Calliess/Ruffert, AEUV/EUV, Art. 107 AEUV Rn. 32; Bartosch, EU-Beihilfenrecht, Art. 107 Abs. 1 AEUV Rn. 154. 240 Kohlhepp, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8 Rn. 831. 241 Kohlhepp, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8 Rn. 831. 242 Kohlhepp, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8 Rn. 831. 243 Kohlhepp, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8 Rn. 831. 244 Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1043a. 245 Koenig/Paul, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 107 Abs. 1 AEUV Rn. 111; EuG, Urteil vom 9. September 2009, Rs. T-227–229/01, T-265/01, T-266/01 und T-270/01, ECLI:EU:T:2009:315, Rn. 142 ff. – Diputación Foral de Álava und Gobierno Vasco/Kommission; EuGH, Urteil vom 238

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

Meinung nach liege zwar eine Bevorzugung von kommunalen Defizitärbetrieben vor, allerdings sei nicht ersichtlich, dass bei Kommunalbetrieben wie Schwimmbädern oder Stadtbibliotheken ernstlich eine Wettbewerbsbeeinträchtigung im Binnenmarkt anzunehmen sei.246 Daran ändere sich auch mit Blick darauf nichts, dass aus beihilferechtlicher Sicht gerade kein tatsächlich grenzüberschreitender Wettbewerb erforderlich und somit auch eine bloß potentielle Wettbewerbssituation ausreichend sei, da auch dann diese potentielle Situation nicht gänzlich außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegen dürfe.247 Dies sei jedoch bei den meisten kommunalen „Sozialzweckbetrieben“ der Fall.248 Zudem fehle es in der Regel auch an dem gebotenen wettbewerbsrelevanten Markt.249 Anders sehen könne man dies in Bezug auf den kommunalen Personennahverkehr, allerdings sei hinsichtlich des „Altmark Trans“-Urteils des EuGH250 vom Eingreifen spezieller EU-Ausnahmevorschriften auszugehen.251 Demgegenüber überzeuge seiner Meinung nach die Ansicht, dass es sich bei § 8 Abs. 7 KStG ohnehin um eine Altregelung handele, die nicht dem Durchführungsverbot des Art 108 Abs. 3 AEUV unterfiele, nicht.252 Bei der Neuregelung des § 8 Abs. 7 KStG handele es sich vielmehr um eine gesetzgeberische Reaktion auf die Entscheidung des BFH vom 22. August 2007.253 Vor diesem Hintergrund sei es geradezu überraschend, dass der Gesetzgeber ausweislich seiner amtlichen Gesetzesbegründung „weismachen“ wollte, dass es gerechtfertigt sei – der genannten Rechtsprechung des BFH zuwiderlaufend – „an den bisherigen Verwaltungsgrundsätzen bei der steuerlichen Behandlung dauerdefizitärer Tätigkeiten der öffentlichen Hand mittels Betrieben gewerblicher Art oder Eigengesellschaften festzuhalten“.254 Immerhin sei die Grundsatzentscheidung des BFH gerade deswegen ergangen, weil die nordrhein-westfälische Steuerverwaltung ihre Rechtsauffassung, die gerade nicht den angeblichen „bisherigen Verwaltungsgrundsätzen“ entsprochen habe, gerichtlich durchsetzen wollte.255 Auch ansonsten wirke die Neueinführung des § 8 Abs. 7 KStG konstitutiv, da es zuvor schlichtweg an einer vorteilsauslösenden 17. September 1980, Rs. C-730/79, ECLI:EU:C:1980:209, Rn. 11 – Philipp Morris/Kommission; Urteil vom 29. April 2004, Rs. C-372/97, ECLI:EU:C:2004:234, Rn. 52 – Italien/Kommission; Cremer, in: Calliess/Ruffert, AEUV/EUV, Art. 107 Rn. 38; von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Art. 107 Abs. 1 AEUV Rn. 74. 246 Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1043a. 247 Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1043a. 248 Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1043a. 249 Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1043a. 250 EuGH, Urteil vom 24. Juli 2003, Rs. C-280/00, ECLI:EU:C:2003:415 – Altmark Trans, wonach „öffentliche Zuschüsse, die den Betrieb von Liniendiensten im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr ermöglichen sollen, jedoch nicht unter diese Bestimmung [Art. 87 Abs. 1 EG; heute Art. 107 Abs. 1 AEUV] [fallen], soweit sie als Ausgleich anzusehen sind, der die Gegenleistung für Leistungen darstellt, die von den begünstigten Unternehmen zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht werden“. 251 Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1043a. 252 Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1043b. 253 Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1043b. 254 Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1043b. 255 Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1043b.

A. Derzeitige Finanzierungspraxis

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Rechtsgrundlage gefehlt habe.256 Zusammenfassend geht Gosch somit grundsätzlich davon aus, dass die Änderungen des Körperschaftsteuergesetzes durch das Jahressteuergesetz 2009 aus den genannten Gründen nicht gegen Unionsrecht verstoßen.257 Im Gegensatz zu Gosch geht Weitemeyer258 davon aus, dass die Grundsätze des „Altmark Trans“-Urteils nicht auf die gesetzliche Neuregelung des kommunalen Querverbunds angewendet werden können.259 Es sei bereits fraglich, ob die kommunalen Unternehmen überhaupt im beihilferechtlichen Sinne „betraut“ worden seien.260 Dies würde voraussetzen, dass die auferlegten Gemeinwohlverpflichtungen klar definiert und rechtsverbindlich festgelegt wurden.261 In diesem Zusammenhang fordert die Kommission, dass eine Bezeichnung der Art der Gemeinwohlaufgabe – beispielweise die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung – ihrer Dauer, des betrauten Unternehmens und des geographischen Raumes sowie eine Festlegung der Parameter für die Berechnung, Überwachung und Änderung der Ausgleichsleistung erfolgt.262 Weitemeyer ist jedoch der Auffassung, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Vorschriften über die wirtschaftliche Betätigung in den Gemeindeordnungen seien hierfür – mangels entsprechender Verpflichtung – nicht ausreichend.263 Selbiges gelte auch für eine bloße Verankerung in den Satzungen der kommunalen Unternehmen.264 Auch die Neuregelungen im Körperschaftsteuergesetz könnten keine derartige Verpflichtung für öffentliche Unternehmen begründen, sondern setzten eine solche vielmehr nur voraus.265 Jedenfalls scheitere die Anwendung der „Altmark-Trans“-Kriterien an den Maßstäben, die der Ausgleichsberechnung zugrunde liegen.266 Diese seien nicht objektiv und transparent aufgestellt worden, da gerade die angefallenen Verluste in ihrer Gesamtheit pauschal ausgleichsfähig seien.267 Gleichwohl geht Weitemeyer dennoch von der beihilferechtlichen Zulässigkeit der gesetzlichen Kodifizierung des kommunalen Querverbunds aus. Sie begründet dies damit, dass die Verlustverrechnung zwischen Gewinn- und Verlustbetrieben und entsprechenden Kapitalgesellschaften der öffentlichen Hand gerade keine Änderung des materiellen Rechts darstelle, sodass

256

Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1043b. Gosch, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1043a. 258 Weitemeyer, FR 2009, 1 ff. 259 Weitemeyer, FR 2009, 1, 10. 260 Weitemeyer, FR 2009, 1, 10. 261 EuGH, Urteil vom 24. Juli 2003, Rs. C-280/00, ECLI:EU:C:2003:415, Rn. 89 – Altmark Trans; Weitemeyer, FR 2009, 1, 10. 262 Weitemeyer, FR 2009, 1, 10; vgl. auch Europäische Kommission, Mitteilung über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen, KOM(2007) 725 endgültig, S. 4. 263 Weitemeyer, FR 2009, 1, 10. 264 Weitemeyer, FR 2009, 1, 10. 265 Weitemeyer, FR 2009, 1, 10. 266 Weitemeyer, FR 2009, 1, 10. 267 Weitemeyer, FR 2009, 1, 10. 257

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

folglich keine anzumeldende Neu-Beihilfe anzunehmen sei.268 Vielmehr beruhten die als Beihilfen einzuordnenden Steuervorteile im Querverbund auf der Auslegung und Anwendung von Vorschriften über die Besteuerung der öffentlichen Hand, die in dieser Ausprägung bereits seit dem KStG von 1925 existent seien.269 Der bisherigen Rechtsauffassung läge die Grundsatzentscheidung des BFH vom 20. März 1956270 zugrunde, in dem die Möglichkeit der Verlustverrechnung durch das Kriterium der Gleichartigkeit der Betriebe bzw. des engen wechselseitigen technischen-wirtschaftlichen Zusammenhangs beschränkt wurde.271 Damit reiche die Anerkennung der Verlustrechnung – und damit auch die sie kodifizierenden gesetzlichen Neuregelungen – in die Zeit vor dem Inkrafttreten des EG-Vertrages am 1.  Januar 1958 zurück, sodass eine Altbeihilfe anzunehmen sei.272 Es liege auch keine Änderung der bestehenden Beihilfe in einer Weise vor, dass man vom Vorliegen einer Neu-Beihilfe ausgehen müsse.273 Vielmehr sollte die Verlustverrechnung, wie sie bisher praktiziert wurde, nicht grundsätzlich materiell-rechtlich geändert werden.274 Es sollte keine neue Regelung geschaffen werden, sondern die bereits bestehenden Verwaltungsanweisungen sollten lediglich eine gesetzliche Grundlage finden.275 Eine derartige Umgestaltung von Verwaltungsvorschriften zu einer gesetzlichen Regelung stelle aber gerade keine materielle Änderung und damit auch keine Umgestaltung der Beihilferegelung dar.276 Im Gegensatz dazu sieht Müller-Gatermann277 die gesetzliche Festschreibung der Besteuerung dauerdefizitärer Betriebe durch das Jahressteuergesetz 2009 sehr kritisch.278 Er rügt vor allem, dass die weiterhin mögliche Verlustverrechnung der Dauerverlustbetriebe zu einem einseitigen Wettbewerbsvorteil der öffentlichen Hand führe.279 Dies laufe dem grundsätzlichen Ziel der Neutralität des Steuerrechts zuwider.280 Dies könne man unter anderem daran erkennen, dass die Rechtsfigur des Betriebs gewerblicher Art ursprünglich gerade deswegen eingeführt worden sei, um wettbewerbsverzerrende, einseitige Vorteile der öffentlichen Hand auszuschließen.281 Weiterhin geht er davon aus, dass die durch das JStG 2009 festgelegte Rechtsfolge, die die bestehende Rechtspraxis gesetzlich normiert, insgesamt „systemwidrig [sei] und den EG-Vertrag [verletze]“.282 268

Weitemeyer, FR 2009, 1, 15. Weitemeyer, FR 2009, 1, 13. 270 BFH, Urteil vom 20. März 1956, E 62, 448, 448 ff. 271 Weitemeyer, FR 2009, 1, 13. 272 Weitemeyer, FR 2009, 1, 13. 273 Weitemeyer, FR 2009, 1, 13 f. und 15. 274 Weitemeyer, FR 2009, 1, 14 f. 275 Weitemeyer, FR 2009, 1, 14 f. 276 Weitemeyer, FR 2009, 1, 14 f. 277 Müller-Gatermann, FR 2009, 314 ff. 278 Müller-Gatermann, FR 2009, 314, 320. 279 Müller-Gatermann, FR 2009, 314, 320. 280 Müller-Gatermann, FR 2009, 314, 320. 281 Müller-Gatermann, FR 2009, 314, 320. 282 Müller-Gatermann, FR 2009, 314, 321. 269

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cc) Auswirkungen des Vierten Eisenbahnpakets auf den kommunalen Querverbund Das Rechtsinstitut des kommunalen Querverbunds wurde in letzter Zeit jedoch nicht nur durch beihilferechtliche Fragestellungen in Zweifel gezogen. Auch durch das sog. Vierte Eisenbahnpaket zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 wurde das Bestehen des kommunalen Querverbunds erst kürzlich ernstlich gefährdet.283 Ziel des Vierten Eisenbahnpakets ist unter anderem die Verbesserung der Qualität des Schienenpersonenverkehrs und die Steigerung seiner operativen Effizienz.284 Damit soll einerseits dem übergeordneten Ziel der europäischen Verkehrspolitik – der Errichtung eines Verkehrsbinnenmarkts – Rechnung getragen werden und andererseits soll konkret eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und Attrak­ tivität des Schienenpersonenverkehrs erzielt werden, wodurch auch eine Weiterentwicklung des einheitlichen europäischen Eisenbahnverkehrsraums erreicht werden soll.285 Durchgesetzt werden sollen diese Ziele unter anderem durch die Schaffung gemeinsamer Regeln für die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge im Schienenpersonenverkehr verbunden mit Begleitmaßnahmen, die zur Verbesserung von wettbewerblichen Vergabeverfahren beitragen sollen.286 Im Januar 2013 wurde das Vierte Eisenbahnpaket („4th Railway Package“) erstmals von der Europäischen Kommission vorgelegt.287 Es umfasst sechs Legislativvorschläge und beruht auf zwei Säulen, die gleichzeitig verhandelt wurden.288

283

VDV Presseinformation, Nr. 9 vom 21. Februar 2014. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 hinsichtlich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste vom 30. Januar 2013, COM(2013) 28 final, S. 3; vgl. auch Scordamaglia/Katsarova, The fourth railway package, PE 579.088, S. 16. 285 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 hinsichtlich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste vom 30. Januar 2013, COM(2013) 28 final, S. 3. 286 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 hinsichtlich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste vom 30. Januar 2013, COM(2013) 28 final, S. 4. 287 Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 20. April 2016; Europäische Kommission, Fact-sheet zum vierten Eisenbahnpaket vom 20. April 2016, abrufbar unter: http://europa.eu/ rapid/press-release_MEMO-16-1383_de.htm (letzter Abruf: 31. Januar 2018); Bergmann, in: Bergmann, Handlexikon der Europäischen Union, Eisenbahnverkehr/Eisenbahnagentur, Europäische, II; PKF Themen Öffentlicher Sektor, Ausgabe 01.15 Februar 2015, 23, 23; VDV Positionspapier, Den europäischen Eisenbahnraum vollenden und den Ordnungsrahmen fair gestalten, September 2014, S. 6; Neumann, Daseinsvorsorgeaufgabe Schienenpersonennahverkehr, S. 224; Scordamaglia/Katsarova, The fourth railway package, PE 579.088, S. 16. 288 Europäische Kommission, Factsheet zum vierten Eisenbahnpaket, abrufbar unter: http:// europa.eu/rapid/press-release_MEMO-16-1383_de.htm (letzter Abruf: 31. Januar 2018); PKF Themen Öffentlicher Sektor, Ausgabe 01.15 Februar 2015, 23, 23; VDV Positionspapier, Den europäischen Eisenbahnraum vollenden und den Ordnungsrahmen fair gestalten, September 284

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

Die technische Säule des Vierten Eisenbahnpakets zielt auf die Aktualisierung von drei wichtigen, bereits bestehenden Rechtsakten289 ab.290 Die Änderungen bezwecken eine Senkung der Verwaltungskosten der Eisenbahnunternehmen und wollen neuen Betreibern den Zugang zum Eisenbahnmarkt erleichtern.291 Die wohl wichtigste Neuerung betrifft die Europäische Eisenbahnagentur (ERA), der bereits eine wichtige Rolle bei der Förderung der Interoperabilität und Harmonisierung technischer Normen für den gesamten Unionsmarkt zukommt.292 Da neben den von der ERA ausgearbeiteten technischen Normen und Schutzvorschriften auch die Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten weiter Bestand haben, mussten sich die Eisenbahnunternehmer dennoch bisher in einem komplexen Regelwerk zurechtfinden.293 Um dies zu ändern, soll bei der vorgeschlagenen Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 881/2004 der ERA die alleinige Zuständigkeit für die Erteilung von Fahrzeuggenehmigungen und Sicherheitsbescheinigungen erteilt werden.294 Daneben sollen auch die bestehenden Rechtsvorschriften in den Bereichen der

2014, S. 6; Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, Scordamaglia, Auf einen Blick – Plenum 25/04/2016, PE 580.871; Scordamaglia/Katsarova, The fourth railway package, PE 579.088, S. 16. 289 Vorschlag einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Eisenbahnagentur der Europäischen Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 881/2004; Neufassung der Richtlinie 2008/57/EG durch eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Europäischen Union und Neufassung der Richtlinie 2004/49/EG durch eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Eisenbahnsicherheit. 290 Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, Scordamaglia, Auf einen Blick – Plenum 25/04/2016, PE  580.871; http://www.consilium.europa.eu/de/policies/4th-railwaypackage/technical-proposals/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 291 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Eisenbahnagentur der Europäischen Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr.  881/2004, COM(2013) 27 final, S.  2; http://www.consilium.europa.eu/de/ policies/4th-railway-package/technical-proposals/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018); Neumann, Daseinsvorsorgeaufgabe Schienenpersonenverkehr, S. 225; Scordamaglia/Katsarova, The fourth railway package, PE 579.088, S. 16. 292 http://www.consilium.europa.eu/de/policies/4th-railway-package/technical-proposals/ (letzter Abruf: 31.  Januar 2018); vgl. auch Scordamaglia/Katsarova, The fourth railway package, PE 579.088, S. 16. 293 http://www.consilium.europa.eu/de/policies/4th-railway-package/technical-proposals/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018); vgl. auch Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, Scordamaglia, Auf einen Blick – Plenum 25/04/2016, PE 580.871. 294 http://www.consilium.europa.eu/de/policies/4th-railway-package/technical-proposals/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018). Vgl. auch Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Eisenbahnagentur der Europäischen Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr.  881/2004 vom 30.  Januar 2013, COM(2013) 27 final, S. 3; PKF Themen, Öffentlicher Sektor, Ausgabe 01.15 Februar 2015, 23, 23; Europäisches Parlament, Pressemitteilung vom 28. April 2016, abrufbar unter: http:// www.europarl.europa. eu/news/de/news-room/20160426IPR24744/eu-eisenbahnpaket-ersterreformschritt-beseitigt-technische-hürden (letzter Abruf: 31. Januar 2018); vgl. auch Scordamaglia/Katsarova, The fourth railway package, PE 579.088, S. 16.

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Interoperabilität295 (Richtlinie 2008/57/EG) und Eisenbahnsicherheit296 (Richtlinie 2004/49/EG) aktualisiert werden.297 Neben den technischen Neuerungen umfasst das Vierte Eisenbahnpaket auch Reformen in den Bereichen Leitung und Marktöffnung (sog. politische Säule oder „Marktpfeiler“).298 Sie beinhalten die Aktualisierung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 und der Richtlinie 2008/57/EG sowie die Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1192/69.299 Einer der wichtigsten Änderungsvorschläge bestand in der Einführung einer obligatorischen wettbewerblichen Vergabe von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen für den Schienenverkehr.300 Damit wurde der Zweck der Intensivierung des Wettbewerbsdrucks auf die inländischen Eisenbahnmärkte verfolgt, wodurch eine Erhöhung der Quantität und Qualität der Personenverkehrsdienste erzielt werden soll.301 Zudem soll eine kostenwirksamere Verwendung der für das öffentliche Verkehrswesen eingesetzten Mittel sichergestellt werden.302 Weiterhin leisten gemeinsame Regeln für das Vergabeverfahren ihren

295 Vgl. zu den einzelnen Änderungen: Europäische Kommission, Vorschlag für die Neufassung einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der EU, vom 30. Januar 2013, COM(2013) 30 final. 296 Zu den Einzelheiten der Änderungen vgl. auch Europäische Kommission, Vorschlag für die Neufassung einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Eisenbahn­ sicherheit vom 30. Januar 2013, COM(2013) 31 final. 297 http://www.consilium.europa.eu/de/policies/4th-railway-package/technical-proposals/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018); Europäische Union, Factsheet zum vierten Eisenbahnpakt vom 20. April 2016, abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-16-1383_de.htm (letzter Abruf: 31.  Januar 2018); Neumann, Daseinsvorsorgeaufgabe Schienenpersonennah­ verkehr, S. 224. 298 http://www.consilium.europa.eu/de/policies/4th-railway-package/governance-marketopen ingproposals/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018); VDV Positionspapier, Den europäischen Eisenbahnraum vollenden und den Ordnungsrahmen fair gestalten, September 2014, S. 6; PKF Themen Öffentlicher Sektor, Ausgabe  01.15 Februar 2015, 23, 23; vgl. auch Scordamaglia/ Katsarova, The fourth railway package, PE 579.088, S. 17. 299 VDV Positionspapier, Den europäischen Eisenbahnraum vollenden und den Ordnungsrahmen fair gestalten, September 2014, S.  6; Europäische Union, Factsheet zum vierten Eisenbahnpakt vom 20. April 2016, abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO16-1383_de.htm (letzter Abruf: 31. Januar 2018); http://www.consilium.europa.eu/de/policies/ 4th-railway-package/governance-market-opening-proposals/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 300 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 hinsichtlich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste, COM(2013) 28 final, S. 4; http://www. consilium.europa.eu/de/policies/4th-railway-package/governance-market-opening-proposals/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 301 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 hinsichtlich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste vom 30. Januar 2013, COM(2013) 28 final, S. 4. 302 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 hinsichtlich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste vom 30. Januar 2013, COM(2013) 28 final, S. 4.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

Beitrag zur Entstehung einheitlicherer Geschäftsbedingungen für Eisenbahnunternehmen.303 Unter anderem wurde auch die Einführung eines „Unterkompensationsverbots“304 vom Europäischen Parlament vorgeschlagen.305 Dieses besagt, dass bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen, die nicht gemäß Art. 5 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 vergeben werden, die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 festgelegten Parameter so bestimmt werden müssen, dass die Ausgleichsleistung den Betrag nicht übersteigen kann, der erforderlich ist, um die finanziellen Nettoauswirkungen auf die Kosten und Einnahmen zu decken, die auf die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zurückzuführen sind, wobei die vom Betreiber eines öffentlichen Dienstes erzielten und einbehaltenen Einnahmen und ein angemessener Gewinn berücksichtigt werden müssen.306 Dadurch wird nicht nur eine Obergrenze für Ausgleichsleistungen gefordert, sondern für den Fall der Direktvergabe von Verkehrsleistungen auch eine Untergrenze festgelegt, die es verbietet, dass Ausgleichsleistungen unter den erforderlichen Betrag absinken.307 Mit dieser Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 könnte jedoch die (Mit-) Finanzierung des ÖPNV durch Steuervorteile aus dem kommunalen Querverbund in Frage gestellt werden, da somit künftig die Ausgleichsleistungen der Kommunen nicht mehr die erforderlichen Nettokosten von Dienstleistungen im ÖPNV unterschreiten dürften.308 Die betrauten Unternehmen hätten somit einen vollen Ausgleichsanspruch gegenüber der Kommune, wodurch das Unternehmen für die jeweils betrauten Dienstleistungen keine Verluste mehr zu verzeichnen hätte und somit die Wirkungen des kommunalen Querverbunds nicht mehr durchgreifen könnten.309 Würde das Unternehmen auf diesen Ausgleichsanspruch verzichten,

303

Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 hinsichtlich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste vom 30. Januar 2013, COM(2013) 28 final, S. 4. 304 VDV Positionspapier, Den europäischen Eisenbahnraum vollenden und den Ordnungsrahmen fair gestalten, September 2014, S. 3; vgl. auch Empfehlungen der Ausschüsse zum Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 hinsichtlich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste, BR-Drucks. 552/14, S. 3. 305 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 hinsichtlich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste vom 30. Januar 2013, COM(2013) 28 final, S. 14. 306 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 hinsichtlich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste vom 30. Januar 2013, COM(2013) 28 final, Art. 1 Nr. 3 Buchst. b, S. 14. 307 VDV Positionspapier, den europäischen Eisenbahnraum vollenden und den Ordnungsrahmen fair gestalten, September 2014, S. 11. 308 BT-Drucks. 552/14, S. 3; VDV Positionspapier, den europäischen Eisenbahnraum vollenden und den Ordnungsrahmen fair gestalten, September 2014, S. 3. 309 Empfehlungen der Ausschüsse zum Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 hinsichtlich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste, BR-Drucks. 552/14, S. 3.

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so läge darin eine verdeckte Gewinnausschüttung.310 Hinsichtlich der drohenden existenziellen Mehrbelastungen für die Kommunen empfahlen der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Verkehrsausschuss dem Bundesrat, den Änderungsvorschlag in seiner Stellungnahme abzulehnen.311 Auch der Präsident des VDV Jürgen Fenske sprach sich deutlich gegen die geplante Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 aus: „Gemeinwirtschaftlicher öffentlicher Nahverkehr, der nicht an Gewinnmaximierung orientiert [sei], wäre dadurch künftig so gut wie unmöglich. Wenn den Kommunen die Möglichkeit genommen würde, Verluste ihres Nahverkehrsunternehmens über Gewinne anderer kommunaler Unternehmen auszugleichen, hätte das negative Auswirkungen auf das Leistungsangebot von Bus und Bahn. ÖPNV [sei] Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge in Deutschland. Deshalb geh[e] es nicht nur darum, den kommunalen Nahverkehr möglichst rentabel zu betreiben, sondern auch darum, alle Bürgerinnen und Bürger daran teilhaben zu lassen und niemanden vom ÖPNV-Angebot abzuschneiden“.312 Vor der Abstimmung über die politische Säule des Vierten Eisenbahnpakets im europäischen Verkehrsausschuss am 12. Juli 2016 wurde der oben genannte Änderungsvorschlag gestrichen.313 dd) Fazit Wie sich zeigt, ist das Meinungsbild in der Literatur zur Kodifizierung des kommunalen Querverbunds sehr uneinheitlich. Es zeichnet sich jedoch eine starke Tendenz dahingehend ab, dass ein Großteil der Stimmen in der Literatur – zwar zum Teil mit unterschiedlicher dogmatischer Begründung – der Auffassung ist, dass § 8 Abs. 7 KStG nicht gegen Beihilferecht verstoße. Am überzeugendsten erscheint es angesichts der langjährigen Verwaltungspraxis davon auszugehen, dass es sich bei der gesetzlichen Neuregelung des steuerlichen Verlustausgleichs beim kommunalen Querverbund um eine bestehende Beihilfe im Sinne von Art. 1 Buchst. b lit.  i) Verordnung (EU) Nr.  2015/1589 handelt. Dennoch verbleibt eine große Rechtsunsicherheit, da bislang keine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Problematik ergangen ist. Sowohl die Berufung gegen das Urteil des FG Köln314

310 Empfehlungen der Ausschüsse zum Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 hinsichtlich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste, BR-Drucks. 552/14, S. 3. 311 Empfehlungen der Ausschüsse zum Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 hinsichtlich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste, BR-Drucks. 552/14, S. 3 312 VDV Pressemitteilung vom 21. Februar 2014, abrufbar unter: https://www.vdv.de/presse mitteilungen.aspx?id=cc0d84eb-5983-43ee-a35bf3faaa2b72ac&mode=detail (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 313 Meldung des VDV vom 13. Juli 2016, abrufbar unter: https://www.vdv.de/europa.aspx?id= 4fc7592f-451c-41d0-9832-1051bbee8acf&mode=detail (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 314 FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, EFG 2010, 1345 ff.

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als auch die Revision vor dem BFH in einem Parallelverfahren315 haben sich durch Klagerücknahmen erledigt, sodass sich dem BFH bisher keine Gelegenheit bot, dem Europäischen Gerichtshof die §§ 4 Abs. 7 KStG vorzulegen. Dies kann vor allem darauf zurückzuführen sein, dass hinsichtlich der bestehenden Unsicherheit der europarechtlichen Zulässigkeit des kommunalen Querverbunds auch die Bereitschaft der Kommunen gesunken ist, es auf einen höchstrichterlichen Rechtsstreit mit der Finanzverwaltung ankommen zu lassen.316 Damit schwebt die Frage nach der beihilferechtlichen Zulässigkeit des kommunalen Querverbunds weiterhin als „Damoklesschwert“317 über den Gemeinden, die auf die Steuerersparnisse aus dem kommunalen Querverbund zur Erbringung ihrer Daseinsvorsorgeaufträge angewiesen sind. Alleine im Bereich des kommunalen Nahverkehrs belaufen sich die Mittel auf rund 1,3 Milliarden Euro jährlich318 und stellen damit einen wichtigen Bestandteil für die Finanzierung des ÖPNV dar. Aber auch die Diskussion zum Vierten Eisenbahnpaket zeigt, dass das Fortbestehen des kommunalen Querverbunds in der Zukunft keineswegs eine Selbstverständlichkeit darstellt. Um die Finanzierung des ÖPNV dennoch auch künftig gewährleisten zu können, ist eine Reform der bisherigen Finanzierung unumgänglich. 2. Investitionsfinanzierung Gerade im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs sind die Verkehrsunternehmen einer großen finanziellen Belastung durch Infrastruktur- und Anschaffungskosten ausgesetzt.319 Selbiges gilt jedoch auch – wenngleich in einem geringeren Maße – für den straßen- und schienengebundenen Personennahverkehr.320 a) Regionalisierungsmittel Das Regionalisierungsgesetz des Bundes trat im Rahmen der Bahnreform zum 1. Januar 1996 in Kraft und beruht auf der Kompetenznorm des Art. 106a GG.321 Art. 106a wurde durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20. De 315

Sächs. FG, Urteil vom 9. Dezember 2010, BeckRS 2011, 96395. Vgl. Westermann/Zemke, KommJur 2013, 1, 2, die von einem „Damoklesschwert des EUBeihilfenrechts“ sprechen, das über dem Querverbund schwebt. 317 Westermann/Zemke, KommJur 2013, 1, 2. 318 Stollberg, in: VDV-Jahresbericht 2011/2012, S. 17; ähnliche Zahlen liefert auch Hüttemann, DB 2009, 2629, 2630, der das jährliche Entlastungsvolumen der Kommunen zur Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge durch den kommunalen Querverbund auf 1,5 Milliarden Euro schätzt. 319 Roling, Transparenz bei der Finanzierung und Genehmigung des straßengebundenen ÖPNV, S. 12. 320 Roling, Transparenz bei der Finanzierung und Genehmigung des straßengebundenen ÖPNV, S. 12. 321 Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 23. 316

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zember 1993 in das Grundgesetz aufgenommen und steht in sachlichem Zusammenhang mit der Umwandlung der Bundeseisenbahnen in Wirtschaftsunternehmen sowie der Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs.322 Damit wurde der notwendigen Neuregelung der finanzverfassungsrechtlichen Konsequenzen Rechnung getragen, die mit der Neuordnung der Bundesbahn und des Eisenbahnverfassungsrechts einherging.323 aa) Regionalisierung und Bahnstrukturreform Im Jahr 1993 erfolgte die sog. Regionalisierung des ÖPNV, die untrennbar mit der im gleichen Jahr durchgeführten Bahnstrukturreform verbunden ist.324 Sie trug der seit langem geforderten Notwendigkeit einer Zusammenführung der zersplitterten Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden für den ÖPNV Rechnung.325 Damit sollte durch die Erzielung von Synergieeffekten die Wirtschaftlichkeit der Verkehrsbedienung verbessert werden.326 (1) Hintergründe der Bahnstrukturreform Anstoß für die Bahnreform in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab die steigende Verschuldung der deutschen Bahnen.327 Die schlechte finanzielle Verfassung der Deutschen Bundesbahn findet ihren Ursprung in der Zerstörung der Verkehrswege328 während des Zweiten Weltkriegs.329 Anders als alle anderen europäischen Eisenbahnen musste die Bundesbahn die Mittel für die Wiederherstellung der zerstörten oder beschädigten Infrastruktur aus eigenen Mitteln

322 Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 106a Rn. 1; Heintzen, in: v. Münch/ Kunig, Bd. 2, Art. 106a Rn. 1; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 106a Rn. 1. Ausführlicher zu Art. 106a GG unter Kapitel 3 A. II. 2. a) (aa) (2) (c). 323 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 106a Rn. 1; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 106a Rn. 2; Hidien, DVBl. 1997, 595, 595. 324 Vgl. Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 52. 325 Jarass, in: Pitschas/Uhle/Aulehner, Wege gelebter Verfassung in Recht und Politik, S. 786; Muthesius, in: Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 71. 326 Muthesius, in: Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 71; Jarass, in: Pitschas/Uhle/ Aulehner, Wege gelebter Verfassung in Recht und Politik, S. 786; Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 53. 327 Werner, Nach der Regionalisierung, S. 2. 328 Etwa ein Sechstel des Gleisoberbaus, ein Viertel der Brücken sowie über die Hälfte der Hochbauten waren nicht mehr benutzbar. Dazu kam eine Vielzahl von Schäden mittlerer Art, die unter anderem auch aus den fehlenden Unterhaltsinvestitionen während des Krieges und der Nachkriegszeit resultierten. Vgl. dazu ausführlich Wöckel, Aus der Welt des Schienenstranges, S. 37; ebenso Wolf, Eisenbahn und Autowahn, S. 153. 329 Vgl. Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 21; Wolf, Eisenbahn und Autowahn, S. 153.

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aufbringen.330 Während sich die bezifferten Kriegsschäden der Eisenbahnen in den Westzonen auf schätzungsweise 2,5 bis 8 Milliarden DM beliefen, erhielt die Deutsche Bundesbahn lediglich eine – völlig unzureichende – Grundausstattung in Höhe von 200 Millionen DM.331 Gleichzeitig vollzog sich eine erhebliche Umorientierung der Verkehrsströme durch einen teilungsbedingten Wechsel der Hauptverkehrsrichtung von der Ost-West- zur Nord-Süd-Achse.332 Zeitgleich hatte die Deutsche Bundesbahn erhebliche betriebsfremde Ausgaben zu tragen.333 Sie führte jährlich rund 170 Millionen DM für Altersversorgungsleistungen an den Bund ab.334 Dieser Betrag setzte sich zusammen aus Renten- und Pensionsleistungen für Eisenbahnbedienstete aus den Ostzonen und Versorgungsbezügen für Flüchtlinge, die früher als Eisenbahnbedienstete im Osten angestellt waren.335 Mit diesen Aufwendungen ging eine erhebliche finanzielle Belastung der Deutschen Bundesbahn einher, deren Nutzungsgebiet durch die Teilung Deutschlands viel kleiner geworden war.336 Während sich die Verluste der Bundesbahn 1960 noch auf 13 Millionen DM beschränkten, stiegen diese in den nächsten zehn Jahren bis 1970 auf 1,3 Milliarden DM an.337 Zurückzuführen ist dies neben den bereits genannten Faktoren auch auf eine stark autoorientierte338 Infrastrukturpolitik.339 Als sich Mitte der 1980er Jahre der politische Druck und die gesellschaftliche Grundstimmung auf der Suche nach einer umweltfreundlicheren Alternative zum MIV verstärkte, begann ein politisches „Hinund Herschieben der Verantwortung“.340 Während die Länder und die kommunalen Gebietskörperschaften dementsprechende Forderungen an die Deutsche Bundesbahn stellten, verwies diese auf die Plafondbeschlüsse der Bundesregierung und

330 Schaerfenberg, Wir fahren immer …, S. 63 f.; Wolf, Eisenbahn und Autowahn, S. 153 f.; Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 21. 331 Wolf, Eisenbahn und Autowahn, S. 153. 332 Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 21. 333 Wolf, Eisenbahn und Autowahn, S.  154; Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 21. 334 Wolf, Eisenbahn und Autowahn, S. 154; vgl. auch Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 21. 335 Wolf, Eisenbahn und Autowahn, S. 154; ähnlich auch Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 21. 336 Die Größe des Streckennetzes der Deutschen Bundesbahn im Jahr 1950 hat sich im Vergleich zu dem der Deutschen Reichsbahn von 1937 um rund 44 Prozent verkleinert. Der Wagenbestand ging sogar um 50  Prozent zurück. Demgegenüber verringerte sich die Zahl der Beschäftigten jedoch nur um 25  Prozent. Vgl dazu Wolf, Eisenbahn und Autowahn, S.  154; übereinstimmend Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 21. 337 Klinksiek, in: Tuschek/Székely, Im Zug der Zeit, S. 263 f.; Wolf, Eisenbahn und Autowahn, S. 161; Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 21. 338 Während sich das Bundesfernstraßennetz zwischen 1960 (2.551 km) und 1970 (4.110 km) annähernd verdoppelte, verkleinerte sich das Schienennetz der Deutschen Bundesbahn von 36.019 km auf 33.100 km. Schließlich schrumpfte es sogar bis auf 26.382 km. Vgl. dazu Wolf, Eisenbahn und Autowahn, S. 143; Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 21 f. 339 Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 21 f. 340 Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S.  22; Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 52; Herr/Lehmkuhl, Die Verwaltung 1997, 396, 397.

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berief sich darauf, dass Angebotsverbesserungen finanziell nicht möglich seien.341 Da sich auch die Bundesregierung hinsichtlich der knappen Haushaltslage weigerte, die Finanzsituation der Deutschen Bundesbahn zu verbessern, entschlossen sich die Länder dazu, die Verbesserung des Nahverkehrs selbst voranzutreiben.342 Dies erfolgte durch Abschluss von zahlreichen „Rahmenvereinbarungen“343 zwischen der Bundesbahn und den Ländern, in denen sich die Länder dazu verpflichteten, Fahrzeuge und Betriebskosten für schlecht ausgelastete Strecken zu bezuschussen und die Bundesbahn im Gegenzug zusicherte, weitere Streckenstilllegungen zu vermeiden.344 Somit übernahmen die Länder de facto die Aufgabe des Schienenpersonennahverkehrs auf diesen Strecken.345 Dieses Phänomen der Subventionierung bestimmter Schienenpersonennahverkehre durch Gebietskörperschaften anstelle des Bundes – auch als „kalte Regionalisierung“346 bezeichnet – wurde vom Bundesverwaltungsgericht für rechtmäßig erachtet.347 Begründet wurde dies damit, dass gerade kein Verstoß gegen Art. 104a Abs. 1 (a. F.) GG vorliege.348 Das Gericht stellte zwar heraus, dass der verfassungsrechtlich festgeschriebene Grundsatz der Konnexität zwischen Aufgabenverantwortung und Ausgabentragung grundsätzlich auch für das Verhältnis zwischen Deutscher Bundesbahn und den Ländern gelte, betonte jedoch, dass Art. 104a Abs. 1 (a. F.) GG gerade nicht die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in einem Aufgabenbereich der Daseinsvorsorge, in 341

Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 22. Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S.  22; Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 56 f. 343 Zu den Rahmenvereinbarungen siehe ausführlich Arndt, Rechtsprobleme der gemeinschaftlichen Koordinierung und Finanzierung des ÖPNV, S. 18 ff.; Berg, Föderative Kooperation im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr, S. 97 ff.; Ludwig, Neue Betriebs-, Organisations- und Kooperationsformen der Deutschen Bundesbahn, S. 133 ff. 344 Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 22; vgl. auch Berg, Föderative Kooperation im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr, S. 98; vgl. ebenso Arndt, Rechtsprobleme der gemeinschaftlichen Koordinierung und Finanzierung des ÖPNV, S.  19 f., der den Inhalt derartiger Vereinbarungen am Beispiel des Vertrages des Kreises Neuss mit der Deutschen Bundesbahn vom 9. Oktober 1985 erläutert; Herr/Lehmkuhl, Die Verwaltung 1997, 396, 398; Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 52; Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 3. 345 Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 23; ähnlich auch Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 53. 346 Der Begriff der „kalten Regionalisierung“ wurde wohl von Girnau auf der DVWG-Tagung im Januar 1994 zuerst verwendet, so zumindest laut Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 23 Fn. 28; so auch Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 56; Herr/ Lehmkuhl, Die Verwaltung 1997, 396, 398; Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 53; Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 3. 347 Geklagt hatte die Deutsche Bundesbahn auf Kostenerstattung für den Betrieb von Schülerzügen und eines Haltepunktes durch die Stadt Neustadt auf der Grundlage einer „Rahmenvereinbarung“. BVerwG, Urteil vom 15. März 1989, E 81, 312, 312 ff.; vgl. auch Ludwig, Neue Betriebs-, Organisations- und Kooperationsformen der Deutschen Bundesbahn, S. 124; Arndt, Rechtsprobleme der gemeinschaftlichen Koordinierung und Finanzierung des ÖPNV, S. 40 ff.; Berg, Föderative Kooperation im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr, S. 96 f.; Wachinger/ Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 23. 348 BVerwG, Urteil vom 15. März 1989, E 81, 312, 313 f. 342

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dem sich die Kompetenzen zur Aufgabenwahrnehmung überschneiden – wie dies auch beim ÖPNV der Fall sei – verbiete.349 Die Finanzmisere der Deutschen Bundesbahn wurde durch die – mit der deutschen Einheit einhergehenden – Vereinigung mit der Reichsbahn der DDR weiter verschlimmert, da zu den bereits bestehenden Schulden die Jahresfehlbeträge der ebenfalls maroden Deutschen Reichsbahn hinzukamen.350 Es wurde ein Schuldenanstieg bis zum Jahr 2000 auf 42 Milliarden DM und ein Anstieg der Verschuldung auf 266 Milliarden prognostiziert.351 Aufgrund des offensichtlichen Scheiterns der bisherigen Bahnpolitik wurde eine unabhängige Kommission eingesetzt, die damit beauftragt wurde, die Zukunft der Deutschen Bundesbahn zu prüfen.352 Diese schlug in ihrem Bericht die Gründung einer Deutschen Eisenbahn AG vor, „in der [die Deutschen Bundesbahn] und [die Deutsche Reichsbahn] schrittweise aufgehen sollten“.353 Zudem sollte eine Befreiung der AG von Altlasten und überhöhten Personallasten vollzogen werden.354 Weiterhin sollte das öffentliche Dienstrecht für Eisenbahnmitarbeiter eingestellt werden und eine Trennung des eigenwirtschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen Bereichs sowie von Netz und Betrieb stattfinden.355 Nach langen Verhandlungen und einigen Änderungen wurde am 2. Dezember schließlich im Bundestag über das Eisenbahnneuordnungsgesetz und das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes abgestimmt.356 Sie wurden mit einer Mehrheit von 559 Stimmen gegen nur 12 Enthaltungen und 4-Nein Stimmen verabschiedet.357 Auch die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundesrats wurde erreicht.358 (2) Änderungen des Grundgesetzes durch die Bahnstrukturreform Die Verwirklichung der Bahnstrukturreform erforderte nicht nur die Einführung des Eisenbahnneuordnungsgesetzes359 (ENeuOG), sondern auch die Änderung 349

BVerwG, Urteil vom 15. März 1989, E 81, 312, 314. Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 25; Fehling, DÖV 2002, 793, 793. 351 König, Internationales Verkehrswesen 1993, 424, 424; Wachinger/Wittemann, Regiona­ lisierung des ÖPNV, S. 25. 352 Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 25; Fromm, DVBl. 1994, 187, 190; Kilian/Hesse, Die Verwaltung 1994, 175, 189. 353 Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 25 f.; Die Bundesbahn 1991, S. 957; Kilian/Hesse, Die Verwaltung 1994, 175, 189. 354 Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 26; Die Bundesbahn 1991, S. 957. 355 Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 26; Die Bundesbahn 1991, S. 957. 356 BT-Protokoll 12/196, S. 16984; Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 26. 357 BT-Protokoll 12/196, S. 16984; Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 26. 358 BR-Protokoll, 664. Sitzung vom 17. Dezember 1993, S. 622 f.; Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 26. 359 Eisenbahnneuordnungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378; 1994 I S. 2439), das zuletzt durch Artikel 107 des Gesetzes vom 8. Juli 2016 (BGBl. I S. 1594) geändert worden ist. 350

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des Grundgesetzes.360 Im Vordergrund stand dabei vor allem die Neuregelung des Art.  87e GG durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20.  Dezember 1993361, der die neue Grundnorm des Verfassungsrechts des Eisenbahnverkehrs darstellt362 und Art. 87 Abs. 1 GG (a. F.) ersetzt.363 Zusammen mit den Neuerungen bei Art. 106a GG, der die finanzrechtlichen Regelungen zum ÖPNV enthält, und den Übergangsbestimmungen in Art. 143a GG schafft er die verfassungsrechtliche Basis für die Neuerungen durch die Bahnstrukturreform und das Eisenbahnneuordnungsgesetz.364 Bis zur Einfügung von Art. 87e GG wurden die „Bundeseisenbahnen“ – Deutsche Bundesbahn und seit dem 3. Oktober 1990 auch die Deutsche Reichsbahn – nach Art. 87 Abs. 1 GG (a. F.) in Behördenform, d. h. als Bestandteil der bundeseigenen Verwaltung, geführt und stellten somit Sondervermögen des Bundes dar.365 Die Eisenbahnen des Bundes wiesen somit vor der Bahnreform eine Doppelnatur auf: Sie waren sowohl Verwaltungsbehörde als auch Verkehrsunternehmen.366 Mit der Neuregelung von Art. 87e GG wurden im Wesentlichen drei Hauptziele verfolgt: Neben der Trennung von hoheitlicher Verwaltung und Wirtschaftstätigkeit sowie der Überführung der wirtschaftlichen Tätigkeit in eine private Organisationsform (sog. Privatisierung), sollte damit auch der Rückzug des Bundes aus der Verantwortung für den Eisenbahnnahverkehr (sog. Regionalisierung) erreicht werden.367 Davon versprach man sich die wirtschaftliche Sanierung der Bahnen und eine Entlastung des Bundeshaushalts.368 Aber mit der Einfügung von Art. 87e GG in das Grundgesetz wurden auch unionsrechtliche Vorgaben erfüllt.369 Seit Anfang der 1990er Jahre drängte die Europäische Union (damals noch Europäische Gemeinschaft) auf die Schaffung eines integrierten europäischen Eisenbahnraumes.370 360

Muthesius, in: Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 72; Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 54. 361 BGBl. I S. 2089. 362 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577, 577; Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 87e Rn. 1; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 87e Rn. 1. 363 Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 27. 364 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577, 577; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 87e Rn. 7; Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 27. 365 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577, 577; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 87e Rn. 1; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 87e Rn. 1; Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 87e Rn. 1; Jenssen, ÖPNV als Rechtsbegriff, S. 52; Ambrosius, in: Schwedes/Canzler/Knie, Handbuch Verkehrspolitik, 449, 451. 366 Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 2. 367 Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 87e Rn. 1; ähnlich auch Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 2. 368 Vgl. BT-Drucks.  12/4609(neu), S.  54 f.; Uerpmann-Wittzack, in: v.  Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 87e Rn. 1; Ambrosius spricht von „Rentabilität“, in: Schwedes/Canzler/Knie, Handbuch Verkehrsrecht, 449, 458. 369 Wieland, in: Dreier, GG, Bd.  III, Art.  87e Rn.  7; vgl. auch Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577, 578. 370 Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 3.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

Dieser sollte als wesentliches Element einem unionsweiten Verkehrsmarkt dienen, effiziente Eisenbahnverkehrsleistungen in fairem Wettbewerb ermöglichen sowie ein hohes homogenes Sicherheitsniveau gewährleisten.371 Zur Verwirklichung dieses Ziels wurde die Richtlinie 91/440/EWG372 erlassen, die eine Neuordnung des Eisenbahnwesens verlangte.373 Um die angestrebte Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Eisenbahnnetzes sowie der Wettbewerbsfähigkeit des Eisenbahnverkehrs zu erreichen, sollte gemäß Art. 4 und Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie eine Umwandlung der bis dahin staatlich dominierten, gemeinnützigen Eisenbahnen in vom Staat unabhängige, erwerbswirtschaftlich handelnde Eisenbahnunternehmen mit eigenständiger Geschäftsleitung und Rechnungsführung erfolgen.374 Weiterhin schrieb die Richtlinie 91/440/EWG die obligatorische Einführung einer Trennung zwischen dem Betrieb der Infrastruktur und der Erbringung von Verkehrsleistungen (Art. 6 ff.), Regelungen über die finanzielle Sanierung der Staatsbahnen sowie ein Zugangsrecht zu den Eisenbahnnetzen anderer Mitgliedstaaten im grenzüberschreitenden kombinierten Güterverkehr (Art. 9 ff.) vor.375 (a) Eisenbahngewährleistungsverantwortung Art. 87e GG zeichnet sich durch eine „doppelte Schutzrichtung“ aus: Während die ersten beiden Absätze dem Bund – teils obligatorisch, teils fakultativ – eine eigene Verwaltungskompetenz im Bereich des Eisenbahnverkehrs sichern, schreiben die Absätze 3 und 4 das Konzept einer Eisenbahngewährleistungsverantwortung von Verfassungs wegen fest.376 Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für die Eisenbahnen des Bundes wird gemäß Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG in bundeseigener Verwaltung geführt.377 Diese beschränkt sich seit der Bahnreform auf hoheitliche Aufgaben wie Aufsicht und Lenkung mit Mitteln des Wirtschaftsverwaltungsrechts.378 Nicht länger erfasst wird die Verkehrsbedienung wie das Erbringen von Verkehrsleistungen oder das Betreiben der Infrastruktur, da diese künftig eine 371

Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 3 Richtlinie des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, ABl. Nr. L 237/25 vom 24. August 1991. 373 Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 3; vgl. auch Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 87e Rn. 7. 374 Vgl. dazu auch Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 3; Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/ Kunig, GG, Bd. 2, Art. 87e Rn. 2; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 87e Rn. 7; Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht – Besonderer Teil 2, § 10 IV Rn. 59; Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577, 579. 375 Vgl. dazu auch Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 87e Rn. 7; Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht – Besonderer Teil 2, § 10 IV Rn. 59. 376 Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 87e Rn. 14. 377 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577, 583; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 175; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 87e Rn. 12; UerpmannWittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 87e Rn. 5. 378 Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 87e Rn. 20; Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577, 583; Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht – Besonderer Teil 2, § 10 IV Rn. 64. 372

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Angelegenheit der Eisenbahnverkehrsunternehmen darstellt.379 Insgesamt erfolgte somit eine Trennung der durch Behörden wahrzunehmenden Gemeinwohlaufgaben auf der einen Seite und der wirtschaftlichen Betätigung durch die Verkehrsunternehmen auf der anderen Seite.380 Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG stellt jedoch auch ein notwendiges Gegengewicht zu Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG dar, welcher die Kernbestimmung381 der Bahnstrukturreform darstellt, da er nicht nur die Aufgaben des Bundes im Eisenbahnwesen begrenzt, sondern diese auch bestätigt und somit einen staatlichen Steuerungsansatz normiert.382 Dem Bund wird von Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG die Kompetenz zum Betrieb von Bahnunternehmen übertragen, die jedoch als Wirtschaftsunternehmen in Privatrechtsform zu führen sind.383 Folglich normiert das Grundgesetz eine Organisationsprivatisierung der Bundesbahnen, deren Umsetzung durch die Übergangsvorschrift des Art. 143a GG vervollständigt wird.384 Aus Art. 87e Abs. 3 GG kann jedoch – in Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben – gerade kein materielles Privatisierungsgebot dahingehend gelesen werden, dass für den Bund eine Verpflichtung bestünde, sein Eigentum an den Eisenbahnunternehmen vollständig aufzugeben oder einzuschränken.385 Durch Art. 87e Abs. 3 Satz 2 GG wird lediglich die Privatisierungsmöglichkeit für Unternehmen der Eisenbahninfrastruktur dahingehend beschränkt, dass der Bund dazu verpflichtet ist, Mehrheitseigentümer zu bleiben und „Anteile an diesen Unternehmen nur aufgrund eines Gesetzes veräußert werden dürfen, das gemäß Art. 87e Abs. 5 GG zustimmungspflichtig ist“.386 Als Gegenpol zur Ausgliederung der Eisenbahnunternehmen aus der Leistungsverwaltung wurde die Gewährleistungsverantwortung387 des Bundes in Art. 87e Abs. 4 GG geschaffen. Diese besteht gemäß Art. 87e Abs. 4 Satz 1 darin, dass der Bund gewährleisten muss, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennet 379 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577, 583; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 87e Rn.  20; Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht  – Besonderer Teil  2, § 10 IV Rn. 64. 380 Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 2. 381 Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 87e Rn. 25. 382 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577, 583. 383 Remmert, in: Epping/Axer, GG, Art. 87e Rn. 10; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 87e Rn. 25; Battis, in: Sachs, GG, Art. 143a Rn. 4; Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht – Besonderer Teil 2, § 10 IV Rn. 60. 384 Remmert, in: Epping/Axer, GG, Art. 87e Rn. 10; vgl. auch Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 87e Rn. 25; Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 87e Rn. 9; vgl. Heinze, BayVBl. 1994, 266, 269. 385 Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 87e Rn. 27. 386 Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 87e Rn. 27. 387 Vgl. zur Gewährleistungsverantwortung auch Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht – Besonderer Teil 2, § 10 IV Rn. 63; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 178 ff.; Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 58 ff.; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 3, Art. 87e Rn. 32 f.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

zes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Daraus ergibt sich eine doppelte verfassungsrechtliche Verpflichtung des Bundes: Die Infrastrukturverantwortung und der Sicherstellungsauftrag.388 Der Bund muss demnach nicht nur gewährleisten, dass das Wohl der Allgemeinheit beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahn des Bundes beachtet wird, sondern muss auch sicherstellen, dass ein am Wohl der Allgemeinheit orientiertes Verkehrsangebot auf den Schienennetzen zur Verfügung steht.389 Regelmäßig konzentriert sich die Wahrnehmung dieser Verantwortung jedoch auf administrative Aufgaben wie Planung, Organisation und Finanzierung.390 Wichtig ist, dass das oben Gesagte nicht für den Schienenpersonennahverkehr gilt. Die Gewährleistungsverantwortung dafür liegt nun vollständig nach Art. 30 und Art. 83 GG bei den Ländern, sodass diesen somit die Gewährleistungsverantwortung für den „gesamten ÖPNV – Straße und Schiene“ obliegt.391 (b) Übergangsregelung des Art. 143a GG Art. 143a GG stellt eine Übergangsvorschrift dar, die die Bahnstrukturreform ergänzt392 und absichert.393 Er beinhaltet in Satz 1 seines ersten Absatzes die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes394 für alle Angelegenheiten, die sich aus der Umwandlung der in bundeseigener Verwaltung geführten Bundeseisenbahnen in Wirtschaftsunternehmen ergeben und steht in engem Zusammenhang395 mit Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG. Die Gesetzgebungskompetenz umfasst somit nicht nur alle Angelegenheiten, die sich aus der Umwandlung selbst ergeben, sondern auch Folgeprobleme, die mit ihr in spezifischem Zusammenhang stehen und durch spätere Gesetze geregelt werden.396 Art. 143a Abs. 1 Satz 2 GG sichert den Ländern durch Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Bundesrates ein umfassendes Mitwirkungsrecht bei der gesetzlichen

388

Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht – Besonderer Teil 2, § 10 IV Rn. 63. Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht – Besonderer Teil 2, § 10 IV Rn. 63; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 179 ff.; vgl. auch Ambrosius, in: Schwedes/ Canzler/Knie, Handbuch Verkehrspolitik, 449, 458; vgl. auch Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 2. 390 Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 2. 391 Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 3. 392 Battis, in: Sachs, GG, Art. 143a Rn. 4. 393 Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143a Rn. 4. 394 Vgl. Gersdorf, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.  3, Art.  143a Rn.  2; Wieland, in: Dreier, GG, Bd.  III, Art.  143a Rn.  4; Uerpmann-Wittzack, in: v.  Münch/Kunig, GG, Bd.  2, Art. 143a Rn. 2. 395 Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 143a Rn. 2. 396 Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 143a Rn. 2; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143a Rn. 3; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143a Rn. 6. 389

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Ausführung des Privatisierungsauftrages aus Art. 87e Abs. 3 Satz 1.397 Art. 143a Abs.  3 GG diente der verfassungsrechtlichen Sicherstellung eines reibungslosen Übergangs der Verantwortung für den Schienenpersonennahverkehr vom Bund auf die Länder, indem dem Bund bis zum Ende des Jahres 1995 die Aufgaben der Leistungserbringung und der Eisenbahnverkehrsverwaltung zugewiesen wurden.398 Damit wurde es den Ländern ermöglicht, sich ausreichend auf die Aufgabenübernahme vorzubereiten.399 Seit dem 1. Januar 1996 sind die Aufgaben des Bundes im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs auf die Länder übergegangen400, wodurch die Übergangsregelung des Art. 143a Abs. 3 GG obsolet wurde.401 Die damit zusammenhängende Aufgabenfinanzierung ist in Art. 106a GG geregelt.402 Lediglich ergänzend und der Vollständigkeit halber ist zudem auf die verfassungsrechtliche Grundlage für die Verwendung von Bundesbeamten der Bundeseisenbahnen – auch gegen den Willen der Betroffenen – bei den privatrechtlich organisierten Bahnunternehmen in Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG hinzuweisen.403 (c) Regelung der finanziellen Folgen der Regionalisierung Art.  106a GG dient der Regelung der finanziellen Folgen aus der Regiona­ lisierung des Schienenpersonennahverkehrs, also dem Übergang der Aufgabenverantwortung für den Schienenpersonennahverkehr vom Bund auf die Länder seit dem 1. Januar 1996 gemäß Art. 87e GG in Verbindung mit Art. 143a GG.404 Die Einfügung von Art. 106a in das Grundgesetz durch das Gesetz zur Änderung der 397

Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143a Rn. 4. Die Verweisung des Art. 143a Abs. 1 Satz 2 GG wird in der Literatur vielfach kritisiert, da einerseits gesetzestechnisch lediglich auf Art. 87e Abs. 3 Satz 1 verwiesen werden sollte und dieser seinerseits selbst bereits eine Verweisungsnorm darstellt, vgl. dazu ausführlich Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143a Rn. 4; Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 143a Rn. 3. 398 Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143a Rn. 4; vgl. auch Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143a Rn. 30. 399 Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143a Rn. 4; vgl. auch Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143a Rn. 30. 400 Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143a Rn. 10; Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 143a Rn. 8. 401 Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 143a Rn. 8; Möstl, in: Maunz/ Dürig, GG, Bd. VII, Art.  143a Rn.  30; Gersdorf, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.  3, Art. 143a Rn. 13. 402 Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143a Rn. 10; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143a Rn. 13; Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143a Rn. 30. 403 Ausführlich dazu vgl. Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143a Rn. 13 ff.; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143a Rn. 5 ff.; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143a Rn. 8 f.; Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 143a Rn. 4 ff. 404 BT-Drucks.  12/6280, S.  9; vgl. auch Huber, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.  3, Art. 106a Rn. 1; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 106a Rn. 1.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

Verfassung vom 20. Dezember 1993 beruhte weitgehend auf einer Forderung der Länder.405 Diese hatten ihre Zustimmung im Bundesrat zur Bahnstrukturreform davon abhängig gemacht, dass der Bund entsprechende Zahlungen zum Ausgleich der Kostenlasten tätigt, die die Länder aufgrund der Regionalisierung künftig zu tragen hätten.406 Aufgrund der in Art. 87e Abs. 3 GG verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Führung der Eisenbahnen als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form407 sind diese zu einer Wirtschaftsführung nach kaufmännischen Gesichtspunkten gezwungen.408 Da der ÖPNV jedoch nur über einen geringen Kostendeckungsgrad409 verfügt und folglich stark defizitär ist, muss dieser nur dann noch fortgeführt werden, wenn die entstehenden Defizite auch von den interessierten staatlichen Einheiten – also ab dem 1. Januar 1996 den Ländern – bezahlt werden.410 Art.  106a GG stellt damit eine Abweichung vom Konnexitätsgrundsatz des Art. 104a Abs. 1 GG dar.411 Dieser besagt grundsätzlich, dass Bund und Länder jeweils gesondert die Ausgaben tragen, die sich aus den Aufgaben ergeben, die sie wahrnehmen.412 Art. 106a GG weicht davon dahingehend ab, dass dieser den Ländern ab dem 1. Januar 1996 zum Ausgleich der angesprochenen Defizite – also zweckgebunden für den ÖPNV413 – einen Betrag aus dem Steueraufkommen des Bundes zuspricht.414 Wichtig ist dabei, dass ÖPNV im Sinne von Art. 106a Satz 1 GG gerade nicht auf den schienengebundenen Nahverkehr beschränkt ist.415 Art. 106a GG bezieht sich somit nicht strikt auf Art. 87e GG.416 Die zur Verfügung gestellten Mittel 405 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 106a Rn. 1; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 106a Rn. 3. 406 Vgl. dazu die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, BT-Drucks. 12/5015 S. 9; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 106a Rn. 1; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 106a Rn. 3; vgl. auch Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 8. 407 Zum Tatbestand des Art.  87e Abs.  3 GG vgl. auch ausführlicher unter Kapitel 3 A. II.  2. a) aa) (2) (a). 408 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 106a Rn. 3; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 106a Rn. 1; ausführlich zu Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG vgl. auch Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577, 581; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 175. 409 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 106a Rn. 3; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 106a Rn. 1; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 106a Rn. 1. 410 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 106a Rn. 3; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 106a Rn. 1. 411 Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 106a Rn. 1; Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn 8. 412 Dies wird aus dem Wortlaut „für“ geschlossen, vgl. dazu: Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 104a Rn. 5; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 104a Rn. 12; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 104a Rn. 2; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 104a Rn. 40. 413 Vgl. BT-Drucks. 12/6280, S. 9; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 106a Rn. 5; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 106a Rn. 10. 414 Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 106a Rn. 1; Hidien, DVBl. 1997, 595, 595; vgl. auch BT-Drucks. 12/6280, S. 9; Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 8. 415 Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 106a Rn. 2; vgl. Huber, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 106a Rn. 4; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 106a Rn. 9. 416 Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 106a Rn. 2.

