199 34 153MB
German Pages 636 Year 1966
D I E
D E U T S C H E
T H O M A S - A U S G A B E
Vollständige,
ungekürzte
deutsch-lateinische Ausgabe der S U M M A
T H E O L O G I C A
Übersetzt und kommentiert von DOMINIKANERN UND DEUTSCHLANDS UND
BENEDIKTINERN ÖSTERREICHS
Herausgegeben von der ALBERTUS-MA GNUS-AK ADEMI E WALBERBERG BEI
KÖLN
B A N D 17B
1966
GEMEINSCHAFTSVERLAG F. H. K E R L E HEIDELBERG
VERLAG
STYRIA
GRAZ-WIEN-KÖLN
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V O N
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D I E LIEBE (2. Teil)
KLUGHEIT
Kommentiert von J O S E F E N D R E S CSSR
II-II 34-56
1900
G E M E I N S C H A F T S V E R L AG F. H. K E R L E HEIDELBERG
VERLAG
STYRIA
GRAZ-WIEN-KÖLN
S ä m t l i c h e R e c h t e f ü r die d e u t s c h e u n d l a t e i n i s c h e S p r a c h e
und
Ausgabe vorbehalten C o p y r i g h t 1966 b y V e r l a g S t y r i a ,
Graz-Wien-Köln,
u n d F. H . K e r l e . H e i d e l b e r g Das I m p r i m a t u r
wurde
erteilt
vom P r o v i n z i a l
der
Deutschen
D o m i n i k a n e r p r o v i n z T e u t o n i a , P . F r i e d r i c h Q u a t m a n n OP, S. T h e o l . L e c t . , u n d v o m b i s c h ö f l i c h e n O r d i n a r i a t
Graz-Seckau
(12. M a i 196 6, ZI. 1 4 , A p 18 — 66)
SCHRIFTLEITER-KOLLEGIUM P. H e i n r i c h M. C h r i s t m a n n OP, S. T h e o l . L e c t . ( + ) — P. D r . P a u l u s E n g e l h a r d t OP, W a l b e r b e r g — P. D r . A d o l f H o f f m a n n Ol', W a l b e r b e r g — P. D r . A r t Ii u r F r i d o l i n U t z OP, U n i v . - P r o v . ,
Freiburg/
S c h w e i z — P. D r . E b e r h a r d W e l t y OP, S. T h e o l . M a g . ( t )
MITARBEITER DIESES BANDES Die E i n l e i t u n g
u n d d e n K o m m e n t a r s c h r i e b P r o f . P. D r . J o s e f
E n d r e s C S S R — Die Ü b e r s e t z u n g e n b e a r b e i t e t e n P. L e c t . H e i n r i c h M. C h r i s t m a n n O P ( L i e b e ) u n d P. L e c t . B e r n w a r d
Dietsche
OP
( K l u g h e i t ) — Die A n m e r k u n g e n v e r f a ß t e n P r o f . P. D r . J o s e f E n d r e s C S S R , P. L e e t . D i e t m a r E i c k e l s c h u l t e O P u n d P. D r . P a u l u s E n g e l h a r d t OP — Den p s y c h o l o g i s c h e n Exkui\s s c h r i e b U n i v . - P r o f . Dr. W i l h e l m Salber — Die R e d a k t i o n des l a t e i n i s c h e n
Textes
und
d i e V e r z e i c h n i s s e b e s o r g t e n P. C o e l e s t i n D o r l ö c h t e r OP, P. L e c t . D i e t m a r E i c k e l s c hu I t e O P, P. C y r i l l u s H a t t i n g O P u n d P. N i k o l a u s H ö h n OP
1. b i s 3. T a u s e n d
Einbandentwurf
von R u d o l f Koch (1876 — 1934)
D r u c k : U n i versi tä ts-B u ehdru ckerei S t y r i a , Graz
VORWORT Dieser lange erwartete B a n d ist mit dem Geschick zweier verstorbener Mitbrüder verbunden, mit dem des einen mittelbar, mit dem des anderen unmittelbar. Kurz nacheinander verließen uns P. Dr. E b e r h a r d Welty O P (f 2. J u n i 1965) und der Hauptschriftleiter von 1932—1957 P. Lect. Heinrich Maria Christmann OP ( | 18. Oktober 1965). Als P. Christmann von der Gestapo aus döm Rheinland ausgewiesen wurde, übern a h m P. Welty, der als Lazarettpfarrer des enteigneten Reservelazaretts Walberberg bleiben konnte, die Schriftleitung. Seit 1941 stand er — obgleich unter den Augen der Gestapo — in Verbindung mit den Männern der Katholischen Arbeiterbewegung aus dem Kettelerhaus in Köln, die einen Kreis der Widerstandsbewegung bildeten. I n derselben Zeit betreute er redaktionell den von P. Doktor Josef Endres CSSR übersetzten und kommentierten Band 20 über die „Tugenden des Gemeinschaftslebens", der 1943 erschien. Zwar sahen K o m m e n t a t o r und Schriftleiter sich gezwungen, die ursprünglich im K o m m e n t a r breit ausgeführte Frage des Widerstandsrechtes auf wenige Bemerkungen zu reduzieren. Immerhin blieb f ü r den, der in und zwischen den Zeilen lesen konnte — und das konnten damals viele —, eine klare Stellungnahme über die Grenzen des politischen Gehorsams stehen (S. 383—391; vgl. Einleitung S. (13) ff.). Wir danken dem heimgegangenen P. Welty f ü r sein Einspringen in schwerster Zeit sowie f ü r alle Arbeit, die er trotz seiner Überbeanspruchung nach dem Kriege als Schriftleitungsmitglied f ü r die Deutsche Thomas-Ausgabe geleistet hat. Der vorliegende Band, den wiederum P. Endres kommentiert hat, ist eigentümlich mit dem Geschick von P. Christm a n n verbunden. Darüber hinaus ist die gesamte Deutsche Thomas-Ausgabe bei aller Hingabe an den vorliegenden und zu erschließenden Text durch 25 J a h r e hindurch von ihm geprägt worden. E r h a t sich, wie ein Mitglied der Schriftleitung dieser Tage schrieb, f ü r die Ausgabe „buchstäblich geopfert". Aloys Christmann wurde am 5. März 1890 in Arolsen geboren u n d legte am 22. Mai 1910 seine Gelübde im Dominikanerorden als Fr. Heinrich Maria ab. Trotz langer Krankel
heiten wurde er am 10. August 1916 zum Priester geweiht. 1923 finden wir ihn als philosophisch interessierten Studenten der Botanik in Köln, wo er in einen ungewöhnlich fruchtbaren philosophisch-naturwissenschaftlichen Freundeskreis hineinwächst. Im Banne von Max Scheler finden sich Hellmut Pleßner, Hans André, Johannes Assenmacher, Carl Feckes — gelegentlich auch Matthias Laros — zusammen. Anreger sind außer Scheler Robert Grosche und F. J . J . Buytendijk. P. Christmann gab philosophische Vorlesungen im Düsseldorfer und Walberberger Generalstudium der Dominikaner. Zugleich war es ihm stets — auch später neben seiner Arbeit an der Deutschen Thomas-Ausgabe — ein Herzensanliegen, als mitreißender Kantor und Organist das liturgische Gotteslob seiner Brüder künstlerisch zu gestalten. Auch der literarischen Stilbildung der Studenten widmete er sich durch lange Jahre. Nach manchen gescheiterten Versuchen und Planungen beauftragte die deutsche Dominikaner-Provinz in Verbindung mit dem Katholischen Akademiker-Verband 1931/32 P. Heinrich M. Christmann, als Schriftleiter die lateinischdeutsche Ausgabe der theologischen Summe herauszubringen. Dr. Karl Maria Stepan, der Generaldirektor der Grazer Preßvereinsanstalten, schrieb Ende 1933 im „Grazer Volksblatt" : „Bei den Salzburger Hochschulwochen des Jahres 1932, mit denen das Werk auch in Zukunft in bedeutungsvoller Form verknüpft bleiben möge, sollte die ausschlaggebende Wendung erfolgen. Wir, das heißt unser dortiger Verlagsleiter Otto Müller [Verlag Anton Pustet] und ich, trafen damals mit dem Dominikaner P. Heinrich M. Christmann aus Walberberg bei Bonn zusammen. Von ihm und der deutschen Dominikanerprovinz hatten wir erfahren, daß sie sich schon seit Jahren auch dort mit dem Gedanken getragen hatten, eine deutsche Thomasausgabe als dringendes Erfordernis der Zeit herauszubringen. Verhandlungen mit verschiedenen Verlegern, die zum Teil schon sehr weit gediehen waren, hatten sich jedoch immer wieder, oft noch nach Jahresfrist, zerschlagen. Und da vollzog sich bei dieser ersten Unterredung etwas ganz Eigenartiges. Schon in den ersten zehn Minuten waren wir uns über die wesentlichen Dinge und Fragen (6)
einig. Man möchte fast sagen, getrieben vom Heiligen Geist, gaben wir dem Werk in unseren Entschlüssen eine vielfach erweiterte Anlage und Ausdehnung. Der hl. Thomas mußte aus der lebensfremden Atmosphäre, in die ihn die Philosophiegelehrten vertrieben hatten, wieder ins pulsierende, wirklichkeitsnahe Leben zurückgebracht werden, für das er geschrieben hatte. Ein Kommentar, eingehende Anmerkungen, die Beigabe eines sorgsam redigierten lateinischen Textes sollten helfen, diese Aufgabe zu erfüllen. Diese Beschlüsse faßten wir, wie gesagt, nachdem wir uns ins Auge gesehen hatten, ohne sonderliche Überlegung, obwohl sie von weittragender finanzieller Bedeutung gewesen sind, gleichsam intuitiv, beinahe aus einem inneren, unwiderstehlichen Zwang heraus.. . ' n Es blieb eine lebenslange Freundschaft als belebender Grund des mit überraschendem Erfolg beginnenden und durch Kriegs- und Nachkriegsereignisse immer neue Anfänge fordernden Werkes. Mit dem Vertragsabschluß im November 1932 übernahm der temperamentvolle Denker und Künstlermönch Heinrich Maria Christmann „eine Aufgabe, die ihm durch ein Vierteljahrhundert hindurch Verhandlungen, Korrekturen, Register, Organisation, Mitarbeiterwerbung, Zusagen und Enttäuschungen, eben die Arbeit seines sprichwörtlich gewordenen dynamischen 16—18-Stunden-Tages brachte. Fast alles, was in der Deutschen Thomas-Ausgabe gedruckt ist, ging durch seine Hand, und sein redaktionelles Gewissen ließ es (abgesehen vom lateinischen Text) selten zu, daß er etwas unverändert wieder aus der Hand gab. Darüber hinaus prägte er durch seine eigenen — alles ohne Gewaltsamkeit verdeutschenden, von verdeutlichender Freiheit zu exakter Genauigkeit sich entwickelnden — Ubersetzungen Terminologie und Stil der deutschen Wiedergabe. In den von ihm geschriebenen Einleitungen und Anmerkungen zeigt sich bei aller Konstanz im Grundsätzlichen der immer neue Versuch, zum wesentlichen geistigen Geschehen der Gegenwart Brücken zu schlagen — ohne Konzession an den Ungeist der Zeit" 2 . In die Zeit hinein, in scheinbarer Uberzeitlichkeit zeitkritisch, schreibt P. Christmann seinen Entwurf einer theo1 K.. M. S t e p a n , Stückwerk im Spiegel. Graz-Wien 1949, 245 f. 2 P. E n g e l h a r d t O P . Die deutsche Thomas-Ausgabe in der heutigen philosophischen Situation. P h J 67 (1959) 402.
(7)
logischen Anthropologie, dem er in der zweiten Auflage den Untertitel „Vom Gottmenschentum Christi und der Christen" gab: „Lebendige Einheit." 3 Im lebendigen Vortrag aktualisierte er immer wieder die hier niedergelegten Grundgedanken über die menschliche und christliche Person in „der lebendigen Einheit von Natur und Gnade" 4 . Zwölf Bände erschienen unter seiner Schriftleitung bis 1941, der letzte sowie der unter der Schriftleitung von P. Welty erschienene Band im Verlag F. H. Kerle, München-Heidelberg, dessen Inhaber Wilhelm Rühling den Mut hatte, das Werk weiterzuführen, während Dr. Stepan fünf Jahre in den KZs Mauthausen und Dachau verbringen mußte. P. Christmann kam nach bewegten, seelsorglich fruchtbarsten Jahren der Verbannung — er hatte das Kriegsende in Danzig erlebt — krank nach Walberberg zurück und war nach anderthalbjährigem Krankenhausaufenthalt erst im Sommer 1948 wieder beschränkt arbeitsfähig. Herbst 1949 begann die Arbeit wieder im vollen Maße, nun mit dem Gemeinschaftsverlag F. H. Kerle, Heidelberg/Anton Pustet (jetzt Styria), Graz. Der Neubeginn wurde sichtbar und hörbar in der vom Thomas-Institut an der Universität Köln in Verbindung mit der Görres-Gesellschaft veranstalteten philosophisch-theologischen Tagung „Thomas heute". In seinem Schlußvortrag formulierte P. Christmann etwas vom Programm der Deutschen Thomas-Ausgabe: „Wir tun Thomas keinen Gefallen, noch weniger einen echten Dienst, wenn wir ihn als einen Fertigen ansehen und bei seinen Erkenntnissen, die er selbst nach allen Richtungen hin als vorläufig oder doch ausbaufähig betrachtete, stehenbleiben wollten." „Sein ganzes Lebenswerk war ein einziger wissenschaftlicher Dialog mit Vergangenheit und Gegenwart. Als echter Gesprächspartner läßt Thomas auch die Gegenseite ausgiebig zu Wort kommen und stellt oft genug die Stärke ihrer Position durch schärfere Fassung ihrer Argumente erst ins rechte Licht. Er weicht der Auseinandersetzung nicht aus, sondern führt sie herbei, fordert sie direkt heraus." „Gerade von der sachlichen Auseinandersetzung erwartet er sich einen großen Gewinn für die Erkenntnis der Wahrheit." „Wie seine Lehre und seine wissenschaftlichen Kämpfe bezeugen, ist Thomas mit dem Aufgebot einer ungeheuren geistigen Energie ein3
'
(8)
Salzburg 1938; * 1050. 1959, 14.
2
getreten f ü r die Freiheit der Forschung jeweils dort, wo sie in ihrem Gebiet zu Hause ist." 5 Vermächtnis von 25 J a h r e n Schriftleitertätigkeit und Verheißung der großen Pläne, die der nimmermüde „Pensionär" — Seelsorge der Schwestern u n d Kinder im Kinderdorf Waldniel — ausführen wollte, war der Vortrag „Thomas von Aquin als Theologe der Liebe" 6 , den P. Christmann auf der Thomas-Akademie in Heidelberg am 17. November 1957 hielt. Ein neues Thomasbild leuchtet auf — entworfen aus der inneren E r f a h r u n g eines lebenslangen Umganges. Seine Rechtfertigung erhält es durch die gewissenhafte, den T e x t der Abhandlung über die Liebe als Gottesfreundschaft mit Scharfsinn u n d heißem Herzen zugleich erschließende Auslegung, die 1959 im B a n d 17A der Deutschen ThomasAusgabe erschien. E r wollte auch den zweiten Teil des Komm e n t a r s und d a n n noch sein „großes B u c h " über die Liebe schreiben. E r vollendete noch die Übersetzung der einschlägigen Fragen 34—46. Die weiteren Pläne wurden durch Krankheit mit ständig zunehmenden Lähmungserscheinungen immer mehr reduziert u n d schließlich — obgleich P. Christmann bis zuletzt geistig erstaunlich lebendig blieb — aufgegeben. P. Josef Endres, der bereits 1956 seinen K o m m e n t a r über die Klugheit fertiggestellt u n d immer wieder auf den neuesten S t a n d gebracht hatte, sprang n u n in großzügiger und dankenswerter Weise ein und übernahm auch den ersten Teil des Bandes. Ihm, dem Verlag und den mit Recht ungeduldigen Subskribenten gestehe ich mit der Bitte u m Nachsicht, daß sich einige redaktionelle Arbeiten ungebührlich lang hinzogen. So erlebte P. Heinrich Maria Christmann das Erscheinen dieses Bandes nicht mehr. Sein Wirken verpflichtet uns, die Deutsche Thomas-Ausgabe zügig und im Geiste nachkonziliarer Theologenarbeit weiterzuführen. Walberberg, 5. Juli 1966 I m Namen der Schriftleitung Paulus Engelhardt O P 6
NO 5 (1951) 390 501 f 505. F. II. Kerle, Heidelberg 1958.
0)
EINLEITUNG Die systematische Sittenlehre der theologischen Summe ist eine Tugendethik. Ihr zweifacher — christlich-griechischer — Ursprung zeigt sich besonders deutlich an der Nahtstelle zwischen der Lehre v o n den göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe und der Lehre v o n den Kardinaltugenden, unter denen die K l u g h e i t leitend ist. Diese Nahtstelle fällt aus praktisch-quantitativen Gründen in die Mitte des vorliegenden Bandes. Dieser Umstand ist dennoch geeignet, etwas von der verbindenden F u n k t i o n dieser N a h t zu zeigen. Sie verbindet die Liebe als Grundmacht des sittlichen Lebens mit der K l u g h e i t als der Orientierungskraft des gesamten sittlichen Lebens. Die Liebe, die natürliche Grundbewegung jeden Seins, soll als bewußt und frei gewollter A k t des Menschen auch die Grundmacht des sittlichen Lebens sein. Sofern der Mensch als gnadenhaft Erhöhter zu einer übernatürlichen Liebe befähigt und verpflichtet ist, erreicht er durch ihren Vollzug schon auf Erden die größtmögliche Gottähnlichkeit. A b e r dieser Mensch versagt in seinem freien T u n besonders oft in dem, was als Naturstreben in ihm immer notwendig recht gerichtet ist, er ü b t die Lie^e vielfach nicht, wie die Seins- und Wertordnung es von ihm verlangt. W a s er nur mit Vorbehalt und bedingungsweise lieben sollte, bejaht er schlechthin, umfängt es mit ganzer K r a f t , und was als Höchstgut seine ganze Liebe verdient und fordert, wird von ihm als zweitrangig und k a u m zu beachtend eingestuft. Ja, er h a ß t sogar, was er lieben sollte, und liebt, was er eigentlich hassen müßte. Diese beiden Grundformen verfehlter Liebe, das Liebenswerte zu hassen und das Liebenswertere dem weniger Würdigen nachzusetzen, können in einer fast verwirrenden Fülle v o n Gestalten auftreten. W i e die wahre Liebe eint, festigt, vollendet und beglückt, so trennen, zerreißen, zerstören und bedrücken die verschiedenen Entartungen der Liebe den Menschen in seinem sittlichen Sein. Je höher die heilige, durch einen sündhaften A k t verletzte Liebe auf der Stufenordnung steht, u m so größer sind auch Unordnung und Zerstörung. W i e T h o m a s die ebenfalls zahlreichen Erscheinungsweisen der echten und heiligen Liebe gesammelt, gesichtet, von(11)
einander unterschieden u n d miteinander systematisch verbunden hat, so h a t er sich auch bemüht, deren sündhaftes Gegenstück zu ordnen u n d die in der Uneinheit enthaltene Einheit aufzudecken. Dabei erweist er sich sowohl als Kenner des menschlichen Herzens wie auch der Gesetze, die die verkehrten Bewegungen dieses Herzens objektiv beherrschen. Obwohl verkehrte Liebe, u n d H a ß s t a t t Liebe, der Grundordnung menschlichen Strebens widersprechen u n d in sittlicher Hinsicht ungeordnet sind, bilden und vollziehen sie sich nach einer bestimmten „Ordnung". Die Verkehrung, sofern sie in einem falschen Vorziehen u n d Nachsetzen von Gütern, in einem irrtümlichen Deuten der Dringlichkeitsstufen des zu Liebenden besteht, gründet gewöhnlich in einer übermäßigen Eigenliebe. Die daraus f ü r das ganze Streben folgende sittliche Unordnung wird noch größer, wenn das über Gebühr erhobene Selbst, das mehrere „Schichten" enthält, noch einmal falsch gewertet, wenn in ihm das niedere Körperliche dem höheren Geistigen vorgezogen wird. Eine Unordnung neuer Art entsteht, wenn an sich Liebenswertes nicht nur falsch geliebt, sondern sogar gehaßt wird. Diese Pervertierung erreicht ihren Höhepunkt, wenn der H a ß auf das abzielt, was sowohl in sich wie auf Grund seines Bezugs zum Menschen der größtmöglichen Liebe würdig ist. Eine solche E n t a r t u n g verläuft jedoch anders als die E n t faltung ihres Gegenstücks. Die Gottesliebe ist unter den sittlich guten Akten die ursprünglichste, führende und eigentlichste Betätigung des Menschen. Zu allen nicht-göttlichen Gütern verhält er sich sachgerecht, weil u n d sofern sie Teilhabe und Widerschein des göttlichen Gutes sind. Die Liebe zu Gott begründet, t r ä g t und richtet die Liebe zum eigenen Ich, zum Mitmenschen u n d zu den Sachen. Dagegen steht der Gotteshaß nicht am Anfang, sondern am E n d e einer sittlichen Fehlentwicklung. Wie einer tödlichen Krankheit viele leichtere organische Störungen vorausgehen, so ist diese E n t a r t u n g durch viele falsche Liebesantworten auf den Anruf anderer Güter vorbereitet worden. Ähnliches gilt auch vom Menschenhaß, der zudem dem Gotteshaß die Wege ebnet. Das b u n t e Bild der Verstöße gegen die wahre Liebe ist nicht entworfen worden aus Freude an der Sünde oder aus dem Verlangen, möglichst viele Fehlformen zu entdecken. Zunächst ist es die F r u c h t der Liebe zur Wahrheit, u n d letztlich ist es eine F r u c h t der Liebe zur Liebe. Das Unnatürliche (12)
und Unschöne, das dem Leser des Traktates über die Sünden gegen die Liebe begegnet, soll ihn wirksamer davor bewahren und mit neuer Liebe zur heiligen Liebe erfüllen. Das menschliche Liebesleben als sittlicher und verantwortlicher Vollzug verläuft gewöhnlich zwischen zwei Extremen, die selbst selten verwirklicht werden: zwischen jener Liebe, die unwandelbar und beharrlich Gott mit aller Kraft umfängt, alles andere aber nur entsprechend seiner Nähe zu Gott, und jener Liebe, die beharrlich, doch ruhelos um endliche Güter als um einen Höchstwert kreist, so daß für Gott nichts übrigbleibt als Gleichgültigkeit oder Haß. Die erste Einstellung ist die des Heiligen, der in gewissem Sinn schon Ubermensch und Gott ähnlich ist; die zweite ist die des Sünders, der gleichsam ein Untermensch ist und schon teuflische Züge trägt. Dazwischen liegen die vielen möglichen Mischformen, die sich dem einen oder dem anderen der beiden Extreme nähern. Es ist das Feld der Kämpfe und Siege, der Kompromisse und ehrlichen Versuche, des Rückschritts und des Fortschritts, in dem der homo viator sich bewegt. Was im Bereich der naturhaften Vorgänge selbstverständlich und sicher abläuft, was im Zustand der Vollendung auf der Ebene des Freiwillentlichen wiederum mit ähnlicher Sicherheit und Selbstverständlichkeit vollzogen wird, ist für den Menschen auf dem Weg zum Haus des Vaters eine schwere, leidvolle Aufgabe, an der er allzuoft scheitert. So, wie er nun einmal ist, wird die Liebe, die größte, schönste und beglückendste aller Tugenden, für ihn eine harte Übung. Es ist ihm schwer, abzulegen „Zorn, Unmut, Bosheit, Lästerung und schändliches Reden" (Kol 3, 8), anzuziehen „herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut und Langmut" (Kol 3, 12), den anderen zu ertragen, ihm zu verzeihen und Gott über alles zu lieben. Daß Scheinwerte ihn mehr locken als die wahren, daß er bereit ist, an zweit- und drittrangige Güter die Liebe zu verschwenden, die der höchsten Wertperson gebührt, liegt zum Teil in der Eigenart des Erkennens, das seinem Lieben vorgelagert ist. Er kann nur lieben, was er erkennt, aber er erkennt sowohl den Schöpfer- wie den Erlösergott nur unklar und stückwerkartig. Dagegen erscheinen ihm die irdischen und materiellen Dinge oft in einem leuchtenden, verführerischen Glanz, der ihre zuweilen fragwürdige und immer relative Güte verdeckt. So muß er sich oft gegen den Schein entscheiden, er muß sich versagen, was ihn an(13)
zieht, und sich dem hingeben, was ihn nur schwach bewegt. Er muß, um in seiner Liebe die rechte Ordnung zu bewahren, gegen seine Neigung und gegen das Beispiel seiner Umgebung handeln. So wird verständlich, daß sein Herz oft unerleuchtet liebt, daß es „wie ein Wild ist in den Wäldern dunkler Triebe". 1 Wahre Liebe ist gelebte Wahrheit. Sie ist nicht zuerst und wesentlich ein gefühlter Affekt, sondern der bewußte Wille zu seinsgerechtem Leben. Dieser Liebe wegen soll der Mensch, dem Beispiel Salomons folgend (2 Chr 1, 10), Gott um Einsicht und Weisheit bitten. Aber eine gewöhnliche Weisheit wird für die Liebe, die er leisten soll, noch nicht genügen. Dazu bedarf der Mensch jener Grunderkenntnis, zu der ihn eine besondere Gabe befähigt. T h o m a s hat sie am Ende seines Traktates über die Liebe und über die Sünden gegen die Liebe beschrieben. Kraft der Weisheitsgabe vermag der Mensch Gottes eigenes Urteil über den Wert und Unwert des einzelnen Seienden zu vernehmen und so dessen Anruf mit der rechten Liebe zu beantworten. Ist die Weisheit eine über-menschliche Urteilsgabe „aus einer gewissen Wesensverwandtschaft oder Einigung mit dem Göttlichen" (II-II 45, 4), die „vom Göttlichen her über das Menschliche urteilt" (Art. 3), dann ist die Klugheit eine Weisheit nach Menschenmaß, die das menschliche Tun „auf das Ganze des sittlich guten Lebens" hin zu orientieren vermag (47, 2 Zu 1). Einer solchen eigenen Orientierungskraft bedarf der Mensch, das fragende Wesen; denn eine der Fragen, die er am dringlichsten stellt oder doch stellen sollte, ist: Was soll ich tun? Diese kurze Fassung läßt zunächst noch offen, in welcher der verschiedenen möglichen Bedeutungen die Frage hier gemeint und warum die gemeinte so bedeutsam ist. Nicht will die Frage wissen, was man tun soll, um etwa ein körperlich gesunder oder wissenschaftlich gebildeter oder ein beruflich tüchtiger Mensch zu werden und zu bleiben, um also irgendeine Aufgabe entsprechend den Regeln des betreffenden Sachgebietes anzugehen und zu lösen. Das Anliegen ist vielmehr dieses: Was soll ich tun und lassen, um ein sittlich guter Mensch zu werden und zu bleiben ? Unter allen Formen, Weisen und Rücksichten, nach denen 1
G. v. L c F o r t ; zit. v. H. M. C h r i s t m a n n O P , DThA, Bd. 17 A, (!l).
(14)
ein Mensch gut und tüchtig sein kann, steht die sittliche oder tugendhafte Tüchtigkeit an erster Stelle. Denn sie macht ihren Träger nicht nur in einem bestimmten Betracht, sondern einfachhin, sie macht ihn als Menschen gut und wertvoll. Wie jedes Seiende naturhaft nach der ihm wesensgemäßen Gutheit und Vollendung strebt, so verlangt der Mensch naturhaft nach jener sittlichen Überhöhung, da sie die eigentliche Ausgestaltung seines Wesens ist. In der Ordnung seiner freien Akte ist ihm diese Wesensausgestaltung als Lebensaufgabe vorgesetzt. E r ist da, um durch sein Tun zu werden, was er in seinem Sein schon ist, ein ganzer, wahrer, guter Mensch. Erfolg oder Mißerfolg in dieser Hinsicht bestimmen seinen Wert als Mensch, entscheiden darüber, ob er seinen Lebenssinn erfüllt oder verfehlt hat. Diese eigentliche Lebensaufgabe wird aber nicht gelöst durch besondere Tätigkeiten, die neben seinen alltäglichen und beruflichen Arbeiten liegen. Er löst sie vielmehr dadurch, daß er jene Arbeiten in einer bestimmten Weise tut, daß er sich bemüht, ein guter Mensch zu bleiben, indem er ein guter Handwerker, Kaufmann, Arzt oder Gelehrter ist. Wie das anzustellen ist, möchte die Frage erfahren. Die richtige Antwort ist also von besonderer Dringlichkeit. Denn von ihr hängt alles für den Menschen ab, für jeden Menschen, da jedem das sittliche Gutsein als d a s Leistungssoll aufgetragen ist. Demnach könnte man meinen, die richtige Antwort sei auch schnell und leicht zu finden. Führte zu ihr ein schwieriger, weiter und nur wenigen gangbarer Weg, dann bestände ein Mißverhältnis zwischen dem allen abverlangten sittlich guten Tun und dem dafür vorausgesetzten, nur wenigen erreichbaren Wissen. Und doch scheint sowohl die Geschichte des theoretischen Bemühens um die rechte Antwort wie die des praktischen Lebens das Gegenteil zu beweisen. Obwohl alle, die sich um die Wahrheit wissenschaftlich mühen, das Gewicht der genannten Frage übereinstimmend anerkennen, gehen ihre Antworten darauf doch weit auseinander. Aber selbst wenn sie übereinstimmten und wirklich Wahrheit enthielten, entsprächen sie dem eigentlich Gefragten nicht. Sie bleiben nämlich im Bereich des Allgemeinen, sie sagen nur, was der Mensch, nicht aber, was d i e s e r Mensch zu tun hat, was ich hier und jetzt tun soll. Das muß der einzelne letztlich selbst (15)
sich sagen, andere können ihm dabei nur bis zu einem gewissen Grad und Punkt helfen. In den verschiedenen Antworten, die die einzelnen, zur Entscheidung aufgerufenen Menschen sich im Lauf der Jahrhunderte und im Verlauf ihres eigenen Lebens gegeben haben und immer wieder geben werden, offenbart sich nicht nur der Einfluß philosophischer Systeme sowie bestimmter Welt- und Menschenbilder, sondern auch das Zusammenspiel von Leib und Geist, von Verstand und Willen, von Veranlagung und Erziehung bei jedem einzelnen. Dadurch ist es möglich, daß die Ansichten über das zu Tuende um so verschiedener ausfallen, je konkreter sie formuliert werden. So leicht die allgemeinsten Richtmaße des sittlichen Handelns zu finden sind und so allgemein sie von allen angenommen werden, so schwer ist es, das für diesen Menschen in dieser Situation Gesollte zu bestimmen. Das Gesollte ist immer nur das Seinsgerechte, das dem Menschen Wesensgemäße. Das allein vervollkommnet ihn, ist somit für ihn ein wahres Gut. Ist das Erkennen dessen, was in diesem Sinne recht ist, schon schwer, so ist das Anerkennen, das willentliche Bejahen des wahren Guten noch schwerer. Denn was dem Menschen wirklich zum Heil gereicht, widerspricht nicht selten dem Verlangen seines freien Willens. Es erscheint zunächst als Ungut, da es Opfer und Verzichte fordert. Da bewegt der Wille den ihn führenden Verstand oft zu Entscheidungen, die der augenblicklichen Neigung entsprechen, doch der Seinsordnung und dem eigentlich Gesollten widersprechen. Der Mensch läßt sich von der „Klugheit des Fleisches" leiten, und so gleitet er ab, er kommt nicht zu sich selbst, wächst nicht über sich hinaus, löst die ihm gestellte Lebensaufgabe nicht. Er tut nicht, was er soll, und so wird er nicht sittlich gut. Sittliche Gutheit ist die Frucht eines wahren Erkennens und eines diese Wahrheit als Gut anerkennenden Wollens. Ein solches Erkennen ist aber die Frucht eines von der tugendhaften Klugheit überhöhten Verstandes, wie das Anerkennen die Frucht eines durch die sittlichen Tugenden und die Liebe recht gerichteten Willens ist. In seinem Traktat über die Klugheit geht T h o m a s den verschlungenen Beziehungen nach, die im menschlichen Akt zwischen Erkennen und Wollen und im sittlich guten Akt zwischen Klugheit als Verstandestüchtigkeit sowie den Tugenden als Willensbeschaffenheiten bestehen. Weil im thoma(16)
sischen Menschenbild der Geist als E r k c n n t n i s m ä c h t i g k e i t das wesensgestaltende Element ist, h a t er auch im willentlichen T u n die F ü h r u n g . Denn das Tun richtet sich nach dem Sein, entspricht dem Sein. Menschliches Tun ist vernunftgemäßes Tun. Die den Willen führende Vernunft ist aber beim guten menschlichen T u n selbst wieder geführt. Die Richtmaße, die sie dem Willen f ü r den Umgang mit Seiendem gibt, sind diesem selbst entnommen. Doch damit ist das Verhältnis zwischen Verstand u n d Willen noch nicht vollständig beschrieben. K e n n t e T h o m a s nur einen solchen einseitigen P r i m a t des Verstandes über den Willen, d ü r f t e m a n seine Theorie als einen Intellektualismus bezeichnen, in dem die Bedeutung des Willens f ü r das menschliche Handeln zu kurz k o m m t . Die Abhängigkeit des Willens wird jedoch aufgelockert, d a ihm andererseits ein bestimmender Einfluß auf die Antwort zugestanden wird, die der Verstand auf die Frage gibt: Was soll ich tun? Der d a n n sich einzuschleichen scheinende einseitige u n d blinde Voluntarismus wird dadurch vermieden, d a ß von dem die richtige Antwort mitgestaltenden Willen die Liebe zum Wahren, die Bejahung der ihm vom Verstand gezeigten Seinsordnung gefordert wird. Nach T h o m a s ist die rechte Antwort auf die Frage: W a s soll ich t u n ? das Ergebnis eines synthetischen Zusammenarbeitens von Verstand und Wille. Wenn in diese Antwort auch die den beiden sie erstellenden K r ä f t e n anhaftenden wesentlichen UnVollkommenheiten, die selbst durch Klugheit und sittliche Tugenden nicht ganz beseitigt werden können, mit eingegangen sind, ist sie doch so wahr, d a ß der sich nach ihr verhaltende Mensch wirklich gut werden, daß er zum „Leben u n d Frieden" (Rom 8, 6) kommen kann. Der liebend dem Treiben des Heiligen Geistes hingegebene Mensch erfährt die Antwort auf die Frage: Was soll ich tun ? in einer rational nicht mehr zu reflektierenden Weise von Gott. „Dies geschieht durch die Gabe des Rates, durch die der Mensch gleichsam durch von Gott empfangenen R a t geleitet wird" (52, 2 Zu 1). Die Gabe des R a t e s als Überhöhung der Klugheit u n d damit des gesamten sittlichen Lebens und die Weisheit als Gabe des Urteils von Gott her sind gegründet u n d geeint in der Liebe Gottes, die „in unsere Herzen ausgegossen ist durch den Heiligen Geist, der uns verliehen wurde" (Rom 5, 5; zit. I - I I 68, 5 A n t w . : Bd. 11).
(17)
EINRICHTUNG UND B A N D E I N T E I L U N G DEUTSCHEN THOMAS-AUSGABE
DER
N B . : Um auch den Leser einzelner Bände über Einrichtung und Einteilung des Gesamtwerkes zu orientieren, geben wir jedem Bande an dieser Stelle eine Übersicht bei. I . A U F B A U DBS A R T I K E L S
1. Die Titelfrage zum Artikel stammt nicht von Thomas selbst, sondern ist entnommen dem einleitenden „Videtur quod non" oder „Videtur quod". 2. Auf die Titelfrage folgen mehrere, in der Thomas-Literatur oft als „Objectiones" bezeichnete Argumente, welche die Untersuchung einleiten. I n der Übersetzung sind sie mit 1., 2., 3. usw., bei Verweisen mit E . ( = Einwand) bezeichnet. 3. I m S E D CONTRA sucht Thomas die den vorausgehenden Argumenten entgegengesetzte These zu begründen und erweist sich durch dieses lebendige F ü r und Wider, das er in seinen Quaestiones disputatae bis zu je 30 Argumenten für These und Anti-These ausweitet, als ein echter Aporetiker. Die Übersetzung leitet dieses S E D C O N T R A ein mit A N D E R S E I T S . 4. Mit R E S P O N D E O dicendum (ursprünglich wohl: „Responsio. D i c e n d u m . . . " ; in der Übersetzung: A N T W O R T ) beginnt der Hauptteil des Artikels, der die eigentliche Lehre des h). Thomas enthält. 5. Auf die Antwort folgt unter AD P R I M U M , AD SECUND U M . . . die Lösung der eingangs vorgebrachten Argumente. Sie führt oft den in der Antwort entwickelten Gedanken wesentlich weiter. Die Übersetzung leitet sie ein mit „Zu 1", „Zu 2 " usw. 6. Die Angabe der Fundstelle erfolgt in der Übersetzung nur bei Schriftzitaten, und zwar in der heute üblichen Weise. Bei allen anderen Zitaten, in der Regel aus Autoren, die nur dem Wissenschaftler zugänglich sind, gibt die Übersetzung den Namen des Autors, der lateinische T e x t den Stellennachweis. Aus Platzmangel wurden die Kirchenväter-Fundstellen des Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum (CSEL) und des Corpus Christianorum seu nova Patrum collectio, series Latina (CChrL) auf S. 575 f. zusammengestellt.
(18)
II. E I N T E I L U N G D E R SUMMA T H E O L O G I C A
I. BUCH Band Band
1. 2.
Frage Frage
1 — 13: 14— 26:
Band Band Band Band
3. 4. 5. 6.
Frage Frage Frage Frage
27— 44— 65— 75—
Band
7.
Frage
90—102:
Band
8.
Frage 103—119:
43: 64: 74: 89:
Gottes Dasein und Wesen. Gottes Leben; sein Erkennen und Wollen. Gott, der Dreifaltige. Schöpfung und Engelwelt. Das Sechstagewerk. Wesen und Ausstattung des Menschen. Erschaffung und Urzustand des Menschen. Erhaltung und Regierung der Welt.
I. T E I L DES II. BUCHES Band 9. Band 10.
Frage Frage
1 — 21: 22— 48:
Band 11.
Frage
4 9 — 70:
B a n d 12. B a n d 13. B a n d 14.
Frage 7 1 — 8 9 : Frage 9 0 — 105: Frage 106— 114:
Ziel und Handeln des Menschen. Die menschlichen Leidenschaften. Grundlagen der menschlichen Handlung. Die Sünde. Das Gesetz. Der Neue Bund und die Gnade.
