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German Pages [443] Year 2010
Super alta perennis Studien zur Wirkung der Klassischen Antike
Band 10
Herausgegeben von Uwe Baumann, Marc Laureys und Winfried Schmitz
Marc Laureys / Roswitha Simons (Hg.)
Die Kunst des Streitens Inszenierung, Formen und Funktionen öffentlichen Streits in historischer Perspektive
Mit 9 Abbildungen
V&R unipress Bonn University Press
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-89971-793-8
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Inhalt
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Antike und Mittelalter: Streit in und mit Texten Manuel Baumbach Viel Lärm um Nichts? Ästhetik des Streite(n)s und inszenierte Streitkultur in Aristophanes’ Fröschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Andreas Weckwerth Altchristliche Hymnen und Lieder als Instrument doktrinärer Streitigkeiten (Hilarius – Ambrosius – Augustinus) . . . . . . . . . . . .
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Thomas Haye Kann man Christus verdauen? Die theologische Deutung des Abendmahls als Thema eines hochmittelalterlichen Streitgedichts . . . .
65
Leidulf Melve Performance, argument, and assembly politics (ca. 1080 – ca. 1160) . . .
85
II. Frïhe Neuzeit: Literarische Formen der Streitkultur Karl Enenkel Ein erster Ansatz zur Konstituierung einer humanistischen Streitkultur : Petrarcas Invective contra medicum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Luc Deitz Magnus animi tui candor, or : How Julius Caesar Scaliger told Geronimo Cardano that he was a fool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Christine B¤n¤vent Pol¤mique et onomastique chez Erasme
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
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Inhalt
Barbara Mahlmann-Bauer ›Luther gegen Eck, Luther gegen Erasmus und Castellio gegen Calvin‹. Die Normalform reformatorischer Streitgespräche und die Entgleisung eines innerprotestantischen Streits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Chiara Lastraioli P¤tromachies renaissantes: de la dispute rituelle au combat des id¤es l’ombre des ›pierres parlantes‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Michael Bernsen Die Kunst des Streitens. Cl¤ment Marots Bittbriefe an FranÅois Ier . . . . 245
III. Frïhe Neuzeit: Soziale Dimension und Funktion ›çffentlichen‹ Streitens Johannes Helmrath Streitkultur. Die ›Invektive‹ bei den italienischen Humanisten
. . . . . . 259
Eckhard Bernstein Liebe die Reuchlinisten, verachte die Arnoldisten. Die Reuchlin-Kontroverse und der Humanistenkreis um Mutianus Rufus Dieter Mertens Struktur – Konzept – Temperament. Jakob Wimpfelings ›Fehden‹
. . 295
. . . . 317
Barbara Krug-Richter Streitkulturen. Perspektiven der Volkskunde/Europäischen Ethnologie
. 331
Nikolaus Staubach Factus est maximus tumultus cum scandalo. Rangkonflikte im kurialen Zeremoniell der Renaissance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353
IV. 18. / 19. Jahrhundert: Streitkultur im bergang zur Moderne Claudia Polzin-Haumann Zum Streit um Sprache im siglo ilustrado: Themen, Textsorten, Typen der Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Judith Hawley ›Mental Men and Bodily Women‹: Argument as Marital Row in the Scriblerian Circle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
Inhalt
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Richard Cronin Duelling and the Culture of British Romantic Literature . . . . . . . . . . 419 Index Nominum
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
Einleitung
Streit ist eine Konstante menschlicher Gemeinschaft. So verwundert es nicht, dass Streit, beginnend mit dem Zorn des Achill oder Kain und Abel, von den ersten Anfängen an ein fortwährendes Thema der europäischen Kultur ist. Dabei unterscheidet bereits Hesiod zwischen zwei Formen der Eris, einer negativdestruktiven und einer positiv-produktiven, da stimulierenden Eris: Vor allem gewaltfrei ausgetragener Streit ermöglicht zum einen, dass – im Sinne eines Fortschrittsgedankens – Positionen geprüft, geschärft und verbessert werden können, so dass sich im Idealfall die beste Position herauskristallisiert und durchsetzt; insofern kann sich Konflikt als Motor (notwendiger) Veränderungen erweisen. Zugleich schafft Streit individuelle und kollektive Identität, indem er durch Mechanismen der In- und Exklusion Differenzen markiert, interne Bindungen stärkt und zur Solidarisierung innerhalb einer Gruppe bzw. mit einer Gruppe führt. Zum anderen wirkt Streit als ein kreativer Impuls für Kunst und Literatur : Das Phänomen ›Streit‹ hat die Produktion einer Fülle literarischer und künstlerischer Werke mit sich gebracht, die Entstehung und Tradition eigener polemischer Gattungen und Textsorten sowie ein Inventar polemischer Stilmittel und Strategien. Diese polemische Literatur ist in einem Spannungsfeld von überzeitlicher künstlerischer Ambition und zeitgebundener Wirkungsabsicht sowie von bitterem Ernst und Spiel angesiedelt. Denn die gekonnte Inszenierung von Streit hat zugleich auch hohen Unterhaltungswert für das Publikum, und die eigene (literarische) Kompetenz im Streiten zu erweisen, hat für manche Streit-Literatur weitaus größere Bedeutung als der eigentliche Streitgegenstand. Die gewaltfreie Aushandlung von Interessenkonflikten im Streit gehört zu den kulturellen Praktiken, die für den dauerhaften Bestand und die Entwicklung menschlicher Gemeinschaften notwendig sind. Dabei folgt der Streit, synchron und diachron betrachtet, jeweils eigenen, sich verändernden und von den kulturellen Kontexten und Traditionen abhängigen Regeln und Normen, die bestimmen, wie, worüber und mit welchem Ziel in einzelnen Sphären der Öffentlichkeit gestritten wird, was im Streit erlaubt oder notwendig ist, was aber
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auch die Grenze des Tolerablen überschreitet. Die Entwicklung, Traditionen und Veränderungen bildungsgeprägter Streitkultur in Europa von der Antike bis zur Frühmoderne zu erforschen, hat sich eine interdisziplinäre, kulturwissenschaftlich ausgerichtete Gruppe von Forscherinnen und Forschern am Centre for the Classical Tradition der Universität Bonn zum Ziel gesetzt. Erste Ergebnisse ihrer Forschungen sind als Band 2 dieser Schriftenreihe publiziert (U. Baumann / A. Becker / A. Steiner-Weber (Hrsg.): Streitkultur. Okzidentale Traditionen des Streitens in Literatur, Geschichte und Kunst, Göttingen 2009). Die Inszenierung des Streits in und mittels der Literatur sowie ihre Funktionalisierung von der Antike bis zur Frühen Neuzeit standen im Mittelpunkt einer Internationalen Tagung ›Die Kunst des Streitens. Inszenierung, Formen und Funktionen des Streits in historischer Perspektive‹, welche diese Gruppe vom 27. bis 29. November 2008 in Bonn organisiert hat und deren Beiträge hier vorgelegt werden. Eingeladen waren Historiker, Literatur- und Sprachwissenschaftler aus ganz Europa. ›Inszenierung‹ des Streits umfasst hier zwei Aspekte: Zum einen betrifft sie die literarische Form des Streitens, wie also und mit welchem Ziel Streit in der Literatur in Szene gesetzt wird, welche literarischen Mittel angewandt werden und in welcher Weise sich die polemischen Gattungen entwickeln. Zum anderen vollzieht sich öffentlicher Streit nicht allein zwischen den beiden Streitparteien, sondern stets ist eine dritte Instanz, ein Publikum, im Blick, vor dem und für das sich die Streitenden in Szene setzen, dessen ästhetische, moralische und/oder soziale Anerkennung, Zustimmung und auch aktive Unterstützung gewonnen werden soll. Streit erweist sich als wichtiger Faktor bei der Formierung kollektiver Identitäten. So stehen hier die Strategien zur Gewinnung des Dritten, seine Involvierung in den Streit sowie die Funktionalisierung literarischer Texte im Kontext von Formierungsprozessen im Zentrum. Ein gewisser Schwerpunkt der Tagung lag auf der Zeit des Renaissance-Humanismus und der Reformation als einer Epoche, die durch soziale, politische und religiöse Umbrüche und Pluralisierungen charakterisiert ist und in der die Streitkultur eine Hochphase erlebt. Die Aufteilung der – im Übrigen grob chronologisch geordneten – Beiträge zur Kunst des Streitens in der Frühen Neuzeit in eine Sektion zur literarischen Form und eine zur Funktion des Streits entspricht dem beschriebenen Doppelcharakter der Streit-Inszenierung, doch lassen sich diese Verbindungslinien, wie im Folgenden kurz skizziert werden soll, auch bei den übrigen Beiträgen aufzeigen. Im Zentrum der literaturwissenschaftlichen Betrachtung standen die Untersuchung streitrelevanter Gattungen und ihrer Entwicklung, das Verhältnis von literarischer Tradition und Innovation, die Analyse sprachlicher und argumentativer Mittel sowie das Verhältnis von Streitgegenstand, polemischer Ag-
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gressivität (Sachargumentation, Verspottung, Diffamierung) und Intention der Streitenden. Letztere kann neben dem Wunsch, der ›richtigen‹ Überzeugung zum Durchbruch zu verhelfen, auch in persönlichen Motiven liegen, im Bestreben, sich – über das gekonnte self-fashioning als Streiter – Konkurrenten gegenüber zu positionieren (vgl. dazu besonders die Beiträge von Baumbach, Enenkel, Deitz, Bernsen und Cronin). Als ein probates und beliebtes literarisches Mittel, in aktuellen Diskursen Stellung zu beziehen und sich selbst zu positionieren, erweist sich, wie auch der diachrone Vergleich zeigt, die Darstellung von Streit in der Literatur : Über seine literarischen Ambitionen hinaus ermöglicht sie es dem Autor, scheinbar objektiv kontroverse Seiten darzustellen und durch Streitverlauf und -ergebnis die Überlegenheit einer Position bzw. Streitpartei zu suggerieren: Manuel Baumbach (Bochum; Griechische Philologie) zeigt an zwei Beispielen aus der antiken griechischen Literatur (Aristophanes’ Frösche; Wettstreit zwischen Homer und Hesiod) wie das Motiv des Dichterwettstreits und der Schwierigkeit einer Urteilsfindung genutzt wird, um zur Reflexion über die Bewertungsmaßstäbe guter Dichtung sowie ihrer Funktion im Spannungsfeld von Kunst und Realität anzuregen und zugleich die eigene Kompetenz des Dichters vor diesem Hintergrund zu erweisen. Der Diskreditierung der gegnerischen Position in einer theologisch-dogmatischen Streitfrage dient ein von Thomas Haye (Göttingen; Mittel- und Neulateinische Philologie) analysiertes hochmittelalterliches Streitgedicht um das richtige Abendmahlsverständnis. Schien bei den beiden von Baumbach behandelten Dichtungen der Streit zunächst ergebnisoffen, so steht hier bereits durch Namensgebung und Charakterisierung die Siegerin von vorne herein fest; entsprechend fehlt die sonst bei Wettstreit-Darstellungen häufig anzutreffende richterliche Instanz. Mit den Pasquillen entsteht zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Rom eine neue, zunächst vor allem antipäpstlicher Kritik dienende, polemische Textsorte, die sich rasch in ganz Europa verbreitet. Chiara Lastraioli (Tours; Italianistik) verfolgt, wie sich, ausgehend von den römischen Pasquillen, das Motiv der Petromachie, des Disputs steinerner Statuen, vom Ursprungskontext löst und für Stellungnahmen und Propaganda in wechselnden politischen Fragen genutzt wird. Judith Hawley (London; Englische Literaturwissenschaft) untersucht die literarische Darstellung von Ehestreitigkeiten als ein (satirisches) Medium, das von konkurrierenden Seiten, Scriblerians und Bluestockings, unter bestätigendem oder invertierendem Rückgriff auf die geschlechtsspezifische Körper-Geist-Dichotomie dazu genutzt wird, im Gender-Diskurs des 18. Jahrhunderts in England Stellung zu beziehen. Während in den literarischen Streitdarstellungen die Autoren selbst im Hintergrund bleiben und ihre Positionen nur indirekt und mit variierender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, setzen sie in den invektivischen Textsorten
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ihre persona unmittelbar als eine der Streitparteien in Szene. Der Entwicklung der invektivischen Literatur in der Frühen Neuzeit und den Mitteln und Strategien zur Diffamierung des Gegners ist eine Reihe von Beiträgen gewidmet: Karl Enenkel (Leiden; Neulateinische Philologie) untersucht anhand Petrarcas Invective contra medicum, die am Beginn des polemischen Schrifttums des Humanismus steht, die Ausprägung einer neuen spezifisch humanistischen Invektive und Streitkultur in Auseinandersetzung mit der scholastischen Disputationskultur einerseits und der reichen Invektiventradition der Antike (besonders Ciceros) andererseits. Das Beispiel einer vehementen Polemik aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, Julius Caesar Scaligers Invektive gegen Girolamo Cardano, analysiert Luc Deitz (Luxemburg / Trier ; Mittel- und Neulateinische Philologie) mit Blick sowohl auf Scaligers Argumentationsstrategien (u. a. Aufweis und Verspottung sprachlicher Inkompetenz; Parodie der gegnerischen Syllogismen; Dekontextualisierung von Zitaten) als auch auf sein Motiv bei diesem Vorgehen. Ein literarisches Mittel der Polemik, die Nennung bzw. das Verschweigen von Namen sowohl des Gegners als auch des Autors, untersucht Christine B¤n¤vent (Tours; Französische Literaturwissenschaft) für die Schriften des Erasmus von Rotterdam, dessen theoretische Äußerungen zu diesen Aspekten durchaus im Kontrast zu seiner eigenen Praxis stehen. Neben der Pseudonymik, dem labelling, sind hier Fragen der Autorschaft und der Anonymität sowie der Verleumdung tangiert. Auch zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch stellt, wie Barbara Mahlmann-Bauer (Bern; Germanistik) betont, die der Scholastik verpflichtete Disputation den formalen Rahmen zur Überprüfung und Klärung akademischer Streitfragen. Sie verfolgt anhand dreier Streitfälle (Luther / Eck, Luther / Erasmus, Castellio / Calvin), wie diese auf Sachlichkeit, Ausgleich und argumentative Überzeugungskraft angelegte Form des Streits im Kontext der Reformation und der Auseinandersetzungen um nicht-hinterfragbare Glaubenssätze und -überzeugungen durch radikalere, auf Ausgrenzung und Vernichtung des Gegners abzielende Formen des Streitens abgelöst wird. Die akademische Streitkultur im Spanien des 18. Jahrhunderts ist Gegenstand des Beitrags von Claudia Polzin-Haumann (Saarbrücken; Romanische Sprachwissenschaft). Sie untersucht den Streit um die nationale Sprache, der unmitttelbar in den zeitgenössischen politisch-nationalen Diskurs eingebettet war, systematisch nach Streitthemen, Textsorten und Argumentationstypen und zeigt auf, entlang welcher Konfliktlinien metasprachliche Diskussionen verliefen und inwieweit neue Textsorten (Rezensionen) und Publikationsformen (Periodika) die Streitaustragung veränderten. Wie auch Gattungen, die auf den ersten Blick ohne Verbindung zum Thema ›Streit‹ zu sein scheinen, funktionalisiert werden, um sich in Auseinandersetzungen zu positionieren bzw. Positionen zu vermitteln, erhellen zwei weitere Beiträge:
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Den altchristlichen Hymnen (Hilarius, Ambrosius, Augustinus) als Instrument doktrinärer Streitigkeiten, mit dem neben ihrer Hauptfunktion des Gotteslobes in der Liturgie zugleich zentrale Aspekte orthodoxer Glaubenslehre vermittelt werden, widmet sich Andreas Weckwerth (Bonn; Alte Kirchengeschichte und Patrologie). Er analysiert die Unterschiede im Umgang mit gegnerischen Positionen sowie in der den Gläubigen zugewiesenen Rolle, von der wesentlich auch die formale Gestaltung der Hymnen beeinflusst ist. Michael Bernsen (Bonn; Romanische Literaturwissenschaft) geht am Beispiel der Versepisteln Cl¤ment Marots an den französischen König FranÅois Ier der Frage nach, wie die Gattung des Bittbriefes dazu verwendet wird, mit dem Mäzen über politisch-weltanschauliche Positionen zu streiten und sich zugleich seiner Zuwendung zu versichern. Er zeigt, wie Marot den spielerischen Plauderton (badinage) sowohl gegen die weltanschaulichen Unterwerfungsmechanismen des absoluten Regenten als auch gegen seine ästhetischen Doktrinen setzte. Außerliterarische Aspekte der Kunst des Streitens, die soziale Dimension und Funktion sowie die formale Organisation des Streits, untersuchen – aus vorwiegend historischer Perspektive – die übrigen Beiträge. Die identitäts- und gemeinschaftsstiftende Funktion von Streit, mittels Mechanismen der In- und Exklusion, wird auch in einigen der bereits genannten Beiträge thematisiert. Mit der Funktionalisierung literarischer Texte im Kontext gesellschaftlicher Formierungsprozesse und der Gewinnung und Beteiligung Dritter am Streit – als Sympathisant, Mitstreiter oder auch Stellvertreter, aus Solidarität, Verpflichtung oder gemeinsamen Interessen, aus Gruppenzwang oder wegen drohender Sanktionen, als Trittbrettfahrer zur eigenen Profilierung etc. – beschäftigen sich die folgenden Beiträge. Einen Überblick über die Invektiven der italienischen Humanisten unter gruppensoziologischer und politischer sowie literarischer, die sprachlichen und argumentativen Mittel analysierender, Perspektive liefert Johannes Helmrath (Berlin; Mittelalterliche Geschichte). Er charakterisiert die Humanisten als eine relativ homogene Personengruppe, eine corona, die durch thematische, ästhetische und ethische Interessen, Schreib-, Rede- und Denkstile, durch konformen Habitus konstituiert ist. Wie und warum eine solche humanistische corona in einem Streit mobilisiert wurde, wie sie agierte, zeigt Eckhard Bernstein (Mainz; Germanistik) für die Beteiligung des Kreises um Mutianus Rufus am ReuchlinStreit. An Hand der Korrespondenz des Kreises untersucht er die Reaktion dieser Gruppe auf die Kontroverse und das Vorgehen von Mutianus Rufus selbst, der sich nur indirekt, über die Mobilisierung seiner Anhänger zur Parteinahme für Reuchlin, an dem Konflikt beteiligte. Mit dem streitbaren Humanisten Jakob Wimpfeling steht eine einzelne Person im Zentrum des Beitrags von Dieter Mertens (Freiburg; Mittelalterliche Geschichte), der dessen Handlungen ins-
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besondere mit Blick auf ihre sozialen Bedingungen und Funktionen untersucht. Er entwickelt ausgehend von Wimpfelings Autobiographie einen Kriterien-Katalog für die Analyse seiner Streitschriften (u. a. Streitanlass; Versprachlichung; mediale Präsentation und Paratexte; außerliterarische Streitstrategien) und bietet daran orientiert einen Überblick über Wimpfelings zahlreiche Fehden. Vor dem Hintergrund der Veränderungen im englischen Literaturwesen, welche den traditionellen Status der Schriftsteller als gentleman bedrohte, untersucht Richard Cronin (Glasgow; Englische Literaturwissenschaft) den Zusammenhang zwischen außerliterarischen Streitstrategien – der Zunahme von Duellen unter Schriftstellern zwischen 1815 und 1825 in England, die allerdings oft unblutig verliefen und einer künftige Freundschaft nicht im Wege standen, – und dem zeitgenössischen literarischen Streit derselben Schriftsteller um den Wert der Literatur und ›wahres‹ Schriftstellertum. Die Bedeutung prozedualer bzw. ritueller Aspekte des Streitens, die vielfach gerade auch der Einhegung und Regulierung von Konflikten bis hin zu ihrer Vermeidung oder Ausklammerung dienen, wurde bereits in den Beiträgen von Mahlmann-Bauer, Polzin-Haumann und Cronin angesprochen. Sie stehen im Zentrum der folgenden drei Beiträge: Leidulf Melve (Bergen; Mittelalterliche Geschichte) untersucht in drei Fallstudien aus dem Kontext des Investiturstreites (die Verhandlungen zwischen königlicher und päpstlicher Partei in Gerstungen 1085, die Synoden von Mouzon und Mainz 1119, die königliche Ratsversammlung in Northampton im Oktober 1164) das Verhältnis von Ritual und Text für die Austragung und Regulierung politischer Konflikte im Hochmittelalter. Er zeigt auf, dass es in dieser Phase zu einer Umgewichtung kommt und Texten eine neue argumentative Bedeutung zuwächst, mit der auch eine Versachlichung der Konflikte einhergeht. Den durchaus von Pragmatismus gekennzeichneten Umgang mit Rang- und Zeremonialkonflikten, die an der Kurie im 15. und 16. Jahrhundert unter Diplomaten um Fragen der Präzedenz entstanden, untersucht Nikolaus Staubach (Münster ; Mittelalterliche Geschichte). Der hohe Grad formaler Reglementierung steht dabei in einer Spannung zu der Suche nach situationsgebundenen Kompromissen, die zur Vermeidung offener Konflikte auch in der Ausklammerung der Streitfrage liegen können. Stehen hier die Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie und ihr Konfliktverhalten im Blick, so beschäftigt sich Barbara Krug-Richter (Münster ; Volkskunde / Europäische Ethnologie) mit dörflichen Streitigkeiten im 17. und frühen 18. Jahrhundert, in denen es nicht weniger um Fragen der Ehre geht als an der Kurie, und mit den im Dorf üblichen, ritualisierten Praktiken des Konfliktaustrags und der Konfliktregulierung. Hieran schließt sie konzeptionelle Überlegungen zu einer streitkulturellen Forschungsperspektive in der europäischen Ethnologie (und darüber hinaus) an.
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Die Herausgeber sind dem Rektorat und der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn für ihre großzügige Unterstützung der Tagung und der Drucklegung dieses Bandes sehr zu Dank verpflichtet. Außerdem möchten sie den Mitarbeitern des Centre for the Classical Tradition, besonders Frau Nadine Siepe, für ihr Engagement bei der Redaktion des Bandes und der Erstellung des Index herzlich danken. Marc Laureys Roswitha Simons
I. Antike und Mittelalter: Streit in und mit Texten
Manuel Baumbach
Viel Lrm um Nichts? ùsthetik des Streite(n)s und inszenierte Streitkultur in Aristophanes’ Frçschen*
Athen hat die Kunst des Streitens zwar nicht erfunden, sie wurde dort jedoch wie an keinem anderen Ort der antiken Welt gepflegt, gesellschaftlich etabliert und auf vielfältige Weise perfektioniert. Die starke Präsenz des Streites im öffentlichen Leben der Stadt und seine hohe Bedeutung für die Bewohner in klassischer Zeit spiegelt sich beispielsweise in den Worten des Redners Isokrates, der im Jahr 380 v. Chr. in einer Rede auf die Einheit der Griechen immer wieder auf Athen als identitätsstiftendes Vorbild sowie als Verkörperung der griechischen Werte und kulturellen Errungenschaften verweist. Zu diesen gehört für Isokrates nicht zuletzt der (Wett)Streit in seinen unterschiedlichsten Erscheinungsformen: pq¹r d³ to¼toir ja· vik¸ar erqe?m pistot²tar ja· sumous¸air 1mtuwe?m pamtodapyt²tair l²kista paq’ Bl?m 5stim, 5ti d( !c_mar Qde?m lµ lºmom t²wour ja· N¾lgr !kk± ja· kºcym ja· cm¾lgr ja· t_m %kkym 5qcym "p²mtym, ja· to¼tym ühka l´cista. Zudem ist es bei uns [= in Athen] besonders gut mçglich, treueste Freundschaften zu finden, geselligen Verkehr jeglicher Art anzutreffen und noch dazu Wettkmpfe zu sehen, und zwar nicht nur solche mit Schnelligkeit und Kçrperkraft, sondern auch Wortgefechte, intellektuelle Agone und Wettstreite in allen anderen erdenklichen Dingen sowie die grçßten Wettkampfpreise hierfïr.1
Streit im agonalen Sinn, wie er hier betont wird, ist eine Empfehlung, beinahe ein Ausweis der griechischen Kultur,2 und das klassische Athen erscheint aus mo* Für wertvolle Anregungen danke ich Nicola Dümmler, Peter von Möllendorff und Fabian Zogg. 1 Isokrates, Panegyrikos, 45. Die Übersetzungen stammen, soweit nicht eigens angegeben, vom Verfasser. 2 Vgl. die bekannte, in ihrer pauschalen Formulierung jedoch umstrittene These Jacob Burckhardts, der in seiner Griechischen Kulturgeschichte (41908), Bd. 4, 89 das Agonale als das die griechische Literatur und Kultur prägende Prinzip ausmacht: »der Agon ist das allgemeine Gärungselement, welches jegliches Wollen und Können, sobald die nötige Freiheit da ist, in
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derner Sicht als eine ›Kulturhauptstadt des Streites‹, zumal ihre Bewohner direkt oder indirekt an den zahlreichen Erscheinungsformen der athenischen Streitkultur mitwirken konnten: Männliche Bürger beteiligten sich an politischen Auseinandersetzungen der athenischen Demokratie, eine breitere Öffentlichkeit kam in den Genuss sportlicher Agone sowie öffentlich ausgetragener rhetorischer oder philosophischer Streitgespräche, und die ganze Stadt mit allen Bevölkerungsgruppen versammelte sich an den jährlich stattfindenden Großen Dionysien, um als Zuschauer, Schauspieler oder Schiedsrichter bei den Dithyramben- und Dramenwettbewerben teilzunehmen.3 Ehe im Folgenden dieser ›demokratischste‹ aller Agone und die Inszenierung von Streit in Aristophanes’ Fröschen als ein Beitrag zur Ästhetik des Streite(n)s in der Antike vorgestellt werden, sollen einige grundlegende Bemerkungen zum Streit in der frühen griechischen Literatur und Kultur vorausgeschickt werden. Dabei geht es nicht um einen vollständigen Überblick über die verschiedenen Erscheinungsformen von Streit im Griechischen seit archaischer Zeit, sondern um das Aufzeigen von frühen Ansätzen einer Ästhetisierung des Streites, in deren Tradition Aristophanes’ Komödie stehen könnte. Zu fragen ist, ob und wie die Kunst des Streite(n)s an sich Thema von (literarischen) Darstellungen ist und als solche reflektiert wird, wobei Motivation oder Ergebnis des Streite(n)s in den Hintergrund treten. Ausgangspunkt ist die Dichotomie des teils negativ, teils positiv konnotierten Streites (Eris) in der archaischen Epik, die in klassischer Zeit zum Thema eines fingierten Dichterwettstreits ihrer Repräsentanten Homer und Hesiod wird. Streit (Eris) wird dabei nicht nur in einen Wettstreit (Agon) überführt, sondern zum Beurteilungskriterium für die Qualität von Dichtung erhoben und damit unter ästhetischen Gesichtspunkten interessant.
Fermentation bringt. In dieser Beziehung stehen die Griechen einzig da.« Zu Wirkung und Valenz dieser Haltung in der Forschung vgl. Weiler (1974), 1 – 14. 3 Im athenischen Festkalender wurden Dramen zu Ehren des Gottes Dionysos an zwei Festereignissen im Jahr, den Großen Dionysien (Tragödien seit 534 v. Chr., Komödien seit 486 v. Chr., Dithyramben seit 509 v. Chr.) und den Lenäen (Komödien seit 440 v. Chr., Tragödien seit 430 v. Chr.) aufgeführt. Das heute noch fragmentarisch erhaltene athenische Dionysostheater aus dem letzten Drittel des 4. Jhs. v. Chr. bot knapp 20.000 Zuschauern einen Sitzplatz, was in etwa der Zahl der männlichen Bürger Athens in dieser Zeit entsprach.
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Die Dichotomie des Streites und ihre ùsthetisierung im Wettstreit zwischen Homer und Hesiod Das Motiv des Streites im Sinne einer Meinungsverschiedenheit, die in eine gewaltsame Auseinandersetzung zweier Personen oder Parteien mündet, tritt in der griechischen Literatur4 seit Beginn der literarischen Überlieferung prominent hervor und ist über den Mythos zunächst eng mit der personifizierten Streitgöttin Eris verbunden. Das früheste erhaltene epische Gedicht, Homers Ilias, dessen Verschriftlichung in die zweite Hälfte des 8. Jh.s v. Chr. gesetzt wird, beginnt gleich doppelt mit Streit: Zum einen nimmt das Epos im Proömium seinen Ausgangspunkt beim Streit zwischen Achilleus und dem griechischen Heerführer Agamemnon,5 zum anderen liefert eine Streitgeschichte den Hintergrund für den trojanischen Krieg. Eris lässt bei der Hochzeit von Peleus und Thetis den so genannten Zankapfel fallen, der den bekannten Schönheitsstreit der drei Göttinnen Athena, Hera und Aphrodite entzündete, den Zeus wohlweislich nicht entscheiden wollte und den darauf ein Mensch, nämlich Paris, entscheiden musste. Indem diese Tat ihrerseits eine Reihe von Erscheinungsformen der Eris bzw. von Entstehungsgründen derselben hervorbringt, gebiert Streit ständig neuen Streit bzw. neue Texte oder Bilder, die diesem mit unterschiedlichen Nuancen gestalterischen Raum geben. Eris ist dabei natürlich nur einer von vielen Aspekten von ›Streit‹, für den es im Griechischen wie in anderen Kulturen auch eine breite Palette von Begriffen und Abstufungen gibt;6 doch mit Eris verbinden sich anders als bei anderen, von Eris begrifflich getrennten Streitformen zwei extreme Blickwinkel, die uns fast zeitgleich von Beginn der 4 Der Begriff ›Literatur‹ wird bewusst im weiten Sinn verwendet; zu der für die archaische Epik anzusetzenden performativen Kunst der Komposition und Tradierung in mündlicher Form tritt im Verlauf des 8. Jh.s v. Chr. die Schrift als Möglichkeit der Fixierung solcher Texte. 5 Homer, Ilias, 1.6 – 9: 1n ox dµ t± pq_ta diast¶tgm 1q¸samte / ’Atqeýdgr te %man !mdq_m ja· d?or ’Awikke¼r. / T¸r t( %q svye he_m 5qidi num´gje l²weshai; / KgtoOr ja· Di¹r uRºr … seit nun einmal in Streit gerieten / der Atride, der Männerherrscher, und der göttliche Achill. / Wer aber der Götter hat sie im Streit zum Kampf gebracht? / Der Leto und des Zeus’ Sohn [= Apoll]. 6 Die folgende Liste gibt einen Überblick über die am häufigsten gebrauchten Worte für Streit und ihre Nuancen: B 5qir: a) negativ = Feindschaft; Krieg (Homer, Ilias 1.8); b) positiv = Wettstreit (Hesiod, Erga) b !c¾m: a) positiv = Wettstreit; b) neutral = Kampfplatz; c) Kampf in einer Schlacht t¹ me?jor: a) [philos.] = Auseinanderstreben (Empedokles); b) Streit mit Worten; c) Kampf, Schlacht B ûlikka: a) Wettkampf; b) Kampf B diavoq²: Zwiespalt B vikomij¸a: Wetteifer B !mtikoc¸a: Gegenrede, Widerspruch B !lvisb¶tgsir: verbaler Streit B kocolaw¸a: Wortgezänk (spät)
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literarischen Überlieferung an entgegentreten: Die bei Homer mit dem Begriff Eris (und ihren Verbalformen) beschriebene Vorstellung von Streit ist fast ausschließlich negativ konnotiert, da dieser in der Regel zu Krieg und zum Tod der beteiligten Menschen bzw. Heroen führt: Sowohl Paris als auch Achilleus und Agamemnon verlieren im Verlauf des trojanischen Krieges oder bei der Heimkehr aus demselben ihr Leben. Die homerische Eris ist daher ähnlich Verderben bringend (oqkol´mg) wie der durch sie ausgelöste Zorn des Achilleus, mit dem die Ilias einsetzt.7 Auf der anderen Seite ist fast zeitgleich mit der homerischen Epik ein alternatives Konzept der Eris fassbar, wonach ›Streit‹ nicht ausschließlich und auch nicht primär als etwas Negatives empfunden wurde. Denn entgegen ihrer bei späteren Schriftstellern wie Pausanias überlieferten (und der homerischen Tradition folgenden) charakteristischen Hässlichkeit8 kann die personifizierte Eris auch schöne, anmutige Züge tragen und als solche positive, produktive Kräfte des Streites für das gesellschaftliche Leben verkörpern.
Geflügelte Eris (attische Kleinmeisterschale, ca. 560 – 550 v. Chr.)
7 Zu Eris bei Homer vgl. auch Hogan (1981/83). Für friedliche Streitszenen in Form von sportlichen Wettkämpfen hingegen verwendet Homer den Begriff ›Agon‹; die 29 Belege dieses Wortes in Ilias und Odyssee sind alle entweder direkt auf Wettkämpfe bezogen (Leichenspiele für Patroklos bzw. Spiele am Hof des Alkinoos) oder sie bezeichnen den Platz, an dem die Wettkämpfe stattfinden bzw. stattfinden könnten, vgl. Weiler (1974), 24 ff. 8 Pausanias, Graeciae descriptio 5.19.2: … letan» 5stgjem aqt_m 7Eqir aQsw¸stg t¹ eWdor 1oiju?a.
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Ein frühes künstlerisches Beispiel für diese Lesart findet sich auf einer Schale aus der ersten Hälfte des 6. Jh.s v. Chr. [vgl. Abb.], literarisch tritt uns die positive Eris zum ersten Mal in dem Lehrgedicht Werke und Tage von Hesiod (Ende 8. Jh. v. Chr.) entgegen, wo an prominenter Stelle (Verse 11 – 26) die für den ›Streit‹ im griechischen Selbstverständnis wichtige Zweiteilung in eine gute und eine schlechte Eris etabliert wird: oqj %qa loOmom 5gm Eq¸dym c´mor, !kk( 1p· ca?am eQs· d¼y7 tµm l´m jem 1paim¶seie mo¶sar, D d( 1pilylgt¶7 di± d( %mdiwa hul¹m 5wousim7 D l´m c±q pºkelºm te jaj¹m ja· d/qim av´kkei, swetk¸g7 ou tir t¶m ce vike? bqotºr, !kk( rp( !m²cjgr !ham²tym bouk/sim 7Eqim til_si baqe?am. tµm d( 2t´qgm pqot´qgm l³m 1ce¸mato M»n 1qebemm¶ h/je d´ lim Jqom¸dgr rx¸fucor aQh´qi ma¸ym ca¸gr t( 1m N¸f,si ja· !mdq²si pokk¹m !le¸my7 F te ja· !p²kalºm peq flyr 1p· 5qcom 5ceiqem. EQr 6teqom c²q t¸r te Qd½m 5qcoio wat¸fym pko¼siom, fr spe¼dei l³m !q¾lemai Ad³ vute¼eim oWjºm t( ew h´shai, fgko? d´ te ce¸toma ce¸tym eQr %vemor spe¼domt(7 !cahµ d( 7Eqir Fde bqoto?sim. Ja· jeqale»r jeqale? jot´ei ja· t´jtomi t´jtym, ja· ptyw¹r ptyw` vhom´ei ja· !oid¹r !oid`. Es gibt nicht nur eine Art der Eris auf Erden, sondern zwei; die eine lobt der Verstndige, die andere ist zu tadeln; sie sind verschieden: die eine fçrdert schlechten Krieg und Hader, die schreckliche. Kein Mensch liebt sie, nur unter Zwang und nach dem Willen der Gçtter ehrt man die drïckende Eris. Die andere aber hat die dunkle Nacht zuerst geboren, und der hoch herrschende himmlische Kronide barg sie in den Erdwurzeln als den Menschen viel bessere – sie treibt trge Menschen zur Tat. Wenn einer, der nichts tut, einen anderen reicheren sieht, der eifrig pflïgt, pflanzt und sein Haus gut bestellt, so eifert der Nachbar dem Nachbarn nach, der sich um Wohlstand bemïht. Diese Eris ist gut fïr die Menschen. Der Tçpfer eifert dem Tçpfer nach, der Zimmermann dem Zimmermann, der Bettler neidet dem Bettler und der Snger dem Snger.
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Ob diese Verse als Selbstkorrektur der von Hesiod in seiner Theogonie (Verse 224 – 232) zuvor gegebenen Beschreibung der einen, bösen Eris zu lesen sind, oder ob die Stelle auch als eine Reaktion auf das Eris-Konzept der homerischen Epen zu verstehen ist, lässt sich nicht sicher entscheiden. In letzterem Fall könnten wir von einem frühen Beispiel für einen Literaturstreit oder besser literarischen Agon sprechen, der sich zwischen zwei miteinander um die ›wahre‹ Natur der Eris konkurrierenden Werken abspielt – ein Streit, der nach den Assmannschen Kategorien nicht nur mit der Dichotomie kulturzerstörend vs. kulturfördernd, sondern mit der »Unterscheidung zwischen einer ›kommunikativen‹ und einer ›unkommunikativen‹ Form des Konflikts« operieren würde.9 Diese Dichotomie des Streites, wie sie in der archaischen Epik erkennbar wird, wurde in der literarischen Rezeption zur wertenden Beurteilung für die Dichtungen selbst erhoben und etablierte sich als Gegenstand ästhetischer Betrachtungen: Am Beginn dieser Entwicklung stehen die seit klassischer Zeit beliebten literarischen Gegenüberstellungen von Homer und Hesiod, auf die ein aus nachhadrianischer Zeit überlieferter Wettstreit zwischen Homer und Hesiod zurückgeht.10 Hier treten die beiden Dichter mit ihren Werken gegeneinander »im Wettstreit« (!cym¸sashai, 54) an, wobei die Entscheidung nach dem wechselseitigen Vortrag der schönsten Passage (t¹ j²kkistom) ihrer Dichtungen fallen soll. Homer trägt – gewissermaßen die Frucht der bösen Eris – eine Kriegsszene aus der Ilias vor (13.126 – 33 u. 339 – 44), während Hesiod eine Stelle aus den Werken und Tagen wählt (Verse 383 – 392) und den Wettstreit in den Augen des Schiedsrichters Paneides gewinnt, weil seine Dichtung »zu Landbau und Frieden auffordere«11, also Werke der guten Eris besingt. Hieraus ließe sich eine einfache poetologische Deutung des Streites gewinnen, nach der Dichtungen, die sich der guten Eris widmen, ästhetisch besser sind bzw. dem Schönsten (t¹ j²kkistom) näher stehen. Doch diese Form der Ästhetisierung der (guten) Eris in der Dichtung, die den Inhalt vor die Form und Kunst der Ausgestaltung setzt, ist nur eine Lesart des Wettstreites und nicht die überzeugendste. Bereits Nietzsche wies in seinem zweiteiligen Aufsatz Der Florentinische Tractat über Homer und Hesiod, ihr Geschlecht und ihren Wettkampf12 darauf hin, dass Hesiod nur durch die »sprichwörtliche Urtheilslosigkeit 9 Assmann / Assmann (1990), 11 – 12. Weiter heißt es dort: »Die erste [Form des Konflikts] sieht im andern den Rivalen, die zweite den Feind. Im ersten Falle bleiben die Gegenspieler im Rahmen einer gemeinsamen Ordnung, im zweiten Falle wird Gemeinsamkeit aufgekündigt und zerstört.« 10 Zur literarischen Tradition, Datierung und Interpretation des Wettstreits vgl. Vogt (1959), Hess (1960), West (1967) und Rosen (2004), 297 – 302; der Text ist zitiert nach Allen (1912). 11 Vgl. Wettstreit 207 – 210: b d³ basike»r t¹m Gs¸odom 1stev²mysem eQp½m d¸jaiom eWmai t¹m 1p· ceyqc¸am ja· eQq¶mgm pqojako¼lemom mij÷m, oq t¹m pok´lour ja· svac±r dieniºmta. 12 Nietzsche (1870 u. 1873).
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des Kampfrichters Paneides« bekränzt wird.13 Er gründet seine Ansicht auf die im Text abgebildete Struktur des Wettstreites, bei dem Hesiod nur im letzten Wettkampfteil siegreich ist, während er in den ersten fünf Wettkampfteilen, die unter anderem die Kunst des Extemporierens betreffen, in den Augen der griechischen Zuschauer Homer unterlegen scheint. Zudem wird die Objektivität des Urteils auch dadurch in Frage gestellt, dass die Zuschauer entgegen der Meinung des Schiedsrichters Homer auch beim letzten Teil des Wettkampfes den Sieg zusprechen wollen.14 Der Wettstreit präsentiert daher nicht nur zwei Dichter im Agon, sondern auch zwei Gruppen von intradiegetischen Rezipienten, die den Wettstreit unterschiedlich beurteilen und um den wahren Sieger ›streiten‹. Damit eröffnet der Text rezeptionsästhetisch Raum für eine konträre Beurteilung des Urteils und der in ihm von zwei unterschiedlichen Streitformen inspirierten Dichtungen. Man kann auch von einer intendierten Aporie sprechen, in die der Wettstreit seine Rezipienten entlässt, da der Dichteragon auf mehr als zweifelhafte Weise entschieden wird und es offen bleibt, wer von den Anwesenden die Kompetenz zur richtigen Entscheidung hat bzw. welche Kriterien überhaupt für die Beurteilung von Dichtung eine Rolle spielen sollen. Das abschließende Urteil im Text beendet den Agon daher nur scheinbar, in Wirklichkeit verweist es auf denselben zurück, fordert die Rezipienten auf, den Agon nochmals zu ›lesen‹ und dabei die Kunst der beiden Dichter und die Schönheit ihrer Dichtungen (t¹ j²kkistom) erneut zu rezipieren. Dadurch wird entgegen dem Urteil des Paneides nicht die Thematik der Dichtung (Werke der guten bzw. schlechten Eris) ausschlaggebend für deren Beurteilung, sondern die Kunstfertigkeit des Dichtens und Streitens in und mit der Dichtung wird betrachtet. Die produktive Kraft der doppelten Eris für die Dichtung, d. h. für die Epen Homers und Hesiods, ist lediglich der Ausgangspunkt für die Inszenierung eines Agons über Dichtung und ihre Bewertungsmaßstäbe. Oder anders formuliert: Der Wettstreit zwischen Homer und Hesiod nutzt den Streit der archaischen Dichter um – unabhängig von seinem Ausgang – auf die eigene poetische Qualität zu verweisen bzw., wie es Nietzsche formuliert: »der !c½m bleibt der eigentliche Mittelpunkt«.15 Diese dichterische Form des Streitens verfolgt mit dem Streit als Thema augenscheinlich kein außerhalb der Dichtung liegendes Ziel, gestritten wird ausschließlich in der Dichtung und für die Dichtung, der Streit wird sich selbst zum Ziel und kann so zum Objekt ästhetischer Betrachtung werden.
13 Nietzsche (1873), 220; vgl. auch Vogt (1959), 201. 14 Wettstreit 205 – 207: haul²samter d³ ja· 1m to¼t\ t¹m GOlgqom oR GEkkgmer 1p-moum, ¢r paq± t¹ pqos/jom cecomºtym t_m 1p_m, ja· 1j´keuom didºmai tµm m¸jgm. 15 Nietzsche (1873), 220. Vgl. zum Einfluss der Arbeit auf den agonalen Charakter von Nietzsches Philosophie Aichele (2000), 109 ff.
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Aristophanes’ Frçsche und die Inszenierung eines Dichterstreits Eine ganz ähnliche Streitszene16 steht auch im Zentrum von Aristophanes’ Komödie Die Frösche, wobei wir für dieses Werk im Unterschied zum Wettstreit zwischen Homer und Hesiod einen festen ›Sitz im Leben‹ ausmachen können: Es wurde bei einem der eingangs genannten Dionysosfeste in Athen, den Lenäen, im Jahr 405 v. Chr. vor einem großen und in seiner Zusammensetzung disparaten Publikum aufgeführt,17 ein Aspekt, der – anders als beim Wettstreit – auch Rückschlüsse auf mögliche Wirkungsintentionen des Stückes zulassen könnte. Doch zunächst zum Inhalt: Die Frösche sind – wie andere griechische Komödien auch – nach dem Chor benannt, der im ersten Teil aus Fröschen besteht, die den Gott Dionysos auf seinem Weg in die Unterwelt, genauer beim Übersetzen im Nachen des Charon mit einem Spottgesang und dem bekannten Refrain brekekex koax koax begleiten. Der Grund für die Katabasis ist – und das ist ein Verweis auf eine außerliterarische Realität –, dass Dionysos nach dem Tod des Tragikers Euripides im Jahr 406 v. Chr. ein Vakuum auf der athenischen Theaterbühne empfindet und nach der Lektüre eines von Euripides’ Dramen, der Andromeda, beschließt, diesen zurück an die Oberwelt zu holen, weil nach dem Ableben des letzten der drei großen Tragiker nur noch »Stoppelernte, Schnatterenten, ein Musenhain von Schwalben und lauter Stümper« auftreten, »die weg sind, bringen sie einmal einen Chor zusammen, die Tragödie zu bepissen«.18 Deftige Worte, mit denen Dionysos auf seinem Weg in die Unterwelt dem Herakles sein Leid klagt, von dem er sich Rat erhofft und zum guten Gelingen des Unternehmens gleich dessen Verkleidung (Löwenfell und Keule) ausleiht. In der Unterwelt angekommen wird Dionysos zum Schiedsrichter eines Wettstreits zwischen Aischylos und Euripides um den Titel des besten Tragikers, den er nach einem Dreischritt von Prüfungen der literarischen Qualität der beiden Dichter – ihre Prologe, Chorlieder und schließlich ihre poetische Gewichtigkeit werden in agonalen Wechselreden erprobt – zunächst nicht entscheiden kann. Erst nach einer letzten Prüfungsfrage zur politischen Einstellung und nach der Bitte an die Dichter um einen Ratschlag für das weitere Vorgehen Athens im 16 Die Parallelität ist lange gesehen, vgl. Dornseiff (1944), 136 ff., Hess (1960), 20 – 23, und zuletzte Rosen (2004). 17 Eine gute allgemeine Einführung in das antike Theaterwesen bietet Blume (1991), zur Tragödie vgl. Latacz (1993), zur Komödie Zimmermann (1998) und zu Aristophanes von Möllendorff (2002). 18 Aristophanes, Frösche, 92 – 95: 1pivukk¸der taOt( 1st· ja· styl¼klata, / wekidºmym louse?a, kybgta· t´wmgr, / $ vqoOda h÷ttom, Cm ûpan woq¹m k²b,, / lºmom pqosouq¶samta t0 tqac\d¸ô. Alle Übersetzungen aus den Fröschen stammen von Ludwig Seeger, die Textgrundlage ist Wilson (2007).
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peloponnesischen Krieg gegen Sparta trifft Dionysos seine Entscheidung: Er erwählt gegen seinen anfangs bekundeten Willen Aischylos und nimmt ihn mit auf die Oberwelt, während Euripides tobend zurückbleibt. In dieses Handlungsgerüst eingewoben ist eine Reihe von verschiedenen Streitebenen,19 die dieses Stück zu einem Musterbeispiel für die inszenierte Kunst des Streitens auf der athenischen Bühne machen: 1) Die strukturelle Ebene: Jedes Drama hat bestimmte Passagen, die für die Inszenierung von Streit reserviert sind. Abgesehen von frei einsetzbaren Ausdrucksmitteln des Streites etwa in Form der so genannten Stichomythie, d. h. der formal bestimmten Wechselrede zweier Charaktere auf der Bühne, die in allen Episoden des Stücks zum Einsatz kommen können, gehört hierzu der Agon als feste Bauform, ja als ein Höhepunkt bei der Inszenierung einer Komödie. Dieser findet sich bei Aristophanes in der Regel nach der Parabase, d. h. nach dem ›Heraustreten‹ des Chorführers aus dem Stück, zum Zweck der direkten Interaktion von Dichter / Bühnenwelt und Publikum. Nicht zuletzt auf diesen strukturell vorgegebenen Erwartungshorizont richtet sich das Augenmerk des Publikums, und dieser Teil ist auch für unsere Fragestellung der interessanteste, da der aristophanische Agon der beiden Tragiker Aischylos und Euripides strukturell an den Wettstreit zwischen Homer und Hesiod erinnert und ähnliche Ansätze einer Ästhetisierung des Streites erkennen lässt.20 2) Die Handlungsebene: Viele Streitszenen stehen im Dienst der eingangs skizzierten Handlung und ergeben sich vor allem im ersten Teil der Komödie aus dem Aufeinandertreffen von bestimmten Figuren des Mythos, die wie die Empusa oder Herakles eng mit Streit verbunden sind. Der Agon der Tragiker, der den zweiten Teil des Stückes dominiert, fällt aus der Handlungsstruktur insofern heraus, als er nicht Teil der geplanten Handlung ist, sondern sich in deren Verlauf überraschend ergibt. Dieser Aspekt setzt den Agon von den anderen Streitszenen ab und betont zusammen mit dem Wissen der Rezipienten darum, dass das Ergebnis dieses Streites für die Streitenden nicht relevant ist – sie sind und bleiben tot –, den Kunstcharakter und die Zweckfreiheit des Agons, was den ästhetischen Genuss an der Inszenierung der Kunst des Streitens verstärkt. 3) Die metapoetische Ebene: Der fiktive Agon (der Tragiker) im realen Agon der Komödiendichter eröffnet Aristophanes Raum, über die Grenzen und Mög-
19 Einen Überblick über Streitszenen in der griechischen und lateinischen Komödie gibt Wallochny (1992). 20 Dabei ist es eine Besonderheit der Frösche, dass nach dem formal etablierten Agon der Verse 830 – 1118 auch das ganze restliche Stück durch weitere Agone (vv. 1119 – 1251, 1251 – 1363, 1364 – 1413, 1414 – 1499) gefüllt ist.
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lichkeiten der eigenen Kunst zu reflektieren und Techniken des fiktiven Streites als mise en abyme zu verwenden. 4) Die politisch-reale Ebene: Gestritten wird nicht nur auf der Bühne, sondern während der Bühnenhandlung auch außerhalb. Der Hintergrund des peloponnesischen Krieges, auf den Aristophanes in der Parabase sowie am Schluss der Frösche durch die politische Frage zu sprechen kommt, wird Teil der Inszenierung, dringt in das Bühnengeschehen ein und macht dieses zu einem Teil des außerbühnlichen Geschehens. Friedlicher Agon (Komödienwettbewerb bei den Lenäen) und kriegerische Eris (Krieg zwischen Athen und Sparta) stehen im Dialog, verweisen aufeinander.21 5) Die Ebene des Dichteragons bei den Dionysosfesten: Die Wettkampfsituation, in der sich Aristophanes mit seinem Stück befindet, sowie Aspekte der Interaktion zwischen Bühnenstück und seinen Rezipienten bzw. Schiedsrichtern führt zu einem direkten Wettstreit des Dichters mit den Konkurrenten um die Gunst des Publikums, was auch im Stück selbst Niederschlag findet. Gleich zu Beginn der Frösche, als der Wein- und Theatergott Dionysos mit seinem Sklaven Xanthias die Bühne betritt, entwickelt sich ein autopoetischer Dialog über den Mehrwert der Dichtkunst des Aristophanes im Vergleich zu möglichen oder tatsächlichen Konkurrenten: WAMHIAS EUpy ti t_m eQyhºtym, § d´spota, 1v( oXr !e· cek_sim oR he¾lemoi. DIOMUSOS mµ t¹m D¸( f ti bo¼kei ce, pkµm »pi´folai«, toOto d³ v¼kanai7 p²mu c²q 1st( Edg wok¶. … WAMHIAS t¸ d/t( 5dei le taOta t± sje¼g v´qeim, eUpeq poi¶sy lgd³m ¨mpeq Vq¼miwor eUyhe poie?m. ja· K¼jir j!leix¸ar sje¼g v´qous( 2j²stot( 1m jyl\d¸ô. DIOMUSOS l¶ mum poi¶s,r7 ¢r 1c½ he¾lemor, ftam ti to¼tym t_m sovisl²tym Udy, pke?m C (miaut` pqesb¼teqor !p´qwolai.
21 Das kontrastive Nebeneinander von Streit als Agon und Streit als kriegerischer Eris findet sich auch im eingangs zitierten Panegyrikos des Isokrates, der die athenische Streitkultur gerade im Moment wachsender persischer Bedrohung und Kriegsgefahr für Griechenland preist.
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XANTHIAS Herr, fang’ ich wohl mit Spßen, von der Sorte der ordinren, stetsbelachten, an? DIONYSOS Meinethalb, soviel du willst, nur kein ›das drïckt‹. Das lass mir weg; ich hab’s zum Ekel satt. … XANTHIAS Warum denn muss ich die Bagage tragen, wenn mir verboten ist, was Phrynichos, und Lykis und Ameipsias immer treibt, sooft bepackt im Stïck ein Trger kommt? DIONYSOS Nein, lass du das! Denn spielt man im Theater mir solche Handwerkskniffe vor, da komm’ ich lter um ein volles Jahr nach Haus.22
Deutlich zeigt sich neben der Selbstreflexion über die Wirkungsintention der Komödie, nämlich möglichst viele und gute Witze zu erzeugen, gleich zu Beginn der agonale Charakter derselben: Die Frösche stehen im Aufführungskontext in einem direkten Wettbewerb mit anderen Komödien, entsprechend kritisch fällt die Abgrenzung zu schlechten Witzen anderer Komiker aus,23 die nicht nur pauschal, sondern auch namentlich abgewertet werden: Sowohl gegen Phrynichos als auch gegen Ameipsias musste Aristophanes in früheren Agonen antreten; von Lykis wissen wir nichts, es ist aber anzunehmen, dass es sich ebenfalls um einen Konkurrenten handelt, der dem Verfasser und seinen Rezipienten wohl bekannt gewesen war. Im Wettstreit um den Sieg nimmt man beim athenischen Komödienagon kein Blatt vor den Mund, Gegner werden direkt verspottet, wobei sich Aristophanes geschickt deren Komik bedient, um seine eigene als besser hinzustellen: Mittels der Xanthias-Rede nutzt Aristophanes nicht nur die bekannten Witze der Konkurrenten zum Erzeugen von Komik, sondern generiert über die Reaktionen des Dionysos auf die Xanthias-Rede zugleich das Lachen über seine Konkurrenten. Es dürfte deutlich geworden sein, wie vielschichtig auf der aristophanischen Bühne gestritten wird und wie sehr der Streit auf unterschiedlichen Ebenen die athenische Komödie prägt und strukturiert. Ob und inwieweit die Frösche im Tragikeragon ähnlich wie der Wettstreit zwischen Homer und Hesiod dabei einen Beitrag zur Ästhetik des Streite(n)s leisten, bleibt noch zu klären. Eine wichtige Voraussetzung für die ästhetische Betrachtung von Streit ist 22 Aristophanes, Frösche, 1 – 4; 12 – 18. 23 Wobei Aristophanes die Witze, die er ablehnt, trotzdem bringt. Zur Verwendung der Ironie an diesen Stellen vgl. Hesk (2000).
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ihre Zweckfreiheit. Streit als Form der Auseinandersetzung kann vor allem dann als Kunstform in Erscheinung treten und gewürdigt werden, wenn er nicht im Dienst eines bestimmten Ziels oder narrativen Erzählplans steht, wie es noch bei Homer und Hesiod der Fall war, wo Streit – sei es als Eris oder als Agon – als Mittel zum Zweck eingesetzt wird bzw. – um nochmals mit den Assmannschen Kategorien zu arbeiten – eine bestimmte Ordnung entweder bestätigt oder beseitigt. Eine solche Zweckgebundenheit findet sich auch bei Aristophanes etwa in den Streitszenen, die direkte oder indirekte Kritik an den Konkurrenten üben, oder bei Streitereien, die im Verlauf der Bühnenhandlung eintreten und die beteiligten Figuren ihrem Ziel ein Stück näher bringen. Ferner sind Streitszenen über aktuelle politische Themen, die im Sinne eines Ratschlages an die Rezipienten des Stückes fungieren können, Mittel zu einem anderen Zweck und lenken den Blick letztlich weg von der Kunst des Streite(n)s selbst hin auf das wichtiger erscheinende Ziel des Streits. Diese Fokussierung entzieht dem Streit selbst die Aufmerksamkeit der Rezipienten und regt sie weniger zur ästhetischen Betrachtung des Streites an. Eine solche jedoch scheint Aristophanes beim Agon der Tragiker auf Rezipientenseite erreichen zu wollen, indem er den artifiziellen Charakter des Agons durch zwei Aspekte betont und die Rezipienten zudem am Schluss durch ein unbefriedigendes Urteil auf die Kunst des Streitens rückverweist. Der artifizielle Charakter des Agons wird zum einen durch seine Handlungsferne unterstrichen. Wie bereits angedeutet, gehört der Agon der Tragiker nicht zur geplanten Rückführung des Euripides als ›plot‹ des Stückes, sondern ereignet sich spontan im Verlauf der Handlung. Damit ist der Agon deutlich von den anderen, vorhergehenden Streitszenen abgegrenzt, die sich alle in die erwartete Handlungskette einordnen lassen. Man hat die Zweiteilung der Komödie in den Teil des Unterweltsganges (Verse 1 – 673) und den an die Parabase (Verse 674 – 737) anschließenden Agon der Tragiker (Verse 738 – 1533) lange beobachtet und den Bruch in der Handlungsexposition oft als Problem empfunden.24 Mit Blick auf das Thema Streit jedoch macht dieser Bruch Sinn, er ist gewollt, um für die Rezipienten des Stücks deutlich das Heraustreten, die Ekstase, aus der durch Streitereien vorangetriebenen Handlung im ersten Teil des Stücks und das Eintreten in die ästhetische Betrachtung der Streitkunst im zweiten Teil zu markieren. Zum anderen wird dieser Bruch durch das Rollenspiel des Dionysos vorbereitet: Im ersten Teil des Stücks wird der Theatergott als Handelnder in Szene gesetzt, wogegen er im zweiten Teil zum Schiedsrichter wird und damit die 24 Vgl. u. a. Dover (1993), 6 und Silk (2000), der zu zeigen versucht, dass Brüche im Stil, in der Handlung und in der Charakterzeichnung für Aristophanes’ Komödien wesenhaft sind und wohl zum Erwatungshorizont des athenischen Publikums gehörten.
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gestaltende Handlungsebene weitgehend verlässt. Ein weiterer Hinweis für die Fokussierung auf die Kunst des Streitens im zweiten Teil gegenüber eher funktional ausgerichteten Streitszenen, die zugleich ein großes Potential an Situationskomik aufweisen, erhalten die Rezipienten durch die Betrachtung von Dionysos’ Rolle als Streitender : Schien er im anfänglichen Wechselgespräch mit seinem Diener Xanthias für einen Moment noch die Oberhand zu behalten, so wird er mehr und mehr zu einer Figur, die am Streit in jeder Form, verbal wie körperlich-kriegerisch, scheitert. Gleich zu Beginn seiner Unterweltsfahrt ist Dionysos eine Karikatur seiner selbst, wenn er, anstatt sich seiner HeraklesVerkleidung würdig zu erweisen und es wie dieser im (Wett)streit mit allen Gegnern aufzunehmen, gleich bei der ersten Bewährungsprobe feige kneift. Im Zwiegespräch mit seinem Diener vergeht dem Theatergott angesichts des Schnaubens der dämonischen Wegelagerin Empusa die herakleische Tapferkeit: DIOMUSOS 1c½ d´ c( eqna¸lgm #m 1mtuwe?m timi kabe?m t( !c¾misl( %niºm ti t/r bdoO. WAMHIAS Mµ t¹m D¸a. ja· lµm aQsh²molai xºvou timºr. DIOMUSOS PoO poO (stim. (Wa.) epishem. (Di.) 1nºpish³ mum Uhi. DIONYSOS Ich wïnschte sehr, es km’ etwas, ich fnde Hier einen Strauß, der diese Fahrt verlohnt. XANTHIAS Bei Gott, ich hçre was – es schnaubt daher! DIONYSOS Wo, wo? (X.) Dahinten! (D.) Geh Du hinter mich!25
An dieser Stelle wird zum ersten Mal im Stück ein Wort für Streit direkt verwendet, !c¾misla (Vers 284), doch die Erwartung an einen solchen Wettkampf um Leben und Tod zwischen Held und Ungeheuer wird nicht erfüllt, zum einen aufgrund der Konvention, dass die Komödie nicht mit den Helden der Tragödie (Herakles) um Heldentaten wetteifert, zum anderen, weil Aristophanes die anfangs ihn und seine Komik zu repräsentieren scheinende Figur des Dionysos nun zum Objekt der distanzierenden Parodie werden lässt, indem der HeraklesImitator seinen Sklaven feige bittet, dem Ungeheuer an seiner statt entgegenzutreten. Unser ›Held‹ ist nicht in der Lage – so könnte man sagen – kunstvoll zu streiten, sei es verbal, sei es agonal im Sinne der schlechten Eris, im Gegenteil: In 25 Aristophanes, Frösche, 283 – 286.
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der anschließenden Szenenfolge, die als Reigen burlesker Streitszenen zu lesen ist, zieht Dionysos in allen Fällen des Streitens den Kürzeren: In Erinnerung an Herakles’ rüdes Auftreten bei dessen Unterweltsfahrt knöpfen sich zwei erboste Wirtinnen den als Helden verkleideten Theatergott vor, und dieser wird wenig später am Eingang zur Unterwelt als vermeintlicher Betrüger und Hochstapler sogar verprügelt. Damit endet der erste Teil der Komödie mit einer Reihe von Streitszenen, die teils verbal, teils körperlich geführt werden und bei denen es immer einen klaren Sieger gibt – ›klassische‹ Streitszenen sozusagen, wobei auffällt, dass jeweils einer der Streitpartner die Kunst des Streitens nicht oder nur unzureichend beherrscht, nämlich Dionysos, der agonale Auseinandersetzungen entweder vermeidet (Empusa) oder zum Opfer des von ihm selbst gewählten Rollenspiels und der sich daraus ergebenden Streitszenen wird. Diese Form des Streitens ist natürlich Teil der komischen Wirkungsabsicht der Frösche und damit ein Ausweis für die kunstvolle Inszenierung oder besser Funktionalisierung des Streites für die Gestaltung von parodistischen, burlesken Szenen. Doch sie bereitet mit Blick auf den zweiten Teil der Komödie eine völlig andere Form des Streitens vor, für die Dionysos auch seine Rolle wechseln muss: Nach seinem Scheitern in allen Lebenslagen besinnt sich der Theatergott auf seine eigentlichen ›Qualitäten‹ und wird im zweiten Teil der Komödie zum Schiedsrichter eines nicht nur perfekt inszenierten, sondern von zwei Streitprofis ausgetragenen Agons um den besten Tragiker.26 Streit wird damit auf eine andere Ebene gehoben, er dient nicht nur der Situationskomik und Handlungsführung, sondern ist letztlich das Telos des Stückes: Ein Agon, der die scheinbar perfekte Kunst des Streitens inszeniert und auch zum Thema hat, insofern die beteiligten Tragiker den Streit mit Zitaten aus ihren Werken führen, und das sind Tragödien, die ihrerseits Teile von Dramenagonen bei Dionysosfesten waren. Tragödienverse treten gegen Tragödienverse an, die wiederum von (mythischen) Figuren handeln, die sich in von Eris dominierten Streitsituationen mit oft tödlichem Ausgang befinden. Im Agon der Tragiker befinden sich Dichter, Verse, Figuren und literarische Gattungen (Komödie und Tragödie) miteinander im Streit, um letztlich denjenigen zu ermitteln, der am besten auf den athenischen Bühnen streiten kann bzw. in seinen Stücken Streit am besten inszenieren kann. Und wie könnte man bei einem solchen Unternehmen seine Fähigkeiten besser zeigen als durch einen perfekt inszenierten fiktiven Streit, der alle Aspekte der Streitkunst berücksichtigt und
26 Der Rollenwechsel ist dabei jedoch nur der Auftakt zu einer weiteren Parodie des Theatergottes, der sich durch unpassende Einwürfe sowie die Probleme bei der Entscheidungsfindung am Schluss fortwährend selbst karikiert und als komischer Theatergott eine komische Figur abgibt. Vgl. hierzu etwa die Einleitung von Dover (1993), 37 – 43.
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die Streitkunst selbst zum Objekt der Betrachtung macht. Dionysos sucht den besten Tragiker, Aristophanes bietet den schönsten Streit als schöne Kunst. Für eine ästhetische Lesart des Tragikeragons von Aristophanes’ Fröschen spricht auch die Art und Weise, wie und von wem das abschließende Urteil desselben auf der Bühne gefällt wird, die einen ganz ähnlichen Effekt wie das Urteil beim Wettstreit zwischen Homer und Hesiod hat. Dabei wird die Bedeutung des Urteils für die intendierte Rezeption des Agons bereits zu dessen Beginn hervorgehoben, als Xanthias und Aiakos kurz nach der Parabase im Dialog proleptisch das ›setting‹ für die kommende Handlung entwickeln: WAMHIAS t¸ d/ta tout· tehoq¼bgjem AQsw¼kom. AIAJOS 1je?mor eWwe t¹m tqac\dij¹m hqºmom, ¢r £m jq²tistor tµm t´wmgm. (Wa) mum· d³ t¸r. AIAJOS fte dµ jat/kh( Eqqip¸dgr, 1pede¸jmuto to?r kypod¼tair ja· to?si bakkamtiotºloir ja· to?si patqako¸aisi ja· toiwyq¼woir, fpeq 5st( 1m GAidou pk/hor, oR d( !jqo¾lemoi t_m !mtikoci_m ja· kucisl_m ja· stqov_m rpeqel²mgsam j!mºlisam sov¾tatom7 J%peit( 1paqhe·r !mtek²beto toO hqºmou, Vm( AQsw¼kor jah/sto. (Wa) joqj 1b²kketo. AIAJOS L± D¸(, !kk( b d/lor !mebºa jq¸sim poie?m bpºteqor eUg tµm t´wmgm sov¾teqor. WAMHIAS b t_m pamo¼qcym. (Ai) mµ D¸(, oqq²miºm c( fsom. WAMHIAS let( AQsw¼kou d( oqj Gsam 6teqoi s¼llawoi. AIAJOS ak¸com t¹ wqgstºm 1stim, ¦speq 1mhad¸. WAMHIAS T¸ d/h( b Pko¼tym dq÷m paqasjeu²fetai. AIAJOS !c_ma poie?m aqt¸ja l²ka ja· jq¸sim j%kecwom aqt_m t/r t´wmgr. XANTHIAS Was lrmt denn nun der Aischylos da drinnen? AIAKOS Er hatte just den tragischen Ehrensitz als Meister seiner Kunst. (Xa) Wer hat ihn jetzt?
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AIAKOS Nun kam Euripides und trat sogleich von Beutelschneidern, Taschendieben, Gaunern und Vatermçrdern deklamierend auf. Der Kerls ist hier die Meng’: die riefen gleich, von seinen Pro und Kontras, Schlïssen, Kniffen Ganz hingerissen, ihn als Meister aus. Das blies ihn auf, er forderte den Thron des Aischylos – (Xa) Und wurde nicht gesteinigt? AIAKOS O nein! Der Pçbel schrieh: »Ein Schiedsgericht Soll sprechen, wer der grçßte Kïnstler ist!« XANTHIAS Schrieh das Gesindel so? (Ai.) Dass Erd’ und Himmel erbebten! XANTHIAS Und wer stritt fïr Aischylos? AIAKOS Die Bessern sind auch hier gar dïnn gest. XANTHIAS Und was gedenkt denn Pluton jetzt zu tun? AIAKOS Schnell anzuordnen Wettkampf, Schiedsgericht Und Prïfung ihrer Kunst.27
Mit dem Ausblick auf den Wettkampf (Agon), Prüfung der Kunst (Techne) und Schiedsgericht (Krisis) wird nicht das Programm der folgenden Szenen innerhalb des Bühnengeschehens entworfen, sondern Aristophanes thematisiert zugleich die Wettkampfsituation außerhalb des Stückes, in der er sich zusammen mit anderen Dramatikern zur Zeit der Aufführung befindet. Damit wird die angekündigte Kunst des Streitens zur inszenierten Reflexion über den eigenen Agon, und über die Hinweise auf Schiedsrichter und Publikum in der Unterwelt wird der Rezipient der Frösche an die eigene, konkrete Bühnensituation erinnert. Als Zuschauer eines inszenierten Bühnengeschehens und dramatischen Agons im Agon sieht das Publikum nicht nur sich selbst auf der Bühne, sondern wird in die Rolle eines externen Schiedsrichters versetzt, es tritt mit den »Beutelschneidern, Taschendieben, Gaunern und Vatermördern«, d. h. den Fans des Euripides, in Konkurrenz bzw. Wettstreit um den richtigen Schiedsspruch, sofern es – was anzunehmen ist – zu den wenigen besseren gehören will, von denen Aiakos spricht. Hier liegt sicher eine implizite Vorbereitung auf das überra27 Aristophanes, Frösche, 768 – 786 (Wilson gibt die Sprecherpartie des Aiakos einem Sklaven, oQj´tgr).
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schende Ende der Frösche vor, wo Dionysos nicht den Publikumsliebling der Unterwelt (Euripides) wählt, sondern einen, den die »besseren« wählen würden, und zu diesen könnte sich das aristophanische Bühnenpublikum aufgrund der Abwertung des euripideischen Publikums innerhalb der Bühnenhandlung gezählt haben.28 Ist der Streit im Streit so einerseits funktionalisiert als Mittel zur Reflexion und Beförderung der eigenen Kunst, so wird er durch die fehlende Relevanz einer realen Zielsetzung des Streites für das athenische Publikum in seiner ästhetischen Funktion betont.29 Der Tragikeragon dient weder der Wiederherstellung einer bestimmten Ordnung auf Athens Bühnen, noch hat er die Infragestellung derselben zum Ziel, sondern er verweist gerade in seiner Zweckfreiheit auf sich selbst zurück und hat autopoetische Funktion. Hier wird die Kunst des Streitens als solche inszeniert,30 und das in einer von beiden Seiten so kunstvoll geführten Weise, dass sie einen Schiedsspruch unmöglich zu machen scheint, jedenfalls aus Sicht des Dionysos: DIOMUSOS ûmdqer v¸koi, j!c½ l³m aqto»r oq jqim_. oq c±q dQ 5whqar oqdet´q\ cem¶solai. t¹m l³m c±q BcoOlai sovºm, t` d( Fdolai. DIONYSOS Ihr lieben Mnner, da entscheid’ ich nicht; Ich mçchte gern mit keinem mich verfeinden. Als Meister acht’ ich den, den andern lieb’ ich.31
Aristophanes hat seinen Streit so perfekt inszeniert, dass ein Urteil nicht möglich ist. Der Agon wird in eine Aporie geführt, der Streit kennt keinen Sieger, weshalb Dionysos auch eine Abschlussfrage stellt, die sich auf einen außerbühnlichen Streit bezieht, nämlich die Frage nach dem politischen Rat im Krieg, bei dem es – historisch gesehen – schon bald einen Sieger geben wird, nämlich Sparta. Dieser Abschlussteil der Frösche charakterisiert vordergründig den Theatergott Dionysos als wankelmütig und unglaubwürdig – er geht in die 28 Wobei zu prüfen bleibt, ob der Sprecher dieser innerfiktiven Abwertung, Aiakos, eine autoritative Stimme hat. 29 Diese Beobachtung lässt sich mit dem generellen Ziel von Komödien, bei den Dichteragonen der athenischen Dionysosfeste zu gewinnen, gut verbinden, insofern die Qualität der inszenierten Streitkunst auf der Bühne als Hinweis auf die Qualität der Frösche im Dichteragon gedeutet werden kann. 30 Die hohe Erwartung an die Qualität des Streites wird vor dem Agon durch den Chor explizit ausgedrückt, vgl. Aristophanes, Frösche, 865 – 882 und 1109 – 1118. 31 Aristophanes, Frösche, 1411 – 1413.
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Unterwelt mit dem festen Vorsatz, Euripides hinaufzuholen und kommt dann mit Aischylos wieder –, doch er etabliert hintergründig die Wirkungsabsicht des Streites in der Komödie. Durch die Aporie des Schiedsrichters wird der Streit der Tragiker nicht entschieden, sondern er bleibt offen und darin liegt seine poetische Kraft: Euripides und Aischylos werden weiterstreiten, jeder auf seine eigenartige und einzigartige Weise, sei es in der Unterwelt, wo sie beide nach Beendigung des Stückes bleiben, sei es in ihrer Rezeption auf der komischen oder tragischen athenischen Bühne.32 Die Auseinandersetzung zwischen ihnen ist die implizite Aufforderung zum Wettstreit mit ihnen, d. h. mit der streitbaren literarischen Tradition, um die beste Dichtung – sei es nun Tragödie oder Komödie oder etwas anderes: Nach einem Dichter (1p· poigt¶m, Vers 1418) kam Dionysos in die Unterwelt, die Dichtung selbst verhandelt Aristophanes in seiner Komödie, – eine Komödie, die aus dem Streit der Tragiker als die eigentliche Siegerin hervorgeht, zumal die willkürlich erscheinende Entscheidung des Dionysos, Aischylos an die Oberwelt zu bringen, allein ihr zuliebe gefällt wird: Als Euripides den Theatergott an seinen Schwur erinnert, ihn mitzunehmen, weist Dionysos dies mit euripideischen Worten zurück: B ck_tt( al¾loj(, AQsw¼kom d( aRq¶solai – »Die Zunge schwor’s, doch ich nehm’ den Aischylos« (1471).33 Der Tragiker wird an entscheidender Stelle mit seinen eigenen Waffen geschlagen, was dem Stück einen komischen Ausklang verleiht, aber keine wirklich begründete Entscheidung liefert. Der agonale Streit, den bereits Hesiod in den Werken und Tagen im Wettstreit mit Homer initiiert und mit der Wendung vhom´ei ja· !oid¹r !oid` (Vers 26) benannt hat, etabliert sich in den Händen der Dichter als kulturgeschichtlich produktive Kraft, die fortwährend Streit gebiert, aus dem dramatische Produktion ebenso entstehen kann wie – und das sind die nicht unwichtigen ›Nebenwirkungen‹ dieses Streitens – die Aktivierung des Publikums und politische Aktion. Und damit zu einem letzten Punkt: Die vorgeschlagene ›Lesart‹ der Frösche mit der Betonung des Ästhetischen redet nicht einer Entpolitisierung der griechischen Komödie im schlegelschen Sinn das Wort. Wie gezeigt mischt sich im Stück die Kunst des Dichters mit der sozialen und politischen Lebenswelt der Polis. Wenn wir den Schwerpunkt der Betrachtung auf ersteres legen, dann dürfen wir nicht vergessen, dass für das athenische Publikum die politische Botschaft, der Rat des Dichters an die Polis, angesichts der schwelenden Krise mit Sparta von großer Bedeutung sein konnte; ja wir hören sogar, dass die Parabase dem Stück die seltene Ehre der Wiederaufführung brachte. Man wollte Aristophanes’ Rat also nochmals hören, womit natürlich auch der analysierte 32 Zur autopoetischen Aussage des offenen Endes vgl. auch von Möllendorff (1996/97). 33 Dionysos parodiert hier Euripides’ Hippolytos, Vers 612.
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Streit als poetisches Programm des Generierens neuer Dichtung aus dem Wettstreit mit der alten nochmals inszeniert wurde, was den lebensweltlichen Bezug der Komödie in antiker Wahrnehmung und Rezeption unterstreicht.34 Setzen wir diesen Aspekt mit unseren Überlegungen zur Lebensferne des Tragikeragons in Bezug, so wird deutlich, dass die Welt der aristophanischen Bühne eine doppelte ist, sie schaut janusköpfig auf die reale Welt und weist dadurch ganz im bachtinschen Sinne Elemente des Karnevalesken auf: Wir finden Obszönität, verkehrte Welt, experimentelle Phantastik, es besteht die freie Wahl des Sujets, die Exzentrik der Thematik, Verwechslungs- und Doppelgängermotivik sowie die Parodie hoher Literatur und Verstöße gegen das decorum.35 Zwar hat Bachtin die Alte Komödie anders als das antike Epos und den Roman nicht systematisch in seine Überlegungen zum Karnevalesken miteinbezogen, aber die dionysischen Feste haben viel mit dem mittelalterlichen Karneval, von dem Bachtin ausgeht, gemeinsam. Sie liefern wie die Karnevalsliteratur Gegenentwürfe zur realen Welt, die sie jedoch nicht für die Dauer festmachen, sondern mit denen sie die Aufforderung verbinden, Perspektiven zu wechseln, für einen Moment aus dem Alltag symbolisch oder real herauszutreten und diesen mit den Augen der Schauspieler neu zu betrachten. Der inszenierte ungelöste Streit darf vor diesem Hintergrund symbolisch als Abbild des ungelösten und notwendig unlösbaren Streites der beiden Bühnenwelten betrachtet werden, eines Streites, der die Zuschauer wie die Bühnenfiguren bewusst in eine Aporie stürzt, um ihn an die produktive Unvereinbarkeit und Dichotomie von Literatur/ Kunst und Realität zu erinnern. Literatur – hier unser Streit – hilft nicht bei der Bewältigung realer Probleme, wie diese umgekehrt die Autonomie der Kunst von der Lebenswelt nicht gefährden oder beeinträchtigen. Das zeigt die aristophanische Kunst des Streitens in aller Deutlichkeit.
Bibliographie 1.
Quellen
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Andreas Weckwerth
Altchristliche Hymnen und Lieder als Instrument doktrinrer Streitigkeiten (Hilarius – Ambrosius – Augustinus)1 Meiner Mutter gewidmet
1.
Einfïhrung
9±m peq· t_m abok_m 1qyt^s,r, b d] soi peq· cemmgtoO ja· !cemm^tou 1vikos|vgse· j#m peq· til^lator %qtou p}hoio, »Le_fym b Patµq«, !pojq_metai, »ja· b UR¹r rpowe_qior«. EQ d³, »T¹ koutq¹m 1pit^dei|m 1stim«, eUpoir, b d³ 1n oqj emtym t¹m UR¹m eWmai diyq_sato.2 Fragte man nach dem Wechselgeld, philosophierte der Ladenbesitzer ïber den Gezeugten und den Ungezeugten; wenn man nach dem Brotpreis fragte, lautete die Antwort: »Der Vater ist grçßer und der Sohn untergeordnet«. Wenn man fragte: »Ist das Bad fertig«, definierte der Diener, der Sohn sei aus dem Nichts gezeugt.
Mit diesen Worten beschreibt Gregor von Nyssa die Leidenschaft, mit der am Vorabend des Konzils von Konstantinopel (381) in einer theologisch weitgehend ungebildeten Öffentlichkeit dogmatische Probleme diskutiert wurden. Wenn man auch in Rechnung stellt, dass die Äußerung Gregors rhetorisch geformt ist und einen gewissen Sarkasmus atmet, so scheinen die subtilen und äußerst kontrovers diskutierten Fragestellungen doch weitere Bevölkerungsteile ergriffen zu haben, als man heute vermuten würde. Wie aber kamen einfache Ladenbesitzer, Marktfrauen oder Bäcker, häufig des Lesens unkundig, mit der schwierigen Frage nach dem innergöttlichen Leben in Berührung? Zuerst wird man an Predigten denken, in welchen den Gläubigen die Problematik und der vom Prediger präferierte theologische Lösungsansatz vorgestellt worden sind. Breitenwirksamer als diffizile Erörterungen scheinen jedoch eingängige, rhythmisierte Formeln gewesen zu sein, durch die doktrinäre Positionen transportiert werden konnten. Berühmt ist z. B. der von Arius formulierte Merkvers, in dem er einen wesentlichen Aspekt seiner Lehre zusammenfasst, dass der ewige, ursprunglose Vater den Sohn aus dem Nichts geschaffen habe: Gm 1 Die im folgenden für antike Autoren und deren Werke verwendeten Abkürzungen sind im Quellenverzeichnis aufgelöst. 2 Greg. Nyss. deit. (ed. Rhein [1996], 121).
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pote fte oqj Gm3 – es war (eine Zeit), als er (der Gottesohn) nicht war. Der Merkvers stammt aus der Thaleia4 des Arius, einer Art Lehrgedicht, in dem er seine Christologie5 dargelegt hat. Rhythmisierte Strukturen fördern erheblich die Einprägsamkeit solcher Bekenntnisformeln. Wie aber erreicht man die Verbreitung solcher eingängigen Formulierungen? Es lag nahe, derartige doktrinäre Aussagen und Lehrformeln mit Hilfe von Liedern weiten Teilen der Bevölkerung zugänglich zu machen und einzuprägen, zum einen in populären, außerliturgischen Liedern,6 zum anderen in gottesdienstlichen, nicht den kanonischen Schriften entnommenen Gesängen, den Hymnen, die zumindest im Osten wohl schon sehr früh im Gottesdienst gesungen wurden. Was aber ist ein Hymnus? Ludwig Eisenhofer schlägt folgende Definition vor : Unter Hymnus im Allgemeinen ist ein an Gott gerichteter Lobgesang zu verstehen. In dieser allgemeinen Bedeutung gelten als Hymnen die Psalmen und alle den Psalmen nachgebildeten Lobgesnge. Im engeren Sinne gilt als Hymnus jener religiçse Gesang, der in metrischer Form gehalten ist.7
Josef Kroll weist darauf hin, dass neben metrischen Kompositionen vor allem in der frühen Zeit Prosahymnen reichliche Verwendung fanden, und gelangt zu folgender Definition: »Der Hymnus ist also eine Lobpreisung Gottes in geho3 Überliefert u. a. bei Athan. or. c. Arian. 1, 5 (PG 26, 21). Eine Zusammenstellung weiterer Fundstellen dieser häufiger zitierten Formel bei Bardy (1936), 262. 4 Die Thaleia ist fragmentarisch in den Werken des Athanasius überliefert. Eine Zusammenstellung der erhaltenen Fragmente bei Bardy (1936), 246 – 274. Vgl. zur Metrik der Thaleia und deren Einordnung in den Kontext der frühchristlichen Hymnologie Böhm (1992) mit weiterer Literatur. 5 Vgl. zu Arius’ Christologie Lorenz (1980); Böhm (1991), 43 – 84; Williams (2001). 6 Von Arius wird berichtet, dass er eigene Lieder für Seeleute, Müller und Reisende geschrieben hat, die seine Lehre zum Inhalt hatten. Vgl. Philost. h. e. 2, frg. 2 (edd. Bidez / Winkelmann [1981], 13): nti t¹m -qeiom !popgd^samta t/r 1jjkgs_ar vgs· Åslat\ te mautij± ja· 1pil}kia ja· bdoipoqij± cq\xai, ja· toiaOh’ 6teqa sumtih]mta, eQr lek\d_ar 1mte?mai $r 1m|lifem 2j\stoir "ql|feim, di± t/r 1m ta?r lek\d_air Bdom/r 1jjk]ptym pq¹r tµm oQje_am !s]beiam to»r !lahest]qour t_m !mhq~pym. Vgl auch ebd. frg. 2a (edd. Bidez / Winkelmann [1981], 13): j d³ -qeior 1nekgkuh½r toO eqsebest\tou sukk|cou ja· pamtaw|hem paq± t_m aqhod|nym !pojkei|lemor ja· oqj 5wym fpyr 5ti to?r pk^hesim bliko_g ja· did\sjoi peq· t_m pqojeil]mym, 1p· t¹ cq\veim 1w~qei xaklo}r t] timar fpyr Ad}mato sumtihe·r ja· Åslata mautij\ te ja· 1pil}kia ja· oVoir oR 1m ta?r bdoipoq_air oR to»r emour 1ka}momter eQ~hasim wq/shai. Vermutlich lagen den Liedern zeitgenössische beliebte Melodien zugrunde. Vgl. Bardy (1936), 249. 7 Eisenhofer (1932), 1, 207. Berühmt ist die Definition bei Aug. in psalm. 148, 17 (edd. Dekkers / Fraipont [1956], 2176 f.): Hymnus scitis quid sit? Cantus est cum laude Dei. Si laudas Deum, et non cantas, non dicis hymnum. Si cantas et non laudas Deum, non dicis hymnum. Si laudas aliquid, quod non pertinet ad laudem Dei, etsi cantando laudes, non dicis hymnum. Hymnus ergo tria ista habet, et canticum et laudem et Dei. Vgl. auch die Definition ebd. 72, 1 (edd. Dekkers / Fraipont [1956], 986). Vgl. hierzu Lattke (1991), 314 f.
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bener – metrischer oder stilisierter prosaischer – Diktion«.8 Der Hymnologe Joseph Szöv¤rffy erweitert den Hymnenbegriff, wenn er von »poetry pertaining to things divine«9 spricht. Er trägt dem Umstand Rechnung, dass es auch Hymnen gibt, die sich eher indirekt an Gott richten, da sie z. B. einem Heiligen gewidmet sind. Wichtige inhaltliche Merkmale eines Hymnus sind Lobpreis, Danksagung und Bitte; als formale Charakteristika fungieren u. a. Gottesanruf, Prädikations- und Partizipialstil und Doxologien.10 An drei ausgewählten Beispielen der frühen lateinischen Hymnen- und Lieddichtung, repräsentiert durch Hilarius von Poitiers, Ambrosius und Augustinus, soll gezeigt werden, wie diese für die Glaubensunterweisung und die Verbreitung bzw. Zurückweisung dogmatischer Positionen fruchtbar gemacht werden konnte. Zunächst wird aber in einem kurzen Aufriss die historische Entwicklung der frühchristlichen Hymnendichtung bis zu Hilarius vorgestellt.
2.
Historischer berblick bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts
Die Hl. Schrift der frühen Christen waren die Bücher des Alten Testaments in der Lesart der griechischen Bibelübersetzung, der Septuaginta. Somit verwundert es nicht, dass die Psalmen und sonstigen biblischen Lieder – später cantica11 genannt –, wie z. B. der berühmte Gesang der Jünglinge im Feuerofen12 oder der Lobgesang Mariens,13 das Magnificat, in die christliche Liturgie übernommen worden sind und diese auch heute noch entscheidend prägen. Allerdings scheinen die Christen bereits früh auch eigene Lieder verfasst zu haben, um ihren neuen, sich vom Judentum unterscheidenden Glauben an Jesus Christus zu besingen. Hinsichtlich der formalen Struktur orientierten sich die Christen zunächst nicht an poetischen Formen der griechisch-römischen Antike, sondern an Struktur und Sprache der alttestamentlichen Psalmen,14 so dass man 8 Kroll (1921/22), 11. 9 Szöv¤rffy (1989), 29 f. 10 Vgl. Fuhrer / Furley (1998), 794. Vgl. zu definitorisch-terminologischen Fragestellungen in der Antike Pellegrino (1964), 3 – 15 und ausführlich Thraede (1994), 915 – 927. 11 Übersicht bei Eisenhofer (1932), 1, 160 f. 12 Dan 3, 57 – 88. 13 Lk 1, 46 – 55. 14 Vgl. Kroll (1926), 260: »Was wir nun an christlichen Prosahymnen besitzen, ist im allgemeinen nicht nach den Vorschriften geformt, welche die griechische Rhetorik für die gehobene Prosa ausgebildet hat, sondern verrät die charakteristische Eigenart orientalischer Stilprägung, die sich selbst im Gewande der griechischen Weltsprache deutlich kundgibt. Ein eigentümlich gravitätisches, durch monumentalen Aufbau des sprachlichen Gefüges hervorgerufenes Pathos zeichnet diesen Stil aus. Während der Grieche nach größter Mannigfaltigkeit des Ausdrucks strebt und alles darauf anlegt, die Vielheit in kunstvoller Verschränkung und Gruppierung zu einem harmonischen Ganzen zu formen, liebt der Ori-
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zurecht von »psalmodischer Hymnik«15 gesprochen hat. Beispiele dieses Typs liegen in den noch heute gebräuchlichen Prosahymnen Gloria in excelsis Deo16 oder Te Deum laudamus17 vor. Bereits im Neuen Testament sind hymnenähnliche Passagen und Elemente enthalten.18 Im Epheserbrief ermuntert Paulus die Gemeinde zum Hymnengesang, wobei mögliche Unterschiede19 zwischen den verwendeten Termini (xaklo¸, vlmoi, áda· pmeulatija¸) unklar bleiben: 18 Ka· lµ leh}sjeshe oUm\, 1m è 1stim !syt_a, !kk± pkgqoOshe 1m pme}lati, 19 kakoOmter 2auto?r [1m] xaklo?r ja· vlmoir ja· áda?r pmeulatija?r, Ådomter ja· x\kkomter t0 jaqd_ô rl_m t` juq_\, 20 eqwaqistoOmter p\mtote rp³q p\mtym 1m am|lati toO juq_ou Bl_m YgsoO WqistoO t` he` ja· patq_.20 18 Berauscht euch nicht mit Wein, in dem Zïgellosigkeit liegt, sondern lasst euch vom Geist erfïllen! 19 Lasst untereinander Psalmen (xaklo?r), Hymnen (vlmoir) und geistliche Lieder (áda?r pmeulatija?r) erklingen, singt und spielt in eurem Herzen dem Herrn
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entale die Gleichförmigkeit, den Parallelismus des sprachlichen Baus. Er komponiert seine Rede aus parallel gebauten Teilen«. Vgl. auch Steinen (1948), 1, 101 f: »Von den Psalmen sind ja in jedem Sinne und also auch formal die altchristlichen Gesänge angeregt worden; und zwar weniger vom Urtext als von den griechischen und lateinischen Übersetzungen. Vielleicht haben die Dichter gar nichts anderes gewollt, als das Werk Davids, der ihren Herrn voraus-sah, im Rückblick auf den gleichen Herrn fortzusetzen«. Interessant ist in diesem Kontext das den Hymnen des Hilarius vorausgehende kurze Proömium (ed. Feder [1916], 209): Felix propheta David primus organi / in carne Christum ymnis mundo nuntians. Vgl. Steinen (1948), 1, 90 – 122. Vgl. auch Szöv¤rffy (1964), 42 – 47. Im hebräischen Original gehören die Psalmen zu den poetischen Texten, in den griechischen und lateinischen Übersetzungen sind sie in Prosa wiedergegeben. Vgl. etwa Eisenhofer (1932), 2, 89 – 95; Jungmann (1948), 1, 429 – 445; Stapelmann (1948); Kranemann (2002) mit weiterer Literatur. Vgl. Felbecker (2002) mit weiterer Literatur und Dekkers (1995), nr. 650. Vgl. überblicksartig Lattke (1991), 227 – 235 mit Literatur und Deichgräber (1967). Die neuere Forschung mahnt zur Vorsicht, vorschnell und undifferenziert von neutestamentlichen Hymnen zu sprechen. Ausgehend vom Aufbau eines griechischen Hymnus findet Berger (2005), 297 – 305 neutestamentliche Entsprechungen nur in Apg 4, 24b–30 und teilweise im ›Vater unser‹ (Mt 6, 9 – 13; Lk 11, 2 – 4). Vgl. ebd. 298: »Andere neutestamentliche Texte, die üblicherweise als Hymnen bezeichnet werden, verdienen diese formgeschichtliche Bezeichnung nicht. Unter ihnen haben jedoch besonders Doxologien und Christus-Enkomien hymnische Elemente in sich aufgenommen«. Vgl. ebenso Reiser (2001), 173 – 178 und ausführlich Kennel (1995). Vgl. auch Kol 3, 16. Kroll (1921/22), 4 f geht in beiden Fällen von einer bloßen Synonymenhäufung aus, ebenso Thraede (1994), 920: »Insgesamt wird heute auch die urchristl. (deuteropaulinische) Reihung xaklo¸ – vlmoi – áda· in Col. 3, 16 (aufgegriffen Eph. 5, 19) als plerophore Umschreibung des prinzipiell Gleichen aufgefasst«. Eph 5, 18 – 20.
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20 und sagt Dank zu jeder Zeit fïr alle Dinge im Namen unseres Herrn Jesus Christus dem Gott und Vater.
In der Folgezeit finden sich immer wieder Hinweise auf christliche Hymnendichtung. Plinius z. B. berichtet im Brief an Kaiser Trajan, die Christen hätten an Christus quasi deo gerichtete carmina gesungen.21 Eusebius v. Cäsarea überliefert in seiner Kirchengeschichte ein meist Hippolyt zugeschriebenes Zitat: (…) xaklo· d³ fsoi ja· áda· !dekv_m !p’ !qw/r rp¹ pist_m cqave?sai t¹m k|com toO heoO t¹m Wqist¹m rlmoOsim heokocoOmter;22 Wie viele Psalmen und Lieder, die von Anfang an von glubigen Brïdern geschrieben wurden, besingen Christus, das Wort Gottes und verkïnden seine Gottheit.
Erhalten haben sich allerdings nur sehr wenige Beispiele der ältesten christlichen Hymnendichtung, wie z. B. der noch heute in der orthodoxen Liturgie verwendete Abendhymnus V_r Rkaq|m23 oder das bereits erwähnte, ursprünglich griechische Gloria in excelsis Deo24. Zum einen scheinen viele Hymnen improvisiert, aber nicht aufgezeichnet worden zu sein,25 zum anderen setzt vermutlich im 3. Jahrhundert eine Gegenbewegung26 ein, die versucht, nicht-
21 Plin. ep. 10, 96, 7 (edd. Schuster / Hanslik [31992], 356): Adfirmabant (sc. Christiani) autem hanc fuisse summam vel culpae suae vel erroris, quod essent soliti stato die ante lucem convenire carmenque Christo quasi deo dicere secum invicem (…). Vgl. zu dieser Stelle Dölger (1925), 103 – 136; Lattke (1991), 87 f; Thraede (1994), 922: »Mehr als dass ein gottesdienstliches Lied gemeint ist, gibt auch Plin. ep. 97, 10 nicht her«. 22 Eus. h. e. 5, 28, 5 (ed. Schwartz [1903], 500). 23 Vgl. zu diesem Hymnus ausführlich Plank (2001); ebd. 37 liegt auch der kritische Text des Hymnus vor. 24 Vgl. oben Anm. 16. 25 Vgl. Kroll (1921/22): »Vor allem müssen wir uns denken, dass bei der Hymnodik der ersten Zeit zunächst alles im Flusse gewesen ist. Man pries seinen Gott, wie noch gezeigt werden wird, in hergebrachten Formen, mit einem überlieferten, leicht zusammenfügbaren Gedanken- und Wortschatze. Da war es nicht nötig, den einzelnen hymnodischen Erguß zu fixieren«. In ähnlicher Weise sind in der christlichen Frühzeit auch liturgische Gebete improvisiert worden. Vgl. hierzu Budde (2001). Skeptisch äußert sich Franz (2000), 6 angesichts der erhaltenen Beispiele zur Improvisation von Hymnen. 26 Eus. h. e. 7, 30, 10 (ed. Schwartz [1908], 710) teilt Fragmente eines Synodalbriefes einer gegen Bischof Paulus von Samosata gerichteten Antiochenischen Synode (ca. 268/69) mit, in dem es heißt, er habe Psalmen auf Christus als Neuerungen verboten, während er auf ihn selbst gedichtete, von Frauen vorgetragene Psalmen zugelassen habe: (…) xaklo»r d³ to»r l³m eQr t¹m j}qiom Bl_m YgsoOm Wqist¹m pa}sar ¢r dµ meyt]qour ja· meyt]qym !mdq_m succq\llata, eQr 2aut¹m d³ 1m l]s, t0 1jjkgs_ô t0 lec\k, toO p\swa Bl]qô xakl\de?m cuma?jar paqasjeu\fym, ¨m ja· !jo}sar %m tir vq_neiem. Nach Lattke (1991), 282 kann letztere Notiz antihäretischer Propaganda entstammen; dem Verbot der Christushymnen durch den Bi-
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biblische Hymnen aus der Liturgie zu entfernen: »Es war wie eine Frostnacht, die über die Frühlingsblüten christlicher Hymnodik dahingegangen war und schonungslos alles zerstört hatte«.27 Eines der sehr wenigen expliziten28 Zeugnisse dieser rigiden Richtung ist etwa can. 59 der Synode29 von Laodikeia (ca. 360 n. Chr.): nti oq de? Qdiytijo»r xaklo»r k]ceshai 1m t0 1jjkgs¸ô oqd³ !jam|mista bibk¸a, !kk± l|ma t± jamomij± t/r pakai÷r ja· jaim/r diah^jgr.30 (Es ist beschlossen worden), dass man selbstverfasste Psalmen in der Kirche nicht singen und unkanonische Schriften nicht vorlesen darf, sondern alleine die kanonischen des Alten und Neuen Testamentes.
Vermutlich hat zu diesem Verbot der psalmi idiotici, wie sie im Unterschied zu den biblischen genannt wurden, beigetragen, dass als häretisch gebrandmarkte Strömungen, wie z. B. Gnostiker31 oder später Arianer,32 Hymnen dichteten, um ihre Lehren zu verkünden, so dass selbstgedichtete Lieder im Gottesdienst in Verruf gerieten.33 Ebenso ist als direkte Antwort auf die Existenz heterodoxer
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schof von Samosata könnten dogmatische Gründe zugrundeliegen; vgl. ebd. 285. Zu den antiochenischen Synoden gegen Paulus von Samosata vgl. Fischer / Lumpe (1997), 351 – 378. Kroll (1926), 275. Vgl. Franz (2000), 9. Interessanterweise findet sich in monastischen Kreisen noch im 4./5. Jh eine deutliche Zurückhaltung gegenüber nichtbiblischen liturgischen Gesängen. Vgl. hierzu ebd. 23 – 25 mit Belegen. Vermutlich handelt es sich nicht um ein Konzil, sondern um eine Kanonessammlung, die einer Synode von Laodikeia zugeschrieben wurde. Vgl. Ohme (1998), 403. Conc. Laodic. a. 360 (?) can. 59 (ed. Benesˇevicˇ [1937], 153). Vgl. überblicksartig Lattke (1991), 251 – 267 sowie Kroll (1921/22), 85 – 90. Socr. h. e. 6, 8, 1 – 12 (ed. Hansen [1995], 325 f) berichtet, dass die Arianer Hymnen im Sinne ihrer Lehre verfassten und diese in der Öffentlichkeit sangen, wenn sie im Morgengrauen durch die Stadt zu ihren Versammlungsorten, die vor den Stadttoren lagen, in einer Prozession zogen. Johannes Chrysostomos habe daraufhin seine Gemeindemitglieder beauftragt, während dieser arianischen Umzüge antiarianische Hymnen zu singen. Nachdem es zu heftigen Zusammenstößen beider Parteien gekommen war, sei den Arianern der nächtliche und öffentliche Vortrag ihrer Hymnen verboten worden. Vgl. Lattke (1991), 296 und Schubert (2001), 148 – 151. Von diesen arianischen Hymnen hat sich nichts erhalten bis auf ein kurzes Zitat bei Sokrates, das deren polemische Natur offenbart: PoO eQs·m oR k]comter t± tq_a l_am d}malim;. Franz (2000), 9 modifiziert diese in der Forschung oft vertretene These: »Vielmehr manifestiert sich in dem Rekurs auf die Psalmen auch die Überzeugung, dass das Christentum seiner geschichtlichen Wurzeln nicht beraubt werden dürfe. Die Gnosis, besonders deutlich bei Markion, läuft mit ihrer Abkehr vom Alten Testament und damit von ›Schöpfung‹ und ›Geschichte‹ Gefahr, das Christentum in eine geschichtslose spiritualistische Geheimlehre zurückzubilden. Die liturgische Aufwertung der alttestamentlichen Psalmen durch die Kirche ist demgegenüber ein Zeichen für die Einheit von Neuem und Altem Testament, von Erlösung und Schöpfung«.
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Hymnen aber auch die Dichtung orthodoxer Lieder bezeugt, so z. B. bei Ephraim dem Syrer.34 Es ist bezeichnend, dass alle genannten Beispiele und Zeugnisse dem Osten entstammen. Im lateinischen Westen sind bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts mit Ausnahme der in ihrer Datierung unsicheren, in geringer Zahl überlieferten psalmodischen Hymnen vor Hilarius35 keine Beispiele bekannt; lediglich einige Notizen bei Tertullian36 scheinen auf ihre Existenz auch im Westen hinzudeuten.
3.
Hilarius von Poitiers
Im Jahre 1887 veröffentlichte Giovanni Francesco Gamurrini drei Hymnenfragmente des Hilarius, die er in einem in Arezzo aufbewahrten Codex vorfand.37 Bis dahin wusste man aus dem von Hieronymus zusammengestellten Schriftstellerkatalog De viris illustribus, dass Hilarius einen liber hymnorum verfasst hatte,38 der allerdings vollständig verloren war. Die drei Fragmente sind die ältesten erhaltenen lateinischen Hymnen, die den Gesetzen der quantitierenden antiken Metrik folgen. Im Rahmen dieser Untersuchung ist vor allem der erste, christologische Hymnus39 von Interesse, in dem die Gottheit des Sohnes und sein Verhältnis zum Vater besungen werden. Die Wahl des Themas verwundert nicht: Hilarius ist in der Mitte des 4. Jahrhunderts einer der großen Theologen der nizänischen Partei und für seine Überzeugungen von Kaiser Constantius nach Kleinasien verbannt worden;40 erst gegen 360 konnte er nach Gallien zurückkehren.41 Im Osten mag 34 Vgl. ebd. 10 f mit Belegen und darüber hinaus das antiochenische Beispiel oben Anm. 32. 35 Erhalten sind überdies drei um 360 entstandene theologische Hymnen des Marius Victorinus, die aber wohl nicht für den liturgischen Gebrauch bestimmt waren (edd. P. Henry / P. Hadot, Wien 1971 [CSEL 83, 1], 285 – 305). Vgl. Pellegrino (1964), 37 – 58; Szöv¤rffy (1964), 74; Lattke (1991), 309. Sie folgen nicht den Gesetzmäßigkeiten der antik-quantifizierenden Metrik, sondern ihnen liegen Prosarhythmen zugrunde. Vgl. Madec / Schmidt (1989), 352: »Diese Prosagedichte sind eine komprimierende Zusammenfassung der Theologie des Victorinus, die auf diese Weise in eine Art metaphysischen und mystischen, dem neuplatonischen Denken offenbar wesensverwandten Lyrismus ausmündet. Sie sind vor allem den Hymnen des Synesios von Cyrene vergleichbar«. 36 Vgl. Kroll (1921/22), 24, Anm. 1 und Lattke (1991), 307 mit Belegen. 37 F. Gamurrini (ed.), S. Hilarii tractatus de mysteriis et hymni et S. Silvae Aquitanae peregrinatio ad loca sancta, Romae 1887, 28 – 32. Zitiert wird im Folgenden nach der Edition von A. Feder, Wien 1916 (CSEL 65), 208 – 216, der die Erstausgabe von Gamurrini sowie spätere Editionen bzw. textkritische Überlegungen miteinbezieht. Eine Bibliographie zu Hilarius’ Hymnen findet sich bei Doignon (1989), 475. 476 f. Neben den drei für authentisch befundenen existieren weitere Hilarius zugeschriebene Hymnen. Vgl. hierzu Feder (1912), 55 – 80. 38 Hieron. vir. ill. 100 (ed. Ceresa-Gastoldo [1988], 206): Est eius (…) et liber hymnorum. 39 Hil. hymn. 1 (ed. Feder [1916], 209 – 212). 40 Hilarius war zuvor von einer in B¤ziers 356 zusammengekommenen Synode abgesetzt
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er auch die dort weit verbreiteten Hymnen kennengelernt und den Entschluss gefasst haben, diese Praxis für sein Anliegen fruchtbar zu machen.42 Schon ein flüchtiger Blick auf den teilweise nicht leicht verständlichen Hymnus zeigt Hilarius’ Interesse, das Verhältnis von Vater und Sohn exakt der nizänischen Lehre gemäß zu beschreiben. Als metrisches Grundmuster43 verwendet Hilarius ein auch von Horaz bekanntes asklepiadeisches Distichon,44 das aus einem Glyconeus und einem asklepiadeischen Vers besteht. Zwei dieser Disticha bilden jeweils eine Strophe. Allerdings weicht Hilarius von diesem Grundschema häufiger ab.45 Der Glyconeus kann durch einen jambischen Dimeter, der asklepiadeische Vers durch einen jambischen Senar oder einen alkäischen Elfsilber ersetzt werden, so dass folgendes Distichon-Schema46 entsteht: 1. Vers: eeH[[H[H (Glyconeus) oder HHeHOHOH[H (jamb. Dimeter). 2. Vers: HeH[[HjH[[H[H (Asclepiadeus minor) oder eHeHejHeHeH[H (jambischer Senar) oder eHeeejH[[H[H (alkäischer Elfsilber). Hilarius nimmt sich überdies in der Silbenmessung einige Freiheiten.47 Es handelt sich bei diesem Hymnus um einen sogenannten Abecedarius,48 d. h. die Anfangsbuchstaben von Vers oder Strophe verlaufen in der Reihenfolge des Alphabets. Bereits die ersten beiden Strophen49 offenbaren Hilarius’ Intention: Ante saecula qui manes semperque nate, semper ut est pater – namque te sine quomodo dici, ni pater est, quod pater sit potest? –
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worden. Vgl. Hil. c. Const. 2 (ed. Rocher [1987], 170 – 172) und Hieron. vir. ill. 100 (ed. Ceresa-Gastoldo [1988], 204). Vgl. zu Hilarius’ Leben Doignon (1989), 447 – 449 und Durst (2002), 333. So etwa Bulst (1956), 8; Szöv¤rffy (1964), 1, 73, Anm. 15 u. a. Vgl. zur Metrik des ersten Hymnus Meyer (1909), 404 – 408; Feder (1912), 84 f; Halporn (1963). Vgl. Crusius / Rubenbauer (1955), 119. Vgl. das Schema ebd. 464, in dem sämtliche bei Hilarius vorkommenden Abweichungen vom asklepiadeischen Distichon eingetragen sind. Vgl. hierzu die Übersicht bei Halporn (1963), 461, in der die bei Hilarius vorkommende Verteilung von Längen, Kürzen und Zäsuren dargestellt ist. Vgl. Meyer (1909), 399 und Feder (1912), 85. Vgl. hierzu Kurfess / Klauser (1950), 237 f und Thraede (2001). Hil. hymn. 1, 1 – 8 (ed. Feder [1916], 65, 209).
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Bis nobis geniti Deus, Christe, dum innato nasceris a Deo, vel dum corporeum et Deum mundo te genuit virgo puerpera. O, der du vor den Zeiten bist, du von Ewigkeit her geborener, von Ewigkeit her, wie der Vater ist, – denn wie kann ohne dich gesagt werden, dass er Vater ist, wenn er nicht Vater ist? – o, du uns zweimal geborener Gott, Christus, da du vom ungeborenen Gott geboren bist und die jungfruliche Mutter dich als Mensch und Gott der Welt hervorgebracht hat.
Der Vater ist ungeboren (innatus), der Sohn ein zweimal geborener Gott (bis genite deus). Der Vater ist ursprungslos, ungeboren, während der Sohn vor den Zeiten (ante saecula) aus dem Vater geboren wurde. Diese Aussage richtet sich einerseits gegen die eben zitierte arianische Position, es habe eine Zeit gegeben, in der der Sohn nicht existierte, andererseits gegen die ebenfalls arianische Vorstellung, der Sohn sei vornehmstes Geschöpf des Vaters. Bei der zweiten Geburt handelt es sich um die Menschwerdung des Sohnes aus Maria. So wird der Hymnus programmatisch mit einem Bekenntnis und einer Darlegung der nizänischen Christologie in nuce eröffnet. In der elften Strophe50 wird ein Kernsatz des Nizänischen Glaubensbekenntnisses dichterisch umgesetzt und erläutert: Lumen fulsit a lumine Deusque verus substitit ex Deo vero, non aliud habens ortus unigena quam innascibilis pater. Licht erstrahlt vom Licht, der wahre Gott verdankt sein Sein dem wahren Gott; der einzig Geborene hat nichts anderes als der Vater, der nicht geboren werden kann.
Die ersten beiden Verse beziehen sich auf folgende Stelle51 des symbolum Nicaenum:
50 Hil. hymn. 1, 41 – 44 (ed. Feder [1916], 211). 51 Conc. Nicaen. a. 325 symb. (ed. Dossetti [1967], 228).
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He¹m 1j HeoO, v_r 1j vytºr, He¹m !kghim¹m 1j HeoO !kghimoO. Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott.
Die beiden letzten Verse dieser Strophe umschreiben die Gleichwesentlichkeit von Vater und Sohn – bloo¼sior t` patq¸ –, den wohl bekanntesten Terminus des Konzils von Nizäa. Hilarius drückt dies so aus: Der Sohn hat nichts anderes (non aliud habens), d. h. kein anderes Wesen, als der ewige Vater. Dieser Aspekt der strikten Einheit von Vater und Sohn wird unter anderem auch in der 14. Strophe zum Ausdruck gebracht:52 O felix duum unitas! alterque cum sit mixtus in altero, unum sic faciunt duo, sit in duobus cum, est quod in altero. O, glïckliche Einheit von zweien. Und da der eine im anderen vereinigt ist, so bilden zwei eine Einheit, weil in zweien ist, was auch im (jeweils) anderen ist.
Schon diese wenigen Beispiele zeigen, wie Hilarius die nizänische antiarianische Christologie in dichterische Form gegossen hat, ohne jedoch explizit arianische Gegenpositionen zu erwähnen. Ungeklärt ist allerdings, ob diese und die anderen Hymnen für den Volksgesang gedacht waren.53 Als Beleg für die Beteiligung der Gemeinde am Gesang könnte man die dritte Strophe54 verstehen: Credens te populus rogat, hymnorum resonas mitis ut audias voces, quas tibi concinit aetas omnigena, sancte, gregis tui. Das glubige Volk bittet dich, dass du milde ihre von Hymnen widerschallenden 52 Hil. hymn. 1, 53 – 56 (ed. Feder [1916], 211). 53 Dreves (1888), 365 f spricht sich gegen eine liturgische Verwendung der Hymnen aus. Vgl. auch Durst (1986), 208: »Ob sie von Hilarius wirklich für die Liturgie oder eher für den außerliturgischen Gebrauch verfasst wurden, ist eine offene Frage«. 54 Hil. hymn. 1, 9 – 12 (ed. Feder [1916], 209).
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Stimmen erhçrst, die dir, Heiliger, jedes Alter deiner Herde ertçnen lsst.
Allerdings ist der Terminus hymnus in dieser Zeit noch nicht auf seine heutige Bedeutung verengt.55 Ein Indiz nicht nur für das Scheitern, die Gemeinde in den Hymnengesang einzubinden, sondern auch für eine zumindest intendierte liturgische Verwendung der Hymnen könnte die von Hieronymus in seinem Galaterkommentar überlieferte Notiz sein, Hilarius hätte die Gallier als ›ungelehrig‹ (indociles) im Hymnengesang bezeichnet.56 Immerhin zeigt diese Äußerung, dass der Gesang von Hymnen in Gallien bis zu Hilarius weitgehend unbekannt gewesen sein muss. Direkte Spuren einer liturgischen Verwendung lassen sich indes nicht nachweisen. Das vierte Konzil von Toledo (633) nennt Hilarius zusammen mit Ambrosius als Beispiele für bedeutende Hymnendichter.57 Metrische Form58 und Diktion scheinen bei aller Mühe um eine korrekte Wiedergabe der Glaubenslehre zu komplex und zu wenig eingängig gewesen sein, als dass sie in einer theologisch wie literarisch nicht gebildeten Öffentlichkeit eine weite Verbreitung erfahren konnten. Der bedeutende Hymnologe Guido Maria Dreves bringt es auf den Punkt: So tiefsinnig und anregend der Gedankengang dieses Philosophen-Liedes sein mag, in dem wir deutlich den ›Denker der Trinittslehre‹ zu vernehmen glauben; dass derselbe nicht populr gehalten ist und unmçglich volkstïmlich werden konnte, auch wenn die Gallier des Poitou weniger ›ungelehrig‹ gewesen wren, das liegt wohl offen zu Tage.59
55 Vgl. Thraede (1994), 919 – 922. Als hymni können auch die Psalmen oder sonstige biblische Gesänge bezeichnet werden. Vgl. Thesaurus linguae Latinae 6, 3 (1936 – 42), 3143 – 3145 s. v. hymnus, hier 3144, Z. 80 – 3145, Z. 27. 56 Hieron. in Gal. 2, praef. (PL 26, 380): (…) cum et Hilarius Latinae eloquentiae Rhodanus, Gallus ipse et Pictavis genitus, in hymnorum carmine Gallos indociles vocet. 57 Conc. Tolet. a. 633 can. 13 (edd. Martnez Dez / Rodrguez [1992], 201): (…) Et quia nonnulli hymni humano studio in laudem Dei atque apostolorum et martyrum triumphis compositi esse noscuntur, sicut ii quos beatissimi doctores Hilarius atque Ambrosius ediderunt (…). 58 Vgl. Meyer (1909), 405: »Hilarius hat hier ein interessantes, aber schwieriges Versmaß gewählt. Vielleicht wollte er den erhabenen Stoff in besonders feierlichem Gewand vorstellen«. 59 Dreves (1908), 10.
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4.
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Ambrosius von Mailand
»Vater des lateinischen Kirchengesanges« – so wird der Mailänder Bischof Ambrosius von dem eben erwähnten Hymnologen Dreves genannt.60 Denn im Unterschied zu dem zeitlich vorausliegenden61 Hilarius hat Ambrosius62 eine eigene hymnische Tradition begründet, die ihre Ausläufer bis in die unmittelbare Gegenwart besitzt. Maßgeblich geworden ist neben stilistischen und bildersprachlichen Aspekten im besonderen die metrische Form, die Ambrosianische Strophe, die aus vier jambischen Dimetern besteht:63 hJ[JhJ[§ hJ[JhJ[§ hJ[JhJ[§ hJ[JhJ[§ Dieses Metrum zeichnet sich im Gegensatz zu den von Hilarius verwendeten durch eine große Eingängigkeit und Durchschaubarkeit64 aus, so dass es sich sehr gut für den Volksgesang eignet. Denn während bei Hilarius nicht unumstritten ist, ob er seine Hymnen für die Liturgie und den Gemeindegesang bestimmt hat, steht dies bei Ambrosius außer Frage.65 Interessanterweise bringt Augustinus in den Confessiones den Beginn des Volksgesanges in Mailand mit den Auseinandersetzungen zwischen Ambrosius und der arianisch gesonnenen
60 Vgl. Dreves (1893), 1: »Vater des lateinischen und mittelbar auch des deutschen Kirchengesanges«. 61 Die zeitliche Priorität des Hilarius war auch in der Spätantike bekannt. Vgl. Isid. eccl. off. 1, 6 (ed. Lawson [1989], 7): Sunt autem divini hymni, sunt et ingenio humano conpositi. Hilarius autem Gallus episcopus, Pictavis genitus, eloquentia conspicuus, hymnorum carmine floruit primus. 62 Vgl. zur schwierigen Frage der Authentizität u. a. Dreves (1893), 14 – 43. 54 – 87; Fontaine (1992), 93 – 102; Franz (1994), 17 – 26; ebd. 26 findet sich eine Synopse unterschiedlicher Forschermeinungen. Meist werden heute 14 Hymnen als authentisch eingestuft. 63 Vgl. zum jambischen Dimeter Klopsch (1972), 8 – 16 und Norberg (2004), 63 – 65; vgl. zu Ambrosius’ metrischer Anlage Dreves (1893), 43 – 49. 64 Zu dieser trägt auch bei, dass ein Vers aus 8 Silben besteht, da Auflösungen einer Länge in zwei Kürzen verhältnismäßig selten vorkommen und Elision regelmäßig eintritt. In Strophe 5 des Hymnus Intende, qui regis Israel wird ausnahmsweise zweimal in einer Strophe eine Länge in zwei Kürzen aufgelöst: Procedat e tha˘la˘mo¯ suo, / pudoris aula regia, / ge˘mı˘nae¯ gigas substantiae, / alacris ut currat viam. 65 Vgl. Franz (1994), 15 – 17. Vgl. auch die bei Arnob. iun. confl. 2, 13 (ed. Daur [1992], 112) überlieferte Äußerung von Papst Caelestinus: Recordor beatae memoriae Ambrosium in die Natalis Domini nostri Iesu Christi omnem populum fecisse una voce deo canere: Veni, Redemptor gentium, ostende partum Virginis (…).
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Kaisermutter Justina in Verbindung:66 Diese hatte die kleine, vor den Toren der Stadt gelegene Basilica Portiana für den Gottesdienst der am Hof lebenden Arianer verlangt. Ambrosius weigert sich strikt, so dass die Kaiserin nun sogar eine größere, innerhalb der Stadtmauern gelegene Kirche beansprucht. Am Palmsonntag des Jahres 386 erfährt Ambrosius während des Gottesdienstes, dass die Basilica Portiana konfisziert sei; die Kirche, in der Ambrosius die Liturgie der Karwoche feiert, ist von Soldaten umstellt. Das Volk weicht jedoch nicht von seiner Seite und bleibt Tag und Nacht in der Basilika bei ihm. Augustinus berichtet:67 Tunc hymni et psalmi ut canerentur secundum morem orientalium partium, ne populus maeroris taedio contabesceret, institutum est: ex illo in hodiernum retentum multis iam ac paene omnibus gregibus tuis et per cetera orbis imitantibus. Damals ward das Singen von Hymnen und Psalmen nach der Weise der Ostkirche eingefïhrt, damit das Volk im bermaß seiner Niedergeschlagenheit sich nicht erschçpfte. Seither, bis auf diesen Tag, hat sich der Brauch erhalten und ist bereits von vielen, ja fast allen Deinen Kirchengemeinden auch sonst auf dem Erdkreis ïbenommen worden.
Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass Ambrosius erst aufgrund dieses äußeren Anlasses spontan Hymnen gedichtet hat.68 Vermutlich besteht die eigentliche Neuerung nach J. Schmitz69 u. a. darin, dass Hymnen und Psalmen70 von dieser Zeit an (tunc)71 secundum morem orientalium partium72 vom gesamten Volk 66 Wichtigste Quellen: Ambr. ep. 75 (21); ep. 75a (21a); ep. 76 (20) (ed. Zelzer [1982], 74 – 125). Vgl. zum Streit insgesamt Nauroy (1988). 67 Aug. conf. 9, 7, 15 (ed. Verheijen [1981], 141 f); Übersetzung von Bernhart (1987), 447. 449. Vgl. auch den Bericht bei Paul. Med. vita Ambr. 13 (ed. Bastiaensen [41997], 68 – 70). 68 Vgl. etwa Franz (1994), 3, Anm. 7: »Es ist z. B. schlechthin absurd, den für Weihnachten verfassten Hymnus Intende qui regis Israel mit seinem Vers 8, 1: ›praesepe iam fulget tuum‹ im Frühjahr 386 bei einer Domblockade singen zu wollen. Das gleiche gilt für die übrigen Hymnen des Mailänders, die nur innerhalb ihres je spezifischen Sitzes im Leben der Tagzeitenliturgie angemessen und glaubwürdig zu vollziehen sind«. 69 Vgl. Schmitz (1975), 304 f; ebenso Bulst (1956), 10; Franz (1994), 6 – 9 u. a. 70 Bei den von Augustinus erwähnten Psalmen denkt Franz (2000), 18 an poetische, nichtbiblische Kehrverse, die mit Psalmen verbunden und vom Volk gesungen worden sind, während die Psalmen vielleicht von einem Solisten vorgetragen worden sind. 71 Die adverbielle Bestimmung tunc verweist nach Franz (1994), 8 f. nicht unmittelbar auf die Tage der Domblockade, sondern allgemein auf die Jahre 385/6. 72 Vgl. Schmitz (1975), 306: »Vermutlich bedeutet (…) Weise der Ostkirche ganz allgemein nur Gesang mit Beteiligung der Gemeinde«. Vgl. auch die Interpretation dieser Phrase bei Franz (2000), 17 – 20, hier 18: »Das Neue ›nach der Weise der Ostkirchen‹ liegt vielleicht gar nicht in einer neuen, vorher nicht bekannten Gesangsform, sondern in der Einführung neuer
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gesungen worden sind, während dies zuvor vielleicht Aufgabe einer schola cantorum gewesen sein könnte.73 Darüber hinaus ist eine beachtenswerte Aussage von Ambrosius erhalten, in der er sich zur didaktischen Intention seiner Hymnen bekennt:74 Hymnorum quoque meorum carminibus deceptum populum ferunt, plane nec hoc abnuo. Grande carmen istud est, quo nihil potentius. Quid enim potentius quam confessio Trinitatis, quae quotidie totius populi ore celebratur? Certatim omnes student fidem fateri, Patrem et Filium et Spiritum sanctum norunt versibus praedicare. Facti sunt igitur omnes magistri, qui vix poterant esse discipuli. Sie (sc. die Arianer) behaupten, dass auch durch die Gesnge meiner Hymnen das Volk getuscht werde, und ich leugne dies keineswegs. Dies ist ein großartiger Gesang, im Vergleich zu dem nichts mchtiger ist. Denn was ist mchtiger als das Bekenntnis der Dreifaltigkeit, die tglich aus dem Munde des ganzen Volkes gepriesen wird? Alle bemïhen sich wetteifernd, den Glauben zu bekennen, sie verstehen es, Vater, Sohn und Heiligen Geist in Versen zu rïhmen. Also sind alle zu Lehrern geworden, die kaum Schïler sein konnten.
Zu Lehrern, d. h. Multiplikatoren des Glaubens zu machen, die aufgrund fehlender Bildung kaum Schüler sein konnten – so beschreibt Ambrosius selbst eine wesentliche Intention seiner Hymnen. Durch deren Singen bekennen die Gläubigen ihren Glauben und verinnerlichen dessen Inhalte – sie gehen ihnen gleichsam in Fleisch und Blut über –, so dass sie in der Lage sind, sie wiederzugeben und gegebenenfalls im Alltag gegenüber Angehörigen heterodoxer Gruppierungen zu vertreten. Auch wenn man nach Ambrosius’ Selbstaussagen auf den ersten Blick antiarianische Hymnen erwarten könnte, über deren Wirkung beim Volk sich die Arianer beklagen, wählt der Mailänder Bischof einen anderen, subtileren Weg. Polemik kommt in seinen Hymnen nicht vor;75 aber es werden in ihnen theoTextgattungen: nichtbiblische, poetische Hymnen und – verbunden mit den Psalmen – nichtbiblische, poetische Kehrverse (…)«. 73 So etwa Bulst (1956), 10: »(…) vielmehr ist vorauszusetzen, dass die ›nach der Sitte des (griechischen und syrischen) Ostens‹ nun auch vom Volk gesungenen Hymnen ihm vom Anhören des Gesanges der Kleriker schon ebenso wie die Psalmen bekannt und vertraut waren«. 74 Ambr. ep. 75a (21a), 34 (CSEL 82, 3, 105). 75 Lediglich im Hymnus Splendor paternae gloriae findet sich in der 5. Strophe die Bitte, dass der Glaube nicht um das ›Gift des Betruges‹ wissen möge, womit vom katholischen Glauben abweichende Lehren gemeint sein könnten: Ambr. hymn. 2, 19 f (ed. M. Perrin, in: Fontaine [1992], 187 mit Kommentar ebd. 197 f): Fides calore ferveat / fraudis venena nesciat. Eine
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logische76 Sachverhalte und Konzeptionen klar und präzise vorgestellt: So drückt Ambrosius das nizänische bloo¼sior t` patq¸ (wesensgleich dem Vater) im Hymnus Intende, qui regis Israel77 – bekannt auch in der deutschen Fassung ›Nun komm der Heiden Heiland‹78 – folgendermaßen aus: aequalis aeterno Patri79 (gleich dem ewigen Vater), wodurch arianische Positionen implizit zurückgewiesen werden. Die Kürze des Ausdrucks, unterstützt durch das eingängige, schlichte Versmaß, prägt sich auch dem theologisch ungebildeten Gläubigen intensiv ein. In Streitgesprächen auf dem Markt oder am Arbeitsplatz konnten sie anhand solcher Formeln leicht ihren Glauben bekennen, ohne alle trinitätstheologischen Nuancen und Feinheiten zu verstehen. Ein weiteres Beispiel ist die doxologische Strophe80 des Hymnus Deus creator omnium. Im Unterschied zur heutigen liturgischen Praxis sind Doxologien als Hymnenschluss bei Ambrosius noch nicht obligatorisch: Christum rogamus et Patrem, Christi Patrisque Spiritum, unum potens per omnia; fove precantes, Trinitas. Christus bitten wir und den Vater, und den Geist Christi und des Vaters, als Einheit mchtig in allem; behïte die, die Dich bitten, o Dreifaltigkeit.
Doch Ambrosius kleidet auch andere dogmatische Aussagen in Verse. Im Hymnus Intende, qui regis Israel wird in der vierten Strophe81 die permanente Jungfräulichkeit Mariens82 thematisiert: Alvus tumescit virginis, claustrum pudoris permanet,
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namentliche Nennung heterodoxer Gruppierungen oder Positionen liegt in den Hymnen des Ambrosius nicht vor. Vgl. Biffi (2008). Vgl. zu diesem Hymnus den ausführlichen Kommentar bei Zerfass (2008), 9 – 131. Berühmt sind u. a. die Übertragungen von Martin Luther und Thomas Müntzer. Vgl. Schlißke (1948), 271 – 280 und Zerfass (2008), 140 – 147. Ambr. hymn. 5, 25 (ed. J. Fontaine, in: ders. [1992], 275. Vgl. Zerfass (2008), 118 f. Ambr. hymn. 4, 29 – 32 (ed. M. Perrin, in: Fontaine [1992], 239). Ambr. hymn. 5, 13 – 16 (ed. J. Fontaine, in: ders. [1992], 273. Vgl. Zerfass (2008), 99 – 104. Anders akzentuiert ebd., 101 die Bedeutung von claustrum pudoris permanet: »Insofern die Wendung claustrum pudoris im Hymnus auf die porta clausa von Ez 44 anspielt, dient sie nicht in erster Linie dem Preis der Keuschheit Marias – was nicht heißt, dass deren Funktion als Tugendideal damit nicht auch in den Blick käme –, sondern setzt einen christologischen Akzent: Sie verweist auf die bevorstehende Ankunft Gottes«.
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vexilla virtutum micant, versatur in templo Deus. Der Leib der Jungfrau nimmt zu, der Riegel der Scham verbleibt, die Banner der Tugenden strahlen hervor, Gott verweilt in seinem Heiligtum.
Im Hintergrund dieser Strophe83 könnten durchaus zeitgenössische Bestreitungen der virginitas in partu, also der Jungfräulichkeit Mariens während bzw. nach der Geburt, durch Jovinian84 und Bonosus stehen, die Ambrosius veranlasst haben könnten, eine dogmatische Klarstellung in seinen Weihnachtshymnus zu integrieren.85 Im Jahr 39386 hatte eine Mailänder Synode unter Ambrosius’ Vorsitz Jovinian verurteilt.87 Insgesamt deckt Ambrosius im Besonderen in den erhaltenen 788 Tagzeit- und Festzeithymnen ein durchaus beachtenswertes theologisches Spektrum ab, sowohl in einzelnen Formulierungen wie auch in der Gesamtkonzeption eines Hymnus: Im eben erwähnten Hymnus Intende, qui regis Israel wird z. B. die Menschwerdung Gottes aus der Jungfrau Maria besungen,89 im Hymnus Hic est dies verus Dei90 die Auferstehung Christi als Erlösungstat Gottes,91 der Hymnus Splendor paternae gloriae weist ein »klares trinitarisches Modell«92 auf; die übrigen Hymnen sind Märtyrern und Heiligen gewidmet, die den Gläubigen als Vorbilder vorgestellt werden,93 doktrinäre Aspekte treten hier indes zurück.94 83 Vgl. ebenso Ambr. hymn. 5, 5 – 8 (ed. J. Fontaine, in: ders. [1992], 273): Veni redemptor gentium / ostende partum virginis / miretur omne saeculum / talis decet partus Deum. 84 Vgl. zu Jovinian insgesamt Duval (2003). 85 Vgl. auch Ambr. hymn. 3, 21 – 24 (ed. J.-L. Charlet, in: Fontaine [1992], 213 mit Kommentar ebd. 223 f): Praetenta nuptae foedera / alto docens mysterio, / ne virginis partus sacer / matris pudorem laederet. 86 Vgl. zur Datierung der Synoden von Rom und Mailand, die früher meist in das Jahr 390 datiert wurden, M. Zelzer : CSEL 82, 3, CXXVIII und Duval (2003), 82. 87 Der Brief der Mailänder Synode (= Ambr. ep. extra collect. 15 [ed. Zelzer [1982], 302 – 311]) ist ein bestätigendes Antwortschreiben an Papst Siricius, der zusammen mit dem römischen Presbyterkollegium bereits zuvor Jovinian verurteilt hatte; vgl. Siricius, ep. 7 (ebd. 296 – 301). Vgl. zu beiden Synoden Duval (2003), 81 – 95. 88 Vgl. die thematische Gliederung der gemäß der communis opinio für echt befundenen Ambrosianischen Hymnen bei Franz (1994), 27. 89 Vgl. Biffi (2008), 122 f. 90 Ambr. hymn. 9 (ed. H. Savon, in: Fontaine [1992], 415 – 417). Vgl. den ausführlichen Kommentar bei Zerfass (2008), 211 – 299. 91 Vgl. Biffi (2008), 123 – 125. 92 Franz (1994), 381. Er vermutet ebd., dass Ambrosius »mit der confessio trinitatis, von der er in seinem sermo contra Auxentium spricht, speziell den Morgenhymnus Splendor paternae gloriae« meint. Schon Dreves (1893), 29 hatte diese Annahme geäußert. 93 Vgl. Biffi (2008), 125 – 129.
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Die wenigen Beispiele haben bereits die Unterschiede zu Hilarius aufgezeigt. Ambrosius’ Verse sind gefälliger, eingängiger,95 prägnanter als die elaborierten und sprachlich wie metrisch komplexen Hymnen von Hilarius. Ambrosius’ Hymnen integrieren verschiedene Aspekte der Glaubenslehre in die Tagzeitenliturgie,96 vermitteln sie in subtiler und eingängiger Weise den Gläubigen, ohne eine katechetische Intention auffällig in den Vordergrund zu rücken, und verzichten auf jede Polemik, während Hilarius’ Hymnus Ante saecula qui manes sich durchgängig einer einzigen Thematik widmet und diese in komplexer Sprache und anspruchsvoller Gedankenführung behandelt. Ambrosius’ einfache und zugleich wirkungsvolle Formgebung dürfte dazu geführt haben, dass dieser trotz Hilarius’ zeitlicher Priorität zum eigentlichen Begründer der lateinisch-christlichen Hymnik geworden ist.
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Einen anderen Ansatz als Hilarius und Ambrosius verfolgt Augustinus in seinem abecedarischen Psalmus contra partem Donati,97 einem Streitgedicht gegen die Donatisten,98 eine in Nordafrika in großer Konkurrenz zur katholischen Kirche 94 Im Hymnus Amore Christi nobilis, der dem Apostel Johannes gewidmet ist, wird in der 5. Strophe und Vers 1 der 6. Strophe der Beginn des Johannesevangeliums zitiert. Ambr. hymn. 6, 17 – 20 (ed. J. Fontaine, in: ders. [1992], 315 mit Kommentar ebd. 326 – 328): In principio erat Verbum / et Verbum erat apud Deum / et Deus erat Verbum, hoc erat / in principio apud Deum / Omnia per ipsum facta sunt. 95 Aug. vit. beat. 35 (Green [1970], 85) berichtet, dass seine Mutter den Hymnus Deus creator omnium auswendig kannte: Hic mater recognitis uerbis, quae suae memoriae penitus inhaerebant, et quasi euigilans in fidem suam uersum illum sacerdotis nostri: ›foue precantes, trinitas‹, laeta effudit atque subiecit. Vgl. Franz (2000), 19: »Dies ist sicherlich auch für viele andere Gemeindemitglieder vorauszusetzen, bedenkt man, dass einige Hymnen täglich, und das Woche für Woche, Jahr für Jahr, wiederholt wurden«. 96 In der Alten Kirche stellt in der Regel das Morgen- und Abendgebet den täglichen Gottesdienst dar, an dem auch Laien teilgenommen haben. Vgl. mit Belegen Stadlhuber (1949), 162 – 176. Vgl. zur mailändischen Tagzeitenliturgie Taft (1986), 141 – 143; Franz (1994), 129 – 146 (Abendhore); 363 – 388 (Morgenhore); 459 – 469 (Mittagshore). Ebd. 478 – 482 liegt eine Zusammenstellung der wichtigsten ambrosianischen Texte zur Tagzeitenliturgie vor. 97 Aug. psalm. c. Don. (ed. Anastasi [1957], 44 – 70). Eine deutsche Übersetzung findet sich bei Geerlings (1994), 44 – 65, eine französische mit Einleitung, Anmerkungen und einer Bibliographie bei Congar / Finaert (1963). Ein weiteres erhaltenes Beispiel für diese Gattung ist ein antiarianischer abecedarischer psalmus des Fulgentius von Ruspe, der sich Augustinus’ Psalm zum formalen wie stilistischen Vorbild genommen hat. Kritische Edition: A. Isola (ed.), Fulgenzio di Ruspe. Salmo contro i vandali ariani, Torino 1983. Vgl. Fuhrer / Juckel (2008), 1076. Der älteste fragmentarisch erhaltene abecedarische Psalmus in lateinischer Sprache wurde in einem ägyptischen Papyrus des 4. Jahrhunderts gefunden; er ist aber nicht polemischer Natur, sondern preist die Heilstaten Christi. Vgl. Speyer (1967) und Herzog (1989).