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dürfen daher auch für andere kommunale oder regionale Nahverkehrsmittel verwendet werden.417 Das Nähere zum Bundeszuschuss für den ÖPNV wird gemäß Art. 106a Satz 2 GG in einem Bundesgesetz – dem Regionalisierungsgesetz418 – geregelt. (3) Einfachgesetzliche Neuregelungen durch die Bahnstrukturreform Durch das Eisenbahnneuordnungsgesetz wurden umfangreiche einfachgesetzliche Neuregelungen durch den Bund – in Ausführung seiner aus Art. 73 Nr. 6a, 74 Nr.  23, 87e Abs.  3 Satz  4, Abs.  4 Satz  2 GG resultierenden Gesetzgebungskompetenz – vorgenommen.419 Bei dem Eisenbahnneuordnungsgesetz handelt es sich um ein Artikelgesetz, dessen Artikel die einzelnen Schritte der Bahnreform widerspiegeln.420 Es enthält das Gesetz zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen (Art. 1 ENeuOG)421; das Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (Art. 2 ENeuOG)422, das den unternehmerischen Bereich aus dem Bundeseisenbahnvermögen in die Deutsche Bahn Aktiengesellschaft ausgliedert und auf zweiter Ebene der Bahnreform die Bildung eigenständiger Aktiengesellschaften für Personennah- und -fernverkehr, Güterverkehr und Fahrweg unter dem Dach der Deutschen Bahn AG als Holding vorsieht423; das Gesetz über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes (Art.  3 ENeuOG)424, das vorwiegend die Zuständigkeiten des neu errichteten Eisenbahn-Bundesamtes statuiert425; das Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Regionalisierungsgesetz, Art. 4 ENeuOG)426, das die Übertragung der Aufgaben 417 Siekmann, in: Sachs, GG, Art.  106a Rn.  9; Heintzen, in: v.  Münch/Kunig, GG, Bd.  2, Art. 106a Rn. 3. 418 Vgl. dazu die Ausführungen unter Kapitel 2 B. II. 1 a). 419 Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 71. 420 Freise/Wittenberg, GewArch 1996, 353, 353; Muthesius, in: Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 72. 421 BGBl. 1993 I S. 2378; Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 71; Freise/Wittenberg, GewArch 1996, 353, 353; ausführlich zum Gesetz zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen siehe auch Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 27 f. 422 BGBl. 1993 I S. 2386; Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 71; Freise/Wittenberg, GewArch 1996, 353, 353; zum Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft siehe Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 28 und Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 71 ff. 423 Freise/Wittenberg, GewArch 1996, 353, 353; vgl. auch Fromm, DVBl. 1994, 187, 190. 424 BGBl. 1993 I S. 2394; Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 71; Freise/Wittenberg, GewArch 1996, 353, 353. 425 Freise/Wittenberg, GewArch 1996, 353, 353. 426 BGBl. 1993 I S. 2395; Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 71; Freise/Wittenberg, GewArch 1996, 353, 353; ausführlich zum Regionalisierungsgesetz siehe u. a. Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S.  72 ff.; Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 391 ff.; Muthesius, in: Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 76 ff.; Fromm, DVBl. 1994, 187, 193 f.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

verantwortung für den ÖPNV vom Bund auf die Länder regelt427; das Allgemeine Eisenbahngesetz (Art. 5 ENeuOG)428, das materielle Regelungen für Eisenbahnen des Bundes und nicht bundeseigene Eisenbahnen enthält.429 Art. 6 ENeuOG430 dient der Modifikation bestehender Rechtsvorschriften, unter anderem werden Anpassungen in den Beamtengesetzen des Bundes, Änderungen der Reichsversicherungsordnung, des Personenbeförderungsgesetzes und spezieller eisenbahnrechtlicher Vorschriften vorgenommen.431 Weiterhin fand durch das Eisenbahnneuordnungsgesetz eine Erweiterung des Schienenwegeausbaugesetzes statt.432 Zudem traten das vorangegangene Allgemeine Eisenbahngesetz und – mit Übergangsregelungen – das Bundesbahngesetz außer Kraft.433 bb) Finanzmittel aus dem Regionalisierungsgesetz und deren Verteilung Der Bund stellt den Ländern jährlich nach Maßgabe des Regionalisierungsgesetzes einen bestimmten Betrag aus seinem Steueraufkommen für den ÖPNV zur Verfügung, Art. 106a Satz 1 GG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 RegG. Dieser wurde gemäß § 5 Abs. 2 RegG für das Jahr 2016 auf 8 Milliarden Euro festgesetzt. Er steigt ab dem Jahr 2017 bis einschließlich 2031 jährlich dynamisch um 1,8 Prozent an, vgl. § 5 Abs. 3 RegG. Die Verteilung der absoluten Zahlbeträge an die Länder erfolgt nach dem Kieler Schlüssel434 und ist in Anlage 1 zu § 5 Abs. 4 RegG festgeschrieben.435 Um die Nachteile, die durch den Kieler Schlüssel gegenüber dem alten Verteilungsschlüssel entstehen,436 zu kompensieren, erhalten die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen im Jahr 2016 zusammen zusätzliche Regionalisierungsmittel in Höhe von 200 Millionen Euro, § 5 Abs. 5 RegG. Auch dieser Betrag wurde dynamisch ausgestaltet, sodass der genannte Betrag gemäß § 5 Abs. 6 RegG ab dem Jahr 2017 bis einschließlich 2031 jährlich um 1,8 Prozent ansteigt. Die genaue Verteilung der zusätzlichen Regionalisierungsmittel an die genannten Bundesländer vollzieht 427

Freise/Wittenberg, GewArch 1996, 353, 353; vgl. auch Fromm, DVBl. 1994, 187, 190. BGBl. 1993 I S. 2396; Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 71; Freise/Wittenberg, GewArch 1996, 353, 353; ausführlich zum neuen Allgemeinen Eisenbahngesetz siehe Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 29 und S. 52 ff. 429 Freise/Wittenberg, GewArch 1996, 353, 353. 430 BGBl. 1993 I S. 2405. 431 Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 71. 432 BGBl. I 1993 S. 2423 f.; Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 71. 433 BGBl. I 1993, S. 2425; Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 71. 434 Der Kieler Schlüssel setzt sich je zur Hälfte aus den Einwohnern (Stand 2012) und den bestellten Zugkilometern (Anmeldungen 2015) zusammen, vgl. BT-Drucks. 18/9981, S. 1. 435 Demnach erhält Bayern im Jahr 2017 1.240.974.576,00 Euro. 436 BT-Drucks. 18/9981, S. 2. 428

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sich prozentual437 nach Anlage 2 Teil A bzw. ist nach absoluten Zahlbeträgen in Anlage 2 Teil B festgelegt, § 5 Abs. 7 und Abs. 8 RegG. Die Regionalisierungsmittel sind insbesondere zur Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs zu verwenden, § 6 Abs. 1 RegG. Ab dem Jahr 2016 haben die Länder dem Bund jährlich die Verwendung der Mittel nach Maßgabe der Anlage 3 bis zum 30. September des jeweiligen Folgejahres nachzuweisen, § 6 Abs. 2 RegG. In diesem Nachweis ist unter anderem aufzuschlüsseln, in welcher Höhe Investitionen in Verkehrsanlagen oder Fahrzeuge getätigt wurden, vgl. Anlage 3 zu § 6 Abs. 2 RegG. b) Investitionshilfen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und dem Entflechtungsgesetz Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz438 des Bundes wurde als Anwendungsfall des Art. 104a Abs. 4 GG (a. F.) erlassen.439 Demnach konnte der Bund den Ländern – in Durchbrechung des Konnexitätsprinzips440 – Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) gewähren, die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich waren (Art. 104a Abs. 4 Satz 1 GG a. F.). Mit der Föderalismusreform im Jahr 2006 wurde unter anderem das Ziel verfolgt, bestehende Mischfinanzierungen abzubauen, wodurch Art. 104a Abs. 4 GG (a. F.) abgeschafft wurde.441 Mit der Neufassung von Art. 104b GG, der an die Stelle von Art. 104a Abs. 4 GG (a. F.) tritt, darf der Bund Finanzhilfen fortan lediglich befristet und degressiv ausgestalten und nur in solchen Bereichen gewähren, in denen er auch über die Gesetzgebungskompetenz verfügt.442 Damit wurde das Anliegen verfolgt, Aufgabenbereiche, deren Sachverantwortung umfassend, d. h. sowohl in Bezug auf Gesetzgebungs- als auch auf Verwaltungszuständigkeit, 437

Berlin: 2,0385  Prozent; Brandenburg: 17,7717  Prozent; Mecklenburg-Vorpommern: 16,7221  Prozent; Saarland: 0,5000  Prozent; Sachsen: 24,6730  Prozent; Sachsen-Anhalt: 24,4807 Prozent; Thüringen: 13,8140 Prozent. 438 Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Januar 1988 (BGBl. I S. 100), das zuletzt durch Artikel 463 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist. 439 Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 67; Gabler, ÖPNV in Bayern, S. 200; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 125c Rn. 6; Zuck, in: Kunz/Kramer, Eisenbahnrecht, § 1 GVFG Rn. 1. 440 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 125c Rn. 9; Gabler, ÖPNV in Bayern, S. 200; Vogt, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 258 Rn. 363. 441 Häde, JZ 2006, 930, 935; vgl. auch Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 125c Rn. 2. 442 Häde, JZ 2006, 930, 935; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 125c Rn. 10; Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 104b Rn. 5; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 104b Rn. 4 und Rn. 44; Wolff, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 125c Rn. 8; vgl. auch Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143c Rn. 1.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

den Ländern obliegt, vor einer Einflussnahme durch den Bund unter Einsatz von Finanzierungsbefugnissen zu schützen.443 Zudem sollte „das Instrument der Finanz­ hilfen des Bundes [durch die Neuregelung] auf seine eigentliche Zielrichtung, Bundesmittel gezielt und flexibel zur Behebung konkreter Problemlagen einzusetzen, zurückgeführt [werden]“.444 Gleichzeitig wurde Art. 125c GG eingefügt, der die Folgeregelungen für die Ersetzung des Art. 104a Abs. 4 GG a. F. durch Art. 104b GG bereitstellt.445 Dieser ist auch in sachlichen Zusammenhang mit Art. 143c GG zu sehen446, der den Ländern für einen befristeten Zeitraum (bis 31.  Dezember 2019) jährlich Kompensationszahlungen aus dem Bundeshaushalt zuspricht.447 Art.  125c Abs.  2 Satz  1 GG regelt die Fortgeltung der aufgrund von Art.  104a Abs. 4 GG a. F. ergangenen Regelungen im Bereich der Gemeindeverkehrsfinanzierung – worunter auch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz fällt – und der sozialen Wohnraumförderung bis zum 31. Dezember 2006448, da zeitgleich auch die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes für die soziale Wohnraumförderung durch die Neuregelung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG im Rahmen der Föderalismusreform I entfallen sollten.449 Im Bereich des kommunalen Straßenbaus und des Personennahverkehrs bestanden sogar gar keine Bundeskompetenzen.450 Art. 125c Abs. 2 Satz 1 GG erfasst jedoch nur solche Bestimmungen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes, die unmittelbar auf Art. 104a Abs. 4 GG a. F. beruhten.451 Damit fallen beispielsweise § 10 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 sowie § 11 GVFG nicht in den Anwendungsbereich von Art. 125c Abs. 2 Satz 1 GG, sodass sie unabhängig davon fortbestehen.452 Neben der nur kurzfristigen – und mittlerweile lange ab­gelaufenen – Fortgeltung nach Art. 125c Abs. 2 Satz 1 GG wird in Art. 125c Abs. 2 Satz 2 GG eine längerfristige Fortgeltung bestimmter Regelungen bis zum 443 Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 104b Rn. 44; vgl. auch Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 125c Rn. 1 f.; vgl. auch Hillgruber, JZ 2004, 837, 839 f. 444 BT-Drucks. 16/813, S. 19; Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 104b Rn. 1. 445 BT-Drucks. 16/813, S. 21; Seiler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 125c Rn. 1; Wolff, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 125c Rn. 1; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 125c Rn. 1. 446 Seiler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 125c Rn. 1; Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 143c Rn. 1; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 125c Rn. 10; vgl. auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 125c Rn. 3. 447 Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 143c Rn. 1; Wolff, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 3, Art. 125c Abs. 2 Rn. 7. Vgl. ausführlich dazu unter Kapitel 3 A. II. 2. b) (bb). 448 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 125 c Rn. 7; Wolff, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 125c Abs. 2 Rn. 10; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 125c Rn. 12; vgl. auch Seiler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 125c Rn. 4; vgl. auch Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 125c Rn. 3. 449 Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, Art. 125c Rn. 7; Wolff, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 125c Abs. 2 Rn. 10; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 125c Rn. 12. 450 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 125c Rn. 7. 451 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 125c Rn. 7; Wolff, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 125c Abs. 2 Rn. 9; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 125c Rn. 12. 452 BT-Drucks. 16/813, S. 21; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 125c Rn. 7 und Rn. 9; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 125c Rn. 12.

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31. Dezember 2019 konstitutiv angeordnet.453 Davon werden einerseits die Bundesprogramme gemäß § 6 Abs. 1 GVFG erfasst, die insofern explizit von Art. 125c Abs. 2 Satz 1 GG ausgenommen wurden, sowie andererseits alle sonstigen aufgrund von Art. 104a Abs. 4 GG a. F. erlassenen Regelungen, soweit kein früherer Zeitpunkt für ihr Außerkrafttreten bestimmt ist oder wird.454 aa) GVFG-Bundesmittel Mit den GVFG-Bundesmitteln sollen den Ländern Finanzhilfen für Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden gewährt werden, vgl. § 1 GVFG. Da durch die Föderalismusreform I die im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz vorgesehenen Finanzhilfen für diese Zwecke weitgehend beendet wurden455, gelten gemäß Art. 125c Abs. 2 Satz 2 GG lediglich die für besondere Programme nach § 6 Abs. 1 GVFG geschaffenen Regelungen bis zum 31. Dezember 2019 fort.456 Gemäß § 6 Abs. 1 GVFG stellt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur aufgrund von Vorschlägen der Länder und im Benehmen mit ihnen besondere ergänzende Programme für Vorhaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 GVFG auf, die in Verdichtungsräumen oder den zugehörigen Randgebieten liegen und zuwendungsfähige Kosten von 50 Millionen Euro überschreiten. Davon erfasst werden der Bau/Ausbau von Verkehrswegen der Straßenbahnen, Hoch- und Untergrundbahnen sowie Bahnen besonderer Bauart (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GVFG) und der nichtbundeseigenen Bahnen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b GVFG), soweit diese dem ÖPNV dienen und auf besonderem Bahnkörper geführt werden. Mit dieser Regelung sollte verhindert werden, dass große und dringliche Vorhaben des Schienenpersonennahverkehrs daran scheitern, dass die nach der Länderverteilung in den Landesprogrammen zur Verfügung stehenden Mittel nicht für ein Großvorhaben ausreichen.457

453

Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 125c Rn. 8; Wolff, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 125c Abs. 2 Rn. 10; vgl. auch Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 125c Rn. 12; Seiler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 125c Rn. 4. 454 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 125c Rn. 8; Wolff, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.  3, Art.  125c Abs.  2 Rn.  10; vgl. auch Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art.  125c Rn. 12 f.; vgl. auch Seiler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 125c Rn. 6, vgl. auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 125c Rn. 3. 455 Vgl. dazu die Ausführungen unter Kapitel 3 A. II. 2. b). 456 BT-Drucks. 17/13970, S. 1; vgl. auch Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 125c Rn. 8; Wolff, in; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 125c Abs. 2 Rn. 10; vgl. auch Klein, in: Maunz/ Dürig, GG, Bd. VII, Art. 125c Rn. 12 f.; vgl. auch Seiler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 125c Rn. 6, vgl. auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 125c Rn. 3. 457 Vogt, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 273 Rn. 398. Die Länderprogramme sind mittlerweile ausgelaufen, vgl. Art. 125c Abs. 2 Satz 1 GG.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

Voraussetzung für die Förderung ist, dass das Vorhaben nach Art und Umfang zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse dringend erforderlich ist und die Ziele der Raumordnung und Landesplanung berücksichtigt werden (§ 3 Nr. 1 Buchst. a GVFG). Weiterhin muss das Vorhaben in einem Generalverkehrsplan oder einem für die Beurteilung gleichwertigen Plan vorgesehen sein (§ 3 Nr. 1 Buchst. 1 Buchst. c GVFG). Zudem müssen Belange behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung berücksichtigt werden und den Anforderungen der Barrierefreiheit muss weitgehend entsprochen werden. Dazu sind bei der Vorhabenplanung die zuständigen Behindertenbeauftragten oder Behindertenbeiräte anzuhören, vgl. § 3 Nr. 1 Buchst. d GVFG. Gleichzeitig muss die übrige Finanzierung des Vorhabens oder eines Bauabschnittes des Vorhabens mit eigener Verkehrsbedeutung gewährleistet sein, § 3 Nr. 2 GVFG. Die Höhe der Förderung beträgt gemäß § 4 Abs. 2 GVFG bis zu 60 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten des Vorhabens. Welche Kosten gerade nicht zuwendungsfähig sind, ergibt sich aus dem Katalog des § 4 Abs. 3 GVFG. Dazu zählen unter anderem Verwaltungskosten (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 GVFG). Insgesamt stellt der Bund jährlich Finanzhilfen aus dem GVFG-Bundesprogramm in Höhe von rund 333 Millionen Euro zur Verfügung.458 bb) Entflechtungsmittel- und GVFG-Landesprogramm Mit der Föderalismusreform I im Jahr 2006 und dem damit verbundenen Rückzug des Bundes aus einzelnen Gemeinschaftsaufgaben nach Art.  91a GG (a. F.) bzw. aus bestimmten Investitionsgewährungshilfen nach Art. 104a Abs. 4 GG (a. F.) ging auch das Entfallen der bisherigen finanziellen Unterstützung des Bundes in diesen Bereichen einher.459 Die geplanten Neuregelungen zogen daher erhebliche finanzielle Belastungen für die Länder nach sich, sodass die Verwirklichung der Reform nur durch Schaffung eines finanziellen Ausgleichs möglich war.460 In diesem Zusammenhang wurde Art.  143c GG in das Grundgesetz zur finanziellen Kompensation dieser Ausfälle eingefügt.461 Gemäß Art. 143c Abs. 1 Satz 1 GG stehen den Ländern in dem Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 31. Dezember 2019 für den durch die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgaben Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich Hochschulkliniken und Bildungs 458 Dieser Betrag ergibt sich mittelbar aus § 10 Abs. 1 GVFG nach Abzug der Entflechtungsmittel. Vgl. dazu zudem BT-Drucks. 17/13970, S. 1. 459 Hellemann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143c Rn. 1; vgl. auch Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 143c Rn. 1; ähnlich auch Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143c Rn. 1; vgl. dazu auch die Ausführungen unter Kapitel 3 A. II. 2 b). 460 Hellemann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143c Rn. 2; Schwarz, in: Maunz/ Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143c Rn. 1, der von einer „finanziellen Abfederung“ spricht. 461 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143c Rn. 1; Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143c Rn. 1; Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 143c Rn. 1; Hellemann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143c Rn. 1.

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planung sowie für den durch die Abschaffung der Finanzhilfen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und zur sozialen Wohnraumförderung bedingten Wegfall der Finanzierungsanteile des Bundes jährlich Beträge aus dem Haushalt des Bundes zu. Damit wurde zum einen eine notwendige Rechtsgrundlage für die Kompensationszahlungen des Bundes geschaffen und zum anderen wurde eine Rechtspflicht des Bundes begründet, mit der ein Rechtsanspruch der Länder korrespondiert, dessen genaue Höhe durch Art. 143c Abs. 2 GG für jedes Bundesland einzeln bestimmt wird.462 Die Festlegung der konkreten Höhe des Gesamtbetrags der vom Bund zu leistenden Zahlungen erfolgte für den Zeitraum bis 2013 auf der Grundlage des Durchschnitts der Finanzierungsanteile des Bundes in den Jahren 2000 bis 2008, wobei zwischen den Jahren 2000 und 2003 die IstErgebnisse – also der kassenmäßige Abfluss beim Bundeshaushalt einschließlich der Aufteilung auf die einzelnen Länder – und im Zeitraum 2004 bis 2008 die Ansätze im Finanzplan des Bundes maßgeblich sein sollten, vgl. Art. 143c Abs. 1 Satz 2 GG.463 Die nach Art. 143c Abs. 1 Satz 2 GG ermittelten Beträge wurden nach Maßgabe des Art.  143c Abs.  2 Nr.  2 GG bis zum 31.  Dezember 2013 als jährliche Festbeträge, deren Höhe sich nach dem Durchschnittsanteil eines jeden Landes im Zeitraum 2000 bis 2003 errechnete, jeweils zweckgebunden an den Aufgabenbereich der bisherigen Mischfinanzierungen, verteilt. Durch die Zweckbindung waren die Mittel somit bis zum Ablauf des Jahres 2013 der freien haushalterischen Verfügung der Bundesländer entzogen.464 Ab dem 1. Januar 2014 wurde diese nach Art. 143c Abs. 2 Nr. 2 GG vorgesehene Zweckbindung gelockert, wodurch lediglich eine investive Zweckbindung des Mittelvolumens bestehen blieb, vgl. Art. 143c Abs. 3 Satz 2 GG.465 Darin kann jedoch hinsichtlich der bestehenden Substitutionsmöglichkeiten keine reale Einschränkung der Verwendungsmöglichkeiten gesehen werden.466 Vielmehr besteht nun die Gefahr, dass die den Ländern zur Verfügung gestellten Mittel nicht länger zur Finanzierung der weggefallenen Gemeinschaftsaufgaben verwendet werden, sondern der Umsetzung eigener finanzwirksamer politischer Präferenzentscheidungen zum Opfer fallen.467 Um 462

Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143c Rn. 4; Hellemann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143c Rn. 8; vgl. auch Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 143c Vor Rn. 1; Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143c Rn. 5. 463 BT-Drucks. 16/813, S. 22; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143c Rn. 4; Kube, in: Epping/ Hillgruber, BeckOK GG, Art. 143c Rn. 2; Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143c Rn. 12 f.; Hellemann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143c Rn. 10. 464 Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143c Rn. 14; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143c Rn. 7; Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 143c Rn. 3; vgl. zur Zweckbindung auch Hellemann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143c Rn. 12. 465 Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 143c Rn. 4; Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143c Rn. 19; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143c Rn. 9; Hellemann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143c Rn. 14. 466 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143c Rn. 9; Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143c Rn. 19. 467 Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art.  143c Rn.  19; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 143c Rn. 26 f.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

dies zu verhindern, haben einige Bundesländer die verkehrliche Zweckbindung gesetzlich verankert.468 Weiterhin normiert Art. 143c Abs. 3 Satz 3 GG, dass die Vereinbarungen aus dem Solidarpaket  II469 unberührt bleiben. Damit trägt die salvatorische Klausel des Art.  143c Abs.  3 Satz  3 GG der Besitzstandswahrung der beitrittsbedingt schwächeren Länder Rechnung.470 Die Vereinbarungen, die im Rahmen des Solidarpakets II getroffen wurden, umfassen unter anderem die überproportionalen „Korb II“-Leistungen des Bundes, die den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zugutekommen, mit einer Zielgröße in Höhe von rund 51 Milliarden Euro, die durch den Bund unter anderem über Gemeinschaftsaufgaben und Finanzmittel, EU-Strukturfondsmittel, Investi­tionszulagen sowie Kompensationsleistungen erbracht werden.471 Eigeninvestitionen des Bundes bleiben dabei unberücksichtigt.472 Die nähere Ausgestaltung der Kompensationsmittel des Bundes erfolgt gemäß Art. 143c Abs. 4 GG durch ein zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz. Dabei dürfen jedoch die bereits in Art. 143c GG enthaltenen Vorgaben in der Sache nicht eingeschränkt oder verändert werden.473 Vielmehr darf lediglich eine Konkretisierung der bereits vorhandenen Vorgaben erfolgen.474 Um die Beachtung der Länderinteressen zu sichern, bedarf es der Zustimmung des Bundesrats.475 Dieser  – in Art.  143c Abs.  4 GG normierte  – Gesetzgebungsauftrag wurde durch das Entflechtungsgesetz476 (EntflechtG) erfüllt, das im Zuge der Föderalismusreform I erlassen wurde.477 Während § 1 EntflechtG nahezu wortgleich mit Art. 143c Abs. 1 Satz 1 GG ist, bestimmen die §§ 2 und 3 EntflechtG die Höhe der Finanzzuweisungen des Bundes zur Finanzierung beendeter Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen.478 § 4 EntflechtG regelt die prozentuale Verteilung der Kompensationsmittel 468

§ 1 Abs. 3 LGVFG BW; Art. 1 Satz 2 ­BayGVFG; § 1 Abs. 1 GWHBFöG; §§ 1 ff. EMZG NRW; § 1 Abs. 2 NGVFG; § 1 Abs. 1 LVFGKom; § 1 Abs. 1 GVFG Saarland; § 1 Abs. 1 GVFG-SH. 469 BR-Drucks. 485/01, Beschluss vom 13. Juli 2001, Ziffer II. 470 Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143c Rn. 20 f.; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143c Rn. 10; Hellemann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bd. 3, Art. 143c Rn. 15. 471 BT-Drucks. 16/813, S. 22 f.; Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143c Rn. 20; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143c Rn. 11. 472 BT-Drucks. 16/813, S. 22 f.; Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143c Rn. 20. 473 Hellemann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143c Rn. 16. 474 Hellemann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143c Rn. 16. 475 Hellemann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143c Rn. 16; vgl. auch Schwarz, in: Maunz/Dürig, Bd. VII, Art. 143c Fn. 3 zu Rn. 22. 476 Gesetz zur Entflechtung von Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen (Entflechtungsgesetz) vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098, 2102), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 1. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2755). 477 Hellemann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143c Rn. 17; Heun, in: Dreier, Bd. III, Art. 143c Rn. 12; Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143c Rn. 22; Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 143c Rn. 5. 478 Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 143c Rn. 6; Hellemann, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143c Rn. 17.

A. Derzeitige Finanzierungspraxis

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an die einzelnen Bundesländer und § 5 EntflechtG bestätigt die in § 143c Abs. 3 Satz 2 GG gelockerte, nunmehr lediglich investive Zweckbindung der Mittel. Als Kompensation für die  – für die Finanzierung des ÖPNV höchst relevante Fallgruppe der – Beendigung der Finanzhilfen des Bundes für „Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden“ steht den Ländern bis zum 31. Dezember 2019 jährlich ein Betrag von 1.335.500.000 Euro479 aus dem Haushalt des Bundes zu, vgl. § 3 Satz 1 EntflechtG. Während rund 40 Prozent dieser Mittel in Maßnahmen des kommunalen ÖPNV fließen, entfällt der verbleibende Anteil auf Maßnahmen im kommunalen Straßenbau.480 Die horizontale Verteilung dieser Mittel unter den einzelnen Bundesländern bestimmt sich nach § 4 Abs. 3 EntflechtG,481 wobei Bayern dabei ein Prozentsatz von 14,686293 zukommt. Der Freistaat Bayern setzt diese Finanzmittel in Höhe von knapp 20 Millionen Euro nach Maßgabe des Bayerischen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes482 (­BayGVFG) für Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden ein, Art. 1 Satz 1 ­BayGVFG. Gemäß Art. 2 ­BayGVFG können bestimmte Vorhaben von Gemeinden, Landkreisen und kommunalen Zusammenschlüssen sowie Verkehrsunternehmen und sonstigen Vorhabensträgern des allgemeinen ÖPNV durch diese Finanzmittel gefördert werden. Der Katalog des Art.  2 B ­ ayGVFG enthält einige förderungsfähige Vorhaben aus dem Bereich des ÖPNV. Darunter fallen unter anderem der Bau/Ausbau von besonderen Fahrspuren für Omnibusse (Art. 2 Nr. 1 Buchst. b ­­BayGVFG) oder der Bau/Ausbau von Verkehrsleitsystemen sowie von Umsteigeparkplätzen zur Verringerung des MIV (Art. 2 Nr. 1 Buchst. f ­BayGVFG). Weiterhin können der Bau/Ausbau von Verkehrswegen der Straßenbahnen, Hoch- und Untergrundbahnen sowie Bahnen besonderer Bauart (Art. 2 Nr. 2 Buchst. a ­BayGVFG) oder der Bau/Ausbau von nichtbundeseigenen Eisenbahnen, soweit sie dem ÖPNV dienen und auf besonderen Bahnkörpern geführt werden (Art. 2 Nr. 2 Buchst. b GVFG), gefördert werden. Auch der Bau/Ausbau von zentralen Omnibusbahnhöfen und Haltestelleneinrichtungen sowie von Betriebshöfen und zentralen Werkstätten, soweit sie dem ÖPNV dienen (Art. 2 Nr. 3 ­BayGVFG), und die Beschaffung von Standard-Linienomnibussen und StandardGelenkomnibussen, soweit diese zum Erhalt und zur Verbesserung von Linienverkehren nach § 42 PBefG erforderlich sind und überwiegend für diese Verkehre eingesetzt werden, sowie von Schienenfahrzeugen des ÖPNV (Art. 2 Nr. 6 ­BayGVFG), stellen förderungsfähige Vorhaben dar. Damit die genannten Vorhaben mit den

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Vgl. dazu auch bereits BT-Drucks. 16/813, S. 22. Dieser Wert wurde beim VDV erfragt. 481 Vgl. Hellemann, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.  3, Art.  143c Rn.  17; Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 143c Rn. 6. 482 Gesetz über Zuwendungen des Freistaats Bayern zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Bayerisches Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz – B ­ ayGVFG) vom 8. Dezember 2006 (GVBl. S. 969, BayRS 922–2-I), das durch § 1 Nr. 429 der Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl. S. 286) geändert worden ist. 480

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

Entflechtungsmitteln gefördert werden können, müssen allerdings eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt werden (vgl. Art. 3 ­BayGVFG). Zunächst muss das Vorhaben nach Art und Umfang zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse dringend erforderlich sein und die Ziele der Raumordnung und ­ ayGVFG und Landesplanung berücksichtigen, vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a B 4.2 Spiegelstrich 1 und 2 RZStra483. Weiterhin muss das Vorhaben in einem Generalverkehrsplan oder einem für die Beurteilung gleichwertigen Plan vorgesehen sein (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ­BayGVFG und 4.2 Spiegel-strich 6 RZStra), bau- und verkehrstechnisch einwandfrei und unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geplant sein (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ­BayGVFG und 4.2 Spiegelstrich 3 RZStra) und mit städtebaulichen Maßnahmen, die mit ihm zusammenhängen, abgestimmt werden (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ­BayGVFG, 4.2 Spiegelstrich 5 RZStra). Auch Belange von Menschen mit Behinderung oder Mobilitätseinschränkungen müssen berücksichtigt werden und den Anforderungen der Barrierefreiheit muss möglichst weitreichend entsprochen werden. Bei der Vorhabensplanung sind dazu die zuständigen Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung nach Art. 18 des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetzes484 anzuhören, vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e ­BayGVFG und 4.2 Spiegelstrich  4 RZStra. Zudem muss die übrige Finanzierung des Vorhabens oder eines Bauabschnitts des Vorhabens mit eigener Verkehrsbedeutung gewährleistet sein (Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 ­BayGVFG). Die Förderung aus den genannten Finanzmitteln kann bis zu 80 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten betragen, Art.  4 Abs.  1 ­BayGVFG. Zuwendungsfähig sind gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 1 ­BayGVFG die Kosten für Vorhaben nach Art. 2 dieses Gesetzes. Präzisiert wird dies in den Richtlinien für die Zuwendungen des Freistaates Bayern zu Straßen- und Brückenbauvorhaben kommunaler Baulastträger. Demnach sind nach 6.1 RZStra unter anderem die Kosten für den Bau und Ausbau der in Nr. 2 aufgeführten Verkehrswege und -anlagen zuwendungsfähig. Darunter fallen die Baukosten für den Straßenkörper und das Zubehör. Was genau darunter zu verstehen ist, kann der folgenden – wie sich aus dem Wortlaut „insbesondere“ ergibt – nicht abschließenden Aufzählung von Beispielen entnommen werden (6.1.1.1 RZStra). Ebenfalls zuwendungsfähig sind die Gestehungskosten des Grunderwerbs, wobei deren Förderung frühestens bei Beginn der Bauarbeiten erfolgen kann (6.1.1.2 RZStra), die Kosten der notwendigen Änderungen oder Verlegungen anderer Verkehrswege (6.1.1.3 RZStra), die Kosten von Änderungen an Ver- oder Entsorgungsleitungen sowie an Telekommunikationslinien Dritter, die 483

Richtlinien für die Zuwendungen des Freistaates Bayern zu Straßen- und Brückenbauvorhaben kommunaler Baulastträger – RZStra – AllMBl. 2007, S. 4 vom 12. Januar 2007 Az.: IID3-43271. 0-004/06, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 10. November 2015 (AllMBl. S. 551). 484 Bayerisches Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung (Bayerisches Behindertengleichstellungsgesetz – BayBGG) vom 9. Juli 2003 (GVBl. S. 419, BayRS 805–9-A), das zuletzt durch § 6 des Gesetzes vom 9. Januar 2018 (GVBl. S. 2) geändert worden ist.

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bisher Straßengrund nicht mitbenutzten, welche der Straßenbaulastträger aufgrund einer Entschädigungspflicht zu tragen hat (6.1.1.4 RZStra), und die Kosten der Vorsorgemaßnahmen (6.1.1.5 RZStra). Nicht zuwendungsfähig sind demgegenüber Kosten, zu deren Tragung ein anderer als der Träger des Vorhabens verpflichtet ist (Art. 4 Abs. 3 Nr. 1 B ­ ayGVFG) sowie Verwaltungskosten (Art. 4 Abs. 3 Nr. 2 ­BayGVFG). Auch Kosten für den Erwerb solcher Grundstücke und Grundstücksteile, die nicht unmittelbar oder nicht dauernd für das Vorhaben benötigt werden, es sei denn, dass sie nicht nutzbar sind, oder die vor dem 1. Januar 1961 erworben worden sind, sind nicht zuwendungsfähig (Art. 4 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ­BayGVFG). Zudem sind Bauleistungen bei bereits begonnenen, in die Förderung nach dem Bayerischen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz übernommenen Vorhaben, für die der Träger des Vorhabens seine Verpflichtungen vor dem 1. Januar des Jahres erfüllt hat, in dem die Förderung beginnen soll, nicht zuwendungsfähig (Art. 4 Abs. 3 Nr. 4 ­BayGVFG). c) Bundesmittel nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz sowie nach der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zwischen Bund und Deutscher Bahn AG Art. 87e Abs. 4 GG normiert, dass die Infrastrukturverantwortung für das vollständige Nah- und Fernverkehrsnetz der Eisenbahnen des Bundes gemäß den Erfordernissen des Wohls der Allgemeinheit und den Bedürfnissen des Verkehrs beim Bund liegt.485 Während in diese Gemeinwohlverpflichtung auch die Nahverkehrsstrecken weiterhin miteinbezogen werden, sind die Verkehrsangebote auf dem Schienennetz, die den Personennahverkehr betreffen, ausgenommen.486 Die Wahrnehmung der Aufgaben des Bundes wurde 1993 durch das Bundesschienen­ wegeausbaugesetz (BSchwAG)487 konkretisiert.488 Durch dieses Gesetz wurde unter anderem das Ziel verfolgt, die in der Vergangenheit begangenen Fehler zu beseitigen.489 Angespielt wird dabei auf den Zurückbau des Schienennetzes der Bundesbahn um 3.500 km, während gleichzeitig ein Ausbau des Straßennetzes um 130.000 km erfolgte.490 Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens äußerte sich der damalige SPD-Abgeordnete Daubertshäuser dazu folgendermaßen: „Hier liegt der 485 Kolks, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 241 Rn. 348; Remmert, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 87e Rn. 1 f. 486 Kolks, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 241 Rn. 348; vgl. auch die Präambel der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung II zwischen Bund und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen, S. 5. 487 Gesetz über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (Bundesschienenwegeausbaugesetz) vom 15. November 1993 (BGBl. I S. 1874), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3221) geändert worden ist. 488 Kolks, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 242 Rn. 348. 489 Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 81. 490 Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 81. Vgl. dazu auch die Ausführungen unter Kapitel 3 A. II. 2. a) aa) (1).

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

wahre Grund für den jetzigen Zustand der Bahn, die in einem freien Wettbewerb so lange nicht bestehen kann, wie nicht im Infrastrukturbereich faire Chancengleichheit hergestellt wird“.491 Gemäß § 8 Abs.  1 Satz  1 BSchwAG finanziert der Bund Investitionen in die Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes auf der Grundlage eines Bedarfsplans (§§ 1 ff. BSchwAG).492 Umfasst werden davon Bau, Ausbau sowie Ersatzinvestitionen der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes nach Maßgabe dieses Gesetzes im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel, § 8 Abs. 1 Satz 2 BSchwAG. Die dabei zur Verfügung gestellten Mittel sind gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BSchwAG zu 20  Prozent für Investitionen in Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes, die dem Schienenpersonennahverkehr dienen, zu verwenden (sog. Nahverkehrsquote).493 Diese Maßnahmen müssen jedoch nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 Satz 2 BSchwAG von der Deutschen Bahn AG mit dem jeweiligen Bundesland abgestimmt werden. Dadurch sind sowohl die Nachprüfung des Vollzuges als auch die Mitwirkung des jeweiligen Bundeslandes an der Festlegung der Nahverkehrsmaßnahmen gesetzlich vorgeschrieben.494 Beachtet werden muss dabei jedoch, dass lediglich reine Nahverkehrsstrecken oder von Nah- und Fernverkehrszügen gemischt genutzte Strecken unter die in § 8 Abs. 2 Satz 1 BSchwAG genannten Schienenwege, die dem Personennahverkehr dienen, fallen.495 Ausgenommen werden müssen somit Fernverkehrszüge, die stationsbezogen auch von Reisenden im Nahverkehr mitbenutzt werden.496 Sowohl für die Finanzierung der Investitionen aus der Nahverkehrsquote nach § 8 Abs. 2 BSchwAG, als auch für die Fernverkehrsinvestitionen gelten die Vorschriften der §§ 9 und 10 des BSchwAG.497 Gemäß § 9 Satz 1 BSchwAG bedürfen die Durchführung der in den Bedarfsplan aufgenommenen Baumaßnahmen sowie deren Finanzierung einer Vereinbarung zwischen den Eisenbahnen des Bundes, deren Schienenwege gebaut oder ausgebaut werden sollen, und denjenigen Gebietskörperschaften oder Dritten, die den Bau oder Ausbau ganz oder teilweise finanzieren. Wurde der Bau oder Ausbau von Schienenwegen einer Eisenbahn des Bundes auf Antrag und im Interesse dieser Eisenbahn von dem Bund in den Bedarfsplan aufgenommen, so gewährt der Bund nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BSchwAG ein zinsloses Darlehen als Finanzierungsbeitrag.498 Liegt im Gegensatz dazu die Baumaßnahme nicht oder nur teilweise im unternehmerischen Interesse, so kann in der nach § 9 Satz 1 BSchwAG zu schließenden Ver 491

Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 81. Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 90; Kolks, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 242 Rn. 348. 493 Kolks, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 242 Rn. 349; vgl. auch Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 90; Wachinger/Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 82; Neumann, Daseinsvorsorge im Schienenpersonennahverkehr, S. 131. 494 Kolks, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 242 Rn. 349. 495 Kolks, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 242 Rn. 349. 496 Kolks, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 242 Rn. 349. 497 Kolks, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 242 Rn. 351. 498 Kolks, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 242 f. Rn. 351. 492

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einbarung auch festgelegt werden, dass sich das Darlehen nur auf einen Teil der Investitionssumme bezieht oder der Bund einen verlorenen Baukostenzuschuss in entsprechender Höhe gewährt, vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 BSchwAG.499 Die ebenfalls von § 8 Abs. 1 BSchwAG umfassten Ersatzinvestitionen werden nicht in den Bedarfsplan aufgenommen, § 11 Abs. 1 BSchwAG. Mit Wirkung zum 1. Januar 2009 wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (heute: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur), und den Eisenbahnstrukturunternehmen des Bundes500 (DB Netz AG, DB Station & Service AG und DB Energie GmbH sowie die Deutsche Bahn AG) eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit einer festen Laufzeit bis zum 31. Dezember 2013 (vgl. § 23.1 Satz 2 LuFV) geschlossen. Gegenstand dieser Vereinbarung waren gemäß § 1.1 LuFV Maßnahmen, die der Erhaltung der Schienenwege der Eisenbahninfrastrukturunternehmen dienen, sowie ihre Finanzierung. Dabei umfasst die Erhaltung der Schienenwege Maßnahmen zur Instandhaltung und die Durchführung von Ersatzinvestitionen (§ 1.2 Satz 1 LuFV). Der Begriff der Ersatzinvestitionen wird in § 1.2 Satz  2 LuFV negativ „legaldefiniert“ als alle Investitionen in die Schienenwege, die nicht Gegenstand des Bedarfsplans nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz sind. Nicht von der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung erfasst werden Vorhaben des Neubaus, der Erweiterung und der Kapazitätssteigerung von Schienenwegen, die im Bedarfsplan für die Bundesschienenwege gemäß § 1 BSchwAG enthalten sind (sog. Bedarfsplanvorhaben), § 1.4 LuFV. Während der Laufzeit der ersten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung erhielten die Eisenbahnstrukturunternehmen jährlich zweckgebundene Zahlungen des Bundes zur Durchführung von Ersatzinvestitionen in die Schienenwege in Höhe von 2,5 Milliarden Euro (sog. Infrastrukturbeitrag), § 2.1 LuFV.501 Mit dem zweiten Nachtrag zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung wurde deren Laufzeit bis zum 31. Dezember 2015 verlängert und einzelne Anpassungen der Vereinbarung vorgenommen.502 Dabei ging auch die Bereitstellung von zusätzlichen Bundesmitteln in Höhe von 250 Millionen Euro jährlich für Ersatzinvestitionen in den Jahren 2013 und 2014 einher.503 Mit Wirkung zum 1. Januar 2015 wurde die Leis 499

Kolks, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 242 f. Rn. 351. Präambel der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung I vom 9. Januar 2009, S. 4. 501 Vgl. auch die Ausführungen zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung auf der Homepage des Eisenbahn-Bundesamts unter https://www.eba.bund.de/DE/HauptNavi/Finanzierung/ LuFV/lufv_node.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 502 Zu den genauen Änderungen vgl. Ziffer 1 bis 4 des zweiten Nachtrags zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. Vgl. dazu auch die Ausführungen zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung auf der Homepage des Eisenbahn-Bundesamts unter https://www.eba.bund. de/DE/Themen/Finanzierung/LuFV/lufv_node.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 503 Vgl. dazu v. a. Ziffer 1 ff. des zweiten Nachtrags zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sowie die Ausführungen zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung auf der Homepage des Eisenbahn-Bundesamts unter https://www.eba.bund.de/DE/Themen/Finanzierung/ LuFV/lufv_node.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 500

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tungs- und Finanzierungsvereinbarung II (LuFV II) zwischen dem Bund und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen – ebenfalls mit einer Laufzeit von fünf Jahren, § 24.1 Satz 2 LuFV II – abgeschlossen. Darin verpflichtet sich der Bund unter anderem dazu, in den Jahren 2015 bis 2019 Infrastrukturbeiträge von insgesamt rund 13 Milliarden Euro504 an die Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu zahlen, § 2.1 LuFV II. Diese werden als nicht rückzahlbarer Zuschuss unmittelbar an und zur ausschließlichen Verwendung durch die Eisenbahninfrastrukturunternehmen gewährt, § 2.2 LuFV II. Der Großteil dieser zu zahlenden Mittel stammt aus dem Bundeshaushalt, allerdings kann nach § 2a.1 LuFV II auch auf Mittel aus einem Finanzierungskreislauf, bei dem die von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen erwirtschafteten Beträge als Dividende an den Bund ausgeschüttet und von diesem dann anschließend erneut für Investitionen in die bestehenden Schienenwege verwendet werden, zurückgegriffen werden.505 Im Gegenzug dafür verpflichten sich die Eisenbahninfrastrukturunternehmen unter anderem dazu, während der Vertragslaufzeit zweckgebunden für die Instandhaltung der Schienenwege eigene Finanzmittel in der erforderlichen Höhe für die Erreichung der vereinbarten Qualität bereitzustellen und einzusetzen, § 4 LuFV II. Weiterhin verpflichten sie sich dazu, jährlich Instandhaltungsmaßnahmen in die Schienenwege in Höhe des Teilmindestinstandhaltungsbeitrags (1,5 Milliarden Euro) und bis zum Ende der Vertragslaufzeit mindestens in Höhe des Gesamtmindestinstandhaltungsbeitrags (8 Milliarden Euro) vorzunehmen und nachzuweisen, § 7.1 Satz 1 i. V. m. § 4 LuFV II. Zudem müssen jährlich Ersatzinvestitionen in mindestens der Höhe des Infrastrukturbeitrags (§ 2.1 LuFV II) und der tatsächlich gezahlten zusätzlichen Dividenden vorgenommen und nachgewiesen werden, § 8.1 Satz 1 LuFV II. Der Zustand der Infrastruktur bemisst sich nach sanktionsbewährten Qualitätskennzahlen, die in der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung II durch die Festlegung von jährlichen Zielvorgaben berücksichtigt werden.506 Werden diese verfehlt, so kann eine vollständige oder teilweise Rückforderung des bereits geleisteten Infrastrukturbeitrags durch den Bund erfolgen, vgl. § 17 LuFV II. Mit dem gesamthaften Ansatz der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung findet somit keine Finanzierung von im Einzelnen definierten Maßnahmen und Investitionsprogrammen mehr statt, sondern den Eisenbahninfrastrukturunternehmen wird ein Infrastrukturbeitrag zur eigenverantwortlichen Verwendung zur Verfügung gestellt.507 Dadurch konnte 504 2015: 3,35 Milliarden Euro; 2016: 3,153 Milliarden Euro; 2017: 3,075 Milliarden Euro; 2018: 3,5 Milliarden Euro und 2019: 3,5 Milliarden Euro. 505 Vgl. die Ausführungen zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung auf der Homepage des Eisenbahn-Bundesamts unter https://www.eba.bund.de/DE/Themen/Finanzierung/LuFV/ lufv_ node.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 506 Vgl. die Ausführungen zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung auf der Homepage des Eisenbahn-Bundesamts unter https://www.eba.bund.de/DE/Themen/Finanzierung/LuFV/ lufv_ node.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 507 Vgl. die Ausführungen zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung auf der Homepage des Eisenbahn-Bundesamts unter https://www.eba.bund.de/DE/Themen/Finanzierung/LuFV/ lufv_ node.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018).

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nicht nur die Planungssicherheit der Eisenbahninfrastrukturunternehmen verbessert werden, sondern auch ein stetiges Qualitätsversprechen für das Eisenbahnnetz erreicht werden.508 d) Leistungen nach dem B ­ ayÖPNVG Gemäß Art.  19 Abs.  1 Satz  1 ­BayÖPNVG werden die Kostendeckungsfehlbeträge des ÖPNV grundsätzlich von den Aufgabenträgern509 getragen, soweit sie selbst Leistungen erbringen oder diese in ihrem Auftrag erbracht werden. Soweit eine Aufgabenübertragung510 nach Maßgabe des Art. 9 Abs. 1 ­BayÖPNVG stattgefunden hat, fallen der Gemeinde auf Verlangen des Landkreises diese Kosten zur Last, vgl. Art. 19 Abs. 1 Satz 2 ­BayÖPNVG. Wenn dies von der kreisangehörigen Gemeinde gewünscht ist, kann der Landkreis auch zusätzliche Leistungen anbieten, sofern sich die betroffenen Gemeinden durch Vereinbarung dazu verpflichten, die dadurch entstehenden Kosten zu tragen (Art. 19 Abs. 1 Satz 3 ­BayÖPNVG). Werden im Wege der gegenseitigen Vereinbarung Leistungen des allgemeinen Personennahverkehrs im Gebiet eines anderen Aufgabenträgers erbracht, so werden ­ ayÖPNVG die entstehenden Kostendeckungsfehlbeträge gemäß Art. 19 Abs. 2 B von den Aufgabenträgern gemeinsam, anteilig nach Maßgabe des auf das jeweilige Gebiet anfallenden Anteils, getragen. Gemäß Art. 20 Abs. 1 ­BayÖPNVG erhalten die Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen auf Antrag Finanzhilfen für den allgemeinen ÖPNV zur Förderung von Investitionen (Nr. 1) sowie zur Abgeltung von Vorhaltekosten oder gemeinwirtschaftlich erbrachten Leistungen des ÖPNV sowie zur Förderung von Verkehrskooperationen – sog. ÖPNV-Zuweisungen – (Nr. 2). Die Gewährung der Finanzhilfen erfolgt nach Maßgabe des Haushalts, Art.  20 ­ ayÖPNVG Abs. 2 Satz 1 ­BayÖPNVG. Dabei ist gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 B jedoch sicherzustellen, dass die Ziele dieses Gesetzes – unter anderem die Zurverfügungstellung eines möglichst vollwertigen ÖPNV als Alternative zum MIV, Art. 2 Abs. 1 ­BayÖPNVG – mit dem geringsten Aufwand erreicht werden. Rechtsansprüche auf finanzielle und sonstige Fördermaßnahmen sollen nicht begründet werden, vgl. Art. 20 Abs. 2 Satz 3 ­BayÖPNVG. Als zuständige Behörden für die Prüfung der Anträge sowie die Festsetzung und Bewilligung der Finanzhilfen wer­ ayÖPNVG die Regierungen bestimmt. den durch Art. 20 Abs. 3 B

508 Vgl. die Ausführungen zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung auf der Homepage des Eisenbahn-Bundesamts unter https://www.eba.bund.de/DE/Themen/Finanzierung/LuFV/ lufv_ node.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 509 Zu den Aufgabenträgern nach Art. 8 B ­ ayÖPNVG vgl. ausführlich unter Kapitel 2 B. II. 2. c). 510 Zur Wahrung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts können die Aufgabenträger den kreisangehörigen Gemeinden nach Maßgabe des Art. 9 Abs. 1 ­BayÖPNVG einzelne Aufgaben des allgemeinen ÖPNV übertragen, vgl. dazu ausführlich unter Kapitel 2 B. II. 2. c) bb).

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

aa) Investitionskostenhilfen Der Freistaat Bayern gewährt den Aufgabenträgern und den Verkehrsunternehmen gemäß Art. 21 ­BayÖPNVG Zuwendungen zur Förderung von Investitionen des allgemeinen ÖPNV nach Maßgabe des Art. 13c Abs. 2 BayFAG511. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayFAG werden den Gemeinden und Gemeindeverbänden vom Staat gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayFAG 52,5 Prozent der auf Bayern entfallenden Zuweisungen des Bundes zum Ausgleich der Übertragung der Ertragshoheit an der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund512 (Kompensationsbetrag) zur Verfügung (Kommunalanteil)513 gestellt. Dabei dienen die Mittel aus dem Kommunalanteil grundsätzlich zum Bau oder Ausbau und zur Unterhaltung von Kreisstraßen und Gemeindestraßen sowie von Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundesstraßen, Staatsstraßen und Kreisstraßen, soweit die Straßenbaulast für die Ortsdurchfahren den Gemeinden obliegt (Art. 13 Abs. 1 Satz 2 BayFAG). Allerdings dürfen die Mittel auch für sog. sonstige Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in Gemeinden, insbesondere für den Bau von den in § 4 Abs.  2 PBefG näher bezeichneten Einrichtungen – also Bahnen, die als Hoch- und Untergrundbahnen, Schwebebahnen oder ähnliche Bahnen besonderer Bauart angelegt sind oder angelegt werden, ausschließlich oder überwiegend der Beförderung von Personen im Orts- und Nachbarschaftsbereich dienen und nicht Bergbahnen oder Seilbahnen sind – sowie die für den S-Bahn-Bereich erforderlichen Parkplätze verwendet werden (Art. 13 Abs. 1 Satz 3 BayFAG). Für diese Maßnahmen dürfen gemäß Art. 13c Abs. 1 Satz 1 BayFAG jedoch nicht mehr als 67.500.000 Euro verwendet werden. Hervorzuheben ist jedoch, dass dabei für den Bau oder Ausbau von auf besonderen Bahnkörpern geführten Verkehrswegen der Eisenbahnen, Straßenbahnen, Hochund Untergrundbahnen und Bahnen besonderer Bauart sowie für den Bau oder

511 Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden (Finanzausgleichsgesetz – BayFAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 2013 (GVBl. S. 210, BayRS 605–1-F), das zuletzt durch Gesetz vom 20. Dezember 2016 (GVBl. S. 436) geändert worden ist. 512 Die Ertrags- und Verwaltungskompetenz hinsichtlich der Kraftfahrzeugsteuer wurde im Rahmen einer Reform der Kraftfahrzeugsteuer mit Wirkung ab dem 1. Juli 2009 auf den Bund übertragen. Damit war jedoch gleichzeitig das Entfallen des Vorbehalts der Zustimmung der Länder zu Änderungen von Bundesregelungen der Kraftfahrzeugsteuer gem. Art. 105 Abs. 3 GG verbunden, wodurch der Bund „in die Lage [versetzt wurde, diese Steuer] künftig in Eigenverantwortung zu modernisieren und nachhaltig aufkommensstabil zu gestalten“ (BT-Drucks. 16/11741, S. 4). Im Gegenzug dafür wurde den Ländern durch den neu eigefügten Art. 106b GG ab dem 1. Juli 2009 ein jährlicher Festbetrag in Höhe von 8.991.764.000 Euro (Art. 106b Satz 2 GG i. V. m. § 1 KraftStKompG) aus dem Steueraufkommen des Bundes gewährt. Siehe dazu Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 106b Rn. 1; BT-Drucks. 16/11741, S. 4; vgl. auch Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 106b Rn. 1 ff.; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 3, Art. 106b Rn. 1 ff. 513 Der nach Maßgabe des Art. 106b Satz 2 GG i.V.m § 1 KraftStKompG festgelegte Betrag wird gemäß § 2 KraftStKompG nach Prozentsätzen auf die Länder verteilt. Bayern kommt dabei ein Prozentsatz von 17,22275 Prozent zu.

A. Derzeitige Finanzierungspraxis

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Ausbau von Betriebshöfen, zentralen Werkstätten, zentralen Omnibusbahnhöfen, verkehrswichtigen Umsteigeanlagen und Kreuzungsmaßnahmen nichtbundeseigener Eisenbahnen nach dem Eisenbahnkreuzgesetz514 auch nichtkommunale Träger Zuwendungen erhalten können, soweit solche Maßnahmen dem ÖPNV dienen und zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinde dringend erforderlich sind, Art. 13c Abs. 2 Satz 2 BayFAG. Die auf diese Weise gewährten Mittel sind gemäß Art. 21 Abs. 2 B ­ ayÖPNVG zur Sicherung der Komplementärfinanzierung von Vorhaben des allgemeinen ÖPNV, die aus den Programmen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EntflechtG sowie nach dem Bayerischen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gefördert werden515, einzusetzen. Dabei gelten die Fördervoraussetzungen als erfüllt, wenn die Voraussetzungen für eine Förderung des Vorhabens im Rahmen der Programme nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EntflechtG oder nach dem Bayerischen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz vorliegen, Art. 21 Abs. 3 ­BayÖPNVG. Auch der Umfang der zuwendungsfähigen Kosten richtet sich nach § 3 Abs.  1 Satz  2 EntflechtG oder nach dem Bayerischen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, Art. 21 Abs. 4 ­BayÖPNVG. Die Investitionshilfen nach Art. 21 ­BayÖPNVG werden durch das Staatsministerium – im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat – in das nach Art. 5 und 6 B ­ ayGVFG aufzustellende Programm miteinbezogen. Dabei werden die zu fördernden Vorhaben, die Höhe der Gesamtkosten, die Höhe der zuwendungsfähigen Kosten, die Höhe der Gesamtförderung sowie die Höhe der jedes Jahr voraussichtlich fälligen Förderbeträge aus Bundes- und Landesmitteln für jeweils fünf Jahre im Voraus dargestellt, Art. 22 Abs. 1 Satz 2 ­BayÖPNVG. Ergänzend werden auch die Finanzhilfen dargestellt, die aus Mitteln des Art. 13c Abs. 2 BayFAG für Projekte bereitgestellt werden, die in den Programmen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EntflechtG enthalten sind, die in Verdichtungsräumen liegen und deren zuwendungsfähige Kosten 50 Millionen Euro überschreiten, Art. 22 Abs. 2 ­BayÖPNVG. In welcher Höhe die Investitionshilfen gewährt werden, ergibt sich aus Art. 23 ­BayÖPNVG. Differenziert wird dabei nach der Höhe der zuwendungsfähigen Kosten. Werden Vorhaben des allgemeinen ÖPNV mit zuwendungsfähigen Kosten über 2,5 Millionen Euro aus Programmen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EntflechtG oder nach dem Bayerischen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gefördert, so können bis zu zwanzig Prozent der zuwendungsfähigen Kosten als Investitionshilfe gewährt werden (Art. 23 Abs. 1 ­BayÖPNVG). Demgegenüber können gemäß Art. 23 Abs. 2 ­BayÖPNVG bei sonstigen Vorhaben des allgemeinen ÖPNV, die nach dem Bayerischen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gefördert werden, lediglich bis zu zehn Pro­ ayÖPNVG zent der zuwendungsfähigen Kosten in Form von Mitteln nach Art. 21 B zur Verfügung gestellt werden. Diese Höchstsätze können jedoch überschritten werden, sofern es im Hinblick auf die besondere verkehrspolitische Bedeutung des 514

Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen (Eisenbahnkreuzungsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. März 1971 (BGBl. I S. 337), das zuletzt durch Artikel 462 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist. 515 Vgl. dazu ausführlich unter Kapitel 3 A. II. 2. b) aa).

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

Vorhabens erforderlich ist und das Vorhaben andernfalls wegen der strukturellen Schwäche des betroffenen Gebiets und der ungünstigen wirtschaftlichen Lage des Verkehrsunternehmens oder der Belastung des Aufgabenträgers nicht verwirklicht werden könnte, Art. 23 Abs. 3 ­BayÖPNVG. Das zur Gewährung von Investitionshilfen Gesagte gilt entsprechend auch für Investitionen beim Bau oder Ausbau von Verkehrsanlagen der S-Bahnen, vgl. Art. 29 Abs. 3 ­BayÖPNVG. bb) ÖPNV-Zuweisungen Weiterhin gewährt der Freistaat Bayern den Aufgabenträgern des allgemeinen ÖPNV Zuweisungen für Zwecke des ÖPNV, Art.  27 Satz  1 B ­ ayÖPNVG. Wie diese Zuwendungen verwendet werden sollen, wird in dem – nicht abschließenden516 – Katalog des Art. 27 Satz 2 B ­ ayÖPNVG näher geregelt. Demnach können diese Mittel für die vollständige oder teilweise Übernahme von Vorhaltekosten der Verkehrsunternehmen, die in dem Gebiet des Aufgabenträgers öffentliche Nahverkehrsleistungen anbieten oder erbringen (Nr. 1) oder für Zahlungen an Unternehmen wegen gemeinwirtschaftlich erbrachter Leistungen im ÖPNV (Nr. 2) sowie zur Abdeckung von Kostendeckungsfehlbeträgen, die aufgrund von Verkehrskooperationen für den allgemeinen ÖPNV entstehen, verwendet werden. Die Festsetzung, in welcher Höhe die ÖPNV-Zuweisungen gewährt werden, erfolgt durch ­ ayÖPNVG. Dabei werden neben der Bewilligung im Haushalt, Art. 28 Abs. 1 B Zahl der im Gebiet des Aufgabenträgers gefahrenen Nutzplatzkilometer im allgemeinen ÖPNV und gemessen am Umfang, in dem der Aufgabenträger die allgemeinen Anforderungen nach Art. 4 B ­ ayÖPNVG und den Bedienungsstandard im Sinne von Art. 5 ­BayÖPNVG erfüllt, insbesondere der zur Gewährleistung einer angemessenen Verkehrsbedienung erforderliche Aufwand (Nr. 1), die finanzielle Leistungskraft des jeweiligen Aufgabenträgers (Nr. 2) sowie die Qualität einer vorhandenen oder neu zu gründenden Verkehrskooperation, insbesondere der Grad der erreichten Verkehrsverbesserung und der Nutzen für die Allgemeinheit, berücksichtigt (Art. 28 Abs. 2 ­BayÖPNVG). Dem Freistaat Bayern stehen dafür jährlich 51.300.000 Euro aus dem Kommunalanteil der Zuweisungen des Bundes zum Ausgleich der Übertragung der Ertragshoheit an der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund ­ ayÖPNVG in Verbindung mit Art. 13d BayFAG. zur Verfügung, vgl. Art. 27, 28 B

516 Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ lässt darauf schließen, dass die Aufzählung in Art. 27 Satz 2 ­BayÖPNVG nicht abschließend sein soll.

B. Schwächen der derzeitigen Finanzierungspraxis

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B. Schwächen und Problemstellungen der derzeitigen Finanzierungspraxis Die derzeitige Finanzierung des ÖPNV zeichnet sich durch eine komplexe, nur schwer zu erfassende „Spaghetti-Finanzierung“ aus.517 Sie ist inhomogen und kann aufgrund verschiedenster Faktoren – wie beispielsweise der verschiedenen Ausgleichs- und Erstattungsregelungen – nur sehr schwer konkret kalkuliert werden.518 Zudem stehen verschiedene öffentliche Finanzierungsmittel  – insbesondere die Leistungen aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und dem Entflechtungsgesetz – zur Disposition, da deren gesetzliche Grundlagen auslaufen.519 Weiterhin stehen nicht ausreichend Mittel zur Finanzierung der dringend erforderlichen Reinvestitionen zur Verfügung.520

I. Demographischer Wandel: Sinkende Schülerzahlen und ihre Auswirkungen auf die Ausgleichsleistungen nach § 45a PBefG Den Ausgleichsleistungen nach § 45a PBefG521 kommt eine wichtige „Finanzierungsfunktion“522 des ÖPNV zu, sodass sie als „tragende Säule des ÖPNVGesamtangebots“523 bezeichnet werden können.524 Ihnen kann dadurch auch – entgegen ihrer ursprünglichen Regelungsintention  – eine große Bedeutung bei der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit des ÖPNV beigemessen werden.525 Insgesamt macht der Ausgleich nach § 45a PBefG nicht selten einen Großteil (20 bis 517 Zimmer, Der ÖV-Beitrag, S. 17; ähnlich auch Bormann/Bracher/Dümmler/et al., Neuordnung der Finanzierung des ÖPNV, S. 6; Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 63; Targan/Neumann, ZögU 2005, 93, 95. 518 Zimmer, Der ÖV-Beitrag, S. 17; vgl. auch Bracher/Gies/Schlünder/Warnecke, Finanzierung des ÖPNV durch Beiträge, S. 6. 519 VDV, Positionspapier April 2016, Zukunftsfähige ÖPNV-Finanzierung, S. 6. 520 VDV, Positionspapier April 2016, Zukunftsfähige ÖPNV-Finanzierung, S. 7. 521 Vgl. ausführlich zu den Ausgleichsleistungen nach § 45a PBefG unter Kapitel 3 A. II. 1. a) aa). 522 Targan/Neumann, ZögU  2005, 93, 98; ähnlich auch Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 15; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 13. 523 Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 15. 524 Targan/Neumann, ZögU 2005, 93, 98; Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 1; Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 54; Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 15; H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 13; Zeiss, ZfBR 2003, 749, 752; Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 327 Rn. 486; Barth, in: Baumeister, Recht des ÖPNV II, A2 Rn. 206; Scheele/Sterzel, ÖPNV zwischen Gemeinwohlinteressen und Markt, S. 58; Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 81. 525 Linke in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV II, § 45a PBefG Rn. 1; ähnlich auch H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 45a PBefG Rn. 13; vgl. auch Targan/Neumann, ZögU 2005, 93, 98.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

45 Prozent) der gesamten Einnahmen einer Verkehrsleistung aus.526 Nach Aussage des Statistischen Bundesamts ist jedoch im Schuljahr 2015/2016 die Zahl der Schüler an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Deutschland um 0,4 Prozent gesunken, wodurch sich der seit dem Schuljahr 2000/2001 andauernde rückläufige Trend weiter fortsetzt, obwohl auch schulpflichtige Flüchtlinge und Zugewanderte miterfasst wurden.527 Die Schülerzahl unterliegt vor allem durch Schulstrukturreformen, das Bildungsverhalten und nicht zuletzt die demographischen Entwicklung der Beeinflussung.528 Mit den rückläufigen Schülerzahlen geht jedoch auch eine Verringerung der nach § 45a PBefG gewährten Finanzierungsmittel einher.529 Demgegenüber bleibt der grundsätzliche Sicherungsbedarf für das ÖPNV-Angebot allerdings weiterhin konstant bestehen, da dieser nicht von der Anzahl der Schüler abhängig ist.530 Gerade im ländlichen Raum und in dünn besiedelten Gebieten wirkt sich dies sehr negativ auf die Grundsicherung des ÖPNV aus.531 In welchem Umfang schulpflichtige Flüchtlinge und Zugewanderte Einfluss auf die rückläufigen Schülerzahlen nehmen werden, ist derzeit nicht absehbar532, sodass die ÖPNVFinanzierung angesichts der sinkenden Finanzierungsmittel aus § 45a PBefG erhebliche Einbußen zu befürchten hat.533

II. Faktischer Investitionsstopp durch Unsicherheiten bei der Verlängerung des GVFG-Bundesprogramms Die investiven Finanzmittel des GVFG-Bundesprogramms nach § 6 Abs.  1 GVFG gelten gemäß Art. 125c Abs. 2 Satz 2 GG lediglich bis zum 31. Dezember 2019 fort. Dies wirkt sich negativ auf die Bereitschaft der Kommunen bzw. Verkehrsunternehmen aus, mit komplexen Neubauvorhaben zu beginnen, da die Zuwendungen aus dem GVFG-Bundesprogramm eine Abrechnung bis zum genannten 526

Linke, Die Gewährleistung des Daseinsvorsorgeauftrags im ÖPNV, S. 54; Zeiss, ZfBR 2003, 749, 752. 527 Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts Nr. 094 vom 11. März 2016, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2016/03/PD16_094_211. html (letzter Abruf: 31. Januar 2018); ähnlich auch die VDV-Statistik 2015, S. 16, die ebenfalls von einer rückläufigen Entwicklung der Schülerzahlen ausgeht. 528 Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts Nr. 094 vom 11. März 2016, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2016/03/PD16_094_211. html (letzter Abruf: 31. Januar 2018); vgl. auch VDV-Statistik 2015, S. 17. 529 BPV Studie: Der ÖV-Beitrag, S. 9; ähnlich auch Wachinger, Das Recht des Marktzugangs im ÖPNV, S. 8; Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S. 80 f.; vgl. auch VDV, Positionspapier April 2016, Zukunftsfähige ÖPNV-Finanzierung, S. 7. 530 BPV Studie: Der ÖV-Beitrag, S.  9; VDV, Positionspapier April 2016, Zukunftsfähige ÖPNV-Finanzierung, S. 7. 531 BPV Studie: Der ÖV-Beitrag, S. 10. 532 Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts Nr. 094 vom 11. März 2016. 533 BPV Studie: Der ÖV-Beitrag, S. 10; VCD-Hintergrundpapier 05/2015, Ein neues ÖPNVFinanzierungsmodell für Kommunen, S. 1.

B. Schwächen der derzeitigen Finanzierungspraxis

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Stichtag (31. Dezember 2019) erfordern.534 Kann dies nicht gewährleistet werden, müssen die Kommunen die Vorhaben mit eigenen Haushaltsmitteln finanzieren.535 Zudem müssen die Länder als Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Bundesmittel eine Garantie für die Durchfinanzierung der jeweiligen Vorhaben abgeben.536 Damit geht eine subsidiäre Haftung für die gesamte Bundesförderung einher, die bis zu 60 Prozent der förderfähigen Projektkosten betragen kann.537 Mangels finanzieller Leistungsfähigkeit können die Länder diese Risiken allerdings nicht eingehen538, sodass durch die Befristung ein faktischer Investitionsstopp eingetreten ist.539 Der VDV-Präsident Jürgen Fenske erklärte hierzu, dass „weder Kommunen noch Verkehrsunternehmen [wüssten], wie es mit der Finanzierung ab 2020 weitergeh[e] und verzöger[ten] deshalb den Baubeginn oder stell[ten] die Planungen gleich ganz ein. Die Liste der Bau- und Modernisierungsmaßnahmen, die heute schon nicht mehr umgesetzt [würden], [werde] länger und länger“.540 Gerade in Verdichtungsräumen ist es jedoch erforderlich, wichtige Aus- und Neubauvorhaben bei Stadt- und U-Bahn-Systemen mit den GVFG-Bundesmitteln zu finanzieren, da dadurch maßgeblich zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des ÖPNV beigetragen wird.541 Diese Maßnahmen sind zudem meist erforderlich, um die ÖPNV-Systeme der teilweise stark gestiegenen Nachfrage anzupassen.542 Infolge eines „Nachfragebooms“ der öffentlichen Verkehrsmittel in den deutschen Großstädten und Ballungsräumen stößt der ÖPNV nämlich bereits heute an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit, sodass weitere Infrastrukturinvestitionen dringend notwendig sind, um weitere Kapazitäten zu schaffen.543 Nachdem der Gesetzesentwurf des Bundesrates zur Fortführung des GVFG-Bundesprogramms vom 12. Juni 2013544 von der Bundesregierung abgelehnt wurde,545 wurde überraschend im September 2015 am Rande des Flüchtlingsgipfels eine Einigung über die Verlängerung der besagten Finanzmittel über das Jahr 2019 hinaus erzielt.546 „Mit der nun beschlossenen Verlängerung des GVFG geh[e] für die 534 BT-Drucks. 18/9433, S. 1; BT-Drucks. 17/12970, S. 1; vgl. auch die Presseinformation des VDV (Nr. 3/2014) vom 6. Februar 2014, S. 1; vgl. auch die Pressemitteilung des VDV BadenWürttemberg vom 28. September 2015, S. 1. 535 BT-Drucks. 18/9433, S. 1; vgl. auch die Pressemitteilung des VDV Baden-Württemberg vom 28. September 2015, S. 1. 536 BT-Drucks. 17/13970, S. 6; vgl. i. E. ähnlich BT-Drucks. 18/9433, S. 1. 537 BT-Drucks. 17/13970, S. 6; vgl. i. E. ähnlich BT-Drucks. 18/9433, S. 1. 538 BT-Drucks. 17/13970, S. 6. 539 BT-Drucks. 18/9433, S. 1; BT-Drucks. 17/13970, S. 1. 540 Presseinformation des VDV (Nr. 3/2014) vom 6. Februar 2014, S. 1. 541 BT-Drucks. 18/9433, S. 1; vgl. auch BT-Drucks. 17/13970, S. 6. 542 BT-Drucks. 18/9433, S. 1; i. E. ähnlich auch BT-Drucks. 17/13970, S. 6. 543 BT-Drucks. 18/9433, S. 1; i. E. ähnlich auch BT-Drucks. 17/13970, S. 6. 544 BT-Drucks. 17/13970. 545 BT-Drucks. 17/13970, S. 9. 546 Protokollauszug der Ministerpräsidentenkonferenz vom 3. Dezember 2015, S. 2; Pressemitteilung des VDV Baden-Württemberg vom 28. September 2015, S. 1; vgl. auch LT-Drucks. Bayern 17/11621, S. 1.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

Kommunen eine echte Hängepartie zu Ende. Viele wichtige ÖPNV-Vorhaben [bekämen] nun eine neue Finanzierungsperspektive“ erklärte Gudrun Heute-Bluhm, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg, es sei allerdings bedauerlich, „dass keine Erhöhung des seit Jahren stagnierenden Betrags erreicht werden konnte“.547 Im Rahmen der dauerhaften Fortführung des GVFG-Bundesprogramms soll der Finanzausgleich einfacher, transparenter und gerechter ausgestaltet werden.548 Demnach sollen die ostdeutschen Flächenländer weiterhin mit Zuweisungen in Höhe von mehr als zwei  Milliarden Euro unterstützt werden.549 Auch die Länder Saarland und Bremen sollen durch ergänzende finanzielle Hilfen insgesamt 800 Millionen Euro erhalten.550 Im Rahmen der Einigung wurde Nordrhein-Westfalen als Zahlerland551 eingestuft.552 Die bisherigen Zahlerländer – darunter auch Bayern – sollen im Ausgleichssystem Entlastungen in einer Größenordnung von zwei Milliarden Euro bekommen.553 Weiterhin sollen die westdeutschen Flächenländer erhebliche Leistungen durch zusätzliche Umsatzsteueranteile, durch eine Begrenzung der Förderabgabe bei der Berechnung der Finanzkraft und durch gesonderte Zuweisungen des Bundes erhalten.554 Zu beachten ist jedoch, dass mit der geplanten Grundgesetzänderung der Bundesregierung, die unter anderem auch eine Änderung des Art. 125c GG umfasst, zwar eine Fortführung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes über das Jahr 2019 hinaus verbunden ist, allerdings geht damit auch eine fixe Festsetzung der GVFG-Mittel von jährlich 330 Millionen Euro bis 2025 einher.555 Nach Aussage des VDV-Präsidenten Jürgen Fenske sei die geplante Versteinerung der Mittel für weitere acht Jahre vollkommen unverständlich. „Denn diese Mittel, die bereits seit 1997 [(!)] nicht erhöht wurden, [seien] maßgeblich für den Neu- und Ausbau des städtischen Nahverkehrs. Schon heute [sei] das GVFG-Bundesprogramm zwanzigfach überzeichnet. Wenn die Mittel nun für weitere acht Jahre eingefroren [würden], dann [würden] wichtige Ausbauprojekte im ÖPNV nicht realisiert. Das [sei] das Gegenteil der Verkehrswende“.556

547

Pressemitteilung des VDV Baden-Württemberg vom 28. September 2015, S. 1. Protokollauszug der Ministerpräsidentenkonferenz vom 3. Dezember 2015, S. 2. 549 Protokollauszug der Ministerpräsidentenkonferenz vom 3. Dezember 2015, S. 2. 550 Protokollauszug der Ministerpräsidentenkonferenz vom 3. Dezember 2015, S. 2. 551 Unter Zahlerländern versteht man im Kontext des Länderfinanzausgleichs diejenigen finanzstarken Bundesländer, die finanzschwache Empfängerländer durch die Zahlung von Ausgleichszahlungen unterstützen, http://www.haushaltssteuerung.de/lexikon-zahlerlaender.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 552 Protokollauszug der Ministerpräsidentenkonferenz vom 3. Dezember 2015, S. 2. 553 Protokollauszug der Ministerpräsidentenkonferenz vom 3. Dezember 2015, S. 2. 554 Protokollauszug der Ministerpräsidentenkonferenz vom 3. Dezember 2015, S. 2. 555 VDV Presseinformation Nr. 4, 2017 vom 25. Januar 2017. 556 VDV Presseinformation Nr. 4, 2017 vom 25. Januar 2017. 548

B. Schwächen der derzeitigen Finanzierungspraxis

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Trotz der Fortführung des GVFG-Bundesprogramms werden aufgrund des bestehenden Investitionsstaus Finanzmittel in erheblicher Höhe benötigt. Da jedoch keine Erhöhung der GVFG-Bundesmittel beschlossen wurde, kann bestenfalls von einer Wahrung des status quo gesprochen werden. Eine erhoffte und dringend benötigte Verbesserung der Finanzsituation im investiven Bereich blieb somit aus.