II. T E I L DES II. BUCHES Band Band Band Band Band Band
15. 16. 17A. 17B. 18. 19.
Frage 1 — 16 Frage 17— 22 Frage 2 3 — 33 Frage 3 4 — 56 Frage 5 7 — 79 Frage 8 0 — 100
B a n d 20.
Frage 101— 122:
B a n d 21. B a n d 22. B a n d 23.
Frage 123— 150 Frage 151— 170 Frage 171— 182
B a n d 24.
Frage 183— 189:
Glaube als Tugend. Die Hoffnung. Die Liebe (1. Teil). Die Liebe (2. Teil); Klugheit. R e c h t und Gerechtigkeit. Die Tugend der Gottesverehrung. Tugenden des Gemeinschaftslebens. Tapferkeit;Maßhaltung (l.Teil). Maßhaltung (2. Teil). Besondere Gnadengaben und die zwei Wege menschlichen Lebens. Stände und Standespflichten. (19)
III. BUCH B a n d 25. Band 26.
Frage Frage
1 — 15: 16— 34:
B a n d 27. B a n d 28. B a n d 29.
Frage Frage Frage
35— 45: 4 6 — 59: 6 0 — 72:
B a n d 30. B a n d 31.
Frage Frage
7 3 — 83: 84— 90:
Die Menschwerdung Christi. Des Menschensohnes Sein, Mittleramt und Mutter. Christi Leben. Christi Leiden und Erhöhung. Die Sakramente; Taufe und Firmung. Das Geheimnis der Eucharistie. Das Sakrament der Buße.
E R G Ä N Z U N G ZUM I I I . B U C H (Supplement) (Band 31.) Frage Band 32. Frage
1 — 16: 17— 40:
Band Band Band Band
41— 55— 69— 87—
33. 34. 35. 36.
Frage Frage Frage Frage
54: 68: 86: 99:
(Das Sakrament der Buße.) Schlüsselgewalt der Kirche; Letzte Ölung und Priesterweihe. Die E h e (1. Teil). Die E h e (2. Teil). Auferstehung des Fleisches. Die Letzten Dinge.
Zusatzbände: Gesamtregister (Alphabetisches Namen- und Sachverzeichnis, Autorenverzeichnis, Verzeichnis der Schriftstellen für sämtliche Bände). 1. Ergänzungsband:
Robert Edward Brennan OP, Thomistische Psychologie. 1957. 2. Ergänzungsband: M. D . Chenu OP, Das Werk des hl. Thomas von Aquin. 1960. Weitere Ergänzungsbände in zwangloser Folge.
(20)
DIE LIEBE (II. T E I L )
KLUGHEIT
34. F R A G E
DER HASS Hierauf ist über die der Liebe entgegengesetzten Laster nachzudenken. Und zwar erstens über den Haß, der der Liebe selbst entgegengesetzt ist; zweitens über den Überdruß und den Neid, die der aus der Liebe quellenden Freude entgegengesetzt sind [Fr. 35 f.]; drittens über die Zwietracht und das Schisma, die dem Frieden entgegengesetzt sind [Fr. 37 ff.]; viertens über den Anstoß und das Ärgernis, die dem Wohltun und der brüderlichen Zurechtweisung entgegengesetzt sind [Fr. 43]. Zum ersten ergeben sich sechs Einzelfragen: 1. Kann Gott gehaßt werden? 2. Ist der Gotteshaß die größte Sünde? 3. Ist der Haß gegen den Nächsten immer Sünde? 4. Ist er die größte unter den Sünden, die gegen den Nächsten begangen werden? 5. Ist er eines der Hauptlaster? 6. Aus welchem Hauptlaster geht er hervor?
QUAESTIO
XXXIV
D E ODIO Deinde considerandum est de vitiis oppositis caritati. Et primo, de odio, quod opponitur ipsi dilectioni; secundo, de acedia et invidia, quae opponuntur gaudio caritatis; tertio, de discordia et schismate, quae opponuntur paci ; quarto, de offelisione et scandalo, quae opponuntur beneficentiae et correctioni fraternae. Circa primum quaeruntur sex: 1. Utrum Deus possit odio haberi. — 2. Utrum odium Dei sit maximum peccatorum. — 3. Utrum odium proximi semper sit peccatum. — 4. Utrum sit maximum inter peccata quae sunt in proximum. — 5. Utrum sit vitium capitale. — 6. E x quo capitali vitio oriatur.
34
]. A R T I K E L Kann
man Gott hassen ?
1. Dionysius sagt: „Allen ist liebenswert und teuer das Gute und das Schöne selbst." Gott aber ist die Gutheit und Schönheit selbst. Also wird Er von keinem gehaßt. 2. In den apokryphen Esdrasschriften [1] heißt es: „Alle rufen die Wahrheit a n . . . und haben Freude an deren Werken" (3 Esr 4, 36. 39). Gott aber ist die Wahrheit selbst (Jo 14, 6). Also lieben alle Gott, und keiner kann Ihn hassen. 3. Haß ist eine Art Abkehr. Nach Dionysius aber kehrt Gott alles zu Sich Selbst hin. Also kann keiner Ihn hassen. A N D E R S E I T S heißt es Ps 74 (73), 23: „Der Übermut derer, die Dich hassen, steigt ständig empor"; und Jo 15, 24: „Nun aber haben sie gesehen und haben Mich und Meinen Vater gehaßt." A N T W O R T : H a ß ist eine Bewegung des Strebevermögens, das nur durch ein Erkanntes bewegt wird ( I - I I 2 9 , 1 : Bd. 10). Gott aber kann in doppelter Weise v o m Menschen erkannt werden: einmal an Ihm Selbst, so wenn Er in Seinem Wesen Q U A E S T I O 34, ,
ARTICULUS I U t r u m aliquis possit Deum odio h a b e r e [I 60,5 ad 5; 2 d 5: 1,3 ad 2; exp. text.; 4 d 50: 2,1 qa 5; Ver 22,2 ad 3; Mt 13,25; Jo 5,41: lect. 7; 15,24: lect. 5; Rom 8,7: lect. 2]
AD PRIMUM sic proceditur. Videtur quod Deum nullus TL 83/638); Qimest. in Vet. Test.,, In Deut., c. 16 ad 7,1 (PL 83/ 36« D).
3*
36. F R A G E
DER NEID Hierauf ist über den Neid nachzudenken. Dazu ergeben sich vier Einzelfragen: 1. Was ist Neid? 2. Ist er Sünde? 3. Ist er eine Todsünde? 4. Ist er ein Hauptlaster? Seine Töchter. 1. A R T I K E L Ist der Neid Traurigkeit ?
1. Gegenstand der Traurigkeit ist ein Übel. Gegenstand des Neides aber ist ein Gut; denn wo Gregor vom Neidischen spricht, sagt er: „Den sich abhärmenden Geist trifft seine eigene Strafe, wenn ihn fremdes Glück quält." Also ist Neid nicht Traurigkeit. 2. Ähnlichkeit ist nicht Ursache der Traurigkeit, sondern eher der Lust. Ähnlichkeit [Gleichheit] aber ist Ursache des Neides; denn Aristoteles sagt: „Neidisch sind solche, die ihresgleichen haben im Hinblick auf Herkunft, Verwandt-
QUAESTIO
XXXVI
DE INVIDIA Deinde considerandum est de invidia. E t circa hoc quaeruntur quatuor: 1. Quid sit invidia. — 2. TJtrum sit peccatum. — 3. Utrum sit peccatum mortale. — 4. Utrum sit vitium capitale, et de filiabus ejus. ARTICULUS U t r u m invidia sit
I tristitia
[Infra a. 2; Mal 10,1 ad 6; 1 Cor 14,1: lect. 1)
AD P R I M U M sic proceditur. Videtur quod invidia non sit tristitia. Objectum enim tristitiae est malum. Sed objectum PL invidiae est bonum: dicit enim Gregorius in 5 Moralium [c. 46], 75/728 B d e invido loquens: „Tabescentem mentem sua poena sauciat, quam felicitas torquet aliena." Ergo invidia non est tristitia. 2. P R A E T E R E A , similitudo non est causa tristitiae, sed magis delectationis. Sed similitudo est causa invidiae: dicit 1387 b 24 enim Philosophus, in 2 Rhetoricorum [c. 10]: „Invidebunt tales quibus sunt aliqui similes aut secundum genus, aut secundum 36
schaft, Wuchs, Kleidung oder R u f . " Also ist Neid nicht 30, i Traurigkeit. 3. Traurigkeit wird aus einem Mangel verursacht; deshalb werden die, die mit großen Mängeln behaftet sind, leicht von Traurigkeit befallen (I-II 4 7 , 3 : B d . 10). Deshalb sind die, „denen nur ein wenig fehlt, und die Ehrliebenden und die als Weise Geltenden" neidisch (Aristoteles). Also ist Neid nicht Traurigkeit. 4. Traurigkeit ist der Freude entgegengesetzt. Gegensätze aber haben nicht dieselbe Ursache. Da nun die Erinnerung an früher besessene Güter Ursache der Freude ist (I-II 32, 3 : Bd. 10), ist sie nicht Ursache der Traurigkeit. Sie ist aber Ursache des Neides; denn Aristoteles sagt: manche sind auf jene neidisch, „die das haben oder in Besitz genommen haben, was ihnen selbst zukam oder was sie selbst einmal besaßen". Also ist Neid nicht Traurigkeit. A N D E R S E I T S bestimmt Johannes von Damaskus den Neid als eine Art der Traurigkeit; er sagt: der Neid ist „Trauer über Güter anderer". A N T W O R T : Gegenstand der Trauer ist das eigene Übel. E s kommt aber vor, daß man das Gut eines anderen als eigenes Übel auffaßt. Und insofern kann es in bezug auf das QUAESTIO
36, ,
cognationem, ai it secundum staturam, aut secundum habitum, aut secundum opinionem." Ergo invidia non est tristitia. 3. P R A E T E R E A , tristitia ex aliquo defectu causatur: unde illi qui sunt in magno defectu sunt ad tristitiam proni, ut supra dictum est, cum de passionibus ageretur. Sed illi „quibus modicum deficit, et qui sunt amatores honoris, et qui reputantur sapientes", sunt invidi ; ut patet per Philosophum, in 2 Rhetoricorum [1. c.]. Ergo invidia non est tristitia. 1387 i> 27 1,31 4. P R A E T E R E A , tristitia delectationi opponitur. Oppositorum autem non est eadem causa. Ergo, cum memoria honorum habitorum sit causa delectationis, ut supra dictum est, non erit causa tristitiae. E s t autem causa invidiae: dicit enim Philosophus, in 2 Rhetoricorum [1. c.], quod his aliqui invident „qui 1388 a 20 habent aut possederunt quae ipsis conveniebant aut quae ipsi quandoque possidebant". Ergo invidia non est tristitia. S E D CONTRA est quod Damascenus, in 2 libro [De Fide Orth., c. 14], ponit invidiam speciem tristitiae, et dicit quod PG invidia est „tristitia in alienis bonis". 9 4 / 9 3 2 lì R E S P O N D E O dicendum quod objectum tristitiae est malum proprium. Contingit autem id quod est alienum bonum apprehendi ut malum proprium. E t secundum hoc de bono alieno 37
3C, 1 Gut eines anderen Trauer geben. Das geschieht aber in zweifacher Weise. E i n m a l , wenn einer Trauer empfindet über das Gut eines anderen, sofern ihm daraus die Gefahr eines Schadens droht; so wenn der Mensch traurig ist über das Emporkommen seines Feindes, aus F u r c h t , dieser möchte ihn schädigen. U n d eine solche Trauer ist nicht Neid, sondern eher eine Wirkung der F u r c h t (Aristoteles). I n a n d e r e r Weise wird das Gut des anderen für eigenes Ü b e l gehalten, sofern es den eigenen R u h m oder die eigene Vorrangstellung mindert. U n d in dieser Weise empfindet der Neid Trauer über das Gut des anderen. Deshalb beneiden sich die Menschen gegenseitig vor allem in den Gütern, „bei denen es um R u h m geht und worin die Menschen ihre E h r e und Geltung suchen" (Aristoteles). Z u 1. E s steht nichts im Wege, das, was für den einen ein Gut ist, als ein Ü b e l für den anderen aufzufassen. U n d so kann eine Trauer sich auf ein Gut richten (Antw.). Z u 2. Weil der Neid auf den R u h m des anderen geht, insofern er den R u h m , den man selbst sucht, mindert, gibt es folglich Neid nur denen gegenüber, denen der Mensch im R u h m gleich oder überlegen sein will. Das kommt aber nicht in Frage bei solchen, die einen weiten Abstand voneinander h a b e n ; keiner, er sei denn vom Wahnsinn befallen, geht QUAESTIO 36, ! potest esse tristitia. Sed hoc contingit dupliciter. Uno modo, quando quis tristatur de bono alicujus inquantum imminet sibi ex hoc periculum alicujus nocumenti: sicut cum homo tristatur de exaltatione inimici sui, timens ne eum laedat. E t talis tristitia non est invidia, sed magis timoris effectus; ut Philosophus 1380 b 22 dicit, in 2 Rhetoricorum [c. 9]. Alio modo bonum alterius aestimatur ut malum proprium inquantum est diminutivum propriae gloriae vel excellentiae. E t hoc modo de bono alterius tristatur invidia. E t ideo praecipue de illis bonis homines invident „in quibus est gloria, et in quibus homines amant honorari et in opinione esse"; ut Philosophus dicit, in 2 Rhetoricorum 13.S7 b 3 5 [c. 10]. AD PRIMUM ergo dicendum quod nihil prohibet id quod est bonum uni apprehendi ut malum alteri. E t secundum hoc tristitia aliqua potest esse de bono, ut dictum est. AD SECUNDUM dicendum quod quia invidia est de gloria alterius inquantum diminuit gloriam quam quis appetit, consequens est ut ad illos tantum invidia habeatur quibus homo vult se aequare vel praeferre in gloria. Hoc autem non est respectu multum a se distantium: nullus enim, nisi insanus, studet se 38
darauf aus, denen im Ruhm gleich oder überlegen zu sein, 36,1 die weit über ihm stehen, wie z. B. der einfache Mensch dem König; oder auch der König dem einfachen Bürger, den er um vieles überragt. Deshalb beneidet der Mensch jene nicht, die dem Ort oder der Zeit oder dem Stande nach weiten Abstand von ihm haben, sondern gerade jene, die ihm nahe stehen, denen er gleich oder überlegen sein will. Denn wenn diese außergewöhnlichen Ruhm erlangen, geschieht das gegen unseren Nutzen, und daraus entsteht dann Trauer. Die Ähnlichkeit hingegen verursacht Lust, insofern sie unserem Willen gemäß ist. Z u 3. Keiner sucht das zu erreichen, woran ihm vieles fehlt. Wenn ihn daher einer in dieser Richtung überragt, ist er deshalb nicht neidisch. Wenn ihm aber nur wenig fehlt, scheint es ihm, daß er es erreichen könne, und so bemüht er sich darum. Wenn nun aber seine Bemühung dadurch zum Scheitern verurteilt ist, daß der andere ihm im Ruhm den Rang abläuft, wird er traurig. Daher kommt es, daß die Ehrliebenden am ehesten zu den Neidern zählen. Ebenso aber sind auch die Kleinmütigen neidisch, weil sie alles für groß halten; und was immer jemandem an Glück widerfahren mag, immer meinen sie, sie seien um ein Großes unterlegen. Deshalb heißt es Job 5 , 2 : „Den Kleinen bringt der Neid um." Und Gregor: „Wir können nur die beneiden, die wir in irgendetwas für besser halten." Q U A E S T I O 36, ,
aequare vel praeferre in gloria his qui sunt multo eo majores, puta plebejus homo regi; vel etiam rex plebejo, quem multum excedit. E t ideo his qui multum distant vel loco vel tempore vel statu homo non invidet: sed his qui sunt propinqui, quibus se nititur aequare vel praeferre. Nam cum illi excedunt in gloria, accidit hoc contra nostram utilitatem, et inde causatur tristitia. Similitudo autem delectationem causat inquantum concordat voluntati. A D TERTIUM dicendum quod nullus conatur ad ea in quibus est multum deflciens. E t ideo cum aliquis in hoc eum excedat, non invidet. Sed si modicum deficiat, videtur quod ad hoc pertingere possit, et sie ad hoc conatur. Unde si frustraretur ejus conatus propter excessum gloriae alterius, tristatur. E t inde est quod amatores honoris sunt magis invidi. Et similiter etiam pusillanimes sunt invidi; quia omnia reputant magna, et quidquid boni alicui accidat, reputant se in magno superatos esse. Unde et Job 5 dicitur: „Parvulum occidit invidia." E t dicit Gregorius, in 5 Moralium [c. 46], quod „invidere non possumus PL nisi eis quos nobis in aliquo meliores putamus". 75/727 c 39
36, 2
Z u 4. Die E r i n n e r u n g an f r ü h e r e Güter v e r u r s a c h t L u s t , sofern wir sie einmal in Besitz h a t t e n ; insofern sie aber verlorengingen, verursachen sie T r a u e r . U n d insofern sie von anderen besessen werden, verursachen sie Neid, weil das a m meisten dem eigenen R u h m A b b r u c h zu t u n scheint. Deshalb sagt Aristoteles: „Die älteren L e u t e beneiden die j ü n g e r e n ; u n d die, die sich eine Sache h a b e n viel kosten lassen, beneiden jene, die genau dasselbe m i t geringen Ausgaben erreicht h a b e n . " Sie sind nämlich t r a u r i g ü b e r den Verlust ihrer Güter u n d d a r ü b e r , d a ß a n d e r e solche erhalten h a b e n . 2. A R T I K E L Ist Neid
Sünde?
1. H i e r o n y m u s schreibt a n L a e t a ü b e r die Erziehung ihrer T o c h t e r : „Sie möge ihre G e f ä h r t i n n e n h a b e n , m i t d e n e n sie lernt, auf die sie neidisch ist, d u r c h deren Lob sie angestachelt wird." K e i n e r aber darf zur Sünde angeeifert werden. Also ist der Neid keine Sünde. 2. Neid ist „ T r a u e r ü b e r die G ü t e r a n d e r e r " ( J o h a n n e s von Damaskus). Diese ist aber m a n c h m a l zu loben; d e n n Spr 29, 2 heißt es: „ W e n n die Gottlosen zur H e r r s c h a f t geQ U A E S T I O 36, i
AD QUARTUM dicendum quod memoria praeteritorum bonorum, inquantum fuerunt habita, delectationem causat: sed inquantum sunt amissa, causant tristitiam. Et inquantum ab aliis habentur, causant invidiam: quia hoc maxime videtur gloriae propriae derogare. Et ideo dicit Philosophus, in 2 Rhe1388 »22 toricorum [c. 10], quod „senes invident junioribus; et illi qui multa expenderunt ad aliquid consequendum invident his qui parvis expensis illud sunt consecuti"; dolent enim de amissione suorum bonorum, et de hoc quod alii consecuti sunt bona. A R T I C U L U S II U t r u m invidia sit p e c c a t u m [Supra a. 1; infra 158,1; Mal 10,1; Ps 36,1]
PL 22/871 B
PG 94/932 B
AD SECUNDUM sie proceditur. Videtur quod invidia non sit peccatum. Dicit enim Hieronymus, ad Laetam, de Instruct i o n Filiae [Ep. 107]: „Habeat socias cum quibus discat, quibus invideat, quarum laudibus mordeatur." Sed nullus est sollicitandus ad peccandum. Ergo invidia non est peccatum. 2. PRAETEREA, invidia est „tristitia de alienis bonis", ut Damascenus [De Fide Orth. 2, 14] dicit. Sed hoc quandoque laudabiliter fit: dicitur enim Prov. 29: „Cum impii sumpserint 40
langen, seufzt das Volk." Also ist der Neid nicht immer 30, 2 Sünde. 3. Neid b e d e u t e t eine A r t Eifer. E i n b e s t i m m t e r Eifer aber ist d u r c h a u s g u t ; g e m ä ß P s 69 (68), 10: „Der Eifer f ü r Dein H a u s h a t mich v e r z e h r t . " Also ist der Neid nicht immer Sünde. 4. Strafe ist verschieden von Schuld. Neid ist aber irgendwie S t r a f e ; d e n n Gregor sagt [12]: „ W e n n die F ä u l n i s des Neides das besiegte H e r z v e r d i r b t , d a n n zeigt auch das Äußere an, wie schwer der W a h n s i n n den Geist b e d r ä n g t : die F a r b e wird blaß, die Augen verschleiert, d e r Geist entzündet, die Glieder k a l t , das D e n k e n wild, die Z ä h n e knirschen." Also ist N e i d keine Sünde. A N D E R S E I T S h e i ß t es Gal 5, 26: „ L a ß t uns nicht eitlem R u h m n a c h j a g e n , i n d e m wir einander herausfordern, eina n d e r beneiden." A N T W O R T : Neid ist „ T r a u e r ü b e r Güter a n d e r e r " (E. 2 : J o h a n n e s von D a m a s k u s ) . Diese T r a u e r aber k a n n sich auf vierfache Weise einstellen. E i n m a l , w e n n einer wegen des Gutes eines a n d e r e n Schmerz empfindet, insofern er d a r a u s f ü r sich selbst oder a u c h f ü r a n d e r e gute [Menschen] einen Schaden f ü r c h t e t . Solche T r a u e r aber ist kein Neid (Art. 1) u n d k a n n ohne S ü n d e sein. Deshalb sagt Gregor: Q U A E S T I O 36, ,
principatum, gemet populus." Ergo invidia non Semper est peccatum. 3. PRAETEREA, invidia zelum quendam nominat. Sed zelus quidam est bonus: secundum illud Psalmi: „Zelus domus tuae comedit me." Ergo invidia non Semper est peccatum. 4. PRAETEREA, poena dividitur contra culpam. Sed invidia est quaedam poena: dicit enim Gregorius, 5 Moralium [c. 46]: PL_ „Cum devictum cor livoris putredo corruperit, ipsa quoque 7 °/' 2 8 1 ! exteriora indicant quam graviter animum vesania instigat: color quippe pallore afficitur, oculi deprimuntur, mens accenditur, membra frigescunt, fit in cogitatione rabies, in dentibus Stridor." Ergo invidia non est peccatum. SED CONTRA est quod dicitur ad Gal. 5: „Non efficiamur inanis gloriae cupidi, invicem provocantes, invicem invidentes." RESPONDEO dicendum quod, sicut dictum est, invidia est „tristitia de alienis bonis" [Joan. Damasc., 1. c.]. Sed haec tristi- PG tia potest contingere quatuor modis. Uno quidem modo, quando 94 ' a32 B aliquis dolet de bono alicujus inquantum ex eo timetur nocumentum vel sibi ipsi vel etiam aliis bonis. Et talis tristitia non est invidia, ut dictum est; et potest esse sine peccato. Unde 4
171!
41
36, 2 „Es kommt oft vor, daß wir uns über den Untergang des Feindes freuen, ohne deshalb die Liebe zu verlieren, oder daß uns sein Ruhm mit Trauer erfüllt, ohne daß wir uns des Neides schuldig machen; denn wir meinen, daß, wenn er stürzt, manche mit Recht aufgerichtet werden, und wir fürchten, daß, wenn er Erfolg hat, die meisten ungerecht unterdrückt werden." In a n d e r e r Weise kann jemand traurig sein über das Gut des anderen, und zwar nicht darüber, weil jener ein Gut besitzt, sondern deshalb, weil ihm selbst das Gut abgeht, das jener besitzt. Und das ist eigentlich Eifer (Aristoteles). Bezieht sich dieser Eifer auf die edlen Güter, so ist er lobenswert; gemäß 1 Kor 14, 1: „Eifert um die Geistesgaben." Handelt es sich aber um zeitliche Güter, so kann dieser Eifer mit und ohne Sünde sein. D r i t t e n s ist jemand traurig über das Gut des anderen, insofern jener, dem das Gut zufällt, seiner nicht würdig ist. Diese Trauer kann nicht entstehen auf Grund der edlen Güter, durch die einer gerecht wird; sondern, wie Aristoteles sagt, auf Grund von Reichtum und derartigem, was den Würdigen und Unwürdigen zukommen kann. Diese Trauer wird nach ihm „Entrüstung" genannt [vgl. 30, 3 Zu 4 : Bd. 17A] und gehört zu den guten Sitten. Das sagt er deshalb, weil er diese zeitlichen Güter in sich betrachtet, sofern QUAESTIO 30, , PL Gregorius, 22 Moralium [c. 11], ait: „Evenire plerumque solet 76/226 D n o n amissa caritate, et inimici nos ruina laetificet, et rursum ejus gloria sine invidiae culpa contristet, cum et ruente eo quosdam bene erigi credimus, et proficiente illo plerosque injuste opprimi formidamus." Alio modo potest aliquis tristari de bono alterius, non ex eo quod ipse habet bonum, sed ex eo quod nobis deest bonum illud quod ipse habet. E t hoc proprie est zelus; ut Philosophus 1388 a 30 dicit, in 2 Rhetoricorum [c. 11]. E t si iste zelus sit circa bona honesta, laudabilis est: secundum illud 1 ad Cor. 14: „Aemulamini spiritualia." Si autem sit de bonis temporalibus, potest esse cum peccato, et sine peccato. Tertio modo aliquis tristatur de bono alterius inquantum ille cui accidit bonum est eo indignus. Quae quidem tristitia non potest oriri ex bonis honestis, ex quibus aliquis justus efficitur; 1387 a ll sed sicut Philosophus dicit, in 2 Rhetoricorum [c. 9], est de divitiis et de talibus, quae possunt provenire dignis et indignis. 1386 b 9 E t haec tristitia, secundum ipsum [1. c.], vocatur „nemesis", et 1387 a 8 p e r tinet ad bonos mores. Sed hoc ideo dicit quia considerabat ipsa bona temporalia secundum se, prout possunt magna videri 42
sie denen als etwas Großes erscheinen können, die nicht auf 36, 2 das Ewige schauen. Nach der Lehre des Glaubens aber werden die zeitlichen Güter, wenn sie Unwürdigen zuteil werden, nach der gerechten Anordnung Gottes entweder zur Besserung oder zur Verdammnis gereichen. Und diese Güter sind gleichsam ein Nichts in Vergleich zu den künftigen Gütern, die den Guten aufbewahrt sind. Deshalb wird solche Trauer in der Heiligen Schrift verboten; gemäß Ps 37 (36), 1: „Sei nicht aufgebracht über die Übeltäter; und ereifere dich nicht über jene, die Böses tun." Und Ps 73 (72), 2 f.: „Meine Schritte wären fast ausgeglitten; denn ich ereiferte mich über die Frevler, da ich den Frieden der Sünder sah." V i e r t e n s ist jemand traurig über die Güter eines anderen, insofern dieser mehr hat als er selbst. Und das ist Neid im eigentlichen Sinne. Und dieser Neid ist immer schlecht, wie auch Aristoteles sagt. Denn er [der Neidische] empfindet Schmerz über das, Worüber man sich freuen sollte, nämlich über das Gut des Nächsten. Zu 1. Hier wird ,Neid' anstelle von dem Eifer gebraucht, durch den einer angetrieben werden muß zum edlen Wettstreit mit den Besseren. Zu 2. Diese Begründung geht von der Trauer aus, die man im ersten Sinne über die Güter anderer hat. Zu 3. Neid ist etwas anderes als Eifer (Antw.). Deshalb Q U A E S T I O 36, ,
non respicientibus ad aeterna. Sed secundum doctrinam fidei, temporalia bona quae indignis proveniunt ex justa Dei ordinatione disponuntur vel ad eorum correctionem vel ad eorum damnationem: et hujusmodi bona quasi nihil sunt in comparatione ad bona futura, quae servantur bonis. E t ideo hujusmodi tristitia prohibetur in Scriptura sacra: secundum illud Psalmi: „Noli aemulari in malignantibus, neque zelaveris facientes iniquitatem." Etalibi: „Peneeffusi sunt gressus mei, quiazelavi super iniquos, pacem peccatorum videns." Quarto aliquis tristatur de bonis alicujus inquantum alter excedit ipsum in bonis. E t hoc proprie est invidia. Et istud Semper est pravum, ut etiam Philosophus dicit, in 2 Rhetoricorum [c. 11]; quia dolet de eo de quo est gaudendum, scilicet 1388 a 34 de bono proximi. A D PRIMUM ergo dicendum quod ibi sumitur invidia pro zelo quo quis debet incitari ad proficiendum cum melioribus. A D SECUNDUM dicendum quod ratio illa procedit de tristitia alienorum bonorum secundum primum modum. A D TERTIUM dicendum quod invidia differt a zelo, sicut
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36, 3 kann ein bestimmter Eifer gut sein. Neid aber ist immer schlecht. Z u 4. E s steht nichts im Wege, daß eine Sünde durch irgendwelche Umstände zur Strafe wird (I-II 87, 2 : Bd. 12). 3.
ARTIKEL
Ist Neid eine Todsünde ? 1. Da Neid Trauer ist, gehört er zu den Leidenschaften des sinnlichen Strebevermögens. E s gibt aber keine Todsünde in der Sinnlichkeit, sondern nur in der Vernunft, wie aus Augustinus deutlich wird. Also ist Neid keine Todsünde. 2. Bei den Kindern kann es keine Todsünden geben. Und doch kann es bei ihnen Neid geben. Denn Augustinus sagt : „Ich habe mit eigenen Augen einen eifersüchtigen Knaben gesehen; noch konnte er nicht sprechen und schon blickte er, blaß, mit bitterbösem Blick auf seinen Milchbruder." Also ist der Neid keine Todsünde. 3. J e d e Todsünde widerstreitet einer Tugend. Der Neid aber widerstreitet keiner Tugend, sondern der Entrüstung, die eine Leidenschaft ist (Aristoteles). Also ist der Neid keine Todsünde. Q U A E S T I O 36, ,
dictum est. Unde zelus aliquis potest esse bonus: sed invidia Semper est mala. AD QUARTUM dicendum quod nihil prohibet aliquod peccatum, ratione alieujus adjuneti, poenale esse; ut supra dictum est, cum de peccatis ageretur. ARTICULUS III Utrum invidia sit peccatum
mortale
[Mal 10,2]
PL 42/1007 D PL 32/665 D
1386 b 16
AD T E R T I U M sic proceditur. Videtur quod invidia non sit peccatum mortale. Invidia enim, cum sit tristitia, est passio appetitus sensitivi. Sed in sensualità te non est peccatum mortale, sed solum in ratione; ut patet per Augustinum, 12 de Trinitate [c. 12]. Ergo invidia non est peccatum mortale. 2. P R A E T E R E A , in infantibus non potest esse peccatum mortale. Sed in eis potest esse invidia: dicit enim Augustinus, in 1 Confessionum [c. 7] : „Vidi ego et expertus sum zelantem puer u m : nondum loquebatur, et intuebatur pallidus amaro aspectu collectaneum suum." Ergo invidia non est peccatum mortale. 3. P R A E T E R E A , omne peccatum mortale alicui virtuti contrariatur. Sed invidia non contrariatur alicui virtuti, sed nemesi, quae est quaedam passio ; ut patet per Philosophum, in 2 Rhetoricorum [c. 9], Ergo invidia non est peccatum mortale. 44
ANDERSEITS heißt es Job 5, 2 : „Den Unverständigen 36, 3 bringt der Neid um." Geistig aber tötet nur die Todsünde [13]. Also ist der Neid eine Todsünde. ANTWORT: Der Neid ist seiner Art nach eine Todsünde. Die Art einer Sünde wird nämlich vom Gegenstand her bestimmt. Der Neid aber ist auf Grund seines Gegenstandes der Liebe entgegengesetzt, die das geistliche Leben der Seele ist ; gemäß 1 J o 3, 14: „Wir wissen, daß wir vom Tode ins Leben hinübergeschritten sind, weil wir die Brüder lieben." Gegenstand beider, nämlich der Liebe wie des Neides, ist das Gut des Nächsten, aber im Sinne einer entgegengesetzten Bewegung: die Liebe nämlich freut sich über das Gut des Nächsten, der Neid aber ist traurig darüber (Art. lf.). Es liegt also auf der Hand, daß der Neid seiner Art nach eine Todsünde ist. Es gibt in jeder Art von Todsünde gewisse unvollkommene Regungen im Bereich der Sinnlichkeit, die [nur] läßliche Sünden sind ; so im Bereich des Ehebruchs die erste Regung der Begierde und im Bereich des Mordes die erste Regung des Zornes (35, 3; I - I I 72, 5 Zu 1 : Bd. 12). So finden sich auch im Bereich des Neides, zuweilen sogar bei vollkommenen Menschen, gewisse erste Regungen, die läßliche Sünden sind. Zu 1. Soweit die Regung des Neides eine Leidenschaft der Q U A E S T I O 36, ,
SED CONTRA est quod dicitur Job 5: „Parvulum occidit invidia." Nihil autem occidit spiritualiter nisi peccatum mortale. Ergo invidia est peccatum mortale. RESPONDEO dicendum quod invidia ex genere suo est peccatum mortale. Genus enim peccati ex objecto consideratur. Invidia autem, secundum rationem sui objecti, contrariatur caritati, per quam est vita animae spiritualis, secundum illud 1 Joan. 3: „Nos scimus quoniam translati sumus de morte ad vitam, quoniam diligimus fratres." Utriusque enim objectum, et caritatis et invidiae, est bonum proximi, sed secundum contrarium motum: nam Caritas gaudet de bono proximi, invidia autem de eodem tristatur, ut ex dictis patet. Unde manifestum est quod invidia ex suo genere est peccatum mortale. Sed sicut supra dictum est, in quolibet genere peccati mortalis inveniuntur aliqui imperfecti motus in sensualitate existentes qui sunt peccata venialia: sicut in genere adulterii primus motus concupiscentiae, et in genere homicidii primus motus irae. Ita etiam et in genere invidiae inveniuntur aliqui primi motus quandoque etiam in viris perfectis, qui sunt peccata venialia. A D PRIMUM ergo dicendum quod motus invidiae secundum 45
30, 3 Sinnlichkeit ist, ist sie etwas Unvollkommenes im Bereich der menschlichen Handlungen, deren Ursprung die Vernunft ist. Deshalb ist ein solcher Neid keine Todsünde. — Dasselbe gilt von dem Neid der Kinder, die den Gebrauch der Vernunft noch nicht haben. Daraus ergibt sich die Lösung Zu 2. Zu 3. Nach Aristoteles ist der Neid sowohl der Entrüstung wie auch dem Mitleid entgegengesetzt, aber in verschiedener Hinsicht. Denn dem Mitleid ist er unmittelbar entgegengesetzt auf Grund der Gegensätzlichkeit des Hauptgegenstandes. Der Neidische nämlich ist über das Gut des Nächsten traurig; der Mitleidige aber ist über das Übel des Nächsten traurig. Daher sind die Neidischen nicht mitleidig (Aristoteles), und umgekehrt. Von Seiten dessen aber, über dessen Gut der Neidische traurig ist, ist der Neid der Entrüstung entgegengesetzt. Der sich Entrüstende nämlich ist traurig über das Gut derjenigen, die sich nicht würdig aufführen; gemäß Ps 73 (72), 3: „Ich ereiferte mich über die Frevler, da ich den Frieden der Sünder sah." Der Neidische aber ist traurig über das Gut derer, die seiner würdig sind. Daher ist die erste Gegensätzlichkeit unmittelbarer als die zweite. Das Mitleid aber ist eine Tugend und eigentliche Wirkung der Liebe [Fr. 28 Vorw.; Fr. 30: Bd. 17 A], Daher ist der Neid sowohl dem Mitleid als auch der Liebe entgegengesetzt. Q U A E S T I O 36, ,
quod est passio sensualitatis, est quoddam imperfectum in genere actuum humanorum, quorum principium est ratio. Unde talis invidia non est peccatum mortale. •— E t similis est ratio de invidia parvulorum, in quibus non est usus rationis. Unde patet responsio AD SECUNDUM. AD T E R T I U M dicendum quod invidia, secundum Philo1386 b 9 sophum, in 2 Rhetoricorum [c. 9], opponitur et nemesi et miserib 1 6 cordiae, sed secundum diversa. Nam misericordiae opponitur directe, secundum contrarietatem principalis objecti: invidus enim tristatur de bono proximi; misericors autem tristatur de malo proximi. Unde invidi non sunt misericordes, sicut ibidem 1387 a 3 [1. c.] dicitur, nec e converso. E x parte vero ejus de cujus bono tristatur invidus, opponitur invidia nemesi: nemeseticus enim tristatur de bono indigne agentium, secundum illud Psalmi: „Zelavi super iniquos, pacem peccatorum videns"; invidus autem tristatur de bono eorum qui sunt digni. Unde patet quod prima contrarietas est magis directa quam secunda. Misericordia autem quaedam virtus est, et caritatis proprius effectus. Unde invidia misericordiae opponitur et caritati. 46
4. A R T I K E L Ist der Neid ein
Hauptlaster?