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stehende Glaubensgemeinschaft, deren Anhänger selbst polemische Psalmen99 verfassten, die jedoch nicht erhalten sind. Es handelt sich also nicht um einen Hymnus im eigentlichen Sinn, bei dem Aspekte wie Lobpreis, Danksagung und Bitte im Vordergrund stehen. Augustinus selbst nennt als Intention seines Psalms, dass er die ›Sache der Donatisten‹ (causam Donatistarum) gerade ungebildeten Volksschichten zur Kenntnis bringen und in ihr Gedächtnis einprägen wollte.100 Im Unterschied zu Ambrosius und Hilarius, die die eigene Glaubenslehre, nicht aber Positionen von Gegnern darlegen, behandelt Augustinus primär Entstehung und Glaubenspraxis der Donatisten und setzt sich mit ihnen und ihren Vorwürfen gegen die katholische Kirche polemisch101 auseinander. Der psalmus dient der Information und Unterweisung der Gläubigen und soll sie vermutlich auf Auseinandersetzungen mit Donatisten vorbereiten. Eine verwandte Methodik und Formgebung liegen den von Ephraim (Ap[h]rem) verfassten Madrasche (Madra¯sˇe¯ ; Singular : Madra¯sˇa¯) zu Grunde, polemischen Liedern, in denen verschiedene namentlich genannte heterodoxe Positionen bekämpft werden.102 Als unmittelbares Vorbild für solche lateinischen Psalmi dienten in Nordafrika vermutlich jedoch zeitgenössische abecedarische Psalmen in punischer Sprache,103 einem im spätantiken Nordafrika 98 Vgl. zu Ursprung und Geschichte der donatistischen Bewegung mit weiterführender Literatur Frank (2002), 267 – 272. 99 Vgl. Aug. ep. 55, 18, 34 (ed. Goldbacher [1895], 209): (…) ita ut Donatistae nos reprehendant, quod sobrie psallimus in ecclesia divina cantica prophetarum, cum ipsi ebrietates suas ad canticum psalmorum humano ingenio compositorum quasi ad tubas exhortationis inflamment; Praedest. 1, 44 (ed. PL 53, 601): (…) qui (sc. Parmenianus) per totam Africam libros contra nos conficiens et novos psalmos faciens circumibat (…). Beim sogenannten ›Praedestinatus‹ handelt es sich um eine anonym überlieferte Zusammenstellung verschiedener Häresien, die Arnobius d. J. oder Julian von Eclanum zugeschrieben wird. Vgl. Geerlings (2002), 588 f und Dekkers (1995), nr. 243. 100 Aug. retract. 20, 1 (ed. Mutzenbecher [1984], 61): Volens etiam causam Donatistarum ad ipsius humillimi vulgi et omnino inperitorum atque idiotarum notitiam pervenire et eorum, quantum fieri per eos posset, inhaerere memoriae, psalmum, qui eis cantaretur, per latinas litteras feci (…). 101 Neben der polemischen Absicht möchte Augustinus vermutlich auch ein Ende der gegenseitigen Schuldvorwürfe herbeiführen. Vgl. Geerlings (1994), 41. 102 Im Mittelpunkt der antihäretischen Lieder Ephraims stehen Markion, Bardaisan und Mani, aber auch die Astrologie. Sie bestehen aus verschiedenen, von einem Solisten vorgetragenen Strophen, auf die ein vom Chor gesungener Kehrvers folgt. Kritische Edition: E. Beck (ed.), Des Heiligen Ephraem des Syrers Hymnen Contra haereses, Louvain 1957 (CSCO 169 / Syr. 76); deutsche Übersetzung: ebd. 170 / Syr. 77. Darüber hinaus hat Ephraim vier Lieder gegen Kaiser Julian verfasst, die die gleiche Form aufweisen. Kritische Edition: E. Beck (ed.), Des Heiligen Ephraem des Syrers Hymnen De paradiso und Contra Julianum, Louvain 1957, 71 – 91 (CSCO 174 / Syr. 78); deutsche Übersetzung: ebd. 175 scr. Syr. 79, 64 – 86. Vgl. Baumstark (1922), 39 – 41 und Fuhrer / Juckel (2008), 1081 f. 103 Vgl. Aug. in psalm. 118 enarr. 32, 8 (edd. Dekkers / Fraipont [1956], 1776): Quod multo diligentius factum est, quam nostri vel latine vel punice, quos abecedarios vocant psalmos, facere consueverunt.
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noch lebendigen und verbreiteten semitischen Idiom.104 Der augustinische psalmus besteht aus einem Proömium von 5 Strophen, auf das 20 Strophen von je 12 Versen folgen, zwischen die jeweils ein vom Volk gesungener Kehrvers, das sogenannte hypopsalma, eingeschoben wird. Die Strophen beginnen mit den Buchstaben A–V, während die Buchstaben X–Z durch eine Art Epilog vertreten werden, der 30 Verse umfasst. Hatte Ambrosius sich noch an der quantitierenden Metrik orientiert, die nach klassischer Tradition die Längen und Kürzen von Wörtern beachtet, löst sich Augustinus bewusst davon: An die Stelle des quantitierenden Prinzips der griechisch-römischen Poesie tritt zumindest ansatzweise – zum ersten Mal in der lateinischen Dichtung fassbar – ein akzentuierendes, das in anderer Gestalt105 als bei Augustinus für die Dichtung des Mittelalters106 bedeutsam werden sollte; jeder Vers besteht aus 16 Silben, die durch eine Zäsur in zweimal 8 Silben aufgeteilt sind.107 Augustinus selbst begründet den Verzicht auf die traditionelle Metrik damit, dass ihn der metrische Zwang (necessitas metrica) nicht dazu zwingen soll, weniger gebräuchliche, d. h. den einfachen Gläubigen unbekannte Worte (quae vulgo minus sunt usitata), zu verwenden:108 »Der Psalmus ist also offensichtlich die geeignete (u. einzige) Form der Lehrdichtung für ein nicht 104 Vgl. zur Verbreitung der punischen Sprache im spätantiken Nordafrika Röllig (1980), 297 f; Demandt (2007), 372. Vgl. zu Augustinus’ Verhältnis zur punischen Sprache Green (1951). 105 Vgl. zur Umgestaltung quantitierender Versmaße in akzentuierende Klopsch (1972), 7 – 27 und Norberg (2004), 81 – 129. 106 Rose (1926) sieht Augustinus als unmittelbaren Vorläufer der akzentuierenden Dichtung, während Klopsch (1972), 7 mit Hinweis auf die regionale Beschränktheit und die geringe Erhaltungsquote bestreitet, dass »der nicht quantitierende Vers des Psalmus (…) den Weg markieren (könne), der von der quantitierenden Dichtung zur akzentuierenden geführt hat«. 107 Vgl. zur rhythmischen Gestalt Luiselli (1966/67), wo sich ebd. 29 Anm. 1 weitere Literatur findet. Dass sich Augustinus einen akatalektischen trochäischen Oktonar als unmittelbares Vorbild genommen hat, wie Crusius / Rubenbauer (1955), 131; Luiselli (1966/67), 33; ders. (1982/87), 73f u. a. annehmen, wird bestritten. Vgl. etwa Klopsch (1972), 5 f. 7: »Der Vers ist nicht metrisch (non aliquo carminis genere) gebaut, aber auch eine Beziehung zwischen Wortakzent und Versiktus ist nur insofern exakt greifbar, als am Ende jedes Halbverses die vorletzte Silbe einen Wortakzent trägt, oder, anders ausgedrückt, das Schlusswort Paroxytonon, nicht Proparoxytonon ist. (…) Diese Unempfindlichkeit gegenüber dem Wortakzent erklärt sich am zwanglosesten aus dem psalmodierenden Vortrag dieses Gedichtes. (…) Wegen der engen Verhaftung mit der semitischen Psalmendichtung bleibt für die Herleitung von Augustins Vers aus dem trochäischen Oktonar kaum Platz, um so weniger, als dieser nur als Bühnenvers geläufig gewesen ist«. Vgl. ähnlich Norberg (2004), 131 f und Fuhrer / Juckel (2008), 1075: »Die Verse sind nicht metrisch gebaut (…) u. lassen sich auch nicht auf den akatalektischen trochäischen Oktonar zurückführen (…), sondern auf syrische Tradition der Madra¯ˇsa¯-Dichtung«. 108 Aug. retract. 20, 1 (ed. Mutzenbecher [1984], 61): Ideo autem non aliquo carminis genere id fieri volui, ne me necessitas metrica ad aliqua verba, quae vulgo minus sunt usitata, compelleret.
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literarisch gebildetes Publikum«.109 Ebenso dürfte auch der ›Quantitätenkollaps‹, d. h. der weitgehende Verlust des Empfindens für Längen und Kürzen, so dass diese mühsam gelernt werden mussten, zu Augustinus’ Verzicht auf klassische metrische Strukturen beigetragen haben, zumal er sich in seinem Psalmus an bildungsferne Schichten wendet.110 Zur Eingängigkeit trägt neben der Verwendung von Endreimen111 auf -e bzw. -ae auch der für die semitischem Denken entstammende Gattung ›Psalm‹ typische Parallelismus der einzelnen Aussageglieder bei. Es scheint unwahrscheinlich, dass dieser Psalmus unmittelbar in der Stundenliturgie oder Eucharistie verwendet wurde. Am ehesten wird man ihn in Gemeindeversammlungen vermuten können, die vielleicht im Vorfeld liturgischer Feiern oder im Anschluss daran abgehalten worden sind.112
6.
Zusammenfassung
Man könnte weitere Beispiele für Hymnen oder andere liturgische wie außerliturgische poetische Formen finden, in denen Aspekte der Glaubenslehre in die Form von Liedern gebracht wurden, auch wenn den Dichtungen nicht unbedingt polemische Absichten zugrunde liegen. Erwähnt sei aus weit späterer Zeit die berühmte, vermutlich113 von Thomas von Aquin verfasste Fronleichnamsse109 Fuhrer / Juckel (2008), 1075. 110 Vgl. Aug. doctr. christ. 4, 10, 24 (ed. Martin [1962], 122 f.): Cur pietatis doctorem pigeat imperitis loquentem, ossum potius quam os dicere, ne ista syllaba non ab eo, quod sunt ossa, sed ab eo, quod sunt ora, intellegatur, ubi Afrae aures de correptione vocalium vel productione non iudicant. Offenbar haben die Bewohner des römischen Nordafrikas den Unterschied zwischen o˘s, o˘ssis (Knochen) und o¯s, o¯ris (Mund) nicht mehr beachtet, so dass Augustinus sich dafür ausspricht, dass ein Prediger, um Missverständnisse zu vermeiden, statt os, ossis besser die Nebenform ossum, ossi verwenden solle. Vgl. zum ›Quantitätenkollaps‹ Klopsch (1972), 3 f.; Stotz (1996), 4 f. mit weiterer Literatur in Anm. 3; Tagliavini (1998), 183 – 189. 111 Vgl. Luiselli (1966/67), 49 – 59. 112 Der ›institutionelle‹ Rahmen des psalmus contra partem Donati bedarf noch weiterer Klärung. Dass dieser nicht Bestandteil einer liturgischen Feier war, scheint aufgrund seiner polemischen Intention sehr wahrscheinlich zu sein. In Aug. ep. 213 (ed. Goldbacher [1911], 372 – 379) liegt das Protokoll einer ›Gemeindeversammlung‹ vor, in der Augustinus seinen Nachfolger Heraclius den Gläubigen vorstellte. In ep. 139, 1 (ed. Goldbacher [1894], 148 f.) äußert Augustinus den Wunsch, die Akten des karthagischen Religionsgespräches von 411 in der Kirche von Hippo vorlesen zu lassen: Gesta, quae promisit praestantia tua (sc. Marcellinus [Vorsitzender des Religionsgespräches von 411]), uehementer expecto et in ecclesia Hipponiensi iam iamque cupio recitari ac, si fieri potuerit, per omnes ecclesias etiam in dioecesi constitutas (…). Man kann vermuten, dass derartige ›Informationsveranstaltungen‹ im Umkreis liturgischer Feiern abgehalten worden sind. Hierher könnte auch der augustinische psalmus gehören. 113 Vgl. zur Frage der Verfasserschaft des Fronleichnamsoffiziums durch Thomas von Aquin Lambot (1942) und Gy (1980).
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quenz Lauda Sion salvatorem – in der deutschen Version unter dem Titel ›Deinem Heiland, Deinem Lehrer‹ bekannt –, gleichsam ein Lehrgedicht, das die katholische Eucharistielehre in rhythmischer, gereimter Dichtung präzise und eingängig zugleich verkündet. Neben lateinischen Beispielen gibt es aber seit der Neuzeit auch volkssprachliche; erinnert sei an reformatorische Lieder,114 wie z. B. ›Ein feste Burg ist unser Gott‹,115 die von katholischer Seite116 nicht unbeantwortet blieben. Anhand dreier Beispiele wurden unterschiedliche Konzeptionen von Hymnen bzw. Liedern vorgestellt, in denen die Verfasser auf je eigene Weise ihren Gläubigen theologisch-doktrinäre Postionen unterbreiten und in aktuellen Auseinandersetzungen Stellung beziehen. Unmittelbare Polemik findet sich nur bei Augustinus. Das Augenmerk richtet der Bischof von Hippo in seinem wahrscheinlich außerliturgischen Psalmus contra partem Donati auf die Information des einfachen Volkes über donatistische Positionen und Argumente sowie ihre explizite Zurückweisung. Die einzelnen Strophen werden vorgesungen; abgesehen von einem Kehrvers (hypopsalma) bleibt das Volk in der Rolle des Zuhörers. Hilarius legt im Hymnus Ante saecula qui manes die nizänische Christologie in anspruchsvoller Form und Diktion dar, wobei er auf eine Darstellung der arianischen Gegenposition verzichtet, diese also implizit zurückweist. Vermutlich bereits Hilarius, sicher jedoch Ambrosius erkennt die didaktischen Möglichkeiten des Volksgesanges, integriert die Hymnen in die Tagzeitenliturgie und verbindet so die kultische mit der katechetischen Dimension; im Lob Gottes vollzieht sich zugleich die Aneignung grundlegender theologischer Lehraussagen durch die Gemeinde, so dass wie bei Hilarius die Schilderung heterodoxer Positionen keinen Raum findet. Im Unterschied zu diesem verwendet der Mailänder Bischof eine einfache metrische Form, bemüht sich um eingängige und prägnante Formulierungen und wird so zum »Vater des Kirchengesangs« im Westen. Während Hilarius und Ambrosius noch den metrischen Gestaltungselementen der griechisch-römischen Antike folgen, lehnt sich Augustinus im Verzicht auf quantitierende Metrik an Strukturen semitischer Dichtung an, um so auch bildungsferne Schichten zu erreichen. Insgesamt dürften die Beispiele gezeigt haben, dass liturgische wie außerliturgische Hymnen und Lieder in den Glaubensstreitigkeiten der Alten Kirche eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für eine breitenwirksame Propagierung doktrinärer
114 Vgl. Berger / Pfannmüller (1938) und Seibert (2007). 115 Vgl. Schlißke (1948), 77 – 110. Vgl. auch ebd. 11 – 124 das Lied Martin Luthers ›Ein neues Lied wir heben an‹, in dem er nach Art eines Märtyrerliedes das Schicksal zweier junger Augustinermönche schildert, die 1523 in Brüssel aufgrund ihres Eintretens für die lutherische Lehre hingerichtet worden sind. 116 Vgl. Moser (1981).
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Positionen und theologischer Identitätsbildung besaßen, auch wenn nur ein Bruchteil der altchristlichen Produktion erhalten ist.
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Kann man Christus verdauen? Die theologische Deutung des Abendmahls als Thema eines hochmittelalterlichen Streitgedichts
Der Streit ist der Vater aller Dinge. Insbesondere dort, wo neue Bewegungen entstehen, seien sie politischer, sozialer oder religiöser Natur, ist die streitende Auseinandersetzung mit dem Anderen, dem Konventionellen, dem Etablierten, eine unvermeidbare Erscheinung. Diese Beobachtung gilt zweifellos auch für das Christentum, welches insbesondere in seinen ersten Jahrhunderten eine – positiv ausgedrückt – äußerst lebendige, um Ideen und Einfluss ringende Streitkultur ausgebildet hat. Wie für jede Bewegung, so trifft auch auf diese die grundsätzliche Beobachtung zu, dass sich der Streit als ein Zweifrontenkrieg präsentiert: Zum einen musste sich das Christentum, vor allem in seiner ersten Phase, gegen konkurrierende Religionen und Ideologien abgrenzen; zum anderen hatte es sich intern zu sortieren und ein einheitliches, in der Gemeinschaft akzeptiertes dogmatisches Fundament zu gewinnen. Schon die Bücher des Neuen Testaments, und hier etwa die Apostelgeschichte oder die Paulus-Briefe, bieten zahlreiche Beispiele für derartige Streitigkeiten, die anfänglich mit den Mitteln des Arguments und der Polemik, bei zunehmender Stabilisierung der römischen Kirche jedoch auch mit existentiellen Sanktionsmaßnahmen (Lehrverbote, Schweigegebote, Exilierungen, Hinrichtungen) ausgetragen worden sind. Zu den heißesten Eisen der zweitausend Jahre alten christlichen Streitkultur gehört die Bewertung des Abendmahls.1 Während des Mittelalters sind für die dauerhafte Belebung dieses Streits vor allem zwei Personen verantwortlich: Paschasius Radbertus (gest. vermutlich 865),2 welcher den sog. Ersten Abendmahlsstreit ausgelöst hat, und Berengar von Tours (ca. 1000 bis 1088), der für den Zweiten Abendmahlsstreit verantwortlich zeichnet. Von Interesse ist hier zunächst der Erstgenannte: Als Paschasius im Jahre 832 seinen mit patristischen Zitaten gesättigten Traktat De corpore et sanguine domini veröffentlicht, erntet er zwar anfänglich heftigen Widerspruch unter den führenden Theologen seiner 1 Vgl. einführend Hödl (2002), 22 – 27 (mit umfassenden Literaturangaben). 2 Zu Person und Werk vgl. Brunhölzl (1975), 369 – 379.
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Zeit (Ratramnus von Corbie, Gottschalk von Orbais und Hrabanus Maurus), in späteren Jahrhunderten gewinnt er jedoch ein durchaus hohes Ansehen.3 Zu den zahlreichen mittelalterlichen Handschriften, welche das Werk überliefern, zählt auch ein heute in der Turiner Nationalbibliothek unter der Signatur E V 37 aufbewahrter Pergamentcodex aus dem späten 12. Jahrhundert,4 welcher zahlreiche theologische Kommentare, Dialoge, Predigten, glossierte Teile der Bibel, Kirchenvätersentenzen, einen Brief des Hieronymus, die sog. Formula honestae vitae des Martin von Bracara sowie Briefe von Anselm von Canterbury, Petrus Damiani und Petrus Venerabilis enthält.5 Dort findet man auf fol. 150(147)r – 186(183)r den Traktat des Paschasius.6 Hierauf folgt auf fol. 186(183)r – 187(184)v, eingeleitet durch die Überschrift Sententie de corpore et sanguine Christi Andreae apostoli, eine Sammlung patristischer Sentenzen und Aussagen (Ambrosius, Hieronymus, Fulgentius, Gregor d. Gr. und Augustinus) zum Sakrament der Messe. Ihr hat derselbe Schreiber auf fol. 187(184)v – 190(187)v – gleichsam als kommentierendes Parergon – ein Poem inseriert, welches ausdrücklich an die Prosa anknüpft und einzelne ihrer Gedanken aufgreift.7 Es handelt sich um ein bisher unbekanntes und unediertes theologisches Dialoggedicht von 170 Hexametern,8 in dem zwei Figuren mit Namen Aecclesia und Ventiloquus (bzw. Ventilocus) den Streit um das rechte Verständnis des Abendmahls in poetischer Form austragen. Nach einem kurzen, den Leser einstimmenden Prolog des Autors (vv. 1 – 7) beginnt eine Wechselrede: Ventiloquus erhebt gegen die Lehre von der Verwandlung des Brotes in den Leib Christi den Einwand, man dürfe doch wohl kaum annehmen, dass das lebendige Fleisch Gottes von den Zähnen der Gläubigen zermahlen werde (vv. 8 – 10). Aecclesia widerlegt diesen Einwand, indem sie darauf hinweist, dass das Fleisch Christi unverletzlich sei (vv. 11 – 13). Ventiloquus bemerkt nun, es sei eine unwürdige Vorstellung, dass Christus in die stinkenden Mägen der Menschen gelangen könne (vv. 14 f.). Ihn widerlegt Aecclesia mit der Feststellung, die Reinheit Christi lasse sich nicht beflecken oder zerteilen (vv. 16 – 18). Hier glaubt Ventiloquus einen weiteren Ansatzpunkt entdeckt zu haben: Während des Abendmahls werde aber doch der Leib Christi zerteilt (v. 19)! Aecclesia weist auch diesen Einwand zurück: Wenn der unteilbare Christus den Eindruck erzeugen wolle, dass er geteilt werde, dann sei dies selbstverständlich möglich. Er werde jedoch nur scheinbar, nicht tatsächlich zerstückelt (vv. 20 – 24). Ventiloquus erhebt Widerspruch: Wenn das so aussehe, dann sei es auch so (v. 25)! 3 4 5 6 7 8
Pascasius Radbertus (1969). Vgl. Pasinus (1749), 239 f.; dortige Signatur: Lat. 746. Vgl. Sorbelli (1922), 79 f. , Nr. 776. Vgl. Pascasius Radbertus (1969), XVII. Sorbelli (1922), Nr. 23. Inc. His ita transactis. Der Text wird nicht verzeichnet bei Walther (21969) und Bertalot (1985).
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Aecclesia widerlegt unter Zuhilfenahme naturwissenschaftlicher Beobachtungen auch diesen Einwand: Der äußere Anschein und die Realität seien keineswegs immer deckungsgleich. Daher bleibe Christus ganz, auch wenn er scheinbar zerteilt werde (vv. 25 – 39). Als Ventiloquus diese Argumente nicht akzeptiert (vv. 41 – 43), betont Aecclesia erneut, dass sich die menschlichen Sinne täuschen ließen. Außerdem stehe Gott außerhalb der humanen Erfahrungswelt. Die Abendmahlsfrage sei somit eine des Glaubens, nicht des Diskutierens (vv. 44 – 63). Ventiloquus spricht nun einen weiteren Aspekt an: Man könne doch beobachten, dass das Brot, der vermeintliche Leib Christi, dem Prozess des Schimmelns und Verderbens ausgesetzt sei (v. 64). Aecclesia stellt jedoch auch hier heraus, es handele sich um eine Sinnestäuschung, mit der Gott bestimmte Absichten verbinde (vv. 65 – 74). Hierauf bringt Ventiloquus einen weiteren Einwand vor : Das geweihte Brot werde mitunter sogar von Mäusen angenagt (v. 75). Empört weist Aecclesia eine solche Beobachtung ebenfalls als Wahrnehmungsstörung zurück; vielmehr schütze ein Engel das Brot vor den gefräßigen Tieren (vv. 76 – 81). Ventiloquus wendet sich nun der Frage der Verdauung zu: Alles, was dem Magen zugeführt werde, müsse durch den Darm wieder ausgeschieden werden. Eine solche Behandlung sei aber Christi unwürdig (vv. 82 – 84). Aecclesia widerspricht: Das Brot und der Wein würden zwar gegessen bzw. getrunken und somit vom menschlichen Körper aufgenommen, aber nicht durch den Darm wieder ausgeschieden, so wie ja auch andere Körpersäfte durch die Haut, den Mund oder die Nase austreten könnten (vv. 85 – 102). Ventiloquus bringt daraufhin eine neue Frage vor: Wie sei es jemandem, der sonst nichts esse oder trinke, möglich, so oft am Abendmahl teilzunehmen, ohne die aufgenommenen Elemente wieder auszuscheiden (vv. 103 – 106)? Aecclesia korrigiert, es gehe lediglich darum, dass die Ausscheidung nicht über den Darm erfolge. Sofern dennoch eine Verdauung auftrete, werde diese durch die Aufnahme anderer Speisen oder durch Gewichtsverlust, d. h. etwa durch den Abbau von Fettpolstern, ausgelöst (vv. 107 – 112). Ventiloquus sieht hier einen logischen Fehler: Es gebe doch zahlreiche Beispiele für Personen, die sich über einen langen Zeitraum ausschließlich vom Brot und Wein des Abendmahls ernährt und einen normalen Stuhlgang gezeigt hätten, ohne an Gewicht verloren zu haben (vv. 113 – 117). Hiergegen wettert Aecclesia: Jeder Rechtgläubige wisse, dass das Brot auf dem Altar in Christi Leib verwandelt werde! Damit erklärt sie diesen Punkt für abgeschlossen. Doch vielleicht habe Ventiloquus noch weitere Fragen (vv. 118 – 129)? Tatsächlich bleibt dieser hartnäckig: Gemäß augustinischer Lehre sei das Sakrament des Abendmahls symbolisch zu verstehen. Wenn es sich aber so verhalte, könne es sich doch bei dem Brot keinesfalls um das echte Fleisch Christi handeln (vv. 130 – 135). Aecclesia zeigt sich empört: Da Christus selbst als Symbol gelte, könne auch sein Fleisch so interpretiert werden. Man
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müsse dazu verstehen, dass Christus das Leben und Schicksal eines jeden Christen symbolisiere. Nicht nur sein Wort, sondern auch sein Leib stehe für den Körper der Aecclesia (hier spricht diese also über sich selbst). So wie das in den Leib Christi verwandelte Brot aus vielen Getreidekörnern hergestellt werde, bestehe auch die Kirche aus vielen Völkern (vv. 136 – 170). – Nach dieser langen Unterweisung zeigt sich Ventiloquus endlich überzeugt (v. 170). Damit endet der Text. Das aus einem kurzen Prolog (vv. 1 – 7), einer ausführlichen, zum Teil heftig geführten Altercatio (vv. 8 – 129) und einem didaktischen Schlussmonolog (vv. 130 – 170) bestehende Werk lässt sich eindeutig dem Genre des Streitgedichts zuordnen, welches seit karolingischer Zeit eine literarische Tradition ausbildet und sich im hohen Mittelalter großer Beliebtheit erfreut.9 Aufgrund seines Gegenstands gehört der vorliegende Text dem seit der Jahrtausendwende dokumentierten Typus des »theologisch-dogmatischen Streitgedichts« an, zu dem auch die berühmte Ecloga Theoduli und die Synodus des Warner von Basel zählen.10 Anders als in vielen Streitgedichten findet man im vorliegenden Text jedoch keinerlei bukolische Elemente, keinen locus amoenus oder Natureingang.11 Der Dichter entwirft keine Szene, die beiden Streitenden werden nicht in ihrem Äußeren beschrieben, sondern man vernimmt lediglich ihre Stimmen. Im Gegensatz zu vielen anderen Streitgedichten tritt hier auch kein Richter auf, kein Schiedsrichter, keine objektivierende Instanz, die am Ende das Ergebnis des Disputs verkünden könnte.12 Diese Aufgabe übernehmen vielmehr die beiden Streitenden selbst. Interessant ist das wechselseitige Verhältnis der beiden Dialogpartner : Anders als in der weithin bekannten Ecloga Theoduli, in der die Figuren Pseustis und Alithia zunächst als ebenbürtig erscheinen,13 sind Aecclesia und Ventiloquus offenkundig keine gleichwertigen Gegner. Während in vielen anderen Streitgedichten um Rang und Vorrang debattiert wird (so etwa zwischen Wasser und Wein, Bier und Wein, Winter und Sommer, Tag und Nacht, Mann und Frau), ist die Vorrangstellung der Aecclesia unmittelbar evident, wenngleich über ihre Person nahezu nichts gesagt wird. Doch das Wenige, das gesagt wird, genügt bereits: Sie ist ein »unverrückbarer Berg« (firmus mons; v. 7), d. h. eine Person, deren theologischer Standpunkt durch nichts zu erschüttern ist. Innerhalb der hochmittelalterlichen Tradition jenes Typus des Streitgedichts, in dem Vertreter
9 Zur Gattung vgl. Walther (1984); Schmidt (1993); Stotz (1999) (verzeichnet 46 Texte); Manitius 3 (1931), 944 – 963; Reinink / Vanstiphout (1991) (mit guter Bibliographie XI-XX). 10 Vgl. Walther (1984), 93 – 105. 11 Vgl. Stotz (1999), 169 f. 12 Vgl. Stotz (1999), 177 f. 13 Vgl. Ecloga Theoduli (1997).
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der Weltreligionen und der paganen Philosophie miteinander diskutieren, ist sie als literarische Figur fest etabliert.14 Ventiloquus wird vom Autor deutlicher profiliert: Bereits sein sprechender Name, welchen man mit »Windbeutel« oder »Schwätzer« wiedergeben kann, ist Programm.15 Der Leser weiß somit schon am Anfang des Textes, welche Figur in der Debatte den Sieg davontragen wird. Denn in Anbetracht der augustinischen Lehre einer Identität von res (significatum) und nomen (signum) wäre es undenkbar, dass eine Person, die den Namen Ventiloquus trägt, den Streit gewinnen könnte. In ähnlicher Weise wird auch dem Leser der erwähnten Ecloga Theoduli bereits am Beginn signalisiert, dass jene Figur, welche Pseustis, d. h. »Lüge«, genannt wird, im Konflikt mit der Wahrheit unterliegen muss. Der Autor des vorliegenden Gedichts begnügt sich jedoch nicht mit einem solchen Namenspiel, sondern steuert bereits im Prolog die Sympathien des Lesers: His ita transactis, contra clare patefactis, Ventilocus ridens, tot testibus atque resistens Erigitur fastu, dum fallere nititur astu, Cornibus immobilem minitans euoluere montem, Sed multis risum dederit spectantibus illum. Iamque placet metris perstringere, cum quibus armis Aeclesiae firmus mons Ventiloquum mutilabit. (vv. 1 – 7)
Ventiloquus wird hier als eine Person beschrieben, die sich den offenkundigen Fakten (contra clare patefactis) und einer Fülle autoritativer Zeugnisse (tot testibus)16 widersetzt und sie belächelt (ridens). Die Figur ist somit schon in den ersten drei Versen in ihrer Glaubwürdigkeit herabgesetzt. Weitere Elemente treten hinzu: Ventiloquus schwingt sich zu einem arroganten Besserwisser auf (Erigitur fastu) und arbeitet bei seiner Argumentation offenbar mit sophistischen Tricks (fallere nititur astu). Auch versucht ihn der Autor lächerlich zu machen, indem er ihn als ein vernunftloses Wesen darstellt, das einen unbeweglichen Berg zu versetzen,17 d. h. jene eingangs so charakterisierte Aecclesia zu widerlegen versucht. Der Dichter fügt hinzu, dass Ventiloquus wegen dieses 14 Vgl. z. B. den Dialogus inter Synagogam et Ecclesiam; hierzu Walther (1984), 103 f. 15 Zum Wort vgl. Blaise (1975), 950 (einziger Stellennachweis bei Johannes von Salisbury, Policr. 7, 21, c. 695 D). 16 Gemeint sind die patristischen Zitate, welche sich in der Turiner Handschrift vor und hinter dem Gedicht befinden. 17 Vgl. Hebr 12, 20: non enim portabant quod dicebatur et si bestia tetigerit montem lapidabitur. Ex 19, 12 – 13: omnis qui tetigerit montem morte morietur / manus non tanget eum sed lapidibus opprimetur aut confodietur iaculis sive iumentum fuerit sive homo non vivet. Vgl. auch Ps 74, 11: et omnia cornua impiorum confringam. Durch diesen biblischen Verweis wird Ventiloquus auch als häretisch und gottlos charakterisiert. Nur der rechte Glaube versetzt Berge: Vgl. I Cor 13, 2: et habuero omnem fidem ita ut montes transferam.
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Versuchs ausgelacht werde. – Der Dummkopf ist somit nicht nur unsympathisch, verbohrt und überheblich, sondern innerhalb der Gemeinschaft auch vollkommen isoliert. Man darf ihn und seine theologische Position verspotten. Damit tritt eine weitere Instanz ins Blickfeld, welche für die Inszenierung des Streits wesentlich ist: Der Text bietet zwar keinen Schiedsrichter auf, jedoch ein Publikum, das durch sein Lachen bereits im Vorfeld den Ventiloquus abstraft und seine Ansichten verwirft. Auf diese Weise ist zumindest implizit bereits zu Beginn ein Urteil gesprochen. Der Dichter beschränkt sich nun darauf, die Debatte poetisch nachzuzeichnen (v. 6) und zu zeigen, wie Aecclesia ihren Gegner zerfetzen wird (mutilabit; v. 7). Es liegt in der Natur der literarischen Form, dass der Ausgang des Streits nicht offen sein kann, sondern vom Autor vorherbestimmt wird. Wer hier im wörtlichen Sinne ›das Sagen hat‹, lässt sich bereits aus dem Umfang der Wortbeiträge erschließen. Anders als in der Ecloga Theoduli, in der die beiden Protagonisten jeweils exakt gleich lange Reden von jeweils vier Versen halten, sind im vorliegenden Gedicht die Gewichte ungleichmäßig verteilt: Während der Aecclesia insgesamt 133 Verse zugestanden werden, erstrecken sich die Beiträge des Ventiloquus lediglich auf 30 Hexameter. Während erstere ihre Position in belehrender Weise vorbringen und ausführlich erläutern darf, muss sich letzterer auf die Rolle des Zweiflers und lästigen Bedenkenträgers beschränken (vgl. v. 129: scrupulus), welcher lediglich einige isolierte Einwände und Gegenargumente vorbringen kann. Dem Autor des Textes liegt es zweifellos fern, die dogmatische Gegenposition angemessen wiederzugeben; vielmehr wird diese dem Leser nur gefiltert und verzerrt präsentiert. Weil Aecclesia im Verlaufe des Textes immer mehr in die Rolle der Lehrerin schlüpft, welche einen bornierten Schüler zu unterrichten sucht, nähert sich das Streitgedicht auf texttypologischer Ebene dem Lehrgedicht an. Ventiloquus hat zwar formal gesehen das letzte Wort (Nichil exstat uerius isto; v. 170), doch beschränkt sich dieses auf eine argumentative Kapitulation. Aecclesia hat triumphiert. Der Charakter der Debatte offenbart sich insbesondere in der je unterschiedlichen Art des Argumentierens: Ventiloquus tritt als der nüchtern denkende, aufgeklärte und rationale Naturbeobachter auf. Er verweigert sich dem Imperativ des Glaubens und glaubt nur an das, was er sieht und was sich durch experimentelle Erfahrung belegen lässt. Zwar zitiert er auch Augustinus und akzeptiert ihn als Autorität (vv. 130 – 132), doch verlässt er sich ausschließlich auf die Schlüssigkeit einer Argumentation. Einige programmatische Formulierungen mögen dies unterstreichen. So sagt er : Si uideatur, et est (v. 25). – Der Ventiloquus vertraut nur seinen Sinnesorganen. Nichil est manifestius isto (v. 43). – Er akzeptiert das Prinzip der Evidenz. Hoc habeo ratum, scio sepe fuisse probatum (v. 113). – Erfahrungen sind Tatsachen, nur Beweise zählen. In seinem Skeptizismus erinnert Ventiloquus an den Apostel Thomas, der sich weigert, an
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die Auferstehung Jesu zu glauben, solange er seinen Herrn nicht sehen und befühlen kann.18 Hinsichtlich der im Gedicht behandelten theologischen Frage wird Ventiloquus zudem als ein Anhänger des Rationalisten Berengar von Tours gezeichnet: Panis sacratus sepe est figura uocatus Ex libris Augustini, doctoris opimi. A multis iterum sacramentum uocitatur. Quid sacramentum fertur, sacrum nisi signum? Ergo cum signum dicatur cumque figura, Iudico sic ecce: caro uera dei nequid esse. (vv. 130 – 135)
Nach Ansicht des Ventiloquus verwandeln sich Brot und Wein nicht substantiell in den Leib und das Blut Christi, sondern sie gewinnen durch die Weihe lediglich den Charakter eines symbolischen Sakraments, d. h. eines geheiligten Zeichens. Ein solches Zeichen kann und muss der Mensch nicht verdauen. Die Figur der Aecclesia schlägt den skeptischen Ventiloquus zunächst mit dessen eigenen Waffen: Sie führt zwar einige Bibelzitate an, doch versteht sie es auch, rational zu argumentieren. Ihre Sprache ist ebenfalls mit den Termini der Logik und der theologischen Disputation gesättigt.19 Auf die naturwissenschaftlichen Einwände ihres Gegners weiß sie naturwissenschaftlich zu antworten (z. B. vv. 26 – 40). Doch haben Logik und Naturbeobachtung ihre Grenzen: Nicht zufällig beschimpft sie ihren Gesprächspartner als oculorum … secutor (v. 44), d. h. als einen Menschen, der lediglich seinen Sinneseindrücken vertraut. Eben diese hält sie für nur begrenzt zuverlässig. Denn wer den falschen Glauben hat, lässt sich von seinen Sinnen täuschen: Qui cur errabant, nisi quod corde dubitabant? (v. 50). Und ähnlich: Intuitus mentis pellat, quicquid male sentis. / Sensus carnales excludant spirituales (vv. 53 f.). Wo Aecclesia befürchtet, dass die Mittel der Logik argumentativ unzureichend sein könnten, zieht sie sich auf axiomatische, d. h. unhinterfragbare theologische Wahrheiten zurück: Christum prae cunctis mirum tu scito creatis. In quem credendum properes, non discuciendum. Merces namque perit fidei, quae noscere quaerit Facta dei, quae scire rei non conuenit ulli Preter ei, cui, quae uult, spiritus indicat almus. Cui nos linquamus, quod non placet, ut capiamus. Cui nos posse demus, quod non penetrare ualemus.
(vv. 56 – 62)
18 Vgl. Io 20, 25: ille autem dixit eis nisi videro in manibus eius figuram clavorum et mittam digitum meum in locum clavorum et mittam manum meam in latus eius non credam. 19 Vgl. z. B. v. 25: inconueniens; v. 26: firmemus; v. 45: quae falli saepe probantur ; v. 108: concedimus atque probamus.
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Über gewisse Dinge darf man also nicht diskutieren, man muss sie einfach glauben (v. 57).20 Die Fähigkeit zum Erkennen und Wissen ist eine Gnade Gottes, die ein Mensch nicht erzwingen kann und die nicht jedem zuteil wird. Das Erkennen des grundsätzlich undurchschaubaren Wesens Gottes ist eine Offenbarung, nicht das aufzwingbare Ergebnis eines rationalen Denkprozesses. Wer sich einer solchen Auffassung widersetzt, verlässt die Gemeinschaft der Rechtgläubigen. – Es ist auffällig, dass die vordergründig rational argumentierende Aecclesia hier ausgesprochen polemisch und emotional auftritt: Dic mihi, dic, nequam, quis tale probauerit unquam? Nullus, crede mihi, catholicus ista probauit. Quis metuenda timens credendaque denique credens Tale probare nefas auderet uel cogitare? Non est curandum contingat quale nefandum Illius in missa, qui credulitate remissa Illud temptauit, quo Christus eum reprobauit. (vv. 118 – 124)
Die Sprache ist an solchen Stellen außerordentlich rhetorisch gefärbt.21 Aecclesia überzieht ihren ausschließlich rational und emotionslos agierenden Gegner mit übelsten Verleumdungen und Beschimpfungen: So spricht sie ihn als »gottlosen Herumtreiber« (Inprobe discursor; v. 44)22 an und droht ihm mit dem Tode: O maledicaris! Cur scandala tanta profaris? / Os, quod sic fatur, cicius cur non lapidatur? (vv. 76 f.). Ventiloquus wird insbesondere als ein verschlagener, die Logik missbrauchender Sophist verleumdet: O serpentine fallax pincerna sophie, / Respice sollerter, quantum sapis insipienter (vv. 136 f.). Die systemfremde Anwendung scholastischer Methoden auf Fragen des Glaubens ist somit eine Verdummung des Wissens. Das wissenschaftliche System erscheint hier als ein Feind des Glaubens und als Ausdruck einer fehlgeleiteten Rationalität. Naturwissenschaftliche Beobachtung und logisches Argumentieren sind zwar als hilfreiche Instrumente gestattet, doch sollen sie dem Glauben lediglich zum Sieg verhelfen und ihn nicht hinterfragen. Innerhalb des Abendmahlsstreits vertritt Aecclesia eindeutig die volkstümliche Position des Paschasius Ratbertus: Durch die Weihe verwandeln sich Brot und Wein in die Substanz von Fleisch und Blut Christi. Wer verfasst zu welcher Zeit und mit welcher Absicht ein solches Werk? Aus dem Prolog ergibt sich, dass eine Person, welche die in der Turiner Handschrift dokumentierte Kollektion patristischer Sentenzen zum Abendmahlsstreit und 20 So auch v. 94: Haec iterum legi, quae debent denique credi. 21 Vgl. auch die Exclamatio in v. 76. 22 Zu dieser Bedeutung vgl. Mittellateinisches Wörterbuch, s.v. discursor, 3: qui vagatur – Vagabund, ,Herumtreiber’.
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wohl auch den Traktat des Paschasius gelesen oder niedergeschrieben hat, unmittelbar zur Abfassung des Gedichts angeregt worden ist (His ita transactis, contra clare patefactis, / … / Iamque placet metris perstringere; vv. 1 u. 6). Da der im Turiner Codex überlieferte Text einige Fehler enthält und somit wohl kein Autograph darstellt, dürfte nicht etwa der Schreiber dieser Handschrift, sondern der Schreiber seiner Vorlage der Autor gewesen sein. Aus dem Umstand, dass das Gedicht angesichts des paläographischen Erscheinungsbildes wohl im späten 12. Jahrhundert in den Turiner Codex eingetragen worden ist, ergibt sich ein Terminus ante quem. Zum hohen Mittelalter passt auch die Verwendung der überwiegend binnenreimenden Hexameter.23 Der Text ist inhaltlich wohl kaum innovativ, sondern er reflektiert zeitgenössische Debatten und Traktate über das Wesen des Abendmahls (Hugo von St. Viktor, Petrus Lombardus). Bei der Analyse der Verse zeigt sich ferner, dass der Verfasser weder ein geschickter noch ein ambitionierter Dichter ist. Er macht keine Zugeständnisse an die poetische Form, sondern entscheidet sich im Zweifelsfall stets für die Präzision der inhaltlichen Aussage. Zwar findet man zahlreiche Verse mit zweisilbigen Reimen (unter ihnen grammatische und identische Reime), doch begegnen – wie in der Ecloga Theoduli – auch nicht wenige Assonanzen und einsilbige Reime (versus concinnantes).24 Zu vielen Versen ist dem Dichter zudem überhaupt kein Reim eingefallen.25 Lediglich an zwei Stellen begegnen dem Leser Endreime.26 Die Verse sind nicht weiter poetisch ausgestaltet; nur Vers 36 stellt einen Tripartitus dar. Die Idee, das brisante theologische Thema in so gestalteten Versen und mit verteilten Rollen abzuhandeln, kann nur durch die Kenntnis anderer hochmittelalterlicher Streitgedichte entstanden sein. Darüber hinaus könnte auch die Schrift des Paschasius Pate gestanden haben. Denn dieser hat sein Prosa-Werk durch ein akrostichisches, an Abt Warin von Corvey gerichtetes Gedicht eröffnet; zudem wird die Schrift in der Überlieferung von einem weiteren hexametrischen Widmungsgedicht flankiert, das Paschasius an Karl den Kahlen adressiert hat.27 Dichtung lag somit im wörtlichen Sinne nahe. Es ist dennoch das alleinige Verdienst des Autors, als primus inventor das Thema des Abendmahls in die poetische Tradition und speziell in das Genre des Streitgedichts eingeführt zu haben. 23 Man vergleiche hiermit die in demselben Versmaß komponierte und wohl im 13. Jahrhundert entstandene Altercatio inter virum et mulierem; ed. Schmidt (1991). 24 So in vv. 2, 4 – 6, 19 – 20, 24, 28, 34, 42 – 44, 52, 59, 65, 68, 78, 81, 83 – 85, 94, 96 – 97, 105 – 108, 114, 116 – 118, 120, 126, 131, 133 – 137, 142, 145 – 146, 150, 155 – 158, 161, 163, 165, 169. 25 So in vv. 7, 18, 23, 31 – 32, 36 – 38, 41, 47 – 49, 60, 63 – 64, 67, 69 – 75, 79 – 80, 82, 86 – 87, 89 – 92, 95, 98 – 103, 109 – 112, 115, 119, 125, 127, 129, 132, 138, 140 – 141, 160, 164, 166 – 168. 26 In vv. 18 – 19, 108 – 109. 27 Pascasius (1969), 1 f.
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Der Verfasser verschmäht jegliche Anspielung auf die antik-pagane Dichtung.28 Seine zentralen Referenzpunkte sind die Bibel, das Werk De civitate dei des Augustinus (Buch 10),29 welcher im Text explizit erwähnt wird (v. 131), ferner einige einschlägige patristische Sentenzen sowie der Traktat des Paschasius. Letzterem hat der Dichter nicht nur einzelne Gedanken und Formulierungen entnommen,30 sondern auch die Technik, einen fiktiven Kritiker Einwände vorbringen zu lassen.31 Der Hinweis auf scheinbar übernatürliche, d. h. wissenschaftlich unerklärbare Phänomene ist ebenfalls dort nachzulesen.32 Während jedoch Paschasius in seinem Traktat sowohl über das Blut als auch über den Leib Christi spricht, konzentriert sich der Dichter ganz auf den letzteren Aspekt und behandelt zudem nur sehr konkrete, physiologische Fragen. Da sich die Turiner Handschrift ursprünglich in der piemontesischen, bei Saluzzo gelegenen Zisterzienserabtei Staffarda befunden hat,33 ist es denkbar, dass es sich bei dem Autor um einen theologisch geschulten Mönch handelt. Dabei legen der Überlieferungsträger, der paläographische Befund, die literarische Gattung und die poetische Form eine Datierung in das 12. Jahrhundert nahe. Auch das Thema und seine spezifische Behandlung untermauern eine solche zeitliche Einordnung, da die systematische Nutzung der Logik ebenso wie der Naturbeobachtung ein Phänomen dieser Epoche ist. Insbesondere die Haltung des skeptischen Ventiloquus könnte man durch das – auf den als überheblich geltenden Logikfürsten Abaelard gemünzte – Motto des Intelligo, ut credam charakterisieren, während Aecclesia mit ihrem Hinweis auf die nicht vom Menschen erzwingbare, sondern nur vom Heiligen Geist individuell gewährte Offenbarung auf den spiritualistischen Spuren des Mystikers Bernhard von Clairvaux wandelt (der erste Abt des 1135 gegründeten Klosters Staffarda war im Übrigen ein Schüler Bernhards). Eine solche Imitatio der beiden großen Intellektuellen des Jahrhunderts zeigt sich auch in den ›charakterlichen‹ Profilen der literarischen Protagonisten: Einer puren Rationalität und logisch deduzierten Naturbeobachtung steht eine Kontamination aus Spiritualität, Rhetorik, Polemik und limitierter Rationalität gegenüber. Es ist vielleicht auch kein Zufall, dass sich das Wort ventiloquus innerhalb der hochmittelalterlichen Literatur zuerst in dem 1159 veröffentlichten Policraticus des Johannes von Salisbury nachweisen lässt. Dort behandelt der Autor in Buch 28 29 30 31 32
Die einzige Ausnahme bildet die Horaz-Anspielung in Vers 5. Augustinus (1955). Sie hierzu die Anmerkungen am Ende der nachstehenden Edition. So z. B. Pascasius (1969), VIII, 41: Sed fortassis ad haec caeca cogitatio dicit: … . Vgl. Pascasius (1969), XII, 78: Quae si quis non credit, impio deterior est, quia ille quod non didicit, approbare non potest, iste quod in multis cognouit contra naturam fieri, etiam in carne Christi non credidit. 33 Zum Kloster vgl. Cottineau (1939), 2, 3082; Schomann (1968) 8 – 18.
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7, Kap. 21, jene heuchlerischen und prinzipienlosen Geistlichen, die sich nur zur Förderung der eigenen Karriere in den Dienst der Kirche stellen, und lobt dagegen unter anderem die Zisterzienser : Cistercienses beati Benedicti, quem omnium iustorum spiritu plenum fuisse constat, praecepta et uestigia sequuntur ad unguem.34 Die Kirche sei über die genannten Heuchler und ›Verräter‹ sehr erbost, da sie ihrem Ansehen schweren Schaden zufügten: Cum uero istis Ecclesia indignetur, nulli omnino aequius commouentur quam uiri uere religiosi in quorum iniuriam haec omnia refunduntur. Succenset populus, sed religiosae professiones aduersus hanc hypocrisis labem iustius amaricantur. Non enim hoc fecisse dicuntur ypocritae sed Cistercienses aut Cluniacenses aut alii, quorum uentiloqui et uentriloqui habitum induunt et uitam mentiuntur. Nam claustrales qui plane uere religiosi sunt, dum professionibus seruiunt, ab hac malitia immunes sunt. Nulla uita fidelior, nulla simplicior, nulla felicior quam eorum qui in claustris humiliter degunt … .35
Und der Lobpreis klösterlichen Lebens gipfelt in dem Ausspruch: Cum uero philosophos imitari nostro tempore … sit arduum, uita claustralium uirtutem philosophorum incomparabiliter antecedit aut, quod melius crediderim, rectissime et tutissime philosophatur.36
Ein zisterziensischer Leser des Policraticus dürfte über diese Passage höchst erfreut gewesen sein. Es ist somit nicht auszuschließen, dass der Verfasser des vorliegenden Gedichts durch Johannes von Salisbury inspiriert worden ist, denn dieser befasst sich im siebten Buch intensiv mit dem neuen Typus des ventiloquus: Errant utique et impudenter errant, qui philosophiam in solis uerbis consistere opinantur; errant qui uirtutem uerba putant ut lucum ligna. Nam uirtutis commendatio consistit ab opere, et sapientiam uirtus inseparabiliter comitatur. Vnde constat quia illi, qui uerbis inherent, malunt uideri quam esse sapientes. Plateas circumeunt, terunt limina doctiorum, questiunculas mouent, intricant uerba, ut suum et alienum obducant sensum, paratiores uentilare quam examinare, si quid difficultatis emersit. Verentur tamen prodere imperitiam suam iactatores sapientiae nec amatores, et id quod nesciunt prauo pudore nescire quam quaerere et discere malunt; praesertim si assint alii, quibus notum arbitrentur, quod ipsi nesciunt. Fastum tamen eorum ferre non poteris; de omni materia loquuntur subito, diiudicant omnes, culpant alios, seipsos praedicant, iactant se inuenisse de nouo, quod tritum est ab antiquis et testimonio librorum per etates multas ad 34 Johannes von Salisbury, Policr., 7, 21, c. 692a; ed. Webb (1909 /1965), II, 192. 35 Policr. 7, 21, c. 695d, ed. Webb (1909 /1965), II, 199 f. 36 Policr. 7, 21, c. 696a, ed. Webb (1909 /1965), II, 200.
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tempora nostra perductum. Verba multiplicant ut saepe minus intellecti sint onere et multitudine uerborum quam rerum difficultate.37
Johannes attackiert hier zwar vordergründig nur jene Personen, die sich durch den Einsatz ihrer rhetorischen Fähigkeiten persönliche Vorteile zu verschaffen suchen, ein monastischer Leser des späten 12. Jahrhunderts kann diese Passage jedoch auch als Generalattacke auf universitäre ›Pseudo-Philosophen‹, akademische ›Windmacher‹ und sophistische Logik-Professoren interpretieren, die es wagen, Glaubenswahrheiten in Frage zu stellen oder auch nur einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Der Policraticus kann mühelos als Steilvorlage für eine fundamentale Kritik der Zisterzienser an dem neuen Intellektuellentypus Pariser Couleur missverstanden werden. Darüber hinaus mag die ausgesprochen physiologische Argumentationsweise, welche die Figur des Ventiloquus im Streitgedicht zeigt, eine verzerrende Parodie der sich von Salerno aus verbreitenden Medizinalwissenschaft sein. Der Umstand, dass der Dichter seine Figuren und deren theologische Positionen so ungleichmäßig gewichtet und hierdurch eindeutig Partei ergreift, zeigt zur Genüge, mit welcher Ernsthaftigkeit der Streit offenbar auch außerhalb der literarischen Sphäre geführt wird. Anders als die Ecloga Theoduli, in der sich die christliche Wahrheit (Alethia) mit einem zwar literarisch noch existenten, gleichwohl machtpolitisch schon seit Jahrhunderten abgewickelten antik-paganen Mythos (Pseustis) auseinandersetzt, schildert der vorliegende Text einen aktuellen, erbittert geführten und für die Teilnehmer im Extremfall sogar existentiellen Streit und keine Scheindebatte. Das durch Berengar von Tours aktualisierte dogmatische Problem ist viel zu umstritten, als dass sich der Dichter irgendwelche Zugeständnisse an die Gegenseite oder auch nur Anflüge von Humor erlauben könnte. Das in der Verkleidung eines Streitgedichts auftretende doktrinär-didaktische Poem gestattet keine ergebnisoffene Diskussion (non discuciendum; v. 57), sondern soll vor den Augen des Lesepublikums ausschließlich die Superiorität der einen Seite demonstrieren, vor der die andere am Ende kapitulieren muss. Darin zeigt sich der entscheidende Vorteil des literarisch und poetisch inszenierten Streits: Während eine im realen Leben geführte Debatte stets die Gefahr in sich birgt, einen unvorhergesehenen und unerwünschten Ausgang zu nehmen, verfügt ein Autor im literarischen Medium des Streitgedichts über die totale Planungssicherheit und Kontrolle des Ablaufs. Am Besten beginnt man nur dann einen Streit, wenn man dessen Ausgang bereits kennt.
37 Policr. 7, 12, c. 662a, ed. Webb (1909 /1965), II, 136 f.
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His ita transactis, contra clare patefactis, Ventilocus ridens, tot testibus atque resistens Erigitur fastu, dum fallere nititur astu, Cornibus immobilem minitans euoluere montem, Sed multis risum dederit spectantibus illum. Iamque placet metris perstringere, cum quibus armis Aeclesiae firmus mons Ventiloquum mutilabit. Ventiloquus: Numquam credatur, quod Christus dente prematur. Christus enim uiuit, quaecumque quidem caro uiuit. Quantum ledatur, tu scis, si dente teratur. Aecclesia: Passibilis non est caro, quam iam credula plebs est. Ex quo surrexit, nichil in se debile uexit. Sic non ledetur caro, que numquam pacietur. Ventiloquus: Humanus uenter sordet, fetet uehementer. Est nimis indignum sordentia tangere Christum. Aeclesia: Paulus testatur : Caro Christi non maculatur Tangens inmunda (nam mundis omnia munda). Est Christus persona manens indiuidualis. Ventiloquus: Sed cibus altaris partitur diuidualis. Ecclesia: Si libeat Christo partiri, sic sine dampno, Ne moriatur, ne minuatur, ne paciatur. Non est, crede, nefas, quia, quicquid ei placet, est fas, Siue deus non diuiduus non diuidier uult. Partiri fertur, cum partiri uideatur. Ventiloquus: Si uideatur, et est. Ecclesia: Quod ais, inconueniens est. Quod firmemus: Visus sub flumine remus Apparet fractus, redit integer inde retractus. Non igitur sequitur fieri, quodcumque uidetur. Rursus corde nota: non est plus hostia tota Quam, quod pars fertur. De manna nempe refertur : Qui plus colligit , non repperit amplius illo, Qui modicum legit. Sic est in corpore Christi. In toto totus, in particula quoque totus, Totus et in celis, sic credere ne pigriteris. His si dissentis, addo: Vox ecce loquentis Insimul integra, per loca plurima transit ad aures.
38 Die Graphie der Handschrift wird beibehalten, lediglich die e-caudata ist aufgelöst. Die Namen der beiden Sprecher sind im Codex nicht immer präzise platziert; sie werden in der folgenden Edition an den jeweils passenden Ort gestellt.
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Omne quod intrat in os, ut ait, qui fallere nescit, In stomacum uadit, quod post secessibus exit. Est minus indignum secessum tangere Christum. Ecclesia: Iste cibus non egeritur, quamuis comedatur. Non dubium: Christus, postquam surrexerit, edit. Hospitibus, licet angelicis, Abraham dedit esum. A quo doctorum fertur digeri cibus horum? Utque cybus corruptibilis non attigit anos, Cum fuit incorruptibili gustatus ab ore, Sic cybus incorruptibilis non senserit anos, Cum fuerit corruptibili gustatus ab ore. Sic ego iam legi, sed si tibi non satis egi: Haec iterum legi, que debent denique credi. Corporeae pars grossior et corruptior esce Egeritur sola per guttura posteriora. Quantula pars esce subtilior utiliorque Fit caro, fit sanguis, non stercus olens neque minctus. Per poros gracilis pas, sed minus utilis exit Et pars non tantum subtilis inutiliorque Non solum buccae, sed nasi tramite transit. Non, quicquid capit os, per posteriora recedit. Ventiloquus: Si multi panes, si plurima uina sacrentur, His stomacho fulto poterit quis tempore multo Viuere, non aliunde bibens, aliud neque mandens? Hic mihi responde, secessus senserit unde. Ecclesia: Si libeat Christo quem pascere tempore longo Hoc sacramento, concedimus atque probamus. Sed digeri per posteriora profecto negamus. Interea quecumque digestio fiet ab illo, Aut erit ex reliquis escarum preteritarum Aut erit ex carnis defectibus aut aliunde. Ventiloquus: Hoc habeo ratum, scio sepe fuisse probatum Panibus his pastos solitis secessibus usos Non ex preteritis escis iam tempore longo Consumptis neque de carnis defectibus ullis, Pristina pinguedo quoniam manet et ualitudo. Ecclesia: Dic mihi, dic, nequam, quis tale probauerit unquam? Nullus, crede mihi, catholicus ista probauit. Quis metuenda timens credendaque denique credens Tale probare nefas auderet uel cogitare? Non est curandum contigat quale nefandum Illius in missa, qui credulitate remissa Illud temptauit, quo Christus eum reprobauit. Scimus enim panem carnem fieri super aram Non apud errantes, sed apud sub corde fatentes, Quod Christi corpus fiat substantia panis. His ita collatis satis, ut reor, enucleatis
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Thomas Haye Si quis adhuc tibi scrupulus est, edissere nobis. Ventiloquus: Panis sacratus sepe est figura uocatus Ex libris Augustini, doctoris opimi. A multis iterum sacramentum uocitatur. Quid sacramentum fertur, sacrum nisi signum? Ergo cum signum dicatur cumque figura, Iudico sic ecce: caro uera dei nequid esse. Ecclesia: O serpentine fallax pincerna sophie, Respice sollerter, quantum sapis insipienter. ‘Stirps erat ex Iesse stans in signum populorum.’ Hoc qui dicebat, de Christo nonne canebat? Cumque patris genitus sit prorsus idem genitori, Paulus nonne loquens Hebreis dixerat illum Esse patris doxam, splendorem nonne figuram? O male scrutator, male verborum trutinator! Virgine cum natus sit nempe figura uocatus Cumque uocet signum doctrina prophetica Christum, Dicito, cur dici nequeat signum caro Christi? Sana censura cur non queat esse figura? Sed ne causa necis sapor huius sit tibi fecis, Cuius sit signum Christus, puto dicere dignum, Clarius ut cernas, in corpore qualiter erras, Cernas et discas et discendo resipiscas. Dum Christus degit in terris, omne, quod egit, Signum praeclarum sit uitae Christicolarum. Virgine matre satus, qui tollit ab orbe reatus, Est signum cunctos sacro baptismate lotos, Virginis ecclesie de sacro uentre renatos. Nouimus in Christo nostrum crescente crementum. Ipse quidem crucifixus, mortuus atque sepultus Iam praesignauit, iam nobis significauit, Vt nostram baiulando crucem mundo moriamur. Percurras itidem, quecumque peregerit idem: Nobis in signum ponuntur cuncta benignum. Cumque deum Christum, uerbi quem dico magistrum, Corporis aecclesiae signum sis credulus esse, Eiusdem proprium corpus de uirgine sumptum Corporis aecclesiae signum sis credulus esse. Namque suum corpus cum panem nuncupet ipse Pluribus ex granis et panis conficiatur, Indicat ecclesiam populis ex pluribus unam. Ecce gradum sisto. Ventiloquus: Nichil exstat uerius isto.
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Anmerkungen: 4] Vgl. Hebr 12, 20: non enim portabant quod dicebatur et si bestia tetigerit montem lapidabitur. Ex 19, 12 – 13: omnis qui tetigerit montem morte morietur / manus non tanget eum sed lapidibus opprimetur aut confodietur iaculis sive iumentum fuerit sive homo non vivet. Vgl. auch Ps 74, 11: et omnia cornua impiorum confringam. I Cor 13, 2: et habuero omnem fidem ita ut montes transferam. 5] Vgl. Horaz, ars 5: spectatum admissi risum teneatis, amici. 11 quam iam credula plebs est] Zu ergänzen: esse; die Form credula est wird hier verwendet wie credit. 16] Vgl. Hebr 9, 14: quanto magis sanguis Christi qui per spiritum sanctum semet ipsum obtulit inmaculatum Deo emundabit conscientiam vestram ab operibus mortuis ad serviendum Deo viventi. Vgl. Cor 6, 17: et inmundum ne tetigeritis. 18 – 19] Vgl. Paschasius Radbertus, De corpore et sanguine domini, cap. II, (Pascasius (1969), 23): … quia, licet ab omnibus Christi caro et sanguis cotidie comedatur, ipse tamen agnus uiuus et integer permanet. 25 ais] korrigiert aus ait. 26 tibi] Konjektur Haye; der überlieferte Vers ist unvollständig. 31 – 32] Vgl. Ex 16, 18: nec qui plus collegerat habuit amplius nec qui minus paraverat repperit minus. 31 colligit] Nach Korrektur. 31 hoc] Konjektur Haye; der überlieferte Vers ist unvollständig. 39 spiritum] Konjektur Haye; spiritus Hs. 41 per] Hier als Länge gemessen. 42 aprobo] Konjektur Haye; aprbro Hs. (b mit Kürzungszeichen); der überlieferte Vers ist unvollständig. 44 discursor] Konjektur Haye; discurror Hs. 44 oculorum caece secutor] Konjektur Haye; oculorum ecce sequitor Hs.; das überlieferte oculorum ecce ist mit dem Makel eines Hiats behaftet; sequitor ist nicht belegt. 46 – 47] Vgl. Io 20, 14 – 15: et vidit Iesum stantem et non sciebat quia Iesus est / dicit ei Iesus mulier quid ploras quem quaeris illa existimans quia hortulanus esset dicit ei. 48 – 49] Vgl. Mt. 14, 24 – 27: navicula autem in medio mari iactabatur fluctibus / erat enim contrarius ventus / quarta autem vigilia noctis venit ad eos ambulans supra mare / et videntes eum supra mare ambulantem turbati sunt dicentes quia fantasma est. 50 corde] Die letzte Silbe als Länge gemessen. 60] Vgl. Io 3, 8: Spiritus ubi vult spirat. 67 – 68] Vgl. Anmerkung zu vv. 46 f.; vgl. Lc 24, 18: tu solus peregrinus es in Ierusalem. 74 credit] Konjektur Haye. Das Wort in der Handschrift nicht lesbar. 80] Vgl. Paschasius Radbertus, De corpore et sanguine domini, cap. VIII, (Pascasius (1969), 43): Ceterum de angelorum praesentia dubitare omnino non debes. 86] Vgl. Lc 24, 30: accepit panem et benedixit et fregit. 87] Vgl. Gn 18, 1 – 8. 88] Grammatisch ungelenk formuliert. 93 – 94] Offenbar nur ein genereller Hinweis auf das Abendmahlsschrifttum. 96 Egeritur] Korrigiert aus Erigitur.
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98 olens] Konjektur Haye; solens Hs. 99 pars] Konjektur Haye; pas Hs. 103 uina] Konjektur Haye; uicia Hs. 103 sacrentur] Korrigiert aus sacrantur. 107 Si libeat Christo] Vgl. Paschasius Radbertus, De corpore et sanguine domini, cap. I, (Pascasius (1969), 17): … prorsus omnia in uoluntate Dei esse. 113 ratum] Paenultima als Länge gemessen. 119 crede mihi] mihi crede vor der Korrektur. 121 uel] Über der Zeile nachgetragen. 122 contingat] Konjektur Haye; contigat Hs. 126 apud sub corde fatentes] Eine gewagte grammatische Konstruktion. 130 – 131] Nicht bei Augustinus; vgl. jedoch Paschasius Radbertus, De corpore et sanguine domini, cap. I (Pascasius (1969), 14 f.): Et quia uoluit licet figura panis et uini haec sic esse, omnino nihil aliud quam caro Christi et sanguis post consecrationem credenda sunt. Vgl. außerdem ausführlich De corpore et sanguine domini, cap. IV (Pascasius (1969), 28 – 30) (das Sakrament als figura). 133 – 134] Vgl. Augustinus, De civitate dei, X 5: Sacrificium ergo visibile invisibilis sacrificii sacramentum id est sacrum signum est. (Augustinus (1955), 277). Ebd. X 20: Huius veri sacrificii multiplicia variaque signa erant sacrificia prisca sanctorum, cum hoc unum per multa figuraretur … (Augustinus (1955), 294). 138] Is 11, 10: in die illa radix Iesse qui stat in signum populorum. 140 – 141] Vgl. Hbr 1, 3: qui cum sit splendor gloriae et figura substantiae eius portansque omnia verbo virtutis suae. 163 quem] Konjektur Haye; quod Hs. 163 magistrum] Vgl. Mt 23, 10: quia magister vester unus est Christus. Io 20, 16: conversa illa dicit ei rabboni quod dicitur magister. 164] Vgl. v. 166 (es liegt jedoch keine Doublette vor). Zum Inhalt vgl. Augustinus, De civitate dei, X 20: Cuius rei sacramentum cotidianum esse voluit ecclesiae sacrificium, quae cum ipsius capitis corpus sit, se ipsam per ipsum discit offerre. (Augustinus (1955), 294). 166] Vgl. v. 164. 167] Vgl. Mt. 26, 26: Cenantibus autem eis accepit Iesus panem et benedixit ac fregit deditque discipulis suis et ait accipite et comedite hoc est corpus meum. 167 – 169] Vgl. Augustinus, De civitate dei, X 6: Hoc est sacrificium Christianorum: ‘multi unum corpus in Christo’. (Augustinus (1955), 279). Vgl. Rm 12, 5: ita multi unum corpus sumus in Christo. Vgl. I Cor 10, 16 – 17: nonne participatio corporis Domini est / quoniam unus panis unum corpus multi sumus omnes quidem de uno pane participamur. Vgl. Paschasius Radbertus, De corpore et sanguine domini, cap. X (Pascasius (1969), 66): Nam omnes novimus, quod panis unus ex multis naturaliter granis efficitur.
Kann man Christus verdauen?
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Leidulf Melve
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Introduction Ten years ago, Philippe Buc launched the by far harshest criticism against a field of research that had thrived immensely over the preceding decades. By naming his book The Dangers of Ritual, Buc attacked the ritualistic reification of the social fabric; ritual was everywhere and determined every facet of social reality, in particular with regard to rules for interaction and conflict resolution. Buc also emphasised the difficulties in gaining access to rituals – since they come to us through texts – leading him to question whether rituals actually were performed or whether they only were depictured ceremonies.1 In spite of this criticism, the ten years that have passed have confirmed the importance of ritual in medieval culture. The pioneering research by Karl Leyser, Gerd Althoff, Hagen Keller and others,2 which mainly dealt with the Ottonian and early Salian periods, has been extended geographically as well as chronologically.3 Still, there are good reasons for not letting Buc’s warning completely out of sight. If rituals are considered the structural dominant of medieval society, there is a real danger not only of rendering the Middle Ages into an example of the anthropological ›primitive 1 Buc (2001), 4: Ultimately, there can be no anthropological readings of rituals depicted in medieval texts. There can only be anthropological readings of (1) medieval textual practices or perhaps (2) medieval practices that the historian has reconstructed using texts, with full and constant sensitivity of their status as texts. See also the debate with Geoffrey Koziol (Koziol (2002); Buc (2007)). 2 Karl Leyser is one pioneering figure in this respect, accentuating the extent to which the relative stability of Germany in the ninth and tenth centuries was conditioned upon the acceptance on the part of the aristocracy of certain unwritten rules and prescriptive values; see Leyser (1994). Other important contributions from the 1970s include Cheyette (1970) and White (1978). In the 1980s, the perspective was enlarged, not only chronologically – dealing with for instance the Carolingian period – but also geographically, including primarily French material; see contributions in Davies / Fouracre (1986). Still, the 1990s was probably the heyday of this new approach, important representatives of which are Gerd Althoff, Hagen Keller, Timothy Reuter, Stephen White, and Patrick Geary. 3 See for instance Reuter (2001); Hyams (2003); Weiler (2003); Dalewski (2008).
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society, but also of excluding other structures imperative to the functioning of the social fabric – for instance those relying on texts. With this in mind, I hope to provide a fresh look at some of these questions, the main emphasis being on the relationship between face-to-face performance and textual derived argument. More in detail, by looking at five cases of assembly deliberation,4 I hope to provide a glimpse behind the closed doors of assembly politics – into the sphere that Gerd Althoff has termed colloquium secretum.5 While we know quite a lot of the ›public‹, or demonstrative, phase, it has been much more difficult to come to terms with the ›secret‹ phase, largely due to the scarcity of sources.6 Still, some descriptions do exist – as evidenced by the following five cases. The first case takes us to the Investiture Contest and deals with the negotiation between the papal and the royal party at Gerstungen in 1085. The second case is also from the Investiture Contest and the attempts to reach a solution to the struggle at the synods of Mouzon and Mainz in 1119. The third case deals with the trial against Abelard from around 1140, whereas the trial against Gilbert of Poitiers in 1148 constitutes a fourth case. The fifth and last case brings us to England in the 1160 s, to the Becket controversy, and to the royal council at Northampton in October 1164.
Gerstungen, 1085 The negotiation at Gerstungen in 1085 is a rare exception to the dearth of sources with regard to assemblies.7 The historical context is of some importance, taking place as it did in the heated period in the wake of the second excommunication of King Henry IV in 1080 and the fierce polemical campaigns of the first half of the decade. The papal initiatives at resolving the struggle in the late 1070 s were replaced by a hardening of the fronts and a further escalation of the conflict in the first half of the 1080 s. In 1085, the royal party seems to have the upper hand, reflected in the coronation of Henry as emperor in Rome in 1084 by anti-pope Clement III.8 On the other hand, the death of the reform Pope Gregory VII in 1085 left the papal party in disarray. Still, a decade or so of fierce struggle had left 4 For the lack of a better term, ›assembly‹ will be used to denote the variety of gatherings concealed beneath the Latin terms placitum, curia, colloquium, conventus, concilium, synodus, magiscampum, and exercitus; see Reuter (2006), 195. On the question of terminology, see also Barnwell (2004), 3; Vollrath (1985), 24 – 27; Cubitt (1995), 4 – 6; Bak / Lukin (2004), 95 – 113. 5 Althoff (1997). 6 Reuter (2006), 200: …what we should think of as full accounts of assemblies are much rarer than one might think. 7 Robinson (1978), 91 remarks that the treatise contains the most extensive discussion of the contemporary councils as symbols of the unity of the Church. 8 On the anti–pope, see Ziese (1982); Heidrich (1984).
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its mark on both sides, reflected in new attempts at conflict resolution in the latter half of the 1080 s – the assembly at Gerstungen being one of these. The most thorough description of the assembly, that in the Liber de unitate ecclesiae conservanda,9 starts by presenting the historical context of the gatherings, before turning – in almost documentary fashion – to the assembly deliberation: Then, finally, with consent of the bishops of both sides, it was decided that this drawn-out struggle, that had been impossible to terminate by means of the sword, was to be settled by means of books; and this particularly pleased laymen, whose blood had been spilled in great battles. Furthermore, it also meant that the originator of the wars against King Henry had to admit that the just cause lay where the victory was; this is so because such a verdict of truth, that can easily be seen from books [ex libris agnoscitur], can neither be deceived nor deceive [non possit vel falli vel fallere].10
This introductory passage is important for its depiction of the text – or books. The use of books is staged as a new approach to conflict solution, replacing the traditional means – by means of the sword. Furthermore, by this staging, the written word achieves additional authority ; according to the author, the resorting to books guarantees the truth and thereby suppresses the subjectivism associated with party allegiance.11 The Gerstungen convention is then outlined, with a particular emphasis on the so-called exceptio spolii argument: And he [Conrad of Utrecht] told…that he would point out and read a certain chapter from the decrees of the Roman popes […] anyone who is despoiled of his property or forced away from his property by the use of force cannot be accused, summoned, led to trial, or judged before all that has been removed has been restored, along with his property right with all its privileges […] When Archbishop Gebhard of Salzburg – who presented the case of the opposing party because of his great honour, his age, his knowledge of scripture and his eloquence – fell silent [obmutuisset], then Werner of Merseburg asked where in the canons the issue of women was addressed. And Wezilo [of Mainz] gave him the book and said »See and read the passage for yourself, and you will see that it also applies to the other sex […]« All the bishops of 9 For an analysis of the treatise with references to relevant literature and sources, see Melve (2007), 423 – 550. 10 Ideoque tandem aliquando constitutum est, consentientibus utrinque episcopis, ut causa longae concertationis, quae non possit confici gladiis, terminaretur libris, laetantibus admodum laicis, quorum sanguis effusus est tot praeliis, quod ad hoc perventum sit, ut per ipsos auctores belli contra regem Henrichum decerni debeat, quod ibi iustitia sit, unde victoria fuerit, cum tale iudicium veritatis, quod facillime ex libris agnoscitur, non possit vel falli vel fallere (Liber de unitate de ecclesiae conservanda (1984), 442). 11 For an analysis of the use of the written word at Gerstungen, see Suchan (1997), 144 – 5, 179 – 85, noting that the lack of mediator in the period after 1080 opened the door for the written word as a basis for adjudication.
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the opposing party then became so confused [confusi] and defeated [devicti] that they were not able to respond, and the victory remained with the church of God, and the mouth of the liar then became quiet.12
If the introductory passage staged the authority of the book, the following lines exemplify the complex relationship between performance and textual derived argument. The so-called exceptio spolii notion is at the centre of attention, offering a reasoned case for the fact that the excommunication of the king was not valid. The basic premise for this use of the pseudo-isidorean exceptio spoliinotion – stating that anyone despoiled of his property cannot be led to trial – is that King Henry actually was despoiled of some of his property, as a consequence of the civil war in the mid 1070 s. At this point, the author introduces a performative element which serves to confirm the argument; by referring to how the bishops of the opposing party not only became confused and felt defeated, but also that they failed to provide counter-arguments – they became quiet – the author, to great effect and without ad hominem rhetoric, uses symbolic communication in order to validate a text. The example of Gerstungen also provides an opportunity to address the weight of textual derived argument in the subsequent public debate on the exceptio spolii. A number of polemics in the post-Gerstungen period included the exceptio argument, and the royal party was represented by the encyclical of anti-pope Clement III from 1089, as well as our main source, the mentioned Liber de unitate. The writings defending the papal understanding of the exceptio spolii-notion included the Annalista Saxo and the Annales Magdeburgenses, the report of the synod at Quedlinburg, an encyclical issued by Odo of Ostia concerning the Gerstungen negotiations, and the polemic of Bonizo of Sutri. What is noticeable with these contributions is that the performative aspect of the initial presentation at Gerstungen vanishes. The emphasis is solely on the argument, attesting to processes of objectivisation and intellectualisation. For 12 Et dixit ad Wezelinum Moguntinae ecclesiae episcopum, ut surgeret et legeret capitulum quoddam ex decretis Romanorum pontificum […] quomodo rebus suis aliquis expoliatus aut a sede propria vi aut terrore pulsus non potest accusari, vocari, iudicari aut damnari, antequam omnia sibi ablata ex integro restituantur et cum omni privilegio suo ius proprium reformetur […] Ad haec cum obmutuisset Gebehardus Salzburgensis ecclesiae archiepiscopus, qui causam adversae partis erat acturus, ut pote apud suos maxime vel ipsa senectute sua vel scientia scripturarum sive eloquentia reverendus, tum quidem intulit Werinherus Merseburgensis ecclesiae episcopus, ubi in canonibus scriptum esset aliquid eiusmodi de mulieribus? Et Wezelinus archiepiscopus porrigens eis librum: »Ecce«, inquit, »ipsi legite consequens huius rei testimonium, quomodo huic quoque sexui oporteat iustum iudicium fieri […].« Tum omnes adversae partis episcopi ita sunt confusi et ita devicti, ut non haberent, quid ad haec respondere possent, manente apud ecclesiam Dei victoria, quoniam obstructum est os loquentium iniqua (Liber de unitate de ecclesiae conservanda (1984), 444).
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instance, Odo of Ostia – the later Pope Urban II – provides a threefold answer.13 First, Odo accuses the royal party of a lack of intellectual honesty because of their failure to name the author of the book in question, namely Pseudo-Isidore.14 Furthermore, according to Odo, the opposing party not only misinterpreted the sentence, but also mutilated and twisted it in support of the imperial cause.15 Based on a contextualised reading of Pseudo-Isidore, the opponents’ interpretation is refuted because the passage refers to bishops only ;16 the king, as a layman, could not be included in a canon-law ruling pertaining only to bishops. Odo’s third refutation is related to the authoritative value of Pseudo-Isidore, emphasising that Pseudo-Isidore does not belong in this debate, pending on the fact that the book is rarely used in such instances.17 This brief look at the relationship between performativity and argument highlights three interrelated points. First, it shows the difficulties in reconstructing performance (including ritualised performance) from textual evidence; we do not know how much, if anything, of the performance the author of the Liber de unitate included for rhetorical effect. As such, it is possible that this description of the proceedings at Gerstungen says more about how an author in the 1090 s wanted his audience to comprehend the incident. Second, if we take the outline as presenting a relative accurate picture of the negotiation, it accentuates the difficulties, if not the impossibility, of delineating performance and argument into neat categories; not only is performance involved in the initial staging of the authority of books as well as the presentation of the exceptio spolii argument. In addition, the author’s reference to how the papal party became quiet is an example of how symbolic communication validates text – or in this case, an interpretation of a text. Third, on account of the performative aspects that after all circumscribe the negotiation, it comes as a bit of a surprise that the subsequent public debate focusing on the exceptio spolii argument lacks this performative dimension. Rather, the stress is solely on scrutinising the argument, hence investing a degree of objectivity into the deliberation. In a wider perspective, this difference between the initial presentation of the argument and the objectivising and intellectualising tendency in the ensuing public 13 For a general outline of Odo’s approach, see Becker (1964), 70. Cowdrey (1998), 238 characterises the reply as a powerful ad hominem riposte that was eagerly read by Odo’s own party, but probably not persuaded many who had embraced Wezilo’s interpretation. 14 Odo of Ostia (1950), 377. 15 Id ipsum tamen, quod ab eis prolatum est, ex quadam Isidori sententia, sicut post patuit, ad sue partis adiumentum intorserunt. Nos autem utrumque suo ordine exponimus, et qualiter ab Isidoro eadem sententia scripta sit, et qualiter ab illis falsata ad subversionem audientium (Odo of Ostia (1950), 377 – 8). 16 … quod specialiter de episcopis dictum est… (Odo of Ostia (1950), 378). 17 …quod illa Isidori dicta non de excellentioribus illis auctoritatibus sunt ac proinde minus usitata et magis ignota (Odo of Ostia (1950), 378).
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debate attests to the force of the written word to instigate a critical tenor, deemphasising the subjective factors and their links to performativity.
Mouzon and Mainz, 1119 Thirty years after Gerstungen, the Investiture Contest had moved into its last phase, leading up to the Concordat of Worms in 1122.18 This is the historical context of the synods of Mouzon and Mainz in October 1119, namely attempts to reach a solution to the conflict which now had raged for half a century. Hesso of Reims’s Relatio de concilio Remensi offers the best description. The author, a »papal supporter and not unbiased«,19 might have written the Relatio on commission for the papal legate, Wilhelm of Champeaux, bishop of Chlons.20 As will be seen, Hesso distinguishes between three quite distinct phases in the process of conflict resolution – 1) informal deliberations; 2) colloquium secretum; and 3) colloquium publicum – all displaying different combinations of performance and textual derived argument. In the first phase, mediators assume an important role, since the initiative comes from the bishop of Chlons and the abbot of Cluny. On question from the king of how to achieve peace and concord between kingship and priesthood without diminishing the kingship, William tells about his own experience as a bishop in France.21 Acting as mediator, the bishop is responsible for taking the initiative to the preliminary talks, introducing the central theme – the question of investiture – but also for voicing a first argument for the renunciation of the right of investiture. Seemingly, the king is satisfied with this assurance, and after voicing his consent, the bishop presents the church’s position: If, then, you wish to give up investitures, restore the possessions of the churches and of those who have laboured on behalf of the church, and give them true peace, we shall, with God’s help, work to put an end to this strife.22 After having had counsel with his men, the king promised that he would carry out his part of the agreement, before 18 The legal implications of the concordat have long been debated. The dominant view, advocated for instance by Benson (1969) and summarised by Blumenthal (1988), states that the document served as a compromise and did not settle the fundamental questions of the conflict. See also Bernheim (1906); Chodorow (1971); Classen (1973); Minninger (1978); Zey (2000). More specifically on the role of Mouzon and Mainz, see Haller (1892); Schieffer (1952). 19 Blumenthal (1988), 171. 20 Wattenbach / Holtzmann (1967), 413. 21 Hesso of Reims (1897), 22. 22 Tunc subiunxit episcopus: ›Si igitur investituras dimittere volueris, et possessiones ecclesiarum et eorum qui pro ecclesia laboraverunt, reddere, et veram pacem eis dare, laborabimus opitulante Deo huic contentioni finem imponere‹ (Hesso of Reims (1897), 22 – 23).
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the bishops find it necessary to ask for a written confirmation so that their labour is not in vain and in order that they might more easily incline the lord pope to carry out the peace.23 The symbolic confirmation of the preliminary talks ends with the king laying his hands on the hands of the bishop and the abbot, affirming with God as witness to carry out the agreement without fraud – thus establishing a hierarchy of authority : mediator ! text ! ritual.24 The movement from the informal discussion undertaken by mediators to the second phase, the colloquium secretum, occurs when Hesso describes that the bishop of Ostia laid out the case in front of the entire council in Latin, before the bishop of Chlons expounded the same things to clerics and laymen in their mother tongue.25 Consequently, the text is at the centre of attention, providing the basis for the second part of the internal deliberation:26 and after the text of the king had been read out, the bishops began to work through it again with great care, especially that chapter where it was said: »I renounce every investiture of all churches«.27 Informal discussions still take place, in addition to the formal colloquium secretum. For instance, we are told that a delegation was sent to the camp of the king, carrying the text in their hands. When they arrived at the camp, they showed them the text and clarified these chapters insofar as it had been defined by the shared counsel of all.28 In the third phase, the negotiated agreement is presented to the synod: When this [the prohibition] was read out, the disapproving roar of certain clerics and many laymen sounded so loudly through the council that they spent the day until evening in heated argument.29 At this point, performance enters the deliberation,
23 Quibus auditis episcopus certum se fieri super denominatis capitulis postulavit, tum ut labor eorum non esset inutilis, tum ut domnum papam ad exequendam pacem facilius inclinarent (Hesso of Reims (1897), 23). 24 ›…the bishop presented the truth of the written text, with the attestation of an oath‹ (Cumque illuc pervenissent, sicut pridie fecerat, repraesentavit episcopus scripti veritatem cum adtestatione sacramenti… (Hesso of Reims (1897), 26. 25 Quod cum prudenter episcopus Ostiensis perorasset, iterum Catalaunensis episcopus ex praecepto domni papae hoc idem clericis et laicis materna lingua exposuit (Hesso of Reims (1897), 24) 26 It is unfortunate that Hesso stops short of offering a description of these internal discussions, since the council at Mouzon has been regarded as a blueprint for the negotiations leading up to the concordat – the same envoys largely represented the parties and the treaty of 1119 was used as working paper ; see Schieffer (1952), 324 – 341. 27 Cumque lectum fuisset scriptum regis, diligentius retractare coeperunt episcopi, maxime illud capitulum ubi dicebatur : Dimitto omnem investituram omnium ecclesiarum (Libelli de lite, 3, 25). 28 …missi sunt ad castra regis…portantes scripta in manibus. Cumque pervenissent ad castra. ostenderunt scripta; determinaverunt capitula, prout omnium communi consilio diffinitum erat (Hesso of Reims (1897), 25). 29 Quod cum recitatum fuisset, tantum murmur quorundam clericorum et multorum laicorum
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being responsible for another round of discussions. Whereas we have seen examples of how performance and symbolic communication validate a text, in this case performance undermines the authority of the written word – that is, the prohibition of investiture. Initially, Hesso tells that the pope began the hymn of the Holy Spirit with devotion, and since this was sung by all with so much affection, the pope, once truly kindled with the flame of invisible fire, began in the fiery tongue from the Holy Spirit and preached wondrously.30 The ensuing argument, however, takes the form of a moral-theological analogy, preached to the audience, with the aim of rebutting those who earlier had criticised the prohibition of laymen through sounding so loudly.31 The reactions to the pope’s speech are not of minor interest: he so shook the hearts of all and suppressed the voices of those shouting out against him that not one of them dared to open his mouth against the decrees which were then read.32 Hence, the lord pope tempered the decree from which the uproar arose with wiser counsel and had it read to the council in this form:»We absolutely forbid the investiture of bishoprics and abbacies to be carried out by the hands of the layman«.33 Consequently, the third phase is the decisive one; when put forward to the audience, the decree can either be accepted by means of acclamation, or it is rejected by symbolic communication. Johannes Laudage has, in reference to Hesso, talked about a »Vetorecht«, emphasising how »Lärm und Unruhe« hindered the synodal decree from being put forward.34 As seen above, different forms of verbal and non-verbal communication were an integral part of assembly politics in this period, thus indicating that such ›Vetorecht‹ was an ›unwritten rule‹. Moreover, it is also of interest to note how symbolic communication combines with argument on the pope’s second effort to make way for an
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per concilium intonuit, ut diem usque ad vesperam sub gravi contentione pertraherent (Hesso of Reims (1897), 27). …ymnum sancti Spiritus devote incepit. Qui cum ab omnibus affectuose fuisset decantatus, vere invisibilis ignis flamma succensus, in ignea lingua de Spiritu sancto exorsus mirabiliter peroravit (Hesso of Reims (1897) 28). Initially, the biblical quote ›many were scandalised and went back and no longer followed him‹ establishes the criteria for measuring religious devotion. The author, then, puts forward the conclusion to the analogy : Therefore, we, too, say with apostolic authority: »Whoever is faithless, let him depart and go home, and make way for the faithful to discuss ecclesiastical affairs and matters vital to the church’s freedom« (Hesso of Reims (1897), 28). Quod cum mirabiliter perorasset, ita omnium corda concussit ac reclamantium voces compressit, ut nec unus quidem contra decreta synodica, quae postea lecta sunt, os aperire praesumeret (Hesso of Reims (1897), 28). Domnus tamen papa decretum illud, unde murmur ortum fuerat, saniori consilio temperavit et in hanc formam concilio legi fecit: Investituram episcopatuum et abbatiarum per manum laicam fieri omnimodis prohibemus (Hesso of Reims (1897), 28). Laudage (1997), 331: »Es scheint also ziemlich klar auf der Hand zu liegen, daß das Konzil eine Art faktisches Vetorecht besaß, wenn es sich dazu entschloss, die Verkündigung von Kanones durch Lärm und Unruhe zu verhindern.«
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agreement; singing and preaching35 strengthen the internal bond of council, circumscribing an argument that really is not much more than demonstrative use of authorities. Although the text, the prohibition of investiture, constitutes the point of departure, the scenario is one where ritualistic performance battles ritualistic performance, accentuated by the fact that symbolic communication signifies the end to this second effort at resolving the conflict: not one of them dared to open his mouth against the conciliar decrees.36 From Hesso’s outline, then, three outcomes are possible. It can end, like in Mainz, with failure to reach agreement and, consequently, to the termination of the assembly. A second outlet is presented by the council of Mouzon, where the parties failed to reach an agreement, but still decided to give it a second chance – resulting in the renewed attempt at conflict resolution at Mainz. The third possible result of the proceeding is, of course, an agreement – subsequently presented publicly to an audience that may be larger than the synodal participants. Hesso’s outline of assembly deliberation can be approached from several perspectives. The general impression is that performance permeates the proceedings; not only is the initial criticism of the decree put forward by way of symbolic communication – the roar made by laymen present. In addition, the pope’s answer, imbued in preaching and song, is hardly argumentative, since the biblical analogy is better regarded as ritualistic use of authorities than as constituting an argument. It thus comes as no surprise that the pope’s performance becomes vital for suppressing the voices of those shouting out against him. The text is almost lost out of sight, in spite of the fact that the bone of contention is precisely the written prohibition of lay investiture. This being said, the fact that Hesso describes the Relatio as written in a simple prose style37 might indicate that the strong emphasis on performativity is the author’s own construction. With one exception,38 other sources either focus less on the performative aspect or more on the argumentative deliberation at the council, thus putting Hesso’s description in a relief. Orderic Vitalis, for instance, notes: Scholars of great
35 Orderic Vitalis mentions two instances from the first part of the council in which the pope sang and prayed in public: the pope sang Mass on Sunday 19 October, and two days later after the Litany and the prescribed prayers, the pope began to expound simply and devoutly the Gospel in Latin … (…post leteniam et autenticas orationes papa cepit simpliciter et sancte lacialibus uerbis Euangelium explanare…; Orderic Vitalis (1978), 254). 36 The same ritual is used in the description of the assembly in Gerstungen, since it is stressed that when the opposing party witnessed the exceptio argument, they became silent. 37 Written in a simple prose style (pedestri sermone descripsi (Hesso of Reims (1897) 28). It is also of interest to note that Ekkehard describes the Relatio as a letter (litteris) (Ekkehard (1972), 342). 38 Orderic notes how a group began to murmur aloud, and they would not concede the assertions firmly put forward by the cardinal… (Orderic Vitalis (1978), 272).
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discrimination subtly debated the complex affairs of the church, and brilliantly quoted many documents to their avid hearers.39
Sens, 1140/41 The story of Abelard is well-known – from his early association with Roscelin (on trial for heresy in 1092), to the first of his many quarrels with William of Champeaux in 1109, and finally to his conviction of heresy in the wake of the council of Sens in around 1140.40 What is more, aside from personifying certain aspects of the so-called twelfth-century renaissance,41 the case of Abelard forcefully displays new features of the public culture of the twelfth century : the controversy is based and derived from texts. His books have wings, Bernard of Clairvaux exclaims,42 adding that his writings have passed from country to country,43 and that his books and sayings have found their way into the hands and hearts of the Romans.44 William of St Thierry notes that his books cross the seas and traverse the Alps,45 whereas Abelard in the Historia calamitatum refers to the spread of his writings as one main reason for the hostile reactions towards his teachings.46 Certainly, this does not mean that aural and oral communication was of less importance, but rather that the epistemological point of departure was the text – ›his books‹.47 The concern with text and textual epistemologies also permeates the trial against Abelard at the council of Sens in 1140.48 All the descriptions of the trial put the text – ›his books‹ – at the centre stage, creating, in essence, a different dialogical situation than seen in our eleventh-century cases: 39 Arguti sophistæ de multiplicibus æcclesiæ negociis subtiliter tractuerunt, et multa studiosis auditoribus documenta luculenter intimauerunt (Orderic Vitalis (1978), 274). 40 The literature on Abelard is immense; a selection of more recent titles includes Clanchy (1997); Marenbon (1997); von Moos (2003); Mews (2005). 41 For a historiographical overview with references, see Melve (2006). 42 Bernard of Clairvaux (1974), no. 189, 13. 43 Bernard of Clairvaux (1974), no. 189, 13. 44 Bernard of Clairvaux (1974), no. 330, 268. 45 …et libri eius transeunt maria, transsiliunt Alpes… (William of St Thierry, PL, 182, 531B). 46 Abelard (1959), 82. 47 Several passages attest to this concern with oral and aural communication, such as the following from Bernard’s corpus: This apostolic man has gone about everywhere from the foot of the Alps and the kingdom of the Teutons through almost all the churches of France and Normandy as far as Rouen, and he has filled every place he has been, not with the gospel, but with sacrilege (Bernard of Clairvaux (1974), no. 290). 48 The literature is extensive; for a selection of more recent titles, see Little (1973); Kolmer (1981); Clanchy (1997), 307 – 314; Marenbon (1997), 69 – 79; Mews (2002).
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And so, in the presence of all, face to face with my adversary [Abelard], I [Bernard of Clairvaux] took certain headings from his books. And when I began to read these, he refused to listen and walked out, and appealed to the judges he had chosen, which I do not think was permissible. When these aforesaid headings from his books had been examined, they were found by the judgements of all to be contrary to the faith, to the truth. I have written all this on my own behalf in case I should be thought to have shown levity or at least rashness in so grave a matter.49
The context of the trial is a face-to-face encounter in the front of a public, thus setting the stage for similar instances of performativity as seen in our earlier cases. Yet, in Bernard’s description the text has monopolised the deliberation; the basis of the accusation is ›his books‹, accentuated by the fact that the case continued to be discussed even after Abelard had walked out. The text is decontextualised, and thus separated from the author and the social context of production. It does not really matter if Abelard is present or not, since it is the text’s ontology that is being scrutinised. In comparison, the text as it is presented in our earlier cases functions more as a carrier of authority. In this case, however, text battles text, both in a literal sense, as Bernard intends that what he has written would eradicate Abelard’s text, and, symbolically, pending on the fact that Abelard was forced, according to Otto of Freising, to cast into the fire with his own hands the books that he had published.50 Now, this certainly does not mean that performance is without importance; after all, book burning is a forceful symbolic act – perhaps even more forceful than the author of the Liber de unitate ecclesiae conservanda’s use of performance (they became quiet) in order to validate the outcome of a predominantly bookish confrontation. These descriptions of Sens – Bernard’s in particular – that place the text at the centre of attention bring up yet again the challenges of grasping performance and symbolic communication through texts. In other words, can these descriptions be trusted? Based on what we otherwise know of assembly deliberations in the eleventh and twelfth centuries, it would have been very strange indeed if this trial – performed face-to-face in front of an audience – was as lacking in performativity as Bernard wants us to believe. The treatment of the trial against Becket below offers a different scenario, whereas research into Ottonian and early Salian assemblies have considered these as highly staged 49 Itaque in praesentia omnium, adversario stante ex adverso, producta sunt quaedam capitula de libris eius excerpta. Quae cum coepissent legi, nolens audire exivit, appellans ab electis iudicibus, quod non putamus licere. Porro capitula, iudicio omnium examinata, inventa sunt fidei adversantia, contraria veritati. Haec pro me, ne levitate aut certe temeritate usus in tanto negotio putarer (Bernard of Clairvaux (1974), no. 189, 15). 50 …libros…propria manu ab episcopis igni dare coactus est… (Otto of Freising / Rahewin (1965), 226).
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events whose ritual and symbolism were rarely subverted.51 On the other hand, the accentuation of the strong textual element in all the sources – epitomised by the phrase his books have wings – along with the more pervasive textualisation of the social fabric in the twelfth century certainly indicates that text, dialogue, and argument play an increasingly important role. Admittedly, the descriptions of Sens do not allow us to conclude anything definite with regard to the relationship between performance and textual derived argument. Still, and taking the next case into account, it is tempting to suggest that the text – and consequently argument as well – achieves new authority in the twelfth century.
Reims, 1148 A few years after the condemnation of Abelard at Sens, the church’s efforts to eradicate deviant thought focused on the teaching of Gilbert of Poitiers. The subject at stake, Gilbert’s distinction between God and the Godhead, was first discussed at a meeting in Paris, before it was brought before the council of Reims in 1148. Convoked by Pope Eugenius III, it again showcased Bernard of Clairvaux’s zeal for orthodoxy. In addition, Robert of Melun and Peter Lombard were also present, contributing to papal sanctions against four of Gilbert’s propositions.52 Both the main narratives of the trial of Gilbert – those of John of Salisbury and Otto of Freising – illustrate how the text emerges as the epistemological point of departure with regard to the colloquium publicum as well as the colloquium secretum, and, consequently, restructures the balance between performativity and argument: Before the abbot of Clairvaux met Gilbert publicly in court, he sent asking all the leading churchmen, those who were distinguished by their learning or sanctity or office, to meet him privately in his lodging.53 John is aware that he is narrating private matters, attested to by the attempt to establish the credibility of his outline by listing witnesses.54 The private deliberation starts as Bernard puts 51 Compared to the Carolingian assemblies, the Ottonian assemblies were highly staged events and had no discussions on legislation and matter of public policy (Reuter (1998), 378). See also Althoff (1997). 52 On the trial in general and Bernhard of Clairvaux’s role in it in particular, see Evans (2000). On Gilbert, see Lauge (1982). 53 Sed antequam ipsum prefatus abbas in audientia publica conueniret, uenerabiles uiri qui oppinione litterarum et auctoritate religionis uel officii ceteris preminebant, petitione ipsius in eius hospicio conuenerunt (John of Salisbury (1962), 17). 54 There will be some, too, ready to refute me if I do not speak the truth; for several men of high repute and weighty judgment are yet living who were certainly present at this meeting (John of Salisbury (1962), 17).
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forth a short and eloquent discourse,55 and continues when articles from Gilbert’s writings are read out and put to vote amongst those present – deciding whether the articles are heretical. At this point, the assembly broke up temporarily, as a result of Master Robert de Bosco’s advice that one should not make a hasty judgment on so weighty a matter.56 In the subsequent questioning by the pope in the consistory, the first chapter of a book is read to Gilbert – leading him to burst out the following: »You see, Father, how you treat me when the errors of others are recited in your holy consistory to my shame. I avow that I have several pupils who, admittedly have all heard me lecture, though some of them have not understood a word I said; what they have written is their interpretation, not my meaning« […] The cardinals and others cried out that this should be sufficient defence for the bishop against accusations based on this book; and the pope commanded it to be destroyed. At once, in the sight of all, the subdeacon cut it into tiny fragments and scattered them. But as a great crowd of the laity was present the pope explained in the vernacular – excusing the bishop – that this had not been done to his discredit, for the book was not his.57
These passages are another forceful – albeit biased58 – testimony of the new role of the text in assembly deliberation in the twelfth century. In fact, the similarities with Abelard’s trial a few years earlier are noticeable, perhaps suggesting some patterns when it comes to such trials. For once, the emphasis in both cases is on books in general and on interpretation of the text in particular. It is thus not surprising that Otto of Freising remarks, when describing the initial discussion in Paris, that many of those who were present were surprised that such great men, skilled in the practice of debate, should offer an oath instead of an argument!59 In fact, Gilbert’s entire defence hinges on the fact that his pupils have misconstrued his original meaning. Again, by turning the focus to the question of right or wrong interpretation, the ›meaning‹ (spiritu) of the text is separated from its 55 John of Salisbury (1962), 17. 56 John of Salisbury (1962), 19. 57 ›Videte, pater, qualiter me tractetis, cum in infamiam meam in sacro consistorio uestro alieni recitantur errores. Fateor me plures habuisse discipulos, qui me quidem omnes audierunt, sed quidam minus intellexerunt: quod opinati sunt scripserunt de corde suo, non de spiritu meo‹ […] Clamauerunt cardinales et alii hoc pro episcopo contra accusationem libri debere sufficere, iussitque dominus papa librum destrui, qui statim ab eodem subdiacono coram omnibus in minutas particulas cesus est et dispersus. / Sed quia multitudo laicorum aderat, ipse apostolicus ad excusationem episcopi Gallica utens lingua dixit hoc non factum esse in iniuriam eius, quia liber illius non fuerat… (John of Salisbury (1962), 22 – 23). 58 John of Salisbury as well as Otto of Freising display quite a degree of sympathy towards Gilbert. 59 …multorum qui aderant admiratione, viros magnos et in ratione disserendi exercitatos pro argumento iuramentum afferre (Otto of Freising / Rahewin (1965), 238).
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interpretation (opinati), hence attesting to the same processes of decontextualisation and objectivisation as were evident in the case of Abelard.60 Moreover, it is perhaps no coincidence that these elements only enter after the argumentative deliberation is completed. Admittedly, there was ritualistic performance during the trials, but obviously none that neither Bernard nor John (nor Otto of Freising) found important enough to report. From one side, this seems to indicate that symbolic communication primarily had a function in the ›public‹ phase of assembly deliberation. In Gilbert’s case, it can even be assumed that the lay audience was the main target of the demonstrative destruction of the book. Yet, these cases – Gilbert’s in particular – show that performance and textual derived argument were becoming more delineated, each dominating one phase of the proceeding. These findings, however, may not be generalised to other types of assemblies, or trials – as will be seen below in the treatment of the trial against Thomas Becket.
Northampton, 1164 The royal council of Northampton, from 6 to 12 October 1164, brings us to the midst of the Becket Controversy. Similar to the Investiture Contest, the Becket controversy was a struggle between the secular and the religious powers, in which King Henry II and Archbishop Thomas Becket played the roles that during the Investiture Contest were assigned to King Henry IV and Pope Gregory VII respectively. The year 1163 witnessed the first escalation of the struggle, manifested in the introduction of the famous constitutions of Chalcedon, which was seen as representing an infringement on ecclesiastical liberty. Our case, the council of Northampton, represents a climax, since it resulted in a further polarisation of fronts and the subsequent exile of the archbishop.61 Now, if the earlier cases have been difficult to analyse, the council of Northampton is not easier to come to terms with, in spite of being much better documented.62 Two incidents at the beginning of the council may exemplify this. First, the animosity of the king is displayed by way of symbolic communication; 60 From a different perspective, treating the so-called crisis of the twelfth century, Bisson (2009), 494 notes: »The resort to ›verbalized rules‹ instead of custom, the recognition that power resides in law(s) rather than in an ›effluence of character‹…was widely diffused by the clergy in the twelfth century.« 61 The literature on the Becket controversy is, needless to say, immense. A few more recent book-length studies of different aspects of the struggle include Barlow (1986); Duggan (2004); Staunton (2006). 62 The incident is covered by five extensive accounts – in addition to several smaller; see Staunton (2006) for details.
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not only was Becket summoned to the council without the formal greeting, but on the opening day of the council the king also refused to exchange the kiss of peace with the archbishop, thus signalling forcefully the animosity between the two protagonists. On the other hand, this emphasis on performance is balanced by the general argumentative tenor of the debate; both parties were well prepared, commanding an entourage consisting of people learned in theology and law. For instance, the ›private‹ discussions on 10 October – which fortunately are recorded – display the concern with argument, as Roman law, in addition to traditional moral-theological arguments, was put on the agenda.63 The perhaps best example of the complex interrelationship between performance and argument, however, occurs on the last day of the council, 13 October. Already before the debate started, several of the chronicles report how Becket sung the mass of St. Stephen, the first martyr.64 Although this might be a retrospective insertion, used by Becket’s biographers as a way of prefiguring his martyrdom, it still is a telling example of how these later writers tried to secure the reputation of the archbishop as devout Christian. Immediately after this incident, one of his biographers, Guernes, outlines how Becket announces to his colleagues: I mean to go to court dressed as I am now, carrying my cross in my hand, so as to ensure my safety.65 Although his colleagues try to warn him from doing this, Becket is not to be swayed: He had the archiepiscopal cross carried on his right, and held the reins in his left hand […] The bishops stood up as he came in; they blamed and rebuked him for carrying the cross, for in so doing he dishonoured his lord the king […] They tried hard to get it from him, but he would not relinquish it to any of them and gripped it fast with both hands […] He sat down on a bench and leaned upon God. He held the cross in his hand; he carried it in his heart.66
This extraordinary scene, displaying a conscious use of performativity, is something of a companion piece to the initial description of how the king refused to accept the kiss of peace. If the refusal was a demonstration of animosity on the king’s part, the insistence to carry the cross is a declaration of war 63 Whereas most of the clerks assured Beckett that since he was innocent, he had no need to fear the outcome of the proceedings, others, such as the trained lawyer Hilary of Chichester, alluded to the Roman-law crimen repetundarum, implying that a possible criminal charge of corruption might be launched against him (Duggan (2004), 67 – 69). 64 Guernes (1971), 48. 65 Guernes (1971), 49. 66 E prist les armes Deu, que seürs peüst ester. La cruiz arcevesqual fist porter a sa destre […] Li evesque se sunt encontre lui dreci¤. De la cruiz l’unt blasm¤, qu’il porte, e chast¤ […] Mult se sunt entremis de lui la cruiz tolir; Mair il ne la volt pas a nul d’els tuz guerpir […] Desur un banc s’asist, e a Deu s’apuia. En sa main tint la cruiz, en sun quer la porta (Guernes (1971), 50 – 52).
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– at least it is described as such by those reporting the incident. Consequently, the king’s subversion of the ›rules of the game‹ for his own purposes is answered by Becket’s refusal to give up the cross. In so doing, the king and the archbishop display striking awareness not only of the rules of the game, but also of the extent to which they might be manipulated for an ever stronger effect. In particular, the description of Becket’s refusal to relinquish the cross is powerful, emphasising in a metaphorical and symbolic language the extent to which he fought alone for the church’s liberties against bishops who had been swayed to the royal cause. In terms of the relationship between performance and textual derived argument, the scene is of considerable importance, since it prefaces Becket’s speech to the council, presenting the argumentative basis of his case. The first argument contained in the speech addresses a theocratic conception of the relationship between the secular and the sacerdotal spheres derived from the Gregorian reform movement, where Becket promises submission to King Henry when not in conflict with the ecclesiastical dignity. The second argument displays the extent to which the canon-law revival of the eleventh century has entered assembly politics,67 offering, in essence, a textual point of departure for argument and dialogue: I decline this suit since I was summoned neither to render accounts nor for any other case except the case of John [the Marshal], nor am I here bound to answer or listen to judgment in the case of another.68 As such, the Northampton trial does not only display the complex relationship between performance and textual derived argument, but also offers a unique glimpse into these come into play at the deliberative phase of the proceeding – the colloquium secretum. If we are to believe Alan of Tewkesbury, the bishops spoke in their hierarchical order, beginning with Gilbert of London and ending with Roger of Worcester. The advises given were vastly different, from Gilbert’s recommendation of submission, to the advise put forth by Henry of Winchester, namely resistance. Now, the extent to which this hierarchical ordering of presentation influenced the outcome is indicated by the speech given by the last speaker, Roger of Worcester : I do not give advice on this matter, for if I say that the cure of souls received from God should be given up at the threat and will of the king, then my mouth would be speaking against my conscience to my condemnation. But if I say that the king should be resisted, there are those here listening who will report it to the king, and I shall immediately be thrown out of the synagogue…69 67 The issue of the importance of canon law in the Becket controversy is a long and hard-fought one. For a perspective, see articles in Duggan (1982). On the canon-law revival in the eleventh and twelfth centuries, see entries in Somerville (1990); Gilchrist (1993); Blumenthal (1998). 68 William FitzStephen (1879), iii, 63. 69 ›Nullum‹, ait, ›in hac parte dabo consilium, quia si dixero a Deo susceptam animarum curam
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Basically, Roger’s speech highlights two aspects of the relationship between argument and performance. For once, it is apparent that even in a colloquium secretum, the argumentative latitude is severely restricted by the quasi-public setting. More in detail, the hierarchical ordering seems to have a clear effect, since Henry of Winchester – as the second in rank – recommends resistance, whereas the speaker at the bottom of the hierarchy, Roger of Worchester, does not have the prescribed status to utter an explicit criticism of the king. Second, if Roger’s speech is accurately reported, it shows the rhetorical inventiveness demanded for circumventing the hierarchical setting; not only does the speech reveal Roger’s sympathies with Becket, but it also contains a sharp criticism, precisely of the ritualistic game. In stark contrast to our previous cases in which the relative scarcity of sources make it utterly difficult to depict performance, the Northampton incident is surrounded by a number of independent sources all giving more or less the same description of the ritualistic game. So in this case, contra Buc, it is actually possible to depict performance and symbolic communication through written sources. What is striking, then, about the trial at Northampton, or rather, the descriptions of the trial, is not only the complex relationship between performance and argument – appearing at both the ›secret‹ and the ›public‹ phase of the proceeding. It is also noticeable that the participants – including some of the writers reporting the incident – show a striking awareness of the power as well as the limitations of performativity – to the extent that there appear almost satirical meta-commentaries.70
Some concluding comparisons Almost thirty years ago, Thomas Bisson mentioned that »it would be possible to treat the entire history of medieval consultation in terms of ritual function and symbolic representation.«71 The so-called new constitutional history72 has done exactly this, to the extent that there has been a slight tendency to construe the functioning of the entire social fabric in terms of performance. Indeed, assembly ad regiam voluntatem et comminationem oportere relinqui, contra conscientiam meam et in capitis mei condemnationem loqueretur os meum. Si censeam regi resistendum, ecce qui sui sunt, audiunt, per quos id ipsum innotescet regi, statimque ejiciar extra synagogam …‹ (Alan of Tewkesbury (1879), ii, 328). 70 From a different angle, Chris Wickham has, in analysing disputing in twelfth-century Tuscany, emphasised the public dimension of ritual acts and the extent to which these acts competed, precisely on account of the need to appeal to an audience; see.Wickham (2003), 283 – 285. See also Smail (2003). 71 Bisson (1982), 183. 72 Fried (1991), 154 – 158
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politics have been approached from such a perspective, resulting in an accentuation of its highly ›staged‹ nature – offering little room for argumentative initiatives. Stuart Airlie, for instance, says, that assemblies were »not venues for frank speech and fierce arguments«,73 whereas P. S. Barnwell stresses that it was »not active debate« that characterised assembly politics.74 From the above examples of assembly deliberations, I hope to have shown, first, that the play of symbolic communication and its relationship to arguments and dialogue were much more complex than the proponents of the ›staged‹ thesis will admit. Performance and textual derived argument combined in unpredictable ways; admittedly, performance could validate or invalidate a text, but there are also examples of textual validation and invalidation of performance. Furthermore, symbolic communication is certainly not reserved for the public or demonstrative phase, but seems to have an equally important role to play within the colloquium secretum. Second, the barely hundred years separating the first – that of Gerstungen 1085 – and the last – the council of Northampton in 1164 – display subtle changes in the approach to the relationship between performance and textual derived argument. In essence, the textual derived argument seems to gain strength vis-vis performance. Now, the appearance of texts at assemblies is certainly not an innovation of the eleventh or twelfth century, since it has a long history, figuring, for instance, at assemblies in the Carolingian period. What is new, in particular at assemblies in the twelfth century, is rather the approach to the text; if one may talk about a ritualistic use of the texts in our earlier cases – the staging of the authority of the book at Gerstungen is one example – in the latter cases such staging is not necessary because it is evident to all involved that the struggle derives from texts – or rather, a different interpretation of texts. More in detail, whereas the author of the Liber de unitate ecclesiae conservanda had to argue for the primacy of books in conflict resolution, fifty years or so later the text has established itself as a new transpersonal element in assembly politics – it is becoming decontextualised and objectivised and thus presents itself as an item for critical scrutiny and interpretation. Third, along with this emphasis on the text, a new weight on the individual interpreter of the text is also visible.. The other side of the coin, then, is partly a weakening of the force of symbolic communication vis--vis arguments, but first and foremost, a new awareness of the functions of performativity and, along with this, new ways of circumventing them. Meta-commentary on the function of 73 Airlie (2004), 29. 74 Barnwell (2004a), 28. See also Insley (2004), 51, who accentuates in reference to AngloNorman England the ›measure of dialogue between the king and his councillors at court, and with the men on the ground in the localities, with the officers of the shire and hundred courts.‹
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symbolic communication is one example of this new awareness, whereas the clearer division in presenting the argumentative versus the performative portions of assembly proceedings is a second indicator.75 On a concluding note, the five cases analysed above also display the difficulties in distinguishing between the different phases of assembly politics, such as that between colloquium secretum and colloquium publicum. The question is whether such categories basically apply to successful conflict resolution, whereas failed attempts – as is mostly the case here – escape this form of categorisation. Perhaps it might be a better idea to classify assembly politics in terms of argumentative and dialogical tenor, so as to establish a possible link to the late medieval assembly, characterised by Jürgen Miethke as »Forum der öffentlichen Meinung«.76
Bibliography 1.
Sources
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William FitzStephen, Vita S. Thomae, Cantuariensis archiepiscopi et martyris, auctore Willelmo filio Stephani, in: J. C. Robertson / J. B. Sheppard (edd.): Materials for the History of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury, 7 vols, RS 67, London 1875 – 85, vol. 3, 1 – 147. William of St Thierry, Epistola, in: Patrologia Latina 182, 531 – 533.
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II. Frïhe Neuzeit: Literarische Formen der Streitkultur
Karl Enenkel
Ein erster Ansatz zur Konstituierung einer humanistischen Streitkultur: Petrarcas Invective contra medicum
Petrarcas Invective contra medicum,1 Streitschrift gegen einen Arzt, stellt ein Werk dar, das sich dem Verständnis der Forschung nicht leicht öffnen will. Schon sein Inhalt – ein Frontalangriff gegen einen Mediziner und zum Teil gegen den Beruf des Arztes – stieß bis weit ins 20. Jahrhundert hinein auf Unverständnis und Desinteresse. Sogar der minutiös arbeitende und sich für jedes Einzelfakt interessierende Petrarca-Biograph Gustav Koerting meinte: »den Inhalt eines solchen Buches zu besprechen, könnte höchstens für die Geschichte der Statistik des Schimpfens Wert besitzen, für uns aber hat es kein Interesse«.2 Ähnliches gilt für den Humanismus-Pionier Georg Voigt, der sich über Petrarcas Ablehnung der Medizin nicht genug verwundern konnte. Da er, wie es bis heute gebräuchlich ist, Petrarcas Humanismus als fortschrittlich einstufte, erschien die generelle Ablehnung der Medizin seltsam. Auf seiner Suche nach Fortschrittlichem registrierte Voigt, dass Petrarca »mit Unglauben an das alte System«, womit er die Scholastik meint, klopfte.3 Die sich aus der literarischen Form ergebende Bedingtheit, die diskursive Beschaffenheit und die Argumentationsstrategie des Werkes blieben bisher, sieht man von Conrad Rawskis sorgfältiger Analyse der verwendeten rhetorischen Stilmittel ab,4 weitgehend im Dunklen. Klaus Bergdolt hat in seiner von medizingeschichtlichem Interesse gesteuerten Monographie aus dem Jahre 1992 die Invective contra medicum als Datenbank für Petrarcas Ansichten über die Medizin ausgewertet. Sein Buch »Arzt, Krankheit und Therapie bei Petrarca« hat u. a. das Verdienst, Petrarcas Aussagen über die Medizin gesammelt und in einen geistesgeschichtlichen
1 Für die kritische Textausgabe siehe Petrarca (1978). Diese Ausgabe wird im Untenstehenden mit Seiten- und Zeilenangabe zitiert. Der lateinische Text mit italienischer Übersetzung findet sich auch in der Ausgabe von F. Bausi, Florenz 2005. 2 Koerting (1978), 12. 3 Voigt (1893), 75. 4 Rawski (1975).
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Rahmen eingeordnet zu haben.5 Damit tritt er in die Fußstapfen von Bortolo Martinelli, der in einem umfangreichen Appendix (»Il Petrarca e la medicina«) zu Pier Giorgio Riccis Textausgabe die Schrift im selben Sinn verwertete.6 Es ist jetzt dringend erforderlich, den Text von seinen literarischen, kulturellen und diskursiven Vorgaben her zu analysieren.7 Wir müssen damit rechnen, dass diese Vorgaben nicht dafür sprechen, den Text einfach als getreue Abbildung der Wirklichkeit zu betrachten. Es sollte uns zu denken geben, dass im antiken Rom – Petrarcas intellektuellem Lieblingsaufenthaltsort – der invektivische Angriff8 eine ritualisierte Redeform darstellte, in der man den Gegner als Tier (bestia), Vatermörder und Sexualverbrecher hinstellen konnte, während man einige Zeit später mit ihm völlig normal verkehrte. Die ritualisierte Redeform der Invektive wird sowohl von einer starken Regulativgebundenheit als auch von einem auffällig ambivalenten Verhältnis zur Wirklichkeit gekennzeichnet und sie findet in einem Diskurs statt, der nicht vornehmlich der aufrichtigen Wiedergabe persönlicher Ansichten gewidmet ist. Wir müssen also damit rechnen, dass Aussagen in den Invective contra medicum nicht einfach Petrarcas Gedanken wiedergeben, sondern nach bestimmten Mustern gestrickt sind, die literarisch und kulturell kodiert sind. Es geht hier weniger um die von Koerting als Forschungsgegenstand desavouierte »Statistik des Schimpfens«, welche Schimpfwörter sammelt und auflistet, als um kulturell vermittelte und literarisch tradierte Redemuster sowie um eine eigentümliche diskursive Organisation, die analysiert werden muss. Petrarcas Werk besitzt dafür besonderes Interesse, da es eine der ersten humanistischen Invektiven darstellt und zugleich durch den Zusammenstoß mit einem Aristoteliker den Zusammenhang mit der scholastischen Disputationskultur herstellt. Da die Invective contra medicum am Anfang des reichen humanistischen polemischen Schrifttums stehen, ergibt sich die Frage, was genau hier vorliegt: inwiefern Petrarca, z. B. durch das Wiederaufgreifen antiker Vor5 Bergdolt (1992). Für weitere medizingeschichtliche Untersuchungen, die den Humanismus betreffen vgl. Baader (1982), 204 – 254; Ders. (1985), 115 – 139; Bergdolt (1989), 155 – 168. 6 »Il Petrarca e la medicina«, in: Petrarca (1978), 205 – 249. 7 Bei Bergdolt (1992) fehlen entsprechende Analysen. Dieser Mangel tritt besonders in dem nur sehr kurzen Abschnitt »Ton und Stil der Invectivae« (57 – 58) hervor, wo er dazu führt, dass die Befindungen an der Oberfläche bleiben: Feststellungen, dass der Ton »aggressiv«, »zynisch«, »beleidigend« und »gehässig« sei, dass Petrarca Schimpfwörter verwende oder dass »Petrarcas Ton befremdend ist, ja geschmacklos, freilich nicht ohne Witz und Schlagfertigkeit« sowie dass »die Trivialität mancher Argumente nicht dem rhetorischen Stil entspricht, den Guarino da Verona später seinem fürstlichen Schüler Lionello d’Este mit auf den Weg gab«, führen nicht zu dem erforderlichen analytischen Verständnis der Textorganisation. Nancy Struever hat die Invective contra medicum als ideologischen Zusammenprall zweier Wissensgebiete (Rhetorik und Medizin) gedeutet. Siehe Struever (1993). 8 Für die antike Invektive siehe die beschreibende, kasuistische Monographie von Koster (1980) und Schindel (1980).
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bilder, eine neue humanistische Streitkultur geschaffen bzw. einen neuen Streitdiskurs eröffnet hat; inwiefern Diskurs(um)brüche in Bezug auf die antiken Invektiven zustande kamen; auf welche Weise Petrarca die scholastische Disputationskultur, der sein Gegner verpflichtet war, aufgreift und verarbeitet. Zunächst sei die Entstehungsgeschichte der Invective contra medicum knapp skizziert: Die Schrift stellt die Eskalation eines Streites zwischen Petrarca und einem der Leibärzte des in Avignon residierenden Papstes Clemens VI. dar.9 Als Clemens VI. im März 1352 bereits monatelang krank war, schrieb ihm Petrarca einen besorgten Brief (Fam. V, 19), in dem er ihn vor seinen Leibärzten warnte, Ärzte überhaupt als Angeber, Schwindler, Scharlatane, ja potentielle Mörder denunzierte. Petrarcas Apotreptikos, den er selbst in seinem Corpus der Epistole familiares publiziert hat, war mit scharfen Formulierungen gespickt, z. B.: Betrachte, gndigster Vater, die Schar [der ùrzte, Anm.] wie eine Schlachtreihe von Feinden! Die Erinnerung an die Grabschrift jenes Unglïcklichen mçge dir eine Lehre sein, welcher auf sein Grab nur dies eine aufschreiben ließ: »Durch die Schar der ùrzte bin ich umgekommen«.10
Dieses merkwürdige Grabepigramm hat Plinius d. Ä. in seiner Naturalis historia überliefert, im Kontext abschätziger Bemerkungen über den Brotberuf des Arztes (N.H. XXIX, 11). Im nämlichen Brief führte Petrarca Plinius als auctoritas für seine apotreptische Stellungnahme an und zitierte die Stelle in extenso. Die Leibärzte erfuhren von Petrarcas Brief, von dem sie sich verständlicherweise angegriffen fühlten. Einer der Ärzte machte sich zum Sprachrohr der Gruppe und schickte Petrarca einen entrüsteten Verteidigungsbrief (nicht erhalten). Darauf antwortete Petrarca im April 1352 mit einem längeren und schärferen Brief, auf den die Ärzte lange Zeit nicht reagierten. Unglücklicherweise verstarb der Papst im Dezember des Jahres. Nun schien es, als ob Petrarca mit seiner Warnung Recht behalten habe. Der Streit ging also nunmehr gewissermaßen um die Leiche des Papstes. Die Zeit des persönlichen Briefverkehrs war jetzt vorbei. Anfang 1353 schrieb der Arzt statt eines Briefes eine polemische Abhandlung, opusculum, in der er Petrarca persönlich verunglimpfte. Das vergalt ihm Petrarca im Frühling desselben Jahres mit den nunmehr vier Bücher zählenden, elektrisch knisternden Invective contra medicum. Zum Verständnis der Invective ist wesentlich, dass es sich um keine bloß ephemere, vornehmlich im Privatbereich ausgetragene Form des Hassaustausches handelte. Petrarca hat das Werk mit an Sicherheit grenzender Wahr9 Siehe dazu die ausführlicheren Darlegungen von Bergdolt (1992), 34 – 37. 10 Fam. V, 19, 4: Horum turbam velut inimicorum aciem, Clementissime Pater, intuere; instruat te illius infausti epygrammatis memoria inscribi iubentis in sepulcro hoc solum: TURBA MEDICORUM PERII.
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scheinlichkeit von Anfang an zur Veröffentlichung bestimmt. Bezeichnend ist, dass er, nachdem er vom Ort des Streites, Avignon und der Provence, nach Italien übersiedelt war, die Streitschrift nochmals überarbeitete und sie – wohlgemerkt zwei Jahre nach dem Streit, 1355 – herausgab. D. h., es war ihm also daran gelegen, den Streit vor einem breiteren Lesepublikum, in der Öffentlichkeit aller, die Latein beherrschten, auszutragen, während (und obwohl) der direkte Gegner bereits aus dem Gesichtsfeld verschwunden war. Bergdolts Annahme, die Invective hätten eher ein literarisches Schattendasein gefristet, trifft nicht ganz das Richtige. Die Tatsache, dass das Werk in mehr als 40 noch heute erhaltenen Handschriften überliefert ist, deutet vielmehr darauf hin, dass die Verbreitung eines solchen, an sich zum Ephemeren neigenden Textes außerordentlich erfolgreich war. Für die Einschätzung des Erfolgs der Schrift ist es weniger sinnvoll, sie mit Petrarcas ›Bestseller‹ De remediis utriusque fortune zu vergleichen11 als mit der Überlieferung des Pamphlets (Opusculum) seines Gegners: dieses ist in keiner einzigen Handschrift erhalten. Man muss zunächst die Frage stellen, aufgrund welcher Gegebenheiten Petrarca die Streitschrift gegen den Arzt für literarisch überlieferungswürdig hielt. Grundsätzlich fühlte sich Petrarca zur Publikation durch seine Kenntnisse antiker Invektiven, u. a. der Controversia Sallustii adversus Ciceronem, Ciceros Orationes Philippicae, Hieronymus’ In Rufinum sowie Augustins Invektiven, autorisiert.12 Die Invektive war vor allem in der römischen Gesellschaft des 1. Jahrhunderts v. Chr. kulturell und sozial tief verankert. Es handelte sich dabei um einen ritualisierten Rufmord, der in der Politik und im Gerichtswesen höchst funktionell war. In beiden Bereichen waren Ansehen, Ehre, der ›gute Ruf‹ entscheidend. Damit konnte man politische Ämter erlangen und Prozesse gewinnen, z. B. indem man die eigene Ehre verteidigte und den ›guten Ruf‹ des Prozess- oder Wahlgegners vernichtete. Es ist kein Zufall, dass römische Prozessreden standardisiert einen Abschnitt de vita aufweisen; die Ankläger versuchten in diesem Abschnitt, den Angeklagten anzuschwärzen, die verteidigenden Patrone, denselben zu säubern. Zum Beispiel hatten die Ankläger den Lebenslauf des Edelmannes Marcus Caelius durch die Anwürfe Zerstrittenheit mit dem Vater, Geldverschwendung, Bankrott, Ehebruch und Vergewaltigungen entstellt, welche sein Verteidiger Cicero in der Rede Pro Caelio minutiös widerlegte. Eine Niederlage in einem Prozess bedeutete zugleich auch einen Verlust in Punkto Ansehen und Ehre. In der Adelsgesellschaft Roms gab es im 1. Jh. v. Chr. eine hochentwickelte und äußerst sensible Streitkultur, bei der es gehörig zur Sache ging. Ehre und Ansehen vergegenwärtigten den höchsten Wert, waren soziales 11 Von De remediis utriusque fortune sind übrigens nicht 133 Handschriften erhalten, wie Bergdolt (1992), 33, angibt, sondern mehr als 245. Siehe Mann (1971), 57 – 90. 12 Vgl. Rawski (1975), 252.
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und politisches Kapital, das verhandelt wurde, Streitwaffe und Streitgegenstand zugleich. Anhand der Peroratio von Ciceros Invektive In Pisonem (§§ 96 – 99) lässt sich paradigmatisch zeigen, welcher Effekt mit einer Invektive erzielt werden sollte. Es geht dabei vornehmlich um die soziale und politische Isolierung des Angegriffenen. Niemand soll Piso fortan mehr Ehrbezeigungen erweisen, niemand soll ihn als Freund oder Klient besuchen, ja niemand mehr grüßen. Alle Bürger, egal welchen Standes, Alters und Geschlechts, sollen Pisos Taten, Sitten, Gesicht, ja Namen feierlich verwünschen, d. h. aus dem Staat wegwünschen; Pisos Soldaten sollen ihren Oberbefehlshaber hassen und ihm schwere Krankheiten wünschen. Die Provinzen, die er verwaltete, sollen ihn als Räuber und Feind betrachten. Cicero schwelgt darin, den Lesern den Effekt seiner Schrift vor Augen zu stellen: Piso traut sich nicht mehr an die Öffentlichkeit; er reist heimlich bei Nacht, und er wagt es nicht, Leute anzureden, Freunde um seine Verteidigung zu bitten. Er zittert, fürchtet sich vor allen, ja er verliert seine Stimme (vox). Er büßt seine Bürgerfreiheit (libertas), sein politisches Gewicht (auctoritas) sowie sein würdiges Auftreten als Altkonsul ein.13 Für den ritualisierten Rufmord entwickelte die rhetorische Theorie ebenfalls Vorschriften, die am klarsten in Ciceros Partitiones oratoriae formuliert sind.14 Entscheidend ist, dass er den Rufmord durch die Heranziehung des Schemas der Biographie systematisierte. Dieses wies drei Glieder auf: 1. Äußerliche Güter, wie Aussehen, Körper, Besitz. 2. Taten, facta bzw. res gestae. 3. Geistige Eigenschaften. Der zweite Punkt wurde als der ergiebigste betrachtet, da er direkt mit dem gültigen Wertesystem der Tugenden verbunden war. Der Gegner wurde sozial und politisch ausgegrenzt, indem man ihn aus dem System der gültigen Grundwerte ausgliederte. Als wichtiges Problem betrachtete Cicero das Ethos des Streitredners: Er musste so angreifen, dass er die Sympathie des Publikums nicht einbüßte. Diesbezüglich war wesentlich, dass die Darstellung leichtfüßig daherkam: nicht auf den bleiernen Füßen der rhetorischen argumentatio, mit schlüssigen Beweisen und Argumenten, sondern witzig, kreativ, indirekt und überraschend. Das Vergnügen (delectatio) des Publikums sollte ein wesentliches
13 Cic., In Pisonem 97: Ad horum omnium iudicia tot atque tanta domesticum iudicium accessit sententiae damnationis tuae, occultus adventus, furtivum iter per Italiam, introitus in urbem desertus ab amicis, nullae ad senatum e provincia litterae, nulla ex trinis aestivis gratulatio, nulla triumphi mentio; non modo quid gesseris, sed ne quibus in locis quidem fueris dicere audes. […] (99) […] abiectum, contemptum, despectum a ceteris, a te ipso desperatum et relictum, circumspectantem omnia, quicquid increpuisset pertimescentem, diffidentem tuis rebus, sine voce, sine libertate, sine auctoritate, sine ulla specie consulari, horrentem, trementem, adulantem omnis videre te volui; vidi. 14 §§ 74 – 82.
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Anliegen sein. Redefiguren waren daher angesagt, unter denen ganz besonders die Metapher hervorragt. Betrachtet man Petrarcas Invective contra medicum im Rahmen dieser diskursiven und literarischen Vorgaben, so fällt auf, dass die konkrete soziale und politische Ausgliederung des Gegners kein Hauptanliegen zu sein scheint. Der Arzt wird nicht aus der städtischen Gesellschaft (der Papststadt Avignon) ausgegrenzt. Vielmehr wird er als Teil derselben, als Städter, beschrieben, während gerade der verbale Angreifer Petrarca sich außerhalb des städtischen Bereichs situiert. Bemerkenswert ist erstens, dass Petrarca gerade den von der römischen Invektive hochgeschätzten städtischen Raum negativ besetzt: Die Stadt ist der Ort des Verwerflichen – der sinnlichen Lust, des Lärms, des Gestanks, des Todes;15 zweitens, dass Petrarca sich absurder Weise selbst auszugrenzen scheint, indem er sich als Bewohner der ländlichen Einsamkeit (solitudo) präsentiert. Es liegt hier auf den ersten Blick ein bemerkenswerter Diskursumbruch vor, der das Regelwerk der antiken Invektive in ihr Gegenteil zu verkehren scheint. Demgegenüber fuhr der Arzt offensichtlich auf den antiken diskursiven Schienen, indem er den Dichter und Gelehrten Petrarca, der sich selbst offen als solitarius oder Silvius / Silvanus (Waldbewohner) bezeichnete,16 aus der konkreten Sozialgemeinschaft ausgliederte. Zu diesem Zweck berief er sich auf die Autorität des Aristoteles und verwendete er die Disputationstechnik der scholastischen Quästionen-Methode. Die Invective contra medicum überlieferen u. a. den nämlichen quaestio-Titel: an in solitudine habitans sit deus an bestia.17 In dieser quaestio griff der Arzt Petrarcas Selbstausgrenzung aus der städtischen Gesellschaft, die damals zu seinem Selbstpräsentationsmodus gehörte,18 dankbar auf und schlachtete sie syllogistisch aus: A. Der Mensch ist nach Aristoteles ein animal politicum / sociale. B. Petrarca ist – da er, wie er selbst angibt, in der solitudo haust – kein animal politicum/sociale. Conclusio: Petrarca ist kein Mensch. Wenn Petrarca kein Mensch ist, welches Wesen ist er dann? Er kann somit nur ein Tier oder (ein) Gott sein. Da letztes auszuschließen ist, u. a. weil Petrarca ein Anhänger der Dichter ist (Gott ist kein Anhänger der Dichter), muss er ein Tier,
15 Petrarca (1978), 84 – 85. 16 Für solitarius vgl. Enenkel (1990), passim; für Silvius und Silvanus ebd. 216, 252, 325, 418, 535 und 542. 17 Petrarca (1978), 90, Z. 319 – 320. 18 Siehe dafür Enenkel (1990), passim und ders. (2008), 40 – 145.