III. Keine gesicherte Folgeregelung für entfallende Entflechtungsmittel ab 2020 in Bayern Mit den Entflechtungsmitteln nach Art. 143c GG in Verbindung mit den Regelungen des Entflechtungsgesetzes leistet der Bund Kompensationszahlungen an die Länder für das Entfallen zuvor bestehender Finanzhilfen im Rahmen der Föderalismusreform im Jahr 2006.557 Diese Finanzhilfen werden jedoch gemäß Art. 143c Abs. 1 Satz 1 GG nur bis zum 31. Dezember 2019 bereitgestellt, sodass sich mittlerweile die Frage nach einer Folgeregelung stellt. Die Entflechtungsmittel wurden dazu verwendet, um wichtige Infrastrukturprojekte wie den Bau von Straßen, Brücken und Tunnel der Städte und Gemeinden zu finanzieren.558 Im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz am 3. Dezember 2015 in Bremen wurde neben der Fortführung des GVFG-Bundesprogramms auch das gänzliche Entfallen der Entflechtungsmittel ab 2020 vereinbart.559 Die bayerischen Kommunen sind allerdings auf die Mittel angewiesen, die bislang (noch) in Höhe von rund 196,1 Millionen Euro durch das Entflechtungsgesetz bereitgestellt werden.560 Einer Bedarfsermittlung zufolge wird sich die Höhe der benötigten Finanzmittel bis 2020 sogar auf 288 Millionen Euro jährlich erhöhen.561 Ein Antrag im Bayerischen Landtag für eine Folgeregelung für die 2020 entfallenden Entflechtungsmittel wurde im Juni 2016 zurückgestellt.562 Am 8. Februar 2017 wurde diesbezüglich zwar ein Dringlichkeitsantrag gestellt,563 allerdings sind konkrete Regelungen noch nicht in Sicht. Mit dieser unklaren Rechtslage geht nicht nur eine erhebliche Planungsunsicherheit564 für die Kommunen einher, sondern sie bringt auch schwerwiegende Konsequenzen für den ÖPNV mit sich. Die Entflechtungsmittel stellen einen wichtigen

557 Hellemann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 143c Rn. 1 f.; vgl. auch Kube, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 143c Vor Rn. 1; ähnlich auch Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 143c Rn. 1; Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. VII, Art. 143c Rn. 1. Vgl. dazu auch die Ausführungen unter Kapitel 3 A. II. 2. b) bb). 558 LT-Drucks. Bayern 17/11621, S. 1; Protokollauszug der Ministerpräsidentenkonferenz vom 3. Dezember 2015, S. 1. 559 LT-Drucks. Bayern 17/11621, S. 1; Protokollauszug der Ministerpräsidentenkonferenz vom 3. Dezember 2015, S. 1. 560 LT-Drucks. Bayern 17/11621, S. 1. 561 LT-Drucks. Bayern 17/11621, S. 1. 562 Ausschussprotokoll Nr. 51, S. 38 f. zur LT Drucks. Bayern 17/11621. 563 LT-Drucks. Bayern 17/15329, S. 1. 564 LT-Drucks. Bayern 17/11621, S. 1.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

Bestandteil der Infrastrukturinvestitionen im ÖPNV dar.565 Es ist daher unumgänglich, dass dieses drohende Defizit schnellstmöglich behoben wird.

IV. Unklare Rechtslage beim kommunalen Querverbund und Energiewende Auch die Finanzmittel, die den Aufgabenträgern in Form von Steuerersparnissen aus der Bildung von kommunalen Querverbünden zukommen, können keinesfalls als gesichert angesehen werden. Dies ist vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen. Zum einen besteht mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung eine gewisse Rechtsunsicherheit in Bezug auf die beihilferechtliche Zulässigkeit der gesetzlichen Kodifikation des kommunalen Querverbunds566, zum anderen ist in Zusammenhang mit der Energiewende mit einem gravierenden Rückgang der Gewinne im Energiesektor567 zu rechnen.568 „Die Energiesysteme befinden sich global in einem tiefen Umbruch“,569 mit dem auch eine starke Belastung des Geschäfts der deutschen Strom- und Gasversorger einhergeht.570 Einer Analyse des größten deutschen Stadtwerke-Verbundes Thüga ist zu entnehmen, dass mit einer Reduzierung des gesamten Profit-Pools um 21 Prozent bis zum Jahr 2024 zu rechnen ist.571 Konkret bedeutet dies, dass sich der Vorsteuergewinn (sog. EBIT572) aller Marktteilnehmer bis 2024 von 19,8 Milliarden Euro auf 15,6 Milliarden Euro verringern wird.573 Besonders „niederschmetternd“574 ist dabei die Prognose für den Energiehandel.575 565

Vgl. dazu ausführlich unter Kapitel 3 A. II. 2. b) bb). Vgl. zur beihilferechtlichen Zulässigkeit des kommunalen Querverbunds die Ausführungen unter Kapitel 3 A. II. 1. b) bb). 567 Wetzel, Stadtwerke erwarten Zusammenbruch des Stromhandels, Die Welt ONLINE, abrufbar unter: https://www.welt.de/156303797 (letzter Abruf: 31. Januar 2018); Maaß/Waluga, Verkehr und Technik 2014, 397, 397; Maaß/Waluga, Verkehr und Technik 2016, 27, 27. 568 Thüga-Geschäftsbericht 2015, S. 37 f.; vgl. auch Wetzel, Stadtwerke erwarten Zusammenbruch des Stromhandels, Die Welt ONLINE, abrufbar unter: https://www.welt.de/156303797 (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 569 BDEW, Delphi Energy Future 2040, S. 3. 570 Wetzel, Stadtwerke erwarten Zusammenbruch des Stromhandels, Die Welt ONLINE, abrufbar unter: https://www.welt.de/156303797 (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 571 Thüga-Geschäftsbericht 2015, S. 37; vgl. auch Wetzel, Stadtwerke erwarten Zusammenbruch des Stromhandels, Die Welt ONLINE, abrufbar unter: https://www.welt.de/156303797 (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 572 Abkürzung für „Earnings before Interests and Taxes“, vgl. dazu Coenenberg/Haller/ Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, S. 1049. 573 Thüga-Geschäftsbericht 2015, S. 37; Pressemitteilung der Thüga AG vom 27. Juni 2016, S. 1; vgl. auch Wetzel, Stadtwerke erwarten Zusammenbruch des Stromhandels, Die Welt ONLINE, abrufbar unter: https://www.welt.de/156303797 (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 574 Wetzel, Stadtwerke erwarten Zusammenbruch des Stromhandels, Die Welt ONLINE, abrufbar unter: https://www.welt.de/156303797 (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 575 Thüga-Geschäftsbericht 2015, S. 38; vgl. auch Wetzel, Stadtwerke erwarten Zusammenbruch des Stromhandels, Die Welt ONLINE, abrufbar unter: https://www.welt.de/156303797 (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 566

B. Schwächen der derzeitigen Finanzierungspraxis

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Nach Erwartung der Experten werden rund 75 Prozent des EBIT aus dem Jahr 2011 bis zum Jahr 2024 verloren gehen.576 In Zahlen ist damit ein Rückgang von 2,8 auf 0,7  Milliarden Euro verbunden.577 Da die Steuervorteile aus dem kommunalen Querverbund größtenteils aus den Gewinnen der Versorgungssparten – vor allem aus der Energieversorgung – resultieren578, muss damit gerechnet werden, dass – langfristig gesehen – die zu erwartenden Finanzmittel deutlich zurückgehen werden.

V. Fazit Im internationalen Vergleich kommt dem ÖPNV in Deutschland – sowohl in Ballungsräumen als auch in ländlichen Gebieten – ein herausragender Standard zu.579 Aus einer Untersuchung zum Finanzierungsbedarf des ÖPNV bis zum Jahr 2025 ergibt sich, dass der konsumtive Finanzierungsbedarf, der sich aus der Differenz von Betriebskosten und Nettoerlösen ergibt580, einen Anstieg um 6,8 Milliarden Euro bis zum Jahr 2025 zu verzeichnen haben wird.581 Darüber hinaus werden turnusmäßige Reinvestitionen in Fahrwege und Bahnhöfe der U-Bahnen, Stadt- und Straßenbahnen jährliche Kosten in Höhe von 550 Millionen Euro verursachen.582 Werden diese Reinvestitionen nicht getätigt, wird es zu einem weiteren Anstieg der Defizite der Unternehmen oder – schlimmstenfalls – sogar zu einer Stilllegung der betroffenen Anlagen kommen.583 Auch wenn die Verkehrsunternehmen bestrebt sind, den Kofinanzierungsbedarf durch die öffentliche Hand auf einem Minimallevel zu halten, indem sie ihre Fahrgelderträge steigern und versuchen, ihre Kosten zu senken, wird die Sicherstellung eines angemessenen ÖPNV-Angebots auch in der Zukunft nicht ohne öffentliche Kofinanzierung möglich sein.584 Dies ist unter anderem auf hohe Infrastrukturkosten zurückzuführen.585 576 Thüga-Geschäftsbericht 2015, S. 38; vgl. auch Wetzel, Stadtwerke erwarten Zusammenbruch des Stromhandels, Die Welt ONLINE, abrufbar unter: https://www.welt.de/156303797 (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 577 Thüga-Geschäftsbericht 2015, S. 38. 578 Metz, in: Kolks, Verkehrswesen in der kommunalen Praxis II, S. 365 Rn. 586; vgl. auch Lehr, Beihilfen zur Gewährleistung des ÖPNV, S.  92 ff.; Knauff, Der Gewährleistungsstaat, S. 465. 579 VDV, Finanzierungsbedarf des ÖPNV bis 2025, S. 4. 580 VDV, Finanzierungsbedarf des ÖPNV bis 2025, S. 14. 581 VDV, Finanzierungsbedarf des ÖPNV bis 2025, S. 6 und S. 42. 582 Geht man davon aus, dass tatsächlich verausgabte Reinvestitionsmittel in Höhe von 220 Millionen Euro jährlich zur Verfügung stehen (Preisstand 2008), so verbleibt eine Finanzierungslücke von 330 Millionen Euro pro Jahr. Die Untersuchung kommt dadurch zu einem Gesamtreinvestitionsnachholbedarf von 2,35 Milliarden Euro. Angesichts des Preisstandes von 2008 ist davon ausgehen, dass sich dieser Betrag bis zum heutigen Stand noch weiter erhöht haben dürfte. VDV, Finanzierungsbedarf des ÖPNV bis 2025, S. 6 und S. 28. 583 VDV, Positionspapier April 2016, Zukunftsfähige ÖPNV-Finanzierung, S. 12. 584 VDV, Finanzierungsbedarf des ÖPNV bis 2025, S. 8. 585 VDV, Finanzierungsbedarf des ÖPNV bis 2025, S. 8.

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Kap. 3: Finanzierung des ÖPNV und alternative Reformüberlegungen 

Angesichts der dargestellten Problemstellungen wird deutlich, dass das derzeitige Finanzierungssystem in dieser Form auf Dauer nicht mehr tragbar sein wird. Aufgrund der angedeuteten Entwicklungen wird es erforderlich sein, die Finanzierung des ÖPNV einer grundlegenden Reform zu unterziehen, um weiterhin eine angemessene Verkehrsbedienung der Bevölkerung durch den ÖPNV zu sichern.

Kapitel 4

„Nulltarife“ im ÖPNV A. „Nulltarife“ im ÖPNV zu Werbezwecken Nulltarife im ÖPNV werden häufig zu Werbezwecken genutzt, um neue Kunden für den Nahverkehr zu begeistern.1 Dabei sollen den Menschen die Vorteile des ÖPNV aufgezeigt und „erlebbar“ gemacht werden.2 Obwohl die entgeltlose Ausgabe von Fahrberechtigungen im Rahmen dieser Werbemaßnahmen mit kurzfristigen Einnahmeausfällen verbunden ist, werden in der Nahverkehrsbranche derartige „Schnupper-Angebote“ häufiger durchgeführt, da solche Aktionen mittel- und langfristig einen wichtigen Beitrag zur Kundengewinnung und -bindung leisten.3

I. „Tübingen macht blau“ Im Rahmen der Aktion „Blaue Samstage“, die zwischen September und Weihnachten 2009 stattfand und Teil der städtischen Klimaschutzkampagne „Tübingen macht blau“ war, wurde allen Einwohnern Tübingens zunächst die kostenlose Nutzung des ÖPNV aller Verkehrsunternehmen vor Ort ermöglicht, ab Ende November beschränkte sich dieses Angebot dann nur noch auf den städtischen Busverkehr der Tübinger Stadtwerke.4 Dahinter steckte vor allem das Ziel, mit der Kampagne all diejenigen Personen anzusprechen, die den ÖPNV zuvor nicht nutzten, um ihnen das attraktive Nahverkehrsangebot der Stadt näherzubringen.5 Finanziert wurde diese Aktion durch vermehrte Einnahmen in der Innenstadt und die zusätzlichen Fahrgäste an den Wochentagen.6 1

Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 24; vgl. auch Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 62. 2 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 24. 3 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 24. 4 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 3; vgl. auch Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 24; vgl. auch ZAK3, „TüBus umsonst! Das Grundrecht auf Mobilität in Zeiten von Krise und Klimawandel“, S. 4; vgl. auch Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 62. 5 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 3. 6 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen. S. 3.

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Kap. 4: „Nulltarife“ im ÖPNV 

II. Autofreie Sonntage In zahlreichen Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden autofreie Sonntage durchgeführt, in denen der ÖPNV kostenlos genutzt werden konnte.7 In Hamburg wurden diese als Teil des Senatskonzepts „Klimaschutz Hamburg 2007 bis 2012“ umgesetzt.8 Obwohl an den autofreien Sonntagen zum Teil eine Fahrgastzunahme um bis zu fünfzig Prozent erreicht werden konnte, wurde die Aktion mittlerweile eingestellt, da die Zahl der teilnehmenden Autofahrer nicht ausreichte, um das Ziel einer CO2-Reduktion zu erreichen.9 Aus diesem Grund seien die erheblichen Kosten in Höhe von rund 375.000 Euro nicht länger zu rechtfertigen.10 In Bremen wird seit 2009 einmal im Jahr ein autofreier Sonntag in Kooperation mit einem ÖPNV-Nulltarif veranstaltet.11 Dazu wird die Innenstadt für Autofahrer gesperrt und der ÖPNV in Bremen, Niedersachsen und dem niedersächsischen Umland kann kostenlos genutzt werden.12 Im Rahmen dieser Aktion, bei der auch eine ADFC-Fahrradtour in der Innenstadt veranstaltet wird und zahlreiche Stände und Aktionsflächen Informationen zu ÖPNV, Car-Sharing oder umweltschonende Antriebe bereitstellen, soll den Bürgern gezeigt werden, dass umweltfreundliche Mobilität und Klimaschutz auch Freude bereiten können.13 Im Jahr 2015 konnten rund 20.000 Menschen bei dem Aktionstag begrüßt werden.14

III. Führerscheintausch gegen kostenloses ÖPNV-Ticket Als weitere Variante eines „Nulltarifs“ im ÖPNV kann die Tauschaktion „Führerschein gegen kostenloses ÖPNV-Ticket“ angeführt werden, die bereits von zahlreichen Kommunen oder Verkehrsunternehmen veranstaltet wurde, um gezielt die Nutzergruppe der Autofahrer für das Angebot des ÖPNV zu begeistern.15

7 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 3; vgl. auch Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 62. 8 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 3; vgl. auch Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 24. Zu den autofreien Sonntagen in Hamburg vgl. auch die Informationen auf der Homepage des Vereins Harburg 21 unter http://www.harburg21.de/de/schwerpunkte/mobilitaet/ autofreie-sonntage/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 9 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 3. 10 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 3. 11 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 4; vgl. auch Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 24. Nähere Informationen zum autofreien Sonntag in Bremen gibt es auch unter http:// www. autofreibremen.de/archiv/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 12 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 4. 13 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 4. 14 Buschmann, „Für mehr Leben auf der Straße“, Die Norddeutsche, 21. September 2015, S. 32; vgl. auch http://www.autofreibremen.de/archiv/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018).

A. „Nulltarife“ im ÖPNV zu Werbezwecken

141

In Hamburg diente eine Führerschein-Tauschaktion zur Ergänzung der autofreien Sonntage16. Wer in diesem Rahmen an einem bestimmten Tag seinen Führerschein abgab, erhielt im Gegenzug eine kostenlose HVV-Monatsfahrkarte.17 Auch die Stadt Aachen entschloss sich dazu, eine derartige Tauschaktion durchzuführen.18 Hintergrund dafür war, dass Aachen zu den Städten in Deutschland gehörte, die öfter als 35 Mal im Jahr die EU-Luftwertgrenze überschritten hatten.19 Durch die Maßnahme versprach man sich, weitgehendere Schritte wie eine Innenstadtsperrung zu vermeiden – mit Erfolg.20 Mit der Aktion konnten sogar so viele Autofahrer zum Umsteigen auf den ÖPNV animiert werden, dass der Fahrpreis der Aachener Verkehrsbetriebe für eine Fahrt in der Innenstadt dauerhaft um 40 Cent gesenkt werden konnte.21 15

Ähnlich erfolgreich verläuft auch die VHB-Führerschein-Abo-Aktion des Verkehrsverbundes Hegau-Bodensee und des Landkreises Konstanz.22 Dort erhalten Senioren, die freiwillig auf ihren Führerschein verzichten, ein kostenloses VHBJahresabo für alle Zonen des Landkreises im Wert von 795,00 Euro – einschließlich aller Abo-Funktionen, wie z. B. die kostenlose Mitnahme einer weiteren Person am Wochenende.23 Durch die Aktion möchte der Landkreis den älteren Verkehrsteilnehmern, die aus den verschiedensten Gründen den Anforderungen des Autoverkehrs nicht mehr vollständig gewachsen sind, den dauerhaften Verzicht auf ihren Führerschein – und gleichzeitig den Umstieg auf den ÖPNV – vereinfachen.24 Mittlerweile haben bereits über 1.500 Senioren dieses Angebot genutzt.25 Medial sehr präsent war auch eine viertägige Mobilitätsaktion in Leipzig, bei der der Kfz-Schein als Fahrtberechtigung für den ÖPNV im Stadtgebiet benutzt werden konnte.26 Dabei konnte durch Stichproben ermittelt werden, dass 19 Prozent der Fahrgäste dieses Angebot annahmen und an diesen Tagen ihren Kfz-Schein 15

VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 4; vgl. auch Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 25. 16 Näheres zu den autofreien Sonntagen unter Kapitel 4 A. II. 17 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 4. 18 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 4. 19 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 4. 20 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 4. 21 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 4. 22 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 4. 23 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 4; vgl. auch die Pressemitteilung des Landkreises Konstanz Nr. 5/2011 unter http://www.lrakn.de/pb/,L de/985185.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 24 Pressemitteilung des Landkreises Konstanz Nr. 5/2011, abrufbar unter http://www.lrakn. de/pb/,L de/985185.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 25 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 4; vgl. auch die Pressemitteilung des Landkreises Konstanz Nr. 5/2011, abrufbar unter: http://www. lrakn.de/pb/,Lde/985185.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 26 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 25; vgl. auch Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 63.

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Kap. 4: „Nulltarife“ im ÖPNV 

für die Fahrt mit dem ÖPNV verwendeten.27 Dieses Ergebnis ist – trotz eines möglichen Kannibalisierungseffekts28 – als aussagekräftiger einzuschätzen als bei „gewöhnlichen“ Tauschaktionen, da es den Fahrgästen offenstand, sich selbstbestimmt zwischen dem Auto und der Nutzung des ÖPNV zu entscheiden, wobei davon auszugehen ist, dass beide Verkehrsmittel gleichwertig zur Verfügung standen.29 Die Mobilitätsaktion wurde durch eine Postwurfsendung ergänzt, die Werbung für ein vergünstigtes 3-Monats-Abonnement der ÖPNV-Betriebe enthielt.30 Da rund 560 Personen zu dem Abschluss eines solchen Abonnements überzeugt werden konnten, wurde die Aktion von den Verkehrsbetrieben als erfolgreich eingestuft.31

IV. Das Kölner PatenTicket Von der Kölner-Verkehrsbetriebe (KVB) AG wurde zusammen mit dem Fachgebiet Verkehrswesen und Verkehrsplanung der TU Dortmund und bkforschung – Büro für Forschung und Beratung in Frankfurt am Main ein Pilotprojekt zur Kundengewinnung im ÖPNV durchgeführt, bei dem der Fokus auf die Zielgruppe 60+ gelegt wurde.32 Das sog. PatenTicket wurde als Marketing-Instrument konzipiert, bei dem rund 100 ÖPNV-Stammkunden der KVB AG, die bereits Inhaber eines Aktiv60Tickets waren, eine zusätzliche Drei-Monats-Zeitkarte kostenlos erhielten, um diese an Freunde oder Bekannte aus der Zielgruppe 60+ weiterzugeben, die bislang Nicht- oder Seltennutzer des Kölner ÖPNV waren.33 Dadurch sollte ein Beitrag zur multimodalen Verkehrsmittelnutzung Älterer in Köln geleistet werden, 27 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 25; vgl. auch Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 63. 28 Bei den Stichproben wurde nicht dazwischen differenziert, welche Fahrgäste ihre Einzelund Mehrfachkarten durch den Kfz-Schein ersetzten, sodass nicht bestimmt werden kann, wie groß die Prozentzahl der tatsächlich neu gewonnenen Fahrgäste war, vgl. dazu Maaß/Waluga/ Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 25 Fn. 48. 29 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 25. 30 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 25; vgl. auch Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 63. 31 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 25; vgl. auch Middelberg/Nebe, Der Nahverkehr 2012, 8, 8 f. 32 Toepsch/Kasper/Schubert, Nahverkehrs-praxis 2009, 19, 19; Holz-Rau/Kapser/Schubert, Der Nahverkehr 2009, 29, 29; vgl. auch Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 25; VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 4. 33 Toepsch/Kasper/Schubert, Nahverkehrs-praxis 2009, 19, 19; Holz-Rau/Kasper/Schubert, Der Nahverkehr  2009, 29, 29; Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser Nahverkehr in Berlin, S. 25; vgl. auch VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 4; vgl. auch Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 63.

A. „Nulltarife“ im ÖPNV zu Werbezwecken

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indem es ÖPNV-unerfahrenen älteren Menschen ermöglicht wird, von älteren Zeitkartenabonnenten den Umgang mit dem ÖPNV zu erlernen.34 Da die „Paten“ selbst zu der Nutzergruppe über 60 Jahren zählen, können sie auf einen altersgerechten Erfahrungsschatz zurückgreifen und den „Patenkindern“ ein zielgruppenspezifisches Know-how und angemessene Bewältigungsstrategien bei Unsicherheit in Verbindung mit der ÖPNV-Nutzung vermitteln.35 Mit diesem Konzept wird auf die Erkenntnis aufgebaut, „dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel gelernt werden will, so wie Radfahren und Autofahren auch“.36 Der rechtzeitige Umstieg auf den ÖPNV, dessen regelmäßige bzw. häufigere Nutzung sowie Freude an der dadurch gewonnenen Bequemlichkeit und Unabhängigkeit können nur durch einen Lernprozess erreicht werden, der mit einem klaren Perspektivwechsel verbunden ist.37 Die Ergebnisse des Pilotprojekts übertrafen die Erwartungen der Leiter zu Projektbeginn.38 Es gaben rund 50 Prozent der „Patenkinder“ in einer standardisierten Befragung direkt nach der dreimonatigen Fahrzeit an, dass sie beabsichtigten, in den nächsten zwölf Monaten ein Aktiv60Ticket zu erwerben, wobei der größere Anteil dieser Kaufinteressenten (fast) ständig Zugang zu einem Auto hatten.39 Noch während der dreimonatigen Testphase wurden bereits von rund 30 Prozent der Patenkinder Aktiv60Tickets abonniert.40 Daneben waren auch weitere Ticketkäufe wie Monatstickets und Schneeballeffekte wie der Erwerb von Aktiv60Tickets durch Angehörige oder Freunde der „Patenkinder“ zu beobachten.41 Zudem gab auch die Hälfte derer, die (noch) kein Jahresabonnement abgeschlossen haben, an, den ÖPNV künftig häufiger nutzen zu wollen.42

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Holz-Rau/Kasper/Schubert, Der Nahverkehr 2009, 29, 29; vgl. auch Toepsch/Kasper/Schubert, Nahverkehrs-praxis 2009, 19, 19; ähnlich auch Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 25; vgl. auch das VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 4 f. 35 Holz-Rau/Kasper/Schubert, Der Nahverkehr 2009, 29, 29; vgl. auch Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 25; vgl. auch Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 63. 36 Toepsch/Kasper/Schubert, Nahverkehrs-praxis 2009, 19, 19. 37 Toepsch/Kapser/Schubert, Nahverkehrs-praxis 2009, 19, 19; vgl. auch Holz-Rau/Kasper/ Schubert, Der Nahverkehr 2009, 29, 30. 38 Holz-Rau/Kasper/Schubert, Der Nahverkehr 2009, 29, 32; vgl. auch Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 25. 39 Holz-Rau/Kasper/Schubert, Der Nahverkehr 2009, 29, 32; Toepsch/Kasper/Schubert, Nahverkehrs-praxis 2009, 19, 21; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 63. 40 Holz-Rau/Kasper/Schubert, Der Nahverkehr 2009, 29, 32; Toepsch/Kasper/Schubert, Nahverkehrs-praxis 2009, 19, 21; vgl. auch Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 25. 41 Holz-Rau/Kasper/Schubert, Der Nahverkehr 2009, 29, 32; Toepsch/Kasper/Schubert, Nahverkehrs-praxis 2009, 19, 21. 42 Holz-Rau/Kasper/Schubert, Der Nahverkehr 2009, 29, 32; Toepsch/Kasper/Schubert, Nahverkehrs-praxis 2009, 19, 21.

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Kap. 4: „Nulltarife“ im ÖPNV 

B. Steuerfinanzierte Nulltarife im In- und Ausland I. Fahrscheinfreier Stadtverkehr Templin In der brandenburgischen Stadt Templin wurde Mitte Dezember 1997 – zunächst auf einen Zeitraum von zwei Jahren beschränkt – ein fahrscheinfreies Stadtbus­ system auf Probe eingeführt.43 Hintergrund dafür war einerseits das im Verhältnis zur Stadtgröße hohe Verkehrsaufkommen von circa 90 Prozent und der Kfz-Anteil von rund 17.000 Fahrzeugen pro Tag im historischen Stadtkern.44 Andererseits wurde das ÖPNV-Angebot der Stadt, das aus mehreren Regional- und vier Stadtbuslinien bestand, von der Bevölkerung kaum angenommen, was sich durch niedrige Fahrgastzahlen (41.000 Fahrgäste pro Jahr) belegen ließ.45 Der Kostendeckungsgrad durch den Fahrscheinverkauf lag daher lediglich bei 14 Prozent.46 Teil des Projekts war eine breit angelegte Marketingkampagne, im Rahmen derer die Öffentlichkeit mit Faltblättern zu den Fahrplänen und dem Liniennetz informiert wurde.47 Zudem erhielt der Stadtbus zur besseren Identifikation ein eigenes Logo und einen eigenen Namen.48 Die wohl wichtigste Änderung lag jedoch in der Optimierung des ÖPNV: Unter anderem wurde die Linienführung geändert, die 43 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S.  21; DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 14; VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif  – Möglichkeiten und Grenzen, S.  9; Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 29; Hofmann, „Fahrscheinfreier Stadtbusverkehr“ in Templin, S. 6; Storchmann, Wirtschaftsdienst 2001, 651, 655. 44 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 9; vgl. auch Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 21; Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV. S. 21; Hofmann, „Fahrscheinfreier Stadtbusverkehr“ in Templin, S. 3; siehe dazu auch den (unveröffentlichten) Leitfaden „Fahrscheinfreier Stadtverkehr“ der Stadt Templin, S. 4, abrufbar unter: http://www.attac-netzwerk.de/fileadmin/user_upload/Gruppen/Halle/Info/ Templin%20-%20kostenloser%20ÖPNV%2 0Zuarbeit.pdf (letzter Abruf: 31. Januar 2018); vgl. auch Storchmann, Wirtschaftsdienst 2001, 651, 655. 45 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 9; vgl. auch Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 21; Hofmann, „Fahrscheinfreier Stadtbusverkehr“ in Templin, S. 4; siehe dazu auch den (unveröffentlichten) Leitfaden „Fahrscheinfreier Stadtverkehr“ der Stadt Templin, S. 4, abrufbar unter: http://www.attacnetzwerk.de/fileadmin/ user_upload/Gruppen/Halle/Info/Templin%20-%20kostenloser%20ÖPNV-%20Zuarbeit.pdf (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 46 Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 21; VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif  – Möglichkeiten und Grenzen, S.  9; vgl. auch Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 29, die von einem ähnlichen Kostendeckungsgrad in Höhe von 15 Prozent ausgehen. So auch Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 67. 47 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 21; vgl. auch Hofmann, „Fahrscheinfreier Stadtbusverkehr“ in Templin, S. 8 f. 48 Es wurde der Slogan „Templin macht TempO“ geprägt. Künftig sollte TempO als Kürzel für den Templiner Stadtbus verwendet werden, um auch „die Intention einer beweglichen Stadt auf allen Ebenen“ zu signalisieren, vgl. Hofmann, „Fahrscheinfreier Stadtbusverkehr“ in Templin, S. 8; Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 21.

B. Steuerfinanzierte Nulltarife im In- und Ausland

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Haltestellenanzahl wurde von 27 auf 42 gesteigert und es erfolgte eine Modifizierung der Bedienzeiten nach den Kundenpotentialen.49 Auf den Hauptästen des Netzes war eine Taktung von 30 Minuten vorgesehen, wodurch eine Steigerung der Betriebsleistung von 102.000 auf 117.000 Fahrzeug-km erreicht werden konnte.50 Finanziert wurde die Einführung des Nulltarifs durch Erhebung einer Kurtaxe, die teilweise Heranziehung der Parkgebühren und Sponsoring.51 Durch die Einführung eines fahrscheinfreien öffentlichen Verkehrs konnten erhebliche Auswirkungen auf die Fahrgastzahlen beobachtet werden.52 Zwischen 1997 (41.000 Fahrgäste) und 2001 (613.000 Fahrgäste)  konnte ein dauerhafter, massiver Anstieg des ÖPNVFahrgastaufkommens beobachtet werden.53 Im Rahmen einer Untersuchung wurde festgestellt, dass rund 50 Prozent aller Fahrgäste den ÖPNV zuvor nicht genutzt hatten und daher als Neukunden einzustufen waren.54 Auch innerhalb der Gruppe der Bestandskunden konnte beobachtet werden, dass etwa die Hälfte den ÖPNV häufiger nutzte als vor Einführung des Nulltarifs.55 Es kann davon ausgegangen werden, dass zwischen 10 und 25 Prozent dieser Fahrten ansonsten mit dem Auto getätigt worden wären.56 Zu beachten sind jedoch auch negative Effekte wie Verlagerungseffekte des Rad- (30 bis 45  Prozent) und Fußverkehrs (35 bis 50  Pro-

49 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 21; VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 9; vgl. auch eine genaue Aufstellung der Verbesserungen bei Hofmann, „Fahrscheinfreier Stadtbusverkehr“ in Templin, S. 8. 50 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 21; vgl. auch Hofmann, „Fahrscheinfreier Stadtbusverkehr“ in Templin, S. 8. 51 Hofmann, „Fahrscheinfreier Stadtbusverkehr“ in Templin, S. 7; ähnlich auch Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 22; Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 21; vgl. auch Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 29; DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 14. 52 Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 22; vgl. auch Hofmann, „Fahrscheinfreier Stadtbusverkehr“ in Templin, S. 10; Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 21; vgl. auch Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 29 f.; DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nah­ verkehr, S. 14. 53 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 30; vgl. auch Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 23, die von einer Erhöhung der Fahrgastzahlen um das 15-fache sprechen. Ähnlich auch Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV. S. 21 f.; Hofmann, „Fahrscheinfreier Stadtbusverkehr“ in Templin, S. 10; vgl. auch Storchmann, Wirtschaftsdienst 2001, 651, 655. 54 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 30; vgl. auch Hofmann, „Fahrscheinfreier Stadtbusverkehr“ in Templin, S. 10; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 67. 55 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 30; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 67. 56 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 30; vgl. auch Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 23; Storchmann, Wirtschaftsdienst 2001, 651, 655.

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Kap. 4: „Nulltarife“ im ÖPNV 

zent).57 Durch die Einführung des fahrscheinfreien Stadtbusverkehrs konnte eine deutliche Veränderung des Verkehrswahlmittelverhaltens erreicht werden.58 Da mit diesen positiven Entwicklungen jedoch auch eine Steigerung der finan­ ziellen Zuschüsse der Stadt für den ÖPNV verbunden war, die die selbst auferlegte Finanzierungsgrenze überschritt, wurde das Templiner Nahverkehrssystem im Jahr 2003 wieder auf eine Nutzerfinanzierung umgestellt.59 Gegen den Erwerb einer Kurstadt Jahreskarte zum Preis von 29 Euro – der seit dem Jahr 2007 auf 44 Euro erhöht wurde – kann der ÖPNV von den Templinern jedoch weiterhin ganz­jährig genutzt werden.60 In diesem Zusammenhang sanken die Fahrgastzahlen auf 288.000 (2007) und 320.000 (2008) ab.61 Trotz dieser rückläufigen Entwicklung wird der ÖPNV jedoch immer noch um ein Vielfaches häufiger genutzt, als dies vor der Einführung des fahrscheinfreien Stadtbusverkehrs der Fall war.62

II. Lübben Die brandenburgische Kleinstadt Lübben liegt südlich von Berlin und ist mit ihren rund 15.000 Einwohnern in etwa so groß wie Templin.63 Seit dem Jahr 1994 verfügt Lübben über eine Stadtbuslinie, deren Betrieb und Finanzierung zunächst durch den Landkreis Dahme-Spreewald über eine kreiseigene regionale Verkehrsgesellschaft erfolgte.64 Ab dem Jahr 1996 entschloss sich der Landkreis DahmeSpreewald jedoch dazu, die Stadt Lübben am Ausgleich für die Defizite für die 57 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 30; vgl. auch Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 23; ähnlich auch Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 67; Storchmann, Wirtschaftsdienst 2001, 651, 655. 58 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 30. 59 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S.  30; ähnlich auch Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S.  22; Hofmann, „Fahrscheinfreier Stadtbusverkehr“ in Templin, S. 13; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 67; vgl. auch DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 14. 60 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 30; Hofmann, „Fahrscheinfreier Stadtbusverkehr“ in Templin, S. 13; vgl. auch Gehrke/ Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, die jedoch fälschlicherweise von einer Beitragsfinanzierung ausgehen. 61 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 30 f. 62 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S.  68; Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 23. 63 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10; Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 22; vgl. auch Schweig, in: Petra-Kelly-Stiftung, Mobilität nach Maß, 36, 38. 64 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 22; vgl. auch VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10.

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Stadtbuslinie zu beteiligten.65 Begründet wurde dies damit, dass ausschließlich die Stadt Lübben von der Stadtbuslinie profitiere.66 Im nächsten Jahr zog sich der Landkreis schließlich vollständig aus der Finanzierung zurück, wodurch die Fahrten von 51.500 km pro Jahr auf 23.532 km reduziert wurden.67 Da bald sogar die Einstellung der Stadtbuslinie im Raum stand, traf der Bürgermeister zusammen mit vielen Stadtverordneten eine Entscheidung: Die Linie sollte nicht nur erhalten, sondern auch attraktiver gestaltet werden.68 Durch die Einführung einer kostenlosen Nutzung des Stadtbusses versprach man sich überwiegend positive Verlagerungseffekte vom MIV zum ÖPNV.69 Damit sollte nicht nur das erhebliche Verkehrsaufkommen, das durch drei Bundesstraßen bedingt wurde, reduziert werden, sondern es sollte auch eine Imageverbesserung der Stadt Lübben im Hinblick auf die Bewerbung als Erholungsort erreicht werden.70 Ab Januar 1998 stand der Stadtbus kostenlos zur Verfügung.71 Die Kosten für dieses Angebot wurden von der Stadt Lübben entsprechend der Fahrscheinabrechnung der Verkehrsgesellschaft getragen.72 Trotz eines zunächst „regen Zuspruchs“ konnte die Attraktivität des Angebots hinsichtlich einer Taktfolge von 60 bis 90 Minuten nicht ausreichend gesteigert werden.73 Ab Mai 1998 wurde daher zumindest eine Taktverdichtung auf (fast) 60 Minuten durch die Einführung von vier zusätzlichen Fahrten täglich erreicht.74 Zudem wurde ein Linienast zur Anbindung einer Reha-Klinik wieder befahren, nachdem dieser 1997 eingestellt worden war.75 Dadurch konnte in der Folgezeit die Anzahl der Fahrgäste von 21.000 (1996) auf 83.000 (2001) gesteigert werden.76 Allerdings konnte auch in Lübben der Nulltarif aufgrund einer knapper werdenden Haushaltskasse nicht beibehalten werden, sodass die Finanzierung der Stadtbuslinie im Jahr 65 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 22; vgl. auch VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10. 66 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 22; vgl. auch VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10. 67 Kalbow, Wirkungssanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 22; ähnlich auch VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10. 68 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 22; ähnlich auch VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10. 69 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 22. 70 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 22 f.; vgl. auch VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10. 71 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 23; VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10. 72 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 23; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 69. 73 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 23. 74 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 23; vgl. auch VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10. 75 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 23; vgl. auch VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10. 76 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 69; siehe auch Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 23; vgl. auch VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10, das von einem Anstieg der Fahrgastzahlen um fast das Fünffache ausgeht.

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Kap. 4: „Nulltarife“ im ÖPNV 

2002 wieder auf eine Nutzerfinanzierung umgestellt wurde.77 Daraufhin nahmen im Jahr 2002 die Fahrgastzahlen spürbar ab, zunächst auf 31.000 Fahrgäste; durch eine leichte Erhöhung des Fahrpreises auf 0,60 Euro sanken die Fahrgastzahlen weiter auf nur noch 23.000.78

III. Tallinn Im Jahr 2013 erlangte die estnische Hauptstadt durch die Einführung eines fahrscheinfreien Nahverkehrs mediale Aufmerksamkeit.79 Aufgrund eines rückläufigen Anteils des ÖPNV am Modal Split80 in den vergangenen Jahren, einer stetigen Zunahme des Autoverkehrs und eines Kostendeckungsgrads von lediglich 30 Prozent, wurden in Tallinn alternative Vorschläge zur Stärkung des kommunalen Nahverkehrs geprüft.81 Da sich im Rahmen einer 2012 durchgeführten Bürgerbefragung rund drei Viertel der 430.000 Bürger für die Einführung eines kostenlosen Nahverkehrs aussprachen, wurde nach langer Diskussion schließlich der Nulltarif für die Einwohner Tallinns eingeführt.82 Zusätzlich dazu fand eine Ausweitung des Nahverkehrsangebots statt, Vorrangschaltungen bei Verkehrsampeln wurden eingeführt und zusätzliche Busspuren wurden geschaffen.83 Bezweckt wurde damit, „die Finanzierung des ÖPNV auf eine verlässlichere Basis zu stellen, den Mittelfluss zu verstetigen, die Nutzung zu vereinfachen und die Zugangshürde „Tarifniveau“ für die eigenen Einwohner im Rahmen ihres Vertriebs- und Tarifkonzepts zu eliminieren“.84 Weiterhin wurden auch umweltpolitische und fiskalische Ziele 77

Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 69; VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10. 78 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 69. 79 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 31; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 68. 80 Unter Modal Split versteht man die „Verkehrsträger- bzw. Verkehrsmittelanteile an der Befriedigung der Gesamtnachfrage nach bestimmten Verkehrsdiensten“, Springer Gabler Verlag (Hrsg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Modal Split, online abrufbar unter: http://wirt schaftslexikon.gabler.de/Archiv/78671/modal-split-v10.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 81 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 31; vgl. auch Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 68. 82 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 31; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 68; ähnlich auch Bracher/Gies/Schlünder/Warnecke, Finanzierung des ÖPNV durch Beiträge, S. 29; Seiler, Akzeptanz von einwohnerbezogenen Nahverkehrsabgaben zur Finanzierung des ÖPNV, S. 24; DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Verkehr, S. 17; Laiksoo, Economic and social results of the first year of Tallinn Free Public Transport, S. 5; Cats/Reimal/Susilo, Public Transport Pricing Policy, in: Transportation Research Record Journal of the Transportation Research Board 2014, 89, 91. 83 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 68; vgl. auch Laiksoo, Economic and social results of the first year of Tallinn Free Public Transport, S. 6. 84 Bracher/Gies/Schlünder/Warnecke, Finanzierung des ÖPNV durch Beiträge, S.  29; ­Laiksoo, Economic and social results of the first year of Tallinn Free Public Transport, S. 4.

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verfolgt.85 Um den kostenlosen ÖPNV nutzen zu können, wird eine kontaktlose Chipkarte – die sog. „green card“86 – benötigt, die gegen eine geringe Bearbeitungsgebühr von 2 Euro an die Einwohner Tallinns ausgegeben wird.87 Zudem können estnische Schüler, Studenten, Rentner, Behinderte und Eltern von Kleinkindern gratis fahren.88 Touristen und Auswärtige können entweder auch eine Chipkarte nutzen (1,10 Euro pro Fahrt) oder sich eine „klassische“ Papierfahrkarte zum Preis von 1,60 Euro kaufen.89 Kompensiert werden sollen die durch den Nulltarif entstehenden Mindereinnahmen in Höhe von rund 12 Millionen Euro durch höhere staatliche Zuweisungen, die man sich als Folge einer Zunahme der Einwohnerzahlen verspricht.90 Aufgrund des guten Arbeitsplatzangebots in Tallinn lebten bislang zwar viele Menschen dort, allerdings waren viele nicht dort gemeldet.91 Dadurch, dass die kostenlose Nutzung des ÖPNV nur für Einwohner Tallinns gilt, verlegten rund 13.000 Menschen ihren Hauptwohnsitz nach Tallinn.92 Nach Aussagen der Stadt ist mit 1.000 neuen Einwohnern ein höheres Steueraufkommen von einer Million Euro verbunden,93 sodass sich das neu eingeführte Modell der kostenlosen ÖPNV- Nutzung – wie von den Verantwortlichen erhofft – grundsätzlich selbst trägt.94 Durch den Nulltarif konnte das Stauaufkommen um 15 Prozent

85

Laiksoo, Economic and social results of the first year of Tallinn Free Public Transport, S. 4. http://www.tallinn.ee/eng/freepublictransport/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 87 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S.  68; Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 31; DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Verkehr, S. 17; vgl. allgemein auch Cats/Reimal/Susilo, Public Transport Pricing Policy, in: Transportation Research Record Journal of the Transportation Research Board 2014, 89, 91. 88 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 68. 89 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 31; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 68; ähnlich auch DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 17; vgl. allgemein dazu auch Cats/Reimal/Susilo, Public Transport Pricing Policy, in: Transportation Research Record Journal of the Transportation Research Board 2014, 89, 91. 90 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 68 f.; Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 31; ähnlich auch Bracher/Gies/Schlünder/Warnecke, Finanzierung des ÖPNV durch Beiträge, S. 29. 91 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 31. 92 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 31; Laiksoo, Economic and social results of the first year of Tallinn Free Public Transport, S. 7; ähnlich auch Cats/Reimal/Susilo, Public Transport Pricing Policy, in: Transportation Research Record Journal of the Transportation Research Board 2014, 89, 96; vgl. Auch die Informationen auf der offiziellen Homepage unter http://www.tallinn.ee/eng/freepublictransport/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 93 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 31; Laiksoo, Economic and social results of the first year of Tallinn Free Public Transport, S.  7; vgl. auch Cats/Reimal/Susilo, Public Transport Pricing Policy, in: Transportation ­Research Record Journal of the Transportation Research Board 2014, 89, 96. 94 Bracher/Gies/Schlünder/Warnecke, Finanzierung des ÖPNV durch Beiträge, S. 29. 86

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Kap. 4: „Nulltarife“ im ÖPNV 

gesenkt werden und die Nutzung des ÖPNV um 12,6 Prozent gesteigert werden.95 Zudem konnte eine Verringerung der Autonutzung innerhalb der Stadt Tallinn von 9 Prozent erreicht werden, wobei es jedoch auch zu einem leichten Rückgang von Fußgängern und Radfahrern kam.96 Nach offiziellen Angaben der Stadt Tallinn, die auf das erste Quartal nach der Einführung des Nulltarifs bezogen sind, nahm die Nutzung des ÖPNV um 10 bis 20 Prozent zu, wobei dabei rund 8 Prozent den ÖPNV bislang nicht genutzt hatten.97 Einer Studie der Technischen Hochschule zufolge sind die verkehrlichen Effekte allerdings als ernüchternd einzuschätzen: Beim Fahrgastaufkommen konnte lediglich ein Anstieg von 3 Prozent erreicht werden.98 Dabei sollen lediglich 1,2 Prozent der neu gewonnenen Nutzer den ÖPNV aufgrund des Nulltarifs nutzen, während die verbleibenden Neu-Nutzer auf das verbesserte Busangebot zurückzuführen sind.99 Als mögliche Ursache dafür kann unter anderem angeführt werden, dass die Fahrpreise vor der Einführung des Nulltarifs vergleichsweise gering waren und einige Nutzergruppen bereits von Befreiungen profitierten.100 Zudem lag der Anteil der Nutzung des ÖPNV – im Vergleich zu den genannten anderen Beispielsstädten – mit rund 40 Prozent bereits relativ hoch.101 Insgesamt kann jedoch positiv hervorgehoben werden, dass durch den Nulltarif ein Impuls für die lokale Wirtschaft gesetzt werden und die Mobilität von ärmeren Bevölkerungsschichten innerhalb der Stadt verbessert werden konnte.102

95

Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 69; vgl. auch Laiksoo, Economic and social results of the first year of Tallinn Free Public Transport, S. 8; dem folgend auch Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 31. 96 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 69. 97 Laiksoo, Economic and social results of the first year of Tallinn Free Public Transport, S. 8; Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 31. 98 Cats/Reimal/Susilo, Public Transport Pricing Policy, in: Transportation Research Record Journal of the Transportation Research Board 2014, 89, 95; dem folgend Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 31. 99 Cats/Reimal/Susilo, Public Transport Pricing Policy, in: Transportation Research Record Journal of the Transportation Research Board 2014, 89, 95; dem folgend Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 31. 100 Cats/Reimal/Susilo, Public Transport Pricing Policy, in: Transportation Research Record Journal of the Transportation Research Board 2014, 89, 95. 101 Cats/Reimal/Susilo, Public Transport Pricing Policy, Transportation Research Record Journal of the Transportation Research Board 2014, 89, 95. 102 Cats/Reimal/Susilo, Public Transport Pricing Policy, in: Transportation Research Record Journal of the Transportation Research Board 2014, 89, 95 f.; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 69.

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IV. Hasselt Als prominentestes Beispiel für einen steuerfinanzierten Nulltarif im ÖPNV kann wohl die belgische Stadt Hasselt angeführt werden.103 Diese ist mit rund 70.000 Einwohnern fast viermal so groß wie die bereits thematisierten Städte Templin und Lübben.104 Obwohl die Stadtkultur von Hasselt auch vom Tourismus geprägt ist, kommt der Universitätsstadt große Bedeutung in Bezug auf Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft zu.105 Gerade aufgrund seiner Attraktivität war Hasselt stets bei Pendlern beliebt.106 Die gut ausgebaute Straßeninfrastruktur zog jedoch nicht nur ein sehr hohes MIV-Aufkommen nach sich, sondern auch ein erheblicher Lärmpegel und hohe Unfallzahlen waren die Folge.107 Dies bescherte Hasselt den Ruf, die verkehrsgefährlichste Stadt in Limburg zu sein.108 Zwischen den Jahren 1997 und 2013 wurde auf Initiative des damaligen Bürgermeisters, der den stark zunehmenden PKW-Verkehr zum Anlass für ein radikales Umdenken in der kommunalen Verkehrspolitik nahm, die kostenfreie Nutzung aller mit „H“ gekennzeichneten Busse im Stadtverkehr eingeführt.109 Statt dem Bau einer dritten Ringstraße wurde mit einem Mobilitätsabkommen zwischen der Region Flandern, dem Verkehrsunternehmen „De Lijn“ und der Stadt Hasselt eine Trendwende eingeläutet, die eine Abkehr vom MIV und einen Ausbau des ÖPNV vorsah.110 Daraufhin 103

VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10; Maaß/ Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 28; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 65; ähnlich auch Gramm/Pesch, Kostenlose Nutzung des ÖPNV, S. 9. 104 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 24; VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10; Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S.  28; vgl. auch Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 15; vgl. auch Gramm/Pesch, Kostenlose Nutzung des ÖPNV, S. 8. 105 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 24; ähnlich auch das VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10. 106 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 24; VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10. 107 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 24; VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10; ähnlich auch Gramm/Pesch, Kostenlose Nutzung des ÖPNV, S. 10. 108 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 24. 109 Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 28; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 65; vgl. auch Seiler, Akzeptanz von einwohnerbezogenen Nahverkehrsabgaben zur Finanzierung des ÖPNV, S. 24; ebenso Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 17; Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 24; DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 14.; vgl. auch Gramm/Pesch, Kostenlose Nutzung des ÖPNV, S. 10. 110 Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 24; VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10; vgl. auch Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 28; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 65; vgl. auch Schweig, in: Petra-KellyStiftung, Mobilität nach Maß, 36, 39.

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Kap. 4: „Nulltarife“ im ÖPNV 

fand eine vollständige Umgestaltung und Erweiterung des Stadtbusnetzes statt und auch die Bedienfrequenz und die Angebotsdauer wurden verbessert.111 Parallel dazu erfolgte eine weitgehende Sperrung der Innenstadt für den PKW-Verkehr und die Parkgebühren112 der wenigen verbleibenden Parkplätze wurden erhöht.113 Zudem wurde eine mehrspurige Straße in einen fußgänger- und fahrradfreundlichen grünen Boulevard umgebaut.114 Zeitgleich wurde das neue ÖPNV-Konzept von einer umfangreichen PR-Kampagne beworben.115 Insgesamt stieß der neue „Nulltarif“ auf Zustimmung in der Bevölkerung, da diese sowohl die restriktiven Maßnahmen der Stadt als auch die erhebliche Verteuerung der Parkgebühren mittrug.116 Die Ergebnisse dieses Umdenkens in der Verkehrspolitik sind sehr positiv einzuschätzen: Es war ein Anstieg des ÖPNV-Fahrgastaufkommens zwischen 1997 (0,36 Millionen), 2000 (3,2 Millionen) und 2007 (4,6 Millionen) um das Dreizehnfache zu beobachten.117 Gleichzeitig fand ein starker Rückgang des PKW-Verkehrsaufkommens in der Innenstadt statt, wobei jedoch gleichzeitig die Anzahl der Stadtbesucher um 30 Prozent anstieg.118 Dabei muss jedoch auch beachtet werden, dass den Einwohnern aufgrund der weitgehenden Verbote und Einschränkungen des MIV nur wenige Alternativen zur ÖPNV-Nutzung zur Verfügung standen.119 Dementsprechend kann der Erfolg der Trendwende in Hasselt nicht allein auf den Ausbau des ÖPNV oder den Nulltarif zurückgeführt werden.120 Vielmehr basiert 111

Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 24; VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 10; Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S.  28; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 65; vgl. auch Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 17; ähnlich auch DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Verkehr, S. 14 f.; Gramm/Pesch, Kostenlose Nutzung des ÖPNV, S. 12 f. 112 Während sich die Parkgebühren für eine Stunde noch lediglich auf einen Euro belaufen, kostet das Parken für einen halben Tag bereits zehn Euro, vgl. dazu Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 17. 113 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S.  65; Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 28; Gehrke/ Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 17; VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 11; Gramm/Pesch, Kostenlose Nutzung des ÖPNV, S. 12. 114 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S.  65; Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 28; Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 25. 115 VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 11. 116 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 65. 117 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 28; vgl. auch VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 11; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 66; Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 18; Gramm/Pesch, Kostenlose Nutzung des ÖPNV, S. 11; vgl. auch Storchmann, Wirtschaftsdienst 2001, 651, 652. 118 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 28; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 66. 119 Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S.  18; ähnlich auch Gramm/Pesch, Kostenlose Nutzung des ÖPNV, S. 15. 120 Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 18.

B. Steuerfinanzierte Nulltarife im In- und Ausland

153

dieser auf einer Kombination aus den geschaffenen Anreizen und dem damit einhergehenden „Zwang“ zur ÖPNV-Nutzung.121 Zu bedenken ist dabei jedoch auch, dass das angestiegene ÖPNV-Fahrgastaufkommen nicht ausschließlich auf dem Umstieg vom PKW auf den ÖPNV basiert.122 Einer Untersuchung zufolge, wird rund ein Drittel des Verkehrsaufkommens auf bisherige Nutzer des ÖPNV zurückgeführt, ein weiteres Drittel wird mit einer häufigeren Nutzung der Busse in Verbindung gebracht und lediglich das letzte Drittel soll auf einer Verkehrsverlagerung beruhen.123 Davon gaben jedoch rund 19 Prozent an, dass sie vor dem ÖPNV-Nulltarif das Fahrrad benutzt hätten und rund 14 Prozent wären zu Fuß gegangen.124 Insgesamt kann somit davon ausgegangen werden, dass 32 Prozent der Nutzer vom nicht motorisierten Individualverkehr auf den ÖPNV umgestiegen sind.125 Demgegenüber entschieden sich „nur“ 23 Prozent der Nutzer für einen Wechsel vom MIV zum ÖPNV.126 Insgesamt wurden durch die Einführung des Nulltarifs in Hasselt viele neue Fahrten mit dem ÖPNV generiert, die ansonsten nicht getätigt worden wären.127 Bedauerlicherweise fand jedoch eine stärkere Verkehrsverlagerung vom Fuß- und Radverkehr statt, als dies beabsichtigt war.128 Dennoch kann eine positive Bilanz gezogen werden, da das PKWVerkehrsaufkommen in der Innenstadt stark gesenkt werden konnte.129 Weiterhin wirkte sich die Einführung des kostenfreien ÖPNV nicht nur auf das Mobilitätsverhalten der Stadtbewohner aus: Hasselt ist zusammen mit Leuven nun als eine der Städte mit der höchsten Lebensqualität in der Region Flandern einzustufen.130 121 Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S.  18; Gramm/Pesch, Kostenlose Nutzung des ÖPNV, S. 15. 122 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 29; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 66; Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 18. 123 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 29; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 66. 124 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S.  29; Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 18; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 66; vgl. auch Kalbow, Wirkungsanalyse des Nulltarifs im ÖPNV, S. 25. 125 Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 18. 126 Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 18. 127 Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 18. 128 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S.  29; Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 18 f.; VCD Hintergrundpapier: ÖPNV zum Nulltarif – Möglichkeiten und Grenzen, S. 11; ähnlich auch Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S.  67, der jedoch davon ausgeht, dass das konkrete Verkehrskonzept in Hasselt der Grund für die Verkehrsverlagerung war und man nicht davon ausgehen könne, dass ein „Nulltarif per se viele Fußgänger und Radfahrer zur ÖPNVNutzung verleite“. 129 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 29; ähnlich auch Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 18. 130 Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S.  19; Gramm/Pesch, Kostenlose Nutzung des ÖPNV, S. 17.

154

Kap. 4: „Nulltarife“ im ÖPNV 

Zudem konnte Hasselt zur viertwichtigsten Einkaufsstadt in Belgien aufsteigen.131 Die Einführung des Nulltarifs wirkte sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt aus: Während zuvor nur rund 1.000 Menschen in der Innenstadt arbeiteten, sind es heute über 3.000.132 Trotz der positiven Effekte fand der ÖPNV-Nulltarif 2013 ein Ende und musste in einen zum Teil zahlungspflichtigen nutzungsabhängigen Nahverkehr überführt werden.133 Zurückzuführen war dies unter anderem auf das Auslaufen des Verkehrsvertrags zwischen der Stadt und dem Verkehrsunternehmen, womit eine erhebliche Preissteigerung für die Zukunft verbunden gewesen wäre.134 Hinzu kam, dass die Stadt Hasselt im Rahmen einer in Belgien durchgeführten Finanzreform weniger Zuweisungen erhielt, sodass weniger Haushaltsmittel zur Verfügung standen.135 Heute kostet die Benutzung des ÖPNV für 19–65-Jährige 0,60 Euro je Fahrt.136 Hinzu kommt ein einmaliger Pauschalbetrag von 6 Euro für die Ausstellung des Hasseltpass.137 Für Hasselter Bürger mit Behinderung, sowie Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren und Senioren über 65 Jahren ist die Nutzung des ÖPNV weiterhin kostenfrei möglich.138 Dennoch kann die Einführung des ÖPNV-Nulltarifs in Hasselt als Erfolgsmodell bezeichnet werden.139 Es hat gezeigt, dass der kostenlose öffentliche Verkehr mehr als ein bloßes Verkehrskonzept darstellt, sondern auch als politisches Instrument dienen kann, „das in einer angespannten städtebaulichen, ökonomischen und finanziellen Situation eine aussichtsreiche Alternative bieten kann“.140

131 Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV. S.  19; Gramm/Pesch, Kostenlose Nutzung des ÖPNV, S. 17. 132 Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S.  19; Gramm/Pesch, Kostenlose Nutzung des ÖPNV, S. 17. 133 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 66; vgl. auch Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 19; Maaß/Waluga/Weyland, Grundlagen und Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser Nahverkehr in Berlin, S. 30; vgl. auch Seiler, Akzeptanz von einwohnerbezogenen Nahverkehrsabgaben zur Finanzierung des ÖPNV, S. 24. 134 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser Nahverkehr in Berlin, S. 30; Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S. 66. 135 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S.  66; Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 30. 136 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S.  66 Fn.  180; Seiler, Akzeptanz von einwohnerbezogenen Nahverkehrsabgaben zur Finanzierung des ÖPNV, S. 24; Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 19; DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentliche Nahverkehr, S. 15. 137 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S.  66 Fn. 180. 138 Waluga, Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket, S.  66 Fn. 180; DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 15. 139 Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 19. 140 Gehrke/Groß, Fahrscheinfrei im ÖPNV, S. 19.

B. Steuerfinanzierte Nulltarife im In- und Ausland

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V. Schlussfolgerungen zum Nulltarif im ÖPNV Die Wirkungen der besagten Nulltarifkonzepte können in keinem Fall vollständig auf die Nicht-Erhebung von Fahrgeldern beschränkt werden, da stets mit der Einführung des Nulltarifs die Umsetzung weiterer verkehrswirksamer Maßnahmen einherging.141 So wurde meist einerseits das ÖPNV-Angebot – zum Beispiel durch eine dichtere Taktung und verbesserte Linienführung – massiv ausgeweitet, während andererseits die Möglichkeit der PKW-Nutzung eingeschränkt wurde, etwa durch intensivierte Parkraumbewirtschaftung oder einen Rückbau der Straßen.142 Aus diesen Gründen ist es nicht möglich, den exakten Nettoeffekt, der ausschließlich auf der kostenlosen Beförderungsmöglichkeit beruht, zweifelsfrei zu bestimmen.143 Für den Erfolg des Konzepts spricht der starke Anstieg der Fahrgastzahlen.144 Auch, wenn dieser zum Teil auf unerwünschten Verkehrsverlagerungen vom emissionsfreien Fuß- und Radverkehr auf den ÖPNV beruht, kann daraus geschlossen werden, dass der fahrscheinfreie Nahverkehr sehr häufig zum Anlass genommen wurde, um den ÖPNV zu nutzen und auszuprobieren.145 Dennoch kann von einer Nachfragesteigerung von 20 bis 30 Prozent ausgegangen werden.146 Insgesamt kann durchaus ein positives Fazit gezogen werden. Auch wenn nicht alle Ziele verwirklicht werden konnten und auch unerwünschte Verlagerungswirkungen nicht ausblieben, können aus diesen Ergebnissen nützliche Schlussfolgerungen gezogen werden. Man kann beobachten, dass Menschen mit den richtigen Anreizen durchaus zu einer stärkeren Nutzung des ÖPNV animiert werden können. Daraus lässt sich ableiten, dass allein die Einführung eines Nulltarifs nicht ausreichend ist, um verstärkt positive Verlagerungseffekte vom PKW zum ÖPNV zu erreichen. Allerdings ist zu erwarten, dass durch die Kombination dieses Konzepts mit finanziellen Anreizen – wie beispielsweise der Erhebung einer ÖPNV-Abgabe – und einer Verbesserung des ÖPNV-Angebots signifikante Ergebnisse erzielt werden können.