1. Die Hauptlaster werden von den Töchtern der Hauptlaster unterschieden. Der Neid aber ist eine Tochter der eitlen Ruhmsucht. Denn Aristoteles sagt: „Die Ehre und Ruhm lieben, sind in höherem Maße neidisch." Also ist der Neid kein Hauptlaster. 2. Die Hauptlaster scheinen leichter zu sein als jene, die aus ihnen hervorgehen. Gregor sagt nämlich: „Die ersten Laster schleichen sich dem getäuschten Geist unter irgendeinem Vorwand ein. Die folgenden jedoch reißen den Geist hin zu jeder Wahnsinnstat, sie schüchtern den Geist gleichsam durch ihr tierisches Gebrüll ein." Der Neid scheint aber die schwerste Sünde zu sein. Gregor sagt nämlich: „Wenn auch durch jede Sünde, die der Mensch tut, dem Menschenherzen das Gift des alten Feindes eingegeben wird, in dieser Bosheit [des Neides] schüttet die Schlange ihr ganzes Inneres aus und speit die Pest ihrer Bosheit aus, um sie dem Menschen einzuimpfen." Also ist der Neid kein Hauptlaster. 3. Die Töchter des Neides scheinen von Gregor nicht sinnvoll angegeben zu sein. E r sagt: „Aus dem Neid entstehen Q U A E S T I O 36, ,
A R T I C U L U S IV U t r u m i n v i d i a sit v i t i u m c a p i t a l e [Supra 35,4; Mal 8,1; 10,3]
AD QUARTUM sie proceditur. Videtur quod invidia non sit vitium capitale. Vitia enim capitalia distinguuntur contra filias capitalium vitiorum. Sed invidia est filia inanis gloriae: dicit enim Philosophus, in 2 Rhetoricorum [c. 10], quod „amatores honoris et gloriae magis invident". Ergo invidia non est vitium capitale. 2. P R A E T E R E A , vitia capitalia videntur esse leviora quam alia quae ex eis oriuntur: dicit enim Gregorius,'31 Moralium [c. 45]: „Prima vitia deeeptae menti quasi sub quadam ratione se ingerunt: sed quae sequuntur, dum mentem ad omnem insaniam protrahunt, quasi bestiali clamore mentem confundunt." Sed invidia videtur esse gravissimum peccatum: dicit enim Gregorius, 5 Moralium [c. 46]: „Quamvis per omne vitium quod perpetratur humano cordi antiqui hostis virus infunditur, in hac tarnen nequitia tota sua viscera serpens concutit, et imprimendae malitiae pestem vomit." Ergo invidia non est vitium capitale. 3. P R A E T E R E A , videtur quod inconvenienter ejus filiae assignentur a Gregorio, 31 Moralium [c. 45], ubi dicit quod „de 47
1387 b 31
PL /
76 622 A
PL /728
75
PL
B
76/621 B
36, 4 Haß, Ohrenbläserei, Verleumdung, Schadenfreude über das Unglück des Nächsten und Gram, wenn es ihm gut geht." Schadenfreude über das Unglück des Nächsten und Gram über das Wohlergehen [des anderen] scheinen aber dasselbe wie Neid zu sein (Art. 1—3). Also dürfen diese nicht als Töchter des Neides angesehen werden. A N D E R S E I T S steht dem die Autorität Gregors entgegen, der den Neid zu den Hauptlastern zählt und ihm die genannten Töchter [E. 3] zuordnet. ANTWORT: Wie der Überdruß Trauer über das göttlichgeistige Gut ist, so ist der Neid Trauer über das Gut des Nächsten. Der Überdruß ist aber ein Hauptlaster, weil der Mensch aus Überdruß heraus zu Handlungen getrieben wird, entweder um die Traurigkeit zu fliehen oder sich der Traurigkeit hinzugeben (35, 4). Aus demselben Grund wird auch der Neid zu den Hauptlastern gezählt. Z u 1. Gregor sagt: „Die Hauptlaster hängen unter sich so eng zusammen, daß das eine nur aus dem anderen hervorgeht. Die erste Frucht des Hochmutes nämlich ist die eitle Ruhmsucht; wenn diese den von ihr befallenen Geist verdorben hat, zeugt sie bald den Neid. Denn da sie die Macht des eitlen Namens anstrebt, härmt sie sich ab, daß nur ja kein anderer sie erreiche." Es ist also nicht gegen die BeQUAESTIO 36, ,
PL 76/621 A
PL 70/021 C
invidia oritur odium, susurratio, detractio, exultatio in adversis proximi et afflictio in prosperis". Exultatio enim in adversis proximi, et afflictio in prosperis, idem videtur esse quod invidia, ut ex praemissis patet. Non ergo ista debent poni ut filiae invidiae. S E D CONTRA est auctoritas Gregorii, 31 Moralium [1. c.], q U j p o n i t invidiam vitium capitale, et ei praedictas filias assignat. R E S P O N D E O dicendum quod sicut acedia est tristitia de bono spirituali divino, ita invidia est tristitia de bono proximi. Dictum est autem supra acediam esse vitium capitale, ea ratione quia ex acedia homo impellitur ad aliqua facienda vel ut fugiat tristitiam vel ut tristitiae satisfaciat. Unde eadem ratione invidia ponitur vitium capitale. AD PRIMUM ergo dicendum quod, sicut Gregorius dicit, in 31 Moralium [1. c.], ..capitalia vitia tanta sibi conjunctione conjunguntur ut non nisi unum de altero proferatur. Prima namque superbiae soboles est inanis gloria, quae dum oppressam mentem corruperit, mox invidiam gignit: quia dum vani nominis potentiam appetit, ne quis hanc alius adipisci valeat, tabescit." Non est ergo contra rationem vitii capitalis quod 48
wandtnis des Hauptlasters, daß es aus einem anderen 36,4 entsteht; sondern nur dies, daß in ihm kein entscheidender Grund gelegen wäre, aus sich viele Arten von Sünden hervorzubringen. — Vielleicht aber ist gerade der Umstand, daß der Neid offenbar aus der eitlen Ruhmsucht geboren wird, der Grund dafür, daß er weder von Isidor noch von Cassian zu den Hauptlastern gerechnet wird. Zu 2. Aus jenen Worten geht nicht hervor, daß der Neid die größte aller Sünden ist, sondern nur dies: Wenn der Teufel den Neid im Menschen hervorruft, verführt er ihn zu dem, was er [der Teufel] vor allem im Sinne hat; denn, wie bei Gregor weiter angeführt wird, „kam durch den Neid des Teufels der Tod in die Welt" [Wsh 2, 24], Es gibt freilich einen bestimmten Neid, der zu den schwersten Sünden zählt, nämlich die Mißgunst gegenüber der Gnade des Bruders, insofern jemand über das Wachstum der Gnade Gottes und nicht nur über das Gut des Nächsten Schmerz empfindet. Dies zählt deshalb zu den Sünden gegen den Heiligen Geist; denn durch diese Mißgunst ist der Mensch gleichsam auf den Heiligen Geist mißgünstig, der sich in Seinen Werken verherrlicht. Zu 3. Die Zahl der Töchter des Neides kann folgendermaßen erfaßt werden. Im Ansturm des Neides gibt es etwas, Q U A E S T I O 36, ,
ipsum ex alio oriatur: sed quod non habeat aliquam principalein rationem producendi ex se multa genera peccatorum. — Forte tarnen propter hoc quod invidia manifeste ex inani gloria nascitur, non ponitur vitium capitale neque ab Isidoro, in libro de Summo Bono [Sent. 2, 37], 1 neque a Cassiano, in libro de Insti- im. tutis Coenobiorum [5, 1]. 40/203 AD SECUNDUM dicendum quod ex verbis illis non habetur quod invidia sit maximum peccatorum: sed quod quando diabolus invidiam suggerit, ad hoc hominem inducit quod ipse principaliter in corde habet; quia sicut ibi2 inducitur consequenter, „invidia diaboli mors introivit in orbem terrarum". E s t tarnen quaedam invidia quae inter gravissima peccata computatur, scilicet invidentia fraternae gratiae, secundum quod aliquis dolet de ipso augmento gratiae Dei, non solum de bono proximi. Unde ponitur peccatum in Spiritum Sanctum: quia per hanc invidentiam homo quodammodo invidet Spiritui Sancto, qui in suis operibus glorificatur. AD T E R T I U M dicendum quod numerus filiarum invidiae sie potest sumi. Quia in conatu invidiae est aliquid tanquam princi1 1
Cf. Quaest. in Vet. Test., I n Deut., c. 16 ad 7,1 ( P L 83/366 1)). Cf. Gregor., Moral. 5,46 ( P L 75/728 B ) .
49
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36, 4 das Anfang, etwas, das Mitte, und etwas, das Endpunkt ist. E r beginnt damit, daß einer den Ruhm des anderen schmälert, und zwar entweder im geheimen, und so haben wir die ,Ohrenbläserei', oder öffentlich, und so haben wir die .Ehrabschneidung'. Er schreitet fort zur Mitte, wenn der, der den Ruhm des anderen schmälern will, dies entweder fertigbringt, und dann haben wir die .Schadenfreude', oder es nicht fertigbringt, dann haben wir den ,Gram über das Wohlergehen [des anderen]'. Das Ende ist der ,Haß'; denn wie das lustbringende Gut Liebe zeugt, so zeugt die Trauer den Haß (34, 6). Der Gram über das Wohlergehen des Nächsten aber ist einmal der Neid selbst, sofern einer traurig ist über das Wohlergehen eines anderen, weil damit ein gewisser Ruhm verbunden ist ; zum anderen ist er eine Tochter des Neides, sofern das Wohlergehen des Nächsten trotz der Anstrengungen des Neiders erfolgt, der es zu verhindern sucht. — Schadenfreude aber ist nicht unmittelbar dasselbe wie Neid, sondern folgt aus ihm ; denn aus der Trauer über das Gut des Nächsten, die dasselbe ist wie Neid, folgt die Freude über seinen Schaden. Q U A E S T I O 36, ,
pium, et aliquid tanquam medium, et aliquid tanquam terminus. Principium quidem est ut aliquis diminuât gloriam alterius vel in occulto, et sie est susurratio ; vel manifeste, et sie est detractio. Medium autem est quia aliquis intendens diminuere gloriam alterius aut potest, et sic est exultatio in adversis ; aut non potest, et sie est afflictio in prosperis. Terminus autem est in ipso odio : quia sicut bonum delectans causat amorem, ita tristitia causat odium, ut supra dictum est. Afflictio autem in prosperis proximi uno modo est ipsa invidia : inquantum scilicet aliquis tristatur de prosperis alieujus secundum quod habent quandam gloriam. Alio vero modo est Alia invidiae : secundum quod prospera proximi eveniunt contra conatum invidentis, qui nititur impedire. — Exultatio autem in adversis non est directe idem quod invidia, sed ex ea sequitur: nam ex tristitia de bono proximi, quae est invidia, sequitur exultatio de malo ejusdem.
50
37. F R A G E
DIE ZWIETRACHT Darauf ist über die Sünden nachzudenken, die dem Frieden entgegengesetzt sind. U n d zwar erstens: über die Zwietracht, die im Herzen ist; zweitens: über den Streit, der sich in Worten vollzieht [Fr. 38]; drittens: über das, was zur Tat gehört, nämlich Schisma, Zank und Krieg [Fr. 39 ff.]. Zum ersten ergeben sich zwei Einzelfragen: 1. Ist Zwietracht Sünde? 2. Ist sie eine Tochter der eitlen Ruhmsucht? 1. A R T I K E L Ist Zwietracht Sünde ?
1. I n Zwietracht mit jemandem geraten heißt: nicht übereinstimmen mit dem Willen des anderen. Das scheint aber keine Sünde zu sein; denn nicht der Wille des Nächsten ist Richtschnur unseres Willens, sondern allein der Wille Gottes. Also ist Zwietracht keine Sünde. 2. Jeder, der einen anderen zur Sünde verleitet, sündigt selbst. Zwietracht stiften zwischen Menschen scheint aber
QUAESTIO
XXXVII
DE DISCORDIA Deinde considerandum est de peccatis quae opponuntur paci. Et primo, de discordia, quae est in corde; secundo, de conten tione, quae est in ore; tertio, de his quae pertinent ad opus, scilicet, de schismate, rixa et bello. Circa primum quaeruntur duo: 1. Utrum discordia sit peccatum. — 2. Utrum sit filia inanis gloriae. ARTICULUS I Utrum discordia sit peccatum [Infra 42,2 ad 2]
AD PRIMUM sic proceditur. Videtur quod discordia non sit peccatum. Discordare enim ab aliquo est recedere ab alterius volúntate. Sed hoc non videtur esse peccatum: quia voluntas proximi non est regula voluntatis nostrae, sed sola voluntas divina. Ergo discordia non est peccatum. 2. PRAETEREA, quicumque inducit aliquem ad peccandum, et ipse peccat. Sed inducere inter aliquos discordiam non videtur 51
i keine Sünde zu sein; denn Apg 23, 6 f. heißt es: „Als Paulus merkte, daß der eine Teil zu den Sadduzäern, der andere zu den Pharisäern gehörte, rief er laut im Hohen R a t : ,Liebe Brüder, ich bin ein Pharisäer, ein Pharisäerschüler, wegen der Hoffnung auf die Auferstehung der Toten stehe ich vor Gericht.' Als er das sagte, entstand ein Zerwürfnis zwischen Pharisäern und Sadduzäern." Also ist Zwietracht keine Sünde. 3. Sünde, vor allem Todsünde, findet sich nicht bei heiligen Männern. Bei heiligen Männern treffen wir aber Zwietracht an; Apg 15, 39 nämlich heißt es: „Da entstand ein Zerwürfnis zwischen Paulus und Barnabas, so daß sie sich trennten." Also ist Zwietracht keine Sünde, am wenigsten eine Todsünde. A N D E R S E I T S werden Gal 5 , 2 0 die Zerwürfnisse, das heißt aber Zwietracht, zu den Werken des Fleisches gerechnet, von denen es weiter (V. 21) heißt: „Die solches tun, werden das Reich Gottes nicht erlangen." Nur die Todsünde aber schließt vom Reiche Gottes aus. Also ist Zwietracht Todsünde. ANTWORT: Zwietracht ist der Eintracht entgegengesetzt . Eintra cht aber wird durch die Liebe verursacht (29,3: Bd. 17 A), weil die Liebe die Herzen der Vielen auf eines hin bindet; dieses eine ist in erster Linie das göttliche Gut, in zweiter Q U A E S T I O 37,
t
esse peccatum: dicitur enim Act. 23, quod „sciens Paulus quia una pars esset Sadducaeorum et altera Pharisaeorum, exclamavit in concilio: Viri fratres, ego Pharisaeus sum, filius Pharisaeorum: de spe et resurrectione mortuorum ego judicor. E t cum haec dixisset, facta est dissensio inter Pharisaeos et Sadducaeos." Ergo discordia non est peccatum. 3. P R A E T E R E A , peccatum, praecipue mortale, in sanctis viris non invenitur. Sed in sanctis viris invenitur discordia: dicitur enim Act. 15: „Facta est dissensio inter Paulum et Barnabam, ita ut discederent ab invicem." Ergo discordia non est peccatum, et maxime mortale. S E D C O N T R A est quod ad Gal. 5 dissensiones, idest discordiae, ponuntur inter opera carnis, de quibus subditur: „Qui talia agunt, regnum Dei non consequuntur." Nihil autem excludit a regno Dei nisi peccatum mortale. Ergo discordia est peccatum mortale. R E S P O N D E O dicendum quod discordia concordiae opponitur. Concordia autem, ut supra dictum est, ex caritate causatur: inquantum scilicet Caritas multorum corda conjungit in aliquid unum, quod est principaliter quidem bonum divinum, secun-
Linie das Gut des Nächsten. Zwietracht ist demnach Sünde, 37, 1 sofern sie solcher E i n t r a c h t widerstreitet. Man muß aber wissen, daß diese E i n t r a c h t durch die Zwietracht auf zweifache Weise zerstört wird: in einer Weise an sich; in anderer Weise beiläufig. Und zwar heißt im Bereich der menschlichen Handlungen und Regungen ,an sich' das, was unmittelbar beabsichtigt ist. D a h e r gerät einer ,an sich' mit dem Nächsten in Zwietracht, wenn er sich bewußt und absichtlich vom göttlichen Gut und vom Gut des Nächsten abwendet, dem er zustimmen muß. U n d das ist, seiner Art nach, Todsünde wegen des Gegensatzes zur Liebe, mögen auch die ersten Regungen dieser Zwietracht wegen der UnVollkommenheit des Aktes läßliche Sünden sein. ,Beiläufig' aber geschieht etwas im Bereich der menschlichen Handlungen, wenn es unbeabsichtigt ist. W e n n z. B . die Absicht mehrerer auf ein Gut geht, das zur E h r e Gottes oder zum Nutzen des Nächsten ist, der eine aber meint, es handle sich wirklich um ein Gut, der andere aber anderer Meinung ist, so ist solche Zwietracht nur ,beiläufig' gegen das göttliche Gut oder das des Nächsten. U n d solche Zwiet r a c h t ist weder Sünde noch der Liebe entgegen, ausgenommen, wenn eine derartige Zwietracht entweder mit einem I r r t u m im Bereich des Heilsnotwendigen verbunden ist oder einer in ungehöriger Hartnäckigkeit auf seiner Meinung beQ U A E S T I O 37, ,
dario autem bonum proximi. Discordia igitur ea ratione est peccatum, inquantum hujusmodi concordiae contrariatur. Sed sciendum quod haec concordia per discordiam tollitur dupliciter: uno quidem modo, per se; alio vero modo, per accidens. Per sc quidem in humanis actibus et motibus dicitur esse id quod est secundum intentionem. Unde per se discordat aliquis a proximo quando scienter et ex intentione dissentit a bono divino et a proximi bono, in quo debet consentire. E t hoc est peccatum mortale ex suo genere, propter contrarietatem ad caritatem: licet primi motus hujus discordiae, propter imperfectionem actus, sint peccata venialia. Per accidens autem in humanis actibus consideratur ex hoc quod aliquid est praeter intentionem. Unde cum intentio aliquorum est ad aliquod bonum quod pertinet ad honorem Dei vel utilitatem proximi, sed unus aestimat hoc esse bonum, alius autem habet contrariam opinionem, discordia tunc est per accidens contra bonum divinum vel proximi. E t talis discordia non est peccatum, nec repugnat caritati, nisi hujusmodi discordia sit vel cum errore circa ea quae sunt de necessitate salutis, vel pertinacia indebite adhibeatur: cum etiam supra dictum 53
37, l harrt; denn die Eintracht bedeutet als Wirkung der Liebe die Einigung der Willen, nicht der Meinungen (29, 1. 3 Zu 2: Bd. 17A). Daraus ergibt sich, daß die Zwietracht zuweilen aus der Sünde eines einzelnen hervorgeht, z. B. wenn der eine das Gute will, dem der andere bewußt entgegenarbeitet; zuweilen aber sündigen beide, wenn z . B . beide sich gegenseitig ihr Gut mißgönnen und jeder sein eigenes Gut liebt. Zu 1. Der Wille des einen Menschen ist, an sich betrachtet, nicht Richtschnur für den Willen des anderen. Wenn aber der Wille des anderen dem Willen Gottes anhangt, wird er insofern zur Richtschnur, die ausgerichtet ist nach der ersten Richtschnur. Sich in Zwietracht befinden mit einem solchen Willen ist deshalb Sünde, weil man damit zugleich sich mit der göttlichen Richtschnur in Zwietracht befindet. Zu 2. Wie der menschliche Wille, der Gott anhangt, eine recht ausgerichtete Richtschnur ist, mit der in Zwietracht zu sein Sünde wäre, so ist der menschliche Wille, der Gott entgegen ist, eine verkehrte Richtschnur, mit der in Zwietracht zu sein gut ist. Zwietracht säen, wodurch die gute Eintracht, die aus der Liebe stammt, zerstört wird, ist schwere Sünde. Deshalb heißt es Spr 6, 16: „Sechs Dinge sind es, die der Herr haßt, und das siebente verabscheut Seine Seele"; und dieses siebente ist, wie es ebd. (V. 19) QUAESTI0 37, ! est quod concordia quae est caritatis effectus est unio voluntatum, non unio opinionum. E x quo patet quod discordia quandoque est ex peccato unius tantum, puta cum unus vult bonum, cui alius scienter resistit: quandoque autem est cum peccato utriusque, puta cum uterque dissentit a bono alterius, et uterque diligit bonum proprium. AD PRIMUM ergo dicendum quod voluntas unius hominis secundum se considerata non est regula voluntatis alterius. Sed inquantum voluntas proximi inhaeret voluntati Dei, fit per consequens regula regulata secundum primam regulam. E t ideo discordare a tali voluntate est peccatum: quia per hoc discordatur a regula divina. AD SECUNDUM dicendum quod sicut voluntas hominis adhaerens Deo est quaedam regula recta, a qua peccatum est discordare; ita etiam voluntas hominis Deo contraria est quaedam perversa regula, a qua bonum est discordare. Facere ergo discordiam per quam tollitur bona concordia quam Caritas facit, est grave peccatum: unde dicitur Prov. 6: „Sex sunt quae odit Dominus, et septimum detestatur anima ejus", et hoc septimum 54
heißt, „der, der u n t e r B r ü d e r n Zwietracht s ä t " . J e d o c h Zwie- 37, 2 t r a c h t verursachen, d u r c h die eine schlechte E i n t r a c h t , n ä m lich im schlechten Willen, zerstört wird, ist lobenswert. So w a r es lobenswert, d a ß P a u l u s Z w i e t r a c h t s t i f t e t e u n t e r denen, die im Bösen eins w a r e n ; d e n n a u c h der H e r r sagt von Sich Selbst (Mt 10, 34): „ I c h bin n i c h t g e k o m m e n , den Frieden zu bringen, sondern das S c h w e r t . " Z u 3. Die Zwietracht, die zwischen P a u l u s u n d B a r n a b a s b e s t a n d , w a r beiläufig u n d n i c h t ,an sich': jeder nämlich beabsichtigte d a s G u t e ; d e m einen jedoch schien dieses g u t zu sein, d e m a n d e r e n etwas anderes. D a s gehört zur menschlichen Schwäche; es w a r nämlich keine Meinungsverschied e n h e i t in bezug auf das, was heilsnotwendig ist. — Dennoch w a r das alles von der göttlichen Vorsehung so gefügt, wegen des d a r a u s folgenden N u t z e n s . 2. A R T I K E L Ist die Zwietracht eine Tochter der eitlen
Ruhmsucht?
1. D e r Zorn ist als L a s t e r verschieden v o n der eitlen R u h m s u c h t . Die Zwietracht scheint a b e r eine T o c h t e r des Zornes zu sein; g e m ä ß Spr 1 5 , 1 8 : „Der zornige Mensch r u f t Z a n k h e r v o r . " Also ist sie keine T o c h t e r der eitlen R u h m s u c h t . Q U A E S T I O 37, ,
ponit „eum qui seminat inter fratres discordias". Sed causare discordiam per quam tollitur mala concordia, scilicet in mala voluntate, est laudabile. Et hoc modo laudabile fuit quod Paulus dissensionem posuit inter eos qui erant concordes in malo: nam et Dominus de se dicit, Matth. 10: „Non veni pacem mittere, sed gladium." AD TERTIUM dicendum quod discordia quae fuit inter Paulum et Barnabam fuit per accidens et non per se: uterque enim intendebat bonum, sed uni videbatur hoc esse bonum, alii aliud. Quod ad defectum humanum pertinebat: non enim erat talis controversia in his quae sunt de necessitate salutis. — Quamvis hoc ipsum fuerit ex divina Providentia ordinatum, propter utilitatem inde consequentem. ARTICULUS II Utrum discordia sit filia inanis
gloriae
[Infra 38,2; 41,2; 132,5; Mal 9,3]
AD SECUNDUM sie proceditur. Videtur quod discordia non sit filia inanis gloriae. Ira enim est aliud vitium ab inani gloria. Sed discordia videtur esse filia irae: secundum illud Prov. 15: „Vir iracundus provocat rixas." Ergo non est filia inanis gloriae. 55
37, 2
2. Zu J o 7, 39 ,Der Geist war noch nicht gegeben' sagt Augustinus: „Mißgunst trennt, Liebe verbindet." Zwietracht aber ist nichts anderes als Trennung der Willen. Also geht die Zwietracht eher aus der Mißgunst, das heißt dem Neid, hervor als aus der eitlen Ruhmsucht. 3. Das, aus dem viele Übel entstehen, scheint zu den Hauptlastern zu gehören. Die Zwietracht aber ist von der Art; denn zu Mt 12, 25 .Jedes Reich, das in sich selbst uneins ist, wird zerstört werden' sagt Hieronymus: „Wie durch Eintracht kleine Dinge wachsen, so geraten durch Zwietracht die größten in Verfall." Also muß die Zwietracht eher als ein Hauptlaster denn als Tochter der eitlen Ruhmsucht angesehen werden. ANDERSEITS steht dem die Autorität Gregors entgegen. ANTWORT: Zwietracht bedeutet irgendwelches Auseinandergehen der Willen, insofern der Wille des einen auf diesem, der Wille des anderen auf jenem besteht. Daß aber der Wille eines Menschen auf dem Eigenen besteht, kommt daher, daß er das Eigene dem vorzieht, was des anderen ist. Wenn das in ungeordneter Weise geschieht, gehört es zum Hochmut und zur eitlen Ruhmsucht. Deshalb wird ZwieQ U A E S T I O 37, ,
PL 2. PRAETEREA, Augustinus dicit, super Joannem [tr. 32], ' ' e x p o n e n s illud quod habetur joan. 7, ,Nondum erat Spiritus datus': „Livor separat, Caritas 1 jungit." Sed discordia nihil est aliud quam quaedam separatio voluntatum. Ergo discordia procedit ex livore, idest invidia, magis quam ex inani gloria. 3. P R A E T E R E A , illud ex quo multa mala oriuntur videtur esse vitium capitale. Sed discordia est hujusmodi: quia super illud Matth. 12, ,Omne regnum contra se divisum desolabitur', dicit Hieronymus: 2 „Quo modo concordia parvae res crescunt, sic discordia maximae dilabuntur." Ergo ipsa discordia debet poni vitium capitale, magis quam filia inanis gloriae. PL SED CONTRA est auctoritas Gregorii, 31 Moralium [c. 45], 1 A RESPONDEO dicendum quod discordia importai quandam disgregationem voluntatum: inquantum scilicet voluntas unius stat in uno, et voluntas alterius stat in altero. Quod autem voluntas alicujus in proprio sistat, provenit ex hoc quod aliquis ea quae sunt sua praefert his quae sunt aliorum. Quod cum inordinate fit, pertinet ad superbiam et inanem gloriam. Et ideo dis1
August.: sanitas. In Matth., lib. 2 ad 12,25 (PL 26,82 C); cf. Sallust., Bellum Jugurthinum, e. 10. Ed. Kurfeß (Tb.). Lipsiae 1957, p. 61. 1
56
tracht, bei welcher jeder dem Eigenen folgt und sich abkehrt 37, 2 von dem, was des anderen ist, als Tochter der eitlen R u h m sucht angesehen. Z u 1. Zank ist nicht dasselbe wie Zwietracht. Denn Zank besteht in einem äußeren T u n ; daher trifft es zu, daß er vom Zorn verursacht wird, der den Geist dazu anstachelt, dem Nächsten zu schaden. Zwietracht aber besteht im Auseinanderstreben der Willensbewegungen, und dieses wird vom H o c h m u t oder von der eitlen R u h m s u c h t verursacht (Antw.). Z u 2. B e i der Zwietracht ist als Ausgangspunkt die Abkehr vom Willen des anderen anzusehen, und insofern wird sie vom Neid verursacht; als Zielpunkt aber die Hinkehr zum Eigenen, und insofern wird sie [die Zwietracht] von der eitlen R u h m s u c h t verursacht. Weil nun bei jeder Bewegung der Zielpunkt wichtiger ist als der Ausgangspunkt (denn das Ziel ist wichtiger als der Ursprung), wird die Zwietracht eher als Tochter der eitlen R u h m s u c h t denn als Tochter des Neides angesehen; doch ist es durchaus möglich, daß sie unter den angegebenen verschiedenen Hinsichten aus beiden hervorgeht. Z u 3. Die großen Dinge wachsen durch E i n t r a c h t und geraten durch Zwietracht in Verfall — deshalb, weil eine K r a f t , je mehr sie zusammengefaßt ist, um so stärker ist, durch Trennung aber schwächer wird (Buch vondenUrsachen)[14], QUAESTIO 37, . cordia, per quam unusquisque sequitur quod suum est et recedit ab eo quod est alterius, ponitur filia inanis gloriae. AD PRIMUM ergo dicendum quod rixa non est idem quod discordia. Nam rixa consistit in exteriori opere: unde convenienter causatur ab ira, quae movet animum ad nocendum proximo. Sed discordia consistit in disjunctione motuum voluntatis: quam facit superbia vel inanis gloria, ratione jam dicta. AD SECUNDUM dicendum quod in discordia consideratur quidem ut terminus a quo recessus a voluntate alterius: et quantum ad hoc causatur ex invidia. U t terminus autem ad quem, accessus ad id quod est sibi proprium: et quantum ad hoc causatur ex inani gloria. E t quia in quolibet motu terminus ad quem est potior termino a quo (finis enim est potior principio), potius ponitur discordia filia inanis gloriae quam invidiae: licet ex utraque oriri possit secundum diversas rationes, ut dictum est. AD T E R T I U M dicendum quod ideo concordia magnae res crescunt et per discordiam dilabuntur, quia virtus quanto est magis unita, tanto est fortior, et per separationem diminuitur; 57
37, 2 Daher gehört dies offenbar zur eigentlichen Wirkung der Zwietracht, die in der Trennung der Willen besteht; das hat aber nichts mit einem Ursprung verschiedener Laster aus der Zwietracht zu tun, auf Grund dessen sie die Bewandtnis eines Hauptlasters hätte. QUAESTIO 37, , ut dicitur in libro de Causis [prop. 10. 17]. Unde patet quod hoc pertinet ad proprium effectum discordiae, quae est divisio voluntatum: non autem pertinet ad originem diversorum vitiorum a discordia, per quod habeat rationem vitii capitalis.
58
3 8. F R A G E
DER STREIT Darauf ist übsr den Streit nachzudenken. Dazu ergeben sich zwei Einzelfragen: 1. Ist Streit eine Todsünde? 2. Ist er eine Tocht3r der eitlen Ruhmsucht? 1. A R T I K E L Ist Streit eine
Todsünde?
1. Todsünde kommt bsi geisterfüllten Menschen nicht vor. Und doch gibt es bei ihnen Streit; gemäß Lk 22, 24: „Es erhob sich ein Streit unter den Jüngern Jesu, wer von ihnen der größere wäre." Also ist Streit keine Todsünde. 2. Keiner, der in seiner Grundhaltung gut ist, darf an der Todsünde im Nächsten Freude haben. Der Apostel schreibt aber an die Philipper (1, 17): „Einige verkünden Christus aus Streitsucht." Und nachher (V. 18) fügt er hinzu: „Darüber freue ich mich und werde ich mich immer freuen." Also ist Streit keine Todsünde. 3. Es kommt vor, daß einige, sei es vor Gericht, sei es im
QUAESTIO
XXXVIII
DE CONTENTIONS Deinde considerandum est de contentione. E t circa hoc q u a e r u n t u r duo : 1. U t r u m contentio sit peceatum mortale. — 2. U t r u m sit filia inanis gloriae. ARTICULUS I contentio sit p e c c a t u m mortale [2 Tim 2,14: lect. 2] A D P R I M U M sic proceditur. Videtur quod contentio non sit peccatum mortale. P e c c a t u m enim mortale in viris spiritualibus non invenitur. I n quibus t a m e n invenitur contentio : secundum illud Lue. 22: „ F a c t a est contentio inter discipulos Jesu, quis eorum esset m a j o r . " Ergo contentio non est peccatum mortale. 2. P R A E T E R E A , nulli bene disposito debet piacere peccat u m mortale in proximo. Sed dicit Apostolus, ad Phil. 1 : „Quid a m ex contentione Christum a n n u n t i a n t " ; et postea subdit : „ E t in hoc gaudeo: sed et gaudebo." Ergo contentio non est peccatum mortale. 3. P R A E T E R E A , contingit quod aliqui vel in judicio vel in Utrum
59
38, i Streitgespräch, nicht ans böswilliger Absicht miteinander streiten, sondern im Gegenteil auf das Gute ausgerichtet sind, wie jene, die im Streitgespräch gegen die Irrlehre streiten. Daher sagt die Glosse zu 1 Sm 14, 1 ,Eines Tages begab es s i c h . . . ' : „Die Katholiken führen gegen die Irrlehrer Streitgespräche, wo sie zum Streit aufgefordert werden." Also ist Streit keine Todsünde. 4. Es scheint, daß Job mit Gott gestritten hat; gemäß Job 39, 32 : „Ist der, der mit Gott streitet, so leicht zum Schweigen gebracht ? " Und doch sündigte Job nicht schwer ; denn der Herr sagt von ihm : „Ihr habt nicht recht von Mir geredet wie Mein Diener Job" (Job 42, 7). Also ist Streit nicht immer Todsünde. A N D E R S E I T S widerspricht er dem Gebot des Apostels (2 Tim 2, 14) : „Lasse dich nicht auf Wortstreit ein." Und Gal 5, 20 wird der Streit zu den Werken des Fleisches gezählt [15], und „die solches tun, werden das Reich Gottes nicht besitzen" (V. 21). Alles aber, das vom Reiche Gottes ausschließt und dem Gebot widerspricht, ist Todsünde. Also ist Streit eine Todsünde. A N T W O R T : Streiten heißt: gegen einen angehen [16]. Wie nun die Zwietracht Gegensätzlichkeit im Willen bedeutet, so bedeutet Streit eine Gegensätzlichkeit in der Rede. QUAESTIO 38, ,
disputatione contondunt non aliquo animo malignandi, sed potius intendentes ad bonum : sicut illi qui contra haereticos disputando contendunt. Unde super illud, 1 Reg. 14, „Accidit quadam die", etc., dicit Glossa: „Catholici contra haereticos contentiones commovent, ubi prius ad certamen convocantur." Ergo contentio non est peccatum mortale. 4. P R A E T E R E A , Job videtur cum Deo contendisse: secundum illud Job 39 : „Numquid qui contendit cum Deo tarn facile conquiescit?" Et tarnen Job non peccavit mortaliter: quia Dominus de eo dicit: „Non estis locuti recte coram me, sicut servus meus Job", ut habetur Job ult. Ergo contentio non Semper est peccatum mortale. SED CONTRA est quod contrariatur praecepto Apostoli, qui dicit 2 ad Tim. 2: „Noli verbis contendere." Et Gal. 5 contentio numeratur inter opera carnis, „quae qui agunt, regnum Dei non possident", ut ibidem dicitur. Sed omne quod excludit a regno Dei, et quod contrariatur praecepto, est peccatum mortale. Ergo contentio est peccatum mortale. RESPONDEO dicendum quod contendere est contra aliquem tendere. Unde sicut discordia contrarietatem quandam importât in voluntate, ita contentio contrarietatem quandam impor00
Deshalb spricht man auch dort von ,Streit', wo ein Satz sich 38, 1 in Gegensätzen bewegt. Dies ist nach Cicero eine bestimmte ,Tönung' in der Redekunst: „Streit liegt dann vor, wenn der Satz gegensätzlich aufgebaut ist; etwa so: Die Schmeichelei hat einen süßen Anfang und ein bitteres Ende." Die Gegensätzlichkeit in der Rede kann nun in doppelter Hinsicht verstanden werden: einmal hinsichtlich der Absicht, zum anderen hinsichtlich der Art und Weise. Bezüglich der Absicht muß man sehen, ob einer der Wahrheit widerspricht, was Tadel verdient; oder dem Irrtum, was lobenswert ist. Bezüglich der A r t und Weise muß man darauf achten, ob solche A r t und Weise zu widersprechen sowohl den Personen wie auch den Verhandlungsgegenständen angemessen ist, und dann wäre sie zu loben (so sagt Cicero: „Der Streit ist eine scharfe Rede, geeignet [eine Sache] zu erhärten und zunichte zu machen"); oder ob sie das den Personen und Verhandlungsgegenständen angemessene Maß überschreitet, und dann ist der Streit zu tadeln. Wenn demnach der Streit genommen wird, sofern er einen Angriff auf die Wahrheit und eine unangemessene Art und Weise beinhaltet, ist er Todsünde. In dieser Weise bestimmt Ambrosius den Streit: „Streit ist ein Angriff auf die WahrQ U A E S T I O 38, ,
tat in locutione. Et propter hoc etiam cum oratio alicujus per contraria se diffundit, vocatur contentio, quae ponitur unus color rhetoricus a Tullio, 1 qui dicit: „Contentio est cum ex contrariis rebus oratio efficitur, hoc pacto: Habet assentatio jucunda principia, eadem exitus amarissimos affert." Contrarietas autem locutionis potest attendi dupliciter: uno modo, quantum ad intentionem contendentis; alio modo, quantum ad modum. In intentione quidem considerandum est utrum aliquis contrarietur veritati, quod est vituperabile: vel falsitati, quod est laudabile. In modo autem considerandum est utrum talis modus contrariandi conveniat et personis et negotiis, quia hoc est laudabile (unde et Tullius dicit, in 3 Rhetoricorum ad Herennium, 2 quod „contentio est oratio acris ad confirmandum et confutandum accommodata"): vel excedat convenientiam personarum et negotiorum, et sie contentio est vituperabilis. Si ergo aeeipiatur contentio secundum quod importat impugnationem veritatis et inordinatum modum, sie est peccatum mortale. Et hoc modo definit Ambrosius contentionem, dicens TGlossa Lomb. ad Rom. 1, 291: „Contentio est impuenatio veri- PL
191/1335 C
1
M. Tulli Ciccronis Scripta quae manserunt omnia. Fase. 1: Ad ('. TTcrennium libri IV. Lib. 4,15. Iterum ree. Marx (Tb). Lipniae 1923. p. 128. ' c. 13: Ed. Marx (Tb), p. 90.
61
i heit im Vertrauen auf die Lautstärke." — Wenn es sich aber bei dem Streit um einen Angriff auf den Irrtum handelt mit der gehörigen Mäßigung in der Schärfe, dann ist der Streit lobenswert. — Handelt es sich aber bei dem Streit um einen Angriff auf den Irrtum in ungehöriger Weise, so kann er läßliche Sünde sein, es sei denn, die Unordnung im Streiten würde solche Ausmaße annehmen, daß es zum Ärgernis für andere würde. Als daher Paulus 2 Tim 2, 14 gesagt hatte: „Lasse dich nicht auf Wortstreit ein", fügt er hinzu : „Das ist nämlich zu nichts nütze als höchstens zum Verderben der Hörer." Z u 1. Bei den Jüngern Christi gab es keiner» Streit mit der Absicht, die Wahrheit zu bekämpfen; denn ein jeder verteidigte das, was ihm wahr zu sein schien. Doch gab es bei ihrem Streit eine Unordnung, weil sie sich über etwas stritten, über das man nicht streiten soll, nämlich über den Vorrang in der Ehre; sie waren noch nicht geisterfüllt (Glosse). Deshalb hat der Herr sie nachher auch zurechtgewiesen. Z u 2. Diejenigen, die nur aus Streitsucht Christus predigten, waren zu tadeln. Wenn sie auch die Wahrheit des Glaubens nicht bekämpften, sondern predigten, so bekämpften sie die Wahrheit doch insofern, als sie meinten, auf den Apostel, der die Wahrheit des Glaubens verkündete, „Trübsal Q U A E S T I O 38, ,
tatis cum confldentia clamoris." — Si autem contentio dicatur impugnatio falsitatis cum debito modo acrimoniae, sie contentio est laudabilis. — Si autem aeeipiatur contentio secundum quod importât impugnationem falsitatis cum inordinato modo, sie potest esse peccatum veniale : nisi forte tanta inordinatio fiat in contendendo quod ex hoc generetur scandalum aliorum. Unde et Apostolus, cum dixisset, 2 ad Tim. 2, „Noli verbis contendere", subdit: „Ad nihil enim utile est, nisi ad subversionem audientium." A D PRIMUM ergo dicendum quod in diseipulis Christi non erat contentio cum intentione impugnandi veritatem : quia unusquisque defendebat quod sibi verum videbatur. Erat tarnen in eorum contentione inordinatio : quia contendebant de quo non erat contendendum, scilicet de primatu honoris; nondum enim erant spirituales, sicut Glossa 1 ibidem dicit. Unde et Dominus eos consequenter compescuit. A D SECUNDUM dicendum quod illi qui ex contentione Christum praedicabant reprehensibiles erant : quia quam vis non impugnarent veritatem fidei, sed eam praedicarent, impugnabant tarnen veritatem quantum ad hoc putabant „se suscitare 1
Cf. Beda, In Luc., lib. 6 ad 22,24 ( P I 92/598 C).
laden" zu können [Phil 1, 17]. So freute sich der Apostel 38, i nicht etwa über ihren Streit, sondern über den daraus sich ergebenden Erfolg, nämlich daß Christus verkündigt wurde ; denn aus Bösem kann gelegentlich auch Gutes hervorgehen. Z u 3. Nimmt man Streit im Vollsinne, insofern er eine Todsünde ist, dann ,streitet' derjenige vor Gericht, der gegen die Wahrheit der Gerechtigkeit kämpft; und im Streitgespräch streitet derjenige, der die Wahrheit der Lehre zu bekämpfen beabsichtigt. Und insofern streiten die Katholiken nicht gegen die Irrlehrer, sondern eher umgekehrt. Nimmt man aber Streit vor Gericht oder im Streitgespräche im abgeschwächten Sinne, sofern er eine gewisse Schärfe der Rede besagt, so ist er nicht immer Todsünde. Z u 4. Streit wird dort im weiteren Sinne, nämlich für Streitgespräch, genommen. Job hatte nämlich 13, 3 gesagt: „Mit dem Allmächtigen möchte ich sprechen und ich wünsche, mit Gott ein Streitgespräch zu führen." Doch wollte er weder die Wahrheit bekämpfen, sondern erforschen [17]; noch wollte er bei dieser Untersuchung sich auf irgendwelche Unordnung, sei es des Geistes, sei es der Stimme, einlassen. Q U A E S T I O 38, ,
pressuram" Apostolo veritatem fidei praedicanti. Unde Apostolus non gaudebat de eorum contentione, sed de fructu qui ex hoc proveniebat, scilicet quod Christus annuntiabatur : quia ex malis etiam occasionaliter subsequuntur bona. A D TERTIUM dicendum quod secundum completam rationem contentionis, prout est peccatum mortale, ille in judicio contendit qui impugnat veritatem justitiae: et in disputatione contendit qui intendit impugnare veritatem doctrinae. Et secundum hoc Catholici non contendunt contra haereticos, sed potius e converso. Si autem accipiatur contentio in judicio vel disputatione secundum imperfectam rationem, scilicet secundum quod importât quandam acrimoniam locutionis, sic non Semper est peccatum mortale. A D QUARTUM dicendum quod contentio ibi sumitur communiter pro disputatione. Dixerat enim Job, 13 cap.: „Ad Omnipotentem loquar, et disputare cum Deo cupio" : non tarnen intendens neque veritatem impugnare, sed exquirere; neque circa hanc inquisitionem aliqua inordinatione vel animi vel vocis uti.