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eine bestia, sein.19 Daraus konstruierte der Arzt die sub-quaestio ›Welches Tier?‹ Zur Auswahl stehen der Löwe (an si[t] leo?)20 oder das Käuzchen (noctua), Tiere, die nach der literarischen Überlieferung an einsamen Orten leben. Da es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass er ein Löwe ist (bekanntlich eine damals in Europa ausgestorbene species),21 muss Petrarca ein Käuzchen sein, ein mit starken negativen Assoziationen besetztes Tier. In der Beschimpfung als Tier spiegelt sich die soziale Ausgliederung aus der menschlichen Gesellschaft in extremis. Diese findet sich auch oftmals in der antiken Invektive. Z. B. hatte Cicero seinen Gegner Calpurnius Piso gleich im Anfangsteil seiner Invektive als Tier (belua, § 1) vorgeführt.22 Die Macht der von der Antike überlieferten Diskursregel wird daraus ersichtlich, dass sich Petrarca tief verletzt fühlte und den Tiersyllogismus des Arztes – übrigens gegen seine eigene Behauptung – Ernst nahm, da er seiner Widerlegung immerhin gleich ein ganzes Buch, das 4. der Invective contra medicum, gewidmet hat. Die Widerlegung bedeutete für Petrarca ein Problem, das seine ganze geistige Energie erforderte. Für Petrarcas Konstituierung der neuen Streitkultur ist die Art, in der er dieses Problem zu lösen versuchte, von großem Interesse. Denn es war dazu nichts Geringeres erforderlich, als einen literarischen und gedanklichen Diskursumbruch zu rechtfertigen und dem Lesepublikum plausibel zu machen. Petrarca versuchte dieses Ziel zu erreichen, indem er den Streit auf verschiedenen Ebenen zugleich führte. Erstens versuchte er die konkrete Sozialausgrenzung, die ihm der Arzt ›angetan‹ hatte, dadurch unschädlich zu machen, dass er eine großflächige Umwertung sowohl gängiger als auch antiker Sozialwerte vornahm.23 Zweitens trug er den Streit auf der formalen Ebene der scholastischen Disputation aus, indem er die Argumentationen des Arztes aufgriff und ad absurdum zu führen versuchte. Dabei führte er sowohl die Gedankengänge des Arztes als auch seine Methode als intellektuell unzulänglich vor.24 Drittens teilte er stets Stöße unter die Gürtellinie aus, wobei er dem Arzt auf sarkastische Weise lächerliche Ehrentitel (wie Kaiser der Rhetorik, guter Cicero und Avicenna, berühmter Philosoph, Fürst der Philosophen, scharfsinnigster Philosoph, gewaltiger Philosoph, Logiker, Mechaniker, großer Mann)25 19 Petrarca (1978), 90, Z. 319 – 321. 20 Petrarca (1978), 92, Z. 368 – 369: […] me interrogas an sim leo. 21 Für die frühneuzeitliche literarisch-zoologische Beschreibung des Löwens vgl. Enenkel (2007), I 15 – 74. 22 Vgl. auch § 74, wo er Piso als Esel hinstellte. 23 Siehe unten. 24 Siehe unten. 25 Petrarca (1978), 92, Z. 379: Dic, rhetorice imperator, […] bone Cicero et Avicenna; 392 – 393: Vide autem, quanti te facio, philosophe. Petrarca ging davon aus, dass die Verbindung von Cicero und dem arabischen Aritoteliker Ibn Sina seinen Lesern lächerlich erscheinen
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verlieh, seine geistigen Fähigkeiten mit einprägsamen, zum Teil antikisierenden Wortkombinationen bespöttelte (oh du bleiernes Hirn)26 und ihn als geistig schwachen, unbegabten, begriffsstutzigen und kurzsichtigen Idioten hinstellt. Viertens wendet auch er die Methode der konkreten Sozialausgrenzung an, z. B. indem er den Arzt als Tier, Kind, Greis,27 Blinden, Tauben,28 Wahnsinnigen,29 geistig, seelisch und körperlich Kranken30 bezeichnet, ihn entindividualisiert und seinen Namen verschweigt. Fünftens transponiert Petrarca die Ausgrenzungstaktik auf eine andere, neue, intellektualistische Ebene.31 Die umfassende Umwertung der gängigen und antiken städtischen Sozialwerte zählt zu den riskantesten, aber auch spannendsten Streitstrategien der Invective contra medicum. Es ist natürlich klar, dass Petrarca, nachdem er sich jahrelang in seinen metrischen Briefen, in Prosabriefen, in dem grundlegenden Traktat De vita solitaria, in dem Meditationstraktat und Protreptikos De otio religiosorum, jedoch auch in volkssprachlichen Gedichten als Vertreter der vita solitaria affichiert hatte, seine in mühseliger Kleinarbeit konstruierte Identität als Intellektueller nicht in Abrede stellen konnte,32 um dem Angriff des Arztes auszuweichen. Die Argumentation des vierten Buches der Invective ist daher zu einem großen Teil einer umfänglichen Verteidigung der vita solitaria als Lebensform gewidmet, die in wesentlichen Zügen die Argumentationsmuster des ersten Buches von De vita solitaria widerspiegelt.33 Einen dieser Züge bildet der Frontalangriff auf den städtischen Bereich, der zugleich einen interessanten Unterschied zu den meisten monastischen Schriften zum Thema der vita contemplativa darstellt.34 Die Stadt erscheint in der Invektive als moralisch verwerflicher Ort, als Ort, der sittliches Fehlverhalten geradezu notwendig bedingt und in der zeitgenössischen Praxis in besonders ekelhafter und eklatanter Form hervorbringt. Die Stadt brandmarkt Petrarca als Ort der rauchigen Garküchen, Bordelle, Tabernen, des blutigtriefenden Marktes, des Theaters, Lärms, Volks-
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würde. 82, Z. 35 – 36: Logicus es; Z. 63: philosophorum princeps. 89, Z. 288: clare philosophe. 57, Z. 626: acutissime philosophe. 29, Z. 152: Mechanice. 88, Z. 264: philosophe ingens. Z. B. ebd., 88, Z. 257: O cerebrum plumbeum!. Für die metaphorische Bedeutung von plumbeus für stultus bzw. hebes vgl. Terentius, Heaut. V, 1,3. Z. B. ebd., 85, Z. 142: miserabilis senex. Z. B. ebd., 88, Z. 258. Z. B. ebd, 81, Z. 10 – 11: demens, excors; Z. 13: vesane; Z. 19: semianimis. 60, Z. 85: o insane. Vgl. ebd. 84, Z. 126: iam te egrum egris tuis linquere meditor. Siehe unten. Vgl. dazu Enenkel (2008), 40 – 145. Siehe hierzu Enenkel (1990), passim. Am Anfang des vierten Buches der Invective contra medicum weist Petrarca explizit auf diese Übereinstimmung hin (81, Z. 7 – 11: De qua (sc. solitaria vita) quidem duo mei libri extant, quos quoniam ad te nec pervenisse nec perventuros esse confido neu perveniant velim, de hoc ipso cogor aliquid hic etiam ignorantie tue loqui.). Ebd., XVII–XLV.
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auflaufs, der Latrinen und anderer Versuchungen,35 den Ort, an dem Lüstlinge, Gaukler, Diebe, Mechaniker, Betrüger, die stinkenden Köche und nicht zuletzt die urinschauenden Ärzte wohnen.36 Es gibt in dieser Darstellung kaum Menschen, die imstande sind, den überwältigenden negativen Einflüssen, die die Stadt darbietet, moralisch standzuhalten. Deshalb leiden die Stadtbewohner allesamt an ähnlichen geistig-seelischen Problemen, ja an einem bedenklichen Gesundheitszustand und einem schwachen und krankhaften Geist. In De vita solitaria erstellte Petrarca sogar eine spezifische Psychotypologie bzw. Psychopathologie der Städter.37 Diese wird von einem fundamentalen Lebensüberdruss, einer völligen Orientierungslosigkeit, von widersprüchlichem Verhalten, SichGehen-Lassen, mangelnder Produktivität, psychischer Leere, Langeweile, Suchtverhalten, haltloser Hingabe an sinnliche Genüsse, Mode, soziale Interaktion usw. gekennzeichnet.38 Gegen den Hintergrund dieses Negativbildes des städtischen Bereiches hebt Petrarca die moralische Hochwertigkeit des einsamen, außerhalb der Stadt situierten Ortes und der dazugehörigen Lebensweise, der vita solitaria, ab. Dabei stellt er sich selbst nachdrücklich als Vertreter der einsamen Lebensweise dar : Sum solitudinis amicus. […] Magno nisu animi semper incubui, ut quantum fieri posset illa contemnerem, que te moribundum, marcidum, semianimem in urbibus captum tenent. Solitarius sum, fateor, imo profiteor, et solitarium esse iuvat, vixque ullam vite dulcedinem urbano in strepitu ac fragore percipio.39
Wie schon in De vita solitaria, dessen zweites Buch zur Gänze den exempla historica gewidmet ist, autorisiert er die einsame Lebensweise mit Hilfe antikheidnischer und christlicher Vorbilder. Er wertet den einsamen Ort durch die Behauptung auf, dass die moralisch hochwertigsten Menschen Liebhaber der solitudo gewesen seien: Amarunt solitudinem patriarche, prophete, sancti, philosophi, poete, duces imperatoresque clarissimi.40 Ein auffälliger Punkt betrifft die Struktur und Modalität des Streitens. Die 35 Z. B. Petrarca (1978), 83, Z. 69 – 70; 85, Z. 151 – 153. 36 Z. B. ebd., 87, Z. 215 – 219: habitant ibi (sc. in urbibus) voluptuosi atque cupidinarii, quibus placet fornix et uncta popina, ut ait Flaccus (Epist. I, 14, 21), habitant ibi circumscriptores, mimi, fures, totumque id genus; ibi postremo habitant mechanici, quibus omnibus propositum unum: vel fallere vel lucrari. 85, Z. 151 – 156: Certe non opus est turbis confusisque clamoribus, non theatrico strepitu, non vulgo inter miserias plaudente, non quadrigis fundamenta quassantibus, non cruento foro, non nidore fumantium popinarum et olentium coquorum atque aromata transmarina terentium, quos, vobis exceptis , nescio an efficacissimos omnium ministros mortis appellem. 37 Enenkel (1990), 600 – 627. 38 Ebd., 601 – 603. 39 Petrarca (1978), 81, Z. 16 – 22. 40 Ebd., 85, Z. 143 – 144.
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Invective contra medicum lassen einen grellen Kontrast zu dem erkennen, was Cicero in seinen Partitiones gefordert hatte: dass die Präsentationsweise einer Invektive leichtfüßig und spielerisch daherkommen, auf den Flügeln der Assoziationen und Metaphern dahingleiten solle, jedoch keineswegs einer argumentatio ähneln dürfe. Genau das ist aber in den Invective contra medicum der Fall. Das Werk setzt sich aus einer langen Reihe von Einzelargumentationen zusammen, in denen bestimmte Aussagen und Prämissen syllogistisch zusammengeschnürt werden. Der Diskurs der Streitkultur, in dem Petrarca in den Invective contra medicum operiert, fährt auf den Schienen der scholastischen Disputations- und Quästionen-Technik. Immer wieder begegnet das Grundschema der von Thomas von Aquin und anderen verwendeten quaestio: 1. These, 2. Einwand, 3. Antwort / Entscheidung / Schlußfolgerung. Petrarca zog es offensichtlich vor, die diskursiven Vorgaben der vorbildlichen antiken Invektive in dieser Hinsicht nicht anzunehmen und sich stattdessen im Bereich der scholastischen Disputationskultur fortzubewegen. Das ist zumal für den Ciceroverehrer Petrarca eine durchaus bemerkenswerte Entscheidung, für die seiner Meinung nach in der Tat eine Rechtfertigung erforderlich war. Deshalb entschuldigt er sich gleich zu Anfang des Werkes, indem er zu verstehen gibt, dass er sich mit der Art und Weise, in der der Streit ausgetragen wird, nicht identifiziere.41 Was ist der Sinn dieser bemerkenswerten Entscheidung? Der Arzt hatte Petrarca die Befugnis zu Philosophie und Wahrheitsfindung abgesprochen, indem er ihm mangelnde Kenntnisse auf dem Gebiet der Dialektik und Logik vorgeworfen hatte.42 In dieser Beziehung könnte es für Petrarca durchaus sinnvoll gewesen sein, diese Vorwürfe durch eine eindrucksvolle Demonstration zu widerlegen, dass er die scholastische Disputationstechnik sehr wohl beherrsche. Das mag in einigen Fällen aufgehen. Ein viel wichtigerer Grund liegt m. E. jedoch darin, dass es Petrarca effizient erschien, den Arzt auf seinem eigenen Terrain zu bekämpfen und dabei jeweils die Gelegenheit beim Schopf zu greifen, die scholastische Methode als solche ad absurdum zu führen, u. a. dadurch, dass er Prämissen seines Gegners in widersinnige conclusiones überbrachte oder conclusiones des Arztes auf absurde Prämissen zurückführte. Damit will Petrarca klarmachen, dass die Methode der scholastischen Logik ein unzulängliches und kindisch-dämliches Spiel darstellt, welches nicht als ernst zu nehmende Methode der philosophischen Wahrheitsfindung dienen kann.43 Betrachten wir einige Beispiele dieser Streitstrategie, bei der es jeweils nicht 41 Ebd., 25, Z. 14. 42 Z. B. ebd., 51, Z. 428: Dicis in primis me logica carere. 43 Einen grundsätzlichen Methodenstreit zwischen Humanismus und den Naturwissenschaften behauptet Buck (1959), 3 – 16.
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immer vordringlich um die Wahrheit von Aussagen, sondern vor allem um die Metaebene, d. h. die Streitstruktur geht. Z. B. hatte der Arzt Petrarca von der Philosophie ausgegrenzt und in den Bereich der Poesie abgedrängt, welche er aufs Korn nahm. Petrarca schlägt den Angriff zurück, indem er folgenden Gedankengang konstruiert: A. (These) der Arzt greift die Poesie an. B. (Einwand) Der Arzt wurde jedoch von einem Prosatext angegriffen. A und B erscheinen widersprüchlich. Wie kann man sie dennoch reimen? Dies kann man nur so erklären, schlussfolgert Petrarca, dass der Arzt nichts von Poesie versteht. Diese seltsame Schlussfolgerung verwandelt er durch einen weiteren Syllogismus, den er dem Arzt unterstellt, in eine wahre logische Metastase: A. (unterstellte These) Der Arzt greift an, was er nicht versteht. B. Der Arzt versteht nichts von Poesie. Conclusio: Alles, was der Arzt nicht versteht, ist Poesie. Mit der Bissigkeit eines Terriers führt Petrarca den Trugschluss ad absurdum: Wenn ich dieser Aussage zustimme, folgt daraus, dass nichts übrig bleibt, das nicht Poesie ist – oder einfacher ausgedrückt: dass alles Poesie ist. Es gibt ja nichts, was der Arzt weiß.44 Interessanterweise gibt Petrarca an der nämlichen Stelle explizite zu verstehen, dass der syllogistische Kleinkampf auf einer Metaebene verstanden werden muss: Der Tatbestand der Universalignoranz des Arztes ergibt sich daraus, dass er sich in seinem Opusculum auf kindische Weise abgemüht hat, seine Gedanken auf eine so lächerliche Weise zu präsentieren.45 Oder : A. Der Arzt wurde von Petrarca angegriffen. B. Petrarca ist ein Dichter. (fehlerhafte) Conclusio: Der Arzt muss sich dadurch wehren, dass er die Poesie angreift. Dann müsse der Arzt auch, führt Petrarca den fehlerhaften Gedankengang ad absurdum, wenn er zufällig von einem Musiker beleidigt werden würde, Aristoxenus (als Erfinder der Musik) anschwärzen, oder, wenn ihm zufällig ein Astrologe einen Stockschlag versetzt, Ptolemäus beschimpfen.46 In diesem Sinn versucht Petrarca aufzuzeigen, dass das Niveau, auf dem sich die Gedankengänge des Arztes befinden, völlig unzulänglich ist. Petrarca übernimmt dann sozusagen die Zügel des scholastischen Logikwagens und führt ihn in den Dreck. Zum Beispiel hatte sich der Arzt zugute gehalten, dass Ärzte wunderbare Heilerfolge erzielen. Daraus braut Petrarca einen formal unrichtigen, jedoch nicht weniger giftigen Syllogismus: A. (These) Ärzte erzielen wunderbare (mirabiles) Heilerfolge. B. (Einwand) Es ist bemerkenswert, dass Ärzte häufiger krank sind als andere Menschen. Gesundheit ist somit offensichtlich ein Gut, das sie nicht besitzen.
44 Ebd., 31, Z. 207 – 211: soluta oratione cum sis lesus, iram ulcisceris in poetas, quasi poeticum sit omne quod nescias. Id si tibi permisero, quid unquam, queso, non poeticum reliquetur? 45 Ebd., 31, Z. 211 – 212: Quid enim non te penitus ignorare crediderim, qui ad exprimendum ineptissimos sensus tuos tam pueriliter desudasti? 46 Ebd., 88, Z. 261 – 268.
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Daraus folgt die conclusio: Es ist in der Tat ein Wunder, wenn Ärzte Heilerfolge erzielen, da sie ja kein Gut weitergeben können, das sie selbst nicht besitzen.47 Petrarcas Syllogismen erklären sich wesentlich von der Metaebene her als Persiflagen der scholastischen Methode. So verfährt er auch, wenn es um den für ihn schwierigen Streitpunkt der vita solitaria geht. Dabei schreibt er dem Arzt den folgenden Syllogismus zu: A. »Quod nature adversatur, malum sit necesse est, cum natura ipsa sit optima.« B. »Solitarie autem vivens nature adversatur, secundum quam politicum animal est homo«. Conclusio: »Mala igitur solitudo«.48
Statt diesen für ihn unvorteilhaften Syllogismus direkt und regelgetreu zu widerlegen persifliert ihn Petrarca: Adde, si placet: (A) »Ut utilis est qui multis prodest, sic inutilis qui nulli. Habitator vero urbium, vir bonus, multis prodest, saltem exemplo.« (B) »Solitudo autem seu sancta rusticitas nulli nisi sibi soli prodest, teste Ieronimo (Epistulae 53,3).« Conclusio: »Inutilis ergo rustica solitudo.«49
Die Widersinnigkeit dieses Syllogismus ergibt sich schon aufgrund der Tatsache, dass die verwendete auctoritas Hieronymus gerade in seinen Briefen die vita solitaria über alles lobt. Die immer wieder und in vielen Spielarten verwendete Persiflagetechnik, mit der Petrarca das Logikgefährt des Arztes ins Schleudern bringt, wirft schließlich auch ein neues Licht auf die Entscheidung des Humanisten, Ciceros Diskursvorschrift, in der Invektive argumentationes zu vermeiden, nicht zu respektieren. Es gelingt ihm nämlich, die erforderliche Leichtfüßigkeit wiederzugewinnen, indem er die syllogistischen Schlussfolgerungen einerseits als Spiel präsentiert, ja als kindischen Zeitvertreib, mit dem er den Arzt foppt, und indem er sich andererseits von ihnen distanziert, sie mit einem Lächeln übergeht.50 Durch den distanzierten Metadiskurs, den er immer wieder strategisch einsetzt, gelingt es Petrarca, sowohl die Streitkultur, wie sie von der scholastischen disputatio her gegeben war, als auch die antike römische Streitkultur, die in der argumentatio eine desavouierende Gefahr erblickte, in eine andere Dimension zu überbringen. Nebenher wendet er die konkrete Sozialausgliederung, die von der antiken 47 48 49 50
Ebd., 32, Z. 236 – 244. Ebd., 82, Z. 39 – 42. Ebd., 82, Z. 44 – 48. Ebd., 82, Z. 56 – 60: Ceterum hos ludos hasque tendiculas puerorum ridendo preterire magnificum, puerile dissolvere. Tamen quia cum pueris pueriliter et interdum – quod nutrices solent – bleso ore loquendum est, et hic parumper insistam.
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Invektive vorgegeben war, an, wenngleich auf eine andere Weise und mit anderen Gewichtungen. Dabei geht es interessanterweise nicht vornehmlich um den politisch-realen Staat oder um die menschliche Gesellschaft als solche. Z. B. fällt auf, dass Petrarca seinen Invective contra medicum nicht das Vita-Schema, das sich in der antiken Theorie sowohl zur Invektive als zur laus hominum findet, benutzt. Er greift weder die Abstammung des Arztes noch seinen sozialen Status an noch versucht er – wie Cicero und die antiken Redner – das curriculum vitae bzw. den cursus honorum seines Gegners aufs Korn zu nehmen. Das liegt mit Sicherheit nicht daran, dass der Lebenslauf des Arztes keine Angriffsflächen geboten hätte oder dass sich zum cursus honorum im Bezug auf das 14. Jahrhundert keine Äquivalenzen hätten finden lassen. Statt der römischen politischen Ämter hätten beispielsweise akademische Titel als Zielscheiben des Angriffs dienen können, wie dies in späteren humanistischen Invektiven des 16. Jahrhunderts zuweilen der Fall war. Die ›zoologische‹ Ausgliederungsstrategie aus der menschlichen Gesellschaft, die in der antiken Invektive gerne benutzt wird, wendet Petrarca zwar an, jedoch nur in wenigen Fällen. Z. B. vergleicht er den Arzt einmal mit einer Giftschlange, die jedoch, da sie von der Kälte des Unwissens erstarrt ist, ihr tödliches Gift nicht einzuspritzen vermag.51 Viel wichtiger scheint zu sein, dass Petrarca den Arzt durch bestimmte Zuschreibungen sozial marginalisiert bzw. in Randbereiche abdrängt. Er führt ihn dann als Kind, Greis, Blinden, Tauben, Wahnsinnigen, und als geistig, seelisch und körperlich Kranken vor. Kinder, Greise, Blinde, Taube und Kranke sind zwar von der menschlichen Gesellschaft nicht völlig ausgeschlossen, jedoch nehmen sie an ihr auch nicht im vollen Sinne teil. Kinder sind unmündig, Greise können durch geistige und körperliche Schwäche nicht mehr all das tun, was zur vollen Partizipation erforderlich ist, Blinde und Taube sind durch ihre Handikaps schon in der sozialen Interaktion beeinträchtigt. Übrigens fällt auf, dass Petrarca bei seinen Marginalisierungen sich vornehmlich auf den geistigen Bereich bezieht. Das gilt ganz besonders für die Marginalisierung des Arztes als geistig und seelisch Kranken. Das polemische Potential des Arguments ergibt sich daraus, dass Petrarca auf seinen Gegner, den Arzt, seine Psychopathologie der chronisch kranken Städter anwendete, welche sich auch in De vita solitaria findet,52 den Arzt als Kranken darstellt, somit also dessen Wesen ad absurdum führt. Eine in der antiken Invektive verwendete Streitstrategie, die auf die konkrete Sozialausgliederung abzielte, war, den Namen des Gegners zu verschweigen. Der Gegner wird als so abjekt hingestellt, dass man seinen Namen nicht in den Mund nehmen kann. Z. B. ist Cicero so in seinen Invektiven gegen Marcus Antonius, den Orationes Philippicae, vorgegangen. Petrarca scheint sich diese Strategie 51 Ebd., 35, Z. 351 – 355. 52 Vgl. oben.
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zunutze zu machen, indem er nirgendwo den Namen des Arztes nennt. Dass er damit erfolgreich war, zeigt sich daran, dass wir bis heute nicht mit Sicherheit wissen, mit wem er stritt, mit Stefano Seguini, Giovanni da Marescala, Giovanni da Florentia, Giovanni Gabrielli da Parma, Giovanni da Genova, Stefano Ancelini, Raimondo Rainaldi, Pietro Augerii, Guglielmo da Lavetagio, Laurent d’Albiac, Guy de Chauliac, Albert von Würzburg oder Jean d’Alais?53 Petrarca geht es bei dem Verschweigen des Namens jedoch um mehr als um die konkrete Sozialausgrenzung. Petrarca spricht seinem Gegner das Recht ab, als Verfasser und Autor aufzutreten. Er fasst nomen prägnant als literarischen Ruhm auf. Der Arzt bekommt keinen Namen, weil er in der Literatur unbekannt sei (und auch fortan bleiben soll). Für Petrarca ist die Aberkennung des Namens so wichtig, dass er sie gleich zu Anfang der Invektive, angereichert mit einer provokanten syllogistischen Argumentation, präsentiert. Der Vorwurf des Arztes, Petrarca hätte ihm seinen guten Namen (nomen) geraubt, beruhe auf einer fehlerhaften Prämisse. Da (A) einem nur abgenommen werden kann, was man besitzt (wie etwa die Augen oder die Nase) und (B) der Arzt sich keinen Namen gemacht hat, folgt daraus, dass ihm Petrarca seinen guten Namen auch nicht rauben kann.54 Der Streit um den ›Namen‹, d. h. um den literarischen Ruhm, führt in Petrarcas Invective contra medicum die Diskursregel der antiken Invektive in eine zeitgenössische Kontroverse zwischen intellektuellen Gruppierungen um das Recht zur Autorrede hinüber. Der unbekannte Arzt steht hier für eine nicht unbeträchtliche Gruppe von ›neuen‹ Intellektuellen, die sich das Recht zur Autorrede zugesprochen hatten. Nachdem sich die Medizin im 13. Jahrhundert an den Universitäten etabliert hatte, erhoben Ärzte seit dem Ende des Jahrhunderts einen expliziten und zudem stark erweiterten Wissenschaftsanspruch, in welchem Philosophie, Dialektik und Logik mitaufgenommen waren. Paradigmatisch dafür ist der Paduaner Medizinprofessor Pietro d’Abano († 1316), der seit etwa 1300 als Autor philosophischer und logischer Abhandlungen hervortrat, z. B. des Conciliator differentiarum philosophorum et precipue medicorum (1303) und der Expositio problematum Aristotelis (1310).55 Ebenso präsentierte sich der in Bologna wirkende Medizinprofessor Taddeo Alderotti als philosophischer Autor, z. B. als Verfasser eines Kompendiums der Nikomachischen Ethik. Weiter brachte Alderotti eine Reihe von Schülern hervor, die sich 53 Für die Frage der ungeklärten Identifizierung des Arztes vgl. Bergdolt (1992), 64 – 66. 54 Petrarca (1978), 27, Z. 72 – 84: dixisti: me, forsan tui nominis invidia tactum, illud scripsisse, quo tibi […] famam eriperem. […] Ego tibi nomen eripere nitar, inglorie? Procul ab hoc pericolo es; ire potes toto securus orbe terrarum: quod ad fame iacturam attinet »cantabis vacuus coram latrone viator« (Iuvenalis, Sat. X, 22). Erit qui forte nares amputet, oculos effodiat: famam tibi nullus eripiet quam non habes. 55 Vgl. zu Pietro d’Abano und seine Schule Bergdolt (1992), 18 – 23.
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als Verfasser ähnlicher Werke präsentierten, Leute wie Bartolomeo da Varignana († 1321) oder Guglielmo da Brescia († 1326).56 Durch die Erweiterung der Medizin auf die genannten Fächer, die umfassende Anwendung der scholastischen Methode sowie ihre Expertise in der AristotelesErklärung erhob die Medizin den Anspruch, den traditionellen artes liberales ebenbürtig oder sogar überlegen zu sein. Das gilt auch für den Arzt aus Avignon, der in seinem Opusculum die Medizin den alten artes liberales als Universalwissenschaft übergeordnet hatte. Zugleich sprach er Petrarca, der seinen Schriften weder die scholastische Quästionen-Methode noch Aristoteles als auctoritas zugrunde legte, die Befugtheit in der Philosophie ab. Auch in Bezug auf die Rhetorik grenzte er Petrarca aus, da er der notwendigen Kenntnisse in der Logik und Dialektik entbehre.57 Vielmehr drängte er ihn in den Bereich der Poesie ab, die jedoch aufgrund der fingierten Geschichten und Fabeln, deren sie sich ständig bedient, keinen Wahrheitsanspruch erheben kann. Daraus geht hervor, dass sich Petrarca in den Invective contra medicum weitaus mehr in einer verteidigenden Position befindet, als man in Ermangelung des Textes des Arztes und aufgrund der aggressiven Aussprüche in Fam. V, 19 meinen könnte. Es ist nicht Petrarca, wie vielfach angenommen wird, der ein altmodisches System kritisierte, sondern er musste sich gegen eine Gruppe moderner Intellektueller zur Wehr setzen, zu denen er sich bis zu einem gewissen Grad in einem Konkurrenzverhältnis befand und die ihn als altmodisch und hinterweltlerisch betrachteten. Gegen diesen Hintergrund lässt sich verstehen, dass die konkrete Sozialausgrenzung aus dem Staat, der Stadt oder der menschlichen Gesellschaft nicht Petrarcas vordringlichstes Problem war. Vielmehr geht es um die Ausgrenzung aus der Respublica litteraria, der Gelehrtenrepublik. Petrarca versucht in den Invective seine Zugehörigkeit zur Respublica litteraria zu belegen und den Prioritätsanspruch der Mediziner auf dieselbe zurückzuweisen. Damit wird auch der tiefere Sinn der destruktiven Persiflagetechnik Petrarcas erkennbar : Petrarca zeigt auf, dass die scholastische Argumentationstechnik intellektuell völlig unzulänglich ist und dass Leute, die sie anwenden, nicht in die Respublica litteraria gehören. Diese Leute können nicht mitreden, weil sie die Kunst der Rede und des Denkens nicht beherrschen. Somit ist Petrarcas Anwendung der scholastischen Disputationstechnik in der Invektive insgesamt darauf ausgerichtet, den Arzt und, über diesen, Mediziner und Scholastiker im Allgemeinen als unliebsame Konkurrenten aus der Gelehrtenrepublik auszugliedern. Dem entspricht schließlich auch die Auswahl der Extremform des Angriffs, der Schimpfwörter. Ciceros Schimpfwörter haben 56 Vgl. Siraisi (1981); Bergdolt (1992), 16 – 17. 57 Z. B. Petrarca (1978), 51, Z. 428: Dicis in primis me logica carere. Vgl. oben.
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meist den Staat im Auge. Sie bezeichnen den Gegner als Gefahr für das Gemeinwesen: Dieser ist ein Verbrecher, Henker, Religionsfrevler, Staatsfeind, Verräter, Schandfleck, Mörder, Tempelräuber, eine Furie, eine Strafe für die Bundesgenossen u.s.w. Bei Petrarca fällt auf, dass sich die Mehrzahl der Beschimpfungen auf die intellektuellen Qualitäten des Mediziners bezieht: Der Arzt ist verrückt, irre, geisteskrank: demens, vesanus, insanus usw.;58 er ist ein Plapperer (palpator), ein Stammler, der ungereimtes Zeug hervorbringt wie kleine Kinder ; dazu passt, dass Petrarca ihn stets als Knaben (puer) oder Greis marginalisiert. Scholastiker insgesamt sind Kindgreise, sie bleiben auch noch im hohen Alter in der Schule stecken. Zudem assoziiert Petrarca das Greisenalter mit einem verwirrten Geisteszustand.59 Die abschätzigen Kategorien erfüllen prägnant Petrarcas Darstellungsziel: Verrückte, Irre, Plapperer und Kinder haben in der Gelehrtenrepublik nichts verloren.
Bibliographie 1.
Quellen
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Luc Deitz
Magnus animi tui candor, or: How Julius Caesar Scaliger told Geronimo Cardano that he was a fool*
I. In an age that knew no dearth of literary and other feuds, Giulio Bordone, better known as Julius Caesar Scaliger (1484 – 1558), stands out as someone who knew supremely well how to make enemies. He began his literary career in 1531 by writing a vitriolic pamphlet against Erasmus, the Oratio pro M. Tullio Cicerone contra Des. Erasmum Roterodamum, in which he violently attacked Erasmus’ Ciceronianus of 1528.1 Erasmus had maintained, against many so-called Ciceronians, that Latin was a living language, subject to evolution and capable of adaptation, and that therefore it had to be used according to the requirements of the day. Scaliger, who self-consciously addressed his invective to the students of the University of Paris (which he had never frequented), maintained on the other hand that such a stance would not only undermine the true heritage of Rome, but would also destroy the Christian faith and the fabric of society. He did not mince words when it came to describing the moral and intellectual qualities, or rather lack of qualities, of Erasmus, whom he accused, inter alia, of being a slanderer, a liar, a good-for-nothing, a rascal, a moron, a monster, a parricide, a hangman, a drunkard, a disgrace to creation, and even a decrepit parrot.2 This senseless, unprovoked hatred of Erasmus would accompany Scaliger for the rest of his life, and even beyond, for in his posthumously published Poetics of 1561, we still read of Erasmus that he was a superficial, inaccurate, and vainglorious man.3 Not the * I would like to record my thanks to Charles Fantazzi, who chastised my English and, with his unparalleled mastery of Latin, generously helped me to enodate some of Scaliger’s more intricate sentences. 1 For editions with translations of these two texts see Scaliger (1999) and Erasmus (1965). 2 A full list of these flattering epithets, of which I have given a free translation in the text, can be found in Scaliger (1999), 55 – 56. 3 Scaliger (1994 – 2010), V, bk. 7, part 2, ch. 3, p. 644. – M. Magnien convincingly argued that the larger part of book 7 of Scaliger’s Poetice is but a rehash of an (unpublished) Oratio III contra Erasmum (in: Scaliger [1999], 268, 306, 309).
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least famous of Scaliger’s slanderous attacks against Erasmus, though, is his mock-epitaph, ascribed to an unnamed monk, and surreptitiously inserted into the rather technical context of a chapter devoted to Leonine verses: Hic jacet Erasmus fuerat qui ridiculus mus.4 (Here lies Erasmouse, who had been a ridiculous mouse.)
Someone else who had attracted Scaliger’s ire was none other than Etienne Dolet (1508 – 1546), sometimes called »the martyr of the Renaissance«, because he was burned at the stake in 1546, allegedly for mistranslating a passage of the ps.Platonic Axiochus.5 Just like Scaliger, Dolet had written a Dialogus de imitatione Ciceroniana adversus Erasmum, but instead of joining forces with him, Scaliger took exception to a few asides criticizing his own style and decided henceforth to include Dolet among those whom he loved to hate.6 Once again, we find the most violent onslaughts against Dolet calmly inserted into otherwise innocuous chapters of the Poetics. I would like to give but two examples. When dealing with parody, Scaliger, rather predictably, sets out by quoting the opening lines of the ps.-Virgilian Catalepton (Sabinus ille quem videtis hospites / ait fuisse mulio celerrimus) which hearken back to, and make fun of, the famous Phaselus ille quem videtis hospites of Catullus 4. But then Scaliger goes on to say that he, too, has written a rather clever poem of this kind in iambic trimeters. I only quote the five opening lines, lest I should be deemed a politically incorrect writer by my gracious readers: Boletus ille qui necavit hospites ait fuisse carnifex sacerrimus, neque ullius furentis impetum manus nequisse praeterire, sive sicula opus foret necare sive linteo.7 4 Scaliger (1994 – 2010), I, bk. 2, ch. 29, p. 584, l. 10. All translations from the Latin in this paper are my own. 5 On Dolet’s life see Colletet (1992). On the relationship between Scaliger and Dolet see above all Magnien (1986), as well as Magnien in: Scaliger (1999), 245 – 254. 6 Facsimile ed. with notes in: Dolet (1974). 7 The full text can be found in Scaliger (1994 – 2010), I, bk. 1, ch. 42, 376. For a brief discussion see Gaisser (1993), 261 – 262. – The reading Boletus has to be preferred to Doletus (whose name appears in line 10 of the poem) not only on account of its being the lectio difficilior, but also because it suggests a subtext that would have been immediately recognizable to humanists: indeed, the emperor Claudius was said to have been poisoned by a dish of boleti (Mart. 1, 20, 4; Juv. 5, 147; Tac. ann. 12, 67 [though some editors prefer to read cibo leto here]). Another – fittingly Catullan – subtext is suggested by the use of the word sicula (hapax legomenon at Cat. 67, 21), which I would prefer to translate as »prick« (in its various connotations), rather than as »little dagger«, as I have done in the main text.
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(That Boletus – that poisonous mushroom – who killed his guests says he was the most execrable executioner. And he was an expert at slaying quicker than any raging racketeer, whether he had to kill with a little dagger, or strangle with a towel.)
In another well-known passage, Scaliger is even more explicit and charmingly states that Dolet was a feverish outbreak of poetry, a cancerous ulcer, or rather an encysted tumor of the Muses; he adds that Dolet was a mad barking dog and an atheist rolling in his own faeces; and he concludes by pronouncing the edifying verdict that, far from being purified by his death at the stake, Dolet had polluted the very flames that were supposed to purge him.8 One can see from the examples quoted that Scaliger had what one might call a slightly ebullient temper. His son Joseph Justus, who was wont to describe himself as I.C.F. (= Iulii Caesaris filius) on the title-pages of his publications, acknowledged as much when he said of his father in the Scaligerana that il estoit plus craint qu’aim¤ Agen […], il estoit terrible, et crioit tellement qu’ils le craignoient tous (he was more feared than loved in Agen […], he was terrifying and used to shout so loudly that everyone was afraid of him).9 But the violence of Scaliger’s verbal attacks against Erasmus and Dolet must not obscure the fact that the most highly-calibred salvoes that he ever fired, both quantitatively and qualitatively, were aimed at someone else: I mean Geronimo Cardano (1501 – 1576), who, in 1550, published his De subtilitate libri XXI, a rambling (to put it mildly) work on natural philosophy dealing with everything knowable (and a few more things besides). Scaliger, who had absolutely no reason to feel personally or otherwise incensed by Cardano’s musings,10 immediately decided (as he puts it) to forsake the pleasures given him by music, dance, and fair women, and to suffer instead from the hardships of hunger, thirst, and solitude, in order to pine away in the recesses of his study and to spend the waning strength of his declining years writing an Anticardanus, as it were. Scaliger’s reply finally appeared in 1557, one year before his death, under the slightly odd-sounding title Exotericarum exercitationum liber quintus decimus, de subtilitate ad Hieronymum Cardanum.11 It is with this rebarbative 8 Scaliger (1994 – 2010), V, bk. 6, ch. 4, 122 – 124. See on this Colletet (1992), 31 – 32, with the notes. 9 Quoted according to [Scaliger] (1695), 357. On this edition see VD17 3:008261Z, and on the various stages and the complex editorial history of the different Scaligerana collections Delatour (1998). 10 There does not seem to be any evidence that Scaliger and Cardano ever met in person: see Billanovich (1968), where Cardano’s name is not mentioned. On their ›literary‹ relationship, or rather antagonism, see Maclean (1984; more useful for our understanding of Cardano than for that of Scaliger), Kouskoff (1986; fairly general in its statements), and Michel (1990). 11 For the different editions of Cardano’s De subtilitate see Jensen (1994), 265 n. 1, and for the editions of Scaliger’s Exotericae exercitationes the bibliography in Magnien (1986), 301 – 302
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volume in –48, running to nearly 1000 pages of dense and difficult Latin divided into 365 exercitationes, that I am concerned in this article.12 I am not trying to find out who of the two antagonists was ›right‹ on any given issue, but shall try instead to look at the ways in which Scaliger criticized Cardano, and why he thought himself ultimately justified in his relentless, though utterly unprovoked, attacks.
II. So illustrious and so sweeping is your fame, my dear Cardano, that even the most sluggish could have been roused to carp at it, were it not for the fact that everybody knows you never wanted your renown to be grounded solely on public usefulness, but also on the praise of individuals.13
These are the words with which Scaliger introduces his invective, and he makes it clear from the start that he, for one, is not willing to be reckoned among those ›individuals‹ that are ready to lavish indiscriminate praise on Cardano’s efforts as a natural philosopher. Although Scaliger claims with mock-modesty that he is not spurred on by a desire to contradict, or even to rival, Cardano, but by an inborn impetus towards learning common to all scholars, the perusal of the Exotericae exercitationes leaves little room for doubt: the very man whom Scaliger ironically calls a literarum dictator in the preface to his work – a characterization reserved elsewhere in his writings for Aristotle –, is the target (an astonishing total of twelve editions). Quotations from the De subtilitate in this article refer to the edition that was published in Cardano (1966), III 357 – 672. (Cardano [2004 ff.] was unfortunately not available to me [to date, only the first volume of this edition, comprising bks. 1 – 7 of De subtilitate, seems to have appeared].) Scaliger’s Exotericae exercitationes are quoted according to the editio princeps (Scaliger [1557]) with indication of the number of the exercitatio, followed by the page referred to. The texts published in the same year under the imprint of Michael Vascosan and under that of Vascosan’s son-in-law, F. Morel, are identical. – On the pleasures forsaken by Scaliger see Scaliger (1557), 274, 349r : Nam qui Musicis supra omnium fidem & capiar, & oblecter: choreas aspectem libentissimº: pulchrarum foeminarum uenustate detinear : otiari inter haec, quae dixi, solutus curis possim: ad otia ipsa ualetudinis quotidiano, ut tecum iucundº loquar, auocer conuicio: malo hc cum tuis perplexissimis subtilitatibus uigilare: fame siccus, siti aridus, procul uillarum amoenitatibus, amicorum congressionibus, in cubiculi recessu contabescere. 12 Cardano’s reply to Scaliger’s reply, added from 1560 onwards to the editions of his De subtilitate under the title Actio prima in calumniatorem librorum de subtilitate (in: Cardano [1966], III 673 – 713), falls outside the scope of this article. 13 Scaliger (1557), Praef., fol. *ivr : Nominis tui splendor, atque magnitudo, Hieronyme Cardane, uel ignauissimum quenque poterat accendere ad obtrectationem: nisi nobis omnibus compertum esset: te tuam gloriam non cum publica utilitate sol·m, sed cum singulorum quoque laude coniunctam esse uoluisse.
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for one of the most sustained literary outbursts on record during the 16th century.14 Scaliger’s criticisms are levelled at a wide range of real or perceived shortcomings in his opponent’s treatise. To begin with the most fundamental flaw, and the one that is most easily understood even nowadays: Scaliger (himself the author of a widely-read Latin grammar15) has little patience with Cardano’s style, and he repeatedly rebukes him for his shameful ignorance of Latin.16 Not only is Cardano blissfully unaware of the most fundamental rules of the classical Roman idiom and its syntax,17 but his style too is utterly unworthy of a true philosopher.18 Such is his lack of elementary knowledge that he is not even conversant with the right words for the things he wishes to express,19 and when he happens to expound an argument, he either maintains something different from what he set out to prove,20 or it is just impossible to understand the meaning of what he 14 Scaliger (1557), fol. *ivv : Non enim contradicendi, aut contendendi ambitione motus, sed communi omnibus studiosis iure excitatus, ea protuli coram te maximo omnium consensu literarum dictatore iudicanda: quae nonnisi tua opera nobis esse plana possent. Cp. Scaliger (1557), 75.4, 113v : subtilium dictator [= Cardano], and Scaliger (1557), 7, 18v : Ibi enim recitamus diuina uerba illius nunquam satis laudati Dictatoris [= Aristotle]. On Scaliger’s characterization of Aristotle as dictator see Deitz (1995), 66 – 67, and Deitz (2000), 56 – 58. 15 Scaliger (1540). On this see above all Jensen (1990). 16 See Scaliger (1557), 34, 60v : ignoratione latinitatis, and Scaliger (1557), 286.1, 357v : Alterum insani, aut obliuiosi, aut ignari latinitatis. In one version of his autobiography, Cardano regretted not having mastered Latin well enough in his younger years: Non avevo nulla su cui fondare delle speranze: non richezze, non potenza, non buona salute, non forza, non nobilt di nascita, nessuna competenza speciale e neppure una particolare conoscenza della lingua latina. But, at least in Cardano’s case, a true grasp of Latin seems to have been a direct consequence of a true understanding of life, for after giving in fastidious detail all of the reasons why he thought he was unable to perpetuate his name, he goes on to say that things changed all of a sudden after a dream that encouraged him to stop lamenting and to start taking care of himself instead: Dopo qualche anno, in seguito a un sogno, concepii la speranza di questa seconda vita: non vedevo per il momento il modo di arrivarci, soltanto constatai che cominciavo a capire il latino come per incanto (quoted according to Cardano [1945], 27). 17 Scaliger (1557), 37.1, 63v : te […] ne grammatica quidem probº callere. Cp. Scaliger (1557), 347, 457r : Omitto Grammaticae corruptas leges; Scaliger (1557), 212, 283v : Innumeris in locis siquis abs te exigat Latinam puritatem: aut ille, aut tu, aut uterque operam perdiderit; and Scaliger (1557), 252.1, 326v : Vsus es insolenti uerbo. 18 Scaliger (1557), 61.2, 93v : Misera uerba, atque indigna tam Philosopho, qum homine Christiano. Cp. Scaliger (1557), 76.1, 117r : Quae uerba iugulant animum Sapientis, and Scaliger (1557), 44, 70v : Nae cum ista tua frigida oratione ipsa quoque torrida glaciem sentiret. 19 Scaliger (1557), 89, 135r : Imperfecta, inquis, metallica nuncupabo. Mirabar, qui omnes excusseris bibliothecas, omnia infercias, te ex carbonariis istis non attulisse appellationes. Vocant igitur sufflones haec, scitissima quidem uoce, semimetalla. Cp. Scaliger (1557), 202.3, 271r : Error ille in philologia. Appellas º Cane, & Vulpe genitum, Alopeca. Noli hoc obsecro, doctissime uir. Magnum enim tibi periculum imminet ab istis, quos tu Grammaticos, per contemptum, uocas: ne te quasi Graecae literaturae prorsus ignarum insectentur. 20 Scaliger (1557), 31, 57r : Haec […] uerba contrarium sonant, atque profitentur. Cp. Scaliger
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says.21 To put it in a nutshell, Cardano is an unrefined barbarian22, capable only of steering his whole undertaking to miserable shipwreck.23 The brain that devised such outlandish statements as those that can be found in the De subtilitate is ready for a cure of hellebore; the hand that wrote them deserves to be lashed; and the book that carries them ought to be wiped clean.24 One might argue that Scaliger’s grammatical and stylistic strictures are merely formal ones and remain, as it were, on the surface of the argument; that a minor, or even a major, deviation from the standards of Ciceronian syntax and phraseology does not immediately imply total ignorance of any given subject; and that an occasional linguistic idiosyncrasy does not necessarily entail the inconsistency of a reasoning. This, however, is not a view that Scaliger would have been likely to endorse. Indeed, when Cardano is about to deal with the faculties of the soul and claims that, in order to be able to do so, he needs to express himself in a new way (novum dicendi genus), Scaliger sourly notes that he would have preferred him to stick to common usage instead of further obfuscating an already obscure topic.25 In his view (which has a lot to commend itself even nowadays), ignorance of Latin leads to bad style,26 bad style leads to muddled thinking,27 and muddled thinking in turn leads to utter mental perplexity.28 Therefore, Cardano’s whole De subtilitate is in total disarray ;29 he is
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(1557), 78, 12r : Nemo tamen eorum, qui castº, integr¤que in Latina lingua uersati sunt, Solstitium hyemale, sed Brumam tempus illud appellarunt. Scaliger (1557), 53, 85v : Illa uerý uerba […] quid significent, equidem nescio. Cp. Scaliger (1557), 177.5, 230r (recte 240r): Postrema uerý uerba non intelliget Latinus, and Scaliger (1557), 239, 308r : Quid autem sibi uelint illa tua uerba, nescio. Scaliger (1557), 110, 173r : Hc quoque dicendi morem tuis moribus relinquendum censeo. Nam & barbarus est, & inconditus, & sententia nihili. Cp. Scaliger (1557), 121, 181v : Adeo barbarº loqueris interdum, ut & modestiam nostram, & omnium doctiorum superes patientiam, and Scaliger (1557), 300.1, 378r : Principiý abuteris ex tuis libris barbaris Romana uoce hac, cognitum. Quod nequaquam uobis licere intelligas. Scaliger (1557), 51, 77r : Tu uerý quasi in ipso mari uelifices, non sol·m aueheris auia marium recensione, sed etiam sententiae naufragium facis. Scaliger (1557), 37.1, 63v : Tua uerý uerba tam esse exoticº coniuncta, ut quemadmodum cerebrum, quýd ea dictasset, elleboro: ita manus, quae scripsisset, scutica: liber, qui nugis illis esset oblitus, spongia digna esse uiderentur. Scaliger (1557), 307.1, 387v : Animi uires ac naturam dicere aggressuro tibi, ais: nouo dicendi genere opus esse. Vtinam usitatus tibi intelligendi modus placuisset: loquendi legem, quacunque liberet optimas effari sententias, aequo animo ferremus. Nunc, Cardane, cogor cum aliis uiris optimis, quorum ego tant·m tenuis umbra sum, tuam istam laternam aperire: atque in ea pro lumine, foedissimas tenebras ostendere posteritati. Scaliger (1557), 142.4, 202v : Neque enim plenº pingis, neque aptº, neque ordine, neque Latinº. Scaliger (1557), 307.30, 417r : Ais in confusissima rhapsodia tuorum Commentariorum De animae immortalitate. On this passage see Jensen (1994), 274 – 275. Scaliger (1557), 13.1, 29r-v : Sed oratio tua uel hic, uel alibi, non sol·m turbulenta, sed etiam turbinis instar est. Cp. Scaliger (1557), 250.1, 321r : More tuo turbidus, atque lutulentus, quod primo loco proposueras, secundo tractas; Scaliger (1557), 75.4, 113v : Non deseris propositum
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unable to tell a beginning from an end;30 in short: it is the work of an uncouth, presumptuous, ignorant fool,31 whose intellectual fickleness and unreliability are apparent on every single page of the De subtilitate.32 Not even an Oedipus would be able to explain the meaning of Cardano’s riddles, and whoever dares to enter the thicket of his ratiocinations is but another Theseus, doomed to lose his way, unless he holds fast to a thread capable of leading him safely out again of the mind-boggling maze of Cardano’s work.33 But this is not all. Even Cardano’s grasp of the laws of the syllogism, i. e. of the laws of correct inference, leaves a great deal to be desired. I would like to illustrate the nature of Scaliger’s criticisms by translating two characteristic passages. The first is taken from a chapter dealing with the question why movement causes heat: What follows shows that you make light of the laws of logic, to put it mildly […]. This is what you write: »If something heats up when it is moved with great force, then it also heats up strongly.« This is not a figure of the syllogism whose conclusion follows necessarily from its premises, but is a topical way of reasoning. There may be cases when the matter under consideration is such that the inference is correct, as when I say: »Cardano seeks to know many things; therefore, he knows many things.« But this is true only because of Cardano’s extraordinary intelligence. The inference as such does not follow as a necessary conclusion, for then it would have to be true without exception, which is patently not the case. Let us follow Aristotle’s lead in the Topics, and in the first chapter of the Prior Analytics, and choose another example. If we then see that the form of the argument is inconsistent, no sure and steadfast rule can be derived from it. As in the following example: »When an oaktree is moved with great force, then it is also moved strongly.« On the contrary, it is hardly moved at all. If I may speak, as is my wont, as the barbarians from Oxford do, and not like a public orator in ancient Rome, I would say that the inference is false because whatever receives something from the outside does not receive it in the mode of the outside agent, but in the mode of its own receptivity. Thus, one cannot say: »Cardano unsettles us with a very bad argument, therefore we shall be very
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perplexº loquendi, and Scaliger (1557), 251, 325r : Igitur quod tu, more tuo, perplexº, atque inscitº inuoluis, clarº, ac planº nobis disponetur. Scaliger (1557), 2, 3v : Illud quoque, quo nihil uel in animo, uel in opere Sapientis admirabilius est, parum fuisse curae uidetur tanto uiro. Ordinem dico: sine quo Natura constare non potest. Cp. Scaliger (1557), 165, 227v–228r : Itaque more tuo confundis omnia. Scaliger (1557), 180.2, 243v : Optimum, ut soles, philosophum: qui finem ei, cuius finis est, contrarium fecisti. Scaliger (1557), 101.1, 143v : ruditer, atque confusº; Scaliger (1557), 9, 21r : temerº […] & inscitº; Scaliger (1557), 61.2, 93v : omniný ignorantis prae se fert speciem, and Scaliger (1557), 150.3, 323r : Insani est, simul haec componere: insipientis singula quaedam profiteri. Scaliger (1557), 9, 21r : Sed & argumentum, quod apponis, inconstantiam detegit animi tui. Scaliger (1557), 150.3, 322v : Non hc Oedipo coniectore [cp. Plautus, Poenulus 1,3,34], sed Thesei filo opus est.
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badly unsettled.« This is not how it works, for in this case truth is not attained by a necessary, but by a contingent conclusion.34
It seems to me that this paragraph contains at least four elements that are typical of Scaliger’s way of proceeding. First, he quotes a barely intelligible, or at least ambiguous, sentence of Cardano’s taken from its original context; he carries on by paying it a mock-reverence doubled with a personal slight; he then ridicules it by drawing an absurd conclusion from it; and finally he explains why it could not have been correct in the first place. The same ingredients can be found in many other passages of Scaliger’s Exercitationes. I would like to quote only one more, whose heading, very appropriately, reads Cardani dialectica: The gods did us a favour by not creating you as a woman, for you would have leapt eagerly to embrace every kind of premise. Here is an example of your brand-new logic: starting from two affirmative premises […], you conclude in the second figure [scil. when you say that] the Greeks use the sap of hemlock in order to commit suicide; that the [American] Indians use the sap of yuca to commit suicide; and that therefore yuca belongs to the same family as hemlock. In this way, you might just as well conclude that the Indians belong to the same family as the Greeks.35
34 Scaliger (1557), 16.2, 34r : Quae sequuntur, ostendunt, quod & in tuis Antilogiis obseruauimus, te dialecticas leges, ut lenissime loquar, neglexisse. Sic enim scribis hic [ref. to Cardano (1966), III 382b]: Si incalescit motu uehementi, etiam uehementer incalescere. Argumentandi figura non est necessaria, sed topica. Materia quidem fauet aliquando, ad hunc, puta, modum. Cardanus c·m multa scitatur, multa scit. Hoc ideý uerum est, propter excellens ingenium Cardani. At non sequitur propter illationem: sequeretur enim in omnibus. Ver·m non sequitur. Faciamus quod magister facit in Topicis, & in primo Priorum resolutoriorum. Apponamus aliam materiam. Tunc si non constat dicendi forma, nequaquam ex ea canon elici potest. Sit haec. Quercus mouetur motu uehementi: ergo mouetur uehementer. Imý parum. Loquar ergo meo more barbarº, & ab Oxonio, non º rostris, aut comitiis. Hoc uerum non est: quia receptiuum non recipit per modum imprimentis, sed per modum receptiuitatis. Itaque non procedit hunc ad modum. Falsissima argumentatione commouet nos Cardanus: igitur falsissimº mouebimur. Nihil minus. Non enim uerum sequitur necessariý, sed contingenter. 35 Scaliger (1557), 153.9, 213v : Dii benefecerunt quýd te foeminam non fecerunt. Ad primam quamque speciem promissorum exiluisses. Ecce nouam Dialecticam. ex duabus affirmatiuis, quod in te saepº castigavimus, concludis in secunda figura. Cicutae succus quaeritur Graecis ad mortem uoluntariam. Hiucae succo utuntur Indi ad mortem uoluntariam. Ergo Hiuca est de genere Cicutae. Ita igitur concludes quoque. Ergo Indi sunt de genere Graecorum. – I suppose that hiuca ought to be translated as »yuca« rather than as »yucca«, since the leaves of the former (also known as cassava, or manioc) contain potentially lethal cyanogenic glucosides (only the roots are comestible), whereas the »yucca« shrub is an ornamental plant not normally used neither for food nor for poisoning.
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As everyone with the slightest bit of scholastic logic knows, there are four figures of the syllogism which differ by the respective position of the middle term (i. e. the one absent from the conclusion).36 Each figure has 64 modes according to what are called the quantity (all or none) and the quality (affirmative or negative) of a proposition. Four modes of the first figure are called perfect, because they are deemed to be self-evident, whereas all the others are called imperfect. Among the imperfect modes, only 14 admit of a valid conclusion. An example of an imperfect mode with a valid conclusion in the second figure is the following: No President of the U.S.A. is a philosopher. All Latinists are philosophers. Therefore no Latinist is a President of the U.S.A. Cardano’s syllogism, however, as presented by Scaliger, would read as follows: Hemlock is used to commit suicide. Yuca is used to commit suicide. Therefore yuca is hemlock. Or, alternatively, as Scaliger suggests in blatant bad faith: All Greeks commit suicide by using hemlock. All Indians commit suicide by using yuca. Therefore all Indians are Greeks. Although by placing the middle term at the end of the two premises Cardano clearly singles out his syllogism as belonging to the second figure, his obvious mistake is to ignore that every valid syllogism of this figure must of necessity have one – universal or particular – negative premise and can therefore only have a – universal or particular – negative conclusion. Hence, Scaliger’s criticism is eminently justified, but it could perfectly well have sufficed in itself without his adding a personal insult to the dialectical refutation of Cardano’s admittedly inept argument. It would serve little purpose to dwell much longer on the deficiencies of Cardano’s logic, all the more so since a detailed analysis of them would lead us to degrees of technicality well beyond the scope of this paper. Just for the record, I would like to point out that, among other dialectical shortcomings singled out by 36 Scaliger knew this well, see e. g. the following statement taken from Scaliger (1994 – 2010), I, 1, ch. 2, p. 74, l. 5 – 7: Nihilo enim secius quaeritur in demonstratione terminus medius necessarius quam in topicis contingens.
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Scaliger, Cardano’s ignorance of the fact that logical contraries must necessarily be contained in one genus,37 his ignorance of the rule that one cannot validly conclude a minori ad maius,38 and his ignorance of the impossibility of drawing general inferences from particular instances are the most evident.39 Small wonder, then, that Scaliger feels himself entitled to say that Cardano’s arguments are often weak,40 full of contradictions41 and ambiguities,42 and that, far from being a dialectician, he resembles a mere mountebank who claims to be doing one thing while he is doing something completely different.43 In short, it is impossible to understand what Cardano is after, and even the proverbially obscure Heraclitus is a model of clarity in comparison with Cardano’s Cimmerian darkness.44 What could have been the reasons for such abysmal, and obvious, intellectual failures on Cardano’s part? Scaliger, who earned his living as a physician, would have been a bad doctor, had he not tried to find a diagnosis for his opponent’s shortcomings. First of all, he says, Cardano is undoubtedly extremely »nave« (this is how I translate the animi candor that has given this paper its title). Thus, when he sets out to deal with the nature of the soul of the world, a notoriously difficult and complex topic that had been hotly debated at least since the days of 37 Scaliger (1557), 314.1, 426r : Spes, inquis, tristitiae contraria est. Hoc falsum esse sciunt, qui non ignorant: contraria esse sub eodem genere maxime distantia. 38 Scaliger (1557), 193.1, 261r-v : Illa impia, ac nefaria uox. Nec sol·m ea minuta, sed & maiora animalia º putredine: imý omnia, credendum est, originem ducere. Addis pulcherrimum, ac ualidissimum argumentum. Nempe minori ad maius. Mus º putredine potest nasci: ergo & homo potest. Optima Dialectices, imý uerý Apodictices forma, l¤xque concludendi, in actionibus. 39 Scaliger (1557), 317.4, 431r : Hoc peccant tuae definitiones: c·m ex eo, quod est aliquando, constitutum uis id, quod semper esse debet. 40 Scaliger (1557), 9, 19r : Sanº uerý ingenium, ut semper, non uulgare: argumentum, ut saepº, imbecillum. Cp. Scaliger (1557), 23.1, 47r : Sed uideamus infelicissimum argumentum, and Scaliger (1557), 337, 449v : Rationes crassae. 41 Scaliger (1557), 7, 18v : Vbi uideris, qum manifestý tibi contradicas. Cp. Scaliger (1557), 12.1, 27v : Vbi te non meminisse eorum, quae supra dixisti, uides; Scaliger (1557), 17, 35v : Quod & per se est absurdum: & contr, qum est abs te proditum libro superiore; Scaliger (1557), 19, 38v : Aduersaris quoque, ut saepissimº, tibi ipse, and Scaliger (1557), 22, 41v : Qui praestantissima, ac maximº praesenti memoria praeditum te esse sciam, coactus sum existimare, aquarum […] fumo uexatum […] deleuisse recordationem tuorum principiorum. 42 Scaliger (1557), 1.3, 2v–3r : Non igitur una erit scientia: cui contemplari liceat entia omnia sub ratione subtilitatis. Esset enim & alia, quae consideraret sub ratione nobilitatis, alia raritatis, alia certitudinis, alia facilitatis. Quae propter ambiguam communitatem ad diuersa subiecta, diuersosque fines, intra unum certum ambitum recipi nequeunt Sapientibus. 43 Scaliger (1557), 287, 358v : Statim, quasi praestigiator, aliis propositis, alia ostendis. 44 Scaliger (1557), 19, 39v : C·m Heraclitus nullus, non iam Ponticus [Scaliger here seems to confuse Heraclitus with Heraclides], sed Cimmerius cum tuis tenebrosissimis perplexitatibus comparari debeat. Nam quis illud intelligat? Cp. Scaliger (1557), 239, 308r : Quid autem sibi uelint illa tua uerba, nescio.
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Plato, Cardano candidly states that it does not really matter whether we call it anima mundi or natura. As Scaliger is quick to point out, this identification (which seems to go back to the 12th century School of Chartres) precisely begs the question, for other definitions current in his day, all of which had a long tradition behind them, variously identified the soul of the world with the concepts of fatum, fortuna, or casus.45 Thus, to say without further ado that the soul of the world must be identical with nature betrays a degree of philosophical candour that is tantamount to utter foolishness.46 Equally bad, in Scaliger’s eyes, is Cardano’s sloth. Thus, when Cardano maintains that all matter needs to be present in a certain quantity in order to attract a form, Scaliger wryly comments that this is not only intrinsically false, but a bad joke begotten by Cardano’s ignorance and reared and nurtured by his opinionatedness and sluggishness.47 He simply does not care to read the relevant literature. To say nothing of Aristotle or of his commentators, Cardano is totally ignorant of Dioscorides and of Galen, and he cannot even properly refer to the works of the foremost exegetes of Dionysius Periegeta, Priscian and Eustathius.48 Small wonder, then, that such an utterly illiterate ignoramus, who is hardly conversant with the greatest authorities of Antiquity, and who makes light of the Greek, Arabic, and Latin commentators to boot, should be frivolous enough to make life easy for himself by simply devising new philosophical tenets out of the blue that are neither warranted by the weight of tradition nor proven by the strength of reasoning.49 It is no good to pretend that the Aristotelians had not 45 Scaliger (1557), 7, 18r : Magnus animi tui candor. Qui cum paucis notum nomen, & multis non receptum posuisses: difficile nanque intellectu uidetur mihi, quid sit Mundi anima: benignº addis, Nihil referre: Animne dicatur, an Natura. Nobis uerý uidentur esse quatuor, quorum uis ueteribus uariý assensu excepta est: Natura, Fatum, Fortuna, Casus. 46 Scaliger (1557), 7, 18v : Omniný uerý tu nugatus fueris. 47 Scaliger (1557), 17, 35v : Vnaquaque materia, inquis, sub certa quantitate formam ad se rapit. Haec enim tum falsý, tum prauº uidentur dicta. […] Nugae sunt hae, inscitiae soboles, alumnae pertinaciae, atque supinitatis. 48 Scaliger (1557), 17, 35v : Materiae […] penº oudenûtes, toties est Philosopho dicta, picta, praedicata, ostentata, decantata: ut loca recensere pigeat; Scaliger (1557), 177.2, 228r [recte 238r]: infinitis locis […] Dioscorides, & Galenus (cp. Scaliger [1557] 94, 137r : Miror, te tam egregiº uersatum in Galeni libris […] uerborum illius oblitum esse); Scaliger (1557), 51, 77v : Et nesciebas tu, qui nihil nescis, non esse librum illum Prisciani; ibid.: Consuleres Eustathium, qui Ptolemaeo Dionysium conciliare nititur. 49 Scaliger (1557), 10, 22v : Nouam praeterea, atque antehac inauditam sententiam adducis: Aerem existimari Peripateticis calidissimum. Quod uerbum nulli unquam deambulatorum nostrorum excidisse memini. Dicam? Nullus ex Arabum familia, nullus ex Graecis commentariis, nullus ex Latinis disputatoribus, quem maxima ex parte non excusserim: nullus extat angulus istius nostrae curiositatis, in quo non audierimus Aristotelis diuinas uoces. Nusquam tamen apud eorum ullum, quantum recordatione ultima repetere possum, dictum memini. Cp. Scaliger (1557), 246.1, 315v : [Q]uae te leuitas impellebat ad iuueniliter exultandum aduersus Aristotelem, & Galenum? Iam Galenistae ipsi: ut sunt castigatorum hostes, oloresque asperrimi: obiicient tibi, falsam esse tuam illam animalium partitionem.
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understood the nature of movement, say, and then hope for the best, when the very explanation given with great aplomb by Cardano can be found not only in Averroes’ Commentary on the Physics, but already in Aristotle’s very own Physics, as well as in his De caelo.50 The text, as later generations would say, always takes revenge on those who ignore it at their peril.51 But even in those rare instances when Cardano, according to Scaliger, seems to have read, or at least partly understood, the works of Aristotle and of his exegetes, he fares little better at his enemy’s hands. Consider what Cardano has to say about the colour of earth: My teaching rests on the evidence of senseperception; hence, I couldn’t care less about all that Peripatetic nonsense.52 The Peripatetic nonsense hinted at, and rejected here, is the notion that earth as such lacks a specific colour,53 whereas Cardano holds that it is blackish-grey, the reason adduced being that earth of superior quality (optima terra) invariably exhibits this particular tint. Goodness gracious [Scaliger exclaims] – a truly divine argument, and of such magnitude as to be likely to overturn the opinions of every Aristotelian. Of course – if happiness is the characteristic sign of the wise man, happiness must be the sign of man tout court, and if blackish-grey is the characteristic colour of earth of superior quality, blackish-grey must be the colour of earth tout court.54
The argument as such may be formally valid, but every farmer knows that blackish-grey clods of earth do not exist as such, as the highest species within an independent genus, as it were, but can only be found as the result of an admixture of ashes, moisture, or soot.55 Hence, even on the rare occasions when Cardano 50 Scaliger (1557), 28.1, 53v : Facilº te tribus quidem uerbis extricasti: at nos Peripateticos ignaros euasionis, inopes consilij, tuam fidem implorantes, nostris irretitos laqueis, atque implicatos reliquisti, ac potius deseruisti. At enimuerý si uerba tua sunt Auenrois uerba in quarto Physicorum: isti tuae fatali gloriationi nullus est etiam relictus locus. Scripsit ille sic. […] Et est haec sententia Aristotelis, ut declaratum est in libris Caeli & mundi, & in ultimo libri huius. Intelligit autem octauum Physicorum, ac secundum, & tertium de Caelo. 51 »Le texte se venge toujours«, quotation attributed to J. Truchet, La trag¤die classique en France, by Vax (1979), 7. 52 Scaliger (1557), 35, 60v : Nos hic, inquis, doctrinam trademus, quae sensuum confirmatur testimonio, has nugas nihil curantes: scilicet Peripateticorum. 53 I have not been able to trace this idea with anything remotely approaching certainty. Ps.Aristotle, De coloribus, 1,791a4, maintains that earth is white, which could perhaps be interpreted as the potentiality of all other colours. 54 Scaliger (1557), 35, 60v : Tu uerý eam [scil. terram] pullam dicis. Hunc enim colorem ascribis ei, propterea quýd ut ais, optima terra pulla sit. Dij boni, diuinum argumentum: cuius mole omnium Peripateticorum iudicia obruantur. Sanº si perfecti uiri est beatitudo: ergo uiri est beatitudo. Si terra optima pulla est, omniný terra suapte natura pulla est. 55 Ibid.: Optima? Simplicit¤rne, an ut quid? Philosophne est haec sententia, an aratoris? Pulla enim terra optima est ad generationem. At ea neque pura, neque nuda, sed mista est; 61r : […]
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takes the Aristotelian tradition into account, his criticisms tend to be ill-advised, unfounded, and beside the point. Whether Cardano ignored Aristotle because of his supine indolence of mind, or whether he rejected him because of his presumptuous arrogance of temper, his deliberately placing himself outside the Peripatetic tradition has a number of consequences for the overall orientation of his philosophy. Generally speaking, Scaliger argues that Cardano’s tenets are far removed from the truth;56 that they reveal a bad metaphysician;57 that they are unworthy of a Christian philosopher ;58 and that they are whimsical, freakish, or downright absurd:59 even monkeys, he says, can do better.60
III. So much, then, for the main aspects of Scaliger’s criticisms. Even if the picture drawn is perforce partially incomplete – thus, I have not mentioned Scaliger’s countless ironical slights, since they belong to the way in which he presents his arguments, rather than to the arguments themselves –, I hope that it has become clear that Scaliger had little patience with Cardano, in whom he saw an utter fool whom he was not prepared to suffer gladly. Let me conclude by asking why he could have felt himself warranted to do what he did, and to do it in the way he did it. To characterize Scaliger’s text as a mere »savage book review«, as Anthony Grafton peremptorily did, seems to me to be all too cavalier.61 In my view, Ian Maclean came nearer the truth when he wrote that »Cardano and Scaliger belong to the same ›universe of discourse‹« and that their »polemic is made up inexorably of a metalanguage grounded in neo-Aristotelianism«,62 but this does not explain why Scaliger set upon Cardano so savagely. On the other hand, I cannot
56 57 58 59 60 61 62
in pulla terra esse humoris compositionem […] cineris argumento […] Pullum enim est fuliginosum […]. Scaliger (1557), 31, 57r : Haec […] uerba […] ueritati repugnant. Scaliger (1557), 11.1, 25v : Sic tua sententia est & parum considerati, & parum metaphysici. Scaliger (1557), 61.2, 93v : Misera uerba, atque indigna tam Philosopho, qum homine Christiano. Cp. Scaliger (1557), 216.1, 285r : Sententiam uerý, & apud te falsam esse tuam hanc, & apud omnes pios impiam manifestum est. Scaliger (1557), 73, 109v : Nam si haec somnia non sunt, monstra sunt (cp. Scaliger [1557], 37.1, 63v–64r : te […] quasi monstrorum patrem); Scaliger [1557], 80.3, 125r : Tota […] illa farrago orationis absurda est (cp. Scaliger [1557], 363, 470r : Argutia […] absurda […] est.). Scaliger (1557), 213.2, 284r : Cum dicebas: Simias aliquas maiore pollere ingenio, qum º barbaris multos […] tibi tunc uestrorum Tessinorum memoriam excidisse. Grafton (1999), 4. It has to be said, however, that a discussion of Scaliger (1557) lies outside the scope of Grafton’s book. Maclean (1984), 245.
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bring myself even by a stretch of will to believe Scaliger’s own repeated protestations that he was not spurred on in his undertaking by a spirit of emulation, but only by dispassionate love of truth.63 Love of truth Scaliger may well have possessed, but this love was fed, nurtured, and sustained by his even greater desire for immortal fame. Let me therefore try to suggest a number of motives that may contribute somewhat towards explaining Scaliger’s unmitigated fierceness, and that seem hitherto to have escaped scholarly notice.64 First, despite the fact that I do not think that any sort of vacuous psychological generalization, based on our vast, but certainly imperfect knowledge of Scaliger’s quarrelsome character, could do full justice to the complexity of the phenomenon, one cannot help being struck by one extraordinarily similar trait of both antagonists’ biography. Both were homines novi in the republic of letters, and both spent a great deal of their respective lifetime flaunting credentials that were supposed either to justify or to obliterate their obscure origins. Cardano »wrote not one, but four versions of his autobiography, as well as four analyses of his own horoscope«,65 whereas Scaliger, as is well known, forged himself an ancestry making him a direct descendant of the famous della Scala family of Verona, the patrons, among others, of Dante, Petrarch, and Giotto.66 It seems likely that both could argue, and quarrel, so well, because they understood each other so well. We are in the presence of two lives lived between Dichtung und Wahrheit, of two lives spent trying to convince the world at large that their respective protagonists were not the social and intellectual upstarts that they in fact were. Indeed, I would argue that no serious and long-lasting intellectual controversy can ever arise between two or more people who have nothing, or only very little, in common, for one tends to discern one’s own shortcomings more quickly and more sharply in others than one’s own qualities – if I do not recognize any part of myself in my neighbour, I may not even notice him. Second, at a more typological level, I would suggest that Scaliger’s reply to Cardano belongs to a specific literary genre that perhaps reached its apogee in the 15th and 16th centuries. I obviously mean the invective, whose purpose is not 63 Scaliger (1557), Praef., fol. *ivr : Quocirca licuit nobis procul ab omni studio contentionis otio frui, atque tranquillitate literaria: nostrosque animos tanquam in arce quadam ueritatis collocatos continere, quam tu posteritati magnis operibus exaedificasses. Ibid., fol. *ivv : Sapientiae studium perpulit, ut ad calcem usque deducerem obstinate. 64 See, e. g., the rather unsatisfactory treatment by Minonzio (1999), 224 – 225. 65 Grafton (1999), 4. 66 On Scaliger’s real ancestry see Billanovich (1968), esp. 218 ff. Julius Caesar Scaliger’s even more famous son Joseph Justus (1540 – 1609) tried to corroborate his father’s claims in Scaliger (1594), a work sharply criticized by some of his contemporaries (above all by Joseph Justus’ erstwhile friend, Kaspar Schoppe [1576 – 1649], who became one of his most implacable enemies after his conversion to Catholicism).
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only to refute one’s opponent’s arguments, but also to destroy one’s opponent’s fame and reputation, and finally to demolish one’s opponent himself. As with every other literary genre, the invective has its laws, one of which is that you cannot write half an invective, or a three-quarter invective – either you do or you don’t, and if you do, you must go the whole way, through all the stages of irony, vituperatio, obtrectatio, and so on. The point is not merely ›what‹ you say, but also (and sometimes even mainly) ›how‹ you say it. Even a cursory stylistic analysis of Scaliger’s Exercitationes would quickly uncover the scathing virtuosity with which he wielded the sharp weapons of this lethal compositional art, of which I have only given a few choice examples. Hence, my second conclusion would be that, in order to argue well, you have to know the rules of the game that you are playing, and to adhere to them, whether you are a private person or a public orator, whether you are a literary scholar or a scientist, whether you are a plaintiff or a defendant. In such cases, art will come to the rescue of nature and talent, and as always in similar circumstances, art’s supreme achievement will be to keep its own artificiality hidden under a seemingly effortless grace. Finally, I think that, at least in the controversy that I have chosen to illustrate, we can discern a very strong personal and idiosyncratic component. Well hidden in an Exercitatio on the food of animals, we find the following unexpected statement: Nothing is more blessed than knowledge. Nothing is more divine than teaching. Nothing comes closer to true happiness than learning. Therefore let us all learn without upbraiding or reproach, in mutual charity. Whatever anyone has attained by the grace of God, as well as by his own hard and assiduous work, he should lay open to all, and share with him who has nothing. Those who know less ought to accept correction just as cheerfully and thankfully as those who fare better have offered it ungrudgingly.67
If we take Scaliger’s words seriously (as we obviously should), there can be little doubt that he saw himself as one of those to whom God had given aplenty, and who now felt it to be his duty to share the abundance of his gifts with others. He clearly was, or thought of himself as being, a man with a mission. Just as nature does nothing in vain,68 so the natural philosopher, too, serves a specific purpose in the universal fabric of things. I am personally less than certain whether Scaliger’s castigations of Cardano are perfectly in tune with the commandment 67 Scaliger (1557), 216.1, 285r : Nihil beatius, qum scire. Nihil diuinius, qum docere. Nihil propius uerae felicitati, qum discere. Discamus igitur omnes absque conuiciis, atque exprobrationibus mutua caritate. […] quod quisque Dei beneficio, suo labore, ac diligentia consequutus fuerit, id in medium ponat: impartiat non habenti. Inferiores uerý tam libenter accipiant, tam gratº acceptum ferant, qum haud grauatº contulerint feliciores. 68 Cp. Aristotle, De caelo, 1,4,271a33.
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of charity that he so candidly advocated in the passage quoted above, but if he truly saw himself, as he was likely to do, as an instrument of providence, there is no good reason why he should not set out simply to destroy […] for ever […] and root […] out of the land of the living the man whose tongue deviseth mischiefs, like a sharp rasor, working deceitfully.69 Thankfully, Scaliger massacred with words only, and we should perhaps see it as one of the major benefits of the classical tradition that it has taught, and continues to teach, hotheads, fanatics, missionaries, and other peevish, cantankerous and unforgiving characters of every denomination the art of wrestling with words rather than of butchering with swords.
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Pol¤mique et onomastique chez Erasme
I. Dºs 1523, dans le Catalogus omnium lucubrationum adress¤ Johann Botzheim, Erasme reconnaissait l’importance quantitative qu’il avait accord¤e la pol¤mique. Evoquant la publication venir de ses œuvres complºtes, il pr¤voyait que les Apologies occuper[aient] le huitiºme [tome] et fer[aient] un volume de bonne dimension (Octauum occupent Apologiae. […] et hae iustum volumen efficient).1 A cette occasion, il ¤numºre prºs de vingt titres, auxquels bien d’autres viendront s’ajouter jusqu’ sa mort puisque, pour la p¤riode 1517 – 1536, on en recense une petite quarantaine, sans compter de nombreuses lettres.2 Ces Apologies, la diff¤rence des invectives, sont d¤fensives. Elles naissent en r¤action des attaques dont Erasme, toujours dans le Catalogus, se plat souligner la virulentia, qui s’exprime sous forme de flºches et traits empoisonn¤s3 auxquels le prince des humanistes opposerait un simple hyperaspistes, voire une modeste spongia. Le calame est une arme dont on use comme d’une ¤p¤e, pour faire rendre gorge,4 de mÞme que les pamphlets des Luth¤riens sont d¤crits comme si tranchants qu’Erasme pr¤fºrerait Þtre livr¤ aux lances des Suisses plutút que d’Þtre cribl¤ de leurs stylets5. C’est ainsi que se m¤taphorise, chez de nombreux auteurs de la Renaissance, la contentio, cette tension propre la dispute et la pol¤mique. A la violence qu’il d¤nonce chez ses adversaires, Erasme a soin d’opposer sa propre mod¤ration, partie int¤grante de l’ethos qu’il entend se construire. C’est au sein d’une telle strat¤gie que l’on peut s’interroger sur la question du nomen, terme dont on peut d’embl¤e souligner la polys¤mie et qui fait l’objet d’une part 1 Erasmus (1906 – 1958), I 41. 2 Pour la liste de ces œuvres, voir Jolidon (1995), ainsi que la thºse d’Alexandre Vanautgaerden (2008), paratre. 3 Erasmus (1906 – 1958), I 30. 4 Erasmus (1906 – 1958), I 28. 5 Erasmus (1906 – 1958), V 561. Voir Crousaz (2005), 69 – 78.
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d’une r¤flexion explicite et d’autre part d’une utilisation nettement moins avou¤e. Il faut, pour bien comprendre l’enjeu de cette r¤flexion et de cet usage, se souvenir de l’importance que la question revÞt la Renaissance, lisible tant dans le got des humanistes pour les listes de noms, attest¤es par la pratique de l’album amicorum ou des index,6 que dans la pratique des pr¤faces publi¤es sous les auspices d’un nom donn¤ (nominis auspiciis), auquel en retour on assure l’immortalit¤. C’est en gardant l’esprit ces ¤l¤ments que l’on pourra se demander comment les noms propres, ceux des protagonistes en particulier, entrent en jeu dans la pol¤mique telle que la pense et la r¤alise Erasme. Ont-ils un simple statut de paramºtres ext¤rieurs? Ou bien entrent-ils dans le jeu rh¤torique, et sous quelle forme? A cút¤ des rºgles explicitement pos¤es par Erasme en matiºre d’utilisation des noms, on constatera que la pratique est en fait beaucoup plus complexe, voire retorse, et qu’elle fait signe vers une conception, elle aussi complexe, du langage.
II. Fascin¤s par le nouveau jouet que leur procurait l’invention de Gutenberg, les humanistes ont eu une tendance un peu immod¤r¤e faire un livre de la moindre querelle.7 Assez rapidement, il a fallu tenter d’en ¤dicter les rºgles. Celles-ci reposent chez Erasme sur un fondement moral plutút que l¤gal: ¤laborant ce faisant une ¤thique de la publication, l’auteur du Moriae encomium pr¤tend r¤f¤rer ses œuvres un nom propre parce qu’une telle apposition constitue une garantie, un engagement de l’auteur.8 C’est au nom de cet engagement qu’Erasme condamne explicitement l’anonymat et la diffamation. Dans l’un des deux poºmes dont Thomas More a accompagn¤ sa lettre de remerciements Pierre Gilles pour le diptyque r¤alis¤ par Quentin Metsys, il s’adresse un spectateur imaginaire: Tu reconnais sans doute leurs traits ceux que tu vois ici, mÞme si tu ne les as vus qu’une fois auparavant. Sinon, l’identit¤ du premier te sera r¤v¤l¤e par la lettre qui lui a ¤t¤ ¤crite; le nom de l’autre, pour que tu ne restes pas ignorant, voici qu’il l’¤crit lui-mÞme (nomen alter, / Ne sis nescius, ecce scribit ipse). Pourtant, mÞme s’il 6 Erasmus (1906 – 1958), VIII 249, propos de l’Opus epistolarum: Ad haec, praefiximus Indicem, nominibus personarum ac paginarum numeris adiectis, commonstraturum quis ad quem scribat et quoties scribat. 7 Bietenholz (1975), 191. 8 Je r¤sume ici des propos que j’ai d¤velopp¤s plus largement dans une thºse de doctorat, paratre (B¤n¤vent, 2003).
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se taisait, les titres des livres pourraient te l’apprendre, puisqu’ils sont c¤lºbres et lus dans le monde entier.9
Ainsi Thomas More attire-t-il l’attention sur le nom d’Erasme, lisible ou d¤ductible en plusieurs lieux du tableau.10 Or cette question pr¤occupe Erasme, si l’on en juge par ses lettres, et plus encore par le paratexte de ses œuvres. Dºs la pr¤face la premiºre ¤dition du Nouum Instrumentum, en 1516, Erasme affiche la volont¤ d’indiquer son nom (nomen nostrum asscripturi), volont¤ qui ne reposerait pas sur un d¤sir de gloire (dulcedine famae) mais sur un souci d’utilit¤ et de responsabilit¤ morale: travers la r¤f¤rence T¤rence (Homines sumus et humani nihil alienum a nobis esse ducimus), Erasme entend assumer critiques et erreurs.11 L’assignation des œuvres un nom propre, essentielle la fonction auteur telle que l’a d¤finie Michel Foucault, implique notamment la responsabilit¤ p¤nale de l’auteur,12 et c’est bien un cadre l¤gal que tente de mettre en place Erasme au cours des ann¤es 1518 – 1536, lorsque se d¤chane le tourbillon des pamphlets anonymes provoqu¤ par la crise luth¤rienne. Erasme, qui a alors fort faire pour ne pas endosser la paternit¤ de certains d’entre eux,13 est conduit affirmer, par exemple dans une lettre Lord Mountjoy imprim¤e dans les Epistolae ad diuersos: Je n’ai jamais, moi, publi¤ quoi que ce soit sans y apposer la marque de mon nom (Ego nihil vnquam aedidi cui non apposuerim nominis mei titulum). Et je n’ai jamais revendiqu¤ comme ¤tant de moi ce qui ¤tait autrui, ni non plus fait passer mes livres sous des noms emprunt¤s autrui (nec mea titulis alienis supposui).14
Le Catalogus, catalogue de toutes les œuvres d’Erasme, m¤nage ainsi une trºs large place l’¤vocation des publications pirates. C’est l’occasion de faire le tri, comme Erasme s’y est appliqu¤ pour J¤rúme, Augustin ou S¤nºque, entre les authentiques et les apocryphes. En outre, comme chez Cl¤ment Marot par exemple, les pr¤faces et les lettres au lecteur deviennent un lieu privil¤gi¤ pour pallier le ›vide‹ juridique concernant les droits d’auteur et pour d¤noncer les plagiaires. Ainsi Erasme corrigea-t-il le texte des Colloquia ›pirat¤‹ par Beatus Rhenanus, et le fit-il r¤imprimer chez Martens et Froben, pourvu d’une pr¤face qui racontait la genºse de l’ouvrage et d¤nonÅait le proc¤d¤: Publier sous mon 9 10 11 12 13
Erasmus (1906 – 1958), III 106. Voir Jardine (1993), 36 – 37 et Van der Coelen (2008), 58 – 61. Erasmus (1906 – 1958), II 171. Foucault (2001), 827. Voir par exemple, propos du De captivitate babylonica Ecclesiae praeludium et de pamphlets anonymes, Erasmus (1906 – 1958), IV 537 – 538 et IV 586. 14 Erasmus (1906 – 1958), IV 544. Voir ¤galement, ibid., VII 10.
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nom ce qui n’est pas de moi ce n’est pas, je le sais, une offense l¤gºre (Scio non esse leuem iniuriam edere meo nomine quod meum non est).15 Si, endurci par les outrages, Erasme pr¤tend ne pas s’en ¤mouvoir, en revanche il affirme avoir corrig¤ ce texte par souci de que la jeunesse, abus¤e par l’artifice de mon nom, ne se laisse pas infecter par des sol¤cismes (ne iuuentus nostri nominis lenocinio decepta soloecismis inficeretur). Se fait ici jour une premiºre mise en garde contre l’autorit¤ aveugle que l’on accorde au nom.16 La volont¤ hautement proclam¤e d’apposer son nom s’accompagne de d¤marches visant r¤primer l’anonymat. Erasme met en rapport ¤troit publications pirates, libelles anonymes et ¤crits diffamatoires, qui tous participent d’une mÞme irresponsabilit¤, source potentielle de d¤sordres publics. Lui-mÞme, qui s’est toujours efforc¤ de ne pas Þtre une cause de d¤sordres, qui a tent¤ de retenir Luther sur le chemin de la s¤dition, n’a cess¤ d’exhorter ses contemporains s’abstenir de libelles scandaleux et surtout anonymes (vt abstineant a libellis famosis, praesertim anonymis).17 S’il n’approuve pas Hutten, du moins ce dernier a-t-il le m¤rite d’assumer ses ¤crits, la diff¤rence de ceux qui n’osent indiquer leur vrai nom (non audent addere verum nomen), comme s’ils doutaient de leur propre cause. Dans la plainte qu’Erasme d¤pose au conseil de Ble contre l’auteur Guillaume Farel et son imprimeur, qui ont publi¤ divers opuscules diffamatoires, il conclut en ces termes: Je constate aussi que certains s’entendent pour faire du tort qui ils veulent en ¤crivant des opuscules anonymes ou sous un pseudonyme (absque titulo aut ficto titulo): cette pratique n’est rien d’autre que germes de s¤dition (seminarium seditionum).18
La diffamation, comme son nom l’indique, met en jeu la fama, ¤troitement li¤e au nomen.19 Sur un plan l¤gal, Erasme fait plusieurs reprises r¤f¤rence l’article du Code Justinien, De famosis libellis, que complºte un autre article intitul¤ De calumniatoribus – deux articles qui ont eu un impact consid¤rable sur la r¤flexion juridique de la Renaissance, confront¤e au ph¤nomºne nouveau de l’imprimerie. C’est bien sur le droit romain qu’Erasme s’appuie dans une r¤ponse au S¤nat blois, qui porte en premier lieu sur la publication des livres (de libellis excudendis) et souligne le lien entre la diffamation et l’anonymat:
15 16 17 18 19
Erasmus (1906 – 1958), III 466. Voir infra. Erasmus (1906 – 1958), IV 462. Erasmus (1906 – 1958), V 568. Bietenholz (1975), 188. Sur la fama, on pourra ¤galement se reporter aux travaux de Jean Lecointe.
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Tous les magistrats doivent veiller, en vertu du droit des gens (iure gentium), ce qu’on ne publie pas d’ouvrages diffamatoires ou fauteurs de s¤dition (libelli famosi aut ad seditionem tendentes). […] Les ouvrages qui ne portent pas mention d’auteur, d’¤diteur et de lieu (Libelli qui non habent titulum authoris, excusoris ac loci) doivent Þtre absolument condamn¤s, et punis ceux qui les mettent en circulation, les publient et les vendent. Il faut punir encore bien plus s¤vºrement ceux qui ajoutent de fausses indications.20
Dans le strict cadre l¤gal qu’Erasme entend poser, la solution pr¤conis¤e n’est rien d’autre qu’une censure pr¤alable. Toutefois, Erasme d¤fend surtout un point de vue ¤thique: pour ne porter atteinte la fama de personne, il ne faut pas donner de noms, les accusations nominatim et faites publiquement constituant toujours une circonstance aggravante.21 La lettre qu’il adresse au plus acharn¤ de ses d¤tracteurs (obtrectatori suo pertinacissimo) met en contraste deux attitudes oppos¤es. Certains Dominicains, ordre auquel appartient son adversaire, rendu anonyme dans la version publi¤e de la lettre, ne se gÞnent pas pour prof¤rer des mensonges en citant des noms, mÞme en public (nominatim etiam et palam mentiuntur); Erasme l’inverse s’est toujours montr¤ vertueux: moi, qu’on a harcel¤ de tant de maniºres, je n’ai jamais cit¤ de nom de Carme ou de Dominicain (Ego tot modis lacessitus, nullius Praedicatoris aut Carmelitae nomen scriptis meis perstrinxi).22 Le plaidoyer pro domo est r¤current, des Antibarbari au Catalogus en passant par la d¤fense du Moriae encomium, adress¤e Martin Dorp: partout Erasme rappelle qu’il n’a jamais accus¤ nomm¤ment.23 Il pousse mÞme le scrupule jusqu’ affirmer, dans la pr¤face de l’Opus Epistolarum: De nos jours, je ne sais pas ce qu’on peut ¤crire sans offenser l’un ou l’autre. Nous, du moins, nous nous sommes toujours appliqu¤ selon nos forces ou laisser de cût¤ ou en tout cas adoucir ce qui avait trop d’pret¤. Nous nous sommes bien volontiers abstenu de transmettre les noms (A nominibus traducendis libenter abstinuimus).24
De fait, une enquÞte men¤e rapidement sur les cinquante-cinq autographes ¤pistolaires d’Erasme compar¤s leur version publi¤e r¤vºle qu’outre les 20 21 22 23
Erasmus (1906 – 1958), VI 8, l. 47 – 48. Voir Erasmus (1906 – 1958), IV 420 – 424; IV 431; IV, 559; IV 593; V 31; etc. Erasmus (1906 – 1958), IV 469. Pour ne citer que le Catalogus: Erasmus (1906 – 1958), I 21: Equidem gloriari consueueram quod, quum tam multa ioco serioque scripsissem, nullum adhuc mortalium meo stilo nominatim lacesserem. Sur le Moriae encomium, ibid., II 92 – 97. Erasme y prend notamment ses distances avec la pratique de l’onomasti komodein: Numquam explosa fuisset vetus comoedia, si ab aedendis nominibus illustrium virorum abstinuisset (II, 97). 24 Erasmus (1906 – 1958), VIII 250.
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modifications formelles et la pratique r¤guliºre de l’amplificatio, les transformations les plus notables portent sur les noms. Ainsi Erasme supprime-t-il les noms de Schott et de Brunfels dans la plainte d¤pos¤e contre eux auprºs des magistrats de Strasbourg,25 en aot 1524. Ailleurs, il efface des allusions ou masque les noms d’Œkolampad, Eppendorff, Lee ou Aleandro.26 Ces mesures corroborent le refus affich¤ de la »personnalisation« des conflits, qui passe de faÅon notable par la critique des adjectifs d¤riv¤s de noms propres, le nom mÞme d’Erasme ayant donn¤ naissance de nombreux adjectifs.27 Ainsi r¤torque-t-il Johannes Eck, selon lequel les Erasmiens eux-mÞmes d¤ploraient qu’il n’et pas lu Augustin: je ne trouve assur¤ment aucun motif en moi, excellent homme, pour que quelqu’un veuille Þtre Erasmien (Erasmicus); et j’ai en profonde horreur ces noms qui sont signes de discorde (ista dissidiorum nomina).28 Il d¤nonce les d¤nominations hassables de ›Reuchlinistes‹ (odiosi tituli Reuchlinistarum) dans sa R¤ponse aux calomnies s¤ditieuses: Je ne suis pas Reuchliniste (Reuchlinista), je ne suis du parti d’aucun homme (humanae factionis). Je d¤teste ces noms de dissidence (dissidii nomina). Je suis chr¤tien et je ne connais que les chr¤tiens; je ne supporterai pas d’Erasmistes, je ne reconnais pas de Reuchlinistes (Erasmistas non feram, Reuchlinistas non noui).29
La d¤rivation adjectivale tend faire du nom un paravent, un pr¤texte.30 Erasme refuse le prix payer pour une telle promotion, qui implique une double ali¤nation. Dans le Ciceronianus, Bulephorus analyse en ces termes la passion de Nosoponus: Tu brigues ce surnom brillant et aimable de cic¤ronien (speciosum illud et amabile Ciceroniani cognomen ambis).31 Nosoponus, en ¤cho, se reconnat pr¤occup¤ par l’¤clat du trºs beau surnom (pulcherrimi cognominis splendor).32 De faÅon symptomatique, ce dialogue, dont le titre mÞme est constitu¤ par un adjectif d¤riv¤ de nom propre, autre surnom de discorde,33 joue constamment sur les dangers d’une telle d¤rivation – ou d¤rive. Erasme entend y 25 Erasmus (1906 – 1958), V 512. 26 Erasmus (1906 – 1958), V 607; VII, 366; VII 378; IX 331. D’autres exemples sont signal¤s et ¤tudi¤s par Halkin (1983) 156: VI 363; VI 199. 27 Hoven (2006), 194: erasmianus, erasmicus, erasmeus, erasmista, et mÞme erasmomastix. Signalons aussi le titre d’un ouvrage perdu dans la querelle du cic¤ronianisme: Bellum ciuile inter Ciceronianos et Erasmicos, de Gaudenzio Merula. 28 Erasmus (1906 – 1958), III 335. 29 Erasmus (1906 – 1958), IV 121. 30 Erasmus (1906 – 1958), V 259: omnem spem mei ademi omnibus, ac ne nominis quidem mei praetextu passus sum illos vti apud vulgum. 31 Erasmus (1965) 16. 32 Erasmus (1965) 22. 33 Erasmus (1965), 304.
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d¤noncer l’erreur qui grandit sous couvert d’un nom illustre (sub splendidi nominis umbra),34 mais aussi ceux qui, en passant du nomen au cognomen, usurpent une identit¤. Les cic¤roniens revendiquent un nom dont ils ne sont pas dignes, et qu’ils marchandent honteusement; ce sont des singes, qui portent atteinte la r¤putation de Cic¤ron en se faisant valoir sous le couvert de son nom (uerumetiam ipsum Ciceronis nomen obscurant, cuius cognomine sese uenditant).35 A l’inverse, se laissant fasciner par le pouvoir du nom, ils perdent tout esprit critique: au d¤but du dialogue, Bulephorus ¤voque le cas d’un ¤crit de Cic¤ron publi¤ sous un autre nom (Fragmentum e Cicerone decerptum, addito Germani cuiuspiam titulo)36 et d¤cri¤ par les cic¤roniens, tandis qu’un texte attribu¤ Cic¤ron (Ciceronis nomen), mais nullement de lui et entach¤ d’erreurs grossiºres, est encens¤ par les mÞmes…37 Ãrasme joue sans cesse du nom (nomen) de Cic¤ron contre le surnom (cognomen ou titulus) de cic¤ronien: comment, et quel prix passe-t-on de l’un l’autre? Lorsqu’un nom devient adjectif et acquiert une autorit¤, que devient celui dont il est d¤riv¤: une icúne? un porte-drapeau? Pour celui qui l’adopte, un tel surnom ne dit en v¤rit¤ rien de l’Þtre. Il ¤voque plutút, sous forme de souhait, un devenir qui implique une abdication de sa propre identit¤: les cic¤roniens ne visent-ils pas Þtre des signes, des individus dont la seule raison d’Þtre est d’incarner un titre et d’avoir la simplicit¤ d’un adjectif ?38 Cette analyse en dit long sur la prudence avec laquelle il faut traiter la question des noms, d’autant que l’on trouve dans ce mÞme dialogue un catalogue – un catalogus nominatim – de contemporains qui a valu son auteur bien des inimiti¤s, aussi bien de la part de ceux qu’il nommait que de la part de ceux qu’il ne nommait pas.39
III. En v¤rit¤, il est facile de d¤montrer qu’Erasme n’a pas toujours scrupuleusement appliqu¤ les principes ¤thiques qu’il d¤fend ouvertement, aussi bien en ce qui concerne la question de son propre anonymat que pour sa faÅon d’orchestrer, 34 35 36 37
Erasmus (1965), 134. Ibid. Erasmus (1965), 72. Voir B¤n¤vent (2001), 20 – 21. L’exemple est d¤j pr¤sent chez Pic, dans la pol¤mique cic¤ronienne qui l’oppose Bembo, mais Erasme l’aggrave en insistant sur les fautes que contient le second texte. 38 Rey (1998), 80. 39 Voir ce propos Erasmus (1906 – 1958), VIII 414, o· Erasme r¤pond la plaisanterie de son correspondant, Brassicanus, selon laquelle tous ceux qu’il n’a pas nomm¤s dans son dialogue peuvent Þtre consid¤r¤s comme morts.
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malgr¤ tout, des attaques ad personam. Si ces attaques ne sont pas tout fait nominatim, le remºde peut Þtre pire que le mal. Sur la question de l’anonymat, il est tentant d’invoquer l’exemple du Julius exclusus, pamphlet dans lequel le pape Jules II, qui vient de mourir, se voit refuser l’entr¤e du ciel par saint Pierre. Erasme en a toujours d¤ni¤ la paternit¤, il ne le mentionne mÞme pas dans le Catalogus. Partout o· il en parle, il le condamne avec vigueur, comme dans une lettre Jean Caesarius o·, aprºs avoir critiqu¤ les Epistolae obscurorum virorum, il en vient se plaindre du pamphlet anonyme, qu’il disqualifie complºtement: je te le demande, mon excellent ami, veuille faire tout ce que tu peux pour couper court ces imb¤cillit¤s sacrilºges avant qu’on ne les imprime (priusquam excudantur). Non que ces individus m¤ritent qu’on leur rende ce service, mais nous avons le devoir de veiller devant le public au bon renom des ¤tudes (quod nostrum est publice studiorum honestati consulere), que ces gens souillent indment par ces sortes de plaisanteries.40
Sans entrer dans la pol¤mique, qui semble loin d’Þtre close, sur l’attribution de cet ouvrage Erasme,41 on peut remarquer que, s’il en est l’auteur, il a habilement utilis¤ la distinction, h¤rit¤e du droit romain, entre la m¤disance priv¤e et la diffamation publique pour jouer sur ce statut d’auteur. En t¤moigne le recours l’adverbe publice dans la lettre Caesarius. Dans la protestation solennelle qu’il adresse Campeggio, Erasme ¤crit, toujours propos de ce dialogue: Celui qui l’a ¤crit (scripsit) a extravagu¤, mais celui qui l’a diffus¤ (euulgauit) m¤rite un supplice bien plus grave.42 Il utilise peu prºs les mÞmes arguments dans la lettre Wolsey, ceci prºs qu’il ajoute: Jusqu’ pr¤sent, je n’ai ¤crit aucun ouvrage, et je n’en ¤crirai pas, sans y inscrire mon nom (Nullum adhuc opus conscripsi, neque conscripturus sum, cui non praefigam nomen meum).43 Sont ainsi distingu¤s un usage priv¤, restreint un cercle amical, et l’usage public d’un texte qui met nomm¤ment en cause le Pape Jules II et dont Erasme ne pourrait dºs lors assumer publiquement la paternit¤. Si Erasme ne respecte pas scrupuleusement les rºgles de publication qu’il a lui-mÞme ¤dict¤es, il n’a pas non plus pouss¤ la perfection le silence sur les noms, comme le sugg¤rait d’embl¤e la d¤ploration affich¤e dans la pr¤face de l’Opus Epistolarum, la suite du passage d¤j cit¤: Nous nous sommes 40 Erasmus (1906 – 1958), III 45. 41 Pour un bilan d¤j ancien, voir Erasmus (1986) et pour des arguments en d¤faveur d’une attribution Erasme, IJsewijn (1995), ainsi que le volumineux dossier rassembl¤ par Fabisch (2008). Je remercie vivement Marc Laureys de m’avoir signal¤ ces r¤f¤rences. 42 Erasmus (1906 – 1958), III 575. 43 Erasmus (1906 – 1958), III 592.
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g¤n¤ralement abstenu de transmettre les noms, si seulement nous avions pu le faire tout fait! mais cela n’et pas ¤t¤ publier des lettres (quod vtinam in totum licuisset! verum hoc non erat epistolas aedere). Sur ce point, il allºgue souvent la distraction, mais l’hypothºse de la mauvaise foi ne peut r¤solument pas Þtre exclue: il arrive qu’Erasme ajoute les noms au lieu de les retrancher, et en profite pour durcir le propos.44 Cependant, on s’attachera plutút montrer ici comment le proc¤d¤ de suppression, parfois de substitution, des noms est loin d’Þtre op¤ratoire: si plusieurs lettres adress¤es des correspondants anonymes ont retrouv¤, dans l’¤dition ¤tablie par Allen, leur destinataire, c’est certes grce la confrontation avec les manuscrits, mais aussi grce aux recoupements de diff¤rentes ¤ptres. Il est fort probable que les lecteurs de la Renaissance ont, eux aussi, cherch¤ des clefs… et ont pu les trouver. Et ce d’autant plus facilement qu’Erasme a parfois laiss¤ des indices patents, l’instar de la lettre d¤j mentionn¤e Vincent Theodorici adress¤e, dans l’Opus Epistolarum, au plus acharn¤ de ses d¤tracteurs mais dans laquelle subsiste une apostrophe r¤v¤latrice (Bucenta). Par ailleurs, le jeu intertextuel peut orienter efficacement l’interpr¤tation et l’identification. En t¤moigne la correspondance avec Martin Lipse,45 qui s’inscrit dans le cadre plus large de la pol¤mique avec Lee. Parmi les nombreux rebondissements de cette pol¤mique, attardons-nous sur celui de la fin 1519: alors que, grce la m¤diation des amis anglais, Lee avait renonc¤ publier ses Annotationes, Erasme ajoute in extremis, dans la Farrago, une lettre ouverte dat¤e du 15 juillet 1519, par laquelle il tente une nouvelle fois de les obtenir. C’est le dernier texte du recueil, et le nom du malheureux destinataire, Edward Lee, qui Erasme adresse des menaces peine voil¤es,46 y est livr¤ en toutes lettres. Or, si c’est la premiºre fois que ce nom apparat explicitement dans le recueil, l’exception d’une lettre ant¤rieure o· Thomas More demandait Erasme de le saluer,47 le lecteur un peu attentif ne manquera sans doute pas de faire le lien, grce au contenu mÞme de la lettre, avec des allusions ant¤rieures l’ ›Anglum nescio quid‹, notamment avec l’ultime paragraphe de la longue ¤ptre l’Allemand Hutten, qui d¤nonÅait un affreux sycophante: Le moment n’est pas encore venu mais bientút je vous confierai son nom (verum breui vobis hominem commendabo) pour qu’il soit, de la maniºre qu’il m¤rite, c¤l¤br¤ par les lettres de tous les savants.48 Ce qui, soit dit en passant, 44 Voir en particulier Erasmus (1906 – 1958), IV 361 ( propos de Hutten); V, 498 – 505 ( Egmondanus); IX, 157 – 68 ( Sadoleto). 45 Sur cette correspondance et sa publication, voir Halkin (1983), 64, et B¤n¤vent (2003). 46 Erasmus (1906 – 1958), IV 11 – 12. Lee rapporte dans ses Annotationes (ff. CCv, CC2) qu’il interrogea Erasme de vive voix sur la nature de ces menaces et qu’il lui fut r¤pondu: verbera (la bastonnade). 47 Erasmus (1906 – 1958), III 111. 48 Erasmus (1906 – 1958), IV 23.
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entre en totale contradiction avec le propos tenu dans la derniºre lettre, selon lequel Erasme r¤frºne les ardeurs de ses amis.49 Comme de surcrot, ce dernier »oublie« malencontreusement de l’envoyer son destinataire, c’est dans la Farrago que Lee en prend connaissance.50 Parallºlement, il a pu lire un bref ¤change le concernant dans le dialogue anonyme De Funere Calliopes51 ainsi qu’une ¤vocation, toujours anonyme mais peu flatteuse, de sa personne dans l’¤dition des Colloquiarum Formulae publi¤e chez D. Martens en novembre.52 Si les deux œuvres publi¤es ne le nomment pas, des jeux de mots assez lourds sur son nom (Erasme a transform¤ le terme d’ardelio, »faiseur d’embarras«, en ardaleo pour jouer sur leo, Leus) et des railleries peu sympathiques sur les Anglais permettent de l’identifier sans trop de difficult¤s. Les jeux de mots sur le nom de Lee attirent l’attention sur un autre proc¤d¤, qui consiste donner les noms de faÅon d¤tourn¤e, le d¤tour et la d¤formation aggravant sans doute l’attaque plutút qu’ils ne l’att¤nuent. En aot 1527, Erasme adresse une longue lettre Robert Aldridge. Il s’agit en fait d’une apologie in tyrologum quendam impudentissimum calumniatorem. Le tyrologus, parodie de theologus, d¤signe une sorte de ramasseur de fromages et sert ici d¤noncer un moine-mendiant, pr¤dicateur Londres, qui a critiqu¤ l’interpr¤tation par Erasme d’un passage de Jean. Erasme pr¤tend ¤crire son destinataire pour apprendre de [lui] qui est cet enrag¤ si impudent, son nom, son pr¤nom, son ¤tat, quel jour il a fait Åa (quis fuerit tam impudens rabula, quo nomine, quo cognomine, quo statu, quo die gesta res), et il profite de la question prÞt¤e son interlocuteur (pourquoi?) pour annoncer un catalogue des ennemis d’Ãrasme: J’ai l’intention de publier une liste de quelques noms de ces individus (Est animum aedere catalogum huiusmodi nominum aliquot) […]: ainsi obtiendront-ils cette renomm¤e immortelle que leurs m¤faits visent leur donner (fruanturque nominis immortalitate quam ambiunt malefactis) […]. Mais je veux aussi en les nommant tous un par un (aeditis singulorum nominibus) empÞcher la malveillance soupÅonneuse de s’en prendre personne d’autre. [Certains se plaignent] qu’en supprimant les noms (dum suppressis nominibus propriis) lorsque je rapporte quelque m¤fait d’un th¤ologien ou d’un moine, j’¤clabousse l’ordre tout entier,
49 Allen a retrouv¤ un exemplaire des Epistolae ad diuersos annot¤ par Eppendorff, qui fut proche d’Erasme avant d’en Þtre d¤test¤: Erasmus (1906 – 1958) IV, 615 – 619. En face du passage o· Erasme affirme, dans la lettre Lee, qu’il retient comme il peut la plume de ses amis, Eppendoff a inscrit ce commentaire: Quasi tu eos non admonueris epistola vt Leum etiam lapidarent! 50 Voir Erasmus (1906 – 1958), IV 159. 51 Voir Erasmus (1933). On h¤site cependant l’attribuer Erasme ou G. Nesen. 52 Voir Erasmus (1906 – 1958), IV 167 – 168.
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tandis qu’en publiant les noms (quum nominibus aeditis), je ne ferais de tort qu’ ceux qui l’ont bien m¤rit¤ par leur sottise.53
Cet »album inimicorum« trouve sans doute son expression dans une longue lettre adress¤e Martin Lipse et publi¤e dans les Epistolae selectae,54 la nuance prºs que les ennemis en question n’y sont pas nomm¤s. Ils sont pourtant ais¤ment identifiables, travers les descriptions qui en sont donn¤es… ou le surnom dont ils sont affubl¤s. Erasme ne craint pas d’affirmer parfois, comme dans le chef d’œuvre de mauvaise foi qu’est la lettre adress¤e Germain de Brie au sujet de Guillaume Bud¤,55 que c’est en fait non pas par souci d’autrui mais par m¤pris qu’il ne nomme pas certains de ses adversaires: ainsi de Pfefferkorn, dont le nom seul suffit salir les ¤crits (cuius ego solo nomine chartas pollui puto).56 Mais la technique qu’il privil¤gie est celle du surnom, autre forme d’entorse aux rºgles ¤thiques si hautement affirm¤es. En effet, le surnom dont Erasme affuble ses adversaires est souvent transparent, l’instar du systºme l’œuvre dans les Epistolae obscurorum virorum ou dans les Colloquia.57 Les rapprochements ne peuvent parfois se faire sans un jeu intertextuel: Eppendorff, malheureux h¤ros du colloque le chevalier sans cheval est r¤guliºrement qualifi¤ de Thraso ou de gloriosus, le carme (carmelita) Egmondanus est surnomm¤ camelita ou camelus, chameau prÞchant dans l’Apotheosis Capnionis.58 Plus souvent, Erasme ne rechigne pas, faisant des theologi des mateologi, jouer sur une d¤formation scatologique du nom: Carvajal ne gagne pas forc¤ment se voir appeler Cacalalus,59 de mÞme que Vincent Theodorici, devenu Bucenta,60 Guillaume Farel Phallicus,61 B¤da Beta,62 Metardus Merdardus,63 Carinus Carcinus,64 et j’en passe. MÞme Guillaume Bud¤, qui accepte avec bonne grce son surnom de bœuf
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Erasmus (1906 – 1958), VII 136. Voir aussi VII 425. Erasmus (1906 – 1958), VII 475 – 483. Erasmus (1906 – 1958), IX 37. Erasmus (1906 – 1958), III 117. Voir aussi IV 347. Riches analyses de ce proc¤d¤ dans Bierlaire (1978), 98 – 99 ( propos de Petrus Sutor), 101 (Eppendorff), 111 (Asola)… Le nom mÞme de Capnion m¤riterait une analyse semblable celles que je pr¤sente infra. Erasmus (1906 – 1958), VIII, 408 et 409. Le pr¤nom Vincent faisant l’objet d’une d¤formation ¤voquant la fois le bœuf et la trompette. Voir en particulier Erasmus (1906 – 1958), V 544 – 550. Erasmus (1971), 131, 586. Le jeu de mots sur B¤da / Belua, si fr¤quemment cit¤, apparat dans une lettre de Henri Glareanus Ulrich Zwingli dat¤e du 4 juillet 1521: voir Herminjard (1866) 70. Erasmus (1906 – 1958) IX 86, et Erasmus (1971), 653 – 666 (Concio siue Merdardus). Erasmus (1906 – 1958), VIII 71.
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savant (en grec), n’est pas ¤pargn¤.65 Mais Saint Cyprien lui-mÞme ne s’¤tait-il pas entendu appeler Coprien,66 et Metardus n’a-t-il pas surnomm¤ Erasme Her Asinus?67 Dans un registre un peu plus ¤labor¤, Erasme et ses amis jouent ¤galement sur les virtualit¤s du nom, qu’il s’agisse de celui de Petrus Sutor, transform¤ en couturier ou savetier,68 de Jean Briard d’Ath devenu Ateus, masculin forg¤ sur Ate,69 ou d’Alberto Pio, prince de Carpi, qui aurait voir avec les Carpi, peuplade barbare.70 Heinrich von Eppendorff, parfois appel¤ Planodorpius,71 est, dans l’adage 844, surnomm¤ Ornithoplutus ab Isocomo en vertu d’une traduction grecque approximative qui affecte chaque sonorit¤, ramen¤e un terme allemand, une signification: Huhn (poulet), reich (riche), eben (¤gal), Dorf (village).72 Ce faisant, Erasme ne fait qu’appliquer une pratique courante: l’interpretatio nominis peut Þtre utilis¤e comme une figure de rh¤torique servant renforcer une argumentation, sans qu’il soit forc¤ment n¤cessaire d’y voir une dimension m¤taphysique.73 Elle peut ¤videmment Þtre d¤ploy¤e dans les deux sens, tour tour p¤jorative ou valorisante. La valeur des virtualit¤s attach¤es au nom d¤pend directement du parti pris de l’interprºte, qui fera de Luther, par exemple, soit un Läuterer (purificateur),74 soit au contraire, chez ses adversaires catholiques – Eck notamment, un Luder (charogne).75 Le nom d’Erasme lui-mÞme a fait l’objet de multiples d¤formations, dont Erasme dresse une liste non exhaustive dans une lettre Andrea Alciato: je me voyais appeler en alt¤rant mon nom (quum ego toties mutato nomine vocatus) tantút Errasme de errer (nunc Errasmus ab errando), tantút Arasme de labourer (nunc Arasmus ab arando), tantút Erne de l’ne (nunc Erasinus ab asino).76 Cette pratique me semble d’autant plus int¤ressante souligner que les humanistes aimaient se baptiser eux-mÞmes en se choisissant un nom de plume. Ainsi le jeu des d¤formations p¤joratives et du »plus bas sens« peut-il s’interpr¤ter comme le versant n¤gatif d’une pratique courante et positive la Renaissance, dont Reinhard Bodenman s’est attach¤ suivre les m¤andres:77 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77
Erasmus (1906 – 1958), II 275: caeterum quod de Budaeo me propemodum bouda¶loma facis. Erasmus (1906 – 1958), IX 321. Erasmus (1906 – 1958), IX 86. Erasmus (1906 – 1958), VIII 7. Erasmus (1906 – 1958), VI, 10. Voir M. Mann-Philips, introduction Erasmus (1978), 12 – 14. Erasmus (1906 – 1958), IX 226 – 227. Erasmus (1906 – 1958), VIII 71. Chomarat (1981) 143. Demonet (1992), 67. Erasmus (1906 – 1958), VI 273. Cit¤ par Erasme dans l’Hyperaspistes, LB X 1469F. Erasmus (1906 – 1958), IX 233. Bodenmann (2006). Tout le d¤veloppement qui suit est trºs largement redevable cette ¤tude.
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dans les deux cas, s’y r¤vºle une certaine conception du langage, sur laquelle on s’interrogera pour finir. Le choix du nom de plume repose sur une s¤rie de processus complexes et ¤troitement imbriqu¤s. Le cas Erasme est, dans ce cadre, int¤ressant un double titre puisque le nom renvoie au pºre et qu’Erasme semble avoir beaucoup souffert de sa btardise; et qu’on a de ce fait beaucoup glos¤ sur le choix de ces deux pr¤noms, Erasmus et Desiderius, qui forment un doublon gr¤co-latin.78 L’aboutissement au nom de Desiderius Erasmus Roterodamus, qui s’est op¤r¤ par ¤tapes successives et non sans h¤sitations, rappelle par sa structure les tria nomina latins, et chaque ¤l¤ment de ce nom de plume a donn¤ lieu d’infinies discussions. La r¤f¤rence au lieu de naissance elle-mÞme, d’abord sous la forme de Roterdammensis, a fait d¤bat dans la mesure o· Ãrasme serait n¤ non pas Rotterdam mais Gouda – localit¤ situ¤e une vingtaine de kilomºtres au nordest de Rotterdam. Outre la moindre notori¤t¤ de cette commune, taire le lien avec le village d’origine pourrait exprimer de la part d’Erasme une volont¤ d’occulter ses liens familiaux, en particulier du cút¤ maternel qui, selon le Compendium Vitae, aurait empÞch¤ le roman d’amour des parents, et conduit le pºre partir. Or la r¤f¤rence au pºre, dont la figure est id¤alis¤e dans le Compendium, est surinvestie dans le choix des pr¤noms Erasmus et Desiderius. Il y a une vingtaine d’ann¤es, le pºre d’Ãrasme a ¤t¤ identifi¤ comme un scribe r¤pondant au nom de Gherardus Helye, grce aux informations contenues dans le myst¤rieux Compendium vitæ Erasmi. Toute la question serait alors de savoir comment on est pass¤ d’une identit¤ premiºre, reconstitu¤e grce ces ¤l¤ments, l’identit¤ finale. D’aprºs une lettre de Dominique Baudius datant du 18 octobre 1606, et adress¤e son collºgue de l’Universit¤ de Leyde, Paul Merula (1558 – 1607), l’¤diteur du fameux Compendium vitæ Erasmi, Le pºre donna son nom l’enfant et l’appela Gerardus Gerardi (Puero nomen suum pater indidit, vocatusque est Gerardus Gerardi),79 selon la coutume en usage chez nous [i.e. les Flamands], jadis ¤galement usit¤e chez les Grecs et les Latins. Mais, ¤tant donn¤ que dans le parler flamand ce nom semble Þtre synonyme du mot desiderare (quia nomen istud in Belgico idiomate videtur habere cognatam significationem cum verbo desiderare), il [sans doute Ãrasme] s’est adopt¤, en lieu et place de pr¤nom, l’appellation de Desiderius laquelle il a ajout¤ le mot grec correspondant au mÞme concept pour se surnommer Erasmus (adscivit sibi loco prænominis titulum Desiderii, cui subjunxit Græcam vocem eiusdem notionis, et Erasmus agnominari voluit).
78 Voir notamment Godin (1982) et Chomarat (1990) et (1994). 79 C’est--dire G¤rard de G¤rard, d’aprºs le sch¤ma qui fait du pºre d’Erasme G¤rard de H¤li, fils d’Helye ou Helias.
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Reinhart Bodenmann a cherch¤ en outre savoir comment a pu s’op¤rer le passage de Gerhardus (Gheerard ou Ge(e)rhaert en n¤erlandais, abr¤g¤ en Geert ou Geerts) desiderare. Vu que Gerhaert est constitu¤ de deux mots issus du vieil allemand, l’un signifiant lance (Ger), l’autre dur (harti, herti), il renonce l’¤tymologie ›s¤rieuse‹ au profit d’une association consonante: le son Geert est proche du participe begeerd, d¤riv¤ du verbe begeren (d¤sirer). Tel serait le processus par lequel on passe du pr¤nom d’origine d’Ãrasme, celui de Geert, Desiderius Erasmus Roterodamus. Dºs lors, Ãrasme signe g¤n¤ralement ses trait¤s trºs sobrement en tant que Desiderius Erasmus Roterodamus, D. Erasmus Roterodamus (le D. pouvant aussi bien abr¤ger Desiderius que Dominus ou Doctor) ou tout simplement en tant que Erasmus Roterodamus. Le choix du pr¤nom Erasmus fait l’objet de quelques jeux de mots qui attestent les id¤es d’amour et de d¤sir, notamment propos des Colloquia, livre ¤rasmien (en grec),80 ou dans la correspondance avec Erasme Schets, banquier heureux de porter le mÞme pr¤nom que son illustre contemporain.81 Il faut toutefois signaler une autre source possible pour le pr¤nom Desiderius.82 Dans la pr¤face aux Adnotationes de Valla, Erasme cite une lettre quod Desyderio suo scribit Hieronymus,83 dans laquelle il explique sa traduction latine de l’h¤breu et qui commence par un jeu de mots: Desiderii mei desideratas accepi epistolas. Erasme s’en sert pour rappeler que c’est un Desiderius, homme qui m¤rite d’Þtre aim¤ (vir desideriorum), qui a suscit¤ chez J¤rúme le d¤sir pour les lettres sacr¤es qui anime son tour l’¤diteur du Nouum Instrumentum. Nous avons ainsi affaire un nom surinvesti sur le plan des significations, et qu’il convient d’interpr¤ter en vertu de la conception du langage r¤v¤l¤e par le colloque De rebus ac vocabulis, dont il faudrait citer int¤gralement le d¤but. Beatus et Bonifacius, aprºs avoir d¤plor¤ de n’Þtre pas ce que signifient leurs noms, l’un riche et l’autre beau, y engagent la discussion sur le rapport entre le nom et la chose. Que vaut un nom magnifique (nomen magnificum), si la r¤alit¤ n’y correspond (nisi res adsit)? Tous deux affirment que, s’ils poss¤daient les qualit¤s que d¤signent leurs noms, ils pr¤fºreraient renoncer au nom qu’ ces qualit¤s. Et pourtant, combien d’hommes pr¤fºrent le nom ou le titre la r¤alit¤! Or ce colloque, s’il comporte une invitation se m¤fier des noms, dont il ne faut pas pr¤f¤rer les s¤ductions aux choses, met aussi en jeu une forme de motivation du nom, qu’il ne faut pas trop vite qualifier de cratylisme:
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Erasmus (1906 – 1958), V 510; VII, 193. Erasmus (1906 – 1958), VI 13. Voir Godin (1987). Boyle (1977). Erasmus (1906 – 1958), I 410. Il s’agit de la Praefatio S. Hieronymi in Pentateuchum ad Desiderium.
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»Le rappel ¤tymologique est ici volontaire et argumentatif: il ne s’agit pas d’imposer un nom telle personne en fonction de sa nature, mais de lui demander de faire correspondre sa conduite et son nom. Cette perspective morale n’a en fait rien de commun avec le cratylisme (onomatop¤ique ou autre); il ne fait que l’utiliser. Le cratylisme au sens strict suppose une ad¤quation naturelle, c’est-dire sans intervention humaine. A partir du moment o· un auteur manifeste sa volont¤ de nommer en fonction de ce qu’est un Þtre ou un objet, ou de faire concider les actes d’une personne avec son nom, il ne pratique pas une ¤tymologie cratylienne mais celle du l¤gislateur de noms envisag¤ par Socrate (nomothºte).«84
Dans le systºme onomastique l’œuvre dans les Colloquia, la plupart des noms prÞtent interpr¤tation et semblent r¤v¤ler quelque chose du personnage qui les porte. Mais le sens que l’on peut d¤gager partir d’un nom est tout fait variable selon l’intention qu’y met l’interprºte, nous l’avons dit, et selon le proc¤d¤ linguistique qui sert en d¤gager le sens. Ce proc¤d¤ linguistique est soumis de nombreuses variations m¤thodologiques, qui passent par une confusion d¤lib¤r¤e entre l’¤tymologie intralinguistique (morphologie ou d¤rivation) et l’¤tymologie translinguistique, qui fait int¤grer des mots d’une langue dans une autre (par emprunt ou calque), en jouant soit sur une proximit¤ formelle, soit sur une forme de traduction.85 Les humanistes se d¤lectent de l’¤tymologie, qui constitue traditionnellement un lieu rh¤torique, mais ils en jouent, et il faut consid¤rer avec pr¤caution les relations magiques qu’elle suggºrerait entre le nom et la chose: les jeux sur les noms reposent sur une motivation qui n’a rien de naturel, mais exploite au contraire un ¤pais et composite substrat culturel. Ainsi l’¤tymologie est-elle bien pour Erasme »un artifice ou un proc¤d¤ oratoire, une source d’arguments, non la r¤v¤lation d’un ›sens vrai‹«.86 L’intention pol¤mique n’est pas n¤cessaire pour transposer en latin certains noms propres;87 si Eschenfelder devient Cinicampius (de »Asche«, cinis, et »Feld«, campus)88 ou Ulrich Glaucoplutus (de »Uhl / Eule«, ckaOn, et »reich / Reichtum«, pkoOtor)89, c’est pour le simple plaisir de passer d’une langue l’autre et de jongler avec les signifiants. Erasme ne cesse de saturer ses textes de jeux de mots et de rapprochements phoniques, comme dans ce d¤veloppement sur les noms d’empereurs, que je laisse en latin pour raisons phoniques:
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Demonet (1992) 66. Voir aussi Huchon (1988) au sujet de Rabelais. Demonet (1992) 65. Chomarat (1982), 257. Chomarat (1981), 143 (pour les noms allemands), 145 (pour les noms anglais). Erasmus (1906 – 1958), III 417. Erasmus (1706), 1166 B. Voir ¤galement Erasmus (1906 – 1958), IX 364; Erasmus (1971), 472, 79; 529, 1261.
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Nam sub Pontifice Liberio Roma non omnino libera erat ab Arianorum errore; et sub Imperatore Constantio parum constanter se tenuit in petra cui innititur Ecclesia catholica. Potissimum autem his malis agitabatur Oriens et omnis Graecia, quae quo magis fauebat Origenis ingenio […]90
Dans d’autres textes, il se plat jouer sur le sens propre et le sens commun, par continuit¤ ou par contraste. A l’exemple c¤l¤brissime du jeu de mots sur Morus / moria,91 on peut ajouter celui sur Beatus, dans la d¤dicace de l’Enarratio in primum psalmum Beatus Rhenanus, dont le nom ne semble pas d au hasard mais la providence divine (beati vocabulum tibi non fortuito sed diuini numinis consilio contigisse),92 celui sur le nom des M¤dicis, pour des papes qui se choisissent aussi un pr¤nom, l’instar de Cl¤ment VII: Aussitût me plut l’adoption du nom de Cl¤ment, auquel ton caractºre – on le proclame – s’accorde parfaitement (Mihi protinus arrisit Clementis ascititium nomen, cui tuos mores praedicant admodum congruere). Mais, surtout, ton nom de famille, M¤dicis, m’apparut comme un pr¤sage des plus heureux: on en trouverait difficilement un autre au monde qui ft ou plus connu ou plus sympathique (Sed in primis laetissimum omen mihi visum est gentilitium Medicis cognomen, quo vix aliud orbi vel notius vel gratiosius).93
En mÞme temps, cette approche ludique ne m¤connat pas combien les mots sont impuissants figer une identit¤: les noms des personnages du Ciceronianus ne se contentent pas d’Þtre des noms programme. Ils d¤passent leur sens premier. S’ils font signe vers quelque chose de l’Þtre, ils ne l’¤puisent nullement, et permettent le d¤ploiement d’autres virtualit¤s, d’autres perspectives. Le nom de Cic¤ron luimÞme fait sans doute l’objet d’une plaisanterie allusive lorsque Hypologus, faisant mine de soutenir Nosoponus, d¤clare: cause d’une seule verrue minuscule (et uno naeuo quamlibet exiguo), c’est toute la beaut¤ d’une jeune fille, si merveilleuse soit-elle, qui perd son ¤clat.94 La r¤f¤rence intertextuelle un vers c¤lºbre d’Horace, selon lequel des naevi ne sauraient nuire l’attrait d’une jeune beaut¤,95 et donc l’ironie du propos ¤chappent totalement Nosoponus, qui ne lit que Cic¤ron depuis des ann¤es… Mais Hypologus, qui ne craint pas la contradiction, d¤clare ensuite que c’est le propre des amants que de baiser avec tendresse mÞme les verrues de celles qu’ils aiment (etiam naeuos earum quas 90 Erasmus (1906 – 1958), V 465. 91 Erasmus (1906 – 1958), I 460: primum admonuit me Mori cognomen tibi gentile, quod tam ad Moriae vocabulum accedit quam es ipse a re alienus. 92 Erasmus (1906 – 1958), II 62. 93 Erasmus (1906 – 1958), V 390. Voir ¤galement II 79, L¤on X. 94 Erasmus (1965), 32. Voir B¤n¤vent (2001), 17. 95 Horace, Satires, I, 6, 67.
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amant):96 Nosoponus, fou amoureux de l’¤loquence cic¤ronienne, n’est-il pas aveugle au cicer, marque de famille qui a donn¤ son nom au c¤lºbre orateur? Il faut donc refuser la qualification un peu rapide de cratylisme. Il semble acquis que les humanistes de la Renaissance reconnaissaient l’arbitraire du signe, ce qui n’excluait pas de vouloir le motiver, l’int¤rieur d’un got pour les jeux de mots, les r¤bus, le d¤ploiement des virtualit¤s du langage, lisible dans le jeu de lettres omen / nomen. Dans le cas du nom, les perspectives pol¤mique, ludique ou encomiastique doivent aussi compter avec la mise en œuvre d’une perspective morale dont rend d¤j compte le colloque De rebus ac vocabulis et que confirment aussi bien la d¤dicace Beatus Rhenanus que la lettre Li¤vin Algoet, devenu Leuinus Panagathus dans le Conuiuium fabulosum:97 Enfin, il faut te montrer digne du surnom de ta famille paternelle (gentis paternae cognomento): qu’il ne se trouve personne, Dieu ne plaise, pour transformer un jour »pankalos« en »pankakos«, par plaisanterie. Par la d¤gradation d’une seule lettre, on changerait »tout bon« – qui sonne comme un surnom de bonne race (gentile cognomen) en »tout mauvais« ! Que ne fais-tu pas plutût des pieds et des mains pour que ce nom de famille paraisse non pas Þtre d au hasard mais avoir ¤t¤ accord¤ volontairement par une divinit¤ (Quin huc potius manibus pedibusque connitendum, vt hoc cognominis non fortuito sed numinis alicuius consilio tibi contigisse videatur).98
Bref, malgr¤ les pistes que nous fournit complaisamment Erasme, il n’est pas possible de concevoir l’onomastique comme un systºme fig¤, bien au contraire. Le choix de d¤former les noms a partie intimement li¤e avec une conception du langage elle-mÞme ambivalente: le nom, dont on d¤ploie les virtualit¤s contradictoires, ne serait finalement que le symptúme de l’¤paisseur et de l’ambigut¤ du langage, l’image de la r¤v¤lation qui donne le nom la fois du remºde et du poison dans le Ciceronianus (c’est le logos qui m’a gu¤ri du logos)99, et qui confirme un jeu, constant dans le texte, sur l’¤paisseur des signes, leur polys¤mie, leur ambigut¤.100 Ainsi le dialogue offre-t-il de nombreuses occurrences d’¤l¤ments qui n’ont pas encore de nom en latin et pour lesquels il faut passer par le d¤tour du grec.101 Il me semble que, dans cette perspective, on ne peut faire l’¤conomie d’un rapprochement entre cette probl¤matique et le fait qu’une grande partie des pol¤miques dont Erasme a ¤t¤ le protagoniste porte sur l’application de la grammaire aux Ecritures divines. Ses adversaires, l’instar de 96 97 98 99 100 101
Erasmus (1965), 76. Erasmus (1971), 448 – 449. Erasmus (1906 – 1958), IV 235. Erasmus (1965), 196 et 308. Il faudrait reconduire l’analyse, et en d¤tail, sur la Lingua. Erasmus (1965), 12 et 148 – 150.
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Latomus, n’ont pas manqu¤ de d¤noncer dans cette d¤marche une d¤rive qui conduirait une attention indue aux mots, la forme. Or c’est pr¤cis¤ment dans la pr¤face aux Laurentii Vallensis… adnotationes que se lit cette affirmation retentissante: imo totum hoc, diuinas vertere scripturas, grammatici videlicet partes sunt (traduire les saintes Ecritures relºve d’un bout l’autre du rúle du grammairien).102 A l’appui de sa thºse, Erasme utilise, comme par hasard, l’argument d’autorit¤ que constitue la lettre de J¤rúme son cher Desiderius (Desyderio suo)… Ne peut-on lire, dans ce parti-pris comme dans l’attention port¤e aux noms, une v¤ritable fascination pour leur forme, peu compatible avec l’herm¤neutique spiritualiste proclam¤e par ailleurs?103 Qu’est-ce que le nom, et quel rapport entretient-il avec la r¤alit¤ de la personne d’une part, de l’œuvre d’autre part? L’histoire, peut-Þtre bien aid¤e par la propagande ¤rasmienne elle-mÞme,104 n’a pas permis que se r¤alist la sinistre pr¤diction d’Edward Lee: »Crois bien que la post¤rit¤ tiendra un jour le nom d’Erasme (Erasmi nomen) pour un fl¤au, une calamit¤, une mal¤diction (pestilentiam, luem aliquando et execrationem).«105 Elle semble avoir plutút donn¤ raison ses thurif¤raires, comme John Colet et Cuthbert Tunstall: Nomen Erasmi nunquam peribit.106 Et ce malgr¤ la longue p¤riode de la mise l’index, au cours de laquelle l’auteur des Colloquia se voit rel¤gu¤ dans un vague anonymat, dont il ne sortira que trºs lentement.107 Pourtant, si l’on examine la post¤rit¤ ¤rasmienne aujourd’hui, force est de faire un double constat. Le nom d’Erasmus survit, effectivement, sous la forme d’un programme d’¤changes internationaux pour les ¤tudiants. Sans doute ceux-ci ignorent-ils, l’instar du jeune h¤ros du film de C¤dric Klapish, L’Auberge espagnole (2002), quel ¤tait le lointain humaniste qui a donn¤ son nom ce programme. Au mieux y reconnatra-t-on l’auteur de l’Eloge de la folie, »ces quelques dizaines de pages [qui] font aujourd’hui encore la gloire universelle d’Erasme alors que les gros in-folios qui r¤unissent son œuvre savante ne sont plus lus sinon par quelques universitaires«.108 A d¤faut d’une œuvre encore trop m¤connue hors du milieu universitaire, Erasme a-t-il donn¤ son nom un systºme? S’il arrive que l’on parle d’¤rasmisme, il est malais¤ d’en d¤finir objectivement les traits, et l’on peut difficilement le modeler sur le luth¤ranisme et en faire une h¤t¤rodoxie religieuse. Si donc Erasme avait des partisans, erasmiani ou erasmici, sur quels 102 103 104 105 106 107 108
Erasmus (1906 – 1958), I 410. Voir Demonet (1992) 167 – 168. Voir Jardine (1993). Erasmus (1906 – 1958), IV 171. Erasmus (1906 – 1958), II 258 ; III 89. Bierlaire (1978), 302 – 303. Chomarat (1981), 971.
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critºres se fondait leur ralliement? Que d¤couvrirons-nous, sinon des »modalit¤s d’¤rasmisme trºs diverses«, au gr¤ des »r¤sonances ¤veill¤es par l’œuvre d’Erasme?«109 Aujourd’hui encore, »il est trºs difficile d’assigner le titre d’¤rasmien tous les chercheurs ou savants qui contribuent assurer la pens¤e et l’œuvre d’Erasme la p¤rennit¤ qu’avait proph¤tis¤e John Colet en son temps, car l’¤rudition et mÞme la sympathie n’aboutissent pas n¤cessairement l’enrûlement sous un ¤tendard«.110
Les ¤tudes ¤rasmiennes ont consid¤rablement ¤volu¤ au cours des derniºres d¤cennies, notamment du fait de l’int¤rÞt port¤ ses adversaires, dont l’¤tude avait ¤t¤ longtemps n¤glig¤e. Ainsi l’h¤ritage d’Erasme est-il interrog¤ nouveaux frais. Silvana Seidel-Menchi, qui entendait renoncer l’axiome Erasmus ex Erasmo au profit de l’Erasmus ex Erasmi lectore,111 a nettement pos¤ les enjeux d’un tel renouvellement: »Si Erasme bien vivant n’a pas pris garde un usage inad¤quat, voire ill¤gitime, de son nom et de ses id¤es, qui peut Þtre juge aujourd’hui de la propri¤t¤ ou de l’impropri¤t¤, de la l¤gitimit¤ ou de l’ill¤gitimit¤ de son h¤ritage?«112 La question reste ouverte. Erasme ¤tait une anguille, ce qui irritait d¤j Luther, et sa pens¤e ondoyante reste dans une certaine mesure insaisissable. Et si aprºs tout c’¤tait sa force? Si l’adjectif ¤rasmien peut servir qualifier une forme de tol¤rance souriante, de r¤sistance aimable l’endoctrinement et au systºme, il n’est alors pas tout fait exclu de le revendiquer.
Bibliographie 1.
Sources
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Bataillon (1972), 33 et 31. Voir aussi Bataillon (1983) et Margolin (1992). Margolin (1992), CCIV. Seidel-Menchi (1996), 21. Ibid., 18. Voir aussi une r¤action cette question dans Margolin (1998).
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Christine B¤n¤vent
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Barbara Mahlmann-Bauer
›Luther gegen Eck, Luther gegen Erasmus und Castellio gegen Calvin‹. Die Normalform reformatorischer Streitgesprche und die Entgleisung eines innerprotestantischen Streits
Die Normalform des rhetorischen Streitens um die Gültigkeit von Aussagen und die bessere Begründung für Behauptungen ist zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Disputation. Respondent und Opponent sind anwesend, sie sind gleichermaßen geschult, wenn sie um die besseren Argumente streiten. Ein Praeses führt die Aufsicht. Die Gegenstände des akademischen Streits sind im Jahrhundert der Reformation bevorzugt theologische Wahrheitsbehauptungen, die Glaubenssätze einer bestimmten Religionsgemeinschaft sind. Sie müssen vor der Disputation in Form von Thesen und Gegenthesen schriftlich vorliegen und sind von den Kontrahenten selbst formuliert. Zu den Spielregeln der Disputation gehören Kriterien dafür, daß einer der Kontrahenten siegt, der andere dagegen unterliegt. Wer von beiden siegt, wird durch unabhängige Schiedsrichter entschieden. Auch die Zuhörer sind Zeugen, wenn der Schiedsrichterspruch ertönt. Die Disputation wird im Idealfall von Augenzeugen protokolliert, so daß Interessierte den Verlauf der Auseinandersetzung nachlesen und sich selbst ein Urteil bilden können.1 Streitigkeiten über die doctrina christiana, das rechte Verständnis der Heiligen Schrift und Gottes Eigenschaften berühren innere Glaubensüberzeugungen, die nicht einfach deswegen preisgegeben werden, weil der Gegner bessere Gründe für seine Glaubenssätze hat. Im Zeitalter der Reformation und der Konfessionalisierung mußte diese Erfahrung erst gemacht werden, daß der Wahrheitserweis für Glaubenssätze nicht auf dieselbe Weise geführt werden kann wie für Behauptungen, die empirisch überprüfbar und logisch begründbar sind. Es gab überdies nach kanonischem Recht den Straftatbestand der Blasphemie und Häresie, dessen Definition freilich infolge der Ausdifferenzierung der christlichen Glaubensgemeinschaften selbst neu zur Diskussion stand. Mißt man die strittigen Glaubenssätze eines Gegners an einer solchen Definition, wird ein gegnerischer Glaubenssatz oder eine Bibelauslegung, über den bzw. die in 1 Marti (1994), 866 – 869 zu den allgemeinen Regeln für akademische Disputationen; zu Erscheinungsformen im 16. Jahrhundert 875 – 877.