141

Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 32. Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 32. 143 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 32. 144 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 33. 145 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 33, sprechen sogar von einer „Initialzündung“. 146 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 34. 142

Kapitel 5

Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“ A. Politische Reformüberlegungen zur Finanzierung des ÖPNV Die momentane Finanzierung des ÖPNV kann aufgrund der genannten strukturellen, politischen und demographischen Faktoren künftig nicht aufrechterhalten werden. Um weiterhin einen funktionierenden ÖPNV gewährleisten zu können, müssen Reformen im Bereich der Finanzierung des ÖPNV angestrengt werden. Im Rahmen dieser Reformüberlegungen wird auch eine Umlagefinanzierung des ÖPNV in verschiedenen Ausprägungen diskutiert. Diesbezüglich wird vor allem aus dem linken politischen Spektrum die Einführung einer „ÖPNV Flatrate für alle“ gefordert.1

I. „Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr“ der Linken Die Bundestagsfraktion der Linken verfolgt die Idee eines „Nulltarifs im öffentlichen Nahverkehr“.2 Gemeint ist damit ein Konzept, das allen Menschen – egal ob Gemeindeeinwohnern oder Gästen – die uneingeschränkte Nutzung des ÖPNV ohne Fahrschein oder andere Formen der zu erwerbenden oder zu beantragenden Zugangsberechtigung ermöglichen soll.3 Zur Umsetzung soll ein „Finanzierungsmix aus wiederkehrendem ÖPNV-Erschließungsbeitrag, beitragsfinanziertem Bürgerticket und Gäste-Abgabe“ dienen.4 1. Erhebung eines wiederkehrenden „ÖPNV-Erschließungsbeitrags“ Ein Ansatz zur Reform der Finanzierung des ÖPNV wird von der Linken in der Erhebung eines wiederkehrenden „ÖPNV-Erschließungsbeitrags“ gesehen.5 Dabei wird aufgegriffen, dass Kommunen oftmals die Kosten für die Erschließung von Grundstücken mit Straßen oder anderen Versorgungseinrichtungen auf die Eigentümer umlegen, woraus der Ansatz entwickelt wurde, dass auch für die Kosten der 1

Leidig, Disput 9/2014, 12, 12. DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 3. 3 DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 3. 4 DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 43. 5 DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 43. 2

A. Politische Reformüberlegungen zur Finanzierung des ÖPNV 

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Erschließung eines Grundstücks mit Leistungen des ÖPNV eine dementsprechende Abgabe eingeführt werden könnte.6 Diskutiert wird in diesem Rahmen sowohl eine grundstücksbezogene Beitragserhebung als auch eine Beitragserhebung „pro Kopf“, da mit der ÖPNV-Erschließung nicht nur eine wertsteigernde Wirkung für die Grundstückseigentümer erzielt werde, sondern damit auch ein Mobilitätsvorteil für die Anwohner einhergehe.7 2. Einführung eines beitragsfinanzierten „Bürgertickets“ Weiterhin schlägt die Linke die Einführung eines beitragsfinanzierten „Bürgertickets“ vor, um die bisherige Finanzierungssituation des ÖPNV zu verbessern und zu reformieren. Dahinter steht der Grundgedanke, dass von allen Bürgern einer Gemeinde eine Abgabe für den ÖPNV erhoben wird.8 Im Gegenzug dafür sollen den Gemeindeeinwohnern Jahrestickets zur Verfügung gestellt bzw. die fahrscheinlose Nutzung des ÖPNV ermöglicht werden.9 Erste Bestrebungen zur Einführung einer solchen „ÖPNV-Flatrate für alle“ gibt es seitens der Linken unter anderem in Berlin.10 Das sog. „Berlin-Ticket“ würde – nach einer ersten Modellrechnung – rund 30 Euro11 kosten und von allen Einwohnern der Bundeshauptstadt bezogen werden.12 Dadurch lägen die Kosten für die Nutzung des ÖPNV deutlich unter den bisherigen Ticketpreisen, die derzeit für das gesamte Stadtgebiet Berlins – inklusive des Umlandes – 100,50 Euro pro Monat betragen.13 Weiterhin wäre es möglich, Investitionen für die Instandhaltung des bestehenden Angebots zu tätigen und Bauvorhaben zur Verdichtung des bestehenden Angebots anzustreben.14 6 DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 43; vgl. auch Maaß/Weyland, Kommunale Finanzierungsinstrumente des ÖPNV, S. 2. 7 DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 43; vgl. auch Maaß/Weyland, Kommunale Finanzierungsinstrumente des ÖPNV, S. 2. 8 DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 44; vgl. auch Leidig, Disput 9/2014, 12, 12; vgl. ebenso Heine, Tagesspiegel 30. Mai 2015, Parteitag in Berlin, abrufbar unter: http://www.tagesspiegel.de/berlin/parteitag-in-berlin-linke-stimmtfuer-flatrate-fuer-bus-und-bahn/11847742.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 9 DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 44; vgl. auch Leidig, Disput 9/2014, 12, 12; ebenso Heine, Tagesspiegel 30. Mai 2015, Parteitag in Berlin, abrufbar unter: http://www.tagesspiegel.de/berlin/parteitag-in-berlin-linke-stimmt-fuerflatrate-fuer-bus-und-bahn/11847742.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 10 Leidig, Disput 9/2014, 12, 12. 11 Inwiefern dieser Betrag realistisch ist, kann nicht abschließend geklärt werden. Nach einer von der Piratenpartei in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie des Hamburg Instituts vom Juni 2015 wäre jedoch – unter Berücksichtigung von reduzierten Beiträgen für bestimmte Einwohnergruppen – ein Betrag von mindestens 50 Euro zu leisten. 12 Benn, Öffi-Flatrate, in: extraDrei, Ausgabe September 2015, abrufbar unter: http://www. die-linke-pankow.de/nc/politik/nachrichten/detail/zurueck/ausgabe-september-2015/artikel/ oeffi-flatrate/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 13 Vgl. dazu die Informationen auf der Internetpräsenz der Berliner Verkehrsbetriebe unter https://shop.bvg.de/index.php/tickets (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 14 Leidig, Disput 9/2014, 12, 12.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

3. Einführung einer sog. „Gästeabgabe“ Der „Finanzierungsmix“ der Linken soll durch die Einführung einer sog. „Gästeabgabe“ abgerundet werden.15 Gemeint ist damit eine Abwandlung der bereits bestehenden Kurtaxe, die in ihrer Grundform ausschließlich von Fremdenverkehrsgemeinden erhoben werden kann, in eine allgemeine Gästeabgabe für Gemeinden, die ein hinreichendes Gästeaufkommen zu verzeichnen haben.16

II. „Fahrscheinloser ÖPNV“ der Piratenpartei Die Piratenpartei verfolgt mit ihrem „fahrscheinlosen ÖPNV“ eine solidarische Umlagefinanzierung des ÖPNV.17 Dahinter steht die Idee, dass für die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel künftig keine Fahrausweise mehr benötigt werden sollen.18 Stattdessen soll die bisherige Nutzerfinanzierung des ÖPNV durch eine Haushaltsabgabe ersetzt werden.19 Dadurch soll der Zugang zum ÖPNV deutlich vereinfacht und ausgebaut werden.20 Langfristig soll dies durch eine Verbesserung des bestehenden Angebots durch zusätzliche Verbindungen, dichtere Taktzeiten, schnellere Busverbindungen, kürzere Umstiegszeiten und mehr Personal für die Fahrgastbetreuung erreicht werden.21 Weiterhin wird auch die Einbeziehung von Nutznießern des ÖPNV  – wie Arbeitgeber und Einzelhändler, aber auch Übernachtungs- und Veranstaltungsgäste – mit in Betracht gezogen, wodurch die ÖPNVFinanzierung zugleich gerechter ausgestaltet werden soll.22 Gleichzeitig soll mit dem „fahrscheinlosen ÖPNV“ ein „Recht auf Mobilität für alle“ verwirklicht werden.23 In der von der Piratenpartei in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie des Hamburg Instituts soll ein tragfähiges Finanzierungskonzept vorgelegt werden, mit dem ein sozialverträglicher, solidarisch finanzierter Nahverkehr in Berlin erreicht werden soll.24 Vorgeschlagen wird ein dreistufiges Modell, in dem für rund 15

DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 44. DIE LINKE. im Bundestag, Plan B Konkret: Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr, S. 44. 17 Baum, in: Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 5; vgl. auch das Positionspapier der Piratenpartei Solingen zum fahrscheinlosen Nahverkehr, S. 2. 18 Positionspapier der Piratenpartei Solingen zum fahrscheinlosen Nahverkehr, S. 2; vgl. auch Baum, in: Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 8. 19 Positionspapier der Piratenpartei Solingen zum fahrscheinlosen Nahverkehr, S. 2. 20 Baum, in: Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 8. 21 Baum, in: Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 8. 22 Baum, in: Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 8. 23 Baum, in: Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 9. 24 Baum, in: Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 9. 16

A. Politische Reformüberlegungen zur Finanzierung des ÖPNV 

159

ein Drittel der Berliner Bevölkerung eine erhebliche Ermäßigung der Mobilitätskosten vorgesehen wird.25 Dazu soll für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie für all diejenigen Bevölkerungsgruppen, die bislang auch unentgeltlich im Nahverkehr befördert wurden, eine Beitragszahlung vollständig entfallen. Von Studierenden, Auszubildenden, Empfängern von Transferleistungen nach ALG II, SGB XII und dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie Wohngeldempfängern soll nur ein ermäßigter Beitrag in Höhe von 15 Euro monatlich erhoben werden.26 Die verbleibenden Beitragszahler, die den vollen monatlichen Beitrag in Höhe von ca. 40 bis 50 Euro leisten müssen, sollen nicht nur von einem ungehinderten Zugang zu einem verbesserten ÖPNV profitieren, sondern werden auch finanziell entlastet, da der Beitrag deutlich unter dem günstigsten Monatsticket liegt.27

III. Fazit zu den politischen Reformüberlegungen Bei der Betrachtung dieser politischen Konzepte wird deutlich, dass sowohl die LINKE als auch die Piratenpartei eine grundlegende Reform des Finanzierungssystems des ÖPNV anstreben. Durch die gewonnenen Mehreinnahmen soll eine Verbesserung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des ÖPNV erreicht werden, wodurch auch dem staatlichen Daseinsvorsorgeauftrag Rechnung getragen werden soll. Der bessere Zugang der Bevölkerung zu Leistungen des ÖPNV soll jedoch auch zur Förderung sozialer Gerechtigkeit beitragen, da der ÖPNV Menschen mit geringem Einkommen, die aufgrund ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit nicht dazu in der Lage sind, ein eigenes Auto zu unterhalten, die Möglichkeit bietet, sich ungehindert und schnell innerhalb einer Stadt fortzubewegen. Auch Gesichtspunkte des Umweltschutzes werden verfolgt. Die konkrete Umsetzung der Finanzierungsreform des ÖPNV variiert jedoch je nach Partei. Während die Linkspartei vor allem ein kombiniertes System aus verschiedenen Maßnahmen vorschlägt (ÖPNV-Erschließungsbeitrag, Bürgerticket und Gäste-Abgabe), setzt die Piratenpartei vorwiegend auf eine solidarische Umlagefinanzierung des ÖPNV durch die Erhebung einer Abgabe. Eine Kombination aus ÖPNV-Erschließungsbeitrag und Bürgerticket erscheint jedoch als zu weitgehend, da die davon betroffenen Bürger dadurch sogar doppelt zur Finanzierung des ÖPNV in Anspruch genommen würden. Dies erscheint vor allem vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als auch vor dem Grundsatz der Belastungsgleichheit höchst problematisch. Aus diesem Grund soll der Fokus

25 Baum, in: Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 9. 26 Baum, in: Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 9. 27 Baum, in: Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 9.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

dieser Arbeit darauf liegen, ob und gegebenenfalls wie eine solidarische Umlagefinanzierung des ÖPNV in Form einer „ÖPNV-Abgabe“ juristisch umsetzbar ist.

B. Definition der „ÖPNV-Abgabe“ Um einen geeigneten Ansatzpunkt für die weitere rechtliche Beurteilung der Umsetzung der politischen Idee eines umlagefinanzierten ÖPNV zu finden, ist zunächst eine konkrete juristische Definition der „ÖPNV-Abgabe“ erforderlich. Bei der „ÖPNV-Abgabe“ würde es sich um eine wiederkehrende öffentlichrechtliche Abgabe handeln, die von den Aufgabenträgern des ÖPNV28 – den Landkreisen und kreisfreien Gemeinden – von den Kreisangehörigen29 zur Finanzierung des ÖPNV monatlich erhoben würde. Mit Bezahlung der Abgabe würden alle Kosten für die Nutzung des ÖPNV – unabhängig, ob eine solche erfolgt oder nicht – im Kreisgebiet als abgegolten anzusehen sein. Das bedeutet, dass für die Abgabenschuldner keine weiteren Kosten für die Inanspruchnahme von Personenbeförderungsleistungen des ÖPNV anfallen würden  – ihnen also diesbezüglich eine „unbegrenzte“ Nutzungsmöglichkeit eingeräumt würde. Als Legitimationsnachweis der Nutzungsberechtigung könnte entweder der Personalausweis dienen oder es könnten gesonderte Fahrtberechtigungsscheine an die Kreisangehörigen ausgegeben werden. Die durch die Abgabe generierten Finanzmittel flössen ausschließlich in die Finanzierung der Betriebs- und Investitionskosten des örtlichen ÖPNV. Durch diesen neu generierten Mittelfluss würden die Aufgabenträger nicht nur unabhängiger von den staatlichen Haushaltsentscheiden in Bezug auf den ÖPNV und dadurch freier in ihren Investitionsentscheidungen, sondern sie könnten die Mittel auch individuell zugeschnitten auf ihr Kreisgebiet verwenden, um so das Verkehrsnetz optimal auszubauen. Allerdings wäre der Aufgabenträger nicht daran gehindert, zusätzlich zur Kostendeckung weitere Ziele zu verfolgen.30 Neben dem Hauptzweck der Finanzierung des örtlichen ÖPNV könnten mit der „ÖPNV-Abgabe“ auch Lenkungszwecke des Umweltschutzes und der sozialen Gerechtigkeit verfolgt werden. Gerade aus umweltpolitischen Gründen wäre eine Verringerung des Anteils des MIV am Modal Split dringend geboten. Durch die Zurverfügungstellung einer unbegrenzten Nutzungsmöglichkeit des ÖPNV gegen Entrichtung der Abgabe würde auch ein finanzieller Anreiz für die Kreisangehörigen geschaffen, von der Nutzung des MIV auf den ÖPNV umzusteigen. 28

Ausführlich zur Aufgabenträgerschaft im ÖPNV siehe unter Kapitel 2 B. II. 1 b) cc) (2). Im Folgenden wird ausschließlich auf die Kreisangehörigen im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Satz 1 BayLKRO und das Kreisgebiet im Sinne von Art. 7 BayLKrO abgestellt. Für den Fall, dass eine kreisfreie Gemeinde als Aufgabenträger des ÖPNV einzustufen ist, gelten die Ausführungen entsprechend für die Gemeindeangehörigen im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayGO und das Gemeindegebiet im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Satz 2 BayGO. 30 BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1992, E 85, 337, 346. 29

C. Finanzverfassungsrechtliche Umsetzung der „ÖPNV-Abgabe“ 

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C. Finanzverfassungsrechtliche Umsetzung der „ÖPNV-Abgabe“ Für die Umsetzung einer solidarischen Umlagefinanzierung des ÖPNV muss zunächst ein geeignetes Rechtsinstitut zur Mittelgenerierung gefunden werden. Diesbezüglich kommen verschiedene öffentliche Abgabentypen in Betracht. Unter öffentlichen Abgaben versteht man die von einem Hoheitsträger kraft öffentlichen Rechts auferlegten Geldleistungspflichten, die dazu dienen, das Gemeinwesen mit Finanzkraft auszustatten.31 Darunter fallen unter anderem Steuern, Vorzugslasten (Gebühren und Beiträge)  und Sonderabgaben.32 Für die Abgrenzung zwischen diesen verschiedenen Abgabenarten ist nicht die Bezeichnung des Gesetzgebers maßgeblich, sondern es kommt allein auf den materiellen Gehalt der Abgabe an.33 Begründet wird dies damit, dass es „nicht in der Macht des Bundes- oder Landesgesetzgebers [stehe], einer Abgabe, die unter [den] Begriff der Steuer [falle], durch ausdrücklich gegenteilige Bestimmung, also durch ausdrückliche Einreihung in eine andere Abgabenkategorie, diese rechtliche Qualifikation zu nehmen und dadurch seine Zuständigkeit zu begründen. Ebensowenig [könne] es im Belieben des jeweiligen Gesetzgebungsorgans liegen, durch ausdrückliche Festlegung eine Steuer bindend in eine der in Art.  105 GG unterschiedenen Steuerarten einzu­ reihen, um dadurch die Kompetenz zu retten.“34

I. Übersicht über die verschiedenen Abgabenarten 1. Die Steuer a) Verfassungsrechtlicher Steuerbegriff Im Grundgesetz findet sich keine Legaldefinition des Steuerbegriffs.35 Da Art. 105 GG jedoch der Verteilung der Steuerkompetenzen dient, ist es erforderlich, 31

Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art.  105 Rn.  6; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 105 Rn. 10. 32 Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rn. 67; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 105 Rn. 10. 33 St. Rspr: BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1958, E 7, 244, 251 f.; Beschluss vom 16. Oktober 1962, E 14, 312, 319; Beschluss vom 12. Oktober 1978, E 49, 343, 353; Urteil vom 10. Dezember 1980, E 55, 274, 304 f.; Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 345; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 105 Rn. 10; Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rn. 67; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 70; Müller Kabisch, Umlagefinanzierung für den fahrscheinlosen ÖPNV, WD 4 – 3000 – 268/12, S. 6. 34 Wegeweisend: BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1958, E 7, 244, 252; dem folgend Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 70. 35 Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 105 Rn. 12; vgl. auch Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 105 Rn. 3, der davon spricht, dass der Steuerbegriff vom GG vorausgesetzt werde; ähnlich auch Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 3; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 105 Rn. 10; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 110.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

dass der Steuerbegriff eindeutig bestimmt werden kann und sich eine klare Abgrenzung der Steuern von anderen hoheitlichen Abgaben vollziehen lässt.36 Dem Begriff der Steuer näherte sich erstmals Otto Mayer an, der sie als „eine Geldzahlung, welche dem Untertanen durch die öffentliche Gewalt auferlegt wird schlechthin zur Vermehrung der Staatseinkünfte, aber nach einem allgemeinen Maßstabe“ bezeichnete.37 Zum ersten Mal legaldefiniert wurde der Steuerbegriff im Jahr 1919 in § 1 Abs. 1 RAO38: „Steuern sind im Sinne der Reichsabgabenordnung einmalige oder laufende Geldleitungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Zölle fallen darunter; nicht darunter fallen Gebühren für besondere Inanspruchnahme der Verwaltung und Beiträge (Vorzugslasten)“.39 Diesen einfachgesetzlichen Steuerbegriff des § 1 RAO von 1919 hat der Verfassungsgeber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts40 übernommen (sog. Rezeptionsargument41).42

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Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 105 Rn. 10. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, S. 316; vgl. auch Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 113; vgl. auch Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 10; vgl. dazu auch Waldhoff, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 116 Rn. 85; vgl. auch Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 3. 38 Reichsabgabenordnung, RGBl. 1919, S. 1993. 39 Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 3; vgl. auch Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, S. 316 Fn. 2; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 3. 40 BVerfG, Rechtsgutachten vom 16. Juni 1954, E 3, 407, 435; Urteil vom 20. Juli 1954, E 4, 7, 13 f.; Beschluss vom 4. Februar 1958, E 7, 244, 251 f.; Beschluss vom 9. März 1960, E 10, 372, 380 f.; Beschluss vom 15. Dezember 1970, E 29, 402, 408 f.; Beschluss vom 2. Oktober 1973, E 36, 66, 70; Beschluss vom 17. Juli 1974, E 38, 61, 79 f.; Beschluss vom 26. Mai 1976, E 42, 223, 228; Beschluss vom 12. Oktober 1978, E 49, 343, 353; Urteil vom 10. Dezember 1980, E 55, 274, 299; Beschluss vom 6. Dezember 1983, E 65, 325, 344; Urteil vom 6. November 1984, E 67, 256, 282. 41 „Wenn das Grundgesetz den Begriff ‚Steuer‘ verwendet, so ist davon auszugehen, da[ss] es ihn in diesem Sinne meint. Es kommt hinzu, da[ss] auch die Steuerrechtswissenschaft ‚Steuern‘ in dem gleichen Sinne versteht“, BVerfG, Gutachten vom 16. Juni 1954, E 3, 407, 435; vgl. dazu auch Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 14. Diese These vertiefte das BVerfG in seinem späteren Beschluss vom 4. Februar 1958: „Wenn das Grundgesetz den Begriff ‚Steuer‘ gebraucht, so mu[ss] davon ausgegangen werden, da[ss] es ihn in der Bedeutung meint, die er im deutschen Steuerrecht ausdrücklich erhalten hat. § 1 der Reichsabgabenordnung in der Fassung vom 22. Mai 1931 enthält eine Definition der Steuer, die gemäß § 8 AO für ‚alle Steuern des Reichs, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts‘ gilt. Diese seit Jahrzehnten eingebürgerte Begriffsbestimmung des gemeindeutschen Steuerrechts mu[ss] auch den Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes zugrundegelegt werden“, E 7, 244, 251; vgl. auch Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, S. 14. 42 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 10; a. A. Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 35. Vgl. zum verfassungsrechtlichen Begriff der Steuer auch BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 17; Beschluss vom 12. Oktober 1978, E 49, 343, 353; Urteil vom 20. April 2004, E 110, 274, 294; Beschluss vom 16. September 2009, E 124, 235, 37

C. Finanzverfassungsrechtliche Umsetzung der „ÖPNV-Abgabe“ 

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Der traditionelle Steuerbegriff der Reichsabgabenordnung wurde bei der Schaffung der Abgabenordnung inhaltlich unverändert übernommen.43 Kleinere Abweichungen im Wortlaut waren – mit einer Ausnahme – überwiegend redaktioneller Art.44 Da der Steuerbegriff nicht ausreichend dem Umstand Rechnung trug, „da[ss] die Steuer in der modernen Industriegesellschaft zwangsläufig auch zum zentralen Lenkungsinstrument aktiver staatlicher Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik geworden ist“45, wurde der Lenkungscharakter der Steuer durch den Gesetzgeber mit Anfügung des § 3 Abs. 1 2. HS AO46 betont.47 Damit wurde ausdrücklich klargestellt, dass in einer modernen Industriegesellschaft Steuern auch zum Zweck der Wirtschaftslenkung eingesetzt werden können.48 Demnach kann auch dann vom Vorliegen einer Steuer ausgegangen werden, wenn überwiegend Lenkungszwecke verfolgt werden und der Abgabe lediglich „Ertragsrelevanz“ zukommt.49 Insgesamt knüpft der verfassungsrechtliche Steuerbegriff somit zwar an das traditionelle Begriffsverständnis an, muss aber im „Funktionszusammenhang der bundesstaatlichen Finanzverfassung“ ausgelegt werden.50 Das bedeutet, dass der verfassungsrechtliche Steuerbegriff nicht vollständig mit dem in § 3 Abs.  1 AO legaldefinierten Begriff der Steuer übereinstimmt.51 Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass der einfachgesetzliche Steuerbegriff des § 3 Abs. 1 AO als wichtige Auslegungshilfe für die Bestimmung des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs heranzuziehen ist.52 Sofern sich aus der Finanzverfassung des Grundgesetzes allerdings keine Abweichungen im Vergleich zum Steuerbegriff der Abgabenordnung ergeben, ist eine synonyme Verwendung der beiden Begriffe denkbar.53 243; Beschluss vom 24. November 2009, E 124, 348, 364; BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 15; Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 167. 43 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 115. 44 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 115. 45 BVerfG, Urteil vom 6. November 1984, E 67, 256, 282; dem folgend Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 10; ähnlich auch Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 36. 46 Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1.  Oktober 2002 (BGBl.  I S. 3866; 2003 I S. 61), die zuletzt durch Art. 6 Absatz 32 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745) geändert worden ist. 47 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 10; vgl. auch Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 115; ähnlich auch Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 105 Rn. 13. 48 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 115. 49 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 115. 50 BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980, E 55, 274, 299; Urteil vom 6. November 1984, E  67, 256, 282; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn.  114; Waldhoff, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 116 Rn. 85; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 35. 51 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 114; vgl. im Ergebnis auch Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 105 Rn. 3. 52 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 114; Waldhoff, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 116 Rn. 85; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 37. 53 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 115; ähnlich auch Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 105 Rn. 12; vgl. i. E. ähnlich auch Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/ FGO, § 3 AO Rn. 37.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

b) Voraussetzungen für das Vorliegen einer Steuer Steuern lassen sich damit (einfachgesetzlich) gemäß § 3 Abs. 1 AO als Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, definieren.54 Die Auferlegung der Steuer muss durch ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen erfolgen und durch ein Gesetz im materiellen Sinne55 geschehen.56 Darunter fallen alle Arten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wie beispielsweise Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Gemeinden) aber auch alle Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.57 Eine Abgabe gilt dann als auferlegt, wenn der Rechtsgrund für die Pflicht zur Geldleistung einseitig und ohne Rücksicht auf den Willen des Verpflichteten von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen festgelegt wird.58 Eine Abgabe kann dann als Steuer eingestuft werden, wenn sie der Erfüllung einer Finanzierungsfunktion bzw. der Verfolgung eines Finanzierungszwecks dient, also auf eine allgemeine Staatsfinanzierung gerichtet ist.59 Es ist allerdings auch denkbar, dass die Befriedigung des Finanzbedarfs der öffentlichen Haushalte lediglich einen Nebenzweck der Steuererhebung darstellt.60 Das Hauptmerkmal der Steuer besteht darin, dass die Bürger zur Geldleistung verpflichtet werden, 54 Vgl. zum Steuerbegriff des § 3 Abs. 1 AO auch Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 113 ff.; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 13 ff.; Gersch, in: Klein, AO, § 3 Rn. 1 ff.; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 70 ff. 55 Soweit es sich dabei nicht um ein Gesetz im formellen Sinne handelt, ist es erforderlich, dass die Rechtsverordnung auf einer Verordnungsermächtigung in einem formellen Gesetz beruht (Art. 80 GG). Vgl. dazu Gersch, in: Klein, AO, § 3 Rn 5. 56 Gersch, in: Klein, AO, § 3 Rn. 5; vgl. auch Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 116; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 17; Andrascek-Peter/Braun, AO, Kap. 1 Rn. 5; Pahlke, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 3 AO Rn. 6; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rn. 11; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 81; Koenig, in: Koenig, AO, § 3 Rn. 12. 57 Gersch, in: Klein, AO, § 3 Rn. 6; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 17; Pahlke, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 3 AO Rn. 6; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rn. 11; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 81. 58 Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 75; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 116; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rn. 10; Koenig, in: Koenig, AO, § 3 Rn. 13. 59 In einem solchen Fall spricht man auch von einer Fiskalzwecknorm. Vgl. dazu Jachmann, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.  3, Art.  105 Rn.  3 und 6; ähnlich auch Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 105 Rn. 12; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 105 Rn. 13; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 105 Rn. 6; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 15; Pahlke, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 3 AO Rn. 8; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 87; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rn. 12a. 60 In einem solchen Fall kommt es dem Gesetzgeber darauf an, gezielte Anreize (Lenkungszwecke) für ein bestimmtes Verhalten zu setzen. Man spricht auch von Lenkungsnormen. Vgl. dazu Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 86; Gersch, in: Klein, AO, § 3 Rn. 9; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 116 und 204 ff.

C. Finanzverfassungsrechtliche Umsetzung der „ÖPNV-Abgabe“ 

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ohne dafür eine Gegenleistung des Staates zu erhalten.61 Das einer Marktwirtschaft ansonsten immanente Tauschprinzip, wonach einer gewährten Leistung stets eine Gegenleistung gegenübersteht, findet gerade keine Anwendung.62 Dies ist auch das wesentliche Unterscheidungskriterium zwischen Steuern und sog. Vorzugslasten.63 2. Die Sonderabgabe Eine Sonderabgabe kann anhand von zwei wesentlichen Kriterien von der Steuer abgegrenzt werden: Einerseits fließt das Finanzaufkommen, das aus der Erhebung einer Sonderabgabe generiert wird, gerade nicht in den allgemeinen Staatshaushalt,64 sondern in ein davon getrenntes Sondervermögen.65 Aus diesem Grund wird sie auch als sog. parafiskalische Abgabe bezeichnet.66 Weiterhin erfolgt keine Inanspruchnahme der Allgemeinheit der Steuerzahler; vielmehr werden lediglich die Angehörigen einer bestimmten Gruppe „wegen [ihrer] speziellen Verantwortlichkeit für den mit der Abgabenerhebung verfolgten besonderen Sachzweck“ als Schuldner beansprucht.67 Da Sonderabgaben keine Steuern68 darstellen, kann die Sonderabgabenhoheit nicht aus den Art. 104a ff. GG abgeleitet werden, sondern ergibt sich aus den allgemeinen Regeln der Art. 70 ff. GG.69 Die Abgrenzung zu 61

Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 105 Rn. 13; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 3; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 117; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 15; Andrascek-Peter/Braun, AO, Kap. 1 Rn. 5; BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 15; Pahlke, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 3 AO Rn. 30; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rn. 18; Koenig, in: Koenig, AO, § 3 Rn. 18; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 17; Beschluss vom 26. Mai 1976, E 42, 223, 228. 62 Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 3. 63 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 117; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 15; vgl. auch Andrascek-Peter/Braun, AO, Kap. 1 Rn. 5; Pahlke, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 3 AO Rn. 31; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 Rn. 19. 64 BVerfG, Urteil vom 6. Juli 2005, E 113, 128, 146; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 69; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 25; vgl. auch Jachmann, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 15. 65 Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 15; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 25; BVerfG, Urteil vom 6. Juli 2005, E 113, 128, 146. 66 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 25; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995, E 92, 91, 113. 67 Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 15; BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003, E 108, 186, 212; Beschluss vom 18. Mai 2004, E 110, 370, 384; Urteil vom 6. Juli 2005, E 113, 128, 146. 68 Zum Begriff der Steuer vgl. ausführlich unter Kapitel 5 C. I. 1. a). 69 St. Rspr. des BVerfG: Urteil vom 20. Juli 1954, E 4, 7, 13; Urteil vom 27. Januar 1965, E 18, 315, 328 f.; Beschluss vom 15. Dezember 1970, E 29, 402, 409; Beschluss vom 5. März 1974, E 37, 1, 16 f.; Urteil vom 10. Dezember 1980, E 55, 274, 304; Urteil vom 6. November 1984, E 67, 256, 274 f.; Urteil vom 23. Januar 1990, E 81, 156, 186; Beschluss vom 5. Oktober 1993, E 89, 132, 144; Beschluss vom 17. Juli 2003, E 108, 186, 212; Urteil vom 6. Juli 2005, E 113, 128, 145 f.; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 25; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 3 AO Rn. 29; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 105 Rn. 25.

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den sog. Vorzugslasten – also den Gebühren und Beiträgen – vollzieht sich anhand des Kriteriums der Gegenleistungsfreiheit70.71 Sonderabgaben werden gerade unabhängig von staatlichen Leistungen oder Leistungsangeboten erhoben  – es erfolgt demnach keine Neutralisierung eines durch eine Staatsleistung zugewendeten Vermögenswertes.72 Die Erhebung von Sonderabgaben ist aus mehreren Gründen allerdings verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt und nur als „seltene Ausnahme“73 zulässig.74 Begründet wird dies vom Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung unter anderem damit, dass die Finanzverfassung grundsätzlich davon ausgehe, „da[ss] Gemeinlasten aus Steuern finanziert werden. Parafiskalische Sonderabgaben [träten] zwangsläufig in Konkurrenz zur Steuer, weil sie einerseits wie diese ‚voraussetzungslos‘ [seien], also ohne Rücksicht auf eine korrespondierende Gegenleistung der öffentlichen Hand auferlegt [würden], andererseits aber Angehörige einer bestimmten Gruppe – in Abkehr vom Grundsatz der Steuergleichheit – besonders belasten. Darüber hinaus [seien] sie geeignet, die bundesstaatliche Finanzverfassung mit ihrer detaillierten Aufteilung der Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Ertragskompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu stören und auszuhöhlen, das Budgetrecht des Parlaments zu gefährden und die grundrechtlich geschützte Belastungsgleichheit in Frage zu stellen“.75 Eine Sonderabgabe darf allerdings unter „engen Voraussetzungen“76 erhoben werden, wenn sie der Finanzierung einer besonderen Aufgabe dient und verschiedene, vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Voraussetzungen („Ensemble der speziellen Anforderungen“77) erfüllt.78 Demnach darf sich der Gesetzgeber nur dann einer Sonderabgabe bedienen, wenn er damit einen konkreten Sachzweck verfolgt, der über eine bloße Beschaffung

70 Insoweit weist die Sonderabgabe ein gewisses Konkurrenzverhältnis zum „verfassungsrechtlich umfassend geregelten Institut der Steuer [auf], mit dem sie jedenfalls insoweit übereinstimmt, als sie den Betroffenen eine Geldleistungspflicht ‚voraussetzungslos‘ – d. h. ohne Rücksicht auf eine korrespondierende Gegenleistung der öffentlichen Hand – auferlegt“, BVerfG, Urteil vom 6. November 1984, E 67, 256, 274 f. Vgl. dazu auch Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104 Rn. 151. 71 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 69; vgl. auch Heintzen, in: v. Münch/ Kunig, GG, Bd. 2, Art. 105 Rn. 24. 72 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 69. 73 Wörtlich: BVerfG, Urteil vom 11. März 1980, E 55, 274, 308; Beschluss vom 11. Oktober 1994 E 91, 186, 203; Beschluss vom 24. Januar 1995, E 92, 91, 113; Beschluss vom 17. Juli 2003 E 108, 186, 217; Urteil vom 17. März 2005, E 113, 128, 150; Urteil vom 17. September 2008, E 122, 316, 334; ähnlich auch Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rn. 157; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 19. 74 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 71. 75 BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995, E 92, 91, 113, so auch schon BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980, E 55, 274, 302 ff. 76 BVerfG, Urteil vom 17. März 2005, E 113, 128, 137. 77 BVerfG, Urteil vom 17. März 2005, E 113, 128, 150. 78 Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art 105 Rn. 25.

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von Finanzmitteln hinausgeht.79 Zudem darf nur eine homogene Gruppe mit einer Sonderabgabe belegt werden, „die in einer spezifischen Beziehung (Sachnähe) zu dem mit der Aufgabenerhebung verfolgten Zweck steht und der deshalb eine besondere Finanzierungsverantwortung zugerechnet werden kann“.80 „Diese Verknüpfung wird hergestellt, wenn das Abgabenaufkommen im Interesse der Gruppe der Abgabenpflichtigen, also gruppennützig, verwendet wird“.81 Dies bedeutet jedoch nicht, dass „das Aufkommen im spezifischen Interesse jedes einzelnen Abgabepflichtigen zu verwenden ist; es genügt [vielmehr], wenn es überwiegend im Interesse der Gesamtgruppe verwendet wird“.82 Weiterhin ist der Gesetzgeber angesichts des Ausnahmecharakters der Sonderabgabe gehalten, bei einer auf längere Zeit angelegten Finanzierung einer Aufgabe, seine ursprüngliche Entscheidung für den Einsatz einer Sonderabgabe periodisch zu überprüfen.83 Dabei muss insbesondere eruiert werden, ob veränderte Umstände, der Wegfall des Finanzierungszwecks oder die Zielerreichung eine Änderung oder gar Aufhebung des Abgabentatbestandes nach sich ziehen müssen.84 „Angesichts des Fortschreitens der Sonderabgabengesetzgebung des Bundes und der Länder ist [das Bundesverfassungsgericht zudem] zu der Überzeugung gelangt, dass die Prüfungs- und Anpassungspflichten des Gesetzgebers durch haushaltsrechtliche Informationspflichten zu ergänzen sind“.85 79 BVerfG, Urteil vom 17. März 2005, E 113, 128, 150; vgl. auch Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rn. 165; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 105 Rn. 26; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 19. 80 Wörtlich: BVerfG, Urteil vom 17. März 2005, E 113, 128, 150. In st. Rspr. BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980, E 55, 274, 305 f.; Urteil vom 6. November 1984, E 67, 256, 277; Beschluss vom 31. Mai 1990, E 82, 159, 179 f.; vgl. auch Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 105 Rn. 25; Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rn. 165; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 19; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 105 Rn. 28; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 79 und Rn. 81 f. 81 Wörtlich: BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990, E 82, 159, 180; in st. Rspr. BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980, E 55, 274, 307; Urteil vom 6. November 1984, E 67, 256, 276 f. Vgl. dazu auch Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rn. 165; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 19; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 105 Rn. 28; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 84. 82 Wörtlich: BVerfG, Urteil vom 6. November 1984, E 67, 256, 276 f.; so auch BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980, E 55, 274, 307 f.; Beschluss vom 31. Mai 1990, E 82, 159, 180 f. Vgl. dazu auch Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rn. 165; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 84. 83 BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980, E 55, 274, 308; Urteil vom 10. März 1981, E 57, 139, 162 f.; Beschluss vom 31. Mai 1990, E 82, 159, 181; Beschluss vom 18. Mai 2004, E 110, 370, 392; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 87. 84 BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980, E 55, 274, 308; Urteil vom 10. März 1981, E 57, 139, 162 f.; Beschluss vom 31. Mai 1990, E 82, 159, 181; Beschluss vom 18. Mai 2004, E 110, 370, 392; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 87. 85 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003, E 108, 186, 218; seitdem st. Rspr.: BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004, E 110, 370, 389; Beschluss vom 24. November 2009, E 124, 348, 366. Vgl. dazu auch Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rn. 165; Heintzen, in: v. Münch/ Kunig, GG, Bd. 2, Art. 105 Rn. 26; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 19; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 105 Rn. 28.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

Wie auch bei den Steuern ist bei den Sonderabgaben nicht entscheidend, ob die Finanzierung als Haupt- oder als Nebenzweck dient.86 Dennoch ist es sinnvoll, Sonderabgaben in solche mit Finanzierungsfunktion und solche mit Lenkungsfunktion zu kategorisieren, weil Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion ein schwächeres Konkurrenzverhältnis zur Steuer aufweisen.87 Aus diesem Grund sieht das Bundesverfassungsgericht in diesen Fällen von den Zulässigkeitsanforderungen der Gruppenverantwortung kraft Sachnähe und der Gruppennützigkeit der Abgabenverwendung ab.88 3. Die Vorzugslasten Neben der Steuer finden im deutschen Abgabenrecht traditionell auch die Gebühr und der Beitrag Anerkennung.89 Während die Steuer grundsätzlich der finanziellen Ausstattung des Staates dient – ohne dabei bereits eine bestimmte Ausgabeentscheidung vorzuzeichnen – gleichen die zu den Vorzugslasten90 zählenden Gebühren und Beiträge einen staatlich gewährten Vorteil aus; sind also grundsätzlich durch einen bereits getätigten staatlichen Aufwand bedingt.91 In diesem Zusammenhang kommt es dem Bundesverfassungsgericht auf „individuell zurechenbare Leistungen“92 sowie auf ein „konkretes Gegenleistungsverhältnis“93 an.94 a) Die Gebühr Die öffentlich-rechtliche Gebühr ist eine Abgabe zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs.95 „Gebühren sind öffentlich[-]rechtliche Geldleistungen, die aus Anla[ss] individuell zurechenbarer Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich[-]rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden 86 Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 105 Rn. 27; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 86. 87 Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 105 Rn. 27. 88 Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, Art. 105 Rn. 27. 89 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 17. 90 Zum Begriff der „Vorzugslast“ und dessen Entstehungsgeschichte siehe Eyben, Die Abgabenform des Beitrags und ihre praktischen Schwerpunkte, S. 50 ff.; vgl. auch Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 17; Siekmann, in: Sachs, Vor Art. 104a Rn. 93. 91 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 17; vgl. auch Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 155; ähnlich auch Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rn. 19; vgl. auch Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 117; vgl. auch Becker, in: Becker/ Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 2 Rn. 444. 92 Wörtlich: BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003, E 108, 186, 220. 93 Wörtlich: BVerfG, Urteil vom 6. Juli 2005, E 113, 128, 146. Ähnlich auch BVerfG, Beschluss vom 19. März 2003, E 108, 1, 13. 94 Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Bd. 2, Art. 105 Rn. 20. 95 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 20.

C. Finanzverfassungsrechtliche Umsetzung der „ÖPNV-Abgabe“ 

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und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken“.96 Die Erhebung der Gebühr dient somit sowohl als Entgelt für Staatsleistungen als auch als Ausgleich für den individuell verursachten Aufwand des Einzelnen.97 Entgeltlichkeit im Sinne des Gebührenrechts setzt daher nicht einen vertragsähnlichen Leistungstausch voraus, sondern erfordert vielmehr eine individuelle Verantwortlichkeit für den Einsatz öffentlicher Mittel.98 Der Gebühr kommt daher eine Doppelfunktion zu: Einerseits dient sie der Wertabschöpfung, sofern eine Anknüpfung an eine individuell zurechenbare Leistung erfolgen kann und andererseits findet eine Kostenüberwälzung statt, „soweit sie eine individuelle Verantwortlichkeit für einen öffentlichen Aufwand einfordert“.99 Der Gebührenerhebung liegt das sog. Äquivalenzprinzip zugrunde, das auf die Regelung der Gebührenbemessung abzielt.100 Es erlaubt, die Höhe der Gebühren nach dem Prinzip der Kostendeckung – d. h. die Gebühr dient der Überwälzung der äquivalenten Kosten – oder nach dem Prinzip des Vorteilsausgleichs – d. h. mit der Gebühr wird ein äquivalenter Vorteil dem Abgabenpflichtigen abgeschöpft – zu bemessen.101 Durch die Gebührenerhebung darf allerdings nicht das verfassungsrechtlich abgesicherte Steuerertragssystem ausgehöhlt werden.102 Der Höhe der Gebühren werden daher durch die Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung Grenzen gesetzt.103 Das Bundesverfassungsgericht hat bei dem verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff verschiedene Gebührenzwecke – Kostendeckung, Vorteilsausgleich, Lenkungszwecke und soziale Zwecke – anerkannt und dadurch zugleich die Grenzen für die zulässige Bemessung einer Gebühr – also deren Höhe – festgelegt.104 Wird für eine besondere Leistung der Verwaltung keine fixe, sondern eine entsprechend der Intensität der Inanspruchnahme variierende Gebühr erhoben, so richtet sich die Gebührenhöhe nach dem Wirklichkeits- und Wahrscheinlichkeitsmaßstab.105 Dieser besagt, dass primär ein Abstellen auf die tatsächliche Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung ange-

96 Wörtlich: BVerfG, Beschluss vom 10. März 1998, E 97, 332, 345. In st. Rspr.: BVerfG, E 50, 217, 226; E 85, 337, 346; Urteil vom 19. März 2003, E 108, 1, 13; Urteil vom 6. Juli 2005, E 113, 128, 148. 97 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 26; vgl. auch Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 169. 98 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 26. 99 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 26. 100 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 20; Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 169. 101 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 20; vgl. auch Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 157; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 119; zum Äquivalenzund Kostendeckungsprinzip siehe auch Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rn. 19a; vgl. auch Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 169. 102 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 119. 103 BVerfG, Urteil vom 19. März 2003, E 108, 1, 15; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 119. 104 BVerfG, Urteil vom 19. März 2003, E 108, 1, 18; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 119. 105 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 119.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

zeigt ist. Ist dies nicht möglich, so muss auf Kriterien zurückgegriffen werden, die in einem (engen) Zusammenhang mit der wirklichen Inanspruchnahme stehen.106 b) Der Beitrag Im Unterschied zur Gebühr zeichnet sich der Beitrag dadurch aus, dass er gerade nicht als Entgelt für den Empfang, sondern bereits für das bevorzugende Angebot einer staatlichen Leistung erhoben wird.107 Dadurch werden die Beitragsschuldner an den Kosten für den Betrieb einer öffentlichen Einrichtung beteiligt, die von ihnen individualisierbar genutzt werden kann.108 Damit werden von Beiträgen gerade die vermuteten Vorteile, die von einer Gruppe aus dem öffentlichen Aufwand gezogen werden können, erfasst.109 Dabei ist eine tatsächliche Wahrnehmung dieser Vorteile jedoch gerade nicht erforderlich.110 Vielmehr ist die bloße Nutzungsmöglichkeit als abstrakter Vorteil ausreichend.111 Will man Beitrag und Gebühr ökonomisch voneinander abgrenzen, so fällt auf, dass die Beitragserhebung der Deckung der Fixkosten für das Bereitstellen nutzbarer Einrichtungen dient, während die Gebührenerhebung ausschließlich diejenigen Kosten deckt, die durch die individuelle Nutzung einer öffentlichen Einrichtung entstehen.112 Es ist zu beachten, dass ein fließender Übergang von Gebühren zu Beiträgen besteht.113 Zwar handelt es sich um zwei unterschiedliche Entgeltformen für verschiedene öffentliche Leistungen, allerdings können Gebühren zum Beispiel aus allokativen Gründen an die Stelle von Beiträgen treten, während Beiträge beispielsweise aus lenkungspolitischen Gründen Gebühren ersetzen.114 Bislang wird die Abgabenerhebung in Form von Beiträgen vorwiegend zur Finanzbedarfsdeckung bei der Herstellung, Anschaffung oder Erweiterung von öffentlichen Einrichtungen und Anlagen eingesetzt.115 Ein weiterer Anwendungsbereich liegt in der Verbesserung von Straßen, Wegen und Plätzen, wobei die generierten Mittel nicht für die laufende Unterhaltung und Instandsetzung eingesetzt werden.116

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Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 119. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 62; vgl. auch Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 23; Pahlke, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 3 AO Rn. 31. 108 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 62; vgl. auch Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 2 Rn. 447, Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht I Rn. 168; vgl. auch Patzig, DÖV 1981, 29, 735. 109 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 62; Patzig, DÖV 1981, 729, 735. 110 Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 168; Patzig, DÖV 1981, 729, 735. 111 Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 168. 112 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 62. 113 Bohley, Die Öffentliche Finanzierung, S. 13. 114 Bohley, Die Öffentliche Finanzierung, S. 13. 115 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 23. 116 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 23. 107

C. Finanzverfassungsrechtliche Umsetzung der „ÖPNV-Abgabe“ 

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Um die Beitragserhebung rechtfertigen zu können, ist ein staatlicher Vorteil erforderlich, der einer individuellen Person dergestalt zugerechnet werden kann, dass er sich bei Annahmebereitschaft des Beitragsschuldners als eine individualisierbare Leistung an diesen manifestieren würde.117

II. Abgabenrechtliche Einordnung der „ÖPNV-Abgabe“ Die grundsätzliche abgabenrechtliche Einordnung der „ÖPNV-Abgabe“ ist von elementarer Bedeutung, da dadurch der juristische Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung vorgezeichnet wird. So hängt zum Beispiel unter anderem davon ab, welche speziellen (finanz-)verfassungsrechtlichen Anforderungen einzuhalten sind.118 Wie bereits eingangs erläutert, handelt es sich bei der „ÖPNV-Abgabe“ um eine monatlich zu erhebende, öffentlich-rechtliche Abgabe, die neben den Hauptzielen – der Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses der Kreisangehörigen sowie mittelbar auch die Finanzierung des ÖPNV sicherzustellen – auch Lenkungszwecke des Umweltschutzes und der sozialen Gerechtigkeit verfolgt. In diesem Zusammenhang ist nochmals die „gesetzgeberische“ Entscheidung zu betonen, dass mit Bezahlung des geschuldeten Entgelts der „ÖPNV-Abgabe“ den Abgabeschuldnern als Gegenleistung keine weiteren Kosten für die Inanspruchnahme der Personenbeförderungsleistungen des ÖPNV entstehen sollen, folglich also eine – im Kreisgebiet – unbegrenzte Nutzungsmöglichkeit des ÖPNV eingeräumt wird. 1. Gegenleistungscharakter der Zurverfügungstellung von ÖPNV-Leistungen Zunächst ergibt sich die für die Abgrenzung zwischen Steuer und Vorzugslast relevante Frage, ob die – vermeintlich unentgeltliche – Zurverfügungstellung von Personenbeförderungsleistungen als Gegenleistung im Sinne des Abgabenrechts einzustufen ist. Während durch eine Steuer den Abgabepflichtigen eine „voraussetzungslose“ – d. h. unabhängig von einer entsprechenden Gegenleistung der öffentlichen Hand – Geldleistungspflicht auferlegt wird, sind Vorzugslasten als Entgelt für individuell zurechenbare Gegenleistungen bzw. die Gewährung von besonderen Vorteilen durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts zu beschreiben.119 Dem abgabenrechtlichen Begriff der Gegenleistung wohnt zwar grundsätzlich ein Element eines Leistungsaustauschs inne, allerdings ist ein konkretes Leistungs 117

Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 14. Vgl. auch Müller Kabisch, Umlagefinanzierung für den fahrscheinlosen ÖPNV, WD 4 – 3000 – 268/12, S. 6; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 43. 119 Pahlke, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 3 AO Rn. 30 f.; Gersch, in: Klein, AO, § 3 Rn.7; ähnlich auch Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 15 und 20; vgl. auch Becker, in: Becker/ Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 2 Rn. 440 ff. 118

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Gegenleistungsverhältnis (do ut des) gerade nicht erforderlich.120 Das bedeutet, dass die Abgabepflicht des Schuldners lediglich mit einer Leistungserbringung durch das öffentliche Gemeinwesen in Zusammenhang stehen muss.121 Die Zurverfügungstellung einer konkreten – unbegrenzten – Nutzungsmöglichkeit von Personenbeförderungsleistungen im Kreisgebiet stellt eine taugliche Gegenleistung im Sinne des Abgabenrechts dar. Die Abgabepflichtigen bezahlen das monatlich geschuldete Abgabenentgelt und können dafür ohne zusätzliche Kosten den örtlichen ÖPNV in Anspruch nehmen. Daraus ergibt sich unzweifelhaft, dass die „ÖPNV-Abgabe“ gerade nicht voraussetzungslos geschuldet ist. Dies wird umso klarer, wenn man sich verdeutlicht, wie die ÖPNV-Nutzung derzeit juristisch ausgestaltet ist: Durch den Abschluss eines – in der Regel privatrechtlich ausgestalteten  – (Personen-)Beförderungsvertrages122 verpflichtet sich der Verkehrsunternehmer zur Beförderung des Vertragspartners oder einer dritten Person an den Bestimmungsort.123 Diese Leistungspflicht ist synallagmatisch mit der Zahlung eines Entgelts – egal, ob durch Erwerb einer Einzel-, Monats- oder Jahreskarte – verknüpft. Da viele Verkehrsunternehmen des ÖPNV unter öffentlich-rechtlicher Trägerschaft privatrechtlich organisiert sind, tritt an die Stelle der (öffentlich-rechtlichen) Benutzungsgebühren die Erhebung von privatrechtlichen Entgelten.124 Die Umstellung von der privatrechtlichen Verpflichtung zum Kauf einer Fahrkarte auf eine „ÖPNV-Abgabe“ lässt jedoch keinesfalls den Gegenleistungscharakter der zur Verfügung gestellten Leistung entfallen. Vielmehr kann die Zahlung der „ÖPNV-Abgabe“ mit dem Kauf einer Monatskarte für den ÖPNV verglichen werden. Da Steuern jedoch nur solche Abgaben sein können, die nicht als Gegenleistung für einen staatlich gewährten Vorteil eingestuft werden können,125 kommt eine Qualifizierung der „ÖPNV-Abgabe“ als Steuer nicht in Betracht.126 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass durch den Finanzierungszweck der „ÖPNV-

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Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rn. 95. Gersch, in: Klein, AO, § 3 Rn. 7. 122 Der (Personen-)Beförderungsvertrag ist grundsätzlich seinem Wesen nach dem Vertragstypus des Werkvertrags im Sinne des § 631 BGB zuzuordnen. Es ist jedoch zu beachten, dass das Werkvertragsrecht durch Regelungen des PBefG verdrängt werden kann. Vgl. dazu Busche, in: MüKo BGB, § 631 Rn. 249; ähnlich auch Merkle, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Mayer/Henssler, beck-online.GROSS-KOMMENTAR, § 631 BGB Rn. 279. 123 Merkle, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Mayer/Henssler, beck-online.GROSSKOMMENTAR, § 631 BGB Rn. 279; Busche, in: MüKo BGB, § 631 Rn. 248. 124 Vgl. dazu auch Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 169. 125 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 105 Rn. 13; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 3; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 117; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 15; Andrascek-Peter/Braun, AO, Kap. 1 Rn. 5; BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 15; Pahlke, in: Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 3 AO Rn. 30; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rn. 18; Koenig, in: Koenig, AO, § 3 Rn. 18; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 17; Beschluss vom 26. Mai 1976, E 42, 223, 228. 126 So auch Müller Kabisch, Umlagefinanzierung für den fahrscheinlosen ÖPNV, WD 4  – 3000 – 268/12, S. 7 f. 121

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Abgabe“ zunächst der Schluss auf das Vorliegen einer Zwecksteuer naheliegt.127 Eine solche muss jedoch mangels Gegenleistungsfreiheit aus den genannten Gründen ebenfalls ausscheiden.128 2. „ÖPNV-Abgabe“ ist keine Gebühr Wie sich bereits aus den vorgehenden Ausführungen erahnen lässt, kommt auch eine Einordnung der „ÖPNV-Abgabe“ als Gebühr nicht in Betracht. Eine solche würde nach den durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätzen voraussetzen, dass die Abgabeverpflichtung auf einer tatsächlichen Nutzung von individuell zurechenbaren staatlichen Leistungen beruht.129 Die Erhebung der „ÖPNV-Abgabe“ soll jedoch gerade unabhängig von der konkreten Nutzung des ÖPNV erfolgen. Des Weiteren würde die Erhebung einer „ÖPNV-Gebühr“ keine wesentlichen Neuerungen im Hinblick auf die derzeitige Situation bringen, da – wie gezeigt – aktuell die Nutzung des ÖPNV an den Kauf einer Fahrkarte und somit an die tatsächliche Nutzung gekoppelt ist. 3. Einstufung der „ÖPNV-Abgabe“ als Beitrag Hinsichtlich der Zahlungspflicht, die unabhängig von einer konkreten Nutzung des ÖPNV entsteht, mit der aber gleichzeitig die Einräumung einer unbegrenzten Nutzungsmöglichkeit des ÖPNV einhergeht, erscheint die Einordnung der „ÖPNVAbgabe“ als Beitrag passend. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die abstrakte, unbegrenzte Nutzungsmöglichkeit des ÖPNV grundsätzlich130 als Vorteil im Sinne des Beitragsrechts eingestuft werden kann. Dabei gilt es zu beachten, dass es sich bei einem Beitrag um eine Art „Grenztatbestand zwischen Gebühr und Steuer“ handelt, „bei dem der Vorteil eines öffentlichen Aufwandes nicht bei einer Einzelperson individualisierbar ist, sondern nur für eine Gruppe sachnaher Empfänger staatlicher Leistungsangebote vermutet werden kann“.131 Dabei gilt grundsätzlich, dass je stärker sich die Finanzierungsverantwortlichkeit der Beitragsschuldner 127 Ähnlich auch Müller Kabisch, Umlagefinanzierung für den fahrscheinlosen ÖPNV, WD 4 – 3000 – 268/12, S. 7. 128 Siehe dazu auch Müller Kabisch, Umlagefinanzierung für den fahrscheinlosen ÖPNV, WD 4 – 3000 – 268/12, S. 7. 129 In st. Rspr.: BVerfG, Beschluss vom 6.  Februar 1979, E  50, 217, 226; Beschluss vom 12. Februar 1992, E 85, 337, 346; Beschluss vom 10. März 1998, E 97, 332, 345; Urteil vom 19. März 2003, E 108, 1, 13; Urteil vom 6. Juli 2005, E 113, 128, 148. 130 Dieses Kapitel beschäftigt sich zunächst – auf erster Stufe – mit der Frage, ob es grundsätzlich möglich ist, die abstrakte, unbegrenzte und unentgeltliche Nutzungsmöglichkeit des ÖPNV als Vorteil im Sinne des Beitragsrechts einzustufen. Welche konkreten Anforderungen an diese Nutzungsmöglichkeit für die Umsetzung der „ÖPNV-Abgabe“ zu stellen sind, ist erst anschließend – auf zweiter Stufe – Gegenstand der Untersuchung. 131 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 67.

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in der Allgemeinheit einer Gemeinlast verliert, umso schwieriger ist die Rechtfertigung der Erhebung eines solchen Beitrags gegenüber dem Grundprinzip der Steuerfinanzierung des Staates.132 Dementsprechend darf nur dann ein Beitrag erhoben werden, „wenn und soweit er als öffentlich-rechtlicher Vorteilsausgleich den Vermögenswert eines Vorzugsangebots abschöpft oder den Interessenten an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung beteiligt, ihm einen individualisierbaren Vorteil anbietet oder von einer gruppenbezogenen Leistungspflicht entlastet“.133 Mit der Erhebung der „ÖPNV-Abgabe“ geht die unbegrenzte und entgeltlose Zurverfügungstellung der Nutzungsmöglichkeit von ÖPNV-Leistungen im Kreisgebiet einher. Mit der Abgabe wird somit einerseits der Vermögenswert der angebotenen Verkehrsleistung abgeschöpft. Gleichzeitig werden die Abgabenschuldner an der Finanzierung der öffentlichen Einrichtung des ÖPNV beteiligt. Dabei ist zudem zu beachten, dass sich die Höhe der geschuldeten Abgabe nach den tatsächlichen Kosten des ÖPNV im Kreisgebiet richtet. Diese Kosten werden auf die Einwohner des Kreisgebiets bzw. des festgelegten Beitragsgebiets umgelegt, sodass sich die Beitragshöhe im Vergleich zum „normalen“ Monatsticket als erheblich günstiger herausstellt.134 Dementsprechend kann die Gegenleistung des Zurverfügungstellens der Nutzungsmöglichkeit der ÖPNV-Leistungen nicht nur in tatsächlicher, sondern auch in finanzieller Hinsicht als Vorteil eingestuft werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beitrag auch von denjenigen Einwohnern bezahlt werden muss, die bislang den ÖPNV nicht nutzen. Vielmehr ist diese Situation gerade dem Beitragsrecht immanent, da diesbezüglich stets bereits die abstrakte Möglichkeit der Vorteilsziehung ausreicht.135 Die erforderliche individuelle Zurechenbarkeit, die Voraussetzung für eine Kostentragungspflicht ist, kann insbesondere aus der rechtlichen oder tatsächlichen Sachherrschaft oder -nähe und der damit verbundenen Möglichkeit hergeleitet werden, durch die Sache konkrete wirtschaftliche Vorteile zu erzielen oder diese zu nutzen.136 Dadurch wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass eine unbestimmte Vielzahl von Bürgern zur Leistung von Beiträgen verpflichtet werden kann, „sofern ihnen jeweils ein Sondervorteil individuell-konkret zugerechnet werden kann“.137 Die Schuldner der „ÖPNV-Ab 132

Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 67. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 67. 134 Nach einer Modellrechnung der Piratenpartei Regensburg, abrufbar unter: http://piratenregensburg.de/stadtrat/kommunalwahlprogramm/fahrscheinloser-oepnv/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018), würde sich die Beitragshöhe in Regensburg auf 15,05 Euro monatlich (ermäßigt: 10 Euro) belaufen, wohingegen derzeit ein Monatsticket in der günstigsten Preisstufe 47,50 Euro kostet. Vgl. zu den Kosten eines Monats- und Wochen-Tickets in Regensburg die Preisauskunft auf der Internetseite des RVV, abrufbar unter: http://www.rvv.de/Monats-und-Wochen-Ticket. o170.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 135 Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 168. 136 BVerfG, Beschluss vom 15. Juni 2014, E 137, 1, 22; Beschluss vom 12. Oktober 1994, E 91, 207, 223 f. 137 BVerfG, Beschluss vom 15. Juni 2014, E 137, 1, 22; VerfGH RP, Urteil vom 13. Mai 2014 – VGH B 35/12, juris Rn. 103. 133

C. Finanzverfassungsrechtliche Umsetzung der „ÖPNV-Abgabe“ 

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gabe“ befinden sich in einem tatsächlichen Näheverhältnis zur angebotenen Leistung, da sie durch die unbegrenzte Nutzungsmöglichkeit der ÖPNV-Leistungen im Geltungsbereich stets die angebotenen Leistungen ohne Weiteres in Anspruch nehmen können.138 Dadurch können, wie bereits angedeutet, nicht nur die tatsächlichen Beförderungsvorteile genutzt werden, sondern auch wirtschaftliche Vorteile durch die Möglichkeit erheblicher Kosteneinsparungen – gleichgültig, ob diese aus dem günstigeren „Fahrpreis“ oder aus einem gewünschten Umstieg vom MIV auf den ÖPNV resultieren – gezogen werden. Welche konkreten Anforderungen an die konkrete Ausgestaltung der Nutzungsmöglichkeit der ÖPNV-Leistungen gestellt werden müssen, damit bei der Umsetzung des ÖPNV-Beitrags auch tatsächlich von einem Näheverhältnis gesprochen werden kann, ist weiterer Gegenstand der Untersuchung. Des Weiteren ist der Vorteil auch hinreichend individualisierbar. Zu beachten ist, dass zwischen Beiträgen und Sonderabgaben eine gewisse Ähnlichkeit besteht, die sich damit begründen lässt, dass sich jeweils die Gruppe der Abgabenschuldner nach der Finanzierungsverantwortlichkeit für einen öffentlichen Aufwand bestimmen lässt.139 Aus diesem Grund können Sonderabgaben auch als beitragsähnliche Abgaben eingestuft werden.140 Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Beitrag und Sonderabgabe liegt jedoch darin, dass sich bei Beiträgen die Finanzierungsverantwortlichkeit der Beitragsschuldner aus dem Angebot eines ungerechtfertigten Vorteils oder aus deren Kostenverantwortung ableiten lässt, während sich die Finanzierungsverantwortlichkeit der Schuldner einer Sonderabgabe aus der zu finanzierenden Aufgabe selbst ergibt.141 So spricht das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Ausbildungsplatzförderungsabgabe142 davon, dass „die mit der [Sonder-]Abgabe belastete Gruppe […] dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck evident näherstehen [müsse] als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler; andernfalls wäre die Sonderbelastung der durch die Abgabe in Anspruch genommenen Gruppe schon mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren“.143 Wendet man diese Rechtsgrundsätze auf die Einordnung der „ÖPNV-Abgabe“ in das deutsche Abgabensystem an, wird schnell deutlich, dass es sich bei ihr ausschließlich um einen Beitrag und gerade nicht um eine Sonderabgabe handelt. Zu begründen ist dies damit, dass durch die „ÖPNV-Abgabe“ zunächst keine beson 138 Die Frage, wie das Leistungsangebot des ÖPNV konkret ausgestaltet sein muss, um gerade dieses tatsächliche Näheverhältnis zu gewährleisten, ist Gegenstand der weiteren Untersuchung. 139 Als diesbezügliches Beispiel kann unter anderem die Rechtsprechung des BVerfG zur Ausbildungsplatzförderungsabgabe angeführt werden, in der das BVerfG eine Parallele zwischen Beitrag und Sonderabgabe zieht und von „Beitragsgedanken“ und „Entgeltcharakter“ spricht, vgl. BVerfG, Urteil vom 11. März 1980, E 55, 274, 316. So auch Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 65. 140 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 65. 141 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 65. 142 BVerfG, Urteil vom 11. März 1980, E 55, 274 ff. 143 BVerfG, Urteil vom 11. März 1980, E 55, 274, 306.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

dere Bevölkerungsgruppe belastet wird. Vielmehr wird der Kreis der Abgabenschuldner nicht nach dem Nutzungsverhalten differenziert, sondern es wird ausschließlich auf die Kreisangehörigkeit abgestellt. Zudem ist nicht ersichtlich, dass eine spezielle Bevölkerungsgruppe dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Ziel „evident“ nähersteht als die Allgemeinheit der Kreisangehörigen. Ziel der „ÖPNVAbgabe“ ist die Stärkung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit des ÖPNV, um dem Mobilitätsbedürfnis der Kreisangehörigen angemessen Rechnung tragen zu können. Dies kann nur dann erreicht werden, wenn die Leistungen des ÖPNV aus einer soliden Finanzierungsgrundlage getragen werden können. Zudem werden umweltpolitische Ziele mit der „ÖPNV-Abgabe“ verfolgt. Von der Erreichung dieser Ziele profitieren alle Kreisangehörigen in gleicher Weise, da ihnen dadurch eine unbeschränkte und unentgeltliche Nutzungsmöglichkeit der Beförderungsleistungen des ÖPNV zur Verfügung gestellt werden kann. Noch deutlicher wird dies, wenn man bedenkt, dass durch die Erhebung von Beiträgen die Erfüllung einer Staatsaufgabe finanziert wird, während die aus Sonderabgaben generierten Mittel ausschließlich in die Erfüllung von Gruppenaufgaben fließen.144 Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV stellt eine gesetzlich normierte Aufgabe der Daseinsvorsorge (vgl. § 1 Abs. 1 RegG) und damit eine Staatsaufgabe dar. Mögliche Einwände dahingehend, dass die „ÖPNV-Abgabe“ überwiegend dem Gruppeninteresse der ÖPNV-Nutzer diene und als „versteckte Sonderabgabe“ ausschließlich den Zweck verfolge, Finanzmittel für den ÖPNV zu generieren, die an dem Haushalt vorbei in den Ausbau der Infrastruktur fließen sollen, gehen daher erkennbar fehl. Dabei würde nämlich übersehen, dass das Beitragsaufkommen eben gerade nicht am allgemeinen Haushalt vorbei in einem Sonderfonds zur gruppennützigen Verwendung vorbehalten wird, sondern stets in den allgemeinen Staatshaushalt bzw. – im Fall der „ÖPNV-Abgabe“ – in den Haushalt der Gebietskörperschaft fließt und dort dem ÖPNV zugewiesen wird.145 Aus diesem Grund lässt sich die Beitragserhebung auch leichter rechtfertigen, da sie – im Gegensatz zur Sonderabgabe  – gerade nicht den Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans durchbricht.146 Der Einordnung der ÖPNV-Abgabe als Beitrag steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rundfunkbeitrag entgegen. Darin heißt es: „Kann der Einzelne dagegen frei darüber entscheiden, ob er eine Leistung in Anspruch nimmt, muss feststehen, dass die Mitglieder eines abgrenzbaren Personenkreises von der angebotenen Nutzungsmöglichkeit nahezu geschlossen Gebrauch machen. Daher ist es ausgeschlossen, Vorzugslasten bereits für die Bereitstellung kultureller, sozialer oder sportlicher Einrichtungen (z. B. Theater, Kindertagesstätten) oder des öffentlichen Personennahverkehrs zu erheben, für 144

Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 65. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 65. 146 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 65. 145

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deren weitestgehende Inanspruchnahme durch alle angesprochenen Personen sich keine tragfähige tatsächliche Grundlage findet“.147 Prima facie erscheint diese Rechtsprechung das „Aus“ für den ÖPNV-Beitrag zu bedeuten, da vermeintlich eine Beitragserhebung für Leistungen des ÖPNV von vornherein ausscheiden müsse. Dies ist jedoch nicht der Fall. Wie sich aus der Formulierung „Vorzugslasten bereits für die Bereitstellung […] des öffentlichen Personennahverkehrs zu erheben“ ergibt, gilt das Gesagte lediglich dann, wenn ausschließlich für die Bereitstellung des ÖPNV und nicht für dessen Nutzung ein Beitrag erhoben wird. Dies ist auch sachgerecht. Allein aus der Bereitstellung resultiert kein ausreichender Sondervorteil für die Beitragsschuldner  – etwas Anderes gilt jedoch für die erheblich vergünstige unbeschränkte Nutzungsmöglichkeit, die der ÖPNV-Beitrag gewährt. Dies ergibt sich auch aus der Verwendung des Partikels „bereits“, da dadurch klargestellt wird, dass andere Fälle denkbar sind, in denen Vorzuglasten erhoben werden können – z. B. für die Zurverfügungstellung einer unbeschränkten und entgeltlichen Nutzungsmöglichkeit des ÖPNV. Deutlich wird dies zudem, wenn man die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Semesterticket analysiert. Dieses hatte im Rahmen seiner Entscheidung über die Einführung beitragsfinanzierter Semestertickets entschieden, dass sich „der speziell für das Semesterticket erhobene Geldleistungsanteil […] als Gegenleistung für die Möglichkeit zur verbilligten Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs dar[stelle]. Dieser Geldleistungsanteil [sei] daher […] auch keine unzulässige Sonderabgabe, da er ersichtlich nicht der Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf der Studierendenschaft dien[e]“.148 Gleiches muss auch für die „ÖPNV-Abgabe“ gelten, da keine Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit einer differenzierenden Behandlung ersichtlich sind. Sowohl das Semesterticket, als auch die „ÖPNV-Abgabe“ gewähren den Beitragsschuldnern eine unbegrenzte Nutzungsmöglichkeit des ÖPNV, ohne dass dafür weitere – über den Beitrag hinausgehende – Kosten entstehen. Allein der Umstand, dass sich die „ÖPNV-Abgabe“ an einen größeren Kreis von Abgabepflichtigen – nämlich die gesamten oder lediglich einen Teil der Einwohner eines Landkreises – richtet, vermag daran nichts zu ändern. Es ist nicht ersichtlich, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zum Rundfunkbeitrag seine Rechtsprechung zum Semesterticket ändern wollte. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht lediglich herausgestellt, dass die bloße Bereitstellung nicht ausreichend ist, um einen Sondervorteil im Sinne des Beitragsrechts anzunehmen.

147

BVerwG, Urteil vom 17. März 2016, 6 C 6/15 – juris, Rn. 28. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 111.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

4. Zwischenergebnis Die „ÖPNV-Abgabe“ kann – zumindest dem Grunde nach – in Form eines Beitrags erhoben werden. Welche konkreten Anforderungen an die Zurverfügungstellung der Nutzungsmöglichkeit des ÖPNV zu stellen sind, dass diese tatsächlich als Vorteil eingestuft werden kann, ist Gegenstand der weiteren Untersuchung.