G3
38,2
2. A R T I K E L Ist der Streit eine Tochter der eitlen Ruhmsucht ?
1. Der Streit liegt in nächster Nachbarschaft zum Eifer; so heißt es 1 Kor 3, 3: „Wenn es unter euch Eifer[sucht] und Streit gibt, seid ihr dann nicht fleischlich und wandelt nach Menschenweise?" Der Eifer aber gehört zum Neid. Also erwächst der Streit eher aus dem Neid. 2. Streit ist irgendwie mit Geschrei verbunden. Geschrei aber entsteht aus Zorn (Gregor). Also entsteht auch der Streit aus dem Zorn. 3. Unter anderem scheint vor allem das Wissen Anlaß zu Hochmut und eitler Ruhmsucht zu sein; gemäß 1 Kor 8, 1: „Wissen bläht auf." Streit aber kommt meistens von einem Mangel an Wissen, durch das die Wahrheit erkannt, nicht bekämpft wird. Also ist der Streit eine Tochter der eitlen Ruhmsucht. ANDERSEITS steht dem die Autorität Gregors entgegen. ANTWORT: Zwietracht ist eine Tochter der eitlen Ruhmsucht, insofern bei Zwietracht jeder auf seinem Eigenen besteht und keiner dem anderen etwas zugeben will (37, 2). Das Q U A E S T I O 38, ,
Utrum
ARTICULUS II contentio sit filia inanis
gloriae
[Supra 37,2; infra 132,5; Mal 9,3]
PL 76/621 B
ib.
AD SECUNDUM sie proceditur. Videtur quod contentio non sit filia inanis gloriae. Contentio enim affinitatem habet ad zelum: unde dicitur 1 ad Cor. 3: „Cum sit inter vos zelus et contentio, nonne carnales estis, et secundum hominem ambulatis?" Zelus autem ad invidiam pertinet. Ergo contentio magis ex invidia oritur. 2. P R A E T E R E A , contentio cum clamore quodam est. Sed clamor ex ira oritur; ut patet per Gregorium, 31 Moralium [c. 45]. Ergo etiam contentio oritur ex ira. 3. P R A E T E R E A , inter alia scientia praeeipue videtur esse materia superbiae et inanis gloriae, secundum illud 1 ad Cor. 8: „Scientia inflat." Sed contentio provenit plerumque ex defectu scientiae, per quam veritas cognoscitur, non impugnatur. Ergo contentio non est filia inanis gloriae. SED CONTRA est auetoritas Gregorii, 31 Moralium [1. c.]. R E S P O N D E O dicendum quod, sicut supra dictum est, discordia est filia inanis gloriae, eo quod discordantium uterque in suo proprio stat, et unus alteri non acquiescit; proprium autem 64
Eigentümliche des Hochmuts und der eitlen Ruhmsucht aber 38, 2 liegt gerade darin, den eigenen Vorrang zu suchen. Wie nun Zwietracht bei manchen daraus entsteht, daß jeder in seinem Herzen auf dem Eigenen besteht, so entsteht Streit daraus, daß jeder der Streitenden mit Worten das verteidigt, was ihm [richtig] scheint. Der Streit wird also mit demselben Recht als Tochter der eitlen Ruhmsucht bezeichnet wie die Zwietracht. Zu 1. Streit wie Zwietracht haben nächste Nachbarschaft zum Neid, insofern der eine vom anderen, mit dem er sich entzweit hat oder im Streit liegt, abrückt. In bezug auf das aber, worauf der Streitende besteht, hat der Streit Verwandtschaft mit dem Hochmut und der eitlen Ruhmsucht, insofern nämlich jeder auf seiner Meinung beharrt (Antw.). Zu 2. Geschrei wird beim Streit, von dem hier die Rede ist, zu Hilfe genommen, um die Wahrheit zu bekämpfen. Es ist also nicht die Hauptsache beim Streit. Demnach stammt der Streit nicht notwendig von dorther, woher das Geschrei stammt. Zu 3. Hochmut und Ruhmsucht werden vor allem veranlaßt durch Güter, auch wenn diese ihnen entgegengesetzt sind, so wenn einer auf seine Demut stolz ist. Denn eine derartige Herkunft ist nicht wesensgemäß, sondern beiläufig, und in diesem Sinne steht nichts im Wege, daß der GegenQ U A E S T I O 38, ,
superbiae est et inanis gloriae propriam excellentiam quaerere. Sicut autem discordantes aliqui sunt ex hoc quod stant corde in propriis, ita contendentes sunt aliqui ex hoc quod unusquisque verbo id quod sibi videtur defendit. E t ideo eadem ratione ponitur contentio filia inanis gloriae sicut et discordia. AD PRIMUM ergo dicendum quod contentio, sicut et discordia, habet affinitatem cum invidia quantum ad recessum ejus a quo aliquis discordat vel cum quo contendit. Sed quantum ad id in quo sistit ille qui contendit, habet convenientiam cum superbia et inani gloria, inquantum scilicet in proprio sensu statur, ut supra dictum est. AD SECUNDTJM dicendum quod clamor assumitur in contentione de qua loquimur ad finem impugnandae veritatis. Unde non est principale in contentione. E t ideo non oportet quod contentio ex eodem derivetur ex quo derivatur clamor. AD T E R T I U M dicendum quod superbia et inanis gloria occassionem sumunt praecipue a bonis, etiam sibi contrariis, puta cum de humilitate aliquis superbit: est enim hujusmodi derivatio non per se, sed per accidens, secundum quem modum 5
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05
satz aus d e m Gegensatz e n t s t e h t . Deshalb s t e h t nichts im Wege, d a ß das, was aus H o c h m u t u n d eitler R u h m s u c h t unm i t t e l b a r e n t s t e h t , aus d e m Gegensatz dessen v e r u r s a c h t wird, aus d e m gelegentlich H o c h m u t e n t s t e h t . Q U A E S T I O 38, ,
nihil prohibet contrarium a contrario oriri. Et ideo nihil prohibet ea quae ex superbia vel inani gloria per se et directe oriuntur causari ex contrariis eorum ex quibus occassionaliter superbia oritur.
CG
3 9. F R A G E
DAS SCHISMA Darauf ist über jene Laster nachzudenken, die dem Frieden entgegengesetzt sind und sich im Werk äußern. Diese sind Schisma, Zank [Fr. 41], Aufruhr [Fr. 42] und Krieg [Fr. 40]. Erstens ergeben sich zum Schisma vier Einzelfragen : 1. Ist das Schisma eine arteigene Sünde? 2. Ist es [eine] schwerere Sünde] als Unglaube? 3. Die Vollmacht der Schismatiker. 4. Ihre Bestrafung. 1. A R T I K E L Ist das Schisma eine arteigene Sünde ? 1. „Schisma besagt Spaltung" (Papst Pelagius). Nun bewirkt aber jede Sünde eine Spaltung; gemäß Is 59, 2 : „Eure Sünden sind zur Scheidewand geworden zwischen euch und eurem Gott." Also ist das Schisma keine arteigene Sünde. 2. Schismatiker scheinen die zu sein, die der Kirche nicht gehorchen. Der Mensch wird aber durch jede Sünde ungehorsam gegenüber den Geboten der Kirche; denn die Sünde QUAESTIO
XXXIX
D E SCHISMATE Deinde considerandum est de vitiis oppositis paci pertinentibus ad opus; quae sunt schisma, rixa, seditio et bellum. Primo ergo circa schisma quaeruntur quatuor: 1. Utrum schisma sit speciale peccatum. — 2. Utrum sit gravius infidelitate. — 3. De potestate schismaticorum. — 4. De poena eorum. Utrum
ARTICULUS I schisma sit p e c c a t u m
speciale
[4 d 13: 2,1 ad 2]
AD P R I M U M sie proceditur. Videtur quod schisma non sit peccatum speciale. „Schisma" enim, ut Pelagius Papa dicit, 1 „scissuram sonat". Sed omne peccatum scissuram quandam facit: secundum illud Is. 59: „Peccata vestra diviserunt inter vos et Deum vestrum." Ergo schisma non est speciale peccatum. 2. P R A E T E R E A , illi videntur esse schismatici qui Ecclesiae non obediunt. Sed per omne peccatum fit homo inobediens praeeeptis Ecclesiae: quia peccatum, secundum Ambrosium 1 Fragm.'epist. ad Victorem et Pancratium (Mansi 9/731); cf. Gratian., Decretum I I 24, 1 can. 34 (Krdb 1/979).
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39, ì ist nach Ambrosius „Ungehorsam gegenüber den Geboten des Himmels". Also bedeutet jede Sünde ein Schisma.
3. Auch die Häresie trennt den Menschen von der Einheit des Glaubens. Wenn ,Schisma' also Trennung bedeutet, scheint es nicht als arteigene Sünde von der Sünde des Unglaubens verschieden zu sein. A N D E R S E I T S unterscheidet Augustinus Schisma und Häresie voneinander, wenn er sagt: „Schisma liegt vor, wenn einer, der dasselbe glaubt und [Gott] mit demselben Ritus verehrt wie die anderen, sich über die bloße Auflösung der Gemeinschaft freut" ; die Häresie aber stimmt nicht mit dem überein, was die katholische Kirche glaubt. Also ist Schisma keine allgemeine Sünde. A N T W O R T : Nach Isidor wird ,Schisma' „von der Spaltung der Herzen her benannt" [18]. Spaltung ist aber der Einheit entgegengesetzt. Sünde des Schismas also wird das genannt, was unmittelbar und an sich der Einheit entgegengesetzt ist. Wie nämlich im Bereich der Natur nicht das, was beiläufig ist, die Art ausmacht, so auch nicht im Bereich des Sittlichen. In diesem ist das, was in der Absicht liegt, an sich ; das, was außerhalb der Absicht liegt, gleichsam beiläufig. Also ist das Schisma im eigentlichen Sinne eine arteigene Sünde, weil es in seiner Absicht liegt, sich von der Q U A E S T I O 39, ,
PL [De Paradiso, c. 8], est „caelestium inobedientia mandatorum". 14/292 D Èrgo omne peccatum est schisma. 3. P R A E T E R E A , haeresis etiam dividit hominem ab unitate fidei. Si ergo schismatis nomen divisionem importai, videtur quod non differat a peccato iniìdelitatis quasi speciale peccatum. PL SED CONTRA est quod Augustinus, contra Faustum [20, 3], 42/309 l) distinguit inter schisma et haeresim, dicens quod „schisma est eadem opinantem atque eodem ritu colentem quo ceteri, solo congregationis delectari dissidio" : haeresis vero diversa opinatur ab his quae catholica credit Ecclesia. Ergo schisma non est generale peccatum. RESPONDEO dicendum quod, sicut Isidorus dicit, in libro PL Etymologiarum [8, 3], nomen schismatis „a scissura animorum S2/297 A vocatum est". Scissio autem unitati opponitur. Unde peccatum schismatis dicitur quod directe et per se opponitur unitati: sicut enim in rebus naturalibus id quod est per accidens non constituit speciem, ita etiam nec in rebus moralibus. In quibus id quod est intentum est per se: quod autem sequitur praeter intentionem est quasi per accidens. E t ideo peccatum schismatis proprie est speciale peccatum ex eo quod intendit se ab unitate
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Einheit zu trennen, die durch die heiiige Liebe zustande 39, 1 k o m m t . Diese eint durch das geistige B a n d der Liebe nicht nur eine Person der anderen, sondern die ganze K i r c h e in der E i n h e i t des Geistes. Schismatiker im eigentlichen Sinne werden deshalb diejenigen genannt, die sich aus eigenem Antrieb und in voller Verantwortung von der E i n h e i t der K i r c h e trennen, die die grundlegende E i n h e i t i s t ; denn die Teileinheit einzelner untereinander ist auf die E i n h e i t der K i r che hingeordnet, wie die Anordnung der einzelnen Glieder in einem natürlichen K ö r p e r auf die E i n h e i t des ganzen K ö r pers hingeordnet ist. Die E i n h e i t der K i r c h e aber liegt in zwei Dingen: nämlich in dem Zusammenschluß der Glieder der K i r c h e untereinander bzw. in ihrer Lebensgemeinschaft und dann in der Hinordnung aller Glieder der K i r c h e auf das eine H a u p t ; gemäß K o l 2, 18 f . : „ . . .der in seinem fleischlichen Sinne aufgebläht ist und sich nicht an das H a u p t hält, durch das doch der ganze L e i b , durch Gelenke und B ä n d e r gestützt und zusammengehalten, heranwächst zum W a c h s t u m in G o t t . " Dieses H a u p t aber ist Christus Selbst, dessen Stelle der P a p s t in der K i r c h e vertritt. Deshalb werden Schismatiker jene genannt, die sich dem P a p s t nicht unterwerfen wollen und sich weigern, mit den ihm untergebenen Gliedern der K i r c h e Gemeinschaft zu haben. Z u 1. Die Trennung des Menschen von Gott durch die QUAEST10 30, i separare quam Caritas faci,t. Quae non solum alteram personam alteri unit spirituali dilectionis vinculo, sed etiam totam Ecclesiam in unitate spiritus. E t ideo proprie schismatici dicuntur qui propria sponte et intentione se ab unitate Ecclesiae separant, quae est unitas principalis: nam unitas particularis aliquorum ad invicem ordinatur ad unitatem Ecclesiae, sicut compositio singulorum membrorum in corpore naturali ordinatur ad totius corporis unitatem. Ecclesiae autem unitas in duobus attenditur: scilicet in connexione membrorum Ecclesiae ad invicem, seu communicatione; et iterum in ordine omnium membrorum Ecclesiae ad unum caput; secundum illud ad Col. 2 : „Inflatus sensu carnis suae, et non tenens caput, ex quo totum corpus, per nexus et conjunctiones subministratum et constructum, crescit in augmentum Dei." Hoc autem caput est ipse Christus: cujus vicem in Ecclesia gerit Summus Pontifex. E t ideo schismatici dicuntur qui subesse renuunt Summo Pontifici, et qui membris Ecclesiae ei subjectis communicare recusant. AD PRIMUM ergo dicendum quod divisio hominis a Deo per 09
i Sünde ist vom Sünder nicht beabsichtigt, sondern ergibt sich ohne seine Absicht aus seiner ungeordneten Hinwendung zum vergänglichen Gut. Deshalb ist sie nicht Schisma im eigentlichen Sinne. Zu 2. Der Ungehorsam gegen die Gebote, verbunden mit einer gewissen Auflehnung, macht den Begriff des Schismas aus. Ich spreche aber dann von Auflehnung, wenn einer sowohl hartnäckig die Gebote der Kirche verachtet als auch sich weigert, sich ihrem [der Kirche] Urteil zu unterwerfen. Das t u t aber nicht jeder Sünder. Deshalb ist nicht jede Sünde Schisma. Z u 3. Häresie und Schisma werden nach dem unterschieden, dem sie an sich und unmittelbar entgegengesetzt sind. Die Häresie ist aber an sich dem Glauben entgegengesetzt; das Schisma aber ist an sich der Einheit der in der Kirche herrschenden Liebe entgegengesetzt. Wie nun Glaube und Liebe verschiedene Tugenden sind, wenn auch jeder, der den Glauben nicht hat, auch keine Liebe hat, so sind auch Schisma und Häresie verschiedene Laster, obwohl jeder Häretiker zugleich auch Schismatiker ist, nicht aber umgekehrt. Das meint Hieronymus, wenn er sagt: „Zwischen Schisma und Häresie liegt, glaube ich, dieser Unterschied: bei der Häresie liegt eine verkehrte Glaubenslehre vor, das Schisma trennt von der Kirche." Q U A E S T I O 39, ,
peccatum non est intenta a peccante, sed praeter intentionein ejus accidit e x inordinata conversione ipsius ad commutabile bonum. E t ideo n o n est schisma, per se loquendo. A D S E C U N D U M dicendum quod non obedire praeceptis cum rebellione quadam constituit schismatis rationem. Dico autem cum rebellione, c u m et pertinaciter praecepta Ecclesiae contemnit, et judicium ejus subire recusat. H o c autem non facit quilibet peccator. U n d e non omne peccatum est schisma. A D T E R T I U M dicendum quod haeresis et schisma distinguuntur secundum ea quibus utrumque per se et directe opponitur. N a m haeresis per se opponitur fidei ; schisma a u t e m per se opponitur unitati ecclesiasticae caritatis. E t ideo sicut fides et Caritas sunt diversae virtutes, quamvis quicumque careat fide careat caritate ; ita etiam schisma et haeresis sunt diversa vitia, quamvis quicumque est haereticus sit etiam schismaticus, sed n o n convertitur. E t hoc est quod Hieronymus dicit, in epistola ad Gal. „Inter schisma et haeresim hoc interesse arbitror, quod haeresis perversum dogma habet, schisma ab Ecclesia separat." 1
70
In Titilli) 3,10 ( P L 26/598 A).
Und doch: wie der Verlust der Liebe der Weg zum Ver- 39, 2 lust des Glaubens ist — gemäß 1 Tim 1, 6: „Davon", nämlich von der Liebe und anderem dergleichen, „sind einige abgeirrt und haben sich leerem Gerede zugewandt" —, so ist auch das Schisma ein Weg zur Häresie. Deshalb fügt Hieronymus hinzu: „Anfänglich läßt sich" das Schisma „wenigstens teilweise" als verschieden von der Häresie „verstehen; im übrigen aber besteht kein Schisma, wenn es sich nicht selbst eine Häresie zurechtmacht, damit es rechtmäßig sich von der Kirche getrennt zu haben scheint." 2. A R T I K E L Ist Schisma eine schwerere Sünde als
Unglaube?
1. Die größere Sünde wird auch mit schwererer Strafe geahndet; gemäß Dt 25, 2: „Nach dem Maße der Sünde soll auch die Zahl der Schläge sein." Die Sünde des Schismas aber wird bekanntlich schwerer bestraft als selbst die Sünde des Unglaubens oder die Sünde des Götzendienstes. Denn Ex 32, 27 f. heißt es, daß wegen Götzendienstes einige von Menschenhand durch das Schwert getötet wurden. Von der Sünde des Schismas aber heißt es Nm 16,30: „Wenn der Herr QUAESTIO
39,,
Et tarnen sicut amissio caritatis est via ad amittendum fidom, secundum illud 1 ad Tim. 1: „A quibus quidam aborrantes", scilicet a caritate et aliis hujusmodi, „conversi sunt in vaniloquium"; ita etiam schisma est via ad haeresim. Unde Hieronymus ibidem [1. c.] subdit quod schisma „a prineipio aliqua in parte potest intelligi" diversum ab haeresi: „ceterum nullum schisma est, nisi sibi aliquam haeresim confingat, ut recte ab Ecclesia recessisse videatur." A R T I C U L U S II Utrum schisma sit gravius peccatum infidelitas
quam
[Supra 34,2; 4 d 13: 2,2 ad 4; Mal 2,10 ad 4]
A D SECUNDUM sie proceditur. Videtur quod schisma gravius peccatum sit quam infidelitas. Majus enim peccatum graviori poena punitur: secundum illud Deut. 25: „Pro mensura peccati erit et plagarum modus." Sed peccatum schismatis gravius invenitur punitum quam etiam peccatum infidelitatis sive idololatriae. Legitur enim Ex. 32 quod propter idololatriam sunt aliqui humana manu gladio interfecti: de peccato autem schismatis legitur Num. 16: „Si novam rem fecerit Dominus, ut 71
39, 2 etwas Unerhörtes vollbringt, daß die E r d e ihren Mund auft u t und sie mit allem, was ihnen gehört, verschlingt und sie lebendig in das Totenreich hinunterfahren, so wißt, daß sie den Herrn gelästert h a b e n . " Auch die zehn S t ä m m e , welche durch die Sünde des Schismas sich vom R e i c h Davids trennten, wurden aufs schwerste bestraft (4 K g 17, 2 0 ff.). Also ist die Sünde des Schismas schwerer als die Sünde des Unglaubens. 2. Das Gut der Menge ist größer und göttlicher als das Gut eines einzelnen (Aristoteles). Das Schisma aber ist gegen das Gut der Menge, das heißt gegen die kirchliche Einheit. D e r Unglaube aber ist gegen das Teilgut eines einzelnen, nämlich gegen den Glauben dieses einzelnen Menschen. Also scheint das Schisma eine schwerere Sünde zu sein als der Unglaube. 3. D e m größeren Ü b e l ist ein größeres Gut entgegengesetzt (Aristoteles). Das Schisma aber ist der Liebe entgegengesetzt, die eine größere Tugend ist als der Glaube, dem der Unglaube entgegengesetzt ist ( 2 3 , 6 : B d . 17A). Also ist das Schisma eine schwerere Sünde als der Unglaube. A N D E R S E I T S : W a s sich aus einer Hinzufügung zu einem anderen ergibt, ist größer als dieses, sei es im Guten oder im Schlechten. Die Häresie aber ergibt sich durch eine Hinzufügung zum Schisma; sie fügt nämlich eine verkehrte GlauQUAESTIO 39, , aperiens terra os suum deglutiat eos et omnia quae ad illos pertinent, descenderintque viventes in infernum, scietis quod blasphemaverunt Dominum." Decem etiam tribus, quae vitio schismatis a regno David receaserunt, sunt gravissime punitae, ut habetur 4 Reg. 17. Ergo peccatum schismatis est gravius peccato infidelitatis. 2. P R A E T E R E A , bonum multitudinis est majus et divinius quam bonum unius; ut patet per Philosophum, in 1 Ethicorum 1094 b 10 [c. 1], Sed schisma est contra bonum multitudinis, idest contra ecclesiasticam unitatem: infidelitas autem est contra bonum particulare unius, quod est fides unius hominis singularis. Ergo videtur quod schisma sit gravius peccatum quam infidelitas. 3. P R A E T E R E A , majori malo majus bonum opponitur; ut 1160 b 9 patet per Philosophum, in 8 Ethicorum [c. 12]. Sed schisma opponitur caritati, quae est major virtus quam fides, cui opponitur infidelitas, ut ex praemissis patet. Ergo schisma est gravius peccatum quam infidelitas. SED CONTRA, quod se habet ex additione ad alterum potius est vel in bono vel in malo. Sed haeresis se habet per additionem ad schisma: addit enim perversum dogma, ut patet ex auctori72
benslehre hinzu (Hieronymus; vgl. Art. 1 Zu 3). Also ist das 39, 2 Schisma eine geringere Sünde als der Unglaube. ANTWORT: Die Schwere einer Sünde läßt sich nach zwei Gesichtspunkten beurteilen: einmal nach ihrer Wesensart, sodann nach den Umständen. Weil aber die Umstände im Bereich des einzelnen liegen und in unbegrenztem Maße wechseln können, läßt sich die allgemeine Frage, welche von zwei Sünden die schwerere sei, nur stellen mit Bezug auf die Schwere, die von der Gattung der Sünde abhängt. Die Gattung oder Wesensart der Sünde bestimmt sich aber vom Gegenstand her (I-II 72, 1; 73, 3: Bd. 12). So ist jene Sünde, die dem größeren Gut entgegengesetzt ist, ihrer Gattung nach die schwerere, wie die Sünde gegen Gott [schwerer ist] als die Sünde gegen den Nächsten. Es ist aber offenbar, daß Unglaube eine Sünde gegen Gott Selbst ist, sofern Er die Urwahrheit ist, auf die der Glaube sich stützt. Das Schisma aber ist gegen die kirchliche Einheit, die ein Gut nur durch Teilhabe und geringer als Gott Selbst ist. Es ist deshalb offenbar, daß die Sünde des Unglaubens ihrer Gattung nach schwerer ist als die Sünde des Schismas, mag es auch sein, daß ein bestimmter Schismatiker schwerer sündigt als ein bestimmter Ungläubiger, sei es wegen der größeren Verachtung, sei es wegen der größeren Gefahr, die er heraufbeschwört, oder wegen sonst etwas dergleichen. QUAESTIO 39, ,
täte Hieronymi [In Tit. 3, 10] supra inducta. Ergo schisma est PL minus peccatum quam infidelitas. 26/598 RESPONDEO dicendum quod gravitas peccati dupliciter potest considerari: uno modo, secundum suam speciem; alio modo, secundum circumstantias. E t quia circumstantiae particulares sunt et infinitis modis variari possunt, cum quaeritur in communi de duobus peccatis quod sit gravius, intelligenda est quaestio de gravitate quae attenditur secundum genus peccati. Genus autem seu species peccati attenditur ex objecto; sicut ex supradictis patet. E t ideo illud peccatum quod majori bono contrariatur est ex suo genere gravius: sicut peccatum in Deum quam peccatum in proximum. Manifestum est autem quod infidelitas est peccatum contra ipsum Deum, secundum quod in se est veritas prima, cui fides innititur. Schisma autem est contra ecclesiasticam unitatem, quae est quoddam bonum participatum, et minus quam sit ipse Deus. Unde manifestum est quod peccatum infidelitatis ex suo genere est gravius quam peccatum schismatis: licet possit contingere quod aliquis schismaticus gravius peccet quam quidam infidelis, vel propter majorem contemptum, vel propter majus periculum quod inducit, vel propter aliquid hujusmodi. 6
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73
A
39, 2
Z u 1. J e n e m Volke w a r schon d u r c h das Gesetz, das es e m p f a n g e n h a t t e , offenbar, d a ß n u r ein G o t t ist, d a ß m a n andere G ö t t e r nicht verehren d ü r f e ; u n d das war ihnen d u r c h mannigfaltige Zeichen b e k r ä f t i g t worden. Deshalb w a r es nicht nötig, die gegen diesen Glauben d u r c h Götzendienst Sündigenden d u r c h eine ungebräuchliche u n d u n g e w o h n t e Strafe zu bestrafen, sondern n u r d u r c h die allgemein übliche. E s w a r ihnen aber n i c h t ebenso offenbar, d a ß Moses f ü r immer ihr F ü h r e r sein sollte. Deshalb m u ß t e n die, die sich gegen seine F ü h r e r s c h a f t a u f l e h n t e n , m i t einer d u r c h ein W u n d e r h e r b e i g e f ü h r t e n u n g e w o h n t e n S t r a f e b e s t r a f t werden. Oder m a n k a n n sagen, d a ß die Sünde des Schismas in jenem Volke zuweilen h ä r t e r b e s t r a f t w u r d e , weil es zu Aufs t ä n d e n u n d Schismen geneigt war. 1 E s r 4, 19 h e i ß t es n ä m lich : „Diese S t a d t l e h n t sich v o n altersher gegen die Könige a u f ; A u f r u h r u n d Streit w e r d e n in ihr a n g e s t i f t e t . " Zuweilen wird aber f ü r eine gewohntere S ü n d e eine h ä r t e r e S t r a f e verh ä n g t ( I - I I 105, 2 Zu 9 : B d . 13); d e n n die S t r a f e n sind wie Arzneien, u m die Menschen von der S ü n d e abzuschrecken; wo d e m n a c h eine größere Neigung zur Sünde b e s t e h t , m u ß eine strengere S t r a f e einsetzen. — Die zehn S t ä m m e a b e r w u r d e n nicht n u r f ü r die Sünde des Schismas b e s t r a f t , sondern auch f ü r die S ü n d e des Götzendienstes (4 K g 17, 16 f.). Q U A E S T I O 39, t
AD PRIMUM ergo dicendum quod populo illi manifestum erat jam per legem susceptam quod erat unus Deus et quod non erant alii dii colendi: et hoc erat apud eos per multiplicia signa confirmatum. Et ideo non oportebat quod peecantes contra hanc fidem per idololatriam punirentur inusitata aliqua et insolita poena, sed solum communi. Sed non erat sie notum apud eos quod Moyses deberet esse Semper eorum prineeps. Et ideo rebellantes ejus prineipatui oportebat miraculosa et insueta poena puniri. Vel potest dici quod peccatum schismatis quandoque gravius est punitum in populo illo quia erat ad seditiones et schismata promptus: dicitur enim 1 Esdr. 4: „Civitas illa a diebus antiquis adversus regem rebellat, et seditiones et praelia concitantur in ea." Poena autem major quandoque infligitur pro peccato magis consueto, ut supra habitum est: nam poenae sunt medicinae quaedam ad arcendum homines a peccato; unde ubi est major pronitas ad peccandum, debet severior poena adhiberi. — Decem autem tribus non solum fuerunt punitae pro peccato schismatis, sed etiam pro peccato idololatriae, ut ibidem dicitur. 74
Zu 2. W i e das Gut der Menge größer ist als das Gut eines 39, 2 einzelnen, der zur Menge gehört, so ist es auch wiederum geringer als das äußere Gut, auf das die Menge hingeordnet i s t ; so ist das Gut der Heeresordnung geringer als das Gut des Heerführers [19]. U n d so ist das Gut der kirchlichen Einheit, dem das Schisma entgegengesetzt ist, geringer als das Gut der göttlichen Wahrheit, dem der Unglaube entgegengesetzt ist. Z u 3. Die Liebe hat einen doppelten Gegenstand: einen Hauptgegenstand, nämlich die Gutheit Gottes, und einen zweitrangigen Gegenstand, nämlich das W o h l des Nächsten. D a s Schisma nun und die anderen Sünden gegen den Nächsten sind der Liebe in bezug auf das zweitrangige Gut entgegengesetzt, das geringer ist als der Gegenstand des Glaubens, der G o t t Selbst ist. Deshalb sind diese Sünden geringer als der Unglaube. D e r Gotteshaß aber, der der Liebe in bezug auf ihren Hauptgegenstand entgegengesetzt ist, ist nicht geringer. — Doch scheint unter den Sünden gegen den Nächsten die Sünde des Schismas die größte zu sein, weil sie gegen das geistige Gut der Menge ist. QUAESTIO 39,, AD SECUNDUM dicendum quod sicut bonum multitudinis est majus quam bonum unius qui est de multitudine, ita est minus quam bonum extrinsecum ad quod multitudo ordinatur: sicut bonum ordinis exercitus est minus quam bonum ducis. E t similiter bonum ecclesiasticae unitatis, cui opponitur schisma, est minus quam bonum veritatis divinae, cui opponitur infidelitas. AD T E R T I U M dicendum quod Caritas habet duo objecta: unum principale, scilicet bonitatem divinam; et aliud secundarium, scilicet bonum proximi. Schisma autem et alia peccata quae fiunt in proximum opponuntur caritati quantum ad secundarium bonum, quod est minus quam objectum fidei, quod est ipse Deus. E t ideo ista peccata sunt minora quam infidelitas. Sed odium Dei, quod opponitur caritati quantum ad principale objectum, non est minus. — Tarnen inter peccata quae sunt in proximum, peccatum schismatis videtur esse maximum: quia est contra spirituale bonum multitudinis.
6*
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39,3
3. A R T I K E L Haben die Schismatiker irgendeine
Vollmacht ?
1. Augustinus sagt: „Wie diejenigen, die zur Kirche zurückkehren, wenn sie vor ihrem Abfall getauft waren, nicht wieder getauft werden, so werden auch jene, die zurückkehren, wenn sie vor ihrem Abfall geweiht waren, nicht wieder geweiht." Mit der Weihe aber ist irgendeine Vollmacht gegeben. Also haben die Schismatiker irgendeine Vollmacht, weil sie die Weihe behalten. 2. Augustinus sagt: „Der Getrennte kann" das Sakrament „spenden, so wie er es auch empfangen kann." Die Vollmacht, Sakramente zu spenden, ist aber die höchste Vollmacht. Also haben die von der Kirche getrennten Schismatiker eine geistliche Vollmacht. 3. Papst Urban sagt: „Wenn diejenigen, die von ehemals katholisch geweihten, aber jetzt von der römischen Kirche durch Schisma getrennten Bischöfe geweiht wurden, zur Einheit der Kirche zurückkehren, so sollen sie, wenn ihr Leben und Wissen sie empfiehlt, in Barmherzigkeit unter Wahrung ihres Weiheranges wieder aufgenommen werden." Das wäre aber nicht möglich, wenn die geistliche Vollmacht Q U A E S T I O 39, ,
ARTICULUS III Utrum schismatici habeant aliquam
[III 64,9 ad 2; 4 d 25: 1,2; Qlb 12,15]
PL 43/109 D
PL 43/200 b
potestatem
AD T E R T I U M sie proceditur. Videtur quod schismatici habeant aliquam potestatem. Dicit enim Augustinus, in libro contra Donatistas [1, 1]: „Sicut redeuntes ad Ecclesiam qui p r i u squam recederent baptizati sunt non rebaptizantur, ita redeuntes qui priusquam recederent ordinati sunt non utique rursus ordinantur." Sed ordo est potestas quaedam. Ergo schismatici habent aliquam potestatem, quia retinent ordinem. 2. P R A E T E R E A , Augustinus dicit, in libro de Unico Baptismo contra Donatis taa [6, 5]: „Potest" sacramentum „tradere separatus, sicut potest habere separatus." Sed potestas tradendi sacramenta est maxima potestas. Ergo schismatici, qui sunt ab Ecclesia separati, habent potestatem spiritualem. 3. P R A E T E R E A , Urbanus Papa dicit 1 quod „ab episcopis quondam catholice ordinatis sed in schismate a Romana Ecclesia separatis qui consecrati sunt, eos, cum ad Ecclesiae unitatem redierint, servatis propriis ordinibus, misericorditer suseipi jubemus, sieos vita et scientia commendat". Sed hoc non 1 Cf. Synodus Piacentina, can. 10 (Mansi 20/806); Gratian., Decretum II 9,1 can. 5 (Frdb 1/602).
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nicht bei den Schismatikern bleiben würde. Also haben die 39, 3 Schismatiker geistliche Vollmacht.
ANDERSEITS sagt Cyprian: „Wer weder die Einheit des Geistes noch den Frieden der Gemeinschaft bewahrt und sich von der Bindung an die Kirche und von der Priesterschaft wendet, kann weder die Vollmacht noch die Ehre eines Bischofs beanspruchen." ANTWORT: Die geistliche Vollmacht ist eine doppelte: eine für die Sakramente; die andere für die Gerichtsbarkeit. Die sakramentale Vollmacht wird durch eine Weihe vermittelt. Sämtliche Weihen der Kirche aber sind unaufhebbar, solange die geweihte Sache bleibt; wie das auch bei unbeseelten Gegenständen der Fall ist, denn ein einmal geweihter Altar wird nicht wieder geweiht, es sei denn, er wäre ganz zerstört worden. Deshalb bleibt eine derartige Vollmacht ihrem Wesen nach in dem Menschen, der sie durch eine Weihe erhalten hat, solange er lebt, mag er auch in Schisma oder Häresie fallen; das geht daraus hervor, daß er bei seiner Rückkehr zur Kirche nicht wieder geweiht wird. Weil aber die niedere [Voll-] Macht nicht ausgeübt werden kann außer unter dem Einfluß der höheren [Voll-] Macht — wie das auch bei den Naturdingen offenbar ist —, so kommt Q U A E S T I O 39. ,
esset nisi spiritualis potestas apud schismaticos remaneret. Ergo schismatici habent spiritualem potestatem. S E D CONTRA est quod Cyprianus dicit in quadam epistola [ep. (52) ad Antonianum, p. I I ] et habetur 7, qu. 1, can. Nova- PL tianus: 1 „Qui nec unitatem", inquit, „spiritus nec conventionis 3 ( 7 1 , 1 pacem observat, et se ab Ecclesiae vinculo atque a sacerdotum collegio separat, nec episcopi potestatem habere potest nec honorem." R E S P O N D E O dicendum quod duplex est spiritualis potestas: una quidem sacramentalis; alia jurisdictionalis. Sacramentalis quidem potestas est quae per aliquam consecrationem confertur. Omnes autem consecrationes Ecclesiae sunt immobiles, manente re quae consecratur: sicut patet etiam in rebus inanimatis, nam altare semel consecratum non consecratur iterum nisi fuerit dissipatum. E t ideo talis potestas secundum suam essentiam remanet in homine qui per consecrationem eam est adeptus quandiu vivit, sive in schisma sive in haeresim labatur: quod patet ex hoc quod rediens ad Ecclesiam non iterum consecratur. Sed quia potestas inferior non debet exire in actum nisi secundum quod movetur a potestate superiori, ut etiam in 1
Gratian., Decretum I I 7,1 can. 6 (I'rdb 1/568).