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einem akademischen Wortgefecht gestritten werden soll, leicht zu einer Bedrohung der von der bestehenden Glaubensgemeinschaft akzeptierten Glaubenssätze. Wird ersichtlich, daß ein Gegner nicht mehr willens ist, diesen zuzustimmen, sondern erkühnt er sich, Argumente für seine divergenten Glaubenssätze vorzubringen und die gegnerischen zu bestreiten, mutiert eine Disputation zu einer Inquisition, in der dieser Gegner als Ketzer überführt wird. Die Rolle des Anklägers übernimmt dabei derjenige, dessen Glaubenssätze mit den Mitteln des geltenden Rechts vor den Attacken Andersdenkender verteidigt werden können. Sein Interesse wird es sein, den Fall den Gerichten zu übergeben, denen es obliegt, Vergehen zu bestrafen. Wie eine Disputation über Glaubenssätze und Bibelauslegung zur Inquisition und zum Tribunal werde konnte, möchte ich an zwei Fallbeispielen vorführen, an der Leipziger Disputation, in deren Verlauf Luther zum entschiedenen Verteidiger von Aussagen wurde, die als häretisch deklariert wurden, und an den Angriffen, die Calvin in gedruckter Form gegen Sebastian Castellio vorbrachte, über dessen Entgegnungen erst die Nachwelt richten konnte. Beide Fälle sind gut bekannt. Vorhandene Quellen werden hier nur unter der Fragestellung neu gesichtet, unter welchen Umständen die akademische Disputation als Form des Streitens über Glaubenswahrheiten an ihre Grenzen stieß und welche Streitformen sich als Alternativen anboten. Die Praxis der Religionsgespräche, die seit dem Marburger Religionsgespräch zum Zwecke der kirchlichen Einigung politisch erwünscht waren, gewann erst nach der Leipziger Disputation an Kontur, vielleicht auch als deren Konsequenz. Erstaunlich ist, daß diese neue Form des Streitens auf Calvins Vorgehen gegen den Basler Griechischprofessor nicht abfärbte.
1.
Reformatorische Sprengung der Normalform. Das Beispiel der Leipziger Disputation
Ein Beispiel einer Disputation, die nach diesem Plan verlaufen sollte, ist die zwischen Johann Eck (1486 – 1543) und Andreas Bodenstein, genannt nach seinem Geburtsort Karlstadt (1477 – 1541) und die daran anschließende zwischen Luther und Eck in Leipzig im Juni und Juli 1519. An diesem Beispiel kann man lernen, daß Luthers Auftreten und seine wichtigste These (die 13. aus seinen Resolutiones), daß nämlich die Institution des Papsttums sich weder mit der Bibel noch mit den Kirchenvätern legitimieren lasse, die Grenzen einer akademischen Disputation sprengten. Wer Luther las oder ihm zuhörte, erkannte, daß es um mehr ging als die Ermittlung eines Siegers, der die besseren Argumente für seine Thesen besaß und die des Kontrahenten glänzend widerlegen konnte.
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Emotionen waren im Spiel und haben sowohl im Thesendruck als auch in den Protokollen ihre Spuren hinterlassen. Die Leipziger Disputation führt das Scheitern der akademischen Disputation als Normalform des Streitens im Falle theologischer Kontroversen vor. Sie zeigt aber den Weg zu einer neuen Normalform reformatorischen Streitens auf, in der auch Diffamierung und Inkriminierung des Gegners zu den ›Waffen‹ gehörten und Äußerungen emotionaler Betroffenheit nicht mehr tabu waren. Fortan gehört es dazu, die Integrität des Gegners herabzusetzen, ihn zu schmähen, an seiner Aufrichtigkeit und Sachlichkeit zu zweifeln, wenn man keine Aussicht hatte, ihn entweder zu besiegen oder sich mit ihm gütlich zu einigen. Andreas Bodenstein von Karlstadt, Dekan der theologischen Fakultät zu Wittenberg, sah durch Angriffe auf Doktor Luther die Reputation seiner Fakultät angegriffen. Er machte den Anfang und publizierte im Juni 1518 370 – in Wahrheit waren es 406 – Thesen, die den von Eck formulierten Thesen Paroli boten. Über diese seine Thesen wollte er mit Eck disputieren, da dieser »ein ausgezeichnetes Mitglied der Universität Wittenberg anzuschwärzen gewagt« habe: CCCLXX et apologeticae conclusiones pro sacris literis et Vuitenburgensibus.2 Als sich in Wittenberg mehrere Studenten in Disputationen über Karlstadts Thesen für das theologische Baccalaureat zu qualifizieren suchten und sich dabei mit der Widerlegung von Ecks Thesen profilierten, entwarf Eck Gegenthesen und ließ sie drucken, mit dem Begehren, über sie mit Karlstadt in Rom, Paris oder Köln zu disputieren. Im Titel seiner Ankündigungsschrift qualifizierte Eck die gegnerischen Thesen als amarulentas … invectiones. Karlstadt nahm Ecks Disputationsangebot mit gewissen Vorbehalten an.3 Inzwischen war Eck in Augsburg mit Luther zusammengetroffen, als dieser von Kardinal Cajetan vom 12. bis 14. Oktober 1518 verhört wurde. Eck und Luther vereinbarten ihrerseits eine Disputation, durch die sie ihre theologische Auseinandersetzung zu beheben hofften. Luther zog dabei Leipzig oder Erfurt als Disputationsort vor, aber Karlstadt setzte sich mit der Wahl Leipzigs durch. Im Dezember kündigte Eck die Leipziger Disputation gegen Karlstadt schriftlich an, noch bevor er die Zusage der Universität und des sächsischen Landesherrn erhalten hatte. An der Universität Leipzig wollte man einen öffentlichen Theologenstreit verhüten, zumal eine Infragestellung der Autorität des Papstes, die von Luthers Seite zu erwarten war.4 Luther beeilte sich, seine dreizehn Thesen gegen Dr. Eck ebenfalls in den Druck zu bringen. In der 13. These stellte er die rechtliche Grundlage für die Autorität des Papsttums in Frage. Sie lautet: 2 Luther, WA 2 (1884), 153. 3 Ebd., 154. 4 Brecht, I (21983), 285 – 295, hier 288.
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Daß die rçmische Kirche allen anderen ïberlegen sei, wird aus ußerst dïrren Dekreten der rçmischen Ppste aus den letzten 400 Jahren bewiesen. Im Unterschied zu diesen sind die Geschichten, wie sie im biblischen Text und im Beschluß des Nicnums stehen, schon 1100 Jahre approbiert; die geheiligsten von allen [sind] die Texte der gçttlichen Schrift und der Beschluß des Nizischen Konzils.5
Die Diskussion über diese These erregte während der Disputation die höchste Aufmerksamkeit und provozierte Eck am meisten. Am 19. Februar legte Eck den Beginn der Disputation auf den 27. Juni 1519 fest. Am gleichen Tag bat Luther Herzog Georg, dieser möge ihm, dem von Eck provozierten Mönch, erlauben, selbst an der Disputation aufzutreten, aber ohne Erfolg.6 Inzwischen qualifizierte Eck Luthers Thesen in seiner neuerlichen Ankündigung der Disputation, in der er seine Thesen mit Rücksicht auf Luthers Streitpunkte noch einmal erweiterte, am 14. März 1519 als criminationes. Diesen Vorwurf gab Luther prompt an Eck zurück. Auch Karlstadt kündigte schriftlich seine Thesen gegen Eck an und nannte als Datum des Disputationsbeginns den 27. Juni 1519. Luther schickte seiner gedruckten Disputatio et excusatio […] adversus criminationes D. Iohannis Eccii einen Brief an den Leser voraus, in dem er Eck wegen seiner zornigen Angriffe auf ihn als einen Feind der Kirche, der wie Jan Hus ein Häretiker sei, und wegen seiner invidia, seiner vermeintlichen clementiae gloria, dabei aber seiner vana minarum iactancia, mit der er den Sieg schon vorwegzunehmen meine, als ebenbürtigen Diskussionspartner disqualifizierte.7 Derartige Mutmaßungen über die Gesinnung und Motive des Gegners waren aber bloß Beiwerk zu den Thesen, über die beide, Eck und Luther, nach üblicher akademischer Gepflogenheit verhandeln wollten. Die Thesen von drei Disputationspartnern lagen also im Frühjahr 1519 im Druck vor, lange bevor Luther zur Disputation zugelassen wurde. Er reiste nur als Zuschauer nach Leipzig und erhielt erst dort von Herzog Georg die Erlaubnis, mit Eck zu disputieren. Am 26. Juni wurden die Disputationsregeln verlesen, d. h. es wurde die Reihenfolge von Opposition und Responsion festgelegt. Eck sollte gegen Karlstadt opponieren und Karlstadt seinem Gegner respondieren. Anschließend sollte Karlstadt gegen Ecks Thesen opponieren und danach Eck ihm respondieren. Vier Protokollanten wurden beauftragt. Sie sollten ihre Mitschriften nach Ende der Disputation vergleichen. Karlstadt und Eck übertrugen der Universität Erfurt das Schiedsrichteramt, 5 Luther, WA 2 (1884), 161: Romanam Ecclesiam esse omnibus aliis superiorem, probatur ex frigidissimis Romanorum Pontificum decretis intra CCCC annos natis, contra quae sunt historiae approbatae MC annorum, Textus scripturae divinae et decretum Niceni Concilii omnium sacratissimi. 6 Luther, WA 2 (1884), 250. 7 Luther (1519), ebd. 159 f.
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Luther und Eck den Universitäten Erfurt und Paris.8 Vor deren Schiedsspruch sollten nach Ecks Wunsch die Akten nicht publiziert werden. Die erste Disputation zwischen Eck und Karlstadt begann Montag, den 27. Juni. Luther und Eck disputierten vom 4. bis 13. Juli, mit einer Pause am 10. Juli. Am 14. und 15. Juli setzten Eck und Karlstadt ihr Wortgefecht fort. Zwei Protokollanten fertigten Mitschriften an, die sie den Vorsitzenden vorlegten: Bischof Adolf von Merseburg (1458 – 1526), dem Hofgeistlichen Hieronymus Emser (1478 – 1527), Herzog Georg von Sachsen (1471 – 1539) und seinen Hofbeamten.9 Nach Abbruch der Disputation wandten sich die Kontrahenten laut Protokoll an die Richter und die Zuhörer, deren Urteil sie es überließen zu bestimmen, wer Recht habe und den Sieg davon getragen habe. Entgegen der von Eck gewünschten Schweigepause erschien schon Ende 1519 in Erfurt ein Druck der Disputationsakten; auf welche Mitschriften er sich stützt, läßt der Herausgeber im dunkeln, mußte er doch versuchen, sein Vorpreschen damit zu rechtfertigen, daß es eben mehr als die herzoglich beauftragten Notarii gegeben habe und Ecks Verbot sich gewiß nur auf die Publikation dieser offiziellen Mitschriften beziehe.10 Die Vorrede zum anonymen Druck der Disputation erwähnt 30 Zuhörer, die private Mitschriften anfertigten.11 Inwieweit theologische Streitgespräche in der Reformationszeit überhaupt der Normalform der akademischen Disputation zu entsprechen vermochten und wie eine neue Normalform des Streitens um den wahren Glauben und dogmatische Differenzen aussah, mußten die Beteiligten erst lernen. Petrus Mosellanus (1493 – 1524) ermahnte, im Auftrag Herzog Georgs, in seiner Eröffnungsrede am 27. Juni 1519 die Kontrahenten zu Sanftmut und Zurückhaltung. Diese Haltung sei den theologischen Streitpunkten angemessen, gehe es doch um die Erforschung theologischer Wahrheit, die sich letztlich rationaler Beurteilung entziehe.12 Im Vertrauen auf die Überzeugungskraft des geschriebenen, logisch nachvollziehbaren Argument-Austauschs setzten sich in Leipzig 1519 Luther und Karlstadt bei den weltlichen und kirchlichen Moderatoren mit der Forderung durch, die Thesen und Argumente so klar zu formulieren, daß die bestellten Notare mitschreiben konnten, während Eck lieber in freier Rede und Gegenrede
8 Luther, WA 2 (1884), 250 f.; Brecht, I (21983), 297. 9 Brecht, I (21983), 295 und 301. Unterschrieben wurden die Mitschriften von Dr. Johannes Graumann und Franciscus Richter. Vgl. Seitz (1903), 246 f. 10 Ebd., 29; Luther, WA 2 (1884), 250 – 253. 11 Seitz (1903), 13. Eck forderte anwesende Fratres von Jakob Hoogstraten sogar zu Mitschriften auf. Vgl. Brieger (1896), 28. 12 Brecht, I (21983), 298.
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disputiert hätte.13 Freilich kristallisierte sich die reformatorische Abweichung von der scholastischen Normalform der Disputation bereits am Ende des ersten Streitgesprächs zwischen Eck und Karlstadt heraus. Eck gestand, im Streitgespräch mit Karlstadt über das Verhältnis zwischen freiem Willen und göttlicher Gnade nicht weiter gekommen zu sein. Man liege aber, unerachtet der vielen Worte und des rhetorischen Aufwandes, in der Sache nicht weit auseinander, habe sich also aufeinander zu bewegt – was jedoch in einer akademischen Disputation gar nicht vorgesehen war. Dieses Mißverhältnis zwischen rhetorischem Waffengeplänkel und realem Outcome lag nach Ecks Meinung daran, daß in der Theologie ein Mangel an Begriffen für die Klärung von Streitfragen herrsche: in theologia eadem laboramus penuria, quoniam plura sunt negotia quam vocabula.14 Er sei es leid, nur de nominibus zu streiten (certare). Er fühle sich mißverstanden von einem Gegner, der partout von seinen unzulänglichen Worten auf einen Zwiespalt der sententiae schließen wolle. Eck wolle nur sagen, daß zwar das gute Werk insgesamt von Gott sei, daß aber dazu der freie Wille und die Aktivität des Menschen einen Beitrag leiste, denn sonst müßte Eck diese menschlichen Vermögen ganz leugnen. Eck nahm also Anstoß daran, daß sich die Disputation zu sehr von der Gesprächsform entferne. Was Luther über Christus als Haupt der Monarchia ecclesiae vortrug, füllt im modernen Druck vier Seiten und wirkte auf Eck wie ein Auszug aus einem Buch. Eck vermißte einen lebhaften Schlagabtausch. Man sei doch nach Leipzig gekommen, um zu disputieren, nicht um ein Buch herauszugeben! Zu so ausführlichen schriftlichen Vorbereitungen und Statements wie Luther habe er keine Zeit.15 Die mündliche Disputationsform gestatte ihm auf dessen ausführliche, schriftlich verfaßte Rede keine hinreichende Antwort. Eck versprach sich demnach gerade von der spontanen, raschen Abfolge von Rede und Gegenrede einen Fortschritt in der Sache, eine Klärung von Standpunkten. Nachdem Eck seinen Gegner als Sympathisanten der Hussiten diffamiert und Luther daraufhin einige Thesen von Hus als durchaus christlich verteidigt hatte,16 war der Skandal da, vor dem Bischof Adolf von Merseburg und die Leipziger Theologieprofessoren sich gefürchtet hatten. Eck wies darauf hin, daß auch die Bohemi, und zwar Schismatiker und Kirchenfeinde, die Auffassung vertreten hätten, der päpstliche Primat gründe sich auf historisch gewachsenes, von Menschen ersonnenes Recht, er sei iure humano constitutum.17 Luther entgegnet darauf anfangs noch diplomatisch. Nein, niemals habe ihm irgendein Schisma gefallen. Auch die Hussiten hätten unrecht gehandelt, als sie sich auc13 14 15 16 17
Seitz (1903), 1. Ebd., 54. Ebd., 62. Ebd., 82 – 94. Ebd., 82.
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toritate propria von der einen Kirche getrennt hätten. Dann geht Luther in die Offensive und provoziert Eck mit der These, daß es unter den in Konstanz verurteilten Artikeln von Johannes Hus viele gebe, die christianissimi et evangelici seien. Wenn jene [die Hussiten] nur deswegen Häretiker sind, weil sie den römischen Papst nicht anerkannten, so werde ich meinen Gegner zum Häretiker erklären, der so viele von der Gesamtkirche geweihte Bischöfe [der Ostkirche] zu Verdammten zu erklären wagt.18 Luther riskierte die Kühnheit, sich mit einer Ansicht einverstanden zu erklären, die von einem Konzil als häretisch verurteilt wurde, weil er andere Kriterien für die Akzeptanz eines Satzes als Glaubensartikel hatte als die Konzilsvertreter in Konstanz und Eck. Da zählten nur die ältesten Konzilsbeschlüsse oder noch besser Schriftbelege. Luthers Forderung, den Wahrheitsanspruch seiner These vom Primat des römischen Bischofs anhand der Bibel zu überprüfen, setzte neue hermeneutische Maßstäbe für theologische Streitgespräche. Diese hat sich Melanchthon sofort zueigen gemacht, wie seine beiden gedruckten Stellungnahmen zur Leipziger Disputation belegen.19 Melanchthon führte das Aneinander-Vorbeireden Luthers und Ecks auf ihr unterschiedliches hermeneutisches Vorgehen zurück, über das sie sich und ihren Zuhörern nicht Rechenschaft gaben.20 Die Heilige Schrift müsse im Originalwortlaut herangezogen werden, um zu klären, wer mit seinen Thesen recht habe. Von hier läßt sich ein Bogen bis zum Regensburger Kolloquium 1601 spannen, in dem just diese Frage, ob nemlich allein die H. Schrifft die einige Norma unnd Richter aller streittigen glaubens sachen sein solle, zwischen lutherischen und jesuitischen Theologen verhandelt wurde.21 Herzog Georg von Sachsen wurde nervös, als Ecks Vorwurf im Raum stand, Luther verteidige Hus, und Luther erwiderte: Lieber hr. doctor, non omnes articuli Hussitici sunt haeretici.22 Die Renaissance der hussitischen Irrlehren durch Luthers kühne Verteidigung einiger der Thesen, die in Konstanz verurteilt worden waren, weckte in Leipzig die Erinnerung an vagierende Hussiten, die nach der Hinrichtung von Hus in Konstanz in Sachsen Verwüstungen anrichteten.23 Nach Luthers Entgegnung auf Eck erteilte der kaiserliche Rat Caesar Pflug im Namen der Veranstalter den Kontrahenten einen Verweis. Die Herren Disputatoren möchten doch von gegenseitigen Beschuldigungen und Rufschä18 Ebd., 82 f. und 88. 19 Melanchthon: Epistola (1519); Melanchthon: Defensio (1519), in: Melanchthon (1983), 3 – 22. 20 Ähnlich auch die moderne Forschung; Selge (1975), 34 und 39. 21 Bauer (1980), 92. 22 Herzog Georg soll empört die Arme in die Seiten gestemmt und laut gerufen haben: Da walt die sucht! Brecht, I (21983), 305; Volkmar (2008), 453. 23 Bainton (1951), 115; Volkmar (2008), 453 – 455 und 460 – 465.
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digungen Abstand nehmen, die sancta ecclesia und ihre Konzilien nicht angreifen und sich lieber um Kompromisse in der Sache bemühen.24 Luther nahm Anstoß an Ecks Strategie, ihn als Hus-Anhänger zu disqualifizieren, anstatt sich mit Hilfe biblischer Zeugnisse um die Widerlegung seiner 13. These zu bemühen.25 Auch das folgende Streitgespräch über den Ablaß und die Buße endete offen, indem beide, Luther und Eck, an die Schiedsrichter appellierten zu entscheiden, ob Eck Luther widerlegt oder sich öffentlich blamiert habe.26 Nach zehntägigem Streitgespräch gab Luther seinem Mißfallen Ausdruck, daß Eck ständig das Thema der Kontroverse verfehlt habe. Aus Luthers Sicht bleibt Eck Schriftbeweise für die weltliche Herrschaft des Papstes, die Praxis der Kirchenbußen und Strafen schuldig. Auch in der Kontroverse über die Buße gehe es nicht darum, ob Gott eine Sünde ungestraft vergebe, was Eck wortreich begründet habe, vielmehr um die Frage, ob der Papst oder die Kirche Strafen erlassen könne, die Gott verlange. Da Eck hierfür keine Beweise gebracht habe, stellt Luther das Urteil, wer Sieger sei, dem Richter und dem Auditorium anheim. Er selbst schließt mit einer Diffamierung Ecks: Der durchdringe die Hl. Schrift wie eine Wasserspinne das Wasser, d. h. nicht einmal oberflächlich. Er scheue die Berührung der Wasseroberfläche wie der Teufel das Kreuz.27 Eck verweist seinem Gesprächspartner derartige scurrilia, die dem theologischen Gewicht der Streitfragen Abbruch täten, und überläßt das Urteil über die Legitimität kirchlicher Strafen den Schiedsrichtern. Er behält aber in der Kontroverse mit Luther das letzte Wort. Noch am gleichen Tag, dem 14. Juli, setzte Eck das Streitgespräch mit Karlstadt über den freien Willen fort. Ein Schiedsspruch fehlt am Ende des Protokolls, und das Urteil der Universitäten ließ auf sich warten. Die Mitschrift endet mit den Erklärungen der Protokollanten, sie seien die ganze Zeit anwesend gewesen und hätten die Disputation gewissenhaft aufgezeichnet und Fehlerhaftes in ihren Protokollen gemeinsam korrigiert.28 In Erwartung eines offiziellen Schiedsspruchs versuchten die Disputierer und einige ihrer Sympathisanten, die öffentliche Meinungsbildung mit nachträglichen Stellungnahmen zu beeinflussen.29 Luther wollte mit dem Druck von Erläuterungen zu seinen Thesen klarstellen, daß Eck sich zu Unrecht rühme, über ihn gesiegt zu haben.30 24 25 26 27 28
Seitz (1903), 101 f. Ebd., 114. Ebd., 205. Ebd., 217. Ebd., 246 f. Ich verstehe die Erklärungen so, daß beide ihre Protokolle miteinander verglichen und gemeinsam Korrektur gelesen haben. 29 Bagchi (1991), 69 – 91. 30 WA 2, 391.
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Die Fortsetzung der Debatte als Flugschriftenkrieg, in dem sich die Kontrahenten ihrer Anhängerschaft zu versichern und Anhänger zu werben trachteten, gehörte fortan zu den Merkmalen reformatorischer Streitigkeiten. Uneinigkeit bestand, wer den Sieg davon getragen hatte. Bei den Leipziger Theologen galt Eck als Sieger. Luther belustigte es, wie er sich als Sieger feiern ließ.31 Luthers Freunde gaben diesem aber die Palme und sparten nicht mit spöttischen Bemerkungen über Eck. Mosellanus hielt die Disputation angesichts des offenen Ausgangs für ergebnislos. Er war enttäuscht, daß nach drei Wochen kein Consensus erzielt worden sei. Das Ergebnis entspreche nicht den hohen Erwartungen. Diese Art der Verhandlungen auf der Grundlage von Thesen und Protokollen sei dem Streitwert – Zentralfragen der christlichen Lehre – gänzlich unangemessen. Er glaube nicht, daß der Heilige Geist jemals bei solchen Wortkämpfen als Friedensstifter zugegen sei.32 Melanchthons Einschätzung war ähnlich. Jeder der Kontrahenten verließ die Palaestra mit dem Anspruch gesiegt zu haben und mit der Gewißheit, der Gegner habe sich intellektuell blamiert. In einem akademischen Wortgefecht den Sieg davon zu tragen, impliziert aber noch nicht, in der Sache recht zu haben. Wenn Landesfürsten sich in den folgenden Jahren von Religionsgesprächen politisch relevante Ergebnisse erhofften, stellten sie sich vor, daß die Gesprächspartner Kompromisse erzielen könnten oder daß eine Seite die gegnerische zur vernünftigen Einsicht bringen könnte, daß sie die besseren Argumente habe. Für dieses Ziel aber war die Disputationsform ganz ungeeignet. In den Reaktionen auf die Leipziger Disputation und den anschließenden publizistischen Debatten kündigt sich eine neue Normalform des reformatorischen Streitgesprächs an. Wenn die Kontrahenten in der zu erörternden Streitsache nicht weiter kommen, sich nicht einigen oder wenigstens aufeinander zu bewegen können, beschuldigen sie sich gegenseitig rhetorischer Schein- oder Betrugsmanöver. Häufige Beschuldigungen sind, daß der Gegner sophistische Strategien verwende und mit fucus verborum seine Absichten verschleiere. Die Schlagworte zur Charakterisierung rhetorisch unlauterer Taktiken heißen verbositas, copiositas, eversiones, tergiversationes und criminationes.33 Die gegenseitigen Vorwürfe, sich nicht an die Spielregeln zu halten und den Gegner zu diffamieren wurden geflissentlich mit protokolliert.
31 Luther an Johannes Lang, 26. Juli 1519, in: Luther, WA 1 (1930), Nr. 188, 482. 32 Petrus Mosellanus an Willibald Pirckheimer, 3. August 1519, in: Pirckheimer (1994), Nr. 614, 69 f. 33 Diese Vorwürfe, freilich in Maßen formuliert, gehörten freilich zum Handwerk, wie auch die Waffenmetaphorik, mit der das Wortgefecht als solches inszeniert wird. Je lauter und krasser Mißtrauensvorwürfe geäußert werden, um so weniger vertrauten diejenigen, die sie vor-
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Ecks Bitte an Friedrich den Weisen, er möge gegen Luther gerichtlich vorgehen, wurde von Luther und Karlstadt, die vom Kurfürsten zur Stellungnahme aufgefordert wurden, mit Vorwürfen wegen Ecks Hinterhältigkeit zurückgewiesen.34 Versuche von Seiten eines Kontrahenten, den Landesherrn zur gerichtlichen Klage zu bewegen, also im Bündnis mit dem politischen Machthaber seinen Gegner zu kriminalisieren, zeugen hier wie in manchen späteren Streitgesprächen zwischen Theologen von den politischen Implikationen theologischer Streitigkeiten.
2.
Das Beispiel des Streits zwischen Erasmus und Luther
Viele Glaubenskontroversen wurden schriftlich zwischen Gegnern ausgetragen, die an verschiedenen Orten arbeiteten und keine Gelegenheit oder auch keine Neigung hatten, ihren Streit mündlich von Angesicht zu Angesicht auszufechten. Die Normalform einer rein publizistischen Kontroverse besteht darin, daß die Kontrahenten ihren Meinungsstreit anlaßgebunden in gedruckten Pamphleten oder auf illustrierten Flugblättern austragen. Ein prominentes Fallbeispiel ist die Kontroverse zwischen Luther und Erasmus, die dieser mit seiner Diatribe de libero arbitrio 1524 provoziert hat. Die Schriften – Erasmus’ Diatribe, Luthers Antwort De servo arbitrio und Erasmus’ neuerliche Entgegnungen, Hyperaspistes I und II – dienten den Kontrahenten zum Anlaß, in Briefen Rückendeckung, Rückversicherung und Bestätigung von Gesinnungsfreunden zu suchen. Der Schlagabtausch mit Luther erfolgte rasch, nachdem sich Erasmus dazu entschlossen hatte, die seit 1516 zu beobachtenden Differenzen zwischen ihm und Luther auf die Frage der Willensfreiheit zuzuspitzen. Erasmus ließ die Schrift, über die seit Mai Gerüchte umliefen, im August 1524 drucken. Erste Exemplare schickte er Anfang September nach England. Melanchthon schrieb ihm am 30. September, man habe seine Diatribe aequissimis animis aufgenommen, und seine moderatio finde Anklang. Luther wolle ähnlich maßvoll antworten. Melanchthon sei überzeugt von Luthers erga te benevolentia.35 Luthers erste Äußerungen in Predigten und Briefen erfolgten wenig später. Luther beschäftigte sich mit einer Entgegnung wahrscheinlich von September bis November 1525. Am 31. Dezember lag De servo arbitrio im Druck vor.36 Erasmus behauptete, den Hyperaspistes, seine Antwort auf Luthers Entgegnung, innertrugen, dem Streitgespräch als Form der Aushandlung von Differenzen. Vgl. Marti (1994), 867. 34 Brecht, I (21983), 311; Luther an Johannes Lang, 18. Dezember 1519, in: Luther, WA 1 (1930), Nr. 232, 597. 35 Melanchthon (1834 – 1860),. I 675. 36 Zickendraht (1909), 1 – 25 und 50 – 57; Brecht, II (1986), 210 – 231, besonders 216 – 222.
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halb von zehn Tagen verfaßt zu haben. Der Titel, eine erasmianische Neubildung, bezeichnet den mit einem doppelten Schild Bewehrten. Die Metapher spielt schon auf die Art – nach Erasmus: die Entartung – des theologischen Kampfes an: Erasmus benötige gegen Luther einen doppelten Schild, weil Luther eher mit hemmungsloser Leidenschaft als mit kühlem Urteil gegen ihn vorgehe und sich mit vielen Gefährten gegen ihn verschworen habe, um wortgewaltig gegen ihn zu kämpfen.37 Die militärische Metaphorik zeigt, daß Erasmus über die unfaire Rhetorik seines Gegners empört war, der auf eine Diatribe nur mit Schmähungen zu antworten wußte. Vielleicht spielt Erasmus auch mit der zweiten Bedeutung von aspis als Natter, weil er wußte, daß Luther ihn in Briefen als viper beschimpft hatte. Luther hatte jedenfalls diesen Nebensinn von Hyperaspistes erkannt.38 Luther schlug in De servo arbitrio einen verletzenden Ton an, indem er Erasmus als Proteus, Sophisten und Skeptiker bezeichnete.39 Da Erasmus mit Bedacht die Form der Diatribe gewählt hatte, um offene Fragen zur Diskussion zu stellen, ohne etwas zu präjudizieren, reizte Luthers angriffslustiger Stil den Rotterdamer zu einer neuen Entgegnung, die nun ebenfalls mit persönlichen Invektiven nicht sparte. Er bezeichnete am Ende des ersten Teils des Hyperaspistes I Luther als einen verantwortungslosen Aufrührer, Volksverführer und Kriegstreiber. Er sei maßlos in seinen Schmähungen; liber totus undique scatet maledictis. Luther habe ihn, den frommen Bibelgläubigen, als Lukian und Epikur beschimpft, für den die Heilige Schrift keine Autorität habe, der nicht an Gott glaube, ja ein Gotteslästerer und Feind der Christenheit sei.40 Luther erhielt ein Exemplar des Hyperaspistes von Landgraf Philipp zugesandt. Entgegen der Befürchtung Melanchthons, Luther könnte auf dieses giftige Buch seinerseits noch heftiger reagieren, sah Luther von einer Fortsetzung des Schriftenkriegs ab. Im Hyperaspistes II setzte sich Erasmus ein Jahr später mit Luthers Argumenten ausführlich auseinander. Luther plante nach Beginn der Lektüre dieser neuen Schrift vermutlich eine weitere Entgegnung, wie wir aus Mitteilungen an Georg Spalatin und Justus Jonas im Oktober und Dezember 1527 wissen. Er bezeichnete die duae Hyperaspistes fere viperiae et superviperiae
37 Erasmus (1969), 202 f. und 218 f. 38 Kommentar von Winfried Lesowsky in Erasmus (1969), 201. 39 Martin Luther : De servo arbitrio, in: Luther (1885), 99, Z. 8 und 11; 103, Z. 4; 104, Z. 28 uerba tua, sine Christo, sine spiritu, ipsa glacie frigidiora; 106, Z. 1; 112, Z. 21; 115, 25 f. Quam copiosus Orator! Nihil tamen intelligens, quid loquaris; 116, Z. 1 tuam rem age; 118, Z. 6 pueriliter imo peruerse applicas [egregias similitudines]; 120, Z. 3 temere irruas in uerbum Dei; 121, 27 – 35 und die peroratio S. 292, in der Luther sein Christentum mit Erasmus’ eitler Beredsamkeit kontrastiert. Vgl. die lateinische Ausgabe mit der Übersetzung von Athina Lexutt in Luther (2005), 219 – 661. 40 Erasmus (1969), 668.
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und bestritt, daß Erasmus ihn endgültig widerlegt habe. Er unterließ es aber, auf die beiden Hyperaspisteis noch einmal schriftlich zu antworten.41 Erasmus und Luther hatten für künftige Sacherörterungen einen Kanon von wichtigen, besonders auslegungsbedürftigen Schriftstellen vorgegeben. Über die Kapitel 9 – 11 des Römerbriefs gerieten auch Sebastian Castellio und Jean Bolsec mit Calvin und Beza in Streit. Charakteristisch für diese Form des Schriftenkriegs ist, daß die Kontrahenten an einer Breitenwirkung interessiert waren. Luther beauftragte Justus Jonas mit einer Übersetzung, die fast zeitgleich mit De servo arbitrio erschien. Erasmus informierte seine gelehrten Freunde brieflich von seinem Vorgehen, in der Hoffnung auf Unterstützung. Herzog Georg erwartete sogleich, daß Hieronymus Emsers deutsche Übersetzung den Argumenten des Erasmus große Resonanz verschaffen würde.42 Ähnlich wie Eck nach der Leipziger Disputation, führte auch Erasmus, im Bewußtsein seines Sympathisantennetzwerks und internationalen Ansehens, in einem Brief vom 3. März 1526 an Kurfürst Johann I. Klage über Luthers unfaire Behandlung seiner Person. Vielleicht wollte er ihn zu einer Anklage Luthers wegen Ehrverletzung und Verleumdung bewegen.43 Luthers Angriffe auf ihn seien maßlos und ungerecht. Luther spreche Erasmus seinen Glauben ab und verdächtige ihn als Atheisten. Auch bei Luther persönlich beschwerte sich Erasmus am 11. April 1526 und drohte ihm mit seinen zahlreichen Gönnern, die er zur Verteidigung seiner Ehre zu mobilisieren hoffte. Erasmus fand Luthers Sprache alles andere als mild und maßvoll, vielmehr sei sein Stil rabiosius, immo quod est detestabilius, maliciosius als jemals zuvor. Seine absurden Anschuldigungen und Verleumdungen, Erasmus sei Atheist, Epikureer, Skeptiker und Gotteslästerer, seien unerträglich. Nun habe er in seinem Hyperaspistes II der Widerlegung dieser Vorwürfe viel Zeit und Raum gewidmet. Erasmus prophezeit aufgrund von Luthers ungebärdigem, zügellosem Diskussionsverhalten Streit und Krieg, den er isto ingenio tam arroganti, procaci, seditioso in der weiten Welt entfachen werde.44 Luther riet dem Kurfürsten davon ab, gemäß dem Wunsch des Erasmus ein weltliches Gericht einzuschalten.45 Als Erasmus mit seiner Diatribe öffentlich von Luthers Theologie abrückte und dieser in einer Gegenschrift die von Erasmus hellsichtig benannten Differenzen mit Nachdruck begründete, lag es beiden fern, eine Annäherung der Standpunkte durch Austausch von Argumenten zu versuchen. Nicht Versöhnung oder Ausgleich war ihr Ziel, vielmehr eine für ihre Anhänger deutliche Markierung ihrer Position und die Begründung 41 42 43 44 45
Zickendraht (1909), 155 – 180. Herzog Georg von Sachsen an Erasmus, 16. April 1526, in: Erasmus (1926), Nr. 1691, S. 314. Erasmus (1926), Nr. 1670 (3. März 1526), Nr. 1677, 5 – 10; Nr. 1686, 29 – 34; Nr. 1690, 9 – 13. Erasmus von Rotterdam an Luther, 11. April 1526. Ebd., Nr. 1688, 306 f. Brecht, II (1986), 232 und 470.
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unüberbrückbarer Differenzen. Auch solche unmißverständlichen Positionierungen gehörten fortan zur Normalform des Streitens über Fragen des Dogmas und der religiösen und kirchlichen Praxis. Erasmus schrieb in Basel, Luther in Wittenberg, eine persönliche Begegnung fand deswegen nicht statt. Die sachliche Nähe beider in früheren Jahren, als Erasmus am Novum Instrumentum arbeitete und die Opera des Hieronymus mit rom- und papstkritischen Anmerkungen versah, wurde in den Jahre 1524/25 zum Anlaß einer um so heftigeren, nachhaltigeren Entfremdung. Angesichts einer neuen Streitform, in der sich die Kontrahenten zu ihren unversöhnlichen Standpunkten bekannten, ihre rhetorischen Strategien ausgiebig mit militärischen Metaphern beschrieben und ihr Desinteresse an einer Schlichtung des Streits durch Verhandlung und Kompromißbildung bekundeten, wirkt Melanchthons Glaube an die Überzeugungskraft des besseren Arguments idealistisch und akademisch – aber auch sympathisch. Aufgrund dieser wahrscheinlich 1519 gewonnenen Überzeugung schrieb Melanchthon im Laufe seines Lebens mehrere Dialektiklehrbücher und paßte sein ursprüngliches Konzept durch zeitgemäße Fallbeispiele der Wirklichkeit der controversiae fidei an.46 Die von Melanchthon konzipierten Statuten der Wittenberger Universität sahen öffentliche Disputationen an der theologischen Fakultät in dreimonatigen Abständen vor und betonten den didaktischen Nutzen solcher Übungen.47 Melanchthon glaubte noch 1541 an die Möglichkeit, die Vertreter der römischen Kirche kraft besserer Argumente und Schriftbeweise auf die Seite der Protestanten zu ziehen. Um den besseren Argumenten in Glaubenskontroversen zum Sieg zu verhelfen, bearbeitete er seine Erotemata dialectices 1547 erneut und gab in seiner Widmung an Johannes Camerarius, den Sohn seines Nürnberger Freundes, vom 1. September dieses Jahres seiner Überzeugung Ausdruck, daß die formale Logik auch mediocria ingenia dazu ermächtigen könne, Streitgespräche zu führen. Eine Übung in dieser ars dialectica müsse sich an Aristoteles orientieren und sei besonders in kirchlichen Auseinandersetzungen nützlich. Denn um sich über die doctrina zu verständigen, müsse man definieren, klare Unterscheidungen treffen und auch die Grenzen der menschlichen Einsicht in rebus divinis bestimmen, sonst könne man nur toto coelo errare. Ego veram, incorruptam, nativam Dialecticen, qualem et ab Aristotele, et aliquot eius non insulsis interpretibus, […] praedico. Hunc affirmo non modo in foro et in iudiciis aut in philosophia, sed etiam in Ecclesia valde utilem esse. […]. Imo Dialectica opus est, non solum ut doctrina lucem habeat, sed etiam ut sit concordiae vinculum. Ut enim sit una et consentiens vox docentium, necesse est 46 Bauer (1996), bes. 40 – 48; Classen (2003), 266 – 280. 47 Marti (1994), 876.
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tenere doctrinae summam inclusam artium septis, proprio sermone et ordine comprehensam. […] Retineri ergo Dialecticen in Ecclesia necesse est: sed sit erudita, verecunda, gravis, amans veritatis, non sit garrula, non rixatrix, non praestigiatrix.48
Melanchthon sah also im Argumente-Austausch in Form von Schlüssen, welche in der ars dialectica eingeübt wurden, eine Idealform des Streitens um Wahrheitsbehauptungen. Ziel einer solchen dialektisch-logischen Streitkultur war die Überzeugung eines Gegners vermöge des stichhaltigeren und klareren Arguments. Die Praxis der Religionsgespräche wich indes von diesem Ziel ab. Als dies offenbar wurde, verloren die Herrscher ihr Interesse an ihnen als Mittel, auf diplomatischem Wege zu gegenseitiger Verständigung oder Annäherung zu gelangen. Darüber war Melanchthon enttäuscht, obgleich er die Entfernung von den in seiner Dialektik formulierten Argumentationszielen in den Jahren nach der Übergabe der Confessio Augustana selbst hatte beobachten können.49
3.
Die Ausweitung und Sprengung der reformatorischen Normalform. Calvins Streit gegen Castellio
Der Streit mit Calvin und Beza, der Sebastian Castellios letzte Lebensjahre überschattete, schlug sich in einer Reihe von Texten nieder, die zwischen 1554 und 1563 entstanden.50 In der Sache und in der Schreibweise stand Castellio Erasmus näher als Luther, obwohl an seiner protestantischen Zugehörigkeit aufgrund seiner Ausbildung und Karriere kein Zweifel erlaubt ist. Dennoch weicht sein Streit mit Calvin in mancherlei Hinsicht von den skizzierten reformatorischen Normalformen ab. Der Schlagabtausch zwischen Calvin und Castellio war ein innerprotestantischer. Der Streit entwickelte sich zwischen zwei Landesfremden in Genf bzw. Basel mit einem ähnlichen Bildungshintergrund, mit ähnlichen Problemen der kulturellen und beruflichen Integration, aber in unterschiedlichen sozialen Positionen. Castellio hatte 1540/41 in Calvins Haushalt in Straßburg gelebt. Als Lateinlehrer am Collºge de Rive in Genf entzweite sich Castellio 1543 mit Calvin wegen Meinungsverschiedenheiten in der Bibelexegese. Als ihm von der Genfer Compagnie des Pasteurs die Ordination verweigert wurde, übersiedelte Castellio 48 Melanchthon (1834 – 1860),. VI Sp. 655 f. Melanchthon bekämpft hier Ramus’ Werbung für eine natürliche Logik, die er den Leuten auf dem Marktplatz abgelauscht habe. Dazu s. Bauer / Mahlmann (22000). 49 Bauer (1996). 50 Buisson (1892), Tome I, Kapitel XI und XII; Tome II, Kapitel XIVund XV; Guggisberg (1997), 153 – 168 und 191 – 208.
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nach Basel, wo er als Korrektor bei Johannes Oporin arbeitete und 1553 Griechischprofessor wurde.51 In den Jahren nach seiner Rückkehr nach Genf, also von 1541 bis nach 1553, konnte sich Calvin als Kirchenreformator zwar durchsetzen, aber seine politische Position gegenüber der städtischen Obrigkeit blieb wegen Differenzen in der Ausübung der Kirchenzucht bis 1555 instabil. In der Frage der Zucht war Calvin strenger als der Rat, und dieser beanspruchte die richterliche Kompetenz für sich.52 Beide kämpften also um ihr berufliches Prestige und ihr Profil, Castellio als akademischer Lehrer und theologischer Schriftsteller, Calvin als Kirchenlehrer und Politiker in Genf. Auf dem Höhepunkt des Streits, in seiner zweiten Attacke auf den nicht explizit genannten nebulo, erinnerte Calvin Castellio an ihre Straßburger Hausgemeinschaft, an die er schlechte Erinnerungen habe. Die sachlichen Differenzpunkte betreffen die Fragen der Ketzertötung und ihrer Legitimation sowie die Prädestinationslehre Calvins. In der Forschung seit dem 19. Jahrhundert bis heute besteht Einigkeit darüber, daß Castellio mit seiner Abwehr der Vorwürfe Calvins Recht gehabt und Calvin ihn zu Unrecht und mit unfairen Mitteln behandelt habe.53 Auch diese krasse Parteilichkeit, aufgrund derer im 18. Jahrhundert Castellio zum Vorkämpfer der Glaubensfreiheit avancierte, unterscheidet sich von der gleichmäßigeren Verteilung der Sympathien von Zuhörern und Lesern auf Luther und Erasmus. Liest man die gedruckten Stellungnahmen Calvins und Castellios heute, entsteht leicht der Eindruck, daß sie sich dialogisch aufeinander beziehen. Dieser Anschein einer schriftlich ausgetragenen Kontroverse ist jedoch trügerisch. Calvin lancierte drei Druckschriften gegen einen nebulo, der seine Prädestinationslehre angegriffen und seine Reputation als Theologe beschädigt habe. In der ersten Schrift verdächtigte Calvin, ohne daß die Differenzen in der Prädestinationsfrage unmittelbaren Anlaß dazu gegeben hätte, abrupt den Angreifer als Verteidiger Michel Servets:54 Quid si autem tantopere Calvino sit infensus in Serveti gratiam? Et quia mortem socii dolet, nec aliter potest ulcisci, superat omnes carnifices saevitia. Von dieser Schrift existiert eine französische Fassung, welche Castellio in seiner Antwort mit vollem Titel zitiert: Responses certaines calomnies et blasphºmes. Dort habe Calvin ausdrücklich Castellio als Autor dieser calomnies genannt.55 In der zweiten Schrift geht Calvin am Ende zur 51 52 53 54
Guggisberg (1997), 31 – 48; Mahlmann-Bauer (2008). Nijenhuis (1981), hier 572 – 574; Kingdon (1984), 370. Castellion (1998), Avant-Propos; Zuber (2004), 459 – 538. Brevis responsio Io. Calvini ad diluendas nebulonis cuiusdam calumnias quibus doctrinam de aeterna Dei praedestinatione foedare conatus est. Excudit Crispinus M.D.LVII, in: Calvin (1870), Bd. IX, 253 – 266, hier 262. 55 Castellio zitiert Calvin: »Celuy qui a compos¤ l’escrit soit Sebastien Castillon, ou quelque semblable.« Sebastiani Castellionis defensio ad avthorem libri cui titulus est, Calumniae
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persönlichen Invektive über und läßt bei denen, die Castellio und seine Basler Lebensumstände kannten, keinen Zweifel daran, daß eben dieser mit dem am Ende verteufelten nebulo gemeint sei.56 Calvin versucht, Castellios doppelten Widerspruch gegen seine Prädestinationslehre und das Genfer Ketzerverfahren von 1553 zu entkräften, indem er den Basler Gegner zum Verbrecher erklärt. Der Basler Griechischprofessor hat nach der anonymen Publikation des Pamphlets De haereticis an sint persequendi in Basel 1554 keine anti-calvinische Schrift mehr publiziert, sondern sich auf Veröffentlichungen in seinem akademischen Lehrfach beschränkt. Als eine solche kann man auch die überarbeitete Version seiner Biblia latina von 1554 und die französische Bibelübersetzung von 1555 bezeichnen. Ob Castellio für die handschriftlich verfaßte Zurückweisung der Vorwürfe Calvins, die 1558 fertig war, in Basel einen Drucker hätte finden können, ob dieser Druck auch die Basler Zensur passiert hätte oder ob Castellio seine Widerlegung Calvins überhaupt drucken wollte, dies ihm aber unmöglich gemacht wurde, wissen wir nicht.57 Sein Stillschweigen hängt vermutlich mit Verdächtigungen zusammen, die alsbald nach dem Tod des Täuferpropheten David Joris (28. August 1556) erhoben wurden. Joris hatte unter dem Namen »Johannes van Brugg« bei Basel gelebt und stand mit Castellio in Kontakt. Nach dem 28. August 1556 kamen Gerüchte auf, dieser Johannes van Brugg sei in Wirklichkeit der Täuferprophet David Joris. Erst im Sommer 1558 wurden in Basel rechtliche Schritte zur Untersuchung der Aktivitäten Joris’ eingeleitet, die ein Jahr später (im Mai 1559) in der spektakulären Exhumierung des Leichnams und seiner Verbrennung kulminierten und mit einer kollektiven Rückführung der reumütigen Joris-Gemeinde zum Basler Bekenntnis ihren Abschluß fand.58 Während die Basler Obrigkeit darüber diskutierte, wie es dazu habe kommen können, daß ein gefährlicher Irrlehrer friedlich und unbehelligt in ihrer Nähe lebte, und wie man sich künftig vor der Infiltrierung mit Häresien hüten und potentielle Ketzer aufspüren könnte, mußte es Castellio zweifellos gefährlich erscheinen, mit gedruckten Antworten auf Calvins Vorwürfe an die Öffentlichkeit zu treten. Es war zu befürchten, daß Calvin und Beza ihn öffentlich zum Sympathisanten von Joris erklären und die Publizität des Joris-Falls nutzen würden, um die aufgeschreckte Basler Obrigkeit auf Castellio aufmerksam zu Nebulonis, in: Castellio (1613), 342. Nach dieser Ausgabe wird Castellios Antwortschrift auf Calvin im folgenden zitiert. Nachgewiesen ist eine Schrift mit dem ähnlichen Titel Response de Iehan Calvin, et Theodore de Besae, aux calomnies & argumens d’un qui s’efforce par tous moyens de renuerser la doctrine de la prouidence secrete de Dieu, Genf: Conrad Badius 1559; vgl. Gardy (1960), Nr. 94; Gilmont (1994), Nr. 59/8, 725 – 730; Buisson (1892), Tome II, 108. 56 Calumniae nebulonis cuiusdam. Quibus odio et invidia gravare conatus est doctrinam Ioh. Calvini de occulta Dei providentia. Iohannis Calvini ad easdem responsio. Ex officina Conradi Badii 1558, 311 f. (Nachweis bei Gilmont [1994], Nr. 58/1, 663 – 668). 57 Buisson (1892), Tome II, 106; Guggisberg (1997), 163. 58 Bainton (1957), 89 – 107.
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machen, falls dieser ihr mit einem gegen Genf gerichteten Druck einen Anlaß liefern würde. Was ein niederländischer Zeuge der symbolischen Hinrichtung der Leiche von Joris 1559 über die Stillhaltepolitik von Dissenters zu Protokoll gab, mochte sich auch Castellio zu eigen machen. Jener Niederländer hielt die nikodemitische Taktik in Basel für probat: So sich aber einer still haltet an wffrhuer und fremde lherr und thuet wie ein andr christ mit dem kilchgang und christlychen wandl, der bedorfte sich nit zu sorgen.59 Was die Zeitgenossen außerhalb von Basel von der Kontroverse zwischen zwei Gelehrten, dem inzwischen mächtigen Calvin und dem ohnmächtigen Griechischprofessor Castellio, mitbekamen, war einseitig. Es beschränkte sich auf die Veröffentlichungen Calvins. Dessen persönliche Verdächtigungen und Verunglimpfungen wurden von Castellio also nicht durch eine gedruckte Gegenschrift richtiggestellt oder zurückgewiesen. Hans R. Guggisberg hält es indes für möglich, daß Castellios Verteidigungsschrift »in Abschriften zirkuliert haben« könnte.60 Daß schon im Dezember 1553 ein handschriftlicher Bericht über die Hinrichtung Servets und Calvins unrühmliche Rolle in Basel kursierte und Castellio zugeschrieben wurde, ist ebenfalls nur eine Vermutung. Anlaß des Streits waren der Genfer Ketzerprozeß gegen den spanischen Arzt Michel Servet im Sommer 1553 und dessen Hinrichtung in der Nähe von Genf am 27. Oktober des Jahres. Castellio erörterte in zwei anonym publizierten Schriften die Frage de haereticis an sint persequendi und an sint puniendi als ein grundsätzliches Problem. Er fand, daß die Protestanten, eingedenk ihrer Verfolgungsgeschichte (beispielsweise in Frankreich und Italien) zu einer Haltung kommen müßten, die sich deutlich von der römisch-katholischen Inquisitionspraxis unterscheiden sollte. Michel Servet wird in De haereticis an sint persequendi nicht einmal erwähnt. Lediglich in seinen ungedruckten Schriften macht Castellio Calvin direkt für die Ketzertötung Servets verantwortlich. Ich konzentriere mich hier auf die Phase des Streits, in der Calvin zur Invektive überging und ebenso heftige Reaktionen Castellios auslöste. Calvin beschuldigte seinen Gegner am Ende seiner zweiten Kampfschrift des Holzdiebstahls. Davor schon verdächtigte er ihn der Ketzerei und erklärte ihn zu einem Anhänger Servets. Castellios Verteidigung Harpago, sive Defensio ad authorem libri, cui titulus est, Calumniae nebulonis wurde erstmals 1578 im Anhang zu dessen Dialogi quatuor aufgrund der Initiative Fausto Sozzinis gedruckt. Ihr folgte eine weitere Entgegnung auf Calvin unter dem Titel De calumnia liber, die auf April 1557 datiert ist.61 Auf die Unterstellung, er habe Holz 59 Guggisberg (1980), 53. 60 Ebd., ohne Beleg. 61 Anonymus [= Sebastian Castellio]: Dialogi IIII, Aresdorfi 1578; vgl. Guggisberg 1997, 239 und 335. Weitere Ausgaben erschienen Gouda 1613 und Frankfurt 1696. Eine Beschreibung dieser Ausgaben bei Mahlmann-Bauer 2009, 79.
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aus dem Rhein herausgefischt, reagierte der Griechischprofessor verletzt und wies sie zurück. Harpago (»Enterhaken«) lautet der Titel seiner Verteidigung im Autographon. Mit diesem Wort, das auf Calvins Vorwurf anspielt, bezeichnete Castellio seine Schrift auch gegenüber Freunden. In dieser Phase des Streits, in den Jahren 1557 und 1558, bekämpften sich zwei Gelehrte – ein Professor an der Artistenfakultät und ein Theologe in politischer Führungsposition – mit Mitteln, die nichts mehr mit dem Anlaß ihres Streits – der Differenz in der Prädestinationsinterpretation und der Frage des Umgangs mit Ketzern – zu tun hatten. Ich möchte untersuchen, was an Calvins Inkriminierung seines Gegners dran ist. Theodor Beza schaltete sich in die Kontroverse im August 1558 mit einer weiteren Druckschrift ein: Ad sycophantarum quorundam calumnias quibus unicum salutis nostrae fundamentum, id est aeternam Dei praedestinationem, evertere nituntur responsio. Sie lenkt auf den theologisch-dogmatischen Kern der Auseinandersetzung zurück und offenbart, was Beza mit seinen Angriffen auf den Basler Gelehrten seit dessen Publikation der Biblia latina wollte. Der unbequeme Kritiker der Autorität Calvins als Gelehrter und Reformator der Genfer Kirche sollte aus Basel vertrieben und seine Stimme unterdrückt werden.62 Was Theodor Beza und Calvin anstrebten, die Diffamierung, Inkriminierung und Verjagung des Griechischprofessors aus Basel und seine Anklage wegen Häresie (oder Sympathie mit einem Häretiker), knüpft an die Strategien Ecks und des Erasmus an, Luther bei der Obrigkeit anzuschwärzen und vor ein weltliches Gericht zu bringen. Ich frage mich: Boten die anonymen Angriffe aus Basel auf Calvin und Beza hinreichende Ansatzpunkte für eine Anklage Castellios als Ketzer? Wieso war es von Genf aus überhaupt möglich, die Drucklegung und Verbreitung von Schriften in Basel zu verhindern? Hatten Calvins und Bezas Versuche, Castellio zu kriminalisieren, eine rechtliche Grundlage? Dies gelang im Falle Castellios erst im November 1563 einem Nicht-Basler, dem Arzt Adam von Bodenstein, der von Straßburg aus eine förmliche Anklageschrift Castellios an den Basler Kleinen Rat richtete. Castellio wurde mit der Anklage konfrontiert und zur Stellungnahme aufgefordert. Dieses Schriftstück wurde 1578 im Anhang zu den beiden Entgegnungen auf Calvin gedruckt. Diese amtlichen Schriftstücke wurden den Zeitgenossen zu Lebzeiten Castellios in Basel und Zürich nicht bekannt. Auch diesen Schlagabtausch zwischen zwei Ausländern in der Stadt Basel, der auf Deutsch und lateinisch geführt wurde, möchte ich rhetorisch analysieren.
62 Bezas Schrift erschien bei Conrad Badius in Genf 1558. Vgl. Gardy (1960), Nr. 93; Guggisberg 1997, 164 f.
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4.
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Daten und Fakten. Die Ereignisse in Genf und Basel
Am 23. Oktober 1553 verurteilte der kleine und große Rat der Stadt Genf den spanischen Arzt, Juristen und Theologen Michel Servet (aus Villeneuve in Aragonien) zum Tod durch das Feuer, nachdem er sich im Sommer des Jahres aus Frankreich in die Rhonestadt abgesetzt hatte. Die Anklage bezeichnet ihn als Anabaptisten und Antitrinitarier. Vorgehalten wurde ihm unerträgliche Lästerungen gegen den Gottessohn, die Trinität, die Kindertaufe und viele Artikel des christlichen Glaubens, die Schmähung der wahren Gläubigen als Atheisten und Zauberer und hartnäckiges Beharren auf seinen Irrtümern. Daher verurteilen wir jetzt endgïltig dich, Michel Servet, Gott und die Heilige Schrift vor Augen, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, gefesselt nach Champel gebracht, dort an einen Pfahl gebunden und mitsamt deinem Buch zu Asche verbrannt zu werden … fïr andere ein Beispiel, die ein Gleiches begehen wollen.63
In den Registern der »Compagnie des Pasteurs de Genºve« wird der Vollzug des Urteils unter dem Datum vom 27. Oktober gemeldet, unter Berufung auf den Rat der Kirchen von Bern, Basel, Zürich und Schaffhausen (advis des eglises de Berne, Basle, Zurich et Chafoux).64 Häresie wurde gewöhnlich als Gotteslästerung definiert und war in römischkatholischen und in protestantischen Territorien des 16. Jahrhunderts strafbar.65 Leugnung der Trinität und Ablehnung der Kindertaufe waren Vergehen, die nach dem Kanonischen Recht der Römischen Kirche sowie nach gültigem Reichsrecht, dem Codex Justiniani, mit dem Tod zu ahnden waren.66 Auf protestantischem Boden waren sowohl die römische Messe als auch die religiöse Praxis der Täufergemeinden strafwürdige Vergehen. Luther entwarf zwar in seiner Schrift Von weltlicher Oberkeit wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei 1523 die Lehre von zwei Reichen und zwei Regimentern, und daraus folgte, daß die weltliche Obrigkeit sich in Glaubensdinge nicht einmischen sollte. In der Praxis wurden die Schwärmer aber als Ruhestörer und Aufrührer behandelt und fielen so unter den Arm der weltlichen Obrigkeit. Diese Praxis wurde erstmals 1527 von Gerhard Geldenhauer (1482 – 1542), der bis 1524 im Dienst Karls V. und des Utrechter Bischofs Philipp von Burgund war und sich in Straßburg 1526 der Reformation anschloß, in Frage gestellt. Geldenhauer wandte sich mit einem gedruckten Appell an Kaiser Karl V., Ketzer nicht hinrichten zu lassen. Er hoffte, 63 64 65 66
Calvin (2008), 829. Übersetzt von Uwe Plath (1974), 67. Registres (1964), 52. Schindler (1985), 328 – 331. Bainton (1951), 27.
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die Protestanten zu schützen, da sie nach römisch-kanonischem Recht ja Ketzer waren.67 Seine Schrift erschien zuerst in lateinischer, dann in deutscher Sprache.68 Geldenhauer greift Argumente des Erasmus auf und gibt ihnen eine politische Aktualität, die diesem mißfiel. Nach Erasmus’ Ansicht hatte die Kirche nur die Befugnis, Ketzer zu exkommunizieren, nicht aber sie zu töten. In der gegenwärtigen Praxis würden sich staatliche Behörden allerdings auf das Urteil von Geistlichen verlassen, die folglich für manche Todesurteile indirekt verantwortlich seien. Der Beweis der Ketzerei sei dann schwer zu führen, wenn zwei Parteien im Reich beanspruchten, die wahre katholische Kirche zu verteidigen. Der Fürst solle in diesem Fall beide Parteien beschwichtigen und einen der Ketzerei Angeklagten nur dann hinrichten, wenn er den öffentlichen Frieden störe. Geldenhauer geht in seinem Brief an Karl V. weiter als Erasmus, indem er dem Kaiser das Recht abspricht, Ketzer zu töten, weil der Vorwurf der Ketzerei immer nur polemisch und parteilich gebraucht werde. Geldenhauers Brief war nicht nur ein frühes Plädoyer für die Freiheit der reformatorischen Bewegung, sondern auch für religiöse Toleranz. Sein Argument war, daß die biblischen und rechtlichen Kriterien für die Identifikation von Ketzern höchst zweifelhaft seien und auf Protestanten nicht angewendet werden sollten. Die Frage, inwieweit sich die protestantischen Territorien im Umgang mit christlichen Andersgläubigen tatsächlich von der römischen Kirche und ihrer Inquisitionspraxis unterschieden, wurde aufgrund des Ketzerprozesses und der Hinrichtung Servets im Oktober 1553 akut. Prinzipiell waren sich alle Reformatoren darüber einig, daß in einem Staatswesen die Religion, das Bekenntnis und die Kirche einheitlich sein sollten. Was strafrechtlich mit Dissidenten (Täufern und Antitrinitariern) geschehen sollte, dafür gab es allerdings unterschiedliche Lösungsvorschläge: Gefangennahme, Ausweisung oder Tötung. Im Basel benachbarten Herzogtum Württemberg befürwortete Johannes Brenz beispielsweise die Ausweisung von Ketzern, war aber gegen die Tötung. Melanchthon billigte hingegen das Verfahren der Genfer Obrigkeit gegen Servet. Auch Heinrich Bullinger in Zürich, Simon Sulzer in Basel und Johannes Haller in Bern erklärten Calvin aufgrund seines Ersuchens ihr Einverständnis mit den Genfer Maßnahmen, allerdings ohne eigene Vorschläge zum Strafmaß zu ma-
67 1534 wurde er von Landgraf Philipp von Hessen an die neugegründete Universität nach Marburg berufen. Vgl. Bauer (22000), H 8, dort die ältere Literatur, v. a. Cornelis Augustijn. 68 AD CAROLVM QVINTVM IMPEratorem Caesarem Augustum… epistola Gerardi Nouiomagi, in qua tractatur, Vtrum haeretici iure supplicijs adfici poßint, nec ne, datiert Antwerpen, cal. Ian. anno 1527. Deutsche Übersetzung: Eyn Sendbrieffe an Kayser Karol des namens den Fünfften/ Allzeyt merer des Reychs etc. Gerardi Nouiomagi/ In welcher wirdt gehandelt/ Ob man eyn ketzer mit recht muoge peynlich vnd leyblich straffen oder nicht. Auß dem Latein verteütscht. MD XXVIII (datiert Antwerpen, 8. Januar 1528).
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chen. Calvin versuchte vergeblich, die Strafe des Feuertods abzumildern zur Enthauptung durch das Schwert.69 Im Dezember 1553 kursierte in Basel anonym und handschriftlich die Historia de morte Serveti. Es gibt Indizien dafür, daß Castellio ihr Autor gewesen sein könnte.70 Besonders die wörtlichen Übereinstimmungen dieser Historia mit späteren Schriften, in denen Castellio an Servets Verurteilung Anstoß nahm, sprechen für die Verfasserschaft des Basler Professors. Allerdings ist unbekannt, welcher Augenzeuge ihm von der Hinrichtung berichtet haben könnte.71 In ihrem ersten Teil berichtet sie über den Genfer Prozeß, dann wird die Hinrichtung geschildert. Auf der Richtstätte bei Champel, 20 Minuten von Genf entfernt, hatte man am 27. Oktober einen Scheiterhaufen aus frischen, noch saftigen grünen Reisern errichtet. Ein in Schwefel getränkter Strohkranz wurde auf Servets Haupt gesetzt und seine Bücher wurden ihm auf die Oberschenkel gebunden. Guillaume Farel begleitete den Verurteilten zur Richtstätte unter ständigen Ermahnungen. Servet rief laut um Vergebung und betete dann still, während Farel die Zuschauer anredete: Seht ihr wohl, welche Gewalt dem Satan zu Gebote steht, wenn sich ihm Einer einmal überlassen hat. Servets letzte Worte waren Jesu, fili Dei aeterni, miserere mei, bevor er auf den Holzstoß gehoben und am Pfahl festgebunden wurde. Die qualvolle Hinrichtung auf zu nassem Holz dauerte eine halbe Stunde.72 69 Witte (2007), 68. In der Härte der Bestrafung unterscheidet sich der Fall Servets von dem Valentini Gentilis, der 1566 in Bern mit dem Schwert gerichtet wurde. Über die Zahl der Todesurteile und Verbannungen, die vom Genfer Kleinen Rat ausgesprochen wurden, geben Pfisterer und Monter Auskunft. Von 58 Hinrichtungen in Genf (neben 66 Ausweisungen) von 1542 bis 1546 fallen 20 auf gewöhnliche Verbrechen, für die auch die Constitutio Carolina die Todesstrafe vorsah (Diebstahl, Münzfälschung, Urkundenfälschung, politischer Verrat, Aufruhr). Die übrigen 38 Fälle betrafen Zauberei, die nach Art. 109 mit dem Feuertod bestraft werden durfte. Von 76 Ausgewiesenen waren es 27, die wegen des Verdachts der Zauberei oder der Pestverbreitung Genf verlassen mußten. 53 der 76 Ausgewiesenen waren Nichtgenfer. Vgl. Pfisterer (1940), 42 – 47; Monter (1967), 152 f.; ferner Witte (2007), 70 – 76 und zur politischen Struktur in Genf Reinhardt (2009). 70 Sie erschien erstmals 1612 im Anhang der Goudaer Ausgabe von Castellios Contra libellum Calvini. Uwe Plath inspizierte das Autographon Castellios von Contra libellum in Rotterdam und stellte fest, daß im lateinischen Manuskript nach den Worten Ich will von seinem Tode [Serveti] erzählen, wie ich es oftmals von vielen gehört habe, die dabei gewesen sind… eine Textlücke sei. Dort habe Castellio am Rand hingeschrieben, vielleicht für den Drucker : Hic ponatur Serveti mors. Es sei unwahrscheinlich, daß Castellio angeordnet hätte, ein fremder Text über die Historia de morte Serveti sollte in sein eigenes Manuskript eingefügt werden. Vgl. Plath (1974), 89; Guggisberg (1997), 84. 71 Vgl. die Synopse bei Plath (1974), 270 – 278. 72 Ich zitiere die Historia de morte Serveti nach Johann Laurenz von Mosheim, Historia Michaelis Serveti. Quam praeside Joanne Laurentio Moshemio … publice exponit Auctor Henricus ab Allwoerden Stadensis, theologiae Cultor, Helmstadii 1727, § 54, 121 f.: Comite ergo Farello in locum quendam eductus est extra urbe, Champel sive Champey dictum & ibique a carnifice flammis exustus, libro eius, quem Restitutionem Christianismi inscripsit,
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Die Historia mortis Serveti bezeugt, wie viel man in Basel nach mehr als einem Monat schon über den Prozeß und die Hinrichtung erfahren hatte. Viele Fromme hätten die Verfolgung und Hinrichtung Servets als scandalum scandalorum empfunden.73 Anstoß hätten folgende Tatbestände erregt: 1. Ein Mensch sei propter religionem getötet worden, damit sei Gottes Strafgericht mutwillig vorgegriffen worden. 2. Calvin habe die Verurteilung und Tötung Servets wissentlich und willentlich betrieben. Die Anklage sei durch einen Gefolgsmann Calvins erhoben worden. Dieser Vorfall sei von Christi Natur so weit entfernt wie vom Himmel die Erde, heißt es – in Vorwegnahme einer berühmten Stelle in Theodor Bezas Erklärung des reformierten Verständnisses des Abendmahls in Poissy 1561.74 3. Die Grausamkeit der Hinrichtung gebe Anlaß zum Verdacht, daß die Genfer sich wohl wieder beim Papst einschmeicheln wollten. 4. Es scheine so, als hätten sich die Genfer Evangelischen mit den Papisten verschworen. Sie seien ein Zweckbündnis eingegangen wie Pilatus und Herodes bei Christi Kreuzigung. 5. Dafür spreche auch die Tatsache, daß Servet zusammen mit seinen ketzerischen Büchern verbrannt worden sei. Wäre Calvins Lehre von der Prädestination und Gnadenwahl wahr, hätte Calvin keine Angst haben müssen, daß Servet einen Genfer, der doch a priori auserwählt sei, vom wahren Glauben abbringen könne. femori eius alligato. Quae de ipso eius exitu supremisque horis reliqua narrantur, non aeque certa sunt omnia. Nos, quae annotuerunt nobis, referemus, & simul sub examen vocabimus. Nec enim diffitemur multa ad inuidiam Calvino conflandam ab inimicis eius conficta esse. Inter eundum ad supplicii locum exclamasse dicitur perpetuo: ›O Deus serua animam meam. O Jesu fili Dei aeterni miserere mei!‹ Quod quidem facile creditu est. Quum in conspectum rogi venisset, supplex procumbebat, precesque ad Deum fundebat per tempus aliquod. Dum ita pronus iaceret, Farellvs populum, qui ingenti confluxerat numero, his verbis compellabat: ›Videte quantas vires habeat Satan, cum aliquem possidet. Hic homo doctus est, quod idem vobis accidere possit.‹ Summam credo haec verba esse longioris orationis quam ad populum Farellvs, vir disertus & eloquens, ex more habuit. Ceterum obsessionem eum Satanae spiritualem intellexisse, quam ex hominis in haeresi defendenda contumacia patere existimabat, credibile est. Auch Ernst Staehelin gibt die Hinrichtung Servets nach dieser anonymen Quelle, der Historia mortis Serveti, wieder. Staehelin (1863), 454 und 456 f. 73 Historia mortis Serveti, in: Mosheim (1727), 120: Sunt qui affirmant, Calvinvm, cum vidisset ad supplicium duci Servetvm subrisisse vultu sub sinu vestis leviter deiecto. Haec res multos pios turbauit, atque scandalum scandalorum peperit, quod vix unquam obliterare videretur. 74 Vgl. Theodor Bezas Rede am 9. November 1561 im Kloster zu Poissy, vgl. im französischen Original Geisendorf (1949), in deutscher Übersetzung Baum (1851), 257 f.; Heppe (1861), 125: »Wenn wir aber die Entfernung im Raume betrachten, wie man sie denn in Anschlag bringen muß, wenn von der leiblichen Gegenwart und von der Menschheit Christi als solcher die Rede ist, so sagen wir, daß sein Leib und Blut so weit vom Brode und Weine entfernt ist, als der oberste Himmel entfernt ist von der Erde.« Mit der reformierten Deutung der Einsetzungsworte sympathisiert Castellio in seiner hermeneutischen Spätschrift De arte dubitandi, confitendi, ignorandi et sciendi.
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6. Servet sei nach seinem Tod öffentlich in Predigten für alle Ewigkeit verurteilt worden. 7. Calvin habe gegen den toten Servet zu schreiben begonnen. Hätte er dies zu dessen Lebzeiten getan, hätte Servet die Möglichkeit zur Verteidigung gehabt.75 Kaum war die Asche des Scheiterhaufens verraucht, schreibt Theodor Beza, begann schon die Kontroverse über die Legitimität der Ketzertötung und die Religionsfreiheit.76 Das Besondere an ihr war, daß es eine innerprotestantische war. Peinlich für die Reformatoren in Genf war, daß den ebenfalls protestantischen Kritikern in Basel zufolge die Genfer Obrigkeit eine grausame Praxis von der römischen Inquisition übernommen und sich so dem Papsttum wieder angenähert habe. Der Vorwurf einer Verschwörung der Evangelischen mit den Papisten schmerzte die Genfer Reformatoren offenbar so, daß sie Castellio als Verräter und Gesinnungsfreund Servets diffamierten und seine Rechtgläubigkeit in Frage stellten. Vielleicht ist die anonyme Historia de morte Serveti der Auslöser für Calvins und Bezas Invektiven gegen Castellio gewesen. Im Februar 1554 veröffentlichte Calvin eine Defensio orthodoxae fidei de sacra trinitate contra prodigiosos errores Michaelis Serveti Hispani. Hier erklärte Calvin das peinliche Verfahren gegen einen Ketzer aufgrund göttlicher Gesetze nicht nur für erlaubt, sondern für geboten und führte den Nachweis, daß mit der Bestrafung Servets nur jene Gesetze strikt befolgt worden seien.77 Der Berner Ratsschreiber Nikolaus Zurkinden gehörte (mit Castellio) zu den frühesten Kritikern dieser Apologie. Calvin habe den Papisten damit große Freude bereitet, indem er die Praxis der Inquisition nachgeahmt habe.78 Im März 1554 erschien unter dem Pseudonym »Martin Bellius« und dem falschen Druckort »Magdeburg« (höchstwahrscheinlich aber bei Johannes Oporin in Basel) ein kleines Buch De haereticis an sint persequendi, et omnino quomodo sit cum eis agendum.79 Nach dem Vorwort des Bellius an Herzog Christoph von Württemberg folgt eine Anthologie von Texten aus dem 4. bis 16. Jahrhundert, die sich alle gegen die Ketzertötung aussprechen. Wenig später erschienen davon eine deutsche und eine französische Übersetzung:
75 76 77 78 79
Referiert von Plath (1974), 92 f.; Guggisberg (1997), 84. Plath (1974), 68. Calvin (1870), Bd. VIII, 453 – 644. Calvin (1876), 21 (10. Februar 1554); Guggisberg (1997), 88. Ebd., S. 89 ff. und 103. Vgl. das Faksimile des Erstdrucks 1554, mit der Einleitung von Sape van der Woude (Castellio [1954]) und die Ausgabe von Albert Olivet, mit dem Vorwort von Eugºne Choisy (Castellio [1913]). Es fehlt eine historisch-kritische Ausgabe.
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Von Ketzeren. Ob man auch die verfolgen oder wie man mit jnen handlen solle / des D. Martini Lutheri vnnd Johann Brentij / auch anderen viler der alten vnd vnserer zeyten glerten meinung vnnd bericht. Ein Bïchlein in diser schwerer zeyt gantz notwendig allen menschen / sonderlich den vorstenderen vnd Oberkeyten / gantz nutzlich/ darauß zuo lernen / was jr ampt seye / in einer so zweyfelhafftiger vnnd gefarlicher sache. …. Galat. 4: Der nach dem fleisch geboren was veruolget den / der nach dem Geist geboren was (ohne Ort und Jahr, Basel 1554).80
Die französische Ausgabe Trait¤ des heretiques, a savoir si on les doit persecuter war Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel gewidmet, dem Sohn von Landgraf Philipp von Hessen, der während der Gefangenschaft seines Vaters (1547 – 1552) die Verfolgung der Täufer auf hessischem Gebiet abgelehnt hatte.81 Mit dieser Schrift hat Castellio die in die Zukunft weisende Grundsatzdebatte über den Umgang mit Dissenters und das Gebot religiöser Toleranz eröffnet. Martin Bellius (d. h. Castellio) weist in der Widmung an Herzog Christoph von Württemberg auf die übermäßige Bedeutung hin, die man einem so wenig definierbaren Delikt wie der Ketzerei beilege, während Laster, die das friedliche Zusammenleben empfindlich störten, geduldet würden. Er findet es unerträglich, daß man sich in der Kirche, seitdem das Christentum als Staatsreligion anerkannt werde, über das christliche Dogma streite und das, was zu glauben sei, nicht der Gewissensentscheidung des Einzelnen überlasse. Eher dulde man Säufer, Schmeichler, Ehebrecher und andere Lasterknechte in seiner Gemeinschaft als einen Ketzer, mit dem, wenn er als solcher diffamiert worden sei, niemand mehr etwas zu tun haben wolle. Aber keiner sage definitiv, worin denn Ketzerei bestehe. Castellio relativiert den Tatbestand der Ketzerei je nach offiziell anerkannter Lehrmeinung einer Kirche und betrachtet ihn als bloßen Irrtum: so will ich in kurtze anzeigen auß heiliger gschrifft / was ein ketzer seye / auff das man wisse / von was menschen man hie handle/ denn ich mein nicht / das alle ketzer seyen / die mann also nennet / vnnd sihe auch wol / das solcher namm nicht so gar schantlich verschreit ist gsein zuor zeyt Pauli / […] Zwar als ich jm offt nach trachtet habe / was ein Ketzer were / hab ich nichts anders erfunden / was ein Ketzer sye / dan der mit vns nit einhellig ist / vnn mitstimmt / das kan man darbey abnemmen / das ye ein sect (deren dann yetz vil seind) die andere fïr Ketzer hatt / als wann du in einer statt oder Land recht glaubest / so hat man dich in der nechsten nach deren fïr ein Ketzer / also das wer heut leben will / der muoß schier souil glauben haben / als vil stett oder secten sind.82
80 Ich zitiere hier das Exemplar der UB Marburg. 81 Guggisberg (1997), 101 f. 82 [Castellio:] Von Ketzeren, fol. 9v–10r
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In der Mitte des Buchs wird sogar Calvin zitiert, der in der frühesten Fassung seiner Institutio christianae religionis 1537 die Ketzertötung verurteilt habe.83 Nach seiner Rückkehr nach Genf 1541 verfaßte Calvin aber einen neuen Katechismus ohne eine solche Aussage. Castellio könnte sich hier auf den Abschnitt in Calvins Genfer Katechismus von 1537 beziehen, in dem Calvin Ketzer nicht in die Liste derer aufnimmt, die exkommuniziert werden müßten.84 In der letzten Fassung der Institutio christianae religionis von 1559 erwähnt Calvin die Irrlehren Servets explizit und referiert empört seine Behauptung, alle Trinitarier seien atheos, allerdings ohne die Frage des Strafmaßes für derartige Häresien zu berühren.85 Daß Castellio der Verfasser dieser Schrift gegen die Verfolgung und Tötung von Ketzern sei, mutmaßten Calvin und Theodor Beza schon im März 1554.86 Wenig später erschienen anonym die ersten Apologien zugunsten von Servets Lehre, als deren Verfasser die moderne Forschung Guillaume Postel, Matteo Gribaldi und David Joris identifiziert hat – also protestantische Dissidenten, die in Basel und Genf keine Unbekannten waren.87 David Joris ließ von Basel aus eine Christliche Warnung an alle Regenten und Obrigkeiten hohen und niederen Standes, daß man niemanden seines Glaubens wegen beleidigen oder verfolgen, geschweige denn töten dürfe in niederländischer Sprache drucken. Diese Schrift enthält ähnliche Argumente wie De haereticis an sint persequendi.88 Castellio hat als einziger seine Verurteilung der Ketzertötung mit einer theologisch-philosophischen Kritik an Calvins Prädestinationslehre verknüpft.89 Beza verteidigte die Ketzertötung in einer Schrift, die im September 1554 in Genf erschien: De haereticis a civili magistratu puniendis libellus adversus Martini Bellii farraginem et novorum Academicorum sectam. Castellios ungedruckte Entgegnung datiert vom März 1555: De haereticis a civili magistratu non puniendis, pro Martini Bellii farragine, adversus libellum Theodori Bezae, libellus.90 Zu Beginn nimmt der Anonymus Bezug auf die ›Bellii farrago‹ und 83 Castellio (1954), 108. 84 Genfer Katechismus und Glaubensbekenntnis (1537), in: Calvin (1994), 202 – 205. 85 Jean Calvin: Institutio christianae religionis (1559), in: Calvin (1957), 137 f. – Servet schrieb: Athei vere sunt trinitarii omnes; ebd. Anm. 1. 86 Guggisberg (1997), 107 – 116. 87 Ebd., 109 f. 88 Ebd., 110. 89 Zuletzt in seinen Dialogi quatuor, die 1578 publiziert wurden. Vgl. Mahlmann-Bauer (2009). 90 Castellio (1954), IX. Castellio: De haereticis a civili magistratu non puniendis […] (1555). Bruno Becker hat diese Schrift nach dem Autographon Castellios, das sich in der Remonstrantenbibliothek zu Rotterdam befindet, 1971 ediert. Außer der lateinischen Handschrift, die von Castellio herrührt, ist auch eine französische Übersetzung überliefert, die von einer anderen Hand stammt und von Castellio etwa zur Hälfte korrigiert worden ist. Vgl. Castellio (1971) mit der Vorrede Valkhoffs auf Seite 201 – 215, bes. 214 und den französischen Text 217 ff.; dazu Guggisberg (1997), 127 f.
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identifiziert Calvins Defensio orthodoxae fidei als Antwort darauf. Dieser Text beweist hinlänglich, daß Castellio der Autor der anonymen ›farrago‹ De haereticis an sint persequendi war. Während diese jeden aktuellen Bezug auf die Genfer Hinrichtung Servets unterdrückt, erklärt Castellio im Prooemium zu De haereticis a civili magistratu non puniendis explizit, daß Calvin für die Verbrennung Servets verantwortlich sei: Es ergab sich, daß zur gleichen Zeit Calvins Buch erschien, das dem Bellius stracks entgegengesetzt war, nmlich ïber die Hretiker, daß sie mit dem Schwert zu bekmpfen seien. Anlaß fïr diese Schrift hatte ihm [d. h. Calvin] Michel Servets Tod gegeben. Da Calvin fïr dessen lebendige Verbrennung in Genf gesorgt hatte und ihm zu Ohren kam, daß die meisten diese Tat verurteilten, glaubte er, dieser Fama entgegentreten zu mïssen.91
Als nächstes erwähnt Basilius Montfort alias Castellio Bezas Büchlein und beschreibt, wie sich Calvin und Beza beide bemühten, Bellius mundtot zu machen und die Verbreitung der ›farrago‹ gewaltsam zu unterdrücken.92 Castellio weist mit dem Finger auf die unfairen Bedingungen dieses Streits, den er als Zweifrontenkrieg gegen Calvin und Beza empfindet: Unser Streit beruht aber auf einer ußerst feindlichen Voraussetzung, und zwar deswegen, weil die Anhnger Calvins und Bezas (illi) uns tçten werden, wenn sie ein klein wenig Ansehen beim Rat haben, selbst wenn wir aufgrund der Wahrheit den Sieg erringen wïrden, so daß der Henker sodann Vorsteher und Beschließer der Disputation wre. Jene aber, selbst wenn sie besiegt werden kçnnten, werden dennoch aufgrund unserer Fïrsprache (wenn der Rat uns nur ein wenig glauben wïrde) straffrei ausgehen. Aber die Wahrheit hat so viel Gewicht, daß wir dieses Risiko eingehen mïssen. Wenn jene Macht ïber unsere Leiber haben, befinden sich unsere Seelen allerdings sicher in einer mchtigeren Hand.93
Castellio reagierte wenige Monate davor auch auf Calvins Verteidigungsschrift Defensio orthodoxae fidei mit einer Schrift Contra libellum Calvini, in quo ostendere conatur haereticos jure gladii coercendos esse. Hier kommt Calvin selbst, in einem Dialog mit »Vaticanus«, d. h. Castellio, zu Wort und wird von Vaticanus Stück für Stück widerlegt. Diese Abrechnung mit Calvins Verteidigung der Hinrichtung Servets wurde 1612 in Gouda erstmals gedruckt.94 Die Kampagne der Genfer Reformatoren gegen Castellio gipfelte im Vorwurf Calvins, Castellio 91 Castellio: De haereticis a civili magistratu non puniendis (1554), ed. Becker/ Valkhoff (1971), 18 (hier und im folgenden meine Übersetzung). 92 Ebd., 19. 93 Ebd., 20. 94 Vgl. die französische Übersetzung Etienne Bariliers (1998).
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sei ein nebulo, ein Holzdieb, also ein gewöhnlicher Verbrecher und überdies Gotteslästerer und Verächter aller Religionen. Castellio wies diese Verleumdungen in De Calumnia (April 1557) zurück.
5.
Der Vorwurf, Castellio habe Treibholz gestohlen
Calvin äußert in seiner Brevis responsio ad diluendas nebulonis cuiusdam calumnias den Verdacht, ein nebulo hätte 14 Artikel aus seiner Prädestinationslehre abstrahiert, um sie lächerlich zu machen und sein Gottesbild ad absurdum zu führen. Diese 14 Artikel zitiert er am Anfang seiner Brevis responsio, um sie dann der Reihe nach zu widerlegen und Mutmaßungen über ihren Verfasser anzustellen. Die 14 Artikel stellen eine Karikatur seiner Prädestinationslehre dar. Die letzten beiden Artikel bilden den Höhepunkt, der Calvin zu einer Attacke gegen Castellio veranlaßte. Calvins Antwort auf die Schmähschrift des anonymen »nebulo« (Calumniae nebulonis cuiusdam […] responsio) erschien im Januar 1558. Artikel 13 und 14 des Anonymus gipfeln im Entwurf eines janusköpfigen Gottes, der nur für die wenigen Erwählten ein guter, aber für die Mehrzahl derer, die von Geburt an verdammt sind, ein schlechter sei. Der 13. Artikel lautet (in einem scholastischen Stil, den Castellio verabscheut hätte): Wir sündigen notwendigerweise, von Gott her betrachtet [ex sensu Dei], aber nur zufällig, von uns her betrachtet. Der 14. Artikel lautet: Was die Menschen aus schlechtem eigenen Willen verfolgen, das kommt auch vom Willen Gottes. Thema des 13. Artikels ist Calvins Prämisse, daß Gott die Bösen schon verurteilt habe, bevor sie überhaupt Böses tun können. Weil er sie verdammte, bevor sie überhaupt sündigen konnten, zwang er sie zu sündigen, damit und so daß er ein Recht hätte sie zu verurteilen. Der anonyme Kritiker der Prädestinationslehre stellt im 13. Artikel einen Fall zur Diskussion, an dem anschaulich werden sollte, daß die Calvinische Lehre absurde Konsequenzen hat. Dort steht der Satz: Wenn wir notwendigerweise sündigen [nämlich weil wir dazu vorherbestimmt sind], sind alle Ermahnungen, Gottes Gebote nicht zu übertreten, vergeblich, ergo auch der Appell, die zehn Gebote zu halten.95 Calvin könne sich nicht unter Berufung auf Paulus damit herausreden, daß die Gebote dazu verordnet seien, um den Sündern jede Möglichkeit zu nehmen, sich zu exkulpieren. Denn wenn a priori feststeht, daß die Gebote für den vorherbestimmten Sünder unerfüllbar wären, wären solche Gebote eine Zumutung: ähnlich der Aufforderung an den eigenen Sohn, er solle einen Felsen aufessen. Wenn er ungehorsam wäre und dies nicht täte, wäre er nach Erlaß des Gebots genauso wenig unentschuldbar wie vor Aussprechen des 95 De occulta Dei providentia (1557), in: Calvin (1870), Bd. IX, 281 (meine Übersetzung).
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Gebotes. Ähnlich wäre der Fall, wenn Gott mir befehlen würde, »du sollst nicht stehlen«, ich aber müßte aus Notwendigkeit (vermöge göttlicher Prädestination) stehlen, könnte mich also gar nicht des Stehlens enthalten. Das Gebot wäre also nichts nutze, weil a priori feststünde, daß ich es nicht erfüllen könnte. In jedem Falle wäre es mir nicht möglich gewesen, das Gebot einzuhalten, gleich, ob es mir vor meiner Übertretung bewußt gewesen wäre oder nicht.96 Die Gebote würden also von Calvin systematisch außer Kurs gesetzt! Mit Calvin könne man zwei Gottesbilder unterscheiden, behauptet der anonyme Gegner.97 Calvins Gott entschließt sich langsam zum Erbarmen, aber schnell zum Zorn, weil er den größten Teil der Menschen zum Verderben geschaffen hat und folglich auch wollte, daß sie ihm Ursache gäben, sie zu verderben. So hat er von Ewigkeit her beschlossen, daß die Menschen sündigen müssen, und dies ist auch sein Wille. Gott ist mithin verantwortlich für die bösen Neigungen der Menschen. Wenn sie gottlos leben, ist dies eher Gottes Werk als ihr eigenes, sie können gar nicht anders. Der Ansicht des anonymen Calvingegners zufolge macht Gott selbst Satan zum Lügner. Gott sei also selbst Vater der Lüge, weil das, was er heimlich denkt und plant, von dem, was er sagt, abweiche. Der wahre Gott aber, so die Ansicht des Calvingegners, verhalte sich doch genau umgekehrt. Er sei zum Erbarmen eher geneigt als zum Zorn, weil er den ersten Menschen, von dem alle anderen abstammen, nach seinem Bilde erschaffen hat, um ihn ins Paradies zu versetzen und für das ewige Leben vorzubestimmen. Dieser Gott will viel lieber, daß alle Menschen gerettet werden und keiner sündige. Daher ließ er seinen Sohn Mensch werden und ermunterte die Menschen: Kommt zu mir alle, die ihr beladen seid, ich werde euch Erleichterung verschaffen. Diese beiden Götter sind sich von Natur aus entgegengesetzt. Jeder der beiden bringt Menschenkinder hervor, die sich gegenseitig bekriegen müssen, die einen sind lasterhaft und voller böser Neigungen, die ihnen Gott selbst eingepflanzt hat, die anderen tugendhaft und mit guten Neigungen begabt, die ihnen wiederum Gott mitgegeben hat. Im Prooemium zu seiner Widerlegung deutet Calvin an, er wisse, wer diese Artikel aus seinen Werken zusammengebastelt habe.98 In der Antwort auf Artikel 13 und 14 läßt er die Katze aus dem Sack. Er stellt selbst eine Verbindung zwischen der an sich unberechtigten Kritik an der Prädestinationslehre und der Sympathie mit Servet her. Schließlich identifiziert er diesen Servet-Sympathisanten mit Castellio, so als könnte die Kritik an Calvins Gottesbild von niemand anderem stammen. Calvin fragt zunächst seinen Gegner, was es bedeute zu sagen, daß jemand zufällig, ohne eigene böse Absicht oder aus freien Stücken 96 Ebd. 97 Ebd., 282. 98 Ebd., 285.
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sündige (fortuito peccare). Er verstehe das Argument seines Gegners nicht und zweifelt daran, ob es die Prädestinationslehre falsifizieren könne.99 Was du in der vorletzten These willst, verstehe ich ebensowenig, wie wenn du vorhttest, die Sinne der Menschen mit Zauberflïstern zu betuben. Was heißt denn »zufllig« sïndigen? Und wer außer dir hat solche Ungeheuer gebildet? Ich habe irgendwo gesagt, daß, was zufllig zu geschehen scheint, durch die verborgene Vorsehung Gotte gelenkt wird. Wer wird dir erlauben, daraus eine zufllige Sïnde herzuleiten? Nun, was man bei mir liest, ist das aus mir geboren oder hat es nicht vielmehr Gott zum Urheber? Wenn einem, der [auf der Leiter hoch oben steht und] Baumzweige schneidet, die Sge entfllt und einen Vorïbergehenden am Kopf trifft, wirst Du das fïr zufllig halten? Aber der Heilige Geist verkïndigt doch durch Mose vorher, daß dieser Mensch von Gott getçtet ist [Ex 21,13]. Behauptest du etwa, daß Gott nach Art eines Betrunkenen mal hierhin, mal dorthin sinnlos seine Stiche austeilt? Wenn du dir denn einbildest, die Menschen sïndigten, ohne daß Gott es wahrnimmt (absque sensu), wie wird er dann der Richter der Welt sein? Und wenn seiner Wahrnehmung entgeht, was in der Welt vorgeht, worin ïbertrifft er die Sterblichen? Weil ich sage, Gott nehme wahr, wenn die Menschen sïndigen, versteigst du dich in deiner Wut so weit, mich als den Zimmermann »eines falschen Gottes« zu bezeichnen. Gbe ich dir nun zu, was du verlangst: daß die Sïnde geschehe, ohne daß er davon weiß: was wird denn das fïr ein Gott sein, ich bitte dich? Und insoweit gebrdest du dich populistisch, der du Gott der Wahrnehmung beraubst und ihn mit demselben Titel bezeichnest wie Lukrez die Gçtterbilder – machst du dir da nicht ein totes Bild an seiner Stelle? Daß du aber vorbringst, wenn die Menschen notwendigerweise sïndigen, seien Belehrung ïberflïssig, nutzlos Gebote, vergeblich Mahnungen, sinnlos Tadel und Drohungen: wenn Dir nicht genïgt, wie Augustins an Valentinus gerichtetes Buch ber die Zïchtigung und die Gnade, das der Behandlung dieses Problems ausdrïcklich gewidmet ist, diese Einwnde auflçst, bist du nicht einmal eines Wortes von mir wïrdig. Dabei habe ich doch [Albert] Pighius und deinen Meister Servet mit dieser ihrer Verleumdung so niedergeschlagen,100 daß ich fïr belehrbare und aufrichtige Leser nichts mehr zu wïnschen ïbrig ließ.
99 Die folgende Übersetzung stützt sich auf den Text der Responsio altera im neunten Band der Calvini Opera (Calvin [1870], Bd. IX, 311 f.). Ich danke Theodor Mahlmann für seine Hilfe bei der Übersetzung und Paraphrase des theologisch diffizilen Gedankengangs Calvins in seiner Responsio altera. 100 Calvin stellt hier seinen älteren Gegner Albert Pighius (1490 – 1542) auf dieselbe Ebene wie Michel Servet und wirft seinem anonymen Angreifer vor, mit diesen beiden zu sympathisieren, obwohl er, Calvin, doch deren Irrlehren längst widerlegt habe. Gegen Pighius’ Traktat De libero hominis arbitrio et divina gratia (1542) schrieb Calvin 1543 eine Defensio sanae et orthodoxae doctrinae. Entgegnungen auf Pighius haben auch in die Überarbeitungen seiner Institutio religionis christianae Eingang gefunden. Vgl. Anthony N.S. Lanes Einleitung zu Calvin (2008), 16 – 19.
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Fest steht für Calvin, daß das Gesetz die vollkommene Gerechtigkeit repräsentiert, die dann allen offenbar wäre, wenn wir es auch völlig in unserer Gewalt hätten, Gottes Anordnungen zu erfüllen. Aber ein solches Verständnis der göttlichen Gerechtigkeit unter dieser Bedingung ist anthropomorph. Gottes Gerechtigkeit ist für uns uneinsehbar, gleich, wie wir uns zu seinem Gesetz verhalten und ob wir ihm willfahren können oder nicht. Paulus hat es für unmöglich erklärt, die Gerechtigkeit Gottes aus seinem Gesetz abzuleiten. Wer sich ein anderes Bild von Gottes Gerechtigkeit macht, in Analogie zur irdischen, versteht die Heilige Schrift falsch und muß sich deswegen einmal vor Gott verantworten. Wenn du Gott nicht erlaubst, etwas vorzuschreiben, was ïber die Fhigkeiten der Menschen hinausgeht – wo wird er dich bei seinem Gericht hinstellen, das offenbar machen wird, daß er nicht umsonst durch den Mund seines Apostels behauptet hat, dem Gesetz sei unmçglich gewesen, was er durch die Gnade bereitet hat (Rçm. 8, 3).101 Daß im Gesetz vollkommene Gerechtigkeit gezeigt wird, stimmt ja; und diese wïrde von allen vollbracht und erwiesen, wenn unsere Krfte reichten, das zu erfïllen, was Gott gebietet. Aber Paulus verkïndet doch, es sei unmçglich gewesen, die Gerechtigkeit aus dem Gesetz zu erlangen. Was hast du also in dieser Sache mit Calvin am Hut?102
Calvin unterstellt seinem Gegner, er habe wohl etwas verbrochen und suche nun nach Ausflüchten, sich von der Last des schlechten Gewissens zu befreien. Er habe wohl ein psychisches Problem mit seiner Schuld und suche nun nach einer Entlastung. Da komme ihm die Prädestinationslehre gerade recht. Wenn Du »notwendigerweise stiehlst« [hier nimmt Calvin ein Stichwort auf, das ihm sein Gegner unter § 13 gab], glaubst Du »nicht weniger unentschuldbar zu sein bei Vorhandensein eines Gebots, als Du vorher [ohnehin] warst«. D. h., ein Gebot ändert nichts und ist bedeutungslos angesichts der längst bestehenden Unentschuldbarkeit. Paulus dagegen sagt da, wo er zugibt, unter die Sünde verkauft zu sein [Röm. 7, 14], dennoch frei heraus, das Gesetz richte Zorn an [Röm. 4, 15]. Das hilflose Unterworfensein unter die Sünde verträgt sich nach Calvin durchaus damit, daß sie dem Sünder angelastet wird. Denn vergeblich schützt man den Schild der Notwendigkeit vor, wo einen das eigene Gewissen von einer gewollten Bosheit überführt. Calvin meint, man könne die Stimme des Gewissens nicht damit ausschalten, daß man sich klar macht, man habe notwendigerweise, aufgrund von Gottes Prädestination, die Sünde begehen müssen. 101 Calvin (1870), Bd. IX, 312. Calvin meint: Was soll man mit jemandem anfangen, der das Wunder der Gnade überhaupt nicht versteht, in seinem Moralismus nicht verstehen will. 102 Ebd., 312. Mit dem letzten Satz meint Calvin: Du hast doch den Tenor der Heiligen Schrift gegen dich! Warum greifst du Calvin an, der doch nur Paulus zitiert und interpretiert.
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Die Gefangenschaft in der Sünde schließt den moralischen Vorwurf nach Paulus nicht aus. Es nützt nichts, sich der Anklage des Gewissens unter Hinweis auf deterministischen Zwang zu entziehen. Dann geht Calvin zum Gegenangriff auf Castellio persönlich über, den dieser gar nicht in der Rolle eines Opponenten oder Respondenten hätte beantworten können: Ich frage dich ernsthaft: wenn du in den zurïckliegenden Jahren mit einer Harpune Holz [aus dem Rhein] gefischt hast, mit dem du dein Haus heiztest, hat dich da etwa nicht dein eigener Wille zum Stehlen getrieben? Wenn dir zur gerechten Verdammung dies eine reicht, daß du wissentlich und willentlich schimpflichen und verbrecherischen Gewinn aus dem Schaden anderer ziehst, spricht dich in keiner Weise frei, was du als Notwendigkeit vorwendest. Daß du zudem einwendest, ›niemand werde mit Recht verdammt, es sei denn wegen eines Verbrechens und nach ihm‹ – da besteht von vornherein kein Streit zwischen dir und mir; lehre ich doch ïberall, niemand gehe zugrunde außer nach dem gerechten Urteil Gottes. Obwohl nicht zu verheimlichen ist, daß deinen Worten ein verborgenes Gift zugrunde liegt. Wenn nmlich das Gleichnis [vom Essen eines Felsens], das du vorlegst, zugelassen wird, wird Gott [in der Tat] ungerecht sein, der das ganze Geschlecht Adams103 in die Erbschuld verwickelt hat. Du leugnest, daß es Gott freistehe, irgendeinen Sterblichen zu verdammen, es sei denn ›wegen eines Verbrechens‹. Nun werden Unzhlige noch im Kindesalter aus dem Leben genommen. Richte nun dein Gift gegen Gott, der ›unschuldige‹ Suglinge von der Mutterbrust reißt und in den ewigen Tod stïrzt. [Sinn: Castellio handelt sich ein unlçsbares Problem ein, wenn sein Gott seiner Meinung nach moralisch Unschuldige des Lebens beraubt.] Wenn diese Lsterung [Gott handele unmoralisch und sei ungerecht], aufgedeckt ist – wer sie nicht verwïnscht, der schmhe mich nach seinem Belieben. Denn ich darf nicht erwarten, von den Lsterungen derer, die Gottes nicht schonen, frei und ledig zu sein. In deinem zweiten Abschnitt sieh, wie faul Deine Geschwtzigkeit ist. Denn deine Meister, Servet, Pighius und hnliche Hunde wïrden wohl sagen, diejenigen seien vor Erschaffung der Welt verdammt, von denen Gott vorhergesehen hat, sie seien des Untergangs wïrdig.
Das trifft zwar nach Calvins Meinung nicht zu, weil es Gottes Wirken unterbewertet. Aber diese Theologen hielten wenigstens noch einen Vorrang Gottes fest. Castellio hingegen macht den Menschen ganz unabhängig von Gott zum Richter, nach rein menschlichem Ermessen.
103 Calvin schreibt, totum genus Abrahae, was wohl ein Schreibfehler für »Adam« ist (ebd., 312).
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Du aber gestehst ihm nur zu, diejenigen zum ewigen Tod zu verurteilen, die nach bereits vollbrachten Untaten vor irdischen Richtern schuldig sind. Daraus mçgen die Leser entnehmen, wie ungeheuerlich deine Wut ist, die mit Spott und Hohn die ganze Ordnung des gçttlichen Rechtes zu verkehren nicht zçgert.
Calvin vermischt hier die Ebene der Sachauseinandersetzung und der persönlichen, psychologischen Motive, die ein Sünder und mutmaßlicher Verbrecher haben müßte, sich mit Calvin zu streiten und seine Prädestinationslehre abzulehnen. Hier ist nicht der Ort, um auf die Subtilität von Calvins Exegese des Römerbriefs und Castellios sachliche Einwände einzugehen. Die Sachauseinandersetzung verlagert Castellio in den ersten seiner vier Dialoge und demonstriert dort, wie genau er die Institutio christianae religionis gelesen hat.104 Achten wir an dieser Stelle darauf, was Calvin rhetorisch tut. Er identifiziert den bisher anonym gebliebenen Gegner mit dem armen Rheinanwohner und ServetSchüler (magistrum tuum Servetum)105 und unterstellt ihm unlautere Motive für seinen Angriff auf die Prädestinationslehre. Er verdächtigt Castellio, er hätte Holz gestohlen und spreche in seiner Anklage Calvins pro domo, um seinen Diebstahl als notwendig und gottgewollt zu entschuldigen. Einen Dieb dürfe man doch auch nicht beschuldigen, wenn sein Diebstahl durch göttliche Anordnung bereits vorher beschlossen worden war. Er bohrt nach den geheimen Motiven, die den Gegner dazu bewogen haben könnten, seine Prädestinationslehre zu bekämpfen, so als gäbe es nicht schon genügend sachliche Gründe, wie etwa ein anderes Verständnis der strittigen Römerbriefstellen. Welchen Grund hatte Calvin dafür, abrupt die Ebene der sachlichen Argumentation zu verlassen und Castellio zu kriminalisieren? Er könnte gewußt haben, daß er in der Historia de morte Serveti persönlich für Servets Verurteilung und Hinrichtung haftbar gemacht wurde, und Castellio der Autorschaft verdächtigt haben: Deinde mirantur Calvinum cum eis Ecclesiis in alterius mortem conspirasse, quarum doctrinam alias damnavit. […] Alterum est, quod Calvini opera interfectus est.106 Dies war sicher ein schmerzhafter Hieb, der dem Ansehen Calvins schadete. Anstatt öffentlich die Verantwortung auf den Rat und den Consensus der eidgenössischen Städte abzuschieben, was eine Debatte zwischen den um ihre Meinung gefragten Theologen und Kirchenvorstehern heraufbeschworen hätte, zog es Calvin vielleicht vor, in diese Debatte gar nicht einzutreten und stattdessen die Autorität seines Gegners durch Kriminalisierung in Frage zu stellen. Wahrscheinlich hatte Calvin in Basel Informanten, die das Privatleben 104 Mahlmann-Bauer (2009), 91 – 117. 105 Calvin (1870), Bd. IX, 312 (magistri tui Servetus, Pighius […]). 106 Vgl. die Synopse der Historia de morte Serveti mit Castellios Entgegnung auf Calvin bei Plath (1974), 275.
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seines früheren Mitarbeiters beobachteten. Der Repräsentant der geistlichen Obrigkeit in Basel, Simon Sulzer, nahm dagegen an, daß Castellio sich wohl so wie alle Rheinanwohner nach dem Gewohnheitsrecht verhalten habe, wenn er sich Treibgut aneigne. Simon Sulzer verteidigte Castellio in einem Brief an Calvin gegen den Vorwurf des Holzdiebstahls: Der Vorwurf des Diebstahls sei ungerecht. Da er Treibholz (als Anwohner aus dem Rhein) gefischt hat, verhielt er sich nach dem Gewohnheitsrecht der Rheinanwohner. Auch bemïhte er sich nicht fïr sich selbst, sondern fïr die, denen der reißende Strom das Treibholz entfïhrt hatte [d. h. die Rheinflçßer], abgesehen davon, daß man fïr einen aufgefischten Klafter Holz einen bestimmten, und zwar geringen Preis zahlt.107
Zu den persönlichen Anfeindungen nimmt Castellio in der Defensio ad authorem libri, cui titulus est Calumniae Nebulonis Stellung. Er habe lange gezögert, auf diese Schmähschrift zu antworten. Zwei Gründe seien für seine Zurückhaltung ausschlaggebend: eine Antwort würde Calvin stärker aufregen als daß sie ihn versöhnen könnte; außerdem sei es Castellios Pflicht, Anklagen zu erdulden und zu schweigen. Endlich habe er aber eine Antwort für nötig erachtet, damit alle, welche eher der Autorität Calvins als der Wahrheit glaubten, ihren Irrtum erkennen könnten.108 Calvins Anklagen seien unerträgliche Verleumdungen. Calvin habe Castellio in zwei Schriften angegriffen, zuerst in einer französischen, in der er seinen Gegner namentlich nannte, dann in einer lateinischen, Calumniae nebulonis cuiusdam […] responsio, ohne Castellio ausdrücklich zu nennen. Aber für den Kenner sei doch klar gewesen, daß er gemeint war. In beiden Schriften habe Calvin eine gegnerische Ansicht über die geheime Vorsehung Gottes widerlegt. Er habe außerdem aber nebenbei (obiter) Castellio mit Vorwürfen und vielen Verwünschungen beschimpft und ihn einiger Verbrechen verdächtigt, die vor ein weltliches Gericht gehören würden.109 Zuerst bestreitet Castellio, Autor der französischen und der lateinischen Schrift zu sein, die Calvin bekämpft hat. Dieser habe seinen Verdacht nur auf 107 Calvin (1870), Bd. IX, 312 Anm. 1: Quod est furti nomine isthic delatus [Castalio], iniuria sane factum est. Quod ipse ligna [ex Rheno ad ripam] attraxit, communi civium more habitantium ad Rhenum fecit, neque sibi sed iis quibus rapidum flumen haec ademerat operam praestitit, nisi quod pro recuperata lignorum ulna solet certum pretium idque leve pendi (Simon Sulzer, Brief an Calvin, 9. Februar 1562). 108 Castellio: Defensio ad avthorem libri, cui titulus est Calumniae Nebulonis, in einem Anhang zu Castellio: Dialogi IIII (1613), 341. Die hundert Seiten umfassende Schrift verdiente eine historisch-kritische Ausgabe mit Kommentar und Übersetzung. 109 Ebd., 342: In utroque contra me disputas de praedestinatione & occulta Dei providentia, quam a me scriptis oppugnari, & odio invidiaque gravari dicis: & obiter cum multis me maledictis convitijsque proscindis, tum in primis quorundam criminum insimulas, quae civili gladio punienda sunt.
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zweifelhafte Annahmen stützen können. Habe er ihn dennoch genannt, um ihn öffentlich verhaßt zu machen? Das wäre unlauter. Außerdem sei es gefährlich, bloßen Vermutungen Glauben zu schenken. Er, Castellio, habe mit jenen 14 Artikeln nichts zu tun. Er habe sie nicht nach Paris zum Druck gegeben. Vielmehr müsse sich Calvin selbst anklagen, da er diese Artikel durch den Druck öffentlich bekannt gemacht habe und sich so eher einen nicht vorhandenen Feind gesucht habe.110 Calvin ergehe sich in übelsten Beschimpfungen gegen ihn. In der französischen Schrift habe Calvin ihn rüde attackiert: als gottlosen Hund, Angeber, Verdreher der Schrift, Spötter über Gott, Verächter aller Frömmigkeit, Schwätzer und Schuft.111 Calvin entlarve jedoch seine niedrige Gesinnung in der lateinischen Schrift selbst: Ihr Titel lautet ja »Verleumdung eines Schuftes«. Der Schluß »Möge dich, du Satan, Gott verfluchen!« Was dazwischen steht, hat dieselbe Färbung.112 Dann verteidigt er sich gegen Calvins Anschuldigungen.113 Auf die Anwürfe Calvins, Castellio sei ein Gotteslästerer, weil er sich als Verteidiger und Freund Servets deklariert habe, antworte er nicht, weil Calvin die Vokabel ›häretisch‹ inflationär gebrauche und seine Verdammung nur auf einen vagen Verdacht gründe. Heutzutage sei es modern, jeden, mit dessen Meinung man nicht übereinstimmt, als Ketzer zu bezeichnen, und weil man diesen Vorwurf auch gegen den Gerechtesten vorzubringen pflege, gelte er aufgrund dieser Gewohnheit bei einigen gar als Auszeichnung.114 Hingegen antwortet Castellio auf die Vorwürfe, er sei ein Verbrecher, Dieb, Blasphemiker und Plagiator, denn diese könnten eine gerichtliche Klage und Bußen zur Folge haben. Wer Castellio kenne, wisse doch, wie integer er sei, und werde daher eher Calvin der Verleumdung anklagen. Wer ihn aber nicht kenne, müßte aufgrund von Calvins Schmähschrift Schlimmes von ihm denken, wenn er nicht auch Castellios Rechtfertigung erfahre. Da Calvin seinen Vorwurf durch den Druck in die ganze
110 Ebd., 343 f. 111 Ebd., 344: In convitijs copiosissimus es. loqueris ex abundantia cordis [Mt 12,34]. Vocas me subinde in Gallico libello blasphemum, calumniatorem, malignum, canem latrantem, plenum ignorantiae & bestialitatis, plenum impudentiae, impostorem, sacrarum literarum impurum corruptorem, Dei prorsus derisorem, omnis religionis contemptorem, impudentem, impurum canem, impium, obscoenum, torti perversique ingenij, vagum, balatronem, Nebulonem vero (sic enim interpretor Broüillon) appellas octies, & haec omnia longe ac copiosius, quam a me recensentur, facis in libello duorum filiorum, & quidem perparvorum. 112 Ebd.: De latino vero, quid multis opus est? Titulus est: Calumnia Nebulonis. Finis est: ›Compescat te Deus Satan‹: media sunt ejusdem coloris. 113 Ebd. De criminationibus, 346 – 352. 114 Et est alioquin hodie quorundam is mos, ut a se dissentientes vocitent protinus haereticos, adeo ut hoc nomen, quia in justissimum quemque conjici solet, consuetudine propemodum pulchrescat apud nonnullos (ebd., 346).
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Welt verbreitet habe, sei es recht und billig, daß auch der Angeklagt gehört werde, damit über den Fall gerecht geurteilt werden könne.115 Er wiederholt Calvins Unterstellung wörtlich, Castellio habe Holz für seinen täglichen Heizbedarf gestohlen.116 Dies ist ein schweres Verbrechen, Mensch, wenn es wahr ist, und gleichermaßen eine schwere Verleumdung, wenn es falsch ist. Aber einmal angenommen, dein Vorwurf sei wahr: wenn ich aus Zwang stehle, wie du lehrst, warum beschimpfst du mich dann? Warum hast du nicht eher Erbarmen mit einem, den Gott so geschaffen hat, daß er gar nicht umhin kçnne zu stehlen? Oder wenn du kein Erbarmen zeigen willst oder es nicht kannst oder glaubst, du mußt es auch nicht, warum lßt du mich nicht wenigstens in Frieden? Wieso verbreitest du die Schndlichkeit meiner Diebsthle in der ganzen Welt? Etwa damit ich vor Scham in den Boden versinke? Nun aber schiltst du mich so oft als schamlos […]. Am Ende deines Bïchleins schreibst du, du wagtest kaum zu hoffen, daß ich der offenen Wahrheit weichen wïrde. Oder daß ich vom Stehlen mich fernhalte? Wenn ich aber aus Notwendigkeit stehlen muß, kannst du mich auch nicht mit deiner Schrift davon notwendig erlçsen, ebenso wenig kann ich vom Stehlen ablassen, als daß ich meiner Grçße eine Elle hinzufïgen kçnnte. Oder sollen sich die Leute vor meiner Kleptomanie vorsehen?117
Castellio mutmaßt, Calvin wolle ihn öffentlich in jeder Hinsicht und bei allen anschwärzen. Aber ein Diebstahl hat nichts mit religiösen Lehrstreitigkeiten zu tun. Außerdem könne auch ein schlichter Dieb die Wahrheit lehren. Woher wisse Calvin nur von Castellios Diebstahl? Sicher durch ein Gerücht, dem er leichtfertig glaube. Warum hat Calvin nicht den Fall sorgfältig untersucht und geprüft, ob diese Holzfischerei (lignorum harpagatio) überhaupt den Tatbestand eines Diebstahls erfüllt? Zu leicht glauben die Leute das, was ihrem Verlangen nach Mißgunst entgegen kommt. 115 Ebd., 347. 116 Ebd., 347, kursiv gedruckt, mit Angabe der Seitenzahl in Calvins lateinischen Vermischten Schriften: […] dum proximis annis tibi harpago in manu erat ad rapienda ligna, quibus domum tuam calefaceres, annon te propria voluntas ad furendum impulerit? tibi si ad iustam damnationem hoc unum sufficit, quod sciens, & volens, turpe, & sceleratum lucrum, ex damno alieno captas, quicquid de necessitate obstrepis minimº te absoluet. 117 Grave crimen homo, si verum: & aeque gravis calumnia, si falsum. Sed fingamus esse verum: si necessario furor, ut tu doces, cur insultas? Cur non potius te mei miserescet, quem Deus ea conditione creaverit, ut non possim non furari? Aut si miserari non vis, aut si non potes, aut si te non debere putas, cur non me saltem sinis quietum? Cur meorum furtorum turpitudinem toto orbe dissipas? An ut pudore suffundar? At tu me toties impudentem appellas […]. Et ad calcem libelli scribis te vix sperare audere, ut manifestae veritati cedam. An ut a furtis abstineam? At si necessario furor, non potes tu me scripto tuo solvere necessitate, nec ego magis a furando possum abstinere, quam staturae meae unum cubitum adijcere. An ut homines sibi a furacitate mea caveant? (ebd., 348).
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Castellio schildert nun den Vorfall und die Umstände. Alle wissen, wie arm er damals war, als er, in den Jahren vor seiner Anstellung als Griechischprofessor, in Basel an seiner Bibelübersetzung arbeitete, die ihm den Haß und Neid der Experten eintrug. So pflegt die Welt Wohltaten [wie meine Bibelïbersetzung] zu vergelten. Da ich mich ganz darauf konzentrierte, so daß ich es vorzog zu betteln, als aufzugeben, aber am Rheinufer wohnte, fischte ich bisweilen in der Freizeit mit einem Enterhaken Treibholz aus dem Rhein, das er bei berschwemmungen mit sich fïhrt, mit dem ich mein Haus heizen wollte. Dies interpretierst du als Diebstahl. […] Jenes Treibholz gehçrt allen, es ist Eigentum des Ersten, der es ergreift. Auch ergriff ich es nicht heimlich und war auch nicht der einzige. Denn was kann sich schon ab und zu heimlich in dieser Stadt am Rheinufer vollziehen? Mit mir rafften fast alle Fischer und ab und zu auch viele Nachbarn das Treibholz.118
Eines Tages war die Birs (Byrsa) überflutet, die oberhalb von Basel in den Rhein mündet. Sie führte aufgrund des Bruchs von Barrikaden viel Holz mit sich, das hinein geschleudert worden war, damit es durch die Strömung den Rhein abwärts in die Stadt getrieben würde. 200 Uferbewohner versammelten sich, um das Holz in einer Rettungsaktion aufzulesen. Auch Castellio sei, zusammen mit vier Freunden, mit einem Enterhaken und einem Kahn zur Stelle gewesen, um an einem Tag sieben Klafter Holz herauszufischen. Hierfür erhielt er vom Magistrat, wie auch die übrigen Holzfischer, je vier Gulden (quaternos solidos). Dieser Prämie für seine Anstrengung brauche er sich nicht zu schämen, denn der Magistrat belohne gewöhnlich ja nicht Diebstahl. Als Zeugen ruft er die Basler Bevölkerung auf, besonders viele Gelehrte, die ihn dabei gesehen hätten. Manche hätten auch mitgeholfen. Diese würden sich nach der Lektüre von Calvins Schrift nicht über den armen Griechischprofessor empören, vielmehr über seinen Gegner lachen. Es sei auch ganz unwahrscheinlich, mit einem Enterhaken heimlich Treibholz klauen zu wollen. Tagsüber würde man es bemerken und nachts wäre es lebensgefährlich. Castellio schwört, nichts sei ihm ferner als stehlen zu wollen. Denn schon als Kind habe ihn der Vater gewarnt, daß Diebe Höllenstrafen zu erwarten hätten. Castellio ist entrüstet, wie Calvin, der ihn
118 Ebd. Sic nimirum solet mundus beneficia [der Bibelübersetzung] remunerari. In eo studio cum ita totus essem, ut vel mendicare mallem, quam desistere, in ripa Rheni habitarem, capiebam interdum succisivis horis harpagone [mit einem Enterhaken] ligna, quae solet dum exundat Rhenus, secum rapta devehere, quibus domum meam calefacerem. hoc tu furtum interpretaris. […] Publica sunt illa ligna, & primi occupantis. Neque clam ego (Quid enim clam interdiu fieri potest intra urbem hanc in ripa Rheni) neque solus capiebam. Rapiebant mecum piscatores plerique omnes, & interdum vicini multi (ebd., 350).
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doch von früher kenne, sich zu einem so haltlosen Vorwurf habe hinreißen lassen können.119 Anschließend geht Castellio auf die Vorwürfe ein, er sei treulos und gottlos. Er zitiert eine Passage, in der Calvin ihm vorwirft, er sei ein unerträglicher Hausgenosse gewesen: cum te domi mea aluerim, me nullum unquam vidisse magis superbum, vel magis perfidum, vel humanitatis expertem. Qui te & impostorem, & cynicae impudentiae deditum, & scurram ex professo pietati oblatrantem non agnoscunt, nihil prorsus judicant.120 Außerdem zitiert er Calvins Anklage, er, Castellio, schrecke die Jugend von den freien Künsten ab. Um mehr Schüler anzulocken, habe Castellio ihnen angeblich gesagt, daß das Studium der Philosophie, Dialektik, anderer Künste und auch der Theologie nutzlos und oberflächlich sei. Castellio findet, dies sei der Gipfel der Vorwürfe. Calvin versuchte, seine berufliche Existenz zu vernichten. Castellio fragt zurück, wieso er ihn nach Genf geholt und zum Rektor einer Lateinschule gemacht habe, obwohl er ihn für einen Verbrecher hielt?121 Auf den folgenden Seiten erzählt Castellio aus seinem Leben und über seine Karriere, um Calvins Vorwürfe zu entkräften. Es ist anrührend, wie er sich vom Vorwurf der superbia getroffen fühlt. Castellio legt eine Konfession ab und leistet Abbitte. Tatsächlich habe er sich als Dichter den Namen »Castalio« zugelegt und seine ersten literarischen Texte mit diesem Künstlernamen signiert, so als hätte er direkt aus der Musenquelle geschöpft. Dies bekenne ich und verwünsche es. Nicht nur erröte ich noch jetzt, wenn ich dies bekenne, vielmehr habe ich mich früher, da ich oft darüber nachdachte, deswegen in Grund und Boden geschämt, als mich mein Gewissen mit tausend Zeugen anklagte, da ich zur besseren Einsicht der Wahrheit gelangt bin. Allein diesen Vorwurf läßt Castellio gelten.122 Auf den folgenden Seiten gibt Castellio seinem Angreifer die Vorwürfe zurück und fragt ihn, ob er nicht fürchte, daß er einmal mit gleichem Maß bewertet werde, mit dem er ihn so verleumderisch verdamme.123 Kein Zweifel, Calvin würde es verdienen. Gleichwohl schließt er mit der Bitte um liebevolle Annäherung und Versöhnung. Er beschwört ihn vor Gott zur Liebe. Wenn Calvin zu streiten fortfahre, werde Castellio verstummen. Dann werde Gott einst darüber richten und einem jeden nach seinem Verdienst vergelten.124 119 120 121 122
Ebd., 351 f. Ebd., 352. Ebd., 354. Haec ego confiteor, & execror, nec solum nunc confitens erubesco, verum etiam antea saepe solus cogitans, cum me majorem veri cognitionem adeptum conscientia pro mille testibus accusarer, pudore suffusus sum (ebd., 356). 123 Ebd., 378 f. 124 Haec ego vobis amoris instinctu dico: amorem vobis pacemque, Christianam, inquam, non mundanam offero: ad amorem vos provoco, & hoc coram Deo coramque ejus sanctis testor, me ex animo facere. Quod si tamen odijs certare pergitis, neque vos ad Christianum amorem
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Einer, der Verständnis für Castellios Bedrängnis aufbrachte, war Melanchthon. Wir wissen allerdings nicht, welche seiner Schriften er kannte. Am 1. November 1557 – unter dem Eindruck des Wormser Religionsgesprächs, das ihm die neue Einigkeit der katholischen Theologen, aber die Zerstrittenheit der Protestanten bewußt gemacht hatte – versicherte Melanchthon dem Basler Kollegen, wie sehr ihn Castellios Nöte – die Klage über seine Gegner, die Streitigkeiten und grausigsten Haßtiraden, mit denen einige gegen die Liebhaber der Wahrheit und der antiken Quellen entbrannt seien – schmerzten. Mißbilligung des innerprotestantischen Streits über den Umgang mit Ketzern und die Annäherung der Genfer an die Praxis der römischen Inquisition kommt in folgendem Gleichnis zum Ausdruck: Wie es im Mythos heißt, daß aus dem Blut der Titanen später Giganten geboren seien, so sind aus dem Samen der Mönche neue Sophisten entstanden, die an Höfen, in Salons [wo das schöne Geschlecht regiert] und beim Volk die Herrschaft anstreben und glauben, daß ihnen das helle Licht der wissenschaftlichen Studien hinderlich sei.125 Die Wormser Gesprächssituation, die dortige Begegnung mit Theodor Beza und das Fiasko des Scheiterns schärften Melanchthons Bewußtsein, daß er sich künftig auf Gegenkräfte einstellen müsse, welche die Errungenschaften der Reformation durch fragwürdige Strategien, die an längst überwundene Taktiken der Humanismusgegner erinnerten, in Frage zu stellen drohten. In dem Moment, da er sah, daß rationale Argumente, wie er sie in seiner Dialektik 1547 stark zu machen versuchte, nicht mehr zum Ziele führten, fühlte er sich mit Castellio verwandt, den Calvin und Beza mundtot zu machen strebten. Der größte Teil von Castellios Verteidigungsschrift ist der theologischen Prädestinationsproblematik gewidmet. Castellio hat seine Auffassung über den nach menschlicher Vorstellung guten Gott, die Erasmus’ Auffassung in seiner Diatribe De libero arbitrio nahe steht, über die Calvin-Polemik hinaus in vier Dialogen zusammengefaßt. Diese Dialoge entstanden wohl 1558 oder früher und waren den Kollegen und Freunden Castellios zu Lebzeiten schon bekannt. Der Text wurde im März 1562, vermutlich für die Drucklegung, revidiert, aber erst 1578 mit einem Vorwort Fausto Sozzinis unter Pseudonym und mit fingiertem
flecti permittitis, nihil amplius dico. Dominus noster judex esto, & in hac causa utrosque, ut digni meritique sunt, remuneretur (ebd., 382). 125 Melanchthon an Sebastian Castellio, 1. November 1557: Querela tua non dico de dissensionibus, sed de crudelissimis odiis, quibus ardent quidam adversus eos, qui et veritatem et doctrinarum fontes amant, meum dolorem, quem circumfero assiduum, etiam auxit. Ut in fabulis dicitur ex Titanum sanguine postea Gigantes natos esse, ita ex Monachorum semina novi Sophistae orti sunt, qui in aulis, in Gynaecaeis, in vulgo regna quaerunt, et se impediri literarum luce existimant (Melanchthon [1834 – 1860], IX 359 f.) – Hubert Languet stellte den Kontakt zwischen Melanchthon und Castellio her. Vgl. Guggisberg (1997), 160 f. und 211.
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Druckort publiziert.126 Wegen dieser Publikation wurde der Verleger Pietro Perna im April 1578 angeklagt und vor den Baseler Rat zitiert. Perna gab zu, daß »Castalio selig« der Verfasser sei und daß Fausto Sozzini seine Schriften postum mit einem Vorwort herausgegeben habe. Bei der Drucklegung sei er, Perna, sich keines Vergehens bewußt gewesen. Castellios Dialoge handelten de libero arbitrio, stünden also in guter Baseler Tradition, da Erasmus’ Diatribe de libero arbitrio von Froben 1524 gedruckt worden sei.127 Der casus belli zwischen Genf und Basel hatte sich von der Frage der Ketzertötung ausgeweitet zu einem theologisch-philosophischen Streit über die Prädestination. Auch die Baseler Geistlichkeit (Simon Sulzer, Jacob Grynaeus und Huldrych Koch) nahm zum Druck der Dialogi quattuor Stellung. Man erinnerte sich daran, daß Castellio mit Calvin und Borrhaus, dem ehemaligen Rektor der Baseler Universität, vor 15 Jahren über die Prädestination disputirt habe. Dort, wo Castellio die Ansicht Luthers de servo arbitrio bekämpft, wird er getadelt. Auf die letzte Schrift des inkriminierten Drucks, Castellios Antwort De calumnia, wollten die Basler Gutachter nicht eingehen: Dz lezte buch ist eine Apologia, das ist schirmung, wider Calvini vnd Bezae Schmachschrifften welche gegen Castalion vsgangen, lassen wir im Wert beruwen.128
Exkurs zum Hintergrund von Calvins Anklage: Der Holzhandel und Holzfrevel in Basel Calvins Unterstellung, Castellio habe Holz gestohlen, hat diesen verletzt. Seine Stellungnahme gab mir den Anlaß zu erforschen, wer in Basel das Recht hatte, sich Treibholz, das von Flößen stammte oder als Treibgut angeschwemmt wurde, anzueignen. In Kürze lautet die Antwort folgendermaßen: Der Holzverkauf und -kauf unterlag der städtischen Aufsicht. Private Geschäfte und Fürkauf (d. h. Zwischenhandel) unter Umgehung des Holz- und Rheinamts und des Rheinzollers waren verboten. Wer sich als Gemeindebürger129 Basels Holz aus dem Rhein 126 Die historischen Umstände der Publikationsgeschichte habe ich im Anschluß an Guggisbergs Forschungen anderswo dargestellt (Mahlmann-Bauer [2009]). Vgl. auch Guggisberg (1967) und (1997), 238 – 240 und 276. 127 Guggisberg (1967), 200 f. 128 StA Basel, Religionssachen I,75. Diese kritische Stellungnahme der Baseler Theologen zur philosophischen Position Castellios in den Dialogi quatuor und zu ihrer Publikation durch Perna im Jahr 1578 wurde von Carlos Gilly transkribiert und kommentiert. Gilly (1998), 147 – 176, der Text des Gutachtens 163 – 165. 129 Zum Status der Gemeindebürger s. Froidevaux (2002), 2.2 »Der Staat und seine Institutionen« und 2.3. »Bevölkerung«.
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aneignete, wurde als Dieb bestraft. Auch Anwohner mußten für aufgefischtes Holz aus dem Rhein eine Gebühr bezahlen. In Basel wurde seit 1357 der Holzhandel von den sogenannten Holzherren beaufsichtigt, die meist dem Rat angehörten. Sie hatten die Kompetenz zur Kontrolle und Bestrafung.130 Holz war ein kostbarer Rohstoff, der als Bau-, Zimmer- und Brennholz besonders in Städten massenhaft gebraucht wurde. Am rheinischen Holzhandel waren außer den Händlern die Holzhacker und Flößer beteiligt. Die Holzordnungen in Basel und anderswo zeigen, wie die Obrigkeit bemüht war, den Holzmarkt zugunsten der eigenen Bedürfnisse der Burger zu kontrollieren und zu regulieren, aber auch, wie schwer es war, Mißbrauch und widerrechtliche Handlungen zu ahnden. Einheimischen und fremden »Holzleuten« (Holzhändlern) wurde der Markt erst geöffnet, nachdem das Holz acht Tage lang im Wasser feil gelegen war und die Bewohner ihren Bedarf aus erster Hand hatten decken können. Der Holzmarkt in Basel war nicht nur ein lokaler, sondern ein zentraler Markt für das oberrheinische Gebiet. Das Holzmarktamt war seit dem 16. Jahrhundert für Holzfuhren zuständig, die auf dem Landweg befördert wurden, das Rheinamt beaufsichtigte das in Flößen herangeführte Holz, das als Bau- und Zimmerholz gebraucht und im Handel verkauft wurde. Das Rheinamt war für Rundholz und die Flößerei zuständig und beaufsichtigte das Länden, Ausziehen und den Transit. Es kontrollierte auch die vorgeschriebenen Landeplätze der Flöße. Das Holzmarktamt befaßte sich hauptsächlich mit dem städtischen Brennholzhandel und führte über den privaten Holzhandel Aufsicht. Bei dieser Behörde waren Rheinknechte zur Mithilfe beim Länden und Abladen der Flöße und Überwachen derselben bei Hochwasser angestellt. Auf der Birs und der Wiese, die beide bei Basel in den Rhein müden, fand eine rege Flößerei, vor allem Brennholztrift, statt. Die Hauptzeiten waren bei hohem Wasserstand im Frühjahr und manchmal auch im Herbst. 1566 konnte jeder Bürger Brennholz auf der Birs in den Schindelhof triften. Die neben dem freien Markt vertraglich durch die Stadt gesicherten großen Holzmengen (bis zu 60 000 Klaftern) kamen auf dem Rhein aus Vorderösterreich, auf der Birs aus dem Bistum, aus Solothurn, aus dem Abteigebiet Lützel, der Herrschaft Pfirt und auf der Wiese aus der Markgrafschaft, der Herrschaft Schönau und aus St. Blasier Gebiet. Die Führung der Flöße war vor 1800 an das zünftige Handwerk delegiert. Ein Meister steuerte das Floß, je nach Größe, mit ein bis zwei Knechten. In Basel war seit 1442 für die Einheimischen der Handel mit Holz, das sie auf eigene Kosten im Wald gefällt und in die Stadt geflößt hatten, frei. Zimmerleute, Tischler, Küfer oder Schreiner befaßten sich damit. Außerdem brachten die bäuerlichen Waldbesitzer des Rhein- und Birstales Brennholzfuhren in die Stadt. 130 Brendle (1910), 7 – 57 und 113 – 119; Wackernagel (1911), 455 f.; Grossmann (1972), 9 – 12 und 72 – 81.
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Ein Floß bestand entweder nur aus leeren Stämmen, auf denen bei langen Wasserwegen noch eine Bretterhütte als Unterkunft für die Flößer errichtet war, oder es war zugleich Transportmittel für die »Oblast« von Personen oder Waren. Pilger und Söldner benutzten Flöße als billige Transportmittel. Auf Flößen wurde meistens nur Nutzholz transportiert, d. h. ganze Stämme, runde oder »gefleckte«, d. h. unten vierkantig behauene. Der Flößer steuerte durch den Fluß mit einem Steuer im »Stöckli«, das aus zwei kurzen, senkrecht hinten und vorn im Floß eingelassenen, durch Flechtruten verbundenen Holzstücken bestand. Holzzölle dienten in Basel dazu, Ausfuhr und Abtransport zu verhindern und die Eigenversorgung mit Bau- und Brennholz zu sichern. Verbote der Holzausfuhr wurden mit der Furcht vor regionalem Holzmangel und Unterversorgung sowie mit Mißtrauen gegenüber auswärtigen Händlern begründet. Die Landeplätze für die Flöße waren sowohl für den örtlichen Verkauf wie auch für den Weitertransport vorgeschrieben. Sie lagen grundsätzlich außerhalb der Stadtmauern. Käufer und Verkäufer mußten sich an die Holzordnung halten. Ein Exemplar der Holzordnung von 1566 liegt im Staatsarchiv zu Basel.131 Das Rheinamt hatte darüber zu wachen, daß sich niemand widerrechtlich Holz aus dem Rhein aneignete oder privat damit Geschäfte machte, weil Kauf und Verkauf durch die Holzordnung genau reglementiert waren. Die Holzherren, die auf Schiffen oder vom Ufer aus das Geschehen auf den Flößen beobachteten, bezogen für ihre Holzbeschauung feste Gebühren. Holzsetzer, Holzhauer und Bauern wurden genau kontrolliert, ob sie widerrechtlich Holz kauften oder verkauften. Aufgabe der Holzherren war es, Fürkauf und Mehrschatz zu verhüten und im Falle des Zuwiderhandelns Bußen einzuziehen; die Strafen wurden im Laufe der Zeit verschärft. Die Holzherren nahmen Klagen derjenigen entgegen, die am Holzgewerbe und an der Holzverarbeitung beteiligt waren, also von Holzfällern, Flößern, Holzhändlern und Zimmerleuten. Vorrechte Holz zu kaufen und zu verkaufen hatten die Gemeindebürger und Rheinanwohner, zumal vor NichtBaslern. Rheinknechte waren als Gehilfen des Rheinholzmarktes dem Rheinzoller unterstellt. Sie mußten beim Verladen und Abladen helfen und in Zeiten hohen Wasserstandes die am Ufer liegenden Flöße sichern. Dafür erhielten sie feste Gebühren. Klagen wegen Fürkauf und Mehrschatz nahmen zu, je mehr das Holzgewerbe florierte. Kontrollen waren um so schwieriger, je mehr Holzlieferungen von weither kamen. Die Holzämter waren bestrebt, den Holzverkauf an die Bürger zu überwachen und zu monopolisieren. Alles angeflößte Holz durfte nur auf dem Basler Holzmarkt den Gemeindebürgern zum Verkauf angeboten werden. Für den Transit des Holzes an Basel vorbei mußten die Flößer der Stadt
131 StA Basel, Holz 3.
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Zölle entrichten, deren Höhe sich nach dem Wert der Ware beim Verkauf richtete. Als in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein Mangel an Brennholz auftrat und die Mittellosen folglich in Nöten kamen, nahm der Basler Rat den Holzkauf selbst in die Hand. Ihm waren zwei Männer unterstellt, die das Holz, das von Fremden und Einheimischen in Schiffen hereingeführt wurde, in Empfang nehmen und es dem Wert gemäß bezahlen sollten, um es dann den Gemeindebürgern und Hintersassen ordnungsgemäß zu verkaufen. Durch einen jährlichen Eid waren sie verpflichtet, alles Holz, das sie von den Holzhändlern am Rhein gekauft und bezahlt hatten, wiederum an die Gemeindebürger, die es kaufen wollten, abzutreten und darüber Buch zu führen. Wer in Basel Holz privat von Bauern oder Flößern, also abseits vom obrigkeitlich überwachten Holzmarkt und Rheinamt, kaufte, mußte eine Buße zahlen. Die Holzordnung von 1566 legte fest: Wer als Gemeindebürger Holz verkaufen wollte, mußte den Rheinzoll entrichten. Gemeindebürger hatten das, was sie sich zum eigenen Bedarf an Holz aus dem Rhein aneignen wollten, ebenfalls dem »Rhynzoller« anzugeben. Fischer und Schifferleute mußten, wenn sie Zeugen eines Diebstahls wurden, dem Rhynzoller den Vorfall melden. Dazu wurden sie durch einen jährlichen Eid verpflichtet.132 Der Holzhandel war also genau geregelt und ebenfalls, was als Holzfrevel galt, definiert. Gemeindebürger Basels und Rheinanwohner hatten Vorkaufsrechte. Wurde Holz widerrechtlich von Flößen oder Lagerplätzen am Rheinufer entwendet, klagten die bestohlenen Eigentümer, bzw. die Flößer und Marktwächter beim Rheinamt. Ob Regelungen existierten, was mit Treibgut geschah und wer es sich aneignen durfte, habe ich nicht herausfinden können. Castellio macht geltend, daß seine Aktion mit Kahn und Enterhaken Teil einer Säuberungs- oder Rettungsaktion der Rheinanwohner war, die dazu diente, Nebenarme frei zu halten und passierbar zu machen und vom Rat honoriert worden sei. Castellios Behauptung scheint mir einleuchtend, daß ein Diebstahl von einem Floß direkt auf dem Fluß, in einem Kahn oder mit einem Enterhaken vom Ufer aus, nicht unbemerkt hätte bleiben können. Ihn bei Dunkelheit auszuüben, wäre zu gefährlich gewesen.