III. Wiederkehrender Beitrag Die vormals problematische Frage, ob wiederkehrende Beiträge erhoben werden können, wurde durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts149 zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit wiederkehrender Beiträge für Verkehrsanlangen nach § 10a KAG RP geklärt.150 Das Bundesverfassungsgericht stellte heraus, dass die Erhebung wiederkehrender Beiträge grundsätzlich einen Eingriff in die persönliche Freiheitsentfaltung im vermögensrechtlichen Bereich darstelle.151 Allerdings beruhe der wiederkehrende Beitrag auf einer gesetzlichen Grundlage und sei als nichtsteuerliche Abgabe mit Gegenleistungscharakter gerechtfertigt, da die Anforderungen, die durch die Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung an solche Abgaben gestellt werden, eingehalten seien.152 Die Einordnung des wiederkehrenden Straßenausbaubeitrags als nichtsteuerliche Abgabe wurde damit begründet, dass der Beitrag nicht zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben erhoben werde, sondern speziell der Finanzierung des Straßenausbaus – also einem besonderen Finanzbedarf – diene.153 Dies sei auch hinreichend in der gesetzlichen Regelung des Abgabentatbestands verankert: „§ 10a Abs. 1 Satz 2 KAG RP ermächtig[e] ausdrücklich zur Erhebung vorteilsbezogener Beiträge und gestalte die Abgabenerhebung gegenleistungsbezogen aus, indem die jeweils auferlegte Abgabe vom Gesetzgeber dem Grunde und der Höhe nach mit dem Anfall der Kosten konkreter Investitionsaufwendungen für Verkehrsanlagen für die Erledigung der Aufgabe des Straßenausbaus tatbestandlich verknüpft [sei]“.154 Weiterhin liege bei verfassungskonformer Auslegung durch die Heranziehung zu wiederkehrenden Beiträgen gemäß § 10a KAG RP kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsgleichheit vor.155 „Werden 149

BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1 ff. Vgl. dazu auch Michl, BayVBl. 2017, 37, 41. 151 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 17. Vgl. dazu auch Michl, BayVBl. 2017, 37, 41; Gramlich, NJ 2014, 519, 520. 152 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 17. 153 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 18 f. 154 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 19. 155 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 20. 150

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Beiträge erhoben, verlang[e] Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen [werde], dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll. Erfolgt die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen grundstücksbezogen, können nach dem Grundsatz der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit nur solche Grundstücke herangezogen werden, deren Eigentümer aus der Möglichkeit, die ausgebauten Straßen in Anspruch zu nehmen, einen Sondervorteil schöpfen könne, der sich von dem der Allgemeinheit der Straßennutzer unterscheide. Die Erhebung von Beiträgen [erfordere] hiernach hinreichende sachliche Gründe, welche eine individuelle Zurechnung des mit dem Beitrag belasteten Vorteils zum Kreis der Belasteten rechtfertigen“.156 Es stellte weiter heraus, dass auch der einem Beitrag zugrundeliegende Sondervorteil in diesem Fall grundstücksbezogen definiert werden müsse, soweit die Beitragserhebung grundstücksbezogen erfolge.157 Dieser könne beispielsweise „in einer Erhöhung des Gebrauchswertes des Grundstücks durch die Belegenheit in einem verkehrsmäßig erschlossenen Gebiet oder in der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage bestehen, welche ihrerseits den Gebrauchswert des Grundstücks steigert“.158 Eine Steigerung des Verkehrswerts sei jedoch nicht erforderlich.159 Auch weitergehende verpflichtende Anforderungen – wie beispielsweise die Existenz eines „funktionalen Zusammenhangs“ zwischen Verkehrsanlagen und den mit einem Ausbaubeitrag belasteten Grundstücken – seien verfassungsrechtlich nicht geboten.160 Es sei lediglich zu beachten, dass sich der Sondervorteil, „dessen Inanspruchnahme durch die Erhebung des Beitrags ausgeglichen werden soll[e], nicht in der Weise auflösen [dürfe], dass Beitragspflichtige keinen größeren Vorteil aus der potentiellen Inanspruchnahme der Gegenleistung ziehen können als die nicht beitragspflichtige Allgemeinheit“.161 „Der für die Beitragserhebung erforderliche Sondervorteil der Beitragspflichtigen lieg[e] in der Möglichkeit des Zugangs von ihren Grundstücken zu den öffentlichen Verkehrsanlagen. Bei verfassungskonformer Auslegung von § 10a KAG RP und einer entsprechenden Umsetzung durch den jeweils zuständigen Satzungsgeber [sei] ein durch den Ausbau von Verkehrsanlagen bedingter Sondervorteil sämtlicher Abgabenpflichtigen hinreichend individuell zurechenbar. Die Erhebung wiederkehrender Beiträge durch Satzung nach § 10a KAG RP führe bei verfassungskonformer Auslegung auch nicht zu einer Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, weil sämtliche Grundstücke innerhalb einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung abgabepflichtig wären, obwohl sie durch die Ausbaumaßnahme wesentlich unterschiedlich begünstigt [seien], sofern mit der Anlage ein Vorteil für das Grundstück, an das der Beitrag anknüpft, verbunden [sei]“.162 156

BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 22. BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 22. 158 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 22. 159 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 22. 160 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 22 f. 161 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 23. 162 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 23. 157

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

Spezielle Ausführungen zum Aspekt der wiederkehrenden Erhebung lässt das Bundesverfassungsgericht allerdings leider vermissen.163 Da es jedoch den wiederkehrenden Straßenausbaubeitrag als verfassungskonform eingestuft hat, ist davon auszugehen, dass gegen eine wiederkehrende Beitragserhebung verfassungsrechtlich nichts zu erinnern ist, sofern die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Beitragsrechts eingehalten sind. Daraus ergibt sich, dass eine wiederkehrende Erhebung des ÖPNV-Beitrags ebenfalls als verfassungskonform einzuschätzen ist.

IV. Zwischenergebnis Die vorgehende Untersuchung zeigt, dass die Umlagefinanzierung des ÖPNV sich – zumindest dem Grunde nach164 – durch die Erhebung einer „ÖPNV-­Abgabe“ in Form eines Beitrags realisieren lässt. Auch gegen den wiederkehrenden Charakter der Erhebung ist angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum wiederkehrenden Straßenausbaubeitrag verfassungsrechtlich nichts einzuwenden. Im Folgenden soll daher nicht mehr von der allgemeinen „ÖPNVAbgabe“, sondern von dem „ÖPNV-Beitrag“ die Rede sein.

D. Status quo: Rechtslage de lege lata Mit der Einführung eines ÖPNV-Beitrags wird grundsätzlich „juristisches Neuland“ betreten, da es de lege lata weder ein derartiges Rechtsinstitut noch eine geeignete Rechtsgrundlage für eine solche Beitragserhebung in unserer Rechtsordnung gibt. Allerdings kann die Untersuchung von bereits bestehenden, in einzelnen Punkten mit dem ÖPNV-Beitrag vergleichbaren, Rechtsinstituten dabei helfen, erste Erkenntnisse zu gewinnen und diese für die Umsetzung des ÖPNV-Beitrags fruchtbar zu machen. In Betracht hierfür kommt zunächst der kommunale Anschluss- und Benutzungszwang als Beispiel für eine Anschlussverpflichtung an eine öffentliche Einrichtung, die selbständig von Kommunen durch Satzung geregelt werden kann. Ebenfalls geeignet erscheint das – mittlerweile juristisch anerkannte – Semesterticket, das einem ÖPNV-Beitrag bereits sehr nahekommt und sich lediglich durch seinen Umfang, den Kreis der Abgabenschuldner und diverse Besonderheiten des Hochschulrechts von dem ÖPNV-Beitrag unterscheidet. Abschließend soll auch die Rechtsprechung zu den Rundfunkbeiträgen herangezogen werden.

163

So auch Gramlich, NJ 2014, 519, 522. Welche konkreten materiellrechtlichen Anforderungen an die Einführung eines ÖPNVBeitrags zu stellen sind, ist Gegenstand der weiteren Untersuchung und muss insbesondere bei dem Entwurf der Ermächtigungsgrundlage berücksichtigt werden. 164

D. Status quo: Rechtslage de lege lata

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I. Der Anschluss- und Benutzungszwang Ein ordnungsgemäßer Betrieb vieler Versorgungseinrichtungen ist den Kommunen häufig ausschließlich dann möglich, wenn ihnen die Möglichkeit offensteht, die Bürger zu deren Benutzung durch Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs anzuhalten.165 Gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO166 können Gemeinden den Anschluss an die Wasserversorgung, die Abwasserbeseitigung, die Abfallentsorgung, die Straßenreinigung und ähnliche, der Gesundheit dienenden Einrichtungen in einer Satzung aus Gründen des öffentlichen Wohls vorschreiben und vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Vorschriften die Benutzung dieser Einrichtungen, Bestattungseinrichtungen und von Schlachthöfen zur Pflicht machen. All diese in Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO genannten gemeindlichen Tätigkeitsbereiche haben gemeinsam, dass sie auf die Sicherung der Volksgesundheit abzielen, also der Prävention von Krankheiten dienen.167 Zur Finanzierung dieser Einrichtungen werden von der Gemeinde – getrennt von der Anschluss- und Benutzungs-Satzung – entsprechende Beitrags- und Gebührensatzungen gemäß Art. 5 und 8 sowie 9 KAG168 erlassen.169 Unter dem Anschluss an eine gemeindliche Einrichtung versteht man die „Verpflichtung, alle Vorkehrungen zu treffen oder zu dulden, die eine jederzeitige Benutzung einer Einrichtung ermöglichen“.170 Dazu zählen unter anderem die Herstellung der erforderlichen Verbindungen wie Grundstücks- oder Hausanschlüsse sowie die Anschaffung der notwendigen Gegenstände  – im Fall der Abfallentsorgung beispielweise der Erwerb von Mülltonnen.171 Auch die Vorgabe konkreter Einzelheiten wie Lage, Führung, technische Ausgestaltung oder Fassungsvermögen des Anschlusses ist grundsätzlich möglich, sofern dies zur Durchsetzung 165 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 488; vgl. auch Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 170. 166 Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. S. 796, BayRS 2020–1-1-I), die zuletzt durch Art. 17a Abs. 2 des Gesetzes vom 13. Dezember 2016 (GVBl. S. 335) geändert worden ist. 167 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 12. 168 Bayerisches Kommunalabgabengesetz (KAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl. S. 264, BayRS 2024–1-I), das zuletzt durch das Gesetz vom 13. Dezember 2016 (GVBl. S. 351) geändert worden ist. 169 Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 323. 170 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 489; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht Rn. 320; Lissack, Bayerisches Kommunalrecht, § 2 Rn. 83; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 8; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 8; Glaser/Hermann/ Marcic-Schaller/Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn. 8; Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 7; Brüning, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht III, § 64 Rn. 204; Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 Rn. 3; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 13. November 1953, E 7, 12, 17. 171 Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art, 24 GO Rn. 8; vgl. auch Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 8.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

des Anschluss- und Benutzungszwangs erforderlich ist.172 Im Regelfall wird das gesamte Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinne – sog. Buchgrundstück173 – von dem Anschlusszwang erfasst.174 Etwas Anderes kann sich jedoch dann ergeben, wenn die Behandlung einer Teilfläche als selbständige wirtschaftliche Einheit im Hinblick auf den Anschluss an die öffentliche Einrichtung als sinnvoll und erforderlich erscheint.175 Ob dies der Fall ist, ergibt sich jedoch nicht aus dem Willen des Grundstückseigentümers, der örtlichen Verkehrsanschauung oder der gegenwärtigen, jederzeit veränderbaren tatsächlichen Nutzung, sondern richtet sich allein nach dem Nutzen des Grundstücks für die öffentliche Einrichtung und den planerischen Vorstellungen.176 Durch den Anschlusszwang wird derjenige verpflichtet, der die Lasten trägt – gewöhnlich also der Grundstückseigentümer.177 In Betracht kommt jedoch auch die Verpflichtung von Erbbauberechtigten178, von Gewerbetreibenden in Bezug auf die Abfallbeseitigung oder die Inanspruchnahme von allgemein zur Nutzung des Grundstücks befugten Personen.179 Von dem Anschlusszwang an eine öffentliche Einrichtung wird nicht automatisch auch die Verpflichtung zu deren Benutzung umfasst; vielmehr muss dieser Benutzungszwang, aus dem eine Monopolstellung180 der Gemeinde resultiert, gesondert  – neben dem Anschlusszwang  – angeordnet werden.181 Zu beachten 172

Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 8. Ein Buchgrundstück ist „jeder gegen andere Teile räumlich abgegrenzte Teil der Erdoberfläche, der auf einem besonderen Grundbuchblatt unter einer besonderen Nummer im Verzeichnis der Grundstücke eingetragen ist“, Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 200 Rn. 3; Kalb/Külpmann, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 200 Rn.  1; Grziwotz, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, § 200 Rn. 1; vgl. auch RG, Urteil vom 12. März 1914, RGZ 84, 265, 270; BVerwG, Urteil vom 1. April 1981, BayVBl. 1981, 471, 471; Urteil vom 2. Juli 1982, E 66, 69, 70. 174 Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 8; Bauer/ Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 8; vgl. ähnlich auch Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 7; Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 2 Rn. 498; Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 170. 175 Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 8; vgl. auch Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 8. 176 Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 8; vgl. auch Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 8, ebenso BayVGH, Urteil vom 11. Januar 1985, BayVBl. 1985, 495, 496 f.; Urteil vom 4. Oktober 2001, BayVBl. 2002, 148, 148. 177 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 498; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 8. 178 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art.  24 GO Rn.  8; Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 7. 179 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 498; vgl. auch Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 8; Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 7 f. 180 Glaser/Hermann/Marcic-Schaller/Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn. 8; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 16. 181 Glaser/Hermann/Marcic-Schaller/Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn. 8; vgl. auch Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 11, der von einer „Koppelung“ von Anschluss- und Benutzungszwang bei leitungsgebundenen Einrichtun 173

D. Status quo: Rechtslage de lege lata

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ist jedoch, dass ein Anschlusszwang nur in Verbindung mit einem Benutzungszwang vorgeschrieben werden kann.182 Demgegenüber ist die Anordnung eines Benutzungszwangs auch ohne eine Anschlussverpflichtung möglich – dies ist zum Beispiel bei Bestattungseinrichtungen und Schlachthöfen der Fall.183 Der Benutzungszwang definiert sich als die „Verpflichtung, die Einrichtung auch tatsächlich oder ausschließlich zu benutzen“.184 Daraus ergibt sich, dass bei der Anordnung eines Benutzungszwangs nicht primär die Inanspruchnahme einer gemeindlichen Einrichtung im Vordergrund steht, sondern dass es vielmehr darum geht, die Benutzung anderer Einrichtungen auszuschließen.185 Mit dem Nutzungsverbot von eventuell bestehenden, eigenen Anlagen geht somit deren Stilllegung – nicht aber deren Unbrauchbarmachung oder gar Beseitigung – einher.186 Damit ein Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet werden kann, muss die gemeindliche Einrichtung eine ausreichende Leistungsfähigkeit besitzen.187 Das bedeutet, dass mit dem Anschluss- und Benutzungszwang auch ein subjektives Recht des Bürgers auf Anschluss und Benutzung einhergeht.188 Kann eine uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit des Bürgers nicht gewährleistet werden, so entfällt dessen korrespondierende Verpflichtung.189 Gleiches gilt, wenn der Anschluss an die öffentliche Einrichtung technisch nicht möglich ist.190 gen spricht; ebenso Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 8; Prandl/Zimmermann/Büchner/ Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 16. 182 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 11. 183 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 11; Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 8. 184 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 490; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht Rn. 320; Lissack, Bayerisches Kommunalrecht, § 2 Rn. 85; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 16; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 7; Glaser/Hermann/ Marcic-Schaller/Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn. 8; Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 8; vgl. auch Brüning, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht III, § 64 Rn. 204; Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 Rn. 3. 185 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 7; vgl. auch Glaser/ Hermann/Marcic-Schaller/Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn. 8; ebenso Oehler, in: PdK BayGO, Bd.  B1, Art.  24 S.  8; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 16. 186 Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 8; Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 S. 5. 187 BayVGH, Urteil vom 17. Dezember 1954, E 8, 15, 20; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller/ Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn. 8; vgl. auch i. E. Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 10. 188 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 10; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 8; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 323; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 17. Dezember 1954, E 8, 15, 19. 189 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 10; vgl. auch Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 7 f., der davon ausgeht, dass der Anschluss sowohl rechtlich als auch tatsächlich möglich sein müsse. 190 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 10; vgl. ebenso Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 8, wonach „der Anschluss erst dann verlangt werden [könne], wenn eine ausreichende Anschlussmöglichkeit besteh[e]“.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

1. Rechtfertigung durch Gründe des öffentlichen Wohls Die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs setzt voraus, dass dieser durch „Gründe des öffentlichen Wohls“ geboten ist.191 Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff192, der gerichtlich voll überprüfbar ist,193 sodass der Gemeinde im Rahmen ihrer Entscheidung kein Ermessensspielraum zukommt.194 Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „Gründe des öffentlichen Wohls“ kann sich im konkreten Fall schwierig gestalten, da von ihm eine „Vielzahl von Zwecken und Sachverhalten“ erfasst wird.195 Das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Wohls kann in der Regel dann angenommen werden, „wenn unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Werteordnung die Aufgabe für die Allgemeinheit nur durch den Anschluss- und Benutzungszwang ausreichend erfüllt werden kann und der Anschluss- und Benutzungszwang grundsätzlich zumutbar ist“.196 Aus der allgemeinen Erstreckung der Ermächtigungsnorm auf „ähnliche der Gesundheit dienende Einrichtungen“ wird jedoch deutlich, dass vorrangig Gesichtspunkte der Volksgesundheit erfasst werden sollen.197 Es können jedoch auch andere Kriterien – z. B. Umwelt- oder Feuerschutz – Berücksichtigung finden.198 Gleichzeitig heißt dies aber auch, dass rein fiskalische Erwägungen nicht ausreichen, um einen Anschluss- oder Benutzungszwang zu rechtfertigen.199 Daraus folgt allerdings nur, dass stets ein anderer Grund (zusätzlich) zur bloßen Einnahmen 191

Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 13. Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 7; Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 8; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art.  24 GO Rn.  13; Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 2 Rn. 497; Lissack, Bayerisches Kommunalrecht, § 2 Rn. 87. 193 BayVGH, Urteil vom 30. Juli 1954, E 7, 139, 140 f.; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 7; Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 8; Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 2 Rn. 497. 194 Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 6 und S. 8. 195 BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 1968, E 24, 367, 403; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 13. 196 Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 8. 197 Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 9; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller/Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn. 6; Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/ Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 2 Rn. 497; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 7; vgl. auch Röhl, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 1. Kap. Rn. 167; vgl. auch Brüning, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht III, § 64 Rn. 205; vgl. auch Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 323; Hölzl/ Hien/Huber, GO, Art. 24 S. 5; vgl. dazu auch die Rspr. des BayVGH, Urteil vom 13. November 1953, E 7, 12, 21; Urteil vom 17. März 1961, E 14, 24, 25. 198 Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 9; vgl. auch Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 S. 5. 199 BayVGH, Urteil vom 13. November 1953, E 7, 12, 21; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 6; Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 9; Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 2 Rn. 497; Prandl/ Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 7; Lissack, Bayerisches Kommunalrecht, § 2 Rn. 88; vgl. auch Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 S. 5. 192

D. Status quo: Rechtslage de lege lata

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erzielung vorgebracht werden muss.200 Wenn also Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, vermag auch der wirtschaftliche Betrieb einer Einrichtung einen Anschluss- und Benutzungszwang zu rechtfertigen.201 Dabei darf allerdings nicht verkannt werden, dass finanzielle Gesichtspunkte sehr wohl auch ausschlaggebend dafür sein können, ob eine Einrichtung sinnvoll betrieben werden kann, denn dafür ist häufig erforderlich, dass sich alle beteiligen, die als potentielle Benutzer in Betracht kommen.202 Aus diesem Grund ist anerkannt, dass es gerade nicht erforderlich ist, dass bei jedem einzelnen zu Anschluss und Benutzung Verpflichteten tatsächlich Gründe des öffentlichen Wohls gegeben sind.203 Somit schadet es zum Beispiel nicht, „wenn bei der Wasserversorgung Großabnehmer, die mit gleichem oder geringerem Aufwand eine eigene Versorgungseinrichtung betreiben könnten, allein aus finanziellen Erwägungen dem Anschluss- und Benutzungszwang unterworfen werden“.204 In solchen Fällen können auch allein finanzielle Erwägungen eine Teilnahmepflicht rechtfertigen.205 Wichtig ist, dass es sich bei den Gründen des öffentlichen Wohls weder um zwingende noch um dringende Gründe handeln muss.206 Es ist vielmehr grundsätzlich ausreichend, „wenn nach objektiven Maßstäben das Wohl der Gemeindeeinwohner gefährdet ist und durch den Anschluss- und Benutzungszwang die bestehenden Gefahren abgewendet werden sollen“.207 Die Prüfung, ob Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, erfolgt durch den Gemeinderat.208 Dabei kommt es nicht auf den Einzelfall, sondern auf die Gesamt-

200 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 497; vgl. auch Lissack, Bayerisches Kommunalrecht, § 2 Rn. 88; vgl. auch Röhl, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 1.  Kap. Rn.  167, der davon ausgeht, dass „bei der Frage des Gebietszuschnitts auch fiskalische Überlegungen einer Rentabilität der Einrichtung“ als Nebenzweck beachtet werden müssen; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 13. November 1953, E 7, 12, 21 f. 201 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 497. 202 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 15. 203 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 15; vgl. auch Glaser/ Hermann/Marcic-Schaller/Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 GO Rn. 6; Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 9; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 13. November 1953, E 7, 12, 22; Urteil vom 17. März 1961, E 14, 24, 26. 204 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 15. 205 BayVerfGH, Entscheidung vom 23. Dezember 2004, Vf. 6-VII-03 – juris Rn. 39; Bauer/ Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 15. 206 BayVGH, Urteil vom 17.  März 1961, E  14, 24, 25 f.; Urteil vom 26.  September 2007, 4  B  03.1319  – juris Rn.  16; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art.  24 GO Rn. 13; vgl. auch Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 9; vgl. auch Becker, in: Becker/ Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 2 Rn. 497; Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 S. 5. 207 Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 9; ähnlich auch Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 S. 5; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 26. September 2009, 4 B 03.1319 – juris, Rn. 16. 208 Glaser/Hermann/Marcic-Schaller/Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn. 6.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

anschlüsse in der Gemeinde an.209 Aber auch der Aufsichtsbehörde steht das Recht und die Verpflichtung zu, zu überprüfen, ob das genannte Tatbestandsmerkmal erfüllt ist.210 Gleiches gilt für den Verwaltungsrichter.211 Zu beachten ist ferner, dass es sich beim Anschluss- und Benutzungszwang grundsätzlich um eine Regel handelt, die auch nicht durch die Autarkie des Pflichtigen durchbrochen werden kann.212 Das bedeutet, dass auch derjenige, der sich beispielsweise aus eigener Quelle mit einwandfreiem Trinkwasser versorgen könnte, dennoch anschluss- und benutzungspflichtig ist, sofern keine besonderen Befreiungsgründe vorliegen.213 2. Ausgestaltung eines Anschluss- und Benutzungszwangs Durch die satzungsrechtliche Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs wird in die Grundrechte der anschluss- und benutzungspflichtigen Grundstückseigentümer eingegriffen.214 Aus diesem Grund ist es notwendig, dass in der Satzung eine erkennbare Konkretisierung des Umfangs der Eingriffe für die Betroffenen erfolgt, um dem Bestimmtheitsgebot Rechnung zu tragen.215 In der Satzung sind deshalb insbesondere die Bereitstellung der Einrichtung und deren Art, die Art von Anschluss und Benutzung, der Kreis der Verpflichteten sowie Ausnahmetatbestände bzw. Beschränkungen des Zwangs zu regeln.216 Gerade die Normierung von Ausnahmetatbeständen bzw. Befreiungsmöglichkeiten ist elementar, da sich die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs im Einzelfall als unverhältnismäßig herausstellen kann.217 Wichtig ist dabei jedoch, dass Ausnahmen in der Sache nur hinsichtlich spezifischer, mit dem Zwang verbundener Belastungen erteilt werden können.218 Sie können gerade nicht auf mangelnde Liquidität des 209

Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 9; vgl. auch Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 15; vgl. auch i. E. Glaser/Hermann/Marcic-Schaller/Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn. 6. 210 Glaser/Hermann/Marcic-Schaller/Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn. 6. 211 Glaser/Hermann/Marcic-Schaller/Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn. 6. 212 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 25. 213 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 15. 214 Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 6; Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/ Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 2 Rn. 499. 215 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 499. 216 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 499. 217 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 500. 218 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 500.

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Betroffenen gestützt werden.219 Die weiteren Satzungsinhalte werden in Art.  24 Abs. 2 bis Abs. 4 GO normiert.220 3. Unionsrechtliche Aspekte des Anschluss- und Benutzungszwangs Die Einführung eines Anschluss- und Benutzungszwangs weist keine großen unionsrechtlichen Schwierigkeiten auf, da weder eine Verletzung der Niederlassungs- (Art. 49 AEUV) noch der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 f. AEUV) stattfindet.221 Es lässt sich bereits darüber streiten, ob überhaupt ein Eingriff in die genannten Grundfreiheiten angenommen werden kann.222 Dies liegt daran, dass bei der unterschiedslos geltenden Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs bereits kein Bezug zum Marktzugang erkennbar ist.223 Vielmehr ist höchstens die Berufsausübung betroffen.224 Möchte man dennoch  – bei weiter Auslegung des Eingriffsbegriffs – das Vorliegen eines Eingriffs annehmen, so ist dieser jedenfalls gerechtfertigt, da der Anschluss- und Benutzungszwang – unterstellt, er genügt den gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Anforderungen – gleichzeitig dem Schutz der Gesundheit im Sinne von Art. 52 bzw. Art. 62 AEUV dient.225 4. Verfassungsrechtliche Aspekte des Anschluss- und Benutzungszwangs Durch die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs wird in grundrechtlich geschützte Rechtsgüter der Betroffenen eingegriffen. Vorrangig ist dabei die mögliche Verletzung der Eigentumsfreiheit zu betrachten.226 Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG normiert, dass eine Enteignung nur durch Gesetz (Legalenteignung) oder aufgrund eines Gesetzes (Administrativenteignung) erfolgen darf,

219 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Rn. 500. 220 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Rn. 501. 221 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Rn. 507. 222 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Rn. 507. 223 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Rn. 507. 224 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Rn. 507. 225 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Rn. 507. 226 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 16.

Bayern, Teil  2 Bayern, Teil  2 Bayern, Teil  2 Bayern, Teil  2 Bayern, Teil  2 Bayern, Teil  2 Bayern, Teil  2

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt.227 Enteignung meint dabei die „vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben“.228 Damit findet ein Zugriff des Staates auf das Eigentum des Einzelnen statt, wodurch die rechtliche Zuordnung eines eigentumsrechtlich geschützten Vermögensgutes zu dem bisherigen Rechtsinhaber aufgelöst wird.229 Art. 24 GO enthält jedoch keine Entschädigungsregelung und eine gemeindliche Satzung kann nicht als formelles Gesetz qualifiziert werden, sodass dem Anschluss- und Benutzungszwang keine enteignende Wirkung zukommen darf.230 Demgegenüber werden Inhalt und Schranken des Eigentums jedoch gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Gesetze bestimmt. Darunter fällt auch eine – auf der Grundlage von Art. 24 GO erlassene – gemeindliche Satzung, die ein Gesetz im materiellen Sinne darstellt.231 Wird ein Anschluss- und Benutzungszwang aus Gründen des Allgemeinwohls für kommunale Einrichtungen der Daseinsvorsorge eingeführt, so kann darin nach ganz herrschender Auffassung grundsätzlich kein enteignender Eingriff in das Grundeigentum oder in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gesehen werden.232 Es handelt sich dabei in der Regel lediglich um eine „Inhaltsbestimmung und Konkretisierung der Sozialbindung des 227 Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 14 Rn. 109; vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14 Rn. 522; Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 S. 6; zu den Begriffen der Legal- und Administrativenteignung vgl. Manssen, Staatsrecht II, Rn. 718 f.; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 17. 228 St. Rspr. des BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 1968, E 24, 367, 394; Beschluss vom 12. November 1974, E 38, 175, 180; Urteil vom 8. Juli 1976, E 42, 263, 299; Beschluss vom 12. Juni 1979, E 52, 1, 27; Beschluss vom 15. Juli 1981, E 58, 300, 331, Beschluss vom 20. März 1984, E 66, 248, 257; Beschluss vom 19. Juni 1985, E 70, 191, 199 f.; Beschluss vom 7. Dezember 2004, E 112, 93, 109; Axer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 14 Rn. 73; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 525; Manssen, Staatsrecht II, Rn. 705 f. hält richtigerweise die negative Definition des BVerfG für „verunglückt“, da „es bei der Enteignung nicht primär um die Entziehung, sondern um die Erfüllung von öffentlichen Aufgaben mittels des zu entziehenden Gegenstandes [gehe]. Der Enteignungsbegriff […] [sei vielmehr] positiv zu definieren. Eine Enteignung lieg[e] deshalb vor, wenn es zu einem Güterbeschaffungsvorgang [komme]“. 229 Axer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 14 Rn. 73. 230 BayVerfGH, Entscheidung vom 12.  November 1963, E  16, 128, 132; Beschluss vom 29.  Juni 1977, E  30, 67, 72; Hölzl/Hien/Huber, GO, Art.  24 S.  6; Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 9. 231 Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 S. 6; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller/Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn. 9, die klarstellen, dass es unschädlich sei, dass die Anschluss- und Benutzungsverpflichtung „nur mittelbar auf einem förmlichen Gesetz unmittelbar aber auf einer Satzung beruh[e]“. 232 Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 S. 6 f.; vgl. auch Glaser/Hermann/Marcic-Schaller/Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn. 9; Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S.  9; Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn.  503; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art.  24 GO Rn.  17; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 17. Dezember 1954, E 8, 15, 19; Urteil vom 13. November 1953, E 7, 12, 23 f.; Urteil vom 17. März 1961, E 14, 24, 26; BGH, Urteil vom 30. September 1963, BGHZ 40, 355, 358 f.; Urteil vom 22. Mai 1980, BGHZ 77, 179, 181 f.

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Eigentums, das von vornherein mit der Pflichtigkeit der jederzeitigen Einführung des Anschluss- und Benutzungszwangs belastet ist“.233 Dabei muss beachtet werden, dass jede „gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung sowohl die grundlegende Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums im herkömmlichen Sinne zu beachten hat [und] auch mit allen übrigen Verfassungsnormen in Einklang stehen mu[ss], also insbesondere dem Gleichheitssatz, dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und den Prinzipien der Rechtsund Sozialstaatlichkeit“.234 Dabei dürfen „Inhalt und Schranken des Eigentums nicht in einer Weise [bestimmt werden], die grob sachwidrig ist und in die Interessen der Beteiligten ohne Grund oder übermäßig eingreift“.235 Ist der Anschlussund Benutzungszwang im Einzelfall mit besonders schweren Nachteilen für den Grundstückseigentümer verbunden und überschreiten diese das den übrigen anschlusspflichtigen Grundstückseigentümern zumutbare Maß erheblich, so muss angesichts des bereits erforderlichen Sonderopfers zugunsten der Allgemeinheit von einem enteignungsgleichen Eingriff ausgegangen werden, der einen Entschädigungsanspruch beinhaltet.236 Da – wie bereits gezeigt – die Gemeindeordnung eine solche Entschädigungsregelung nicht enthält und die Regelung einer solchen in einer Satzung unzulässig ist,237 müssen diese Fälle vom Anwendungsbereich des Anschluss- und Benutzungszwangs ausgenommen werden.238 Zu diesem Zweck müssen die Gemeinden für solche Grundstückseigentümer, die durch die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs mit einem Sonderopfer belastet wären, eine Befreiungsmöglichkeit vorsehen239, da ansonsten die gesamte Satzung wegen der enteignenden Wirkung bzw. wegen des Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 GG insoweit nichtig wäre.240 Zu beachten ist dabei, dass auch bei der Schaffung der Befreiungsregelung der Bestimmtheitsgrundsatz gewahrt werden muss.241 233

Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 S. 7; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller/Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn. 9; Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 9; Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 2 Rn. 503; vgl. auch Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 17. Mit dem übereinstimmend ist auch das Meinungsbild in der Rechtsprechung: BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 1997, BayVBl. 1998, 602, 602; BGH, Urteil vom 30. September 1963, BGHZ 40, 355, 360 f.; Urteil vom 30. September 1970, BGHZ 54, 293, 297; Urteil vom 22. Mai 1980, BGHZ 77, 179, 181 f. 234 BVerfG, Entscheidung vom 7. August 1962, E 14, 263, 277; Beschluss vom 1. Juli 1964, E 18, 121, 132; Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 S. 7. 235 BVerfG, Entscheidung vom 7. August 1962, E 14, 263, 277; Beschluss vom 1. Juli 1964, E 18, 121, 132; Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 S. 7. 236 Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 9; vgl. dazu auch Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 18. 237 Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 9; Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 S. 6. 238 Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 9. 239 Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 9; Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 S. 7; Bauer/ Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 18. 240 Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 S. 7; Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 10. 241 Die bloße Regelungsaussage „Ausnahmen können zugelassen werden“ ist gerade nicht ausreichend. Möglich wäre folgender Regelungsinhalt: „Von der Pflicht zum Anschluss- und Benutzungszwang wird auf Antrag ganz oder teilweise befreit, wenn der Anschluss oder die

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5. Übertragung rechtlicher Wertungen des Anschluss- und Benutzungszwangs auf den ÖPNV-Beitrag Unter einem Anschlusszwang versteht man die „Verpflichtung, alle Vorkehrungen zu treffen oder zu dulden, die eine jederzeitige Benutzung einer Einrichtung ermöglichen“.242 Damit sind in erster Linie die Herstellung der erforderlichen Verbindungen wie Grundstücks- und Hausanschlüsse sowie die Anschaffung der notwendigen Gegenstände wie zum Beispiel der Erwerb von Mülltonnen für die Abfallentsorgung gemeint.243 Auf den ersten Blick erscheint dies kaum mit dem ÖPNV-Beitrag vergleichbar zu sein. Zwar erfordert der ÖPNV-Beitrag keine physischen Vorkehrungen, wie dies zum Beispiel beim Anschluss an die Abwasserversorgung der Fall ist, allerdings können dennoch gewisse Parallelen gezogen werden. Die Beitragsschuldner werden dazu verpflichtet, für die (abstrakte) unbeschränkte Nutzungsmöglichkeit von Beförderungsleistungen des ÖPNV einen Beitrag an die Aufgabenträger zu bezahlen. Die dadurch generierten Mittel werden verwendet, um die ÖPNV-Infrastruktur so zu gestalten und gegebenenfalls auszubauen, dass allen Beitragsschuldnern eine angemessene Benutzung der angebotenen Beförderungsleistungen ermöglicht werden kann. Somit müssen die durch den ÖPNVBeitrag Verpflichteten zwar nicht unmittelbar Vorkehrungen treffen oder dulden, allerdings sind sie dennoch mittelbar durch die Beitragsleistung an der Schaffung geeigneter Vorkehrungen für die adäquate Nutzung der angebotenen Beförderungsleistungen beteiligt. Es ist deshalb sachgerecht, bestimmte Ausgestaltungen und Voraussetzungen des Anschluss- und Benutzungszwangs auf den ÖPNV-Beitrag zu übertragen. a) Satzungsermächtigung als Flexibilitätsfaktor Die Ermächtigungsgrundlagen für die Einführung eines Anschluss- und Benutzungszwangs in Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO und Art. 18 Abs. 1 Nr. 2 LKrO sind als Satzungsermächtigungen ausgestaltet. Damit geht der Vorteil einher, dass es den Benutzung aus besonderen Gründen auch unter Berücksichtigung der Gründe des öffentlichen Wohls nicht zumutbar ist“. Vgl. dazu Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 10. 242 Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil  2 Rn. 489; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht Rn. 320; Lissack, Bayerisches Kommunalrecht, § 2 Rn. 83; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 8; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 8; Glaser/Hermann/ Marcic-Schaller/Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn. 8; Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 7; Brüning, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht III, § 64 Rn. 204; Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 24 Rn. 3; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 13.  November 1953, E  7, 12, 17. Ausführlich zum Anschluss- und Benutzungszwang unter Kapitel 5 D. I. 243 Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 8; vgl. auch Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 8. Ausführlich zum Anschlusszwang im Allgemeinen unter Kapitel 5 D. I.

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Gemeinden und Landkreisen ermöglicht wird, selbständig zu entscheiden, ob und in welcher konkreten Ausgestaltung von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht werden soll. Zudem können die Besonderheiten und Eigenarten des Gemeinde-/ Kreisgebiets berücksichtigt und individuelle Regelungen getroffen werden. Diese juristische Ausgestaltung birgt auch für den ÖPNV-Beitrag einige Vorteile. Wird den Aufgabenträgern des ÖPNV244 – in der Regel den Landkreisen oder kreisfreien Gemeinden – eine Satzungsermächtigung an die Hand gegeben, so wird damit nicht nur der kommunalen Selbstverwaltung Rechnung getragen, sondern es wird ihnen auch die Flexibilität gegeben, die finanziellen und infrastrukturellen Gegebenheiten des ÖPNV in ihrem Kreisgebiet zu ermitteln. Dadurch können bedarfsgerechte und reflektierte Entscheidungen über die Einführung eines ÖPNV-Beitrags getroffen und die konkrete Ausgestaltung des ÖPNV-Beitrags kann an die Situation im Kreisgebiet angepasst werden. Dies ist gerade auch im Hinblick auf eines der angestrebten Hauptziele des ÖPNV-Beitrags  – das Mobilitätsbedürfnis der Kreisangehörigen durch die Schaffung und Sicherstellung einer angemessenen Verkehrsbedienung zu befriedigen, indem die Finanzierung des ÖPNV auf ein solides Fundament gestellt wird – wichtig, denn nur, wenn individuelle Entscheidungen getroffen werden können, kann auch die Funktionsfähigkeit des ÖPNV verbessert werden. b) Kriterium der Leistungsfähigkeit als grundrechtliches Korrektiv Die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs ist eng mit der Leistungsfähigkeit der Gemeinde verbunden.245 Daraus ergibt sich, dass ein Anschlussund Benutzungszwang ausschließlich dann eingeführt werden kann, wenn eine uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit für die Bürger gewährleistet ist, da diesen ein subjektives Recht auf Anschluss- und Benutzung der jeweiligen gemeindlichen Einrichtung zukommt.246 Dieses Kriterium der Leistungsfähigkeit der staatlich handelnden Behörde als Ausgangspunkt dafür, dass Bürger überhaupt zu einer bestimmten Leistung verpflichtet werden können, erscheint auch für den ÖPNVBeitrag sachgerecht und hinsichtlich gleichheitsrechtlicher Erwägungen sogar zwingend geboten. Zwar ist es dem Beitragsrecht immanent, dass Beiträge lediglich an Vorteile anknüpfen, die den Schuldnern alleine durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung zukommen und es daher nicht 244

Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayÖPNV normiert, dass die Planung, Organisation und Sicherstellung des allgemeinen ÖPNV als freiwillige Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Gemeinden im eigenen Wirkungskreis einzustufen ist. Näheres dazu unter Kapitel 2 B. II. 1. b) cc) (2). 245 BayVGH, Urteil vom 17. Dezember 1954, E 8, 15, 20; Glaser/Hermann/Marcic-Schaller/ Scharpf, in: Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 24 Rn 8; vgl. auch i. E. Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 10. Siehe dazu auch unter Kapitel 5 D. I. 246 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 10; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 24 GO Rn. 8; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 323; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 17. Dezember 1954, E 8, 15, 19.

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auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistung ankommt,247 allerdings kann ein solcher Vorteil erst dann angenommen werden, wenn die Inanspruchnahme auch tatsächlich möglich ist. Das bedeutet konkret für den ÖPNV-Beitrag, dass die Rechtmäßigkeit seiner Erhebung davon abhängig gemacht werden muss, ob die betroffenen Beitragsschuldner überhaupt von der – abstrakt angebotenen – Nutzungsmöglichkeit der ÖPNV-Leistungen profitieren können. Damit ist gemeint, dass der ÖPNV bereits so ausgestaltet sein muss, dass eine angemessene Verkehrsbedienung248 der Beitragsschuldner sichergestellt ist. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Beitragserhebung zunächst nur auf einen (leistungsfähigen) Teil des Einzugsgebiets der Aufgabenträger beschränkt werden muss und eine Erweiterung des Erhebungsgebiets mit einem sukzessiven Ausbau des ÖPNV-Netzes einhergeht. c) Kein Benutzungszwang in Bezug auf den ÖPNV Es ergeben sich jedoch auch wesentliche Unterschiede zwischen dem kommunalen Anschluss- und Benutzungszwang und dem ÖPNV-Beitrag. So ist mit der Einführung des Anschlusszwangs regelmäßig auch die Anordnung eines Benutzungszwangs verbunden.249 Eine solcher kann im Rahmen des ÖPNV-Beitrag jedoch gerade nicht begründet werden. Zwar wird den Kreisangehörigen als Gegenleistung für ihre Beitragsleistung die kostenlose Nutzung der angebotenen Beförderungsleistungen ermöglicht, allerdings soll und kann gerade keine Verpflichtung zur Nutzung dieses Angebots begründet werden. Gewiss verspricht man sich durch die Beitragserhebung positive Verlagerungswirkungen vom MIV zum ÖPNV, allerdings sollen diese gerade auf einer Kombination aus positiven Anreizen zur ÖPNV-Nutzung – Netzausbau, dichtere Taktzeiten, besserer Anschluss von Einkaufsmöglichkeiten – und dem Entgeltcharakter des Beitrags beruhen. d) Zwischenergebnis Aus der Betrachtung des kommunalen Anschluss- und Benutzungszwangs können wichtige Erkenntnisse fruchtbar gemacht werden. Obwohl dieses Rechtsinstitut offensichtlich nicht die Erhebung eines ÖPNV-Beitrags legitimieren kann, konnten dennoch bedeutende gemeinsame Anknüpfungspunkte gefunden werden, die wichtige Anhaltspunkte für den Verlauf der weiteren Untersuchung vorzeichnen. Zum 247

Lissack, Bayerisches Kommunalrecht, § 6 Rn. 2; Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/ Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Teil 2 Rn. 447; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 363; Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 168. 248 Welche Anforderungen an das Vorliegen einer „angemessenen Verkehrsbedienung“ zu stellen sind, ist im Rahmen des weiteren Verlaufs der Dissertation zu klären. 249 Demgegenüber kann ein Benutzungszwang auch selbständig festgelegt werden; vgl. dazu Bauer/Böhle/Ecker, Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 11; Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 8; vgl. dazu auch Kapitel 5 D. I.

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einen hat sich herausgebildet, dass sich bei dem Entwurf einer gesetzlichen Grundlage zur Erhebung des ÖPNV-Beitrags die konkrete Ausgestaltung in Form einer Satzungsermächtigung anbietet. Andererseits konnte das signifikante Kriterium der Leistungsfähigkeit, das sich beim ÖPNV-Beitrag in der Sicherstellung einer angemessenen Verkehrsbedienung niederschlägt, weiterentwickelt werden. Dieses ist vor allem in Bezug auf den Beitragscharakter sowie die Verfassungsmäßigkeit des ÖPNV-Beitrags von wesentlicher Bedeutung und ist im Rahmen der weiteren Untersuchung näher auszuarbeiten.

II. Das Semesterticket Die ersten bekannten Ansätze und Überlegungen zur Einführung eines sog. „Semestertickets250“ wurden von der Fachschaften-Vertreter-Versammlung der Universität Stuttgart getätigt.251 Diese erarbeitete unter dem Titel „Studienausweis als Semesterkarte“ ein Konzept, das die Erhöhung des Studentenwerksbeitrages um 100 DM pro Semester vorsah, wodurch – zusammen mit einer zusätzlichen Finanzierung des Landes Baden-Württemberg – allen Studierenden die Benutzung des ÖPNV im Kernbereich des Verkehrsverbundes Stuttgart (VVS) ermöglicht werden sollte.252 Unabhängig davon regten auch zwei Studenten der Fachhochschule Darmstadt (heute: Hochschule Darmstadt) Anfang 1991 die Initiative für ein Semesterticket an.253 Nachdem sowohl das Darmstädter Nahverkehrsunternehmen HEAG als auch die zuständigen Ministerien und Behörden ihre Unterstützung bzw. die erforderlichen Genehmigungen erteilt hatten,254 wurde im Wintersemester 1991/1992 an der Fachhochschule Darmstadt – zum ersten Mal an einer deutschen Hochschule – ein Semesterticket eingeführt.255 Seitdem war eine rasche Verbreitung der Einführung eines Semestertickets unter den deutschen Universitäten und Hochschulen zu beobachten.256 So konnten bereits vier Jahre nach der erstmaligen Einführung des Semestertickets in Darmstadt Semesterticketmodelle in 41 der damals insgesamt 144 Hochschulstädten verzeichnet werden.257 Bis heute wurden in einem Groß 250 Neben dem Begriff Semesterticket sind auch die Bezeichnungen Studententicket oder StudiTicket gebräuchlich. Vgl. dazu auch Windtbrodt, Das Semesterticket, S. 1, Fn. 1. 251 Blees, Tarifgestaltung von Studententickets, S. 34; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 3; Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 19. 252 Blees, Tarifgestaltung von Studententickets, S. 34. 253 Blees, Tarifgestaltung von Studententickets, S. 34; vgl. auch Weichbrodt, Das Semester­ ticket, S. 3; vgl. auch Schmidt, NVwZ 1992, 40, 40. 254 Blees, Tarifgestaltung von Studententickets, S. 35. 255 Blees, Tarifgestaltung von Studententickets, S. 35; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 1; Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 19; vgl. auch Beckmann, DÖV 1993, 340, 340; vgl. auch Schmidt, NVwZ 1992, 40, 40; vgl. auch Bracher/Gies/Schlünder/Warnecke, Die Finanzierung des ÖPNV durch Beiträge, S. 11. 256 Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 19; vgl. i. E. auch Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 3. 257 Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 19.

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teil der deutschen Universitäten und Hochschulen Semestertickets – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung258 – eingeführt.259 1. Begriff und Funktionsweise eines Semestertickets Das Semesterticket kann als „Tarif des Auszubildendenverkehrs, bei dem die Studierenden einer Hochschule gegen zwangsweise Zahlung eines einheitlichen Beitrages für die Dauer eines Semesters das Recht zur Beförderung im [ÖPNV] oder das Recht zum Erwerb eines verbilligten Zeitfahrausweises des [ÖPNV] erhalten“ definiert werden.260 Konkret bedeutet dies, dass die Studierenden ihren Studierendenausweis als Fahrschein für die Nutzung des ÖPNV in einem bestimmten Tarifgebiet benutzen können.261 Als Gegenleistung dafür wird ein Teilbetrag des (Pflicht-)Semesterbeitrags für die Finanzierung der laufenden Betriebskosten des ÖPNV aufgewendet.262 Die Besonderheit dieses bislang einzigartigen Tarifkonzepts263 besteht darin, dass alle Studierenden den für den ÖPNV gültigen Ausweis durch die Entrichtung des Semesterbeitrags automatisch bei der Einschreibung bzw. Rückmeldung erhalten – unabhängig davon, ob sie die Intention haben, die Beförderungsleistungen des ÖPNV in Anspruch zu nehmen.264 Genau in diesem Umstand liegt die zentrale Weichenstellung für das Semesterticket: Durch diese Kollektivregelung – also auch die Inanspruchnahme von Nichtnutzern des ÖPNV – wird erreicht, dass der Aufschlag auf den Semesterbeitrag, der für die ÖPNV-Nutzung erhoben wird, besonders günstig gehalten werden kann.265 Dadurch kann gewährleistet werden, dass das Semesterticket in der Regel erheblich preiswerter angeboten werden kann als der übliche Auszubildendentarif.266 Das Semester­ticket 258

Hauptsächlich ist zwischen dem Solidar-Modell und dem Sockelbetrags-Modell zu unterscheiden, Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 15 ff.; vgl. dazu auch Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 4 ff., der allerdings von einem „Ein-Komponenten-Modell“ und einem „Zwei-Komponenten-Modell“ bzw. einem „Zwei-Komponenten-Modell mit unmittelbarem Nutzeffekt“ spricht; ähnlich auch Blees, Tarifgestaltung von Studententickets, S. 58 ff., der bei der Ausgestaltung der einzelnen Semestertickets nach deren Hochschulstandort differenziert und daher z. B. unter anderem vom „Darmstädter“ und „Trierer Modell“ spricht. Näher dazu unter Kapitel 5 D. II. 2. 259 I. E. ähnlich vgl. Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 3; ebenso Bracher/Gies/Schlünder/ Warnecke, Die Finanzierung des ÖPNV durch Beiträge, S. 11. 260 Blees, Tarifgestaltung von Studententickets, S. 28; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 1; Müller, Das NRW-Semesterticket, S.  12 und S.  19; vgl. auch H.  Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, § 39 PBefG Rn. 71. 261 Bracher/Gies/Schlünder/Warnecke, Finanzierung des ÖPNV durch Beiträge, S. 11. 262 Bracher/Gies/Schlünder/Warnecke, Finanzierung des ÖPNV durch Beiträge, S. 11. 263 Blees/Boltze/Stanek, Wirkungen des Semestertickets, Der Nahverkehr 2011, 30, 30. 264 Bracher/Gies/Schlünder/Warnecke, Finanzierung des ÖPNV durch Beiträge, S. 11; vgl. auch H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, § 45a PBefG, Rn. 30; Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 12. 265 Bracher/Gies/Schlünder/Warnecke, Finanzierung des ÖPNV durch Beiträge, S. 11. 266 Linke, in: Saxinger/Winnes, Recht des ÖPNV I, § 45a PBefG, Rn. 15; vgl. auch Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 12.

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erstreckt sich zudem regelmäßig auf einen großräumigen Geltungsbereich und kann sowohl für Ausbildungs- als auch für Freizeitzwecke verwendet werden.267 Aber auch für die Verkehrsunternehmen ergibt sich aus dem Semesterticket der Vorteil, dass ein großer Kunde langfristig als Geschäftspartner gebunden werden kann.268 Damit geht nicht nur eine Sicherung der Einnahmen über einen längeren Zeitraum einher, wodurch diese auch besser kalkuliert werden können, sondern auch erhebliche Einsparungen durch eine Verringerung des Vertriebsaufwands beim Ticketverkauf.269 „Schließlich erhoffen sich einige Verkehrsunternehmen auch einen Imagegewinn in der Öffentlichkeit, indem sie sich unter Verweis auf das Semesterticket als moderne, kundenorientierte Dienstleister darstellen.270 Als Praxisbeispiel kann das RVV-Semester-Ticket für die Regensburger Hochschulen angeführt werden. Dieses wurde vor über zehn Jahren im Regensburger Verkehrsverbund eingeführt und erlaubt es den Studierenden der Universität und der Ostbayerischen Technischen Hochschule für einen obligatorischen Beitrag von 86,30 Euro (WS 2016/2017) pro Semester271, beliebig viele Beförderungsleistungen der in den RVV integrierten Bus- und Schienenverbindungen im gesamten Verbundraum in Anspruch zu nehmen.272 2. Semesterticketmodelle Die Grundkonzeption des Semestertickets weist in seiner konkreten Ausgestaltung von Hochschulort zu Hochschulort durchaus einige Variationen auf.273 Dies ist überwiegend auf die räumlichen Verkehrsstrukturen und Interessen der beteiligten Akteure zurückzuführen.274 Darunter können zwei grundlegende Modelltypen unterschieden werden: Das sog. „Solidarmodell“ und das sog. „Sockelmodell“.275

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H. Bidinger/R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, § 45a PBefG, Rn. 30. Blees, Tarifgestaltung von Semestertickets, S. 113; Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 12. 269 Blees, Tarifgestaltung von Semestertickets, S. 113; Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 12. 270 Blees, Tarifgestaltung von Semestertickets, S. 114; vgl. auch Müller, Das NRW-Semester­ ticket, S. 12. 271 Das Semester-Ticket gilt für Studenten der OTH Regensburg im Wintersemester vom 1.10.16 bis 14.3.2017 und im Sommersemester 2017 vom 15.3. bis 30.9.2017. Für Studenten der Universität gilt das Semester-Ticket im Wintersemester vom 1.10.2016 bis 31.3.2017 und im Sommersemester 2017 vom 1.4.2017 bis 30.9.2017. Vgl. dazu die Informationen auf der Internetseite des Regensburger Verkehrsverbunds (RVV) unter http://www.rvv.de/SemesterTicket.n60. html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 272 Vgl. dazu die Informationen auf der Internetseite des RVV unter http://www.rvv.de/ Semester-Ticket.n60.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 273 Blees, Tarifgestaltung von Semestertickets, S. 58; Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 16. 274 Blees, Tarifgestaltung von Semestertickets, S. 58; Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 16. 275 Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 16; vgl. ähnlich auch Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 4 ff., der von einem „Ein-Komponenten-Modell“ und einem „Zwei-Komponenten-Modell“ bzw. einem „Zwei-Komponenten-Modell mit unmittelbarem Nutzeffekt“ spricht. I. E. ähnlich 268

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Das „Solidarmodell“ – auch „Ein-Komponenten-Modell“276 genannt – zeichnet sich dadurch aus, dass alle ordentlichen Studierenden einen einheitlichen Teil des Semesterbeitrags zweckbezogen zur Finanzierung des Semesterticketkonzepts entrichten.277 Es findet somit eine vollständige Umlage der Gesamtkosten des Semestertickets auf die Studierenden statt.278 Im Gegenzug dafür wird ihnen mit ihrem Studierendenausweis oder einem separat ausgestellten Fahrschein das Recht zu einer uneingeschränkten und unentgeltlichen Nutzung des ÖPNV in dem jeweiligen Geltungsbereich eingeräumt.279 Als Beispiel für ein typisches „Solidarmodell“ kann das bereits angesprochene RVV-Semester-Ticket der Universität Regensburg angeführt werden. Im Gegensatz dazu werden die Studierenden beim sog. „Sockel-“ oder auch „Zwei-Komponenten-Modell“ nur zur Zahlung eines identischen niedrigen Grundbetrages herangezogen.280 Je nachdem, wie das Grundkonzept konkret ausgestaltet ist, erhalten die Studierenden dadurch entweder die Berechtigung zu einer zeitlich stark eingeschränkten Nutzung des ÖPNV – z. B. nur zu bestimmten Tageszeiten oder am Wochenende – oder nur die Möglichkeit zum Erwerb einer, im Vergleich zum regulären Auszubildendentarif stark vergünstigten, Fahrtberechtigung.281 Typisches Beispiel für ein solches Modell ist das Münchner Semesterticket, das sich aus zwei Komponenten zusammensetzt – dem obligatorischen Solidarbeitrag und dem fakultativen Aufpreis (IsarCard Semester).282 Durch die Zahlung des Solidarbeitrags in Höhe von 66,50 Euro erwerben die Studenten das Recht, das Gesamtnetz in den Nebenzeiten – d. h. von Montag bis Freitag zwischen 18 Uhr und 6 Uhr des Folgetages, sowie Samstag, Sonntag, an Feiertagen und am 24. und 31. Dezember ohne zeitliche Einschränkung  – zu nutzen.283 Durch den Kauf der IsarCard Semester zum Preis von 193 Euro wird die Zeitbeschränkung aufgehoben, sodass das Ticket „rund um die Uhr“ für ein ganzes Semester zur Inanspruchnahme der Beförderungsleistungen berechtigt.284 auch Blees, Tarifgestaltung von Studententickets, S. 58 ff., der bei der Ausgestaltung der einzelnen Semestertickets nach deren Hochschulstandort differenziert und daher z. B. unter anderem vom „Darmstädter“ und „Trierer Modell“ spricht. 276 Blees, Tarifgestaltung von Semestertickets, S. 58, der im selben Zusammenhang auch vom Pauschal-Modell, Vollumlage-Modell oder „Darmstädter“-Modell spricht. 277 Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 17; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 4. 278 Blees, Tarifgestaltung von Semestertickets, S. 60. 279 Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 17; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 4. 280 Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 17; vgl. auch Blees, Tarifgestaltung von Studenten­ tickets, S. 60, der synonym den Begriff des „Trierer-Modells“ verwendet. 281 Müller, Das NRW-Semesterticket, S. 17 f.; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 4 f.; ähnlich auch Blees, Tarifgestaltung von Studententickets, S. 60. 282 Vgl. dazu die Informationen auf der Internetseite des Münchner Semestertickets unter https://www.semesterticket-muenchen.de/das-ticket/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 283 Vgl. dazu die Informationen auf der Internetseite des Münchner Semestertickets unter https://www.semesterticket-muenchen.de/das-ticket/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 284 Vgl. dazu die Informationen auf der Internetseite des Münchner Semestertickets unter https://www.semesterticket-muenchen.de/das-ticket/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018).

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3. Beteiligte a) Studentenschaft/Studierendenschaft285 Gemäß § 41 HRG286 kann das Landesrecht vorsehen, dass an den Hochschulen zur Wahrnehmung hochschulpolitischer, sozialer und kultureller Belange der Studierenden, zur Pflege der überregionalen und internationalen Studentenbeziehungen sowie zur Wahrnehmung studentischer Belange in Bezug auf die Aufgaben der Hochschulen Studentenschaften gebildet werden. Diese werden sowohl von der Rechtsprechung287 als auch von der Literatur als öffentlich-rechtliche (Personal-) Körperschaften eingestuft.288 Eine solche, als öffentlich-rechtlicher Interessenverband gebildete, verfasste Studentenschaft ist jedoch nicht zwingender Bestandteil des Selbstverwaltungsrechts der Hochschulen, sodass gerade keine Verpflichtung für das Landesrecht besteht, die Bildung von Studentenschaften vorzuschreiben.289 Da der Studentenschaft gewöhnlich alle Studierenden, die an der Hochschule eingeschrieben sind, als Mitglieder angehören, ist sie als Pflicht- bzw. Zwangs­ körperschaft zu klassifizieren.290 Die umstrittene Frage, ob die Zwangsmitgliedschaft in der Studentenschaft mit den Grundrechten zu vereinbaren ist, wurde 285 Der Begriff des „Studenten“ ist als gleichbedeutend mit der geschlechterneutralen Bezeichnung des „Studierenden“ anzusehen, so dass sich keine Abweichung zwischen Studentenschaften und Studierendenschaften ergibt, vgl. dazu Reich, HSchRG, § 2 Rn. 5. Im Folgenden wird – der Einfachheit geschuldet – nur noch der Begriff der Studentenschaft verwendet. 286 Hochschulrahmengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.  Januar 1999 (BGBl. I S. 18), das zuletzt durch Artikel 6 Absatz 2 des Gesetzes vom 23. Mai 2017 (BGBl. I S. 1228) geändert worden ist. 287 BVerwG, Urteil vom 26. September 1969, E 34, 69, 74 f.; Urteil vom 13. Dezember 1979, E 59, 231, 234 f.; OVG Münster, Urteil vom 17. Dezember 1976, DVBl. 1977, 463, 463; vgl. auch VG Sigmaringen, Vorlagebeschluss vom 24. Juni 1975, DVBl. 1977, 465, 465. 288 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 58; Reich, HSchRG, § 41 Rn. 1; vgl. auch Leuze, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, § 41 HSchRG Rn. 8; Kettler, DÖV 1997, 674, 674; Hendler/Friebertshäuser, NWVBl. 1993, 41, 41; Beckmann, DÖV 1993, 340, 340. Vgl. dazu auch die gesetzlichen Regelungen in den Landesgesetzen, z. B. § 18 Abs. 1 Satz 2 BerlHG; § 45 Abs. 1 Satz 3 BremHG; § 102 Abs. 1 Satz 2 HmbHG; § 76 Abs. 1 Satz 2 HHG; § 24 Abs. 1 Satz 2 LHG M-V; § 20 Abs. 1 Satz 3 NHG; § 71 Abs. 1 Satz 2 UG NRW; § 106 Abs. 2 UG RP; § 75 Abs. 1 Satz 1 UG Saarland; § 65 Abs. 1 Satz 2 HSG LSA; § 72 Abs. 1 Satz 2 HSG SH; § 72 Abs. 1 Satz 2 ThürHG. 289 BayVerfGH, Entscheidung vom 28. Juli 1977, E 30, 126, 136; Reich, HSchRG, § 41 Rn. 1. Die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern lehnen Studentenschaften als Zwangskörperschaften ab, vgl. Leuze, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, § 41 HSchRG Rn. 16; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 65. Anstelle von Studentenschaften gibt es in Bayern und Baden-Württemberg sog. Studentenwerke. Vgl. dazu ausführlich unter Kapitel 5 D. II. 3. b). 290 Hendler/Friebertshäuser, NWVBl. 1993, 41, 41; vgl. auch Reich, HSchRG, § 41 Rn. 1; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 62; Leuze, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, § 41 HSchRG Rn. 6; BVerfG, Beschluss vom 11. August 1998, WissR 1998, 365, 365 ff.; VerfGH NRW, Urteil vom 25. Januar 2000, WissR 2000, 244, 250; BVerwG, Urteil vom 26. September 1969, E 34, 69, 74; Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 99; OVG Berlin, Beschluss vom 15. Januar 2004, DÖV 2004, 933, 933.

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bereits vor langem höchstrichterlich geklärt. Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass „[d]er Freiheitsschutz des Grundgesetzes […] zwar auch gegenüber der gesetzlich angeordneten Bildung von Studentenschaften [greife]. Art. 2 Abs. 1 GG [werde] durch den Zusammenschlu[ss] der Studenten […] zu Studentenschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts […] jedoch nicht verletzt“.291 Allein aufgrund der Tatsache, dass die Immatrikulation auf einem „eigenen, rechtlich frei gefa[ss]ten Entschlu[ss] des Studenten [beruhe]“, werde dessen Grundrechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG durch die mit der Immatrikulation verbundene (Zwangs-)Mitgliedschaft nicht verkürzt.292 Vielmehr befinde sich der Student in keiner anderen Lage als ein selbständiger Handwerker, der als solcher dazu verpflichtet sei, Mitglied einer Handwerkskammer zu werden.293 Dieser habe seine Berufstätigkeit, die gesetzlich an die Pflichtmitgliedschaft in einer Berufskammer geknüpft ist, ebenfalls „aus freien Stücken“ aufgenommen.294 In dem genannten Beispiel würden jedoch gerade keine Zweifel bezüglich der aus Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Schranken der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit bei der Verbandsbildung aufkommen.295 Irrelevant sei dabei auch, dass „nicht eine staatliche Rechtsnorm den immatrikulierten Studenten in das Kollektiv Studentenschaft [stelle], sondern sein eigener Akt“296 und dass „dieses Kollektiv erst durch die Verleihung von Rechten und einer körperschaftlichen Organisation zum auch im juristischen Sinne Verband Studentenschaft“297 werde.298 Auch der grundrechtlich und rechtsstaatlich fundierte Anspruch des Studenten auf Freiheit vor unverhältnismäßigen Belastungen werde durch die Mitgliedschaftsverpflichtung in der Studentenschaft nicht verletzt.299 „Die mit der Bildung der Studentenschaft verfolgten Ziele wirkungsvoller Wahrnehmung hochschulpolitischer Belange und wirtschaftlicher Selbsthilfe der Studenten, wirksamer Studentenförderung, politischer Bildung zur Förderung des staatsbürgerlichen Verantwortungsbewu[ss]tseins sowie der Unterstützung kultureller, musischer und sportlicher Betätigung verdien[t]en das gesteigerte Interesse der Studenten wie der Allgemeinheit und [böten] sich zur Selbstverwaltung an. In all diesen Bereichen [bestehe] deshalb ein möglicherweise unterschiedlich bedeutsames, jedenfalls aber anerkennenswertes öffentliches Interesse, Mittel und Möglichkeiten der gesamten Studentenschaft in der Form eines Zusammenschlusses mit Beitragspflicht zu aktivieren. Es [handele] sich allenthalben um Belange, deren Pflege seit langem für das studentische Gemeinschaftsleben wertvoll [sei], und die in einer Zeit des anonymen Studienbetriebs und überfüllter Massenuniversitäten nicht weniger als früher öffentliche 291

BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979, E 59, 231, 233. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979, E 59, 231, 234. 293 BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979, E 59, 231, 234. 294 BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979, E 59, 231, 234. 295 BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979, E 59, 231, 234. 296 Preuß, Das politische Mandat der Studentenschaft, S. 77 ff. 297 Preuß, Das politische Mandat der Studentenschaft, S. 77 ff. 298 BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979, E 59, 231, 234. 299 BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979, E 59, 231, 236. 292

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Förderung verdien[t]en.“300 Das Abwehrrecht gegen staatlichen Organisationszwang aus Art. 2 Abs. 1 GG sei nicht ausschließlich auf den Schutz des Einzelnen vor Mitgliedschaften in „unnötigen“ Verbänden ausgerichtet.301 Vielmehr bewirke es auch, dass keine Übertragung solcher Angelegenheiten, „deren Erledigung nicht zum Verbandszweck werden [dürfe]“, an legitime Zwangsverbände erfolgen könne.302 „Der Pflichtverband [müsse] mit allen Aufgaben dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, wenn ein Widerstreit der in der Verbandsbildung betätigten öffentlichen Gewalt mit dem allgemeinen Freiheitsrecht der Verbandsmitglieder vermieden werden soll[e]. Für die verfa[ss]te Studentenschaft folg[e] daraus, da[ss] sie als Zusammenschlu[ss] von Studenten Umfang und Grenzen ihres möglichen Wirkungskreises in der Wahrnehmung studentischer Interessen finde. Nur mit den Interessen, die sich aus seiner sozialen Rolle als Student ergeben und die für ihn als studentisches Mitglied der Gesellschaft nach allgemeiner Anschauung auch typisch sind, [könne] der Student in die verfa[ss]te Studentenschaft eingegliedert werden. Allein sie dürf[t]en aus dem individuellen Dispositionsbereich des Studenten herausgenommen und zum Zweck ihrer wirksamen öffentlichen Darstellung und Durchsetzung der Studentenschaft zur verbandsmäßigen Wahrnehmung anvertraut werden.“303 b) Studentenwerke Sowohl in Bayern304 als auch in Baden-Württemberg gibt es keine verfassten Studentenschaften, da sich die beiden Landesgesetzgeber explizit gegen die Bildung körperschaftlich strukturierter Studentenschaften entschieden haben.305 Stattdessen sollen die Belange der Studenten durch Studentenvertretungen in den Kollegialorganen der Hochschulen wahrgenommen werden.306 Im Gegensatz zu anderen Bundesländern sind in Bayern die gesetzlichen Bestimmungen zu den Studentenwerken nicht in eigenen Studentenwerksgesetzen, sondern in einem eigenen Teil (Art. 88 bis 96) des Bayerischen Hochschul­gesetzes307 geregelt.308 Diese werden durch Verordnungsrecht – maßgeblich ist dabei vor allem

300

BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979, E 59, 231, 236. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979, E 59, 231, 236. 302 BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979, E 59, 231, 238. 303 BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979, E 59, 231, 238. 304 Da die Arbeit auf die mögliche Einführung eines „ÖPNV-Beitrags“ in Bayern abzielt, soll im Folgenden lediglich auf die bayerischen Studentenwerke eingegangen werden. 305 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 65. 306 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 65; Thieme, Hochschulrecht, Rn. 532. 307 Bayerisches Hochschulgesetz (BayHSchG) vom 23. Mai 2006 (GVBl. S. 245, BayRS 2210– 1-1-K), das zuletzt durch Gesetz vom 19. Dezember 2017 (GVBl. S. 568) geändert worden ist. 308 Störle, in: Geis, Hochschulrecht im FS Bayern, X Rn. 5; vgl. auch Lindner, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, FS Bayern, Rn. 324. 301

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die Verordnung über die bayerischen Studentenwerke309, die gemäß Art. 96 i. V. m. Art. 106 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG vom Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst erlassen wurde – und den Satzungen der Studentenwerke zur Beitragserhebung ergänzt.310 Im Hochschulrahmengesetz ist keine bundesrechtliche Absicherung der Studentenwerke zu finden.311 Die Studentenwerke sind gemäß Art. 90 Satz 1 BayHSchG als Anstalten des öffentlichen Rechts einzustufen. Nach der Definition von Otto Mayer handelt es sich bei einer öffentlichen Anstalt um „ein[en] Bestand von Mitteln, sächlichen wie persönlichen, welche in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung einem besonderen öffentlichen Zwecke dauernd zu dienen bestimmt sind“.312 Gekennzeichnet wird sie vor allem durch drei Merkmale: Die organisatorische Zusammenfassung von Personal und Sachmitteln in einer verselbständigten Verwaltungseinheit, die verpflichtende Wahrnehmung von bestimmten Verwaltungsaufgaben und die Benutzer, die die Leistungen der Anstalt empfangen.313 Gemäß Art. 88 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG fallen die wirtschaftliche Förderung und soziale Betreuung der Studierenden der staatlichen Hochschulen, insbesondere durch die Einrichtung und den Betrieb von Kinderbetreuungsstätten, den Bau und den Betrieb von Studentenwohnheimen und den Betrieb von Verpflegungseinrichtungen sowie die Bereitstellung von Einrichtungen im kulturellen und gesellschaftlichen Bereich in die Aufgabenverantwortung der Studentenwerke. Zudem können den Studentenwerken gemäß Art. 88 Abs. 1 Satz 2 BayHSchG staatliche Aufgaben übertragen werden, woraus geschlossen werden kann, dass es sich bei den Primäraufgaben aus Abs. 1 Satz 1 um „eigene Aufgaben“ handelt.314 Des Weiteren können den Studentenwerken gemäß Art. 88 Abs. 2 Satz 2 BayHSchG auch für andere Unterrichtseinrichtungen Aufgaben nach Abs. 1 als eigene Aufgaben oder als Auftragsangelegenheit übertragen werden. Zu diesen anderen Unterrichtseinrichtungen zählen insbesondere nichtstaatliche Hochschulen, aber auch andere

309

Verordnung über die bayerischen Studentenwerke (StudWV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 1990 (GVBl. S. 42, BayRS 2210–1-1–7-1-K), die zuletzt durch § 1 Nr. 215 der Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl. S. 286) geändert worden ist. 310 Lindner, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, FS Bayern, Rn. 324; Störle, in: Geis, Hochschulrecht im FS Bayern, X Rn. 5. 311 Störle, in: Geis, Hochschulrecht im FS Bayern, X Rn. 5; vgl. auch v. Mutius, in: Flämig u. a., Handbuch des Wissenschaftsrechts, 20 S. 608. 312 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht II, S. 2; Störle, in: Geis, Hochschulrecht im FS Bayern, X Rn. 6; Lissack, Bayerisches Kommunalrecht, § 1 Rn. 6; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 43; vgl. auch Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 5 Rn. 188; v. Mutius, in: Flämig u. a., Handbuch des Wissenschaftsrechts I, 20 S. 612. 313 Störle, in: Geis, Hochschulrecht im FS Bayern, X Rn 6; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 43 ff.; v. Mutius, in: Flämig u. a., Handbuch des Wissenschaftsrechts I, 20 S. 612 f. 314 Reich, Bayerisches Hochschulgesetz, Art. 88 Rn. 1; vgl. auch Lindner, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, FS Bayern, Rn. 327; Störle, in: Geis, Hochschulrecht im FS Bayern, X Rn. 11 ff.