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A
3 es, daß solche [Schismatiker] den Gebrauch der Vollmacht verlieren, so daß es ihnen nicht erlaubt ist, v o n ihrer Vollmacht Gebrauch zu machen. Gebrauchen sie sie dennoch, so hat ihre Vollmacht im sakramentalen Bereich auch ihre Wirkung, denn darin w i r k t der Mensch nur als W e r k z e u g Gottes; weshalb auch die sakramentalen Wirkungen durch keinerlei Schuld des Spenders ausgeschlossen werden. — Die richterliche Vollmacht aber ist jene, die durch einfache Übertragung v o m Menschen verliehen wird. U n d diese Vollmacht bleibt nicht unauf hebbar im Menschen. Daher bleibt sie bei den Schismatikern und Häretikern nicht bestehen. Deshalb können diese weder lossprechen noch exkommunizieren noch Ablässe stiften oder dergleichen; wenn sie es dennoch tun, bleibt es ohne Wirkung. W e n n es also heißt, diese Leute hätten keine geistliche Vollmacht, so ist das entweder von der zweiten Vollmacht zu verstehen, oder wenn von der ersten, dann darf man es nicht auf das Wesen der Vollmacht beziehen, sondern nur auf ihren rechtmäßigen Gebrauch. Daraus ergibt sich die Lösung Z U D E N E I N W Ä N D E N . Q U A E S T I O 39, ,
rebus naturalibus patet; inde est quod tales usum potestatis amittunt, ita scilicet quod non liceat eis sua potestate uti. Si tarnen usi fuerint, eorum potestas effectum habet in sacramentalibus: quia in his homo non operatur nisi sicut instrumentum Dei; unde effectus sacramentales non excluduntur propter culpam quamcumque conferentis sacramentum. — Potestas autem jurisdictionalis est quae ex simplici injunctione hominis confertur. E t talis potestas non immobiliter adhaeret. Unde in schismaticis et haereticis non manet. Unde non possunt nec absolvere nec excommunicare nec indulgentias facere, aut aliquid hujusmodi: quod si fecerint, nihil est actum. Cum ergo dicitur tales non habere potestatem spiritualem, intelligendum est vel de potestate secunda: vel, si referatur ad primam potestatem, non est referendum ad ipsam essentiam potestatis, sed ad legitimum usum ejus. E t per hoc patet responsio A D O B J E C T A .
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4. A R T I K E L Ist die Exkommunikation eine angemessene Strafe für die Schismatiker ?
39,4
1. Die Exkommunikation schließt den Menschen am meisten von der Gemeinschaft der Sakramente aus. Augustinus aber sagt, daß man von einem Schismatiker die Taufe empfangen kann. Also scheint die Exkommunikation nicht die angemessene Strafe für das Schisma zu sein. 2. Denen, die an Christus glauben, obliegt es, die Zerstreuten zurückzuführen. Deshalb heißt es Ez 34, 4 gegen einige: „Was versprengt war, habt ihr nicht zurückgeführt; was verloren war, habt ihr nicht gesucht." Die Schismatiker aber werden besser durch solche zurückgeführt, die mit ihnen Gemeinschaft halten. E s scheint also, daß sie nicht zu exkommunizieren sind [20], 3. Für ein und dieselbe Sünde wird keine doppelte Strafe verhängt; nach Nah 1, 9: „Nicht zweimal wird Gott denselben richten" [21]. Für die Sünde des Schismas aber werden manche mit zeitlicher Strafe bestraft. So heißt es: „Die göttlichen und weltlichen Gesetze haben bestimmt, daß die von der kirchlichen Einheit Getrennten, die ihren Frieden stören, Q U A E S T I O 3D, ,
ARTICULUS
IV
U t r u m sit c o n v e n i e n s p o e n a s c h i s m a t i c o r u m excommunicentur
ut
AD QUARTUM sic proceditur. Videtur quod poena schismaticorum non sit conveniens ut excommunicentur. Excommunicatio enim maxime separat hominem a communione sacramentorum. Sed Augustinus dicit, in libro contra Donatistas [6, 5], PL quod baptisma potest reeipi a schismatico. Ergo videtur quod 43/200 B excommunicatio non est conveniens poena schismatis. 2. P R A E T E R E A , ad fideles Christi pertinet ut eos qui sunt dispersi reducant: unde contra quosdam dicitur Ez. 34: „Quod abjectum est non reduxistis, quod perierat non quaesistis." Sed schismatici convenientius redueuntur per aliquos qui eis communicent. Ergo videtur quod non sint excommunicandi. 3. P R A E T E R E A , pro eodem peccato non infligitur duplex poena: secundum illud Nah. 1: „Non judicabit Deus bis in idipsum." Sed pro peccato schismatis aliqui poena temporali puniuntur: ut habetur 23, qu. 5, ubi dicitur: 1 „Divinae et mundanae leges statuerunt ut ab Ecclesiae unitate divisi, et ejus 1
Gratian., Decretum II 23,5 can. 44 (Frdb 1/943).
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4 von der weltlichen Macht unterdrückt werden" (Gratian). Also sind sie nicht [auch] durch Exkommunikation zu bestrafen. ANDERSEITS heißt es Num 16, 26: „Geht weg von den Zelten dieser Gottlosen", das heißt derer, die ein Schisma hervorgerufen hatten, „und rührt nichts an von dem, was ihnen gehört, damit ihr nicht in ihre Sünde verstrickt werdet." ANTWORT: Wodurch jemand sündigt, damit muß er gestraft werden (Wsh 11, 176) [Vg. 17] [22], Der Schismatiker aber sündigt in zwei Dingen (Art. 1): E i n m a l weil er sich von der Gemeinschaft der Glieder der Kirche trennt. Und dafür ist die angemessene Strafe der Schismatiker die Exkommunikation. Z u m a n d e r e n weil sie sich weigern, sich dem Haupt der Kirche zu unterwerfen. Und weil sie sich durch die geistliche Gewalt der Kirche nicht maßregeln lassen wollen, ist es deshalb gerecht, daß sie durch die zeitliche Gewalt gemaßregelt werden. Z u 1. Von Schismatikern darf man nur im Notfälle die Taufe empfangen; weil es besser ist, aus diesem Leben mit dem Zeichen Christi zu scheiden, gleichgültig von wem es vermittelt wird, sei es auch von einem Juden oder Heiden, als ohne dieses Zeichen, das durch die Taufe verliehen wird. QUAESTIO 39, ,
pacem perturbantes, a saecularibus potestatibus comprimantur." Non ergo sunt puniendi per excommunicationem. SED CONTRA est quod Num. 16 dicitur: „Recedite a tabernaculis hominum impiorum", qui scilicet schisma fecerant, „et nolite tangere quae ad eos pertinent, ne involvamini in peccatis eorum." RESPONDEO dicendum quod per quae peccat quis, per ea debet puniri, ut dicitur Sap. 11. Schismaticus autem, ut ex dictis patet, in duobus peccat. In uno quidem, quia separat se a communione membrorum Ecclesiae. E t quantum ad hoc conveniens poena schismaticorum est ut excommunicentur. In alio vero, quia subdi recusant capiti Ecclesiae. E t ideo, quia coerceri nolunt per spiritualem potestatem Ecclesiae, justum est ut potestate temporali coerceantur. A D PRIMUM ergo dicendum quod baptismum a schismaticis recipere non licet nisi in articulo necessitatis: quia melius est de hac vita cum signo Christi exire, a quocumque detur, etiam si sit Judaeus vel paganus, quam sine hoc signo, quod per baptismum confertur. 80
Z u 2. Durch die Exkommunikation wird nicht jene Ge- 39, 4 meinschaft untersagt, vermittels deren einer durch heilsame Ermahnungen die Getrennten zur Einheit der Kirche zurückführt. Jedoch führt auch die Trennung selbst sie in gewisser Weise zurück, wenn sie, durch die Trennung verstört, zuweilen zur Buße geführt werden. Z u 3. Die Strafen des gegenwärtigen Lebens sollen der Heilung dienen; und deshalb versucht man es mit einer anderen, wenn eine Strafe nicht genügt, um den Menschen in die Schranken zu weisen; wie auch die Ärzte verschiedene körperliche Heilmittel anwenden, wenn eines nicht wirksam ist. Und so wendet die Kirche die Macht des weltlichen Armes an, wenn einige durch die Exkommunikation nicht genügend eingeschüchtert sind. Wenn aber eine Strafe genügt, soll man keine zweite anwenden. Q U A E S T I O 39, .
A D SECUNDTIM dicendum quod per excommunicationem non interdicitur illa communicatio per quam aliquis salubribus monitis divisos reducit ad Ecclesiae unitatem. Tarnen et ipsa separatio quodammodo eos reducit, dum, de sua separatione confusi, quandoque ad poenitentiam adducuntur. A D TERTIUM dicendum quod poenae praesentis vitae sunt medicinales; et ideo quando una poena non sufficit ad coercendum hominem, superadditur altera: sicut et medici diversas medicinas corporales apponunt quando una non est efficax. E t ita Ecclesia, quando aliqui per excommunicationem non suffieienter reprimuntur, adhibet coercionem brachii saecularis. Sed si una poena sit sufficiens, non debet alia adhiberi.
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40. F R A G E
DER K R I E G Hierauf ist über den Krieg nachzudenken. Dazu ergeben sich vier Einzelfragen: 1. Gibt es einen erlaubten Krieg ? 2. Ist es den Klerikern erlaubt, Krieg zu führen? 3. Ist es den Kriegführenden erlaubt, sich eines Hinterhalts zu bedienen? 4. Darf man an Feiertagen Krieg führen? 1. A R T I K E L Ist Kriegführen
immer
Sünde?
1. Strafe wird nur für eine Sünde verhängt. Den Kriegführenden aber wird vom Herrn Strafe angedroht; nach Mt 26, 52: „Jeder, der das Schwert ergreift, wird durch das Schwert umkommen" [23]. Also ist jeder Krieg unerlaubt. 2. Was immer dem göttlichen Gebot widerspricht, ist Sünde. Kriegführen aber widerspricht dem göttlichen Gebot ; denn Mt 5, 39 heißt es: „Ich aber sage euch: widersteht dem Bösen nicht"; und Rom 12, 19 heißt es: „Verteidigt euch nicht selbst, Geliebteste; sondern gebt dem Zorne [Gottes] Raum." Also ist Kriegführen immer Sünde.
QUAESTIO XL
D E BELLO Deinde considerandum est de bello. E t circa hoc quaeruntur quatuor: 1. Utrum aliquod bellum sit licitum. — 2. Utrum clericis sit licitum bellare. — 3. Utrum liceat bellantibus uti insidiis. — 4. Utrum liceat in diebus festis bellare. ARTICULUS I U t r u m bellare Semper sit p e c c a t u m A D PRIMUM sie proceditur. Videtur quod bellare Semper sit peccatum. Poena enim non infligitur nisi pro peccato. Sed bellantibus a Domino indicitur poena: secundum illud Matth. 26: „Omnis qui aeeeperit gladium gladio peribit." Ergo omne bellum est illicitum. 2. P R A E T E R E A , quidquid contrariatur divino praeeepto est peccatum. Sed bellare contrariatur divino praeeepto: dicitur enim Matth. 5: „Ego dico vobis non resistere malo"; et Rom. 12 dicitur: „Non vos defendentes, carissimi: sed date locum irae." Ergo bellare Semper est peccatum. 82
3. Nichts widerspricht dem Akt der Tugend als die Sünde. 40,1 Krieg aber widerspricht dem Frieden. Also ist Krieg immer Sünde. 4. Jede Übung für eine erlaubte Sache ist auch selbst erlaubt, wie es offenbar ist bei den wissenschaftlichen Übungen. Die Kriegsübungen aber, die auf den Turnieren stattfinden, sind von der Kirche verboten; denn jene, die bei diesen Waffenproben zu Tode kommen, erhalten kein kirchliches Begräbnis [24]. Also scheint Krieg schlechthin Sünde zu sein. ANDERSEITS sagt Augustinus: „Wenn die christliche Ordnung die Kriege grundsätzlich als Schuld erklärte, so würde denen, die das Heil suchen, im Evangelium eher der Rat gegeben, die Waffen abzulegen und jeden Kriegsdienst zu verweigern. Es wurde ihnen aber gesagt: ,Verübt gegen niemanden Erpressung; seid zufrieden mit eurem Solde' [Lk 3, 14]. Denen so geboten wurde, sich mit dem eigenen Solde zufriedenzugeben, denen wurde nicht verboten, Kriegsdienst zu leisten." ANTWORT: Zu einem gerechten Krieg sind drei Dinge erforderlich: E r s t e n s die Vollmacht des Fürsten, auf dessen Befehl hin der Krieg zu führen ist. Denn es ist nicht Sache der Privatperson, einen Krieg zu veranlassen; weil sie ihr QUAESTIO 40, t 3. P R A E T E R E A , nihil contrariatur actui virtutis nisi peceatum. Sed bellum contrariatur paci. Ergo bellum Semper est peccatum. 4. P R A E T E R E A , omne exercitium ad rem licitam licitum e s t : sicut patet in exercitiis scientiarum. Sed exercitia bellorum, quae fiunt in torneamentis, prohibentur ab Ecclesia: quia morientes in hujusmodi tyrociniis ecclesiastica sepultura privantur. Ergo bellum videtur esse simpliciter peccatum. S E D C O N T R A est quod Augustinus dicit, in sermone de Puero Centurionis [Ep. (138) ad Marcellinum, c. 2]: 1 „Si chri- PL stiana disciplina omnino bella culparet, hoc potius consilium 3 3 ' 5 3 1 " salutis petentibus in Evangelio daretur, ut abjicerent arma, seque militiae omnino subtraherent. D i c t u m est a u t e m eis: , N e m i n e m concutiatis; estote contenti stipendiis vestris.' Quibus proprium Stipendium sufficere praecepit, militare non prohibuit." R E S P O N D E O dicendum quod ad hoc quod aliquod bellum sit justum, tria requiruntur. Primo quidem, auctoritas principis, cujus mandato bellum est gerendum. N o n enim pertinet ad personam privatam bellum movere: quia potest jus suum in 1
Cf. «ratian., Decretum II 23,1 can. 2 (Frdb 1 /801). 83
40, i Recht vor dem Gericht des Vorgesetzten verfechten kann. Ebenfalls weil es nicht Sache der Privatperson ist, die Menge zusammenzurufen, wie das im Krieg notwendig ist. Da aber die Sorge für die öffentliche Ordnung den Fürsten anvertraut ist, ist es auch ihre Sache, die öffentliche Ordnung der ihnen unterstehenden Stadt oder des Königreiches oder einer Provinz zu schützen. Und wie sie diese erlaubterweise mit dem Schwert gegen die inneren Unruhestifter verteidigen, indem sie die Übeltäter bestrafen — gemäß Rom 13,4: „Nicht umsonst trägt sie [die Obrigkeit] das Schwert; ist sie doch Gottes Dienerin, Vollstreckerin des Zorngerichtes für den, der Schlechtes t u t " —, so ist es auch ihre Aufgabe, mit dem Schwert des Krieges die öffentliche Ordnung gegen äußere Feinde zu schützen. Deshalb wird den Fürsten im Psalm 82 (81), 4 gesagt: „Rettet den Armen und befreit den Dürftigen aus der Hand des Sünders." So sagt auch Augustinus : „Die dem Frieden der Sterblichen angemessene Naturordnung fordert, daß die Vollmacht und der Beschluß, Krieg zu führen, bei den Fürsten liege." Z w e i t e n s i s t e i n gerechter Grund verlangt. Es müssen nämlich diejenigen, die mit Krieg überzogen werden, dies einer Schuld wegen verdienen. Deshalb sagt Augustinus: „Unter gerechten Kriegen versteht man solche, durch welche Unrecht geahndet wird; so wenn ein Volk oder eine Stadt zu QUAESTIO 40, , judicio superioris prosequi. Similiter etiam quia convocare multitudinem, quod in bellis oportet fieri, non pertinet ad privatam personam. Cum autem cura reipublicae commissa sit principibus, ad eos pertinet rem publicam civitatis vel regni seu provinciae sibi subditae tueri. Et sicut licite defendunt eam materiali gladio contra interiores quidem perturbatores, dum malefactores puniunt; secundum illud Apostoli, ad Rom. 13: „Non sine causa gladium portat: minister enim Dei est, vindex in iram ei qui male agit"; ita etiam gladio bellico ad eos pertinet rempublicam tueri ab exterioribus hostibus. Unde et principibus dicitur in Psalmo: „Eripite pauperem, et egenum de manu peccatoris liberate." Unde Augustinus dicit, contra Faustum PL [22, 75]: „Ordo naturalis, mortalium paci accommodatus, hoc 42/448 A pogcit, ut suscipiendi belli auctoritas atque consilium penes principes sit." Secundo, requiritur causa justa: ut scilicet illi qui impugnantur propter aliquam culpam impugnationem mereantur. Unde Augustinus dicit, in libro Quaestionum in Heptateuchum [6 PL qu. 101: „Justa bella solent definiri quae ulciscuntur injurias: 34/781 A 84
strafen ist, weil sie entweder versäumt haben, das zu ahnden, 40, 1 was von ihren Bürgern frevelhaft verübt wurde, oder versäumt haben, das zurückzugeben, was ungerechterweise geraubt wurde." D r i t t e n s wird verlangt, daß die Kriegführenden die rechte Absicht haben, nämlich entweder das Gute zu mehren oder das B ö s e zu meiden. Deshalb sagt Augustinus [Gratian]: „Bei den wahren Verehrern Gottes haben auch die Kriege Friedenscharakter bekommen, insofern sie nicht aus Gier oder Grausamkeit, sondern aus E i f e r für den Frieden geführt werden, um die Bösen in die Schranken zu weisen und die Guten zu unterstützen." E s kann aber vorkommen, daß der Krieg wegen einer verkehrten Absicht unerlaubt wird, obwohl die Vollmacht dessen, der ihn erklärt, rechtmäßig ist und ein gerechter Grund vorliegt. Denn Augustinus sagt: „Die Sucht zu schaden, die Grausamkeit des Rachedurstes, ein unversöhnter und unversöhnlicher Geist, die Wildheit des Gegenschlags, die Gier nach Macht und was es sonst dergleichen geben mag, das alles wird in der Kriegführung mit R ä c h t als Schuld e r k l ä r t . " Z u 1. W i e Augustinus sagt, „.ergreift das Schwert', wer ohne jede Anweisung oder Ermächtigung einer höheren und rechtmäßigen Macht die Waffen ergreift, um fremdes B l u t Q U A E S T I O 40, !
si gens vel civitas plectenda est quae vel vindicare neglexerit quod a suis improbe factum est, vel reddere quod per injuriam ablatum est." Tertio, requiritur ut sit intentio bellantium recta: qua scilicet intenditur vel ut bonum promoveatur, vel ut malum vitetur. Unde Augustinus, in libro de Verbis Domini: 1 „Apud veros Dei cultores etiam illa bella pacata sunt quae non cupiditate aut erudelitate, sed pacis studio geruntur, ut mali coerceantur et boni subleventur." Potest autem contingere quod etiam si sit legitima auctoritas indicentis bellum et causa justa, nihilominus propter pravam intentionem bellum reddatur illicitum. Dicit enim Augustinus, in libro contra Faustum [22, 74]: „Nocendi PL cupiditas, ulciscendi crudelitas, implacatus et implacabilis ani- 4 2 / 4 4 7 mus, feritas rebellandi, libido dominandi, et si qua sunt similia, haec sunt quae in bellis jure culpantur." AD PRIMUM ergo dicendum quod, sicut Augustinus dicit, in 2 libro contra Manichaeos [Contra Faustum 22, 70], „ille PL accipit gladium qui, nulla superiori aut legitima potestate aut 4 2 ' 4 4 4 jubente vel concedente, in sanguinem alicujus armatur". Qui 1 Cf. Gratian., Decretum I I 23,1 can. 6 (Frdb I I 893); Augustin., De Civ. Dei 19,12 (PL 41/637 D).
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11
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40, i zu vergießen". Wer aber als Privatperson vom Fürsten oder Richter ermächtigt oder als öffentlicher Amtsträger aus Eifer für die Gerechtigkeit, gewissermaßen von Gott Selbst bevollmächtigt, das Schwert gebraucht, ergreift nicht selbst das Schwert, sondern gebraucht nur das, was ihm von einem anderen anvertraut wurde. Deshalb verdient er keine Strafe. — Doch werden auch die, die in sündhafter Weise das Schwert gebrauchen, nicht immer durch das Schwert getötet. Vielmehr gehen sie durch ihr eigenes Schwert für immer zugrunde, weil sie für die Sünde des Schwertes ewig bestraft werden, wenn sie nicht Buße tun. Zu 2. Solche Gebote sind nach Augustinus immer zu beobachten in der Bereitschaft des Herzens, so nämlich, daß der Mensch immer bereit ist, auf Widerstand oder Selbstverteidigung zu verzichten, wenn es not tut. Zuweilen aber muß man anders handeln um des Gemeinwohles willen und auch um des Wohles derer willen, mit denen man kämpft. Deshalb sagt Augustinus: „Auch mit den Widerstrebenden muß man vieles versuchen und sie mit einer gütigen Strenge strafen... Denn wer der Gelegenheit zur Sünde entrissen wird, wird zu seinem Nutzen überwunden, weil es nichts Unglückseligeres gibt als die Glückseligkeit derer, die Sünde tun, durch die die strafwürdige Straflosigkeit genährt und der böse Wille als der innere Feind gestärkt wird." Q U A E S T I O 40, ,
PL 34/1260 B
PL 33/531 A B
vero ex auctoritate principis vel judicis, si sit persona privata; vel ex zelo justitiae, quasi ex auctoritate Dei, si sit persona publica, gladio utitur, non ipse accipit gladium, sed ab alio sibi commisso utitur. Unde ei poena non debetur. — Nec tamen illi etiam qui cum peccato gladio utuntur semper gladio occiduntur. Sed ipso suo gladio semper pereunt : quia pro peccato gladii aeternaliter puniuntur, nisi poeniteant. AD SECUNDUM dicendum quod hujusmodi praecepta, sicut Augustinus dicit, in libro de Sermone Domini in Monte [1, 19], 1 s e m p e r s u n t servanda in praeparatione animi: ut scilicet semper homo sit paratus non resistere vel non se defendere si opus fuerit. Sed quandoque est aliter agendum propter commune bonum, et etiam illorum cum quibus pugnatur. Unde Augustinus dicit, in epistola [138] ad Marcellinum [c. 2]: „Agenda s u n t m u i t a etiam cum invitis benigna quadam asperitate plectendis . . . Nam cui licentia iniquitatis eripitur, utiliter vincitur : quoniam nihil est infelicius felicitate peccantium, qua poenalis nutritur impunitas, et mala voluntas, velut hostis interior, roboratur." 1
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Cf. Ep. (138) ad Marcellinum, c. 2 ( P L 33/531 A).
Z u 3. Auch diejenigen, die einen gerechten Krieg führen, 40, 2 wollen den Frieden. Deshalb sind sie nur dem schlechten Frieden entgegen, den der Herr „nicht auf die E r d e bringen wollte" (Mt 1 0 , 3 4 ) . Deshalb sagt Augustinus: „Der Friede wird nicht angestrebt, um Krieg führen zu können; sondern es wird Krieg geführt, um den Frieden zu erlangen. Also sollst du auch im Kriege zum Frieden wirken, auf daß du diejenigen, die du bekämpfst, durch den Sieg zur Wohltat des Friedens führst." Z u 4. Die Einübungen der Menschen zu kriegerischen Unternehmungen sind nicht allgemein verboten, sondern nur die ungeordneten und gefährlichen Übungen, aus denen Tötung und Plünderungen folgen. Bei den Alten aber waren solche Übungen ohne derartige Gefahren; deshalb wurden sie „Vorübungen zu den Waffen" oder „unblutige Kriege" genannt (Hieronymus [Vegetius]). 2. Ist den Klerikern
ARTIKEL
und Bischöfen erlaubt zu kämpfen ?
1. Kriege sind nur so weit erlaubt und gerecht, als sie die Armen und den ganzen Staat vor den Anschlägen der Feinde Q U A E S T I O 40, ,
AD T E R T I U M dicendum quod etiam illi qui justa bella gerunt pacem intendunt. E t ita paci non contrariantur nisi malae, quam Dominus „non venit mittere in terram", ut dicitur Matth. 10. Unde Augustinus dicit, ad Bonifacium [Ep. 189]: PL „Non quaeritur pax ut bellum exerceatur: sed bellum geritur 3 3 / 8 5 6 ut pax acquiratur. Esto ergo bellando pacificus, ut eos quos expugnas ad pacis utilitatem vincendo perducas." AD QUARTUM dicendum quod exercitia hominum ad res bellicas non sunt universaliter prohibita: sed inordinata exercitia et periculosa, ex quibus occisiones et depraedationes proveniunt. Apud antiquos autem exercitationes ad bella sine hujusmodi periculis erant: et ideo vocabantur „meditationes armorum", vel „bella sine sanguine", ut per Hieronymum patet 1 in quadam epistola. ARTICULUS II U t r u m clericis et episcopis sit licitum
pugnare
AD SECUNDUM sie proceditur. Videtur quod clericis et episcopis liceat pugnare. Bella enim intantum sunt licita et justa, sicut dictum est, inquantum tuentur pauperes et totam rem1 Cf. Flavi Vegeti Renati Epitoma Rei Militaris 1,9—28 et 2,23 Ree. Lang (Tb). Lipsiae 1885, p. 13—30 et 56—59.
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40, 2 schützen (Art. 1). Das scheint aber in erster Linie Sache der kirchlichen Vorgesetzten zu sein; denn Gregor sagt: „Der Wolf kommt über die Schafe, wenn irgendein Bösewicht und Räuber irgendwelche Gläubigen und kleinen Leute unterdrückt. Wer aber Hirte nur schien und nicht auch war, verläßt die Schafe und flieht, weil er von ihm Gefahr für sich fürchtet und so seiner Ungerechtigkeit nicht zu widerstehen wagt." Also ist es den kirchlichen Vorgesetzten und den Klerikern erlaubt zu kämpfen. 2. Papst Leo schreibt: „Da vom Gebiet der Sarazenendes öfteren widrige Nachrichten kamen, sagten einige, die Sarazenen würden heimlich und auf Schleichwegen in den Hafen der Römer kommen. Daraufhin haben Wir Befehl gegeben, daß das Volk zusammengerufen würde und zum Meeresstrand hinabsteigen solle" (Gratian). Also ist es den Bischöfen erlaubt, zum Kriege zu schreiten. 3. Etwas tun und dem Tun des anderen zustimmen scheint dieselbe Bewandtnis zu haben; gemäß Rom 1, 32: „Nicht die allein haben den Tod verdient, die solches tun, sondern auch die, die denen, welche es tun, zustimmen." Am meisten aber stimmt der zu, der andere dazu bringt, etwas zu tun. Es ist aber den Bischöfen und Klerikern erlaubt, andere dazu zu bringen, Kriege zu führen; es heißt Q U A E S T I O 40, ,
publicam ab hostium injuriis. Sed hoc maxime videtur ad praelatos pertinere: dicit enim Gregorius, in quadam homilia [In PL Evang. lib. 1 hom. 14]: „Lupus super oves venit, cum quilibet 128 B ¡ n j u s t u s et raptor fideles quosque atque humiles opprimit. Sed is qui pastor videbatur esse et non erat, relinquit oves et fugit: quia dum sibi ab eo periculum metuit, resistere ejus injustitiae non praesumit." Ergo praelatis et clericis licitum est pugnare. 2. P R A E T E R E A , 23, qu. 8, Leo Papa scribit: 1 „Cum saepe adversa a Saracenorum partibus pervenerint nuntia, quidam in Romanorum portum Saracenos clam furtiveque venturos esse dicebant. Pro quo nostrum congregari praecepimus populum, maritimumque ad littus descendere decrevimus." Ergo episcopis licet ad bella procedere. 3. P R A E T E R E A , ejusdem rationis esse videtur quod homo aliquid faciat, et quod facienti consentiat: secundum illud Rom. 1: „Non solum digni sunt morte qui faciunt, sed et qui consentiunt facientibus." Maxime autem consentit qui ad aliquid faciendum alios inducit. Licitum autem est episcopis et clericis inducere alios ad bellandum: dicitur enim 23, qu. 8, 2 1 Gratian., Decretum I I 23,8 can. 7 (Frdb 1/954). Leo IV., Ep. ad Ludovicum Augustum (Mansi 14/888). • Gratian., Decretum I I 28,8 can. 10 (Frdb 1/955).
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nämlich im Dekret Gratians: „Auf die Aufmunterung und die 40, 2 Bitten Hadrians, des Bischofs von Rom, unternahm Karl einen Krieg gegen die Langobarden." Also ist es auch ihnen [den Bischöfen und Klerikern] selbst erlaubt zu kämpfen. 4. Was an sich ehrenhaft und verdienstlich ist, ist für die kirchlichen Vorgesetzten und die Kleriker nicht unerlaubt. Kriegführen aber ist mitunter sowohl ehrenhaft als auch verdienstlich; es heißt nämlich im Dekret Gratians: „Wenn einer für die Wahrheit des Glaubens oder für die Rettung des Vaterlandes und zur Verteidigung der Christenheit sein Leben läßt, wird er von Gott himmlischen Lohn erlangen" [25]. Also ist es den Bischöfen und Klerikern erlaubt, Krieg zu führen. A N D E R S E I T S wird dem Petrus stellvertretend für die Bischöfe und Kleriker Mt 26,52 gesagt: „Stecke dein Schwert in die Scheide." Also ist es ihnen nicht erlaubt zu kämpfen. ANTWORT: Zum Wohl der menschlichen Gesellschaft ist vieles notwendig. Verschiedenes wird aber von unter sich Verschiedenen besser und erfolgreicher erfüllt als von ein und demselben (Aristoteles). Manche Aufgaben sind nun unter sich so entgegengesetzt, daß sie sinnvoll nicht zugleich ausgeführt werden können. Deshalb ist denen, die für die höheren Aufgaben bestimmt sind, verboten, sich mit den niederen abzugeben; so sind nach den menschlichen Gesetzen Q U A E S T I O 40, ,
quod „hortatu et precibus Adriani Romanae urbis Episcopi, Carolus bellum contra Longobardos suscepit". Ergo etiam eis licet pugnare. 4. P R A E T E R E A , illud quod est secundum se honestum et meritorium non est illicitum praelatis et clericis. Sed bellare est quandoque et honestum et meritorium: dicitur enim 23, qu. 8, 1 quod „si aliquis pro veritate fidei et salvatione patriae ac defensione Christianorum mortuus fuerit, a Deo caeleste praemium consequetur". Ergo licitum est episcopis et clericis bellare. S E D CONTRA est quod Petro, in persona episcoporum et clericorum, dicitur Matth. 26: „Converte gladium tuum in vagin a m . " Non ergo licet eis pugnare. R E S P O N D E O dicendum quod ad bonum societatis humanae plura sunt necessaria. Diversa autem a diversis melius et expeditius aguntur quam ab uno; ut patet per Philosophum, in sua Politica [1, 2]. E t quaedam negotia sunt adeo sibi repugnantia 1252 i. 3 ut convenienter simul exerceri non possint. E t ideo illis qui majoribus deputantur prohibentur minora: sicut secundum ' Ib. can. 9 (Frdb 1/955).
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40, 2 den Soldaten, die zu Kriegsübungen bestimmt sind, geschäftliche Unternehmungen untersagt. Die kriegerischen Unternehmungen widerstreben aber im höchsten Maße den Aufgaben der Bischöfe und Kleriker, und zwar aus zwei Gründen. E r s t e n s aus einem allgemeinen Grunde: weil nämlich kriegerische Unternehmungen große Unruhe mit sich bringen; deshalb hindern sie den Geist sehr stark an der Beschauung der göttlichen Dinge und am L o b e Gottes und am Gebet für das Volk, was alles zur Aufgabe der Kleriker gehört. W i e deshalb die Geschäfte gerade deswegen, weil sie den Geist zu stark beschäftigen, den Klerikern untersagt sind, so auch kriegerische Unternehmungen; gemäß 2 Tim 2, 4 : „Keiner, der für Gott kämpft, verwickelt sich in weltliche Geschäfte." Z w e i t e n s aus einem besonderen Grunde. Denn alle Weihen der Kleriker sind hingeordnet auf den Dienst am Altare, auf dem unter dem Sakrament das Leiden Christi vergegenwärtigt wird; gemäß 1 K o r 11, 2 6 : „Sooft ihr dieses B r o t esset oder von diesem Kelche trinket, verkündet ihr den T o d des Herrn, bis E r k o m m t . " Deshalb k o m m t es ihnen [den Klerikern] nicht zu, zu töten oder B l u t zu vergießen ; sondern vielmehr, bereit zu sein, das eigene B l u t für Christus zu vergießen, auf daß sie im W e r k e nachahmen, was sie kraft ihres Amtes vollbringen. Deshalb ist verordnet, daß Q U A E S T I O 40, ,
leges humanas militibus, qui deputantur ad exercitia bellica, negotiationes interdicuntur. Bellica autem exercitia maxime repugnant illis officiis quibus episcopi et clerici deputantur, propter duo. Primo quidem, generali ratione: quia bellica exercitia maximas inquietudines habent; unde multum impediunt animum a contemplatione divinorum et laude Dei et oratione pro populo, quae ad officium pertinent clericorum. E t ideo sicut negotiationes, propter hoc quod nimis implicant animum, interdicuntur clericis, ita et bellica exercitia: secundum illud 2 ad • Tim. 2: „Nemo militans Deo implicat se saecularibus negotiis." Secundo, propter specialem rationem. Nam omnes clericorum ordines ordinantur ad altaris ministerium, in quo sub Sacramento repraesentatur passio Christi: secundum illud 1 ad Cor. 11: „Quotiescumque manducabitis panem hunc et calicem bibetis, mortem Domini annuntiabitis, donec veniat." E t ideo non competit eis occidere vel effundere sanguinem: sed magis esse paratos ad propriam sanguinis effusionem pro Christo, ut imitentur opere quod gerunt ministerio.1 E t propter hoc est institutum 2 ut Cf. Pontiflcale Komanum, De Ordinatione Presbvteri. » Cf. Gratian., Decretum I 50 can. 4 (Frdb 1/178).