132 Welche aus Ihnen aber darwider handelten, sollen wie obsteht vmb das Holtz, vnd 5 Fl. Gelts ohne gnad, oder da das Holtz eines anderen dan dessen so es geführet, wehre, dem gebräuche nach abgestrafft werden. (Holzordnung, StA Basel, Holz 1, § 9).
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Adam von Bodensteins Anklage
Castellio gehörte zu einem aktiven Netzwerk protestantischer Glaubensflüchtlinge aus Italien, Frankreich und den Niederlanden.133 Ein gleichgesinnter Freund war sein Kollege an der Basler Artistenfakultät Celio Secundo Curione (1503 – 1569). Außerdem hatte der savoyische Bibelübersetzer, Philologe und Schulbuchautor Kontakte zum ehemaligen Kapuzinerprior Bernardino Ochino (1487 – 1565), der dank der Protektion Heinrich Bullingers 1556 zum Pfarrer der Zürcher Locarneser-Gemeinde ernannt worden war. Castellios Beziehung zum Täuferpropheten und Schriftsteller David Joris habe ich schon erwähnt. Der Savoyarde übersetzte drei Werke Ochinos aus dem Italienischen ins Lateinische: 1545 seinen Römerbriefkommentar, 1561 seine Polemik gegen den Streit über den freien und unfreien Willen, den er für unauflösbar hielt und deshalb unter dem Titel Labyrinthi publizierte, und 1563 seine dreißig Dialoge.134 Letzteres wurde ihm zum Verhängnis. Calvins Vorwürfe aus seiner Brevis responsio von 1558 machte sich der Arzt und Paracelsiker Dr. Adam von Bodenstein (1528 – 1577), Sohn des berühmten Lutherkollegen und Eckgegners Andreas von Bodenstein, genannt Karlstadt, im Jahr 1563 zu eigen. Die Motive seines Handelns sind bis heute unklar.135 Er klagte in einem Brief aus Straßburg vom 10. November 1563 an den Baseler Rat Castellio der Verführung der studentischen Jugend an und warf ihm vor, er habe Ochinos Dialogi triginta übersetzt, ein gefährliches, aufrührerisches Buch, das unter Umgehung der Zürcher Obrigkeit bei dem protestantischen Glaubensflüchtling aus Lucca, Pietro Perna, in Basel gedruckt worden war. Er beginnt seine Anklageschrift mit einer Andeutung, daß sich irrige und ketzerische Libertini in Basel aufhielten und Bücher drucken ließen, die von der Basler Geistlichkeit nicht gutgeheißen werden könnten. Aus Liebe und Loyalität zu seiner statt Basel / das ich mein liebs vatterland erkenn und darinn adoptirt bin möchte er einen handel wie ich ihne gehört und auch selbs gläsen / in kürtze offenbaren, um die Obrigkeit zu warnen und zum Eingreifen zu ermuntern. 133 Vgl. Plath (1974); Mahlmann-Bauer (2006) und (2009). 134 Guggisberg (1997), 220 und 224. Zu Ochino s. Benrath (1968). – Hier die Titel dieser RaraDrucke: Bernardini Ochini Senensis liber de corporis Christi praesentia in Coenae Sacramento. […] Omnia nunc primum ex Italice in Latinam sermonem translata, Basel [s.a.]. Angehängt: Labyrinthi, hoc est, de libero aut servo arbitrio, de diuina Praenotione, destinatione, & Libertate Disputatio. Et quonam pacto sit ex ijs Labyrinthis exeundum. Nunc primum ex Italico in latinum translati, Basel o. J. (Augsburg, Th H 1423) – Bernardinus Ochinus: Dialogi XXX. in duos libros diuisi, quorum primus est de Messia, continentque dialogos XVIII. Secundus est, cum de rebus varijs, tum potissimum de Trinitate…, Basel 1563 (SuSTB Augsburg; Basel: UB: N.E. XI. 55 (Besitz: Basilij Amerbachij 1563). 135 Zusammenfassung bei Guggisberg (1997), 219 – 227. Die Anklageschrift wurde von Ferdinand Buisson abgedruckt. Buisson (1892), T. 2, 483 – 493.
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Beza ein glerter prediger vnserer religion vnd zuostimmer eüer meiner gn. Herren confession, hatt vor jaren ein buoch geschriben darinnen er Castellionem so in eürer gnaden Statt ann den steinen seshaft höchlich vnd vnleidenlich schmecht.136 Gemeint ist Bezas ›Responsio‹ Ad sycophantarum quorundam calumnias von 1559. Bodenstein zitiert Bezas Appell an die Basler Obrigkeit, endlich etwas gegen Castellio zu unternehmen, in deutscher Übersetzung: »O ihr fürsichtigen Rätt der statt Basel / und ihr berhiemten regenten der schuol / wie lang wellent ihr semlichen unrat bei euch erhalten?« Aber auf diese Anklage aus Genf sei bisher keine Reaktion erfolgt. Daraufhin habe Beza 1563 seine Beschwerde vor dem Baseler Rat wiederholt, die Bodenstein auf deutsch wiedergibt: Castellio glaubt nit die erbsïndt vnd redt Beza weiter. […] Ich clag niemants hiermit ane / schreib allein was ich hçr vnd lisz vnn offnen druck das e. gn[aden]. […] Darbei glowbt ich gar kïmmerlich das Castellio solchen articulis schuldig, wann nit deß loos vf ihme geworffen wïrde, er sollte das schandlich buoch / polijgamiam transferirt haben / Welcher titul ist oder eingang: Ein drost vnd sterkung der mannen vnd weyber vnd ist selbigen gantzen dialogi intent, das es probir ein ietlicher mann (ausgenommen die Kçninge vnd Kirchendiener) derffe vil weyber haben. Wo der handel also vnd er daran schuldig were, wer mirs mer dann leyt, nicht so seer vïr ihne Castellionem als von wegen mïtterei vnd groszen vngehorsamen widerwertigkeit so sich durch solche mittel, zuglaszne dunkle schriften in mechtiger gfar vnd vnrue erheben mechten […].137
Es sei kein Wunder, daß Gott derartige Lehrmeinungen, wie sie neuerdings in diesem von Castellio übersetzten und in Basel gedruckten Buch vertreten würden, nämlich daß Polygamie bei den alten Israeliten vorgekommen und durchaus statthaft sei, mit sozialen Unruhen gestraft habe. Bodenstein referiert den Inhalt des in Frage stehenden Dialogs, in dem die Vielweiberei erörtert und propagiert werde. Dies sei ein Ärgernis für eine christliche Sozialordnung, die sich über die Kulturstufe des Alten Testaments erhaben dünke.138 Bodenstein malt die Gefahr in grellen Farben, die von listigen Menschen ausgehe, die haimlich doch ernstlich ann vilen enden vnd orten vndersthond der frommen oberkait ins schwärd zuogreiffen / welchs durch fleyßig aufmerken deß magistrats und frommen vürgsetzten der kirchen wol noch zur zeit kann abgelähnet werden. Diese Worte enthalten eine deutliche Anspielung auf David Joris und seine Gemeinde, die in Basel viele Jahre unbehelligt ihr Wesen treiben durfte. Indem Bodenstein die Obrigkeit an ihre damaligen Versäumnisse erinnert, ermahnt er 136 Ebd., 484. 137 Ebd. 138 Ebd., 485.
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sie nun zum rechtzeitigen Eingreifen. Aus den von Castellio übersetzten und in Basel gedruckten Dialogen werde die Baseler Obrigkeit verschraiet / vercleinert und liquidirt. Castellio schände die gottesfürchtige Obrigkeit. Bodenstein apostrophiert Castellio direkt als unverschämten ketzer und Beschützer der ehbrecher vnd dottschleger, der nicht unbestraft bleiben dürfe, und ich sagen / becreftigs und ruoffen dich aus / du selbst ein unreiner papist / lestherer gottes gnade / und unwirdig das dich ein christliche kirch bei ihnen enthaltet.139 Er bittet die Kirchenvorsteher, sie sollen Castellio endlich erkennen und nach seinem verdienst straffen. Sie mögen bedenken / was ihr inn euerem innerlichen eingeweid vür ein unnatürlich ding ernerent. Er sei ein gefährlicher, unreinster widertöuffer. Bodenstein verwischt – vielleicht mit Absicht – die Grenze zwischen seinen eigenen Beobachtungen und den Vorwürfen, die Beza schon 1559 gegen Castellio vorgebracht hat. Er behauptet, er habe in seiner Beschwerdeschrift bisher nur Bezas Vorwürfe aus der Schrift von 1559 verdeutscht, obwohl er doch ganz neue, aktuelle Vorwürfe anführt, die sich auf den Basler Druck von Ochinos Dreißig Dialogen beziehen. Zum Schluß beruft er sich erneut auf Beza, indem er dem Rat ins Gewissen redet, Castellio von seinem Lehramt zu entfernen. Denn einer christlichen Stadt stehe kein Schulmeister der Jugend an, der Irrlehren verbreite wie beispielsweise die Ansicht, daß die Erbsünde uns nicht angeboren sei und daß die Obrigkeit sich nicht in geistliche Sachen einmischen solle, da doch alle Macht von Gott ausgehe, dem also auch die Entscheidung über den Umgang mit Ketzern anheimzustellen sei.140 Bodenstein erklärt einerseits Castellio zum Pelagianer, indem er seine Erklärung vor dem Basler Rektor 1557, er könne nicht glauben, daß die Gottlosen schon on und vor irer sündt von Gott dem herren gehassen vnd verstossen seien,141 zu einem pelagianischen Bekenntnis umdeutet, die Erbsünde habe keine Geltung. Bodenstein spielt andererseits auf Castellios Auffassung von der Kompetenzbeschränkung der weltlichen Obrigkeit an, die in De haereticis an sint persequendi mehrfach mit dem Gleichnis des Unkrauts unter dem Weizen begründet wird.142 Der Umstand, daß Castellio seine Theologie mit ihrer Begründung, wieso die Prädestinationslehre abgelehnt werden müsse, nicht veröffentlicht hat, leistete Gerüchten Vorschub, seine Schriften enthielten subversives, häretisches Gedankengut. Dafür schien Bodenstein nun Castellios Anteil an der Publikation von Ochinos Dialogen zu 139 Ebd., 492. 140 Ebd., 493. 141 Sebastiani Castalionis antwurt uff etliche articul so im von dem hochgelerten und erwürdigen Rectore und den anderen furnemsten herren der hohen schul zu Basell sindt fürgehalten worden (Kopie von der Hand Bonifacius Amerbachs, zitiert von Guggisberg [1997], 156). 142 Castellio (1954), z. B. aus dem Abschnitt Quantum orbi noceant persecutiones, sententia Georgij Kleinbergij, 130.
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sprechen. Zwar habe Bodenstein Castellio stets als stillen, friedlichen Kollegen erlebt, aber angesichts der Publikation von Ochinos Dialogen fühle er sich verpflichtet, die Anklage Bezas zu wiederholen. Bodenstein möchte sich durch die Anklage als loyaler Bürger erweisen. Durch die Angabe des Druckorts auf dem Titelblatt der Ochino-Dialoge ebenso wie durch Castellios Mitwirkung an dieser Publikation sei die Reputation Basels beschmutzt, wo er, Bodenstein, sich doch heimisch fühle. Castellio durfte die deutsch abgefaßte Anklageschrift einsehen und nahm zu ihr am 24. November 1563 in lateinischer Sprache Stellung.143 In dieser Apologie, die erst postum im Anhang zur Verteidigung contra libellum Calvini 1578 erschien, weist Castellio den Verdacht, er sei Libertinus, Pelagianus, Academicus oder gar ein Papist, weit von sich. Seine Schriften bewiesen hinlänglich, wie falsch Bezas (von Bodenstein zitierter) Vorwurf sei, er, Castellio, leugne die Gnade Gottes und die Erbsünde. Absurd sei Bezas Vorwurf, Castellio gehöre der Sekte der akademischen Sceptici an, denn im Gegensatz zu diesen habe Castellio ja den Geltungsanspruch von Behauptungen (affirmationes) vorgetragen, die Beza erbost und zur Widerlegung gereizt hätten. Erneut nimmt Castellio hier auf den früheren Vorwurf Bezug, er habe in Basel Treibholz gestohlen, und bittet um die Erlaubnis, sich gegen die öffentlichen Schmutz-Angriffe auch öffentlich, wenn gewünscht, sogar auf Deutsch, verteidigen zu dürfen. Es muß ihn geschmerzt haben, daß seine Gegner ihn in gedruckten Schriften angriffen und beim Rat verklagten, ohne daß er Gelegenheit hatte, sich zu rechtfertigen. Das Schweigen könnte gegen ihn ausgelegt werden, fürchtete er. Gegen den Vorwurf der Komplizenschaft mit Ochino, der gotteslästerliche und sittengefährdende Ansichten vertrete, verteidigt sich Castellio mit dem Argument, er habe nur übersetzt, ohne sich zum Inhalt der Dialoge zu äußern. Den Druck hätten die Baseler Zensurbehörden auch genehmigt. Die Publikation und Verbreitung der Dreißig Dialoge Ochinos und Bodensteins Bekanntmachung, daß Castellio der Übersetzer sei, machten der Basler Obrigkeit einen Teil des Netzwerks sichtbar, zu dem einst auch David Joris gehört hatte. Empört reagierten auch Zürcher Theologen und Ratsmitglieder auf die Basler Publikation der Dialoge Ochinos, des von Bullinger geschätzten Oberhauptes der Zürcher Refugiantengemeinde. Besonders mißfiel ihnen Ochinos Dialog Nr. 21, der Gründe für und wider die Polygamie bei den Israeliten im Alten Testament erörterte und dabei die Laxheit des mosaischen Gesetzes gegenüber der Vielweiberei betonte. Die Dialogform gestattete es Ochino, kontroverse Themen aufzuspießen und sie, ohne selbst Farbe bekennen zu müssen, unparteilich zur Diskussion stellen zu können. Aber weil er seinen 143 Guggisberg (1997), 221 – 224. Sie wurde im Anhang der bei Pietro Perna erschienenen Erstausgabe der Dialogi quattuor (Basel 1578) abgedruckt.
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Standpunkt nicht zu erkennen gab, machte er sich eben auch verdächtig. Noch bedenklicher als der Dialog über die Polygamie war m. E. ein anderer, Nr. 28, in welchem Papst Pius IV. und Kardinal Giovanni Morone (1509 – 1580) darüber streiten, quo pacto tractandi, & quando occidendi sint haeretici. Dem Kardinal Morone werden dabei die aus Castellios De haereticis-Abhandlung bekannten Argumente gegen die Ketzertötung in den Mund gelegt, die sein Gesprächspartner, Papst Pius IV., vergeblich und auf lächerliche Weise zu bekämpfen sucht. In diesem Dialog triumphiert Morone, Sprachrohr Castellios, über den Papst, dessen Vorgänger Paul IV. noch 1557 Morone verhaften ließ.144 Adam von Bodensteins Versuch, sich durch die Bezichtigung Ochinos und Castellios als treuen Wahl-Basler zu inszenieren, kam allerdings einem Bumerang gleich, der vor allem ihn selbst traf. Zwar war Bodenstein 1548 in Basel Magister geworden und gehörte als in Ferrara promovierter und in Basel praktizierender Arzt dem Consilium der medizinischen Fakultät an, zusammen mit Heinrich Pantaleon und Guglielmo Gratarolo. Aber seit 1559 stilisierte er sich als Kenner des Steins der Weisen und veröffentlichte in Basel Paracelsica. Deswegen wurde ihm vorgeworfen, ohne Erlaubnis Bücher, die gegen die in Basel gelehrte Heilkunst gerichtet seien, zum Druck gebracht zu haben. Daher wurde er aus dem Baseler Consilium ausgeschlossen. Bis 1568 durften keine Paracelsica mehr in Basel veröffentlicht werden.145 Auch die paracelsische Medizin wurde (analog zu den Schriften Servets und den Spekulationen der Antitrinitarier) als teuflisch inspirierte Irrlehre angegriffen. Vielleicht weckte Bodenstein mit seiner Anklage beim Basler Rat Befürchtungen, die sich, eingedenk der obrigkeitlichen Pflichtversäumnisse im Falle von David Joris, später auch auf seine Paracelsica-Veröffentlichungen ausdehnten. Noch bevor Bodensteins Klageschrift an den Basler Rat in Zürich bekannt wurde, entsetzte die dortige Obrigkeit Ochino von seinem Predigeramt und verbannte den 76jährigen mit seiner Familie. Bullinger sorgte dafür, daß reformierte Gemeinden in anderen Orten der Eidgenossenschaft dem Italiener ebenfalls kein Asyl mehr gewährten. So mußte Ochino im Winter seine Flucht über Frankfurt und Nürnberg nach Polen antreten. Anfang 1565 starb er in der mährischen Täuferkolonie von Austerlitz. Castellio starb am 29. Dezember 1563, bevor gegen ihn – auf der Grundlage von Bodensteins Anklageschrift – ein Ketzerprozeß in Basel beginnen konnte. Es bleibt offen, ob Castellio während eines solchen Prozesses noch in Basel hätte bleiben und sich gegen Anklagen 144 Ochinus (1563), Vol. II, Dialog Nr. 28: Quo pacto tractandi, & quando occidendi sint haeretici, 378 – 421. Zu Morone s. Mazzone (1994), bes. 321. 145 Corpus Paracelsisticum, ed. Kühlmann / Telle (2001), I 104 – 106; Burckhardt (1917), 57. Genau welche Schrift den Ausschluß aus dem Consilium der Ärzte provoziert hat, ist nicht bekannt. Vorhanden ist dieses Dokument im Universitätsarchiv Basel, Q 6: Rationarium I–III, hier Rechnungsbuch I (freundliche Auskunft von Prof. Dr. Joachim Telle, Heidelberg).
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und Vorwürfe aus Genf und Zürich hätte sicher fühlen können. Die aristokratische Verfaßtheit der Basler Regierung, die Arbeitsteilung zwischen geistlicher und weltlicher Obrigkeit und die kulturelle Vielstimmigkeit in der Universitätsund Handelsstadt machten es möglich, einen unbequemen Kritiker Calvins und Bezas auf politischem und gerichtlichem Wege still zu stellen. Eck und Erasmus wollten den sächsischen Kurfürsten zu einem ähnlichen Vorgehen gegen Luthers Unbotmäßigkeit anstiften. Ohne die kurfürstliche Unterstützung Luthers hätten sie vielleicht mit der Strategie Erfolg gehabt, den akademischen Wortstreit und publizistischen Kampf abzuschneiden und Luther wie einen Verbrecher vor Gericht zu verklagen. Da er seine Kritik am Genfer Verfahren gegen Servet und an Calvins Prädestinationslehre nicht publiziert hatte und dies in Basel gar nicht hätte tun können und da einzig Calvins und Bezas maßlose Anklagen im Druck verbreitet waren, waren die Chancen für Castellios Rehabilitierung ungünstig. Es fehlte ihm ein politischer Beschützer von der Autorität und dem Mut des sächsischen Kurfürsten. Die Universität Basel hat ihrem Griechischprofessor keine Plattform angeboten, auf der er mit Calvin oder Beza hätte disputieren können. Die Einladung dazu hätte vom Dekan der theologischen Fakultät ausgehen müssen. Ob sich Calvin und Beza den Spielregeln unterworfen hätten, da sie in Castellio den Verteidiger eines Häretikers sahen, bleibt der Spekulation überlassen.146
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Quellen
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Chiara Lastraioli
P¤tromachies renaissantes: de la dispute rituelle au combat des id¤es l’ombre des ›pierres parlantes‹
Le terme d¤suet p¤tromachie d¤signe une modalit¤ dialectique trºs r¤pandue au XVIe siºcle, en France comme en Italie, savoir un combat de ›pierres parlantes», une dispute dont les interlocuteurs sont des statues qui incarnent des voix diff¤rentes, des discours oppos¤s voire conflictuels. Le mot p¤tromachie semble avoir ¤t¤ utilis¤ pour la premiºre fois par Joachim du Bellay dans sa Satyre de Maistre Pierre du Cuignet sur la Petromachie de l’universit¤ de Paris1 (1552); dans ce poºme, le poºte ridiculisait le diff¤rend opposant, au d¤but des ann¤es 1540, deux membres du studium parisien, Pierre Ramus et Pierre Galland. Les pr¤noms des deux humanistes se prÞtaient merveille au jeu de mot et leur ›p¤trification‹, qui se fait sous l’¤gide de Pasquino, la plus c¤lºbre statue parlante de l’¤poque, d¤nonce en quelque sorte la st¤rilit¤ d’une dispute acad¤mique dont du Bellay accentue le caractºre vain et grotesque. Avant de revenir sur ce texte, qui d¤signe pour la premiºre fois et de faÅon pertinente une typologie sp¤cifique du discours contestataire et pol¤mique qui connat, cette ¤poque, un large succºs dans la production litt¤raire romane, j’esquisserai rapidement les origines et la diffusion d’une pratique discursive unique en son genre. La coutume qui consiste afficher des ¤crits anonymes – satiriques ou ¤logieux – aux portes de la ville, l’entr¤e des temples et dans les lieux de passage les plus fr¤quent¤s est attest¤e depuis l’Antiquit¤; comme l’a justement observ¤ Giovanni Cupaiuolo dans son essai »Tra poesia e politica: le pasquinate nell’antica Roma«,2 bien qu’on ne puisse pas ¤tablir une filiation directe ou une continuit¤ entre la pratique ancienne de faire courir des versus populares et la circulation de poºmes pol¤miques dont les porteurs sont identifiables avec des statues, l’on observe un certain nombre de concidences pour ce qui relºve des modalit¤s de diffusion, des formes po¤tiques utilis¤es et des enjeux politiques dont ces textes ¤taient souvent les v¤hicules privil¤gi¤s.
1 Du Bellay (1983), 236 – 251. 2 Cupaiuolo (1993).
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Lorsque, dºs les premiºres ann¤es du XVIe siºcle, on institue Rome un concours po¤tique annuel ouvert aux matres et aux ¤tudiants de l’Archiginnasio afin qu’ils puissent, le jour de la Saint Marc, exercer leurs talents lyriques en placardant sur le socle et sur le mur jouxtant la statue de Pasquino [ill. 1 et 2] des compositions en latin r¤dig¤es all’improvviso sur un thºme donn¤, on ne pouvait pas soupÅonner que l’on ¤tait en train d’inaugurer l’une des traditions pol¤miques les plus efficaces et virulentes de la premiºre modernit¤. Pasquino devient en effet le prototype de la ›pierre parlante», le modºle de r¤f¤rence pour les satiristes de son temps et des siºcles venir. Certes, dans la Rome ancienne, de nombreuses pierres avaient d¤j parl¤, comme le t¤moigne l’essor de l’¤pigraphie et son influence sur la dispute humaniste, mais aucune n’avait jamais eu le succºs de Pasquino, aucune n’avait incarn¤ jamais une voix autonome, souvent subversive, garantissant de par l’anonymat la vie sauve aux plus insoumis des pol¤mistes. MÞme la transformation parodique de l’¤pitaphe, le plus mortifºre des genres ¤pigraphiques, pourtant trºs r¤pandue la Renaissance, ne pouvait satisfaire les besoins dialectiques que tout affrontement id¤ologique impose; les messages transmis par la pierre s¤pulcrale au viator et au lecteur, tout en pr¤voyant une apostrophe, n’implique nullement une confrontation avec l’autre, le destinataire restant muet. Pasquino en revanche pourra incarner lui seul toutes les voix d’un d¤bat politique foisonnant, ou bien assumer le discours d’un des partis en lice pour soutenir, par exemple, un candidat au saint siºge, un groupe de pouvoir, une confession et, en dehors de l’agone id¤ologique, mÞme une r¤flexion sur les savoirs scientifiques. Lorsque Pasquino se fait l’¤cho d’une position pr¤cise, d’un discours de combat, sa parole implique un interlocuteur, un homologue de pierre qui, nous le verrons, joue parfois le rúle de son alter ego ou bien celui d’un opposant farouche et antinomique. Le marbre appel¤ Pasquino, un groupe d’¤poque hell¤nistique s¤vºrement mutil¤, repr¤sentant le couple Ajax-Achille3 [ill. 3], avait ¤t¤ retrouv¤ vers 1501 lors de la r¤novation de Palazzo Orsini, et dºs qu’il fut dress¤ tout prºs de la place Navone, dans le quartier du Parione, il avait fait l’objet de l’int¤rÞt des Romains et des voyageurs ¤trangers qui avaient la plus grande difficult¤ identifier le sujet repr¤sent¤ par le groupe, tout en lui reconnaissant une rare qualit¤ artistique. Les chroniques de l’¤poque attestent ¤galement de l’affichage de cedulae infamantes autour de la statue, ainsi que dans d’autres lieux de la ville, des brocards qui avaient pour cible le pontificat du pape Borgia: Feria sexta, 13 dicti mensis augusti, in mane, affixa fuit cedula statue magistri Pasquino nuncupate, site in angulo domus R.mi D. cardinalis Neapolitani, de obitu Pape si recedat ad Urbe; quod sine mora per totam Urbem divulgatum est, et 3 Pour l’identification du sujet iconographique de la statue de Pasquino, voir Wünsche (1991).
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Ill. 3: Groupe Ajax-Achille – Florence
fuerunt eodem mane similes cedule in pluribus locis per Urbem affixe hujusmodi tenoris: Predixi tibi Papa bos quod esses. Predico: Moriere si hinc abibis; Succedet Rota consequens Bubulcum.4
Dºs le d¤but de la fÞte officielle, sponsoris¤e au fil du temps par plusieurs cardinaux, cette pratique de l’affichage de vers anonymes fut suivie par la r¤colte et l’¤dition des textes qui paraissaient dignes d’int¤rÞt, tout en excluant les compositions les moins heureuses et, partir de 1510—1512, les plus irr¤v¤rencieuses et mordantes. ÷ la fin de la deuxiºme d¤cennie du XVIe siºcle, la messe d’¤crits satiriques en latin et en vulgaire ¤tait devenue imposante et les pouvoirs publics n’arrivaient plus contenir la profusion de placards – trop souvent injurieux – dans les limites temporelles et th¤matiques impos¤es par le concours. En 1519, la c¤l¤bration officielle fut annul¤e pour des raisons d’ordre sanitaire; en r¤alit¤, il ne s’agissait que d’une excuse pour billonner un Pasquino toujours plus loquace:5 tout contrevenant cette interdiction de 4 Burcardo (1885), 157. Voir ce propos Cesareo (1894), 24, et Rendina (1991), 32. 5 Voir Larivaille (1980), 430 et Romei (1992), 71.
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Ill.4: Marforio – Rome
Ill. 5: Pasquino et Marforio dans un opuscule conserv¤ aux Archives de la ville de Strasbourg, (s.l.n.d.)
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produire des textes pol¤miques risquait ipso facto l’excommunication.6 Les textes latins prenaient le plus souvent la forme du distique et de l’¤pigramme, d¤clin¤s parfois sous forme d’¤pitaphe satirique, tandis que la production en vulgaire privil¤giait les structures courtes telles que le quatrain et le sonnet. De par leur nature et leur briºvet¤, ces petits poºmes ne se prÞtaient ni l’argumentation ni l’opposition dialectique, car ils ¤taient conÅus pour Þtre m¤moris¤s et r¤pandus dans la ville sous forme de copies manuscrites ou viva voce. Toutefois, on finit par exp¤rimenter des formes po¤tiques permettant la dramatisation du d¤bat entre factions adverses. Pour ce faire, les pasquillanti choisirent tout d’abord un interlocuteur digne du d¤sormais c¤lºbre Pasquino qui pouvait incarner des instances semblables ou oppos¤es celles promues par le marbre du Parione. Le marbre de Marforio [ill. 4], une statue repr¤sentant une gigantesque divinit¤ fluviale, gisait depuis l’antiquit¤ dans un ¤tat d’abandon proximit¤ de l’arc de Septime S¤vºre, dans les alentours du Forum romain; son nom ne serait en effet que la d¤formation de l’expression Martis Forum. Marforio fit sa premiºre apparition dans le recueil officiel de pasquinades latines de 1511, mais c’est dans la production en vulgaire des ann¤es 1518—1530 qu’il devient le contradicteur, parfois complaisant parfois redoutable, de Pasquino. Son rúle, la fois de compagnon et d’adversaire du marmot de Parione, fut vite institutionnalis¤ par les poºtes et certaines gravures de l’¤poque repr¤sentent Marforio et son homologue en train de dialoguer [ill. 5]. Si la d¤signation d’un interlocuteur de pierre la hauteur de Pasquino dut se faire de faÅon tout fait naturelle, l’adaptation des modules po¤tiques pasquineschi aux exigences de la dispute semble bien plus complexe. Distiques, quatrains, sonnets se prÞtaient difficilement l’exposition dialogique, mais ils avaient plusieurs avantages dont celui de v¤hiculer des messages concis et percutants qui pouvaient ¤galement constituer les unit¤s de base d’un discours plus articul¤, qui prend souvent l’allure d’un dialogue distance. C’est le cas des sonnets qui, tout en constituant des unit¤s po¤tiques et pol¤miques autonomes, fonctionnent ¤galement comme un tout dialogique. Dans l’exemple qui suit, le rapport de force traditionnel entre les interlocuteurs est respect¤: Marforio, aprºs avoir fait l’¤loge aussi d¤mesur¤ qu’habituel de son compagnon, l’interroge propos du mariage de Marguerite d’Autriche (la btarde de Charles Quint) et Ottavio Farnese (un des neveux du pape Paul III). Pour lui plaire, Pasquino se livre l’un des ses grands exploits, comique et grivois la fois:
6 »Item, scrive in questo anno sub poena excommunicationis non º st posto alcun verso a Pasquino, come era consueto farsi […]«, Sanuto (1890), col. 273.
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Marforio a Pasquino Sonetto7 Pasquin, mi vuo’ chiarir s’in te si truova quell’arguzia che tutto il mondo adora, de l’alto ingegno tuo che discolora la fama altrui, come si vede e pruova? N¤ invidia o affezion ti spinga e muova de chiarirmi d’un dubio che m’accora, ch¤ mi par di veder chiaro a quest’ora che di donne ogni mal ti piace e giova. Il gentil maritaggio8 tu sai certo, ch’ha fatto ser Farnese a’ giorni suoi, di sua estrema pazzia segno s
aperto . Vorrei saper da te, come colui che sei ne l’utriusque molto esperto, qual miglio robba parti d’ambidui. E per dir chiar, a cui t’attaccaresti con maggior diletto, o alla vitella o al tenerin capretto? Perch¤ so ch’in effetto a’ preti spuzza di chiavar in potta, ma danno dietro a tutti a tutta botta. Risposta di Pasquino a Marforio Sonetto9 Marforio, il vostro dubio avemmo inteso. cioº che sia d’Ottavio o Margherita robba meglior, pi· bella e pi· fiorita, cosa ch’a dir il ver mi tien suspeso. L’una e l’altra bilancia ha ugual il peso: d’un mulo l’uno fu prodotto in vita, 7 Pasquinate romane (1983), 474. 8 Danilo Romei propose de lire maritaggio la place du douteux mantaggio, ce qui ferait allusion au mariage du jeune Farnese avec la fille de l’Empereur, et de transformer gentile en gentil, pour ¤viter l’hyperm¤trie du vers. 9 Pasquinate romane (1983), 475.
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e l’altra da puttana º stata ordita, tal che a narar il ver resto suspeso. La parte anteror niun adopra, di drieto l’un e l’altro empionsi forte, che fan targa del culo ad ogni cazzo. Quel de l’avol[o] pruova la sant’opra, quella del socer suo, che per sua sorte la fott’in culo a guisa di ragazzo per prendersi sollazzo. Qual abbi meglior culo, il papa solo vel potria dir, col suo mulo figliolo. Or dunque, a pieno volo, andateli a trovar, ch¤ s’ei vorano dirvelo, in dubio non vi lassarano.
Dans d’autres cas, l’¤change dialogique se fait l’int¤rieur d’un seul et unique texte, en g¤n¤ral un sonnet, et peut prendre une allure plus pol¤mique: Marforio a Pasquino10 [1555] M. Pasquin, dormi tu forte? P. No istþ desto, per un rumor che verso il Vaticano mi par sentir inusitato e strano, n¤ so pensar ciþ che puþ esser questo. Cadut’º l’alto Monte11 che molesto tropp’era a questi colli, onde sul piano resta assai gente che sperava invano poggiar al ciel col piº spedito e presto. [M.] A tal rumor, svegliandomi ancor io, andai cercando: come gionse in ponte, vidi che Paulo12 cos
disse a Piero13 : 10 Strasbourg, Archives de la Ville, rec. 138 carton 72 (doc. 88, f. 2r). Le texte date de la p¤riode du siºge vacant suite la mort de Jules III (1555). Pour les critºres de transcription et des compositions analogues pr¤sentes dans ce mÞme fonds, voir Lastraioli (2000). 11 Le pape Jules III, Giovanni Maria Ciocchi del Monte. 12 Saint Paul. 13 Saint Pierre; afin de pr¤server l’enchanement des rimes, nous corrigeons le ms. o· figurait Pietro.
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– Tu vedrai14 presto, per voler d’Iddio, su la tua sede, dove era gi Monte, un gran prete ch’º sceso da Ruggiero15. – P. Marforio, s’egli º vero, beata Roma ch’uscir di pianti e dalle man di bestie e di furfanti.
Ces constructions dialogiques s’appliquent aux textes anonymes en vers destin¤s Þtre placard¤s, car lorsque les ¤changes entre Marforio et Pasquino se font dans des plaquettes imprim¤es, dont la divulgation du contenu assume des modalit¤s diff¤rentes, la plupart des contraintes dict¤es par l’usage de l’affichage disparaissent et l’argumentation peut se faire de faÅon plus libre, articul¤e et efficace, aussi bien dans des piºces en vers qu’en prose. Dans l’unique exemplaire connu d’un opuscule paru Rome en 1594, Il maraviglioso contrasto fra Pasquino e Marforio,16 figurent deux ¤ptres en octaves d’une centaine de vers chacune, l’une adress¤e par Pasquino Marforio et la r¤ponse de ce dernier au marbre du Parione. R¤dig¤ l’occasion de la restauration de la statue de la divinit¤ fluviale et de son transfert au Capitole, la piºce en question met en exergue la primaut¤ atteinte par Marforio en tant que porte-parole des institutions civiles romaines face un Pasquino qui semble de plus en plus isol¤ et presque muet, en raison de la pression exerc¤e par la censure contre ses ¤crits infamants et ses auteurs f¤tiches; quelques d¤cennies auparavant, le poºte Niccolý Franco finissait ses jours sur le bcher suite la divulgation d’un libelle diffamatoire. Or, dºs 1520 environ, le masque de Pasquino avait ¤t¤ emprunt¤ par les pol¤mistes transalpins, souvent de confession r¤form¤e, et dºs la moiti¤ des ann¤es 1530 la production romaine de pasquinades devient ¤galement suspecte, le plus souvent sans que les textes diffus¤s in loco confortent les craintes de l’Inquisition. Cela conduira les institutions eccl¤siastiques et civiles abolir le concours officiel, poursuivre les auteurs de vers anonymes et interdire l’affichage de brocards satiriques, ce qui relºgue les pasquinades dans l’espace de la clandestinit¤. Cela explique pourquoi, l’¤poque de la r¤daction de Il maraviglioso contrasto, un Marforio d¤finitivement asservi la raison d’Ãtat peut d¤sormais exhiber des protections dont Pasquino ne jouit plus depuis longtemps. Marforio ne fut pas le seul interlocuteur de Pasquino Rome; d’autres statues furent dot¤es d’une voix propre, mais, tout compte fait, bien plus faible de celle de Marforio: madama Lucrezia, l’Abate Luigi, le Facchino, le Babbuino eurent 14 Le vers ¤tant hypermºtre, nous corrigeons vederai par vedrai. 15 Allusion au cardinal Ippolito d’Este. 16 Il maraviglioso contrasto fra Pasqvino, e Marforio. Raccolto in ottaua rima dal Conte Lodouico Bozzatto Padouano, In Roma, Per gl’Heredi di Giouan. Gigliotti, 1594.
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tour tour leurs heures de gloire, mais leur fortune en dehors de l’urbe fut pratiquement nulle par rapport celle de Pasquino et Marforio. Ce c¤lºbre couple revient maintes reprises sous la plume des poºtes et des pol¤mistes transalpins; parmi eux figurent Ulrich von Hutten, l’exil¤ Celio Secondo Curione, FranÅois Rabelais, FranÅois de La Noue et de nombreux anonymes. La plupart des auteurs r¤form¤s tendent radicaliser l’opposition entre Marforio et Pasquino, opposition qui, dans la production romaine de la premiºre moiti¤ du siºcle, est encore toute rh¤torique voire rituelle. Pour les auteurs protestants, Marforio incarne le porte-parole des instances de l’Ãglise romaine, tandis que Pasquino devient l’opposant acharn¤ de cette mÞme ecclesia dont il fut, ses d¤buts, l’une des cr¤atures les plus ch¤ries et soutenues. Cette transformation radicale avait pu avoir lieu grce l’intervention de deux facteurs ext¤rieurs qui ont, en r¤alit¤, peu de caract¤ristiques communes, si ce n’est leur simultan¤it¤: l’apparition d’autres ›pierres parlantes» en dehors de Rome et la transformation de Pasquino en champion de la pol¤mique anti-romaine dans les provinces r¤form¤es et mÞme chez les auteurs gallicans. Depuis les ann¤es 1530, dans plusieurs villes italiennes, d’autres statues anciennes ou modernes retrouvent une voix; elles font l’objet d’affichage de textes satiriques ou alors servent de masques complaisants aux auteurs anonymes voulant diffuser des ¤crits salaces ou pol¤miques. Si les pierres parlantes florentines, tels que l’Hercule et Cacus de Baccio Bandinelli dress¤ Piazza della Signoria, ou son Christ mort avec l’ange, aujourd’hui dans l’¤glise de Santa Croce, donnent lieu des querelles entre les partisans du sculpteur florentin et leurs adversaires – parmi lesquels figurent Benvenuto Cellini et Anton Francesco Grazzini –,17 d’autres marbres assument le rúle interpr¤t¤ par le Pasquino romain, car ils se font l’¤cho des diff¤rends entre les factions citadines. C’est le cas de la statue dite la Bona, ¤rig¤e en 1268 Modºne; Enrico Garavelli a tout r¤cemment ¤dit¤ un ¤change manuscrit entre cette derniºre statue et Pasquino, dans lequel on fait ¤tat d’un conflit juridictionnel concernant la r¤forme des statuts de la ville et de ses conseils.18 R¤dig¤s vraisemblablement par un seul et mÞme auteur, ces textes en prose attestent d’une assimilation des modalit¤s pol¤miques pasquinesche dans un contexte nouveau et tout fait unique, d’autant plus que Pasquino disparat par la suite de la scºne litt¤raire de la ville. La mise en scºne orchestr¤e par l’auteur de Modºne pr¤voyait un d¤bat contradictoire entre partis adverses, et Pasquino fonctionne ici d’interlocuteur n¤cessaire mais subalterne, tandis que Bona joue le premier rúle en tant que pierre parlante porteuse de tous les savoirs.
17 Masi (2006). 18 Garavelli (2006).
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Le dialogue pol¤mique qui s’instaure entre Pasquino et le v¤nitien Gobbo de Rialto [ill. 6 et 7], dialogue qui s’¤tend sur de nombreuses d¤cennies, apparat en revanche plus articul¤ et moins ¤pisodique. Cette sculpture agenouill¤e assez d¤plaisante, situ¤e Venise, en face de l’¤glise de San Giacomo, dans le quartier de Rialto, porte sur ses ¤paules un pupitre utilis¤ pour la lecture des bans de la R¤publique.19 Sa vocation oratoire lui vient donc de la fonction laquelle le Gobbo de Rialto ¤tait officiellement destin¤, fonction dont il a vite ¤t¤ d¤tourn¤ par les railleurs de la ville.20 Quant au nom de la statue, il apparat dºs les ann¤es 1550 dans plusieurs pamphlets, dans lesquels le bossu v¤nitien revendique sa primaut¤ face son homologue romain, chante les innombrables vertus de la S¤r¤nissime ou se prodigue en devinettes.21 En certaines occasions, cependant, Gobbo fait figure d’un Marforio v¤nitien, une sorte d’interlocuteur ¤loign¤ qui s’amuse et amuse le lecteur avec des mots d’esprit et des ¤nigmes, comme dans des Indovinelli imprim¤s dans une plaquette que j’ai retrouv¤e Strasbourg, Di Pasquino & Marforio Consigli & riprensioni de gli vitii del mondo… :22 Indouinelli mandati dal Gobbo di Rialto della citt di Venetia a mastro Pasquino. Hor che tendi questo e il primo.
19 Cette sculpture est attribu¤e Pietro da Salý, un ¤lºve de Sansovino, et fut plac¤e San Giacomo en 1541; voir ce propos Moschetti (1893). 20 Il semble en outre que les voleurs pris sur le fait, une fois fustig¤s tout au long du trajet qui va de San Marco au Rialto, ¤taient oblig¤s d’embrasser la statue du Gobbo. Cet usage dut paratre bien profane et, en 1543, l’on fit ¤riger une croix surmont¤e de la statue de saint Marc sous le porche de San Marco, afin que chaque condamn¤ embrasse la croix la place du marbre de Rialto; voir la Cronaca Barba, Biblioteca Marciana, classe VII, Cod. 66 »Jera costume in Venetia che, quando era terminato un per ladro, over per altro, ad esser frustado da S. Marco a Rialto, li malfatori, come erano in Rialto, andavano a basar il Gobbo di pietra viva che tien la scala che ascende alla colonna delle grida; fu terminado che pi· questi tali non andassero a far tale effetto, et perý fu posto in la colonna sopra il canton, sotto il pergolo grando in Rialto, una pietra con una croce, et uno S. Marco di sopra, aciý li frustadi vadano de cetero a basar la d. +, et fu posta a d
13 marzo 1545« (cf. http://brezza.iuav.unive.it/stratema/sirena/europa/morosini/gobbo.htm). 21 Il s’agit des libelles suivants: Una piacevole lettera del mordace Pasquino Romano al Gobbo di Rialto. Con la pronta risposta del Gobbo a Pasquino, s.l.n.t. [ma Venezia 1555], in–88, r¤imprim¤ ds. Pasquino e dintorni (1990), 191 – 203; Littera, et disfida che manda il mordace Pasquino Romano, al Gobbo di Rialto. Con la pronta risposta del Gobbo a Pasquino. Nuouamente ristampata, in Venetia, in Frezzaria al segno della Regina, 1583, in–88, r¤imprim¤ ds. Lommatsch (1939), 434 – 435. 22 Di Pasquino et Marforio Consigli et riprensioni de gli vitii del mondo, introducendo in ogni loro parlamento, un essempio et nome all’hor comodo, dove per lor cagione ne vengono molti mali, li quali conducono lhuomo o donna a rea morte, cose morali et belle. Con molti Indovinelli mandati dal gobbo de Rialto di Venetia a mastro pasquino arrivati her sera per le poste, s.l.n.d., in–48.
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Tantin, tantuzzo, tanton, e tantaccio Tanto ch’al fin pur tutta ve la caccio. Pasquino la mano nel guante. Metti entro, schizza, e caue fore Senza sentir alcun liquido humore. Pasquino la chiaue (Con riuerentia) qual merda si magna Suaue quanto pomo, ouer castagna. Pasquino il mele Chi vcella me, che sono ne gl’impacci E vcellato, e tirato ne lacci. Pasq. la Ciuetta sopra il zimbello Chi non e Profumier, ne canta in banco E senzo [sic] man fa pallote da banco. Pasq. el scarafaggio Viuo di preda presa alla mia rete Stimo sempre la fame, e mai la sete. Pasquino il Ragno. Qual cosa mai non mangia, e sempre beue E pregna rende il parto che riceue. Pasq. la sponga. Qual cosa scotta, e non e calda lei Et non e ciecho chi vede costei. Pasq. la luce del sole. Nasco di negro padre, e bianca sono Et a le donne son, pur grato dono. Pasq. la Biacca Sto sempre in casa, e son coperta tutta E sempre son bagnata, e non asciuta. Pasq. la lingua23
Naturellement, mÞme Venise la satire anonyme a des origines anciennes, mais partir de 1530, une nouvelle vague de placards railleurs › la maniºre‹ de 23 Afin de rendre plus lisible le texte, nous avons introduit la ponctuation et, parfois, des majuscules.
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Pasquino commencent circuler en ville; Sanudo attribue coup sr cette mar¤e grandissante de feuilles volantes pol¤miques la pr¤sence de Pietro Aretino Venise, et ses soupÅons sont fond¤s.24 La plupart de ces cartelli, encore in¤dits, ¤taient affich¤s un peu partout dans la ville et mÞme gliss¤s dans les »bossoli del maggior Consiglio e molte satire fra essi (taluna anche in versi) spesso violentissimamente o schifosamente laide contro gentildonne e patrizi«.25 Ces placards, g¤n¤ralement manuscrits, furent parfois imprim¤s, mais de leur vie ¤ph¤mºre il ne reste souvent que de faibles traces. Au d¤but du XVIIe siºcle, quand l’Interdetto durcira les rapports d¤j trºs tendus entre la R¤publique de Venise et Rome, le Gobbo deviendra le porte-parole des V¤nitiens dans une s¤rie de pamphlets, rest¤s sous la forme de manuscrits, auxquels fit suite un libelle romain intitul¤ Risposta di maestro Pasquino, cittadino romano, a quanto gli scrive il Gobbo di Rialto, sopra la scommunica publicata contra la Serenissima Republica di Venetia da Papa Paolo V, et le scritture delli cardinali Baronio e Bellarmino.26 Toutefois, le Gobbo de Rialto ne fut pas seulement une voix antagoniste et alternative celle de la cour romaine; l’actualit¤ v¤nitienne offrait parfois des opportunit¤s all¤chantes, et il fallait bien trouver des interlocuteurs sur place. Vers 1578, Marocco delle Pipone, la statue situ¤e aux pieds de la colonne de Saint Th¤odore, dans la piazzetta San Marco, se prÞta volontiers au jeu dans le Dialogo del Gobbo da Rialto a Marocco dalle pipone dalle colonne di s. Marco sopra la cometa alli giorni passati apparsa su nel cielo,27 un ouvrage dans lequel le m¤decin et naturaliste Antonio Glisenti levait pour une fois ses yeux vers le ciel, d¤laissant ses recherches habituelles sur l’irrigation des campagnes et la culture des plaines fertiles de l’arriºre-pays v¤nitien.28 Il ne s’agissait pas l de donner la voix une dispute entre pierres parlantes, mais d’¤tablir un 24 Voir Moschetti (1893), 9 – 10 et cet extrait des Diarii de Marin Sanudo transcrit par Luzio »In questa terra º sta principiato a far cosa che non laudo et che volendo inmitar quello si fa a Roma a Pasquino, in Rialto sopra le colone vien la note posti varij sonetto et capitoli. Prima fu posto contra Pietro Aretino, il qual in versi et prosa dice volentiera mal di signori et altri, et cus
io li vidi li versi et molti li copiorono. Etiam questa matina vid su colone soneti posti in disprecio di alcune cortesane; […]« [29 nov. 1532] (Luzio (1888) 705, note 3). 25 Luzio (1888) 13. 26 S.l.n.t., 1606, in–48. Moschetti signale plusieurs copies d’une satire du Gobbo adress¤e Pasquino, qu’il attribue Paolo Sarpi ou l’un de ses proches (Moschetti (1893), 47 et suiv.). Marucci a publi¤ des pasquinate veneziane du XVIIe siºcle dans Pasquinate del Cinque e Seicento (1988), 309 et suiv., parmi lesquelles figure la Gobbada da Condoianza che fa el Gobbo de Rialto con el Gobbo di Savoia, del tristo successo della guerra fatta a’ Zenovesi, adress¤e Charles Emmanuel Ier (309 – 315). Voir aussi, du mÞme auteur, [Introduzione], ds. Pasquinate romane (1983), 20 – 21. 27 S.l.n.a. (mais 1577). 28 Cf. Risposta di Antonio Glisenti al modo di irrorare le campagne di Verona…, Venetia, s.t.n.d., in–48, et la Replica di Antonio Glisenti in proposito della M. Christoforo Sorte, [Venetia], 1594, in–48.
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dialogue plaisant et l’accºs facile divulguant un savoir scientifique ›haut» sur l’apparition d’une comºte, un ph¤nomºne naturel qui, depuis l’Antiquit¤, ¤tait porteur de superstition et de pr¤sages n¤fastes. Les collºgues transalpins de Pasquino durciront le ton pol¤mique des affrontements entre pierres donnant lieu des p¤tromachies en bonne et due forme. Si c’est Du Bellay que va le m¤rite de l’invention du terme, la guerre des Pierre(s) – dans le sens de querelle entre des personnages d¤nomm¤s Pierre –, avait d¤j vu le jour depuis un bon moment. Du Bellay et ses imitateurs ne feront que transformer ce contraste en une dispute entre statues parlantes. Le d¤nomm¤ Maistre Pierre du Cuignet s’adressant un viator dans la Satyre de Maistre Pierre du Cuignet sur la Petromachie de l’universit¤ de Paris29 n’¤tait rien d’autre que la voix litt¤raire d’un marmot pr¤sent dans plusieurs ¤glises franÅaises et dans quelques r¤sidences priv¤es repr¤sentant un personnage ayant r¤ellement exist¤ deux siºcles auparavant. L’appellation de Cuignet (ou Coingnet, Cugnet, Quignet, Congnet, Cognot)30 nait de la corruption volontaire du nom d’un c¤lºbre avocat du Parlement de Paris, Pierre de Cuigniºres, charg¤ en 1329 par Philippe de Valois de d¤fendre les int¤rÞts royaux contre l’avidit¤ d’un clerg¤ de plus en plus exigent en matiºre d’impúts.31 Son rival d¤sign¤, d¤fendant les pr¤tentions de l’Ãglise, ¤tait un autre Pierre, plus pr¤cis¤ment Pierre Roger, ¤vÞque de Sens, puis pape sous le nom de Cl¤ment VI. Pour se moquer du bon juriste, les religieux d¤cidºrent d’intituler Pierre de Cuigniºres plusieurs statues trapues et grotesques ¤rig¤es dans les ¤glises; en signe de m¤pris, on ¤teignait les bougies de l’office religieux dans les larges narines de ces marmousets.32 Nonobstant l’humiliation quotidienne dont son effigie ¤tait l’objet, matre Cuignet devint un personnage litt¤raire part entiºre, dot¤ d’une r¤elle verve pol¤mique, d’un esprit bizarre et irr¤v¤rencieux, rappelant certains traits du personnage r¤el, dont celui de redoutable d¤fenseur des droits individuels et des citoyens face la hi¤rarchie eccl¤siastique. Avant d’en arriver l, matre Cuignet n’avait ¤t¤ qu’un des nombreux masques comiques et criards de la litt¤rature populaire du d¤but du XVIe siºcle. Georges Dottin a identifi¤ deux chansons mises en musique concernant ce personnage,33 et l’on peut 29 Du Bellay (1983), 236 – 251. 30 Marie-Luce Demonet nous a aimablement signal¤ la variante onomastique Jean du Cognot, attribu¤e un angelot du XVIe siºcle ¤rig¤ l’int¤rieur de la cath¤drale de Sens. 31 Sur ce personnage voir Demonet (2001) et Dottin (1984), 693 – 695. 32 L’histoire du passage du personnage r¤el celui de la statue de Notre-Dame se retrouve aussi chez Du Fail; cf. Du Fail (1874) 242 – 243. La pratique de ›p¤trifier‹ les Þtres humains en signe de moquerie est attest¤e, au tout d¤but du XVIIe, par Pierre de l’Estoile, qui raconte en mars 1600 l’assimilation du pr¤sident Fouchet l’une des statues des Quatre Vents (L’Estoile (1876), 596 – 597). 33 Dottin (1984), 694 – 695.
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consulter un rare libelle intitul¤ Testament et epitaphe de maistre Pierre du Quignet,34 attribu¤ au fantomatique Hans du Galaphe. Le testament en vers, remontant sans doute la fin du XVe siºcle, n’appartient pas la tradition folklorique, mais fait plutút penser la litt¤rature goliardique et fac¤tieuse de la fin du Moyen ffge, peupl¤e de personnages fantastiques et aventureux. L’ancienne guerre entre juristes, Pierre de Cuigniºres, Pierre Roger et Pierre Bertrand, fait surface nouveau, mutatis mutandis, dans la pr¤face du Quart livre de Rabelais dans lequel il est question de la querelle entre Pierre Ramus et Pierre Galland et de la p¤trification de ces personnages sous l’¤gide de matre Pierre du Coingnet et d’un Priapus particuliºrement loquace: O belle memoire, respondit Priapus. Ce venerable pºre Bacchus, lequel voyez cy face cramoisie, avoit pour soy venger des Thebains un Renard f¤e, de mode que quelque mal & dommaige qu’il feist, de beste du monde ne seroit prins ne offens¤ […]. A cestuy exemple ie suis d’opinion que petrifiez ces Chien & renard. La Metamorphose n’est incong[r]ue. Tous deux portent nom de Pierre. Et parce que, scelon le proverbe des Limosins, faire la gueule d’un four sont trois pierres necessaires, vous les associerez maistre Pierre du Coingnet, par vous jadis pour mesmes causez petrifi¤. Et seront, en figure trigone equilaterale, on grand temple de Paris, ou on milieu du Pervis, pos¤es ces trois pierres mortes en office de extaindre avecques le nez, comme au jeu de Fouquet, les chandelles, torches, cierges, bougies, et flambeaux allumez: lesquelles viventes, allumoient couilloniquement le feu de faction, simulte, sectes couillonniques, et partialt¤ entre les ocieux escholiers. A perpetuele memoire, que ces petites philauties couillonniformes plus tost davant vous contempn¤es feurent que condamn¤es, I’ay dict.35
De cette pr¤face, probablement contemporaine de la satire de Du Bellay, ce dernier empruntera la m¤tamorphose des Pierre(s) en marbres et le ton fac¤tieux, tout en refusant clairement le double sens ¤rotique sous-jacent l’entiºre allocution de Priapus, qui joue sur plusieurs pages sur la polys¤mie du mot coingn¤e et l’homophonie de l’objet en question avec le pr¤nom du marbre de Notre-Dame. L’enjeu principal de Du Bellay, en revanche, ¤tait celui de ridiculiser les deux humanistes par la voix de matre Pierre de Cuignet, seul juge attitr¤ pour d¤mÞler la querelle en cours entre Ramus et Galland: lui seul a le pouvoir de trancher, ¤tant pierre parmi les Pierre(s). Des deux adversaires, on soulignera alors le p¤dantisme, l’arrogance et une rigueur exag¤r¤e, pendant que l’Universit¤ de Paris, laissee la mercy de l’onde n’arrive mÞme pas ¤lire son 34 [Hans du Galaphe], Le testament et epitaphe de Maistre pierre du quignet, s.l.n.d. in–48. 35 Rabelais (1994), 893 et suiv. Sur cette querelle et la red¤couverte de Pierre de Cuigniºres chez Rabelais et Du Bellay voir Saulnier (1960). Saulnier a aussi remarqu¤ comme, en 1551, le nom de Cuigniºres figurait dans le Commentarius ad edictum Henrici secundi contra parvas datas et abusus curiae romanae de Charles de Moulin (ibid., 396).
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recteur. Cuignet devient ainsi la voix des Parisiens, leur Salomon, comme Pasquino l’¤tait pour les Romains. Comme ce dernier, le marbre de Notre-Dame est immortel, ou mieux, non-mortel et du feu des pol¤miques il tire sa force la maniºre d’une salamandre. La comparaison avec son homologue romain arrive jusqu’ l’¤vocation de la c¤lºbre anecdote des grenouilles: Et si on vouloit d’adventure m’ensevelir en l’eau profonde, c’est le plaisir ou je me fonde: car j’ay la nature criarde d’une grenouille babillarde.36
Racont¤ par Giovio, puis adapt¤ par le Tasse, cette anecdote fait ¤tat de l’intention du pape Hadrien VI de jeter la statue de Pasquino dans le Tibre, dans l’espoir de r¤duire jamais le flot de tracts contre sa personne. Le projet resta sans suite, car on expliqua au pontife que le marbre, mÞme des profondeurs du Tibre, aurait continu¤ bavarder comme une grenouille. L’influence du mat¤riel romain sur la piºce de Du Bellay est aussi perceptible dans l’¤vocation directe de Pasquino dans les vers qui suivent: Et si pour ma voix estoupper, la langue on me vouloit coupper, voire tout le corps membre membre, je ne crains point qu’on me desmembre: car je suis comme vif argent, a me resouder diligent.37
Les sources de ce passage sont vraisemblablement multiples, mais il est fort probable que Du Bellay se soit inspir¤ du sonnet figurant sur la version non censur¤e de la gravure de B¤atrizet. Nous transcrivons ici les quelques vers qui nous int¤ressent: La mia persona º fatta in tal maniera Per i colpi c’hor questo or quel in [sic] accocca Per ch’io dico i lor falli a buona cera. Ma infin ch’io ha l’usata lingua in bocca Non ne fo stima, anchor che ’l resto pera & sempre cantaro, Zara a chi tocca. 36 Du Bellay (1983), 248, vv. 269 – 273. 37 Ibid., 248 – 249, vv. 274 – 278.
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Finalement, Du Bellay choisit un secr¤taire pour son personnage, la statue du Jeuneur, le ›grand’ Idole‹ ¤rig¤ Paris, en face de l’Hútel Dieu. ÷ la diff¤rence de Marforio, ce personnage ne devait pas Þtre trºs loquace, ni chez Du Bellay, ni chez ses contemporains, et il faudra attendre le Cath¤chisme des J¤suites (1602) d’Ãtienne Pasquier, pour qu’il puisse retrouver une faible voix. Quelques ann¤es plus tard, et plus pr¤cis¤ment en 1561, Pierre de Cuigniºres est nouveau ressuscit¤, sous le nom de Cogniºres, dans une plaquette r¤form¤e publi¤e deux fois sous le titre Le Pasquil de la Cour, compos¤ nouvellement par Maistre Pierre de Cogniºres ressuscit¤, jadis advocat en la Cour de Parlement Paris…38 Le titre ¤tablit de faÅon d¤finitive la fusion de la satire romaine avec la tradition po¤tique franÅaise, tout en restituant au personnage litt¤raire son vrai nom et sa fonction publique. Pierre de Cuigniºres, en somme, exprime ses r¤primandes contre les grands non pas dans une harangue, mais dans un pasquil compos¤ d’une s¤rie de quatrains commentant des versets de la Bible; chaque verset est pr¤c¤d¤ d’un titre indiquant un personnage politique auquel se r¤fºre l’invective contenue dans la strophe qui suit: LE PASQVIL DE LA Cour.39
[A2r8]
Au Roy de France, Charles de Valois. IX, Quis putas puer iste erit? Qui penses-tu, noble peuple de France, Qui mettra fin ton deuil (et) souffrance? Ce sera Charles ton ieune Roy (et) tendre, Si Dieu luy fait sa volunt¤ entendre. A Anthoine de Bourbo(n), Roy de Navarre. Accingere gladio tuo super femur tuum potentissime. Reprens courage attendu ta hautesse Et rends confus tes ennemys sans cause
38 Voici la princeps: Le Pasquil de la Cour, compos¤ nouvellement par Maistre Pierre de Cogniºres ressuscit¤, jadis advocat en la Cour de Parlement Paris. Imprim¤ nouvellement, s.l.n.t., 1561, in–88 [BnF, Lb.33 – 16]. Voir aussi la deuxiºme ¤dition, reli¤e l’int¤rieur du ms. BnF N.A.F. 7719, ff.67r8–75v8 (Le Pasquil de la Cour compos¤ nouvellement par Maistre Pierre de Cognieres resuscit¤. Iadis advocat en la Cour de parlement Paris. Avec la generation du desolateur Antechrist, filz du diable. Plus un Echo, sur la vie abominable dudit Antechrist, & de ses supposts, A Paris, s.l., 1561, in–88). Le Pasquil de la cour… figure aussi dans le M¤moire de Cond¤ (1740), 657 – 660. Une version ms. de ce pasquin, mais mutil¤e de deux quatrains, figure dans le ms. Dupuy 736, (ff. 171r8–172v8). Sur cet ouvrage, voir Lenient (1866), vol. I, 305 et suiv. (cet auteur attribue l’ouvrage un ¤crivain de l’entourage de Jeanne d’Albret); Pineaux (1971), 136 – 137; Piron (1978), 49. 39 Le Pasquil de la cour (1561).
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Et le centein, pour le darteux ne laisse, Que tost n’auienne ce qu’¤crire ie n’ose. Au Prince de Cond¤. Ubi sunt qui te accusabant? Ou sont allez tous tes accusateurs, De ton bon zele, faux calomniateurs? Le tout-puissant leur a rompu les cornes Suy donq le droit (et) ne passe les bornes. […]
L’inspiration huguenote de ce texte ne fait aucun doute. Comme cela arrive souvent dans ce genre de pasquins, l’auteur du libelle, aprºs s’Þtre adress¤ aux grands de la cour, s’en prend directement ses ennemis. Tous les membres de la famille de Guise sont attaqu¤s les uns aprºs les autres; on leur oppose la dynastie des Bourbons et l’on invite les nobles et les pr¤lats suppos¤s Þtre favorables la cause r¤form¤e (Montmorency et le cardinal de Chtillon) prendre publiquement parti. Grce la r¤¤laboration op¤r¤e par les r¤form¤s, Pierre de Cuigniºres devient de moins en moins le tuteur de la cause royale et apparat comme le porte-drapeau de la r¤sistance au pouvoir romain; il perd toutefois sa consistance min¤rale, car dans ce texte il n’est jamais question de son effigie de pierre et il sert seulement de masque garantissant l’anonymat; il est aussi priv¤ d’une autonomie discursive et d’une caract¤risation particuliºre. Quelques ann¤es plus tard, en 1569, l’avocat de Cuigniºres laisse nouveau la place au marmouset de Notre-Dame. L’opuscule intitul¤ Copie d’une des lettres de M. Pierre Du Quignet, Marguillier perpetuel de l’Eglise Nostredame de Paris, envoyee l’esprit du Seigneur Marforio, Gentilhomme Romain estant de present la suite de la Cour du Reverendissime et Illustrissime Cardinal de Lorraine40 sort, encore une fois, des presses d’un imprimeur protestant demeurant depuis quelques mois la Rochelle, Nicolas Berton.41 L’ouvrage contient en r¤alit¤ deux textes distincts: la lettre de Du Quignet Marforio et les Articles extraicts des aduis & iugemens que rendent les gens de bien de ce Royaume; ces deux compositions sont assez ¤loign¤es, d’un point de vue formel, des libelles en prose de type pasquinesco, mÞme si certaines concidences extratextuelles se rapportent cette tradition, surtout pour la premiºre composition. Une fois retrouv¤es 40 Pierre Du Quignet, Copie d’une des lettres de M. Pierre Du Quignet, Marguillier perpetuel de l’Eglise Nostredame de Paris, envoyee l’esprit du Seigneur Marforio, Gentil home Romain estant de present la suite de la Cour du Reverendissime et Illustrissime Cardinal de Lorraine […], s.l.n.t., 1569, in–88. 41 Sur l’attribution de ce libelle sans notes typographiques Nicolas Berton, voir Droz (1960), 94.
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les formes grotesques du marbre parisien, Pierre Du Quignet ne perd pas son caractºre de d¤fenseur loquace des droits de la noblesse franÅaise et r¤form¤e vis--vis de l’Ãglise romaine, mais choisit un destinataire moins virulent que Pasquino, dont la fonction pol¤mique ¤tait trop proche de la sienne. Pour une fois, il ne s’agit pas de s’en prendre son interlocuteur, car le libelle n’est qu’une attaque inconditionnelle contre le cardinal de Lorraine et sa politique d’ing¤rence dans les affaires politiques franÅaises. Sous les habits de Marforio se cache en effet un personnage qui remplit la fonction d’un interm¤diaire, car bien qu’appartenant au camp adverse, il serait int¤ress¤ par une solution politique de la guerre opposant les deux parties dans le sud-ouest du royaume. Ayant d¤j consacr¤ une ¤tude ce texte,42 je n’y reviens pas dans le d¤tail si ce n’est pour rappeler un point qui me semble important pour ce qui concerne la dynamique de la dispute anonyme ou sous pseudonyme. Eug¤nie Droz avait reconnu dans le capitaine protestant FranÅois de La Noue l’auteur du premier des deux textes recueillis dans cet opuscule, l’associant de facto Pierre du Quignet; pour ma part, j’avais identifi¤ dans le chef de guerre catholique Filippo Strozzi le personnage se cachant sous le nom de Marforio. La lettre de Pierre du Quignet date en effet du 22 mars 1569; Strozzi se trouvait alors dans le Limousin, en tant que chef de l’infanterie royale. Les deux adversaires avaient subi des pertes consid¤rables et l’argent commenÅait manquer de part et d’autre ; une pacification rapide aurait ¤pargn¤ la vie des survivants de la bataille de Jarnac et ¤vit¤ les siºges des citadelles protestantes. Dans ce contexte, une solution politique du conflit pouvait convenir aussi bien aux catholiques qu’aux r¤form¤s. L’¤change de lettres entre les deux camps – supposer qu’il en ait bien eu un – assumerait donc un sens nouveau et Pierre du Quignet serait alors l’acteur non pas d’une p¤tromachie mais plutút d’une p¤trologie visant ›tter le terrain‹ en pr¤vision d’une solution pacifique du conflit. Un demi-siºcle plus tard, nous retrouvons le marmouset de Notre-Dame et la divinit¤ fluviale dans Le cath¤chisme des J¤suites d’Ãtienne Pasquier (1602).43 Deux autres pierres parlantes leur tiennent compagnie: l’une est le »grand et venerable Pasquin de Rome«,44 l’autre est le ›secr¤taire‹ de Quignet, d¤j mentionn¤ par Du Bellay, »qui pour avoir vou¤ une perpetuelle mendicit¤, s’est de toute anciennet¤ log¤ devant l’hostel-Dieu de Paris, et qui pour l’estrange austerit¤ de sa vie est appel¤ le Jeusneur«.45 Ces quatre pierres composent le tribunal cens¤ statuer sur la pyramide des J¤suites. Les statues romaines et parisiennes, d¤sormais du mÞme cút¤, sont appel¤es juger une autre pierre, le 42 Lastraioli (2002). 43 E. Pasquier, Cat¤chisme des J¤suites ou Examen de leur doctrine, Villefranche, Guillaume Grenier, 1602, in–88. 44 Pasquier (1982), 391 – 392. 45 Ibid., 408.
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symbole mÞme de l’ostracisme envers les membres de la Compagnie de J¤sus. Plusieurs d¤cennies aprºs le procºs intent¤ par l’universit¤ de Paris contre les J¤suites (1565), auquel Pasquier participa en tant qu’avocat de la Sorbonne, l’auteur met en scºne un nouveau procºs contre ces mÞmes religieux.46 Bien qu’ l’allure parodique, ce procºs litt¤raire n’est qu’un moyen pour reprendre l’ancienne querelle et avoir raison, une fois pour toutes, des J¤suites. Adoptant le mÞme proc¤d¤ symbolique que Du Bellay, Pasquier p¤trifie ses adversaires et – en bon juriste – les soumet l’autorit¤ de leurs semblables. La harangue de Pierre de Congnet Pasquin le montre clairement: Vostre Excellence, le Seigneur Morforio, le venerable Jeusneur et moy, sommes pierres, la Pyramide est une pierre, et les Jesuites mesmes voulants estre restablis, comme innocens, sont indubitements fols et innocents, ou pour mieux dire, vrayes pierres: quoy que soit, ils n’ont non plus de sens que de pierres, insistans la retractation de l’arrest contr’eux donn¤.47
L’assimilation du rúle de Pierre du Cuignet celui de Pasquino est, cette ¤poque, chose faite et les deux personnages litt¤raires finissent ainsi par ¤changer leurs traits.48 Pierre de Congnet s’en prend violemment ses adversaires, pendant que Pasquin, d’un calme s¤raphique, le rappelle une contenance plus adapt¤e son rúle.49 Louis Richeome se chargera de la r¤ponse des J¤suites dans l’ouvrage La Chasse du renard Pasquin, descouvert et pris en sa tanniºre du libelle d¤ffamatoire faux-marqu¤ le Cath¤chisme des Jesuites, par le sieur Foelix de La Grace, gentil-homme FranÅois […].50 La r¤futation des accusations de Pasquier se fait grce au d¤voilement de l’escroquerie op¤r¤e par ce dernier au d¤triment du lecteur, car le Pasquin animant le procºs contre la pyramide a peu voir avec son homologue romain. Le d¤saveu de l’usurpateur du vrai Pasquino est 46 Sur le d¤bat qui opposa les Gallicans et les J¤suites et sur le rúle de Pasquier dans cette querelle, voir Fumaroli (1994), 233 – 242. 47 Pasquier (1982), 409. 48 Voir ce propos l’allusion aux deux personnages satiriques dans l’pre raillerie des »gardes dismes« de Sonnet de Courval (1923), 152 – 153: Qu’il remarque, subtil, sans horologe et sans cloches, Au carillons des plats, des poesles et des broches, Quelle heure il est du jour : il sera trop sÅavant Pour un custodinos, un marmoufle gourmant, Un bossu jacquemard et estallon d’abbaye, Un faquin de tournoy, un cass¤ morte-paye, Un Pierre du Coignet, insens¤ marmouset, Insensible pasquin, idolle de creuset. 49 »Tout beau, maistre Pierre, tout beau. Petits gens, comme vous, sont ordinairement coleres. Souvenez vous que n’estes pas Advocat en cette cause, mais juge«, Pasquier (1982), 409. 50 Villefranche. H. Le Pelletier, 1602, in–88.
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explicite dans la Copie de la plaisante lettre de Pasquin Seigneur Romain, contenant des adueux de ce que Pasquin bouffon Parisien luy auoit impos¤, se targuant de son autorit¤,51 une missive envoy¤e Du Congnet et au Jeusneur, qui pr¤cºde de peu le procºs et la condamnation de Pasquier, rendue par un th¤ologien partisan des J¤suites. Ce Pasquin pro-j¤suite est probablement un cas isol¤ et quelques ann¤es plus tard, en Italie, le vrai Pasquino s’en prendra de nouveau la Compagnie de J¤sus dans une plaquette concernant l’Interdetto et les rapports entre Ãtat et Ãglise Venise.52 Quoi qu’il en soit, Pasquier semble avoir ajout¤ un nouveau caractºre matre Pierre, celui d’ennemi jur¤ des J¤suites. Quant la transformation ult¤rieure de Pasquino en chef de file des pol¤mistes gallicans et protestants, elle sera plusieurs reprises mise en cause par les J¤suites qui essaient de ressusciter l’ancienne fonction curiale de Pasquino, en radicalisant l’opposition entre ce dernier et matre Du Congnet, d¤sormais perÅu comme le chef de file du parti adverse. Si le concile des pierres mis en scºne par Pasquier dans son procºs burlesque sera vite dissous, tous ces personnages rentreront de nouveau dans l’agone, retrouvant les chemins qui mºnent au conflit, la confrontation farouche et sans merci ou, en un mot, la p¤tromachie. Leurs voix r¤sonnent encore tout au long du XVIIe siºcle, bien que de faÅon moins retentissante; on d¤signera alors les ¤crits de propagande anonymes (qu’ils soient en vers ou en prose) non pas comme des ›pasquins‹, mais plutút des ›mazarinades‹, d¤plaÅant l’attention du lecteur sur la cible de la pol¤mique – l’ineffable cardinal italien –, plutút que sur les masques litt¤raires permettant le libre d¤ploiement de l’¤change dialogique le plus ac¤r¤ et f¤roce qui soit.
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estant de present la suite de la Cour du Reverendissime et Illustrissime Cardinal de Lorraine […], s.l.n.t., 1569, in–88. Di Pasquino et Marforio Consigli et riprensioni de gli vitii del mondo, introducendo in ogni loro parlamento, un essempio et nome all’hor comodo, dove per lor cagione ne vengono molti mali, li quali conducono lhuomo o donna a rea morte, cose morali et belle. Con molti Indovinelli mandati dal gobbo de Rialto di Venetia a mastro pasquino arrivati her sera per le poste, s.l.n.d., in–48. Dialogo del Gobbo da Rialto a Marocco dalle pipone dalle colonne di s. Marco sopra la cometa alli giorni passati apparsa su nel cielo. Di M. Antonio Glisente bresciano, s.l.n.t. [vers 1577], in–48. Droz E., Barth¤lemy Berton 1563 – 1573, Genºve 1960. Du Bellay J., »Satyre de Maistre Pierre du Cuignet sur la Petromachie de l’universit¤ de Paris«, in: id., Œuvres po¤tiques, t. V, ed. H. Chamard, Paris 1983, 236 – 251. Du Fail N., Oeuvres fac¤tieuses …, ed. J. Ass¤zat, t. I, Paris 1874. Glisenti A., Replica di Antonio Glisenti in proposito della M. Christoforo Sorte, [Venetia], s.t., 1594, in–48. Glisenti A., Risposta di Antonio Glisenti al modo di irrorare le campagne di Verona…, Venetia, s.t.n.d., in–48. [Hans du Galaphe], Le testament et epitaphe de Maistre pierre du Quignet, s.l.n.d., in–48. L’Estoile P. de, Journal du rºgne de Henri IV, edd. Brunet et alii, t. VI, Paris 1876. Le Pasquil de la Cour, compos¤ nouvellement par Maistre Pierre de Cogniºres ressuscit¤, jadis advocat en la Cour de Parlement Paris. Imprim¤ nouvellement, s.l.n.t., 1561, in–88. Le Pasquil de la Cour compos¤ nouvellement par Maistre Pierre de Cognieres resuscit¤. Iadis advocat en la Cour de parlement Paris. Avec la generation du desolateur Antechrist, filz du diable. Plus un Echo, sur la vie abominable dudit Antechrist, & de ses supposts, A Paris, s.l., 1561, in–88. Littera, et disfida che manda il mordace Pasquino Romano, al Gobbo di Rialto. Con la pronta risposta del Gobbo a Pasquino. Nuouamente ristampata, in Venetia, in Frezzaria al segno della Regina, 1583, in–88. M¤moire de Cond¤, ou Recueil pour servir l’Histoire de France…, nouvelle ¤d., t. II, Amsterdam, aux d¤pens de la Compagnie, 1740. Pasquier E., Cat¤chisme des J¤suites ou Examen de leur doctrine, Villefranche 1602, in–88. Pasquier E., Cat¤chisme des J¤suites (1602), ed. C. Sutto 1982. Pasquinate del Cinque e Seicento, ed. V. Marucci, Roma 1988. Pasquinate romane del Cinquecento, edd. V. Marucci / A. Marzo / A. Romano, Roma 1983, 2 vol. Pasquino e dintorni. Testi pasquineschi del Cinquecento, ed. A. Marzo, Roma 1990. Rabelais F., »Quart Livre«, in: Les cinq livres, Paris 1994. Rendina C., Pasquino statua parlante. Quattro secoli di pasquinate, Roma 1991. Richeome L., La Chasse du renard Pasquin, descouvert et pris en sa tanniºre du libelle d¤ffamatoire faux-marqu¤ le Cath¤chisme des Jesuites, par le sieur Foelix de La Grace, gentil-homme FranÅois, Villefranche. H. Le Pelletier, 1602, in–88. Risposta di Maestro Pasquino cittadino Romano a quanto gli scrive il Gobbo di Rialto: Sopra la scommunica publicata contra la serenissima republica di Venetia da Papa, Paolo V. et le scritture delli Cardinali Baronio e Bellarmino, s.l.n.e., 1606, in–48.
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Michael Bernsen
Die Kunst des Streitens. Cl¤ment Marots Bittbriefe an FranÅois Ier
Die Frühe Neuzeit ist die Geburtsstunde des modernen Autors. Mit Petrarca entsteht ein neuer Typ des Autors, der als Dichter, Schriftsteller und Publizist gleichermaßen in Erscheinung tritt. Er spürt Handschriften der Antike auf, tritt als Schreiber eigener und fremder Manuskripte in Erscheinung und entwickelt sogar eine eigene Schrift. Dieser Autor hat die Welt vertikal geordneter Strukturen hinter sich gelassen und stellt seine Lyrik ins Zeichen des pensare, der freien Gedankenbewegung.1 Es ist nicht verwunderlich, dass die Epoche der Entstehung eines derart modernen Autortyps, für den der Begriff auctor in gleichem Maße ›Urheberschaft‹ wie ›Anlehnung an Autorität‹ bedeutet, Zeichen eines besonderen Schutzes und einer besonderen Förderung der Schriftsteller hervorbringt. Die Epoche der Frühen Neuzeit ist die Hochzeit der Widmungsbriefe und der Bittbriefe, der ¤ptres d¤dicatoires und der lettres de requÞtes, mit denen sich die Schriftsteller der Gunst freigebiger Gönner zu versichern trachten. Die Wiederbelebung der schon in der Antike gepflegten Sitte, Schriften einem Gönner zuzueignen oder die Großen in Bittschreiben um Unterstützung anzugehen, hat bis in die Zeit der Regentschaft Ludwigs des XIV. ihren Höhepunkt. Eingedämmt durch das flächendeckende System staatlicher Pensionen und Zahlungen, das Richelieu als Steuerungsinstrument des aufkommenden absolutistischen Staates aufbaut, verlieren die Buchwidmung und der Bittbrief dann nach und nach ihre Bedeutung, bevor die Aufklärung darin ein Zeichen schriftstellerischer Unmündigkeit sieht. In der grundlegenden Monographie zum Widmungsbrief in der französischen Literatur behandelt Wolfgang Leiner in beeindruckender Weise nahezu alle Formen, Formeln, Anlässe und Funktionen der Gattung in der Zeit zwischen 1580 und 1715.2 Leiner geht jedoch einer Frage überhaupt nicht nach: Kann man einen Widmungsbrief dazu nutzen, mit dem Gönner über grundlegende poli1 Vgl. zur Bedeutung Petrarcas als ersten modernen Autors Stierle (1998), 9 – 45. 2 Vgl. Leiner (1965), 20 – 26.
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tische, religiöse und weltanschauliche Probleme zu streiten, und sich gleichzeitig seiner Gunst versichern? Um wie viel mehr gilt dies für die Gattung des literarischen Bittbriefes? Wie kann ich dem Mäzen, an den ich mich wende, mit Positionen behelligen, die seinen eigenen zuwider laufen, und dennoch Zuwendungen von ihm bekommen? Und das, wo der literarische Brief aufgrund der spezifischen Kommunikationssituation bei Hofe sich zudem noch an ein größeres Publikum wendet und damit einen ausgesprochen performativen Charakter hat. Die Verzweiflung der Autoren angesichts solcher nahezu unüberbrückbarer Widersprüche entlädt sich immer wieder. Ein berühmter Fall ist Pietro Aretinos Widmung seiner Hetärengespräche, die 1548 erschienenen Ragionamenti, an seinen Affen Mona. Dieser sehe aus, so heißt es, wie die Mäzene der Zeit. Wie Mona zerfetzen diese Großkotze nicht nur die Bücher, die ihnen gewidmet sind, sondern sie putzen sich – so Aretino auch mit den Blättern den – fast hätte ich das Wort ausgesprochen […].3 Nun hat Aretino offenbar nicht die Absicht gehabt, eine Zuwendung von wem auch immer einzutreiben. Das Kunststück, mit dem Gönner zu streiten und nachweislich gleichwohl dafür immer wieder eine Zuwendung zu erlangen, hat allerdings Cl¤ment Marot fertig gebracht. Dessen häufig als lettre de requÞte angelegten Versepisteln an den französischen König FranÅois Ier spielen zudem bei der Auseinandersetzung zwischen Protestanten und Katholiken im öffentlichen Raum der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine erhebliche Rolle. Mit welchen persuasiven Strategien Marot dabei zu Werke geht, lässt sich an einigen dieser Briefe sehr schön zeigen. Cl¤ment Marot wurde 1496 als Sohn des Dichters Jean Marot in Cahors, in Südwestfrankreich, geboren. Sein Vater war Sekretär von Königin Anne de Bretagne, später dann Kammerdiener der französischen Könige Ludwig XII. und FranÅois Ier. Zusammen mit seinem ebenfalls als Historiographe du Roi tätigen Kollegen Jean Lemaire de Belges steht er stellvertretend für die Dichtung der Grands Rh¤toriqueurs, die historische und moralische Sujets unter Rückgriff auf mythologische Erzählungen und allegorische Darstellungen didaktisch aufbereitet haben. Ab 1511 beginnt Cl¤ment Marot schriftstellerisch tätig zu werden und tritt zudem als Übersetzer antiker Texte von Vergil und Lukian in Erscheinung. Zunächst wird er von der älteren Schwester des französischen Königs FranÅois Ier, Marguerite d’AngoulÞme, nach ihrer Hochzeit mit Henri d’Albret Marguerite de Navarre und Verfasserin des Novellenzyklus L’Heptam¤ron (geschr. 1542; posthum 1559), gefördert. Alsdann tritt er die Nachfolge seines Vaters als Kammerdiener beim französischen König an. Ab 1526 wird Marot mehrfach des luth¤risme verdächtigt und inhaftiert, bevor er 1534 ins Exil nach Ferrara und durch den Druck der Inquisition nach Venedig flieht. 3 Aretino (1967), 192: […] i gran Maestri non pure squarciano le cose che se gli indirizzano, ma se ne forbiscono poco meno ch’io non te lo dissi […]
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Im Rahmen einer Amnestie kehrt er 1537 nach Frankreich zurück und schwört öffentlich den protestantischen Ansichten ab. Cl¤ment Marot wird von der Literaturgeschichte als Dichter des höfischen ¤l¤gant badinage geführt. Seit diesem Diktum Boileaus aus dem Art po¤tique gilt er als Vertreter des Spielerisch-Scherzhaften.4 Laut Sainte-Beuve im 19. und nach ihm Leo Spitzer im 20. Jahrhundert kommt ihm das Verdienst zu, die Plauderei (la causerie facile)5 in die Literatur eingeführt zu haben. Natürlichkeit, Charme, Grazie, Zwanglosigkeit und Naivität gelten als Charakteristika des eigens nach dem Dichter benannten style marotique.6 Der unsystematische Charakter dieses Stils erstreckt sich selbst, wie Wolfgang Preisendanz kürzlich gezeigt hat, auf die von concinnitas und brevitas geprägte Gattung des Epigramms.7 Erst seit den Arbeiten von G¤rard Defaux in den 1990er Jahren rückt immer stärker die Erkenntnis in den Mittelpunkt, dass die Dichtung Marots zwei gleichgewichtige Seiten hat, dass nämlich sein höfischer badinage in enger Verbindung mit seinem Evangelismus steht.8 Für die Kunst des Streitens in der Renaissance ist dieser Autor von besonderem Interesse. Die causerie facile, der badinage und die Ästhetik der diversit¤ stehen in der Hochphase der aristokratisch-höfischen Gesellschaft des 16. und des 17. Jahrhunderts häufig im Zeichen des Widerstandes gegen die normativen Ansprüche des sich zum Zentralismus hin entwickelnden Staates.9 In der Regelfreiheit des Unernst-Unverbindlichen der causerie facile spiegeln sich die Auffassungen einer Aristokratie, welche sich den politischen und weltanschaulichen Unterwerfungsmechanismen des Absolutismus sowie seinen ästhetischen Ordnungsbestrebungen widersetzt.10 Die Einordnung des Autors Marot durch die Literaturgeschichte als Vertreter des badinage zeigt, dass sich mit dem Wechsel von der Dichtergeneration der Grands Rh¤toriqueurs hin zur g¤n¤ration Marot der Akzent innerhalb der Horazischen Dichtungskoordinaten von prodesse et delectare stark auf die Seite des Vergnügens verlagert. Erst diese Verlagerung auf das Scherzhaft-Spielerische macht es möglich, im Bittbrief mit dem Gönner zu streiten und ihm hoch kritische Positionen nahe zu bringen. Erst die primäre Befriedigung der höfischen Sucht nach dem divertissement eröffnet
4 Art po¤tique I, v. 96. 5 Vgl. Spitzer (1961), 42. 6 Vgl. Preisendanz (1987), 279 f. Zu den Ursprüngen der Bezeichnung ,marotique‘ bei Antoine Furetiºre im 17. Jahrhundert vgl. Landy-Houillon (1997), 134. 7 Preisendanz (1987), 279 f. 8 Vgl. vor allem die von Defaux besorgte Ausgabe von Marot (1993 – 1996), nach der im Folgenden zitiert wird. Vgl. auch Defaux (1996) sowie Defaux (1997) und Defaux (1997a). 9 Vgl. Nies (1972). 10 So Fritz Nies in seiner Arbeit über die Briefe der Mme de S¤vign¤ (Nies (1972), bes. 80). Vgl. auch Rousset (1965), 19 f.
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die Möglichkeit, mit dem Herrscher über die wahren Verhältnisse des Landes zu streiten. Eine Versepistel Marots, in der es um ein typisches Anliegen der lettre de requÞte, die Bitte um Geld, geht, zeigt dies auf eine besonders anschauliche Weise. In der gemeinhin unter dem Namen Eptre au Roy, pour avoir ¤t¤ d¤rob¤ von 1532 bekannten Epistel erklärt der Dichter dem König im exordium [V. 1 – 7], dass er mehrere Schicksalsschläge erlitten habe. Die propositio beginnt mit der Erzählung des ersten Falls [V. 8 – 48]: Cl¤ment ist, als er eines morgens seinen Rausch ausschlief, von seinem gaskognischen Diener um Pferd, Bekleidung sowie eine Geldsumme gebracht worden, die ihm der König kurz zuvor angewiesen hatte. In der narratio des zweiten Schicksalsschlages [V. 49 – 78] berichtet der Dichter von einer schweren Erkrankung, die ihn nach dem Diebstahl seines Hab und Guts heimgesucht und ihn finanziell endgültig ruiniert habe. Die argumentatio [V. 79 – 119] fordert alsdann den König auf, dem Dichter das dringend benötigte Geld zu leihen. Der Brief schließt mit einer peroratio [V. 119 – 130], in der Cl¤ment den König preist. Der Unterhaltungswert dieses Briefes ist allein dadurch gesichert, dass die einzelnen Motive einen hohen Wiedererkennungseffekt für sich verbürgen können. Die Vorstellung vom aufgrund seiner Krankheit mittellosen Dichter findet sich bereits in der berühmten, nach 1261 abgefassten Complainte Rutebeuf, einem Bittschreiben an den Grafen von Poitiers,11 und ist seitdem geradezu topisch. In der Lyrik von Eustache Deschamps aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die besonders viele Bittgedichte enthält, gibt es gleich mehrere Balladen über die Diener, die ihren Herrn Geld und Pferde stehlen.12 Besonders einschlägig ist jedoch FranÅois Villons RequÞte Monseigneur de Bourbon aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, der Marot nicht nur die Reimwörter assault und sault [V. 51 – 52] entnimmt, sondern auch die Vorstellung, der König möge dem Dichter Geld borgen, aber selbstverständlich ohne Zins (v. 98 – 99): Je vous feray une belle Cedulle, / A vous payer (sans usure il s’entend) […].13 Letztlich spielt die Epistel alle zur Verfügung stehenden farcehaften Klischees aus, wenn es z. B. heißt: J’avais ung jour un Valet de Gascogne […] (v. 8), wobei die Herkunft des Dieners von vornherein nichts Gutes erwarten lässt, da man den Bewohnern der Gascogne eine sprichwörtliche Verschlagenheit nachsagt.14 11 Car j’ai geü / Trois mois que nului n’ai veü. (Abgedruckt in: Pauphilet (1952), 931 [V. 94 f.]). Dort auch die sprichwörtliche Redensart: Li mal ne sevent seul venir […] (v. 107), derer sich auch Marot zu Beginn der Eptre au Roy bedient. 12 Vgl. z. B. die Ballade DCCCLXXXVII in Deschamps (1877), 72 f. Vgl. auch Scollen-Jimack (1988), bes. 26 – 29. 13 In: Villon (1923), I 278 (v. 36 und v. 39). Vgl. auch 276 f. (v. 6 und v. 9). 14 Marots Epistel ruft unter anderem ein zeitgenössisches Gedicht hervor, dessen Verfasser sich über diese Beleidigung der Gaskogner beschwert (vgl. dazu Becker (1926), 269).
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Der unterhaltsamen Seite der Epistel steht jedoch eine ganz und gar streitbare gegenüber. Besonders auffällig ist die peroratio des Bittbriefs, die an Impertinenz kaum zu überbieten ist. Cl¤ment hat sein Anliegen, die Bitte um Geld, dem König vorgetragen und schließt mit den Worten: Voil le poinct principal de ma Lettre. / Vous sÅavez tout, il n’y fault plus rien mettre (v. 119 – 120) Es fehlt aber offenbar doch noch etwas, das der Sprecher im Eifer des Gefechts beinahe vergessen hätte, nämlich die Huldigung des Herrschers, die Cl¤ment nun unter Aufbietung aller rhetorischen Mittel nachholt: Rien mettre, las! Certes, & si feray, En ce faisant, mon stile j’enfleray, Disant, û Roy amoureux des neuf Muses, Roy, en qui sont leurs sciences infuses, Roy, plus que Mars, d’honneur environn¤, Roy, le plus Roy, qui fut oncq couronn¤, Dieu tout puissant te doint (pour t’estrener) Les quatre coings du Monde gouverner, Tant pour le bien de la ronde Machine, Que pour aultant, que sur tous en es digne.
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Der Hinweis in v. 122 auf den Stil dieser peroratio, der durch die rhetorischen Verfahren geradezu aufgebläht werde, zeigt, dass es Marot mit dieser Art der Panegyrik nicht allzu ernst ist. Dass er insbesondere den von der klassischen Mythologie durchtränkten Stil der Rh¤toriqueurs parodiert,15 den auch sein Vater praktizierte, ist an der satirischen Spitze in v. 125 erkennbar, in dem FranÅois Ier mehr Ehre als dem Kriegsgott Mars zugeschrieben wird. Bekanntlich ist FranÅois Ier in Wirklichkeit in seinen Bemühungen um die universelle Herrschaft durch die Wahl des Habsburgers Karls V. zum Kaiser im Jahre 1519 gescheitert. 1525 wird er in der Schlacht von Pavia gefangengenommen und von Karl für längere Zeit in Madrid festgesetzt. Diese Gefangennahme löst in Frankreich ein regelrechtes Trauma aus, zumal die Sorbonne und die Parlements die Abwesenheit des Königs zur aktiven Verfolgung der evangelisch orientierten Bewegungen im Lande nutzen. Wenn es daher in v. 125 der Eptre au Roy in satirischer Anspielung auf diesen Hintergrund heißt, der König habe mehr Ehre als der Kriegsgott, und wenn es bereits zu Beginn der Epistel in v. 4 geheißen hat, auch FranÅois wisse von Schicksalsschlägen zu berichten [Vostre cueur noble en sÅauroit bien que dire […] ], so wird deutlich, dass Cl¤ment hier jedwede Huldigung kriegerischer Taten verweigert und offenbar auf etwas ganz anderes hinaus will. Im Scherzhaft-Spielerischen dieser Stelle steckt bei genauerer Betrachtung 15 Dejean (1990), 201.
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ein ernsthafter Streitpunkt. Die Feststellung, FranÅois Ier habe mehr Ruhm als der Kriegsgott Mars, lässt sich auch so deuten, dass die Meriten des Königs auf einem anderen Feld liegen, auf dem nach Ansicht des Sprechers größerer Ruhm zu erwerben ist. Es handelt sich dabei um die Dichtkunst, die Musen, deren Wissen dem König eingegossen (leurs sciences infuses [v. 124]), d. h. per göttlichen Gnadenakt zuteil wurde. Aus dieser Gabe – so fährt die peroratio in v. 127 fort – leitet sich der Anspruch auf die Universalherrschaft des Königs ab. Dem französischen König wird somit das Bild eines gebildeten, künstlerisch begabten Friedensfürsten vor Augen geführt.16 Die Epistel mündet in einen Appell an die Freigebigkeit des Königs. Vor diesem Hintergrund mutet die scherzhaft-spielerische Bemerkung der Verse 93 – 94, ob der Dichter das geforderte Geld zurückzahlen könne, wisse niemand zu sagen, der es nicht ausprobiert habe, erneut als Impertinenz an: Et sÅavez vous (Sire) comment je paye? / Nul ne le sÅait, si premier ne l’essaye. Nun hat diese Bemerkung einen evangelischen Hintergrund, heißt es doch bei Lukas 6, 35: […] tut Gutes und leihet, / ohne etwas zurückzuerhalten […] ([…] benefacite et mutum date / nihil desperantes […]).17 Marot appelliert im Sinne dieser Erfüllung des Gesetzes an die Freigebigkeit des französischen Königs, die nach Guillaume Bud¤ und Erasmus 16 Welcher Art dieses per Gnadenakt in den Herrscher eingegossene Wissen ist, wird nun erneut in Bud¤s De l’institution du Prince sowie in der Institutio principis christiani des Erasmus ausführlich erörtert. Für Bud¤ gibt es eine weltliche Weisheit, die allein darauf ausgerichtet ist, Güter und Ruhm zu erwerben (Par sapience mondaine, on acquiert opulence de biens, & renomm¤e glorieuse, qui est le dernier but & limite de cupidit¤ […] (Bud¤ (1966), 32.) Demgegenüber gibt es eine spirituelle Weisheit, die an den jenseitigen Dingen orientiert ist: […] par spirituelle sapience, on a intelligence des biens eternelz, & de la vie qui est venir en l’aultre siecle […] (Bud¤ (1966), 16). Einige der modernen Monarchen – gemeint ist vor allem FranÅois Ier – seien im Gegensatz zu den Herrschern der Antike von dieser gottgegebenen Weisheit erfüllt: […] ceulx qui sont iourdhuy participans de la Philosophie inspir¤e, qui nous a est¤ transmise du ciel, & communicqu¤e par l’oracle de Sapience, & de v¤rit¤ […] (ebd.). Diese Weisheit bedeutet für die Könige vor allem die Verpflichtung zur tätigen Nächstenliebe: Charit¤ & amour enuers le peuple (Bud¤ (1966), 30, vgl. auch 32). Auch für Erasmus stehen Wissen und Weisheit des Königs ganz im Zeichen der Nächstenliebe. Erasmus benutzt die überlieferte Metapher vom König als Arzt, der die Krankheiten der Gesellschaft heilt (Erasmus (1961 – 1962), Sp. 582 A (Kap. 2)). Das beste Heilmittel ist die Freigebigkeit des Herrschers, der Erasmus ein eigenes Kapitel seiner Institutio widmet. In der Freundlichkeit und Großzügigkeit, so heißt es dort, liegt der spezielle Ruhm des guten Fürsten: […] propria bonorum Principum laus [est] benignitas ac beneficentia […] (Erasmus (1961 – 1962), Sp. 595 A). Das Vorbild dieser Großzügigkeit ist die universelle Wohltätigkeit Gottes. Als Abbild des ewigen Herrschers ist der Fürst zum Geben ohne den Wunsch nach einer Gegengabe aufgefordert [Deus cum sit in omnia beneficus […] Ita vere magni Principis est, ut aeterni Principis imaginem referentis, vel gratis bene mereri de omnibus, nullo vel emolumenti vel gloria respectu, Erasmus (1961 – 1962), Sp. 570 A (Kap. 1)]. 17 In der Bergpredigt nach Mt 5, 42, die von der Erfüllung des Gesetzes handelt, heißt es: […] dem der dich bittet, gib, und wer bei dir borgen will, von dem wende dich nicht ab […] ([…] qui petit a te da ei / et volenti mutuari a te ne avertaris […]).
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von Rotterdam die Grundeinstellung des modernen Fürsten sein muss. Um den König nicht ganz in Unsicherheit über die Rückzahlung der geliehenen Summe zu lassen, gibt Marot in den Versen 104 und 105 als Bürgen die Fürsten von Lothringen an. Auch diese Bemerkung hat zwei Seiten: Einerseits sind Claude und Jean de Lorraine ihrerseits beim König hoch verschuldet, ohne diese Schulden zurückzahlen zu können: les Deux Princes Lorrains reimt sich auf foible de reins.18 Andererseits sind beide Fürsten wegen ihrer Mildtätigkeit berühmt, insbesondere der auch als Mäzen wirkende Kardinal Jean de Lorraine, bei dem sich ein in Rom von ihm reichlich beschenkter Blinder mit den Worten bedankt hat: Si tu n’es pas le Christ, tu es le cardinal de Lorraine.19 Cl¤ment Marots scherzhaft vorgetragene Epistel streitet mit dem König über dessen Ausfüllung der Macht. Dessen Expansions- und Machtstreben auf europäischer Ebene hält er ein deutlich an evangelischen Anschauungen orientiertes, auf ein friedliches Miteinander ausgerichtetes Gemeinschaftsleben vor Augen, in dem der Herrscher sich insbesondere als neuer David, als Förderer der Künste und der Wissenschaften, betätigt. Marots Bittbrief hat nachweislich zum Erfolg geführt, da überliefert ist, dass FranÅois Ier ihm erneut eine Geldsumme zur Verfügung gestellt hat. Nur wenige Jahre später ist das Klima durch die Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern eines dogmatischen Katholizismus und denen der evangelischen Positionen erheblich erhitzt. Eine berühmte Versepistel, aus der dann als Folge eine über zwei Jahre geführte Querelle unter Beteiligung zahlreicher Autoren entsteht, zeigt noch einen weiteren Aspekt der Kunst des Streitens am französischen Hof der Zeit. Als in der Nacht zum Sonntag, dem 18. Oktober 1534, in mehreren Städten Frankreichs unter anderem an der Schlafzimmertür des französischen Königs in Amboise Plakate mit dem Titel Wahre Artikel über die schrecklichen, großen und unerträglichen Missbräuche der päpstlichen Messe, die in direktem Gegensatz zum Heiligen Abendmahl unseres Herrn, des alleinigen Mittlers und Retters Jesus Christus, stehen20 angeschlagen werden, ist Cl¤ment Marot einer der ersten, der sich genötigt sieht zu fliehen. Von seinem Exil in Ferrara aus schreibt er 1535 einen Brief an FranÅois Ier, in dem er sich angesichts der Affaire des Placards zu rechtfertigen sucht. Der Brief zeigt, wie weit sich das Klima verändert hat und wie verärgert der König offenbar angesichts der Flucht seines Kammerdieners war. In weiten Teilen des Briefes dominiert nicht länger der Plauderton der causerie facile, sondern der Ernst der Lage wird gleich mit dem Einstieg spürbar. Die lange Epistel beginnt 18 Vgl. die entsprechende Anmerkung von Defaux (1993), 725, Anm. 11. 19 Zu dieser bei Brantúme überlieferten Bemerkung, vgl. Guy (1926), II 69. 20 Articles v¤ritables sur les horribles, grands et importables abus de la messe papale, invent¤e directement contre la Sainte Cºne de notre Seigneur, seul m¤diateur et seul Sauveur J¤susChrist.
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mit einer doppelten captatio benevolentiae: Mit einer Invektive gegen die korrupten Richter des Landes, die Marot seiner Zeit eingesperrt hatten, und der Erinnerung an FranÅois’ erfolgreiche Bemühungen um die Freilassung des Dichters, sowie einer weiteren Invektive gegen die den Autor verfolgende ignorante Sorbonne,21 der der König 1530 auf Vorschlag seines Bibliothekars Guillaume Bud¤ das Konkurrenzunternehmen des Collºge de France zur Seite gestellt hatte. Die entscheidende Stelle in der Mitte des Briefs, die die Rechtfertigung des Dichters gegen den Vorwurf des Lutheranismus beinhaltet, wird dann jedoch trotz der äußersten Bedrängnis Marots durch die Inquisition in Ferrara erneut ganz im Stil des badinage verfasst. Den Vorwurf des Lutheranismus weist Marot in den Versen 89 ff. mit dem Hinweis zurück, es sei nicht Luther, der ans Kreuz geschlagen worden sei, und dementsprechend sei der Dichter auch nicht im Namen Luthers getauft worden, sondern allein Christus verpflichtet. Damit rückt Marot zur Verteidigung gegen die Anwürfe und gegen seine Flucht ausgerechnet die zentrale Lehre Luthers ins Zentrum des Briefs, die der Rechtfertigung. Die Doktrin, dass der Glaube nicht durch das eigene Zutun, durch menschliche Taten wie die Reliquienverehrung, Ablasszahlungen oder Messen, sondern allein durch das Leben Christi gerechtfertigt wird, hat grundsätzliche Folgen: Der Anhänger Luthers vertraut allein auf seinen Glauben ¢ sola fide. Er hört allein auf Christus und fühlt sich nur der göttlichen Gnade ¢ sola gratia ¢ und der Heiligen Schrift ¢ sola scriptura ¢ verpflichtet. Der Brief führt auf eine unnachahmliche Art vor, was dies in der Konsequenz bedeutet. In einer einzigartigen Montage von Stellen der Heiligen Schrift steigert sich der Sprecher zu einer inneren Versenkung in Gott. Wenn es in v. 94 f. heißt, in seinem Namen [gemeint ist Christus] gibt der ewige Vater das, worum man ihn bittet, so geben diese Worte die bekannte Stelle aus dem Johannesevangelium 15, 16 wieder. Und wenn die den Dichter verfolgenden Professoren der Sorbonne in v. 101 f. als Wölfe in Schafspelzen bezeichnet werden, so rückt der Sprecher die Sorbonniqueurs in die Nähe von falschen Propheten, von denen es im Matthäusevangelium 7, 15 heißt: Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber reißende Wölfe sind. Deutlicher kann man das lutherische Credo sola scriptura nicht ins Bild setzen. Dass der Sprecher über diese Lobpreisungen Gottes seinen Briefadressaten, den französischen König, völlig aus dem Auge verliert, scheint ihm erst in den Versen 121 und 122 aufzufallen, wo er seine Rede unterbricht: Que dys je? O· suis je? O noble Roy FranÅoys, / Pardonne moy, car ailleurs je pensoys. Bis dahin hat Marot jedoch bereits mit den grundlegenden Ansprüchen der französischen Monarchie abgerechnet. Die Bemerkung aus v. 95 ff.: der einzige Name auf 21 Epistre au Roy, du temps de son exil Ferrare, in: Marot (1993 – 1996), II 80 – 86, hier : 81, v. 40.
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Erden, durch den diese lasterhafte Welt gerettet werden kann [le seul nom soubs les cieux / En, & par qui ce monde vicieulx / Peut estre sauf] ¢ gemeint ist natürlich erneut Christus – zeigt, was Marot von den Machtansprüchen des absolutistischen Monarchen, der sich auf die grce de Dieu beruft, wirklich hält. Und die Erwähnung der Prädestinationslehre in v. 111 unterstreicht diese Einstellung zur weltlichen Machtausübung. Der Brief endet mit spielerischscherzhaften Bemerkungen, die den ganzen Ernst der Lage zeigen: Ich kann offenherzig und mit echter Ergebenheit schließen [Conclure puis d’ung franc cueur, & vray zelle], sagt Cl¤ment in v. 210, wobei der Dichter im Sinne des lutherischen ›sola fide‹ offen lässt, wem diese Ergebenheit und dieser Eifer eigentlich gilt. Marots Epistel ist ein zentraler Text in einem bis 1537 andauernden literarischen und karikaturalen Streit, der einen weiteren interessanten Aspekt der rinascimentalen Streitkultur offenbart. Bereits 1534 war Marot auf einer Hochzeitsfeier am Hof seiner Gönnerin Marguerite de Navarre mit einem gewissen FranÅois Sagon aneinander geraten. Dieser orthodoxe Geistliche aus der nordfranzösischen Provinz hatte den Dichter der Häresie verdächtigt, worauf Cl¤ment – so berichten es die Chronisten ¢ ein Messer gegen ihn gezückt hatte. Als Sagon der Brief Marots aus Ferrara in die Hand fällt, reagiert er mit einer FranÅois Ier gewidmeten Versparodie, in der er Marot vorwirft, den katholischen Glauben zu negieren und die Botschaft des Evangeliums zu vernebeln: ton esprit […] qui ment le catholique / Obtenebrant doctrine aeuangelique […].22 Dieser Streit, der durch zahlreiche Pamphlete der Anhänger Sagons und derer Marots geradezu flächendeckende Ausmaße annimmt, wird vom Marot-Lager von Beginn an entschärft: Er wird auf das weitaus ungefährlichere Feld einer literarischen Querelle verlagert, in der es vordergründig um Fragen des Versbaus und der lyrischen Sprache geht. Die Anhänger Marots werfen denen Sagons vor, ihre Schreibweise sei rau und hart: Tout leur escript est rude, estrange, obscur / Tant lun lautre est en sa veine dur, heißt es in einer Epistel von Charles Fontaine.23 Ist die Dichtung dieser Autoren geradezu sesshaft schwer und konventionell, so reklamieren die Marot-Anhänger für sich die Natur und das Gefühl: Il est bien vray, que cest art descipture / Est bien seant quant on a de la nature: / […] / Voyla que c’est, nos compositions / Veulent regner par nos affections.24 Auf diese Weise entsteht eine literarische Querelle, in der die Vertreter einer technisch-rhetorischen Kunst auf die am Gefühl und an der Natur orientierten Dichter treffen. Der Konflikt gewinnt Konturen einer literarhistorischen Auseinandersetzung um die 22 Sagon (1969). Zum Ablauf dieses Streits vgl. die »Introduction« von G. Dubosc, VII-XXVIII, bes. XI-XXVIII. 23 Vgl. dazu Mantovani (1997), 383. 24 Mantovani (1997), 383 f.
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Ablösung der Rh¤toriqueurs durch die g¤n¤ration Marot, wo es doch unter der Hand insbesondere um die Auseinandersetzung zwischen den Vertretern eines orthodoxen Katholizismus mit denen der erwachenden evangelischen Bewegung geht. Einmal mehr macht Marot dies mit seiner Schlussformel des FerraraBriefes deutlich. In v. 213 f. heißt es nämlich, man könne ihm in der Affaire des placards und angesichts seiner Flucht nach Ferrara keinen Vorwurf machen, da er aufrichtig versichere, wenn er denn als Folge seine Anstellung beim König verlieren werde, dann aus Unglück und nicht aus böser Absicht: En protestant, si je perds ton service, / Qu’il vient plus tost de malheur, que de vice. (v. 213 f.) Jeder zeitgenössische Leser weiß, welche Bedeutung »protester« in dieser Epoche außer »ernsthaft versichern« noch gewinnt.
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2.
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III. Frïhe Neuzeit: Soziale Dimension und Funktion ›çffentlichen‹ Streitens
Johannes Helmrath
Streitkultur. Die ›Invektive‹ bei den italienischen Humanisten
»Was darf die Satire? Alles.«, sagt Lessing. Zweifellos verdankt unsere Wissenschaft dem Streit wichtige Fortschritte. Aber wie weit darf er gehen? Wir sind ja gottlob seit der Aufklärung schön diskursethisch zivilisiert, was vor allem bedeutet, zwischen Person und Sache zu trennen. Aber das war nicht immer so. Polemik (eigentlich: ›Kriegskunst‹) ist ja auch eine Lust! Auf bloßen Meinungsstreit reduziert, bringt man sie, so Karl Kraus, um ihr Bestes, um ihr »rauschhaftes Element«. Die Forschung hat das Eristische, Agonale, die Gewalt überhaupt, seit geraumer Zeit entdeckt, darunter auch die verbale Gewalt des Sprechakts.1 Ausdrücklich hingewiesen sei auf die Zeitschrift »Maledicta. The International Journal of Verbal Aggression«,2 herausgegeben von dem Bayern Reinhold Aman, Maledicta Press in Waukesha, die kurioser Züge nicht entbehrt. Im Folgenden sei eine soziale Praxis und zugleich eine Textsorte vorgestellt, die jene Trennung von Person und Sache per se nicht vollzog, die Invektiven der italienischen Humanisten. Ein Zitat stehe einstimmend am Anfang. Gian Francesco Poggio Bracciolini eröffnet seine Invektive gegen Francesco Filelfo so: Impurissimum atque obscaenissimum foetulenti oris tui non satyram sed vomicam,… naturam tuam repraesentantem … legi. »Die unüberbietbar schmierige und obszöne Schrift – ich nenne sie nicht ›Satire‹, sondern Kotze –, die deinem stinkenden Mund entfahren ist, habe ich gelesen.«3 Nicht nur Poggio, fast alle 1 Der Beitrag behält Elemente des mündlichen Vortrags vom 28. 11. 2008 bei. Einige Aspekte kamen durch Vortrag und Diskussion auf der Berliner Tagung »Scham und Schamlosigkeit« am 4. Juni 2009 hinzu. Worstbrock / Koopmann (1986); hierin der Versuch von Stenzel und Schwitalla. – Stolt (1974); Kiener (1983); Rohner (1987), hier bes. 53 – 71 über Ulrich von Hutten contra Erasmus von Rotterdam, mit dem eher hilflosen Versuch einer Typologie (211 – 240); Braungart (1992); Eisenberg (1994). Declercq / Dangel (2003); Larochelle (2007); Baumann / Becker / SteinerWeber (2008). 2 Maledicta (1977 – 2003). Die Reihe scheint eingestellt. 3 Poggios Werke sind überwiegend zu zitieren nach der aus Reprints älterer Ausgaben bestehenden Edition: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), hier I 164.
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Humanisten Italiens betätigten sich in dieser pubertär anmutenden Form. Es gibt, wenn auch oft un- oder veraltet ediert, eine nicht unbeträchtliche Menge solcher Texte. Die Humanisten-Handschriften sind nach Reden, Briefen, Dialogen auch mit diesen Agonaltexten durchsetzt.4 Für Poggio, der hier im Zentrum stehen wird, zähle ich zehn Gefechte, Lorenzo Valla, unsere zweite Zentralfigur, und Francesco Filelfo brachten es auf ähnlich viele: ›Viel Feind, viel Ehr‹. Jeder schien stets potenziell bereit, die Rolle des »Streitbaren« zu spielen, die nach dem Modell Pierre Bourdieus in der akademischen Community nur bestimmten Einzelnen, quasi Berufsstreitern zugesprochen wird. Unter den Invektiv-Gegnern Poggios finden sich prominente Kollegen wie Valla, Francesco Filelfo und Guarino Guarini, aber auch solche des zweiten Glieds. Die beiden frühesten Invektiven Poggios stammen schon aus den Zwanziger Jahren: gegen kuriale Verleumder (delatores) von ca. 1424, gegen den apostolischen Skriptor Francesco Bianchi da Velate (Vellata) von 1428.5 Es folgen in den kommenden Jahrzehnten Invektiven gegen Francesco Filelfo (für Niccoli),6 gegen Antonio Beccadelli Panormita, Guarino Guarini und Ciriaco d’Ancona,7 Thomas Morroni von Rieti 1435,8 gegen Georg von Trapezunt, gegen Lorenzo Valla 1452/53,9 – wovon die Rede sein wird –, gegen Niccolý Perotti 145410 und Jacopo Zeno. Einseitige Invektiven, die nicht auf Antwort hin ange4 Aus relativ früher Zeit (1431/32) etwa stammt die jüngst erschlossene Philippica des Antonio da Rho OFM (†1447) gegen Antonio Beccadelli Panormita; siehe Rutherford (2005), 1 – 7, 17 – 22 zu Genre und Vorbildern der Invektive; siehe dazu Blanchard (2006). 5 Die folgenden Anmerkungen geben lediglich eine Übersicht ohne konsequente Literaturerschließung. Allgemein zu Poggios Invektiven: Nisard (1860), 165 – 173; vollständigste Übersicht nach wie vor im Standardwerk von Walser (1914), passim, mit unedierten Dokumenten 428 – 560, diese wieder abgedruckt in: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), IV 257 – 324; Bigi / Petrucci (1971), 644 f.; Übersicht bei Lorenzo Valla (1978), 245 – 251. – Die Invektive gegen Francesco da Velate: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), I 224 – 258; dazu Walser (1914), 94 f.: »Eine … unleidliche Lektüre bietet … die endlose Abhandlung Poggios, die neben einigen witzigen, präzisen Ausfällen sich in einer ungeordneten kavillösen Klopffechterei ergeht.« 6 Poggio Bracciolini (1964 – 1969), I 164 – 187; siehe zur Invektive gegen Filelfo unten bei Anm. 113. 7 Siehe zur Scipio-Caesar-Kontroverse zwischen Poggio und Guarino unten bei Anm. 115. 8 Poggio Bracciolini (1964 – 1969), II 739 – 753 (Invektive des Tommaso da Rieti), 755 – 772 (Invektive des Poggio), nach älteren Editionen von R. Sabbadini und F. Gabotto. 9 Lorenzo Valla (1978), wichtige Einführung 1 – 54; der Folgetext: Lorenzo Valla, Apologus, in: Camporeale (1972), 469 – 534, zu den Handschriften 473 – 477; das zweite Antidotum (Buch II–IV) gegen Poggio, in: Lorenzo Valla (1962; Reprints der fehlerhaften Ausgabe Basel 1540/ 43), I 274 – 366, hier 366 – 389 auch der Apologus. – Zum Streit mit Georg von Trapezunt, der keinen größeren literarischen Niederschlag fand: Walser (1914), 268 – 272. 10 Cessi (1912), der Text Poggios 85 – 101; wieder in: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), II 799 – 817. Der Text Perottis in: Miscellanea di varie operette VIII, Venedig 1744. Dazu Walser (1914), 277 – 281, und vor allem Schaller (2002) mit der älteren Literatur, hier auch Grundsätzliches zu invektivalen Stilmitteln.
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legt waren, hatte Poggio gegen den Papst des Basler Konzils, Felix V. (Herzog Amadeus VIII. von Savoyen), die Invectiva in Felicem, und gegen den Senat von Florenz (in fidei violatores) verfasst.11
1.
Gattung und Vorbilder
Inwieweit invectiva oder vituperatio als festes literarisches Genre anzusehen sind, bleibe hier offen.12 Es waren jedenfalls literarisch aufwändig gestaltete Texte, selten mit heißer Feder hingesudelte ›Flugschriften‹. Auch die Quantitäten verraten längere Produktionsdauer : Der Rekordumfang einer Invektive, Vallas Antidotum gegen Bartolomeo Facio, umfasst nicht weniger als 400 Druckseiten.13 Quintilian erwähnt die Tadelrede / oratio vituperativa als Form des genus demonstrativum nur knapp als Zwilling des Lobes: »Diese ganze Anordnung (des Lobes) wird auch beim Tadeln gelten, nur im entgegen gesetzten Sinn.«14 Antike Vorbilder und Motivarsenale kann man sicher in den Komödien von Plautus und Terenz, der Priapeen-Literatur, in Ciceros Catilinarien und Philippicae und vor allem in der Rede In Pisonem sehen, ferner in den Begriffs prägenden Invectivae Pseudo-Sallusts.15 Auch der Kirchenvater Hieronymus war (Contra Rufinum) mit »insults« nicht zimperlich gewesen, ja hier wird bereits ein semantisches Arsenal der Polemik geschaffen.16 Es geht da weniger um Wahrheit, es geht – anders als in der scholastischen Disputation, ad hominem, 11 Zu Poggios Invectiva in Felicem antipapam: Helmrath (2005), mit Liste der Handschriften 581 – 583; Text von Contra fidei violatores, in: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), II 887 – 901. 12 Neumann (1999) behandelt fast nur die Antike und knapp die Neuzeit, Mittelalter und Renaissance drängt er in das Stichwort ›Schmährede‹ ab (556). Vgl. Wolf (2003); Stauffer (2003) sowie Müller / Bernt / Briesemeister / Böcker / Simek (1996). 13 Lorenzo Valla (1981). 14 Qui omnis etiam in vituperatione ordo constabit, tantum in diversum; Quint. Inst. Or. III 7, 19. Er nennt dann ambivalente Tadelsgründe: turpitudo generis, claritas ipsa notiores circa vitia et invisos magis facit; ferner : corporis et fortunae mala; ebd. 20: et animi tot vitia quot virtutes sunt, nec minus quam in laudibus duplici ratione tractantur ; ebd. 22: die iudicia hominum, der Ruf, sind Beleg für die mores, freilich kein objektiver: sed et in viventibus quoque iudicia hominum velut argumenta sunt morum, et honos aut ignominia verum esse laudem vel vituperationem probat. 15 Rares Beispiel für Benutzung des Begriffs nach Pseudo-Sallust im Mittelalter bei Rather von Verona, Praelectiones (Ständesatire) 1, 24 (Migne, Patrologia Latina 136 (1881), 168B = Inv. 2, 4) und Dialogus confessorum c. 36 (Migne, PL 136, 432C = Inv. 4, 7); vgl. Manitius (1923), II 50. 16 Grundlegend Opelt (1965). Vgl. dies. (1973), 163 – 180 zum Invektivalstil, zum Bild des Gegners etc.; siehe auch Opelt (1980).
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um Diskreditierung einer Person: im Bereich der res extensae (Herkunft, Bildung etc.), des corpus und des animus, des Charakters.17 Dass es im Mittelalter Invektiventexte gab und nach Kontinuitäten zu fragen ist, haben Paul Gerhard Schmidt und andere gezeigt.18 Johannes von Garlandia unterscheidet in der Poetria von Paris (ca. 1220) immerhin zwischen Satire und Invektive: während die Satire Handlungen karikiere causa correctionis (als moralische Anstalt), habe die Invektive rein destruktive Ziele: in quo dicuntur turpiloquia causa malignandi (gegen Einzelpersonen).19 Konkreteres, und bereits recht Hemmungsloses, erfahren wir in der Retorica des Bartolomeo Cavalcanti aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, die schon in der italienischen Lebenswelt gewachsen ist.20 Die Frage, ob die Invektiven des Mittelalters unmittelbare Vorbilder der Humanisten waren, ist eher zu verneinen. Diese Texte dürften den italienischen Humanisten nicht einmal bekannt gewesen sein, deren Invektiven – da stimme ich Schaller zu21 – waren in ihrer Frequenz, Intensität und Typik in der europäischen Gesellschaft etwas Neues! Petrarca hat wohl einmal mehr die Rolle einer Portalfigur gespielt, trotz stark scholastischer Kontexte,22 und er nennt auch seine Exempla: Pseudo-Sallust, Aischines / Demosthenes, Hieronymus’ Contra Rufinum, Augustinus.23 Dazu kommen erst Anfang des 15. Jahrhunderts neue »scoperte« antiker Texte: Plautus, neue Reden Ciceros (darunter In Pisonem) mit dem Kommentar des Asconius Pedianus,24 – die einen neuen Schub von Imitatio und Aemulatio der Antike auf invektivalem Feld plausibel machen würden.
17 Auctor ad Herennium 3,13 – 15; Cic., de inv. 1, 34 – 36; 2, 117 f. 18 Schmidt (1988), 193 – 207; Beaumatin / Garca (1995); Schaller (2002), 177. 19 Johann von Garlandia, Parisiana Poetria (1974), 102 Z. 359 – 361. Es geht um die Systematisierung der literarischen Gattungen: Item hystoricum aliud Inuectiuum, in quo dicuntur turpiloquia causa malignandi; aliud reprehensio siue Satyra, in qua recitantur malefacta causa correctionis. Gottfried von Vinsaufs Documentum hebt ebenfalls den destruktiven Charakter der Invektive gegenüber der Satire heraus: Inuectivum quod agit de conviciis et verbis mordaciter reprehensis. Satira, in quo reprehenditur vicium et inseritur virtus ..; Johann von Garlandia (1974), 332. – Thomas Haye (Göttingen) sei für den Hinweis auf Garlandia herzlich gedankt. 20 Ricci (1974), 413 f. 21 Schaller (2002), 177 f. mit Bemerkungen über die Invektive in Antike und Mittelalter. 22 Francesco Petrarca (2003). Die Invective contra medicum loteten das Spektrum der Kontroversliteratur förmlich aus; vgl. Ricci (1974), 408 – 410. Zu Petrarcas Invektiven: Stierle (2003), 452 – 454; Luglio (2006). Zu den Invective contra medicum siehe Bergdolt (1992), 33 – 37, 248 f.; Struever (1993), sowie den Beitrag von Karl Enenkel in diesem Band. 23 Francesco Petrarca (2003), IV 203. 24 Glei (2002).
Streitkultur. Die ›Invektive‹ bei den italienischen Humanisten
2.
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Forschung
Die Literatur zur humanistischen Invektive ist eher schmal. Es gibt einige anregende knappe Überblicke.25 Für eine moderne Monographie fehlt es noch an Detailstudien. Zwei ältere Monographien sind jedoch hervorzuheben. Sie betonten deutlich das Eristische, so – 1860 im gleichen Jahr wie Burckhardt – Charles Nisard: Les gladiateurs de la r¤publique des lettres, ähnlich 1900 Felice Vismara: L’invettiva, arma preferita degli umanisti.26 Während der humanistische Dialog intensiver untersucht und durchaus – früh bereits von dem hierzulande unterschätzten russischen Kulturhistoriker Leonid Batkin (1978) – als performatives Gestaltungsmedium des sozio-kulturellen Milieus des Humanismus, ja Dialogizität überhaupt als seine zentrale epistemologische Kategorie verstanden wurde,27 waren die Invektiven in der Humanismus-Literatur, die gern marmorn idealisch Humanismus mit Humanität gleichsetzte, lange suspekt. Wie konnten sich Gelehrte nur auf dieses Niveau begeben! Georg Voigt, Vater der Humanismusforschung, hatte sie durchaus richtig, wenn auch einseitig und angewidert, als Produkt des Konkurrenzkampfs gewertet: »fast alle in derselben Situation, nämlich als Curialbeamte und Hofgelehrte, … alle zu den vollen Geldsäckeln und Gnaden des Papstes aufschauend – was natürlicher, als dass Eifersucht und Zänkereien, Verleumdung und Schimpf diesen Kreis erfüllten.«28 Jacob Burckhardt passte das Lästern hingegen genau in sein paradigmatisches Bild vom neuen Individuum, das er ja eher pessimistisch, als das »entfesselte Individuum« sah: es bedient sich in Gestalt des Tyrannen hemmungslos der Staatsmaschine, wie in Gestalt des Humanisten, »als Italien eine Lästerschule 25 Rossi (81964), 147 – 149; Sabbadini (1922), 47 – 60: La critica; nicht gesehen habe ich Sabbadini (1893). Ferner Ricci (1974); bei Rao (Bartolomeo Facio (1978), 7 – 10) und Rao (1988 – 89) knapper Versuch einer Typologie; Griggio (1996), 37 – 51; Laureys (2003), vor allem zum 16. Jahrhundert; Rutherford (2005), 1 – 7, 17 – 22; Morini (2006), überwiegend zur Neuzeit. 26 Nisard (1860) behandelt, jeweils mit längeren Textauszügen, für das 15. Jahrhundert die Läster-Trias der Italiener Filelfo, Poggio, Valla, aus dem 16. Jahrhundert die Nordländer Josephus Justus Scaliger und Erasmus von Rotterdam. – Vismara (1900). 27 Batkin (1979), 265 – 323 zum humanistischen Dialog. Vgl. künftig zu Leonardo Brunis Dialogus ad Petrum Histrum Kyrill Abrosimov, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken (im Druck). Zur Dialogforschung: Hempfer (2002); ders. (2004); Guthmüller / Müller (2004). Inwieweit diese Ansätze für die Invektivforschung fruchtbar sein können, ist zu prüfen. 28 Voigt (31893), II 147 – 156: »Gelehrtenfehden in Rom«. Die Kapitel über einzelne Humanisten im Werk Voigts sind nach wie vor wichtig. Voigt überbetont die Rivalität zwischen Italienern und Griechen. »Wie zu Niccoli’s Zeit Florenz, so wurde jetzt in erhöhtem Maasse Rom der Schauplatz der scandalösen Gelehrtenchronik, gleichsam als hätte Papst Nicolaus mit den ›großen Geistern‹ auch allen Schmutz des literarischen Lebens zusammengebracht«; Voigt (31893), II 147.
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geworden war«, der ungehemmten Injurie. »Der moderne Spott und Witz« – so ist das Kapitel tituliert – setzte »als sein regelmäßiges Opfer das ausgebildete Individuum« voraus,29 wobei implizit zu ergänzen ist: das Individuum, das es im Mittelalter angeblich nicht gegeben habe. Tendenziell folgt ihm hier Alfred von Martin in seiner Soziologie der Renaissance (1932) – Humanismus als Produkt des neuen Bürgertums: »so findet die angebliche ›Freundschafts‹-Organisation im Verhältnis der führenden Humanisten … ihre charakteristische Illustration durch die humanistische ›Invektiven‹-Literatur, die schon in diesem frühesten Stadium weltlicher Wissenschaft im Abendlande zeigt, dass in keinem Stande der Individualismus so sehr das letzte Wort ist wie in dem Stande der professionellen Akademiker.«30 Ich möchte die Invektiven jetzt unter drei überlappten Gesichtspunkten betrachten: einem literaturwissenschaftlichen, einem politischen, einem gruppensoziologischen. Letzterer ist für die jüngere Humanistenforschung der wohl entscheidende.
3.
Die Corona der Humanisten
Humanismus sei weniger als Konzept denn als Gruppen-Aktivität aufgefasst, die informell in alle Lebensbereiche hineinwirkt! Paradox dazu Robert Black: »A humanist is thus someone who acts like other humanists; this is how contemporaries would have identified humanism.«31 Damit ist nicht Beliebigkeit gemeint, sondern Humanismus erscheint als dynamische Größe. Die Humanisten bilden eine relativ homogene Personengruppe, die zunehmend kultursoziologisch erforscht wird, – so zuletzt überzeugend von Harald Müller.32 Ich nenne diese Gruppe die Corona. Diese Leute sind nicht ständisch oder ›beruflich‹ fixierbar, sie bilden vielmehr eine Gesinnungs-, ja eine Gefühlsgemeinschaft, die durch thematische, ästhetische und ethische Interessen (studia humanitatis), Schreib-, Rede- und Denkstile, durch konformen Habitus konstituiert ist. Man wird im Folgenden sehen, wie immer die gleichen Namen auftauchen. Die Corona der italienischen Humanisten bildete ein per Korrespondenz stetig, ja ge29 30 31 32
Burckhardt (111988), II 4, 150 – 157, Zitat 114. Martin (21949), 55. Zu Martin: Hung (1999), 150 – 157. Black (1998), 243 – 278, hier 252. Müller (2006); Batkin (1979), 102 – 169: »Die Humanisten – Charakter einer Kulturgruppe.« – Die Studie von Treml (1989), spricht viel von humanistischer Freundschaft, von »Affektkontrolle und Manierenverfeinerung« aber nicht von Kontroverse, Schmähung, Invektive unter Humanisten. Essbach (2000) betont als Zugänge zu Intellektuellengruppen neben der Sozialgeschichte die aus Selbst- und Fremddefinitionen gewonnenen jeweiligen Typisierungen. Für die deutschen Humanisten: Bernstein (1998), 45 – 64; ders. (2004).
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radezu kultig als amicitia gepflegtes Netz.33 Die Humanisten fühlten sich als intellektuelle Avantgarde, denen auch Teilhabe an der Macht gebührte. Vordergründig erscheinen sie vor allem als Sprachfetischisten! Elaborierte Latinität war elitäres Bindemittel und unsichtbare Eintrittskarte, die subtil Inklusion und temporäre Exklusion regelte.34 Wir sehen: Die soziale Praxis ist entscheidend. Auch Ruhm und Schande des Einzelnen sind wesentlich als Resonanz in dieser intellektuellen Konsensgemeinschaft zu denken. Vergleicht man die Corona der italienischen Humanisten mit den Sodalitäten der Humanisten um Konrad Celtis im Reich,35 was bisher kaum geschehen ist, wird man nur graduelle Unterschiede sehen. Letztere hatten sicherlich italienische Vorbilder wie die römische ›Akademie‹ des Pomponius Laetus oder die platonische ›Akademie‹ um Marsilio Ficino in Florenz. Auch die Sodalitäten dienten der Vergesellschaftung einer neuen intellektuellen Elite in einem selbst organisierten regionalen Freiraum, der zugleich eng mit dem politischen Feld interferierte. Obwohl auch bei den Italienern regionale Gruppenkerne unverkennbar sind, scheint ihre panitalienische Vernetzung stärker und stabiler, ihr Institutionalisierungsgrad hingegen geringer als derjenige der ihrerseits allenfalls rudimentär institutionalisierten deutschen Sodalitäten. Die Corona bestand um 1440 aus einer Kerngruppe von ca. einem (maximal zwei) Dutzend Leitfiguren, verteilt im polyzentrischen Italien, eben jene Bruni, Traversari, Valla, Decembrio, Poggio, Aurispa, Filelfo, Beccadelli Panormita, Guarino, die auch Invektiven schrieben. Um sie scharte sich ein weiterer Kreis von Satellitengestalten. So gut wie alle – auch das ist wesentlich – waren im Feld der Macht, an Fürstenhöfen und Kommunen tätig, die ihrer speziellen Kompetenzen bedurften. Und welche Funktion hatte hier die Invektive? Ich beginne mit dem bekanntesten und zugleich interessantesten Beispiel:
4.
Poggio gegen Valla: Die Invektive der Invektiven
Die Akteure: Poggio Bracciolini (1380 – 1459) aus Terranova, bescheiden ›bürgerlicher‹ Herkunft, seit 1403 fast ununterbrochen an der päpstlichen Kanzlei tätig, diente er acht Päpsten. Zeitlebens zehrte er vom Nimbus, während des Konstanzer Konzils die Klassiker aus dunklen Bibliothekskerkern des Nordens 33 Marsilio Ficinos Wort amicitia, si recte colatur wird von Batkin (1979), 181, 220 geradezu als Schlüsselwort für den Humanismus verstanden. 34 Black (1998), 265. 35 Analytisch klar, aber in der Humanismus-Forschung meist übersehen: Hardtwig (1997), 197 – 207; Schirrmeister (2003), 169 – 193 (Literatur); künftig auch Helmrath J., ›Sodalitäten‹, in: Enzyklopädie der Frühen Neuzeit (im Druck).
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befreit und repatriiert zu haben. Größten europäischen Erfolg, auch in Deutschland, hatte seine Anekdotensammlung, die Fazetien. Vespasiano da Bisticci hebt in seiner Poggio-Vita unter den Opera gerade die Invektiven heraus: »In den Invektiven war er ungeheuer heftig und deshalb von allen gefürchtet. Seine Offenheit machte ihm manchen Feind unter den Gelehrten. Dann nahm er sofort seine Feder und schrieb eine neue Schmähschrift«.36 Lorenzo Valla (1407 – 1457) stammte aus Rom, schon sein Vater war Kurialer. Valla betätigte sich in Oberitalien als Rhetorikprofessor, lebte dann am Hof zu Neapel bei König Alfons V. von Aragon, zuletzt ebenfalls in Rom an der Kurie. Um 1440 entlarvte er die Konstantinische Schenkung vor allem durch Sprachvergleich als anachronistische Fälschung (De falso credita et ementita donatione Constantini). Seine Stilkunde, die Elegantiae linguae latinae von 1444,37 avancierte zum Bestseller der Humanistenliteratur, er selbst zu deren tiefstem und kreativstem Denker. Die Rivalität dieser beiden Persönlichkeiten war nicht neu;38 nun am gleichen Ort, an der Kurie, tätig, war sie geradezu unvermeidlich. Lange genug hatte Poggio Vallas Kurien-Karriere vor 1448 zu sabotieren versucht. Der Kampf, nach Ricci »la polemica pi· esemplare del Quattrocento«,39 entspann sich in einer komplizierten Sequenz von Texten: Poggio publiziert im Februar 1452 eine erste Invektive (Oratio prima in Laurentium Vallam).40 Valla antwortet Mai/Juni mit einem dreiteiligen Antidotum in Pogium,41 Poggio seinerseits mit einer neuen Trilogie von Orationes, Nummer II bis IV. Valla hört nur davon, und lässt seinen
36 »So zum Beispiel eine sehr gesalzene gegen den Papst Felix, den Herzog von Savoyen.«; Vespasiano da Bisticci (1970 – 1976), I 545; Vespasiano da Bisticci (1914), 276; siehe dazu Helmrath (2005). 37 Zu benutzen immer noch die alte Edition in: Lorenzo Valla (1962), I 1 – 235. Zur Erschließung: Garcia Pratilla / Herraiz Pareja (1997); Regoliosi (1993); Ax (2001). Interpretation der Vorworte bei Marsh (1979); Cesarini Martinelli (1980); wichtiger Überblick über Vallas Werk: Monfasani (2001), bes. 236 f. – Eine eigene Kontroverse führte Valla mit Antonio da Rho über seine Elegantiae und dessen Imitationes rhetoricae, siehe Regoliosi (1983); dies. (1984); Textauszüge bei Rutherford (2005), 300 – 320. 38 Poggio hatte bereits gegen den jungen Valla der Erstlingsschrift De voluptate massiv polemisiert; siehe den Brief an Antonio Loschi vom 15. Februar 1425; Poggio Bracciolini (1984 – 1987), II, ep. II 1, 45 – 51. 39 Ricci (1974) 412. – Zum Kampf Poggios gegen Valla: Vismara (1900), 43 – 67; Walser (1914), 272 – 277; grundlegend Camporeale (1972), 277 – 468 (wichtige Kommentare); Camporeale (1982); ders. (1997); ders. (2001). Ferner Tavoni (1984), 117 – 169, hier 105 – 116 zu Poggio; Prete (1986); Bonmat Snchez (2005). Vgl. zu Vallas Invektiven ergänzend Rizzardi (1995). 40 Die fünf Invektiven Poggios, in: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), I 188 – 205 (1. Invektive); 206 – 234 (2. Invektive); 234 – 241 (3. Invektive); IV, 867 – 885 (4. Invektive, nach Florenz, Bibl. Laur., Cod. Laur. 90 sup. 7); I 242 – 251 (5. Invektive). 41 Lorenzo Valla (1978), grundlegende Einführung in die Kontroverse 1 – 54, guter Kommentar unter Heranziehung der Epistolarien.