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Einrichtungen des Unterrichtswesens wie zum Beispiel Schulen.315 Die genannte Aufgabenbeschreibung ist sehr allgemein formuliert, sodass die Studentenwerke all diejenigen Aktivitäten ergreifen können, die aus ihrer Sicht zur Erfüllung ihres Auftrags nützlich erscheinen.316 Man kann insoweit von einem Aufgabenerfindungsrecht sprechen.317 Die Studentenwerke organisieren sich durch drei Organe: die Vertreterversammlung (Art. 91 BayHSchG), den Verwaltungsrat (Art. 92 BayHSchG) und die Geschäftsführung (Art. 93 BayHSchG), vgl. Art. 90 Satz 2 BayHSchG.318 Gemäß Art. 95 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG stellt der Freistaat Bayern den Studentenwerken nach Maßgabe des Staatshaushalts Mittel zur Durchführung ihrer Aufgaben zur Verfügung. Daraus folgt, dass die Leistungen des Staates an die Studentenwerke als gesetzliche Leistungen zu qualifizieren sind, wobei die Festlegung der Höhe allein dem Haushaltsgesetzgeber obliegt.319 Demgegenüber statuiert Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BayHSchG jedoch, dass die eigenen Einnahmen der Studentenwerke vorbehaltlich zulässiger Rückstellungen und genehmigungsfähiger Rücklagen vorweg einzusetzen sind. Zu den eigenen Einnahmen der Studentenwerke zählen der Grundbeitrag (Nr. 1), der zusätzliche Beitrag (Nr. 2) sowie sonstige Einnahmen, vgl. Art. 95 Abs. 1 Satz 3 BayHSchG. Die Beitragspflicht ist in Art. 95 Abs. 2 BayHSchG geregelt.320 Demnach sind Studierende sowie Personen, die Unterrichtseinrichtungen im Sinne von Art. 88 Abs. 2 Satz 2 BayHSchG besuchen, beitragspflichtig. Die Höhe des Grundbeitrags richtet sich nach den durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des beitragspflichtigen Personenkreises und dem zur Durchführung der Aufgaben der Studentenwerke nach Art. 88 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG erforderlichen Aufwand (Art. 95 Abs. 3 Satz 1 BayHSchG) und wird nach Anhörung der beteiligten Hochschulen und sonstigen Unterrichtseinrichtungen nach Art. 88 Abs. 2 Satz 2 BayHSchG vom zuständigen Studentenwerk durch Satzung festgesetzt (Art. 95 Abs. 3 Satz 2 BayHSchG). Dabei darf die Beitragshöhe einen in etwa herkömmlichen Anteil an den monatlichen Ausgaben eines Studie-

315 Störle, in: Geis, Hochschulrecht im FS Bayern, X Rn. 15; Reich, Bayerisches Hochschulgesetz, Art. 88 Rn. 5; vgl. auch Lindner, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, FS Bayern, Rn. 328. 316 Thieme, Deutsches Hochschulrecht, Rn. 535; vgl. auch Störle, in: Geis, Hochschulrecht im FS Bayern, X Rn. 12. 317 Thieme, Deutsches Hochschulrecht, Rn. 535. 318 Störle, in: Geis, Hochschulrecht im FS Bayern, X Rn. 15; Lindner, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, FS Bayern, Rn. 329; Reich, Bayerisches Hochschulgesetz, Art. 90 Rn. 2. 319 In § 11 StudWV werden ergänzende Regelungen bzgl. der Zuwendungen des Freistaats Bayern für die Aufgaben nach Art. 88 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG getroffen. Dabei wird zwischen institutioneller Förderung und Projektförderung differenziert. Zudem wird statuiert, dass die Zuwendungen sparsam und wirtschaftlich zu verwenden sind. Vgl. dazu Störle, in: Geis, Hochschulrecht im FS Bayern, X Rn. 22. 320 Störle, in: Geis, Hochschulrecht im FS Bayern, X Rn. 24; Lindner, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, FS Bayern, Rn. 332.

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renden nicht wesentlich übersteigen.321 Sie muss sich daher im Rahmen der Höhe herkömmlicher Sozialbeiträge der Studenten halten und darf für den einzelnen Studenten keine übermäßige oder unzumutbare Belastung darstellen.322 4. Rechtliche Beziehungen zwischen Studentenschaft/Studentenwerk und Verkehrsunternehmen Auf den ersten Blick könnte man auf die Idee kommen, dass zwischen den Verkehrsunternehmen und den Studentenschaften bzw. Studentenwerken gar keine vertragliche Bindung zustande kommt, da der Beförderungsvertrag ausschließlich zwischen dem einzelnen Studenten  – vertreten durch die Studentenschaft/ das Studentenwerk – geschlossen werden könnte.323 In diesem Szenario käme den Studentenschaften bzw. Studentenwerken lediglich eine Vermittlerrolle zu, die sich auf die rechtsgeschäftliche Vertretung der Studierenden nach den §§ 164 ff. BGB beschränken würde.324 Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass den Studentenschaften bzw. den Studentenwerken diesbezüglich eine gesetzliche Vertretungsmacht zukäme.325 Dies ist jedoch aus mehreren Gründen zu verneinen. Zum einen spricht die eindeutige Bezeichnung der Vertragsparteien326 in den Vereinbarungen zu den Semestertickets gegen eine derartige Betrachtung.327 Weiterhin kann weder aus dem Hochschulrahmengesetz noch aus den Landeshochschul- und Studentenwerksgesetzen eine gesetzliche Vertretungsmacht der Studentenschaft bzw. des Studentenwerks abgeleitet werden.328 Auch, wenn manche Formulierungen in den Landeshochschulgesetzen auf das Gegenteil hindeuten können (vgl. z. B. § 77 Abs. 2 Nr. 1 HHG329 „Die Studentenschaft hat folgende Aufgaben: Vertretung der Gesamtheit ihrer Mitglieder“), soll den Studentenschaften ausschließlich die Möglichkeit der bloßen Interessenvertretung eingeräumt werden, nicht aber eine Vollmacht zur rechtsgeschäftlichen Stellvertretung erteilt werden.330 Dementsprechend kommen die Vereinbarungen zur Einführung des Studententickets zwischen den Verkehrsunternehmen auf der einen Seite und den Studentenwerken bzw. Studen 321 BayVGH, Urteil vom 28. Juli 1980, E 33, 120, 124; Lindner, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, FS Bayern, Rn. 333; Störle, in: Geis, Hochschulrecht im FS Bayern, X Rn. 25. 322 BayVGH, Urteil vom 28. Juli 1980, E 33, 120, 124; Störle, in: Geis, Hochschulrecht im FS Bayern, X Rn. 25. 323 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 292; Siemon, JA 1998, 257, 258. 324 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 292; vgl. auch Siemon, JA 1998, 257, 258. 325 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 293; vgl. auch Siemon, JA 1998, 257, 258. 326 Vgl. dazu z. B. die Vereinbarung zum Semesterticket zwischen den Stadtwerke LandshutVerkehrsbetrieben und dem Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz. 327 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 293. 328 Siemon, JA 1998, 257, 258; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 293. 329 Hessisches Hochschulgesetz vom 14. Dezember 2009 (GVBl. I S. 666), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 30. November 2015 (GVBl. S. 510). 330 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 293; vgl. ähnlich auch Siemon, JA 1998, 257, 258.

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tenschaften auf der anderen Seite zustande.331 Dabei wird das Studentenwerk von dessen Geschäftsführer und das Studentenwerk von dem Allgemeinen Studentenausschuss (AStA) vertreten.332 a) Rechtsnatur der geschlossenen Vereinbarung Nachdem die Parteien des Vertrages festgelegt wurden, stellt sich jedoch noch die viel wichtigere Frage nach der konkreten Rechtsnatur der geschlossenen Vereinbarung und ob diese dem öffentlichen Recht oder dem Zivilrecht zuzuordnen ist.333 aa) Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem Vertrag und zivilrechtlichem Vertrag Gemäß § 54 Satz 1 VwVfG334 versteht man unter einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, der auch Verwaltungsvertrag genannt wird,335 einen Vertrag, durch den ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, geändert oder aufgehoben werden kann.336 Das Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages setzt dabei – wie auch im Zivilrecht337 – zwei übereinstimmende Willenserklärungen, die auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet sind, voraus.338 Die von der Behörde in diesem Fall abgegebene Willenserklärung, die auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist, stellt 331

Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 294. Zu beachten ist dabei, dass der AStA beim Vertragsschluss an gewisse formelle Voraussetzungen gebunden ist. Dazu gehört beispielsweise die gesetzlich normierte Pflicht zu gemeinschaftlichem Handeln mindestens zweier Mitglieder des AStA; weiterhin können rechtsgeschäftliche Erklärungen nur schriftlich abgegeben werden. Diesbezügliche Regelungen finden sich z. B. in § 45 Abs. 6 BremHG oder § 97 Abs. 3 HHG; Vgl. dazu Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 294. 333 Vgl. dazu Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 294. 334 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), das zuletzt durch Art. 11 Abs. 2 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745) geändert worden ist. 335 So z. B. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 1 ff., insbesondere Rn. 7; ähnlich auch Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 783, der vom „verwaltungsrechtlichen Vertrag“ spricht. 336 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 9; vgl. auch Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 848; Kämmerer, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, § 54 Rn. 25; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 775. 337 Die Vertragsschlussvorschriften des BGB finden gemäß § 62 Satz 2 BGB entsprechende Anwendung, vgl. dazu Kämmerer, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, § 54 Rn.  26; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 2; Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 24; Schliesky, in: Knack/Hennecke, VwVfG, Vor § 54 Rn. 36. 338 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 784; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 2; Ramsauer, in: Ramsauer/Wysk, VwVfG, § 54 Rn. 18. 332

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keinen Verwaltungsakt dar, sondern einen Fall schlichthoheitlichen Handelns.339 Für die Einordnung als öffentlich-rechtlichen Vertrag ist es erforderlich, dass der Vertag auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts geschlossen wurde.340 Damit ist gemeint, dass es sich um einen verwaltungsrechtlichen Vertrag handeln muss.341 Nicht (unmittelbar) vom Anwendungsbereich der §§ 54 ff. VwVfG erfasst werden daher unter anderem Verträge von Kirchen und Religionsgesellschaften auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, Verträge im Rahmen von Verwaltungsverfahren nach der Abgabenordnung oder nach dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch342 und auch nicht Verträge des Verfassungsrechts wie Staatsverträge oder Verwaltungsabkommen zwischen den Bundesländern.343 Auch Verträge unter Privaten fallen nicht darunter.344 Da die Verwaltung allerdings auch privatrechtlich tätig werden kann, kann sich die Abgrenzung von privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verträgen problematisch gestalten.345 Grundsätzlich richtet sich die Bestimmung der Rechtsnatur des Vertrages nach objektiven Grundsätzen.346 Auf subjektive Vorstellungen der Vertragsparteien kann es somit nicht ankommen.347 Im Gegensatz zum Verwaltungsakt kann auch nicht bereits aus der gewählten Form des Vertragsschlusses auf dessen öffentlich-rechtliche Natur geschlossen werden.348 Zu beachten ist auch, dass der Behörde im Allgemeinen kein Wahlrecht zukommt, ob der Vertragsschluss dem Privatrecht oder dem Öffentlichen Recht unterfallen soll.349 Vielmehr ist für die Zuordnung eines Verwaltungsvertrags der Gegenstand 339 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn.  784; Bonk/Neumann, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 31; Ramsauer, in: Ramsauer/Wysk, VwVfG, § 54 Rn. 21. 340 Ramsauer, in: Ramsauer/Wysk, VwVfG, § 54 Rn. 27; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 785; Kämmerer, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, § 54 Rn. 41. 341 Ramsauer, in: Ramsauer/Wysk, VwVfG, § 54 Rn. 3; Kämmerer, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, § 54 Rn. 8; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 783. 342 Das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130), das zuletzt durch Art. 10 Abs. 11 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) geändert worden ist. 343 Ramsauer, in: Ramsauer/Wysk, VwVfG, § 54 Rn. 3; Kämmerer, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, § 54 Rn. 9 ff.; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 775 ff. 344 Ramsauer, in: Ramsauer/Wysk, VwVfG, § 54 Rn. 3; Kämmerer, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, § 54 Rn. 16; ausführlich dazu auch Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 873 f. 345 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 786; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn.  11; vgl. auch Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 52 ff. 346 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn.  14; Ramsauer, in: Ramsauer/Wysk, VwVfG, § 54 Rn. 27; Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 55; Kämmerer, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, § 54 Rn. 41. 347 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn.  14; Ramsauer, in: Ramsauer/Wysk, VwVfG, § 54 Rn.  27; Kämmerer, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, § 54 Rn.  41; Schliesky, in: Knack/Hennecke, VwVfG, Vor § 54 Rn. 39. 348 Ramsauer, in: Ramsauer/Wysk, VwVfG, § 54 Rn. 27. 349 Als Ausnahme von diesem Grundsatz ist jedoch der Bereich des Verwaltungsprivatrechts zu nennen. Dort kommt der Verwaltung ein Recht zu, selbst zu festzulegen, ob bestimmte Rechtsverhältnisse öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet werden sollen, sodass ihr mit-

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des Vertrages bzw. der Vertragsinhalt maßgeblich.350 Demnach handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertragsgegenstand, wenn er sich „auf von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtlich … geregelte Sachverhalte“351 bezieht und der Vertragsinhalt in Zusammenhang mit einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis steht.352 „Es ist [folglich] danach zu fragen, ob der Vertrag einen Gegenstand betrifft, der auf Seiten der Behörde bezogen auf den konkreten Vertragsinhalt und die darin versprochene (Haupt-)Leistung im öffentlichen Recht oder im Privatrecht geregelt ist, ob also die das vereinbarte Rechtsverhältnis beherrschenden (wesentlichen) Rechtsnormen für jedermann gelten oder Sonderrecht des Staates sind, das sich zumindest auf einer Seite nur an Hoheitsträger wendet“.353 Dabei ist auf den Gesamtcharakter des Vertrages abzustellen, wobei der Vertragszweck miteinzubeziehen ist.354 Nicht zu folgen ist hingegen der Auffassung, die auf die Rechtsstellung der Vertragspartner abstellt.355 Allein die Tatsache, dass auf einer der beiden Seiten oder sogar auf beiden Seiten ein öffentlich-rechtlicher Verwaltungsträger beteiligt ist, begründet nicht zwingend einen öffentlich-rechtlichen Vertrag.356 Dies kann damit begründet werden, dass auch zwei Verwaltungsträger privatrechtlich miteinander kontrahieren können, zum Beispiel, wenn eine Gemeinde mit einer anderen einen Kaufvertrag über einen PKW gemäß § 433 BGB357 schließt.358 Zudem weist der eindeutige Wortlaut des § 54 VwVfG, der von „auf dem Gebiet des öffentlichen telbar ein Wahlrecht zukommt. Zu beachten ist aber auch hier, dass dieses dem Vertragsschluss dogmatisch vorgelagert ist. Vgl. dazu Ramsauer, in: Ramsauer/Wysk, VwVfG, § 54 Rn.  27; ähnlich auch: Kämmerer, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, § 54 Rn. 41. 350 Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 56; Ramsauer, in: Ramsauer/ Wysk, VwVfG, § 54 Rn. 27; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 15 f.; Schliesky, in: Knack/Hennecke, VwVfG, Vor § 54 Rn. 40. 351 St. Rspr: BGH, Urteil vom 25. April 1960, BGHZ 32, 214, 216; Urteil vom 27. März 1961, BGHZ 35, 69, 71; Urteil vom 21. Dezember 1964, DVBl. 1965, 276, 277; Urteil vom 12. Juli 1971, BGHZ 56, 365, 368; dem folgend auch das BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1973, E 42, 331, 332; Urteil vom 11. Februar 1993, E 92, 56, 58; Schliesky, in: Knack/Hennecke, VwVfG, Vor § 54 Rn. 40; Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 56. 352 Schliesky, in: Knack/Hennecke, VwVfG, Vor § 54 Rn. 40. 353 Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 56; ähnlich auch Schliesky, in: Knack/Hennecke, VwVfG, Vor § 54 Rn. 40; Ziekow, VwVfG, § 54 Rn. 21; Ramsauer, in: Ram­ sauer/Wysk, VwVfG, § 54 Rn. 30 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 16. 354 Schliesky, in: Knack/Hennecke, VwVfG, Vor § 54 Rn. 41; vgl. auch ähnlich Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 56; vgl. auch Ramsauer, in: Ramsauer/Wysk, VwVfG, § 54 Rn. 30b; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 15. 355 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 10; vgl. wohl auch Ramsauer, in: Ram­ sauer/Wysk, VwVfG, § 54 Rn. 28; Schliesky, in: Knack/Hennecke, VwVfG, Vor § 54 Rn. 42; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 294. 356 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 15; so wohl auch Ramsauer, in: Ram­ sauer/Wysk, VwVfG, § 54 Rn. 28; Schliesky, in: Knack/Hennecke, VwVfG, Vor § 54 Rn. 42; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 294. 357 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787) geändert worden ist. 358 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 15.

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Rechts“ spricht, eindeutig darauf hin, dass es auf den Regelungsgegenstand des Vertrages ankommt und nicht auf die Vertragspartner.359 Damit richtet sich die Rechtsnatur der Vereinbarung über die Einführung eines Semestertickets nach der Frage, ob dadurch Regelungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen werden.360 Die Einordnung als öffentlich-rechtlicher Vertrag erscheint vor dem Hintergrund plausibel, dass es sich bei den Studentenwerken bzw. Studentenschaften um juristische Personen des öffentlichen Rechts handelt, die zur Erfüllung „einer gesetzlich zugewiesenen legitimen öffentlichen Aufgabe“ tätig werden.361 Bei dieser Annahme würde man allerdings schlichtweg außer Acht lassen, dass die Studentenwerke und Studentenschaften den Verkehrsunternehmen gerade nicht in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger oder öffentlich-rechtlicher Sonderrechtsträger entgegentreten, sondern privatrechtlich Leistungen erwerben, die auch jede andere Person des Privatrechts erwerben könnte.362 Als Beispiel dafür können die weit verbreiteten Vereinbarungen zwischen Verkehrsbetrieben und – meist großen  – Unternehmen angeführt werden, in denen den Angestellten des Unternehmens die Möglichkeit eingeräumt wird, Fahrtberechtigungen verbilligt zu erwerben.363 Alternativ besteht häufig auch die Möglichkeit, die Fahrkarte als Teil der Vergütung gewährt zu bekommen.364 Den Unternehmen wird aufgrund der dadurch bedingten massenhaften Abnahme von Fahrscheinen von den Verkehrsbetrieben eine Vergünstigung eingeräumt.365 Auch die Argumentation, dass der Vereinbarung zur Einführung eines Semestertickets aufgrund der öffentlichen Zweckbindung der Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde ein öffentlich-rechtlicher Charakter zukommen müsse,366 überzeugt nicht.367 Würde man dieser Auffassung folgen, so hätte dies zur Konsequenz, dass jeder Personenbeförderungsvertrag, der im Geltungsbereich des Personenbeförderungsgesetzes geschlossen wird, als öffentlich-rechtlicher Vertrag einzustufen wäre.368 Dies ist jedoch nicht der Fall; der privatrechtlich ausgestaltete Beförderungsvertrag unterliegt lediglich einer Modifizierung durch die öffentlichrechtlichen Regelungen des Personenbeförderungsgesetzes.369 Damit geht jedoch gerade keine Änderung der grundlegenden privatrechtlichen Zuordnung des Beförderungsvertrages einher.370

359

Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 294. Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 294. 361 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 295; so auch Beckmann, DÖV 1993, 340, 341. 362 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 295. 363 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 295. 364 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 295. 365 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 295. 366 Beckmann, DÖV 1993, 340, 341; a. A. Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 295. 367 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 295. 368 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 295. 369 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 295. 370 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 295. 360

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Vergegenwärtigt man sich, dass sich das rechtliche Handeln der Studentenwerke bzw. Studentenschaften auf den Erwerb einer großen Anzahl von Fahrausweisen beschränkt, die für Dritte  – nämlich die Studenten  – bestimmt sind,371 so wird erkennbar, dass dieses Handeln privatrechtlich ausgestaltet ist. Dies wird auch deutlich, wenn man bedenkt, dass es sich bei der Vereinbarung zwischen den Studentenwerken bzw. Studentenschaften im Außenverhältnis auf der einen Seite und der Vereinbarung zwischen den Studentenwerken bzw. Studentenschaften und den Studierenden im Innenverhältnis um zwei strikt voneinander zu trennende Rechtsverhältnisse handelt.372 bb) Abgrenzung zwischen Rahmenvertrag und Vertrag zugunsten Dritter Nachdem feststeht, dass die Rechtsbeziehung zwischen den Studentenwerken bzw. Studentenschaften und den Verkehrsunternehmen eine privatrechtliche ist, stellt sich die Anschlussfrage, welcher konkrete Vertragstyp der Vereinbarung zugrunde liegt.373 In Betracht kommt zunächst das Vorliegen eines Rahmenvertrages,374 der noch der Ausfüllung durch einzelne, von den Studierenden selbst zu schließende, Beförderungsverträge bedarf und für diese lediglich die Vertragsabschlussbedingungen regelt.375 Unter einem Rahmenvertrag  – auch Mantelvertrag oder Richtlinienvertrag genannt376  – versteht man einen Vertrag, der dazu dient, im Rahmen einer auf Dauer angelegten Geschäftsverbindung den möglichen Abschluss von Einzelverträgen vorzubereiten und zu erleichtern.377 Hervorzuheben ist dabei der potestative Charakter dieses Rechtsverhältnisses, da es den Parteien weiterhin freisteht, ob sie entsprechende Einzelverträge tatsächlich abschließen möchten.378 Im Hinblick auf dieses Charakteristikum wird deutlich, dass der Rahmenvertrag gerade keinen „tauglichen“ Vertragstyp für die Vereinbarung eines Semestertickets darstellt.379 Durch einen Rahmenvertrag wird zwar der Abschluss weiterer Folgeverträge ermöglicht, allerdings kann und soll gerade keine Abschlusspflicht der Beteiligten hinsichtlich dieser Verträge statuiert wer-

371

Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 295. Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 295. 373 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 297. 374 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 298; Siemon, JA 1998, 257, 258. 375 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 298; vgl. ähnlich auch Siemon, JA 1998, 257, 258. 376 Busche, in: MüKo BGB, Vor § 145 Rn. 41. 377 Busche, in: MüKo BGB, Vor § 145 Rn. 41; vgl. auch Ellenberger, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 145 Rn. 19; Mansel, in: Jauernig, BGB, Vor § 145 Rn. 7; Bork, in: Staudinger, BGB, Vorbem. zu § 145 Rn. 54; Wolf, in: Soergel, BGB, Vor § 145 Rn. 82; ähnlich auch Eckert, in: Bamberger/ Roth, BeckOK BGB, § 145 Rn. 27; Siemon, JA 1998, 257, 258. 378 Busche, in: MüKo BGB, Vor § 145 Rn. 41; vgl. auch Ellenberger, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 145 Rn. 19; Mansel, in: Jauernig, BGB, Vor § 145 Rn. 7; Bork, in: Staudinger, BGB, Vorbem. zu § 145 Rn. 54. 379 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 298. 372

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den.380 Betrachtet man allerdings bereits geschlossene Vereinbarungen zwischen Verkehrsunternehmen und Studentenwerken bzw. Studentenschaften, so erkennt man, dass ihnen stets ein gegen die Verkehrsunternehmen gerichteter Anspruch der Studierenden auf kostenlose Beförderung bzw. auf Abschluss eines Beförderungsvertrages zu den festgelegten Tarifbedingungen immanent ist.381 Dadurch bleibt den Verkehrsunternehmen gerade kein Entscheidungsspielraum mehr, ob und ggf. unter welchen Bedingungen sie die Studierenden, die dem Anwendungsbereich der Vereinbarung unterfallen, befördern möchten.382 Dies ist mit den Eigenschaften eines Rahmenvertrages nicht vereinbar.383 Berücksichtigt man das soeben Gesagte und die vorliegende Dreieckskonstellation der Beteiligten, so erscheint das Rechtsinstitut des Vertrags zugunsten Dritter als durchaus passend.384 Darunter versteht man einen schuldrechtlichen Verpflichtungsvertrag, durch den sich der Schuldner (der sog. „Versprechende“) dazu verpflichtet, an einen vom Gläubiger (dem sog. „Versprechensempfänger“) verschiedenen Dritten zu leisten.385 Zu unterscheiden ist dabei zwischen dem „echten“ und dem „unechten“ Vertrag zugunsten Dritter: Während sich der echte Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB richtet und dem Dritten ein eigenes Forderungsrecht386 gibt, wird der unechte Vertrag zugunsten Dritter nicht von § 328 BGB erfasst und begründet auch keine originären Leistungsberechtigungen des Dritten.387 Sowohl die Interessen der Studentenwerke bzw. Studentenschaften als auch die Interessen der Verkehrsunternehmen sind darauf gerichtet, den Studie 380

Busche, in: MüKo BGB, Vor § 145 Rn. 41; vgl. auch Ellenberger, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 145 Rn. 19; Mansel, in: Jauernig, BGB, Vor § 145 Rn. 7; Bork, in: Staudinger, BGB, Vorbem. zu § 145 Rn. 54; Wolf, in: Soergel, BGB, Vor § 145 Rn. 82; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 298. 381 Vgl. zum Beispiel § 1 Nr.  1 der Vereinbarung zum Semesterticket zwischen den Stadtwerke Landshut-Verkehrsbetrieben und dem Studentenwerk Niederbayern/Oberfpfalz vom 6. Juli 2010: „Die Stadtwerke Landshut – Verkehrsbetriebe ermöglichen den Studierenden der Hochschule Landshut jeweils für ein Semester beliebig viele Fahrten auf allen Linien der Stadtwerke Landshut […]“. Vgl. dazu Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 298. 382 Weichbrodt, Das Semesterticket, S.  298; mit anderer Begründung i. E. so auch Siemon, JA 1998, 257, 258. 383 Weichbrodt, Das Semesterticket, S.  298; mit anderer Begründung i. E. so auch Siemon, JA 1998, 257, 258. 384 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 299; vgl. auch Siemon, JA 1998, 257, 259; vgl. auch Beckmann, DÖV 1993, 340, 341, der das Vorliegen eines Vertrags zugunsten Dritter allerdings i. E. verneint. 385 Stadler, in: Jauernig, BGB, § 328 Rn. 1; Gottwald, in: MüKo BGB, § 328 Rn. 19; vgl. auch Hadding, in: Soergel, BGB, § 328 Rn. 4; Klumpp, in: Staudinger, BGB, § 328 Rn. 1; Grüneberg, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 328 Rn. 1; vgl. auch Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 328 Rn. 3. 386 Klumpp, in: Staudinger, BGB, § 328 Rn. 1; Grüneberg, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 328 Rn. 5 f.; Gottwald, in: MüKo BGB, § 328 Rn. 21; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 328 Rn. 2; Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 328 Rn. 1; Schulze, in: Schulze, BGB, § 328 Rn. 2. 387 Gottwald, in: MüKo BGB, § 328 Rn. 9; Klumpp, in: Staudinger, BGB, § 328 Rn. 3; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 328 Rn. 3; Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 328 Rn. 2; Schulze, in: Schulze, BGB, § 328 Rn. 2.

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renden eigene Fahrtberechtigungen zu gewähren.388 Betrachtet man einige der geschlossenen Vereinbarungen zwischen Studentenwerken bzw. Studentenschaften und Verkehrsverbänden/-unternehmen, so fällt auf, dass die Verkehrsunternehmen zur Erbringung von bestimmten (Beförderungs-)Leistungen gegenüber den Studenten verpflichtet werden sollen und den Studierenden auch ein eigenes Forderungsrecht diesbezüglich zustehen soll.389 Damit sind die Vereinbarungen zwischen den Studentenwerken bzw. Studentenschaften und den Verkehrsunternehmen als privatrechtliche Verträge zugunsten Dritter einzustufen.390 Damit ergeben sich folgende Rechtbeziehungen: Das Deckungsverhältnis391 besteht zwischen dem Verkehrsunternehmen (Versprechender) und dem Studentenwerk bzw. der Studentenschaft (Versprechensempfänger).392 Demgegenüber erstreckt sich das Valutaverhältnis393 auf das (öffentlich-rechtliche) Rechtsverhältnis zwischen dem Studentenwerk bzw. der Studentenschaft und dem Studierenden (Dritter).394 Das Vollzugsverhältnis395 herrscht zwischen dem Verkehrsunternehmen und dem Studierenden.396 Daran ändert auch der Einwand nichts, dass der Erwerb des vertraglich vereinbarten Forderungsrechts von der Zahlung des Beitrags durch die Studierenden abhänge.397 Zunächst ist diesbezüglich festzustellen, dass die Pflicht zur Beitragszah 388

Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 299; ähnlich auch Siemon, JA 1998, 257, 259; a. A. Beckmann, DÖV 1993, 340, 341. 389 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 299 f.; vgl. auch Siemon, JA 1998, 257, 259; a. A. Beckmann, DÖV 1993, 340, 341. 390 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 300; vgl. auch Siemon, JA 1998, 257, 259; a. A. Beckmann, DÖV 1993, 340, 341, der sich gegen das Vorliegen eines Vertrags zugunsten Dritter ausspricht. 391 Das Deckungsverhältnis ist das Grundverhältnis eines Vertrags zugunsten Dritter, das die Grundlage für den Anspruch des Dritten gegenüber dem Versprechenden bildet. Ausführlich zum Deckungsverhältnis Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 328 Rn. 7; Klumpp, in: Staudinger, BGB, § 328 Rn. 9 ff.; Gottwald, in: MüKo BGB, § 328 Rn. 26 f.; Schulze, in: Schulze, BGB, § 328 Rn. 3; Hadding, in: Soergel, BGB, § 328 Rn. 17 f.; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 328 Rn. 9; Grüneberg, in: Palandt, BGB, Einf v § 328 Rn. 3. 392 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 300. 393 Das Valutaverhältnis beschreibt die Rechtsbeziehung zwischen Versprechensempfänger und dem Dritten. I.d.R. bildet es den Anlass für den Abschluss des Vertrags zugunsten Dritter, vgl. Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 328 Rn. 8. Ausführlich zum Valutaverhältnis Stadler, in: Jauernig, BGB, § 328 Rn. 10; Grüneberg, in: Palandt, BGB, Einf v § 328 Rn. 4; Hadding, in: Soergel, BGB, § 328 Rn. 21; Klumpp, in: Staudinger, BGB, § 328 Rn. 17 ff.; Schulze, in: Schulze, BGB, § 328 Rn. 3. 394 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 300. 395 Die Rechtsbeziehung zwischen dem Versprechendem und dem Dritten (auch Drittverhältnis genannt) kann nicht als Vertragsverhältnis eingestuft werden; sie stellt jedoch ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis dar, aus dem beiderseitige Sorgfaltspflichten abgeleitet werden können. Vgl. dazu Stadler, in: Jauernig, BGB, § 328 Rn. 11. Ausführlich zum Vollzugs-/Drittverhältnis vgl. auch Hadding, in: Soergel, BGB, § 328 Rn. 19 f.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, Einf v § 328 Rn. 5; Klumpp, in: Staudinger, BGB, § 328 Rn. 22 ff.; Schulze, in: Schulze, BGB, § 328 Rn. 3; Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 328 Rn. 9. 396 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 300. 397 Beckmann, DÖV 1993, 340, 341 f.; dies widerlegend Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 301.

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lung aus dem Valutaverhältnis resultiert und damit nicht – bzw. ausnahmsweise nur äußerst begrenzt – auf die aus dem Deckungsverhältnis resultierenden Leistungspflichten Einfluss nehmen kann.398 Außerdem ist anerkannt, dass die Verpflichtung des Versprechenden zur Leistung an den Dritten nicht durch einen fehlenden Rechtsgrund im Valutaverhältnis berührt wird.399 Vielmehr sind Deckungs- und Valutaverhältnis voneinander unabhängig.400 Außerdem ist zu bedenken, dass zwischen dem studentischen Forderungsrecht der Beförderungsleistung und der Beitragszahlung an das Studentenwerk bzw. die Studentenschaft nur ein mittelbarer Zusammenhang besteht.401 Dieser liegt darin, dass die Studierenden ihre Freifahrtberechtigung gegenüber dem Verkehrsunternehmen nachweisen müssen und dies in der Regel durch das Vorzeigen eines gültigen Studentenausweises geschieht.402 Ein solcher Ausweis wird den Studenten allerdings nur dann ausgehändigt, wenn diese die Beitragszahlung an das Studentenwerk bzw. die Studierendenschaft getätigt haben.403 Damit geht die Verknüpfung zwischen Beitragszahlung und Erwerb der Fahrtberechtigung nicht über ein rein faktisches Verhältnis hinaus.404 b) Zurückweisungsrecht gemäß § 333 BGB Mit einem Vertrag zugunsten Dritter geht stets das in § 333 BGB geregelte Zurückweisungsrecht einher.405 Da der Dritte gemäß § 328 Abs.  1 BGB das Recht ohne sein Zutun unmittelbar – und zudem auch unabhängig von seinem Wissen – erwirbt, gibt ihm § 333 BGB das Recht, den Rechtserwerb rückwirkend zurückzuweisen.406 Dadurch wird nicht nur dem Grundsatz der Privatautonomie und der allgemeinen Handlungsfreiheit Rechnung getragen, sondern es wird auch der Billigkeit entsprochen, da es nicht möglich sein kann, jemandem „ein Recht gegen

398

Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 301. Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 328 Rn. 8; Weichbrodt, Das Semester­ ticket, S. 301; Klumpp, in: Staudinger, BGB, § 328 Rn. 13 und 18; Gottwald, in: MüKo BGB, § 328 Rn.  29; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 328 Rn.  4; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 301. 400 Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 328 Rn. 8; vgl. Auch Klumpp, in: Staudinger, BGB, § 328 Rn. 17 f., der von „Trennung und Abstraktion“ zwischen Deckungs- und Valutaverhältnis spricht; ähnlich auch Gottwald, in: MüKo BGB, § 328 Rn. 29. 401 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 301. 402 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 301. 403 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 301. 404 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 301. 405 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 307; ausführlich zum Zurückweisungsrecht auch Gottwald, in: MüKo BGB, § 333 Rn. 1 ff.; Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 333 Rn. 1 ff.; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 333 Rn. 1 f.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 333 Rn. 1 ff.; Hadding, in: Soergel, BGB, § 333 Rn. 1 ff.; Jagmann, in: Staudinger, BGB, § 333 Rn. 1 ff. 406 Jagmann, in: Staudinger, BGB, § 333 Rn.  1; Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 333 Rn. 1; Hadding, in: Soergel, BGB, § 333 Rn. 1; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 333 Rn. 1; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 333 Rn. 1; Gottwald, in: MüKo BGB, § 333 Rn. 1. 399

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seinen Willen aufzudrängen“.407 Die Zurückweisung ist als einseitiges Gestaltungsrecht des Dritten einzuordnen und muss durch empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Versprechenden erklärt werden;408 einer Erklärung gegenüber dem Versprechensempfänger bedarf es nicht.409 Eine bestimmte Form ist dabei nicht einzuhalten, sodass die Zurückweisung auch durch konkludentes Verhalten erklärt werden kann.410 Aus dem Gesetzeswortlaut ergeben sich keine zeitlichen Grenzen für die Ausübung des Zurückweisungsrechts.411 Es ist jedoch zu beachten, dass der Dritte nicht mehr von seinem Zurückweisungsrecht Gebrauch machen kann, sobald er das erworbene Recht ausdrücklich oder konkludent angenommen hat.412 Wird das Zurückweisungsrecht ausgeübt, so gilt das Recht des Dritten rückwirkend als nie erworben.413 In Bezug auf das Semesterticket ergibt sich daraus, dass jeder Studierende ein uneingeschränktes Zurückweisungsrecht gegenüber dem Forderungsrecht hat, das ihm durch den Vertrag zwischen den Verkehrsunternehmen und den Studentenwerken bzw. Studentenschaften zukommt.414 Von einem Erlöschen dieses Zurückweisungsrechts kann erst dann ausgegangen werden, wenn der Student das Recht ausdrücklich oder konkludent angenommen hat – dies ist in der Regel durch Nutzung der kostenlosen Fahrtberechtigung der Fall.415 Die vereinzelt in der Literatur geäußerten Bedenken416 dahingehend, dass die Studierenden durch die Vereinbarung zur Einführung eines Semestertickets fak 407

Jagmann, in: Staudinger, BGB, § 333 Rn. 2; Hadding, in: Soergel, BGB, § 333 Rn. 1; vgl. ähnlich auch Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 333 Rn. 1; Gottwald, in: MüKo BGB, § 333 Rn. 1; ähnlich auch Siemon, JA 1998, 257, 260. 408 Gottwald, in: MüKo BGB, § 333 Rn. 2; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 333 Rn. 2; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 333 Rn. 1; Jagmann, in: Staudinger, BGB, § 333 Rn. 5 f.; Hadding, in: Soer­ gel, BGB, § 333 Rn. 2 und 6; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 307; Siemon, JA 1998, 257, 260. 409 Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 333 Rn. 2; Hadding, in: Soergel, BGB, § 333 Rn. 6; Jagmann, in: Staudinger, BGB, § 333 Rn. 5. 410 Hadding, in: Soergel, BGB, § 333 Rn. 6; Gottwald, in: MüKo BGB, § 333 Rn. 2; Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 333 Rn. 2; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 307. 411 Jagmann, in: Staudinger, BGB, § 333 Rn. 10; Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 333 Rn. 3; Gottwald, in: MüKo BGB, § 333 Rn. 4; vgl. i. E. auch Hadding, in: Soergel, BGB, § 333 Rn. 5; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 333 Rn. 2; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 333 Rn. 1; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 307. 412 Jagmann, in: Staudinger, BGB, § 333 Rn. 10; Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 333 Rn. 3; Gottwald, in: MüKo BGB, § 333 Rn. 4; vgl. i. E. auch Hadding, in: Soergel, BGB, § 333 Rn. 5; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 333 Rn. 2; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 333 Rn. 1; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 307. 413 Janoschek, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 333 Rn. 4; Gottwald, in: MüKo BGB, § 333 Rn. 7; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 333 Rn. 3; Hadding, in: Soergel, BGB, § 333 Rn. 8; Jagmann, in: Staudinger, BGB, § 333 Rn. 13. 414 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 307. 415 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 307. 416 Siemon, JA 1998, 257, 260 f.; sehr kritisch auch Gehrke, Die Exmatrikulation, S. 131 ff. Diese aufzählend Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 307.

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tisch einem Kontrahierungszwang ausgesetzt seien, überzeugen nicht.417 Vielmehr steht jedem Studierenden die Möglichkeit offen, seine Forderungsrechte und die damit einhergehende Einbeziehung in den Vertrag zugunsten Dritter bzw. den Abschluss eines Beförderungsvertrages zurückzuweisen.418 Diesbezüglich ist zu beobachten, dass den geäußerten Bedenken eine fehlerhafte Prämisse zugrunde liegt.419 So geht Siemon davon aus, dass denjenigen Studenten, die das Zurückweisungsrecht ausüben und die anteiligen studentischen Beiträge nicht bezahlen, die Zwangsexmatrikulation drohe.420 Anhand dieser These zeigt sich jedoch, dass einerseits die Frage, ob und wie die Studenten von der Möglichkeit der Zurückweisung Gebrauch machen können und andererseits die Frage nach dem „Schicksal [der] Beitragspflichtigkeit hinsichtlich des auf den für die Einführung des Semestertickets entfallenden Abgabenteil“, vermischt werden.421 Zu beachten ist jedoch, dass die Studierenden durch die Ausübung des Zurückweisungsrechts lediglich von der Möglichkeit Gebrauch machen, die ihnen angebotenen Vorteile nicht zu nutzen422 – dieses Recht ist jedoch dem Beitragsrecht immanent.423 Damit geht jedoch gerade nicht das Erlöschen der Berechtigung der Studentenwerke bzw. Studentenschaften zur Beitragserhebung einher,424 da dafür bereits das Anbieten eines individuellen Vorteils ausreichend ist.425 Daraus ergibt sich, dass aus der Ausübung des Zurückweisungsrechts gerade kein Beitragsverweigerungsrecht der Studierenden resultiert; vielmehr wird dadurch ausschließlich eine für das Beitragsrecht typische Situation geschaffen, in der die angebotenen Vorteile nicht ausgenutzt werden, die Verpflichtung zur Beitragszahlung aber dennoch besteht.426 5. Beziehung zwischen Studierenden und Verkehrsunternehmen Die zivilrechtliche Rechtsbeziehung zwischen den Studierenden und den Verkehrsunternehmen richtet sich größtenteils nach der Rechtsnatur der zwischen den Studentenwerken und den Studentenschaften geschlossenen Vereinbarung zur Einführung eines Semestertickets.427 Stuft man diese als echten Beförderungsvertrag zugunsten Dritter ein, so kann zwischen dem einzelnen Studierenden und dem Verkehrsunternehmen kein eigenständiges Vertragsverhältnis angenommen werden.428 417

Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 307. Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 307 f. 419 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 308. 420 Siemon, JA 1998, 257, 261; darstellend Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 308. 421 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 308. 422 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 308. 423 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 308. 424 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 308. 425 BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995, E 92, 91, 115; BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1966, E 25, 147, 148 f.; Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 308. 426 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 308. 427 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 309. 428 Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 309. 418

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Der Studierende hat allerdings gegen das Verkehrsunternehmen einen Anspruch auf Beförderung zu den in der Vereinbarung zwischen den Studentenwerken bzw. Studentenschaften und den Verkehrsunternehmen festgelegten Konditionen.429 Legt man das Deckungsverhältnis zwischen dem Studentenwerk bzw. der Studentenschaft und dem Verkehrsunternehmen jedoch als Optionsvertrag oder Vorvertrag zugunsten der Studierenden aus, kommt es zwischen den Studierenden und dem Verkehrsunternehmen zu eigenständigen Vertragsbeziehungen durch den Abschluss von individuellen Beförderungsverträgen zu den in der Vereinbarung festgelegten Konditionen.430 6. Rechtmäßigkeit der Einführung eines Semestertickets Der in der Literatur geführte Streit431, ob die Einführung eines sog. „Semestertickets“ rechtlich zulässig ist, wurde durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts mittlerweile geklärt.432 Geklagt hatte ein Student der Wirtschaftswissenschaften, der von der Studierendenschaft seiner Hochschule Rückzahlung des – auf das Semesterticket entfallenden – Anteils an dem entrichteten Studentenbeitrag verlangte.433 Diese Rechtsprechung wurde durch das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtannahmebeschluss bestätigt.434 a) Studentenschaft als Zwangsmitgliedschaft In diesem Zusammenhang bestätigte das Bundesverwaltungsgericht auch seine bisherige Rechtsprechung zur rechtlichen Zulässigkeit eines zwangsweisen Zusammenschlusses der an der Hochschule Hessens eingeschriebenen Studenten zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.435 Mit einer solchen Zwangsmitgliedschaft gehe stets eine Beeinträchtigung von Art. 2 Abs. 1 GG einher.436 Dieser schütze den Einzelnen jedoch vor einer Inanspruchnahme durch Zwangsmitgliedschaften in „unnötigen“ Körperschaften, sodass die allgemeine Handlungsfreiheit nur dann 429

Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 310. Weichbrodt, Das Semesterticket, S. 310. 431 Bejahend: Schmidt, NVwZ  1992, 40, 43; Beckmann, DÖV  1993, 340, 343, Kroh, NVwZ 1993, 1071 1071; verneinend: Kettler, DÖV 1997, 674, 678; Schidlowski, Jura 1994, 412, 415. 432 BVerfG, Beschluss vom 4. August 2000, NVwZ 2001, 190 ff.; BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97 ff. 433 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97 ff. 434 BVerfG, Beschluss vom 4. August 2000, NVwZ 2001, 190 ff. 435 BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979, E 59, 231, 236 f. 436 Kettler, DÖV 1997, 674, 675; Schidlowski, Jura 1994, 412, 412; vgl. auch Lang, in: Epping/ Hillgruber, BeckOK GG, Art. 2 Rn. 7. 430

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eingeschränkt werden dürfe, wenn das Gesetz, durch das die Pflichtmitgliedschaft in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts angeordnet werde, sowohl formell als auch materiell verfassungsmäßig sei.437 Es sei daher erforderlich, dass öffentlich-rechtliche Verbände ausschließlich zur Wahrnehmung legitimer öffentlicher Aufgaben errichtet würden.438 Unter Verweis auf das genannte Urteil439 führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die vom hessischen Landesgesetzgeber mit dem zwangsweisen Zusammenschluss der eingeschriebenen Studierenden zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verfolgten Ziele der wirkungsvollen Wahrnehmung hochschulpolitischer Belange und wirtschaftlicher Selbsthilfe der Studenten, der wirksamen Studentenförderung, der politischen Bildung zur Förderung des staatsbürgerlichen Verantwortungsbewusstseins sowie der Unterstützung kultureller, musischer und sportlicher Betätigung „das gesteigerte Interesse der Studenten wie der Allgemeinheit“ verdienten und sich damit zur Selbstverwaltung anböten.440 Zudem liege der organisatorische Zusammenschluss aller Studenten einer Hochschule auch deshalb im öffentlichen Interesse, „weil Universitäts- und Staatsorgane in der verfa[ss]ten Studentenschaft über einen durch Gesetz und demokratische Verbandswillensbildung legitimierten Ansprechpartner verfügten, der das Gesamtinteresse der Studentenschaft repräsentiere“.441 Diese Einschätzung müsse ebenso für die Errichtung der Studierendenschaft nach Maßgabe des Gesetzes über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (WissHG)442 gelten, da der nordrhein-westfälische Gesetzgeber damit im Wesentlichen dieselben Ziele anstrebe – wie sich auch § 71 Abs. 2 WissHG (heute § 53 Abs. 2 HG443) entnehmen lasse.444 Auch lasse sich nicht aus dem Umstand, dass es in einigen Bundesländern keine verfassten Studierendenschaften mit Zwangsmitgliedschaft (mehr) gebe, folgern, dass die Errichtung einer solchen öffentlichrechtlichen Körperschaft in Nordrhein-Westfalen nicht erforderlich sei und damit gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße.445 Es sei richtig, dass der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Einzelnen durch die Errichtung eines Zwangsverbandes zur Erreichung des vom Gesetzgeber erstrebten Zieles erforderlich sein müsse und dass das Ziel nicht auf eine andere, den Einzelnen 437

BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 99. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 99. 439 BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979, E 59, 231, 236 f.; ausführlich dazu bereits unter Kapitel 5 D. II. 3. a). 440 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 100, dem Urteil des BVerwG vom 13. Dezember 1989, E 59, 231, 236 f. folgend. 441 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 100, dem Urteil des BVerwG vom 13. Dezember 1989, E 59, 231, 236 f. folgend. 442 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 100, dem Urteil des BVerwG vom 13. Dezember 1989, E 59, 231, 236 f. folgend. 443 Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 1. Oktober 2014 (GV. NRW. S. 547), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 17. Oktober 2017 (GV. NRW. S. 806). 444 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 100. 445 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 101. 438

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weniger belastende Weise ebenso gut erreicht werden dürfe. Allerdings müsse beachtet werden, dass „die Beurteilung der Erforderlichkeit der Gründung eines Zwangsverbandes unmittelbar durch Gesetz […] aber als Bestandteil der Ausübung gesetzgebenden Ermessens der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers [unterliege] und […] von den Gerichten nur daraufhin überprüft werden [könne], ob dieser die Grenzen seines Ermessen überschritten, also willkürlich gehandelt [habe]“.446 Allein aufgrund des Umstands, dass der Gesetzgeber eines anderen Landes die Erforderlichkeit der Errichtung verfasster Studentenschaften anders bewertet habe, könne das Handeln des nordrhein-westfälischen Gesetzgebers nicht als willkürlich eingeschätzt werden.447 Dies müsse auch bereits deshalb gelten, weil „der Begriff der Erforderlichkeit nicht dahin zu verstehen [sei], da[ss] ein Zwangsverband nur dann errichtet werden dürfte, wenn die damit verfolgten Zeile auf andere Weise überhaupt nicht erreicht werden könn[t]en“.448 Vielmehr könne auch die Effektivität der Organisationsform für die Zielverwirklichung eine Rolle spielen.449 Damit legt das Bundesverwaltungsgericht zu Recht den Fokus auf die mit der Errichtung der verfassten Studierendenschaft verfolgten Ziele und wahrt damit die Einschätzungsprärogative der einzelnen Landesgesetzgeber. b) Beitragsrechtliche Zulässigkeit des Semestertickets Weiterhin stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass in der Erhebung des auf das Semesterticket entfallenden Geldleistungsanteils kein Verstoß gegen beitragsrechtliche Grundsätze zu sehen sei.450 Die Beiträge, die von den Studentenschaften von ihren Mitgliedern erhoben werden, seien als Beiträge im Rechtssinne zu verstehen.451 Dafür spreche unter anderem bereits, dass sowohl § 41 Abs. 2 Satz 2 HRG als auch § 78 Abs. 2 WissHG (heute § 53 Abs. 2 HG) entnommen werden könne, dass Bundes- und Landesgesetzgeber „die von den Studentenschaften erhobenen Geldleistungen [selbst] stets als Beiträge bezeichnet [haben]“.452 Wichtiger sei jedoch, dass diese Geldleistungen auch materiell-rechtlich als Beiträge einzustufen seien.453 Dies liege daran, dass sie – wie es der abgabenrechtliche Beitragsbegriff454 verlange – eine Gegenleistung für einen Vorteil darstellen.455 Dieser

446

BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 101. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 101. 448 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 101. 449 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 101. 450 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 110. 451 BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979, E 59, 242; Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 110 f. 452 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 110. 453 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 111. 454 BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1958, E 7, 244, 255; BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 1978, E 49, 343, 353; BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 343 f. 455 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 111. 447

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könne darin gesehen werden, dass die im Interesse der studentischen Mitglieder liegenden Dienste der Studentenschaft durch die Studenten in Anspruch genommen werden können.456 Die Studierendenschaft habe das Semesterticket in der Wahrnehmung der sozialen Belange ihrer Mitglieder eingeführt, sodass sich der – speziell für das Semesterticket erhobene – Geldleistungsanteil als Gegenleistung für die Möglichkeit der verbilligten Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs darstelle und als Beitrag eingestuft werden müsse.457 Weiterhin stelle die Erhöhung des Semesterbeitrages zugunsten des Semestertickets auch keinen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip dar.458 Das Äquivalenzprinzip stelle nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine beitragsrechtliche Ausformung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar.459 Demnach dürfe die Höhe der Beiträge nicht im Missverhältnis zu dem sich daraus ergebenden Vorteil stehen und einzelne Mitglieder dürften nicht – im Verhältnis zu anderen – übermäßig hoch belastet werden.460 Dabei sei es jedoch nicht erforderlich, dass der Beitrag einen Ausgleich für einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil darstelle, der sich bei dem einzelnen Verbandsmitglied messbar niederschlage.461 Vielmehr komme es gar nicht darauf an, ob dieser Vorteil überhaupt tatsächlich genutzt werde.462 Es genüge bereits, wenn den Beitragspflichtigen ein entsprechender Vorteil geboten werde und dieser für sie nutzbar sei.463 Der für das Semesterticket erhobene Beitrag erfülle all diese Anforderungen, da alle Studierenden durch das Semesterticket die Befugnis erhielten, die öffentlichen Verkehrsbetriebe zu nutzen.464 Weiterhin stehe auch die Höhe des auf das Semestertickets anfallenden Beitragsanteils465 nicht in einem Missverhältnis zu dem dadurch gebotenen Vorteil.466

456

BVerwG, Urteil vom 21. Juli 1998, E 107, 169, 171 ff.; BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 111. 457 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 111. 458 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 111. 459 BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990, NVwZ 1990, 1167, 1167; BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 111. 460 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 111. 461 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 111. 462 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 111. 463 BVerwG, Urteil vom 26.  Juni 1990, NVwZ  1990, 1167, 1167 ff.; BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 111. 464 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 112. 465 Die Kosten für das Semesterticket beliefen sich auf 14 DM monatlich (ca. 7 Euro), während für ein reguläres Monatsticket 59 DM (ca. 30 Euro) entrichtet hätten werden müssen, vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 112. 466 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 112.

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c) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Semestertickets Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts verstößt die Einführung eines Semester­tickets auch nicht gegen den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.467 Es schloss sich der Auffassung des Berufungsgerichts an, das davon ausging, dass gerade kein milderes Mittel zur Verfügung stehe, um das mit der Einführung des beitragsfinanzierten Semestertickets angestrebte Ziel eines vergünstigten Angebots zur Nutzung des ÖPNV zu erreichen.468 Vielmehr wurde der Preis für das Semesterticket gerade so kalkuliert, „dass die Gesamteinnahmen, die die öffentlichen Verkehrsbetriebe während eines Semesters aus dem Verkauf von Monatskarten, Sammel- und Einzelfahrscheinen an Studierende erzielten, durch die Gesamtzahl der eingeschriebenen Studierenden am Hochschulort dividiert wurden“.469 Damit hatten sich die Verkehrsbetriebe dazu bereiterklärt, ihre Beförderungsleistungen nunmehr allen Studierenden anzubieten – ohne dafür eine Erhöhung ihrer bisherigen Einnahmen zu verlangen.470 Es sei nicht ersichtlich, dass es der Studentenschaft möglich gewesen wäre, ihren Mitgliedern ein „im Ergebnis derart günstiges Angebot […] auf der Grundlage eines freiwilligen Erwerbs des Semestertickets“ zu verschaffen.471 Dies gelte umso mehr, da andere Wege zur Ermöglichung einer preiswerten Nutzung des ÖPNV – wie beispielsweise eine erhöhte staatliche Subventionierung der Fahrpreise – angesichts der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte bereits von vornherein ausschieden.472 Auch in Bezug auf die Höhe des auf das Semesterticket entfallenden Beitragsanteils liege weder eine Verletzung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne noch des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG vor.473 Es könne insbesondere nicht von einer unzumutbaren Belastung für die Studierenden, die das Ticket nicht benutzen wollen, ausgegangen werden.474 Als Vergleichsgröße dafür, ob von einer Zumutbarkeit des für das Semesterticket erhobenen Beitragsanteils ausgegangen werden könne, zog das Bundesverwaltungsgericht den einem Studierenden nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zustehenden monatlichen Bedarfssatz475 einschließlich Unterkunft und Krankenversicherung heran.476 Im Grenzbereich des gemessen an dieser quantitativen Vergleichsgröße Zumutbaren fänden 467

BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 112. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 112. 469 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 112. 470 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 112 f. 471 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 113. 472 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 113. 473 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 113. 474 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 113. 475 Dieser betrug im damals maßgeblichen Wintersemester 1992/1993 für nicht bei ihren Eltern wohnenden Studierenden 865 DM (ca. 442 Euro), vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 113. 476 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 113. 468

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zudem ergänzend und nachrangig auch eine Vielzahl von qualitativen Faktoren Berücksichtigung.477 Zu nennen seien dabei unter anderem die Verbesserung der örtlichen Umweltbedingungen durch die erhöhte studentische Inanspruchnahme des ÖPNV sowie die Entspannung der Parkplatzsituation im Hochschulbereich.478 Weiterhin sei auch in dem Umstand, dass die Studierenden das Semesterticket auch zu Freizeitzwecken nutzen können, ein weiterer Vorteil zu sehen.479 Unter Einbeziehung der genannten Faktoren erscheine der für das Semesterticket anfallende Beitragsanteil von 14 DM pro Monat als verhältnismäßig gering, sodass dessen Zahlung auch denjenigen Studenten zugemutet werden könne, die auf dieses Ticket nicht angewiesen seien oder es aufgrund anderer Ursachen nicht nutzen möchten.480 Daran ändere auch der Umstand nichts, dass keine besonderen Erlass- oder Befreiungstatbestände für diejenigen Studierenden geschaffen wurden, die das Semesterticket entweder nicht nutzen möchten oder  – z. B. aufgrund der örtlichen Nähe ihres Wohnsitzes zur Hochschule – nicht sinnvoll nutzen können.481 Begründet wurde dies damit, dass es der dem Semesterticket zugrundeliegende Solidar­gedanke rechtfertige, alle Studierenden – also auch die genannten „Nichtnutzer“-Gruppen – heranzuziehen.482 Zwar bedeute dies für die Nichtnutzer eine zusätzliche, über die bloße Zwangsmitgliedschaft hinausgehende Belastung, die auch vor dem Hintergrund des Solidargedankens nur unter strengen Voraussetzungen zulässig sein könne, allerdings seien diese Anforderungen erfüllt.483 Zum einen sei der Beitragsanteil, der auf das Semesterticket entfalle, relativ gering.484 Weiterhin sei jedoch erforderlich, dass „die durch alle finanzierte Leistung auch tatsächlich dem ganz überwiegenden Teil der Studierendenschaft zugutekomm[e], also insofern spezifisch gruppennützig [sei]“.485 Dabei spreche für die Gruppennützigkeit zum einen, dass bei der zur Einführung des Semestertickets durchgeführten Urabstimmung die überwiegende Mehrheit der Studenten positiv gestimmt haben, und andererseits, dass über 90 Prozent der Studierenden im Einzugsgebiet der Verkehrsbetriebe wohnten und dadurch dazu in der Lage seien, das Semesterticket „in zumutbarer Weise zu nutzen“.486

477

BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 113. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 113 f. 479 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 114. 480 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 114. Ähnlich argumentierte das BVerwG auch in seiner Entscheidung zur Regelung der studentischen Krankenversorgung an der Hochschule: BVerwG, Urteil vom 4. Juli 1969, E 32, 308, 313. 481 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 114. 482 BVerwG. Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 114. 483 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 114. 484 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 114. 485 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 114. 486 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 114 f. 478

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7. Semesterticket als erste gesetzliche Ausgestaltung des ÖPNV-Beitrags Das Semesterticket stellt das bislang einzige Tarifkonzept dar, durch das ein bestimmter Personenkreis dazu verpflichtet wird, eine Fahrtberechtigung für den ÖPNV zu erwerben. Aus diesem Grund stellt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen guten Ausgangspunkt für die juristische Umsetzung des ÖPNV-Beitrags dar. Das Semesterticket zielt wie auch der ÖPNV-Beitrag darauf ab, das Mobilitätsbedürfnis einer bestimmten Personengruppe in möglichst umweltschonender Weise zu befriedigen. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Beiträgen ist in den verschiedenen Nutzerkreisen zu sehen, die angesprochen werden. Während sich das Semesterticket auf die Gruppe der Studenten fokussiert, die alleine aufgrund ihrer Eigenschaft als Studierende besondere Mobilitätsanforderungen stellt, soll der ÖPNV-Beitrag und die damit verbundene unbeschränkte und kostenlose Nutzung des ÖPNV allen Kreisangehörigen zukommen, für die eine angemessene Verkehrsbedienung sichergestellt ist. Dabei ist zu beachten, dass die Personengruppe aller Kreisangehörigen eines Landkreises sämtliche Nutzergruppen in allen verschiedenen Altersklassen und sozialen Hintergründen umfasst, deren Mobilitätsbedürfnissen in gleicher Weise Rechnung getragen werden muss. Diesbezüglich werden strengere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des ÖPNV zu stellen sein, als dies beim Semesterticket der Fall ist. Dies lässt sich an einem einfachen Beispiel verdeutlichen: Für die Nutzergruppe der Studenten ist es – gerade angesichts der meist beschränkten Parkmöglichkeiten an den Hochschulen – elementar, dass die Anbindung des ÖPNV an die Universität entsprechend ausgebaut ist und zu den „Stoßzeiten“ – also vorwiegend am Vormittag und frühen Nachmittag – eine ausreichende Taktung gegeben ist. Am Beispiel Regensburgs ließ sich dies bereits durch die Einführung verschiedener Campuslinien gut erreichen.487 Will man jedoch die Mobilitätsbedürfnisse eines ganzen Landkreises befriedigen, muss ein breiterer Fokus angelegt werden. An dieser Stelle wird erneut deutlich, dass das bereits im Rahmen des Anschluss- und Benutzungszwangs angesprochene Kriterium der angemessenen Verkehrsbedienung einen Dreh- und Angelpunkt in der rechtlichen Umsetzbarkeit des ÖPNV-Beitrags spielt. Dies zeigt sich auch, wenn man sich die zentralen Aussagen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Semesterticket verdeutlicht. Dort heißt es: „Die Inpflichtnahme auch der Studierenden, die das Semesterticket nicht nutzen wollen oder können, entspricht auch unter Berücksichtigung des Solidargedankens dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur dann, wenn das Semesterticket tatsächlich dem ganz überwiegenden Teil der Studierendenschaft [zugutekommt]“.488 Umgemünzt auf den ÖPNV-Beitrag bedeutet dies, dass eine Inanspruchnahme von potentiellen (derzeitigen) Nichtnutzern des 487 Vgl. dazu die Informationen auf der Internetseite des RVV unter http://www.rvv.de/Se mester-Ticket.n60.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 488 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 97 f. (Ls. 5).

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ÖPNV nur dann mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu vereinbaren ist, wenn die Leistungen, die durch den ÖPNV-Beitrag zur Verfügung gestellt werden, auch dem überwiegenden Teil der Beitragsschuldner zugutekommt – folglich also von diesem in einer angemessen Weise genutzt werden kann.489 Aber auch in Bezug auf die Beitragsbemessung lassen sich wichtige Parallelen knüpfen und auf den ÖPNV-Beitrag übertragen. So ist das Bundesverwaltungsgericht der Auffassung, dass „der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ansonsten nur gewahrt [sei], wenn der auf das Semesterticket entfallende Beitragsanteil auch für die Studierenden, die es nicht nutzen wollen oder können, zumutbar [sei]. Ob dies der Fall [sei], [bemesse] sich vornehmlich an der Höhe des einem Studierenden nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz jeweils zustehenden monatlichen Bedarfssatzes. Im Verhältnis dazu [müsse] der Beitragsanteil verhältnismäßig gering sein“.490 Daraus kann übernommen werden, dass eine geeignete Vergleichsgröße gefunden werden muss, anhand derer die Höhe des ÖPNV-Beitrags bemessen werden kann. Da sämtliche Nutzergruppen mit unterschiedlichen finanziellen Leistungsfähigkeiten angesprochen werden, erscheint das Durchschnittseinkommen eines deutschen Arbeitnehmers als geeignete Vergleichsgruppe. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Anpassungen sind diesbezüglich zum Beispiel für Beitragsschuldner, die Sozialleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch491 beziehen, angezeigt.492 Aber auch die juristische Einordnung des ÖPNV-Beitrags als Beitrag wurzelt in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Semesterticket. Wie bereits dargestellt493, stuft das Bundesverwaltungsgericht die „Befugnis zur Benutzung der öffentlichen Verkehrsbetriebe“ als Vorteil im Sinne des Äquivalenzprinzips ein.494 Hierzu führt es aus: „Der für das Semesterticket erhobene Beitragsanteil wird diesen Anforderungen des Äquivalenzprinzips bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise gerecht. Denn alle Studierenden erhalten mit dem Semesterticket die Befugnis zur Benutzung der öffentlichen Verkehrsbetriebe“.495 Zudem können die Ausführungen zu den rechtlichen Beziehungen der Beteiligten entsprechend auf den ÖPNV-Beitrag übertragen werden.

489

Ausführlich zu den Anforderungen an die Sicherstellung einer angemessenen Verkehrsbedienung unter Kapitel 5 E. I. 490 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 97 (Ls. 4). 491 Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), das zuletzt durch Art. 20 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541) geändert worden ist. 492 Ausführlich zur Beitragsbemessung beim ÖPNV-Beitrag unter Kapitel 5 E. II. 2.  493 Vgl. dazu bereits unter Kapitel 5 D. II. 6. b). 494 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 97 (Ls. 3). 495 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 112.