1
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diejenigen, die B l u t vergießen, m a g es auch ohne Schuld ge- 40, 2 schehen, irregulär [26] sind. K e i n e m aber, der zu einem A m t b e s t i m m t ist, ist das erlaubt, was m i t seinem A m t nicht vereinbar ist. Deshalb ist es den K l e r i k e r n u n t e r keinen U m s t ä n d e n e r l a u b t , K r i e g e zu f ü h r e n , die auf Blutvergießen hingeordnet sind. Z u 1. Die kirchlichen Vorgesetzten sollen nicht n u r den Wölfen, die die H e r d e geistig t ö t e n , W i d e r s t a n d leisten, sondern auch den R ä u b e r n u n d T y r a n n e n , die sie [die H e r d e ] leiblich b e d r ä n g e n ; nicht, i n d e m sie in eigener Person irdische W a i f e n ergreifen, sondern geistige; g e m ä ß den W o r t e n des Apostels 2 K o r 10, 4 : „Die W a f f e n , m i t d e n e n wir k ä m p f e n , sind n i c h t fleischlich, sondern geistig" [27], U n d das s i n d : heilsame E r m a h n u n g e n , innige B i t t e n u n d die V e r h ä n g u n g der E x k o m m u n i k a t i o n gegen die Unverbesserlichen. Z u 2. Die kirchlichen Vorgesetzten u n d die Kleriker k ö n n e n auf Veranlassung ihres Oberen a m Kriege teilnehmen, nicht u m m i t eigener H a n d zu k ä m p f e n , sondern u m in der rechten Weise den K ä m p f e n d e n m i t ihrem Zuspruch u n d ihrer Lossprechung, u n d was dergleichen geistige Hilfen m e h r sind, beizustehen; wie a u c h im Alten Gesetz J o s 6, 4 [vgl. N m 10,9] geboten war, d a ß die P r i e s t e r heilige P o s a u n e n bei d e m K a m p f e erschallen lassen sollten. Zu diesem Zweck w a r es ursprünglich e r l a u b t , d a ß Bischöfe oder Kleriker zum Kriege Q t T A E S T I O 40, ,
effundentes sanguinem, etiam sine peccato, sint irreguläres. Nulli autem qui est deputatus ad aliquod officium licet id per quod suo officio incongruus redditur. Unde clericis omnino non licet bella gerere, quae ordinantur ad sanguinis effusionem. AD PRIMUM ergo dicendum quod praelati debent resistere non solum lupis qui spiritualiter interficiunt gregem, sed etiam raptoribus et tyrannis qui corporaliter vexant: non autem materialibus armis in propria persona utendo, sed spiritualibus; secundum illud Apostoli, 2 ad Cor. 10: „Arm» militiae nostrae non sunt carnalia, sed spiritualia." Quae quidem sunt salubres admonitiones, devotae orationes, contra pertinaces exeommunicationis sententia. AD SECUNDUM dicendum quod praelati et clerici, ex auctoritate superioris, possunt interesse bellis, non quidem ut ipsi propria manu pugnent, sed ut juste pugnantibus spiritualiter subveniant suis exhortationibus et absolutionibus et aliis hujusmodi spiritualibus subventionibus. Sicut et in veteri lege mandabatur, Jos. 6, quod sacerdotes sacris tubis in bellis clangerent. Et ad hoc primo fuit concessum quod episcopi vel clerici ad 91
40, 3 schritten. Daß aber welche mit, eigener Hand kämpfen, ist Mißbrauch. Z u 3. Jedes Vermögen, jede Kunst oder Tugend, die es mit dem Ziel zu tun hat, hat auch über die Mittel zum Ziel zu bestimmen (23, 4 Zu 2: Bd. 17A). Die irdischen Kriege aber im gläubigen Volke sind als auf ihr Ziel auf das geistige, göttliche Gut auszurichten, für das die Kleriker bestimmt sind. Deshalb steht es den Klerikern zu, andere dazu vorzubereiten und zu bringen, gerechte Kriege zu führen. Denn selbst Krieg zu führen ist ihnen nicht deshalb untersagt, weil es Sünde wäre, sondern weil ein solches Unternehmen ihrer Person nicht angemessen ist. Z u 4. Mag es auch verdienstlich sein, gerechte Kriege zu führen, so ist es doch den Klerikern nicht erlaubt, weil sie zu Werken bestimmt sind, die noch verdienstlicher sind. So kann der Ehevollzug verdienstlich sein und wird doch denen, die die Jungfräulichkeit gelobt haben, zur Verdammung, wegen ihrer Verpflichtung auf ein höheres Gut. 3. A R T I K E L Ist es im Krieg erlaubt, sich eines Hinterhalts zu bedienen ? 1. D t 1 6 , 2 0 heißt es: „Das, was recht ist, sollst du in rechter Weise ausführen." Ein Hinterhalt aber, der doch Q U A E S T I O 40, ,
bella procederent. Quod autem aliqui propria manu pugnent, abusionis est. AD T E R T I U M dicendum quod, sicut supra habitum est, omnis potentia vel ars vel virtus ad quam pertinet finis habet disponere de his quae sunt ad finem. Bella autem camalia in populo fideli sunt referenda, sicut ad finem, ad bonum spirituale divinum, cui clerici deputantur. E t ideo ad clericos pertinet disponere et inducere alios ad bellandum bella justa. Non enim interdicitur eis bellare quia peccatum sit: sed quia tale exercitium eorum personae non congruit. AD QUARTUM dicendum quod, licet exercere bella justa sit meritorium, tarnen illicitum redditur clericis propter hoc quod sunt ad opera magis meritoria deputati. Sicut matrimonialis actus potest esse meritorius, et tarnen virginitatem voventibus damnabilis redditur, propter obligationem eorum ad m a j u s bonum. ARTICULUS III U t r u m sit l i c i t u m in bellis u t i i n s i d i i s AD T E R T I U M sie proceditur. Videtur quod non sit licitum in bellis uti insidiis. Dicitur enim Deut. 16: „Juste quod justum est exequeris." Sed insidiae, cum sint fraudes quaedam, viden92
irgendwie Betrug ist, scheint zur Ungerechtigkeit zu gehören. 40, 3 Also darf man sich keines Hinterhalts bedienen, auch nicht in gerechten Kriegen. 2. Hinterhalt und Betrug scheinen der Aufrichtigkeit entgegengesetzt zu sein, wie auch die Lüge. Weil wir aber allen gegenüber aufrichtig sein müssen, ist kein Mensch zu belügen (Augustinus). Da man nun „auch dem Feinde gegenüber aufrichtig sein m u ß " (Augustinus), scheint es, daß man sich im Kampf gegen den Feind keines Hinterhalts bedienen darf. 3. Mt 7, 12 heißt es: „Was ihr wollt, das euch die Menschen tun, das sollt auch ihr ihnen tun." Und das ist jedem Nächsten gegenüber zu beobachten. Die Feinde aber gehören zu unseren Nächsten. Da nun aber keiner wünscht, daß man ihm einen Hinterhalt legt oder ihn betrügt, scheint keiner aus dem Hinterhalt heraus Krieg führen zu dürfen. ANDERSEITS sagt Augustinus: „Wenn ein gerechter Krieg unternommen wird, spielt es für die Gerechtigkeit keine Rolle, ob einer offen kämpft oder aus dem Hinterhalt heraus." Er beweist das mit der Autorität des Herrn, der dem Josue befahl, daß er den Einwohnern der Stadt Hai einen Hinterhalt lege (Jos 8, 2). ANTWORT: Ein Hinterhalt ist dazu da, um den Feind zu täuschen. In zweifacher Weise aber kann einer durch die Tat oder das Wort eines anderen getäuscht werden. E i n m a l Q U A E S T I O 40, ,
tur ad injustitiam pertinere. Ergo non est utendum insidiis etiam in bellis justis. 2. P R A E T E R E A , insidiae et fraudes fidelitati videntur opponi, sicut et mendacia. Sed quia ad omnes fidem debemus servare, nulli homini est mentiendum; ut patet per Augustinum, in libro contra Mendacium [c. 15]. Cum ergo „fides hosti servanda sit", ut Augustinus dicit, ad Bonifacium [Ep. 189], videtur quod non sit contra hostes insidiis utendum. 3. P R A E T E R E A , Matth. 7 dicitur: „Quae vultis ut faciant vobis homines, et vos facite illis": et hoc est observandum ad omnes proximos. Inimici autem sunt proximi. Cum ergo nullus sibi velit insidias vel fraudes parari, videtur quod nullus ex insidiis debeat gerere bella. SED CONTRA est quod Augustinus dicit, in libro Quaestionum in Heptateuchum [6 qu. 10]: „Cum justum bellum suscipitur, utrum aperte pugnet aliquis an ex insidiis, nihil ad justitiam interest." E t hoc probat auctoritate Domini, qui mandavit Josue ut insidias poneret habitatoribus civitatis Hai, ut habetur Jos. 8. RESPONDEO dicendum quod insidiae ordinantur ad fallendum hostes. Dupliciter autem aliquis potest falli, ex facto vel 93
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40 3 so, d a ß ihm etwas Falsches gesagt oder ein Versprechen nicht gehalten wird. U n d das ist immer u n e r l a u b t . I n dieser Weise darf also n i e m a n d den F e i n d t ä u s c h e n ; d e n n b e s t i m m t e Kriegsrechte u n d A b m a c h u n g e n sind selbst u n t e r Feinden zu a c h t e n (Ambrosius). I n a n d e r e r Weise k a n n einer d u r c h unser W o r t oder d u r c h unsere T a t g e t ä u s c h t werden, i n d e m wir ihm unser V o r h a b e n oder unsere Gedanken nicht offenbaren. D a z u a b e r sind wir n i c h t i m m e r verpflichtet; d e n n a u c h in der heiligen L e h r e sind viele Dinge geheimzuhalten, besonders vor den U n gläubigen; d a m i t sie d a r ü b e r nicht s p o t t e n ; g e m ä ß Mt 7, 6 : „Gebet das Heilige nicht den H u n d e n preis . " U m so m e h r ist das, was wir zur B e k ä m p f u n g der Feinde vorbereiten, diesen zu verheimlichen. Deshalb wird u n t e r den Lehren der K r i e g s k u n s t vor allem jene dargestellt, wie die P l ä n e zu verheimlichen sind, d a m i t diese n i c h t a n den F e i n d gelangen (Frontinus). Diese Verheimlichung gehört zu der A r t von . H i n t e r h a l t ' , die im gerechten Kriege e r l a u b t ist. — Auch n e n n t m a n diese A r t , H i n t e r h a l t ' nicht B e t r u g ; noch widerstreitet sie der Gerechtigkeit noch dem geordneten Willen; d e n n es wäre ein Zeichen eines ungeordneten Willens, w e n n einer wollte, es d ü r f e ihm von a n d e r e n nichts verheimlicht werden. D a r a u s ergibt sich die Lösung Z U D E N E I N W Ä N D E N . Q U A E K T I O 40, ,
dicto alterius. Uno modo, ex eo quod ei dicitur falsum, vel non servatur promissum. Et istud Semper est illicitum. Et hoc modo nullus debet hostes fallere: sunt enim quaedam jura bellorum et foedera etiam inter ipsos hostes servanda, ut Ambrosius dicit, PL in libro de Officiis Ministrorum [1, 29]. 3/63 C Alio modo potest aliquis falli ex dicto vel facto nostro, quia ei propositum aut intellectum non aperimus. Hoc autem Semper facere non tenemur: quia etiam in doctrina sacra multa sunt occultanda, maxime infidelibus, ne irrideant, secundum illud Matth. 7: „Nolite sanctum dare canibus." Unde multo magis ea quae ad impugnandum inimicos paramus sunt eis occultanda. Unde inter cetera documenta rei militaris hoc praecipue ponitur de occultandis consiliis ne ad hostes perveniant; ut patet in libro Stratagematum Frontini. 1 Et talis occultatio pertinet ad rationem insidiarum quibus licitum est uti in bellis justis. — Nec proprie hujusmodi insidiae vocantur fraudes; nec justitiae repugnant; nec ordinatae voluntati: esset enim inordinata voluntas si aliquis vellet nihil sibi ab aliis occultari. Et per hoc patet responsio AD OBJECTA. 1
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Juli Frontini Stratcgematon 1,1. Ed. Gundermann (Tb). Lipsiae 1888, p. 4 — 8 .
4. A R T I K E L Ist es an Feiertagen
erlaubt, Krieg zu fuhren?
1. Feiertage sind dazu da, um für das Göttliche frei zu sein. Daher fallen sie unter die Vorschrift der Sabbatheiligung (Ex 20, 8 ff.). .Sabbat' heißt nämlich Ruhe. Kriege aber bringen ein Höchstmaß von Unruhe mit sich. Also darf man in keinem Falle an Feiertagen Krieg führen. 2. Is 58, 3 f. werden einige dafür getadelt, daß sie an Fasttagen „ihre Schulden eintrieben, Streitigkeiten anzettelten, mit der Faust dreinschlugen". Also ist es an Feiertagen noch viel weniger erlaubt, Krieg zu führen. 3. Um zeitlichen Nachteil zu vermeiden, darf man nichts unternehmen, was gegen die Ordnung ist. An einem Feiertage Krieg führen scheint aber an sich gegen die Ordnung zu sein. Also darf man unter keinen Umständen, um einen zeitlichen Nachteil zu vermeiden, an einem Feiertag Krieg führen. ANDERSEITS heißt es 1 Makk 2, 41: Mit Recht „beschlossen" die Juden und „sprachen: .Gegen jeden, der uns am Sabbat angreift, wollen wir kämpfen.'" [28] ANTWORT: Die Beobachtung der Feiertage hindert nicht, was dem Heile, auch dem des Leibes, dient. Deshalb tadelt Q U A E S T I O 40,
4
Utrum
in
A R T I C U L U S IV diebus festis liceat
bellare
A D QUARTUM sic proceditur. Videtur quod in diebus festis n o n liceat bellare. Festa enim sunt ordinata ad vacandum divinis: unde intelliguntur per observationem sabbati, quae praeeipitur E x . 20; s a b b a t u m enim interpretatur requies. Sed bella m a x i m a m inquietudinem h a b e n t . Ergo nullo modo est in diebus festis p u g n a n d u m . 2. P R A E T E R E A , Is. 58 reprehenduntur quidam quod in diebus jejunii „repetunt debita et c o m m i t t u n t lites, pugno percutientes". Ergo multo magis in diebus festis illicitum est bellare. 3. P R A E T E R E A , nihil est inordinate agendum a d vitandum incommodum temporale. Sed bellare in die festo, hoc videtur esse secundum se inordinatum. Ergo pro nulla necessitate temporalis incommodi vitandi debet aliquis in die festo bellare. S E D CONTRA est quod 1 Mach. 2 dicitur: „Cogitaverunt" laudabiliter Judaei, „dicentes: Omnis homo quicumque venerit ad nos in bello in die sabbatorum, pugnemus adversus eum." R E S P O N D E O dicendum quod observatio festorum non impedit ea quae ordinantur ad hominis salutem etiam corporalem. 95
40, 4 der Herr J o 7, 23 die Juden, indem Er sagt: „Ihr zürnet Mir deshalb, daß Ich am Sabbat einen ganzen Menschen gesund gemacht habe?" Daher können die Ärzte erlaubterweise die Menschen auch an einem Feiertage behandeln. Viel mehr aber als das Heil eines einzelnen Menschen ist das Heil des Gemeinwesens zu wahren, denn dadurch werden die Tötung sehr vieler Menschen und zahllose zeitliche sowohl wie geistige Übel verhindert. Also ist es zum Schutze des Gemeinwesens der Gläubigen erlaubt, auch an Feiertagen gerechte Kriege zu führen, wenn die Not es fordert. Denn es hieße Gott versuchen, wenn jemand in solch dringender Notlage nicht Krieg führen wollte. Wenn die Notlage aber vorüber ist, ist es aus den angeführten Gründen nicht mehr erlaubt, an Feiertagen Krieg zu führen. Daraus ergibt sich die Lösung ZU D E N EINWÄNDEN. QUAESTIO 40, ,
Unde Dominus arguit Judaeos, dicens, Joan. 7: „Mihi indignamini quia totum hominem salvum feci in eabbato?" E t inde est quod medici licite possunt medicari homines in die festo. Multo autem magis est conservanda salus reipublicae, per quam impediuntur occisiones plurimorum et innumera mala et temporalia et spiritualia, quam salus corporalis unius hominis. E t ideo pro tuitione reipublicae fidelium licitum est justa bella exercere in diebus festis, si tarnen hoc necessitas exposcat: hoc enim esset tentare Deum, si quis, imminente tali necessitate, a bello vellet abstinere. Sed necessitate cessante, non est licitum bellare in diebus festis, propter rationes induetas. Et per hoc patet responsio A D OBJECTA.
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41.
FRAGE
D E R ZANK Hierauf ist über den Zank nachzudenken. Dazu ergeben sich zwei Einzelfragen: 1. Ist Zank Sünde? 2. Ist er eine Tochter des Zornes? 1. A R T I K E L Ist Zank Sünde ?
1. Der Zank scheint eine Art Streit zu sein; denn Isidor sagt: „Zänkisch ist von offenem Hunderachen [29] abgeleitet; immer nämlich ist er [der Zänkische] zu Widerspruch bereit und hat Freude am Wortwechsel und reizt den Streitenden." Streit aber ist nicht immer Sünde [38, 1], also auch nicht der Zank. 2. Gn 26, 21 heißt es, daß die Knechte Isaaks „einen zweiten Brunnen gruben und sich darum zankten". Man kann aber nicht annehmen, daß die Familie des Isaak sich öffentlich gezankt hätte und daß er nicht Einspruch erhoben hätte, wenn das Sünde gewesen wäre. Also ist Zank nicht Sünde.
QUAESTIO
DE
XLI
RIXA
Deinde c o n s i d e r a n d u m est de rixa. E t circa hoc q u a e r u n t u r d u o : 1. U t r u m rixa sit p e c c a t u m . — 2. U t r u m sit filia irae.
Utrum
ARTICULUS I rixa semper sit p e c c a t u m
A D P R I M U M sic p r o c e d i t u r . V i d e t u r q u o d r i x a n o n semper sit p e c c a t u m . R i x a enim v i d e t u r esse contentio q u a e d a m : dicit e n i m Isidorus, in libro E t y m o l o g i a r u m [10 n. 239], quod p l „rixosus est a r i c t u canino d i c t u s : semper enim a d contradic e n d u m p a r a t u s est, et jurgio d e l e c t a t u r ; et p r o v o c a i contend e n t e m " . Sed contentio n o n semper est p e c c a t u m . E r g o n e q u e rixa. 2. P R A E T E R E A , Gen. 26 dicitur q u o d servi I s a a c „ f o d e r u n t alium p u t e u m , e t p r ò ilio q u o q u e r i x a t i s u n t " . Sed non est c r e d e n d u m q u o d familia I s a a c r i x a r e t u r publice, eo non contrad d e n t e , si hoc esset p e c c a t u m . E r g o rixa n o n est p e c c a t u m . 7
17 JS
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41, l
3. Zank ist eine Art Kleinkrieg. Krieg aber ist nicht immer Sünde [40, 1]. Also ist Zank nicht immer Sünde. A N D E R S E I T S werden Gal 5, 20 f. Zänkereien zu den Werken des Fleisches gezählt, von denen es heißt, daß „die, die solches tun, das Reich Gottes nicht besitzen werden". Also sind Zänkereien nicht nur Sünden, sondern sogar Todsünden. ANTWORT: Wie der Streit ein Gegeneinander in Worten, so bedeutet Zank ein Gegeneinander in Taten; deshalb sagt die Glosse zu Gal 5, 20 f., Zank sei dann gegeben, „wenn sich Menschen aus Zorn gegenseitig schlagen". Also scheint der Zank eine Art Kleinkrieg zu sein, der zwischen Privatpersonen ausgetragen wird, nicht kraft einer öffentlichen Vollmacht, sondern mehr aus ungeordnetem Willen heraus. Daher bedeutet Zank immer Sünde. Und zwar ist er bei dem, der den anderen ungerecht angreift, Todsünde; denn dem Nächsten Schaden zufügen, wenn auch mit der bloßen Hand, geschieht nicht ohne Todsünde. Bei dem aber, der sich verteidigt, kann es ohne Sünde sein, aber auch zuweilen mit einer läßlichen und zuweilen selbst mit einer Todsünde verbunden, je nach der inneren Erregung und nach der Art und Weise, wie er sich verteidigt. Denn wenn er nur mit der Absicht, die erfahrenen Beleidigungen zurückzuweisen, und QUAESTIO 41, !
3. P R A E T E R E A , rixa videtur esse quoddam particulare bellum. Sed bellum non Semper est peccatum. Ergo rixa non Semper est peccatum. S E D CONTRA est quod ad Gal. 5 rixae ponuntur inter opera carnis, „quae qui agunt regnum Dei non consequuntur". Ergo rixae non solum sunt peccata, sed etiam sunt peccata mortalia. R E S P O N D E O dicendum quod sicut contentio importat quandam contradictionem verborum, ita etiam rixa importat quandam contradictionem in factis: unde super illud Gal. 5 dicit PL Glossa [interl. et Lomb.] quod rixae sunt „quando ex ira invi192/159 B c e m s e percutiunt". E t ideo rixa videtur esse quoddam privatum bellum, quod inter privatas personas agitur non ex aliqua publica auctoritate, sed magis ex inordinata voluntate. E t ideo rixa Semper importat peccatum. E t in eo quidam qui alterum invadit injuste est peccatum mortale: inferre enim nocumentum proximo etiam opere manuali non est absque mortali peccato. In eo autem qui se defendit potest esse sine peccato, et quandoque cum peccato veniali, et quandoque etiam cum mortali: secundum diversum motum animi ejus, et diversum modum se defendendi. Nam si solo animo repellendi injuriam
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mit der nötigen Zurückhaltung sich verteidigt, ist es nicht 41, i Sünde und kann auch von seiner Seite nicht eigentlich Zank genannt werden. Wenn er sich aber aus Rache oder Haß oder ohne die notwendige Zurückhaltung verteidigt, ist es immer Sünde; und zwar läßliche, wenn sich nur eine leichte Regung von H a ß oder Rache einmischt oder wenn er in der Verteidigung das rechte Maß nur wenig verletzt; Todsünde aber, wenn er hartnäckig auf den Angreifer eindringt, um ihn zu töten oder schwer zu verletzen. Z u 1. Zank ist nicht schlechthin gleich Streit. Doch sind in den angeführten Worten Isidors drei Gedanken, die die Unordnung im Zank erläutern: e r s t e n s die innere Bereitschaft zum Streiten; das bezeichnet er mit den Worten: „immer zum Widerspruch bereit", nämlich gleichgültig, ob einer gut oder schlecht redet oder handelt; z w e i t e n s , weil er am Widerspruch selbst seine Freude h a t ; daher folgt: „er hat seine Freude am Wortwechsel"; d r i t t e n s , weil er andere zum Widerspruch reizt; daher folgt: „und reizt den Streitenden". Z u 2. Das ist nicht so zu verstehen, als ob die Knechte Isaaks gezankt hätten, sondern daß die Einwohner des Landes mit ihnen zankten. Daher sündigten diese, nicht aber die Knechte Isaaks, die solche Belästigung erduldeten. QUAESTIO 41, , illatam, et cum debita moderatione se defendat, non est peccatum: nec proprio potest dici rixa ex parte ejus. Si vero cum animo vindictae vel odii, vel cum excessu debitae moderationis se defendat, Semper est peccatum: sed veniale quidem quando aliquis levis motus odii vel vindictae se immiscet, vel cum non multum excedat moderatam defensionem; mortale autem quando obfirmato animo in impugnantem insurgit ad eum occidendum vel graviter laedendum. A D PRIMUM ergo dicendum quod rixa non simpliciter nominat contentionem: sed tria in praemissis verbis Isidori ponuntur quae inordinationem rixae declarant. Primo quidem, promptitudinem animi ad contendendum: quod significat cum dicit, „Semper ad contradicendum paratus", scilicet sive alius bene aut male dicat aut faciat. Secundo, quia in ipsa contradictione delectatur: unde sequitur, „et in jurgio delectatur". Tertio, quia ipse alios provocat ad contradictiones: unde sequitur, „et provocat contendentem". A D SECUNDUM dicendum quod ibi non intelligitur quod servi Isaac sint rixati, sed quod incolae terra« rixati sunt contra eos. Unde illi peccaverunt: non autem servi Isaac, qui calumniam patiebantur. 99
41, 2
Z u 3. D a m i t ein Krieg gerecht sei, ist nötig, d a ß er m i t E r m ä c h t i g u n g d e r öffentlichen Gewalt geschieht (40, 1). Zank aber geht z u r ü c k auf den Zorn oder H a ß einer P r i v a t person. W e n n nämlich d e r B e a m t e des F ü r s t e n oder des R i c h t e r s in öffentlicher Vollmacht einige angreift u n d diese sich verteidigen, so sagt m a n nicht von jenen, d a ß sie zanken, sondern von denen, die der öffentlichen Gewalt widerstehen. U n d so sind nicht die Angreifer es, die z a n k e n oder sündigen, sondern diejenigen, die sich unberechtigterweise verteidigen. 2. A R T I K E L Ist der Zank eine Tochter des Zornes ? 1. J k 4, 1 h e i ß t es: „ W o h e r k o m m e n u n t e r euch Kriege u n d Streitigkeiten? N i c h t etwa von euren Begierden, die in euren Gliedern s t r e i t e n ? " Zorn aber gehört n i c h t in d e n Bereich des begehrenden Strebevermögens [30]. Also ist d e r Z a n k n i c h t eine T o c h t e r des Zornes, sondern eher des begehrenden Strebevermögens. 2. Spr 18, 25 h e i ß t es: „Wer g r o ß t u t u n d sich b r e i t m a c h t , reizt z u m Wortwechsel." Z a n k a b e r scheint dasselbe zu sein wie Wortwechsel. Also scheint der Zank eine Tochter des H o c h m u t s oder d e r eitlen R u h m s u c h t zu sein, denen es eigen ist, g r o ß z u t u n u n d sich b r e i t z u m a c h e n . Q U A E S T I O 41, s
AD TERTIUM dicendum quod ad hoc quod justum sit bellum, requiritur quod fiat auctoritate publicae potestatis, sicut supra dictum est. Rixa autem fit ex privato affectu irae vel odii. Si enim minister principis aut judiéis publica potestate aliquos invadat qui se defendant, non dicunter ipsi rixari, sed illi qui publicae potestati resistunt. Et sie illi qui invadunt non rixantur ñeque peccant: sed illi qui se inordinate defendunt. ARTICULUS II U t r u m rixa sit f i l i a irae [Supra 37,2 ad 1; infra 158,7]
AD SECUNDUM sie proceditur. Videtur quod rixa non sit filia irae. Dicitur enim Jac. 4: „Unde bella et lites in vobis? Nonne ex coneupiscentiis quae militant in membris vestris?" Sed ira non pertinet ad concupiscibilem. Ergo rixa non est filia irae, sed magis concupiscentiae. 2. PRAETEREA, Prov. 28 dicitur: „Qui se jactat et dilatat jurgia concitat." Sed idem videtur esse rixa quod jurgium. Ergo videtur quod rixa sit filia superbiae vel inanis gloriae, ad quam pertinet se jactare et dilatare. 100
3. Spr 18, 6 heißt es: „Die Lippen des Toren mischen sich 41, 2 in Zänkereien." Torheit aber unterscheidet sich vom Zorn; denn sie ist nicht der Sanftmut entgegengesetzt, sondern eher der Weisheit oder Klugheit. Also ist der Zank nicht eine Tochter des Zornes. 4. Spr 10, 12 heißt es: „Der Haß beschwört Zänkereien herauf." „Haß aber wird aus Neid geboren" (Gregor). Also ist der Zank nicht eine Tochter des Zornes, sondern des Neides. 5. Spr 17, 19 heißt es: „Wer auf Zwietracht sinnt, sät Zänkereien." Zwietracht aber ist eine Tochter der eitlen Ruhmsucht (37, 2). Also auch der Zank. A N D E R S E I T S sagt Gregor: „Aus Zorn wird Zank geboren." Und Spr 15, 18 und 29, 22 heißt es: „Der zornige Mann zettelt Zänkereien an." ANTWORT: Zank bedeutet ein Gegeneinander, das bis zu Tätlichkeiten geht, wobei der eine den anderen zu verletzen trachtet. In zweifacher Weise aber sucht einer den anderen zu verletzen: E i n m a l sofern er unbedingt dessen Schaden will. Und eine solche Verletzung gehört zum Haß, der darauf ausgeht, den Feind offen oder geheim zu verletzen. — In a n d e r e r Weise sucht einer den anderen zu verletzen, der es weiß und sich wehrt; und das ist mit ,Zank' QUAESTIO
41,2
3. P R A E T E R E A , Prov. 18 dicitur: „Labia stulti immiscent se rixis." Sed stultitia differt ab ira: non enim opponitur mansuetudini, sed magis sapientiae vel prudentiae. Ergo rixa non est filia irae. 4. P R A E T E R E A , Prov. 10 dicitur: „Odium suscitât rixas." Sed „odium oritur ex invidia"; ut Gregorius dicit, 31 Moralium [c. 45]. Ergo rixa non est filia irae, sed invidiae. PL 5. P R A E T E R E A , Prov. 17 dicitur: „Qui meditatur discor- 76/621 B dias seminat rixas." Sed discordia est filia inanis gloriae, ut supra dictum est. Ergo et rixa. S E D CONTRA est quod Gregorius dicit, 31 Moralium [1. c.], ib. quod „ex ira oritur rixa". E t Prov. 15 et 29 dicitur: „Vir iracundus provocat rixas." R E S P O N D E O dicendum quod, sicut dictum est, rixa import â t quandam contradictionem usque ad facta pervenientem, dum unus alterum laedere molitur. Dupliciter autem unus alium laedere intendit. Uno modo, quasi intendens absolute malum ipsius. E t talis laesio pertinet ad odium, cujus intentio est ad laedendum inimicum vel in manifesto vel in occulto. — Alio modo aliquis intendit alium laedere eo sciente et repugnante:
101
41, 2 gemeint. Das ist eigentlich Sache des Zornes, der das Streben nach Vergeltung i s t ; es genügt nämlich dem Zornigen nicht, dem heimlich zu schaden, gegen den er erzürnt i s t ; er will vielmehr, daß dieser es spürt und gegen seinen Willen etwas erduldet zur Vergeltung dessen, was er getan ( I - I I 46,6 Zu 2 : B d . 10). Und so wird der Zank eigentlich aus dem Zorn geboren. Z u 1. Alle Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens entstehen aus dem begehrenden Strebevermögen ( I - I I 25, 1: B d . 10). Danach entsteht das, was zunächst aus dem Zorn k o m m t , auch aus dem begehrenden Strebevermögen als aus seiner ersten Wurzel. Z u 2. Großtun und Sich-Breitmachen, was aus H o c h m u t und eitler R u h m s u c h t k o m m t , erregen nicht unmittelbar Wortwechsel und Zank, sondern bieten den Anlaß dazu, sofern nämlich durch sie der Zorn geschürt wird, indem einer es als Beleidigung auffaßt, daß der andere sich über ihn erhebt. U n d so folgen aus dem Zorn Wortwechsel und Zank. Z u 3. D e r Zorn hindert das Urteil der Vernunft ( I - I I 48, 3 : B d . 10), weshalb er Ähnlichkeit mit der Torheit hat. D a h e r k o m m t es, daß sie eine gemeinsame Wirkung haben. Aus der Schwächung der Vernunft folgt dann der Versuch, den anderen unberechtigterweise zu verletzen. QUAESTIO 41, , quod importatur nomine rixae. E t hoc proprio pertinet ad iram, quae est appetitus vindictae: non enim sufficit irato quod latenter noceat ei contra quem irascitur, sed vult quod ipse sentiat, et quod contra voluntatem suam aliquid patiatur in vindictam ejus quod fecit, ut patet per ea quae supra dicta sunt de passione irae. E t ideo rixa proprie oritur ex ira. AD PRIMUM ergo dicendum quod, sicut supra dictum est, omnes passiones irascibilis ex passionibus concupiscibilis oriuntur. E t secundum hoc, illud quod proxime oritur ex ira, oritur etiam ex concupiscentia sicut ex prima radice. AD SECUNDUM dicendum quod jactatio et dilatatio sui, quae fit per superbiam vel inanem gloriam, non directe concitat jurgium aut rixam, sed occasionaliter: inquantum scilicet ex hoc concitatur ira, dum aliquis sibi ad injuriam reputat quod alter ei se praeferat; et sie ex ira sequuntur jurgia et rixae. AD T E R T I U M dicendum quod ira, sicut supra dictum est, impedit Judicium rationis: unde habet similitudinem cum stultitia. E t ex hoc sequitur quod habeant communem effectum: ex defectu enim rationis contingit quod aliquis inordinate alium laedere molitur. 102
Z u 4. Mag auch der Zank zuweilen aus dem Haß hervor- 41, 2 gehen, so ist er doch nicht die eigentliche Wirkung des Hasses. Denn es liegt außerhalb der Absicht des Hassenden, den Feind zänkisch und offen zu verletzen; zuweilen nämlich sucht er ihn auch im geheimen zu verletzen. Sobald er aber merkt, daß er die Oberhand gewinnt, versucht er durch Zank und Wortwechsel zu verletzen. Jemanden im Zank zu verletzen ist aber die eigentliche Wirkung des Zornes (Antw.). Z u 5. Aus Zank folgen Haß und Zwietracht im Herzen der Streitenden. Deshalb sorgt der, der darauf sinnt, das heißt beabsichtigt, unter mehreren Zwietracht zu säen, dafür, daß sie sich untereinander zanken; wie jede Sünde den A k t einer anderen Sünde befehlen kann, indem sie ihn auf ihr eigenes Ziel hinordnet. Daraus folgt aber nicht, daß Zank im eigentlichen Sinne und unmittelbar eine Tochter der eitlen Ruhmsucht ist. q u a e s t i o 41, „ A D Q U A R T U M dicendum quod rixa, etsi quandoque ex odio oriatur, non tarnen est proprius effectus odii. Quia praeter intentionem odientis est quod rixose et manifeste inimicum laedat: quandoque enim etiam occulte laedere quaerit; sed quando videt se praevalere, cum rixa et jurgio laesionem intendit. Sed rixose aliquem laedere est proprius effectus irae, ratione jam dicta. A D Q U I N T U M dicendum quod ex rixis sequitur odium et discordia in cordibus rixantium. E t ideo ille qui meditatur, idest qui intendit inter aliquos Seminare discordias, procurat quod ad invicem rixantur: sicut quodlibet peccatum potest imperare actum alterius peccati, ordinando illum in suum finem. Sed ex hoc non sequitur quod rixa sit filia inanis gloriae proprie et directe.
103
42. F R A G E DER AUFRUHR Hierauf ist über den Aufruhr nachzudenken. Dazu ergeben sich zwei Einzelfragen: 1. Ist er eine arteigene Sünde? 2. Ist er Todsünde ? 1. Ist Aufruhr
ARTIKEL
eine von den anderen unterschiedene Sünde?
arteigene
1. Isidor sagt: „Aufrührer ist der, der eine Spaltung der Geister heraufführt und Zwietracht s ä t " [31]. Dadurch aber, daß einer zur Sünde anstiftet, sündigt er durch keine andere Art von Sünde, als durch die, zu der er anstiftet. Also scheint Aufruhr keine von der Zwietracht unterschiedene Sünde zu sein. 2. Aufruhr bedeutet irgendwie Trennung. .Schisma' aber wird von Spaltung her genommen (39, 1). Also scheint die Sünde des Aufruhrs nicht unterschieden zu sein von der Sünde des Schismas.
QUAESTIO
XLH
DE SEDITIONS Deinde considerandum est de seditione. E t circa hoc quaeruntur duo: 1. Utrum sit speciale peccalum. — 2. Utrum sit mortale peccatum. ARTICULUS I U t r u m seditio sit s p e c i a l e p e c c a t u m ab aliis distinetum AD P R I M U M sic proceditur. Yidetur quod seditio non sit speciale peccatum ab aliis distinetum. Quia ut Isidorus dicit, l'i, in libro Etymologiarum [10 n. 250], „seditiosus est qui dissenS2/:Ì 13 stimationem prudentiae. Unde Dan. 13 dicitur: „Species decepit te, et concupiscentia subvertit cor t u u m " ; et E x . 23 dicitur: ,,Ne accipias munera, quae excaecant etiam prudentes." — Oblivio tamen potest impedire prudentiam, inquantum procedit ad praecipiendum ex aliqua cognitione, quae per oblivionem tolli potest. AD PRIMUM ergo dicendum quod scientia est in sola ratione. Unde de ea est alia ratio, ut supra dictum est. AD SECUNDUM dicendum quod experimentum prudentiae 237
47,16 Erinnerung gewonnen, sondern auch aus der Übung rechten Gebietens. Zu 3. Die Klugheit besteht hauptsächlich nicht in Kenntnis des Allgemeinen, sondern in der Umsetzung Werk (Antw.). Und darum zerstört das Vergessen Kenntnis des Allgemeinen nicht das Hauptsächliche in Klugheit, sondern hindert sie nur (Antw.).
des der ins der der
QUABSTIO 47, „ non acquiritur ex sola memoria, sed ex exercitio recte praecipiendi. AD TERTTUM dicendum quod prudentia principaliter consistit non in cognitione universalium, sed in applicatione ad opera, ut dictum est. E t ideo oblivio universalis cognitionis non corrumpit id quod est principale in prudentia, sed aliquid impedimentum ei affert, ut dictum est.
238
48. F R A G E DIE TEILE DER KLUGHEIT Hierauf ist über die Teile der Klugheit nachzudenken. D a z u ergeben sich vier Fragen: erstens, welche die Teile der Klugheit sind; zweitens, nach ihren Ganzheitsteilen [Fr. 49]; drittens, nach ihren Unterteilen [Fr. 50]; viertens, nach ihren Mächtigkeitsteilen [Fr. 51]. EINZIGER Werden die Teile der Klugheit
ARTIKEL angemessen
angegeben?
1. Cicero führt drei Teile der Klugheit auf: „Erinnerung, Einsicht u n d Weitblick." — Macrobius [91] aber schreibt gemäß der Auffassung des Plotin der Klugheit sechs Teile zu: „Vernunft, Verstand, Umsicht, Weitblick, Beiehrbarkeit und Vorsicht." — Aristoteles aber sagt, zur Klugheit gehören: Wohlberatenheit, Verständigkeit und Klarsicht. Er erwähnt auch bezüglich der Klugheit: Findigkeit und Treffsicherheit,
Q U A E S T I O XLVIII
DE PARTIBUS PRUDENTIAE Deinde considerandum est de partibus prudentiae. E t circa hoc q u a e r u n t u r q u a t u o r : primo, quae sint partes prudentiae; secundo, de partibus quasi integralibus ejus; tertio, de partibus subjectivis ejus; quarto, de partibus potentialibus.
Utrum
ARTICULUS UNICUS convenienter assignentur partes
prudentiae
[Supra 47,11; infra qq. 49 sq; 3 d 3 3 : 3 , l q a 1—4; Eth 6 lect 7; jlem et Hem lect 1]
A D P R I M U M sic proceditur. Videtur quod inconvenienter assignentur partes prudentiae. Tullius enim, in 2 Rhetoricorum, 1 ponit tres partes prudentiae: scilicet „memoriam, intelligentiam et providentiam". — Macrobius 2 autem, secundum sententiam Plotini, 3 attribuit prudentiae sex: scilicet „rationem, intellectual, circumspectionem, providentiam, docilitatem et caution e m " . — Aristoteles autem, in 6 Ethicorum [c. 10 sq.], dicit ad 1142 a 32 p r u d e n t i a m pertinere eubuliam, synesim et gnomen. Facit ^ etiam mentionem circa prudentiam de eustochia et solertia, ^5 1
De Inventione 2,53: Ed. Stroebel (Tb), p. 147. • A. Th. Macrobii Commentarii ÍD Somnum Scipionia 1,8. Ed. Willis (Tb). Lipsiae 1963, p. 38. • P : Platonis.
239
1 Sinn und Verstand. — Ein anderer griechischer Philosoph [92] sagt, zur Klugheit gehören zehn [Teile]: „ Wohlberatenheit, Treffsicherheit, Weitblick, Führungskunst, Kriegskunst, Staatsbürgersinn, Haus wirtschaftskunst, Kunst der Untersuchung, Redekunst, Kunst der Naturerkenntnis." — Also scheint entweder die eine Aufzählung zu umfangreich oder die andere unvollständig zu sein. 2. Die Klugheit wird gegen die Wissenschaft abgegrenzt. Staatsbürgersinn, Hauswirtschaftskunst, Kunst der Untersuchung, Redekunst und Kunst der Naturerkenntnis sind gewisse Wissenschaften. Also sind sie nicht Teile der Klugheit. 3. Die Teile gehen nicht über das Ganze hinaus. Geistige Erinnerung oder Einsicht, Vernunft, Sinn und Beiehrbarkeit gehören aber nicht nur zur Klugheit, sondern auch zu allen anderen Erkenntnisgehaben. Also dürfen sie nicht als Teile der Klugheit aufgeführt werden. 4. Wie das Überlegen, Urteilen und Gebieten Akte der auf das Tun gerichteten Vernunft sind, so auch das Gebrauchen (I-II 16, 1: Bd. 9). Wie nun der Klugheit die Wohlberatenheit, die zur Überlegung gehört, und die Verständigkeit und Klarsicht, die zum Urteil gehören, zugeteilt werden, so mußte auch etwas aufgeführt werden, das den Gebrauch betrifft. QUAESTIO 48, ,
sensu et intellectu. — Quidam autem alius philosophus graecus 1 dicit quod ad prudentiam decem pertinent: scilicet „eubulia, solertia, Providentia, regnativa, militaris, política, oeconomica, dialéctica, rhetorica, physica". — E r g o videtur quod vel una assignatio sit superflua, vel alia diminuta. 2. P R A E T E R E A , prudentia dividitur contra scientiam. Sed política, oeconomica, dialéctica, rhetorica, physica sunt quaedam seientiae. Non ergo sunt partes prudentiae. 3. P R A E T E R E A , partes non excedunt totum. Sed memoria intellectiva, vel intelligentia, ratio, sensus et docilitas non solum pertinent ad prudentiam, sed etiam ad omnes habitúa cognoscitivos. E r g o non debent poni partes prudentiae. 4. P R A E T E R E A , sicut consiliari et judicare et praeeipere sunt actus rationis practicae, ita etiam et uti, sicut supra habit u m est. Sicut ergo eubulia adjungitur prudentiae, quae pertinet ad consilium, et synesis et gnome, quae pertinet ad Judicium; ita etiam debuit poni aliquid pertinens ad usum. 1 [Ps.-]Andronlcl Rhodii qul fertur UbelU neQl nd'dov [De Affectibus]. Pars altera De virtutibus et vitiis, cap. De prudentia. Ed. Schuchhardt. Darmstadt 1883, p. 20.