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Apologus folgen,42 um dann, März/April 1453, – erst jetzt hat er Poggios zweite Invektive in Händen –, ein zweites Antidotum gegen Poggio zu wenden,43 der inzwischen gegen den Apologus im Januar/Februar 1453 seine fünfte Oratio veröffentlicht hatte. Der Anlass: Poggio hatte von einer Handschrift seiner eigenen Epistulae gehört, die mit abschätzigen Randglossen versehen war ; angeblich gingen sie von Valla aus. Poggios Angriff haute dann ein-, zwei-, zehnmal in die gleiche Kerbe: Valla hält sich in unerträglichem Selbstlob nicht nur für besser als alle anderen (auch aus der Corona), maßt sich nicht nur an, sein – Poggios – Latein zu schmähen, er tut Schlimmeres: er kritisiert die Klassiker. Ciceronem, Vergilium, den Albertus Magnus (!), auch die christlichen Autoren,44 ja selbst – den Bibeltext. Er hält sich selbst für den Maßstab, ist ein Aufrührer, ein Umstürzler : nova sensa verbis indidit, novum scribendi morem introducit, tanta praesumptione usus, ut sibi soli plus quam reliquis omnibus tribuit auctoritatis.45 Da hört der Spaß auf, das ist Blasphemie. Schon hier ist zu bemerken, wie breit die invektivale Palette der Poggio-Valla Kontroverse ist, und dass sie angesichts der kritischen Säure, in der Valla Tradition und Gegenwart einzig am Phänomen der Latinität prüfte, in existenzielle und, erst von Fois und Camporeale angemessen gewürdigte, theologische Dimensionen führt.46 Beide Invektivserien verdienten noch einmal genaueste Untersuchung, die hier nicht zu leisten ist. Nur ein kurzer Blick auf Vallas erste Antwort, das Antidoton primum: Er weist den Vorwurf der Provokation zurück: die Marginalien seien nicht von ihm, sondern von einem Schüler aus Katalonien, wie man an dessen Rechtschreibung (nämlich s statt c zu schreiben) ja genau sehe.47 Dann aber nimmt er sich Poggios Briefe als Objekt der Kritik vor, und ohrfeigt nicht weniger als 338 wörtliche Zitate wegen ihres imbezillen Lateins der Reihe nach ab. Dieses geradezu scholastische Vorgehen erweist sich als invektivaler Standard.
42 Valla, Apologus, ed. Camporeale (1972), 473 – 534 und in Auszügen Tavoni (1984), 260 – 273. 43 Das zweite Antidotum gegen Poggio immer noch in der Ausgabe Basel 1540/43, Neudruck in: Lorenzo Valla (1962), I 325 – 365. Dazu Wesseling (1986), 133 – 139. 44 Poggio, Invectiva prima gegen Valla, in: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), I 189: Propter insitam animi perversitatem, omnes priscos illos doctissimos viros, quorum memoria omnibus seculis summa laudis celebratione venerata est, fera quadam [em. quaedam] immani protervitate contemnit, reprehendit, culpat, aspernatur. 45 Poggio Bracciolini (1964 – 1969), I 205. Über die verachteteten auctoritates ebd. 189 – 202. Non fuit ei satis linguae latine Autores, Oratores, Historicos, Theologos, Iurisconsultores falsis maledictis lacessere, addidit philosophos, darunter Albertus, ebd. 201. 46 Camporeale (1972), 328. 47 Lorenzo Valla (1978), 82, 130.
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a) Aufführungsbedingungen und Pathologie Unterbrechen wir hier und werfen einen Blick auf die Aufführungsbedingungen, sozusagen die performativen Operatoren und die Pathologie der Invektive. Die ›Invektive‹ ist ja nicht nur ein Text, sie ist ein Prozess, Teil einer Sequenz, einer halböffentlichen, agonalen und hochperformativen Inszenierung. Das daran beteiligte Personal umfasst mehr Personen als nur die beiden Kontrahenten: Zunächst also die Begründung des Kampfes: Die Invektive geriert sich als berechtigte Verteidigung. Poggio: »Wenn es ehrenvoll und nach Konsens aller erlaubt ist, Unrecht zurückzuweisen, so muss es in denjenigen Dingen besonders die Pflicht eines klugen Mannes (prudentis hominis) sein, eine Schmähung (contumelia) abzuwehren, die seine Ehre und Reputation (honoris et existimationis laus) durch niederträchtige Leute in Gefahr bringt (in discrimen adduci videatur).«48 Es gehe also um den honor, um Gesichtswahrung, um Positionierung im literarischen Feld, – meinetwegen mit relikthaften Zügen so genannter homerischer Schamkultur. Der Beginn des Krieges (Schlachtenmetaphorik): Der Angegriffene hält die Anlässe für nichtig. Valla im Antidotum gegen Facio: »Du hast mir den Krieg erklärt, ohne durch ein Unrecht provoziert zu sein« (bellum intulisti …nulla prorsus a me lacessitus injuria).49 Es folgt die Ausweitung der Kampfzone. Poggio an Filelfo: »Ich habe auf deine Schmähungen knapp geantwortet, in Erwartung, dass du dagegen schreibst (rescribis). Dann betrete ich ein breiteres Schlachtfeld, …, kämpfe Mann gegen Mann.«50 Neue Kämpfe werden angekündigt: »Aber damit genug für den ersten Waffengang, für weitere sind wir nur zu bereit, dass er nicht etwa meint, wir seien von einer Schlacht schon erschöpft« (Sed haec satis in primo congressu, in reliquum erimus paratiores, et ita, ut unica acie minime nos sentiat defessos).51 Sehr wichtig ist die Rolle von Dritten, von »personaggi secondari« (Prete),52 man könnte sie grob in die Funktionen der Vermittler und Beschwichtiger im Sinne eines »Mäßigt euch doch«, der Schiedsrichter, der Zwischenträger und der Trittbrettfahrer einteilen, wenn sich die oft nur symbolischen Funktionen nicht überlappten. In ihnen ist einmal mehr die erweiterte Corona virtuell präsent. Die Invektiven sind ohnehin voll von Namen prominenter Figuren, meist wieder aus der Corona selbst, die als Zeugen, Gewährsleute und Sekundanten aufgezählt werden. Geradezu ›vom Dienst‹ agierte Pietro Tommasi aus Venedig als Vermittler und zugleich Informant, ein Freund Poggios, aber auch Vallas. Tommasi ist Arzt: 48 49 50 51 52
Poggio Bracciolini (1964 – 1969), I 188. Inanes irarum causas fingens; Lorenzo Valla (1981), 3. Poggio, Invectia prima gegen Filelfo, in: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), I 169. Poggio, Prima Invectiva gegen Valla, in: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), I 205. Dazu speziell Prete (1986).
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er versucht, das Phänomen infamia auf physiologisches Gebiet zu lenken, die polemische Energie helfend zu kalmieren.53 Als eingeschaltete Mahner und Schlichter begegnen edle Geistliche wie der Franziskanergeneral Alberto Sarteano und Kardinal Bessarion, der im Streit des jungen Niccolý Perotti gegen Poggio eingreift und ersteren veranlasst, einen Entschuldigungsbrief zu schreiben,54 oder ›neutrale‹ Humanisten wie Giannozzo Manetti55 oder Francesco Barbaro. An ihn wendet sich 1453 sogar Lorenzo Valla selbst: quod iudex … es, quem nemo improbare audebit.56 Die Rolle der Zwischenträger (delatores) und Denunzianten ist im Szenario ganz erheblich. Sie setzen Gerüchte in Umlauf, die den Betroffenen zu Ohren kommen, und – angeblich – eben deshalb ihre Invektivwut auslösen, man sah es eben bei Poggio.57 Für die Verbreitung der Invektivtexte selbst waren Zwischenträger, wie zu zeigen ist, allein schon kommunikationstechnisch geradezu unverzichtbar. Chancen boten die Kontroversen für Trittbrettfahrer, stigmatisierte zweite Besetzung beziehungsweise »Kleinhäretiker« (Bourdieu), denen sich die Chance zur Profilierung bot, indem man einen Prominenten angriff. So exponierte sich 1454, kurz nach Ende des großen Streits zwischen Valla und Poggio, der 24jährige Valla-Verehrer Niccolý Perotti, frisch von Kaiser Friedrich III. zum Dichter gekrönt (1452), als »Schildknappe Vallas«,58 indem er eine eigene Invektivserie gegen Poggio eröffnete. Der freilich, sicherlich auch neiderfüllt über die frühe Dichterkrönung, überfuhr ihn schroffst mit der unflätigsten seiner Invektiven.59 53 Vgl. auch bei Anm. 94. 54 Zu Sarteano: Walser (1914), 170. Zu Bessarion: Poggio Bracciolini (1984 – 1987), III, ep. VI 12 und VI 13, 268 f., 270 f.; Schaller (2002), 171, 179 f. 55 Poggio, Invectiva secunda gegen Valla, in: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), II 215 f.; Lorenzo Valla (1978), 86. 56 Lorenzo Valla (1984), 380, Nr. 51; vgl. Schaller (2002), 179. 57 Ein anderes Beispiel von 1426: Poggio wird von Antonio Loschi zugetragen, dass ein Kurialer Poggios privat geäußerte Kritik an der Kurie dem Papst zugetragen habe. Poggio antwortet mit einer scharfen Diatribe (Invectiva in delatores), die bereits ganz den Stil der späteren Invektiven vorwegnimmt; Poggio Bracciolini (1964 – 1969), II 711 – 718; siehe dazu Walser (1914), 94. 58 Voigt (31893), II 150. Sozusagen als Unterschildknappe mischte sich noch der Dr. utr. iur. Battista Brandi, ein Schüler des Legisten Lodovico Pontano, ein, der nach Poggios Weggang von der Kurie dessen Nachfolger als Sekretär wurde; vgl. Miglio (1972) (freundlicher Hinweis von Thomas Woelki, Berlin). 59 Siehe weiterführend Schaller (2002), 174: in dieser Invektive sei »ein gewisser quantitativer Höhepunkt jener Schimpf- und Schmähorgien des Renaissance-Humanismus erreicht«; vgl. oben Anm. 62 und 81. Allein auf die Dichterkrönung geht Poggio »penetrant bösartig« und »nicht weniger als 16mal« ein; ebd., 175. Zu den Beziehungen Niccolý Perottis zu Valla und seine Kritik an dessen Schriften zu Grammatik und Dialektik: Pade (2000); Abbamonte (2003), 31 – 46; Stok (2004).
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Rituelle Züge kann auch das Ende des Streits annehmen, etwa in einer förmlichen Beilegung, Poggio schreibt am 14. März 1435 an Filelfo: »Erwarte nicht, dass ich mich nun entschuldige … Du willst [Filelfo hatte zuerst geschrieben] meine Feindschaft nicht, und ich nicht die deine, und ich gebe mir Mühe, dass niemand mir zu Recht zum Feind wird. Denn ich habe gelernt, dass man nicht die Menschen, sondern die Laster (non homines, sed vitia) hassen muss.«60 Der große Valla/Poggio-Streit erlischt ohne Frieden mit Poggios Weggang nach Florenz, wo er in Nachfolge Salutatis und Brunis Kanzler wurde.61 Mit Perotti, den er im Jahr zuvor noch fast in den Wahn getrieben hatte, steht er nach dessen Entschuldigung wieder in freundschaftlichem Briefkontakt und schreibt, er sei ihm wie ein Sohn geworden.62 b) Polemisches Spracharsenal und Textsorten63 Auf diesem Gebiet wäre noch viel zu tun, hier sind nur wenige Beobachtungen möglich. Allgemein gilt: Vieles, was uns zu befremden vermag, war damals polemischer Standard. Charakteristisch für die Lexik sind Paronomasien, vor allem Wortspiele mit Eigen-Namen, entehrende Vergleiche mit Tieren aller Art, und mit Monstren des antiken Mythos sowie in aller Breite der Sexual- und Fäkalbereich. Am wenigsten zu übersehen ist der verbale Pleonasmus: nicht eines, nein fünf Adjektive müssen es mindestens sein; nicht Kleckern, sondern Klotzen, man öffnet die Schleusen. Da haben wir sie, diese Lust am Schimpfen, als kalkuliertes Sichgehenlassen, legitimes Sichaustoben; man zeigt, was man parat hat an malediktischem Wortarsenal. Gerade Poggios Schimpfpalette war sprachschöpferisch. Schaller hat nachgezählt und bei ihm zwölfmal so viele Schimpfworte ermittelt wie bei Cicero.64 Die Mischung aus Injurien und gelehrter Sprachanalyse ist elementar für dieses Genre. Auch die Vielfalt der Textsorten im Invektivcorpus Valla-Poggio verdient Beachtung. Die Invektive kann in andere Textgenres umschlagen, wächst sich etwa zum plautinisch burlesken Schwanktheater aus. Die erste Invektive Poggios gegen Valla endet mit einem satirischen Triumphzug, wo der ganze mythologische Apparat der Antike travestisch über die Bühne zieht. Poggios Invektiven stricken eine veritable Story in Fortsetzungen, ›Vallas peinliche Abenteuer‹. Eine Sauftour in Neapel, mit vor allem olfaktorischen 60 Poggio Bracciolini (1984 – 1987), II, ep. IV 8, 167; zuvor spricht Poggio vom gleichen Recht, sich per Invektive zu verteidigen (166 Z. 11 – 20). 61 Siehe dazu Poggios Brief an Tommasi von 1454; Poggio Bracciolini, Lettere (1984 – 1987), III, ep. VI 26, 291 – 296; dazu unten bei Anm. 53. 62 Siehe die Belege bei Schaller (2002), 179 f. 63 Wichtige Ansätze zu einer auch statistischen Wortfeldanalyse etwa bei Schaller (2002), 173 – 176, und Versuch bei Helmrath (2005), 568 – 575. 64 Schaller (2002), 178.
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Details,65 dann eine große Szene in der Unterwelt; das Gericht der Teufel im Hades kommt zum Schluss, Valla sei so perfide und borniert, dass man ihn eigentlich als ihren Agenten wieder auf die Erde schicken kann. Zweiter Akt im Jenseits (Poggios IV. Invektive): Valla kommt ins Elysium und singt. Alle Dichter, Philosophen und Historiker, Cicero, Vergil und andere treten auf und wenden sich mit Grausen von ihm und seinen peinigend schlechten Versen ab. Schließlich ein neuer Triumphzug, diesmal infernalisch: Valla wird zum Dichter gekrönt – mit dem Gedärm eines Maultiers, das ihm auch den Mund stopft, und zieht in klassischem Schandritus ab, rücklings auf einem Esel sitzend. Lukian lässt grüßen, ja fast – Jacques Offenbach!66 Vallas Apologus kontert mit einem ähnlich burlesken Text, der als plautinische Komödie aufgemacht ist. Nachdem zuerst die drei Humanisten Guarino, Valla und Poggio, der sich blamiert, aufgetreten sind, übernehmen der Koch Parmeno und der Stallknecht Dromo die Szene. Der Koch/coquus ist traditionell und sinnigerweise Prototyp des ›Küchen‹-Lateins aus dem Volk, aber hier sprechen die beiden Knechte immer noch sensibler Latein als Poggio, ja regen sich maßlos über dessen Grammatikfehler auf.67 Quisquis est iste Pogius, so der Koch, peius me loquitur, qui quoquinariam factito? Koch zum Stallknecht: »Nimm ihn mit.« »Warum?« »Er soll dir im Stall helfen.« »Was hat er getan?« »Latinitatem grammaticamque tanquam ollas frangit. Wenn wir das nicht verhindern, ist’s ums Latein geschehen. Die Italiener werden uns noch Hinterälpler (transalpinos) und Barbaren nennen.«68 Dann werden nach bekannter Methode sprachliche Schnitzer durchexerziert. Parmeno: Quid vult, mi Dromo, ante se verbum ›taedet‹. Dromo: Accusativum. Parmeno: Und was hat er? Dromo: Den Nominativ. Parmeno: Und was gehört dahinter? Dromo: Der Genetiv. Parmeno: Und was hat er? Dromo: Den Akkusativ (richtig wäre: me taedet facinoris). Parmeno: Klagen wir beide den Kerl an. Dromo: – und verprügeln ihn.69 Dass solche Theatertravestien dem puren Amüsement dienten, liegt auf der Hand. Sie sind als Sprechakte zu denken. Nach antiken Vorbildern darf ebenso gefragt werden wie nach volkssprachlichen, etwa der frottola.70 Es scheint je-
65 Poggio, Secunda Invectiva gegen Valla, in: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), I 218; vgl. Valla, Antidotum secundum, in: Lorenzo Valla (1962), II 341. 66 Poggio, Quarta Invectiva gegen Valla, in: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), II 869 – 885. 67 Siehe auch Pfeiffer (1960), mit Auszug aus dem Dialog in deutscher Übersetzung. Zur diskriminierenden Bezeichnung coquus, etwa zur Abqualifizierung des niederen Klerus am Basler Konzil: Helmrath (2005), 570 f.; Prügl (1998), 195. 68 Quem nisi prohibeamus, actum est de lingua Latina. Et postea italici nos transalpinos, barbaros vocant; ed. Camporeale (1972), Zitate 486, 488. 69 Camporeale (1972), 500. Der bisher kaum untersuchte 2. Teil des Apologus lässt wieder die drei Humanisten und den Frühscholastiker Dominicus Gundisalvi (12. Jh.) auftreten. 70 Vgl. Walser (1908). Galand-Hallyn (1999), 131 – 190, hier 146 die These, die Invektive habe
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denfalls, als werde der »italienische Volksgeist«, für Burckhardt ja neben der antiken Tradition die zweite und wichtigere Säule der Renaissancekultur, hier lebendig. c) Zitatregie und Dialogisierung Da sie unmittelbar auf Texte rekurrieren, bestehen die Invektiven also zu einem großen Teil aus wörtlichen Textzitaten des Gegners, – seinen Invektiven, aber auch aus anderen Werken wie Poggios Briefen oder Vallas Elegantiae, und anschließenden Kommentaren! Selbst die Saufszene aus Poggios 2. Invektive, in der Valla als besonders abstoßendes Subjekt erscheint, wird von letzterem in der Gegeninvektive eisern zitiert und damit ja auch versachlicht.71 Da die Zitate des Gegners also wiederum eigene Texte zitieren, werden sie zum Selbstzitat, die Zitatregie schafft damit ein höchst vielschichtiges, im engsten Sinne ›intertextuelles‹ Geflecht. Das Zitat – entkontextualisiert – und manchmal durchaus auch verkürzt, mithin verfälscht, erscheint dennoch als Dokumentationsgrundlage eines so begründeten wissenschaftlichen Dialogs (Zitataustausch mit Kommentar). Es erhält aber zugleich die Funktion des Prangers, das den Gegner gleichsam portionsweise, in Serie, zur Schau stellt. Diese Dialogisierung scheint mir ein bisher wenig gesehenes performatives Phänomen zu sein. d) Öffentlichkeit und Publikum Schon Burckhardt hat gesehen, dass die Invektiven »auf eine Art von halber und geheimer Publizität berechnet« sind.72 Sie kursieren in einer Öffentlichkeit, von der nie deutlich ist, ob und wann die geschlossene, ihrerseits wesentlich durch Texte konstituierte Öffentlichkeit der humanistischen Corona sich zu einer breiteren weitet. Die Kontroverse zwischen Poggio und Valla schlägt 1452/53 Wellen, gewinnt nach Camporeale geradezu »una risonanza nazionale.«73 Das ist zunächst Sache der Distribution und der Nachfrage. Die Korrespondenzen der beteiligten Humanisten geben oft genug reflexartig Einblicke in Parteiungen, Freundeskreise und zumindest partiell in Strategien und Zufälle der Textdistribution, die offenbar immer an Dritte, nie direkt an den Gegner erfolgt: Am 20. November 1452 schickte Poggio duas orationes (wohl die Invektiven II–III) gegen Valla an jenen Pietro Tommasi in Venedig.74 Die Referenzschrift, Vallas 1.
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viel zu tun mit der »satire vernaculaire des deux siºcles pr¤c¤dants, la ›frottola‹ par exemple». Poggio, Zweite Invektive gegen Valla, in: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), I 218; zitiert von Valla, Antidotum II (Lorenzo Valla (1962), I 341). Burckhardt (111988), 154. Camporeale (1972), 328. Nunc per archiepiscopum mitto duas orationes, quas scripsi contra dementiam Laurentii Valle
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Antidotum (suam responsionem ad priorem meam), so Poggio, schreibe er nicht ab (non scribo), »weil er in drei überlangen Büchern gegen mich losgefahren ist«, und das konfus und ohne Eleganz, … »es kostet zu viel Zeit, um diesen Mist« – immerhin 60 Folia – »abzuschreiben.«75 Die Humanisten lebten eben noch im Handschriftenzeitalter, mit ihrer ›longue dur¤e‹ des Abschreibens. Jeder Text, auch die Invektiven, die auf rasche Wirkung abzielten, mussten mühsam kopiert werden. Das wurde selten ein Lauffeuer, es sei denn, es war bestens vorhergeplant. Zurück zu Poggio: Der Venezianer Lorenzo Zane, dem er die Schriften mitgegeben hatte, arbeitete wohl als eine Art Doppelagent: denn er schreibt im Dezember 1452 aus Venedig an Valla (!): »alle kommen zu mir, die halbwegs gebildet sind und wollen Deine Verteidigungsschrift. Und wenn ich tausend Exemplare hätte, könnte ich die Nachfrage nicht befriedigen.«76 Das ist eine Hyperbel, aber sie deutet doch an, dass in Venedig Textnachfrage in Kreisen bestand, die durch persönliche Bindungen vorkonstituiert waren.77 Auch der Autor selbst förderte die Verbreitung seiner Invektiven. Schon nach Ende des Streits, im Sommer 1453, als Poggio in Florenz die Kanzlerschaft angetreten hatte, schreibt er an Mattia di Trevi (Triviani) in Venedig, der eng mit dem Kreis um Guarino in Ferrara verbunden ist, und schickt ihm, sich förmlich die Hände reibend, seine fünf orationes gegen Valla; gepfeffert und witzig, wie sie seien, werde er das Lachen nicht halten können. Er dürfe sie ausschreiben und die Texte beliebig weitergeben, nur den Ausgangstext fordert Poggio zurück.78 Zur Wirkung beim Publikum: Aus Ferrara, an den Kreis um Guarino, wohin Poggio auch seine erste Invektive geschickt hatte, schrieb der junge Filippo Tifernate (Tifernas) ca. November/Dezember 1452: »Über den Triumphzug
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in utraque iurgiis ab eo et conviciis provocatus, ut necesse fuit respondere¸ Poggio Bracciolini (1984 – 1987), III, ep. IV 8, 138. Suam responsionem ad priorem meam non scribo, quia tribus libris perlongis in me invectus est inconcinne, inepte, absurde, ineleganter, ut non vacet tempus, eas nugas exscribi faciendi; Poggio Bracciolini (1984 – 1987), III, ep. IV 8, 138; Camporeale (1972), 334. Concurrunt ad me omnes qui aliqua litteratura praediti sunt et a me petunt, ut sibi defensionem tuam velim commodare; cuius defensionis si mille apud me essent exemplaria, non possem his omnibus satisfacere; Lorenzo Valla (1984), ep. 50a, 378. Weitere Lobeshymnen seitens seiner Anhänger aus Venedig stammen im Dezember 1452 von Gian Pietro da Luca (ebd. ep. 50b, 378) und Francesco Diana, ebd. ep. 50c, 379. Die Getreuen Poggios hätten zunächt, accepta illius in te invectiva, triumphiert, aber nachdem Vallas Gegeninvektive eintraf, sei die Stimmung umgekippt. Zur Problematik der Rezeptionskreise siehe auch Miethke (1983), 93 – 124, hier 116. Mitto ad te quinque orationes meas, quas edidi in spurcissimum monstrum Laurentium Vallam. Scio, si eas legeris, non continebis risum, quoniam multis salibus et facetiis sunt refertae. Exscribi eas facias velim, et cum quibus tibi videbitur communices; meas autem ad me remittas, quia volo Venetias deferri ad amicum quemdam, qui eas postulavit, ut illius dementis insania notior fiat; Poggio Bracciolini (1984 – 1987), III, ep. IV 18, 157; Camporeale (1982), 399.
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Vallas (sc. das burleske Ende von Poggios 1. Invektive) habe ich ein Exemplar von Porcellio aus Rom erhalten; was soll ich dir sagen: .. soviel Klatschen, Juchzer und Gelächter löste sie bei allen aus, dass nichts je mit größerer Lust aufgenommen wurde.«79 Und er bekennt sich: Poggianus ero semper / »Ich werde immer Poggianer sein«, das heißt »Fan, Missionar Verteidiger von Ruhm, Lob und Namen Poggios.«80 Es ging eben nicht um rational optimierten Diskurs, sondern der Streit bietet Anlass für die erweiterte Corona, sich zu amüsieren – und: sich intern um einen ihrer Stars zu positionieren. Denn Invektivenschreiben schafft Ruhm! Zeitweilig aber auch Leid: Alberto Parisi schildert Poggio den angeblichen körperlichen und psychischen Verfall des jungen Perotti, unter den Schlägen von Poggios Gegen-Invektiven. Hier finden sich ausnahmsweise auch Züge von Scham, die sich typischerweise zu verbergen sucht.81 e) Scherz und Ernst: Das Ringen um die Latinität Aber am allermeisten ging es um das Latein, um Grammatik, Syntax, Stil. Fast denkt man an jene Karikatur dreier rauschebärtiger Studienräte aus dem ›Simplizissimus‹, wo einer sagt: »Heute hatte ich einen wunderbaren Traum: ich gab Cicero einen Fünfer in Latein.« Und doch, bei allem Amüsement, das war auch heiliger Ernst! Ausführlich zitiert sei eine typische Passage aus Poggios Invectiva prima gegen Valla: »Da er aber, unser neuer Aristarch, ich weiß nicht was Lächerliches in meinen Schriften angreift, wollen wir mal ein wenig das Gewicht seiner Worte prüfen: Er sagt, im ersten Brief … sei Folgendes schlecht formuliert: da sagte ich nämlich irgendwo gratias referam/ ›ich danke‹, wo ich doch gratiam dicere hätte sagen müssen! Falsch! Ein Satz würdig dieses ›Korrektors‹ oder besser : Kor79 De triumpho autem Valle cuius a Porcellio Romano exemplum accepi, quid tibi dicam, non equidem scio, tantos enim plausus, clamores, risus omnibus concitavit, ut nihil umquam fuerit maiore voluptate susceptum; ed. Walser (1914), Nr. 60, 492; Camporeale (1972), 398. Der Humanist Giannantonio Pandoni, genannt Porcellio, wurde auch anderweitig als Überbringer von Manuskripten eingesetzt, so von Poggio an Pietro Tommasi: non fuisse tibi tradita opuscula, que ad te miseram per Porcellium Neapolitanum; Poggio Bracciolini (1984 – 1987), ep. IV 8, 138. 80 Itaque iure optimo Poggianus ero semper, hoc est gloriae, laudis, nominis Poggii amator, predicator, defensor; ed. Walser (1914), Nr. 60, 492. Am 14. Dezember 1452 hatte Poggio seinerseits dem Filippo Tifernate die II. Invektive angekündigt, er würde sie ihm schicken, habe aber derzeit kein Exemplar zur Hand: ad te mitterem, si domi esset, sed tam multi eam legere cupiunt, et scribere, ut mecum diutius esse non possit: curabo ut eam habeas, cum primum invenero portitorem fidum; Poggio Bracciolini, Lettere (1984 – 1987), III, ep. IV 9, 141; vgl. Camporeale (1972), 334. 81 Alberto Parisi an Poggio Sommer 1454: Cum palatium egreditur, quod fit perraro, circumspicit an magis solito in se ora hominum vertantur, qui enim solum conscientia eorum, que occulta videbantur torqueretur multo nunc magis exestuat, reseratam cernens prioris vite turpidinem. Itaque pallidulo vultu, oculis subtristibus, incessu vario, verbis ambiguis testatur egritudinem cordis; ed. Walser (1914), 528 f. Nr. 84; dazu Schaller (2002), 80.
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ruptors. Was nennt er hier Fehler, was alle gebrauchen, die je Latein schrieben? (quod in usu est omnium qui latine scripsere). Warum soll man nicht auch gratias referre sagen können, wo doch die Autorität eines Cicero den albernen Schwachsinn dieser Bestie (illius belue insulsam dementiam) zum Schweigen bringt. Der sagt nämlich in einem Brief an Vatinius nicht nur tu mihi habuisti gratias, sondern eben auch x-mal (accumulantissime): reddidisti. Seht her, unser Cicero (Cicero noster) … sagt gratias referre. Aber die zügellose und eingefleischte Schmähsucht (libido redarguendi) bringt diesen kranken Menschen dazu, dass er nicht mehr weiß, was er da schreibt.«82 Und so geht es weiter. Jeder angebliche Stilfehler erhöht Zahl und Schärfe der Beschimpfungen. Der alte Kämpe gerät immer mehr in Fahrt und nimmt sich Vallas Schriften vor, die Elegantiae, aber auch die schon über zwanzig Jahre alte Schrift De voluptate. Da wimmelt es doch nur so von Fehlern und Solözismen! Vallas Gegenschrift macht es in ihrem dritten Teil knapper. Sie traktiert über 300 Zitate aus Poggios Briefen (diesmal aus dem älteren, schon 1435 publizierten Briefwechsel mit Niccoli) mit lakonischer Korrektur-Ohrfeige. Ich bringe nur das letzte Zitat: Nam quantulum sunt mea existimanda? Die Kritik lautet: quanti – nicht quantum – oder gar quantulum hättest du sagen müssen.83 Was soll das nun alles? Natürlich auch Amüsement bringen. Aber es geht doch weit darüber hinaus. Drei Thesen bieten sich an: a) Die invektivisch lateinkritischen Beispielserien sind frühe Modelle wissenschaftlicher Kontroversen?84 Die Texte, als Fehler- und Zitatlisten zum Teil »auf dem Niveau von Stilübungen«,85 nehmen einerseits den Charakter eines polemischen Zeilenkommentars (das wäre ganz traditionell, ja scholastisch), zum anderen fast den von Rezensionen an. Da geht es um Kritik und Kompetenz, und Kompetenz ist latent kompetitiv. Der Rezensent will zeigen, dass er es ebenso gut, ja besser kann. Schließlich ist »Forschung … ein aus den Bezugnahmen von Individuen resultierender sozialer Tatbestand.«86 b) Hochklassige (und das heißt: hoch klassische) Latinität ist das Palladium, die geradezu ontische Kernqualifikation jedes Humanisten, und wesentliches Konstituens für Zugehörigkeit, kontrollierte Konformität wie für Abgrenzung von den ›Ungebildeten‹, eine Arete/Aristie, die vor den Augen der communitas stets neu zu erbringen war.87 Kritik daran stellte Ehre und Existenz mehr in Frage 82 83 84 85 86 87
Poggius Bracciolini, Opera (1964 – 1969), I 190 f. Lorenzo Valla, Antidotum primum (1978), 240. Vgl. aus der breiten Literatur : Caplan / Engelhardt (1986); Machamer / Pera / Balta (2000). Schaller (2002), 179. Charpa (2001), 63. So betont Schaller (2002), 179, richtig und doch zu kurz greifend, dass »dieser RenaissanceHumanismus ja seine Wurzeln ganz in der Philologie hat, dass seine ganze Ehre die Philologenehre ist.« Aus der breiten Literatur hier nur : Rizzo (1973); Tavoni (1984); Mazzocco
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als der Vorwurf, man sei ein Hurenbock. Das wäre die gruppeninterne Selbstbehauptung. Es ging aber um noch mehr : c) Es war ein Ringen um die Latinität selbst. Man glaubt zu spüren, wie sich die Humanisten als schmale Trägerschicht eines neuen Elitewissens für dieses höchste Mittel geistiger Artikulation des Menschen verantwortlich fühlten. Vor allem Valla: Seine Elegantiae linguae latinae von 1444 waren hoch ambitioniert, zugleich stellten sie eine ungeheure Herausforderung dar. Valla liegt zum einen durchaus noch »im Handgemenge mit dem Mittelalter« (Arnold Esch), kämpft gegen die ›gotische‹ Verhunzung des Lateins (codices Gothice scripti).88 Die Antike als Leitkultur freilich ist auch für Valla zu Ende, sie ist historisch geworden. Es geht also zum anderen um die Re-konstruktion des Lateinischen als Idealsprache. Nicht gegen die Klassiker, sondern aus ihnen, aus ihrem Material, das man ihnen seismographisch und in maximaler Nuancierung ablauscht. Es geht um das »discrimen sensuum« – die Unterscheidung der Sinne, den usus loquendi.89 Es geht um die präzise Feinheit des Denkens, den nuanciertest möglichen Ausdruck. Hier knüpft für Valla die Dialektik an. Ihm gelingt gewissermaßen die Rhetorisierung der scholastischen Dialektik: Topik ist ›Verortung‹, flexibel, aber exakt. Damit wiederum verbunden ist der Wiederaufbau der Theologie, beginnend mit kritischer Bibelphilologie. Und da geht es dann eben doch um ›Wahrheit‹. Das Schreiben – auch von Invektiven – wird von Valla nicht bloß satirisch, sondern als Kampf stilisiert, es ist – wie bei Hieronymus – geradezu eine militia Christi für die Wahrheit, und ihre Waffe ist die Kritik.90 Poggio hat diesen existenziellen Anspruch seines Gegners, der ihm fremd war, wohl gespürt, und dies nicht ohne Grauen. Seine eigene Position, die jedes Rühren an den Klassikern als Sakrileg brandmarkte, ist im Sprachlichen konservativer, als er selbst schreibt, der er eben im Stil kein Ciceronianer ist. Auch in den Invektiven, die Poggio gegen Valla richtet, geht es also um mehr : Es geht einmal um die Selbstbehauptung des älteren Humanismus gegen die neue von Valla repräsentierte stilkritische Richtung mit ihren letztlich theologischen (1993); Perini (2004). Zur Frage im deutschen Humanismus: Bernstein (2003); ders. (2004), 100 – 106. 88 Die Degeneration der Sprache begann nach Valla mit Isidorus (von Sevilla), dann werden genannt: Papias aliique indoctiores, es folgen hochmittelalterliche scholastische Autoren: Eberhardus (sc. von Bethune), Huguccio (der Kanonist), das Catholicon des Johannes Balbi, Aymo et ceteri indigni; Lorenzo Valla (1962), I 41, Praefatio zum II. Buch. Zum Kulturbruch der Völkerwanderung: gentes semel iterumque Italie influentes Romam ceperunt, ut imperium eorum, ita linguam quoque … accepimus…Argumento sunt codices Gothice scripti, quae magna multitudo est. .. Unde …omnes scriptores nequaquam facundi ideoque prioribus multo inferiores fuerunt. En quo literatura Romana recidit. Veteres admiscebant linguae suae Grecam. Isti admiscent Gothicam; ebd. 80. Vgl. Regoliosi (1995). 89 Siehe die Widmung der Elegantiae an Giovanni Tortelli, in: Lorenzo Valla (1962), I 5. 90 Fois (1969), 473 – 501; Camporeale (1972); Monfasani (2000).
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Zielen. An sie sollte Erasmus anknüpfen und Valla gegen Poggio verteidigen.91 Poggio ist insofern der streitbare Exponent der alten Humanisten- und Stilgeneration.92 Er sieht sich aber auch in der Rolle des Glaubenshüters. Unter diesen Prämissen erscheinen die zahlreichen Beschimpfungen Vallas als haereticus, zieht man die knatternden invektivalen Pleonasmen ab, in scharfem Licht. Poggios erste Invektive endet kaum zufällig mit den Worten Describetur vita (sc. Vallae), omnis haeresis patefiet.93 Ein Jahr nach Erlöschen des Streits schreibt Poggio, schon Kanzler von Florenz, an den unheilbaren Verehrer Vallas Pietro Tommasi – rückblickend, und doch in geradezu postbellizistischer Aufwallung – ein Resümee seiner Invektiven gegen den abwesenden Valla. Die Quintessenz lautet: Häresie. Hoc vere dicere possum, nullum opus ab illo fanatico nebulone editum, cui non aliqua in fide heresis sit admixta.94 Diese Haltung fügt sich in Poggios kompromisslose konservative Ablehnung des Konziliarismus in der Dreißiger und Vierziger Jahren.95 In jedem Fall verdient der Poggio-Valla-Streit weiterhin vertiefte philologische und kulturwissenschaftliche Zuwendung. Ehe im Folgenden die politische Dimension der Invektiven erörtert wird, sei ein Seitenblick auf zwei weitere Invektivgruppen geworfen, die sich jeweils durch eine besondere Thematik auszeichnen und bisher kaum als Ganzes erforscht sind.
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Erotik und Geschichtsschreibung: Antonio da Rho und Beccadelli, Valla und Facio
1) Eine kürzlich edierte Invektive richtete der Franziskanerhumanist Antonio da Rho gegen den jungen Antonio Beccadelli (Panormita) 1431/32; sie spielt sich im Umfeld des Visconti-Hofs in Mailand ab. Hier standen sich rivalisierende Gruppen gegenüber, die eine, der auch da Rho angehörte, um den Humanisten 91 Erasmus, an Cornelis Gherard Juli (?) 1489, empfiehlt die Elegantiae (Erasmus von Rotterdam (1906), I 108, Nr. 23 und 112 – 115, Nr. 26). – Gherard, an Erasmus 1489 Juli (?), wehrt sich gegen die Empfehlung Vallas, der doch von Poggio, einem vir eloquentiae admodum peritus und vielen anderen angefeindet worden sei; es folgt das Zitat eines Vierzeilers von Poggio (Erasmus (1906), I 109 f., Nr. 24). Zu diesen Erasmus-Briefen Camporeale (2001), 251 – 253, ebd. 264 – 268 zum Einfluss Vallas auf Erasmus in Fragen der Bibelphilologie (Literatur). 92 So argumentiert auch Schaller (2002), 179; vgl. Bigi / Petrucci (1971), 645: »Una polemica, in cui Poggio sentiva di rappresentare e difendere non soltanto la sua persona, quanto tutta una cultura letteraria, quella del primo umanesimo, contro gli assalti baldanzosi della nuova, storico-filologica, iniziata appunto dal Valla e destinata a prevalere nella seconda met del secolo«. Zur Problematik auch Kajanto (1987). 93 Poggio Bracciolini (1964 – 1969), II 205. 94 Poggio Bracciolini (1984 – 1987), ep. VI 26, 291 – 296, hier 293 Z. 73 f. 95 Siehe Helmrath (2005), v. a. 556 – 563.
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und herzoglichen Sekretär Pier Candido Decembrio, die andere um Beccadelli, damals herzoglicher Hofdichter. Als Anlass diente einmal mehr Beccadellis schon 1425 Cosimo Medici gewidmete Gedichtsammlung Hermaphroditus, die wohl obszönste seit Martial.96 Dass diese Gedichte eine breite öffentliche Diskussion ausgelöst hatten, zeigt, dass sehr wohl um Grenzen des Tolerablen gerungen wurde.97 In Antonio da Rhos Philippica in Antonium Panormitam geht es mithin, indirekt und moraltheologisch züchtig gemacht und predigthaft, um Obszönität und Scham, das heißt, ohne dass der Mönch dies offen ausspricht, um die konkrete Darstellung von Sexualität, nicht zuletzt von Homosexualität. Im Vordergrund steht aber die poetologische wie moraltheologische Frage: was darf Dichtung, wie weit darf der Dichter gehen, namentlich wenn er Christ ist? Ist der Dichter, der nach dem Vorbild heidnischer Autoren der Antike Obszönes schreibt, deshalb selbst ein amoralischer Charakter? Beccadelli verteidigte sich unter anderem kaum überraschend mit Catulls berühmten Versen (16,5),98 hielt es aber dann doch für ratsam, sich aufgrund der Kritik von seinem Werk zumindest rhetorisch zu distanzieren. »Der Päderastie-Vorwurf gehört« zwar »zur Topik der Invektive«99 (so auch in den Invektiven Poggios gegen Filelfo), hinreichend ausgeleuchtet ist dieser Aspekt bislang aber nicht, weder literarisch noch in seinem sozialgeschichtlichen Kontext. Nicht nur verschiedene Humanisten wurden der Homo- bzw. Bisexualität geziehen (Beccadelli, Filelfo, Pandoni Porcellio), gerade in Florenz richtete man 1432 einen eigenen Gerichtshof für derartige Delikte (›Sodomie‹) ein, vor dem während seines siebzigjährigen Bestehens nach jüngeren Forschungen die kaum glaubliche Zahl von 17.000 Männern angeklagt wurde.100 2) Eine weitere thematisch ganz anders gelagerte Fehde entspann sich 1446/47 am Hof König Alfons’ V. von Neapel zwischen den beiden rivalisierenden Hofhumanisten Lorenzo Valla und Bartolomeo Facio, hinter dem freilich wiederum Beccadelli Panormita stand. Hier geht es um Historiographie. Valla hatte über
96 Zuletzt: Antonio Beccadelli (2001). Dem bibliophilen Genre der Erotica zuzurechnen ist die Ausgabe Antonio Beccadelli (1908). Der Philippica ging bereits ein früherer Angriff des Antonio da Rho voraus, die sog. Apologia … adversus archidiaconum quempiam; ed. Rutherford (2005), 196 – 241. 97 Siehe Rutherford (2005), 7 – 17 (über Antonio da Rho), 22 – 40 über die Philippica, hier die gesamte Literatur ; wichtig auch O’Connor (1997), mit weiteren lobenden und kritischen Stimmen, darunter Vallas (De voluptate), Poggios und Guarinos, der 1426 an Giovanni Lamola schreibt: Scis enim non licere idem nobis, qui Christiani sumus, quod olim poetis, qui Deum ignorabant; Beccadelli (2001), 26. 98 Panormita im Brief an Antonio da Rho, ed. Rutherford (2005), 248 – 251, hier 251; Antonio da Rho, Philippica, ed. Rutherford (2005), 94. Catull, 16, 5 – 6: Nam castum decet esse pium poetam / ipsum, versiculos nihil necesse est. Dazu auch O’Connor (1997), 998. 99 Schaller (2002), 175. 100 Rocke (1996) zur Verfolgung von Homosexualität in Florenz.
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den Vater Alfons’ V. eine Historia Ferdinandi regis verfasst.101 Gegen dieses Werk schrieb Facio vier Invektiven und ließ sie an die Corona verschicken. Valla selbst musste einer Kopie förmlich hinterherrennen, bekam sie schließlich über Freunde in Rom, als Abschrift ausgerechnet desjenigen Exemplars, das in die Hand seines Erzrivalen Poggio gelangt war.102 Die Sequenz der Waffengänge soll geordnet erscheinen: Valla will bei seiner Antwort auf Facio (in respondendo) die Reihenfolge (ordinem) in sequentibus invectivis einhalten, auch wenn es lächerlich sei, und erst auf Facios Wortkritik (in dessen erster Invektive), dann auf seine Satzkritik (in dessen zweiter Invektive) eingehen.103 Es ist die bekannte Methode: 500 Zitate aus Valla werden von Facio nacheinander kritisiert, zuerst die imperitia der Wortwahl, dann die verba und sententiae seines Lateins, sowie anschließend die res, die Inhalte der Historiographie. Vallas Antidotum in Facium stellt 520 Facio-Zitate dagegen und gleich noch 100 Emendationes in Titum Livium.104 Um letztere wurde nämlich am Neapolitaner Hof in öffentichen Lesungen gerungen. Zu den res lautet Facios Hauptvorwurf, Valla berichte Dinge, die der (Hof-)Historiker aus Pietät nicht darstellen dürfe: so hatte Valla offen geschildert, wie König Martin I. während der Rede eines französischen Gesandten schnarchte, und ebenso ungerührt die Szene, wie der schwer adipöse König, wenn er den Beischlaf mit einer Frau ausüben wollte, dies nicht ohne fremde Hilfe konnte, sondern an Gurte gehängt, die an der Decke befestigt waren, auf sie herabgelassen werden musste. Facios Kommentar : das sei sowohl gegen das praeceptum brevitatis des Historikers wie noch mehr contra probabilitatis praeceptum…, quod dignitates personarum servate non sint.105 Wie Worstbrock bereits herausarbeitete, geht es hier um zwei Auffassungen vom Ethos des Geschichtsschreibers: während Facio mit dem Stichwort dignitas darstellerische Diskretion und damit indirekt Schonung der Herrschenden fordert, stellt ihm Valla unter dem Stichwort veritas die ungeschminkte Darstellung dessen, was gewesen ist, einschließlich der lächerlichen
101 Lorenzo Valla (1973). Dazu: Camporeale (1972), 444 – 448 (Literatur); Ferra· (1986) und vor allem Worstbrock (2004), bes. 89 – 91. 102 Lorenzo Valla (1981), I 18: At hi quartum addiderunt descriptumque in multa exemplaria opus per Italiam dimiserunt; ita ut propinqui mei. quod Neapoli habere nequiveram, ad me, Porcelii beneficio, Roma transmiserint ex eo exemplari transcriptum, quod isti ad Pogium transmiserant. 103 Lorenzo Valla (1981), II 123. 104 Lorenzo Valla (1981), mit umfassender Einleitung (I–CLXXXIX); die Emendationen zu Livius ebd. LXVII–LXXVI, 322 – 371. Vgl. Regoliosi (1981). 105 Bartolomeo Facio, Invectiva in Vallam (1978), 97; zu vergleichen mit dem Valla-Text mit den Zitaten aus Lorenzo Valla (1973), c. II 3, 86 und II 14, 93. Dazu Worstbrock (2004), 94 – 96.
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oder schändlichen Taten von Mächtigen, gegenüber : andernfalls wird daraus Panegyrik, nicht Historiographie.106
6.
Invektive und Politik. Humanisten zwischen den Feldern der Literatur und der Macht
Die Analyse stand bisher stark unter literarischen und gruppensoziologischen Auspizien. Doch waren auch in Italien Interferenzen des literarischen mit dem politischen Feld für die Humanistenexistenz geradezu strukturell. Aufstiegsbesessen und mit neuem, antiketrächtigem Deutungswissen – und das heißt: Herrschaftswissen – versehen, machten sie nicht zuletzt als Sprachbeherrscher – mit Antikefachwissen gut Latein redend und schreibend – Karriere an Fürstenhöfen und städtischen Kanzleien. Sie waren Teile des sozialen und politischen Lebens in ihren Städten, darunter Mailand, Bologna und vor allem Florenz. Der Machtkampf der italienischen Stadtstaaten um politische und kulturelle Dominanz involvierte die Humanisten von Anfang an. Der Florentiner Kanzler Coluccio Salutati hatte schon 1403 den Kampf gegen Mailand unter anderem in der Form einer Invectiva geführt, eines Pamphlets, in dem die Gegenschrift seines mailändischen Opponenten, die Invectiva in Florentinos des Humanisten Antonio Loschi, Punkt für Punkt zerpflückt wurde.107 Das Florenz der Mitte des 15. Jahrhunderts machte eine subkutane Metamorphose durch, weniger seiner republikanischen Institutionen selbst als vielmehr seiner informellen Machtverhältnisse. Nach der von der Familie der Albizzi dominierten Oligarchie seit ca. 1380 bis 1434 etablierte sich, nachdem Cosimo Medici 1433 noch exiliert worden und 1435 triumphal zurückgekehrt war, langsam und wohl kaschiert eine auf Klientel und Kulturpolitik gestützte Signorie der Medici. Aus diesem Kontext seien abschließend zwei durchaus vielbödige Invektivalkomplexe vorgestellt: I) die Invektiven gegen Niccolý Niccoli, insbesondere die Satyrae des Francesco Filelfo, und – hier im Vordergrund – seine Verteidigung durch Poggios Gegeninvektiven; II) vor antiker Folie: die Scipio-Caesar-Kontroverse zwischen Poggio und Guarino Guarini. I) Die rätselhafteste Figur des Florentiner Kulturlebens im frühen 15. Jahr106 Lorenzo Valla (1981), 289: Age vero, ut sequar absurditatem rationis tue et tibi de qualitate respondeam, quid mea si ille (sc. König Ferdinand) avare et, quod supervacue addis, iniuste fecit. Nunquid panegyricum an gesta qualiacunque scribo Ferdinandi? 107 An diesen politisch invektivalen Aspekt des sog. Bürgerhumanismus Hans Barons sei nur durch Nennung von dessen Hauptwerk erinnert: Baron (1966), zur Invectiva in Antonium Luscum 96 – 101, 577 f. s.v.; zu Loschis Invectiva ebd., 576 s.v. Eine Verbindung der Kontroversen aus der Zeit Salutatis mit der späteren zwischen Poggio und Valla versucht Trinkaus (1989) herzustellen.
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hundert und zugleich Teil der humanistischen Corona war Niccolý Niccoli (1363 – 1437).108 Er stammte aus vornehmer Familie – der Großvater war nach Forschungen von Susanne Saygin wohl gar Kanzler von Florenz als Vorgänger des großen Humanisten Coluccio Salutati –, aber sie stieg wohl wie viele andere infolge des Ciompi-Aufstands von 1380 politisch ab. Niccolý Niccoli betätigte sich nach gängigem Urteil als frei schwebender Intellektueller und Schöngeist, als arbiter elegantiarum, Handschriftenvermittler und Editor. Obwohl er selbst weder nennenswerte politische Ämter bekleidete, noch irgendetwas außer Briefen schrieb, sind so viele Briefe an ihn und ein so dickes Bündel von Invektiven gegen ihn erhalten, dass man mit ihnen auch methodisch Neues versuchen kann. Der letzte dieser Angriffe, kam 1433/34 von Francesco Filelfo, einem der Großhumanisten der Corona. Filelfo, in Libertinismus wie Eitelkeit selbst im Kreise seiner Genossen eine krasse Figur, hatte Niccoli in einigen seiner Satyrae in äußerst schlüpfrigen Versen hoch persönlich angegriffen.109 Wie kaum ein anderer Humanist bezog Filelfo eine klare politische und damit im Kreise der Corona eine Außenseiterposition: nämlich gegen Cosimo Medici und für das alte Regime der ›ottimati‹ und ihr Haupt Palla Strozzi, der nach der Rückkehr Cosimo Medicis aus dem Exil 1434 selbst exiliert wurde.110 Niccoli wird offenkundig als Medici-Parteigänger angegriffen. Zur Verteidigung Niccolis springt Poggio, wie er sagt als Freund, in die Bresche und antwortet Filelfos Versen in drei Prosa-Invektiven mit skatologisch gleicher, freilich weitgehend entpolitisierter Münze.111 Die Vorwürfe gegen Niccoli werden Anlass für einen Stellvertreterkrieg zwischen den Großhumanisten Poggio und Filelfo. Es geht zunächst vor allem um sexuelle Argumente: Niccoli, das hatte Filelfo 108 Im Folgenden stütze ich mich, ohne die Belege, vor allem auf Material, das Susanne Saygin (Köln), gefördert von der Gerda-Henkel-Stiftung, über Niccoli zusammengestellt hatte; es harrt der Publikation. Eine moderne Monographie über Niccoli wird schmerzlich vermisst. Zu den Angriffen gegen Niccoli jetzt Davies (1987), besonders zu den Angriffen Guarinos, Leonardo Brunis und Filelfos in seiner Satire In Lallum (130 – 140), deren Text: ebda, 145 – 148. Zu benutzen ist auch noch Voigt (1893), I 295 – 306, 403 f., II 536 s.v.; Zippel (1890). 109 Filelfo, Satiras (1989; nicht gesehen); Filelfo (2005). Die Ausgabe Mailand 1474 ist noch nicht gänzlich ersetzt. Zuletzt zu Filelfos Satyrae und seine Stellung zur Politik in Florenz bis 1444: Blanchard (2007). 110 Dazu analysiert Blanchard (2007) erstmals das Corpus der Satyrae sowie Filelfos Traktate zum Exil, die Oratio ad exules von 1437 sowie die Commentationes Florentinae de exilio (1144—1164) und findet darin stoische und kynische Positionen ebenso wie »cosmopolitan moral positions« (1164), auch das Bekenntnis zur Meinungsfreiheit. 111 Invektiven Poggios gegen Filelfo: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), I 164 – 169, 170 – 174, 174 – 186. Dazu Walser (1914), 176 – 180 mit weiteren Angaben; von neuem Poggio an Giacomo Foscari am 13. Dezember 1437 (Poggio Bracciolini (1984 – 1987), III, ep. VII 4, 278 Z. 27 – 54) sowie am 10. Februar 1438 (ebd. ep. VII 7, 285 Z. 1 – 16). Vgl. allgemein Oppel (1971).
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aufgespießt, lebte ohne Heirat mit einer gewissen Benvenuta zusammen. Einmal mehr stellt sich hier die Frage, was zur Invektiv-Topik gehört, welche sozialen Praktiken tatsächlich üblich waren und wie sie normativ oder pragmatisch bei verschiedenen Gruppen von Zeitgenossen gesehen und verortet wurden. Auch Poggios Gegenschlag sucht zunächst des Angreifers eigene Sexualmoral zu diskreditieren: Filelfos Mutter lebe vom Verabreichen von Klistieren und ähnlich übel riechend sei der Sohn geworden; er habe seine griechische Frau, eine Enkelin des berühmten Lehrers Manuel Chrysoloras, im Haus ihres Vaters geschändet. Du »priapischer Apoll, der du nicht aus der Quelle des Helikon (Götterberg), sondern des Merdikon trankst«, »keinen gläsernen, einen fleischernen Priap … gabst du ab, als du das Knäblein (pusio), das du hier in dieser Stadt liebtest, zwischen Dir und deiner Frau im gleichen Bett untergebracht hast. Und Du – so das rhetorische Schema – wagst es, den allseits geachteten Niccoli zu schmähen, und dies – das Schlimmste – auch noch mit schlechten Versen (in quibus male latine loqueris). Im Kontrast dazu strahlt Niccoli dafür umso heller (elucebit probitas ipsa Nicolai).«112 Es geht Poggio in der 2. und 3. Invektive darum, Vita und Karriere Filelfos zu diskreditieren: sein unstetes Wanderleben, auf dem er noch jeden, der ihn förderte, brüskiert und beleidigt habe. Die Prominenten der Corona von Bruni bis Guarino passieren hier in einer anklagenden ›Italia illustrata‹ fast sämtlich als Zeugen Revue.113 Filelfo wird nicht nur sexualmoralisch diskreditiert, sondern scheinbar auch zum Außenseiter der Corona, zum Outcast stigmatisiert, zumindest literarisch exkludiert. De facto freilich war ein so prominenter Humanist und berühmter Lehrer, den alle kennen und der alle kennt, nicht exkludierbar. Poggio hat die Niccoli-Affäre als Gelegenheit zum Angriff gegen diesen Rivalen genutzt. Filelfo sollte hier die Rolle des geprügelten Angreifers einnehmen. Denn eigentlich ging es ja um den zuerst Angegriffenen, um Niccolý Niccoli. Es käme darauf an, die Vorwürfe gegen ihn aus diversen Textsorten neu zu ordnen, auf ihre Zielrichtungen, nicht zuletzt die latent politischen, zu prüfen und mit dem Bild aus den Epistularien zu vergleichen.114 Folgende Vorwurfskomplexe schälen sich vorläufig heraus:
112 Zitate: Poggio, Invectiva prima gegen Filelfo, in: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), I 165 f., 169. 113 Neben Bruni und Guarino erscheinen Ambrogio Traversari, Carlo Marsuppini, Leonardo Giustiniani, Francesco Barbaro und Niccolý, der Sohn des Antonio Loschi; Poggio, Invectiva secunda gegen Filelfo, in: Poggio Bracciolini (1964 – 1969), I 171 – 175. 114 Vgl. Lorenzo Valla an Pier Candido Decembrio, ca. 1442 – 43, Lorenzo Valla (1984), 238 – 241, Nr. 18. Valla enthüllt hier ein zweifellos gängiges Diskreditierungssziel von Invektiven, hier in Bezug auf seinen Konkurrenten am Hof Alfons’ V. Antonio Beccadelli Panormita: Mihi crede Candide, … feci ut et apud regem et apud exteros Panormita indoctissimus esse videatur (ebd. 239 Z. 33 – 35). Am Ende des Briefs sind zwei Gedichte nach Art Martials
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1) Niccoli ist ein arroganter Kritiker und Lateinbesserwisser, der andere Humanisten heruntermacht und schädigt. Was bedeutet das? Nicht Streitsucht, die hatten alle, sondern ein Indiz, dass der arbiter und ›mezzadro‹ tatsächlich als einflussreicher ›Gatekeeper‹ bei den Mächtigen wirkte, der Türen öffnen und verschlossen halten, Karrieren fördern oder vernichten konnte. In gewisser Weise wirkte er »als ›broker‹ zwischen der Humanistencorona und dem Patronagenetz der Medici« (Susanne Saygin). 2) Niccoli schiebe Bücherinteresse nur vor, es gehe ihm in Wirklichkeit um den Kommerz. Tatsächlich – der Codex war eben nicht nur hehrer Textträger für Cicero und Livius, sondern auch Handelsware – scheint Niccoli einen schwungvollen Handel mit Handschriften und ihrem Rohstoff, Papier und Pergament, betrieben und auch seine Textdistributionen nach dem Markwert ausgewählt zu haben. Welcher Klassiker war gerade besonders gesucht? Insofern war die Corona von ihm auch abhängig, nicht ohne sich zu ärgern. 3) Niccolo sei zu unbegabt, faul und arrogant, um eigene Werke zu schreiben, wie es für einen Humanisten selbstverständlich ist. Er weigere sich aber auch, ein städtisches Amt zu übernehmen, treibe sich nur polemisierend auf Gassen und Gelagen herum. Tatsächlich wurden im Florenz der Medici Signoria und andere Verfassungsgremien indirekt durch informelle Tafelrunden in den Häusern der ›ottimati‹ abgelöst (der Albizzi, Medici, Strozzi etc.). Niccolis Abstinenz wäre dann nicht, wie die Invektiven suggerieren, als persönliche Schwäche oder Marotte, sondern als Ausdruck seiner Funktion als eine Art Zeremonienmeister der Regierungscliquen zu verstehen. 4) Niccoli ziehe die Florentiner Dichter-Heroen Dante, Boccaccio und Petrarca, die tre corone, in den Schmutz und sympathisiere mit auswärtigen Gegnern der Stadt, mit Mailand und Neapel, beide monarchisch gelenkt. Hatte Niccoli tatsächlich Sympathien für die Monarchie? Oder war es nicht vielmehr Kritik an seiner Nähe zum politischen Feld, sprich zu den Medici? Man sieht, welch subtiles, buchstäblich vielschichtiges und kaum einplanig deutbares politisches Feld sich hier anhand der Invektiven und Briefe öffnet. Denn Poggio, der Niccoli beispringt, ist selbst im Dienst der Kurie, Anhänger der den Papst schützenden Medici, während Filelfo, der Niccoli angreift, zugleich einer der wenigen war, die 1433/34 die Medici offen kritisierten. Drei Schichten sind auszumachen: In der Außensicht der Invektiven geht es um den Lebenswandel Niccolý Niccolis bzw. seines Angreifers, Francesco Filelfo. In einer zweiten Ebene geht es um seine Position, seine informelle Macht in der Corona. Und drittens, davon nicht trennbar, um seine enge Verbindung zur
inseriert (240 f.), die drastisch über Beccadellis angebliche Bisexualität bzw. Pädophilie spotten. Vgl. oben bei Anm. 100.
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Macht, zu Cosimo Medici, sowohl vor dessen Exil 1433/34 wie erst recht nach dessen Rückkehr. II) Auch die berühmte, ihrerseits in Form von Invektiven ausgefochtene Scipio-Caesar-Debatte von 1434/35115 hat einen hochpolitischen Untergrund. Hier gerierte sich Poggio vor allem im Streit mit Guarino Guarini aus Ferrara als Caesaromastix, als Caesarfresser, und verteidigte Scipio in der Synkrisis mit Caesar. Guarini, aus dem Ferrara der Este-Dynastie, vertritt hingegen den Part des letzteren und fährt schroff gegen den Caesaromastix los. Auch hier fehlt also die genrespezifische Schmäh-Topik der Invektiven nicht. Der Schein trügt, hier würden stellvertretend mit Scipio die Republik und mit Caesar die Monarchie verteidigt. Gerade Poggio ist nicht im eigentlichen Sinne ›Republikaner‹. In seiner Schrift De infelicitate principum und in Briefen an Cosimo de Medici, vor und nach dessen Exil (1434), stilisiert er den Scipio als Vorbild eines bürgernahen, friedvollen und mäzenatischen Paternalismus, eine Art Vorbild der kryptischen Signorie der Medici. Im Grunde geht es in dieser Debatte nicht um die Alternative Monarchie und Republik, sondern um ein »new concept of monarchy« (Oppel), einer Monarchie, die bereits ihren Sitz im Leben der italienischen Kommunen hatte.
7.
Schluss
Die Analyse der Humanisten als Gruppe hat sich einiger Begriffe bedient, die bei Pierre Bourdieu gängig sind und wegen ihrer Brauchbarkeit zusehends üblich werden. Es geht um die Positionierung von Intellektuellen in der Community. Als These sei formuliert: Die Invektiven funktionierten als ein Kommunikationsmittel, ein positiv identitätsstiftendes Medium der humanistischen Corona, sozusagen ex negativo. Die bilaterale Invektive war die polemische Kehrseite des Freundschaftskults. Die Invektive, ihre Sprechakte, ihr beißender Witz galten offenbar als Ars, ihr Ausfechten im Schlagabtausch als agonale Aristie, die als Kunst-Werk und ›specimen eruditionis‹ auf ähnliche Anerkennung stieß wie Briefe, Staatsreden oder Dialoge. Der Gegner ist Rivale und zugleich Komplize individueller Profilierung. Der »Renaissancemensch« – er hört sich auch gerne schimpfen. Die Invektiven, in ihrer merkwürdigen Mischung aus Gelehrsamkeit und Grobianismus waren insofern ein ritualisiertes Gesellschaftsspiel, die kalkulierte Transgression zunächst zum Amüsement einer geschlossenen Öffent115 Walser (1914), 164 – 176; auch Ciriaco d’Ancona und Pietro da Monte schalteten sich mit Invektiven in den Streit ein, ebd. 171 – 173. Canfora (2001); Oppel (1974); Crevatin (1982), Edition 309 – 326; Pade (2007), I 233 – 254.
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lichkeit, das insofern eben nur bedingt ›ernst genommen‹ wurde. Zu tatsächlicher Exklusion führten sie nicht. Auch Lächerlichkeit führt nicht zum sozialen Tod, sie gehört dazu. Auch Todfeindschaften unter Einzelnen sprengten nicht die Gesinnungsgemeinschaft als solche. Die Invektivrunden endeten offen, versandeten oder wurden gütlich beigelegt. Der nachhaltige Hass Poggios gegen Valla als haereticus, artikuliert im Brief an Pietro Tommasi nach Ende des Streits,116 zeigt einerseits dessen weltanschauliche Tiefendimension, blieb aber auch Ausnahme. Zur juristischen Klageerhebung wegen Beleidigung (infamia) vor städtischen Gerichten, die ja denkbar und prinzipiell auch möglich gewesen wäre, kam es unseres Wissens nicht. Es bleibt bei der Selbstregulierung des intellektuellen Diskurses mit weiten Toleranzgrenzen. Der agonale Umgangsstil entspricht einem gleichartigen Denkstil.117 Die Invektiven können als eine Form auf dem Wege betrachtet werden, in der sich die wissenschaftliche Kontroverse und Rezension künftig artikuliert. Die invektivalen Themenfelder sind nicht aus der Luft gegriffen, sie sind akut und relevant für die Gegenwart der Beteiligten. Der Raum potenzieller Transgression ist breit: Sexualität, Historiographie, religiöse Sprache, auch Hochpolitisches wie die Staatsform, – und obenan und alles vermittelnd die Latinität als spezifisches Feld humanistischer Selbstbehauptung und zugleich Medium, um Karriere zu machen. Einem Thomas von Aquin wäre ein Streit auf dieser Ebene kaum eingefallen. Wer hier siegt, unterliegt einem subtilen Aushandlungsprozess der Corona. Ein klares Ergebnis wie »der kann besser Latein« gibt es nicht, zumal das Feld eines retronormierten klassisches Lateins ja selbst noch im normativen Aufbau war. Dass der Kampf um das Jota grammatischer Details auch ein Stellvertreterkrieg um höfische Karrieren, ein ostentatives Trommeln für das Ohr der Mächtigen und keineswegs ein bloß sportlicher Paragone aus struktureller Konkurrenz in der Gruppe sein konnte, ist hingegen bekannt und nicht zu bezweifeln. Weder Spuren von Scham als »Kommunikationsform qua Dissimulation« noch das Bewusstsein, Grenzen der Beleidigung überschritten zu haben, werden erkennbar artikuliert118 – mit Ausnahme dessen, was über Perotti gesagt wurde,119 – weder in der Form noch in den grenzrelevanten Inhalten der Invektiven, um so mehr Schamlosigkeit qua Ostentation, als Provokation, die sich freilich in einem sehr breiten, in der Gruppe akzeptierten Feld verbaler Malediktionen bewegt. Sie wurde insofern intern, im Milieu, nicht als Grenzverlet116 Siehe oben bei Anm. 94. 117 Vgl. Batkin (1979), 102, 108. 118 Zur Fragestellung, deren Anwendbarkeit auf die Invektiven zu prüfen ist, siehe etwa Seidler (1995); Moos (2001). 119 Siehe oben bei Anm. 62 und 81.
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zung aufgefasst, nicht in der Form und auch in den sexuellen Insultationen nicht. Und wenn eine breitere Öffentlichkeit sich tangiert sah, spielte auch sie, spielten Papst und Fürsten ganz offenbar mit. Die Bedeutung der Invektiven für die humanistentypische Verschränkung des literarischen mit dem politischen Feld ist intensiver zu untersuchen. Reizvoll wäre auch ein Ausblick auf andere nationale Humanistenkreise im Deutschland der Sodalitäten, in Frankreich oder England.120 Das Genre sollte ja in der Reformation noch einmal eine Hochblüte erleben. Sowohl die humanistische Invektive wie die scholastische Disputation konnten hier in den gleichen Schützengräben liegen, ohne ihrer strukturellen Gemeinsamkeiten bewusst zu sein. Thomas Murner, Johannes Eck und Albert Pigge auf der einen, Ulrich von Hutten,121 Melanchthon, Andreas Karlstadt auf der anderen Seite, mit oder gegen den effektvollsten und grobianischsten aller deutschen Polemiker, Martin Luther. Aber das ist ein neues Kapitel.
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Eckhard Bernstein
Liebe die Reuchlinisten, verachte die Arnoldisten. Die Reuchlin-Kontroverse und der Humanistenkreis um Mutianus Rufus
1. Ein deutscher Wissenschaftler mit internationalem Renomm¤e wird, neben einer Reihe anderer Gelehrter bedeutender Universitäten, im Jahre 1510 von dem Mainzer Erzbischof um ein Gutachten gebeten. Darin soll die Frage geklärt werden, ob man jüdische Bücher (außer der Bibel) beschlagnahmen und gegebenenfalls verbrennen soll. Als einziger der Experten verneint er die Frage in einem vertraulichen Gutachten. Dieses wird durch eine gezielte Indiskretion bekannt, und in den folgenden zehn Jahren wird dieser stille, bereits 55-jährige Wissenschaftler zum Zentrum der heftigsten Kontroverse im vorreformatorischen Deutschland. Die causa Reuchlini – denn um keinen anderen als den bekannten Juristen und Hebraisten Johann Reuchlin und dessen Konfrontation mit den Kölner Dominikanern handelt es sich – wurde zu einer europäischen Sensation, wie der Rechtshistoriker Guido Kisch meint.1 Mehr als 50 Schriften auf Deutsch und Latein wurden verfasst,2 hunderte von Briefen ausgetauscht, ein Teil von ihnen auch gedruckt. Der Streit wurde mit allen Mitteln der damaligen Publizistik ausgetragen und brachte neben Invektiven auch eine Reihe von Satiren hervor, unter denen das antischolastische Meisterwerk der Renaissance, die Epistolae obscurorum virorum, die Dunkelmännerbriefe von 1515, hervorragt. Die Kontroverse polarisierte nicht nur die europäische Intelligenz, sondern auch die politischen Eliten. Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise, der württembergische Herzog Ulrich und selbst Kaiser Maximilian setzten sich z. B. 1 Kisch (1961), 24. Das Zitat ama Reuchliastros, contemptui habeas Arnoldistas stammt aus einem Brief des Mutian an seinen Freund Peter Eberbach. Vgl. Fußnote 56. 2 Die genaue Anzahl lässt sich nicht ermitteln, da eine ansehnliche Zahl der ephemeren Flugschriften verloren gegangen sein dürfte. Die geschätzten Zahlen ergeben sich aus dem Index scriptorum causam Reuchliniarum spectantium in: Hutten (1859 – 1869), Suppl. II 53 – 115. Böcking kommt auf 44 Schriften, wobei er allerdings die deutschen und lateinischen Fassungen der Schriften Pfefferkorns jeweils als eine Schrift zählt. Zählt man sie getrennt, kommt man auf 51 Druckwerke.
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für Reuchlin ein, während sein Enkel, der spätere Kaiser Karl V., und der französische König sich für Reuchlins Widersacher, die Kölner Theologen, verwendeten. Ziel meines Beitrages ist es nicht, diesen so genannten Reuchlin-Streit zu rekapitulieren. Seit dem 19. Jahrhundert ist dieser oft, wenn auch mit unterschiedlichen Interpretationen und Akzentuierungen, referiert worden.3 Die Quellen sind bekannt und werden jetzt auch durch die Berliner Reuchlin-Ausgabe Forschern leicht zugänglich sein.4 Der Verlauf lässt sich also mit Hilfe dieser Dokumente rekonstruieren. Statt also die Kontroverse noch einmal in aller Ausführlichkeit zu referieren, soll hier die dritte Instanz, die bei jeder Auseinandersetzung zusätzlich zu den eigentlichen Streitparteien eine Rolle spielt, im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Gemeint ist die humanistische Öffentlichkeit, also jene res publica literaria, die sich am Anfang des 16. Jahrhunderts in Deutschland gebildet hatte. Da es sich aber bei den Humanisten – mit diesem Begriff nenne ich im Sinne P. O. Kristellers5 Personen, die sich haupt- oder nebenberuflich mit den studia humanitatis beschäftigten – um eine höchst heterogene Gruppe handelte, wird sich der Beitrag auf den Kreis, den ordo literarius, wie er sich selbst nannte, konzentrieren, der sich seit 1505 um den Gothaer Kanoniker Mutianus Rufus gebildet hatte. An Hand einer Analyse der ausgedehnten Korrespondenz des Kreises soll untersucht werden, wie diese Gruppe auf die Kontroverse reagierte und wie der hinter den Kulissen wirkende Mutian seine zahlreichen jungen Anhänger zur Parteinahme für Reuchlin gegen die Kölner Theologen mobilisierte.
2. Zunächst ist aber doch zum Verständnis des Kontextes eine kurze Skizze des Streitverlaufs nötig. Katalysator der causa Reuchlini war der konvertierte Jude Johann Pfefferkorn.6 Nachdem er zwischen 1507 und 1509 vier Werke veröffentlicht hatte, in denen er seine früheren Glaubensgenossen scharf angriff,7 gelang es ihm im Jahre 1509 bei Kaiser Maximilian eine Vollmacht zu erwirken, die ihm die reichsweite Konfiskation jüdischer Bücher zu Prüfungszwecken erlaubte. Im September 1509 begann er in Frankfurt lustig zu konfiszieren, wie es Max Brod 3 4 5 6 7
Graetz (1864/65); Kisch (1961); Peterse (1965); Brod (1965); Kirn (1989); Martin (1994). Reuchlin (1999). Kristeller (1961), 9 – 10. Zu Pfefferkorn: Geiger (1869); Spanier (1935); Kirn (1989); Martin (1994). Der Joedenspiegel, Der Juden beicht, Das Osterbuch und der Juden veindt.
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leicht ironisch ausdrückte.8 Nach Protesten der jüdischen Gemeinden schritt jedoch der Mainzer Erzbischof ein und verbot weitere Beschlagnahmungen. Die Angelegenheit ging zurück an den Kaiser, der zunächst die Rückgabe der Bücher befahl und den Erzbischof beauftragte, er möge Gelehrte einiger Universitäten sowie einzelne Personen wie den Kölner Ketzermeister Jakob von Hochstraten und Johann Reuchlin um Gutachten ersuchen, um die Frage zu klären, ob man den Juden alle ihre Bücher nehmen, abtun und verbrennen soll. Während die Universität Heidelberg auf Zeit spielte und für eine mündliche Verhandlung plädierte, befürworteten die Gutachten der Universitäten Mainz, Köln und Erfurt sowie die Einzelgutachten die Konfiskation. Nur ein einziger Gelehrter sprach sich für den Erhalt der jüdischen Bücher aus, und das war Johannes Reuchlin. Der 1455 in Pforzheim geborene Reuchlin war zur Zeit, als die Kontroverse um die jüdischen Bücher ausbrach, durch seine wegweisenden Studien des Hebräischen bekannt geworden und hatte als erster nicht-jüdischer Gelehrter im Jahre 1506 eine hebräische Grammatik, De rudimentis hebraicis, veröffentlicht.9 Reuchlins Gutachten oder Ratschlag, wie er es selbst nannte, ist zu Recht immer wieder wegen seiner Toleranz gepriesen worden. Die jüdischen Bücher wurden zurückgegeben, und damit hätte die ganze Angelegenheit beendet sein können. In Mainz aber hatte Pfefferkorn Einsicht in das handschriftliche, vertrauliche Exemplar des Reuchlinschen Ratschlages bekommen. Da er sofort erkannte, dass Reuchlins Gutachten, falls es publik würde, seine Pläne einer Beschlagnahme jüdischer Bücher gefährden konnte, setzte er zu einem Präventivschlag an. Zur Frankfurter Frühjahrsmesse 1511, also etwa ein halbes Jahr, nachdem Reuchlin sein Gutachten an den Mainzer Erzbischof gesandt hatte, veröffentlichte er den Handt Spiegel.10 Reuchlin hätte die Schrift möglicherweise unbeantwortet gelassen, wenn sie nicht in massiver Weise seine Person, seine wissenschaftliche Kompetenz, seine Rechtgläubigkeit und seine Ehre angegriffen hätte. Dermaßen getroffen, antwortete Reuchlin ein halbes Jahr später mit seinem Augenspiegel.11 Es war diese umfangreiche Schrift, die im Zentrum des sich sieben Jahre hinschleppenden Prozesses (1513 – 1520) stehen sollte. Der Augenspiegel wurde angeklagt, konfisziert, verbrannt, freigesprochen und schließlich verurteilt. Kein anderes Werk reflektiert den Prozessverlauf so genau wie diese Schrift. 8 Brod (1965), 195. 9 Zu Reuchlin: Geiger (1871); Krebs (1955); Kisch (1961); Spitz (1965); Brod (1965). 10 Genaue bibliographische Beschreibung bei Hutten (1859 – 1869), Suppl. II 75. Zum Handspiegel Kirn (1989), 124 – 131; Martin (1994), 137 ff. 11 Geschmückt mit einen Titelblatt, das eine Riesenbrille, eben einen Augenspiegel, darstellte, erschien das Werk im September 1511 bei Thomas Anselm in Tübingen.
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In einem Brief an einen Kölner Freund hatte Reuchlin geschrieben: Leicht ist es einen Streit zu beginnen, schwer ihn zu beenden.12 Das sollte Reuchlin nach der Veröffentlichung des Augenspiegels am eigenen Leibe erfahren; denn die beiden Parteien lieferten sich in den nächsten Jahren einen publizistischen und juristischen Schlagabtausch, der dazu führte, dass die Kölner Theologen Reuchlin in drei Prozessen, 1513 in Mainz, 1514 in Speyer und schließlich 1516 in Rom, totprozessieren wollten, wie Max Brod sagt.13 Erst im Jahre 1520 wurde der Augenspiegel endgültig verurteilt. Zu diesem Zeitpunkt hatte jedoch die causa Lutheri bereits die causa Reuchlini im öffentlichen Bewusstsein verdrängt.
3. Worum ging es nun eigentlich im Reuchlin-Streit? Lange Zeit, spätestens seit dem 19. Jahrhundert und den Untersuchungen von Ludwig Geiger14 und D. F. Strauss15 galt die Reuchlin-Kontroverse als ein Kampf zwischen Scholastik und Humanismus. Diese Auffassung wurde auch im 20. Jahrhundert z.B. von Paul Joachimsen16 und Hajo Holborn17 vertreten. Viel Aufsehen erregte der amerikanische Historiker James H. Overfield dann mit seinem 1984 erschienenen Buch Humanism and Scholasticism in Late Medieval Germany.18 Er lehnte die Auffassung einer Auseinandersetzung zwischen Humanismus und Scholastik in der Reuchlin-Affäre kategorisch ab: der Status der Juden und ihrer Bücher sei wichtiger gewesen als der Konflikt von Humanismus und Scholastik. Die Kölner Theologen waren antijüdisch, nicht anti-humanistisch: »Humanism was never a central issue.«19 Arnold von Tungern habe Reuchlin nicht als Humanisten angegriffen, sondern weil er in ihm einen Judenbegünstiger sah.20 Ähnlich argumentierte Hans-Martin Kirn in seinem Buch 12 Facile rixa oritur, sed difficiles habet exitus. In: Reuchlin, (1999 – 2003), II 286, Nr. 198. Alle Übersetzungen vom Lateinischen ins Deutsche stammen vom Verfasser E.B. 13 Brod (1965), 238. 14 Geiger (1871), 240. 15 Strauss (1877). 16 Joachimsen (1930). 17 »Was die Theologen verbitterte und die Verdammung Reuchlins durch eine deutsche Universität nach der anderen und schließlich durch Paris und Löwen hervorrief, war die Tatsache, dass er als Humanist seine philologischen Mittel zu einer neuen Interpretation von einigen Bibelabschnitten angewendet hatte. Das war die Todsünde des ›Augenspiegels‹, was andererseits das Signal für alle Humanisten war, gemeinsam zur Verteidigung Reuchlins zu eilen.« Holborn (1968), 52. 18 Overfield (1984). 19 Overfield (1984), 277. 20 Overfield (1984), 263. Die Ansichten Overfields sind in Deutschland stark rezipiert worden: Vgl. die ausführliche Rezension von Helmrath (1988), 187 – 203.
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»Das Bild vom Juden in Deutschland im frühen 16. Jahrhundert«. Er betrachtete die Kontroverse als eine »grundsätzlich innerkirchliche Angelegenheit: Von einem Konflikt zwischen traditionsgebundener Scholastik und antiklerikalem Humanismus kann bei diesem Streit und den damit verbundenen Auseinandersetzungen nicht die Rede sein.«21 Auch der Rechtshistoriker Winfried Trusen sah keine generelle Feindschaft zwischen Scholastik und Humanismus.22 Wichtig für unsere Untersuchung ist, dass Overfield das Engagement der deutschen Humanisten für Reuchlin, das man bis dahin als selbstverständlich dargestellt hatte, stark relativierte: »The support for Reuchlin was never universal and less enthusiastic than most writers have assumed.«23 Aber verhielt es sich tatsächlich so? Statt mit pauschalen Urteilen den Humanisten die Unterstützung Reuchlins in seiner Kontroverse mit den Kölner Theologen abzusprechen, sollte man sich auf einen überschaubaren Kreis konzentrieren. Genau das soll mit diesen Beobachtungen über die Reaktion des Mutianischen Kreises auf die Reuchlin-Kontroverse getan werden.
4. Mutian war einer der großen Humanisten nördlich der Alpen, der oft in einem Atemzug mit Johannes Reuchlin, Willibald Pirckheimer und Erasmus von Rotterdam genannt wurde.24 Geboren im Jahre 1470/71 besuchte er die berühmte Schule von Deventer, wo Erasmus sein condiscipulus war. Nach seinem Studium an der Universität Erfurt begab er sich für sieben Jahre nach Italien, wo er in Ferrara seinen juristischen Doktorgrad erwarb. Nach seiner Rückkehr aus Italien im Jahre 1502 zog er sich 1503 in die thüringische Stadt Gotha zurück, wo er sich eine bescheidene Pfründe sichern konnte. Das Fehlen kongenialer Freunde unter seinen Mitkanonikern kompensierte Mutian dadurch, dass er einen Kreis meist jüngerer Freunde um sich sammelte, mit denen er Ideen austauschte und klassische Studien betrieb. Bald wurde sein Haus, das er Beata Tranquillitas nannte, das Zentrum dieser lockeren Sodalitas. Zu dieser Gruppe gehörten unter anderem Georg Spalatin, der spätere Mitarbeiter Luthers, der Jurist Herebord von der Marthen, der Mediziner Peter Eberbach, der Mönch und Satiriker Crotus 21 Kirn (1989), 132 und 193: »Die Schriften der Pfefferkorn-Reuchlin Kontroverse wurden zu Unrecht zu einem Kampf zwischen Scholastik und Humanismus stilisiert.« 22 Trusen (1987), 115 – 157. Stattdessen untersuchte er die Motivationen Reuchlins und seiner Gegner und geht auf »die theologischen und juristischen Grundlagen, wie man sie zu jener Zeit [kursiv von Trusen] als gegeben ansah« ein. 23 Overfield (1984), 253. 24 Zu Mutian: Halbauer (1929); Abe (1953); Spitz (1963); Kleineidam (1969); Scribner (1976/ 77); Margolin (1979); Bernstein (1983); Bernstein (1990), 319 – 320; Rädle (2002).
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Rubeanus, der Dichter Eobanus Hessus, der Theologe Johann Lang und vor allem der Mönch und Oeconomus des Klosters Georgenthal Heinrich Urbanus, Mutians treuester Freund. Grundlage für die vorliegende Untersuchung ist die Korrespondenz des Mutianus. Mutian war, wie die meisten humanistischen Zeitgenossen, ein unermüdlicher Briefschreiber.25 Er korrespondierte mit zahlreichen Zeitgenossen, u. a. mit Kurfürst Albrecht von Brandenburg, mit dem sächsischen Kurfürsten Friedrich dem Weisen, mit dem humanistisch gesinnten Abt Trithemius, den Gelehrten Joachim von Watt (Vadianus) und Joachim Camerarius, dem venezianischen Drucker Aldus Manutius, dem Freiburger Juristen Ulrich Zasius, dem oberrheinischen Humanisten Beatus Rhenanus, mit Erasmus von Rotterdam, Martin Luther und dem Augsburger Humanisten und kaiserlichen Rat Conrad Peutinger. Das sind nur die bekanntesten Korrespondenten. Seine eigentliche Bedeutung liegt in dem Briefwechsel mit jenen Männern, die er um sich geschart hatte. Da diese Briefe nicht zur Publikation bestimmt waren, geben sie nicht nur Einblicke in die Gruppendynamik dieses Kreises, sondern auch ehrlichere und offenere Einsichten in Mutians Denken als die förmlicheren Schreiben, die er mit bekannten Persönlichkeiten wechselte. Außerdem unterscheidet sich Mutian in einem ganz entscheidenden Punkt von der Mehrzahl der Humanisten. Er hat nie an eine Veröffentlichung gedacht, sondern verbat sich ausdrücklich eine Publizierung und schärfte seinen Korrespondenten häufig ein, die Briefe nach Erhalt zu zerreißen oder zu verbrennen.26 Gelegentlich begründet er diese Bitte um Vernichtung seiner Briefe damit, dass sie sprachlich nicht genügend gefeilt seien.27 In den meisten Fällen handelt es sich um Briefe an Urban, in denen er um Beseitigung bittet, weil er wegen seiner unorthodoxen Ansichten mögliche Repressalien seitens der kirchlichen Autoritäten fürchtet. Da die meisten seiner Briefe also nicht zur Publikation bestimmt waren, besitzen 25 Der Briefwechsel des Mutian liegt in zwei Ausgaben vor, beide aus dem Ende des 19. Jahrhunderts: 1. Krause (Mutianus (1885)) und 2. Gillert (Mutianus (1890)). Krause benützt hauptsächlich den Frankfurter Codex mit seinen 527 Nummern, führt die bereits im Druck erschienenen Briefe zwar auf und erschließt sie durch Regesten, druckt sie aber nicht ab, da sie angeblich jedem leicht zugänglich sind. Auf diese Weise verzichtet er auch auf eine streng chronologische Anordnung. Gillert hingegen identifiziert nicht nur den Frankfurter Codex als von Urban selbst geschrieben, sondern druckt auch alle, also die bereits vorher gedruckten Briefe, in chronologischer Reihenfolge ab, mit der richtigen Begründung, dass diese schon vor Jahrhunderten, zur Zeit Mutians erschienenen Werke schwer zugänglich seien. Aus diesem Grunde wird auch hier die Gillertsche Ausgabe benutzt, obwohl gelegentlich auch auf die von Krause veranstaltete zur Ergänzung zurückgegriffen wird. 26 Z. B. Mutianus (1890), Nr. 35: combure literas; Nr. 103: ut literas concerpas; Nr. 105: ut literas meas concerpe; Nr. 142: literas combure; Nr. 143: concerpe; Nr. 163: subito concerpito; Nr. 228: literas discerpe; Nr. 266: conscinde; Nr. 217: epistolas concerpe; Nr. 251: pone in ignes; Nr. 522: concerpe; Nr. 464: concerpe. 27 Mutianus (1890), Nr. 522.
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sie eine Qualität, die den meisten Humanistenbriefen abgeht. Aus diesem Grunde ist die Mutianische Korrespondenz in den Worten Fidel Rädles »vielleicht die geistreichste und zugleich intimste ihrer Art.«28
5. In der etwa 650 Briefe umfassenden Korrespondenz Mutians existieren über 60 Briefe, die sich mit der Reuchlin-Affäre befassen. Die meisten von ihnen, 40, sind an Urban gerichtet.29 Daneben haben sich Briefe über den Bücherstreit an Petreius (Peter Eberbach),30 Crotus Rubeanus,31 Gregor Agricola,32 Conrad Peutinger,33 den Abt vom Kloster Fulda, Hartmann von Kirchberg,34 Herebord von der Marthen,35 Eobanus Hessus,36 Georg Spalatin37und Johann Lang38 erhalten. Eine sorgfältige Lektüre all dieser Briefe erlaubt uns, die Einstellung Mutians und seines Kreises zum Reuchlin Streit zu rekonstruieren. Es soll in fünf Schritte vorgegangen werden: 1. Mutians persönliche Meinung zum Reuchlin Streit 2. Die Mobilisierung des Mutianischen ordo literarius für Reuchlin 3. Seine Motive 4. Seine Methode 5. Literarische Werke aus dem Mutianischen Kreis, die im Zusammenhang des Streites verfasst wurden.
28 Rädle (2002), 111. 29 Mutianus (1890), Nr. 171; Nr. 218; Nr. 219; Nr. 226; Nr. 228; Nr. 229; Nr. 250; Nr. 251; Nr. 252; Nr. 269; Nr. 273; Nr. 274; Nr. 277; Nr. 280; Nr. 285; Nr. 286; Nr. 288; Nr. 310; Nr. 316; Nr. 320; Nr. 322; Nr. 326; Nr. 331; Nr. 349; Nr. 353; Nr. 361; Nr. 363; Nr. 374; Nr. 378; Nr. 387; Nr. 393; Nr. 410; 418; Nr. 440; Nr. 447; Nr. 455; Nr. 465; Nr. 471; Nr. 503. 30 Mutianus (1890), Nr. 225 und 294. 31 Mutianus (1890), Nr. 260 und 261. 32 Mutianus (1890), Nr. 359. 33 Mutianus (1890), Nr. 298. 34 Mutianus (1890), Nr. 459 und 469. 35 Mutianus (1890), Nr. 325 und 434. 36 Mutianus (1890), Nr. 419; Nr. 499; Nr. 533. 37 Mutianus (1890), Nr. 57. 38 Mutianus (1890), Nr. 566; Nr. 575; Nr. 590; Nr. 594.
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Mutians Meinung zum Reuchlin Streit
Sieben Jahre, bevor der Streit um die jüdischen Bücher ausbrach, also im Jahre 1503, unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Italien, schreibt Mutian einen Brief an Reuchlin, den gelehrtesten Mann Deutschlands, Germanorum eruditissimus.39 Der Brief ist ein regelrechtes Bewerbungsschreiben mit allen Merkmalen, die solche Schreiben kennzeichnen.40 Der fünfzehn Jahre jüngere Mutian, durch seinen siebenjährigen Italienaufenthalt noch nicht in die deutschen humanistischen Netzwerke aufgenommen, ergreift hier also die Initiative und sucht Kontakt zu einem der großen Gelehrten der Zeit.41 An dieser Hochschätzung des Pforzheimer Gelehrten, die sich in diesem Brief ausdrückt, hat sich, trotz einiger Einschränkungen, auf die noch eingegangen werden soll, auch während der ganzen Zeit der Kontroverse nichts geändert. In fast jedem der Briefe, in denen er über Reuchlin spricht, wird dieser fast formelhaft als der größte Gelehrte Deutschlands bezeichnet.42 Immer wieder beschäftigt Mutian sich in seinen Briefen mit der Reuchlinschen Angelegenheit, verfolgt und kommentiert mit Entrüstung die Machenschaften der Kölner Theologen und reagiert, oft mit der unvermeidlichen zeitlichen Verzögerung, die sich aus der langsamen Nachrichtenübermittlung der Zeit ergab, auf die verschiedenen Ereignisses dieses Streites. Oft sind es nur kurze Bemerkungen, eingepackt in andere Themen; gelegentlich bildet die causa Reuchlini aber auch das Hauptthema eines Briefes. Überblickt man also die fast 60 Briefe, die sich mit der Reuchlinischen Angelegenheit befassen, so muss man zu dem Schluss kommen, dass er in der überwältigenden Mehrzahl der Briefe seine uneingeschränkte Unterstützung für Reuchlin ausspricht. Ein Satz in einem Brief an Peter Eberbach aus dem Jahre 39 Mutianus (1890), Nr. 2. 40 Treml (1989), 82. 41 In den folgenden Jahren nimmt Mutian weiteren Anteil an der literarischen Produktion Reuchlins. So bittet er 1506 Urban, die soeben erschienene hebräische Grammatik Reuchlins, De rudimentis hebraicis, zu bestellen (Mutianus (1890), Nr. 43) und erwähnt zwei Jahre später eine Rede, die Reuchlin vor dem Papst zur Verteidigung des Kurfürsten von der Pfalz gehalten hatte (Mutianus (1890), Nr. 66). 42 Mutianus (1890), Nr. 205: doctissimus vir ; Nr. 226: doctissimus etatis nostre; sanctissimus et doctissimus omnis evi decus; Nr. 252: omnium literarum princeps; Nr. 277: noster Reuchlin; Nr. 277: doctissimus etatis nostre; Nr. 288: vir eruditus egregie; Nr. 295: Germanorum eruditissimus; Nr. 298: vir summo ingenio, singulari doctrina, philosophus praeclarus, iuris et eloquentiae consultus, de bonis literis optime meritus; Nr. 325: noster Reuchlin; Nr. 359: magnum Germaniae miraculum; Nr. 359: noster Reuchlin; Nr. 359: propter hebraicas et grecas literas, in quibus mirabiliter excellit merito venerabilis et colendus; Nr. 363: vir eloquentissimus et undique ornatissimus; Nr. 459: Capnion noster ; doctissimus Capnion; Nr. 465: Homo trium linguarum peritissimus; Nr. 554: noster Reuchlin; Nr. 94: Capnion noster.
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1512 könnte als Motto über sein Engagement stehen: Eher gebiert eine Heuschrecke einen Elefanten als dass ich ihm [Reuchlin] widerspreche.43 Obwohl sich die ersten brieflichen Äußerungen über den sich anbahnenden Reuchlin-Streit bereits in einem Brief aus dem Jahre 1510 befinden,44 mehren sich Mutians Anmerkungen zu der Kontroverse in den Jahren 1512 bis 1514, also zu einer Zeit, als der Streit zu einer quasi-öffentlichen Angelegenheit geworden war. Dass sich viel weniger Briefe aus den Jahren 1516 – 1520 finden, mag zwei Gründe haben. Einmal weil der Prozess seit 1516 durch ein päpstliches Mandat suspendiert worden war, zum zweiten weil es durch die Veröffentlichung der Epistolae obscurorum virorum gefährlicher war, sich selbst in vertraulichen Briefen zu der Affäre zu äußern. Wenn einige Forscher wie Overfield,45 Peterse46 und Holborn47 Mutian eine gewisse Reserviertheit gegenüber Reuchlins Verhalten in dieser Kontroverse attestieren, so liegt das an zwei vertraulichen, nicht zur Veröffentlichung bestimmten Briefen an Urban, in denen Mutian tatsächlich Vorbehalte gegenüber dem Ton und an der Methode Reuchlins äußert. Das geschieht in einem Brief an Urban aus dem Jahre 1513,48 in dem er Reuchlin tadelt, dass er seinen Gegner allzu sehr verrissen habe.49 Mit der ihm eigenen Ironie fügt Mutian hinzu: Reuchlin ist ein ausgezeichneter Kenner der fünf wichtigsten Sprachen: Hebräisch, Griechisch, Lateinisch, Schwäbisch und Schmählateinisch.50 Neben dem Unbehagen an Reuchlins »Schmählatein« ist aber noch etwas anderes, was Mutian an Reuchlins Augenspiegel missfällt. Das geht klar aus einem anderen Brief an Urban hervor und führt mitten in das Religionsverständnis Mutians. Dieser, den Fidel Rädle einen »ironischen Entmythologisierer« nennt,51 räumt nämlich ein, dass Vieles von den weisen Männern erfunden worden sei, sodass
43 Mutianus (1890), Nr. 225: Et ego, prius pariet locusta Lucanum bovem, quam ab eodem dissentiam. 44 Mutianus (1890), Nr. 171. 45 Overfield (1984), 281: »Why was Mutian so reserved? The answer is that he had serious doubts about Reuchlin’s behaviour in the controversy.« 46 Peterse (1965), 66. 47 Holborn (1968), 52: »Mutianus bedauerte, dass Reuchlin das humanistische Wissen bei den Massen in Verruf brachte.« 48 Mutianus (1890), Nr. 251; Mutianus (1885) Nr. 287. Gillert datiert diesen Brief auf »Ende März«, Krause auf den August. Ich stimme in diesem Falle mit Krause überein, denn Mutian äußert sich darin auch über Reuchlins umfangreiche Defensio, die erst im April 1513 erschienen war. 49 Mutianus (1890), Nr. 349; Mutianus (1885), Nr. 332. März 1514: Alioqui dicerem peccare Capnionem nimis proscindentem adversarios. 50 Mutianus (1890), Nr. 349: magnus est in quinque maximis linguis hebraica, greca, latina, sueva, malelatina. 51 Rädle (202), 128.
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die Menschen durch Religion getäuscht würden. Der einfache Leser reagiere anders als der gebildete. Jener ist mit einer einfachen Geschichte zufrieden, dieser, eingeweiht in die Mysterien, durchforscht den Text nach seinem anagogischen, allegorischen und tropologischen Sinn. Keineswegs dïrfen wir die Mysterien aussprechen und die breiten Massen verunsichern, ohne die weder der Kaiser seine Macht, der Papst seine Kirche und wir unserer Privilegien behalten wïrden. Alles wïrde in Chaos versinken. Nicht Gesetze und Moral, sondern Gewalt und Gesetzlosigkeit wïrden vorherrschen.52
Was Mutian am Herzen liegt ist die staats- und kirchenerhaltende Funktion der Religion, die er durch die Ansichten Reuchlins gefährdet sieht. Noch einmal: Trotz dieser Bedenken war Mutians Unterstützung Reuchlins eindeutig und uneingeschränkt. Eine Metamorphose einer Heuschrecke in einen Elefanten war nicht nötig.
2.
Mobilisierung der Freunde
In den Epistolae obscurorum virorum (II, 59) berichtet ein gewisser Ioannes Cocleariligneus dem Ortwin Gratius Folgendes: Ein Erfurter Student, den ich kenne, hat gesagt, Konrad Mutianus sei der Schlechteste unter all denen, die es mit Reuchlin halten, und ein solcher Feind der Theologen, dass er es gar nicht hçren kçnne, wenn man die Kçlner Theologen nennt. Auch sagte dieser Student, er habe wohl zwanzig Briefe von ihm gesehen, worin er gewisse Freunde bitte, Reuchlinisten zu werden.53
Wenn auch die Dunkelmännerbriefe eine Satire und keine Geschichtsquelle sind, war doch Johannes Löffelholtz – denn so muss man Cocleariligneus übersetzen – 52 Mutianus (1890), Nr. 251: Ille contentus est rudi historia, hic autem mysteriis imbutus rimatur anagogen, allegoriam et tropologias. Nullo tamen modo debemus enunciare mysteria aut infirmare opinionem multitudinis, sine qua neqe cesar imperium neque pontifex ecclesiam neque nos diu nostra retineremus. Omnia revolverentur in chaos antiquum. Non leges et boni mores, sed vis et libido dominaretur. 53 II, 59: Et quidam studens Erfordiensis, qui est mihi notus, dixit, quod Conradus Mutianus est pessimus omnium illorum, qui sunt pro Reuchlin, et est ita inimicus theologis, quod non potest audire, quod aliquis nominat theologos Colonienses. Et talis studens dixit, quod vidit bene viginti epistolas illius, in quibus ipse rogat quosdam socios, quod volunt esse Reuchlinistae. Dazu sagt Bömer (1924), I 64: »Der Obscurus war hier völlig zutreffend informiert, wo der geistige Mittelpunkt des Reuchlinkreises war und wo am eifrigsten Propaganda gemacht wurde.«
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richtig informiert. Nirgendwo engagierte man sich eifriger für Reuchlin als im Mutianischen Kreis. Festhalten sollte man aber zunächst, dass Mutian selbst sich mit öffentlichen Äußerungen zugunsten Reuchlins zurückgehalten hat. Grund dafür dürfte seine bekannte Publikationsscheu gewesen sein; denn ein Brief an Reuchlin musste als quasi-öffentliches Dokument betrachtet werden, wie die Veröffentlichung der Clarorum virorum epistolae (1514) durch Reuchlin gezeigt hatte. Symptomatisch für diese epistolarische Abstinenz bei gleichzeitiger Wut auf die Kölner ist seiner Bemerkung: Erwürgen müsste man diese Theologisten … Aber ich schweige, um diese Hornissen nicht noch mehr zu reizen.54 Tatsächlich sind nur zwei Briefe Mutians an Reuchlin erhalten, außer dem bereits erwähnten, sieben Jahre vor der Kontroverse verfassten Schreiben aus dem Jahre 1503.55 Obwohl sich also Mutian in seinen direkten Äußerungen zurückhält, mobilisierte er umso eifriger seine Freunde und forderte sie auf, sich für Reuchlin zu engagieren. »Liebe die Reuchlinisten und verachte die Arnoldisten«, schreibt er an seinen Freund Petreius.56 Und diesen Aufforderungen sind seine Sodalen bereitwillig nachgekommen. So existieren Briefe an Reuchlin von Crotus Rubeanus,57 Eobanus Hessus,58 Georg Spalatin,59 Peter Eberbach,60 Euricius Cordus,61 Ulrich von Hutten62 und natürlich Urban.63 Wie sehr sich Mutian als Zentrum eines für Reuchlin kämpfenden Kreises sah, geht aus einem Brief an Gregor Agricola, einen Neffen Urbans, vom 5. April 1514 hervor.64 Mutian wiederholt seine Bitte, Reuchlin brieflich gegen die Kölner Bettelmönche beizustehen und fügt dann hinzu:
54 Mutianus (1890), Nr. 250: Iugulandi potius essent theologiste… Sed taceo, ne videar irritare velle crabrones. 55 Beide stammen aus der späteren Zeit, als die Angelegenheit bereits in Rom verhandelt wurde, einer aus dem Jahre 1515 (Mutianus (1890), Nr. 516), der andere aus dem Jahre 1516 (Mutianus (1890), Nr. 565). Darüber hinaus sind offenbar zwei Briefe Mutians an Reuchlin verloren gegangen: Der erste vom Jahre 1514, vgl. Mutianus (1890), Nr. 434, Anm. 9; der zweite aus dem Jahre 1518, vgl. Mutianus (1890), Nr. 578. 56 Mutianus (1890), Nr. 277: Ama Reuchliastros, contemptui habeas Arnoldistas. 57 Rubeanus an Reuchlin: Reuchlin (1875), Nr. CLXXX. 58 Reuchlin (1875), Nr. CC. 59 Reuchlin (1875), Nr. CLXX, Nr. CLXXIX; Reuchlin (1999 – 2003), I Nr. 219. 60 Reuchlin (1875), Nr. CLXVI; Reuchlin (1999 – 2003), I Nr. 222. 61 Reuchlin (1875), Nr. CCII. 62 Reuchlin (1875), Nr. CCXXXVI und Nr. CCXCIX; Hutten (1859 – 1869), I 129 – 131, Nr. XXXXVI. Außerdem hat Mutian auch an den Kurfürsten von Sachsen Friedrich den Weisen, dem man natürlich nicht als Mitglied der Gothaischen sodalitas vereinnahmen kann, geschrieben. 63 Reuchlin (1875), Nr. CLXVII, Nr. CLXXIV; Reuchlin (1999 – 2003), II Nr. 230. 64 Mutianus (1890), Nr. 359; Mutianus (1885), Nr. 338; Mutianus (1890): »Gregorius Lengesfeldt (Lengefelt) aus Breslau, wie sein eigentlicher Name lautete, war von der Universität
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Ich auch, der geringste unter den Aposteln, habe eine genïgend starke Mannschaft zusammengezogen und kann in unserer Truppe Fïhrer und bedeutende Mnner, einen Abt und großartige Schmausbrïder des Jupiter [d.h. Mçnche] aus unserem literarischen Kreis, gleichsam Gepanzerte und Fahnentrger vorzeigen. … Wenn Du einverstanden bist, werden wir Dich als Feldherrn einsetzen.65
Dass der konfliktscheue Ireniker Mutian hier diesen martialischen Ton benutzt und den musischen ordo literarius mit einer militärischen Einheit (cohors) gleichsetzt, muss man wohl als augenzwinkernde Ironie interpretieren. Typisch dafür, dass es sich nicht um Einzelaktionen handelt, sondern die einer geschlossenen Gruppe, ist auch der Brief des Crotus Rubeanus an Reuchlin vom 25. Januar 1514: Dir auch, wenn Du willst, werden bei dieser Aufgabe keine Hilfstruppen fehlen. Du hast den hochgelehrten Mutian; Du hast den ganzen Kreis des Mutian; in dem gibt es Philosophen, Dichter, Redner, Theologen, alle sind Dir ergeben, alle bereit, für Dich zu streiten.66 Wenn Mutian sich als Haupt einer Reuchlin unterstützenden, sich auf zahlreiche Männer verlassenden cohors betrachtete, nahm das Reuchlin genauso wahr. Ja, er nennt sogar Urban und Eberbach nostri sodales, vereinnahmt sie also für sich und stellt somit eine über Gotha und Erfurt hinausreichende Gemeinschaft her. So würdigt Reuchlin in einem Brief an Mutian vom 22. August 1513 den Einsatz der gesamten literarischen Vereinigung des Mutian (totius vestrae sodalitatis literatoriae) für seine Sache.67
3.
Motive
Dass sich Mutians Unterstützung Reuchlins nicht auf dessen Hochschätzung der jüdischen Kultur zurückführen lässt, geht klar aus einer Bemerkung hervor, die sich in einem vertraulichen Brief an Urban befindet. Dort heißt es: Ich hasse die Juden, obwohl die meisten von ihnen gut sind und sich um mich Verdienste Erfurt her mit Mutian bekannt. Er ließ sich 1482 immatrikulieren, wird 1484 Bacularius, 1489 aber Magister Artium.« 65 Mutianus (1890), Nr. 359: Ego quoque…minimus apostolorum contraxi satis validam manum et possum in cohorte nostra ostentare duces et principes viros et de sacris abbas et magnos Iovis epulones, ex ordine literario quasi quosdam cataphractos et antesignanos, quos agmine facto educemus… Nos si probaveris, te constituemus imperatorem. 66 Reuchlin (1875), Nr. CLXXX: Tu quoque si volueris, tibi non deerunt in respondendo auxiliatores: habes doctissimum virum Mutianum; habes totum Mutiani ordinem; sunt in eo philosophi, poetae, oratores, theologi, omnes tibi dediti, omnes pro te certare parati. 67 Mutianus (1890), Nr. 303; Mutianus (1885), Nr. 601; Reuchlin (1999 – 2003), Bd. II Nr. 224; Reuchlin (1875), 195.
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erworben haben.68 Seine persönlichen positiven Erfahrungen mit Juden können offenbar das kulturell tief verwurzelte Vorurteil nicht auslöschen.69 In ihrem Buch »Feindbilder. Wie kollektiver Hass entsteht« sagt Sybil Wagener : »Der Humanismus war keine Menschenrechtsbewegung.«70 Pfefferkorn wird stets von Mutian mit wenig schmeichelhaften Adjektiven erwähnt.71 Dazu kommt, dass Mutian kaum etwas mit Reuchlins Studien der jüdischen Kabbalistik anzufangen weiß.72 Aus der Sicht der Humanisten ging es auch nicht gegen die Theologen im Allgemeinen, sondern um die falschen Theologen, die Mutian stets als theologistae verspottet.73 Als die wahren Theologen betrachtete er dagegen Faber Stapulensis (Jaques Lefºvre d’Etaples, 1460 – 1536), Budaeus (Guillaume Bud¤, 1468 – 1540), Erasmus von Rotterdam und Reuchlin74 – alle keine professionellen Theologen, sondern bedeutende Humanisten. Worum ging es aber dann in dem Streit, wenn nicht um die Verteidigung der jüdischen Bücher? Es ging um die Verteidigung eines Wissenschaftlers, der als einer der wenigen Deutschen die drei heiligen Sprachen, Hebräisch, Griechisch und Lateinisch, beherrschte. Die Hochschätzung Reuchlins und seine einzigartige Stellung in der deutschen res publica literaria klangen, wie wir sahen, in fast allen Briefen durch. Dass dieser Gelehrte, unter dessen Führung die edle Kenntnis der Alten wiedererstanden75 war, aufs bösartigste angegriffen wird, ist das unverzeihliche Vergehen der Kölner. Reuchlin ist aber nur das prominenteste Mitglied jener Gemeinschaft von Männern, die sich den studia humanitatis widmen. Mutian und sein Kreis sahen die Kontroverse also nicht nur als eine Kritik an Reuchlin, sondern als einen Generalangriff auf die humanistischen Studien an. Die Kölner verfolgten die bonae literae und die bene literatos mit 68 Mutianus (1890), Nr. 229: Odi circumcisos, quamquam boni sunt plurimi et de me bene meriti. 69 Vgl. dazu auch Mutians Bemerkung über den Besuch eines gewissen Jacobus Sobius aus Köln. Über diesen sagt er, Sobius falle durch seine Manieren angenehm auf, obwohl er seinem Aussehen nach Jude sei (Mutianus (1890), Nr. 378; Mutianus (1885), Nr. 363). 70 Wagener (1999), 94. 71 Er wird entweder als jüdischer Überläufer (Iudaeus transfuga, Mutianus (1890), Nr. 226) oder verfluchter Jude bezeichnet (Mutianus (1890), Nr. 45): Vidi acta und die stormglock des verfluchten Juden Pfefferkorn. 72 Das jedenfalls geht aus einem Brief aus dem Jahre 1517 an Johann Lange hervor (Mutianus (1890), Nr. 575), worin er berichtet, dass er mit der Lektüre von Reuchlins De arte cabalistica beschäftigt sei, ein Werk, das ihn aber nicht sonderlich zu interessieren scheint. Man hat eher den Eindruck, dass er die Lektüre mehr als eine lästige Aufgabe als ein Vergnügen betrachtet. Nur so kann man sich seinen leichten Spott erklären: Aber während wir Reuchlin helfen, werden wir gezwungen zu pythagorisieren (Sed tum Capnioni nostro damus operam, cogimur interea pythagorissare). Es folgt ein im Deutschen nicht wiederzugebendes Wortspiel, das sich um die Worte Cabalistica und caballus (Pferd) dreht. 73 Mutianus (1890), Nr. 286; Nr. 361; Nr. 374. 74 Mutianus (1890), Nr. 285. 75 Mutianus (1890), Nr. 565: Nobilis enim veterum doctrina te duce resurgit.
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ungeheurem Hass, heißt es in einem Brief.76 Ein Besucher habe ihm, Mutian, berichtet, Hochstraten habe neulich einen äußerst gelehrten Doktor verbrannt, und in seinem Kölner Kloster alle die studia humanitatis betreffenden Bücher absondern und in einen dunklen Kerker werfen lassen, sodass wer die Musen liebe, sich seines Lebens nicht sicher sein könne: Hochstraten wird hier als absoluter Feind der humanistischen Studien, als Verkörperung des antihumanistischen Geistes überhaupt bezeichnet.77 In einem Brief an Urban aus dem Jahre 1512 nennt Mutian deshalb die Kölner ungebildete Halbwisser,78 die weder Griechisch, noch Lateinisch noch Hebräisch könnten. Reiner Wahnsinn ist es, die hebräische und griechische Literatur mit diesen dialektischen Beckmessereien auszupfeifen. Erst müsse man sie doch verstehen, dann erst könne man Lob und Tadel verteilen.79 Hier zeichnet sich also schon das Feindbild ab, das dann auch die Epistolae obscurorum virorum prägte: auf der einen Seite der international bekannte Reuchlin und die ihn unterstützenden Humanisten, auf der anderen die ungebildeten Kölner Theologen. Dazu kommt, dass nach humanistischer Auffassung Bildung, selbstverständlich Bildung im humanistischen Sinne, gleichgesetzt wird mit moralischer Gesinnung. Wer gebildet ist, ist auch gut.80 Als deshalb im Jahre 1516 die vom Papst eingesetzte Kommission zugunsten Reuchlins entschieden zu haben schien,81 teilt Peter Eberbach seinem Mentor mit überschäumender Freude mit: Unser Reuchlin soll über seine Feinde triumphiert haben... Ich weiß nicht, ob jemals anderswo etwas geschehen ist, worüber sich unser Orden verdientermaßen so gefreut hat.82 Eberbach interpretiert also den angeblichen Freispruch des Augenspiegels nicht nur als einen persönlichen Erfolg Reuchlins, sondern als einen Triumph des gesamten humanistischen Projektes und als eine Aufwertung der humanistischen Studien, wenn er schreibt: Meistens werden wir, die wir uns an den Studien ergötzen, für bürgerliche Geschäfte ungeschickt und unglücklich gehalten. Besonders von den
76 Mutianus (1890), Nr. 320. 77 Mutianus (1890), Nr. 378; Mutianus (1885), Nr. 363. Es handelt sich um Herman Rysswick, der am 14. 12. 1512 als Ketzer verurteilt wurde. 78 Mutianus (1890), Nr. 226: Scioli inhumanissimi. 79 Mutianus (1890), Nr. 326: Mera est insania hebraicas et grecas literas velle nugis dialecticis explodere. Primum est intelligere, deinde laudi aut culpe locus assignandus. 80 Dazu Stroh (2008), 200: »Schon in der Antike hatte sich das bis heute diskutierte Problem gestellt. Warum Cicero und andere ›Bildung‹ und ›Mitmenschlichkeit‹ mit derselben Vokabel humanitas bezeichneten.« und »Rhetorik schult den Geist, und dies wirkt dann positiv auf den Charakter.« 81 Geiger (1871), 319; Peterse (2001), 67. 82 Mutianus (1890), Nr. 554; Mutianus (1885), Nr. 546: Dicitur noster Reuchlin de inimicis triumphasse… Nescio an unquam alias quicquam acciderit, quo de ordo noster tam merito gaudeat.
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Juristen würden sie verachtet. Diese doppelte Schmach hat nun Reuchlin mit seinem Triumph von uns gewischt.83
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Methode
Eines der Merkmale der Streitkultur ist, dass man den Gegnern griffige Namen gibt. In der Soziologie nennt man das heute Labelling. Diese Etiquettierung macht Differenzierungen schwierig, sie vereinfacht und bringt einen Tatbestand auf einen polemischen Punkt. Für Ambivalenzen gibt es keinen Raum. Das geschah auch in dieser Kontroverse von beiden Seiten, wobei wir uns auf den Mutianischen Kreis konzentrieren wollen. Bis zum Oktober 1513 bezeichnete Mutian die Gegner, wenn er sie nicht gerade Eichelfresser,84 tollwütige Hunde,85 Affen,86 Barbaren87 oder ungebildete Halbwisser88 nannte und Hochstraten mit Nero, dem Symbol der Grausamkeit der Antike, verglich,89 zunächst als Arnoldisten,90 also Anhänger des Arnold von Tungern, eines der aktivsten Mitglieder der Kölner Dominikaner. Ab Oktober 1513 verwendete er dann zum ersten Mal (in einem Brief an Herebord von der Marthen)91 das Wort Arnobardist, ein Schimpfwort, denn außer dem Anklang an Arnold von Tungern steckt nach Mutians etwas eigenwilliger Etymologie das Wort agnus (Schaf) und bardus (einfältig, dumm) in diesem Neologismus.92 Aber auch die Anhänger der eigenen Gruppe bekamen Namen. Sie nannten sich entweder Capnobaten93 oder Reuchlinistae94 oder Capniophilen.95 Das Wort Reuchlinist wurde zur Ehrenbezeichnung. Reuchlin war zu einer Integrationsfigur eines Teils der deutschen Humanisten geworden. Eng zusammenhängend mit diesem Labelling steht das Schaffen von Feindbildern. Nach Sybil Wagener sind Feindbilder 83 Mutianus (1890), Nr. 554: Habiti sumus plerumque, qui hiis studiis delectamur, ad civilia negotia obeunda inepti, habiti etiam infelices…Atqui duplicem hanc infamiam uno triumpho Capnion a nobis abstulit. 84 Mutianus (1890), Nr. 218 (bakamov\cor). 85 Mutianus (1890), Nr. 320: canes rabiosi. 86 Mutianus (1890), Nr. 320: simii. 87 Mutianus (1890), Nr. 252: barbari. 88 Mutianus (1890), Nr. 226: scioli. 89 Mutianus (1890), Nr. 378. 90 Z.B. in Mutianus (1890), Nr. 261 und 277. 91 Mutianus (1890), Nr. 325. 92 Verwendet auch in Mutianus (1890), Nr. 326; Nr. 359; Nr. 354. 93 Mutianus (1890), Nr. 325 und Nr, 554, so auch Urban an Reuchlin: Mutianus (1885), Nr. 315 (Dieser Brief ist nicht in Mutianus (1890). 94 Mutianus (1890), Nr. 277. 95 Mutianus (1890), Nr. 554.
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Erfindungen der Sprache, Bezeichnungen, die unabhngig von ihrem Wirklichkeitsverweis im literarischen Kontext entwickelt, abgewandelt, definiert und interpretiert werden (S.21). Das Feindbilder-Arsenal ist … klein. Am tiefsten in der Geschichte verankert ist die Verachtung des Kultivierten fïr die Barbarei, die Abscheu der zivilisierten Welt vor der Barbarei (S. 18).96
Und gerade dieses traditionellen Klischees – auf der einen Seite gebildete Humanisten, auf der anderen ungebildete Barbaren – bedienten sich die Sodalen des Mutianischen Kreises, indem sie immer wieder die Gegner als Barbaren bezeichnet hatten. Man schafft also, soziologisch gesprochen, eine in-group und eine out-group und indem man die out-group verteufelt, schweißt man die ingroup zusammen. Feindbilder haben deshalb auch eine nicht unerhebliche integrierende Wirkung nach innen.97 Genau das ist auch bei Mutian beabsichtigt; denn wie wir wissen, waren die Humanisten keineswegs die geschlossene, homogene Gruppe, als die sie sich gelegentlich ausgaben. Mutian räumte das einmal ein, als er sagte: scinditur ordo literarius – der literarische Orden spaltet sich.98 Zu der von dem Mutianischen Kreis praktizierten Strategie gehörte deshalb auch, dass man sich immer wieder als geschlossene Gruppe darstellte. Am deutlichsten geschieht das in dem Brief Ulrich von Huttens vom 25. Januar 1514 an Reuchlin. Schon längst fache er den Brand an, der hoffentlich bald lichterloh brenne. Ich befehle Dir, ruhig zu sein. Ich habe Verbündete gewonnen, die aufgrund ihres Alters und ihrer Berufe dieser Aufgabe gewachsen sind.99 Und dann folgt eine Liste von 43 Namen, angeführt ausgerechnet von dem Pazifisten Erasmus von Rotterdam, der von dieser zweifelhaften Ehre sicherlich nichts gewusst haben dürfte. Mindestens sieben der aufgeführten Personen des Reuchlinistarum exercitus, des Heers der Reuchlinisten, gehörten aber dem Mutianischen Kreis an.100
96 Wagener (1999). 97 Bernhardt (1994), 9. 98 Mutianus (1890), Nr. 325 in einem Brief an Herbord von der Marthen vom 15.10.1513. Zur Frage der humanistischen Gruppenbildung vgl. Bernstein (1998). 99 Hutten (1859 – 1869), I 129 – 130. Brief XXXXVI, vom 13. Januar 1517, aus Bologna geschrieben: Ipsum te quiescere iubeo: eos mihi adiungo militiae socios, quorum et aetas et conditio pugnae generi par est. 100 Unter anderem auch dient in diesem Heer jener fiktive Eleutherus Byzenus, der den Triumphus Capnionis geschrieben haben soll. Hier wird also der Spaß weiter getrieben. Erwähnt sind außer Mutian auch Eobanus Hessus, Petreius, Ricardus Crocus, Crotus Rubeanus, Euricius Cordus und Ulrich von Hutten.
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Literarische Werke, die im Zusammenhang des Streites stehen
Die Mitglieder des Mutianischen Kreises begnügten sich aber nicht damit, brieflich Reuchlin zu unterstützen und sich gegenseitig zur Unterstützung des umkämpften Gelehrten zu ermahnen, sondern einige von ihnen taten das, was sie als poetae – das war ja der Name, mit dem die Humanisten in dieser Zeit bezeichnet wurden101 – am besten konnten: Sie verfassten und verbreiteten im Druck literarische Werke. Damit wird das in den Briefen entworfene Feindbild multipliziert und zumindest der humanistischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es sind drei Werke, die im engeren Umfeld des Mutianischen Kreises entstanden: (A) Das Gedicht Triumphus Capnionis,102 das schon seit 1514 in handschriftlicher Form in dem Mutianischen Kreis zirkulierte, aber auf Anraten des vorsichtigen Erasmus erst 1518 gedruckt wurde. Als Verfasser gilt heute Ulrich von Hutten. (B) Das Werk Contra Sentimentum Parrhisiensium von Anfang 1515, eine Satire auf das Urteil der Pariser Theologischen Fakultät, scheint ebenfalls im Mutianischen Kreis verfasst worden zu sein.103 Als Verfasser darf Crotus Rubeanus gelten.104 (C) Huttens Triumphus Capnionis und die Satire Contra Sentimentum Parrhisiensium waren aber nur literarische Vorgeplänkel zu dem Werk, das heute noch als eines der Meisterwerke der deutschen Renaissanceliteratur gehört, die Epistolae obscurorum virorum, die Dunkelmännerbriefe, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Da das Werk anonym erschien, war man lange auf Spekulation hinsichtlich des Verfassers oder der Verfasser angewiesen. Inzwischen hat sich durch die Arbeit von Walther Brecht und Aloys Bäumer105 ein wissenschaftlicher Konsens in der Verfasserfrage herausgebildet. Danach ist der erste, 1515 publizierte Teil von Crotus Rubeanus verfasst worden, während für die überwältigende Mehrheit der Briefe des zweiten Teils Ulrich von Hutten verantwortlich ist, also zwei Humanisten, die dem Mutianischen Kreis angehörten. Es besteht also kein Zweifel, dass die Satire aus dem Umkreis der Erfurter Humanisten stammte, wenn sie auch nicht in Erfurt publiziert wurde.
101 102 103 104
Das Wort humanista wird nur einmal gebraucht, und zwar in den EOV. Abgedruckt in Hutten (1859 – 1869), III, 413 – 447. Abgedruckt in Hutten (1859 – 1869), Suppl. I, 318 – 322. Vgl. Böcking: »Meine Ausführung … bringt mich auf die Vermutung, dass Crotus Rubianus der Verfasser des Spott-Plakats sei.« (Hutten (1859 – 1869), Suppl. II 83). 105 Brecht (1904), Bömer (1924). Zu den Epistolae obscurorum virorum jetzt auch: HuberRebenich (2006).
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Die Arbeiten von Overfield, Kirn, Martin, Trusen und anderen Forschern haben unsere Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Aspekte dieser komplizierten Kontroverse gelenkt. Dabei haben sie aber möglicherweise das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, indem sie die lange vorherrschende Interpretation der causa Reuchlini als eines Kampfes zwischen Humanismus und Scholastik gänzlich verworfen haben. Dass es den Humanisten um Mutian aber tatsächlich um eine Auseinandersetzung zwischen den studia humanitatis und der theologisch gefärbten Scholastik ging, ist klar aus der Untersuchung hergegangen. Diese Interpretation ist also keine Erfindung deutscher Historiker des 19. Jahrhunderts, sondern Teil der Selbstwahrnehmung jener geistigen Elite, die wir heute Humanisten nennen. Falls man die Humanisten nicht zynisch als geschickte spindoctors abtut – so nennt man bekanntlich jene Personen im amerikanischen politischen Leben, die sicherstellen, dass die Öffentlichkeit ein bestimmtes Ereignis aus der Perspektive der Politiker, für die sie arbeiten, interpretiert – , die die Kontroverse wider besseren Wissens in ihrem Sinne umgedeutet und instrumentalisiert haben, muss man ihnen fairerweise den gleichen Ernst wie Hochstraten und Pfefferkorn zugestehen. Man ist also mit der Tatsache konfrontiert, dass es unversöhnliche Auffassungen gab und dass die Sichtweise der Partizipienten apriorisch ihre Auffassung des Streites bestimmte. Uns Postmodernen fällt es nicht so schwer, mit diesen Ambivalenzen zu leben. So war der Streit für Johann Pfefferkorn sicherlich nicht ein Streit zwischen Humanisten und Scholastikern. Die Auseinandersetzung spielte sich in Deutschland im Rahmen der Universitäten ab, und diesen stand der Nichtakademiker Pfefferkorn fern. Es ist auch zweifelhaft, ob das Hauptziel der Angriffe von Tungerns und Hochstratens der Humanismus war, bestenfalls die humanistische Methode. Möglichweise war ihr Motiv eine echte Sorge um die Orthodoxie, die sie durch Reuchlin gefährdet sah. Die Humanisten ihrerseits sahen tatsächlich durch die Angriffe auf einen ihrer bedeutendsten Vertreter den sich anbahnenden Erfolg des humanistischen Projektes bedroht. Man sollte sich deshalb vielleicht verabschieden von der berühmten Forderung Leopold von Rankes, der Historiker solle beschreiben, wie es eigentlich gewesen, stattdessen fragen, wie ein Ereignis von den Zeitgenossen wahrgenommen wurde.106
106 So ähnlich sieht es auch Rummel (2002), wenn sich auch ihre Bemerkungen auf das Verhältnis Reuchlins zur Reformation beziehen.
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Dieter Mertens
Struktur – Konzept – Temperament. Jakob Wimpfelings ›Fehden‹
I Das Thema gilt einer streitenden und umstrittenen Person, nicht einer literarischen Streitgattung oder einem bestimmten Text, indes auch nicht einer ganzen corona einander ebenbürtiger intellektueller Kaliber, wie sie Johannes Helmrath vorgestellt hat.1 Von einer Person auszugehen, heißt von vornherein die sozialen Bedingungen und Funktionen ihres intellektuellen Tuns stark gewichten. Zunächst einige Angaben zu dieser Person: zu Jakob Wimpfeling. Er wurde 1450 als Sohn eines Sattlers in der elsässischen Reichsstadt Schlettstadt geboren. Weil seine Heimatstadt zusammen mit anderen elsässischen Reichsstädten zur Reichslandvogtei Hagenau gehörte, als deren Landvogt jedoch, mit Ausnahme der habsburgischen Jahre 1504 – 1530, der Heidelberger Kurfürst – der dynastische Konkurrent des habsburgischen Kaisers – fungierte, verlangte sie von ihren Bürgern eine doppelte, bisweilen konfliktträchtige Loyalität. Wimpfeling besuchte die Schlettstädter Lateinschule, aus der etliche intellektuell und auch politisch wichtige Persönlichkeiten des späteren 15. und des beginnenden 16. Jahrhunderts hervorgingen. Mehrere Schülergenerationen verdankten ihr eine Prägung im Sinn des Humanismus, und sie ermöglichte viele Bekanntschaften und Freundschaften; von einem Corpsgeist zu sprechen, wäre indes übertrieben. Die Artes studierte Wimpfeling an den Universitäten Freiburg, Erfurt und Heidelberg. In Heidelberg amtete er 1481/1482 als Rektor und studierte er Theologie bis zum Lizentiat. Er wurde Priester und wechselte nach anderthalb Jahrzehnten an der Universität für wiederum anderthalb Jahrzehnte als Domprediger nach Speyer. Eine erneute Lehrtätigkeit in Heidelberg auf einer Humanistenlektur, die der Artistenfakultät zugeschlagen wurde, weil die geplante Verbindung mit einem Juristenkolleg wie auch dieses selbst nicht zustande 1 Siehe seinen Beitrag »Streitkultur. Die ›Invektive‹ bei den italienischen Humanisten« im vorliegenden Band.
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kamen, gab er sehr bald auf in der Absicht, zusammen mit drei befreundeten Klerikern, darunter Christoph von Utenheim, in der Einsamkeit eines halbverlassenen Schwarzwaldklosters ein am Vorbild der Fraterherren orientiertes »gemeinsames Leben« zu führen. Den appetitus heremiticae vitae bezeichnet er als Motiv und nennt Petrarcas De vita solitaria als Anstoß. Die Amerbachsche Petrarca-Ausgabe von 1496, die er las, wurde ihm ein biographisches, die Lebensplanung und Lebensführung beeinflussendes Ereignis. Der Plan platzte, weil Christoph von Utenheim, der als einziger den Rückzug in die eremus finanzieren konnte, zum Bischof von Basel gewählt wurde und für die Vorbereitung seiner ersten Synode Wimpfelings Hilfe einforderte. Nach der Erledigung verschiedener Aufgaben für Utenheim betätigte sich Wimpfeling als Erzieher studierender Söhne von Straßburger Patriziern in Freiburg und Heidelberg und als Schriftsteller und Editor in Straßburg, doch ohne feste Stelle oder eigenen Haushalt – statu officioque carens, wie er sagt.2 Schließlich zog er sich zu seiner Schwester nach Schlettstadt zurück, wo er 1528 starb.3 Wimpfelings Lebensstationen, solchermaßen zur Chronik einer vie tranquille aufgereiht, lassen an den vielleicht arbeitsreichen, aber doch wenig aufregenden Lebenslauf eines gelehrten Weltgeistlichen denken. Als betont undramatisch hat Wimpfeling sein Leben selber 1512 in einer autobiographischen Schrift Revue passieren lassen.4 Zwischen Basel und Köln, die er nur je zweimal besucht habe, doch hauptsächlich in den Städten des Oberrheinraumes habe er sein Leben verbracht – focum tenui. Niemals sei er in Italien oder Frankreich gewesen, selbst Schwaben habe er nur am Rande betreten, zu einer Kur in Wildbad im Nordschwarzwald. Doch in Wirklichkeit war Wimpfelings Leben, vornehmlich in der zweiten Hälfte, voller »Fehden«, wie seine publizistischen und gelehrten Auseinandersetzungen zumeist genannt werden. Daß sich eine Fehde an die anderen gereiht hätte, wäre eine Untertreibung. Denn seit 1500, vor allem seit 1505 – seit dem Erscheinen seiner Schrift De integritate5 – türmten sich die hochgehenden Wogen seiner Konflikte und brachen über ihm zusammen. »Ein Leben im Streit« oder gar »ein Leben als Streit« wären passende Bezeichnungen der Vita Wimpfelings. Schon der Anlaß seiner quietistischen Selbststilisierung erweist diese als wohlüberlegten und geschickt inszenierten Zug in einem vorwiegend literarisch ausgefochtenen Streit – vorwiegend, denn es werden auch andere 2 Wimpfeling (1990), 594. 3 Schmidt (1966), I 1 – 190, II 317 – 340; Knepper (1902); Mertens (1993/2000), 35 – 57. 4 Jacobus Wimpfeling, Expurgatio contra detractores, in: Joseph Anton Riegger, Amoenitates literariae Friburgenses, Ulm 1775, 412 – 426 (ohne die Marginalien der Drucke). Der vorangestellte Brief an Jakob Spiegel, aus dem im folgenden referiert wird, in: Wimpfeling (1990), 718 – 721 Nr. 296; dazu auch die Einleitung 55 – 61. – Die alten Drucke s. unten Anm. 9. 5 S. unten Anm. 17.
Struktur – Konzept – Temperament. Jakob Wimpfelings ›Fehden‹
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Mittel eingesetzt. Literarisch wird der Streit insofern ausgefochten, als die Kontrahenten Text gegen Text stellen. Wimpfelings autobiographischer Prosatext nimmt Bezug auf Verse, auf eine invectiva versificis, die unter fingiertem Autornamen in Umlauf gebracht und Druckern angedient wurde, letzteres vergebens wohl wegen rechtlicher Bedenken.6 Die Invektive warf Wimpfeling vor, er sei vagus und pervicax, sozial ein Vagant und geistig ein Starrkopf, also weder ständisch noch intellektuell soziabel. Es ging in den Versen, von denen wir allein aus Wimpfelings Replik wissen, um seine fama, um Ruf und Ehre und die Anerkennung durch die Gesellschaft. Sie überboten damit den Vorwurf des Konkubinats und der Pfründenmaximierung, den Wimpfeling gegen den versifex erhoben und durch den er den Streit ausgelöst hatte. Konkubinat und Pfründenhäufung wurden zwar von den Reformern wie Wimpfeling kritisiert, waren aber gesellschaftlich weithin toleriert. Für die ethische Pflicht, den eigenen Ruf zu verteidigen, beruft sich Wimpfeling in seiner Autobiographie auf Seneca – vermutlich trügt ihn sein Gedächtnis, denn die zitierte Stelle steht in Ciceros De officiis: Sich nicht darum zu kümmern, was die anderen über einen denken, zeuge von Hochmut und Gleichgültigkeit.7 Wimpfeling hätte sich wie Johannes Reuchlin oder Petrus Abaelard von der sprichwörtlich gewordenen Regel aus Augustins Sermo de vita et moribus clericorum autorisieren lassen können.8 Doch die humanistische Autorisierung passt die autobiographische Schrift ein in den ausgesprochen humanistischen Charakter des Sammelbandes, in dem sie nach Texten italienischer und deutscher, dem Kaiserhof verbundener Humanisten das fünfte und letzte Stück bildet. Der Band ist aus Anlaß der 1513 feierlich vollzogenen Umbettung des Leichnams Kaiser Friedrichs III. von der Fürstengruft des Wiener Stephansdoms in das endlich fertiggestellte Prunkgrab im Apostelchor 1514 erschienen und im selben Jahr in Wien und in Straßburg als handlicher Quartband von rund 50 Blatt gedruckt.9 Wimpfelings Verteidigung 6 So Jakob Spiegel in dem Widmungsbrief des Druckes an den Rat Petrus de Motta (Pedro Ruiz de la Mota, † 1522), bei Wimpfeling (1775), 415 – 418, in einer langen Anmerkung wiedergegeben, hier 416 Anm. 7 Wimpfeling (1775), 426: ad quam edendam [sc. Expurgationem contra detractores] gravis Seneca me impulit: Qui non curat, quid de se alius dicat vel sentiat, aut flagitiosus est aut dissolutus. Vgl. vielmehr Cic., De off. 1, 28, 99: nam neglegere, quid de se quisque sentiat, non solum arrogantis est sed etiam omnino dissoluti. 8 Augustinus, Sermo 355, 1 De vita et moribus clericorum (Migne PL 39, 1569): Qui fidens conscientiae suae negligit famam suam, crudelis est. Zur Verwendung durch Reuchlin in einem Brief an Wimpfeling s. Wimpfeling (1990), 749; ähnlich Wimpfeling 1499 in der Kontroverse mit Zanckenried ebd. 321 u. Anm.; Petrus Abaelard zitiert die Augustin-Stelle mehrfach: Historia calamitatum c. 14 (Migne PL 178, 173); Sermo 33 De sancto Joanne Baptista (ebd., 599); Theologia christiana II (ebd., 1200). – Vgl. Walther (1963), Nr. 3808: Crudelis dicar, propriam si neglego famam. 9 In hoc libello … continentur : Isocratis de regno gubernando …; Quinti Haemiliani Cimpriaci … Epicedion … cum epistola liminari Jacobi Spiegel; Aloisii Marliani Mediolanensis … Epi-
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seines Rufes wird nach Ausweis der angedeuteten Kotexte wie eine Angelegenheit des Kaiserhofes behandelt, rangiert also außerordentlich hoch. Dieses classement war möglich einerseits, weil Wimpfeling seit 1510 familiaris Kaiser Maximilians war und für diesen gutachtete – der Leser der Autobiographie erfährt von dieser Tätigkeit10 –, andererseits weil Wimpfelings Neffe, der promovierte Legist und Sekretär des Kaisers Jakob Spiegel, den ganzen Band zusammenstellte und zum Druck brachte. Belehrt durch das herangezogene Beispiel der autobiographischen Streitschrift Wimpfelings, müssten im folgenden auch die übrigen Streitschriften – manchmal sind es nur »Streitkapitel« in an sich unverdächtigen Schriften – auf den folgenden sieben Beschreibungsebenen untersucht werden. Zu untersuchen wäre - der Anlaß des Streits noch vor und unabhängig von seiner Versprachlichung, - die Versprachlichungen durch die Streitparteien, - die mediale Präsentation und - deren Überlieferung, - die Ausstattung der Streitschriften mit Paratexten wie z. B. an Patrone und Mittler gerichtete Widmungsschreiben, die das Thema, den Text oder die mediale Präsentation gesellschaftlich verorten; - die Kotexte, sofern die Streitschrift im Verbund mit anderen Texten präsentiert wird, und - die Kontexte im weiteren, auch nichtliterarischen Sinn wie z. B. die Fortführung des Streits mit anderen als literarischen Mitteln, z. B. nonverbale Streitaustragung wie Tätlichkeiten gegen Personen oder die symbolische Vernichtung einer Schrift, oder die Aktivierung von politischen Autoritäten, Behörden und Gerichten. Wegen des Missverhältnisses zwischen Wimpfelings reichlichem Streit und dem für einen Tagungsbeitrag zur Verfügung stehenden Platz kann im folgenden nur sehr summarisch vorgegangen werden, noch summarischer als soeben bei der Vorstellung der Autobiographie.
stola …; Joachimi Vadiani …laudes; Jacobi Wimphelingii … Expurgatio, Wien, Hieronymus Vietor und Joh. Singrenius, 13. Febr. 1514 (VD 16, W 3329); daß. Straßburg, Johannes Prüss d.J., 1514 (VD 16, W 3328). 10 Wimpfeling (1775), 425 f.