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III. Rundfunkbeitrag 1. Hintergründe für die Einführung Bis zum Jahr 2013 musste für das Bereithalten eines Rundfunkgeräts eine Grundgebühr und für das Bereithalten eines TV-Geräts zusätzlich eine Fernsehgebühr entrichtet werden, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags496 (RGebStV). Der Nachteil dieser Regelung bestand darin, dass sie zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand führte, da für die Feststellung, ob eine Gebührenpflicht besteht, zunächst geklärt werden musste, welches Gerät von wem wo seit wann zu welchem Zweck in technischer Hinsicht zum Empfang bereitgehalten wurde.497 Zudem stand sie aufgrund der erforderlichen Datenerhebung und -speicherung erheblich in der Kritik.498 Diese Erhebung war jedoch zwingend erforderlich, um ein strukturelles Erhebungs- und Vollzugsdefizit zu vermeiden, infolgedessen die Abgabenerhebung gegen den Gleichheitssatz verstoßen hätte.499 Zudem hatte die Gefahr eines solchen Defizits dramatisch zugenommen, da eine stetig steigende Anzahl von Rundfunkteilnehmern ihre Geräte nicht bzw. nicht mehr vollständig anmeldeten.500 Weiterhin ging mit der Einführung einer „PC-Gebühr“, die um ein Vielfaches geringer ausfiel als eine TV-Gebühr, eine erhebliche Gefährdung der Rundfunkfinanzierung einher.501 Da der Gesetzgeber jedoch die bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks garantieren muss,502 sah er sich dazu veranlasst, ein neues, alternatives Finanzierungsmodell zu entwickeln.503 Aus diesem Grund wurde die bis 2012 bestehende geräteabhängige Rundfunkgebühr am 1.  Januar 2013 durch eine Wohnungs- und Betriebsstättenabgabe ersetzt.504 Die Rechtmäßigkeit dieser – auch als „Rundfunkbeitrag“ bezeichneten – Abgabe wird in der Literatur kritisch beurteilt.505 Einige Stimmen gehen davon aus, dass die Wohnungs- und Betriebsstättenabgabe gerade nicht die verfassungsrechtlichen Kriterien eines Beitrags erfülle.506 Begründet wird dies damit, dass nur bestimmte Personenkreise mit einem Beitrag belastet werden dürften, sodass nicht der gesamte Kreis der Wohnungsinhaber und der Betriebsstätteninhaber zur Zahlung eines Rundfunkbeitrags herangezogen werden dürfe.507 496

Rundfunkgebührenstaatsvertrag vom 31. August 1991, aufgehoben mit Wirkung vom 1. Januar 2013 durch Art. 2 des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 15. Dezember 2010. 497 Schneider, NVwZ 2013, 19, 19. 498 Schneider, NVwZ 2013, 19, 19. 499 Schneider, NVwZ 2013, 19, 19. 500 Schneider, NVwZ 2013, 19, 19; Kirchhof, Gutachten Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 15 ff.; Degenhart, ZUM 2011, 192, 193. 501 Schneider, NVwZ 2013, 19, 19. 502 BVerfG, Urteil vom 11. September 2007, E 119, 181, 218. 503 Schneider, NVwZ 2013, 19, 19. 504 Schneider, NVwZ 2013, 19, 19. 505 Kritisch Bölck, NVwZ  2014, 266, 266 ff.; Exner/Seifarth, NVwZ  2013, 1569, 1569 ff.; Degenhart, ZUM 2011, 193, 193 ff. 506 Bölck, NVwZ 2014, 266, 267; Exner/Seifarth, NVwZ 2013, 1569, 1570. 507 Bölck, NVwZ 2014, 266, 267.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

2. Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags Der genannten Kritik in der Literatur ist die Rechtsprechung  – zuletzt sogar höchstrichterlich durch das Bundesverwaltungsgericht508 – entgegengetreten. Bei dem Rundfunkbeitrag handele es sich gerade nicht um eine Zwangsabgabe in Form einer Steuer, sondern um eine nichtsteuerliche, in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallende, Abgabe in Form eines Beitrags.509 Der Rundfunkbeitrag „[diene] der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie der Finanzierung der Aufgaben nach § 40 RStV und [fließe] damit nicht in den allgemeinen staatlichen Haushalt“.510 Gerade weil der Rundfunkbeitrag ohne Rücksicht auf die Nutzungsabsichten und -gewohnheiten – also für die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – erhoben werde, handele es sich um eine Vorzugslast in Gestalt des Beitrags und werde durch die mit ihm verfolgten Zwecke der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs legitimiert.511 Weiterhin sei es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags lediglich an das Innehaben einer Wohnung anknüpfe, es also nicht darauf ankomme, ob in der Wohnung tatsächlich ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten werde oder nicht.512 Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof verweist diesbezüglich auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, durch die die „Gebührenfinanzierung“513 als Vorzugslast eingestuft wurde, und stellt heraus, dass mit dem Wechsel des Anknüpfungspunktes keine Änderung der Einstufung als Vorzugslast einhergehe.514 Vielmehr sei die künftige Anknüpfung auf das Innehaben einer Wohnung allein auf die technische Entwicklung neuartiger Rundfunkempfänger, zu deren Funktionen unter anderem auch die Wiedergabe von Rundfunkprogrammen über das Internet zählen, zurückzuführen.515 Dadurch habe der bisherigen Gebührenfinanzierung ein „strukturelles Erhebungs- und Vollzugsdefizit“ gedroht, da die Ermittlung und Überprüfung derartiger Geräte  – unabhängig davon, ob diese zusätzlich oder anstelle von herkömmlichen Rundfunkempfangsgeräten wie Hörfunk oder Fernsehgeräten verwendet werden – nur unvollständig möglich gewesen sei und damit Anreize zur „Flucht aus der Rundfunkgebühr“ gesetzt habe.516 508

BVerwG, Urteil vom 17. März 2016, E 154, 275 ff. BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 14; so nun auch BVerwG, Urteil vom 17. März 2016, 6 C 6/15 – juris, Rn. 6. 510 BayVGH, Urteil vom 24.  Juni 2015  – 7 B 15.252, juris Rn.  16; so auch im Ergebnis BVerwG, Urteil vom 17. März 2016, 6 C 6/15 – juris, Rn. 15 und 17. 511 BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 16; vgl. auch BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014, BayVBl. 2014, 688, 723. 512 BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 17. 513 BVerfG, Beschluss vom 22. August 2012, BVerfGK 20, 37, 41; Urteil vom 22. Februar 1994, E 90, 60, 91; Urteil vom 11. September 2007, E 119, 181, 219. 514 Vgl. BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 19 ff. 515 BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 19. 516 BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 19, nach BVerfG, Beschluss vom 22. August 2012, BVerfGK 20, 37, 41 f. 509

D. Status quo: Rechtslage de lege lata

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Demgegenüber vereinfache das Anknüpfen an das Merkmal des Innehabens einer Wohnung das Erhebungsverfahren erheblich, da die Ermittlung von Art und Zahl der zum Empfang bereitgehaltenen Rundfunkempfangsgeräte entfalle.517 Damit gehe auch ein besserer Schutz der Privatsphäre der Bürger vor behördlichen Ermittlungen einher, da sich Ermittlungen „hinter der Wohnungstür“ erübrigten.518 Zudem sei das duale System519, bei dem der öffentliche Rundfunk strengeren Anforderungen unterliege als die privatwirtschaftlich finanzierten Programme, nur dann mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar, wenn es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelinge, seinen klassischen Funktionsauftrag – der über die reine Meinungs- und Willensbildung hinausgehe und auch Unterhaltungs-, Informations- und auch kulturelle Zwecke verfolge – zu erfüllen.520 „Zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit in der dualen Rundfunkordnung [gehöre daher auch] die Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter Einschluss seiner bedarfsgerechten Finanzierung“.521 Auch der Umstand, dass der beitragspflichtige Personenkreis der (volljährigen) Wohnungsinhaber ziemlich groß sei, sei abgabenrechtlich nicht von Relevanz.522 Dies ergebe sich gerade daraus, dass die Breite der Finanzierungsverantwortung mit der Größe des Adressatenkreises korrespondiere, an den sich das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks richte.523 Der Rundfunkbeitrag – wie auch zuvor die Rundfunkgebühr  – diene damit der Abgeltung des unverändert „individuell bestehenden Vorteil[s] der jederzeitigen Möglichkeit des Rundfunkempfangs“.524 Dies werde auch im Hinblick auf den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag deutlich, in dem der Zweck des Rundfunkbeitrags sowie der Anknüpfungspunkt für die Zahlungspflicht ausdrücklich benannt würden.525 Zudem verstoße der Rundfunkbeitrag nicht gegen die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art.  2 Abs.  1 GG oder den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art.  3 Abs. 1 GG.526

517

BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 19. BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 19. 519 Unter der dualen Rundfunkordnung, die in Deutschland herrscht, versteht man das Nebeneinander von einerseits öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD, ZDF, Deutschlandradio), denen die Rundfunkbeiträge zufließen, und den privaten Rundfunkanbietern (z. B. RTL, Sat1, ProSieben) andererseits. Vgl. dazu Manssen, Staatsrecht II, Rn. 387. 520 BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 21. 521 BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 21. 522 BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 23. 523 BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014, BayVBl. 2014, 688, 723; BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 23. 524 BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 23. 525 BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 23. 526 BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 13 und Rn. 25 ff. 518

224

Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

3. Mögliche Übertragung der Rechtsprechung zum Rundfunkbeitrag auf den ÖPNV-Beitrag „Da die Programmgestaltung von der finanziellen Ausstattung der Rundfunkanstalten abhängig ist, ist eine funktionsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erforderlich, die einerseits der Stellung der Rundfunkanstalten im dualen System entspricht und andererseits geeignet ist, die Programmautonomie auch im Hinblick auf eine mögliche politische Einflussnahme des Staates zu wahren.“527 „[Die Gebührenfinanzierung] erlaubt es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen ein Programm anzubieten, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen [des Art.  5 Abs.  1 Satz 2 GG in] gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht. In der ungeschmälerten Erfüllung dieser Funktion und in der Sicherstellung der Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen im dualen System findet die Gebührenfinanzierung ihre Rechtfertigung“.528 Gleiches gilt auch für die Erhebung des Rundfunkbeitrags.529 Der Wechsel vom bisherigen Anknüpfungstatbestand des Bereithaltens eines Rundfunkempfangsgeräts zum Innehaben einer Wohnung findet seine Veranlassung  – wie bereits dargestellt  – allein im technischen Fortschritt.530 Die Rundfunkfreiheit ist ein wichtiger Bestandteil der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung.531 Durch die gesetzliche Regelung des Rundfunkbeitrags soll es dem öffentlichen Rundfunk ermöglicht werden, „seinen klassischen Funktionsauftrag zu erfüllen, der neben seiner Rolle für die Meinungs- und Willensbildung, neben Unterhaltung und Information seine kulturelle Verantwortung umfasst“.532 Die von der Rechtsprechung definierten Anforderungen lassen sich daher nur schwer auf den ÖPNV-Beitrag übertragen. Zwar werden mit der Einführung des ÖPNV-Beitrags zahlreiche öffentliche Zwecke – unter anderem die Sicherstellung der Mobilität der Bevölkerung und damit einhergehend die Schaffung von sozialer Gerechtigkeit sowie zahlreiche umweltschutzrechtliche Gesichtspunkte – verfolgt, nichtsdestotrotz kann jedoch nicht bestritten werden, dass dem ÖPNV keine vergleichbare Bedeutung im Hinblick auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung zukommt, wie dies bei dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Fall ist. Damit können lediglich die im Zusammenhang mit dem Rundfunkbeitrag genannten Grundsätze zum Beitragsrecht, wie sie durch das Bundesverfassungsgericht sowie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Recht-

527

BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994, E 90, 60, 60 (Ls. 2b); vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 17. März 2016, 6 C 6/15 – juris, Rn. 18. 528 BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 18; BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994, E 90, 60, 90. 529 BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 19. 530 BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 19. 531 BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 21. 532 BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 B 15.252, juris Rn. 21; so nun auch BVerwG, Urteil vom 17. März 2016, 6 C 6/15 – juris, Rn. 18.

E. Ausgestaltung des ÖPNV-Beitrags in der Praxis

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sprechung geprägt wurden, auf den ÖPNV-Beitrag angewendet werden. Eine weitergehende Übertragung verbietet sich.

E. Ausgestaltung des ÖPNV-Beitrags in der Praxis Aus der Analyse der mit dem ÖPNV-Beitrag – zumindest im weitesten Sinne – vergleichbaren Rechtsinstitute des kommunalen Anschluss- und Benutzungszwangs, des Semestertickets und des Rundfunkbeitrags konnten wichtige Erkenntnisse für die Definierung eigenständiger Anforderungen für die Erhebung des ÖPNVBeitrags gewonnen werden. Zudem wurde festgestellt, dass die abstrakte, unbeschränkte und unentgeltliche Nutzungsmöglichkeit der Beförderungsleistungen des ÖPNV, die den Beitragsschuldnern als Gegenleistung für die Inanspruchnahme durch den ÖPNV-Beitrag zur Verfügung gestellt wird, grundsätzlich als Vorteil im Sinne des Beitragsrechts eingestuft werden kann. Damit jedoch tatsächlich von einem individualisierbaren Vorteil für die Beitragsschuldner gesprochen werden kann, müssen geeignete Kriterien entwickelt werden, die die Leistungsfähigkeit des ÖPNV adäquat abbilden. Weiterhin müssen Anforderungen an die Beitragshöhe aufgestellt und der Kreis der Beitragsschuldner genauer definiert werden.

I. Übertragung des Kriteriums der Leistungsfähigkeit Das Kriterium der Leistungsfähigkeit stellt im Recht des kommunalen Anschlusszwangs einen zentralen Dreh- und Angelpunkt dar. Kann die Kommune eine uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit des Bürgers nicht gewährleisten, so entfällt auch dessen korrespondierende Verpflichtung zur Leistung.533 Wie bereits dargestellt,534 lässt sich dieses Kriterium auf die Erhebung eines ÖPNV-Beitrags entsprechend anwenden: Nur dann, wenn die betroffenen Beitragsschuldner auch tatsächlich von der abstrakt angebotenen Nutzungsmöglichkeit der ÖPNV-Leistungen profitieren können, ist eine Beitragserhebung denkbar. Dies ist dann der Fall, wenn der ÖPNV – vorwiegend dessen Infrastruktur – bereits so ausgestaltet ist, dass eine angemessene Verkehrsbedienung der Beitragsschuldner sichergestellt ist. Um geeignete Kriterien zu finden, mit Hilfe derer ermittelt werden kann, ob eine angemessene Verkehrsbedienung der Beitragsschuldner sichergestellt ist, stellt sich zunächst die Frage, wann überhaupt die Sicherstellung einer angemessenen Verkehrsbedienung angenommen werden kann. Im Hinblick auf die enorme Bedeutung des MIV im täglichen Leben und den mit dem ÖPNV-Beitrag verfolgten umweltpolitischen Lenkungszweck, den Anteil des MIV am Modal Split zu ­senken, 533 Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 24 GO Rn. 10; vgl. auch Oehler, in: PdK BayGO, Bd. B1, Art. 24 S. 7 f. Vgl. dazu auch die Ausführungen unter Kapitel 5 D. I. 534 Siehe dazu unter Kapitel 5 D. I. 5. b).

226

Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

erscheint es sachgerecht, davon auszugehen, dass eine angemessene Verkehrsbedienung immer dann sichergestellt ist, wenn der ÖPNV als Äquivalent zum MIV im innergebietlichen Verkehr angesehen werden kann. Gemeint ist damit nicht die vollständige Ablösung des MIV per se, sondern die Schaffung von Anreizen, um die Vormachtstellung des MIV im innergebietlichen Verkehr – dieser umfasst gerade die typischen Kurzstreckenfahrten des täglichen Lebens im Kreisgebiet, wie zum Beispiel die Fahrt zum Einkaufen, zum Arztbesuch, zur Arbeitsstelle oder zum Restaurantbesuch – zugunsten des ÖPNV aufzubrechen. Das bedeutet, dass der ÖPNV so ausgebaut sein muss, dass es den Beitragsschuldnern ein Leichtes ist, auf dessen Nutzung im innergebietlichen Verkehr umzusteigen, ohne dadurch auf die Vorteile des MIV verzichten zu müssen. 1. Mehrwert des MIV Als Vorüberlegung zur Definierung dementsprechender Anforderungen steht zunächst die Frage, welchen Nutzen und Mehrwert der Einzelne aus dem MIV im innergebietlichen Verkehr ziehen kann. Warum nutzen so viele Menschen ihr eigenes Fahrzeug, um in die Arbeit zu fahren, obwohl sie damit häufig im Stau stehen? Warum werden die zum Teil horrenden Kraftstoffpreise akzeptiert? Auf all diese Fragen gibt es eine einfache Antwort: Die Nutzung des Autos ist bequem – sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Hinsicht. Der MIV zeichnet sich durch einen hohen Grad an Flexibilität aus. Der Fahrer kann selbst entscheiden, wann er sich an welchen Ort fortbewegen möchte, ohne dabei an Fahrpläne oder Abfahrtszeiten gebunden zu sein. Er kann seine Route frei wählen und kann die meisten Destinationen unproblematisch mit dem Auto erreichen. Auch der Transport von Einkäufen lässt sich leicht bewerkstelligen. Für die Definition der Abgrenzungskriterien ist daher auf die zeitlichen und räumlichen Vorteile des MIV im innergebietlichen Verkehr abzustellen. 2. Zeitliche Vergleichbarkeit (Flexibilität) Die Sicherstellung einer angemessenen Verkehrsbedienung setzt daher zunächst voraus, dass durch die Nutzung des ÖPNV im innergebietlichen Verkehr eine ähnlich hohe zeitliche Flexibilität im Vergleich zum MIV erzielt werden kann. Das bedeutet, dass die typischen Zielstellen des täglichen Lebens im Kreisgebiet – wie bereits angesprochen sind damit vor allem Fahrten zu Versorgungseinrichtungen, aber auch Fahrten zu Freizeitzwecken gemeint  – schnell und einfach mit dem ÖPNV erreichbar sein müssen. Dies lässt sich vor allem durch geringe Warte- und Fahrtzeiten realisieren. Für eine flexible Fortbewegung mit dem ÖPNV sind kurze Wartezeiten sowohl bei der Abfahrt als auch bei Umstiegen unerlässlich. Solche können durch eine aus-

E. Ausgestaltung des ÖPNV-Beitrags in der Praxis

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reichende Frequentierung der Verkehrslinien und eine geeignete Taktung erreicht werden. Um den ÖPNV als Äquivalent zum MIV im innergebietlichen Verkehr einstufen zu können, ist gerade zu den Hauptverkehrszeiten wie morgens (ca. 7 bis 10  Uhr) sowie zur „Rush-Hour“ (ca. 16 bis 19  Uhr) eine Abfahrtstaktung von höchstens 15 Minuten auf Hauptverkehrslinien und 25 Minuten auf Nebenlinien erforderlich. Solche Taktungen werden außerhalb von Ballungsgebieten nur schwer zu realisieren sein. Gerade in ländlichen Gebieten sind Abfahrtszeiten von 30 bis 60 Minuten keine Seltenheit, sodass dort die Erhebung eines ÖPNV-Beitrags aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausscheiden muss. Dies ist auch sachgerecht. Die Beitragsschuldner können keinen individualisierbaren Vorteil aus der Bereitstellung einer unbeschränkten und unentgeltlichen Nutzungsmöglichkeit des ÖPNV ziehen, wenn von dieser nicht ohne deutliche Zeiteinbußen Gebrauch gemacht werden kann. Zudem muss gewährleistet werden, dass die Fahrtzeit mit dem ÖPNV nicht erheblich von der Fahrtzeit innerhalb des MIV abweicht. Dies kann vor allem durch ein engmaschiges Verkehrsnetz erreicht werden. Dadurch wird vermieden, dass zwar eine gute Anbindung an den ÖPNV sichergestellt ist, dieser aber faktisch nicht effektiv genutzt werden kann, da die Fahrtzeiten zu beachtlichen zeitlichen Verzögerungen führen. Von einer unerheblichen Verlängerung der Fahrtzeit kann ausgegangen werden, wenn die durchschnittliche Fahrtdauer im MIV nicht mehr als 20 Prozent überschritten wird. Abzustellen ist dabei auf die in den Fahrplänen angegebene Durchschnittsfahrtdauer des ÖPNV. Gerade in großen Ballungsgebieten – zum Beispiel der Landeshauptstadt München – dürfte dieses Kriterium leicht zu erfüllen sein, da ein erheblicher Teil des ÖPNV auf U- und S-Bahnen entfällt und diese schienengebunden außerhalb des Stadtverkehrs verlaufen. Dadurch können sehr effiziente Fahrtzeiten erreicht werden, weil diese unabhängig von Verkehrsproblemen wie Staus oder Baustellen verkehren. Um im Stadtgebiet auch die Fahrtzeiten von Bussen und Trambahnen zu verbessern, ist die Schaffung von gesonderten Busspuren ein geeignetes Mittel. Die Problematik der ineffizienten Fahrtzeiten stellt sich vermehrt in kleineren Städten und ländlichen Räumen. Dort verkehren in der Regel nur wenige Buslinien, die meist eine Vielzahl von Orten miteinander verbinden, sodass häufig eine lange Fahrtdauer von den Fahrgästen gebilligt werden muss. Allerdings gilt auch hier, dass in solchen Fällen die Erhebung eines ÖPNV-Beitrags weder sachgerecht noch intendiert ist. Das Kriterium der zeitlichen Vergleichbarkeit dient gerade dazu, verantwortungsvoll und kritisch zu ermitteln, in welchen Gebieten die Leistungsfähigkeit des ÖPNV ausreicht, um diesen als reelle Alternative zum MIV im innergebietlichen Verkehr einstufen zu können. Nur von denjenigen Kreisangehörigen, für die auch eine angemessene Verkehrsbedienung sichergestellt ist, kann ein ÖPNV-Beitrag erhoben werden.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

3. Räumliche Vergleichbarkeit (Erreichbarkeit) Aber nicht nur die zeitliche Komponente ist entscheidend dafür, ob der ÖPNV dem MIV im innergebietlichen Verkehr gleichgestellt werden kann, sondern es ist auch eine räumliche Komponente miteinzubeziehen. Auch diese umfasst im Wesentlichen zwei entscheidende Kriterien: Die räumliche Nähe zu den Haltestellen und eine gute Anbindung an wichtige Anlaufstellen des täglichen Lebens. Da Fahrzeughalter regelmäßig innerhalb einer kurzen räumlichen Distanz auf ihren PKW zugreifen können, muss auch dieser Aspekt Berücksichtigung finden. In Bezug auf den ÖPNV entspricht dieser Aspekt der Entfernung zwischen dem Wohnort des ÖPNV-Nutzers und der nächstgelegenen Haltestelle. Wann in diesem Sinne noch von einer angemessenen räumlichen Nähe gesprochen werden kann, ist entscheidend. Nur, wenn der Weg zur nächsten Haltestelle angenehm fußläufig erreichbar ist, kann auch von einem Vorteil durch die Nutzungsmöglichkeit des ÖPNV gesprochen werden. Für eine genauere Definition dieser „räumlichen Nähe“ kann entsprechend auf die Grundsätze des Bauordnungsrechts zur Stellplatzvergabe – insbesondere auf Art. 47 Abs. 3 Nr. 2 BayBO – abgestellt werden. Nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBO535 sind bei der Errichtung von Anlagen, bei denen ein Zu- oder Abfahrtsverkehr zu erwarten ist, Stellplätze in ausreichender Zahl und Größe und in geeigneter Beschaffenheit herzustellen. Wie der Bauherr seiner Stellplatzverpflichtung nachkommen kann, wird in Art. 47 Abs. 3 BayBO geregelt.536 Demnach kann die Stellplatzpflicht durch Herstellung der notwendigen Stellplätze auf dem Baugrundstück (Art. 47 Abs. 3 Nr. 1 BayBO), durch Herstellung der notwendigen Stellplätze auf einem geeigneten Grundstück in der Nähe des Baugrundstücks, wenn dessen Benutzung für diesen Zweck gegenüber dem Rechts­träger der Bauaufsichtsbehörde rechtlich gesichert ist (Art. 47 Abs. 3 Nr. 2 BayBO), oder durch Übernahme der Kosten für die Herstellung der notwendigen Stellplätze durch den Bauherrn gegenüber der Gemeinde  – Ablösungsvertrag  – (Art. 47 Abs. 3 Nr. 3 BayBO) erfüllt werden.537 Eine abstrakt-generelle Antwort auf die Frage, wann sich ein Grundstück „in der Nähe“ des Baugrundstücks im Sinne des Stellplatzrechts befindet, gibt es nicht.538 Vielmehr muss eine Lösung mit Blick auf die Funktion der Stellplatzregelung ge 535 Bayerische Bauordnung (BayBO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. August 2007 (GVBl. S. 588, BayRS 2132–1-I), die zuletzt durch § 2 des Gesetzes vom 12. Juli 2017 (GVBl. S. 375) geändert worden ist. 536 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Art. 47 Rn. 98. 537 Da es für die Beantwortung der Frage, wann von einer ausreichenden „räumlichen Nähe“ vom Wohnort zur Haltestelle gesprochen werden kann, ausschließlich auf das Tatbestandsmerkmal „in der Nähe“ im Sinne von Art. 47 Abs. 3 Nr. 2 BayBO ankommt, beschränken sich die Ausführungen zur Erfüllung der Stellplatzverpflichtung lediglich auf diesen Aspekt. 538 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Art. 47 Rn. 112; so auch Würfel, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 47 Rn. 148; Jäde, in: PdK BayBO, Bd. F3, Art. 47 S. 7 f; vgl. auch Hensel, in: Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Art. 47 BayBO Rn. 89.

E. Ausgestaltung des ÖPNV-Beitrags in der Praxis

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funden werden, die sich an den Erfordernissen des Einzelfalls orientiert.539 Wichtige Hilfestellung gibt dabei das Telos des Stellplatzrechts: Es soll gewährleistet werden, dass eine Unterbringung des von einer Anlage ausgehenden ruhenden Verkehrs außerhalb der öffentlichen Verkehrsflächen möglich ist.540 Am wahrscheinlichsten ist dies zu realisieren, wenn eine Anordnung der Stellplätze unmittelbar bei der Anlage erfolgt.541 Es ist allerdings auch – entsprechend den Umständen des Einzelfalls – möglich, ein weiter entfernt gelegeneres Grundstück für die Stellplätze zu wählen.542 Voraussetzung dafür ist dann jedoch, dass die Stellplätze trotz ihrer weiteren Entfernung angenommen werden und so ihren Zweck erfüllen können.543 Demnach liegt ein Grundstück dann „in der Nähe“, „wenn die Nutzer der Anlage zumutbarerweise den Weg zwischen Stellplatz und Anlage zurücklegen können, ohne dass die Gefahr besteht, dass die Nutzer lieber ihre Kraftfahrzeuge auf der öffentlichen Verkehrsfläche abstellen“.544 Welche Entfernung für den Nutzer noch zumutbar ist, richtet sich entscheidend nach der Art der Anlage und der Art des von ihr hervorgerufenen Verkehrs.545 Wichtig ist, dass der Kraftfahrer die Parkfläche – und damit sein Fahrzeug – bequem in wenigen Minuten fußläufig erreichen kann.546 Dabei müssen unter anderem auch die allgemeinen Unterschiede zwischen Großund Kleinstadt Berücksichtigung finden.547 Dies liegt vor allem daran, dass man im innerstädtischen Bereich – angesichts der herrschenden Parkplatzknappheit – meist einen längeren Weg in Kauf nimmt als in ländlichen Gebieten.548 Zu beachten ist zudem, dass für den Begriff der „Nähe“ im Sinne von Art. 47 Abs. 3 Nr. 2 BayBO nicht die Luftlinie, sondern der tatsächlich zurückzulegende Fußweg maßgeblich ist.549 Bei der Ermittlung der noch zumutbaren Entfernung ist weiterhin zu berück 539

Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Art. 47 Rn. 112; vgl. auch Hensel, in: Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Art. 47 BayBO Rn. 88 f. 540 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Art. 47 Rn. 112; vgl. auch Hensel, in: Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Art. 47 BayBO Rn. 1. 541 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Art. 47 Rn. 112. 542 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Art. 47 Rn. 112; vgl. auch Wolf, BayBO, Art. 47 Rn. 15; Jäde, in: PdK BayBO, Bd. F3, Art. 47 S. 7 f. 543 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Art. 47 Rn. 112; vgl. auch Wolf, BayBO, Art. 47 Rn. 15; Jäde, in: PdK BayBO, Bd. F3, Art. 47 S. 7 f.; so auch Hensel, in: Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Art. 47 BayBO Rn. 88. 544 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Art 47 Rn.  112; ähnlich auch Würfel, in: Simon/Busse, BayBO, Art.  47 Rn.  148; ähnlich auch Schwarzer/König, BayBO, Art. 47 Rn. 38; Jäde, in: PdK BayBO, Bd. F3, Art. 47 S. 8. 545 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Art. 47 Rn. 113; Würfel, in: Simon/ Busse, BayBO, Art. 47 Rn. 148; Schwarzer/König, BayBO, Art. 47 Rn. 38; Jäde, in: PdK BayBO, Bd. F3, Art. 47 S. 8; vgl. auch Hensel, in: Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungs­recht Bayern, Art. 47 BayBO Rn. 89. 546 Würfel, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 47 Rn. 148. 547 Würfel, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 47 Rn. 148; vgl. auch Jäde, in: Jäde/Dirnberger/ Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Art. 47 Rn. 113. 548 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Art. 47 Rn. 113. 549 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Art.  47 Rn.  114; Würfel, in: ­Simon/Busse, BayBO, Art. 47 Rn. 148; Jäde, in: PdK BayBO, Bd. F3, Art. 47 S. 8.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

sichtigen, ob der Weg zum Stellplatz mehrmals täglich zurückgelegt werden muss – wie dies insbesondere bei dessen Zugehörigkeit zu einer Wohnung der Fall ist.550 Bei Wohnbauvorhaben ist davon auszugehen, dass eine Entfernung von 300 m zumutbar ist.551 Gleichzeitig ist jedoch in größeren Städten davon auszugehen, dass bei Stellplätzen für Arbeitnehmer auch Entfernungen bis zu 1000 m noch als zumutbar eingestuft werden können.552 Aus den rechtlichen Grundsätzen zum Stellplatzrecht  – insbesondere der Rechtsprechung zum Kriterium „in der Nähe“ im Sinne des Art. 47 Abs. 3 Nr. 2 BayBO – wird schnell deutlich, dass sich auch in Bezug auf die räumliche Entfernung zwischen Wohnort des ÖPNV-Nutzers und der Haltestelle des ÖPNV keine allgemeingültigen Aussagen treffen lassen. Vielmehr müssen die individuellen Gegebenheiten in ausreichendem Maße berücksichtigt werden, wobei dabei nicht in Vergessenheit geraten darf, dass die Gegebenheiten des ÖPNV sich nicht wesentlich von der Nutzung eines eigenen Fahrzeugs im innergebietlichen Verkehr unterscheiden dürfen. Besonders zu berücksichtigen ist dies vor allem im Hinblick auf den Transport von Einkäufen zum Wohnort. Das Kriterium der räumlichen Nähe lässt sich daher in Anlehnung an die genannten Grundsätze definieren als diejenige Entfernung zwischen Wohnort und Haltestelle des ÖPNV, die für den ÖPNV-Nutzer in zumutbarer Weise fußläufig erreichbar ist. Insgesamt lässt sich in Einklang mit der Rechtsprechung jedenfalls davon ausgehen, dass eine Entfernung von 300 m als zumutbar anzusehen ist. In großen Ballungsräumen – wie zum Beispiel der Landeshauptstadt München – kann es jedoch erforderlich sein, diesen Wert etwas nach oben zu korrigieren. Gerade im Hinblick auf die durchweg bestehende Parkplatzknappheit kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Halter eines Fahrzeugs innerhalb von 300 m zu seinem Wohnort einen Stellplatz findet. Aus diesen Gründen kann in solchen Fällen eine Entfernung von bis zu 500 m im Ausnahmefall noch als zumutbar angesehen werden. Das Kriterium der „räumlichen Nähe“ ist jedoch nicht nur für die Entfernung der ÖPNV-Haltestellen zum Wohnort der Nutzer erforderlich. Vielmehr kann nur dann von der Sicherstellung einer angemessenen Verkehrsbedienung ausgegangen werden, wenn sich auch die wichtigen Zielstellen des täglichen Lebens im innergebietlichen Verkehr – zum Beispiel wichtige Einkaufszentren, Supermärkte, Ärztezentren – in „räumlicher Nähe“ zu den ÖPNV-Haltestellen befinden. Dies lässt sich durch ein engmaschiges Linien- und Verkehrsnetz des ÖPNV verwirklichen.

550

OVG Saarland, Urteil vom 19. November 1991, BRS 52, 273, 274. Wolf, BayBO, Art. 47 Rn. 15; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Oktober 1985, BRS 44, 263, 265; vgl. auch Hensel, in: Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Art. 47 BayBO Rn. 90. 552 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Oktober 1985, BRS 44, 263, 265; vgl. auch Hensel, in: Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Art. 47 Rn. 90. 551

E. Ausgestaltung des ÖPNV-Beitrags in der Praxis

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4. Zwischenergebnis Nur, wenn der ÖPNV sowohl zeitlich als auch räumlich mit dem MIV im innergebietlichen Verkehr vergleichbar ist, kann die Einräumung eines unbeschränkten und unentgeltlichen Nutzungsrechts als individualisierbarer Vorteil für den abgrenzbaren Personenkreis der Beitragspflichtigen eingestuft werden. Es soll an dieser Stelle noch einmal klargestellt werden, dass das Kriterium der Sicherstellung einer angemessenen Verkehrsbedienung gerade dazu dient, zu ermitteln, in welchen Gebieten die Erhebung eines ÖPNV-Beitrags sinnvoll und angemessen ist. Nur, wenn die aufgestellten Anforderungen eingehalten sind, kann die Einführung eines ÖPNV-Beitrags erwogen werden. Können die Anforderungen nicht umfassend im gesamten Kreisgebiet eingehalten werden, so besteht die Möglichkeit, den Beitrag nur für Teile des Kreisgebiets zu erheben und den Einzugsbereich sukzessive zu erweitern. 

II. Beitragshöhe und Beitragsschuldner Gerade auch in Bezug auf die Beitragshöhe können wichtige Erkenntnisse aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Semesterticket herangezogen werden. In Bezug auf den Kreis der Beitragsschuldner können einige Überlegungen aus der von der Piratenpartei durchgeführten Machbarkeitsstudie für den fahrscheinlosen ÖPNV in Berlin übernommen werden. 1. Beitragsschuldner Für die praktische Umsetzung des ÖPNV-Beitrags ist es erforderlich, den Kreis der Beitragsschuldner genauer zu definieren. Wie bereits mehrfach angesprochen, richtet sich der ÖPNV-Beitrag grundsätzlich an alle Einwohner im Einzugsgebiet der Aufgabenträger des ÖPNV, die dort ihren Erstwohnsitz gemeldet haben – also an alle553 Kreisangehörigen bzw. Angehörigen einer kreisfreien Gemeinde. Dennoch müssen Kriterien gefunden werden, um den Kreis der Beitragsschuldner etwas mehr zu konkretisieren. In der Machbarkeitsstudie der Piratenpartei zur Einführung eines „Bürgertickets“ in Berlin werden zwei verschiedene Ansätze vorgestellt, wie die Zahlungspflichtigen bestimmt werden können.554 Einerseits wird vorgeschlagen, eine Beschränkung der Zahlungspflicht auf bestimmte Altersgruppen vorzunehmen: So könnten beispielsweise lediglich Einwohner zwischen 18 und 65 Jahren oder ausschließlich volljährige Personen durch den Beitrag 553

Falls die angemessene Verkehrsbedienung nicht vollständig sichergestellt ist, kann lediglich für den Teil des Kreisgebiets der ÖPNV-Beitrag erhoben werden, in dem die diesbezüglichen Voraussetzungen erfüllt sind. 554 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 49 f.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

in Anspruch genommen werden.555 Andererseits wird ein Anknüpfen an die Erwerbstätigkeit und das Einkommen vorgebracht.556 Dementsprechend würde eine Beschränkung der Zahlungspflicht auf Personengruppen mit einem bestimmten Einkommen – z. B. auf Erwerbstätige – erfolgen.557 Beide Ansatzpunkte beinhalten Vor- und Nachteile. Während ein Abstellen auf das Alter der Zahlungspflichtigen den bürokratischen Aufwand sehr gering hielte, wäre es dennoch aus sozialen Gesichtspunkten wohl nicht angemessen, nur dieses eine Differenzierungskriterium zu bemühen. Müssten beispielsweise alle volljährigen Einwohner denselben Beitrag leisten, so würde gerade ein erheblicher Nachteil für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen entstehen. Demgegenüber würde ein ausschließliches Abstellen auf die Einkommensverhältnisse den Bürokratieaufwand vervielfachen und wäre auch aus gleichheitsrechtlicher Sicht problematisch, wenn die beitragsbefreiten Personen dennoch auf die Nutzungsmöglichkeiten des ÖPNV zugreifen könnten. Aus diesen Gründen ist eine Kombination aus beiden Ansätzen in Form einer Beitragsstaffelung sowohl nach Alters- als auch nach Einkommensaspekten sinnvoll.558 In der Machbarkeitsstudie wird dazu vorgeschlagen, alle bereits befreiten Fahrgastgruppen sowie Fahrgäste unter 18 Jahren von der Zahlungspflicht auszunehmen.559 Das erscheint sachgerecht, da ansonsten eine finanzielle Benachteiligung von kinderreichen Familien droht. Als Alternative dazu könnte auch an einen Familienbeitrag gedacht werden, allerdings wäre dies mit einem deutlich höheren Verwaltungsaufwand verbunden. Gerade im Hinblick auf die Tatsache, dass Schülern bis zur zehnten Klasse ein Anspruch auf Schülerbeförderung nach Maßgabe der §§ 1 ff. SchBefG560 zusteht und dieser in der Regel durch Monatsfahrkarten des ÖPNV erfüllt wird, ist die Beitragsbefreiung von nicht volljährigen Personen auch angemessen. Weiterhin wird in der Machbarkeitsstudie vorgeschlagen, volljährige Auszu­ bildende, Studierende, alle Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch561, Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie Empfänger von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch nur mit einem reduzierten Beitragssatz in Anspruch zu nehmen.562 Selbiges soll für Empfänger von Leistungen 555

Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 49. Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 50. 557 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 50. 558 So auch Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 50. 559 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 50. 560 Schülerbeförderungsverordnung (SchBefV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994 (GVBl. S. 953, BayRS 2230–5-1–1-K), die zuletzt durch Verordnung vom 14. Juni 2017 (GVBl. S. 381) geändert worden ist. 561 Das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) – Sozialhilfe – (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3214) geändert worden ist. 562 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 50. 556

E. Ausgestaltung des ÖPNV-Beitrags in der Praxis

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nach dem Pflegeversicherungsgesetz563 sowie für Schwerbehinderte über 80 % Schwerbehinderungsgrad gelten.564 Auch dies erscheint aus sozialen Gründen sachgerecht, da diese Personengruppen in der Regel über ein deutlich geringeres Einkommen verfügen, als der Durchschnittsbürger. 2. Beitragshöhe Im Rahmen seiner Rechtsprechung zum Semesterticket stellte das Bundesverwaltungsgericht folgende Grundsätze zur Zumutbarkeit der Beitragshöhe auf: „Die Erhebung des auf das Semesterticket entfallenden Beitragsanteils vorliegend insbesondere auch für die Studierenden, die das Ticket nicht benutzen möchten, [stellt] keine den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzende unzumutbare Belastung dar. Als Vergleichsgröße dafür, ob der für das Semesterticket erhobene Beitragsanteil noch als zumutbar beurteilt werden kann, ist dabei vornehmlich der einem Studierenden nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zustehende monatliche Bedarfssatz einschließlich Unterkunft und Krankenversicherung heranzuziehen. Dieser lag im maßgeblichen Wintersemester 1992/93 für nicht bei ihren Eltern wohnende Studierende in den alten Bundesländern bei insgesamt 865 DM […]. Im Grenzbereich des gemessen an dieser quantitativen Vergleichsgröße Zumutbaren ist ergänzend und nachrangig eine Reihe qualitativer Faktoren zu berücksichtigen. Dazu gehören – anders als beim Äquivalenzprinzip – auch die Vorteile, die sich als verfassungsrechtlich zulässige Nebeneffekte aus der Einführung des Semestertickets für alle Studierenden ergeben. Das sind zum einen die […] Verbesserung der örtlichen Umweltbedingungen aufgrund der erhöhten Inanspruchnahme des öffentlichen Nahverkehrs durch die Studierenden und die Entspannung der Parkplatzsituation im Hochschulbereich. Es ist zum anderen der Vorteil, das Ticket auch zu Freizeitzwecken nutzen zu können. Gemessen hieran war der auf das Semester­ ticket anfallende Beitragsanteil von monatlich 14 DM verhältnismäßig gering und damit auch für den noch zumutbar, der auf das Ticket nicht angewiesen war oder es aus anderen Gründen nicht nutzen wollte“.565 Diese Grundsätze können entsprechend auf den ÖPNV-Beitrag übertragen werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat für die Prüfung der Frage, wann der Beitrag eine unzumutbare Belastung für diejenigen Beitragsschuldner, die das Semester­ ticket nicht nutzen möchten, darstellt, auf die Vergleichsgröße des Bedarfssatzes, der einem Studenten monatlich nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zusteht – einschließlich Unterkunft und Krankenversicherung – abgestellt.566 Dabei 563 Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014, 2797), das zuletzt durch Artikel 14 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191) geändert worden ist. 564 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 50. 565 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 113 f. 566 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 113 f.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

hat es einen monatlich anfallenden Beitragsanteil von 14 DM bei einem monatlichen „Gesamteinkommen“ von 865 DM als zumutbar eingestuft.567 Daraus ergibt sich, dass eine Beitragszahlung in Höhe von rund 1,6 Prozent des zur Verfügung stehenden Einkommens noch als zumutbar angesehen werden kann, selbst wenn nicht von der Befugnis zur Nutzung der Beförderungsleistungen Gebrauch gemacht werden sollte. Für den ÖPNV-Beitrag bedeutet dies, dass eine dem Bedarfssatz nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz entsprechende Vergleichsgröße gefunden werden muss, die die durchschnittlichen Einkommensverhältnisse der Zahlungspflichtigen realistisch abbildet. Hierbei muss zwischen den Beitragsschuldnern des „regulären“ und des „ermäßigten“ Beitrags unterschieden werden. a) Zumutbare Höchstsumme des regulären ÖPNV-Beitrags Als Vergleichsgröße für die zumutbare Höchstsumme des regulären ÖPNVBeitrags muss eine Einkommensberechnung gefunden werden, die das Einkommensbild der breiten Masse abbilden kann. Diesbezüglich erscheint es sachgerecht, auf das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt in Deutschland abzustellen. Dieses wurde in einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit aus dem Jahr 2016 auf 2.954 Euro geschätzt.568 Setzt man einen Prozentsatz zwischen 1,5 und 2 Prozent an, so kommt man auf eine Beitragsspanne von bis zu 60 Euro pro Monat. Allerdings ist zu beachten, dass der Bedarfssatz nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz den Studenten abzugsfrei – bis auf die Beiträge zur Krankenversicherung – zur Verfügung steht. Es ist daher nicht zielführend, auf den unveränderten Wert des Bruttoentgelts abzustellen, da sich dieser durch den Abzug der Lohn- und ggf. der Kirchensteuer noch einmal verringert. Pauschale Aussagen zu einem Durchschnittsnettoentgelt können nur schwer getätigt werden, da der Abzug der Sozialabgaben von individuellen Faktoren wie zum Beispiel der Lohnsteuerklasse abhängt. Um dennoch die Divergenz von Brutto- und Nettoeinkommen zu berücksichtigen, ist es angemessen, den zumutbaren Prozentsatz auf 1 bis 1,5 Prozent herabzusetzen, sodass sich eine zumutbare Beitragshöhe wohl zwischen 30 und 40 Euro monatlich bewegt. Eine derartige Pauschalierung bei der Festlegung der Beitragshöhe ist mit Blick auf die Kalkulationssicherheit der Verkehrsunternehmer sowie den mit der Erhebung des Beitrags erforderlichen Verwaltungsaufwand unumgänglich, aber mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch zulässig. Es muss jedoch auch in die Überlegung miteinbezogen werden, ob eine Beitragshöhe von bis zu 40 Euro pro Monat auch noch für diejenigen Zahlungspflichtigen zumutbar ist, deren monatliches Einkommen unter dem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt liegt, aber von denen keinerlei Leistungen nach dem Zweiten Buch 567

BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 113 f. Statistik der Bundesagentur für Arbeit zu den Bruttomonatsentgelten von Beschäftigten nach der Revision 2014, S. 9. 568

E. Ausgestaltung des ÖPNV-Beitrags in der Praxis

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Sozialgesetzbuch bzw. dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bezogen werden  – also Personen, die gerade (noch) nicht in den ermäßigten Beitragssatz fallen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass gerade dieser Schuldnerkreis in der Regel kein eigenes Fahrzeug unterhält und damit ohnehin meist auf die Beförderungsleistungen des ÖPNV angewiesen ist. Damit werden diese Personen durch die Erhebung des ÖPNV-Beitrags jedoch sogar regelmäßig finanziell bessergestellt, da der Beitragssatz durch den Solidargedanken den Preis für eine reguläre Monatsfahrkarte für den ÖPNV erheblich unterschreitet. Als Beispiel dafür kann die Modellrechnung der Piratenpartei für den Verkehrsraum Regensburg herangezogen werden. Während das günstigste, uneingeschränkte Monatsticket des RVV für die Zonen 1 bis 4 derzeit 95 Euro569 kostet, würde der ÖPNV-Beitrag im Rahmen einer Vollkostenrechnung, d. h. ohne Quersubventionierung durch den Landkreis Regensburg bzw. die Stadt Regensburg, lediglich 15,05 Euro570 betragen. Weiterhin ist zu beachten, dass mit dem ÖPNV-Beitrag auch ein umweltpolitischer Lenkungszweck verfolgt wird. Es sollen gerade Anreize dahingehend gesetzt werden, auf das (Zweit-)Auto zu verzichten und auf den umweltschonenden ÖPNV umzusteigen. Wird dies beherzigt und umgesetzt, können langfristig gesehen erhebliche Kosten eingespart werden, da die Unterhaltungs- und Nutzungskosten für das Kraftfahrzeug entfallen. Um dennoch Unbilligkeiten im Einzelfall vermeiden zu können, ist zu empfehlen, eine Härtefallklausel in die jeweilige Beitragssatzung aufzunehmen. b) Zumutbare Höchstsumme des ermäßigten ÖPNV-Beitrags Auch im ermäßigten Beitragssatz des ÖPNV-Beitrag ist zu überprüfen, welche Beitragshöhe den Zahlungspflichtigen zugemutet werden kann. Hierbei ist zunächst für jede der vom regulären Beitragssatz ausgenommenen Personengruppen gesondert eine geeignete Vergleichsgruppe zu ermitteln. Für den Kreis der Studierenden ist analog zur Rechtsprechung des Bundes­ verwaltungsgerichts auf den Bedarfssatz nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz abzustellen. Dieser beträgt derzeit gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG 399 Euro. Hinzu kommen gemäß § 13 Abs.  2 Nr.  2 BAföG eine Wohnpauschale in Höhe von 250 Euro sowie ein Kranken- und Pflegeversicherungszuschlag in Höhe von 71 Euro bzw. 15 Euro, § 13a Abs. 1 und Abs. 2 BAföG. Daraus ergibt sich ein Gesamteinkommen von 735 Euro. Legt man den bereits angesprochenen Prozentsatz von 1,5 bis 2 Prozent an, so errechnet sich ein Höchstbetrag von bis zu 15 Euro. 569 Eine Preisübersicht der wichtigsten RVV-Tickets kann unter http://www.rvv.de/RVVTarife.o1285.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018) abgerufen werden. 570 Die genaue Berechnung kann auf der Internetseite des Bezirksverbands Oberpfalz der Piratenpartei unter https://www.piraten-oberpfalz.de/kreise/regensburg/archiv/fahrscheinloseroepnv/ (letzter Abruf: 31. Januar 2018) eingesehen werden.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

Für die Personengruppe der volljährigen Auszubildenden ist auf die monatliche Durchschnittsausbildungsvergütung abzustellen. Nach einer aktuellen Auswertung der tariflichen Ausbildungsvergütungen des Bundesinstituts für Berufsbildung beläuft sich die monatliche Vergütung im Gesamtdurchschnitt auf 854 Euro.571 Unter Zugrundelegung der genannten Berechnungsmaßstäbe ergibt sich hier eine zumutbare Beitragshöchstsumme von bis zu 17 Euro monatlich. Die durchschnittlichen Unterstützungsleistungen für Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie Empfänger von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sind nur schwer zu beziffern. Eine genaue Berechnung ist allerdings nicht erforderlich, da sich die genannten Leistungen alle aus dem in den §§ 27a ff. SGB XII normierten Regelbedarf errechnen. Diesbezüglich regelt § 5 Abs. 1 RBEG572, dass von den Verbrauchsausgaben der Referenzgruppe der Einpersonenhaushalte nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RBEG für die Ermittlung des Regelbedarfs Verbrauchsausgaben in Höhe von 32,90  Euro für die Abteilung Verkehr aus der Sonderauswertung für Einpersonenhaushalte der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 für den Regelbedarf berücksichtigt werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber dabei keine Ausgaben für Personenkraftwagen und Motorräder sowie deren Nutzung als regelbedarfsrelevant anerkannt.573 Vielmehr entfällt ein Großteil574 der regelbedarfsrelevanten Ausgaben in der Verkehrsabteilung auf fremde Verkehrsdienstleistungen wie solche des ÖPNV.575 Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber bereits bei der Berechnung des Regelbedarfs Ausgaben in Höhe von ca. 25 Euro für Verkehrsleistungen eingeplant hat.576 Dementsprechend ist eine ermäßigte Beitragshöhe von höchstens 25 Euro als zumutbar anzusehen. In einer Zusammenschau der genannten Höchstbeträge ist insgesamt davon auszugehen, dass ein ermäßigter Beitragssatz von bis zu 15 Euro monatlich den Beteiligten zugemutet werden kann. Auch hier kann darauf verwiesen werden, dass die genannten Personengruppen in einer Vielzahl der Fälle nicht auf ein eigenes Fahrzeug zurückgreifen können, sodass die Bezahlung des ÖPNV-Beitrags gegenüber 571

Beicht, Tarifliche Ausbildungsvergütungen 2016, S. 4. Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3159), das durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3159) geändert worden ist. 573 BT-Drucks. 17/3404, S. 59. 574 Ein geringer Prozentsatz der regelbedarfsrelevanten Ausgaben für Verkehr entfällt auf Zubehör, Einzel- und Ersatzteile für Fahrräder, sowie die Wartung und Reparatur von Fahrrädern. Vgl. dazu BT-Drucks. 17/3404, S. 59. 575 BT-Drucks. 17/3404, S. 59. 576 In der Gesetzesbegründung, BT-Drucks 17/3404, S. 59, ist noch von einem Wert 20,41 Euro die Rede. Allerdings beliefen sich damals die regelbedarfsrelevanten Ausgaben für Verkehr lediglich auf 22,78 Euro. Durch die Erhöhung dieses Wertes auf 32,90 Euro im Jahr 2017 ist davon auszugehen, dass mind. 25 Euro davon auf fremde Verkehrsleistungen wie die des ÖPNV entfallen. 572

E. Ausgestaltung des ÖPNV-Beitrags in der Praxis

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dem regulären Fahrpreis eine finanzielle Erleichterung darstellt. Für Studenten ergibt sich aufgrund des an den meisten Hochschulen eingeführten Semestertickets unter Umständen keine große Veränderung, da sie  – je nach Ausgestaltung des Semestertickets – bereits zuvor einen Pauschalbeitrag für die Nutzung des ÖPNV entrichtet haben, der sich meist in einer ähnlichen Größenordnung577 befand. c) Äquivalenzprinzip Der ÖPNV-Beitrag muss zudem so ausgestaltet werden, dass er dem Äquivalenzprinzip genügt. Dieses stellt eine durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelte Ausformung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar.578 Das Äquivalenzprinzip besagt, dass die Höhe der Beiträge nicht im Missverhältnis zu dem Vorteil stehen darf, den sie abgelten sollen.579 Wirtschaftlich betrachtet dient das Äquivalenzprinzip einer fairen Verteilung der Finanzierungslasten: „Eine Person oder eine Gruppe, die eine bestimmte staatliche Leistung empfängt, soll dafür bezahlen, aber sie soll zu nicht mehr als zur Erstattung der Kosten bzw. zu nicht mehr als zur Kompensation des zu erwartenden individuellen Vorteils herangezogen werden“.580 Die Befolgung des Äquivalenzprinzips dient daher sowohl der Verhinderung einer ungerechtfertigten Belastung der Allgemeinheit zugunsten Einzelner als auch der Verhinderung einer ungerechtfertigten Belastung Einzelner zugunsten der Allgemeinheit.581 Der Wert des aus der Zahlung des ÖPNV-Beitrags resultierenden unbeschränkten Nutzungsrechts der ÖPNV-Beförderungsleistungen kann leicht beziffert werden. Dieser entspricht in etwa dem Wert einer derzeit käuflich erhältlichen Monatsfahrkarte in dem gesamten Geltungsbereich des Nutzungsrechts. Der Preis für eine derartige Fahrtberechtigung übersteigt jedoch die Höhe des ÖPNV-Beitrags – wie bereits gezeigt582 – regelmäßig erheblich. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zum Semesterticket klarstellte, ist hier eine „generalisierende Betrachtungsweise“ angezeigt.583 Begründet wurde dies damit, dass alle Studierenden mit dem Semesterticket die Befugnis zur Benutzung der öffentlichen Verkehrsbetriebe erhalten.584 Nichts anderes kann beim ÖPNV-Beitrag gelten. Auch hier wird allen Zahlungs 577

In Regensburg beläuft sich der auf das Semesterticket entfallende Beitragsanteil im Wintersemester 2017/2018 auf 89,40 Euro. 578 BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990, NVwZ 1990, 1167, 1167; Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 111. 579 BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1966, E 20, 257, 270; BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990, NVwZ 1990, 1167, 1167; Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 111. 580 Bohley, Die Öffentliche Finanzierung, S. 15. 581 Bohley, Die Öffentliche Finanzierung, S. 15. 582 Siehe dazu die Ausführungen zur zumutbaren Beitragshöhe unter Kapitel 5 E. II. 2. a). 583 Falls die angemessene Verkehrsbedienung nicht vollständig sichergestellt ist, kann lediglich für den Teil des Kreisgebiets der ÖPNV-Beitrag erhoben werden, in dem die diesbezüglichen Voraussetzungen erfüllt sind. 584 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E 109, 97, 112.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

verpflichteten ein unbeschränktes Nutzungsrecht an den Beförderungsleistungen des ÖPNV eingeräumt, sodass auch hier eine generalisierende Betrachtungsweise anzuwenden ist. Es ist daher ausschließlich darauf abzustellen, dass die Befugnis zur Nutzung des ÖPNV durch die Erhebung des ÖPNV-Beitrags deutlich günstiger ist als der Erwerb eines regulären Monatstickets. Es liegt somit gerade kein Missverhältnis zwischen dem Beitrag und dem Vorteil, der dadurch abgegolten wird, vor – ganz im Gegenteil. Die Erhebung des ÖPNV-Beitrags steht somit in Einklang mit dem Äquivalenzprinzip. d) Kostendeckungsprinzip Dem Kostendeckungsprinzip kommt im Rahmen der Abgabenbemessung entscheidende Bedeutung zu.585 Ihm liegt grundsätzlich eine Gesamtbetrachtung der erhobenen Gebühren für von öffentlichen Einrichtungen erbrachte Leistungen und der Summe der für diese Leistungen tatsächlich getätigten Aufwendungen zugrunde.586 Das bedeutet, dass das Kostendeckungsprinzip die Kosten der Verwaltungsleistung zum Maßstab für die Ermittlung der Gebührenhöhe erklärt.587 Daraus ergibt sich, dass es sich gerade nicht auf das Verhältnis der Kosten der Einzelbenutzung zur Gebühr bezieht, sondern dass es beim Kostendeckungsprinzip in generalisierender Betrachtungsweise auf die Gesamtsumme der Kosten der Einrichtung im Verhältnis zur Gesamtsumme der zu erwartenden Gebühren im veranschlagten Zeitraum ankommt.588 Die Kalkulation der Gebührensätze richtet sich dementsprechend nach dem in einer bestimmten Rechnungsperiode zu erwartenden Gebührengesamtaufkommen, das die in diesem Zeitraum tatsächlich zu erwartenden gebührenfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung nicht überschreiten darf.589 Zu beachten ist jedoch, dass sowohl das Kostendeckungsprinzip als auch ähnliche gebührenrechtliche Prinzipien „keine Grundsätze mit verfassungsrechtlichem Rang“ sind.590 Dennoch müssen die Kosten- und Gebührenhöhe sachgerecht miteinander verknüpft sein, sodass zumindest eine mittelbare Verankerung des Kostendeckungsprinzips im allgemeinen Gleichheitssatz anzunehmen ist.591 In Bezug auf die Abgabenhöhe bedeutet dies, dass sich Vorzugslasten grundsätzlich auf die Abschöpfung eines Sondervorteils beschränken müssen und gerade nicht der verdeckten Heranziehung des Schuldners zur Finanzierung des 585

Perlitius, Die vorteilsabschöpfende Verwaltungsgebühr, S. 35 und S. 125. Mager, Vergaberecht und Gebührenrecht, S. 89; Perlitius, Die vorteilsabschöpfende Verwaltungsgebühr, S. 125. 587 Perlitius, Die vorteilsabschöpfende Verwaltungsgebühr, S. 125. 588 Mager, Vergaberecht und Gebührenrecht, S. 89; vgl. auch Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 13. 589 Mager, Vergaberecht und Gebührenrecht, S. 89; vgl. auch Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 13. 590 BVerfG, Beschluss vom 10. März 1998, E 97, 332, 345. 591 Heun, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 3 Rn. 81. 586

F. Vereinbarkeit des ÖPNV-Beitrags mit dem Grundgesetz

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allgemeinen Finanzbedarfs des Staates dienen dürfen.592 „Der Gesetzgeber ist allerdings nicht gehindert, neben der Kostendeckung weitere Ziele zu verfolgen und bei den Gebührenmaßstäben auch den Wert der staatlichen Leistung zu berücksichtigen“.593 Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die dem Einzelnen auferlegte Gebühr nicht zu den mit der Gebührenregelung verfolgten Zwecken außer Verhältnis stehen darf.594 Die genannten Grundsätze der Gebührenbemessung gelten auch für die Beitragsbemessung entsprechend.595 In Bezug auf den ÖPNV-Beitrag ergibt sich daraus, dass die Gesamtsumme der erhobenen Beiträge nicht das Gesamtvolumen des tatsächlichen Kostenaufwands für den örtlichen ÖPNV übersteigen darf. Dies kann jedoch dadurch verhindert werden, dass der ÖPNV-Beitrag aus dem tatsächlichen Gesamtaufwand des ÖPNV zuzüglich der zu erwartenden Investitionskosten berechnet wird. Dies wird auch in der von der Piratenpartei in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie zur Einführung eines ÖPNV-Beitrags in Berlin vorgeschlagen.596

F. Vereinbarkeit des ÖPNV-Beitrags mit dem Grundgesetz Art.  20 Abs.  3 GG bindet den (förmlichen) Gesetzgeber an die verfassungsmäßige Ordnung und begründet den Vorrang der Verfassung (lex superior derogat legi inferiori) vor einfachen Parlamentsgesetzen.597 Diese gehen ihrerseits der Normsetzung durch die Exekutive vor, sodass der Verfassung in Bezug auf alle innerstaatlichen Rechtsnormen der höchste Rang zukommt.598 Verstößt ein Gesetz oder eine sonstige inländische Rechtsnorm gegen das Grundgesetz, so ist es als von Anfang an nichtig einzustufen.599 Dementsprechend muss die Satzungsermächtigung zur Einführung eines ÖPNV-Beitrags mit der Verfassung in Einklang stehen.