240
5. Die Besorgtheit gehört zur Klugheit (47, 9). Also mußte 48, l auch die Besorgtheit unter den Teilen der Klugheit aufgeführt werden. ANTWORT: Es gibt drei Arten von Teilen: den Ganzheitsteil — so sind Wand, Dach und Grundmauer Teile des Hauses; den Unterteil — so sind Rind und Löwe Teile von .Lebewesen'; den Mächtigkeitsteil — so sind das Ernährende und das Sinnenhafte Teile der Seele. Also können einer Tugend auf dreifache Weise Teile zugewiesen werden. Einmal nach der Ähnlichkeit von Ganzheitsteilen; in diesem Sinne wird all das Teil einer Tugend genannt, was zum vollkommenen Akt jener Tugend notwendig zusammenkommen muß. Und von all den aufgezählten [Teilen] können in diesem Sinne acht Teile der Klugheit angesetzt werden, nämlich die sechs, die Macrobius aufzählt; diesen ist als siebenter Teil die Erinnerung anzufügen, die Cicero aufführt, und die Findigkeit oder Treffsicherheit, die Aristoteles aufführt (denn der zur Klugheit gehörende Sinn wird auch Verstand genannt, weshalb Aristoteles sagt: „Für dieses [einzelne] nun muß man einen Sinn haben; dieser aber ist Verstand"). Von diesen acht gehören fünf zur Klugheit, insofern sie erkennend ist, nämlich Erinnerung, Vernunft, Verstand, Beiehrbarkeit und Treffsicherheit; die drei anderen aber gehören zu ihr, insofern sie gebietend ist und die Erkenntnis Q U A E S T I O 48, ,
5. P R A E T E R E A , sollicitudo ad prudentiam pertinet, sicut supra habitum est. Ergo etiam inter partes prudentiae sollicitudo poni debuit. R E S P O N D E O dicendum quod triplex est pars: scilicet integralis, ut paries, tectum et fundamentum sunt partes domus; subjectiva, sicut bos et leo sunt partes animalis; et potentialis, sicut nutritivum et sensitivum sunt partes animae. Tribus ergo modis possunt assignari partes alicui virtuti. Uno modo, ad similitudinem partium integralium: ut scilicet illa dicantur esse partes virtutis alicujus quae necesse est concurrere ad perfectum actum virtutis illius. E t sie ex omnibus enumeratis possunt aeeipi octo partes prudentiae: scilicet sex quas enumerat Macrobius ; quibus addenda est septima, scilicet memoria, quam ponit Tullius [1. c.]; et eustochia sive solertia, quam ponit Aristoteles [Eth. 6, 9] (nam sensus prudentiae etiam intellectus dicitur: unde Philosophus dicit, in 6 Ethicorum [c. 12]: „Horum igitur 1143 b 5 oportet habere sensum: hic autem est intellectus"). Quorum octo quinque pertinent ad prudentiam secundum id quod est cognoscitiva, scilicet memoria, ratio, intellectus, docilitas et solertia: tria vero alia pertinent ad eam secundum quod est 241
48, l ins Werk setzt, nämlich der Weitblick, die Umsicht und die Vorsicht. — Ihr Unterscheidungsgrund ergibt sich daraus, daß hinsichtlich der Erkenntnis dreierlei zu betrachten ist. E r s t e n s die Erkenntnis selbst; geht sie auf Vergangenes, so ist sie Erinnerung; geht sie auf Gegenwärtiges, sei es nichtnotwendig oder notwendig, so heißt sie Verstand oder Einsicht. — Z w e i t e n s die Erwerbung der Erkenntnis; sie erfolgt entweder durch Lernen, und dazu gehört die Beiehrbarkeit, oder durch Auffindung, und dazu gehört die Findigkeit, die ein gutes Vermutungsvermögen ist. Ihr Teil aber ist die Treffsicherheit, welche die rasche Vermutung des Mittel[begriff]s ist (Aristoteles). — D r i t t e n s ist der Gebrauch der Erkenntnis zu betrachten, insofern nämlich jemand aus Erkanntem zum Erkennen und Beurteilen von anderem fortschreitet, und das ist Sache der Vernunft. Soll die Vernunft recht gebieten, so muß sie dreierlei an sich haben. E r s t e n s , daß sie etwas Entsprechendes auf das Ziel hinordnet, und das gehört zum Weitblick. Z w e i t e n s , daß sie die Umstände der Aufgabe beachtet, und das gehört zur Umsicht. D r i t t e n s , daß sie Hindernisse vermeidet, und das gehört zur Vorsicht. Unterteile der Tugend aber heißen ihre verschiedenen Arten, und auf diese Weise gelten als Teile der Klugheit, soQUAESTIO 48. i
praeceptiva, applicando cognitionem ad opus, scilicet Providentia, circumspectio et cautio. — Quorum diversitatis ratio patet ex hoc quod circa cognitionem tria sunt consideranda. Primo quidem, ipsa cognitio. Quae si sit praeteritorum, est memoria: si autem praesentium, sive contingentium sive necessariorum, vocatur intellectus sive intelligentia. — Secundo, ipsa cognitionis acquisitio. Quae fit vel per disciplinam, et ad hoc pertinet docilitas: vel per inventionem, et ad hoc pertinet eustochia, quae est bona conjecturatio. Hujus autem pars, ut 1142 b 5 dicitur in 6 Ethicorum [c. 10], est solertia, quae est velox conjecturatio medii, ut dicitur in 1 Posteriorum Analyticorum 89 b 10 [c. 34]. — Tertio considerandus est usus cognitionis: secundum scilicet quod ex cognitis aliquis procedit ad alia cognoscenda vel judicanda. Et hoc pertinet ad rationem. Ratio autem, ad hoc quod recte praecipiat, tria debet habere. Primo quidem, ut ordinet aliquid accommodum ad finem: et hoc pertinet ad providentiam. Secundo, ut attendat circumstantias negotii: quod pertinet ad circumspectionem. Tertio, ut vitet impedimenta: quod pertinet ad cautionem. Partes autem subjectivae virtutis dicuntur species ejus diversae. Et hoc modo partes prudentiae, secundum quod proprie 242
fern sie im eigentlichen Sinne aufgefaßt werden, die Klugheit, 48,1 mit der sich jemand selbst leitet, und die Klugheit, mit der jemand eine Menge leitet; diese beiden unterscheiden sich der Art nach (47, 2); und wiederum wird die Klugheit, die die Menge zu leiten hat, in verschiedene Arten eingeteilt, je nach den verschiedenen Arten der Menge. Es gibt eine Menge, die zu einer besonderen Aufgabe vereinigt ist, wie etwa das Heer zum Kampf versammelt wird; und diese ist durch die Kriegsklugheit zu leiten. Eine andere Menge wieder ist für das ganze Leben vereinigt, wie die Menge eines Hauses oder einer Familie; und diese ist durch die Hauswirtschaftsklugheit zu leiten; ferner die Menge einer Stadt oder eines Reiches; und diese ist durch die Führungsklugheit im Fürsten und durch die schlechthin so genannte staatsbürgerliche Klugheit, die sich in den Untergebenen findet, zu leiten. — Wenn aber Klugheit im weiten Sinne genommen wird, insofern sie auch die auf die Schau gerichtete Wissenschaft einschließt (47, 2 Zu 2), dann werden als ihre Teile aufgeführt die Kunst der Untersuchung, die Redekunst und die Kunst der Naturerkenntnis, gemäß den drei Weisen des Vorgehens in den Wissenschaften. Die eine Weise geht auf dem Wege der Beweisführung vor, um Wissen zu verursachen ; das gehört zur Kunst der Naturerkenntnis, so daß unter ,Kunst der Naturerkenntnis' alle beweisenden Wissenschaften verstanden werden. Eine andere Weise geht nach Wahrscheinlichkeitsgründen vor, um eine Meinung hervorQ U A E S T I O 48. ,
sumuntur, sunt prudentia per quam aliquis regit seipsum, et prudentia per quam aliquis regit multitudinem, quae differunt specie, ut dictum est: et iterum prudentia quae est multitudinis regitiva dividitur in diversas species secundum diversas species multitudinis. Est autem quaedam multitudo adunata ad aliquod speciale negotium, sicut exercitus congregatur ad pugnandum: cujus regitiva est prudentia militaris. Quaedam vero multitudo est adunata ad totam vitam, sicut multitudo unius domus vel familiae, cujus regitiva est prudentia oeconomica; et multitudo unius civitatis vel regni, cujus quidem directiva est in principe regnativa, in subditis autem política simpliciter dicta. — Si vero prudentia sumatur large, secundum quod includit etiam scientiam speculativam, ut supra dictum est; tune etiam partes ejus ponuntur dialéctica, rhetorica et physica, secundum tres modos procedendi in scientiis. Quorum unus est per demonstrationem ad scientiam causandam: quod pertinet ad physicam; ut sub physica intelligantur omnes scientiae demonstrativae. Alius modus est ex probabilibus ad opinionem 243
i zubringen; das gehört zur Kunst der Untersuchung. Die dritte Weise geht nach Vermutungen vor, um einen Anschein herbeizuführen oder um irgendwie zu überreden; das gehört zur Redekunst. — Es kann jedoch gesagt werden, daß diese drei auch zur Klugheit im eigentlichen Sinne gehören, die in ihren Überlegungen bisweilen von Notwendigem, bisweilen von Wahrscheinlichem und bisweilen von gewissen Vermutungen ausgeht. Mächtigkeitsteile einer Tugend heißen die verbundenen Tugenden, die auf gewisse zugeordnete Tätigkeiten oder Bereiche hingeordnet sind und dabei nicht die ganze Macht der Haupttugend haben. In diesem Sinne werden als Teile der Klugheit aufgeführt die Wohlberatenheit im Bereich der Überlegung, die Verständigkeit im Bereich des Urteils über das, was gewöhnlich eintrifft, und die Klarsicht im Bereich des Urteils über das, bei dem man zuweilen vom allgemeinen Gesetz abweichen muß. Die Klugheit aber betrifft die hauptsächliche Tätigkeit, das Gebieten. Zu 1. Die verschiedenen Aufzählungen unterscheiden sich im Hinblick darauf, daß verschiedene Gattungen von Teilen aufgeführt werden, bzw. daß in einem Teil einer Aufzählung viele Teile einer anderen Aufzählung eingeschlossen sind. So schließt Cicero unter dem Weitblick die Vorsicht und die Q U A E S T I O 48, ,
faciendam: quod pertinet ad dialecticam. Tertius modus est ex quibusdam conjecturis ad suspicionem inducendam, vel ad aliqualiter persuadendum: quod pertinet ad rhetoricam. — Potest tarnen dici quod haec tria pertinent ad prudentiam etiam proprio dictam, quae ratiocinatur interdum quidem ex necessariis, interdum ex probabilibus, interdum autem ex quibusdam conjecturis. Partes autem potentiales alicujus virtutis dicuntur virtutes adjunctae quae ordinantur ad aliquos secundarios actus vel materias, quasi non habentes totam potentiam principalis virtutis. E t secundum hoc ponuntur partes prudentiae eubulia, quae est circa consilium; et synesis, quae est circa judicium eorum quae communiter accidunt; et gnome, quae est circa judicium eorum in quibus oportet quandoque a communi lege recedere. Prudentia vero est circa principalem actum, qui est praecipere. AD PRIMUM ergo dicendum quod diversae assignationes differunt secundum quod diversa genera partium ponuntur; vel secundum quod sub una parte unius assignationis includuntur multae partes alterius assignationis. Sicut Tullius sub provi244
Umsicht ein; unter der Einsicht aber die Vernunft, die Be- 48, 1 lehrbarkeit und die Treffsicherheit. Z u 2. Hauswirtschaftskunst und Staatsbürgersinn werden hier nicht als Wissenschaften, sondern als gewisse Arten von Klugheit betrachtet. Hinsichtlich der anderen drei ergibt sich die Antwort aus dem Gesagten (Antw.). Z u 3. Alle jene werden nicht in ihrer allgemeinen Bedeutimg als Teile der Klugheit aufgeführt, sondern insofern sie ein Verhältnis zu dem haben, was zur Klugheit gehört. Z u 4. Recht gebieten und recht gebrauchen gehen immer zusammen. Denn auf das Gebieten der Vernunft folgt das Gehorchen der niederen Kräfte, was zum Gebrauch gehört. Z u 5. Die Besorgtheit ist im Begriff des Weitblicks eingeschlossen. Q U A E S T I O 48,
;
dentia includit cautionem et circumspectionem; sub intelligentia autem rationem, docilitatem et solertiam. A D SECUNDUM dicendum quod oeconomica et politica non accipiuntur hie secundum quod sunt scientiae; sea secundum quod sunt prudentiae quaedam. De aliis autem tribus patet responsio ex dictis. A D TERTIUM dicendum quod omnia ilia ponuntur partes prudentiae non secundum suam communitatem, sed secundum quod se habent ad ea quae pertinent ad prudentiam. A D QUARTUM dicendum quod recte praecipere et recte uti semper se comitantur: quia ad praeceptum rationis sequitur obedientia inferiorum virium, quae pertinent ad usum. A D QUINTUM dicendum quod sollicitudo includitur in rati one providentiae.
245
49.
FRAGE
DIE EINZELNEN GANZHEITSTEILE D E R KLUGHEIT Hierauf ist über die einzelnen Ganzheitsteile der Klugheit nachzudenken. Dazu ergeben sich acht Einzelfragen: 1. Die Erinnerung. 2. Der Verstand oder die Einsicht. 3. Die Beiehrbarkeit. 4. Die Treffsicherheit. 5. Die Vernunft. 6. Der Weitblick. 7. Die Umsicht. 8. Die Vorsicht. 1. A R T I K E L Ist die Erinnerung ein Teil der Klugjieit ? 1. Die Erinnerung ist im sinnenhaften Teil der Seele (Aristoteles). Die Klugheit aber im vernunfthaften [Teil] (Aristoteles). Also ist die Erinnerung kein Teil der Klugheit.
QUAESTIO XLIX
D E SINGULIS PRUDENTIAE PARTIBUS QUASI I N T E G R A L I B U S Deinde considerandum est de singulis prudentiae partibus quasi integralibus. E t circa hoc quaeruntur octo: 1. De memoria. — 2. De intellectu vel intelligentia. — 3. De docilítate. — 4. De solertia. —• 5. De ratione. — 6. De Providentia. —• 7. De circumspectione. — 8. De cautione. ARTICULUS I Utrum memoria sit pars prudentiae [Supra 48,1; 3 d 33: 3,1 qa 1; Mem et Kern lect 1]
AD PRIMTJM sic proceditur. Videtur quod memoria non sit pars prudentiae. Memoria enim, ut probat Philosophus, 1 est in parte animae sensitiva. Prudentia autem est in ratiocinativa, 1140 b 25 ut patet in 6 Ethicorum [c. 5 ; cf. c. 2], Ergo memoria non est 1139 a i l p a r s prudentiae. 1
246
Aristoteles, De Memoria et Reminiscentia, c. 1 (450 a 12).
2. Die Klugheit wird durch Übung erworben und ge- 49,1 fördert; die Erinnerung aber ist von Natur aus in uns. Also ist die Erinnerung kein Teil der Klugheit. 3. Die Erinnerung richtet sich auf Vergangenes. Die Klugheit aber richtet sich auf das, was in der Zukunft zu tun und was zu überlegen ist (Aristoteles). Also ist die Erinnerung kein Teil der Klugheit. A N D E R S E I T S zählt Cicero die Erinnerung unter den Teilen der Klugheit auf. ANTWORT: Die Klugheit geht auf das Nicht-Notwendige im Bereich der Handlungen (47, 5). In diesem Bereich kann der Mensch nicht durch das schlechthin und notwendig Wahre gelenkt werden, sondern durch das, was in der Mehrzahl der Fälle zutrifft; denn es ist notwendig, daß die Gründe den Schlußfolgerungen entsprechen und aus Bestimmtem Bestimmtes geschlossen wird (Aristoteles). Was nun in der Mehrzahl der Fälle wahr ist, muß man durch Erfahrung ermitteln; darum sagt Aristoteles: „Verstandhafte Tüchtigkeit gewinnt ihre Entstehung und Vermehrung durch Erfahrung und Zeit." Erfahrung aber entsteht aus mehreren Erinnerungen (Aristoteles). Daraus folgt, daß es zur KlugQ U A E S T I O 49, !
2. P R A E T E R E A , prudentia per exercitium acquiritur et proficit. Sed memoria inest nobis a natura. Ergo memoria non est pars prudentiae. 3. P R A E T E R E A , memoria est praeteritorum, prudentia autem futurorum operabilium, de quibus est consilium, ut dicitur in 6 Ethicorum [c. 2], Ergo memoria non est pars prudentiae. S E D CONTRA est quod Tullius, in 2 Rhetoricorum, 1 ponit memoriam inter partes prudentiae. R E S P O N D E O dicendum quod prudentia est circa contingentia operabilia, sicut dictum est. In his autem non potest homo dirigi per ea quae sunt simpliciter et ex necessitate vera, sed ex his quae ut in pluribus accidunt: oportet enim principia conclusionibus esse proportionata, et ex talibus talia concludere, ut dicitur in 6 Ethicorum [c. 3]. 2 Quid autem in pluribus sit verum, oportet per experimentum considerare: unde et in 2 Ethicorum [c. 1] Philosophus dicit quod „virtus intellectualis habet generationem et augmentum ex experimento et tempore". Experimentum autem est ex pluribus memoriis; ut patet in 1 Metaphysicorum [c. 1]. Unde consequens est quod ad pruDe Inventione 2, 53: Ed. Stroebel (Tb), p. 147. * Cf. Post. An. 1, 32 (88 a 24). 1
247
1139 b 7
1139 b 26 1103 a 15 980 b 29
49, i heit erforderlich ist, sich an mehreres zu erinnern. Daher wird die Erinnerung angemessen als Teil der Klugheit aufgeführt. Z u 1. Weil die Klugheit die allgemeine Erkenntnis auf das einzelne anwendet (47, 3 u. 6), auf das sich der Sinn erstreckt, ist daher vieles zur Klugheit erforderlich, was zum sinnenhaften Teil [der Seele] gehört. Dazu zählt die Erinnerung. Zu 2. Wie die Klugheit in einer naturhaften Anlage gründet, aber durch Übung oder Gnade vollendet wird, so hat die Erinnerung nicht nur einen Ausgangspunkt in der Natur, sondern auch sehr viel von Kunst und Fleiß an sich (Cicero). Und es sind vier Dinge, durch die der Mensch sein Erinnern stärkt. E r s t e n s muß er gewisse Vorstellungen suchen, die dem entsprechen, woran er sich erinnern will, aber nicht völlig gewohnt sind, weil uns das Ungewohnte mehr auffällt und den Geist mehr und stärker in Bann hält. Daher kommt es, daß wir uns mehr an das erinnern, was wir in der Kindheit gesehen haben. Nun ist aber das Finden solcher Vorstellungen oder Bilder notwendig, weil die einfachen und geistigen Begriffe leichter aus der Seele entschwinden, wenn sie nicht gleichsam durch gewisse körperliche Vorstellungen angebunden werden; denn die menschliche Erkenntnis ist mächtiger im Bereich des Sinnenfälligen. Darum wird auch das ErinneQ U A E S T I O 49, ,
dentiam requiritur plurium memoriam habere. Unde convenienter memoria ponitur pars prudentiae. A D PRIMXJM ergo dicendum quod quia, sicut dictum est, prudentia applicat universalem cognitionem ad particularia, quorum est sensus, inde multa quae pertinent ad partem sensitivam requiruntur ad prudentiam. Inter quae est memoria. A D S E C U N D U M dicendum quod sicut prudentia aptitudinem quidem habet ex natura, sed ejus complementum est ex exercitio vel gratia; ita etiam, ut Tullius dicit, in sua Rhetorica, 1 memoria non solum a natura proficiscitur, sed etiam habet plurimum artis et industriae. E t sunt quatuor per quae homo proficit in bene memorando. Quorum primum est ut eorum quae vult memorari quasdam similitudines assumat convenientes, nec tarnen omnino consuetas: quia ea quae sunt inconsueta magis miramur, et sie in eis animus magis et vehementius detinetur; ex quo fit quod eorum quae in pueritia vidimus magis memoremur. Ideo autem necessaria est hujusmodi similitudinum vel imaginum adinventio, quia intentiones simplices et spirituales facilius ex anima elabuntur nisi quibusdam similitudinibus corporalibus quasi alligentur: quia humana cognitio potentior est circa sensibilia. Unde et memorativa ponitur in 1
248
Ad Herennium 3 , 1 6 : Ed. Marx (Tb), p. 95.
rungsvermögen in den sinnenhaften Teil verlegt. — Zwei- 49,1 t e n s muß der Mensch das, was er in der Erinnerung behalten will, im Nachdenken so anordnen, daß man von einem Gedächtnisinhalt leicht zu einem anderen fortschreitet. Darum sagt Aristoteles: „Manchmal scheint man sich [an etwas] von seinem Ort her zu erinnern; der Grund aber liegt darin, daß man schnell von einem zum anderen kommt" [93]. — D r i t t e n s muß der Mensch sich um das sorgen und sein Herz dem zuwenden, woran er sich erinnern will, weil etwas um so weniger leicht entschwindet, je tiefer es dem Geiste eingeprägt wurde. Darum sagt auch Cicero: „Besorgtheit [94] bewahrt die Gestalten der Bilder unversehrt." — V i e r t e n s müssen wir das häufig bedenken, woran wir uns erinnern wollen. Darum sagt Aristoteles: „Nachdenken rettet die Erinnerung", weil „die Gewohnheit gleichsam Natur ist"; darum erinnern wir uns schnell an das, was wir häufig bedenken, indem wir vom einen zum anderen in einer gleichsam naturhaften Ordnung fortschreiten. Zu 3. E s ist notwendig, daß wir aus dem Vergangenen für das Zukünftige lernen. Und daher ist die Erinnerung an Vergangenes notwendig, um hinsichtlich des Zukünftigen gut zu überlegen. Q U A E S T I O 49, ,
parte sensitiva. — Secundo, oportet ut homo ea quae memoriter vult tenere sua consideratione Ordinate disponat, ut ex uno memorato facile ad aliud procedatur. Unde Philosophus dieit, in libro de Memoria et Reminiscentia [c. 2]: „A locis videntur 452 a 13 reminisci aliquando: causa autem est quia velociter ab alio in aliud veniunt." — Tertio, oportet ut homo sollicitudinem apponat et affectum adhibeat ad ea quae vult memorari: quia quo aliquid magis fuerit impressum animo, eo minus elabitur. Unde et Tullius dicit, in sua Rhetorica, 1 quod „sollicitudo 2 conservat integras simulacrorum figuras". — Quarto, oportet quod ea frequenter meditemur quae volumus memorari. Unde Philosophus dicit, in libro de Memoria et Reminiscentia [c. 1], quod 451 a 12 „meditationes memoriam s a l v a n t " : quia, ut in eodem libro [c. 2] 452 a 28 dicitur, „consuetudo est quasi n a t u r a " ; unde quae multoties intelligimus cito reminiscimur, quasi naturali quodam ordine ab uno ad aliud procedentes. A D T E R T I U M dicendum quod ex praeteritis oportet nos quasi argumentum sumere de futuris. E t ideo memoria praeteritorum necessaria est ad bene consiliandum de futuris. 1 2
Ad Herennium 3.10: Ed. Marx (Tb), p. 97. Cicero: solitudo.
249
49,2
2. A R T I K E L Ist der Verstand ein Teil der Klugheit ?
1. Von dem, was gegeneinander eingeteilt wird, ist das eine nicht Teil des anderen. Der Verstand aber wird als verstandhafte Tüchtigkeit aufgeführt, die von der Klugheit abgegrenzt ist (Aristoteles). Also darf der Verstand nicht als Teil der Klugheit aufgeführt werden. 2. Der Verstand [Einsicht] wird unter den Gaben des Heiligen Geistes aufgeführt und entspricht dem Glauben (8, 1 u. 8 : Bd. 15). Die Klugheit ist aber eine andere Tugend als der Glaube (4, 8 : Bd. 15; I - I I 62, 2 : Bd. 11). Also gehört der Verstand nicht zur Klugheit. 3. Die Klugheit richtet sich auf das einzelne im Bereich der Handlungen (Aristoteles). Der Verstand aber erkennt Allgemeines und Unstoffliches (Aristoteles). Also ist der Verstand kein Teil der Klugheit. ANDERSEITS zählt Cicero die Einsicht als Teil der Klugheit auf und Macrobius den Verstand, was auf dasselbe hinauskommt. ANTWORT: .Verstand' wird hier nicht als Verstandesvermögen genommen, sondern insofern er eine rechte BeurQ U A E S T I O 49, ,
A R T I C U L U S II U t r u m intellectus sit pars prudentiae [Supra 4 8 , 1 ; 3 d 3 3 : 3,1 qa 1]
1139 b 16
1141 b 8 1142 a 14 429 b 10 417 b 22
AD SECUNDUM sic proceditur. Videtur quod intellectus non sit pars prudentiae. Eorum enim quae ex opposito dividuntur unum non est pars alterius. Sed intellectus ponitur virtus intellectualis condivisa prudentiae; ut patet in 6 Ethicorum [c. 3]. Ergo intellectus non debet poni pars prudentiae. 2. P R A E T E R E A , intellectus ponitur inter dona Spiritus Sancti, et correspondet fidei, ut supra habitum est. Sed prudentia est alia virtus a fide, ut per supradicta patet. Ergo intellectus non pertinet ad prudentiam. 3. P R A E T E R E A , prudentia est singularium operabilium, ut dicitur in 6 Ethicorum [c. 7 sq.]. Sed intellectus est universai i u m cognoscitivus et immaterialium; ut patet in 3 de Anima [c. 4; 2, 5]. Ergo intellectus non est pars prudentiae. S E D CONTRA est quod Tullius 1 ponit intelligentiam partem prudentiae, et Macrobius 2 intellectum, quod in idem redit. R E S P O N D E O dicendum quod intellectus non sumitur hie pro potentia intellectiva, sed prout importat quandam rectam De Inveatione 2 , 5 3 : Ed. Stroebel (Tb), p. 147. • Til Somnum Scipionis 1,8: Ed. Willis (Tb), p. 38. 1
250
teilung eines letzten Grund-Satzes besagt, der als unmittel- 49, 2 bar einsichtig erfaßt wird, wie man auch sagt, daß wir die ersten Beweisgrundsätze ,verstehen'. Nun aber geht jede Schlußfolgerung der Vernunft von einigem aus, was als erstes erfaßt wird. Daher muß jedes Vorgehen der Vernunft von einem Verstehen ausgehen. Weil nun die Klugheit die rechte Maßgabe der Vernunft im Bereich der Handlungen ist, darum muß sich das ganze Vorgehen der Klugheit vom Verstehen herleiten. Und darum wird der Verstand als Teil der Klugheit aufgeführt. Zu 1. Das vernunfthafte Vorgehen der Klugheit findet in der Art einer Schlußfolgerung seinen Abschluß bei dem einzelnen, das zu tun ist und worauf sie die allgemeine Erkenntnis anwendet (47, 3. 6). Nun aber wird eine Schlußfolgerung, die einzelnes betrifft, aus einem allgemeinen und einem besonderen Satz gefolgert. Darum muß das vernunfthafte Vorgehen der Klugheit aus einem doppelten Verstehen hervorgehen. Eines davon erkennt das Allgemeine und gehört zum Verstand als verstandhafte Tüchtigkeit; denn nicht nur die allgemeinen Grundsätze im Bereich der Schau, sondern auch die im Bereich des Tuns sind uns von Natur aus einsichtig, wie: daß niemandem Böses zu tun ist (47, 6). — Eine andere Art von Verstehen betrifft die Erkenntnis eines Letzten, das heißt eines ersten einzelnen und Nicht-NotwenQUAESTIO 49, , aestimationem alicujus extremi principii quod acoipitur ut per se notum: sicut et prima demonstrationum principia intelligere dicimur. Omnis autem deductio rationis ab aliquibus procedit quae accipiuntur ut prima. Unde oportet quod omnis processus rationis ab aliquo intellectu procedat. Quia igitur prudentia est recta ratio agibilium, ideo necesse est quod totus processus prudentiae ab intellectu derivetur. E t propter hoc intellectus ponitur pars prudentiae. AD PRIMTJM ergo dicendum quod ratio prudentiae terminatur, sicut ad conclusionem quandam, ad particulare operabile, ad quod applicat universalem cognitionem, ut ex dictis patet. Conclusio autem singularis syllogizatur ex universali et singulari propositione. Unde oportet quod ratio prudentiae ex duplici intellectu procedat. Quorum unus est qui est cognoscitivus universalium. Quod pertinet ad intellectum qui ponitur virtus intellectualis: quia naturaliter nobis cognita sunt non solum universalia principia speculativa, sed etiam practica, sicut nulli esse malefaciendum, ut ex dictis patet. Alius autem intellectus est qui, ut dicitur in 6 Ethicorum [c. 12], est co- 1143 b 2 gnoscitivus extremi, idest alicujus primi singularis et contingen251
49, 2 digen im Bereich des Tuns, nämlich des Untersatzes, der im Schlußverfahren der Klugheit einzelnes betreffen muß (s. o.). U n d dieses erste einzelne ist ein Einzelziel (Aristoteles). Daher ist .Verstand' als Teil der Klugheit ein rechtes Urteil über ein Einzelziel. Z u 2. Der Verstand [Einsicht], der als Gabe des Heiligen Geistes aufgezählt wird, ist eine scharfe Durchdringung des Göttlichen (8, 1 : B d . 15). I n anderem Sinne aber wird der Verstand als Teil der Klugheit aufgeführt (Antw.). Z u 3. Das rechte Urteil über ein Einzelziel wird sowohl ,Verstand' genannt, insofern es sich auf einen Grund-Satz richtet, als auch ,Sinn', insofern es sich auf einzelnes bezieht. Das meint Aristoteles, wenn er sagt: „Für dieses", nämlich das einzelne, „muß man einen Sinn h a b e n ; dieser aber ist V e r s t a n d . " Das aber ist nicht vom Einzelsinn zu verstehen, durch den wir das [ihm] eigene Sinnenfällige erkennen, sondern vom inneren Sinn, durch den wir über das einzelne urteilen. Q U A E S T I O 49, ,
tis operabilis, propositionis scilicet minoris, quam oportet esse singularem in syllogismo prudentiae, ut dictum est. Hoc autem 1143 b 4 primum singulare est aliquis singularis finis, ut ibidem [1. c.] dicitur. Unde intellectus qui ponitur pars prudentiae est quaedam recta aestimatio de aliquo particulari fine. AD SECTINDUM dicendum quod intellectus qui ponitur donum Spiritus Sancti est quaedam acuta perspectio divinoram, ut ex supra dictis patet. Aliter autem ponitur intellectus pars prudentiae, ut dictum est. AD T E R T I U M dicendum quod ipsa recta aestimatio de fine particulari et intellectus dicitur, inquantum est alicujus principii; et sensus, inquantum est particularis. E t hoc est quod b 5 Philosophus dicit, in 6 Ethicorum [1. c.]: „Horum", scilicet singularium, „oportet habere sensum: hic autem est intellectus." Non autem hoc est intelligendum de sensu particulari quo cognoscimus propria sensibilia: sed de sensu interiori quo de particulari judicamus.
252
3. A R T I K E L Muß die Beiehrbarkeit als Teil der Klugheit auf geführt werden?
1. Das, was zu jeder verstandhaften Tüchtigkeit erforderlich ist, darf nicht einer von ihnen zugeeignet werden. Die Beiehrbarkeit ist aber zu jeder verstandhaften Tüchtigkeit notwendig. Also darf sie nicht als Teil der Klugheit aufgeführt werden. 2. Das, was zu den menschlichen Tugenden gehört, liegt an uns, weil wir nach dem, was an uns liegt, gelobt oder getadelt werden. Belehrbar zu sein liegt aber nicht in unserer Macht, sondern trifft bei einigen aus natürlicher Veranlagung zu. Also ist es nicht Teil der Klugheit. 3. Die Beiehrbarkeit ist Sache des Schülers. Die Klugheit aber scheint, da sie gebietend ist, mehr Sache der Lehrer zu sein, die auch ,Gebieter' genannt werden. Also ist die Beiehrbarkeit nicht Teil der Klugheit. ANDERSEITS führt Macrobius nach der Lehre des Plotin die Beiehrbarkeit unter den Teilen der Klugheit auf. ANTWORT: Die Klugheit richtet sich auf das einzelne im Bereich der Handlungen (47, 3. 6). Da es in diesem Bereich Q U A E S T I O 49, ,
A R T I C U L U S III U t r u m docilitas debeat poni pars
prudentiae
[Supra 4 8 , 1 ; infra 53,3; 3 d 3 3 ; 3,1 qa 2]
AD T E R T I U M sic proceditur. Videtur quod docilitas non debeat poni pars prudentiae. Illud enim quod requiritur ad omnem virtutem intellectualem non debet appropriari alicui earum. Sed docilitas necessaria eat ad quamlibet virtutem intellectualem. Ergo non debet poni pars prudentiae. 2. P R A E T E R E A , ea quae ad virtutes humanas pertinent sunt in nobis: quia secundum ea quae in nobis sunt laudamur vel vituperamur. Sed non est in potestate nostra quod dociles simus, sed hoc ex naturali dispositione quibusdam contingit. Ergo non est pars prudentiae. 3. P R A E T E R E A , docilitas ad diseipulum pertinot. Sed prudentia, cum sit praeeeptiva, magis videtur ad magistros pertinere, qui etiam praeeeptores dicuntur. Ergo docilitas non est pars prudentiae. S E D CONTRA est quod Macrobius, 1 secundum sententiam Plotini, 2 ponit docilitatem inter partes prudentiae. R E S P O N D E O dicendum quod, sicut supra dictum est, prudentia consistit circa particularia operabilia. I n quibus cum sint 1 1. c. • P : Piatonis.
253
49, 3 fast unendlich viele Verschiedenheiten gibt, kann von einem einzelnen Menschen nicht alles ausreichend bedacht werden, und auch nicht in kurzer Zeit, sondern nur in der Länge der Zeit. Darum bedarf der Mensch im Bereich der Klugheit am meisten der Unterrichtung durch andere, besonders von seiten der Alten, die ein gesundes Verständnis hinsichtlich der Ziele im Bereich der Handlungen erworben haben. Darum sagt Aristoteles: „Man muß auf die unbeweisbaren Aussagen und Meinungen der Erfahrenen, Alten und Klugen nicht weniger achthaben als auf Beweise, denn sie sehen auf Grund ihrer Erfahrung die Grund-Sätze." Darum heißt es auch Spr 3, 5: „Verlaß dich nicht auf deine Klugheit", und Sir 6, 34 (Vg. 35) heißt es: „Stelle dich in die Schar der klugen Presbyter", das heißt der Ältesten, „und schließe dich ihrer Weisheit von Herzen an." Daß aber jemand Lehren gern aufnimmt, gehört zur Beiehrbarkeit. Und daher wird die Beiehrbarkeit angemessen als Teil der Klugheit aufgeführt. Zu 1. Wenn auch die Beiehrbarkeit für jede verstandhafte Tüchtigkeit nützlich ist, so doch besonders für die Klugheit (Antw.). Zu 2. Die Beiehrbarkeit stammt wie auch andere Eigenschaften der Klugheit der Veranlagung nach von der Natur; zu ihrer Vollendung aber trägt menschliche Bemühung das Q U A E S T I O 49, ,
quasi infinitae diversitates, non possunt ab uno homine sufficienter omnia considerari, nec per modicum tempus, sed per temporis diuturnitatem. Unde in his quae ad prudentiam pertinent maxime indiget homo ab alio erudiri: et praecipue ex senibus, qui sanum intellectum adepti sunt circa fines operabilium. 1143 b ll Unde Philosophus dicit, in 6 Ethicorum [c. 12]: „Oportet attendere expertorum et seniorum et prudentium indemonstrabilibus enuntiationibus et opinionibus non minus quam demonstratio nibus: propter experientiam enim vident principia." Unde et Prov. 3 dicitur: „Ne innitaris prudentiae t u a e " ; et Eccli. 6 dicitur: „In multitudine presbyterorum", idest seniorum, „prudentium sta, et sapientiae illorum ex corde conjungere." Hoc autem pertinet ad docilitatem, ut aliquis sit bene disciplinae susceptivus. E t ideo convenienter ponitur docilitas pars prudentiae. AD P R I M U M ergo dicendum quod etsi docilitas utilis sit ad quamlibet virtutem intellectualem, praecipue tarnen ad prudentiam, ratione jam dicta. AD SECUNDUM dicendum quod docilitas, sicut et alia quae ad prudentiam pertinent, secundum aptitudinem quidem est a natura: sed ad ejus consummationem plurimum valet huma-
254
meiste bei, insofern ein Mensch sorgsam, häufig und ehr- 49, 4 fürchtig sich mit den Zeugnissen der Hochstehenden befaßt und sie nicht aus Trägheit vernachlässigt oder aus Stolz verachtet. Zu 3. Durch die Klugheit gebietet man nicht nur anderen, sondern auch sich selbst (47, 12). Darum findet sie sich auch bei Untergebenen (ebd.), und zu deren Klugheit gehört die Beiehrbarkeit. Indessen müssen auch die Hochstehenden in mancher Hinsicht belehrbar sein. Denn niemand genügt sich selbst im Bereich der Klugheit in jeder Hinsicht (Antw.). 4. A R T I K E L Ist die Treffsicherheit
ein Teil der Klugheit ?
1. Die Treffsicherheit richtet sich darauf, die Mittelfbegriffe] in den Beweisführungen leicht zu finden (Aristoteles). Das Vorgehen der Klugheit aber ist nicht beweisend, da sie Nicht-Notwendiges betrifft [95]. Also gehört zur Klugheit nicht die Treffsicherheit. 2. Es gehört zur Klugheit, gut zu überlegen (Aristoteles). Bei der guten Überlegung aber ist kein Platz für die Treffsicherheit; denn sie ist eine Art Findigkeit, das heißt ein Q U A E S T I O 49, .
n u m Studium, d u m scilicet homo sollicite, froquenter et reverenter applicat a n i m u m s u u m documentis m a j o r u m , non negligens ea propter ignaviam, nec contemnens propter superbiam. A D T E R T I U M dicendum quod per p r u d e n t i a m aliquis praecipit non solum aliis, sed etiam sibi ipsi, u t dictum est. TJnde etiam in subditis locum habet, u t supra dictum e s t : ad quorum p r u d e n t i a m pertinet docilitas. Quamvis etiam ipsos majores oporteat dociles q u a n t u m ad aliqua esse: quia nullus in his quae subsunt prudentiae sibi q u a n t u m a d omnia sufficit, u t d i c t u m est. A R T I C U L U S IV U t r u m solertia sit pars p r u d e n t i a e [Supra 48,1; infra 53,3; 3 d 33: 3,1 qa 4]
A D QUARTUM sie proceditur. Videtur quod solertia non sit pars prudentiae. Solertia enim se h a b e t a d facile invenienda media in demonstrationibus; u t p a t e t in 1 Posteriorum Analyticorum [c. 34]. Sed ratio prudentiae non est d e m o n s t r a t i v a : cum sit contingentium. E r g o a d p r u d e n t i a m non pertinet solertia. 2. P R A E T E R E A , a d p r u d e n t i a m pertinet bene consüiari, u t dicitur in 6 E t h i c o r u m [c. 5. 7. 10]. Sed in bene consiliando non h a b e t locum solertia, quae est eustochia quaedam, idest bona 255
89 b 10
1140 a 25 1141 b 8 1142 b 31
49, 4 gutes Vermutungsvermögen, das „ohne Schlußfolgerung und rasch" zum Zuge kommt; „man muß aber langsam überlegen" (Aristoteles). Also darf die Treffsicherheit nicht als Teil der Klugheit aufgeführt werden. 3. Die Treffsicherheit ist eine Art gutes Vermutungsvermögen (Art. 3). Nun aber ist der Gebrauch von Vermutungen den Rednern eigen. Also gehört die Treffsicherheit mehr zur Redekunst als zur Klugheit. ANDERSEITS sagt Isidor: „Besorgt" heißt gleichsam „treffsicher und schnell" [81]. Die Besorgtheit aber gehört zur Klugheit (47, 9). Also auch die Treffsicherheit. ANTWORT: Es ist Aufgabe des Klugen, ein rechtes Urteil über das zu haben, was zu tun ist. Aber das rechte Urteil oder die rechte Meinung wird sowohl im Bereich des Tuns wie auch im Bereich der Schau auf doppelte Weise erworben: einmal durch eigenes Finden, zum anderen durch Lernen von einem anderen. Wie nun die Beiehrbarkeit dazu dient, daß der Mensch sich gut verhält beim Erwerben einer rechten Meinung durch einen anderen, so dient die Treffsicherheit dazu, daß der Mensch sich gut verhalte beim Erwerben eines rechten Urteils durch sich selbst. So jedoch, daß die Treffsicherheit im Sinne der Findigkeit aufgefaßt wird, deren Teil sie ist. Denn die Findigkeit vermag über alles mögliche gute Vermutungen anzustellen; die Treffsicherheit aber ist [das Q U A E S T I O 49, .