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II Wimpfelings Stilisierung seines Lebens als Chronik einer vie tranquille läßt sich für seine zweite Lebenshälfte mühelos umkehren in eine ›chronique scandaleuse‹, in eine Chronik der Ärgernisse, die er anderen gegeben und die er an anderen genommen hat. Die kurzen Nachrufe, die ihm Erasmus von Rotterdam und Beatus Rhenanus gewidmet haben, deuten dies an und setzen Akzente. Erasmus, der sowohl die Lektüre der Autobiographie als auch persönliche Bekanntschaft mit Wimpfeling zu erkennen gibt, hebt den Streit mit den Augustiner-Eremiten hervor, in dem es um die – von Wimpfeling verneinte – Frage ging, ob Augustinus je Mönch gewesen und als Ordensgründer der AugustinerEremiten anzusprechen sei.11 Dies war zweifellos Wimpfelings spektakulärster Streit, weil der Orden ihn in Rom verklagte und es der Autorität Papst Julius’ II. bedurfte, um den Prozess niederzuschlagen. Beatus Rhenanus erkennt als Leitlinie Wimpfelingscher Schriften seinen »tödlichen Hass« auf die Laster der Ausschweifung, Habgier und Prunksucht und das Werben für die gegenteiligen Tugenden – Wimpfeling pries vor allem integritas und frugalitas.12 Beatus Rhenanus spielt auf Wimpfelings ständige Polemik gegen die Konkubinarier unter dem Klerus an; sie veranlaßte Erasmus zu dem zweifach ironischen Ratschlag, Wimpfeling solle die schwere Rüstung, in der er lange genug gegen die geistlichen Konkubinarier gefochten habe, nun für den vom Augsburger Reichstag angekündigten Türkenkrieg herrichten.13 Bevor das gute Dutzend Streitthemen der Wimpfelingschen ›chronique scandaleuse‹ benannt wird, sind Überlegungen zu den strukturellen Vorbedingungen und zu Wimpfelings konzeptuellen Vorentscheidungen angebracht. Denn in seiner Lebenszeit vollziehen sich bekanntlich tiefgreifende kulturelle, religiöse und politische Formierungsprozesse, die reichlich Konfliktpotential hervorbringen. Kulturell ist es die Rezeption des Humanismus, religiös der Umschlag der von der Konzilszeit überkommenen Kirchenreform in die frühe Reformation, und politisch sind es die Strukturveränderungen im Reich sowie im Verhältnis von König und Reich zueinander, im Südwesten zudem der Aufstieg und die Ausdehnung der Eidgenossenschaft, die bei den Herrschenden der schwäbischen und elsässischen Nachbarn große Ängste weckten. Die Rezeption des Humanismus hat unter Wimpfelings Streitschriften überraschenderweise die geringste Bedeutung. Denn einerseits spielt sich das Ringen um eine bessere Latinität in den Lehrbüchern ab, nicht in Streitschriften, andererseits sind po11 Erasmus (1906 – 1958), VIII 17 – 21 Nr. 2088, Z 58 – 115. – Herding (1973), 131 – 155. Zu dem Streit vgl. unten Anm. 26. 12 Epitaphium für Jakob Wimpfeling, in: Beatus Rhenanus (1886), 621 f. 13 Erasmus im Vorwort zum Enchiridion militis christiani, s. Erasmus (1906 – 1958), III 361 – 377 Nr. 858, hier 377, Z. 609 ff.
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lemische Äußerungen gegen schlechte Latinität allgegenwärtig. Gegen die sacerdotes obscuri, barbari et inutiles14 polemisiert er schon vor dem Erscheinen der Epistolae obscurorum virorum, doch im literarischen Streit mit Jakob Locher bedient er nicht das Humanistenthema der defensio poetices, sondern verteidigt im Gegenteil die scholastische Theologie gegen den Anspruch der Poesie, im Sinn von Platons Ion prima theologia zu sein.15 Das größte Konfliktpotential wird generiert durch die Konzeptionen, mit denen Wimpfeling auf den Strukturwandel reagiert. Im Brennpunkt seiner kirchlichen Reformvorstellungen steht der gebildete, integre und sich mit einem Minimum an Pfründen bescheidende Weltpriester, der Theologie studiert hat und der als Weltpriester der ganzen respublica christiana, der christlichen Gesellschaft insgesamt, und nicht bloß einem Orden verpflichtet ist. Das ist, salopp gesagt, ein Priester nach der Ordnung des Johannes Gerson, mit humanistischer Ausbildung.16 Am einläßlichsten hat er dieses Programm in den zwei Schriften Apologia pro republica christiana und De integritate dargelegt, eine dritte, zugehörige Schrift De frugalitate ist nicht erhalten, wohl nie gedruckt, vielleicht auch nicht vollendet.17 Im Brennpunkt der politischen Reformvorstellungen Wimpfelings stehen der Kaiser und wohlberatene Fürsten sowie ihnen zuarbeitende, wohlberatende und geschichtsbewusste Räte. Liebhaber schematischer Verbildlichung mögen sich die Wimpfelingsche Reformkonzeption im Ganzen als eine Ellipse mit ihren zwei Brennpunkten vorstellen. Was sich nicht von in dem von der elliptischen Linie umgrenzten Feld verorten läßt, wird durch Streit des Feldes verwiesen. Zu betonen bleibt indes, daß Wimpfelings Konzeption Loyalitätsverpflichtungen ›nach innen‹ impliziert, die ihn an politische und geistliche Autoritäten binden: den Schlettstädter Bürgersohn an den Kaiser und den Pfalzgrafen, den Priester an den Straßburger Bischof, den von der Heidelberger Universität Graduierten noch einmal an den Pfalzgrafen und den Lizentiaten der Theologie an das kirchliche Lehramt. Dies hat zur Folge, daß Wimpfeling die genannten Personen und Institutionen nicht offen kritisieren darf. Will er dennoch am Kaiser oder Pfalzgrafen Kritik üben – und Wimpfeling tut dies18 –, dann muß er Umwege über außenstehende Streitgegner einschlagen.
14 15 16 17
Wimpfeling (1990), 296 Anm. 3. S. unten Anm. 28. Vgl. z. B. Mertens (1983), 41 – 62. Wimpfeling (1506), Apologia pro republica christiana; Ders. (1505/21506), De integritate libellus. Zu De frugalitate, auf dem Titelblatt der 2. Aufl. von De integritate angekündigt, vgl. auch Wimpfeling (1990), 579 Anm. 18 Dies ist z. B. der Fall in der ostentativ die Schweizer kritisierenden Schrift Soliloquium pro pace Christianorum et pro Helvetiis ut resipiscant, Straßburg, Joh. Knobloch d. Ä., um 1505 (VD 16, W 3407); zweisprachige Ausgabe in: Sieber-Lehmann / Wilhelmi (1998), 162 – 217. Vgl. auch unten Anm. 23.
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III Die Themen, über die Wimpfeling Streitschriften angefertigt hat, und die Streitgegner sind in ungefährer chronologischer Abfolge ihres Auftretens diese: Wimpfeling stritt - mit dem französischen Humanisten und königlichen Gesandten Robert Gaguin über die sogenannte Brautraub-Affäre, d. h. über die Ehre König Maximilians I., die König Ludwig XII. von Frankreich verletzt hatte, indem er 1492 Herzogin Anna von der Bretagne heiratete, mit der sich Maximilian zuvor prokuratorisch hatte vermählen lassen;19 - mit dem Heidelberger Universitätsprediger Daniel Zanckenried über die nuditas Christi in cruce und das Schickliche in der Passionspredigt (1499);20 - mit dem Franziskaner-Konventualen Thomas Murner über die »deutsche«, dem Reich, nicht Frankreich verpflichtete Vergangenheit des Elsasses und Straßburgs und die Konkurrenz von Kloster- und Stadtschule (ab 1502);21 - mit den Dominikanern in Basel und Frankfurt über die immaculata conceptio Mariae, die beiden philosophischen viae und die Rechtgläubigkeit des mit Hilfe der Dominikaner 1499 verurteilten Johannes von Wesel (1502 und ab 1504);22 - mit dem pseudonymen »Dr. Schatzer« über den Konkubinat und die Pfründenkumulation der Kleriker (1503, erneut 1505);23 - mit dem Dominikaner Werner von Selden in Basel über die dort seit dem Beitritt der Stadt zur Eidgenossenschaft öffentlich praktizierte Gebetshaltung »mit zertanen Armen« (ab 1504/1505) als Zeichen des »Abfalls« von Reich und Kirche;24 - mit dem Luzerner Chronisten Schradin über die politische, moralische und gesellschaftliche Rolle der Schweizer, insbesondere ihrer Kriege (ab 1505);25 19 Wimpfeling (1990), 172 – 197 Nr. 26 – 29; zu den Drucken Bruckner (1975), 44 – 52. 20 Knod (1886), 1 – 16; Wimpfeling (1990), 297 – 307 Nr. 90 – 96. 21 Von Borries (1926); Wimpfeling (1990), 378 f. Nr. 122; 384 – 391 Nr. 124 – 126; 393 – 397 Nr. 128 f.; 432 ff. Nr. 144. 22 Wimpfeling (1990), 225 ff. Nr. 43; 404 – 408 Nr. 132 f.; 474 Nr. 169bis ; 568 ff. Nr. 218; 637 ff. Nr. 245; 732 – 736 Nr. 301; Wimpfeling (2007), 140 – 146, 158, 256 – 259. – Schmitt (1952), 397 – 450; Arnold (1991), 106 – 113; Fuchs (1997), 9 – 19; Horst (2009). 23 Wimpfeling (1556); vgl. fol. [h8r]: Finit Apologia Vimpf. pro repub. christiana contra epistolam Francisci Schaczer de Rotuila doctoris. Ders., Contra quendam qui se Franciscum Schatzer appellat complicesque suos expurgatio …, Straßburg, Johannes Prüß d.Ä., 1506 (VD 16, W 3378); Wimpfeling (1505/21506); Wimpfeling (1990), 513 – 515 Nr. 193; 526 ff. Nr. 202; 536 – 541 Nr. 204; 559 – 567 Nr. 215 f.; 581 – 586 Nr. 225. 24 Ochsenbein (1979a) und (1979b); Wimpfeling (1990), 404 – 408 Nr. 132 f.; 481 f. Nr. 176; 581 – 586 Nr. 225; 645 Nr. 250. 25 Wimpfeling (1990), 539 Nr. 204 Anm. 6; 581 – 586 Nr. 225; Marchal (1982), 114 – 137; Maissen (2002), 210 – 249, hier 215 – 218.
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- mit den Augustiner-Eremiten über das angebliche Mönchtum Augustins (ab 1505) und - mit den Benediktinern über das Mönchtum Gregors d. Gr.;26 - mit Jakob Locher über die schwäbische Aussprache des Lateinischen und dialektale Eigentümlichkeiten der Schwaben (1505);27 - mit demselben Jakob Locher über das Verhältnis von Dichtung und Theologie, d. h. grundlegende Konzeptionen des Humanismus (1506, erneut 1510);28 - mit einem Anonymus über seine, Wimpfelings, Lebensweise sine statu et officio (1512), die Erasmus verständnisvoll Wimpfelings sancta libertas nannte;29 - mit Wolfgang Capito, Caspar Hedio und Martin Bucer über Marienverehrung, das Totengedächtnis im Messkanon und die Predigten der Straßburger Reformatoren (1523/1524).30 Von den großen publizistischen Kämpfen der zwei Jahrzehnte vor der Reformation fehlt einer : der Reuchlinstreit. Reuchlin hat es Wimpfeling wissen lassen, daß er ihn unter seinen Mitstreitern und Unterstützern vermisste.31 Nicht alle Texte, die im Zuge der genannten Kontroversen geschrieben wurden, sind erhalten. Dieser Umstand ist nicht notwendigerweise dem Medium geschuldet, denn sowohl handschriftliche als auch gedruckte Texte, sogar ein in zwei Auflagen gedruckter Text wie der des »Dr. Schatzer«, liegen heute nicht mehr vor. Ein Streit kann auch deshalb unvollständig dokumentiert sein, weil er nicht in die breitere Öffentlichkeit getragen, sozusagen nicht hoch genug gehängt wurde, oder weil er umgekehrt dermaßen prominent und heftig war, daß versucht wurde, bestimmte Texte mit Hilfe der Obrigkeiten aus dem Verkehr zu ziehen oder gar zu vernichten.32 Wäre Dein Papier doch den Rhein hinunter in den Ozean geschwemmt worden, stöhnte ein Freund Wimpfelings in Basel, wo auf der Basis handschriftlich übersandter Texte der Volkszorn gegen Wimpfeling entfacht worden war.33 26 Wimpfeling (1505), Apologetica declaratio in libellum suum de integritate; ders., Ad Julium II. … Querulosa excusatio Iacobi Wimphelingii ad instantiam Fratrum Augustinensium ad curiam Romanam citati … [Straßburg 1507] (VD 16, W 3330); Wimpfeling (1990), 495 f. Nr. 185; 520 – 526 Nr. 196 – 201; Schlecht (1903), 236 – 265; Burgdorf (1928), 67 – 79; Scheel (1930), 410 – 413; Arnold (1991), 141 f., 220 f.; Müller (2006), 202 f., 215 f., 229 f. 27 Wimpfeling (1990), 438 – 441 Nr. 146; 486 – 490 Nr. 181; 525 – 536 Nr. 201 – 203. 28 Wimpfeling (1505); ders., Contra turpem libellum Philomusi defensio theologiae scholasticae et neotericorum, Heidelberg, Jakob Stadelberger 1510 (VD 16, W 3349); Wimpfeling (1990), 515 – 524 Nr. 194 – 200; 659 – 662 Nr. 264 f.; Heidloff (1975), 253 – 302; Delºgue (2008). 29 Wie oben Anm. 4; das Erasmus-Zitat wie oben Anm. 11, Zeile 91. 30 Wimpfeling (1990), 871 – 875 Nr. 353 – 355. 31 Wimpfeling (1990), 745 – 753 Nr. 306; Reuchlin (2003), 451 – 467 Nr. 231. 32 Vgl. von Borries (1926), 26 f. 33 Konrad Leontorius O. Cist. an Wimpfeling 14. Mai 1505, s. Wimpfeling (1990), 483 f. Nr. 178.
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In mehr als der Hälfte der aufgezählten Fälle wechselten die zunächst literarisch geführten Auseinandersetzungen den Kampfplatz und wurden an Behörden, Gerichte und andere Autoritäten herangetragen: an Universitätsgremien, an den Rat der Stadt Straßburg, an die eidgenössische Tagsatzung, an geistliche Gerichte bis hin zur päpstlichen Kurie, an den Kaiserhof. Die landsmannschaftliche Kontroverse der Elsässer und der Schwaben mündete in eine Prügelei, die Locher und seine Schüler einem Schüler Wimpfelings bescherten und die dann ihrerseits die Universitätsgremien beschäftigte.34 Die literarischen Formen der Streitkultur bestimmen also vielfach nur einen Teil, nur eine Phase des Streitens.
IV Die literarischen Produkte selbst sind meist rasch niedergeschrieben worden, tumultuarie et concinnato stilo, also nicht sonderlich elaboriert gestaltet, und geben selten Anlaß, von einer Kultur des Streitens in einem emphatischen Sinn zu sprechen. Das von Wimpfeling mehrfach praktizierte Aufbieten von Freunden und vor allem von Schülern als literarischen Helfern, die sich im solidarischen Schmähen des Gegners üben, war einem Kunstanspruch wenig dienlich. Literarisch anspruchsvoll ist Wimpfelings erste Kontroverse, ein Duell in Gedichten mit variierenden Strophenformen, mit einem beiden Seiten gemeinsamen Dingsymbol, der Fleur de lis, und mit interessanten intertextuellen Bezügen, das er sich mit Robert Gaguin 1492 lieferte. Hier ist trotz Wimpfelings Engagiertheit poetisches Spiel zu beobachten, das später regelmäßig fehlt, auch wenn in anderen Kontroversen ebenfalls Verse gewechselt werden. Die am häufigsten verwendeten literarischen Formen sind Brief und Traktat, seltener der Dialog, höchst selten dagegen das Bild. Brief, Traktat und Dialog verwenden wesentlich eine scholastische Argumentationsweise, insofern Wimpfeling in typisch scholastischer Verschärfung über Verallgemeinerungen schnell den konkreten Fall hinter sich läßt und zum Grundsätzlichen vordringt. Brief und Traktat dienen sowohl dem Angriff als auch der Verteidigung und suchen und finden in der Mehrzahl der Fälle mittels des Buchdrucks überregionale Verbreitung. Den Rahmen der lateinisch sprechenden Gelehrtenwelt überschreiten dabei die Kontroversen mit den Schweizern, insbesondere mit den Baslern und mit »Dr. Schatzer«. Sie vermengten sich in einer für Wimpfeling geradezu lebensgefährlichen Weise, und wegen der Kontroverse mit den Augustiner-Eremiten wäre Wimpfeling nach dem Zeugnis Luthers, einer Erinne34 Wimpfeling (1990), 515 – 518 Nr. 194; 542 ff. Nr. 205.
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rung an den Streit noch Anfang der 1540er Jahre, »schier umbracht worden«.35 Mehrfach tragen die Schriften sprechende Kontroversen-Titel wie expurgatio, defensio, apologia, declaratio. Selbst ein concordia betitelter Traktat konnte als Streitschrift verstanden werden.36 Invectiva bezeichnet nicht eine Gattung, sondern eine Schreibweise, es gibt carmina invectiva, epistolae invectivae, invectiva scripta oder eben die invectiva schlechthin. Dieser »verleumdenden« Schreibweise bedient sich immer nur der andere. Er verletzt fama und honor des Attackierten. Der Widerruf, zu dem ein Gegner Wimpfelings von der römischen Kurie verurteilt wird, soll fama und honor wiederherstellen. Viel schwerer noch als die invectiva wiegt der libellus famosus, die Schmähschrift, die jemanden namentlich entehrt. Daß der Urheber eines libellus famosus laut dem Codex Justinians sein Leben verwirkt habe, ruft Wimpfeling eigens in Erinnerung.37 Den Ausdruck libellus famosus gebraucht er allein im Zusammenhang der »Dr. Schatzer«- und der Augustiner-Eremiten-Kontroversen, den für ihn gefährlichsten Konflikten. Der libellus famosus zielt offenbar darauf, den oder die Angegriffenen ehrlos zu machen und damit die gesellschaftliche Stellung und wohl gar die physische Existenz zu gefährden. Der Weg vom Gegenargument zur Ehrverletzung war kurz und wurde mit Eifer kurz gehalten. Die legitimierenden Anleitungen und Vorbilder der Antike und des Quattrocento38 sind, soweit sie im Druck vorlagen, wohl auch Wimpfeling bekannt gewesen. Doch seine intellektuelle und soziale Welt war eine andere. Es fehlt das spielerische Element. Erasmus’ Laus stultitiae begeisterte ihn, doch in solchem Ton konnte er nicht streiten.39 Die Invektive ist für Wimpfeling kein Gesellschaftsspiel, sondern stets bitterer Ernst. Dies gilt erst recht für den libellus famosus, zumal wenn der Gegner die Großorganisation in Gestalt eines Bettelordens ist. Auch die Lagerbildung, das Scharen der Schüler um den Lehrer und das Aufbieten der Anhängerschaft, dient nicht der Mehrung der Argumente, sondern der Demonstration des Ansehens. Ein Holzschnitt aus der Kontroverse Wimpfelings mit Murner zeigt Wimpfeling umringt von sieben Schülern, die, weil sie sieben an der Zahl sind, sich als seine Leumundszeugen zu erkennen geben, die den Täter Murner »übersiebnen«, wie der Rechtsterminus lautet. 35 Luther (1919), 683 Nr. 6475. 36 Wimpfeling gab unter dem Pseudonym Wigand Trebellius die Schrift Concordia curatorum et fratrum mendicantium [Straßburg, Joh. Prüss d.Ä., 1503 (VD 16, T 1851)] heraus. Der Augustiner-Eremit Johannes Paltz las sie indes als Streitschrift, vgl. Paltz, Supplementum celifodinae, Erfurt, Wolfgang Schenk, 1504 (VD 16, J 256), fol. X 1r : quidam in quodam tractatulo, quem intitulavit De concordia curatorum et fratrum mendicantium contra concordiam magis discordiam excitans … 37 Codex Justiniani 9, 36: De famosis libellis. Vgl. Wimpfeling (1990), Reg s. v. »famosus«. 38 Vgl. die Beiträge von Enenkel und Helmrath im vorliegenden Band. 39 Vgl. Herding (1973), 142.
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Dieser Schar steht Murner völlig allein gegenüber, er hat niemanden gegen Wimpfeling aufzubieten – und hat darum unrecht. Es fällt auf, daß die Mehrzahl der Kontroversen Wimpfelings in demjenigen Lebensabschnitt entstand, in dem er nach dem Platzen des erwähnten Rückzugsplanes als über 50jähriger – statu officioque carens – seine materielle Existenz neu begründen mußte, dabei aber wenig erfolgreich war, weil geschickte Pfründenjäger ihn mehrfach beiseite drängten. Wimpfeling war aufgrund seiner prekären gesellschaftlichen Rolle in dieser Phase seines Lebens objektiv und subjektiv verletzlicher als früher, als er sich noch in Amt und Würden befand. Er kaschiert diese Schwäche in seiner eingangs vorgestellten Autobiographie, indem er den Vorwurf seiner Gegner, pervicax, halsstarrig zu sein, mit dem Aufweis kontert, daß er im Gegenteil sehr nachgiebig sei und die Themen all seiner umstrittenen Schriften auf Bitten seiner Freunde und Förderer, d. h. aus der Mitte seines Standes heraus, aufgegriffen habe, wie es in der Tat die Paratexte zeigen. Es ist weniger das polternde Temperament, das, wie die ältere Forschung meinte, Wimpfeling von einem Streit in den nächsten geraten ließ, als vielmehr das Geltendmachen eines anspruchsvollen Konzeptes unter widrigen strukturellen und individuellen Bedingungen. Erst als Jakob Sturm, dem Wimpfeling 1505 die Schrift De integritate, Quelle gleich mehrerer Kontroversen, gewidmet hatte, um ihn zum Muster eines Weltpriesters zu erziehen, Laie blieb und sich mit den Worten zur Reformation bekannte: »bin ich ein keczer, so hant ir mich zu einem gemacht«40, erst da akzeptierte Wimpfeling, daß nun er allein stand und eine neue Kontroverse nicht mehr eröffnen konnte. Die gegen Bucer und die anderen Straßburger Prediger gerichtete Schrift blieb darum ungeschrieben.
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Barbara Krug-Richter
Streitkulturen. Perspektiven der Volkskunde/Europischen Ethnologie
Die Praktiken der Konfliktaustragung, diejenigen Formen und Regeln, in und nach denen Menschen eingebunden in spezifische historische und kulturelle Kontexte ihre Streitigkeiten austrugen und -tragen, gelten in der rechtsethnologischen Forschung seit Jahrzehnten als zentraler Schlüssel zum Verständnis einer Gesellschaft.1 In den historischen Geistes- und Kulturwissenschaften allerdings ist der Streit als kulturelle Praktik erst im Verlauf der letzten gut 15 Jahre in den Fokus der Forschung gerückt.2 Erste interdisziplinäre Tagungen zum Thema zielten auf die Frühe Neuzeit als Epoche und konzentrierten sich nicht ausschließlich, aber doch primär auf die ländliche Gesellschaft; einschlägige Veranstaltungen fanden im Mai 1999 an der Universität Potsdam3 sowie im Dezember 2001 an der Universität Münster4 statt. Die Tagung, die das »Centre for the Classical Tradition« im November 2008 an der Universität Bonn ausrichtete, verfolgte eine andere Perspektive auf das Thema, die auch den divergierenden disziplinären Fragestellungen geschuldet ist. Im Zentrum stand die 1 Immer noch grundlegend Roberts (1981); ders. (1983). Vgl. auch die jüngere Zusammenfassung rechtsethnologischer Forschungsperspektiven bei Benda-Beckmann (2007). 2 Frühe Arbeiten zum Thema sind Helm (1993); Müller-Wirthmann (1983). Insgesamt legte die frühe historische Konfliktforschung im weiteren Sinne ihren Schwerpunkt auf die Analyse der Gewalt als einer spezifischen Form der Konfliktaustragung, siehe neben Müller-Wirthmann exemplarisch Rummel (1993). Jüngere Forschungen hingegen analysieren die vormodernen Konfliktkulturen bevorzugt in mikrohistorischer Perspektive, siehe Heidegger (1999), Haack (2008). Wichtig auch, wenngleich über die Konfliktkultur hinausgehend, ist Thauer (2001). 3 Konflikt als Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft der Frühen Neuzeit. Internationales Symposium an der Universität Potsdam am 4/5. Juni.1999. Veranstalter dieser Tagung war die Max-Planck-Arbeitsgruppe »Ostelbische Gutsherrschaft als sozialhistorisches Phänomen« unter der Leitung von Jan Peters. Die Beiträge dieser Tagung sind publiziert in Eriksson/Krug-Richter (2003). 4 Workshop »Praktiken des Konfliktaustrags in der Frühen Neuzeit«, ausgerichtet vom volkskundlichen Teilprojekt des Münsteraner Sonderforschungsbereichs 496 »Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Spätmittelalter bis zur französischen Revolution« am 7./8. Dezember 2001. Die Beiträge dieses Workshops wurden publiziert in Krug-Richter/Mohrmann (2004).
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Frage nach den langfristigen Auswirkungen der ›Classical Tradition‹ auf die vormodernen Streitkulturen, die sich naturgemäß primär im Gelehrtenmilieu niederschlugen. Im »Centre for the Classical Tradition« an der Universität Bonn haben sich insbesondere literaturwissenschaftliche, alt- und kunsthistorische, philologische und philosophische Disziplinen zu einem Forschungsverbund formiert, der die Rezeptionsvorgänge der klassischen griechisch-römischen Antike untersucht und dabei einen seiner Schwerpunkte auf die vormodernen Streitkulturen legt.5 Im Kontext dieses Forschungsansatzes wurde der diesem Beitrag zugrunde liegende Vortrag auf der Bonner Tagung durchaus logisch der Sektion »Die Anderen. Strategien der Streitaustragung in der Frühen Neuzeit« zugeordnet. Unter ›den anderen‹ sind dabei wohl auch diejenigen Teile der vormodernen Bevölkerung zu subsumieren, die mit den literarischen Diskursen und akademischen Disputen als spezifisch gelehrten Formen des Streitens weniger vertraut waren. Die Volkskunde/Europäische Ethnologie/Kulturanthropologie hingegen – das Fach hat viele Namen – versteht sich als eine Kultur- und Alltagswissenschaft, die nicht ausschließlich, aber doch überwiegend die lebensweltlichen Äußerungen der unteren und mittleren sozialen Gesellschaftsschichten untersucht. Entsprechend setzt sie auch hinsichtlich der Streitkulturen andere Schwerpunkte und stellt auch andere Fragen. Im Folgenden stehen diejenigen Praktiken der Konfliktaustragung im Zentrum der Analyse, die sich bevorzugt in alltäglichen Zusammenhängen, auf Straßen, in Wirtshäusern und anderen Orten des Alltagslebens abspielten. Es geht darum, in welchen Kontexten Menschen auf einer alltagsweltlichen Ebene ihre Konflikte austrugen, wie sie das taten, welche Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit, Männlichkeit/Weiblichkeit und Ehre sich dabei offenbaren, welche sozialen neben den rechtlichen Normen handlungsleitend waren und welche Formen von Kontrolle und Sanktion, Regulierung und Schlichtung zum Einsatz kamen. Denn auch jenseits der adligen und akademischen Ehrencodices mit ihren zunehmend ritualisierten Praktiken der Streitaustragung existierten Vorstellungen und Regeln darüber, wie Menschen im Idealfall miteinander streiten sollten. Diese waren nicht schriftlich ausformuliert und gingen oft auch nicht konform mit den gesetzlichen Vorschriften. In der Alltagspraxis allerdings waren sie ebenso wirkmächtig, oft auch einflussreicher als Verordnungen der Obrigkeiten oder akademische Diskurse. Diese alltägliche Ebene des Streitens existierte im Übrigen, dies sei hier zumindest erwähnt, auch innerhalb der sozialen Oberschichten. So führten die Angehörigen der frühneuzeitlichen Universitäten keinesfalls nur gelehrte Dispute um ebenso gelehrte Inhalte. Auch sie stritten um weltliche Dinge wie konkurrierende Ansprüche um Besitz und 5 Siehe http://www.cct.uni-bonn.de/ (letzter Aufruf: 11. 9. 2009).
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Herrschaft, um Männlichkeit und Ehre, um die Zuneigung von Frauen und anderes mehr, und dies zeit- und standestypisch bevorzugt unter Einsatz von Waffen.6 Das Thema ist groß und lässt sich in einem kurzen Aufsatz nicht erschöpfend behandeln. Vor der Folie der literarischen und akademischen Diskurse um die »Kunst des Streitens« präsentiere ich allerdings tatsächlich ein anderes Bild der vormodernen Konfliktkultur als diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die sich speziell den elitekulturellen Formen der Streitaustragung widmen. Ich beginne mit einigen Beispielen, die einen schlaglichtartigen Einblick in das Spektrum der in der ländlichen Gesellschaft der Frühen Neuzeit üblichen Formen und Kontexte des Streitens erlauben. Diese stammen räumlich aus der westfälischen Herrschaft Canstein, einer kleinen, fünf Dörfer umfassenden adligen Grundund Gerichtsherrschaft am Rande des kurkölnischen Sauerlandes, zeitlich aus dem 17. und frühen 18. Jahrhundert. Sie führen unmittelbar in die Lebenswelten der bäuerlichen und unterbäuerlichen Schichten, die in der Frühen Neuzeit die Mehrheit der Bevölkerung ausmachten. Die sich anschließenden konzeptionellen Überlegungen bieten einen Vorschlag zur Integration einer streitkulturellen Forschungsperspektive in mein eigenes Fach, die Volkskunde/Europäische Ethnologie, stellen jedoch darüber hinaus einen Forschungsansatz zur Diskussion, der m. E. auch in elitekulturellen Zusammenhängen Erkenntnisgewinn verspricht. Die Herrschaft Canstein, aus der die folgenden Beispiele stammen, lag unmittelbar an der Grenze zur Grafschaft bzw. zum späteren Fürstentum Waldeck (heute Hessen) und umfasste die fünf Dörfer Canstein, Udorf, Leitmar, Borntosten und das Kirchdorf Heddinghausen, die heute sämtlich der Stadt Marsberg (früher Stadtberge) eingemeindet sind.7 Der erste Fall spielte sich 1715 im Haus des Cansteinischen Försters Adam Abraham ab, der infolge des in der Herrschaft geltenden Reihebraurechtes gerade den Bierausschank innehatte.8 Vor Gericht gebracht hatte den Fall der 6 Für das studentische Milieu in der Frühen Neuzeit siehe dazu Krug-Richter (2004a); dies. (2004b); Krug-Richter / Braun (2006); Krug-Richter (2007); dies. (2009); Füssel (2004); ders. (2005); Rasche (2008); ders. (2009). Zur adligen Konfliktkultur des 16. und frühen 17. Jahrhunderts siehe Dierkes (2007). 7 Zur Herrschaft Canstein Krug-Richter (2003a). 8 Das Brau- und Schankrecht in der Herrschaft Canstein stand eigentlich den beiden Gerichtsherren zu, die dieses jedoch seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert gegen Entgelt (Bierakzise, Bierprobe) an die Untertanen vergaben. Brau- und schankberechtigt waren alle Inhaber von Bauernstellen (Vollspänner, Halbspänner, Kötter), nicht jedoch die sogenannten Beiwohner, diejenigen Bewohner der Herrschaft, die nicht auf Bauernstellen saßen. Der Zapfen, der den Ausschank anzeigte, – denn er wurde vor den privaten Bierstuben öffentlich ausgehängt, –ging in einer festgelegten Ordnung reihum, als Schankraum diente in der Regel die private Stube. Die Brauordnung und die Braureihe für das Dorf Canstein in Staatsarchiv Münster, Reichskammergericht, C 85, Bd. 3, fol. 67 ff.
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dörfliche Rüger, die im Dorf ausgeloste, von der Gerichtsherrschaft vereidigte dörfliche Denunziationsinstanz.9 Seit längerem schwelende familiäre Streitigkeiten um das Wohnrecht im Haus der Schwiegermutter hatten wieder einmal zu einer Schlägerei zwischen den Schwägern Ferdinand Wiechert und Jakob Rehling in einem der temporären Wirtshäuser geführt. Der Anfang des Konfliktes ist nicht mehr belegt, weil Jakob Rehling zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung schon tot war ;10 Ferdinand Wiechert konnte keine detaillierten Angaben mehr machen, da er zum Zeitpunkt der Schlägerei betrunken war. Der ebenfalls im Wirthaus anwesende Freund Jakob Rehlings, Adam Bohle, mischte sich ein, wurde von Rehling aber mit dem Hinweis darauf, er sei allein Manns genug, den Konflikt auszufechten, zurückgewiesen. Der Lärm, den die Schlägerei verursachte, ließ die Schwiegermutter Jakob Rehlings, die im Hause des Gastwirtes arbeitete, sowie die Tochter Adam Bohles schlichtend eingreifen. Diese hängten sich an den pöbelnden und schlagenden Ferdinand, der beide an den Haaren ergriff, woraufhin alle drei zu Boden fielen und erst von Jakob Rehling auseinandergebracht werden konnten. Der Fall ist nicht spektakulär : Eine alltägliche Schlägerei unter Männern, geschehen an einem normalen Arbeitstag, an dem sich Männer aller dörflichen Sozialschichten nach getaner Arbeit in den reihum wechselnden Wirtshäusern versammelten. Anwesend waren zum Zeitpunkt des Konfliktes drei Freunde, die sich regelmäßig zum gemeinsamen Bier trafen: Jakob Rehling, Kötter und Bauerrichter des Dorfes Canstein, Wollradt Todt, Vollspänner und Bauerrichter des Dorfes Heddinghausen, und Adam Bohle, Kötter und Schmied aus Canstein. Daneben tranken ihr Bier an diesem Abend der Schwager Jakob Rehlings Ferdinand Wiechert sowie ein weiterer Kötter. Im Nebenraum war die Schwiegermutter Jakob Rehlings mit Spinnarbeiten beschäftigt, der Förster hatte sich schon zu Bett begeben, den Ausschank erledigten dessen Frau und Tochter. 9 Neben den dörflichen Funktionsträgern, dem Bauerrichter, den Dorfvorstehern und den Gerichtsschöffen, gab es in der Herrschaft Canstein seit spätestens der Mitte des 16. Jahrhunderts die Institution von zwei Rügegeschworenen pro Dorf, den sogenannten Rügern. Diese hatten auf Verstöße gegen die herrschaftliche Ordnung zu achten, diese entweder in Form von Registern einzubringen, regelmäßig Rapport vor dem herrschaftlichen Amtmann zu erstatten oder auf den unregelmäßig stattfindenden Rügegerichtstagen einzurügen. Die Rüger wurden auf den Rügegerichten von den Obrigkeiten vereidigt, nachdem die Personen für dieses Amt vermutlich vorher in den Dörfern ausgelost worden waren. Zum Procedere siehe exemplarisch Archiv Frhr. von Elverfeldt, Bestand A: Canstein, Akten 1428, 1463. Zum Cansteiner Rügegericht Krug-Richter (1997), erweitert Krug-Richter (2003a). Zum Prinzip der Rüge generell Landwehr (2000) sowie ausführlich und grundlegend Holenstein (2003). 10 Jacob Rehling wurde 1716 wegen wiederholten schweren Diebstahls nach einem aufwendigen Gerichtsverfahren vom Cansteinischen Gericht zum Tode verurteilt und drei Tage nach der Verkündigung des Urteils ebendort auch hingerichtet. Archiv Frhr. von Elverfeldt, Bestand A: Canstein, Akten 1431, 1362, 1392 – 1394. Die Rekonstruktion und detaillierte Analyse des Falles bei Krug-Richter (1998).
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Dass Raufhändel eine geläufige Form männlichen Konflikthandelns darstellten, ist hinreichend bekannt. Auch die Rolle des Wirtshauses als Schauplatz zahlreicher, auch gewalttätig ausgetragener männlicher Händel ist nichts Neues. Interessant ist an diesem Fall zum einen die Anwesenheit von Frauen: Es war das Reihebraurecht, die reihum wechselnde Nutzung der privaten Stube als Schankraum, die hier für die regelmäßige Anwesenheit von Frauen auch im Wirtshaus sorgte.11 Diese schenkten nicht nur das Bier aus, sondern gingen parallel dazu ihren anderen Arbeiten nach. Hervorzuheben ist auch der Einsatz von Frauen als Schlichterinnen in einer Schlägerei zwischen Männern, der in diesem Fall allerdings scheiterte. Das zweite Beispiel unterscheidet sich hinsichtlich des Tatortes – es war ein Privathaus –, der Akteure – es waren ausschließlich Frauen daran beteiligt –, der Art des Ausgangs – es floss ein wenig Blut –, der Art der obrigkeitlichen Einschaltung – es wurde Klage erhoben: Der Streit zwischen Arnd Pahls Frau und Maria Müller drehte sich um die Auszahlung von Arbeitslohn, den Maria Müller der Pahlin noch schuldig war.12 Um diesen abzuholen, war diese in das Haus der Müllerin gekommen: Auf die Frage nach dem Lohn bekam sie jedoch die Antwort, sie, Maria Müller, wolte ihr was in den Hals scheißen. Auf ihre Antwort hin das magstu fressen in des teuffels nahmen, ich freße Deinen Dreck nicht, wurde die Pahlin als Wetterhexe tituliert und gab die Beleidigung im gleichen Wortlaut postwendend zurück. Das verbale Gefecht steigerte sich um Du ausgebrüdete Judenhure mit dem Zusatz, sie, die Pahlin, hätte soviel köpfe gestohlen, daß sie eine stande voll sulchemuß eingemacht. Die Pahlin bezeichnete im Gegenzug den Mann Maria Müllers als grintergen kerll, den man totschlagen solle, beschimpfte die Familie als Huren- und Schelmenpack, deren Leute als Hexen verbrannt und besagt worden wären. Nach dieser Kanonade an gegenseitigen Beschimpfungen ergriff Maria Müller ein Holz und schlug auf ihre Kontrahentin ein. Die beiden Frauen ergriffen sich in den Haaren und fielen zu Boden, schlugen sich im Verlauf des Gerangels gegenseitig mehrfach ins Gesicht, schließlich biss die Pahlin der Müllerin ins Ohr. Einer hinzukommenden dritten Frau gelang es nach mehreren Versuchen, der Schlägerei ein Ende zu setzen, indem sie die Pahlin aus dem Haus komplimentierte. Dass der inzwischen hinzugekommene Arndt Pahl und seine Frau danach versuchten, mit einer Axt die Haustür der Müllers einzuschlagen, sei hier nur noch am Rande erwähnt. Die eigentliche Auseinandersetzung hatte sich zwischen den beiden Frauen abgespielt und unterschied sich strukturell nur 11 Zur Praxis des Reihebrauens in der Herrschaft Canstein siehe Krug-Richter (2004c). 12 Archiv Frhr. von Elverfeldt, Bestand A: Canstein, Akten 1443, Rügeprotokoll Heddinghausen, 17 f. Eine ausführliche Schilderung der Auseinandersetzung findet sich auch in Archiv Frhr. von Elverfeldt, Bestand A: Canstein, Akten 1428, fol. 110 ff.
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wenig von einer männlichen Schlägerei, auch wenn der Biss ins Ohr nicht unbedingt typisch für männliche Formen der Konfliktaustragung war.13 Die Kontrahentinnen beleidigten sich, griffen sich in die Haare und schlugen sich mehrfach ins Gesicht. In vielen körperlichen Auseinandersetzungen war der Griff in die Haare die Norm, der Kopf das bevorzugte Körperteil für den Angriff.14 In einem Punkt allerdings unterschied sich diese Auseinandersetzung zwischen Frauen von der zwischen Männern: Die Wortgefechte im Vorfeld waren länger, vielfältiger, phantasiereicher. Auch die in diesem Konflikt letztlich erfolgreiche Schlichtungsinstanz war weiblichen Geschlechts. Das letzte Beispiel unterscheidet sich grundsätzlich von den vorherigen, und dies nicht nur durch die Akteure, sondern auch durch die Art, wie der Konflikt ausgetragen wurde. Hier schlugen nicht direkte Kontrahenten aufeinander ein; vielmehr agierte ein Kollektiv, das den angeblichen Normverstoß eines Dritten öffentlich und ehrenrührig sanktionierte. Der Vorfall, der sich im Juli 1696 abgespielt hatte, ist über die gerichtliche Klage des Hauptbetroffenen, des Kötters Henrich Camus aus Heddinghausen, überliefert. Dieser klagte am 4. Juli 1696 vor dem herrschaftlichen Rügegericht gegen die Frau des Kötters Ricus Habich: Nach Camus’ Schilderung hatte Habichs Frau am Montag nach Pfingsten die Leiter vom Kirchhof geholt und an sein Haus gestellt in der Absicht, mit Hilfe anderer Frauen und Männer des Dorfes das Dach abzudecken. Camus war angeblich von seiner Frau geschlagen worden, eine Verkehrung der Geschlechterordnung, die in diesem Fall die Frauen des Dorfes auf den Plan rief. Denn, so die Aussage der Frau des Ricus Habich, die Männer, welche sich von ihren weibern schlagen liesen, [müssten] eine sölche straffe von den weibern außstehen. Auch einige Männer hatten sich an dem Vorhaben beteiligt, das jedoch nicht zur Ausführung gelangte, sondern aufgrund innerdörflicher Meinungsverschiedenheiten in eine Massenschlägerei mündete. Das Gericht duldete derartige Akte von Selbstjustiz keinesfalls. Es verurteilte die beteiligten Männer zu der vergleichsweise geringen Geldstrafe von einer Mark pro Person. Die Frauen als Initiatorinnen der Aktion hingegen wurden erheblich härter bestraft: Sie hatten die Wahl, entweder sechs Tage Roggen auf den Feldern der guts-
13 Dass auch Männer gelegentlich in Ohren beißen, belegte im Sommer 1997 spektakulär der Boxer Mike Tyson, der seinen Gegner Evander Holyfield in beide Ohren biss. Vgl. anstelle zahlreicher Zeitungsartikel: Angefressen. In Las Vegas gewinnt Evander Holyfield gegen Mike Tyson den Kampf – und verliert ein Stück Ohr. In: Der Spiegel. Sonderausgabe – Jahres-Chronik. Der Rückblick. Hamburg Dezember 1997, 146 f. 14 Hier scheint es sich um ein durchgängiges Muster zu handeln, vgl. die Ergebnisse bei Dinges (1994).
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herrlichen Vorwerke zu schneiden oder aber drey tage undt nacht in der gefängnüß zu sitzen.15 Das Abdecken des Daches, das die Heddinghauser Frauen hier letztlich erfolglos initiiert hatten, gehörte zu den außergerichtlichen Sanktionen für die Verkehrung der Geschlechterrollen. Es lässt sich auch in diesem Fall in der Kategorie der sogenannten ›Rügebräuche‹ verorten: Es geschah kollektiv, verlief nach festem Muster, war anlassgebunden und berief sich auf geltende Traditionen und lokale ›Rechtsgewohnheiten‹.16 Was diesen Fall vom Gros der bisher in der Literatur dokumentierten Fälle unterscheidet, ist allein die Tatsache, dass hier Frauen als primäre Brauchträgerinnen benannt werden. Man könnte diese Aufzählungen ergänzen um die zahlreichen Ehrenhändel, bei denen es bei gegenseitigen Beleidigungen blieb, um Klagen von Ehefrauen gegen prügelnde Ehemänner,17 um ehrenrührige, auch handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen Schwiegereltern und Schwiegerkindern,18 zwischen Geschwistern,19 seltener zwischen Eltern und Kindern,20 zwischen Nachbarn, zwischen herrschaftlichen Beamten und Untertanen,21 zwischen Eltern und Lehrern22 u. a. mehr. Das Gros der Konflikte stand wie die kommunikativen Strukturen im Kontext von Arbeitszusammenhängen, verwandtschaftlichen und nachbarschaftlichen Sozialbeziehungen: Es ging um Kompetenzstreitigkeiten in der Führung von Wirtschaft und Haushalt, um die Erziehungsbefugnis über Kinder, um das Ausleihen von Geräten und Geld, strittige Besitzansprüche, das unbefugte Betreten von Nachbars Garten, Schäden, die durch Vieh angerichtet wurden, ausstehende Löhne und Arbeitsleistungen, um hier nur einiges zu nennen. Die Konfliktfelder waren je nach Kontext geschlechtsspezifisch besetzt oder indifferent. Selbst Kinder fingen sich schnell eine Ohrfeige ein, wenn sie beim unbefugten Krautrupfen auf fremden Feldern ertappt wurden, und 15 Archiv Frhr. von Elverfeldt, Bestand A: Canstein, Akten 1382, Rügeprotokolle 1696, unpag., Eintrag 4. Juli 1696. Weitere Informationen zum Fall bei Krug-Richter (2005). 16 Zu den frühneuzeitlichen Rügebräuchen immer noch grundlegend mit zahlreichen Beispielen ist Kramer (1974), hier insbes. 70 ff.; konzeptionell maßgeblich auch Scharfe (1991). 17 Archiv Frhr. von Elverfeldt, Bestand A: Canstein, Akten 1425, Rügeprotokoll Borntosten, 18 ff. 18 Ebd., 31 ff. 19 Archiv Frhr. von Elverfeldt, Bestand A: Canstein, A 1425, Rügeprotokoll Udorf, 2 f. 20 Archiv Frhr. von Elverfeldt, Bestand A: Canstein, Akten 1425, Rügeprotokoll Udorf, 116 ff. 21 Archiv Frhr. von Elverfeldt, Bestand A: Canstein, Akten 1425, Rügeprotokoll Udorf, 90 ff.; Protokoll des Samtgerichtes Canstein vom 14. November 1710 in Archiv Frhr. von Elverfeldt, Bestand: Canstein, Akten 2333, Bd. 1 (unpag.). Vgl. dazu auch Krug-Richter (1995); allgemein Troßbach (1996). 22 Vor allem das Schlagen von Kindern in der Schule zog immer wieder auch handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen Lehrern und Eltern nach sich, so Archiv Frhr. von Elverfeldt, Bestand A: Canstein, Akten 1425, Rügeprotokoll Udorf, 140 ff.
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auch herumlaufendes Vieh wurde nicht immer nur friedlich vom Feld gescheucht.23 Die Hintergründe, vor denen sich die Konflikte entfalteten, spiegeln das gesamte Spektrum ländlicher Subsistenz, sozialer Beziehungen und Herrschaftsverhältnisse.24 Den beiden ersten Beispielen ist gemeinsam, dass sowohl Beleidigungen als auch physische Gewalt relevante Formen der Konfliktaustragung darstellten. Die Fälle verweisen darüber hinaus exemplarisch auf strukturelle Gemeinsamkeiten, die in zahlreichen Konflikten belegt sind: Zum einen auf den Grad an Öffentlichkeit, der sich nicht nur auf das Wirtshaus als ›öffentlichen‹ Raum, sondern auch auf das private Haus erstreckte.25 Zum zweiten auf das aus dieser Öffentlichkeit resultierende Einschreiten unbeteiligter Dritter entweder als Konfliktschlichter oder aber, wie im letzten Fall, als öffentliche Sanktionsinstanz. Zum dritten auf die in den ersten beiden Fällen deutlich greifbare Verweisstruktur des Ehrenhandels, die Instrumentalisierung eines kulturellen Rituals26 zur Klärung oder Lösung tieferliegender Probleme.27 Auffallend ist die strukturelle Gleichheit männlichen und weiblichen Konfliktverhaltens: Männer wie Frauen schimpften und schlugen und lösten den Konflikt letztlich vor Gericht. Dieses Bild ergibt sich naturgemäß auch durch die Auswahl der Beispiele; es sollte nicht dazu verleiten, das Konfliktverhalten der Geschlechter unkritisch gleichzusetzen. Die Beispiele belegen zwar, dass auch Frauen zu physischen Formen der Auseinandersetzung griffen. Sie verweisen bei detaillierterer Kenntnis der örtlichen Verhältnisse darüber hinaus auf die Relevanz individueller Voraussetzungen: Zumindest die am ersten Fall beteiligten Personen zeigten sich auch in anderen Konstellationen als ausgesprochen streitbar. Die quantitative Verteilung des geschlechtsspezifischen Konfliktver23 Für das gewalttätige Verjagen von Tieren, die auf fremden Feldern und Wiesen weideten, findet sich in den Cansteinischen Gerichtsprotokollen eine Fülle von Belegen. Derartige Fälle wurden in der Regel dann gerichtshängig, wenn die Tiere ernsthaft verletzt worden waren oder an den Folgen der Misshandlungen verendeten: Exemplarisch Archiv Frhr. von Elverfeldt, Bestand A: Canstein, Akten 1364, Rügeprotokoll 1690, fol. 49r: Wollrad Müller is eingerügt, daß er Andreaßen Wichelman ein schwein geschmißen [wohl mit Steinen, B.K.-R.], daß die derme auß dem leib gehangen und er daßselbige darum abthun mußen, ist derhalben in ein marck straff geschlagen. 24 Siehe exemplarisch Eriksson/Krug-Richter (2003); Krug-Richter/Mohrmann (2004). 25 Der private Charakter des Hauses, dies ist bekannt, ist eine Erfindung der Neuzeit. In der ländlichen Gesellschaft griffen noch im frühen 18. Jahrhundert Männer und Frauen aus Familie, Verwandtschaft und Nachbarschaft konfliktschlichtend selbst in innerhäusliche Auseinandersetzungen ein, wenn die Lautstärke des Streites durch die Mauern nach außen drang. In den Städten sah dies teilweise im 18. Jahrhundert schon anders aus, siehe Eibach (2004). 26 Grundlegend zum Ehrenhandel als kulturellem Stil Dinges (1994); auch Krug-Richter (2003b); Fuchs (1999). 27 Vgl. dazu auch die Einschätzung bei Ulbrich (1995); Dinges (1994), 138.
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haltens sieht anders aus: Insgesamt standen Frauen deutlich seltener wegen verbal oder tätlich ausgetragener Konflikte vor Gericht als Männer.28 Häufiger anzutreffen sind sie hingegen bei den ex officio, also von Seiten des Gerichts, auf Gerüchte oder anonyme Anzeigen hin eingeleiteten Verfahren wegen Flur- und Feldfreveln, Gartendiebstählen, unbefugtem Krautsammeln auf Nachbars Ländereien, Verstößen gegen die Reihe im Bierausschank, um nur einiges zu nennen. Hier handelte es sich generell um Verstöße gegen Vorschriften, die den zentralen Arbeits- und Erwerbsbereich der Frauen betrafen. Das Gros der Schlägereien hingegen spielte sich zwischen Männern ab, es waren in der Regel auch Männer, die Frauen schlugen. Bei den weiblichen Formen der Konfliktaustragung überwogen schon aufgrund des geringen Gewaltanteils verbale Attacken wie schimpfen, drohen oder fluchen. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass ein quantitativ nicht abschätzbarer Teil der Konflikte gar nicht bis vor die Gerichte gelangte, die überlieferten Formen des Konfliktverhaltens somit nur einen kleinen Ausschnitt abbilden. Die vorindustrielle ländliche Gesellschaft verfügte über ein breites Repertoire an vor- und außergerichtlichen Möglichkeiten der Konfliktregulierung, von denen Männer wie Frauen Gebrauch machten.29 Die Konfliktschlichtung durch Dritte hat sicherlich zahlreiche Konflikte beendet, ohne dass je eine Nachricht darüber an das Gericht gelangte. Die Rolle, die Frauen in diesem Zusammenhang auch für die Schlichtung von Konflikten zwischen Männern zukam, verweist dabei weniger auf den friedliebenderen Charakter des weiblichen Geschlechtes als vielmehr auf die spezifische Konzeption der männlichen Ehre: Während der Schlichtungsversuch durch einen Mann schnell als Angriff oder unberechtigte parteiische Einmischung interpretiert wurde – die männliche Ehre erforderte vor allem in Raufereien, ›seinen Mann‹ zu stehen,30 und zwar allein –, bestand diese Gefahr bei weiblichen Interventionen nicht. Die geläufige Anwesenheit von Frauen in den wechselseitig als Schenken genutzten privaten Stuben hat sicherlich nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass Frauen häufig als Schlichterinnen auf den Plan traten. Das Gros der weiblichen Konflikte hingegen kreiste um den Verantwortungs- und Arbeitsbereich der Frauen inner- und außerhalb des Hauses: Um Übergriffe auf die Kinder, das Vieh, die Erträge der eigenen Arbeit in Garten, Haushaltung und Viehwirtschaft, um die weiblichen Kompetenzen in 28 Für die Herrschaft Canstein im frühen 18. Jahrhundert vgl. Krug-Richter (2003b), 301, Tab. 2. Weitere Zahlen bei Müller-Wirthmann (1983); Sabean (1990); Schnyder-Burghartz (1993); Walz (1992); ders. (1996); Frank (1995); Hohkamp (1998); Rappe-Weber (2001); Schwerhoff (1995). 29 Vgl. Krug-Richter (1997, 2003a). 30 Für die städtische Gesellschaft des 17. Jahrhunderts vgl. dazu Roper (1992) sowie dies. (1995). Zu Konzepten von Männlichkeit im 16. und frühen 17. Jahrhundert siehe neuerdings auch Krug-Richter (2007).
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der Haushaltsführung und anderes mehr. Daneben spielte natürlich auch die Verteidigung der Ehre von Haus und Familie, in der wie im zweiten Beispiel häufiger auch das Paar gemeinsam auftrat, eine Rolle, des Weiteren auch die weibliche Ehre. Keine Frau ließ sich ungestraft als Hure oder Hexe beschimpfen. Die beiden ersten Fälle bieten einen relativ dichten Einblick in die konkreten Praktiken der Austragung und Schlichtung von Konflikten in der ländlichen Gesellschaft der Frühen Neuzeit. Damit verweisen sie auf ein jüngeres Forschungsfeld, das die volkskundliche Konfliktforschung mit modernen Ansätzen der Frühneuzeitforschung und hier insbesondere mit der Historischen Kriminalitätsforschung teilt.31 Das dritte Beispiel hingegen verweist auf einen Brauchkontext, den schon die ältere rechtliche Volkskunde als einen ihrer genuinen Forschungsgegenstände definierte. Die vormodernen Rügebräuche waren die vielleicht spektakulärste Form der außergerichtlichen Sanktionierung von Normverstößen.32 Viele historische Rügebräuche zielten wie die oben erwähnten kollektiven Sanktionen gegen einen Mann, der sich von seiner Frau hatte schlagen lassen, auf das Verhältnis der Geschlechter : Auf die Wahl des richtigen Ehepartners, die Wahrung der Machtverhältnisse in der Ehe, normkonformes Sexualverhalten und anderes mehr. Insbesondere die Gruppe der jungen Männer übernahm in den frühneuzeitlichen Dörfern die hinlänglich bekannte Funktion, das Heirats- und Sexualverhalten zu kontrollieren und eventuelle Verstöße gegen allgemein geltende Prinzipien durch eine öffentliche Demütigung der ›Täter‹ zu sanktionieren.33 Diese aufgrund ihres ritualisierten Ablaufs und ihrer expliziten Bezugnahme auf lokale Rechtsgewohnheiten in die Kategorie der Bräuche eingeordneten Praktiken der Sanktionierung von Verstößen gegen die lokale Ordnung basierten auf ungeschriebenen Normen, auf Vorstellungen von Ordnung, die dennoch als verbindlich galten. Sie hatten eine reale Sanktionsfunktion mit der Perspektive, den Gerügten bei Einsicht in sein Fehlverhalten wieder in die Gemeinschaft zu integrieren, bei Nicht-Einsicht jedoch auch längerfristig aus bestimmten gruppenkulturellen Kontexten auszuschließen. Auch wenn in Rügebräuchen soziale Kontrolle nicht selten, um eine für die 1970er Jahre typische kritische Einschätzung Hermann Bausingers zu zitieren, »rigoros und gnadenlos über Devianten ausgeübt wurde, wobei die Abweichungen oft in keinem
31 Siehe exemplarisch Eriksson/Krug-Richter (2003); Krug-Richter/Mohrmann (2004). Zu den Perspektiven der historischen Kriminalitätsforschung in Deutschland grundlegend sind Schwerhoff (1999); Blauert/Schwerhoff (2000). 32 Siehe die Zusammenfassung bei Hinrichs (1991). 33 Kramer (1974); Hinrichs (1991), 441 ff. mit Verweis auf weitere Literatur ; Scharfe (1991); eine exzellente Einzelanalyse bei Schindler (1992).
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Verhältnis zur Rüge- und Strafpraxis«34 standen, waren derartige Aktionen keineswegs an der Tagesordnung. Dagegen spricht schon die faktisch geringe Zahl der historisch überlieferten Fälle. Bindet man die Rügebräuche konzeptionell in den weiteren Komplex derjenigen Möglichkeiten ein, Konflikte vorund außergerichtlich auszutragen und zu regulieren, bildeten sie nur eine Option unter vielen. Schon ritualisierte Reintegrationsmaßnahmen für Abweichler wie das gemeinschaftliche Vertrinken der Bußgelder, das in Dorfgemeinden wie in städtischen Zünften üblich war, belegen das Interesse in Land und Stadt, Konflikte aus der Welt zu schaffen, ohne die Beteiligten langfristig zu stigmatisieren oder auszuschließen.35 Dabei beurteilt die moderne Frühneuzeitforschung die vormodernen Praktiken außergerichtlicher Konfliktregulierung, Kontrolle und Sanktion inzwischen insgesamt differenzierter als die ältere rechtliche Volkskunde. Sie versteht diese im weitesten Sinne als Formen menschlicher Kommunikation, die in ihren historischen kulturellen Zusammenhängen zu verorten und aus diesen heraus zu interpretieren sind. Sie operiert nicht mehr, wie Teile der älteren Volkskunde, mit Gemeinschaftsbegriffen, die Harmonie suggerieren, wo in der Praxis soziale Ungleichheit herrschte.36 Sie lässt jedoch gleichzeitig zeitgenössischen Vorstellungen und Realisierungen von ›Gemeinschaft‹ denjenigen Raum, den diese auch realhistorisch für sich beanspruchen können. Insbesondere der programmatische Entwurf, den Karl-Sigismund Kramer in seinem »Grundriß einer Rechtlichen Volkskunde« im Jahre 1974 vorlegte,37 hat in den letzten Jahren in den Geschichtswissenschaften erheblich an Popularität gewonnen. Das darin entwickelte Ordnungs-Konzept dient inzwischen zahlreichen Historikern und Historikerinnen als theoretischer Rahmen.38 Daneben erfreut sich auch die Ehre als einer der Leitbegriffe der Rechtlichen Volkskunde schon seit Jahren bevorzugter Aufmerksamkeit in den Geschichtswissenschaften.39 Die Volkskunde als Europäische Ethnologie hingegen hat sich inzwischen 34 Bausinger (1985), 180. 35 Kramer (1971); ders. (1984). 36 So sind Kramer immer wieder die angebliche Statik seines Modells und auch der idealisierte Gemeinschaftsbegriff vorgeworfen worden. Anstelle zahlreicher Einzelnachweise siehe die kritische Auseinandersetzung mit dem Kramerschen Konzept in Köstlin / Sievers (1976). Siehe auch die kritische Diskussion der volkskundlichen Forschung bei Schindler (1984), hier insbesondere 39 – 47, zu Kramer 39 – 42. Eine späte Auseinandersetzung mit der Resonanz seines Modells bei Kramer (1997). 37 Kramer (1974). 38 Frank (1995); Freitag (1998). Dass selbst Schweizer Mediävisten inzwischen auf das Kramersche Ordnungskonzept zurückgreifen, belegt exemplarisch Hürlimann (2000). 39 Die Ehrforschung hat in der historischen Frühneuzeitforschung inzwischen nahezu den Status einer Subdisziplin erreicht. An wichtigen Arbeiten seien daher an dieser Stelle nur exemplarisch genannt: Dinges (1994); Fuchs (1999); Schreiner / Schwerhoff (1995); Backmann u. a. (1998); von volkskundlicher Seite Hartinger (1993); Krug-Richter (2003b).
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weitgehend von der Rechtlichen Volkskunde sowie von der Frühen Neuzeit als Untersuchungszeitraum verabschiedet. Mit der Etablierung der Historischen Kriminalitätsforschung steht der Rechtlichen Volkskunde in bestimmten thematischen Bereichen seit den 1990er Jahren eine wirklich kompetente ›Konkurrenz‹ gegenüber. Vergleicht man den schon vor 30 Jahren durch Kramer umrissenen Aufgabenbereich der Rechtlichen Volkskunde damit, welche Fragen und Konzepte maßgeblich Gerd Schwerhoff als konstitutiv für die Historische Kriminalitätsforschung benannte, werden die Überschneidungen, aber auch die Unterschiede augenfällig. Kramer formulierte schon 1974 als wesentliches Anliegen der Rechtlichen Volkskunde, die ›Spannungsdreiecke‹ »Einzelner – Gruppe – Obrigkeit« und »Norm – Kontrolle – Sanktion«40 in ihren komplexen Abhängigkeiten und Vernetzungen zu untersuchen. Als zentrales Gestaltungsprinzip der vormodernen Gesellschaft galt ihm die Kategorie der Ordnung, die ein annähernd friedliches menschliches Zusammenleben überhaupt erst ermöglichte und strukturierte. Der Begriff der Ordnung zielt dabei nicht nur auf die staatliche Ebene, in der lokale wie territoriale Obrigkeiten durch den Erlass von Gesetzen einen obrigkeitlich definierten Ordnungsrahmen schufen. Zentral für die soziale Funktionsweise der traditionalen ländlichen Gesellschaft war daneben, und dies unterscheidet den Ansatz von rechtshistorischen Perspektiven,41 die Relevanz informeller Ordnungsvorstellungen: Diese standen des Öfteren, jedoch nicht zwingend in Deckung mit denjenigen der Obrigkeiten. Insbesondere im 17. und frühen 18. Jahrhundert, als die Obrigkeiten nahezu sämtliche Bereiche des Lebens einem zunehmend engmaschigeren Netz an Gesetzen und Verordnungen unterwarfen und Instanzen zu deren Kontrolle etablierten, wird dieses Spannungsverhältnis zwischen informellen, an Sitte und Brauch orientierten Normen und obrigkeitlich installierten Regulierungen deutlich greifbar. Schon das Beispiel des Dachabdeckens durch die Heddinghauser Frauen verwies ja auf diese Diskrepanzen zwischen dörflichen und obrigkeitlichen Vorstellungen sowohl hinsichtlich eines Normverstoßes als auch hinsichtlich dessen Sanktionierung. Es belegt darüber hinaus exemplarisch, dass auch das dörfliche Normensystem über Instanzen der Kontrolle und Sanktion verfügte, die ein hohes Maß an Verbindlichkeit besaßen. Auch die innerdörflichen Kontroll- und Sanktionsmaßnahmen verliefen keineswegs regellos, vielmehr oft ritualisiert und in der äußeren Form oftmals angelehnt an Akte des Rechts. In der Betonung einer 40 Die Begriffe hier nach Göttsch (1991), 24. 41 Nach den Ausführungen von Schempf (2001) ist neben den allgemeinen Beziehungen zwischen »Recht und Volkskultur vor allem das Spannungsfeld zwischen dem einzelnen und der Obrigkeit, der Konflikt zwischen dem vermeintlichen Recht des einzelnen und der von der Obrigkeit zu beachtenden und von ihr zu garantierenden positiven Rechtsordnung das Thema der RV«, hier 434 [Hervorhebung im Original, B.K.-R.].
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neben dem gesetzten Recht existenten, soziokulturell definierten Ordnung für das menschliche Zusammenleben treffen sich Kramers Überlegungen im Übrigen mit Konzepten der Rechtsethnologie.42 Die Historische Kriminalitätsforschung definiert ihr Forschungsfeld als »abweichendes Verhalten in der Vergangenheit im Spannungsfeld von Normen, Instanzen und Medien sozialer Kontrolle einerseits, von gesellschaftlichen Handlungsdeterminanten andererseits«.43 Auch hier spielt das Konzept der sozialen Kontrolle, bei Kramer durch das treffende Bild des Dorfauges angesprochen, eine zentrale Rolle. Gerd Schwerhoff versteht unter »sozialer Kontrolle« »alle Arten, in denen Personen abweichendes Verhalten definieren und darauf … durch eine Maßnahme reagieren«.44 Auch die Historische Kriminalitätsforschung geht konzeptionell davon aus, dass neben juristisch gesetzten Normen solche informeller Art menschliches Zusammenleben strukturierten, dass damit korrespondierend informelle Formen von Kontrolle und Sanktion deren Einhaltung zu erreichen suchten. Wie in der Rechtlichen Volkskunde gilt das Konzept der Ehre auch in der jüngeren historischen Forschung als eines der zentralen Werte- und Orientierungssysteme der frühneuzeitlichen Gesellschaft. Vergleichbar den Ansätzen Kramers konstituiert sich auch das Forschungsfeld der Historischen Kriminalitätsforschung durch ein Beziehungsdreieck, dessen einzelne Koordinaten dann auch den entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Konzepten markieren: »Devianz – rechtliche und soziale Normen – Sanktionen«.45 Wichtig für kriminalitätshistorisches Arbeiten ist darüber hinaus insbesondere die Berücksichtigung derjenigen Zuschreibungsprozesse, die Handlungen in normkonforme und deviante scheiden. Im Unterschied zur Rechtlichen Volkskunde beschränkt die historische Kriminalitätsforschung ihren Untersuchungsgegenstand auf ›deviantes‹ Verhalten. In der Reichweite der beiden Konzepte erweist sich das Kramersche schon vom Ansatz her als deutlich breiter. Obwohl Kramer sein Modell anhand einer ländlichen Mustersiedlung entwickelte, lassen sich seine Grundkategorien auch für die Analyse städtischer Teilgesellschaften fruchtbar machen. Denn wie auf dem Land ging es auch in der frühneuzeitlichen Stadt um Ordnung und Unordnung, Recht und Unrecht, beanspruchten neben dem gesetzten Recht informelle soziale Normen Geltung. Letztlich sind die Konzepte der Rechtlichen Volkskunde und der Historischen Kriminalitätsforschung schon deshalb nicht stringent voneinander zu trennen,
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Exemplarisch Roberts (1981). Schwerhoff (1992), 387; auch ders. (1999), 11 – 14. Schwerhoff (1999), 11 nach Dinges (1994), 169. Schwerhoff (1999), 11.
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weil ein Teil der kriminalitätshistorischen Überlegungen auf Kramer und auch auf den nahe verwandten rechtsethnologischen Entwürfen basiert.46 Aus der Aufmerksamkeit und Aktualität, die Fragen und Forschungsgegenständen der Rechtlichen Volkskunde schon seit Jahren in den historischen Nachbardisziplinen zukommt, ergäbe sich eigentlich als logische Konsequenz die Revitalisierung dieser Perspektiven im eigenen Fach. Dies meint keine nahtlose Wiederbelebung alter wissenschaftlicher Traditionen und Methoden, sondern die Modifizierung alter und die Entwicklung neuer Fragestellungen und Konzepte. Ich zumindest sehe ein zukünftiges Forschungsfeld im Komplex der Konfliktkulturen, unter die sich auch das Gros der historischen Rügepraktiken subsumieren lässt. Praktiken zur Austragung und Regulierung von Konflikten bilden und bildeten ein zentrales Medium menschlicher Kommunikation. Eingebettet in historische und kulturelle Zusammenhänge und Wertvorstellungen, unterlagen und unterliegen sie Wandlungsprozessen, die ihrerseits Rückschlüsse auf sich ändernde Wertesysteme und damit auch auf gesellschaftlichen Wandel generell erlauben. Sie nahmen und nehmen darüber hinaus immer in irgendeiner Form Bezug auf Vorstellungen von Recht und Unrecht, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Redlichkeit und Unredlichkeit – sei es im Sinne des gesetzten Rechts oder im Sinne sozialer Normen. Damit genügen die Kulturen des Streitens in idealer Weise denjenigen Anforderungen, die die moderne Europäische Ethnologie an ihre Forschungsgegenstände stellt. Auch der theoretische Rahmen, den Karl-Sigismund Kramer in seinem Grundriss einer rechtlichen Volkskunde 1974 entwickelte, bietet nach wie vor wesentliche Ansatzpunkte dafür, die Praktiken des Konflikts und seiner Austragung in ihrer historisch-kulturellen Bedingtheit zu untersuchen – in Deutschland und anderen Ländern Europas, in Geschichte und Gegenwart, bei Männern und Frauen, Jungen und Alten, Reichen und Armen, Gebildeten und Ungebildeten, vom Adel bis zur Arbeiterschaft. Hier wäre dann auch die Europäische Ethnologie wieder im Spektrum derjenigen historischen Disziplinen vertreten, die ja nicht nur miteinander konkurrieren, sondern sich auch gegenseitig befruchten. Dabei liegt die entscheidende Chance der Volkskunde/ Europäischen Ethnologie gerade in der konsequenten Historisierung kultureller Phänomene in zeitlich übergreifender Perspektive von der Frühen Neuzeit bis 46 So weist Gerd Schwerhoff als der in Deutschland maßgeblichste Vertreter der Historischen Kriminalitätsforschung der Rechtlichen Volkskunde in seiner Einführung in den Gegenstandsbereich der Disziplin explizit eine wichtige Vorreiterrolle zu: »Wertvoller [als ältere kulturgeschichtliche Ansätze und die Literatur über Räuber und Gauner, B.K.-R.] waren die Erkenntnisse der rechtlichen Volkskunde, die im Medium der gerichtlichen Überlieferung den Alltag der kleinen Leute in der Vergangenheit erkundete. Bis heute bleibt das kleine Fach ein wichtiger Dialogpartner für eine historische Kriminalitätsforschung.« Schwerhoff (1999), 17 [Hervorhebung im Original, B.K.-R.].
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zur Gegenwart, die die zumindest in Deutschland stark auf Epochen fokussierten Geschichtswissenschaften so nicht leisten.
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Nikolaus Staubach
Factus est maximus tumultus cum scandalo. Rangkonflikte im kurialen Zeremoniell der Renaissance
Facta est autem contentio inter eos, quis eorum videretur esse maior : »Es entstand aber ein Streit unter ihnen, wer als der Größte gelten könne« (Lc. 22, 24).1 Offenbar hatte Jesu Botschaft vom Himmelreich Erwartungen geweckt, die immer wieder zu Rangkonflikten unter seinen Jüngern führten. Dies bot dem Meister willkommene Gelegenheiten, die Regeln und Gesetze von Herrschaft und gesellschaftlicher Ordnung mit einer Ethik der Demut und Subordination zu konfrontieren. Dabei versäumte er nicht darauf hinzuweisen, daß die paradoxe Umkehrung der kompetitiven Verhaltensnormen auch lebenspraktische Vorteile bieten kann, indem sie etwa dem Bankettgast die Peinlichkeit einer Zurücksetzung erspart und stattdessen die Chance zu ehrenvollerer Plazierung eröffnet.2 Jesus erkennt also die Berechtigung eines die sozialen Rangverhältnisse visualisierenden Zeremoniells durchaus an, verurteilt jedoch das eigenmächtige Streben nach Rangerhöhung und den Kampf um den Vortritt vor einem Konkurrenten, also um die Präzedenz. Die im Evangelium proklamierte Dialektik von humiliatio und exaltatio hat den gesellschaftlichen Wettbewerb um Ehre, Ansehen, und die Symbole von Rang und Stand zwar nicht aufzuheben vermocht, wohl aber zu seiner moralischen Diskreditierung beigetragen. Für das christliche Mittelalter ist die gesellschaftliche Symbolik ein System ›nützlicher Zeichen‹ (Augustinus: signa utilia),3 die die Stellung des einzelnen in einer legitimen hierarchischen Ordnung abbilden und definieren sollen, so daß ihre mißbräuchliche Verwendung – sei es durch unberechtigte Inanspruchnahme oder grundlosen Verzicht – das Gebot der Wahrhaftigkeit verletzt und gewissermaßen einer Falschaussage über die Person gleichkommt: exterior cultus indicium quoddam est conditionis
1 Cf. Mt. 20, 20 – 28; Mc. 10, 35 – 45; sowie Mt. 18, 1 – 4; Mc. 9, 33sq.; Lc. 9, 46 – 48. 2 Lc. 14, 7 – 11; cf. Mt. 23, 6 – 12 und Lc. 18, 14. 3 Cf. Staubach (2002).
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humanae, et ideo excessus et defectus et medium in talibus possunt reduci ad virtutem veritatis.4 Im gesamteuropäischen Prozeß der Staatenbildung und Herrschaftsintensivierung seit dem Spätmittelalter erfährt das politische Zeremoniell bekanntlich eine enorme Ausdifferenzierung und Bedeutungssteigerung, erfaßt schließlich gleichermaßen adlige wie bürgerliche Lebensverhältnisse und wird zum Objekt der Verrechtlichung und wissenschaftlichen Systematisierung, was sich in einer ausgedehnten Zeremonialliteratur niedergeschlagen hat.5 Das umfangreichste dieser Werke, das Theatrum ceremoniale historico-politicum des Reichspublizisten und Leipziger Stadtschreibers Johann Christian Lünig6 bietet in zwei mächtigen Folianten mit zusammen mehr als dreieinhalbtausend Seiten zahllose ausführliche Darstellungen alter und neuerer Zeremonialereignisse, die als Mustersammlung zur Entscheidung künftiger Fälle und Wissensschatz für jedweden, welcher bey Hofe und in Cantzleyen sein Glück suchen will, gedacht sind.7 Angesichts des ungeheuren Aufwands, mit dem Lünig seinen Gegenstand behandelt, mag es überraschen, wie ambivalent er ihn beurteilt. Doch ist es wohl nicht mehr als ein moralphilosophischer Topos, wenn er den Ursprung des Zeremoniells der durch den Sündenfall korrumpierten Menschennatur und der daraus entstandenen Ungleichheit zuschreibt und für seine Ausbildung den eitlen Ehrgeitz der Mächtigen und auch die übrigen menschlichen Haupt-Affecten wie Wollust und Geldgeiz verantwortlich macht. Denn deutlich überwiegen die positiven Auswirkungen des Zeremoniells. So konstatiert Lünig, daß zur Erhaltung einer gewissen Ordnung, ohne welche die menschliche Gesellschafft nicht bestehen kann, gewisse Ritus und Ceremonien von nöthen wären. Er geht sogar soweit, das Zeremoniell mit den großen und kleinen Ordnungen des Schöpfungswerks zu vergleichen.8 Allerdings muß er eingestehen, daß die regulative Kraft des Zeremoniells in einem wichtigen Politikbereich versagt, nämlich bei dem stets von neuem auftretenden Problem, wie die Begegnung souveräner Fürsten oder ihrer Gesandten zu arrangieren sei. Denn unter Gleichgestellten ist in Ermangelung einer übergeordneten Instanz die Frage der Präzedenz grundsätzlich nicht zu entscheiden: Nachdem aber, wie bekannt, die vornehmsten Regierungen in der Welt in dem Gebrauch ihrer von Gott verliehenen Gewalt independent sind und außer dem Kçnige aller Kçnige keinen zeitlichen Herren und Richter ïber sich haben, so ist es 4 Thomas von Aquin: Summa theologiae II 2, qu. 169, 1, ad 3. 5 Cf. etwa Vec (1998); Stollberg-Rilinger (2000); Ead. (2002); Ead. (2003); Ead. (2004); Weller (2006). 6 Lünig (1719 – 1720). 7 Lünig (1719 – 1720), I, unpag. Vorrede: »An den Leser«. 8 Lünig (1719 – 1720), I 1sq. Cf. Rahn (1995), 74 – 77.
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freylich fast nicht practicable, sie, nach Proportion der unter sie vertheilten independenten Macht, zu rangieren.9
Das hier formulierte Dilemma ist Ausdruck eines Epochenbewußtseins, das die Etablierung des Systems unabhängiger Staaten – Königreiche, Fürstentümer und Republiken –, wie sie spätestens seit dem Westfälischen Frieden manifest geworden war, als Ablösung einer älteren hierarchisch gegliederten politischreligiösen Universalordnung begreift. Zur Paradoxie der vermeintlich neuen Situation gehörte es, daß unter den als souveräne Völkerrechtssubjekte gleichgestellten Mächten die Konkurrenz um Rangabstufung und Statusdifferenzierung nicht etwa aufgehoben, sondern womöglich noch verschärft worden war. Daß die von den europäischen Potentaten und ihren Vertretern im internationalen Verkehr behaupteten oder beanspruchten Prärogativen dem Gleichheitsprinzip widersprachen, wurde daher zu einem zentralen Problem der rangrechtlichen und zeremonialwissenschaftlichen Literatur des 17. und frühen 18. Jahrhunderts.10 Man erklärte die traditionellen Argumente, die im Wettstreit der Mächte immer wieder vorgebracht worden waren – Alter der Herrschaft, christliche Prägung, Leistung für die Kirche, Ehrentitel, Macht, Lehnshoheit u. a.11 – für irrelevant im Sinne des ius universale naturae12 und ließ eine zeremonielle Vorzugsbehandlung, das ius praecedentiae, lediglich als Resultat langdauernden Besitzes, faktischer Durchsetzung oder vertraglicher Vereinbarung gelten (ex consuetudine, pacto, possessione13), die allenfalls dem ius gentium secundarium seu positivum14 zuzurechnen sei. 9 Lünig (1719 – 1720), I 8. 10 Als wichtige rangrechtliche Traktate dieser Epoche sind neben Lünig (1719 – 1720) zu nennen: Crusius (1665); von Stosch (1678); Zwantzig (1706); Stieve (1715); Hoffmann (1721); Kahle (1738). 11 Eine Synopse der in den wichtigsten rangrechtlichen Abhandlungen (Crusius, von Stosch, Zwantzig, Stieve) aufgestellten Kriterienkataloge gibt Lünig (1719 – 1720), I 9sq. 12 Kahle (1738), 38sq.: Hactenus in medium proposita condocent omnia, nullum inter gentes, secundum ius universale naturae consideratas, praecedentiam sive praerogativam admittendam esse. Ähnlich Hoffmann (1721), 37: Certum itaque est iure originario nullam gentem alteri debere praecedentiam. Hoffmann glaubt daher, ein bereits nachlassendes Interesse an Präzedenzfragen konstatieren zu können, ibid.: quamvis hoc nostro aevo hae lites quodammodo refrigescere incipiant et inprimis in negotiis maioris momenti illustres personae ab his contentionibus abstrahere soleant. 13 Stieve (1715), 2 und 159. 14 Kahle (1738), 48. Zu dem Begriff s. Grotius (1618), 76sq. (cap. VII): Ius enim naturae cum a divina veniat providentia, esse immutabile. Huius autem iuris naturalis partem esse ius gentium, primaevum quod dicitur, diversum a iure gentium secundario sive positivo, quorum posterius mutari potest. Pufendorf (1744), II 394 nennt alle nicht vertraglich geregelten Präzedenzansprüche ius imperfectum: […] variis argumentis dignitas eminentior asseritur. Inter ea praecipue solet allegari antiquitas regni atque familiae, amplitudo et opulentia ditionum et potentia, qualitas potestatis, qua quis imperium in suo regno gerit, et splendor
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Dies war allerdings nicht mehr als die notdürftige juristische Anerkennung der normativen Kraft des Faktischen. Angesichts der Unmöglichkeit, die Rangordnung der Mächte theoretisch zu begründen, mußte sich die Literatur darauf beschränken, den Streit als das gegebene Mittel zeremonieller Selbstbehauptung zu legitimieren. So bietet Lünig in seinem Theatrum Caeremoniale nicht nur die Beschreibung zahlloser Präzedenzkämpfe, sondern stellt einleitend die aus seinem empirischen Material abstrahierten Regeln und Praktiken des Konfliktaustrags zusammen, weil in der Welt über nichts mehr als die Praecedenz gezancket zu werden pfleget.15 Dazu gehören neben der argumentativen Auseinandersetzung auf den genannten Anspruchsgrundlagen vor allem auch die folgenden handfesten Winkelzüge und Verfahrenstricks: Unter die practicablesten Mittel seinen Vorzug zu behaupten wird gezehlet 1. Wenn man drohet oder sich anstellet, als wenn man sich von dem Orte, wo man sich gegenwrtig aufhlt, wegbegeben und dadurch eine angestellte Versammlung dissolvieren oder einer verwalteten Gesandtschafft ein Ende machen wolle […]. 2. Wenn man eine Protestationem de non praejudicando juri suo ad acta eingiebt […]. 3. Wenn man alle Gelegenheit mit demjenigen, so die Praecedenz streitig macht, zusammen zu kommen vermeidet, auch wohl eine Kranckheit zu solchem Behuff simuliret […]. 4.Wenn man darauf dringet, demjenigen, so die Praecedenz streitig machet, zum wenigsten gleich gehalten zu werden […]. 5. Wenn man einen andern, der den Vorsitz praeoccupiret, mit List oder Gewalt darum zu bringen suchet […].16
Im Gegensatz zu Lünigs Monumentalwerk richtet sich ein kompaktes Handbuch wie Gottfried Stieves Europäisches Hoff-Ceremoniel (1715) nicht an die Akteure und Regisseure, sondern an die Zuschauer des Zeremonialtheaters, welche reisen, den Glantz der Welt und der Hçfe ansehen und was sie daselbst sehen, auch verstehen wollen. […] Welchen es aber auf seinen Reisen glïcket, eine Friedens-Conferentz mit anzusehen, der wird bey selbiger noch mehr als bey Hçfen gewahr und unterrichtet werden, was das Ceremonien-Werck zu bedeuten [habe] und wie nçtig es sey, wenn man diese Comçdien mit ansehen will, zuvor ein Programma oder Buch zu haben, in welchem der Inhalt des erçffneten Theatri zu finden.17
Die Relativierung des ius praecedentiae auf bloßes Gewohnheitsrecht und die damit verbundene Präjudizierbarkeit jedes Einzelfalls hatten zur Folge, daß das tituli. […] Haec et similia quanquam sat plausibiliter possint iactari, fatendum tamen est eadem omnia per se producere duntaxat ius imperfectum, ni accesserit aliquod pactum expressum aut tacitum, quod recepto mori inesse intellegitur. 15 Lünig (1719 – 1720), I 27. 16 Ebd. 27sq. 17 Stieve (1715), unpaginierter »Vorbericht«.
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zeremonielle tractement nicht mehr als Spiegel einer feststehenden Rangordnung gelten konnte, sondern zum Objekt des unausgesetzten Wettbewerbs um Rangverbesserung und Rangbehauptung wurde. Mochte der permanente Streitzustand auf der internationalen diplomatischen Bühne für den unbefangenen Beobachter auch einen gewissen Unterhaltungswert haben, so mußte er doch das Bedürfnis nach systematischer Erfassung und wissenschaftlicher Bearbeitung unbefriedigt lassen. Dies ist vielleicht der Grund für das auffällige Interesse, mit dem die zeremonialrechtliche Literatur die angebliche Existenz einer vormaligen höchstinstanzlich autorisierten und für den ganzen Orbis Christianus verbindlichen Präzedenzliste registriert hat. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts findet sich in den einschlägigen Schriften die stereotyp wiederholte Behauptung, Papst Julius II. habe durch seinen Zeremonienmeister Paris de Grassis ein Caeremoniale Romanum erarbeiten lassen, das eine Rangordnung aller christlichen Mächte enthalte.18 Zwar wird diese Nachricht gewöhnlich mit einer mehr oder weniger scharfen Kritik an der päpstlichen Anmaßung verbunden. Noch in der Ablehnung zeigt sich jedoch, wie sehr das kuriale Modell die Zeremonialtheoretiker auf ihrer Suche nach einer Systematisierung des Präzedenzrechts beschäftigt haben muß. So heißt es bei Lünig: Es hat sich zwar der rçmische Stuhl, seiner bekannten Arroganz nach, wie in streitigen Glaubens-Sachen also auch in der kïtzlichen Materie des VorzugsRechts einer arbitrage angemasset, auch eine Rang-Ordnung, oder so genanntes Ceremoniale Romanum, durch seinen damahligen Ceremonien-Meister Paridem de Crassis im Jahr 1504 verfertigen und publiciren, auch in selbigem feste stellen lassen, wie ein jeder Christlicher Souverain ins kïnfftige in der Pbstlichen Capelle, auch bey andern solennen Congressen sollte placiret werden.19
Diese Behauptung, die nicht nur in Diderots Encyclop¤die Eingang gefunden hat,20 sondern auch von der modernen Forschung bis in die jüngste Zeit arglos übernommen worden ist,21 scheint nur allzu gut dem Epochenschema vom römischen Universalismus des Mittelalters und der Pluralität der neuzeitlichen Staatenwelt zu entsprechen. Und doch hält sie einer näheren Prüfung nicht stand, wie bereits 1731 der protestantische Gelehrte Christian Gottfried Hoff18 Cf. e. g. Crusius (1665), 364, 407, 422, 468, 496sq. (hier Abdruck der Präzedenzliste); Zwantzig (1706), I 13, 19sq., 28, 73sq., 79, 121, 127sq.; Stieve (1715), 7sq.; Kahle (1738), 26. 19 Lünig (1719 – 1720), I 8. Es folgt die Rangliste nach de Grassis. Cf. auch ibid. II 200. 20 Diderot / d’Alembert (1781), XXVII 296sq. art. Pr¤s¤ance: Il n’est pas possible de r¤gler dans l’ind¤pendance de l’¤tat de nature la pr¤s¤ance des princes et des peuples en corps: dans l’¤tat civil la chose n’est guere plus ais¤e. […] On s’avisa dans le seiziºme siºcle de r¤gler Rome le rang des rois […]. Es folgt die Rangliste nach de Grassis. 21 Vec (1998), 40 mit Anm. 149; 76 mit Anm. 345; 287.
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mann und dann mehr als anderthalb Jahrhunderte später und offenbar ohne Kenntnis seines Vorgängers der belgische Völkerrechtler Ernest Nys nachgewiesen haben.22 Erstens war das Caeremoniale Romanae Curiae, mit dem das Papstzeremoniell auf eine dauerhaft neue Grundlage gestellt wurde, nicht das Werk des Zeremoniars Paris de Grassis, sondern seiner beiden Amtsvorgänger und Kollegen Augustinus Patritius Piccolomini (Agostino Patrizi) und Johannes Burckard.23 Zweitens hat nicht Julius II. den Auftrag dazu erteilt, sondern Innozenz VIII. Und drittens schließlich ist die in der älteren zeremonialrechtlichen Literatur vielfach wörtlich abgedruckte Liste der Könige und Fürsten Europas darin überhaupt nicht enthalten. Diese als Ordo regum und Ordo ducum überschriebene Rangordnung stammt vielmehr aus einem der handschriftlich überlieferten und später wiederholt kopierten Zeremonialdiarien des Paris de Grassis und ist unter anderen von dem Jesuiten Pietro Monodo im Zuge einer juristisch-politischen Kontroverse über die Präzedenzansprüche Venedigs und Savoyens 1633 benutzt worden.24 Nachdem der Text damit in die gelehrte Diskussion eingeführt war, lag es nahe, als seine Quelle ein Werk nach der Art von Patrizis seit langem in Drucken verbreiteten Kurienzeremoniale anzunehmen.25 Das Mißverständnis war umso folgenreicher, als damit der Rangliste eine Qualität zugeschrieben wurde, die sie niemals besessen hatte. In der umfangreichen schriftlichen Hinterlassenschaft des Zeremonienmeisters finden sich ähnliche Aufstellungen mit zum Teil mehr oder weniger gravierenden Abweichungen, die ganz verschiedene historisch-politische Zustände widerspiegeln und offenbar zu Dokumentationszwecken aufgezeichnet worden sind. Keine dieser Listen beansprucht offizielle Geltung.26 In einem Fall bezweifelt de Grassis
22 Hoffmann (1731 – 1733), I 370sq.; II 27 – 30; Nys (1893). 23 Maßgebliche Edition jetzt Dykmans (1980 – 1982); ein unautorisierter und eigenmächtig bearbeiteter Druck erschien bereits unter Leo X.: Marcello (1516). Zu Burckard cf. Schimmelpfennig (2005). 24 Monodo (1633), 58 und 67sq.; kritisch dazu Graswinckel (1644), 263 – 269 und 329 – 341. Die Kontroverse fand sogar Erwähnung bei Bayle (1740), II 593. Cf. Staubach (2004), 115 – 118. 25 In der einleitenden Dissertatio zu seinem Abdruck von Patrizis Kurienzeremoniale schreibt Hoffmann (1731 – 1733), II 27 – 30: Admodum vero illi falluntur, qui Paridem de Grassis libelli hujus autorem faciunt aut nescio quale Caeremoniale Romanum typis excusum comminiscuntur […]. Confundi plerumque solet celebris illius Caeremoniarum Magistri Diarium Curiae Romanae, cujus fragmenta praecedenti volumine dedimus. Nam et Diariorum istorum summa est in curia Romana autoritas, et ad ea in illustribus saepius provocatum fuit controversiis; quare oriri facile potuit error, Paridem singulare scriptum sub titulo Caeremonialis Romani evulgasse. 26 So hat Paris de Grassis eine Liste gleich zu Beginn des ersten Bandes seiner Zeremonialtagebücher eingetragen, die später häufig kopiert wurden und in verschiedenen Exemplaren über den Bereich der römischen Kurie hinausgelangt sind: Vat. lat. 4739 fol. IIIv. Eine ältere Fassung der Liste findet sich an späterer Stelle in derselben Handschrift und ist bisher vollkommen unbeachtet geblieben (fol. 128v). Auch in seinen Tractatus de oratoribus (s.
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sogar ihren praktischen Wert und betont ausdrücklich, daß er sie nur aus den ihm vorliegenden Quellen abgeschrieben habe: ber die Kçnige, Großherzçge, Fïrsten, Markgrafen und Freistaaten, die Botschafter an den Papst entsenden, und darïber, in welcher Ordnung sie [oder ihre Vertreter] zu plazieren sind, wenn sie zusammentreffen, habe ich in den Bïchern der apostolischen Kammer und Kanzlei und im Buch des ehrwïrdigen Vaters Augustinus Patritius, der das Zeremonialamt lange Jahre ausgeïbt und das Zeremonienbuch von Grund auf reformiert hat, folgendes gefunden und wçrtlich exzerpiert […]. Ich weiß aber nicht, ob damit jeder seinen richtigen Platz hat, und glaube, daß es ïberhaupt schwierig und gefhrlich ist, ïber diese Platzverteilung zu urteilen.27
Auch wenn Paris de Grassis nicht länger für die Aufstellung eines universalen Klassements aller Mächte der Christenheit verantwortlich gemacht werden kann, bleibt sein Name doch mit einem wichtigen Kapitel europäischer Diplomatiegeschichte verbunden. Allerdings ist sein Anteil an jener umfassenden Liturgie- und Zeremonialreform, die zur Stabilisierung der durch Schisma und Konziliarismus erschütterten Papstmonarchie hatte beitragen sollen, bislang noch kaum gewürdigt worden. Dabei war er es, der das von seinen Amtsvorgängern Patrizi und Burckard reorganisierte Zeremonialwesen nicht nur bis ins Detail praktisch perfektioniert, sondern auch theoretisch reflektiert und in den Rang einer kultur- und religionshistorisch fundierten Handlungswissenschaft gehoben hat. So begnügte er sich nicht mit der kontinuierlichen Aufzeichnung der täglichen Zeremonialereignisse, wie es der bereits etablierten Praxis der Amtsdiarien entsprach. Vielmehr war es ihm offenbar ein Bedürfnis, zur möglichst vollständigen Erfassung und Durchdringung seiner Disziplin ihre verschiedenen Sachbereiche auch in systematischen Monographien zu behandeln.28 Eine dieser Schriften ist der im Jahre 1508 entstandene Tractatus de oratoribus, eine Darstellung des Botschafterzeremoniells an der päpstlichen Kurie. Paris de Grassis hat hier nicht nur die eigenen Erfahrungen aus den ersten vier Jahren seiner Amtszeit resümiert, sondern auch ältere Quellen, insbesondere die Tagebücher des Johannes Burckard ausgewertet. Das Werk, das in einem mit zahlreichen Korrekturen und Ergänzungen versehenen Autorexemplar (Vat. lat. 12270) und späteren Abschriften (Barb. lat. 2452 u. a.) vorliegt, erlaubt damit einen detaillierten Einblick in die diplomatische Praxis am Papsthof der Renaissance. Zu seiner Erschließung ist es jedoch notwendig, auch die einschlädazu unten) hat Paris neben der aktuellen eine abweichende altertümlichere Version aufgenommen (diese am Rand nachgetragen): Vat. lat. 12270 fol. 88v–89r. 27 Paris de Grassis, Tractatus de oratoribus, cap. 47, Vat. lat. 12270 fol. 88r–v. 28 Cf. Dykmans (1982 / 1985 / 1986); Hack (2001); Ceresa (2002); Staubach (2004); Id. (2005); Id. (2008); Bölling (2006, 1); Id. (2006, 2).
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gigen, aber weit verstreuten Nachrichten aus den diachronen Aufzeichnungen des Zeremoniars heranzuziehen. Die Erstedition des Tractatus de oratoribus, die Philipp Stenzig derzeit zum Druck vorbereitet, wird in ihrem Kommentar dieses intertextuelle Beziehungsgeflecht dokumentieren und so die von Paris de Grassis als ›work in progress‹ geleistete Arbeit gewissermaßen zu Ende führen.29 Das kuriale Botschafterzeremoniell der Hochrenaissance, bestehend aus dem feierlichen Einzug der Oratoren in die Stadt und ihrem Empfang durch Papst und Kardinäle zu einem Huldigungsakt im Consistorium publicum, betrifft anders als an weltlichen Höfen der Zeit ausschließlich die Obödienzgesandtschaften, nicht jedoch die residenten Vertreter auswärtiger Fürsten und Mächte.30 Seine im Tractatus de oratoribus faßbare Gestalt ist keine Neuschöpfung, sondern hat eine Vorgeschichte, die sich anhand älterer Zeremonialtexte rekonstruieren läßt.31 Für seine Ausbildung in Analogie zum Empfang neuernannter Kardinäle oder in die Stadt zurückkehrender Kardinallegaten war das Bedürfnis nach Obödienzerklärungen während des Schismas ein wichtiger Faktor. Nach der Konzilsepoche diente es dagegen vor allem der Repräsentation der wiederhergestellten Papstmonarchie im Orbis christianus. Es sind vornehmlich zwei Themenkomplexe von grundsätzlicher Bedeutung, die in dem Botschaftertraktat wiederholt diskutiert werden und über Tragweite und Funktion des Zeremoniells für die Ausbildung des neuzeitlichen Systems zwischenstaatlicher Beziehungen und internationaler Politik Aufschluß geben: das Problem der Souveränität und das der Präzedenz. In beiden Fällen läßt sich allerdings ein paradoxer Widerspruch zwischen Norm und Realität, Anspruch und Durchsetzbarkeit feststellen. Als ›echte Botschafter‹ (veri oratores) gelten, so lautet der Fundamentalsatz, nur die Abgesandten solcher Fürsten und Republiken, die in keiner Abhängigkeit stehen, also frei oder, anachronistisch ausgedrückt, ›souverän‹ sind (liber, hoc est nullius ditioni subiectus). Da sich diese Qualität aber bisweilen nicht autoritativ feststellen läßt, ergibt sich in der Praxis der wenig befriedigende Zirkelschluß, daß die Anerkennung als zeremoniellfähiger Orator (im Gegensatz zum bloßen Nuntius oder Procurator) vom Status des Entsenders abhängt, dieser Status aber umgekehrt durch die zeremonielle Behandlung des Botschafters entschieden wird.32 29 Stenzig (2009). 30 Zur europäischen Diplomatiegeschichte des Spätmittelalters und der Neuzeit cf. etwa Mattingly (1955); Queller (1967); Höflechner (1972); Roosen (1980); Russell (1992); Anderson (1993); B¤ly / Richefort (1998); Frigo / Belton (2000); Berg / Kintzinger / Monnet (2002); Schwinges / Wriedt (2003); Bösel / Walter-Klingenstein / Koller (2006); Zey / Märtl (2008). 31 Zur spätmittelalterlichen Vorgeschichte kurialer Zeremonialschriftlichkeit cf. Schimmelpfennig (1973); Dykmans (1977 – 1985). 32 Paris de Grassis, Tractatus de oratoribus, cap. 4, Vat. lat. 12270 fol. 1v–2r : Qui sunt veri oratores in Romana curia.
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Ähnlich verhält es sich mit der Präzedenz. Einerseits wird mit der Plazierung der Gesandten im Zeremoniell eine verbindliche Aussage über die Rangfolge ihrer Entsender getroffen, andererseits gibt es keine praktikable Möglichkeit, die aus widerstreitenden Ansprüchen resultierenden häufigen Konfliktfälle definitiv zu entscheiden.33 So muß gerade im Interesse der päpstlichen Autorität immer wieder die normative, rechtsetzende Kraft des Zeremoniells zugunsten situationsbedingter Kompromisse suspendiert werden, indem man etwa die Konkurrenten räumlich trennt und vor allem versichert, das jeweilige Arrangement bedeute kein Präjudiz für künftige Gelegenheiten. Dennoch kommt es häufig auch zu handgreiflichen Streitigkeiten zwischen Zeremonialteilnehmern, die sich unangemessen behandelt fühlen. Die zahlreichen Rangkonflikte, von denen wir im Zusammenhang mit dem kurialen Botschafterzeremoniell erfahren, folgen bei aller Verschiedenheit der jeweiligen Umstände dem gleichen Muster : Zwei oder drei konkurrierende Parteien, deren Dissens in der Rangfrage oft schon notorisch ist, machen einander die als besser geltende Position streitig und versuchen, ihren Anspruch zunächst mit Argumenten, dann aber auch mit brachialer Gewalt durchzusetzen. Aus der Sicht des für die Regie verantwortlichen Zeremoniars ist ein solcher Streit skandalös und muß unbedingt geschlichtet oder besser noch von vornherein abgewendet und verhindert werden. Denn das Zeremoniell ist nicht nur ein soziales Distinktionssystem, das jedem die ihm gebührende Ehre zuweisen soll (cuique reddatur debitus honor et propria reverentia), sondern steht auch unter dem Gebot einer Ästhetik, die verlangt, daß alles geordnet, würdevoll, ruhig und ohne Störung geschieht (sine tumultu, quiete, tranquille, cum gravitate et dignitate omnia peragantur).34 Und da die Frage des honor debitus oft kaum eindeutig zu beantworten war, sollte zumindest das Decorum gewahrt werden. Es ist also in diesem Zusammenhang eher von einer Kunst der Streitvermeidung zu sprechen als von der ›Kunst des Streitens‹. Es gibt jedoch auch Beispiele dafür, daß ein Zeremoniar sich weigerte, seine Prinzipien der Konzilianz zu opfern. Als Papst Innozenz VIII. am Festtag Pauli Bekehrung (25. Januar) des Jahres 1487 zum feierlichen Gottesdienst nach S. Paul vor den Mauern ausreiten wollte, kam es unter seinem Gefolge zu einem Konflikt, von dem Johannes Burckard in seinem Tagebuch berichtet:
33 Zu den Präzedenzregeln und -konflikten im Mittelalter cf. etwa Goetz (1992); Heimpel (1994); Spiess (1997); Helmrath (2001). Die Zeremonialquellen vom Papsthof der Renaissance sind unter diplomatiegeschichtlichen und rangrechtlichen Aspekten noch weithin unausgewertet; gelegentliche Benutzung zeugt eher von anekdotischem Interesse: Macfarlane (1988). 34 So in der Widmungsvorrede zum Kurienzeremoniale Patrizis, Dykmans (1980 – 1982), I 5; cf. Staubach (2004), 104sq., 118 – 120; Bölling (2006, 2).
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Zwischen dem Prinzen von Salerno und dem Grafen von Tendilla, dem Botschafter des spanischen Kçnigs, ist an diesem Morgen ein Streit ïber die Przedenz ausgebrochen. Denn als die beiden sich auf dem Petersplatz eingefunden hatten, um unseren allerheiligsten Herrn zu begleiten, und ich [den Zug] ordnete, da wollte der Graf dem Fïrsten nicht den Platz in der Mitte zwischen sich und dem gleichfalls anwesenden Senator der Stadt einrumen und sagte, er sei wïrdiger und mïsse jenem vorgezogen werden, aufgrund seiner grçßeren Macht und als Botschafter eines Kçnigs. Ich antwortete, wir htten nicht auf Reichtum und Macht zu sehen, sondern auf die Wïrde der Titel. Weil aber ein Fïrst mehr ist als ein Graf oder Markgraf oder sogar als ein Herzog, mïsse er hinter jenem zurïckstehen, als Graf sowohl wie auch mehr noch als kçniglicher Botschafter, denn als solcher habe er sogar den Senator vor sich. Die Meinung des Grafen wurde von zwei Kardinlen, nmlich dem Vizekanzler und dem Bischof von Angers unterstïtzt. Als sie meine Argumente gehçrt hatten, gaben sie sich zwar damit zufrieden, meinten aber, ich mïsse unseren allerheiligsten Herrn davon unterrichten, der sicher auch fïr den Grafen sei. Da rief ich: »Wenn der Papst fïr den Grafen ist, wer soll dann fïr die Gerechtigkeit sein?« (Si papa pro comite, quis pro justitia erit?). So ritten denn die beiden ohne Ordnung los, wobei jedoch der Graf den besseren Platz behauptete. In der Kirche von St. Paul trug ich dem Papst meinen Standpunkt vor, worauf er den beiden ausrichten ließ, sie sollten dem Gottesdienst fernbleiben. Und so geschah es auch.35
Da das päpstliche Zeremoniell Personen und Gruppen ganz verschiedener Rangkategorien versammelt und räumlich und zeitlich zu arrangieren hat – Geistliche und Laien, Prälaten und einfache Kleriker, Kurialbeamte und Inhaber stadtrömischer Ämter, Angehörige der hohen und niederen Nobilität, Vertreter von Königen, Kurfürsten, Städten und Orden – sind die Konfliktmöglichkeiten praktisch unbegrenzt. Einen besonders bizarren Präzedenzstreit lieferte sich über Jahre hin bei stets wiederkehrenden Gelegenheiten das Kollegium der Konservatoren mit den Botschaftern verschiedener Mächte, insbesondere Venedigs. Anlaß boten einerseits die Geleitzüge und Prozessionen, für die eine hochdifferenzierte und je nach Anlaß wechselnde Allozierung der Teilnehmer vorgesehen war – die Wege zur Capella und zum Consistorium publicum, die Ausritte des Papstes in die Stadt oder die Fronleichnamsprozessionen. Konnte das hierbei regelmäßig auftretende Gerangel den Zeremoniar zur Verzweiflung bringen und schließlich selbst den Papst resignieren lassen, so mußte ein Eklat während des Kapellgottesdienstes auf jeden Fall vermieden werden. Zwar kamen die Konservatoren bei der gewöhnlichen Sonntagsliturgie den Botschaftern nicht in den Weg – ihr Platz in der päpstlichen Kapelle war auf den Stufen des
35 Burckardus (1906 – 1942), I 179. Dieses und die folgenden Fallbeispiele hat Stenzig (2009) in seiner Dissertation ausführlich kommentiert.
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Papstthrons, während jene auf ihren Bänken an den Längswänden saßen.36 Probleme gab es jedoch, wenn symbolische Gaben und Zeichen zu spenden waren – an Lichtmeß geweihte Kerzen, an Aschermittwoch das Aschekreuz, am Palmsonntag die Palmzweige und am Weißen Sonntag die als Agnus Dei bezeichneten Wachslämmer. Bei diesen Gelegenheiten bestanden nämlich die Konservatoren darauf, vor den Diplomaten bedacht zu werden. Am Weißen Sonntag des Jahres 1504 kam es nach der Schilderung Burckards zu folgendem Vorfall: Der Papst verteilte die Agnus Dei […]. Als der Botschafter von Venedig und die Konservatoren der stdtischen Kammer hinzutraten, versetzte Paulus Planca, der erste Konservator, in Anwesenheit des Papstes dem Botschafter einen ußerst ungehçrigen Stoß, so daß jener ïber die Stufen zu Boden gestïrzt wre, wenn ich ihn nicht festgehalten htte. Der Papst hatte dies nicht bemerkt, doch als er spter davon erfuhr, tadelte er den Planca, daß er sich ungebïhrlich betragen habe. Der Botschafter aber ging ohne Wachslmmer fort. Als der Papst das bemerkte und ihn zurïckrufen ließ, antwortete jener, es liege ihm nichts an dem Wachs, das ja aus Venedig stamme, wo es davon Massen gebe, und weigerte sich, zum Papst zu gehen. In den folgenden Tagen enthob der Papst den Paulus Planca seines Amtes als Konservator. Darïber entstand jedoch in der Kammer eine große Aufregung, so daß der Kmmerer sich beim Papst fïr Planca einsetzte.37
Paris de Grassis, der diesen Skandal wenige Wochen vor seinem eigenen Amtsantritt miterlebt hatte, war davon wohl so beeindruckt, daß er es für buchenswert hielt, als der Venezianer nach einer Absenz von neun Monaten erstmals wieder in der Capella erschien.38 Doch schon im Jahr darauf, am Palmsonntag 1506, erlebte er eine Neuauflage des Verteilungskampfes: Die neuen Konservatoren forderten mich dreist dazu auf, es nicht zuzulassen, daß die Botschafter sich vor ihnen zum Empfang der Palmzweige begben. Ich antwortete ihnen, ich wïrde ganz im Gegenteil dafïr sorgen, daß alle Botschafter, ob kçniglich oder nicht, und von welchem Herrn auch immer entsandt, soweit sie nur wahre Botschafter (veri oratores) seien, vor ihnen den Vortritt htten, weil dies Ordnung, Schuldigkeit und Anstand verlangten (quoniam sic est ordo debitumque et honestas). Als sie mir nicht glauben wollten und meinem Kollegen Bernardinus ihr Anliegen vortrugen, gab er ihnen dieselbe Antwort, nur noch schrfer und bestimmter, so daß sie sich aus der Capella entfernten. Als der Papst das hçrte und
36 Krogh Rasmussen (1983), 140sq. 37 Burckardus (1906 – 1942), II 447. Cf. Paris de Grassis, Tractatus de oratoribus, cap. 48.4, Vat. lat. 12270 fol. 89v–90r: Conservatores urbis contra Venetos. 38 Paris de Grassis, Diarium ad 6. I. 1505, Vat. lat. 4739 fol. 79v.
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von mir den Grund erfahren hatte, sagte er: »Sie sollen doch gehen, wohin es ihnen beliebt, wenn sie nicht an dem ihnen zustehenden Platz bleiben wollen.«39
Für die Kerzenverteilung am Lichtmeßtag des Jahres 1508 dachte Paris de Grassis sich dann eine besondere Maßnahme zur Konfliktvermeidung aus: Da die Botschafter der Venezianer und anderer kleiner Mchte auf der einen und die Konservatoren der Stadt auf der anderen Seite sich immer untereinander um die Przedenz streiten, habe ich heute dafïr folgende Abhilfe (remedium) gefunden: Der Papst soll mir den Auftrag erteilen, den Botschaftern und Konservatoren zu sagen, daß keiner von ihnen seinen Platz verlßt, sondern darauf wartet, was der Papst tun wird. Dann soll der Papst meinem Kollegen drei Kerzen fïr die Konservatoren und mir ebenso viele fïr drei von den Botschaftern geben, die wir dann genau gleichzeitig zu den Empfngern tragen. Und dabei sagen wir beiden Parteien, daß der Papst beschlossen hat, so zu verfahren, bis ihr Streit beigelegt ist, damit der Gottesdienst nicht gestçrt werde. So geschah es, und alle waren zufrieden.40
Das Verfahren bewährte sich auch im folgenden Jahr, hatte aber den Nachteil, daß es sich nicht auf die Spendung des Aschekreuzes übertragen ließ. So mußte de Grassis sorgenvoll dem Aschermittwochsgottesdienst entgegensehen: Ich fragte Seine Heiligkeit, was ich mit den Botschaftern und den Konservatoren machen solle, die sich immer um die Przedenz streiten. Denn heute kçnnten sie ja nicht gleichzeitig und zusammen durch die Aschenspendung zufriedengestellt werden, wie es an Lichtmeß mit den Kerzen geschah. Und er sagte mir, es sei gut, wenn ich sie dazu bewegen kçnnte, jeweils alternierend in die Capella zu kommen. Wenn aber nicht, dann sollte ich den Konservatoren mit Bestimmtheit auftragen, der Capella fernzubleiben. Und ich konnte vereinbaren, daß an diesem Tag die Botschafter in der Capella sind, am Palmsonntag aber fernbleiben und die Konservatoren kommen. Und diese Regelung sei nur fïr die vier Tage gïltig, an denen es zum Streit kommen kann, nmlich an Mari Lichtmeß, Aschermittwoch, Palmsonntag und Kreuzverehrung. Sonst werde das ganze Jahr ïber der alte Brauch beibehalten. Und darauf hat man sich geeinigt.41
Mehr noch als solche durch den Ehrgeiz römischer Notabeln ausgelösten Querelen beschäftigten den Papst und seine Zeremoniare die Rangkonflikte mit hochpolitischem Hintergrund, in denen sich die Kräfteverhältnisse, Gegensätze 39 Id., Diarium ad 5. IV. 1506, Vat. lat. 4739 fol. 194v. 40 Id., Diarium ad 2. II. 1508, Vat. lat. 12269 fol. 166v–167r. 41 Id., Diarium ad 21. II. 1509, Vat. lat. 12269 fol. 255v. Bei der adoratio crucis am Karfreitag bestand das Problem in der Reihenfolge der zur Kreuzverehrung schreitenden Gottesdienstteilnehmer ; cf. Patrizi Piccolomini, ed. Dykmans (1980 – 1982), II 386, § 1149.
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und Spannungen der europäischen Mächte artikulierten. Dabei waren die Formen des Streits und die Mittel zu seiner Beilegung in diesen Fällen kaum weniger trivial. Ein Ereignis, das Paris de Grassis in besonderer Weise dazu angeregt hat, die Möglichkeiten und Grenzen der Konfliktbewältigung im diplomatischen Zeremoniell zu diskutieren, war der im Frühjahr 1490 von Innozenz VIII. einberufene Kreuzzugskongreß. Um seinem geplanten Seekrieg gegen die Türken eine möglichst große Unterstützung zu sichern, hatte der Papst allen zu dieser Versammlung anreisenden Vertretern den Status von veri oratores zuerkannt, der eigentlich nur den Obödienzgesandtschaften unabhängiger Fürsten zukam und sich mit besonderen zeremoniellen Ehrungen verband. Eine unerwünschte Folge dieser Gunst war jedoch eine sprunghafte Zunahme der Präzedenzstreitigkeiten, da die Zahl der zeremoniellfähigen Diplomaten nun das übliche Maß weit überstieg. Zu einer sachbezogenen Arbeit konnte es daher überhaupt nicht kommen. Paris de Grassis hatte sich über diese lange zurückliegenden Vorgänge aus den Tagebüchern seines Lehrmeisters Johannes Burckard informiert und war empört, daß dieser ihm ohnehin verhaßte Kollege und Konkurrent das Scheitern des Kongresses der Ungeschicklichkeit des Papstes zuschreiben wollte: Es heißt, das die Ppste Streitigkeiten unter Botschaftern, die ïber die Przedenz uneinig sind, nur selten oder nie mit der Strenge des Rechts entschieden haben, sondern durch andere Heilmittel beizulegen und zu besnftigen pflegten. […] Allerdings las ich unlngst in den Hofannalen Innozenz’ VIII., daß dieser Papst sich um die zahlreichen damals entstandenen Zwistigkeiten zwar mit Eifer gekïmmert hat, sie aber weder abstellen noch auch durch irgendein Mittel schlichten konnte. Denn als er zur Vorbereitung des Tïrkenkriegs alle Botschafter der christlichen Mchte jenseits und diesseits der Alpen nach Rom zusammengerufen hatte, da entstanden unter denen, die zur festgesetzten Zeit erschienen waren, zahllose und fast unentwirrbare Konflikte, und zwar sowohl zwischen den Citramontani und den Ultramontani wie auch innerhalb dieser Gruppen, so daß es fast mehr Streitflle als Botschafter gab. Der Papst […] versammelte die Kardinle und Botschafter, um sich vor allem weiteren ïber die Grïnde der Zwistigkeiten zu informieren und nach Mçglichkeit Abhilfe zu schaffen […]. Doch je mehr er sich um allgemeine Eintracht bemïhte, desto grçßer wurde von Tag zu Tag die Entzweiung unter den Botschaftern, so daß sie schon nicht mehr ïber den Kampf gegen die Feinde berieten, sondern geradezu feindlich gegeneinander um die Przedenz kmpften. […] So versuchten sie sich beim Einzug in die Konsistorialaula stets energisch und gewaltsam den Vortritt zu erzwingen. Der Papst hielt es daher mit den Kardinlen fïr tunlicher, sie auf getrennten Wegen und durch verschiedene Eingnge dahin zu geleiten. Zudem sollten einige Kardinle unterwegs bald den einen, bald den anderen durch Vorwnde und improvisierte Gesprche solange aufhalten, daß sie einziehen konnten, ohne aneinanderzugeraten. Doch hatte auch der Eintritt durch verschiedene Portale etwas Lcherliches, wenn diejenigen, die
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die nhergelegene Tïr benutzen konnten, auf die anderen warten sollten, die zu der entfernteren Tïr einen lngeren Weg zurïcklegen mußten, […] und jene im Eilschritt davonstïrmten, damit ihnen niemand zuvorkme. […] Der Papst bat nun alle instndig, sich doch fïr dieses eine Mal mit dem Ort zufriedenzugeben, den er ihnen anweisen werde, und […] plazierte die Ultramontani zu seiner Rechten, weil sie dem Apostolischen Stuhl durch ihren lngeren Reiseweg den grçßeren Diensteifer bewiesen htten, die Citramontani aber zu seiner Linken. Doch als er sie dann freundlichst um Zustimmung zu dieser Przedenzordnung ersuchte, konnte er nichts ausrichten, weil alle gegeneinander so aufgebracht waren, und vor allem deshalb, weil die Kardinle meinten, eine solche Entscheidung stehe nicht dem Papst zu, sondern eher einem Konzil und sollte daher einem Konzil ïberlassen werden. Und als auch einige von den Botschaftern selbst dem Papst bedeuteten, sie wïrden kïnftig seiner Einladung nie mehr Folge leisten, wenn sie nicht ihren genauen Platz zugewiesen bekmen, schien es ihm besser, die Frage der Botschafterprzedenz unentschieden zu lassen, als den Tïrkenkreuzzug aufzugeben. Daher griff er zu dem Mittel, fortan weder in der Capella noch bei irgendeiner anderen protokollarischen Gelegenheit die Citramontani zusammen mit den Ultramontani zu empfangen. […] Der damalige Zeremoniar Burckard hat in seinem Bericht ïber diese Vorgnge nach seiner Art allerlei Unsinn zusammenphantasiert […] und nicht gemerkt, daß er sich als bçsartig entlarvt, indem er die Fehler des Pontifex mit tierischer Dreistigkeit zu korrigieren unternimmt.42
Wenn Paris de Grassis hier ein bemerkenswertes Verständnis für die Nöte des Papstes zeigt, so beruht das sicher auch auf der eigenen leidvollen Erfahrung mit den Schwierigkeiten der Materie. Bereitwillig ist er daher dem Hinweis auf die Konzilsautorität in Präzedenzfragen gefolgt und führt als Beleg dafür ein Basler Dekret (Bulla decisiva) zum Streit zwischen England und Kastilien an, das er wörtlich seinem Oratorentraktat inseriert hat.43 Allerdings ist der Wert dieses Dokuments, wie er weiß, nur sehr begrenzt. Denn als der spanische Botschafter es wohl im Sommer des Jahres 1504 gegen seinen englischen Kollegen verwenden wollte, war dieser nicht um Argumente verlegen, seine Gültigkeit zu entkräften, so daß die beiden sich damit abfinden mußten, wechselweise, alternis vicibus, an den päpstlichen Sollemnia teilzunehmen.44 Die Hoffnung, durch ein Konzil von den Rangkonflikten erlöst zu werden, war ohnehin trügerisch. Denn 42 Id., Tractatus de oratoribus, cap. 49, Vat. lat. 12270 fol. 92Av–92Cr : Quod pontifex discordias inter oratores quoscunque super locorum precedentia dissidentes non iure decidere sed aliquo modo tranquillare et modificare consuevit. (Die im Vat. lat. 12270 nach fol. 92 eingefügten unfoliierten Blätter werden hier als fol. 92 A–92H gezählt). 43 Id., Tractatus de oratoribus, cap. 51, Vat. lat. 12270 fol. 92Dv–92Fr : Decisio concilii Basiliensis super loco oratori Hispanie dato. 44 Ibid. fol. 92Ev–92Fr: Hanc formam [sc. das Basler Dekret] produxit orator Hispanie contra oratorem regis Anglie […] anno primo sancti domini nostri Julii, quoniam inter predictos fuit discordia super precedentiam, sed orator Anglie replicavit concilium illud Basiliense, a quo facultas illa emanaverat, non concilium sed conventiculum a pontifice reprobatum […].
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in Basel und auch zuvor bereits in Konstanz hat man sich zwar, wie Johannes Helmrath schön gezeigt hat, lange und intensiv mit diesem Problem beschäftigt, aber zu seiner dauerhaften Regelung nur wenig beitragen können.45 Daß auch elaborierte Kompromißverfahren keine Gewähr gegen Störungen des Zeremonialablaufs boten, wenn alte politische Rivalitäten ins Spiel kamen, mußte Paris de Grassis schon zu Beginn seiner Karriere erleben. Es war eine seit längerem diskutierte Frage, wie beim Erscheinen verschiedener aus mehreren Mitgliedern bestehender Obödienzgesandtschaften vor dem Papst ihre Plazierung vorzunehmen sei. Wenn man sie als geschlossene Blöcke nach dem Rang ihrer Entsender aufstellte, waren die rangniedrigsten Oratoren allesamt so weit vom Pontifex entfernt, daß sie seine Worte möglicherweise kaum verstanden. Daher hatte man die Methode ersonnen, aus je einem Mitglied der Gesandtschaften neue, in sich hierarchisch gegliederte Gruppen zu bilden, also nicht nach dem Schema AAA–BBB–CCC, sondern ABC–ABC–ABC zu verfahren. Diese Praxis der Aufteilung oder dimidiatio, die Burckard als seine Erfindung ausgab, sollte jedoch nur dann zur Anwendung kommen, wenn es sich um zahlenmäßig etwa gleich große Gesandtschaften handelte. Problematisch war sie deshalb, weil die Botschafter eines Entsenders sich als zusammengehörige Einheit betrachteten und ungern trennen ließen.46 In seinem Traktat erläutert Paris de Grassis die Einzelheiten dieses Verfahrens wohl deshalb so ausführlich, weil er nach dem Verantwortlichen für einen Vorfall sucht, dessen Zeuge und unschuldiges Opfer er im Juni des Jahres 1505 beim feierlichen Ingressus einer portugiesischen Obödienzgesandtschaft geworden war. Das Empfangszeremoniell sah vor, daß die zum Geleit erscheinenden ›alten‹, d. h. bereits eingeführten Oratoren jeweils zu ihrer Rechten einen päpstlichen Prälaten zugewiesen bekamen und so eine Zweierreihe bildeten. Da sich bei jener Gelegenheit drei französische Botschafter, aber nur ein spanischer einfanden, hätte eine Dimidiatio eigentlich gar nicht vorgenommen werden sollen, zumal das Verfahren nur für stationäre, nicht aber für ambulante Arrangements gedacht war (non in eundo, sed tantum in stando). Trotzdem erlaubte es Bernardino Guti¤rrez, der spanische Kollege des Paris de Grassis, daß sein Landsmann sich gleich hinter dem ersten der drei französischen Oratoren – statt hinter dem letzten – einreihte. Dies war bei dem ohnehin feindseligen Verhältnis zwischen den beiden Königreichen eine besondere Provokation. Als daher die zwei anderen Franzosen Einspruch erhoben und Johannes Burckard als der rang- und dienstälteste Zeremoniar sich heraushielt – boshafterweise,
45 Helmrath (2001). 46 Paris de Grassis, Tractatus de oratoribus, cap. 54, Vat. lat. 12270 fol. 93r–96v : Qualiter et quando multorum regum multi oratores se inter ipsos mixtim dimidiant.
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wie de Grassis schreibt – gab es einen furchtbaren Tumult: factus est maximus tumultus cum scandalo.47 Nur mit Mühe konnten man die Streitenden und ihre Genossen davon abhalten, mit den Waffen aufeinander loszugehen. De Grassis, der das Schlimmste befürchtete, eilte zum Papst in die Engelsburg, um ihn zu informieren und zum Eingreifen zu veranlassen. Doch der jähzornige Julius donnerte den armen Zeremoniar an und machte ihn als einen Neuling im Amt für den Vorfall verantwortlich. Als er hörte, daß Bernardino der Schuldige war, beschimpfte er auch diesen und verfluchte zudem das ganze Dimidiations-Unwesen. Inzwischen hatte man sich draußen glücklicherweise geeinigt: Auf den ersten französischen Botschafter und den ihm zugeordneten Prälaten sollten nun in einem Dreierriegel die beiden anderen Franzosen und der Spanier folgen. Da dieser jedoch den rechten Platz einnehmen durfte, rangierte er zwar hinter dem zweiten Franzosen, also dem mittleren der Dreiergruppe, aber vor dem links reitenden letzten. Schließlich soll noch eine Streitkategorie zur Sprache kommen, die für die frühneuzeitliche Krise der universalistischen Reichskonzeption und die Emanzipation souveräner Territorrialstaaten symptomatisch ist. Es handelt sich um Konflikte im Zusammenhang mit den Gesandten Maximilians und der Kurfürsten. Als der bereits zu Lebzeiten seines Vaters Friedrichs III. zum Rex Romanorum gewählte Maximilian im Frühjahr 1488 eine Obödienzgesandtschaft nach Rom schickte, löste dies eine diplomatische Kontroverse aus, die sich in einer ganzen Serie unschöner und gewalttätiger Szenen entlud. Obwohl sich die absolute Präzedenz des Kaisers und Römischen Königs kaum bezweifeln ließ, waren die konkurrierenden Mächte stets eifrig darauf bedacht, dieses Privileg so eng wie möglich auszulegen. Daher konnten die Vertreter Karls VIII. von Frankreich und der kastilischen Königin Isabella unter Berufung auf den in verschiedener Hinsicht defizitären Status Maximilians seinen Botschaftern nun den Vorrang streitig machen. Paris de Grassis notierte dazu: Die Oratoren der beiden Kçnige erklrten, sie mïßten dem Orator des gewhlten Rçmischen Kçnigs nicht weichen, solange dieser nicht vom Apostolischen Stuhl approbiert sei – ein Argument, das dem Papst nicht mißfallen hat. Weiter fïhrten sie an, allein dem Kaiser, der ja noch lebte, den Vorrang zu lassen, zumal Maximilian bislang in keiner Weise mit der Regierung des Reiches betraut sei. Dennoch behauptete der Orator des gewhlten Kçnigs seine Przendenz gegen sie, da er von ungeheurer Kçrperkraft war (corpore robustior) und sie gewaltsam von sich stieß. Als dann endlich der gewhlte Kçnig Maximilian seine Approbation vom Apostolischen Stuhl erhalten hatte, wurde der bis dahin noch unentschiedene 47 Id., Diarium ad 1. VI. 1505, Vat. lat. 4739 fol. 130r–131v. Cf. auch Burckardus (1906 – 1942), II 486.
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Streit beendet oder zumindest beigelegt. Nachdem aber der Kaiser, der Vater des gewhlten Kçnigs Maximilian, gestorben war, entstand kein neuer Streit mehr, und auch zu meiner Zeit hat es keinen gegeben. Und wie ich gelesen habe, wurde beschlossen, daß die Botschafter von noch nicht gekrçnten Kçnigen denjenigen Platz unter den anderen einnehmen dïrfen, der ihnen zukme, wenn ihre Kçnige schon gekrçnt wren.48
Zweifellos ist dies eine sehr vereinfachte Darstellung der Ereignisse. Denn der Raufbold unter den Gesandten Maximilians, Giorgio della Torre, ergriff noch öfter die Gelegenheit, seine Körperkräfte zur Verteidigung der Würde des Römischen Reiches einzusetzen. Schließlich forderte man sogar seine Exkommunikation, weil er Gewalt gegen einen Kleriker verübt habe – bei dem französischen Botschafter Robert d’Espinay handelte es sich immerhin um einen Bischof. Allzu harmonisierend war auch die Behauptung, daß nach dem Tod Friedrichs III. die Präzedenzkonflikte um die Botschafter Maximilians aufgehört hätten. Denn auch weiterhin wurde dessen Status in Zweifel gezogen, da er noch nicht zum Kaiser gekrönt sei. Übrigens widmet Paris de Grassis verschiedene Kapitel seines Traktats den zeremonielltechnischen Aspekten dieser Querelen, in denen sich die Souveränitätsansprüche des rex christianissimus und die Problemtradition der Kaiser-Papst-Beziehungen zu einem ebenso undurchsichtigen wie explosiven Gemisch verbunden hatten.49 Auch der Status kurfürstlicher Botschafter am Papsthof konnte Anlaß zu Konflikten geben, bei denen reichskirchliche Traditionen und Tendenzen zu unabhängiger Staatlichkeit miteinander kollidierten. Zwar stritten gelegentlich sogar die Kurfürsten unter sich um die Präzedenz. So verlangte der Gesandte des Kölner Erzbischofs, Lorenz von Bibra, den Vortritt vor dem Mainzer, weil dessen Herr nach der Goldenen Bulle die Würde des Erzkanzlers nur per Germaniam innehabe, der seine aber per Italiam und somit auch in Rom. Im Gegenzug konnte für den Mainzer geltend gemacht werden, daß er ohnehin Dekan aller Kurfürsten sei. Doch einigte man sich in solchen Fällen gewöhnlich rasch darauf, daß die Streitenden die Capella nur alternis vicibus besuchten.50 Gravierender war es, wenn die Vertreter reichsunabhängiger Fürsten oder solcher, die es zu sein beanspruchten, den Elektoren ihren Rang streitig machten. 48 Paris de Grassis, Tractatus de oratoribus, cap. 48.11, Vat. lat. 12270 fol. 91v–92r: Oratores regum Francie et Hispanie contra oratores Maximiliani regis electi. 49 Id., Tractatus de oratoribus, cap. 63 – 64, Vat. lat. 12270 fol. 101v–104r ; cap. 70, fol. 110v–111v ; cap. 80, fol. 128v–129v. 50 Id., Tractatus de oratoribus, cap. 48.13, Vat. lat. 12270 fol. 92v : Maguntini contra Coloniensem; cap. 65, fol. 104v–105r : De contencione inter oratores archiepiscoporum Maguntini et Coloniensis. Cf. auch cap. 66, fol. 105r–v : De contencione inter oratores archiepiscoporum Coloniensis et Treverensis super precedentia. Die einschlägigen Passagen hat de Grassis dem Diarium Burckards entnommen: Burckardus (1906 – 1942), I 413 und 426.
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Nach kurialer Anschauung hatten die Kurfürsten als Kaiserwähler eine den Kardinälen vergleichbare Stellung und genossen daher die Präzedenz vor allen anderen Fürsten mit Ausnahme der Könige. Außerdem besaßen sie das Recht, Botschafter zur Obödienzleistung zu entsenden, obwohl sie als Reichsfürsten subditi waren, also nicht ›souverän‹ im Sinne der Bedingungen für die Fähigkeit, sich durch veri oratores vertreten zu lassen. Da dieses aus der universalen Reichskonzeption erwachsene Privileg in deutlichem Widerspruch zu der ›moderneren‹ Souveränitätsdefinition stand, war hier ein Ansatzpunkt für Verdrängungsversuche gegeben. Die rangrechtliche Sonderstellung der Kurfürsten, die bereits das Basler Konzil beschäftigt hatte, forderte daher weiterhin zum Widerspruch heraus, so etwa die auch untereinander um die Präzedenz streitenden Botschafter von Mailand, Florenz, Venedig und Savoyen.51 Besonders selbstbewußt und renitent trat jedoch der burgundische Gesandte Philibert Naturelli gegen das Kurfürstenprivileg auf. De Grassis hat den Bericht über die Vorgänge wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung wörtlich aus Burckards Aufzeichnungen zum Jahr 1493 in seinen Traktat übernommen.52 Es begann damit, daß Naturelli sich bei der sogenannten düsteren Mette am Mittwoch der Karwoche in der Capella vor den Vertretern des Kölner Erzbischofs postierte. Burckard wies ihn diskret zurecht und erinnerte daran, daß sein Herr, Erzherzog Philipp der Schöne, der Sohn Maximilians, einen Präzedenzstreit mit den Kurfürsten nicht wünsche. Zwei Monate später, am Trinitatisfest, kam es dann zu einer größeren Auseinandersetzung. Um den neueingeführten Botschaftern Savoyens an diesem Tag eine ungestörte Gottesdienstteilnahme zu ermöglichen, hatte Papst Alexander VI. vorsorglich die konkurrierenden Vertreter Mailands und Venedigs zum Fernbleiben aufgefordert. Der Burgunder nutzte jedoch die Gelegenheit dazu, um sich einen Platz vor dem Gesandten des Trierer Erzbischofs zu sichern. Als die Savoyer das sahen, wollten sie es ihm gleichtun. Wieder griff Burckard zugunsten des kurfürstlichen Vertreters ein, worauf die Getadelten gemeinsam die Capella verließen. Der Papst jedoch, dem an der Präsenz der Savoyer so viel gelegen war, bat jetzt den Trierer darum, sich seinerseits zu entfernen, und ließ die anderen zurückrufen. Mit dieser Genugtuung war der Burgunder jedoch keineswegs besänftigt: Philibert sagte mir, ich habe ihn schlecht behandelt, indem ich ihn hinter den Kaplan eines Bischçfleins plazieren wollte, der nicht wïrdig sei, seinem Herrn die 51 Paris de Grassis, Tractatus de oratoribus, cap. 67, Vat. lat. 12270 fol. 105v–r: De differenciis et locis oratorum Electorum Imperii ex una et Philippi Archiducis Austrie et Burgundie ac aliorum ducum ex alia; cap. 68, fol. 106r–107v : De triplici inter oratores Venetum ac Mediolanensis et Sabaudiensis discordia et de eorundem ac oratorum Ducis Burgundie ex una et Electorum Imperii ex altera parte differencia et concordia super locis oratorum. 52 Burckardus (1906 – 1942), I 413sq. und 427.
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Schuhriemen zu lçsen. Darauf erwiderte ich, von keinem Botschafter jemals eine grçßere Unverschmtheit gehçrt zu haben. Jener Trierer Herr sei ein wïrdigster Erzbischof, Kurfïrst des Reiches und Fïrstensohn, und seinem Herzog in jeder Hinsicht vorzuziehen. Philibert sei doch wohl nicht der Meinung, er habe es hier mit dem Bischof von Mondovi oder Ivrea oder dem Erzbischof von Tarentaise zu tun – nein, dies sei ein mchtiger Fïrst, der stets nur mit einem Geleit von 500 oder 600 Pferden ausziehe. Ihm rumten auch die Kurfïrsten von der Pfalz, von Sachsen und von Brandenburg die Przedenz ein, die ihrerseits ja von Savoyen selbst den Vortritt erhielten. Da fragte der Savoyer, warum dann Philibert ihm nicht weichen wolle. Ich antwortete, […] der Streit mit den Kurfïrsten des Reiches gehe auf die Zeit des Herzogs Karl von Burgund zurïck, der nicht zu den Fïrsten Deutschlands oder des Reiches gehçrte oder gehçren wollte; sie jedoch, die ihren Herzog von Savoyen als Reichsfïrsten betrachteten, mïßten die deutschen Fïrsten und ihren Rang respektieren. Als Philibert das hçrte, scheute er sich nicht zu behaupten, er sei nicht zum Reich gehçrig (se imperialem non esse).53
Die Quellen zum kurialen Botschafterzeremoniell, aus denen hier nur einige Proben präsentiert werden konnten, sind in mehrerer Hinsicht reizvoll und aufschlußreich. Neben fast lückenlosen Aufzeichnungen der Tagesereignisse enthalten sie Reflexionen über die normativen Grundlagen und praktischen Gestaltungsmöglichkeiten von Inszenierungen, die nichts Geringeres beanspruchten, als Gott und einem jeden Menschen die ihm gebührende Ehre – honor debitus – zu erweisen. Dabei wird allerdings deutlich, daß der Papst weit davon entfernt war, sich eine Dictatur im Rang- oder Ceremonien-Wesen anzumaßen, wie der eingangs zitierte Lünig ihm vorgeworfen hat.54 Vielmehr mußte man in erster Linie darum bemüht sein, die Streitigkeiten der konkurrierenden Zeremonialteilnehmer zu schlichten. Dies war um so schwieriger, als die Entwicklungsdynamik der politischen Kräfteverhältnisse traditionelle Ordnungsvorstellungen immer fragwürdiger erscheinen ließ. Mit seiner Definition des verus orator hat de Grassis dieser Entwicklung Rechnung getragen und den modernen Souveränitätsbegriff antizipiert. Zugleich hielt er am Sonderstatus und Ehrenvorrecht von Kaiser, Reich und Kurfürsten fest. Das kuriale Zeremoniell ist daher durch das Nebeneinander von konservativen und innovativen Tendenzen gekennzeichnet. Seine Zukunftsfähigkeit verschaffte ihm jenen Einfluß auf die Verhältnisse der neuzeitlichen Fürstengesellschaft, den Lünig mit der Bemerkung konstatiert hat: Der gröste Theil von denen, so das Ceremonien-Wesen untersucht […], sind der beständigen Meynung, Rom sey die Quelle aller Cere-
53 Zur Vorgeschichte des Rangstreits zwischen Burgund und den Kurfürsten s. Heimpel (1984); Id. (1994); Helmrath (2001), 160 – 162. 54 Lünig (1719 – 1720), II 200.