592

Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 105 Rn. 20. Wörtlich: BVerfG, Beschluss vom 12.  Februar 1992, E  85, 337, 346. Vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 1979, E 50, 217, 226. 594 BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 1979, E 50, 217, 227; Beschluss vom 12. Februar 1992, E 85, 337, 346. 595 Vgl. Heun, in: Dreier, GG, Bd.  III, Art.  105 Rn.  21; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 119 Rn. 68. 596 Maaß/Waluga/Weyland, Machbarkeitsstudie: Fahrscheinloser ÖPNV in Berlin, S. 48 ff. 597 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, Art. 20 Abs. 3 Rn. 253; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 45; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 81. 598 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, Art. 20 Abs. 3 Rn. 253. 599 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 46; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, Art. 20 Abs. 3 Rn. 256; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 84. 593

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

I. Vereinbarkeit des ÖPNV-Beitrags mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG 1. Ungleichbehandlung von Nutzern und Nichtnutzern des ÖPNV Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches ungleich und wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln.600 Das gilt gleichermaßen für ungleiche Belastungen sowie auch ungleiche Begünstigungen.601 Dennoch werden dem Gesetzgeber nicht sämtliche Differenzierungen verwehrt.602 „Diese bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen“.603 Dabei ist jedoch zu beachten, dass „kein Mensch genau wie der andere und keine Situation wie die andere ist“.604 Aus diesem Grund ist es erforderlich, zu entscheiden, bei welchen Ähnlichkeiten der Eintritt derselben Rechtsfolge gerechtfertigt ist, wann er sich aufgrund von verschiedenen Sachverhalten verbietet und welche Vergleichbarkeiten es dem Gesetzgeber erlauben, gemeinsame oder verschiedene Rechtsfolgen zu statuieren.605 Aus diesem Grund kann eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG als „unterschiedliche Behandlung zweier vergleichbarer Sachverhalte“ definiert werden.606 Wann zwei Sachverhalte miteinander vergleichbar sind, bestimmt sich durch die Bildung von Vergleichsgruppen.607 600 St. Rspr: BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 20; Beschluss vom 18. Juli 2012, E 132, 179, 188; Beschluss vom 7. Februar 2012, E 130, 240, 252; Beschluss vom 21. Juni 2011, E 129, 49, 68; Beschluss vom 21. Juli 2010, E 126, 400, 416; Beschluss vom 15. Juli 1998, E 98, 365, 385; Beschluss vom 10. März 1998, E 97, 332, 3345; Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 3 Rn. 17; Manssen, Staatsrecht II, Rn. 855; vgl. auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 9; Kingreen/Poscher, Grundrechte, § 11 Rn. 525; Ipsen, Staatsrecht II, § 19 Rn. 805; Pietzcker, in: Merten/Papier, HdGR V, § 125 Rn. 3; Heun, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 3 Rn. 20. 601 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 20; Beschluss vom 7. Februar 2012, E 130, 240, 252 f.; Beschluss vom 21. Juni 2011, E 129, 49, 68; Beschluss vom 21. Juli 2010, E 126, 400, 416; Beschluss vom 11. Oktober 1988, E 79, 1, 17. 602 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 20. 603 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 20; Beschluss vom 18. Juli 2012, E 132, 179, 188; Beschluss vom 21. Juni 2011, E 129, 49, 68 f.; vgl. auch Beschluss vom 21. Juli 2010, E 126, 400, 416; Beschluss vom 4. Dezember 2002, E 107, 27, 46; Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 348 f.; Beschluss vom 8. April 1987, E 75, 108, 157. 604 Kingreen/Poscher, Grundrechte, § 11 Rn. 518; vgl. ähnlich auch Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 3 Rn. 15; Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 3 Abs. 1 Rn. 73. 605 Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 3 Abs. 1 Rn. 73; ähnlich auch Pietzcker, in: Merten/Papier, HdGR V, § 125 Rn. 3. 606 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 7. Vgl. dazu auch Manssen, Staatsrecht II, Rn. 827; ähnlich auch Kingreen/Poscher, Grundrechte, § 11 Rn. 518. 607 Pietzcker, in: Merten/Papier, HdGR V, § 125 Rn. 3

F. Vereinbarkeit des ÖPNV-Beitrags mit dem Grundgesetz

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Im Beitragsrecht stellen sich vor allem auf der Ebene der Festlegung der Beitragsschuldner Gleichheitsprobleme.608 So liegt auch der Fall beim ÖPNV-Beitrag. Die vorrangige Frage, die sich hierbei stellt, ist, ob die Heranziehung aller Einwohner eines Kreisgebiets bzw. eines Teilgebiets des Kreisgebiets609  – d. h. unabhängig davon, ob diese den ÖPNV bislang nutzen oder künftig nutzen möchten – den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt. In der Gleichbehandlung von ÖPNV-Nutzern und Nichtnutzern des ÖPNV  – also Personen, die auf den MIV zurückgreifen oder sich anders fortbewegen, beispielsweise zu Fuß oder mit dem Fahrrad – kann möglicherweise eine Gleichbehandlung von Ungleichem gesehen werden. Unterteilt man diese Verkehrsteilnehmer in verschiedene Gruppen  – z. B. Nutzer des ÖPNV, Fußgänger, Nutzer des MIV –, wird schnell klar, dass jede dieser Gruppen eigene Besonderheiten und unterschiedliche Mobilitätswünsche und -bedürfnisse aufweist, sodass diese als ungleich eingestuft werden können. Dennoch werden alle Verkehrsteilnehmer durch den ÖPNV-Beitrag in wesentlich gleicher Weise610 zur Beitragsleistung in Anspruch genommen und damit gleichbehandelt, sodass grundsätzlich von einer Gleichbehandlung von Ungleichem ausgegangen werden kann. In diesem Kontext muss entschieden werden, ob die Struktur des Gleichheitssatzes vorrangig nur auf das Erfordernis einer Gleichbehandlung abzielt oder ob in bestimmten Fallkonstellationen ein Gleichbehandlungsverbot besteht, also eine Ungleichbehandlung angezeigt ist, um Art. 3 Abs. 1 GG zu entsprechen.611 Ableiten lässt sich ein solches unter Umständen aus der Vorstellung der „geometrischen“ Gleichheit, die im Gegensatz zur „arithmetischen“ Gleichheit steht: Während letztere davon ausgeht, dass „jedem dasselbe“ zustehe, kommt es ersterer darauf an, dass „jedem das Seine“ zuteilwerde – also „suum cuique“ und nicht „idem cuique“ gelte.612 Verselbständigt man diese Formel, so umfasst sie neben dem Ziel der Gleichbehandlung auch die Ungleichbehandlung.613 „Der Wortlaut des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes wie seine Verwurzelung in der Absage an die wohlgegliederte Gesellschaft des Ständestaates legen demgegenüber seine prinzipielle Ausrichtung auf Egalität nahe. Im Rahmen dieser Zielsetzung wirkt das ‚suum cuique‘ mäßigend, begrenzt die Pflicht zur Gleichbehandlung auf

608

Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 3 Abs. 1 Rn. 121. Ob der ÖPNV-Beitrag von allen Einwohnern oder nur den Einwohnern eines Teilbereichs des Kreisgebiets erhoben wird, richtet sich danach, ob im gesamten Kreisgebiet eine angemessene Verkehrsbedienung sichergestellt ist. 610 Kleine Unterschiede zum Beispiel durch Ermäßigungen für Kinder, Senioren, Studenten und Empfänger von Sozialleistungen sind irrelevant, da von einer wesentlichen Gleichbehandlung die Rede ist. 611 Pietzcker, in: Merten/Papier, HdGR V, § 125 Rn. 16; vgl. zu dieser Problematik auch Boyssen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 3 Rn. 64 ff. 612 Stern, Verfassungsrecht II, Art. 3 GG, S. 300 Rn. 53; ähnliche Erwähnung auch bei Sachs, in: Stern, Staatsrecht BRD IV/1, § 120 S. 1479 und ausführlich zu den ideengeschichtlichen Grundlagen auf S. 1444 ff. 613 Sachs, Verfassungsrecht II, Art. 3 GG, S. 300 Rn. 53. 609

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

Gleiches, schließt den Zwang zur Gleichbehandlung auch des Ungleichen aus“.614 Eine Pflicht zur Ungleichbehandlung lässt sich allerdings daraus nicht unzweifelhaft ableiten,615 sodass sich die eingangs angedeutete Problematik weiterhin stellt. Auf den ersten Blick erscheint diese Frage dennoch verfehlt, wenn man bedenkt, dass das Bundesverfassungsgericht seit jeher in seiner Willkürformel davon ausgeht, dass „weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich, noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln“616 sei.617 Allerdings kann die zweite Alternative  – das Verbot der Gleichbehandlung von Ungleichem  – nicht unter die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur „neuen Formel“618 subsumiert werden, da diese ausschließlich auf eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte abstellt.619 Weiterhin muss beachtet werden, dass im Hinblick auf die verschiedenen Diskriminierungsverbote und auch aus historischer Perspektive betrachtet, dem Gleichheitssatz eine gewisse „Tendenz zur Egalisierung“ innewohnt.620 Es herrscht daher Uneinigkeit darüber, ob die beiden Elemente  – Gleich- und Ungleichbehandlung  – als gleichwertig einzustufen sind.621 So geht beispielsweise Rüfner davon aus, „da[ss] es ein aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abzuleitendes Gebot der Ungleichbehandlung nicht [gebe] und auch kein Anwendungsbereich ersichtlich [sei]. Ein Gebot der Ungleichbehandlung [sei] mit der Struktur des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht vereinbar: Der allgemeine Gleichheitssatz [besage] über den Inhalt der Regelungen, die für gleiche Tatbestände gleich sein müssen, an sich nichts. Er [verlange] nur, da[ss] Regelungen, wenn sie getroffen werden, gleich sein müssen. Würde darüber hinaus eine Pflicht zur Ungleichbehandlung ungleicher Tatbestände angenommen, ergäben sich aus dem Gleichheitssatz unzählige Gesetzgebungsaufträge, denn die gleichmäßige Nicht-

614

Sachs, Verfassungsrecht II, Art. 3 GG, S. 300 Rn. 53. Sachs, Verfassungsrecht II, Art. 3 GG, S. 300 Rn. 53; ähnlich auch Sachs, in: Stern, Staatsrecht BRD IV/1, § 120 S. 1479. 616 BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 1955, E 4, 144, 155; unter leichter Abwandlung auch BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1992, E 86, 81, 87; vgl. zudem Beschluss vom 12. Oktober 1951, E 1, 14, 52; Beschluss vom 21. Januar 1970, E 27, 364, 371 f.; Beschluss vom 10. Juli 1984, E 67, 186, 195; Beschluss vom 26. April 1988, E 78, 104, 121. 617 So auch Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 3 Rn. 64; vgl. zu der Frage auch Bonhage, Grund und Grenze, S. 323; Sachs, Verfassungsrecht II, Art. 3 GG, S. 300 Rn. 54; Sachs, in: Stern, Staatsrecht BRD IV/1, § 120 S. 1477 f. 618 Nach der „neuen Formel“ des Bundesverfassungsgerichts ist Art. 3 Abs. 1 „vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, da[ss] sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“, BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980, E 55, 72, 88 f. 619 Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 3 Rn. 64; so auch Sachs, Verfassungsrecht II, Art. 3 GG, S. 301 Rn. 57; Sachs, in: Stern, Staatsrecht BRD IV/1, § 120 S. 1480. 620 Pietzcker, in: Hendler/Ibler/Martínez Soria, FS Götz, 301, 317; so auch Sachs, in: Stern, Staatsrecht BRD IV/1, § 120 S. 1479. 621 Pietzcker, in: Hendler/Ibler/Martínez Soria, FS Götz, 301, 317; Pietzcker, in: Merten/Papier, HdGR V, § 125 Rn. 16. 615

F. Vereinbarkeit des ÖPNV-Beitrags mit dem Grundgesetz

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behandlung ungleicher Tatbestände würde gegen den Gleichheitssatz verstoßen“.622 Vielmehr „[werde sogar] der egalitäre Grundgedanke des Gleichheitssatzes […], wenn er Grundlage eines Anspruchs auf Ungleichbehandlung werden soll[e], pervertiert“.623 Ähnlich drastisch plädiert auch Sachs dafür, die willkürliche Gleichbehandlung aus dem Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG auszuscheiden624: „Mit der Forderung, Gleiches gleich, Ungleiches ungleich zu behandeln, wird der egalitäre Grundgedanke des Gleichheitssatze der verführerischen Kraft des übergreifenden Willkürverbots geopfert“.625 Diese Auffassungen können allerdings nicht uneingeschränkt überzeugen. Wie Pietzcker richtig anführt, wohnt dem Gleichheitssatz gerade nicht die Tendenz inne, „da[ss] alle Straftaten unabhängig von ihrer Schwere mit der gleichen Strafe zu belegen sind oder da[ss] an die Ausübung aller Berufe dieselben Anforderungen zu stellen sind“.626 Damit macht er anschaulich deutlich, dass durchaus Konstellationen denkbar sind, in denen sich aus der Gleichbehandlung von Ungleichem eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG ergeben kann. Es mag zwar richtig sein, dass in der Regel die Gleichbehandlung das Unproblematischere ist, allerdings trifft dies nicht immer zu627, wie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeigt. Dieses geht zumindest davon aus, dass „der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG […] den Gesetzgeber unter Umständen auch dazu verpflichten kann, wesentlich ungleiche Tatbestände differenzierend zu behandeln“.628 Nicht zu vernachlässigen ist auch das Argument der historischen Auslegung, dass bei den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates bei der Entstehung der Norm auch folgende Formulierungen „Der Gesetzgeber muß Gleiches gleich, Verschiedenes nach seiner Eigenart zu behandeln“ und „Das Gesetz muß Gleiches gleich, es kann Verschiedenes nach seiner Eigenart behandeln“ behandelt wurden629 und letztere sogar bis zur vierten Lesung im Hauptausschuss als Art. 3 Abs. 1 Satz 2630 622

Rüfner, in: Ziemske/Langheid/Wilms/Haverkate, FS Kriele, 271, 279; ähnlich auch Bonhage, Grund und Grenze, S. 324, der meint, dass das Bundesverfassungsgericht lediglich von „eine[r] bedingte[n] Pflicht [ausgehe], Unterschiedliches vorzusehen, wenn hoheitlich geregelt oder angeordnet w[erde]“. Ablehnend auch: Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1a, Art. 3 Abs. 1 Rn. 9; Sachs, Verfassungsrecht II, Art. 3 GG Rn. 55. 623 Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1a, Art. 3 Abs. 1 Rn. 9. 624 Sachs, Verfassungsrecht II, Art. 3 GG, S. 300 Rn. 55. 625 Sachs, NWVBl. 1988, 295, 300. 626 Pietzcker, in: Hendler/Ibler/Martínez Soria, FS Götz, 301, 317. 627 Pietzcker, in: Hendler/Ibler/Martínez Soria, FS Götz, 301, 317. 628 BVerfG, Urteil vom 12. März 1991, E 84, 133, 158. So auch bereits BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 1961, E 13, 46, 53: „Damit ist Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, weil Ungleiches gegen ein zwingendes Gebot gleich behandelt wird“. 629 Häberle, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Bd. I, Art. 3 S. 68; vgl. auch Pietzcker, in: Merten/Papier, HdGR V, § 125 Rn. 16, Fn. 30; siehe dazu auch Rüfner, in: Kahl/ Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1a, Art. 3 Abs. 1 Rn. 7. 630 Art. 3 Abs. 1 GG lautete damals wie folgt: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Das Gesetz muß Gleiches gleich, es kann Verschiedenes nach seiner Eigenart behandeln. Jedoch

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

im Gesetzesentwurf verblieb.631 Da sie schließlich ohne nähere Begründung und Diskussion gestrichen wurde,632 kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber damit keine grundlegenden Veränderungen bezweckte, sondern sie vielmehr als überflüssige Klarstellung ansah und sie deswegen entfernte. Folglich wird daraus deutlich, dass der Gesetzgeber sehr wohl davon ausging, dass in bestimmten Fällen („kann“) aus Art. 3 Abs. 1 GG ein Gebot zur Ungleichbehandlung abgeleitet werden können muss. Aus diesen Gründen erscheint es sachgerecht zu sein, mit der weit überwiegenden Auffassung633 davon auszugehen, dass Art. 3 Abs. 1 GG eine symmetrische Doppelformel  – Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem sowie Ungleichbehandlung von wesentlich Verschiedenem – beinhaltet.634 Ein Streitentscheid ist jedoch obsolet, wenn die angesprochene Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer gleichfalls als eine Ungleichbehandlung aller Beitragsschuldner ausgelegt werden kann. Anstatt auf die Vergleichsgruppe der Verkehrsteilnehmer abzustellen, erscheint es ebenso sachgerecht, auf die Vergleichsgruppe der Beitragsschuldner abzustellen.635 Innerhalb dieser Gruppe profitieren allerdings ausschließlich diejenigen Personen von dem ÖPNV-Beitrag, die den ÖPNV auch tatsächlich nutzen bzw. diesen künftig nutzen möchten. Für diejenigen Beitragsschuldner, die von vornherein die Beförderungsleistungen des ÖPNV nicht in Anspruch nehmen möchten und dies auch künftig nicht beabsichtigen, ist das mit der Erhebung des ÖPNV-Beitrags verbundene, unbeschränkte und unentgeltliche Nutzungsrecht des ÖPNV schlechthin nutzlos. Dass dies eine Ausgangslage darstellt, die jeder Beitragserhebung originär innewohnt, wirkt sich ausschließlich auf der Ebene der Rechtfertigung aus und steht der Einordnung als Ungleichbehandlung nicht entgegen. 2. Rechtfertigung der Gleichbehandlung bzw. der Ungleichbehandlung Bei der Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen ist ein „stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und dürfen die Grundrechte nicht angetastet werden“. Zitiert nach Häberle, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Bd. I, Art. 3 S. 72. 631 Häberle, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Bd. I, Art. 3 S. 72. 632 Häberle, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Bd. I, Art. 3 S. 72. 633 Pietzcker, in: Merten/Papier, HdGR V, § 125 Rn. 16; Pietzcker, in: Hendler/Ibler/Martínez Soria, FS Götz, 301, 317; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 6; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 8; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 3 Rn. 25; Manssen, Staatsrecht II, Rn. 829. 634 Pietzcker, in: Merten/Papier, HdGR V, § 125 Rn. 16. 635 So auch Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 525, die davon ausgehen, dass sich Probleme der Gleichbehandlung stets auch als Probleme der Ungleichbehandlung fassen lassen, wenn eine andere Vergleichsgruppe gewählt wird.

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Regelungsbereichen bestimmen lassen“, anzuwenden.636 Damit hat sich das Bundesverfassungsgericht von seiner früheren Willkürformel637 abgewendet.638 Diese besagte, dass der Gleichheitssatz verletzt sei, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden [lasse], kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden m[üsse]“.639 Stattdessen geht das Bundesverfassungsgericht nun davon aus, dass „[sich] aus dem allgemeinen Gleichheitssatz […] je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber [ergeben], die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. […] [D]er Gesetzgeber [unterliege] bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung. Diese Bindung [sei umso] enger, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art.  3 Abs. 3 GG genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr [sei], da[ss] eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führ[e]. Die engere Bindung [sei] jedoch nicht auf personenbezogene Differenzierungen beschränkt. Sie [gelte] vielmehr auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirk[e]. Bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen häng[e] das Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage [seien], durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird. […] Komm[e] als Maßstab nur das Willkürverbot in Betracht, so [könne] ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nur festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident [sei]. Dagegen prüf[e] das Bundesverfassungsgericht bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, im [E]inzelnen nach, ob für die

636 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 20; Beschluss vom 18. Juli 2012, E 132, 179, 188; Beschluss vom 21. Juni 2011, E 129, 49, 68 f.; vgl. auch Beschluss vom 21. Juli 2010, E 126, 400, 416; Beschluss vom 4. Dezember 2002, E 107, 27, 46; Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 348 f.; Beschluss vom 8. April 1987, E 75, 108, 157. Vgl. auch Kingreen/ Poscher, Grundrechte, Rn. 527. 637 So z. B. Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn.  247; Maurer, Staatsrecht I, § 9 Rn. 12; Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 3 Rn. 28; Schmidt, in: MüllerGlöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Art. 3 GG, Rn. 31; ähnlich auch Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, Rn.  479, die von einer Willkürverbotsformel sprechen. 638 Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 527. 639 Wörtlich: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1951, E 1, 14, 52. Vgl. dazu auch die Folgeentscheidungen des BVerfG, Urteil vom 19. Oktober 1982, E 61, 138, 147; Beschluss vom 6. November 1984, E 68, 237, 250; Beschluss vom 17. Oktober 1990, E 83, 1, 23; Beschluss vom 5. Oktober 1993, E 89, 132, 141; ebenso Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 3 Rn. 24 und Rn. 28; Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 3 Abs. 1 Rn. 265; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 8; Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, Art. 3 Rn. 102; Manssen, Staatsrecht II, Rn. 856; Maurer, Staatsrecht I, § 9 Rn. 12; Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, Rn. 479.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, da[ss] sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können“.640 Anders als bei Freiheitsrechten ist jedoch zu beachten, dass gerade nicht auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs, sondern auf die Verhältnismäßigkeit der (Un-) Gleichbehandlung abgestellt werden muss.641 Dabei kommt es vorrangig auf die Frage an, welche Ziele mit der Ungleichbehandlung verfolgt werden.642 In Bezug auf den ÖPNV-Beitrag ergibt sich daraus Folgendes: Es liegt eine Ungleichbehandlung der zur Beitragsleistung verpflichteten Beitragsschuldner dahingehend vor, dass ausschließlich diejenigen Personen von dem ÖPNV-Beitrag profitieren, die den ÖPNV auch tatsächlich nutzen bzw. diesen künftig nutzen möchten. Für diejenigen Beitragsschuldner, die von vornherein die Beförderungsleistungen des ÖPNV nicht in Anspruch nehmen möchten und dies auch künftig nicht ändern wollen, ist das mit der Erhebung des ÖPNV-Beitrags verbundene unbeschränkte und unentgeltliche Nutzungsrecht des ÖPNV schlechthin nutzlos. Für die Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung ist es zunächst erforderlich, ihre Intensität zu ermitteln, da die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Ungleichbehandlung mit ihrer Intensität einhergehen.643 Die Intensität der Ungleichbehandlung steigt, „je mehr das Kriterium der Ungleichbehandlung einem der nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotenen Kriterien ähnelt, je weniger der Betroffene das Kriterium der Ungleichbehandlung beeinflussen kann und je mehr die Ungleichbehandlung den Gebrauch grundrechtlich geschützter Freiheiten erschwert“.644 Da das Differenzierungskriterium für die Ungleichbehandlung der Beitragsschuldner in dem „Nutzungswillen“ des ÖPNV zu sehen ist und sich dieses gerade nicht an die in Art. 3 Abs. 3 GG aufgezählten verbotenen Kriterien annähert, der „nutzungsunwillige“ Beitragsschuldner dieser Ungleichbehandlung leicht abhelfen kann, indem er sich zur Nutzung des ÖPNV entschließt und durch die Inanspruchnahme der Nichtnutzer des ÖPNV lediglich in deren allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen wird, ist von einer eher geringen Intensität der Ungleichbehandlung auszugehen. Im nächsten Schritt ist nun nach dem legitimen Zweck der (Un-)Gleichbehandlung zu fragen.645 Mit der Ungleichbehandlung der Beitragsschuldner bzw. der Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer – je nachdem, auf welche Vergleichsgruppe man abstellen möchte – wird vorwiegend das Ziel verfolgt, dem Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung ausreichend Rechnung zu tragen, indem die Leis 640

BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1993, E 88, 87, 96 f. Vgl. dazu auch Kischel, in: Epping/ Hillgruber, BeckOK GG, Art. 3 Rn. 28; ähnlich auch Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 527 ff. 641 Manssen, Staatsrecht II, Rn. 859; vgl. auch Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 3 Rn. 28. 642 Manssen, Staatsrecht II, Rn. 859. 643 Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 530 f. 644 Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 530. 645 Vgl. dazu auch Manssen, Staatsrecht II, Rn. 859; ebenso auch Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 528.

F. Vereinbarkeit des ÖPNV-Beitrags mit dem Grundgesetz

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tungsfähigkeit des ÖPNV gesichert wird. Der ÖPNV sichert die grundrechtlich gewährleistete Fortbewegungsfreiheit derjenigen Bürger, die nicht auf einen eigenen PKW zurückgreifen können, und ist damit ein wesentliches und unabdingbares Element der Chancengleichheit. Wie bereits in Kapitel 3 dargestellt, befindet sich die Finanzierungssituation des ÖPNV jedoch in einem desaströsen Zustand. Zahlreiche Fördermittelprogramme laufen zum Ende des Jahres 2019 aus oder können die tatsächlichen Kosten für dringend notwendige Instandhaltungs- oder Ausbauarbeiten nicht tragen. Laut Aussage des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen werden von den Kommunen rund vier Milliarden Euro für die Investitionskostenfinanzierung des ÖPNV benötigt.646 Wichtige Ausbauprojekte können mangels finanzieller Ressourcen nicht verwirklicht werden.647 Um dem Hauptziel  – die Zurverfügungstellung eines leistungsstarken ÖPNV zur Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses der Bevölkerung – Rechnung tragen zu können, werden mit dem ÖPNV-Beitrag mittelbar auch finanzielle Ziele verfolgt. Zudem werden umweltpolitische Lenkungsziele angestrebt: Dadurch, dass die Zahlung des ÖPNV-Beitrags auch für Nicht- oder Gelegenheitsnutzer des ÖPNV verpflichtend sein soll, verspricht man sich eine positive Verlagerungswirkung vom MIV zum ÖPNV im innergebietlichen Verkehr. Dadurch soll der Anteil des MIV am Modal Split verringert und der Anteil des ÖPNV gesteigert werden. Gerade im Hinblick auf das stetige Überschreiten der Stickstoffdioxid-Werte, möglichen Diesel-Fahrverboten und der enormen Parkplatzknappheit in den Ballungsräumen ist eine Verkehrswende hin zum ÖPNV unabdingbar. Erst im Februar 2017 befasste sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens mit der Einhaltung der zulässigen Immissionsgrenzwerte im Münchner Luftreinhalteplan.648 Er erließ eine Zwangsgeldandrohung an den Freistaat Bayern und verpflichtete diesen dazu, die Aufnahme von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge zur Einhaltung des Immissionsgrenzwerts für Stickstoffdioxid in den Münchner Luftreinhalteplan vorzubereiten.649 Bis Ende 2017 bekam der Freistaat Bayern Zeit, um ein vollzugsfähiges Konzept zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorzulegen.650 Dementsprechend liegt ein legitimer Zweck für die (Un-)Gleichbehandlung vor. Als nächstes ist danach zu fragen, ob die (Un-)Gleichbehandlung zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks geeignet ist, diesen also fördern kann.651 Die Ungleichbehandlung  – also die Heranziehung aller Kreisangehörigen zur Beitragsleistung, obwohl nur ein Teil von der als Gegenleistung zur Ver 646

Balser, „Der Bund spart am Nahverkehr“, SZ vom 12. April 2017, abrufbar unter http:// www.sueddeutsche.de/wirtschaft/zuschuesse-der-bund-spart-am-nahverkehr-1.3462411 (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 647 VDV-Presseinformation Nr. 4, 2017 vom 25. Januar 2017. 648 Pressemitteilung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. März 2017. 649 BayVGH, Beschluss vom 27.  Februar 2017  – 22 C 16.1427  –, juris; beck-aktuell vom 1. März 2017 zu VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017. 650 BayVGH, Beschluss vom 27.  Februar 2017  – 22 C 16.1427  –, juris; beck-aktuell vom 1. März 2017 zu VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017. 651 Manssen, Staatsrecht II, Rn. 859.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

fügung gestellten Nutzungsmöglichkeit profitiert – eignet sich hervorragend zur Zweckerreichung. Dadurch, dass alle Kreisangehörigen mit dem ÖPNV-Beitrag in Anspruch genommen werden können, kann mittelbar die Finanzierungssituation des ÖPNV auf eine solide Basis gestellt werden, sodass die dringend benötigten Investitionen zur Instandhaltung und zum Ausbau der bestehenden Infrastruktur getätigt werden können. Damit wird auch das Primärziel – die Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses der Bevölkerung durch die Zurverfügungstellung eines leistungsstarken ÖPNV – gefördert. Weiterhin wird durch die Verpflichtung zur Beitragszahlung ein finanzieller Anreiz zu einer verstärkten Nutzung des ÖPNV im innergebietlichen Verkehr gesetzt, wodurch auch den umweltpolitischen Lenkungszielen Rechnung getragen wird. Begründet werden kann dies zudem mit einer Übertragung des Endowment-Effects aus der Verhaltensökonomik. Dieser besagt, dass Menschen dazu neigen, ein Gut wertvoller einzuschätzen, wenn sie im Besitz desselben sind.652 Durch die Verpflichtung zur Bezahlung des ÖPNV-Beitrags wird den Beitragsschuldnern die Möglichkeit zur unentgeltlichen und unbegrenzten Nutzung des ÖPNV zur Verfügung gestellt. Dadurch, dass diese Personen durch die Zahlung des Beitrags bereits über eine Fahrtberechtigung für den ÖPNV verfügen, ist die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass sie diese auch benutzen und ihren Wert besser zu schätzen wissen. Zudem ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Beitragsschuldner auch von ihrer Leistung profitieren möchte und deswegen auch die (häufigere) Nutzung des ÖPNV im innergebietlichen Verkehr zumindest in Erwägung zieht. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass durch die Erhebung eines ÖPNV-Beitrags eine deutliche Verlagerungswirkung zugunsten des ÖPNV im innergebietlichen Verkehr eintreten wird. Die Ungleichbehandlung ist zudem auch erforderlich, um die genannten Ziele zu erreichen, da kein milderes Mittel ersichtlich ist, mit dem sich der angestrebte Zweck gleichermaßen effektiv erreichen lässt.653 Zunächst ist festzustellen, dass der ÖPNV als Teil der Daseinsvorsorge grundsätzlich aus Steuermitteln zu finanzieren ist. Dementsprechend stellt sich die entscheidende Frage, ob eine Reform der Finanzierung des ÖPNV durch die Einführung eines ÖPNV-Beitrags überhaupt erforderlich ist. Darauf gibt es eine ganz klare Antwort: Ja! Wie bereits dargestellt wurde, ist die Finanzierungssituation des ÖPNV nicht länger tragbar. Durch das Auslaufen verschiedener staatlicher Förderungen und eine nicht mehr zeitgemäße Mittelkalkulation – die Höhe der GVFG-Bundesmittel wurde seit 1997 (!) nicht mehr erhöht, obwohl seitdem eine signifikante Steigerung der Nutzung des ÖPNV eingetreten ist – können wichtige Ausbauprojekte nicht verwirklicht werden.654 Hinzu kommt, dass keine gesetzgeberische Initiative dahingehend zu

652 Kahneman/Knetsch/Thaler, Journal of Economic Perspectives 1991, Vol.  5 No.  1, 193, 193 ff.; Gintis, in: Kornai/Mátyás/Roland, Institutional Change and Economic Behaviour, 160, 162. 653 Manssen, Staatsrecht II, Rn. 859. 654 VDV Presseinformation Nr. 4, 2017 vom 25. Januar 2017.

F. Vereinbarkeit des ÖPNV-Beitrags mit dem Grundgesetz

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verzeichnen ist, die Finanzierungssituation des ÖPNV zu verbessern.655 Ganz im Gegenteil – die im Rahmen des neuen Länderfinanzausgleichs von der Bundesregierung vorgeschlagenen Grundgesetzänderungen führen unter anderem dazu, dass die wichtigen GVFG-Bundesmittel zwar bis 2025 fortgeführt werden, aber das seit 1997 gleichbleibend bestehende Mittelaufkommen bis 2025 festgeschrieben wird.656 Auch im Hinblick auf „Schäubles Schwarze Null“657, also den Plan des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble eines ausgeglichenen Haushalts,658 ist nicht zu erwarten, dass zusätzliche Mittel für den ÖPNV bereitgestellt werden. Wenn aber keine ausreichende Finanzierung des ÖPNV sichergestellt ist, ist die Leistungsfähigkeit des ÖPNV ernsthaft gefährdet. Dringend notwendige Instandhaltungs- und Investitionsmaßnahmen können nicht mehr durchgeführt werden, sodass das Mobilitätsbedürfnis der Bürger nicht mehr ausreichend befriedigt werden kann. Aber auch angesichts der umweltpolitischen Lenkungsziele ist ein Einschreiten erforderlich. In den großen Ballungsräumen – wie der Landeshauptstadt München – werden stetig die Stickstoffdioxidwerte überschritten, sodass dringender umweltpolitischer Handlungsbedarf und ein Umdenken der Bevölkerung angezeigt sind. Dies gilt vor dem Hintergrund möglicher Diesel-Fahrverbote umso mehr. Die Ungleichbehandlung der Beitragsschuldner dahingehend, dass alle Kreisangehörigen zur Beitragsleistung verpflichtet werden, allerdings nur diejenigen tatsächlich davon profitieren, die den ÖPNV auch nutzen möchten, ist auch angemessen. Dies kann zunächst damit begründet werden, dass die Intensität der (Un-)Gleichbehandlung vergleichsweise gering ist, da es den Beitragsschuldnern freisteht, durch ihr eigenes Verhalten der Grundrechtsbeeinträchtigung abzuhelfen, indem sie doch von der zur Verfügung gestellten Nutzungsmöglichkeit des ÖPNV Gebrauch machen. Weiterhin ist zu beachten, dass ausschließlich dann ein ÖPNVBeitrag erhoben werden kann, wenn die besagte Nutzungsmöglichkeit einen adäquaten Sondervorteil im Sinne des Beitragsrechts darstellt. Wie bereits ausführlich dargestellt659, ist dies lediglich dann der Fall, wenn eine angemessene Verkehrsbedienung durch den ÖPNV im innergebietlichen Verkehr sichergestellt ist – der ÖPNV also einen äquivalenten Ersatz zum MIV bietet. Die diesbezüglich aufgestellten Kriterien der räumlichen und zeitlichen Vergleichbarkeit von ÖPNV und MIV stellen sicher, dass bei der Erhebung eines ÖPNV-Beitrags auch tatsächlich auf eine angemessene ÖPNV-Infrastruktur zurückgegriffen werden kann. Weiterhin werden bei der Beitragserhebung auch soziale Gesichtspunkte dahingehend 655

VDV Presseinformation Nr. 4, 2017 vom 25. Januar 2017. VDV Presseinformation Nr. 4, 2017 vom 25. Januar 2017. 657 Zajonz, „Haushalt für 2017. Die Schwarze Null – Fluch oder Segen?“, Tagesschau 25. November 2016, abrufbar unter: www.tagesschau.de/wirtschaft/schwarze-null-105.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 658 Zajonz, „Haushalt für 2017. Die Schwarze Null – Fluch oder Segen?“, Tagesschau 25. November 2016, abrufbar unter: www.tagesschau.de/wirtschaft/schwarze-null-105.html (letzter Abruf: 31. Januar 2018). 659 Vgl. dazu die Ausführungen unter Kapitel 5 E. 656

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

berücksichtigt, dass für bestimmte Personengruppen eine Ermäßigung bzw. sogar eine vollständige Befreiung von der Beitragsleistung vorgesehen wurde. Zudem wurde durch eine Festsetzung der Höchstbeitragssumme dafür gesorgt, dass dem Solidargedanken, der hinter dem ÖPNV-Beitrag steht, keine unzumutbaren Leistungsverpflichtungen entnommen werden. Angesichts der enormen sozialen, wirtschaftlichen und umweltpolitischen Bedeutung des ÖPNV ist daher davon auszugehen, dass die Inanspruchnahme von allen Kreisangehörigen, obwohl nur ein Teil dieses Personenkreises tatsächlich von der Nutzungsmöglichkeit des ÖPNV profitiert, angemessen ist, sodass keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG anzunehmen ist. 3. Grundsatz der Belastungsgleichheit Aus dem Gleichheitssatz kann auch der für das Steuer- und Abgabenrecht geltende Grundsatz der Belastungsgleichheit abgeleitet werden.660 Bei der Auswahl des Abgabengegenstandes und bei der Bestimmung von Beitragsmaßstäben und Abgabensätzen kommt dem Gesetzgeber ein weitreichender Gestaltungsspielraum zu, der sich nicht ausschließlich auf das „Wie“ der Abgabenpflicht beschränkt, sondern sich auch auf das „Ob“ erstrecken kann.661 Da die Schuldner einer nichtsteuerlichen Abgabe regelmäßig auch zugleich steuerpflichtig sind und somit auch insofern zur Finanzierung der die Gemeinschaft treffenden Lasten herangezogen werden, bedürfen nichtsteuerliche Abgaben, durch die der Einzelne zu einer weiteren Finanzleistung herangezogen wird, „einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung“.662 Dadurch soll einerseits der Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung Rechnung getragen werden und andererseits zugleich die Belastungsgleichheit der Abgabenpflichtigen gewahrt werden.663 Als sachliche Gründe, die für die Rechtfertigung der Bemessung einer Gebühr oder eines Beitrags in Frage kommen, sind neben dem Zweck der Kostendeckung ebenfalls Zwecke des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung und soziale Zwecke anerkannt.664 Dabei muss der Umstand Berück 660

BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 20; Urteil vom 28. Januar 2014, E 135, 155, 168; Beschluss vom 16. September 2009, E 124, 235, 244; Beschluss vom 7. September 2006, E 117, 1, 30. 661 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 20; Beschluss vom 11. Oktober 1994, E 91, 207, 223; Beschluss vom 6. Februar 1979, E 50, 217, 226 f.; BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2015, 7 B 15.525, juris Rn. 27. 662 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 20; Urteil vom 28. Januar 2014, E 135, 155, 206; Beschluss vom 6. November 2012, E 132, 334, 349; Beschluss vom 16. September 2009, E 124, 235, 244; Urteil vom 19. März 2003, E 108, 1, 16 f.; Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 343; ähnlich auch Beschluss vom 8. April 1987, E 75, 108, 158. 663 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 20; Urteil vom 28. Januar 2014, E 135, 155, 206; Beschluss vom 6. November 2012, E 132, 334, 349. 664 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 20 f.; Beschluss vom 6. November 2012, E 132, 334, 349; Urteil vom 19. März 2003, E 108, 1, 18; Urteil vom 28. Januar 2003, E 107,

F. Vereinbarkeit des ÖPNV-Beitrags mit dem Grundgesetz

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sichtigung finden, dass Abgabengesetze regelmäßig Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen.665 „Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben abgabenrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und können dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen“.666 Dies leuchtet auch im Hinblick auf das legitime Interesse des Gesetzgebers ein, „die Erhebung von Abgaben – insbesondere sofern sie auf der Grundlage von kommunalen Satzungen erfolgt – so auszugestalten, dass sie praktikabel bleibt, und sie von übermäßigen, mit Rechtsunsicherheit verbundenen Differenzierungsanforderungen zu entlasten“.667 Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Abgabepflichtigen ein gewisses Maß nicht übersteigen darf.668 „Vielmehr müssen die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen“.669 Weiterhin darf bei einer gesetzlichen Typisierung kein atypischer Fall als Leitbild gewählt werden; stattdessen ist eine realitätsgerechte Orientierung am typischen Fall erforderlich.670 Aus dem Grundsatz der Belastungsgleichheit folgt auch, dass der Sondervorteil, „dessen Inanspruchnahme durch die Erhebung eines Beitrags ausgeglichen werden soll, nicht in der Weise [aufgelöst werden darf], dass Beitragspflichtige keinen größeren Vorteil aus der potentiellen Inanspruchnahme der Gegenleistung ziehen können als die Allgemeinheit“.671 Mit dem ÖPNV-Beitrag wird – wie bereits dargestellt – hauptsächlich das Ziel verfolgt, dem Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung zu tragen. Dadurch, dass die Finanzierungssituation des ÖPNV mit dem ÖPNV-Beitrag auf ein solides Fundament gestellt wird, kann gewährleistet werden, dass die Leistungen des ÖPNV auch künftig in dem gewohnten – bzw. sogar verbesserten – Ausmaß zur Verfügung stehen werden. Weiterhin werden mit der Erhebung des Beitrags umweltpolitische Lenkungszwecke verfolgt. Durch die Schaffung eines Anreizes zur verstärkten ÖPNV-Nutzung im innergebietlichen Bereich kann gerade in Ballungsräumen die MIV-Nutzung vermindert werden, wodurch die Luftqualität erheblich verbessert werden kann. Der Sondervorteil der Befugnis, die Beförderungsleistungen unbeschränkt und unentgeltlich zu nutzen, wird auch nicht dadurch aufgelöst, dass die Beitragspflich-

133, 144; Beschluss vom 10. März 1998, E 97, 332, 345; Beschluss vom 6. Februar 1979, E 50, 217, 230 f. 665 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 21. 666 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 21. 667 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 21. 668 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 21. 669 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 21. 670 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 21; Beschluss vom 12. Oktober 2010, E 127, 224, 246; Beschluss vom 4. Februar 2009, E 123, 1, 19; Beschluss vom 15. Januar 2008, E 120, 1, 30; Beschluss vom 7. November 2006, E 117, 1, 31; Beschluss vom 16. März 2005, E 112, 268, 280 f. 671 BVerfG, Beschluss vom 15. Juni 2014, E 137, 1, 23.

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Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

tigen keinen größeren Vorteil aus der potentiellen Inanspruchnahme der Gegenleistung ziehen können als die Allgemeinheit. Vielmehr ist gerade das Gegenteil der Fall. Die Beitragspflichtigen profitieren durch den Solidaritätsgedanken von erheblich günstigeren Konditionen, als dies für die Allgemeinheit – also alle außerhalb des Kreisgebiets lebenden Personen – der Fall ist. Auswärtige Nutzer zahlen weiterhin das „normale“ Beförderungsentgelt durch den Erwerb einer Fahrkarte. Dies ist auch sachgerecht, da die Beitragsschuldner aus der Solidargemeinschaft profitieren sollen. Damit steht die Erhebung eines ÖPNV-Beitrags auch in Einklang mit dem Grundsatz der Belastungsgleichheit.

II. Vereinbarkeit des ÖPNV-Beitrags mit der allgemeinen Handlungsfreiheit Durch die wiederkehrende Erhebung des ÖPNV Beitrags wird grundsätzlich in die persönliche Freiheitsentfaltung im vermögensrechtlichen Bereich aus Art. 2 Abs. 1 GG der Beitragsschuldner eingegriffen.672 Dieser Eingriff ist jedoch ebenfalls aus den bereits genannten Gründen gerechtfertigt.

G. Vereinbarkeit des ÖPNV-Beitrags mit dem Gebot der Steuerstaatlichkeit Zwar kann dem Begriff des Steuerstaats, durch den der moderne Staat beschrieben wird, kein verfassungsrechtlicher Vorrang der Steuerfinanzierung vor anderen Finanzierungsformen entnommen werden, allerdings kann aus den Regelungen der Finanzverfassung (Art. 105 ff. GG) geschlossen werden, dass der Verfassungsgeber sich grundsätzlich für die Finanzierung des Staates durch Steuern – als Regeltypus der Geldlast  – entschieden hat.673 Daraus ergibt sich, dass die Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben regelmäßig durch Steuern zu erfolgen hat und nur mit besonderer Rechtfertigung durch die Erhebung anderer Abgaben getragen werden darf.674 Dies bedeutet jedoch nur, dass für die Auferlegung nichtsteuerlicher Abgaben eine besondere Legitimation erforderlich ist.675 Das Bundesverfassungsgericht

672 So auch das BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 17, in Bezug auf die gesetzliche Auferlegung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge. 673 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 105 Rn. 11; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Art. 105 Rn. 2; Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rn. 69 f.; vgl. auch Waldhoff, in: Isensee/Kirchhof, HdStR V, § 116 Rn. 84. 674 BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1988, E 78, 249, 266 f.; Beschluss vom 31. Mai 1990, E 82, 159, 178; Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 105 Rn. 11; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, Rn. 2; Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rn. 72; vgl. auch Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 50. 675 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 105 Rn. 11.

G. Vereinbarkeit mit dem Gebot der Steuerstaatlichkeit

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geht davon aus, dass „die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben […] mit Blick auf die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) und zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen (Art. 3 Abs. 1 GG) einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung [bedürfe]“.676 Begründet wird dies damit, dass die Finanzordnung des Grundgesetzes grundsätzlich der Sicherstellung diene, dass eine sachgerechte Beteiligung des Gesamtstaates und der Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft erfolge.677 Es sei eine derartige Ausstattung von Bund und Ländern im Rahmen der verfügbaren Gesamteinnahmen erforderlich, dass diese dazu in der Lage seien, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Ausgaben zu tätigen.678 Der Finanzverfassung sei die Vorstellung immanent, „da[ss] die Finanzierung der staatlichen Aufgaben in Bund und Ländern einschließlich der Gemeinde in erster Linie aus dem Ertrag der in Art. 105 ff. GG geregelten Einnahmequellen [erfolge] (Prinzip des Steuerstaates)“.679 Daraus jedoch die qualifizierende Festlegung abzuleiten, „da[ss] der Staatsbedarf im Gesamtergebnis tatsächlich zum allergrößten Teil durch Steuern finanziert werden [müsse]“, wäre heutzutage kaum noch haltbar.680 Davon geht auch das Bundesverfassungsgericht aus und definiert, unter welchen Voraussetzungen dennoch die Erhebung nicht-steuerlicher Abgaben zulässig ist.681 Dazu werden drei grundlegende Prinzipien der Finanzverfassung herangezogen:682 Könnten unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern beliebig weitere Abgaben erhoben werden, indem die bundesstaatliche Verteilung der Gesetzgebungs- und Ertragskompetenz für das Steuerwesen umgangen wird, so würden Sinn und Zweck der grundgesetzlichen Finanzverfassung ad absurdum geführt.683 Dementsprechend bedürfen nicht-steuerliche Abgaben einer „über die Einnahmeerzielung hinaus[gehende] oder an deren Stelle [tretende]“ besondere sachliche Rechtfertigung.684 Weiterhin müssen sie zudem „ihrer Art nach von der Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird“, deutlich un-

676

St. Rspr: BVerfG, Beschluss vom 6. November 2012, E 132, 334, 349; Beschluss vom 16. September 2009, E 124, 235, 243; Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 342; Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rn. 72. 677 Grundlegend: BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 342. 678 BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 342. 679 BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 342. 680 Heun, in: Dreier, GG, Bd. III, Art. 105 Rn. 11. 681 Grundlegend: BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 342 f. („Nicht-steuerliche Abgaben verschiedener Art sind allerdings nicht ausgeschlossen; die Finanzverfassung des Grundgesetzes enthält keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabentypen“). 682 BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 342; Beschluss vom 11. Oktober 1994, E 91, 186, 202 f. 683 BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 342; Beschluss vom 8. Juni 1988, E 78, 249, 266 f.; Urteil vom 10. Dezember 1980, E 55, 274, 300 ff. 684 BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 342 f.; Beschluss vom 8. Juni 1988, E 78, 249, 266 f.

254

Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

terschieden werden können.685 Zudem muss bei der Erhebung von nicht-steuer­ lichen Abgaben auch die Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen beachtet werden.686 Das bedeutet, dass der Abgabenschuldner regelmäßig schon als Steuerpflichtiger zur (Mit-)Finanzierung der Gemeinschaftslasten verpflichtet wird und daher nur unter einer besonderen Rechtfertigung aus Sachgründen daneben noch für nicht-steuerliche Abgaben in Anspruch genommen werden darf.687 Außerdem wird der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans berührt, wenn Einnahme- oder Ausgabekreisläufe vom Gesetzgeber außerhalb des Budgets geplant werden.688 Mit dem Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans wird das Ziel verfolgt, „das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung zu unterstellen“.689 Damit soll sichergestellt werden, dass „das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvolumen und damit auch über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält. Nur so können Einnahmen und Ausgaben vollständig den dafür vorgesehenen Planungs-, Kontroll- und Rechenschaftsverfahren unterworfen werden“.690 Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit von Vorzugslasten bejaht691 – zu denen wie gezeigt auch der ÖPNV-Beitrag zählt. Die Legitimation der Erhebung von Gebühren und Beiträgen leitet sich aus deren Ausgleichsfunktion ab.692 In diesen Fällen erhält jeder, der eine öffentliche Leistung für sich beansprucht, einen Vorteil, „der es rechtfertigt, ihn zu Tragung der Kosten der öffentlichen Leistung heranzuziehen oder die durch die öffentliche Leistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise auszuschöpfen“.693 Da der Erhebung des ÖPNV-Beitrags die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Beförderungsleistungen gegenübersteht, liegt kein Verstoß gegen das Gebot der Steuerstaatlichkeit vor. 

685

BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 343. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 343. 687 BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, E 137, 1, 20; Urteil vom 28. Januar 2014, E 135, 155, 206; Beschluss vom 6. November 2012, E 132, 334, 349; Beschluss vom 16. September 2009, E 124, 235, 244 f.; Urteil vom 19. März 2003, E 108, 1, 16 f.; Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 343; Beschluss vom 8. April 1987, E 75, 108, 158. 688 BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 343. 689 BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 343. 690 BVerfG, Beschluss vom 7.  November 1995, E  93, 319, 343; grundlegend dazu auch BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980, E 55, 274, 302 f. 691 BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 343 f.; so auch Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 51 f. 692 BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 344; so auch i. E. Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 52. 693 BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995, E 93, 319, 344. 686

H. Gesetzliche Ermächtigungsgrundlage  

255

H. Gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Einführung des ÖPNV-Beitrags  Der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, der sich zwar nicht ausdrücklich aus Art. 20 Abs. 3 GG ergibt, aber dennoch im Rechtsstaatsprinzip verortet wird, normiert unter anderem, dass für bestimmte Tätigkeiten der Exekutive eine formellgesetzliche Grundlage erforderlich ist.694 Daraus ergibt sich, dass Exekutivakte, die ohne die erforderliche formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage ergehen, rechtwidrig sind.695 Für die Erhebung eines ÖPNV-Beitrags existiert bislang keine geeignete Rechtsgrundlage. Insbesondere kann – aus den bereits genannten Gründen – gerade nicht auf die allgemeine Satzungsermächtigung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO bzw. des Art. 18 Abs. 1 Nr. 2 LKrO abgestellt werden. Nachdem die Kriterien für die Erhebung eines ÖPNV-Beitrags im Laufe der Untersuchung entwickelt worden sind, sollen diese nun in einer geeigneten Ermächtigungsgrundlage niedergelegt werden.

I. Regelungsort Die erste Frage, die sich bei der Schaffung einer geeigneten Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung eines ÖPNV-Beitrags stellt, ist der passende Regelungsort. In welchem konkreten Gesetz die Ermächtigungsgrundlage einzufügen ist, ist grundsätzlich davon abhängig, wo sich diese thematisch am besten einfügt. Der ÖPNV unterliegt als Teil  des Kraftfahrtwesens gemäß Art.  74 Abs.  1 Nr.  22 GG der konkurrierenden Gesetzgebung.696 Damit liegt gemäß Art.  72 Abs. 1 GG die Befugnis zur Gesetzgebung grundsätzlich bei den Ländern, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Die Rahmenbedingungen für die Planung, Organisation und Finanzierung des ÖPNV wurden durch den Bund im Rahmen des Regionalisierungsgesetzes697 geregelt.698 § 4 Satz 2 RegG überträgt jedoch die Kompetenz zur Regelung der Zuständigkeit für die Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrs-

694 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 105; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, Art. 20 Abs. 3 Rn. 273; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 69. 695 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 69; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 105. 696 Müller Kabisch, Umlagefinanzierung für den fahrscheinlosen ÖPNV, WD 4  – 3000  – 268/12, S. 4. 697 Zum Regionalisierungsgesetz vgl. auch die Ausführungen unter Kapitel 2 B. II. 1. a) und unter Kapitel 3 A. II. 2. a). 698 Müller Kabisch, Umlagefinanzierung für den fahrscheinlosen ÖPNV, WD 4  – 3000  – 268/12, S. 4.

256

Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

bedienung im ÖPNV auf die Länder.699 Daraus ergibt sich, dass grundsätzlich eine Ermächtigungsgrundlage auf Landesebene geschaffen werden muss, weshalb sich eine Einfügung in Bundesgesetze wie das Personenbeförderungsgesetz oder das Regionalisierungsgesetz von vornherein verbietet. Auf kommunaler Ebene kommt vor allem eine Einfügung in das Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern (­BayÖPNVG), die Bayerische Landkreisordnung (LKrO) sowie das Bayerische Kommunalabgabengesetz (BayKAG) in Betracht. Für eine Einfügung in das Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern spricht, dass dort sowohl die Aufgabenträgerschaft für den ÖPNV als auch zum Teil  dessen Finanzierung geregelt ist. Der ÖPNV-Beitrag könnte als Art. 24 ­BayÖPNVG neu in das Gesetz eingefügt werden und sich somit systematisch in die Regelungen zur Finanzierung des allgemeinen ÖPNV einordnen. Demgegenüber erscheint auch eine Einfügung in die Bayerische Landkreisordnung, die in Art. 18 BayLKrO bereits eine Satzungsermächtigung für den Anschluss- und Benutzungszwang enthält, denkbar. Allerdings ist dabei zu beachten, dass – wie bereits dargestellt700 – erhebliche Unterschiede zwischen einem originären Anschluss- und Benutzungszwang und der Erhebung des ÖPNV-Beitrags bestehen, sodass eine Einfügung in das Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern nicht nur thematisch besser geeignet ist, sondern als Sonderrecht für den ÖPNV auch vorrangig erscheint. Als geeigneter Regelungsstandort für die Ermächtigungsgrundlage zur Erhebung des ÖPNV-Beitrags kommt jedoch auch das Bayerische Kommunalabgabengesetz in Betracht. Dieses enthält in den Art. 1 ff. BayKAG bereits alle relevanten Normen zur Beitragserhebung und umfasst seit der Einfügung des Art. 5b BayKAG auch eine Vorschrift zur Erhebung eines wiederkehrenden Beitrags für Verkehrsanlagen. Da sich in Bayern die Beitragserhebung stets nach den Normen des Kommunalabgabengesetzes richtet, erscheint es sachgerechter, die Ermächtigungsgrundlage für den ÖPNV-Beitrag als Art. 5c neu in das Bayerische Kommunalabgabengesetz einzufügen. Dafür spricht auch, dass in diesem Fall dem Bayerischen Kommunalabgabengesetz eine abschließende Aufzählung der zulässigen Beitragsarten und deren Erhebung zu entnehmen ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich bei einer – zunächst erwogenen – Einfügung der Ermächtigungsgrundlage in das Gesetz über den öffentlichen Nahverkehr in Bayern, die Erhebung des Beitrags dennoch nach den Regeln der Art. 1 ff. BayKAG richten würde, sodass die Regelung im Bayerischen Kommunalabgabengesetz auch aus Gesichtspunkten der Simplizität angemessen erscheint. Insgesamt ist daher das Bayerische Kommunalabgabengesetz als geeigneter Regelungsstandort für die Ermächtigungsgrundlage zur Erhebung des ÖPNV-Beitrags anzusehen.

699 Vgl. dazu auch Müller Kabisch, Umlagefinanzierung für den fahrscheinlosen ÖPNV, WD 4 – 3000 – 268/12, S. 4. 700 Vgl. hierzu auch die Ausführungen unter Kapitel 5 D. I. 5.

H. Gesetzliche Ermächtigungsgrundlage 

257

II. Gesetzesvorschlag Aus den im Rahmen der Untersuchung gewonnenen Erkenntnissen ergibt sich abschließend folgender Gesetzesvorschlag für die Neufassung von Art. 5c BayKAG: Art. 5c BayKAG: ÖPNV-Beitrag (1) 1 Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Personennahverkehrs können Landkreise in ihrem Kreisgebiet oder in Teilen ihres Kreisgebiets einen monatlich wiederkehrenden Beitrag für die Beförderung der Kreisangehörigen im öffentlichen Personennahverkehr von denjenigen Kreisangehörigen erheben, für die eine angemessene Verkehrsbedienung zwischen ihrem Wohnort und den wesentlichen Zielstellen des innergebietlichen Verkehrs sichergestellt ist. 2 Eine angemessene Verkehrsbedienung ist sichergestellt, wenn der öffentliche Personennahverkehr als Äquivalent zum motorisierten Individualverkehr im innergebietlichen Bereich eingestuft werden kann. 3 Dies ist in der Regel der Fall, wenn eine zeitliche und räumliche Vergleichbarkeit zwischen öffentlichem Personennahverkehr und motorisiertem Individualverkehr gegeben ist. (2) Die Höhe dieses Beitrags richtet sich nach einer dem Finanzierungsbedarf entsprechenden Vereinbarung zwischen dem Landkreis und dem örtlichen Träger des öffentlichen Personennahverkehrs und wird von dem Landkreis durch Satzung festgelegt. (3) Die Einführung eines Beitrags nach Absatz 1 Satz 1 sowie der Abschluss einer Vereinbarung nach Absatz 2 bedürfen der vorherigen Zustimmung des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr.

III. Gesetzesbegründung Das Merkmal der „Verbesserung der Leistungsfähigkeit des ÖPNV“ wurde zur Klarstellung in Art. 5c Abs. 1 Satz 1 BayKAG aufgenommen. Damit soll sichergestellt werden, dass die durch den ÖPNV-Beitrag generierten Finanzmittel im Haushaltsplan für die Verbesserung der Leistungsfähigkeit des ÖPNV ausgewiesen werden müssen. Konkret bedeutet dies, dass die Mittel aus den ÖPNV-Beiträgen zur Deckung der Investitions- und Betriebskosten des ÖPNV aufgewendet werden müssen, sodass Art. 5c Satz 1 BayKAG eine konkrete Zweckbestimmung enthält. In Art. 5c Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BayKAG wurde legaldefiniert, wann von einer Sicherstellung einer angemessenen Verkehrsbedienung ausgegangen werden kann. Hierbei wurden die bereits aufgestellten Kriterien701 gesetzlich verankert. Dabei wurde auf die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen gesetzt, um die konkreten Gegebenheiten des ÖPNV in den jeweiligen Kreisgebieten individuell berücksichtigen zu können. Dies ist auch zulässig, da sich der Gesetzgeber „in gewissem Umfang auch unbestimmter Rechtsbegriffe bedienen [darf], solange ihnen mit den herkömmlichen Methoden der Auslegung ein fa[ss]barer Inhalt ge­geben 701

Vgl. dazu die Ausführungen unter Kapitel 5 E. I.

258

Kap. 5: Einführung einer „ÖPNV-Abgabe“

werden kann“.702 Vielmehr müssen gesetzliche Vorschriften nur „so bestimmt […] sein, wie dies nach der Eigenart der zu regelnden Sachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist“.703 Im Rahmen der Untersuchung wurden diesbezüglich auch Richtwerte aufgestellt, die bei der Prüfung der Voraussetzungen Beachtung finden müssen. Im Hinblick auf den Kreis der Beitragsschuldner sind die bereits gewonnenen Erkenntnisse704  – Beitragsschuldner sind grundsätzlich alle volljährigen Kreisangehörigen, wobei eine ermäßigte Beitragspflicht für volljährige Auszubildende, Studierende, alle Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie Empfänger von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch anzunehmen ist als auch Empfänger von Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz und Schwerbehinderte über 80 % Schwerbehinderungsgrad – in der jeweiligen Beitragssatzung des handelnden Landkreises festzuschreiben. Art.  5c Abs.  2 BayKAG greift die Anforderungen des Äquivalenzprinzips705 auf und legt fest, dass sich die Höhe des Beitrags nach einer dem Finanzierungsbedarf entsprechenden Vereinbarung zwischen dem Landkreis und dem örtlichen Träger des ÖPNV richtet und vom Landkreis in seiner Beitragssatzung festgelegt wird. Dadurch soll gewährleistet werden, dass ausschließlich die tatsächlich anfallenden Kosten auf die Kreisangehörigen umgelegt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass kein Raum mehr für Investitionen in den Ausbau des ÖPNV bleibt. Im Gegenteil – diese müssen lediglich im Rahmen der Vereinbarung miteinberechnet werden. Dies ist auch sachgerecht, da Ausbauprojekte auch bislang sehr frühzeitig geplant werden mussten, um deren Finanzierung sicherzustellen. Bei der Festlegung der monatlichen Beitragshöhe ist jedoch zu beachten, dass diese aus den dem Solidargedanken innewohnenden Zumutbarkeitsgründen auf eine Höchstsumme – für den Regelbeitrag auf 40 Euro und für den ermäßigten Beitragssatz auf 15 Euro monatlich – zu begrenzen ist.706 Das Bundesverwaltungsgericht geht in seiner Entscheidung zum Semesterticket davon aus, dass es das Verhältnismäßigkeitsprinzip und der Gleichheitssatz nicht erfordern, „besondere Erla[ss]- und Befreiungstatbestände für die Studierenden zu schaffen, die das Semesterticket nicht nutzen wollen oder – etwa wegen der geringen Entfernung zum Studienplatz – für den Weg zu den Hochschuleinrichtungen nicht oder kaum sinnvoll nutzen können. Der das Semesterticket tragende […] Solidargedanke rechtfertigt es grundsätzlich, 702 BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1990, E 109, 97, 102; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 17. November 1992, E 87, 234, 263. 703 BVerfG, Urteil vom 17. November 1992, E 87, 234, 263. 704 Vgl. zum Kreis der Beitragsschuldner die Ausführungen unter Kapitel 5 E. II. 1. 705 Vgl. dazu die Ausführungen unter Kapitel 5 E. II. 2. c). 706 Vgl. zu den zumutbaren Höchstsummen des ÖPNV-Beitrags die Ausführungen unter Kapitel 5 E. II. 2. a) bzw. unter Kapitel 5 E. II. 2 b).

H. Gesetzliche Ermächtigungsgrundlage 

259

auch diese Studierenden zur Finanzierung heranzuziehen“.707 Das ist auch vollkommen sachgerecht, da auch den Studierenden, die unweit der Universität wohnen, die Möglichkeit offensteht, das Semesterticket zu Freizeitzwecken zu nutzen. Da sich die Erhebung des ÖPNV-Beitrags jedoch auf einen viel größeren und differenzierteren Personenkreis bezieht, erscheint es dennoch empfehlenswert, in der Beitragssatzung eine Härtefallklausel aufzunehmen, um unbillige Härten ausschließen zu können. Art. 5c Abs. 3 BayKAG wurde in Anlehnung an Art. 95 Abs. 4 Satz 4 BayHSchG708 geschaffen. Es handelt sich dabei – wie auch bei dem Zustimmungserfordernis des Art. 95 Abs. 4 Satz 4 BayHSchG – um einen internen Vorgang.709 Mit dieser Regelung wird bezweckt, dass die Landkreise vor der Einführung eines ÖPNV-Beitrags dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr ihr diesbezügliches Vorhaben vorlegen und die konkrete Ausgestaltung der Infrastruktur des ÖPNV in ihrem Kreisgebiet darlegen müssen. So soll gewährleistet werden, dass alle Anforderungen an die Sicherstellung einer angemessenen Verkehrsbedienung eingehalten sind, bevor ein ÖPNV-Beitrag erhoben werden kann. Gleiches gilt für den Abschluss einer Vereinbarung nach Abs. 2.

707

BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1999, E w109, 97, 114. Art. 95 Abs. 4 BayHSchG lautet: „1Neben dem Grundbeitrag kann für den Zuständigkeitsbereich einzelner Studentenwerke oder für Teile des Zuständigkeitsbereichs einzelner Studentenwerke ein zusätzlicher Beitrag für die Beförderung oder die zu einem ermäßigten Beförderungsentgelt mögliche Beförderung der Studierenden im öffentlichen Nahverkehr erhoben werden. 2Die Höhe des zusätzlichen Beitrags richtet sich nach dem Aufwand aus einer entsprechenden Vereinbarung des Studentenwerks mit den örtlichen Trägern des Nahverkehrs über die Beförderung der Studierenden gegen ein Pauschalentgelt oder über die zu einem ermäßigten Beförderungsentgelt mögliche Beförderung der Studierenden gegen ein Pauschalentgelt. 3Sie wird vom zuständigen Studentenwerk durch Satzung festgelegt. 4Der Abschluss der Vereinbarung nach Satz 2 bedarf der vorherigen Zustimmung des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr.“ 709 Vgl. zum Zustimmungserfordernis des Art. 95 Abs. 4 Satz 4 BayHSchG Reich, BayHSchG, Art. 95 Rn. 12. 708

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Sachverzeichnis Administrativenteignung 187 Allgemeiner Gleichheitssatz  217 Allgemeines Eisenbahngesetz  114 –– Genehmigung 47 Altbeihilfe  85, 86, 89, 91, 92 Altmark Trans  94, 95 Angemessene Verkehrsbedienung  219 Anschluss- und Benutzungszwang  181, 219 –– Gründe des öffentlichen Wohls  184 –– Übertragung von Rechtsgrundsätzen  190 –– Unionsrechtliche Zulässigkeit  187 –– Verfassungsmäßigkeit 187 Äquivalenzprinzip  216, 220, 237 Aufgabenallzuständigkeit 53 Aufgabenfinanzierung 111 Ausgleichszahlungen Ausbildungsverkehr 66, 67, 131 Autofreie Sonntage  140 Bahnstrukturreform  102, 103, 106, 107, 109, 110, 112, 113 –– Abweichung Konnexitätsgrundsatz  112 –– Änderung des Grundgesetzes  106, 107 –– einfachgesetzliche Neuregelungen  113 –– Hintergründe 103 –– Kompetenzübergang 50 –– Kompetenzübertragungen 109 –– Privatisierung 107 Bayerische Eisenbahngesellschaft  59 BayÖPNVG  49, 50 –– Aufgabenträger allgemeiner ÖPNV  52 –– Aufgabenträger Schienenpersonennahverkehr 59 –– Defnition ÖPNV  51 –– Eigener Wirkungskreis  53 –– Kreisangehörige Gemeinde  54 –– Kreisfreie Gemeinde  53 –– Landkreis 53 –– Regionaler Nahverkehrsraum  58 –– Überörtliche Zusammenschlüsse siehe Überörtliche Zusammenschlüsse

–– Verkehrskooperationen 58 Bedeutung des ÖPNV  25 –– Soziale Bedeutung  35 –– Wirtschaftliche Bedeutung  36 Beförderungsvertrag  202, 208 Begriff ÖPNV  37 Beitrag 170 Beitragsbemessung 220 Beitragspflicht 198 Betriebskostenfinanzierung 66 Bürgerticket 157 Chancengleichheit 36 Daseinsvorsorge  26, 31, 39, 48 Daseinsvorsorgeauftrag –– Begründung mit Grundrechten  27 Dauerverlustgeschäft 83 Definition ÖPNV –– BayÖPNVG 51 –– Personenbeförderungsgesetz  45, 51 –– Regionalisierungsgesetz  40, 51 –– Verordnung (EG) Nr. 1370/2007  62 Demographischer Wandel  131 Deutsche Bahn AG  113 Deutsche Bundesbahn  103, 104, 107 –– Finanzsituation 105 Deutsche Eisenbahn AG  106 Deutsche Reichsbahn  106, 107 Durchschnittsausbildungsvergütung 236 Durchschnittsnettoentgelt 234 Ein-Komponenten-Modell 196 Eisenbahngewährleistungsverantwortung 108, 109 Eisenbahnneuordnungsgesetz 45, 106, 107, 113, 114 Eisenbahnraum –– europäischer 107 Eisenbahnverfassungsrecht 103 Endowment-Effect 248

278

Sachverzeichnis

Energiewende 136 Entflechtungsgesetz  115, 120 Entflechtungsmittel  118, 122, 135 Erstattungsleistungen 66 Europäische Eisenbahnagentur  98 Fahrgelderstattungen  71, 74 Fahrscheinfreier Stadtverkehr Templin  144 Fahrscheinloser ÖPNV  158 Fernverkehr  38, 113 Finanzhilfen des Bundes  116 Finanzierung ÖPNV  64 Finanzverfassung 253 Föderalismusreform 115, 116, 117, 118, 135 Fourth Railway Package siehe Viertes Eisenbahnpaket Führerscheintausch 140 Gästeabgabe 158 Gebot der Steuerstaatlichkeit  252 Gebühr 168 Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz 115, 116 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes  106, 107 Gesetzgebungskompetenz 110 Gleichbehandlungsverbot 241 Grandfathering 85 Grundsatz der Belastungsgleichheit  250 Güterverkehr  37, 113 GVFG-Bundesmittel  117, 249 GVFG-Bundesprogramm  132, 134 GVFG-Länderprogramm 118 Hasselt 151 Individualverkehr –– motorisierter  34, 36, 104 Infrastrukturbeitrag 125 Infrastrukturverantwortung  31, 110 Inhalts- und Schrankenbestimmung  189 Investitionsfinanzierung  66, 102 Investitionskostenhilfen 128 Investitionsstopp 132 IsarCard 196 Jahressteuergesetz 2009  79, 82, 84, 86

Kalte Regionalisierung  105 Kieler Schlüssel  114 Klimaschutz 32 Kölner PatenTicket  142 Kommunaler Querverbund  76, 136 –– Beihilferechtliche Zulässigkeit  84 –– Steuerrechtliche Zulässigkeit  78 Kompensationsbetrag 128 Kompensationsmittel 120 Kompensationszahlungen  116, 119, 135 Konnexitätsprinzip 115 Kostendeckungsfehlbeträge 127 Kostendeckungsgrad 64 Kostendeckungsprinzip 238 Kriterium der Leistungsfähigkeit  191, 225 Kyoto Protokoll  33 Legalenteignung 187 Leistungsfähigkeit 183 Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung  123, 125 Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung II  126 Liebhaberei-Rechtsprechung 80 Lübben 146 Luftreinhalteplan 247 Mehrwert des MIV  226 Modal Split  148 Näheverhältnis 175 Nahverkehrsgesetze der Länder  49 Nahverkehrsquote 124 Neubeihilfe  86, 90, 96 „Neue Formel“  242 „Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr“  139, 156 Nutzerfinanzierung  64, 65 Nutzungsmöglichkeit 225 Öffentliche Finanzierungsmittel  66 Öffentlicher Schienenpersonennahverkehr  38 Öffentlich-rechtlicher Vertrag  203 ÖPNV-Abgabe 160 –– Abgabenrechtliche Einordnung  171 –– Finanzverfassungsrechtliche Umsetzung  161 ÖPNV-Beitrag 173

Sachverzeichnis –– –– –– –– –– –– –– –– ––

Beitragsbefreiung 232 Beitragshöhe  231, 233 Beitragsschuldner 231 Beitragsstaffelung 232 Ermächtigungsgrundlage 255 Gesetzesbegründung 257 Praktische Ausgestaltung  225 Regelungsort Ermächtigungsgrundlage 255 Vereinbarkeit –– Art. 2 Abs. 1 GG  252 –– Art. 3 Abs. 1 GG  240 –– Gebot der Steuerstaatlichkeit  252 –– Verfassungsmäßigkeit 239 –– Zeitliche Vergleichbarkeit zum MIV  226 –– Zumutbare Höchstsumme ermäßigter ÖPNV-Beitrag 235 –– Zumutbare Höchstsumme regulärer Beitragssatz 234 –– Zumutbarer Beitragssatz  233 ÖPNV-Erschließungsbeitrag 156 ÖPNV-Flatrate 157 ÖPNV-Zuweisungen 130 Organisationsprivatisierung 109 Parafiskalische Abgabe  165 Personenbeförderungsgesetz  38, 42, 114 –– Aufgabenträger  47, 48 –– Definition ÖPNV  45 –– flexible Bedienformen  46 –– Genehmigung 47 –– Genehmigungsbehörde 47 –– sachlicher Geltungsbereich  43 –– Verkehrsunternehmen  47, 48 Personenverkehr –– Definition 37 Pflichtmitgliedschaft siehe  Zwangsmitgliedschaft Piratenpartei 158 Rahmenvereinbarungen 105 Rahmenvertrag 207 Rastede-Entscheidung 53 Räumliche Vergleichbarkeit zum MIV  228 Regelbedarf 236 Regionalisierung  107, 111 Regionalisierung des ÖPNV  103 Regionalisierungsgesetz  38, 39, 40, 51, 102, 113

279

–– gesetzlicher Gewährleistungsauftrag  39 Regionalisierungsmittel  102, 114 Rezeptionsargument 162 Rundfunkbeitrag 221 –– Verfassungsmäßigkeit 222 Rundfunkempfangsgerät 222 Rundfunkgerät 221 RVV  195, 196 Satzungsermächtigung 190 Schienenpersonennahverkehr  41, 50, 51, 59, 103, 105, 111 „Schwarze Null“  249 Selbstverwaltungsrecht 54 Semesterticket 193 –– Begriff 194 –– Beitragsrechtliche Zulässigkeit  215 –– Funktionsweise 194 –– Rechtmäßigkeit 213 –– Rechtsnatur 203 –– Verfassungsrechtliche Zulässigkeit  217 Sicherstellung einer angemessenen Verkehrsbedienung  226, 256 Sicherstellungsauftrag 110 Sockelmodell 196 Solidarbeitrag 196 Solidarmodell 195 Sonderabgabe 165 Sozialstaatsprinzip  31, 32 Stellplatzvergabe BayBO  228 Steuer 161 Steuerfinanzierter Nulltarif  151 Straßenausbaubeitrag 178 Studentenschaft/Studierendenschaft 197 Studentenwerk 199 Tallinn 148 Tarifersatzleistungen  66, 67 „Tübingen macht blau“  139 Überörtliche Zusammenschlüsse –– Arbeitsgemeinschaften  54, 55 –– Gemeinsame kommunale Unternehmen 57 –– Gemeinsame Kommunalunternehmen  54 –– Zweckverbände  54, 56, 57 Umweltschutz 32 Valutaverhältnis 209

280

Sachverzeichnis

Veranlasserprinzip 67 Verdeckte Gewinnausschüttung  81, 83, 101 Verfassungsrechtlicher Steuerbegriff  161 Verlustverrechnung  84, 89 Verordnung (EG) Nr. 1370/2007  60 –– Anwendungsbereich  60, 61 –– Definition ÖPNV  62 Vertrag zugunsten Dritter  207, 208 Viertes Eisenbahnpaket  97 –– Politische Säule  99 Vollzugsverhältnis 209 Vorsteuergewinn 136

Vorzugslasten 168 Warte- und Fahrtzeit im ÖPNV  226 Wiederkehrender Beitrag  178 Willkürformel 242 Zahlerländer 134 Zurückweisungsrecht 210 Zwangsabgabe 222 Zwangsmitgliedschaft  197, 213 Zweckbindung 119 Zwei-Komponenten-Modell 196