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monien, so bey den meisten Europäischen Höfen heute zu Tage im Schwange sind.55
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IV. 18. / 19. Jahrhundert: Streitkultur im bergang zur Moderne
Claudia Polzin-Haumann
Zum Streit um Sprache im siglo ilustrado: Themen, Textsorten, Typen der Argumentation
1.
Einleitende berlegungen zur Fragestellung
Auch der metasprachliche Diskurs, also das Sprechen, Nachdenken und Diskutieren über Sprache, ist durch Streit geprägt. Die je spezifische Form des Streits (aufgefasst als öffentliche Auseinandersetzung über gegebene Phänomene zwischen verschiedenen Individuen oder gesellschaftlichen Gruppen) wird dabei in grundlegendem Maße determiniert zum einen von der Epoche, zum anderen von der Sprachgemeinschaft, in der über sprachliche Fragen gestritten wird. Im Einzelnen stellen sich vor allem folgende Fragen: Wer streitet (mit wem)? Über welche metasprachlichen Themen wird im Einzelnen gestritten? In welchen Medien werden die Auseinandersetzungen ausgetragen? Dabei ist Medium im gegebenen Fall im Sinne von ›Textsorte‹ zu verstehen; es geht um die Frage, welches konkrete Podium die Akteure nutzen, um eine bestimmte Position vorzubringen, sich auf eine andere zu beziehen etc. Das Kriterium ›Öffentlichkeit‹ ist natürlich in Abhängigkeit von der Epoche zu bestimmen (wobei die Frage, wo in einer gegebenen Zeit ›Öffentlichkeit‹ beginnt, durchaus nicht immer einfach zu beantworten ist). Schließlich sind auch die Argumentationen selbst ein relevanter Untersuchungsgegenstand. Im Unterschied zu den Themen könnte man hier von einer Mikroebene sprechen; zu fragen ist also, in welcher Art und Weise genau, z. B. mit welchen Kriterien oder in welcher argumentatorischen Form die Akteure die inhaltlichen Themen behandeln. Im Folgenden sollen diese Fragen am Beispiel des metasprachlichen Diskurses zum Spanischen im 18. Jahrhundert exemplarisch behandelt werden. Ziel ist dabei insbesondere, das Konzept der Streitkultur zu integrieren, das mir in mehrerer Hinsicht einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn verspricht. Von den eingangs genannten Aspekten konzentrieren sich die Ausführungen besonders auf die Themen, die Textsorten sowie die Argumentationskriterien und -formen. Die Akteure werden dabei ansatzweise mit behandelt, stellen aber wegen des begrenzten Raums zunächst keine eigene Analysekategorie dar.
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2.
Zum Streit um Sprache im siglo ilustrado
2.1
Themen
Insgesamt lassen sich drei große Themenfelder ausmachen, die im siglo ilustrado zum Gegenstand metasprachlichen Streits werden. Als erstes sind die Diskussionen um die Bewertung und Verteidigung des Spanischen zu nennen, vor allem gegenüber dem Französischen und dem Latein, aber auch gegenüber regionalen, sozialen, situativen und chronologischen Varianten des spanischen Kontinuums. Es geht also gewissermaßen um das Spanische als Ganzes, das mit anderen sprachlichen Entitäten gemessen, gegenüber diesen situiert, von diesen abgegrenzt wird. Gestritten wird zweitens über verschiedene Konzeptualisierungen von Sprachgeschichte. Die Akteure formulieren unterschiedliche Wertungen sprachgeschichtlicher Entwicklung, sie entwickeln unterschiedliche Modelle, die spezifische Möglichkeiten bzw. Notwendigkeiten der Beeinflussung dieses Entwicklungsverlaufs implizieren. Und schließlich sind drittens metasprachliche Diskussionen zu verzeichnen, die den Ausbau, die Pflege und die Normierung des Spanischen betreffen. Es geht hier also um die Optionen, die zur konkreten Gestaltung der im Zuge der o.g. Verteidigungs- und Bewertungsprozesse entwickelten normativen Vorstellungen vorgebracht werden. In der Regel sind diese Diskussionen auf den Wortschatz und die Morphologie zentriert. Für den vorliegenden Beitrag greife ich den erstgenannten Bereich heraus: die Bewertung und Verteidigung des Spanischen gegenüber dem Französischen. In diesem Fall zeigt sich das mindestens seit der Renaissance bekannte Thema der Rivalität zwischen unterschiedlichen Nationalsprachen. Schon in einem frühen metasprachlichen Dokument der Epoche, dem Paralelo de las lenguas castellana y francesa (1726) wird dieser Punkt aufgegriffen. Der Autor, Feijoo, entwirft einen Vergleich zwischen dem Kastilischen und dem Französischen. Anhand der Kriterien propiedad, armona und copia werden beide Sprachen gegenübergestellt und gegeneinander abgewogen. Dabei verfällt Feijoo jedoch grundsätzlich nicht, wie in der Tradition der elogios de la lengua,1 in ein übersteigertes Sprachlob des Kastilischen; vielmehr ist über weite Strecken der Versuch erkennbar, sachgebunden zu argumentieren. Hierzu beruft sich Feijoo im Zusammenhang mit der propiedad zum einen auf die Arbitrarität des sprachlichen Zeichens, zum anderen führt er die Instanz des Sprechers in den Vergleich ein. So unterscheidet er neben der propiedad del idioma eine propiedad del estilo, die vom Sprecher oder Schreiber abhänge. Im letzteren Fall erkennt er die Überlegenheit der Mehrheit der französischen Autoren über die spanischen an, da en aquellos se observa ms naturalidad; en estos ms af1 Bleiberg (1951).
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ectacion.2 Verglichen werden also je spezifische Merkmale des Sprachgebrauchs;3 kritisiert wird dabei der barocke Stil des vorangegangenen Jahrhunderts. Auch bezüglich des Kriteriums der armona konstatiert Feijoo das Fehlen einer objektiven Vergleichsgrundlage. Erneut beruft er sich hier auf die Instanz des Sprechers: das eigene Idiom klinge stets besser als ein fremdes; Sprachen seien nicht an sich ›hart‹ oder ›weich‹; der Unterschied läge allein bei dem konkreten Sprecher : A todos suena bien el idioma nativo, y mal el forastero, hasta que el largo uso le hace proprio. […] De modo que puede asegurarse que los idiomas no son speros ü apacibles, sino proporcion que son ü familiares ü extraÇos. La desigualdad verdadera est en los que los hablan, segun su mayor ü menor genio y habilidad.4
Dem traditionell in Sprachlobtraktaten angeführten Kriterium schließt Feijoo sich damit nicht an. Allein hinsichtlich der copia de voces5 vertritt der Autor entschieden eine Überlegenheit des Kastilischen über das Französische, und zwar aufgrund der Feststellung, dass viele kastilische Lexeme kein Äquivalent im Französischen kennen, umgekehrt dies aber nicht der Fall sei. Insbesondere bei den zusammengesetzten Wörtern beobachtet Feijoo diese Disproportion; konkrete Beispiele nennt er allerdings nicht. Die Kritik gilt ›unnötigen Entlehnungen‹. Feijoo greift hier schon im Zusammenhang mit dem Stil6 geäußerte Gedanken wieder auf: Entlehnungen seien im Prinzip nützlich und auch in der Sprachgeschichte immer wieder zu beobachten; wenn indes eine Sprache über eigene Lexeme verfüge, sollten diese benutzt werden. Insgesamt zeigt sich, dass Feijoo Sprachkontakt unter bestimmten Voraussetzungen durchaus positiv beurteilt. Der Autor erkennt in einer Orientierung am Französischen grundsätzlich vorteilhafte Auswirkungen auf das Entwicklungspotential des Kastilischen. Eine ähnliche Haltung geht aus den frühen Schriften Capmanys hervor. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass das Spanische sowohl positive als auch negative Eigenschaften besitze. Der imperfeccion im morphosyntaktischen Bereich, etwa hinsichtlich der Ableitungen7 stellt er die positiven Attribute flexible, 2 Feijoo (1726), § III; ed. 1924, 46. In allen Quellenzitaten werden Orthographie und Interpunktion des Originals beibehalten. 3 Wobei der Autor auf ein bereits vorher bestehendes Stereotyp zurückgreift. 4 Feijoo (1726), § IV; ed. 1924, 46 f. 5 Feijoo (1726), § V; ed. 1924, 47 f. 6 Feijoo (1726), § III; ed. 1924, 46. 7 Capmany ([1773] 1785), 140.
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rica, harmoniosa y dulce gegenüber,8 überdies hebt er – freilich ohne Details zu nennen – die freie Satzstellung des Kastilischen im Vergleich zur rigiden französischen Wortfolge hervor, ein Argument, auf das er in verschiedenen Schriften immer wieder zurückkommt.9 Die Pertinenz dieser Argumente ist hier zunächst nicht entscheidend; wesentlich ist, dass beiden Sprachen positive wie negative Grundeigenschaften zugeschrieben werden und das Spanische nicht, wie in manchen elogios, hemmungslos glorifiziert wird. Mit einem möglichen Sprachkontakt zwischen dem Französischen und dem Spanischen wird keine unmittelbare Gefahr verbunden; eher noch scheint Capmany von einer positiven Wirkung auszugehen. In der Grammatikographie – vor allem in Grammatiken, die im Ausland erschienen sind – zeigt sich ein eher praktisch orientiertes Vorgehen: Bisweilen wird das Spanische kontrastiv zum Französischen beschrieben. Dies lässt sich exemplarisch an der Grammatik Sobrinos aufzeigen, z. B. im Zusammenhang mit den Relativpronomina, wo der Autor auf einen entscheidenden Unterschied hinweist: […] il faut avoir ¤gard en la langue Espagnolle, la chose possed¤e, avec laquelle s’accordent cuyo, cuya, cuyos & cuyas; au contraire du FranÅois, qui regarde le possesseur […] (Kursivsatz im Orig.).10
Dies wird an einer Reihe von Beispielen zu den Pronomina esto [sic] / essa / essos / essas, duquel / desquels und de laquelle / desquelles belegt, in denen jeweils die spanischen Sequenzen mit den entsprechenden französischen Übersetzungen gegenübergestellt werden. Ebenso thematisiert wird beispielsweise die Tatsache, dass das Spanische über ein dreistufiges deiktisches System (este, esse, aquel) verfügt, während das französische System mit celui-l und celui-ci nur zweistufig ist, wobei hier esse und aquel nicht lexikalisch unterschieden werden.11 Ein vom Prinzip her ähnliches Vorgehen lässt sich in der Grammatik von Pineda (1726) beobachten, wo nicht nur das Französische, sondern auch das Englische und das Lateinische als (deskriptive) Vergleichsgrößen herangezogen werden. In der Lexikographie bestehen gegenläufige Tendenzen, wie Carvajal Machuca u. a. (1988) in ihrer Untersuchung des DRAE (1780) im Vergleich mit dem Wörterbuch von Terreros y Pando (1786 – 1793) nachgewiesen haben: Die Akademie ist restriktiv ; letzterer zeigt sich dagegen französischen Entlehnungen gegenüber deutlich aufgeschlossener, was sich nicht nur in einer quantitativ 8 9 10 11
Capmany ([1773] 1785), 143. Vgl. z. B. auch Capmany (1776/1987), XI, 62; Capmany (1786/1991), 57. Sobrino (51740), 35; vgl. auch ebd., 37. Sobrino (51740), 38 – 40.
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höheren Anzahl an Einträgen, sondern auch in einer insgesamt liberalen Markierungspraxis manifestiert. Die Auseinandersetzung mit dem Französischen vollzog sich allerdings nicht nur im Kreise einer kleinen Elite, sondern innerhalb einer breiteren Öffentlichkeit. Hier – und generell als Medium metasprachlicher Debatten – spielt das sich trotz Inquisition relativ schnell entwickelnde Pressewesen eine wichtige Rolle.12 In den Diskussionen der einschlägigen Periodika wird der – tatsächliche oder mögliche – Sprachkontakt zwischen Spanisch und Französisch häufig ausgesprochen negativ und überdies in sehr polemischer Weise behandelt, so etwa in El Censor,13 wo in Versform der mit dem französischen Einfluss verbundene Verfall beschrieben wird. Sprachliche und moralische Dekadenz werden hier gleichgesetzt.14 Die französierte Aristokratie erscheint als Führungsschicht, die nicht in der Lage ist, den Staat angemessen zu führen; der Niedergang Spaniens und seiner Tradition scheint vorgezeichnet.15 Die Verbindung von gesellschaftlicher und sprachlicher Frankophilie wird auch in der Literatur aufgegriffen. So enthält das Werk Fray Gerundio de Campazas im 4. Buch eine beißende Satire auf frankophile Sprecher.16 Auch im Umfeld der offiziellen Sprachpflege kann schließlich ein anti-französischer Diskurs nachgewiesen werden. In einer Rede vor der Real Academia gegen Ende des Jahrhunderts greift Vargas y Ponce verschiedene in der zeitgenössischen Diskussion rekurrent benutzte Attribute auf: […] no ya aquellas lenguas matrices colmadas de perfecciones, sino la mas imperfecta de sus hechuras, un dialecto mal formado, mezquino y pobre, monütono y seco y duro, sin fluidez, sin copia, sin variedad, el Franc¤s digo se entremetiü pervertir el Castellano.17
Hier wird nicht nur der Prozess des Sprachkontakts thematisiert; vielmehr zielt die Kritik ausgesprochen auf das Französische selbst, das mit linguistisch wenig validen Kriterien angegriffen wird. Dieser exemplarische Überblick über typische Positionen zur Relation zwischen dem Spanischen und dem Französischen unterstreicht, dass bei Akteuren auf den unterschiedlichsten Ebenen eine erhöhte Sensibilität bestand. Dabei ist 12 13 14 15 16
Polzin-Haumann (2005). El Censor (1781 – 1787/1972), Discurso CLV, 471 – 485. El Censor (1781 – 1787/1972), Discurso CLV, bes. 481 – 483. El Censor (1781 – 1787/1972), Discurso CLV bes. 483 – 485. Isla (1758 – 1770), Kap.VIII; ed. 1960 – 1964, 146 – 169, §§ 2,3. Gallizismen durchziehen das gesamte Buch, wobei sich in satirischer Absicht auch eine Menge Pseudogallizismen finden, z. B. esclavitudinaje (ebd., § 5); vgl. hierzu auch die Ausführungen weiter unten in diesem Text. 17 Vargas y Ponce (1793), 37.
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zu beobachten, dass der Streit sich nicht immer auf tatsächlich nachgewiesenen Einfluss des Französischen bezieht; bisweilen genügt allein schon die Möglichkeit eines solchen Einflusses oder ein gefühlter (übermäßiger) Einfluss als Streitanlass. Dem zufolge wird das Thema Spanisch vs. Französisch im Sprachenstreit in unterschiedlicher Form aufgegriffen und manifestiert sich in einem breiten Spektrum von Positionen, das sich quer durch alle Textsorten belegen lässt. Die beiden Endpole bilden dabei zum einen der Standpunkt, das Kastilische sei im Grunde perfekt und benötige keine ›Hilfe‹ von außen, und zum zweiten die Einstellung, dass jeglicher externe Einfluss, insbesondere des Französischen, unweigerlich den Niedergang des eigenen Idioms zur Folge haben könne. Im Ergebnis stimmen beide Positionen in der Ablehnung des französischen Einflusses überein. Dem stehen ausgewogenere bis positive Einschätzungen gegenüber. In engem Zusammenhang mit dem Streit um das Phänomen des Sprachkontakts gerade mit dem Französischen steht das Problem der Übersetzungen,18 das in der metasprachlichen Reflexion im 18. Jahrhundert schon früh und mitunter sehr polemisch thematisiert wird. Vor allem in der zweiten Jahrhunderthälfte entwickelt sich hierzu eine kontroverse Diskussion in unterschiedlichen Medien. Anhand von exemplarisch ausgewählten Texten sollen im Folgenden zentrale Positionen aufgezeigt und eingeordnet werden. In vielen Beiträgen wird die Sorge um eine Überfremdung des Spanischen artikuliert, wobei eine enge Verbindung von Sprache und Nation bzw. deren ›Geist‹ oder ›Charakter‹ konstruiert wird. Exemplarisch wird dies in einem Beitrag im Memorial literario, instructivo y curioso de la Corte de Madrid19 deutlich, in dem gerade die Auswirkungen von Übersetzungen im Mittelpunkt stehen. Ausgangspunkt ist ein Artikel in einer der vorangehenden Nummern, in dem gefordert worden war, französische Werke in Spanien nachzudrucken, u. a. um die spanische Literatur zu fördern.20 Dem gegenüber plädiert der Autor für das systematische Imitieren von kastilischen Vorbildern (los maravillosos y sagrados exemplares de nuestro idioma, en los incomparables Granada, Leon, Hurtado, y Cervantes, por no nombrar mas de otros veinte)21 und verurteilt aufs schärfste die schlechten Übersetzungen (aquellos iniquos Traductores, enemigos implacables de nuestra lengua)22, da diese nicht nur die Sprache korrumpierten, 18 Das Englische wird demgegenüber deutlich seltener thematisiert, obwohl es hier auch eine nennenswerte Übersetzungsaktivität gab (Pramo Garca 2003). Im Folgenden wird der Streit um Übersetzungen aus dem Französischen ins Kastilische betrachtet; die umgekehrte Perspektive wird kaum aufgegriffen (vgl. aber z. B. Mayns i Siscr 1725 od. 1727/1981, 214). 19 Anonym [B.S.M.] (1787), 517 – 533. 20 Anonym [B.S.M.] (1787), 517. 21 Anonym [B.S.M.] (1787), 522; vgl. auch 532. 22 Anonym [B.S.M.] (1787), 528.
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sondern auch zum Wandel und schließlich zum Verlust des spanischen Nationalcharakters führten. Zwar wird erkannt, dass Entlehnungen und speziell das Problem der Gallizismen kein auf das 18. Jahrhundert begrenztes Phänomen darstellen, sondern bereits zu Zeiten der Troubadourlyrik existiert haben, doch tut dies dessen negativer Einschätzung keinen Abbruch.23 Nur scheinbar differenzierter urteilt Vargas y Ponce, der Übersetzungen nicht prinzipiell verdammen möchte, sondern nur die schlecht ausgeführten. Im Ergebnis allerdings wird der schlechte Zustand des Kastilischen seiner Zeit allein auf eine defizitäre Übersetzungstätigkeit zurückgeführt: As hollais el idioma, Traductores ignorantes, as le habeis obscurecido y afeado, y es obra vuestra la deplorable deformidad en que yace.24
Die Vielzahl der Übersetzungen und die damit verbundene Problematik finden auch literarische Verarbeitung, insbesondere in zwei Werken: Fray Gerundio de Campazas von Jos¤ Francisco de Isla (1758 – 1770) und Cartas marruecas (1793) von Jos¤ Cadalso. In Fray Gerundio de Campazas25 werden zahlreiche Aspekte angesprochen, etwa die Verbindung von gesellschaftlicher und sprachlicher Frankophilie26 sowie die Schwierigkeit guter Übersetzungen bzw. Anforderungen an diese.27 Im Mittelpunkt stehen aber polemische Ausführungen zu schlechten Übersetzungen; vgl. z. B. […] casi todas las traducciones son una peste. Las ms son unas malas y aun perversas construcciones gramaticales, en que a buen librar queda tan estropeada la lengua traducida, como desfigurada aquella en que se traduce.28
23 Anonym [B.S.M.] (1787), 523 – 526. Als einer der wenigen gibt dieser Autor jedoch auch Regeln für gutes Übersetzen an, wenn er fordert: El Traductor debe poseer a fondo ambos idiomas con igual inteligencia, y propiedad, y al mismo tiempo debe tener un profundo conocimiento y solida instruccion del asunto de la obra que traduce para huir de los errores que son tan freqüentes, en los que trabajan sobre materias desconocidas. Es menester que no pierda de vista aquel nervio del original, revestirse de los mismos sentimientos del Autor, acomodarse a sus ideas, estudiar su genio y su carcter, penetrar hasta su interior, entrar en su corazon a investigar lo que quiso expresar; en una palabra, transformarse en ¤l (ebd., 529 f.). Das Gesamturteil bleibt indes eindeutig negativ. 24 Vargas Ponce (1793), 43. 25 Isla (1758 – 1770), VI 8; ed. 1960 – 1964, 146 – 169. 26 Isla (1758 – 1770), VI 8; ed. 1960 – 1964, §§ 2, 3. 27 Isla (1758 – 1770), VI 8; ed. 1960 – 1964, § 20. 28 Isla (1758 – 1770), VI 8; ed. 1960 – 1964, §§ 21; vgl. auch ebd., 22.
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Die Übersetzer werden in Anlehnung an ein bekanntes Wortspiel als Verräter bezeichnet, und zwar nicht nur an ihrer eigenen, sondern auch an der Ausgangssprache der Übersetzung: ¡Traductores de libros franceses! ¡Traductores de libros franceses! No los llame usted as, llmelos traducidores de su propia lengua y corruptidores de la ajena; pues como dice con gracia el italiano, los ms no hacen traducciün, sino traiciün a uno y a otro idioma, […];29 (Kursivsatz im Orig.).
In den Cartas marruecas (1793) findet sich v. a. in den Briefen XXXV, XLIX und L eine Auseinandersetzung mit dem hier interessierenden Problemkomplex. Auch die Cartas sind, wie das bereits erwähnte Werk Islas, nicht frei von Ironie, die sich beispielsweise deutlich zeigt, wenn der Schreiber aus einem Brief referiert, den seine Schwester an eine Freundin in Burgos geschrieben habe (carta XXXV). Hier werden nicht nur lexikalische (z. B. deshabill¤, bonete de noche, hacer un tour), sondern auch morphosyntaktische (z. B. arribar: ›¤l viene de arribar de Paris‹ statt ›¤l acaba de llegar‹) Interferenzen thematisiert und ironisch kommentiert.30 Das Grundprinzip des Sprachwandels als Folge sozialen Wandels wird dabei durchaus anerkannt: En EspaÇa, como en todas partes, el lenguaje se muda al mismo paso que las costumbres; y es que, como las voces son invenciones para representar las ideas, es preciso que se inventen palabras para explicar la impresiün que hacen las costumbres nuevamente introducidas.31
Blanke Ironie, gepaart mit deutlicher Gesellschaftskritik, spricht allerdings aus dem Vorschlag, jedes Jahr die Sprache für das folgende festzulegen, damit die Sprache wenigstens für 365 Tage stabil bleibe.32 Das Problem der schlechten bzw. die Anforderungen an gute Übersetzungen wird in Brief XLIX aufgegriffen. Aufschlussreich ist hier neben aus anderen Quellen bekannten polemischen Elementen der Ansatz, dass das Phänomen nicht nur als ein Problem des Sprachgebrauchs behandelt wird, sondern auch konstruktiv in Überlegungen zu einer alternativen Übersetzungsmethode gewendet wird. Hierzu werden verschiedene Techniken empfohlen, die durchaus an Prinzipien der heutigen Kontrastiven Linguistik erinnern.33 In der carta L sind ebenfalls eingehende translatorische Überlegungen belegt. Auch andere 29 30 31 32 33
Isla (1758 – 1770), VI 8; ed. 1960 – 1964, § 19. Cadalso (1793/1966), Carta XXXV, Z. 15 – 28. Cadalso (1793/1966), Carta XXXV, Z. 1 – 4. Cadalso (1793/1966), Carta XXXV, Z. 91 – 112. Z. B. Schmitt (1991), 57 f.
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Autoren34 äußern sich in der zeitgenössischen Debatte zum Problem der Übersetzungen, doch ist insgesamt die intensive Behandlung der Thematik und die vergleichsweise gemäßigte, häufig deskriptive Haltung in den Cartas marruecas auffällig. Ein Autor, der sich in verschiedenen Werken eingehend dem Sprachvergleich und der Übersetzung gewidmet hat, ist Antonio de Capmany, vor allem in seinem Hauptwerk Arte de traducir (1776).35 Den seiner Abhandlung zugrundeliegenden theoretischen und methodischen Rahmen entwickelt Capmany im Prolog, in dem er über die Möglichkeit der Übersetzung angesichts der grundlegenden Unterschiede zwischen verschiedenen Sprachen nachdenkt. Hier taucht (wie schon in der Abhandlung von 1773) der Gedanke vom g¤nie einer Sprache auf. Grundlegend ist die Annahme, dass [l]as lenguas tienen un caracter particular que las distingue; y esta diversidad, que aqui llamamos genio, þ ndole, consiste en la desigual aptitud para expresar una misma idea, logicamente hablando, aunque todas pueden acomodarse los diferentes g¤neros de estilos, y de obras; Kursivsatz im Orig.).36
Sprachen sind demnach unterschiedlich strukturiert, verfügen aber grundsätzlich über ein vergleichbares Ausdruckspotential. Angesichts dieser Unterschiede könne eine gute Übersetzung niemals wörtlich sein;37 vielmehr müsse sie einerseits dem Stil des Autors des ausgangssprachlichen Textes gerecht werden38 und andererseits dem je spezifischen ›Charakter der Nation‹, der sich in dem Text zeige, Rechnung tragen: As muchos traductores, þ por amor proprio, þ por indiferencia, þ finalmente por ignorancia, esto es, þ por preferir el caracter de su nacion, y el gusto de su tiempo, þ por no querer, þ no saber conocer la filosofia de las costumbres en la de los diversos idiomas, han hecho que hable un Sueco como un Arabe.39
34 Vgl. etwa Mayns i Siscr (1725/1727); Memorial literario […] XLIX, II, (1787). 35 Bereits 1773 finden sich in seinen unpublizierten, nur in der Zusammenfassung in Sempere y Guarinos zugänglichen Discursos analiticos sobre la formacion, y perfeccion de las lenguas, y sobre la castellana en particular (II, 132 – 144) Überlegungen zu diesem Themenkomplex. Während hier und auch im Arte (1776) durchaus positive Überlegungen zu Übersetzungen und ihren (auf das Französische bezogen) sprachlichen Implikationen formuliert werden, vertritt Capmany in späteren Schriften (z. B. 1808) eine dezidiert anti-französische Haltung. 36 Capmany (1776/1987), VIII. Vom genio nimmt Capmany an, dass er nach drei Gesichtspunkten differenziert sei (ebd., VIII–X). 37 Capmany (1776/1987), V. 38 Capmany (1776/1987), Vf. 39 Capmany (1776/1987), VIf.
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Als zentrale Aufgabe einer Übersetzung ergibt sich damit die Aktivierung des einer Sprache eigenen Ausdruckspotentials gemäß den Vorgaben des Originals. Hier wird auf eine Ebene Bezug genommen, die jenseits lexematischer, semantischer, morphologischer oder syntaktischer Äquivalenz liegt.40 Insgesamt ist am Arte de traducir im Kontext des spanischen 18. Jahrhunderts41 vor allem die Intention einer praktischen Anleitung zum Übersetzen auf der Grundlage der zur Diskussion stehenden theoretischen Probleme hervorzuheben, hinter der allerdings die konkrete Umsetzung, wie auch der Autor selbst im Vorwort42 andeutet, deutlich zurückbleibt. Die exemplarisch angeführten Positionen verdeutlichen, dass das Problem der Übersetzung in der Sprachreflexion des 18. Jahrhunderts aus unterschiedlichen Perspektiven behandelt wird. Die einzelnen Autoren fokussieren dabei je spezifische Aspekte und sprachliche Ebenen, betrachten sowohl das Problem als Ganzes als auch verschiedene Einzelphänomene des Sprachsystems und -gebrauchs. Insgesamt bilden dabei allerdings konkrete Ansätze einer konstruktiven, auch methodischen Reflexion die Ausnahme; häufiger ist eine polemische Herangehensweise mit mehr oder weniger nationalistischen Untertönen.
2.2
Textsorten
Wie schon deutlich wurde, spielt sich der Streit um metasprachliche Fragen in den verschiedensten Textsorten ab: Die bisher kommentierten Belege entstammen etwa aus einer Art Anthologie (Feijoo), aus Grammatiken, aus Periodika, aus literarischen Werken, aus einem Übersetzungstraktat. Einen Überblick über alle Textsorten im Streit um metasprachliche Fragen (Spanien, 18. Jahrhundert) bietet die folgende Übersicht:43 - wichtige Grammatiken - Orthographietraktate bzw. Abhandlungen zu orthographischen Einzelfragen - Abschnitte zu grammatischen/ orthographischen Fragen in kalligraphischen Abhandlungen 40 Ein wichtiger Schlüsselbegriff im Arte ist der des idiotismo, womit Capmany »frases formadas por el caracter de la lengua« (1776/1987, XI) bezeichnet. Diese sprachenspezifischen Kollokationen stellen den eigentlichen Schwerpunkt des Werks dar ; sie werden in den verschiedenen Abschnitten kontrastiv (und meist anhand von alphabetisch geordneten Listen) behandelt. 41 Aus einer anderen Perspektive erscheinen Capmanys Ausführungen weniger originell. L¤pinette (1995) weist nach, dass das Werk deutlich von den französischen Enzyklopädisten beeinflusst ist. 42 Capmany (1776/1987), XVI. 43 Beispiele für alle Textsorten werden in Polzin-Haumann (2006), 126 f. bzw. mit den kompletten bibliographischen Nachweisen ebd., 423 ff. angegeben.
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sprachgeschichtliche Abhandlungen literarhistorische Abhandlungen Rhetoriken Poetiken enzyklopädische Werke mit Studien oder Essais zur Sprachproblematik Sprachenenzyklopädien Abhandlungen zur Übersetzungsproblematik Abhandlungen zur Synonymenproblematik lexikographische Werke literarische Texte, die Sprachkritik (im weiten Sinne) enthalten pädagogische oder didaktische Schriften (Primarunterricht und Universität) Antibarbari öffentliche Reden Beiträge in Periodika (z. B. Rezensionen, Artikel zu pädagogisch-didaktischen oder sprachkritischen Fragen) - ›Paratexte‹ - Streitschriften - Antrittsreden an der RAE (seit 1870 veröffentlicht)
Entsprechend breitgefächert ist auch das Spektrum der Autoren und – vermutlich – auch der jeweiligen Zielsetzungen: Geht es um die Bildung von Konsens innerhalb einer Gruppe oder Teilgruppe oder um Profilierung der eigenen Position, geht es um Verteidigung der eigenen oder einer fremden Haltung, um die Schaffung von Koalitionen? Diese und andere Fragen hinsichtlich der Zielsetzung der Akteure im metasprachlichen Streit bleiben an der gesamten Bandbreite der Textsorten anhand des Streitkultur-Konzepts zu analysieren. Ebenso wichtig ist die Frage, inwiefern die Autoren (explizit oder durchaus auch implizit) gegenseitig aufeinander Bezug nehmen, wo in einzelnen Diskussionsbeiträgen Trennlinien gezogen werden und wo sie tatsächlich verlaufen. Das Konzept der Streitkultur könnte somit dazu beitragen, Argumentationsstrukturen und -verläufe deutlicher herauszuarbeiten und zu ermitteln, wo tatsächlich konkurrierende Positionen bestanden und wo diese nur – etwa zum Zwecke der Profilierung individueller Positionen – konstruiert oder zumindest akzentuiert wurden. Die Beantwortung dieser Fragen muss einer detaillierten Studie überlassen werden; hier bieten sich zahlreiche Perspektiven. Auf ein anderes Phänomen im Zusammenhang mit dem Aspekt ›Textsorten‹ soll jedoch zumindest kurz eingegangen werden. Zu den einschneidenden gesellschaftlichen Veränderungen, die Spanien vor allem in der 2. Jahrhunderthälfte kennzeichnen, zählt vor allem auch das entstehende Pressewesen. Dieser, wenn man so will, Medienwandel schafft auch neue Bedingungen für die Streitkultur. Dies betrifft einerseits den Kreis und die Zahl der möglichen Ak-
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teure, andererseits die Formen der Auseinandersetzung. Wertet man etwa die im Diario de los literatos erschienenen Besprechungen aus, treten deutlich bestimmte Charakteristika sowohl auf der Ebene der Makrostruktur als auch auf der Ebene der Mikrostruktur hervor.44 Hierzu zählen z. B. bestimmte lexikalische Mittel der Bewertung, häufig Adjektive mit evaluativer Funktion, wie […] el methodo claro, y el estilo corriente, ameno, y florido […];45 Despues de historiar con clara, y erudita brevedad el origen, y progressos de la antigua Poesia […];46 […] merece obra tan notable.47
Das Spektrum an Handlungsformen reicht von indirekter Kritik in verschiedenen Ausprägungen bis hin zu direkt und offen formulierten negativen Urteilen. Beispiele für erstere sind etwa […] parece no se aplicþ nuestro Autor penetrar el fin, y methodo con que aquel insigne Comico escriviþ su Arte;48 […] aunque no parece haverse querido detener nuestro Author reflexionar sobre este punto […].49
Ebenfalls indirekter Kritik zuzuordnen sind Beispiele, in denen sich der Rezensent hinter einem Kollektiv zurückzieht. Die Kritik wird hier zwar indirekt geäußert, gewinnt aber dadurch an Gewicht, dass nicht ein einzelner Rezensent dem Autor gegenübertritt, sondern eine (anonyme) Gruppe von ›Gelehrten‹. Preparado, pues, nuestro Autor, con esta cautela, que sin duda la tendrn por ociosa algunos Eruditos […];50 Pero olvidþ nuestro Autor, que muchos EspaÇoles no siguen al presente esta opinion […];51 […] pero no todos los Eruditos aprobarn este orden […]52.
44 45 46 47 48 49 50 51 52
Vgl. ausführlich Polzin-Haumann (2008). Diario de los Literatos de EspaÇa (1737 – 1742/1987), IV, I, 112 f. Diario de los Literatos de EspaÇa (1737 – 1742/1987), IV, I, 6. Diario de los Literatos de EspaÇa (1737 – 1742/1987), IV, I, 112. Diario de los Literatos de EspaÇa (1737 – 1742/1987), IV, I, 80. Diario de los Literatos de EspaÇa (1737 – 1742/1987), II, II, 39. Diario de los Literatos de EspaÇa (1737 – 1742/1987), II, II, 47. Diario de los Literatos de EspaÇa (1737 – 1742/1987), II, II, 59. Diario de los Literatos de EspaÇa (1737 – 1742/1987), II, II, 73.
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Offene und direkte Kritik ist dagegen im folgenden Beispiel belegt: Solo de una cosa reconocemos, y sentimos la omission: […].53
Eine Kumulation verschiedener Mittel, um ein negatives Urteil zu äußern, findet sich in der nachfolgenden Passage, in der dem Leser im Grunde von Beginn an negative Urteile insinuiert werden: Y aunque creemos proporcionado para esta operacion el estudio del seÇor Mayans, la presente obra la consideramos como de un Erudito versado en la Literatura antigua, y Moderna, que iba recogiendo materiales para escribir exactamente de este asunto; y provocado de alguna emulacion, abortþ esta coleccion de noticias, y observaciones; apreciable mas por el numero de aquellas, que por la seguridad de estas. […] No dudamos, que alguna razon muy fuerte, que nosotros no alcanzamos, le mantiene en el constante uso de su estilo. […] Por todo lo dicho no queremos, que nuestro Autor sea comprehendido en el gran numero de aquellos Autores, que no pudiendo alcanzar su ingenio alguna nueva observacion en las Letras, aspirando la fama de Literatos, se empeÇan groseramente en propagar opiniones, y costumbres Literatas de nuestros antepassados; antes bien reconocemos en todos sus Escritos un deseo, y aplicacion la mas exemplar establecer en nuestra Patria los mismos instrumentos, y economias con que anhelan los Estrangeros mejorar el estado de las Letras en la suya: de lo que le debemos estar estr muy agradecidos, especialmente de comunicarnos esta coleccion, en que se logran muchas, y admirables luces de la antiguedad de EspaÇa; de que passamos informar, aunque no con la claridad, y distincion que se pudiera, si el seÇor Mayans huviera puesto en su Escrito alguna division de assuntos, pues no la trahe, sino de solos numeros mudos.54
Sehr deutlich tritt hier die ablehnende, negative Haltung gegenüber dem besprochenen Werk hervor : Es zeichne sich mehr in quantitativer als in qualitativer Hinsicht aus; der Stil sei ›gewöhnungsbedürftig‹; für die Zusammenstellung der Dokumente könne man dem Autor dankbar sein, obwohl das Werk schlecht gegliedert sei. Doch solle der Leser nicht meinen, es handle sich um einen Autor, der nur deshalb, weil er selbst es nicht durch eigene Forschungen zu Ruhm bringen könne, die Arbeiten anderer Autoren publiziere – ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Häufig lässt sich seitens des Rezensenten eine Tendenz zu indirekter Kritik insofern beobachten, als nicht Standpunkte des Autors kritisiert werden, sondern die Autoren oder Dokumente, auf die diese gestützt werden. Obwohl hier nur ein kleiner Einblick in ausgewählte Besprechungen gegeben 53 Diario de los Literatos de EspaÇa (1737 – 1742/1987), IV, I, 113. 54 Diario de los Literatos de EspaÇa (1737 – 1742/1987), II, 34 – 37.
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werden konnte, dürfte deutlich geworden sein, dass diese neue Textsorte bislang nicht vorhandene (heute aber im Diskursuniversum Wissenschaft in der Regel gut bekannte) Möglichkeiten der streitbaren Auseinandersetzung schaffte, die ein breites Spektrum sprachlicher Handlungsformen umfassen, wie etwa explizite/implizite Kritik, polemisches oder sachgestütztes Werten etc.
2.3
Typen der Argumentation
Werfen wir abschließend noch einen kurzen Blick auf die normativen Kriterien, derer sich die Akteure bedienen. Gestritten wird um die angemessene Sprache; anhand welcher Bezugspunkte wird diese gestützt? Wertet man die Texte darauf hin aus, ergibt sich folgender Befund:55 - castizo, casticismo; puro, pureza, purismo, purista (Reinheit) - claridad, propiedad (Klarheit und Angemessenheit – proprietas56) - uso - razûn - naturaleza, naturalidad - urbanidad Es ist unschwer erkennbar, dass diese Kriterien inhaltlich alle in der antiken Tradition verwurzelt sind. Die Autoren des siglo ilustrado orientieren sich allerdings zumindest zum Teil an seit der Renaissance in Spanien – ebenso mit Bezug auf die antiken Quellen – entwickelten Traditionen der Sprachreflexion (v. a. Nebrija).
3.
Fazit und Ausblick
Insgesamt zeigt sich an diesem Ausschnitt aus der metasprachlichen Streitkultur des 18. Jahrhunderts zunächst, dass die gegebenen Streitfelder – die sich ganz klar vor dem Hintergrund des kulturhistorischen Kontexts konturieren – in 55 Für Beispiele zu den einzelnen Kriterien vgl. Polzin-Haumann (2006), 224 – 248. 56 Proprietas galt häufig als Teil der perspicuitas und latinitas (vgl. Lausberg 31990, § 535). Latinitas wurde mit den verschiedensten Anforderungen kombiniert. Nach Lausberg bezeichnet perspicuitas in der antiken Tradition die »intellektuelle Verständlichkeit« (Lausberg 3 1990, § 529), während ihre Grundlage, die latinitas, als »idiomatisch korrekte Ausdrucksweise« (ebd., § 463) aufzufassen ist (zur latinitas als Varietätenkennzeichnung vgl. auch Müller 2001, 231 – 258). Dementsprechend können puridad und limpieza tendenziell diesem Kriterium zugeordnet werden. Propiedad und claridad beziehen sich eher auf die perspicuitas.
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unterschiedlichen Textsorten ›bearbeitet‹ werden, wobei die Textsortengrenze allerdings nicht entlang der Themengrenze verläuft, d. h. der Streit verteilt sich auf verschiedene Medien. Durch die Entwicklungen auf gesellschaftlich-wirtschaftlicher Ebene entstehende neue Medien (Pressewesen, Zeitschriften) erweitern den Kreis der am Streit teilnehmenden Akteure. Grundsätzlich ist zu beobachten, dass sich dieselben Akteure durchaus zu mehreren, jedoch nicht notwendigerweise zu allen Themen äußern. Richtet man den Blick auf Kontinuitäten und Diskontinuitäten des Sprachenstreits, so ergibt sich für das 18. Jahrhundert auf den verschiedenen Ebenen ein komplexes Bild: Das Streitthema der Nationalsprache ist ganz sicher dem zeitgenössischen Kontext der Epoche geschuldet, es greift jedoch andererseits das Motiv des Sprachlobs und der Sprachenrivalität auf, das wir vor allem aus der Renaissance kennen. Die Kriterien für den normativen Diskurs, die in der Debatte um das Spanische des 18. Jahrhunderts angeführt werden, stammen alle aus der klassischen Tradition; allein ihre Gewichtung lässt sich den zeitgenössischen Umständen zuschreiben. Was die Medien angeht, so sind für das 18. Jahrhundert typische Entwicklungen zu diagnostizieren (periodisch erscheinende Zeitschriften, neue Textsorten wie Rezensionen), die neue Formen des Streits nach sich ziehen. Daneben stehen tradierte Medien und Textsorten wie beispielsweise Grammatiken. Auch in der Debatte um die Sprachentwicklung – die hier nicht weiter behandelt werden konnte – werden antike Modelle fortgeschrieben. Insgesamt zeichnet sich hier also die Notwendigkeit einer Binnendifferenzierung ab: Je nach Themenfeld und Textsorte wird der metasprachliche Streit durch spezifische Parameter determiniert. Dies betrifft sowohl die Akteure als auch die sprachlichen Handlungsformen. Der theoretisch-methodische Rahmen des Streits erlaubt es, die vielfältigen Manifestationsformen des metasprachlichen Diskurses zu kategorisieren und damit die hier ablaufenden komplexen Prozesse zu systematisieren. Was im vorliegenden Beitrag ausschnitthaft für das Beispiel des Spanischen im 18. Jahrhundert gezeigt wurde, ist generell auf alle Sprachen und Epochen übertragbar (vgl. z. B. Osthus [im Druck], der den Streit um die Wissenschaftssprache in Spanien und Frankreich in der Renaissance behandelt). Perspektivisch scheint es aufschlussreich, den metasprachlichen Streit zunächst einzelsprachlich und epochenspezifisch zu analysieren und die Teilergebnisse dann schrittweise zu einer übereinzelsprachlichen und epochenübergreifenden Perspektive zusammenzufügen. Das Konzept der Streitkultur erlaubt es dann, die Ausdifferenzierung bestimmter metasprachlicher Streitkulturen genauer zu verfolgen und sowohl ihre Verwurzelung in bestimmten Traditionen (vor allem natürlich der antiken) als auch den Anteil epochen- und sprachgemeinschaftsspezifischer Faktoren zu bestimmen. So können auch die in den
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Sprachenstreit immer wieder eingebrachten Wertbegriffe und Stereotypen in ihrer Ausprägung und ihrer Zirkulation genauer erfasst werden. Nicht zuletzt kann der Sprachenstreit in den größeren Kontext der Wissenschaftskulturen eingeordnet werden, und auch aktuell erkennbare Unterschiede zwischen Wissenschaftskulturen könnten somit eine größere historische Tiefenschärfe gewinnen.
Bibliographie 1.
Quellen
1.1
Periodika
1.2
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2.
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Judith Hawley
›Mental Men and Bodily Women‹: Argument as Marital Row in the Scriblerian Circle
While public debate is a forum in which arguments about matters of the most weighty concern to the commonwealth can be played out, the domestic arena can be the scene of contests no less significant. In the eighteenth century, a number of literary works by writers as diverse as the Scriblerians and the Bluestockings, explored an issue of fundamental concern – the mind-body relation – in the form of a marital row or a lovers’ quarrel. The agon between husband and wife, mind and body becomes so intense that it could terminate in divorce. The concept of mind-body dualism is enshrined in Western culture.1 It dates back to antiquity and survives in some forms in the present. As with all binaries, there tends to be a dominant partner. And as with all binaries, it tends to get mapped onto the gender divide and the masculine mind takes the upper hand, so to speak. This identification has sometimes been used as a way of demonstrating that women lack the mental capacity to benefit from education or to exercise power beyond providing the comforts of the domestic sphere. The assumption that men are rational and women are dominated by their bodies is a familiar one with a history as long as history itself. The idea is perhaps Platonic in origin. It stems, as Lisa Freeman points out, from Plato’s division of the ideal from the real, or form from matter, of being from becoming, and of the immortal from the mortal. For Plato the body functioned as a prison to the soul, and from this heavily weighted image a variety of moral inferences have since been drawn.2
1 It is impossible for me to do more than scratch the surface of the mind-body problem. This paper is intended simply to examine a few aspects of the ways in which it figured in a few literary arguments. For fuller discussions of the history of the mind-body debate as it developed in the eighteenth century, see, e. g.: Rousseau (1991), esp. 3 – 44, Fox (1988), Hatfield (1985), Suzuki (1994), Tomaselli (1984), Porter (2003). 2 Freeman (1999), 51. Osmond (1973) and (1990).
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Judith Hawley
From St Augustine onwards, many have assumed that there is an antagonism between the body and soul stemming from the Fall of man. Eve tempted Adam to fall, thus it is easy to figure the body as the feminine enemy of the masculine soul. This assumption underlies the Renaissance idea that in order to repress sin, the rational soul should dominate the wilful body, just as the king heads the state and the husband rules his wife. But, binary relations are capable of variation and even reversal. The fact of giving metaphorical embodiment to the philosophical distinction between mind and body means that the vehicle can infect the tenor : the device used to trope the idea brings in its own connotations and social meanings. So when the mindbody relation is figured as analogous to that between husband and wife, it can open the door to all that marriage entails. The mind is supposed to rule the body as the husband rules the wife. But, as we know, domestic relations are rarely so simple. In A Dialogue (1741), a poem which draws on the Platonic tradition, the mind-body relation is figured by the Bluestocking, Elizabeth Carter in terms of a row between husband and wife. It opens: Says Body to Mind, ‘Tis amazing to see, We’re so nearly related yet never agree, But lead a most wrangling strange Sort of a Life, As great Plagues to each other as Husband and Wife. (1 – 4)3
The wrangling between Body and Mind is so fierce, it is unlikely that their needs can be reconciled. Mind threatens to divorce Body. What is surprising about this apparently traditional allegory is that Carter reverses the usual gender hierarchy : the mind is identified with the wife and the husband represents the base body grumbling about its low concerns. Body complains: There’s my Kitchen sometimes is as empty as Sound, I call for my Servants, not one’s to be found. (13 – 14)
He feels neglected while his wife is out gallivanting around with her head in the stars. In return, she complains that the demands Body makes on her leave her crampt and confin’d like a Slave in a Chain (l. 22). Mind threatens her husband with a visit from her friend who will rid me, at last, of your insolent Pow’r by knocking down the house and allowing her to snap off her Chains and fly freely away (34 – 38). Divorce between mind and body brings freedom at the price of death. But it is the feminine mind which wields the real power here. 3 Carter (1999), 353.
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Its tone might be comical, but Carter’s poem takes part in an argument which had been raging for many years with far-reaching consequences in the public and private spheres. In the seventeenth century, assumptions about the divine right of kings and about patriarchal authority were both challenged in the Puritan revolution. Royalist exiles also imbibed some of the developments in continental philosophy such as atomism, rationalism and dualism. By the end of the seventeenth century, a series of developments in natural and political philosophy made it possible to conceive of new ways of conceptualising the role of authority – divine, royal, mental and social. The position of God in the universe, of the king as head of state, the mind as ruler of the body and the husband as head of the household had been questioned.4 Legally the position of women had not changed, but developments in philosophy led to some improvements in the cultural status of women. Some early feminists, such as Mary Astell and Anne Conway, exploited Cartesian mind-body dualism to argue that, as the mind was independent of the body, gender was irrelevant. Therefore, women were as capable of intellectual development as men.5 However, that argument was not enough to improve the lot of women. While some early feminists argued that The mind has no sex, and the debate about the education of women was conducted on numerous fronts (including in the anonymous Sophia pamphlets), gender discrimination continued on just as many fronts.6 Moreover, the influence of Cartesian dualism in Britain was limited both by prejudice against French ideology, and by preference for home-grown empiricism.7 As I will argue, the epistemology, political theory and educational theories of John Locke were far more pervasive in their reach than the philosophy of Ren¤ Descartes. We must also acknowledge that the influence of progressive philosophy on the experience of everyday life is limited. The Reverend Nicholas Carter, who had promoted his daughter’s education in the 1720 s and 1730 s, enabling Elizabeth Carter to study Greek, Hebrew, Latin, French, Italian, Spanish, Arabic, history, philosophy and more, recognized that the world was not ready for her learning in the 1740 s. He had to defend her poem A Dialogue against the charge that her Mind was guilty of the traditional feminine complaints Spleen and Discontent.8 At this point in the eighteenth century, she was 4 For a selection of sources on this vast topic, see: Ashcraft (1986), Yolton (1990), Champion (1992), Kroll/Ashcraft/Zagorin (1992), and Hill (1978). 5 See, for example, Astell (1694, 1697), Browne (1987), Caine (1997), Hill (1984) and Smith (1972). Astell was also influenced by neo-Platonists such as John Norris. 6 See, for example, Poulain de la Barre (1673), Chudleigh (1701), Chudleigh (1739), Cockburn (1702), Cohen (1997), Drake (1696), Ferguson (1985), Fletcher (1995), Jones (1990), Mendelson / Crawford (1998) and Rogers (1982). 7 See Rogers in: North/Roche (1985) and Tomaselli (1984). 8 See letter dated 12 February 1741 in Carter (1999), 445.
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treated as a prodigy and was mostly thought to be an exception to the rule rather than proof that women should be given the same education as men. The Memoirs of Martinus Scriblerus is more typical of attitudes to both mindbody and gender relations in the early eighteenth century. Again the argument is depicted in the form of a marital row, a row that draws in the female domestic servants as well as Mrs Scriblerus, but here, as was more common, the man stands for mind and the wife is aligned with the body. Yet this argument too takes unexpected turns. The Memoirs was the central project of a group, now known as the Scriblerus Club, whose active members were Jonathan Swift, Thomas Parnell, John Arbuthnot, John Gay and Alexander Pope.9 Their aim was to attack all false tastes in learning.10 To that end they created a fictional dunce as a peg on which to hang their satires. Martinus is a close relative of Lemuel Gulliver and Tibbald, other dunces brought to life by members of the group.11 The Memoirs recount the unsuccessful attempts of the pedant Cornelius Scriblerus to create the perfect brain child and to raise and educate him according to the prescriptions of his beloved Ancients. Thus there are chapters on, for example, »The Suction and Nutrition of the Great Scriblerus in his Infancy, and of the first Rudiments of his Learning«, »Of the Gymnasticks, in what Exercises Martin was educated«, »Rhetorick, Logick, and Metaphysicks«, »Anatomy«, and so on – a distorted version of the old trivium and quadrivium. In each of Cornelius’s attempts to mould his son’s mind, he is thwarted by the physical opposition mounted by his wife and the women of the household. We might think of Cornelius as belonging to a succession of philosophers saddled with unsuitable wives and domestics, stretching from Socrates and Xanthippe to Carlyle and his maid.12 In Chapter II, The Speech of Cornelius over his Son, at the Hour of his Birth, Cornelius sets out his ambitious plan for his son. He wants him to roam the earth, mastering all that is to be learnt. He declares: »Then I will have him … search for those fountains of fresh water that are at the bottom of the Ocean.«— At these last words Mrs. Scriblerus fell into a trembling: The description of this terrible Scene made too violent an impression upon a 9 The composition history of the Memoirs is complex. Though it was published in the same year as Carter’s poem (1741), work on the project began early in 1714. Pope determined the final form of the text by assembling and discarding various manuscript drafts. See KerbyMiller (1950), 1 – 67. 10 Spence (1966), I 56. 11 In Swift (1994) and Pope (1943). 12 The precise details are unclear, but it seems as if a servant mistook the manuscript of Thomas Carlyle’s magisterial work on the French Revolution for waste paper and tossed it on the fire. He had worked on the book for three years. Heroically, he sat down the next day to reconstruct it from memory and completed it in nine months. The French Revolution was published in 1837. See Kaplan (2004) for a brief account of this famous incident.
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woman in her condition, and threw her into a strong hysteric Fit; which might have prov’d dangerous, if Cornelius had not been push’d out of the room by the united force of the women.13
The women here seem to be stolidly set against a man of spirit who has a grand conception of the expansive capabilities of the mind. Mrs Scriblerus is dominated by her body and her gender. She is pregnant, hysterical and incapable of acting rationally. The female domestics take her part. Martin’s early years are a battleground between the parents. The education of children at home was traditionally the responsibility of the mother, but his father’s reverence for the Classics leads him to attempt to mould his son in the image of the imagined perfection of the Ancients. Cornelius launches attack after attack against his wife’s maternal instincts in a series of experiments on his son’s body. His attempts to adhere to the rules of the purest Antiquity, in relation to the Exercises of his Son result in a broken leg for the boy.14 Not daunted, Dr Scriblerus keeps proposing new schemes. His wife, we are told was at last enur’d to bear all these things with a laudable patience, till one day her husband was seized with a new thought. To make him a better runner, Cornelius decided his son should have his spleen cauterised, according to a prescription of Pliny. It would also have the advantage of curing him of laughter. This design was no sooner hinted to Mrs. Scriblerus, but she burst into tears, wrung her hands, and instantly sent to her brother Albertus, begging him for the love of God to make haste to her husband.15
Mrs Scriblerus’s physical response not only anticipates the silent bodily opposition mounted by Mrs Shandy against her husband’s schemes in Sterne’s Tristram Shandy,16 it also is in accordance with advice offered to women in conduct literature. See, for example, these bon mots from George Savile, Marquis of Halifax, whose much-reprinted conduct manual is representative of the advice offered to well-born women in the early eighteenth century. He declares that men and women are designed by nature for the roles assigned to them: You must first lay it down for a Foundation in general, That there is Inequality in the Sexes, and that for better Oeconomy of the World, the Men, who were to be the lawgivers, had the larger share of Reason bestow’d upon them; by which means 13 14 15 16
Kerby-Miller (1950), 100. Kerby-Miller (1950), 112. Kerby-Miller (1950), 113. See Sterne (1978, 1984), e. g. II.xix.179, VI.xviii.528, IX.i.735 – 6. For a discussion of the role of Mrs Shandy, see Ehlers (1981), McMaster (1989), New (1990) and Benedict (1992).
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your Sex is the better prepar’d for the Compliance that is necessary for the better performance of those Duties which seem more properly assign’d to it.
Yet, to reconcile women to this inequality, he argues that their physical constitution enables them to subvert this power structure: You have more strength in your Looks, than we have in our Laws, and more Power by your Tears, than we have by our Arguments.17 In the seventeenth century, women were instructed to remain chaste, silent and obedient, but in the eighteenth, far from being counselled to repress their bodies in order to exercise virtuous restraint, they are encouraged to defeat men’s reason by exploiting their physicality. The wily politician, Savile encourages his daughter to subvert her husband, but ultimately the aim of this private rebellion is to maintain the patriarchal status quo.18 When it comes to Cornelius’s attempts to nourish his son’s mind, again the womenfolk successfully mount a physical resistance. His notions of diet are derived from his reading of the Classics. Moreover, his method of argument is based on Classical or neo-Classical techniques: to bolster his claims, he cites authority after authority. Conversely, the women’s notions are derived from common sense and they argue by reinforcing their statements with non-verbal communication. In Chapter IV, Of the Suction and Nutrition of the Great Scriblerus in his Infancy, and the first Rudiments of his Learning, we learn that Cornelius now began to regulate the Suction of his child. Seldom did there pass a day without disputes between him and the Mother, or the Nurse, concerning the nature of Aliment. The poor woman never dined but he denied her some dish or other, which he judg’d prejudicial to her health.19
One day she wanted beef; as she stretched out her hand towards it, Cornelius whisked the dish away and launched into an oration on the dangers of the meat to his son’s intellectual development: »Beef, it is true, may confer a robustness on the limbs of my son, but will hebetate and clogg his Intellectuals.« While he spoke this, the Nurse look’d upon him with much anger, and now and then cast a wishful eye upon the Beef—»Passion (continued the Doctor, still holding the dish) throws the mind into too violent a fermentation; it is a kind of Fever of the soul, or as Horace expresses it, a Short Madness. Consider, Woman, that this day’s Suction of my son may cause him to 17 George Savile (1688), 13, 14 – 15. For a discussion of this text, see Jones (1990), 18. Savile was a prominent politician who managed to survive several changes of government in the late seventeenth century. He certainly knew how to profit from a difficult situation himself. 18 See Fletcher (1995), Jones (1990). 19 Kerby-Miller (1950), 105.
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imbibe many ungovernable Passions, and in a manner spoil him for the temper of a Philosopher.«20
Cornelius continues to enumerate various classical precedents at length as if he were an orator in a public arena, but the Nurse has her own way of arguing against him: During this speech, the Nurse remain’d pouting and marking her plate with the knife, nor would she touch a bit during the whole dinner. This the old Gentleman observing, order’d that the Child, to avoid the risque of imbibing ill humours, should be kept from her breast all that day, and be fed with Butter mix’d with Honey, according to a Prescription he had met somewhere in Eustathius upon Homer.21
She sulks and starves and eventually quits her job. She wins the argument by refusing to engage verbally. In this battle of the sexes, the masculine mind usually comes off less well than the feminine body. Again and again Cornelius is exposed as merely mental in the colloquial sense of the word – not only living in his head, but not quite right in his head. His wife and the female domestics may be all too solid flesh, but they have common sense and sympathy on their sides. There is no doubt that the reader is meant to think they are right about child-rearing, even if they are not presented as models for imitation in all things. This triumph of the feminine body over the masculine mind may come as a surprise to those who are familiar with the misogynistic streak which runs through the writings of the Scriblerians. I think here of Swift’s disgusting depictions of deformed female bodies in Gulliver’s Travels and in his poetry,22 or of Pope’s Of the Characters of Women: Nothing so true as what you once let fall, »Most Women have no Characters at all.« Matter too soft a lasting mark to bear, And best distinguish’d by black, brown, or fair.23
What is striking here is not just that Pope’s women are characterless, but they are merely matter. They are like melted butter, too soft to hold the impression of a stamp or character ; you can only tell them apart by the colour of their hair. The 20 21 22 23
Kerby-Miller (1950), 105 – 6. Kerby-Miller (1950), 106. See, e. g., Swift (1994), 79 – 80, 94, 101, 215, 255, 259; Swift (1984), 533 – 4. Alexander Pope, Moral Essays. Epistle II. To a Lady. Of the Characters of Women, ll. 1 – 4, written 1732 – 34; published 1735 (in: Pope [1963], 559 – 69). The poem was supposedly based on a remark made by Pope’s friend, Martha Blount.
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poem consists of a series of portraits of women who are as silly and morally weak as they are changeable. Implicitly, masculinity is distinguished by physical and mental firmness.24 Most of the portraits in Pope’s poem are satirical sketches of real women, one of whom, Sappho, is based on the famous wit and beauty, Lady Mary Wortley Montagu, who used to be on very good terms with the Scriblerians. I want to turn now from looking at how writers represent the mind-body quarrel, to examine an actual row between male and female writers: the breakdown of relations between the Scriblerians and Lady Mary Wortley Montagu. It will enable us to see more clearly the difficulties faced by women who took themselves seriously as intellectuals in an era when they were principally distinguished by their physical attributes. This argument is not precisely a marital row – in fact, it is a row that possibly resulted from Lady Mary’s refusal to treat seriously a marriage proposal from Pope. According to one often-cited anecdote, Pope made such passionate love to her, as, in spite of her utmost endeavours to be angry and look grave, provoked an immoderate fit of laughter; from which moment he became her implacable enemy.25
It is impossible at this date to discover precisely what was at the root of the conflict – perhaps there was not one precise offence. It is likely that there were several factors: political and literary as well as sexual. Lady Mary was a lifelong Whig whereas the Scriblerians were first reluctant Tories then active in the opposition to Walpole. In the case of Lady Mary and Swift, the antipathy seems to have been there from the start. Pope, originally attracted to Lady Mary’s combination of beautiful feminine body and impressive masculine mind, was later disgusted by what he came to see as her excessively intellectual hardness. He depicted her as physically repulsive in a series of glancing blows, each wounding and cumulatively destructive.26 He 24 For fuller discussions of Pope, Swift and women, see Barnett (1998), Hand (2002), Chico (2005), Doody (1988), Hand (2003), Ellis (1989), Mackie (1991), Mell (1996), Rumbold (1989) and Wagner (1992). To situate their satire in a longer tradition of misogynistic satire, see Nussbaum (1984). 25 The anecdote was told by Lady Mary’s granddaughter, Lady Louisa Stuart, see Montagu (1977), 37. For differing accounts of the relationship between Pope and Lady Mary, see Rumbold (1989), 132 – 45, 149, 155 – 61; Grundy (1999), 268 – 78, 285 – 86, 329 – 55; Mack (1986), 186, 301 – 2, 311, 328, 339 – 40, 367 – 68, 380, 411, 504, 548 – 50, 553 – 62, 608 – 9, 646. 26 See draft of Dunciad A, III,141; Dunciad A, II, 125; draft of Epistle To Bathurst, l. 95; Imitations of Horace, Satires, II.i.83; Imitations of Horace, Satires, II.ii.49; Imitations of Horace, »Sober Advice from Horace«, ll. 1, 18, 53, 124; Epistle to Arbuthnot, l. 101, draft of line 368 and published version of 368; Characters of Women, l. 21; Imitations of Horace,
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kept coming back to her because she seemed to epitomise for him the belief that intellectual women and women writers in particular are unfeminine and improper. In Of the Characters of Women, he drew on the stereotype of the learned lady as an oxymoron and slut: Rufa, whose eye quick-glancing o’er the Park, Attracts each light gay meteor of a Spark, Agrees as ill with Rufa studying Locke, As Sappho’s diamonds with her dirty smock, Or Sappho at her toilet’s greazy task, With Sappho fragrant at an ev’ning Mask: So morning Insects that in muck begun, Shine, buzz, and fly-blow in the setting-sun. (21 – 28)
While Rufa27 merely flirts with both men and philosophy, Lady Mary (Sappho) presents a damaging contrast between her native dirt and artificial beauty. Although she shines and smells sweetly when she makes an effort to do so, she cannot, Pope insists, distance herself from the muck-heap from which she arose and above which she merely buzzes. Pope and Lady Mary maintained their feud in print for many years. She retaliated against his series of nasty allusions with a massive attack on his mind, body and poetry in a poem she wrote with Lord Hervey, Verses addressed to the Imitator of Horace (1733).28 The break-down of the friendship between Pope and Lady Mary has been much discussed. The wrangling relationship between Lady Mary and Swift is less well-known and rather more challenging. But I want to consider it now for a number of reasons: First, this argument sheds more light on the supposed misogyny of the Scriblerians. Second, it is an argument in which the female participant is no mere lumpen domestic woman but an educated and witty writer. So this section of my argument is much more symmetrical in its weighting of male and female in the row, but is asymmetrical because the works in question depict not an unhappy marriage but a lovers’ quarrel. The writers’ decision whether to represent their couples as married or not registers, I suggest, or has an impact on their representation of the relationship between mind and body. It allows them to consider how binding is the tie between them. The Swift-Montagu spat returns us to the idea of the variation on and inversion of the twin binary of mind and body, masculine and feminine. This Epistles, I.i.161, 164; Epilogue to the Satires, I, 11, 111, II, 20; The Capon’s Tale; To Ld Hervey and Lady Mary Wortley, in Pope (1963), passim. 27 »Rufa« has not been identified with a particular woman, but probably means a red-head; red hair was associated with fiery tempers and sexual promiscuity. 28 Montagu (1993), 265 – 72. For studies of this poem, see sources cited in n. 25, above.
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contrast is at the heart of a poem by Swift which, while not aimed at Lady Mary, attracted her attention. In Swift’s anti-pastoral poem, The Lady’s Dressing Room, Strephon sneaks into the chamber of his true-love, haughty Celia and finds the litter and filth which is necessary to beautify his Goddess.29 The poem inventories everything from her dirty Smock to towels Begumm’d, bematter’d, and beslim’d With Dirt, and Sweat, and Ear-Wax grim’d. (66 – 67)
The climax is his discovery of a chest – a Pandora’s box – which he opens and is then overwhelmed by an excremental Smell. The vapours from her commode or close stool drive him mad: Disgusted Strephon stole away Repeating in his amorous Fits, Oh! Celia, Celia, Celia shits! (137 – 39)
There is little Classical precedent for this specific use of excrement in satire. Although sexual references are rife, scatological ones are far less so.30 Swift might be partly indebted to Juvenal’s misogynistic sixth satire in his representation of women,31 but his shit-slinging satire derives much more from Medieval and Early-Modern carnivalesque depictions of the grotesque body.32 He learnt from Rabelais, Erasmus, Luther and others how to deflate pretension by confronting the reader with a reminder of the body’s natural functions. The grotesque Scriblerian body is both natural and stylized, self and Other. How does Lady Mary respond to these attacks on women’s bodies? And 29 Swift’s The Lady’s Dressing Room was first published in 1732 and immediately ran into several editions. It provoked several poetic responses (see Swift [1937], II 524 – 30) and was almost universally condemned for its indelicacy and want of decency (see Williams [1970], 121, 147, 154). He wrote several other poems which professed to be disgusted by the discrepancy between the beautiful appearance of women and their secret bodily life, or which satirise men’s horror at discovering that their goddesses are mere women. See, e. g., A Beautiful young Nymph going to Bed, Strephon and Chloe and Cassinus and Peter. ATragical Elegy, in Swift (1937), II 580 – 98. 30 For studies of Classical obscenity, see Henderson (1975) and Allen (1998). 31 For Swift’s relation to Juvenal, see Westgate / Mackendrick (1942), Nussbaum (1976), Weber (1983) and Arion (2007). More work needs to be done to establish Swift’s relationship to Juvenal and Horace. 32 For studies of the grotesque body in the Middle Ages, Renaissance and Early Modern Periods, see, e. g. Bakhtin (1968), Stallybrass / White (1986), Persels / Ganim (2004). For Swift’s scatological streak, see, e. g. Brown (1959), Greene (1967), Gilmore (1976), Fabricant (1982), 24 – 42. Schakel (1978), 106 – 20 identifies Ovid’s Remedia Amoris as an influence on Swift’s scatological poems; Siebert (1985) demonstrates that Lucretius, De Rerum Natura, IV 1171 – 91 is an important source for the power of stench in these poems.
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attacks on women for being too bodily? She responds in kind. Her poems on Pope and Swift, like Elizabeth Carter’s Dialogue, skilfully invert the traditional terms of the debate: Lady Mary plays the Scriblerians at their own game. She mimics their style and parrots their terms back to them, demonstrating her verbal and intellectual skill. On 8 February 1734 a poem entitled The Dean’s Provocation for Writing the Lady’s Dressing-Room found its way into print anonymously, with or without her agency. A draft and fair copy in her hand preserving variant readings survived among her manuscripts under the title The Reasons that Induced Dr S to write a Poem call’d the Lady’s Dressing room. In this work, Lady Mary adopts Swift’s humorous tetrameter couplets.33 She also inserts a digression in imitation of Swift’s method which allows her to make a sideswipe at Pope as well as to extend the point of her satire from a particular retaliation against Swift to a general moral point about mankind’s culpable lack of selfknowledge.34 Just as The Ox thinks he’s for Saddle fit, (As long ago Friend Horace writ;) And Men their Talents still mistaking, The Stutterer fancys his is speaking (37 – 40),
so Poor P[ope] Philosophy displays on, With so much Rhyme and little Reason; And tho’ he argues ne’er so long, That all is right, his Head is wrong. (45 – 48)
Pope had recently published his most ambitious philosophical poem, An Essay on Man, in which he famously made the Leibnizian declaration: And, spite of Pride, in erring Reason’s spite, One truth is clear, »Whatever IS, is RIGHT.« (I, 293 – 4)35 33 In English poetry, the iambic pentameter has greater dignity than the tetrameter. The loss of one metrical foot makes the rhyme sounds recur with greater frequency. As English is uninflected, increasing the musicality of the verse in this way can make it sound light or comical. Swift almost invariably used the tetrameter, mostly with ironic effect. Pope much preferred the ›heroic‹ pentameter couplet for both epic and satiric poetry. When Lady Mary, in league with Lord Hervey, mocked Pope in Verses Address’d to the Imitator of the First Satire of the Second Book of Horace (1733), they imitated his heroic couplets and his cutting manner. 34 See Montagu (1993), 274, n. to l. 31 ff. I follow the text of the 1734 edition. 35 For the text of An Essay on Man (first published 1733 – 34), see Pope (1963), 501 – 47. For a discussion of Pope’s philosophy, see Nuttall (1984).
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Lady Mary neatly implies that the very fact that poor muddle-headed Pope thinks he is a philosopher demonstrates that he is mad and that all is not right with the world. In the case of the Doctor, as Lady Mary presents it, his problem is that he mistakes his talents as a lover. Whereas Swift’s Lady’s Dressing Room had described an idealistic lover spying on his mistress and discovering to his horror that she was grossly corporeal, Lady Mary follows Doctor S on a visit to his whore, Betty, and presents them both as materialistic. Her depiction is partly a libel, and partly based on insider knowledge. Far from being high-minded, the Doctor is vain: he shows off his gold snuff-box and diamond ring and boasts of his (long-gone) political importance – just like the real Swift. Moreover, he is so lustful he is prepared to pay the high price of £4 for a rendezvous with Betty (the real Swift was far too tight-fisted ever to have parted with that sum). However, when the desired encounter occurs, his body lets him down: The Rev’rend Lover, with surprise, Peeps in her Bubbies and her Eyes, And kisses both — and tries — and tries — The Ev’ning in this hellish Play, Beside his Guineas thrown away; Provok’d the Priest to that degree, He swore, The Fault is not in me. Your damn’d Close-stool so near my Nose, Your dirty Smock, and stinking Toes, Would make a Hercules as tame, As any Beau that you can name. (68 – 78)
Lady Mary thus claims that, to project the blame for his impotence onto his female partner because of her proximity or similarity to her excrement, he wrote The Lady’s Dressing Room: I’ll be reveng’d you sawcy Quean, (Replys the disapointed Dean) I’ll so describe your Dressing-Room, The very Irish shall not come. (97 – 100)
In Swift’s poem, the woman is not there to argue back. In Lady Mary’s poem, Betty shows she can dish the dirt too: The Nymph grown furious, roar’d, by G—d The Blame lies all in Sixty odd; And scornful, pointing to the Door, Sai’d, »Fumbler see my Face no more[«]. (79 – 82)
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By trying to eject him, Betty treats him like the waste material she has expelled from her body. The Doctor, as fond of gold as of female flesh, argues that if he cannot have her, he wants his money back. Betty of course refuses and, as Lady Mary did in her attack on Pope, insults the Doctor’s poetry and his masculinity : Perhaps your have no better Luck in The Knack of Rhyming than of — (93 – 4)
Betty has the last word – and does the last deed: She answer’d short, I’m glad you’ll write, You’ll furnish Paper when I Sh—e. (101 – 2)
What can we make of this excremental abuse? How does it compare to the mindbody marital rows we looked at earlier? Lady Mary adopts a complex and, I would argue, uncomfortable position vis--vis the binary. On the one hand she adopts a masculine subject position by taking on the aggressive role of the satirist. She engages with the Scriblerians on their own ground and proves herself more than capable of turning their arguments against them. On the other hand, she exemplifies the gross corporeality which is intrinsic to the satirical view of women. She lowers herself by dealing with this dirt. While the Scriblerians were prepared to countenance that feminine corporeality has a value in the mind-body debate, in that the common sense of the women is preferable to the excessive abstraction of the head of the household, Lady Mary takes a reductive view of both mind and body. The product of the mind (poetry) is equated with the waste product of the body : writing and shitting amount to the same thing in her blunt final couplet. There is a further distance between both of these dressing-room poems and the works I discussed earlier : they deal with relationships between lovers (or punters) rather than spouses. They also depict the complete break-down of the relationship. Both Swift and Lady Mary describe the end of the affair – the separation of mind and body – and shit is the appropriate trope. Just as excrement is expelled from the body, Strephon departs from his senses and the Dean is ejected from Betty’s room. In these dressing room poems, the difference between men and women, mind and body becomes irreconcilable. They have to separate. Their antipathy becomes an external entity : it is excreted. However, the Memoirs depict the relationship between mind and body as a marriage, an arrangement which it was much harder to terminate. The Memoirs, like Tristram Shandy, dramatise the low-level warfare of married life. Marriage might be an uncomfortable relationship, but men and women find themselves accommodated within it: mind and body coexist. Marriage between mind and body is pre-
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dicated on difference, but also on continuous accommodation of one to the other. As Carter reminds us, mind and body are linked until death do them part. Arguably, Lady Mary put herself outside the bounds of social acceptability in writing this poem. She soon moved to the Continent as she no longer found herself at ease in English society.36 She also rather misses the point of Swift’s poem: the satire is double edged: it slashes at women by reducing them to their bodily excretions, but it is also pointed at men who worship women as goddesses. She does not adequately deal with the force of Swift’s implied criticism of men – it is their fault, suggests Swift, if they idealise women’s bodies. It will turn their minds. He urges Strephon to think like him and celebrate in women: Such Order from Confusion sprung, Such gaudy Tulips rais’d from Dung. (164 – 5)
Pope pictures women as flies buzzing over a dung heap but Swift suggests a fragile kind of transcendance: women are gaudy tulips sprung from dung but, or rather, and they bring the scent of manure with them. In Cassinus and Peter he rings the changes: Cassinus loses his mind when he discovers a turd which is not his in the chamber pot and exclaims: Nor wonder how I lost my wits; Oh! Celia, Celia, Celia shits! (124 – 5)
In both instances, Swift relies on the notion that fumes from the body can rise like steam and befog the mind.37 The mind cannot escape being affected by the body. Lady Mary does not acknowledge the complexities of the Scriblerians’ argument. It is as if she falls into their trap. In her poetry and in real life she flung dirt at Pope and Swift. A young traveller reported that when he met her in 1757, She shew’d him her Commode, with false back of books, the works of Pope, Swift and Bolingbroke; she said she knew them well. They were the greatest Rascals, but she had the satisfaction of shitting on them every day.38
36 Her departure for the Continent in 1739 was motivated by a number of factors, the most pressing being her infatuation with Francesco Algarotti. The damage Pope did to her reputation, the miserable English climate, money worries and the recent death of friends also played their part. See Grundy (1999), 391 – 3. 37 Cf. On the Mechanical Operation of the Spirit (1710) in Swift (1958). 38 Robert Halsband, »New Anecdotes of Lady Mary Wortley Montagu«, in: Evidence in Literary Scholarship: Essay in Memory of James Marshall Owen, edd. Ren¤ Wellek/Alvaro Ribeiro, Oxford 1979, 245, quoted in Rumbold (1989), 145.
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Her commode literalises Swift’s coprophiliac imagery. It might have given her some relief to have employed this excremental device, but it did not help her rise above her base feelings. By literalising their figurative insults, she proves herself to be bodily and, in eighteenth-century terms, low. To paraphrase Swift, no wonder how she lost her wit: Mary Wortley Montagu shits! Later in the eighteenth century, Elizabeth Carter’s mental and bodily control made possible a greater intellectual freedom for women. Though her early poem A Dialogue seems aligned to Cartesian dualism, she later became celebrated for her connection with other philosophical schools. In 1758, she published the first translation of the complete works of the Stoic Epictetus into English. It was publically hailed as a demonstration of the argument that the mind has no sex.39 Moreover, she maintained a reputation for eschewing the kinds of frivolous and flirtatious behaviour expected of women.40 She never married, yet she was not the stereotype of the sexless Old Maid. Rather, she was well-known for the affective relationships she enjoyed with the network of intellectually curious women known as the Bluestocking circle.41 Gender relations in eighteenthcentury Britain were, as I suggested earlier, greatly influenced by the epistemology, political and educational theories of John Locke. Taking the longer view, the argument between Lady Mary and the Scriblerians seems like the last bout in the ancient battle of the sexes. Locke’s sensationalist epistemology, as set out in his Essay Concerning Human Understanding, gave a greater role to the body in thought than previous philosophers had acknowledged and this gradually influenced ideas about femininity. According to Locke, all ideas have their origin in physical sensation; the mind reflects on those sensations to produce ideas; ideas are connected into complex sequences by means of association. So thought is never entirely abstract or disembodied. As the body is vital to intellectual activity, the quality of the mind depends of the constitution of the nerves and the relative fineness of the texture of its fibres. Although Locke did not explicitly address the position of women, his philosophy was taken by many writers, implicitly or explicitly, to lend support for calls for the intellectual advancement of women.42 At the same time, thinkers 39 For an account of the publication of Epictetus, see Carter (1999) and Myers (1990). Guest (2000) argues that in the 1760 s the British prided themselves on the way in which the supposed liberties of the British Constitution allowed women to flourish. Carter was celebrated as an icon of national superiority until the 1790 s when there was a backlash against women who overstepped their conventional bounds. 40 See Carter (1999), xii-xv for a discussion of her appearance in public and private. 41 For further discussion of the Bluestockings, see Eger / Grant / O’Gallchoir /Warburton (2001) and Pohl / Schellenberg (2003). 42 Relevant writers include Catherine Trotter Cockburn, Anna Laetitia Barbauld, Mary Woll-
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such as David Hume and David Hartley who developed his ideas laid emphasis on men’s capacity for greater sensitivity, both physical and emotional.43 The nerves of both men and women – at least those of polite and refined men and women – could vibrate in sympathy with the suffering of others. Just as the nerves and animal spirits provided a bridge between body and mind, men and women were found to be more similar in their ways of thinking and feeling. A bridge was being built between the genders. This is not to say that there was any real measure of political equality in the later eighteenth century or even that women were admitted to institutions of higher education, but there was a greater measure of respect for feminine qualities such as sympathy and their minds were acknowledged to be capable of some measure of development.44 Lady Mary complained bitterly about how women’s minds were despised because society was more interested in them as beautiful bodies. Advising her daughter Lady Bute on how to educate her own daughter, she warned she must conceal whatever Learning she attains, with as much solicitude as she would hide crookedness or lameness.45 She attempted to defend herself by attacking men in their own terms – explicitly bodily and bawdy satire. Paradoxically, she contributed little at the time to the cultural status of women because she was perceived as scandalously unfeminine. It was rather, women like Elizabeth Carter and her fellow Bluestockings who paved the way for improved access to literature and education for women. She did this by cultivating her mind rather than her body. By maintaining complete respectability in her physical self-presentation (never appearing in a dirty smock – or even in diamonds), she earned the right for women’s minds to fly freely away.
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Richard Cronin
Duelling and the Culture of British Romantic Literature
In Britain the Romantic period has often been defined by its difference from the age of Queen Anne, which is unsurprising when so many of the period’s poets defined themselves similarly. Coleridge traced the ground of his own poetic principles to his early distaste for ›the writings of Pope and his followers‹. Leigh Hunt, in his prefaces to The Story of Rimini and Foliage, made similar claims, and Keats did little to disguise which poets were the butts of his irritation in Sleep and Poetry : with a puling infant’s force / They swayed about upon a rocking horse, / And thought it Pegasus (185 – 7). When Byron wrote to defend Pope against his detractors, he dissociated himself, or seemed to, from all those contemporaries of his who have since been most closely identified with Romanticism. Given all this, it may seem surprising that a number of the writers of the post-war decade, the decade from 1815 – 25, although modern literary histories fail to register it, rather often thought of themselves as engaged, half a century before the architects, in a Queen Anne Revival. Pope’s antagonist, John Dennis, was for them a precursor of the editor of the Edinburgh Review: he was the Jeffrey of Queen Anne’s time.1 Isaac D’Israeli’s Quarrels of Authors is much concerned with the writers of the previous century, with Warburton and Pope and Colley Cibber and Addison and Bolingbroke, but when he published it in 1814, I suspect that he was implying a close correspondence between the literary antagonisms of his own literary moment and those of the previous century, when Pope, Swift and their friends had attacked and been attacked so fiercely by the rival poets they characterised as Dunces. Satire was the preferred mode then, and satire had a doubtful reputation in the Romantic period. P. B. Shelley even wrote a Satire upon Satire, but that title in itself suggests that the relationship of the Romantic poets with their satirical predecessors of the reign of Queen Anne was more paradoxical than has been supposed.2 In this paper I will argue that the Romantic 1 Blackwood’s Edinburgh Magazine, 10 (October, 1821), 312. 2 See Jones (1988). For the disparity between the principles of Shelley and other Romantic poets and their practice, see Jones (2000).
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period is best thought of as constituted not, as has sometimes been suggested, by the doctrine of sympathy that its leading writers held in common but by the antagonisms that divided them. Studies of the period have often focused on creative partnerships, between Wordsworth and Coleridge, Shelley and Byron, or between the various writers that made up the Cockney School.3 It may be, however, that literary enmities ought to figure just as strongly in representations of the period as literary friendships. One indication of this is the remarkable proclivity that so many of the writers of the period showed for duelling. It was not just a penchant of Irishmen like Thomas Moore or aristocrats like Byron (who despite rather often challenging or being challenged seems never actually to have fought). Coleridge, Leigh Hunt, Keats and Hazlitt, as well as Lockhart, John Wilson, James Hogg, Francis Jeffrey, editor of the Edinburgh Review, and John Scott, editor of the London Magazine, all of them at one time or another received, issued or threatened to issue a challenge. Most of these challenges came to nothing, and some, like Moore’s challenges of Francis Jeffrey and Byron, resulted in lifelong friendships. The duel of February 16, 1821, in which John Scott, editor of the London Magazine, met J. H. Christie in a quarrel that had begun when Scott attacked Blackwood’s in the pages of the London, and died of the wound that he received eleven days later, was exceptional, as was the duel of March 26, 1822, in which Sir Alexander Boswell, son of the biographer, was killed by James Stuart of Dunearn, after publishing various satirical squibs at his expense in a Glasgow newspaper, The Sentinel. This belligerence in the writers of the period is surprising because it occurred at a time when the practice of duelling was rapidly falling into disrepute. Duelling was, until the middle of the nineteenth century, tolerated in the armed services because refusing a challenge was believed to compromise the honour of the regiment, and it remained reasonably common, too, amongst politicians, presumably because the professional standing of politicians was inseparable from their private reputations. It seems much harder to explain why men of letters should have become in the second decade of the nineteenth century the professional group, after soldiers and politicians, most given to duelling. Several explanations offer themselves. It was a symptom of the volatile relationship in these years between literature and politics. Literary rivalries were embittered because literary relationships were so often contaminated by political differences, of the kind, for example, that separated Hazlitt and Walter Scott, prompting Hazlitt, when Jeffrey offered to introduce the two men, to reply, I should be willing to kneel to him, but I could not take him by the hand.4 Second, 3 See, for example, Magnuson (1988); Robinson (1976); and Cox (1998). 4 The comment is reported by Patmore (1854), 22.
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there was a new anxiety in the period about the kind of material that it might be permissible to publish, prompting the widespread complaint that this was an age of personalities, by which was meant an age in which public debate was disfigured by attacks on the private behaviour of opponents. Third, there was a growing unease at the relationship between text and signature, or between writing and the writer, an unease inevitable during a period when so much authorship was anonymous. When Leigh Hunt was viciously attacked in Blackwood’s Magazine, his brother repeated some of the more lurid charges in the columns of their weekly newspaper, The Examiner, and went on to issue a thunderous challenge: The anonymous Author of the above atrocious attempt to destroy the personal character of the Editor of this Paper, is again called upon to avow himself: which he cannot fail to do, unless to an utter disregard of all truth and Decency, he adds the height of meanness and cowardice – Should this however be the case, those who have published the foul Scandal – if they persist in screening the Author from a just punishment, – must prepare to abide the consequences of their delinquency.5
Duelling was one way of insisting on the connection between a body of text and the physical body of the person who had written it. Fourth, male writers seem many of them to have laboured under a suspicion that print culture had been colonised by women, not just because women had become the primary consumers of literary works, but because they were also of increasing importance as producers. Male writers such as Keats and Byron responded by producing poems that pointedly sought to exclude women readers.6 Walter Scott led a determined attempt to re-colonise the novel on behalf of men. Duelling, so exclusively and emphatically male an activity, might have seemed particularly congenial to a group that had begun to doubt the masculine character of the profession to which they belonged. But in this paper I want to focus on just one possible explanation, an explanation that has to do with class. Two possibilities were available to those who wished to respond violently to an attack on them in print. They might issue a challenge against the person they held responsible, or they might horsewhip him. These might seem simply alternative courses of action, but in fact they are antithetical. The duelling pistol acknowledges the right of the man who is challenged to be admitted within the same social circles as the challenger, whereas the horsewhip violently proclaims its victim’s social inferiority. To issue a challenge, however unfortunate the 5 The Examiner, no. 516 (November 16, 1817), 729. 6 Keats told his friend, Richard Woodhouse, that he wished to write only for men. See Keats (1958), 2, 163. Don Juan, according to one reviewer, was poetry such as no brother could read aloud to his sister, no husband to his wife. See Eclectic Review, 16 (October, 1821), 118.
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consequences may be, is in some sense an act of inclusion. As Peter Murphy has put it, »Duels celebrate the strength of the agreements and acknowledgements between the antagonists, the rules which have brought them peaceably together in murderous antagonism«.7 Duelling was emphatically a pastime for gentlemen. From time to time, men without the proper status would duel, but when they did they were likely to become the objects of public mirth. As De Quincey observed, a ridicule … everywhere attaches to many of the less elevated or liberal modes of exercising trade in going out to fight with sword and pistol.8 This was why Walter Scott was so amused when there seemed a prospect that James Hogg, who was after all only a shepherd, might receive a challenge from John Douglas, editor of the Glasgow Chronicle: Our poor friend Hogg has had an affair of honour or a something tending that way which is too whimsical to suppress.9 Burns no more than Hogg held a social rank appropriate to a duellist. Scott observed that Burns did not see anything so rational in the practice of duelling, as afterwards to adopt or to affect the sentiments of the higher ranks upon that subject, but this was a proof not of his good sense but of his plebeian spirit.10 The distinction between the two weapons, the horsewhip and the pistol, was, it seems, a primitive attempt to organise those who worked within the new and rapidly expanding print industry into two categories. Gentlemen, who might be challenged, were sharply distinguished from those who deserved only to be whipped. But it was a distinction increasingly difficult both to make and to enforce. The point is well illustrated by an anecdote concerning James Stuart, the man who fatally shot Alexander Boswell. When James Stuart found himself libelled in the Edinburgh newspaper, The Beacon, he horsewhipped the newspaper’s printer, Duncan Stevenson, or tried to, but Stevenson defended himself, and there was an undignified scuffle. Stevenson then issued a challenge to Stuart, which was contemptuously refused on the ground that Stevenson was not entitled to the satisfaction of a gentleman. Stevenson protested that he [held] a situation in society at least equal to that which James Stuart held.11 Stuart had assumed that a printer could not be a gentleman, but the printer disagreed. The distinction had once been clear enough. Writers who were gentlemen were distinguished from writers who were not, because gentlemen did not write for money. So, in 1814 Byron wrote to John Murray, his publisher, whenever I avail myself of any profit arising from my pen – depend upon it it is not for my own convenience.12 By 1816 Murray was beginning to be irritated by Byron’s 7 8 9 10 11 12
Murphy (1992), 626. De Quincey (2003), XI 301. Scott (1933), 154. Scott was writing to the Duke of Buccleuch. Quarterly Review, 1 (February, 1809), 27. The Beacon, 33 (August 18, 1821), 252. Byron (1975), 14 – 5.
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affectations of gentlemanly superiority. When Douglas Kinnaird told him that Byron’s friends expected 2000 rather than the 1500 guineas that Murray had offered for the third canto of Childe Harold, Murray wrote to Byron conceding the point: the poem was so much beyond any thing in modern days that I may be out in my Calculation – it requires an etherial mind like the Authors to cope with it. His choice of word, etherial, seems scarcely innocent.13 J. G. Lockhart sensibly upbraided Byron for persisting in claiming that he refused payment for his writings: Now, Sir Walter has made a fortune by his books, and you will do so in good season too; and nothing can be more proper, because, if you did not, your booksellers would sell your books just as dear as they do, and pocket double as much as they do; whereas, all the world knows they have pocketed, and are pocketing, by both of you, quite as much as is at all good for them.14
Lockhart’s position very soon established itself as the new orthodoxy. By 1826 the New Monthly Magazine maintained the new position with robust confidence: Authors are paid for the talent and time which they choose to employ in producing books, instead of employing those in painting, or agriculture, or any thing else, which would otherwise produce them money.15
But in the decade after Waterloo things were less clear cut. Writers, even those like Lockhart who seem to have resolved the matter sensibly enough, remained anxious that, in writing for money, they risked losing their gentlemanly status. Writing in Blackwood’s Magazine under the signature Z, Lockhart coined the term the Cockney School of Poetry, to describe the work of Leigh Hunt, John Keats, and their associates, inaugurating a new kind of literary criticism that understood poems as the expression of the class status of their authors. The Cockney poets, in Marjorie Levinson’s phrase, occupied the ›neither/nor‹ position that defined a social class, the class that writers of the time tended to refer to as middling, that had no attributes other than its difference.16 But one reason that Lockhart, despite his Oxford education, could describe that position with such feline accuracy is that periodical writers such as himself occupied an indeterminate position in the literary world uncomfortably analogous to the position of poets from the middling ranks such as Keats and Leigh Hunt. That 13 14 15 16
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was partly because periodical works such as Blackwood’s had an unfixed place in between merely ephemeral works such as newspapers and those works that might claim the permanent status of literature. As Charles Lamb put it, I would not dress a set of Magazines, for instance, in full suit. The dishabille, or halfbinding (with Russia backs ever), is our costume.17 Hazlitt ruefully acknowledged that there are few authors who are not paid by the sheet!,18 and periodical writers such as Hazlitt and Lockhart could scarcely claim to be of their number. One reason that writers in the period were so given to challenging each other, it seems, is that duelling offered them the opportunity flamboyantly to assert a gentlemanly status that had come to seem increasingly insecure. It is an insecurity that leaves its mark on much of the literature of the period, but nowhere more clearly than on the literary phenomenon of the age, the Scotch novels, the novels written by the Great Unknown, the Wizard of the North, that outsold the novels written by all Walter Scott’s contemporaries put together.19 The Edinburgh in which Scott grew up, where he attended the city’s High School, a near contemporary of political opponents such as Francis Jeffrey, Henry Cockburn and Henry Brougham, was the city in which the new professional class to which all these men belonged, the class which during the nineteenth century came increasingly to dominate the life of the whole nation, first came to prominence. The cultural, political, and intellectual life of the city was dominated by Edinburgh’s lawyers, academics, and divines. They boasted, many of them, Scott included, of family links with the Scottish aristocracy, and Scott in his novels was apt to represent the two classes as united in fond admiration of each other. In Redgauntlet, for example, Alan Fairford is the true representative of the new class: his father, like Scott’s, was a writer to the signet, but he has himself risen to be an advocate. Asked by a man he takes to be a disguised priest – he later turns out to be the Pretender – whether he could count kindred with a family of birth and rank called Fairford, he admits that he has not the honour to lay such a claim, that his father’s industry has raised his family from a low and obscure situation, and that he has no hereditary claim to distinction of any kind.20 Darsie Latimer, on the other hand, is directly descended from Fitz-Aldin, a valiant knight of Norman descent and from Alberick Redgauntlet, the first of his house so termed, who was a leading figure in the baronial wars (177 – 8). Yet Fairford and Latimer are united in a friendship so close and so passionate that Latimer can offer to resign all claim to the woman he has fallen in love with if Fairford feels about her in the same way : my love for Alan Fairford surpasses the love of woman (107). The 17 18 19 20
»Detached Thoughts on books and Reading«, London Magazine, 6 (July, 1822), 33. »On the Difference between Speaking and Writing«, London Magazine, 2 (July, 1820), 30. St Clair (2004), 221. Scott (1997), 277. Subsequent page references are included in the text.
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more than brotherly love that Fairford and Latimer share is formally registered at the close of the novel when Fairford marries Latimer’s sister. But even in Redgauntlet Scott registers at odd moments that the old aristocracy might not be wholly sympathetic to the new professionals. In fact, Latimer, although we are allowed to imagine that he welcomed Fairford’s marriage to his sister, has so keen a horror of miscegenation that his very flesh creep[s] with abhorrence when he learns that Cristal Nixon, a man without family, has aspired to his sister’s hand (290). Historical distance seems to allow Scott to hold together these uncomfortably contradictory prejudices, although sensitive readers such as Coleridge thought otherwise. For Coleridge, Scott represents in all his novels an age of anxiety from the crown to the hovel, from the cradle to the coffin; all is an anxious straining to maintain life, or appearances – to rise, as the only condition of not falling,21 and this is the distinctively modern age that Scott represents no matter the historical period during which the novels are set. In The Monastery, for example, the action takes place in the Borders in the mid-sixteenth century, at a time when Scotland is divided between the upholders of the old faith and the Protestant reformers, but as in all the novels Scott understands the past through the present. When the Sub-Prior of the Abbey meets Henry Warden, a Protestant evangelist second in reputation only to John Knox, he recognises him as Henry Wellwood. The two had been ancient and intimate friends in youth at a foreign university, and, despite their divisions, their hands were for a moment locked in each other, in remembrance of their youthful friendship.22 Scott, it seems evident, is re-creating his own relationship with those famous Whigs such as Jeffrey and Cockburn who were his schoolfellows at Edinburgh High School and his fellow students at the city’s university. He casts back into the sixteenth century the disputes of his own day between those who championed the claims of rank and those who recognised only the claims of merit, and he seems entirely conscious of this, so much so that he is prepared to allow the Sub-Prior to appear at times as a knowing, self-deprecating caricature of a Tory such as Scott himself, as when he denounces all that is mutable and hotheaded in this innovating age (290). But the Earl of Murray seems equally to speak for Scott when he discounts Halbert Glendinning’s low birth: Nay, nay – leave pedigrees to bards and heralds – in our days, each man is the son of his own deeds (324). It seems a claim easier to make of Scotland in the early nineteenth than the mid-sixteenth century, but it serves to remind us that Scott’s leading characters are far more often of doubtful or obscure descent than his assertive Toryism would lead one to expect. The Earl of Murray is himself illegitimate, and it is 21 Written on the fly-leaf of Peveril of the Peak, quoted from Scott (1970), 183. 22 Scott (2000), 288. Subsequent page references are included in the text.
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entirely characteristic that the mother of Sir Piercie Shafton, the novel’s most emphatic spokesman for the claims of birth, is revealed at the last to be a tailor’s daughter (349 – 50). The novel ends with the marriage of Halbert and Mary of Avenel, who is of noble birth, but, as the Earl of Murray notes, has been bred up under the milk-pail (345). People of obscure or hidden parentage are, of course, stock characters in the novel of the period, but Scott’s interest in a character such as Halbert Glendinning seems more intimate, as if Scott can accommodate in a sixteenth-century Border warrior, as he could not in a contemporary, the troubled sense that he was himself, like Glendinning, the son of his own deeds, the product of the professionalized meritocracy of Edinburgh rather than the Border laird that he tried to make himself into. The age’s anxiety, for professional writers, centred, I am suggesting, on a suspicion of their own insecure social status that few of them could wholly repress, but it was exacerbated by the insecure status of their writings. The decade was marked by an unprecedented increase in the production of print. That increased production in itself generated a need to distinguish between two kinds of writing. One kind of writing, designed to appeal to the fast-growing contemporary readership, could claim market value. Another, designed to appeal to posterity, could claim aesthetic value. Market value was subject to time, aesthetic value transcended it. In theory the distinction seems clear : in practice it was as much subject to dispute as the distinction between those whose social status allowed them to issue and receive challenges, and those whose social status forbade it. It was the Lake Poets, Wordsworth and Coleridge in particular, who most strenuously wielded a rhetoric insisting that aesthetic value and market value were in inverse relationship. A publisher such as John Murray, predictably, took a very different view. Writing to Byron of the third canto of Childe Harold and The Prisoner of Chillon, he pointed out that any praise of his would be redundant: did I not give you the best practical criticism upon them – in the Account of my S a l e ?23 The age was divided between those who placed Byron and Scott at the head of their profession, and the smaller group who allowed that position to Wordsworth. Both groups supported their position by reference to sales figures, but for Wordsworth’s supporters it was the slenderness of Wordsworth’s sale that was the true index of his value, because it established Wordsworth’s disinterestedness, his willingness to sacrifice present popularity in pursuit of his ambition to produce work of permanent value. It is unsurprising that the distinction with which I began, between duelling and horsewhipping, should have so thoroughly permeated the rhetoric of reviewers. The social practices were produced by a need to make distinctions between the social status of different writers. The same language, deployed 23 Murray (2007), 195.
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metaphorically by reviewers, was produced by a need to make distinctions between the status of different kinds of writing. Blackwood’s Magazine, for example, clearly distinguished reviews in which disagreement with the writer was consistent with respect, from reviews which constituted a horsewhipping. Hazlitt, for example, had been ill-advised to publish a retaliation against Gifford’s attacks on him in the Quarterly Review: It shows little knowledge of human nature … thus to direct public attention, in hopes of exciting public sympathy, to the tingling, inflamed, discoloured, and perhaps raw parts, round which the lash of the Q. (almost as sharp as that of Z. himself) had so flourishingly played its periodical gambols.24
This attack is predictable because Hazlitt was a regular butt of the magazine. Wordsworth, by contrast, was most often lauded in Blackwood’s. The magazine’s chief reviewers, Lockhart and John Wilson, often express for Wordsworth a reverence heightened, one feels, by their sense that Wordsworth writes independently of the commercial pressures to which magazine writers such as themselves are inevitably subject. And yet that same perception might inspire rage rather than respect. It might generate a bitter resentment of Wordsworth’s conceit and pretension in claiming a higher status than his fellow writers. At such moments even a disciple of Wordsworth such as John Wilson can gloat at the savagery with which Wordsworth has been attacked by Jeffrey in The Edinburgh Review: he writhes under the lash which that consummate satirist has inflicted on him, and exhibits a back as yet sore with the wounds which have been in vain kept open, and which his restless and irritable vanity will never allow to close.25
Let me return to the question with which I began. Why did so many writers duel? Why in the decade after Waterloo did writers choose so often to resolve their differences violently when their contemporaries were increasingly inclined to accept that such disagreements should be resolved peaceably, or, if resolution proved impossible, that the proper recourse was to the courts of law rather than to the field of honour? One explanation is that access to print was no longer confined to a rather small social group, most of whom were united by sex and by education. Blackwood’s wondered why the personal attacks that the magazine made on its antagonists were so much more fiercely resented than the far more extreme attacks common a century earlier, and suggested that the solution to the question lay in the extraordinary expansion of the print industry : 24 Blackwood’s Edinburgh Magazine, 17 (March, 1825), 363. 25 Blackwood’s Edinburgh Magazine, 1 (June, 1817), 265.
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But in the days of King William and Queen Anne, the circulation of satire and libel was comparatively very circumscribed, and the taste of the age in such things was much grosser than that of the present. Besides, the reciprocities of social intercourse were much more strictly confined to particular classes, and families; so that the abuse of satire was then, in fact, less mischievous. But now, when commerce has broken down the fences of the privileged classes, and mingled all orders and professions into one general multitude, the peace of society is much more endangered by the additional chance of conflicting interests and individuals coming into contact with each other.26
The insults traded between Pope and his Dunces were circulated within a less refined world, but it was also a smaller world and a world less socially various. Duelling for writers of the early nineteenth century was an activity that allowed the smaller, more exclusive republic of letters that had existed a century before to be reconstituted even if only by a sleight of hand. Engaging in a duel allowed two men to meet each other with murderous intent but to do so within a code according to which each of the parties, by agreeing to the meeting, ratified the claims of the other to be a gentleman. That is why it is so wholly predictable that abortive duels like those that brought together Thomas Moore and Francis Jeffrey and that threatened to bring together Thomas Moore and Byron should have resulted in lifelong friendships. But, as the incident involving James Stuart of Dunearn, and the Edinburgh printer, Duncan Stevenson, demonstrates, the qualifications that entitled an individual to claim gentlemanly status were no longer clear and might well be fiercely contested. Writers took to duelling so enthusiastically in this period precisely because their claims to genteel status had begun to seem questionable. Just as the increase in the number of writers generated a need to distinguish between the gentlemen amongst them and those like the Cockneys, Leigh Hunt and Keats, whose claim to that status might be refused, the increase in the number of publications produced a need to distinguish between those that should be recognized as belonging to the category literature, and those that should be refused that title. The attempt to enforce aesthetic distinctions was just as fiercely challenged as the attempt to enforce social distinctions. It could never be clearly established, so to speak, which texts might properly be challenged, and which texts deserved only a horsewhipping. Hence, the two kinds of violent assault, although in theory antithetical, in practice proved impossible clearly to distinguish. They worked together to produce a literary economy founded on acts of critical violence. Two of the fiercer and more prolonged episodes of literary animosity will serve to illustrate my point. In the very first number of the Edinburgh Review Francis Jeffrey identified Wordsworth as the instigator of the 26 Blackwood’s Edinburgh Magazine, 10 (October, 1821), 315.
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most formidable conspiracy that has lately been formed against sound judgement in matters poetical. Poems in Two Volumes were described in 1807 as an insult to the public taste. The Excursion prompted the exclamation, This will never do!, and in the following year The White Doe of Rylstone was allowed the merit of being the very worst poem we ever saw imprinted in a quarto volume.27 In intervening issues of the review similar sentiments were very regularly expressed. Jeffrey implicitly compared his campaign against the Lake Poets with Britain’s war against revolutionary France. It lasted almost as long, and it was deeply resented by Wordsworth. In October, 1817, when John Wilson and J. G. Lockhart became the chief writers for Blackwood’s, Jeffrey found himself the target of a campaign at least as intense if not sustained for quite so long. In the same issue appeared the first of Lockhart’s papers on The Cockney School of Poetry. The coincidence reveals clearly enough that Lockhart and Wilson felt a hostility to Jeffrey of a kind that did not exclude imitation, because the single most significant precedent for their attack on the Cockney School was Jeffrey’s series of assaults on the Lakers. At times, as in the dedicatory stanzas to Jeffrey that precede the tenth volume their admiration remains clearly visible through all the ironies: Were I forced by some dread demoniacal hand, To change heads (what a fate!) with some Whig in the land, I don’t know but I’d swap with yourself my old Gander.
As the years passed a similar rough affection began to infiltrate even the references in Blackwood’s to the leader of the Cockney School, the King of Cockaigne, Leigh Hunt.28 Literary antagonism, like the duel, seemed as likely to culminate in friendship as in enmity. Even in the quarrel that ended in his death, the quarrel begun when he denounced the Blackwood’s writers as constituting the Reekie School of Criticism, John Scott flatteringly made use of weapons borrowed from his antagonists. Scott attacked Lockhart for the same reason that Lockhart himself had attacked Jeffrey. In each case the aggression of a newly established periodical was directed against a more established competitor.29 It was one of the ways in which a new magazine might choose to compete for its share of the rapidly expanding 27 Edinburgh Review, 1 (October, 1802), 64; 11 (October, 1807), 222; 24 (November, 1814), 1; 25 (October, 1815), 355. 28 See the account of the relationship between Hunt and the magazine by Wheatley (1992). For an argument that Leigh Hunt was a principal model for Lockhart and Wilson in their development of Blackwood’s, see Stewart (forthcoming). 29 As was recognized at the time. Lockhart, for example, wrote of Blackwood’s: The history of this Magazine may be considered . . . as the struggle, namely, of two rival booksellers, striving for their respective shares in the profits of periodical publications, Lockhart (1819), II 226.
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market for periodicals, but it was also, like the challenge offered by a duellist, a demand for recognition, a demand that Jeffrey refused by studiously resisting the temptation ever to respond to the jibes of Blackwood’s in the pages of the Edinburgh. In periodical writing insult was always and transparently a back-handed compliment, but the same might not be granted of the attacks by periodical writers on poets. In the third chapter of the Biographia Coleridge denounces his treatment and the treatment of his friends in the reviews, magazines, and newsjournals of various name and rank, the readers of which, he believes, make up nine-tenths of the reading public, and he links the reviewers with satirists with or without a name, in verse or prose, or in verse-text aided by prose-comment.30 He has in mind, perhaps, Canning’s The New Morality, in which, when it was published anonymously in 1798, in the final issue of the Anti-Jacobin, he and his friends had first been subjected to public ridicule, but also, it may be, English Bards and Scotch Reviewers. Such poems can be conflated with ›periodical works‹ because they are addressed to the same readership, colourfully defined by Coleridge as the multitudinous public, shaped into personal unity by the magic of abstraction. This is the depersonalised readership, brought into existence by the mass production of print, that, Coleridge believes, now sits nominal despot on the throne of criticism. Its tyranny is merely nominal because it only echoes the decisions of its invisible ministers, the reviewers (1, 59). Wordsworth regularly makes a very similar distinction between the people, and the public, that is, the readership made up of anonymous consumers that had ensured the success of Scott and Byron. Wordsworth is confident that the people would have a proper relish of a poem such as Peter Bell,31 but in fact the people remained unreachable, so that Wordsworth needed to console himself with the thought that he would find a fit readership in posterity.32 Coleridge begins his denunciation of the reviewers by confessing that it is to anonymous critics in reviews, magazines, and news-journals of various name and rank that he owes full two thirds of whatever reputation and publicity he happened to possess (1, 48). He exaggerates how little he had published in these years, but accurately identifies a disproportion between the number of his publications and the number of his appearances in the periodical press in which he found himself hauled up for judgement year after year, quarter after quarter, month after month (not to mention sundry petty periodicals of still quicker revolution, »or weekly or diurnal«) (1, 50).33 Coleridge’s success as a lecturer in these years was clearly 30 31 32 33
Coleridge (1983), I 48. Subsequent page references are included in the text. Wordsworth (1969), 194. On this, see Bennett (1999). The editors of the Biographia have identified over ninety articles and reviews appearing
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heavily dependent on the celebrity that those frequent references in the periodical press conferred on him, so that he found himself in the odd position of being dependent for the bulk of his earnings on a reading habit that he judged the intellectual equivalent of swinging, or swaying on a chair or gate; spitting over a bridge; smoking; snuff-taking; tete a tete quarrels after dinner between husband and wife; conning word by word all the advertisements of the daily advertiser in a public house on a rainy day, etc. etc. etc. (1, 49, Coleridge’s note). Coleridge’s contemporary reputation was sustained by his quarrel with the periodical press rather in the same way that some marriages rely for their continuance on after dinner disagreements, and his was not an isolated case. After the modest success of Lyrical Ballads Wordsworth’s volumes were produced in small print runs (Longman produced only 500 copies of The Excursion and the collected Poems of 1815), and these proved more than enough to meet the demand. The single exception was Peter Bell, which went into a second edition in 1819, the year of its publication, the explanation for which is not surely that this was a volume more admired than The Excursion or the collected Poems, but that it was a volume more heartily ridiculed, both in John Hamilton Reynolds’s parody that appeared a few days before Wordsworth’s original (Shelley’s Peter Bell the Third was not published until 1839), and in the reviews of the poem, many of which took full advantage of Reynolds’s promptitude.34 The sale, in every instance, of Mr Shelley’s works has been very confined, his publisher, Charles Ollier, wrote the year after his death,35 and yet his scanty sales did not prevent him from establishing a reputation wide enough for popular magazines to take it for granted that their readers would recognize his name, and might know something even of his personal life and the character of his opinions. Blackwood’s expressed an admiration for the poetry as intense as the distaste for the opinions, whereas the Quarterly detested the poetry and the opinions equally, but both reviewed Shelley’s poems at length, bringing them to the attention of a readership that would never have considered buying any of Shelley’s volumes. Byron wrote to Murray of one Quarterly attack, it has sold an edition of the Revolt of Islam, which, otherwise, nobody would have thought of reading.36 Byron was mistaken. The volume sold so poorly that Browning remembered finding a pile of copies of the first edition on a bookseller’s stall when he was a young man, but the poem was widely read in the pages of the Quarterly. Keats similarly was widely known by the time of his death not because of Leigh between 1798 and 1814 in which Coleridge makes a prominent appearance. See Coleridge (1983), I 50, note. 34 On Wordsworth’s publishing history, see Erickson (1996), 49 – 69. 35 Quoted by St Clair (2004), 650. 36 Byron (1976), 83. Byron is referring to the remarks on Shelley in a review of Leigh Hunt’s Foliage, Quarterly Review, 18 (January, 1818), 324 – 35.
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Hunt’s championing of him in the Examiner, but because of the fury of Croker’s attack on him in the Quarterly and the long-running campaign against him in Blackwood’s as a member of the Cockney School. It was a period in which many of the poets who are now best remembered were more indebted for their contemporary reputation to their detractors than their admirers. Jeffrey may have written of The Excursion, This will never do!, but when he did so he was addressing more than fifty times as many readers as bought the poem. Had John Cam Hobhouse thought of this, he would not have been so puzzled at Hazlitt’s annoyance when, at Hobhouse’s suggestion, Byron removed from Don Juan an appendix that had incorporated an attack on Hazlitt: Hazlitt is going to attack me for cutting out the notice against him in Don Juan – strange. He says I did it to sink him!!37 Jeffrey in his attacks on Wordsworth, and Lockhart and Croker in their attacks on Leigh Hunt and Keats seem all to have been engaged in a spectacularly misconceived enterprise through which they contrived to call attention to the very writers that they were recommending to oblivion. It was a time when those who wrote for posterity and those who wrote for ›the current press‹ often seemed irreconcilably opposed one to another, but, as the duels of the period remind us, antagonism may be entirely compatible with sympathy. When John Scott fell, Christie grasped his hand and said, I would rather that I was in your situation and that you were in mine. That is a touching sentiment, but it was also a thoroughly conventional one, repeated in one form or another by a very large number of successful duellists. In the more common kind of duel in which no-one was injured, a duel of the kind in which Moore and Jeffrey engaged, it was again entirely conventional that the contest should end not in conflict but in sympathetic communion, with the two men breakfasting together. The two literary cultures of the period, the one most closely identified with Wordsworth, the other with the periodical writers, shared, it may be, a similar symbiotic relationship. Each supplied the mirror within which the other recognized its own features. The savage attacks in the Edinburgh on Wordsworth, in the Quarterly on Shelley, and in the Quarterly and Blackwood’s on Keats did not, odd though it might seem, significantly damage the reputations of their victims. It would be truer to say that it was by means of these attacks that their reputations were secured. In Jane Austen’s Sanditon, for example, Sir Edward Denham observes that Wordsworth has the true soul of poetry,38 a judgement that Austen could have been confident that her readers would have appreciated not because they had read his poems (I doubt whether she had read them herself), but because the merits of those poems had been so fiercely debated in reviews and magazines. Writers duelled in the period to prove their manhood 37 From a diary entry quoted by Wu (2008), 270. 38 Austen (2008), 175.
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and to affirm their social rank, and the verbal violence that characterised the skirmishes between writers and their reviewers served a similar function. They acted as a rite of passage by means of which writers secured their literary reputations.
Bibliography 1.
Sources
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Periodicals
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Literary works
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Secondary literature
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Abaelard, Petrus 74, 86, 94 – 98, 105, 319 Abate Luigi Statue 227 Achilleus 9, 21 f., 221 Addison, Joseph 414, 419 Adolf von Merseburg Bischof 171 f. Aecclesia 66 – 74, 77 – 80 Agamemnon 21 f. Agricola, Gregorius 301, 305 Aiakos 33 – 35 Aischines von Sphettos 262 Aischylos 26 f., 33 f., 36 Alan of Tewkesbury Abt 100 f. Albertus Magnus OP 267 Albizzi Familie 280, 283 Albrecht von Brandenburg Kurfürst 300 Alciato, Andrea 156 Aldridge, Robert 154 Aleandro, Girolamo 150 Algoet, Levinus 161 Alithia 68 Alphonsus V König von Aragûn-Neapel 266, 278 f., 282 Ambrosius Mediolanensis (v. Mailand) 13, 41, 49 – 59, 66 Ameipsias 29 Annales Magdeburgenses 88 Annalista Saxo 88 Anne de Bretagne 246, 323 Anne engl. Königin 419, 428 Anselmus Cantuariensis (v. Canterbury) 66 Antonio da Rho OFM 260, 266, 277 f. Aphrodite 21 Arbuthnot, John 402, 406 Aretino, Pietro 232
Aristophanes 11, 19 f., 26 – 37 Aristoteles 114, 123, 130 f., 133, 137 – 139, 179 Arnold van Tongeren 298, 309 Astell, Mary 401 Athena 21 Augustinus, Aurelius 13, 41, 50 f., 55 – 59, 66 f., 69 – 71, 74, 82, 112, 147, 150, 195, 262, 319, 321, 324, 353, 400 Aurispa, Giovanni 265 Austen, Jane 432 Babbuino Statue 227 Balbi, Johannes 276 Bandinelli, Baccio 228 Barbaro, Francesco 269, 282 Barbauld, Anna Laetitia 413 Baudius, Dominicus 157 Beatus Rhenanus 147, 158, 160 f., 300, 321 Beccadelli, Antonio gen. Panormita 260, 265, 277 f., 282 f. Becket, Thomas 86, 95, 98 – 101 Beda, Natalis (No×l B¤da) 155 Bellius, Martin Pseudonym, s. Castellio, Sebastian Berengarius Turonienis (v. Tours) 65, 71, 76 Bernardus Claraevallensis (v. Clairvaux) 74, 94 – 96 Berton, Nicolas 237 Bertrand, Pierre 234 Bessarion Kardinal 269 Beza (Bºze), Theodor 178, 180, 182, 184, 188 – 192, 204 f., 210 – 212, 214 Bianchi da Velate (Vellata), Francesco 260
436 Bisticci, Vespasiano da 266 Bluestockings 11, 399 f., 413 f. Boccaccio, Giovanni 283 Bodenstein, Adam von 184, 209 – 214 Bodenstein, Andreas gen. Karlstadt (Carolostadius) 168 – 172, 174, 176, 209, 286 Boileau, Nicolaus 247 Bolsec, Jean 178 Bona Statue 228 Bonitho Sutrinus (Bonizo di Sutri) 88 Bordone, Giulio s. Scaliger, Julius Caesar Borrhaus (Cellarius), Martin 205 Boswell, Alexander 420, 422 Botzheim, Johannes gen. Abstemius 145 Bourbon 248 Bozzatto, Lodovico 227 Brandi, Battista 269 Brassicanus, Johannes Alexander 151 Brenz, Johannes 186 Briard d’Ath, Jean 156 Brie, Germain de (Germanus Brixius) 155 Brougham, Henry 424 Bruni (Aretinus), Leonardo 265, 270, 281 f. Bucer, Martin 324, 327 Bud¤ (Budaeus), Guillaume 43, 155 f., 250, 307 Bullinger, Heinrich 186, 209, 212 f. Burckardus, Johannes 370 Burns, Robert 422 Byron, George Lord 419 – 423, 426, 428, 430 – 432 Cadalso, Jos¤ 385 Caesar, Gaius Iulius 260, 280, 284 Caesarius, Joannes 152 Cajetan Kardinal (Tommaso de Vio) 169 Calvin, Johannes 12, 168, 178, 180 – 214 Camerarius, Joachim 300 Camerarius, Johannes 179 Campeggius (Campeggio), Laurentius 152 Capito, Wolfgang 324 Capmany, Antonio de 381 f., 387 f. Cardanus, Hieronymus 12, 127 – 142 Carinus, Ludovicus 155 Carlyle, Thomas 402 Carter, Elizabeth 400 – 402, 409, 412 – 414
Index Nominum Carvajal, Francisco 155 Castellio, Sebastian 12, 168, 178, 180 – 184, 187 – 214 Catullus, C. Valerius 128, 278 Cavalcanti, Bartolomeo 262 Cellini, Benvenuto 228 Celtis (Pickel/Bickel), Conradus 265 Chtillon, Odet de Coligny Cardinal de 237 Christie, Jonathan H. 420, 432 Christoph von Württemberg Herzog 189 f. Christus 40 – 43, 47 f., 53 – 55, 65 – 82, 172, 188, 251 – 253 Chrysoloras, Emmanuel 282 Chudleigh, Lady Mary 401 Cicero, Marcus Tullius 12, 112 f., 115, 118, 120 f., 123, 127 f., 132, 150 f., 160 f., 261 f., 267, 270 f., 274 – 276, 283, 308, 319 Ciriaco d’Ancona 260, 284 Claude II de Lorraine 251 Clemens III Gegenpapst 86, 88 Clemens VI Papst (Pierre Roger) 111 Cockburn, Catherine 401, 413 Cockburn, Henry 424 f. Coleridge, Samuel Taylor 419 f., 425 f., 430 f. Colet, John 162 f. Conway, Anne 401 Cordus, Euricius 305, 310 Croker, John Wilson 432 Cuigniºres, Pierre de 233 f., 236 f. Curio (Curione), Coelius Secundus 209, 228 Cyprianus, Thascius Caecilius 156 D’Israeli, Isaac 419 Dante Alighieri 140, 283 De Quincey, Thomas 422 Decembrio, Pier Candido 265, 278, 282 Demosthenes 262 Dennis, John 419 Descartes, Ren¤ 401 Deschamps, Eustache 248 Diana, Francesco 273 Dionysos 20, 26 – 37 Doletus, Stephanus (Etienne Dolet) 128 f. Dorpius, Martinus (Maarten Dorp) 149 Douglas, John 422
437
Index Nominum Du Bellay, Joachim
219, 233 – 236, 238 f.
Eberbach, Peter (Petreius) 295, 299, 301 f., 305 f., 308, 310 Eberhardus Bethuniensis (v. B¤thune) 276 Eck, Johannes 12, 150, 156, 167 – 176, 178, 184, 214, 286 Ecloga Theoduli 68 – 70, 73, 76 Edgeworth, Maria 414 Ekkehard von Aura 93 Empusa 27, 31 f. Emser, Hieronymus 171, 178, Eobanus Hessus, Helius 300 f., 305, 310 Epiktetos 413 Epikuros 177 f. Erasmus Roterodamus, Desiderius 12, 127 – 129, 145 – 165, 176 – 181, 184, 186, 204 f., 214, 250, 259, 263, 277, 299 f., 307, 310 f., 321, 324, 326, 408 Eris 9, 20 – 25, 28, 30 – 32 Eschenfelder, Balthasar 159 Este Familie 110, 284 Este, Ippolito d’ Kardinal 227 Eugenius III Papst 96 Euripides 26 f., 30, 34 – 37 Faber Stapulensis (Lefºvre d’Etaples), Jacobus 307 Facchino Statue 227 Facius, Bartholomaeus 261, 263, 268, 277 – 279 Fairford, Alan 424 f. Farel, Guillaume 148, 155, 187 f. Feijoo, Benito Jerûnimo 380 f., 388 Felix V Papst, Herzog v. Savoyen 261, 266 Ferdinand I König v. Aragûn 279 f. Ficinus, Marsilius 265 Filelfo, Francesco 259 f., 263, 265, 268, 270, 278, 280 – 283 Foscari, Giacomo 281 Franco, Niccolý 227 FranÅois Ier franz. König 245 – 254 Friedrich III. ›der Weise‹ Kurfürst von Sachsen 176, 295, 300, 305 Friedrich III. Kaiser 269, 319, 368 f. Frobenius, Johannes 147, 205
Fulgentius Ruspensis
55, 66
Gaguin, Robert 323, 325 Galland, Pierre 219, 234 Gay, John 402 Geldenhauer, Gerhard 185 f. Georg von Sachsen Herzog 170 f., 173, 178 Georgius Trapezuntius 260 Gerson, Johannes 322 Gherard, Cornelis 277 Gian Pietro da Luca 273 Gilbert Foliot Bischof von London 100 Gilbertus Porretanus (de Poitiers) 86, 96 – 98 Gillis, Pieter (Pierre Gilles) 146 Giustiniani, Leonardo 113 Glisenti, Antonio 232 Gobbo di Rialto Statue 230, 232, 240 Godefridus de Vino Salvo (Gottfried v. Vinsauf) 262 Godescalcus Orbacensis (Gottschalk v. Orbais) 66 Gratarolo, Guglielmo 213 Gratius, Ortwinus 304 Grazzini, Anton Francesco 228 Gregorius Magnus Papst 66, 324 Gregorius VII Papst 86, 98 Gribaldi, Matteo 191 Grynaeus, Johann Jakob 205 Guarini, Guarino (da Verona) 110, 260, 265, 271, 273, 278, 280 – 282, 284 Guillaume de Champeaux (Campellensis) 90, 94 Guillaume de Saint-Thierry 94 Guise Familie 237 f., 251 Gundisalvus, Dominicus 271 Guti¤rrez, Bernardino 363, 367 f. Hadrianus VI Papst 235 Haller, Johannes 186 Hans du Galaphe 234 Hartley, David 414 Hazlitt, William 420, 424, 427, 432 Hedio, Caspar 324 Heinrich IV. Kaiser 86 – 88, 98 Heinrich von Eppendorff 150, 154 – 156
438 Henri II de Navarre 246 Henry II engl. König 98 – 101 Hera 21 Herakles 26 f., 31 f., 410 Hervey, John Baron 407, 409 Hesiodos 9, 11, 20 f., 23 – 30, 33, 36 Hesso Scholasticus 90 – 93 Hieronymus, Sophronius Eusebius 45, 49, 66, 112, 120, 158, 179, 261 f., 276 Hilarius Pictaviensis 13, 41 f., 45 – 50, 55 f., 59 Hochstraten (van Hoogstraten), Jacobus 171, 297, 308 f., 312 Hogg, James 420, 422 Homeros 11, 20 – 30, 33, 36, 405 Horatius Flaccus, Quintus 46, 74, 81, 160, 247, 404, 406 – 409 Hrabanus Maurus 66 Hugo Victoriensis 73 Huguccio Pisanus 276 Hume, David 414 Hus, Jan 170, 172 – 174 Hutten, Ulrich von 148, 153, 228, 259, 286, 305, 310 f. Innocentius VIII Papst 358, 361 f., 365 f. Iovius (Giovio), Paulus 235 Isidorus Hispalensis (v. Sevilla) 50, 88 f., 276 Isokrates 19 Jean de Lorraine-Guise 251 Jeffrey, Francis 420, 424 f., 427 – 430, 432 Jeuneur Statue 236 Johann I. ›der Beständige‹ Kurfürst von Sachsen 178 Johannes Saresberiensis (v. Salisbury) 69, 74 – 76 Johannes van Brugg Pseudonym s. Joris, David Johannes von Garlandia 262 Johannes von Wesel 323 Jonas, Justus 177 f. Joris (Georgius), David 182 f., 191, 209 f., 212 f. Julius II Papst 152, 321, 357 f., 368
Index Nominum Julius III Papst 226 Juvenalis, Decimus Junius
122, 408
Karl II. ›der Kahle‹ Kaiser 73 Karl V. Kaiser 185 f., 249, 296 Karlstadt, Andreas s. Bodenstein, Andreas Keats, John 419 – 421, 423, 428, 431 f. Kirchberg, Hartmann von 301 Knox, John 425 Koch, Huldrych 205 L’Estoile, Pierre de 233 La Noue, FranÅois de 228, 238 Laetus, Pomponius 265 Lamb, Charles 424 Lamola, Giovanni 278 Lang, Johann 175 f., 300 f., 307 Latimer, Darsie 424 f. Latomus, Jacobus 162 Lee, Edward 150, 153 f., 162 Leigh Hunt, James Henry 419 – 421, 423, 428 f., 431 f. Lemaire de Belges, Jean 246 Lessing, Gotthold Ephraim 259 Liber de unitate ecclesiae conservanda 87, 95, 102 Lipsius, Martinus 153, 155 Livius, Titus 279, 283 Locher, Jakob 322, 324 f. Locke, John 401, 407, 413 Lockhart, John Gibson 420, 423 f., 427, 429, 432 Loschi, Antonio 266, 269, 280, 282 Louis XII franz. König 246, 323 Louis XIV franz. König 245 Lovell Edgeworth, Richard 414 Lucianus Samosatensis 177, 246, 271 Lucretius Carus, Titus 408 Lucrezia Statue 227 Lünig, Johann Christian 354 – 357, 371 Luther, Martin 12, 53, 59, 148, 156, 163, 167 – 181, 184 f., 190, 205, 209, 214, 246, 252 f., 286, 298 – 300, 325 f., 408 Lykis 29 Macaulay, Catherine
414
439
Index Nominum Manetti, Giannozzo 269 Manutius, Aldus 300 Marforio Statue 223 – 228, 230, 236 – 241 Margherita d’Austria (di Parma) 224 f. Marguerite d’AngoulÞme (de Navarre) 246, 253 Marocco delle Pipone Statue 232 Marot, Cl¤ment 13, 147, 245 – 255 Marot, Jean 246 Marsuppini, Carlo 282 Martens, Dirk 147, 154 Marthen, Herebord von der 299, 301, 309 f. Martialis, Marcus Valerius 278, 282 Martn I de Aragûn König 279 Martinus Bracarensis 66 Maximilianus I. Kaiser 295 f., 320, 368 – 370 Mayns y Siscr, Gregorio de 391 Medici 160, 280 f., 283 f. Medici, Cosimo de’ 278, 280 f., 284 Melanchthon, Philippus 173, 175 – 177, 179 f., 186, 204 Merula, Gaudenzio 150 Merula, Paulus 157 Metardus von Kirchen 155 f. Metsys, Quentin 146 Montagu, Lady Mary Wortley 406 – 414 Monte, Pietro da 284 Montfort, Basilius Pseudonym s. Castellio, Sebastian Montmorency 237 Morone, Giovanni Kardinal 213 Morroni da Rieti, Tommaso 260 Morus, Thomas 146 f., 153, 160 Mosellanus, Petrus 171, 175 Mountjoy, William Blount Baron 147 Murner, Thomas 286, 323, 326 f. Murray, John 422 f., 425 f., 431 Mutianus Rufus, Conradus 13, 295 – 312 Nero Claudius C. A. Germanicus Kaiser 309 Niccoli, Niccolý 263, 275, 280 – 283 Nicolaus Egmondanus (Baechem) 153, 155 Nicolaus V Papst 263 Ochino, Bernardino 209, 211 – 213 Odon de Chtillon s. Urbanus II
Oecolampadius, Johannes 150 Ollier, Charles 431 Oporinus, Johannes 181, 189 Orderic Vitalis 93 f. Otto von Freising 95 – 98 Ovidius Naso, Publius 408 Pandoni, Giannantonio gen. Porcellio 274, 278 Paneides 24 f. Pantaleon, Heinrich 213 Paris 21 f. Paris de Grassis 357 – 371 Parisi, Alberto 274 Parnell, Thomas 402 Paschasius Radbertus 65 f., 72 – 74, 81 f. Pasquier, Ãtienne 236, 238 – 240 Pasquino Statue 219, 221 – 233, 235, 238 – 240 Patritius Piccolomini, Augustinus 358 f., 361, 364 Paulus Apostel 42, 65, 77, 80, 193, 196 f. Paulus IV Papst 213 Pausanias 22 Pedianus, Asconius 262 Peleus 21 Perna, Pietro 205, 209, 212 Perotti, Niccolý 260, 269 f., 285 Petrarca, Francesco 12, 109 – 125, 140, 245, 262, 283, 318 Petreius s. Eberbach, Peter Petrus Damiani 66 Petrus Lombardus 73 Petrus Venerabilis 66 Peutinger, Conradus 300 f. Pfefferkorn, Johannes 155, 295 – 297, 299, 307, 312 Pflug, Caesar 173 Philipp ›der Großmütige‹ von Hessen 177, 186 Philipp von Burgund Bischof von Utrecht 185, 370 Philippe VI de Valois König 233 Phrynichos 29 Picus Mirandulanus, Ioannes 151 Pighius (Pigghe), Albertus 195, 197 f.
440
Index Nominum
Pineda, Pedro 382 Pirckheimer, Bilibaldus 175, 299 Piso Caesoninus, Lucius Calpurnius 113, 115 Platon 137, 322, 399 Plautus, Titus Maccius 133, 261 f. Poggio Bracciolini, Gian Francesco 259 – 261, 263, 265 – 285 Pontano, Lodovico 269 Pope, Alexander 402, 405 – 407, 409 – 412, 419, 428 Postel, Guillaume 191 Poulain de la Barre, FranÅois 401 Pseudo-Isidor 88 f. Pseudo-Sallustius 112, 261 f. Pseustis 68 f., 76 Quintilianus, Marcus Fabius
261
Rabelais, FranÅois 159, 228, 234, 408 Rahewin 95, 97 Ramus, Petrus 180, 219, 234 Ratherius Veronensis (v. Verona) 261 Ratramnus Corbeiensis (v. Corbie) 66 Reuchlin, Johannes 13, 150, 295 – 312, 319, 324 Reynold, John Hamilton 431 Richelieu, Armand-Jean I. Du Plessis de Kardinal 245 Richeome, Louis 239 Robert de Bosco 97 Robert de Melun 96 Roger of Worcester Bischof 100 Roscelinus, Johannes 94 Rubeanus, Crotus 300 f., 305 f., 310 f. Sadoleto, Jacopo 153 Sagon, FranÅois 253 Salutati, Coluccio 270, 280 f. Sanudo, Marin 232 Sarteano OFM, Alberto Berdini da 269 Savile, George 403 f. Scaliger, Josephus Justus 263 Scaliger, Julius Caesar 12, 127 – 144 Schets, Erasmus 158 Schott, Johann 150
Schradin, Nikolaus 323 Scipio Africanus, P. Cornelius 260, 280, 284 Scott, John 420, 429, 432 Scott, Walter Sir 420 – 422, 424 – 426, 430 Scriblerians, Scriblerus Club 11, 399, 402 – 407, 409, 411 – 413 Sempere y Guarinos, Juan 387 Seneca, Lucius Annaeus 147, 319 Servetus, Michael 181, 183, 185 – 200, 213 f. Shelley, Percy Bysshe 419 f., 431 f. Sobrino, Francisco 382 Sonnet de Courval, Thomas 239 Sozzini, Fausto 183, 204 f. Spalatin, Georg 177, 299, 301, 305 Steele, Richard 414 Stephanus Heiliger 99 Sterne, Laurence 403 Stevenson, Duncan 422, 428 Strozzi 238, 281, 283 Stuart, James 420, 422, 428 Sturm, Jakob 327 Sulzer, Simon 186, 199, 205 Sutor (Couturier), Petrus 155 f. Swift, Jonathan 402, 405 – 413, 419 Terentius Afer, Publius 116, 261 Terreros y Pando, Esteban de 382 Theodorici, Vincent 153, 155 Theodulus s. Ecloga Theoduli Thetis 21 Thomas Apostel 70 Thomas Aquinas 58, 118, 285, 354 Tifernate (Tifernas), Filippo 273 f. Tommasi, Pietro 268, 270, 272, 274, 277, 285 Torquato Tasso 235 Tortelli, Giovanni 276 Traversari (Camaldulensis), Ambrogio General des Kamaldulenserordens 265, 282 Trevi (Triviani), Mattia di 273 Trithemius, Johannes Abt von Sponheim 300 Trotter Cockburn, Catherine 401, 413 Tunstall, Cuthbert 162 Ulrich von Württemberg 295 Urbanus II Papst (Odon de Chtillon Kardinalbischof von Ostia) 89
441
Index Nominum Urbanus, Henricus 300 – 309 Utenheim, Christoph von 318 Vadianus, Ioachim 300 Valla, Lorenzo 158, 260 f., 263, 265 – 280, 282, 285 Vargas y Ponce, Jos¤ 383, 385 Vatinius, Publius 275 Ventiloquus 66 – 80 Vergilius Maro, Publius 246, 267, 271 Villon, FranÅois 248 Visconti, Filippo Maria 277 Warden, Henry 425 Warinus Corbeius (v. Corvey) 73 Warnerius Basiliensis (v. Basel) 68 Wellwood, Henry 425
Werner von Selden 323 Wilhelm s. a. Guillaume Wilhelm V. von Hessen-Kassel 190 Wilson, John 420, 427, 429 Wimpfeling, Jakob 13 f., 317 – 329 Wollstonecraft, Mary 413 f. Wolsey, Thomas 152 Wordsworth, William 420, 426 – 432 Xanthias
28 f., 31, 33 f.
Zanckenried, Daniel 319, 323 Zane, Lorenzo 273 Zasius, Ulrich 300 Zeno, Jacopo 260 Zurkinden, Nikolaus 189
Super alta perennis. Studien zur Wirkung der Klassischen Antike 10
Streit als ein Mittel zur Aushandlung von Interessenkonflikten ist eine Konstante menschlicher Gemeinschaft. So verwundert es nicht, dass Streit, beginnend mit Kain und Abel oder dem Zorn des Achill, von den ersten Anfängen an ein fortwährendes Thema der europäischen Kultur ist. Jenseits von Krieg und Gewalt enthält Streit auch kreatives Potential, was sich in den verschiedensten Gattungen fiktionaler und non-fiktionaler Literatur offenbart. Hier wird bald Streit im intellektuellen Spiel nach allen Regeln der Kunst in Szene gesetzt, bald wird die Literatur im Kontext religiöser, kultureller und politischer Formierungsprozesse zum Instrument schärfster Auseinandersetzung. Dieser Band ist dem Inszenierungscharakter literarischer Streitkultur und seiner Funktionalisierung in gesellschaftlichen Veränderungsprozessen gewidmet; aus historischer, literatur- und sprachwissenschaftlicher Perspektive werden Beispiele von der Antike bis zur Frühen Neuzeit untersucht.
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