1142 b 2
PL 82/383 B
conjecturatio, quae est „sine ratione et velox; oportet autem consiliari tarde"; ut dicitur in 6 Ethicorum [c. 10]. Ergo solertia non debet poni pars prudentiae. 3. PRAETEREA, solertia, ut dictum est, est quaedam bona conjecturatio. Sed conjecturis uti est proprio rhetorum. Ergo solertia magis pertinet ad rhetoricam quam ad prudentiam. SED CONTRA est quod Isidorus dicit, in libro Etymologiarum [10 n. 244], „sollicitus" dicitur quasi „solers et citus". Sed sollicitudo ad prudentiam pertinet, ut supra dictum est. Ergo et solertia. RESPONDEO dicendum quod prudentis est rectam aestimationem habere de operandis. Recta autem aestimatio sive opinio acquiritur in operativis, sicut in speculativis, dupliciter: uno quidem modo, per se inveniendo; alio modo, ab alio addiscendo. Sicut autem docilitas ad hoc pertinet ut homo bene se habeat in acquirendo rectam opinionem ab alio; ita solertia ad hoc pertinet ut homo bene se habeat in acquirendo rectam existimationem per seipsum. Ita tarnen ut solertia accipiatur pro eustochia, cujus est pars. Nam eustochia est bene conjecturativa de quibuscumque: solertia autem est facilis et prompta conjec256
Gehaben], leicht und unverzüglich hinsichtlich der Auffindung 49, 4 des Mittel[begriff]s zu vermuten (Aristoteles). Hingegen faßt jener Philosoph, der die Treffsicherheit als Teil der Klugheit aufführt, sie ganz allgemein im Sinne jeglicher Findigkeit; darum sagt er: Die Treffsicherheit ist ein Gehaben, das unvermittelt zur Tätigkeit kommt und das Angemessene findet. Zu 1. Die Treffsicherheit betrifft die Auffindung des Mittel[begrifF]s nicht nur im Bereich der Beweisführungen, sondern auch im Bereich des Tuns; so wenn jemand sieht, daß gewisse Leute Freunde wurden, und von daher vermutet, daß sie die Feinde desselben [Dritten] sind (Aristoteles). Und in diesem Sinne gehört die Treffsicherheit zur Klugheit. Zu 2. Aristoteles führt einen wahren Beweisgrund an, um zu zeigen, daß die Wohlberatenheit, die gut zu überlegen vermag, nicht die Findigkeit ist, deren Lob im raschen Erblicken dessen, was nottut, besteht; es kann nämlich jemand gut zu überlegen vermögen, auch wenn er länger oder zögernder überlegt. Und deswegen ist nicht ausgeschlossen, daß ein gutes Vermutungsvermögen zum guten Überlegen beiträgt. Manchmal ist es sogar notwendig, nämlich wenn es unvorhergesehen eintrifft, daß man etwas tun muß. Und darum wird die Treffsicherheit sinnvoll als Teil der Klugheit angegeben. Q U A E S T I O 49, ,
turatio circa inventionem medii, ut dicitur in 1 Posteriorum Analyticorum [1. c.].Tamen ille philosophus qui ponit solertiam 89 b 10 partem prudentiae, accipit eam communiter pro omni eustochia: unde dicit 1 quod „solertia est habitus qui provenit ex repentino, inveniens quod convenit". AD PRIMUM ergo dicendum quod solertia non solum se habet circa inventionem medii in demonstrativis, sed etiam in operativis: puta cum aliquis videns aliquos amicos factos conjecturat eos esse inimicos ejusdem, ut ibidem Philosophus dicit [1. c.]. E t hoc modo solertia pertinet ad prudentiam. 89 b 14 AD SECUNDUM dicendum quod Philosophus veram ratio nem inducit in 6 Ethicorum [c. 10] ad ostendendum quod 1142 b 2 eubulia, quae est bene consiliativa, non est eustochia, cujus laus est in veloci consideratione ejus quod oportet: potest autem esse aliquis bene consiliativus etiam si diutius consilietur vel tardius. Nec tarnen propter hoc excluditur quin bona conjecturatio ad bene consiliandum valeat. E t quandoque necessaria est: quando scilicet ex improviso occurrit aliquid agendum. E t ideo solertia convenienter ponitur pars prudentiae. 1 Ps.-Andronicus, De Affectibuä, para De virtutibus et vitiis, cap. De prudentia: Ed. Schuchhardt, p. 20.
17
17 B
257
49,5
Zu 3. Auch die Redekunst schlußfolgert im Bereich des Tuns. Und darum steht nichts im Wege, daß dasselbe zur Redekunst und zur Klugheit gehört. Und doch wird hier das Vermutungsvermögen nicht nur insofern in Betracht gezogen, als es Vermutungen betrifft, die von den Rednern verwendet werden, sondern insofern man sagt, der Mensch müsse in jedem Bereich das, was wahr ist, vermuten. 5. A R T I K E L Muß die Vernunft als Teil der Klugheit aufgeführt
werden?
1. Das einer Eigenschaft Zugrundeliegende ist nicht deren Teil. Die Klugheit aber findet sich in der Vernunft als in dem ihr Zugrundeliegenden (Aristoteles). Also darf die Vernunft nicht als Teil der Klugheit aufgeführt werden. 2. Das, was vielen gemeinsam ist, darf nicht als Teil von einem von diesen aufgeführt werden, und wenn es doch aufgeführt wird, muß es als Teil dessen aufgeführt werden, dem es am meisten zukommt. Die Vernunft aber ist in allen verstandhaften Tugenden notwendig und besonders in der Weisheit und Wissenschaft, die sich der beweisenden Vernunft bedienen. Also darf die Vernunft nicht als Teil der Klugheit aufgeführt werden. Q U A E S T I O 49,
5
AD T E R T I U M dicendum quod rhetorica etiam ratiocinatur circa operabilia. Unde nihil prohibet idem ad rhetoricam et prudentiam pertinere. E t tarnen conjecturatio hic non sumitur solum secundum quod pertinet ad conjecturas quibus utuntur rhetores: sed secundum quod in quibuscumque dicitur homo conjicere veritatem. ARTICULUS V U t r u m r a t i o d e b e a t poni pars p r u d e n t i a e [Supra 48,1; infra 153,5] /
AD QUINTUM sie proceditur. Videtur quod ratio non debeat poni pars prudentiae. Subjectum enim accidentis non est pars ejus. Sed prudentia est in ratione sicut in subjecto, ut dicitur 1140 b 25 in 6 Ethicorum [c. 5. 2], Ergo ratio non debet poni pars pru1139 a ll dentiae. 2. P R A E T E R E A , illud quod est multis commune non debet alieujus eorum poni pars: vel, si ponatur, debet poni pars ejus cui potissime convenit. Ratio autem necessaria est in omnibus virtutibus intellectualibus: et praeeipue in sapientia et scientia, quae utuntur ratione demonstrativa. Ergo ratio non debet poni pars prudentiae. 258
3. Die Vernunft unterscheidet sich als Vermögen nicht 49, 5 wesentlich vom Verstand (I 79,8: Bd. 6). Wenn nun der Verstand als Teil der Klugheit aufgeführt wird, ist es überflüssig, die Vernunft hinzuzufügen. ANDERSEITS zählt Macrobius nach der Lehre Plotins die Vernunft unter den Teilen der Klugheit auf. ANTWORT: „Das Werk des Klugen besteht darin, gut zu überlegen" (Aristoteles). Überlegung aber ist eine Untersuchung, die aus gewissen [Voraussetzungen] zu anderem fortschreitet. Das aber ist das Werk der Vernunft. Darum ist es zur Klugheit notwendig, daß der Mensch gut seine Vernunft gebrauchen kann. Und weil man das, was zur Vollendung der Klugheit erforderlich ist, erforderliche oder gleichsam Vollständigkeitsteile der Klugheit nennt, darum muß die Vernunft unter den Teilen der Klugheit mit aufgezählt werden. Z u 1. .Vernunft' meint hier nicht das Vernunftvermögen selbst, sondern seinen guten Gebrauch. Zu 2. Die Gewißheit der Vernunft kommt vom Verstände, die Notwendigkeit der Vernunft aber kommt vom Mangel des Verstandes. Jene Wesen nämlich, in denen die Verstandeskraft voll entfaltet ist, wie Gott und die Engel, bedürfen nicht der Vernunft, sondern umfassen mit ihrem Q U A E S T I O 49, ,
3. P R A E T E R E A , ratio non differt per essentiam potentiae ab intellectu, ut prius habitum est. Si ergo intellectus ponitur pars prudentiae, superfluum fuit addere rationem. SED CONTRA est quod Macrobius, 1 secundum sententiam Plotini, rationem numerat inter partes prudentiae. RESPONDEO dicendum quod „opus prudentis est esse bene consiliativum", ut dicitur in 6 Ethicorum [c. 7]. Consilium 1141 b 9 autem est inquisitio quaedam ex quibusdam ad alia procedens. Hoc autem est opus rationis. Unde ad prudentiam necessarium est quod homo sit bene ratiocinativus. E t quia ea quae exiguntur ad perfectionem prudentiae dicuntur exigitivae vel quasi integrales partes prudentiae, inde est quod ratio inter partes prudentiae connumerari debet. A D PRIMUM ergo dicendum quod ratio non sumitur hic pro ipsa potentia rationis, sed pro ejus bono usu. A D SECUNDUM dicendum quod certitudo rationis est ex intellectu, sed necessitas rationis est ex defectu intellectus: illa enim in quibus vis intellectiva plenarie viget ratione non indigent, sed suo simplici intuitu veritatem comprehendunt, sicut 1
17*
In Somnum Scipionis 1,8: Ed. Willis (Tb), p. 38.
259
49, a einfachen Blick die Wahrheit. Das einzelne im Bereich der Handlungen aber, bei dem die Klugheit leitend ist, hat besonders großen Abstand von der Seinsweise des Verstehbaren. Und zwar einen um so größeren, je weniger es gewiß oder bestimmt ist. Das, was zur Kunst gehört, ist, obgleich einzeln, bestimmter und gewisser ; daher bedarf es hier in der Mehrzahl der Fälle wegen der Gewißheit keiner Überlegung (Aristoteles), und obgleich nun bei anderen verstandhaften Tugenden die Vernunft größere Gewißheit bringt als bei der Klugheit, so ist es doch zur Klugheit in höchstem Maße erforderlich, daß der Mensch gut die Vernunft gebrauche, damit er die allgemeinen Grundsätze gut auf das einzelne anwendet, das mannigfaltig und ungewiß ist [96]. Z u 3. Wenn auch Verstand und Vernunft nicht verschiedene Vermögen sind, so werden sie doch von den verschiedenen Tätigkeiten her benannt; ,Verstand' ist von der innersten Durchdringung der Wahrheit genommen; .Vernunft' von Untersuchung und schrittweisem Denken [97]. Und darum wird beides als Teil der Klugheit aufgeführt (Antw. u. Art. 2). Q U A E S T I O 49,
s
Deus et Angeli. Particularia autem operabilia, in quibus prudentia dirigit, recedunt praecipue ab intelligibilium conditione : et tanto magis quanto minus sunt certa seu determinata. Ea enim quae sunt artis, licet sint singularia, tarnen sunt magis determinata et certa : unde in pluribus eorum non est consilium, 1112 a 34 propter certitudinem, ut dicitur in 3 Ethicorum [c. 5]. E t ideo quamvis in quibusdam aliis virtutibus intellectualibus sit certior ratio quam in prudentia, tarnen ad prudentiam maxime requiritur quod sit homo bene ratiocinativus, ut possit bene applicare universalia principia ad particularia, quae sunt varia et incerta. A D TERTIUM dicendum quod etsi intellectus et ratio non sint diversa« potentiae, tamen denominantur ex diversis actibus: nomen enim intellectus sumitur ab intima penetratione veritatis; nomen autem rationis ab inquisitione et discursu. Et ideo utrumque ponitur pars prudentiae, ut ex dictis patet.
260
6. A R T I K E L
49, 6
Muß der Weitblick als Teil der Klugheit aufgeführt werden?
1. Nichts ist Teil seiner selbst. Der Weitblick aber scheint dasselbe zu sein wie die Klugheit, denn „klug" heißt „gleichsam weit sehend" (Isidor), und von daher ist auch der Name .Weitblick' genommen (Boethius). Also ist der Weitblick kein Teil der Klugheit. 2. Die Klugheit geht nur auf das, was zu tun ist. Der Weitblick aber kann auch die Schau betreffen, weil das Blicken, von dem ,Weitblick' genommen ist, mehr zu der auf die Schau gerichteten als zu der auf das Tun gerichteten Vernunft gehört. Also ist der Weitblick kein Teil der Klugheit. 3. Der hauptsächliche Akt der Klugheit ist das Gebieten, die zugeordneten Akte aber sind Urteilen und Überlegen. Nun scheint aber nichts von diesen im eigentlichen Sinne durch den Namen ,Weitblick' ausgesprochen zu sein. Also ist der Weitblick kein Teil der Klugheit. ANDERSEITS steht dem die Autorität von Cicero [98] und Macrobius entgegen, die den Weitblick als Teil der Klugheit aufführen (Art. 5). QUAESTIO 49, , A R T I C U L U S VI U t r u m Providentia d e b e a t poni pars prudentiae [Supra 48,1; I 22,1; 3 d 33: 3,1 qa 1 sq; Ver 5,1; Virt card 1] A D S E X T U M sie proceditur. Videtur quod Providentia non debeat poni pars prudentiae. Nihil enim est pars sui ipsius. Sed Providentia videtur idem esse quod prudentia: quia ut Isidorus dicit, in libro Etymologiarum [10 n. 202], „prudens" dicitur PL „quasi porro videns", et ex hoc etiam nomen providentiae 8 2 / 3 8 8 c sumitur, ut Boetius dicit, in fine de Consolatione Philosophiae [5, 6]. Ergo Providentia non est pars prudentiae. PL 2. P R A E T E R E A , prudentia est solum practica. Sed provi- 6 3 / 8 6 0 15 dentia potest etiam esse speculativa: quia visio, e x qua sumitur nomen providentiae, magis pertinet ad speculativam quam ad operativam. Ergo Providentia non est pars prudentiae. 3. P R A E T E R E A , principalis actus prudentiae est praeeipere, secundarii autem judicare et consiliari. Sed nihil horum videtur importari proprio per nomen providentiae. Ergo Providentia non est pars prudentiae. S E D CONTRA est auetoritas Tullii 1 et Macrobii 2 , qui ponunt providentiam partem prudentiae, ut ex dictis patet. 1
De Inventione 2,53: Ed. Stroebel (Tb), p. 147. • In Somnum Sciplonia 1,8: Ed. Willis (Tb), p. 38. 201
6
ANTWORT: Die Klugheit betrifft im eigentlichen Sinne den Bereich dessen, was zum Ziele führt, und es gehört im eigentlichen Sinne zu ihrer Aufgabe, daß dieses in rechter Weise auf das Ziel hingeordnet wird. Und obgleich es um eines Zieles willen Notwendiges gibt, das dem göttlichen Weitblick [Vorsehung] unterstellt ist, so istdoch dermenschlichen Klugheit nur das Nicht-Notwendige im Bereich des Tuns unterstellt, das durch den Menschen um eines Zieles willen vollbracht werden kann. Das Vergangene aber geht in eine gewisse Notwendigkeit über, weil es unmöglich ist, daß das Geschehene nicht sei, desgleichen hat auch Gegenwärtiges als solches eine gewisse Notwendigkeit; denn es ist notwendig, daß Sokrates sitzt, solange er sitzt. Daraus folgt, daß das nicht-notwendige Zukünftige, insofern es durch den Menschen auf das Ziel des menschlichen Lebens hingeordnet werden kann, zur Klugheit gehört. Beides aber ist in .Weitblick' enthalten; denn ,Weitblick' besagt den Hinblick auf ein Fernstehendes, worauf das, was in der Gegenwart [als zu Tuendes] begegnet, hinzuordnen ist [99]. Darum ist der Weitblick ein Teil der Klugheit. Zu 1. Wann immer vieles zu einem erforderlich ist, muß eines von ihnen das Hauptsächliche sein, worauf alles andere hingeordnet ist. Darum muß auch in einem jeden Ganzen ein formgebender und vorherrschender Teil sein, von dem aus QUAESTIO 49, , R E S P O N D E O dicendum quod, sicut supra dictum est, prudentia proprie est circa ea quae sunt ad finem; et hoc ad ejus officium proprie pertinet, ut ad finem debite ordinentur. E t quamvis aliqua necessaria sint propter finem quae subjiciuntur divinae providentiae, humanae tarnen prudentiae non subjiciuntur nisi contingentia operabilia quae per hominem possunt fieri propter finem. Praeterita autem in necessitatem quandam transeunt: quia impossibile est non esse quod factum est. Similiter etiam praesentia, inquantum hujusmodi, necessitatem quandam habent: necesse est enim Socratem sedere, dum sedet. Unde consequens est quod contingentia futura, secundum quod sunt per hominem in finem humanae vitae ordinabilia, pertineant ad prudentiam. Utrumque autem horum importatur in nomine providentiae: importat enim Providentia respectum quendam alicujus distantis, ad quod ea quae in praesenti occurrunt ordinanda sunt. Unde Providentia est pars prudentiae. AD PRIMUM ergo dicendum quod quandocumque multa requiruntur ad unum, necesse est unum eorum esse principale, ad quod omnia alia ordinantur. Unde et in quolibet toto necesse est esse unam partem formalem et praedominantem, a qua 262
das Ganze seine Einheit hat. Und in diesem Sinne ist der 49, 7 Weitblick der vorzüglichste unter allen Teilen der Klugheit, weil alles, was zur Klugheit erforderlich ist, dazu notwendig ist, daß etwas auf rechte Weise auf das Ziel hingeordnet werde. Und darum wird der Name ,Klugheit' selbst von ,Weitblick' hergenommen als von ihrem vorzüglichsten Teil. Zu 2. Das auf die Schau gerichtete Denken betrifft das Allgemeine und das Notwendige, das an sich nicht ferne ist, da es überall und immer ist; mag es auch fern sein in bezug auf uns, insofern wir hinter dessen Erkenntnis zurückbleiben. Und daher spricht man von Weitblick im eigentlichen Sinne nicht im Bereich der Schau, sondern des Tuns. Zu 3. In der rechten Hinordnung auf das Ziel, die im Begriff des Weitblicks eingeschlossen ist, ist auch die Rechtheit der Überlegung, des Urteils und des Gebotes mitgemeint, ohne welche eine rechte Hinordnung auf das Ziel nicht sein kann. 7. A R T I K E L Muß die Umsicht als Teil der Klugheit
aufgeführt
werden?
1. Die Umsicht scheint eine Betrachtung der Umstände zu sein. Diese aber gibt es in unbegrenzter Menge, welche von der QUAESTIO 49, , totum unitatem habet. E t secundum hoc Providentia est principalior inter omnes partes prudentiae: quia omnia alia quae requiruntur ad prudentiam ad hoc necessaria sunt ut aliquid recte ordinetur ad finem. E t ideo nomen ipsius prudentiae sumitur a Providentia, sicut a principaliori sua parte. AD SECUNDUM dicendum quod speculatio est circa universalia et circa necessaria, quae secundum se non sunt procul, cum sint ubique et Semper: etsi sint procul quoad nos, inquantum ab eorum cognitione deficimus. Unde Providentia non proprie dicitur in speculativis, sed solum in practicis. AD T E R T I U M dicendum quod in recta ordinatione ad finem, quae includitur in ratione providentiae, importatur rectitudo consilii et judicii et praecepti, sine quibus recta ordinatio ad finem esse non potest. ARTICULUS Utrum
VII
c i r c u m s p e c t i o d e b e a t poni pars [Supra 48,1; 3 d 33: 3,1 qa 2]
prudentiae
AD SEPTIMUM sie proceditur. Videtur quod circumspectio non possit esse pars prudentiae. Circumspectio enim videtur esse consideratio quaedam eorum quae circumstant. Hujusmodi 263
7 Vernunft nicht begriffen werden kann, in der die Klugheit ihren Sitz hat. Also darf die Umsicht nicht als Teil der Klugheit aufgeführt werden. 2. Die Umstände scheinen mehr zu den sittlichen Tugenden als zur Klugheit zu gehören. Die Umsicht scheint aber nichts anderes zu sein als der Hinblick auf die Umstände. Also scheint die Umsicht mehr zu den sittlichen Tugenden als zur Klugheit zu gehören. 3. Wer sehen kann, was ferne ist, kann noch viel eher sehen, was im Umkreis ist. Der Mensch vermag aber kraft des Weitblicks zu erblicken, was ferne ist, also genügt dieser zur Betrachtung der Umstände. Also braucht man neben dem Weitblick nicht auch die Umsicht als Teil der Klugheit aufzuführen. ANDERSEITS steht die Autorität des Macrobius entgegen (Fr. 48). ANTWORT: Es gehört hauptsächlich zur Klugheit, etwas in rechter Weise auf das Ziel hinzuordnen. Das geschieht nur dann in rechter Weise, wenn sowohl das Ziel gut ist und auch das auf das Ziel Hingeordnete ebenfalls gut und dem Ziel entsprechend ist. Weil nun die Klugheit das einzelne im Bereich der Handlungen betrifft (Art. 3), bei denen vieles Q U A E S T I O 49, ,
autem sunt infinita, quae non possunt comprehendi ratione, in qua est prudentia. Ergo circumspectio non debet poni pars prudentiae. 2. P R A E T E R E A , circumstantiae magis videntur pertinere ad virtutes morales quam ad prudentiam. Sed circumspectio nihil aliud esse videtur quam respectus circumstantiarum. Ergo circumspectio magis videtur pertinere ad morales virtutes quam ad prudentiam. 3. P R A E T E R E A , qui potest videre quae procul sunt multo magis potest videre quae circa sunt. Sed per providentiam homo est potens prospicere quae procul sunt. Ergo ipsa sufficit ad considerandum ea quae circumstant. Non ergo oportuit, praeter providentiam, ponere circumspectionem partem prudentiae. S E D CONTRA est auctoritas Macrobii, 1 ut supra dictum est. R E S P O N D E O dicendum quod ad prudentiam, sicut dictum est, praecipue pertinet recte ordinäre aliquid in finem. Quod quidem recte non fit nisi et finis sit bonus et id quod ordinatur in finem sit etiam bonum et conveniens fini. Sed quia prudentia, sicut dictum est, est circa singularia operabilia, in quibus multa 1
264
l. c.
zusammentrifft (Art. 3; 47, 3 u. 6), kann es geschehen, daß 49, 7 etwas an sich betrachtet gut und zielentsprechend ist, was dennoch auf Grund gewisser zusammentreffender [Umstände] entweder schlecht oder für das Ziel ungeeignet wird. So etwa scheint es an sich betrachtet angemessen zu sein, jemandem Zeichen der Liebe zu erweisen, um seinen Geist zur Liebe anzuregen; wenn aber dabei in seinem Geiste Hochmut oder der Verdacht der Schmeichelei entstehen sollte, wäre das nicht dem Ziele angemessen. Und darum ist die Umsicht zur Klugheit notwendig, damit der Mensch nämlich das, was auf das Ziel hingeordnet wird, auch mit den Umständen vergleiche. Zu 1. Obwohl die möglichen Umstände unbegrenzt sind, sind doch die wirklichen Umstände nicht unbegrenzt; und nur weniges verändert das Urteil der Vernunft im Bereich dessen, was zu tun ist. Zu 2. Die Umstände gehören zwar zur Klugheit, sofern sie diese zu bestimmen hat; sie gehören aber zu den sittlichen Tugenden, insofern diese durch die Bestimmung der Umstände ihre Vollendung erlangen. Zu 3. Wie es Sache des Weitblicks ist, das ins Auge zu fassen, was an sich dem Ziel entsprechend ist, so ist es Sache der Umsicht, zu betrachten, ob etwas hinsichtlich der UmQUAESTIO 49, , concurrunt, contingit aliquid secundum se consideratum esse bonum et conveniens fini, quod tarnen ex aliquibus concurrentibus redditur vel malum vel non opportunum ad finem. Sicut ostendere signa amoris alicui, secundum se consideratum, videtur esse conveniens ad alliciendum ejus animum ad amorem: sed si contingat in animo illius superbia vel suspicio adulationis, non erit hoc conveniens ad finem. E t ideo necessaria est circumspectio ad prudentiam: ut scilicet homo id quod ordinatur in finem comparet etiam cum his quae circumstant. AD PRIMUM ergo dicendum quod licet ea quae possunt circumstare sint infinita, tarnen ea quae circumstant in actu non sunt infinita: sed pauca quaedam sunt quae immutant judicium rationis in agendis. AD SECUNDUM dicendum quod circumstantiae pertinent ad prudentiam quidem sicut ad determinandum eas: ad virtutes autem morales inquantum per circumstantiarum determinationem perficiuntur. AD T E R T I U M dicendum quod sicut ad providentiam pertinet prospicere id quod est per se conveniens fini, ita ad circumspectionem pertinet considerare an sit conveniens fini secun-
18 17 B
265
49, 8 stände dem Ziel entsprechend ist. Beide Aufgaben aber haben ihre besondere Schwierigkeit. Und daher werden beide [Tugenden] getrennt als Teile der Klugheit aufgeführt. 8. A R T I K E L Muß die Vorsicht als Teil der Klugheit
aufgeführt
werden?
1. In dem Bereich, in dem Schlechtes nicht auftreten kann, bedarf es keiner Vorsicht. Aber „die Tugenden gebraucht niemand schlecht" (Augustinus). Also gehört die Vorsicht nicht zur Klugheit, der die Leitung der Tugenden zukommt. 2. Gutes vorherzusehen und sich vor Bösem vorzusehen ist Sache desselben, wie es Sache derselben Kunst ist, Gesundheit zu bewirken und Krankheit zu heilen. Gutes vorherzusehen gehört aber zum Weitblick. Also auch sich vor Bösem vorzusehen. Also darf die Vorsicht nicht als ein Teil der Klugheit, der vom Weitblick verschieden ist, aufgeführt werden. 3. Kein Kluger versucht Unmögliches. Niemand aber kann sich im voraus vor allem Schlechten hüten, was eintreffen kann. Also gehört die Vorsicht nicht zur Klugheit. Q U A E S T I O 49, ,
dum ea quae circumstant. Utrumque autem horum habet specialem difficultatem. E t ideo utrumque eorum seorsum ponitur pars prudentiae. A R T I C U L U S VIII U t r u m c a u t i o debeat poni pars p r u d e n t i a e [Supra 48,1; 3 d 33: 3,1 qa 2; Eph 5,15: lect. 6]
AD OCTAVUM sie proceditur. Videtur quod cautio non debeat poni pars prudentiae. In his enim in quibus non potest malum esse non est necessaria cautio. Sed „virtutibus nemo male utitur", ut dicit Augustinus in libro de libero Arbitrio PL [2, 19]. Ergo cautio non pertinet ad prudentiam, quae est direc32/1268 A tiva virtutum. 2. P R A E T E R E A , ejusdem est providere bona et cavere mala: sicut ejusdem artis est facere sanitatem et curare aegritudinem. Sed providere bona pertinet ad providentiam. Ergo etiam cavere mala. Non ergo cautio debet poni alia pars prudentiae a Providentia. 3. P R A E T E R E A , nullus prudens conatur ad impossibile. Sed nullus potest praeeavere omnia mala quae possunt contingere. Ergo cautio non pertinet ad prudentiam.
266
A N D E R S E I T S sagt der Apostel: „Sehet zu, daß ihr vor- .49, 8 sichtig wandelt" (Eph 5, 15). ANTWORT: Zum Bereich der Klugheit gehört das NichtNotwendige im Bereich der Handlungen, bei denen wie Wahres mit Falschem so auch Schlechtes mit Gutem vermischt werden kann, und zwar wegen der Vielfalt solcher Handlungen, in deren Bereich das Gute meistens vom Schlechten behindert wird und das Schlechte den Anschein des Guten hat. Und darum ist die Vorsicht zur Klugheit notwendig, damit Gutes so aufgenommen wird, daß Schlechtes vermieden wird. Zu 1. Die Vorsicht ist bei den sittlichen Akten nicht notwendig, als müsse sich jemand vor den Akten der Tugenden hüten, sondern so, daß er sich vor dem hüte, wodurch die Akte der Tugenden verhindert werden können. Zu 2. Sich vor [dem Guten] entgegengesetztem Schlechtem zu hüten hat dieselbe Bewandtnis wie nach dem Guten zu trachten. Von anderer Bewandtnis aber ist es, äußere Hindernisse zu meiden. Und darum wird die Vorsicht vom Weitblick unterschieden, obwohl beides zu der einen Tugend der Klugheit gehört. Zu 3. Unter dem Schlechten, das es für den Menschen zu meiden gilt, pflegt einiges in der Mehrzahl der Fälle einzuQXJAESTIO 49, , S E D C O N T R A est quod Apostolus dicit, ad E p h . 5 : „Videte, quomodo caute ambuletis." R E S P O N D E O dicendum quod ea circa quae est prudentia sunt contingentia operabilia, in quibus, sicut verum potest admisceri falso, ita et malum bono, propter multiformitatem hujusmodi operabilium, in quibus bona plerumque impediuntur a malis, et mala habent speciem boni. E t ideo necessaria est cautio ad prudentiam, ut sie aeeipiantur bona quod vitentur mala. A D P R I M U M ergo dicendum quod cautio non est necessaria in moralibus actibus ut aliquis sibi caveat ab actibus v i r t u t u m ; sed ut sibi caveat ab eis per quae actus virtutum impediri possunt. A D S E C U N D U M dicendum quod opposita mala cavere ejusdem rationis est et prosequi bona. Sed vitare aliqua impedimenta extrinseca, hoc pertinet ad aliam rationem. E t ideo cautio distinguitur a Providentia, quamvis utrumque pertineat ad unam virtutem prudentiae. A D T E R T I U M dicendum quod malorum quae homini vitanda occurrunt quaedam sunt quae ut in pluribus accidere solent. E t 18*
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49, 8. treten. Und dieses kann von der Vernunft begriffen werden. Und gegen es ist die Vorsicht gerichtet, um es völlig zu vermeiden oder damit es weniger schade. Einiges aber trifft in der Minderzahl der Fälle und zufällig ein. Und diese kann der Mensch, da sie unbegrenzt sind, nicht mit der Vernunft begreifen, noch kann er sich ausreichend vor ihnen vorsehen, obwohl er durch die Klugheit in der Lage ist, sich gegen alle Angriffe des Schicksals zu wappnen, so daß er weniger Schaden leidet. QUAESTIO 49, , talia comprehendi ratione possunt. E t contra haec ordixiatur cautio, ut totaliter vitentur, vel ut minus noceant. Quaedam vero sunt quae ut in paucioribus et casualiter accidunt. E t haec, cum sint infinita, ratione comprehendi non possunt, nec sufficienter homo potest ea praecavere: quamvis per officium prudentiae homo contra omnes fortunae insultus disponere possit ut minus laedatur.
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50. F R A G E
DIE UNTERTEILE DER KLUGHEIT Hierauf ist über die Unterteile der Klugheit nachzudenken. Und da über die Klugheit, durch die jemand sich selbst leitet, schon gesprochen wurde, bleibt noch über die Arten der Klugheit zu sprechen, durch die eine Menge gelenkt wird. Dazu ergeben sich vier Einzelfragen [100]: 1. Muß die Gesetzgebungskunst als Art der Klugheit aufgeführt werden? 2. Der Staatsbürger sinn? 3. Die Hauswirtschaftskunst? 4. Die Kriegskunst? 1. A R T I K E L Muß die Führungskunst
als eine Art der Klugheit werden ?
aufgeführt
1. Die Führungskunst ist auf die Bewahrung der Gerechtigkeit hingeordnet; denn es heißt: „Der Fürst ist der Wächter dessen, was gerecht ist" (Aristoteles). Also gehört die Führungskunst mehr zur Gerechtigkeit als zur Klugheit.
QUAESTIO L DE PARTIBUS SUBJECTIVIS PRUDENTIAE Deinde considerandum est de partibus subjectivis prudentiae. E t quia de p r u d e n t i a per q u a m aliquis regit seipsum j a m dict u m est, restât dicendum de speciebus prudentiae quibus multitude) gubernatur. Circa quaa q u a e r u n t u r q u a t u o r : 1. U t r u m legispositiva deb e a t poni species prudentiae. — 2. U t r u m politica. — 3. U t r u m oeconomica. — 4. U t r u m militaris. ARTICULUS I U t r u m regnativa debeat poni species prudentiae [Supra 48,1; 3 d 33: 3,1 qa 4; Eth 6 lect 7] A D P R I M U M sic proceditur. Videtur quod regnativa non debeat poni species prudentiae. Regnativa enim ordinatur ad justitiam conservandam : dicitur enim in 5 E t h i c o r u m [c. 10] 1134 b 1 quod „princeps est custos justi". E r g o regnativa magis pertinet a d justitiam q u a m a d prudentiam. 269
50, i
2. Das Königtum ist eine der sechs Herrschaftsformen (Aristoteles). Keine Art der Klugheit aber wird von den anderen fünf Herrschaftsformen hergenommen, nämlich Aristokratie, Politeia (die mit anderem Namen Timokratie genannt wird), Tyrannis, Oligarchie, Demokratie. Also darf auch die Führungskunst nicht nach dem Königtum benannt werden [101]. 3. Der Erlaß von Gesetzen ist nicht nur Sache der Könige, sondern auch gewisser anderer Herrscher und sogar des Volkes (Isidor). Aristoteles aber führt die Gesetzgebungskunst als Teil der Klugheit auf. Also wird die Führungskunst unangemessen an deren Stelle gesetzt [101]. A N D E R S E I T S sagt Aristoteles: „Die Klugheit ist die dem Fürsten eigene Tugend." Also muß es Führungskunst als eine arteigene Klugheit geben. ANTWORT: Es ist Sache der Klugheit, zu leiten und zu gebieten (47, 8 u. 12). Und daher findet sich, wo sich eine arteigene Bewandtnis der Leitung und des Gebotes in bezug auf menschliche Handlungen findet, auch eine arteigene Bewandtnis der Klugheit. Es ist nun offensichtlich, daß bei einem Menschen, der nicht nur sich selbst, sondern auch die vollkommene Gemeinschaft einer Stadt oder eines Reiches zu leiten hat, sich eine arteigene und vollkommene BewandtQ U A E S T I O 50, ,
2. P R A E T E R E A , secundum Philosophum, in 3 Politicorum 1279 a 32 [c. 7], 1 regnum est una sex politiarum. Sed nulla species prub 4 dentiae sumitur secundum alias quinque politias, quae sunt aristocratia, politia (quae alio nomine dicitur timocratia), tyrannis, oligarchia, democratia. Ergo nec secundum regnum debet sumi regnativa. 3. P R A E T E R E A , leges condere non solum pertinet ad reges, sed etiam ad quosdam alios principatus, et etiam ad populum; PL ut patet per Isidorum, in libro Etymologiarum [2, 10]. Sed I UI* b°25 Philosophus, in 6 Ethicorum [c. 8], ponit legispositivam partem prudentiae. Inconvenienter igitur loco ejus ponitur regnativa. S E D CONTRA est quod Philosophus dicit, in 3 Politicorum 1277 b 25 [c. 4], quod „prudentia est propria virtus principis". Ergo specialis prudentia debet esse regnativa. R E S P O N D E O dicendum quod sicut ex supradictis patet, ad prudentiam pertinet regere et praecipere. E t ideo ubi invenitur specialis ratio regiminis et praecepti in humanis actibus, ibi etiam invenitur specialis ratio prudentiae. Manifestum est autem quod in eo qui non solum seipsum habet regere, sed etiam communitatem perfectam civitatis vel regni, invenitur specialis 1
270
Cf. Eth. 8,12 (1160 a 31; b 10).
nis der L e i t u n g findet; d e n n eine L e i t u n g ist u m so voll- 50, 1 k o m m e n e r , je umfassender sie ist, das heißt auf je m e h r sie sich erstreckt u n d je höher das Ziel ist, das sie erreicht. U n d d a r u m k o m m t d e m König, dem es zusteht, die S t a d t oder das Reich zu leiten, die K l u g h e i t in einer arteigenen u n d in ihrer v o l l k o m m e n s t e n B e w a n d t n i s zu. U n d d a r u m wird die F ü h r u n g s k u n s t als A r t der K l u g h e i t a u f g e f ü h r t . Z u 1. Alles, was den sittlichen T u g e n d e n zugehört, gehört zur K l u g h e i t als zur leitenden T u g e n d . D a h e r wird a u c h die der K l u g h e i t zugehörige rechte Maßgabe der V e r n u n f t in die Begriffsbestimmung der sittlichen T u g e n d a u f g e n o m m e n (47, 5 E . 1; I - I I 58, 2 : B d . 11). U n d daher bedarf auch die A u s ü b u n g der Gerechtigkeit, sofern sie auf das Gemeinwohl hingeordnet ist u n d d a m i t z u m A m t des Königs gehört, der L e i t u n g durch die Klugheit. D a r u m sind diese beiden Tugenden, nämlich K l u g h e i t u n d Gerechtigkeit, dem Könige in höchster Weise eigen; g e m ä ß J e r 2 3 , 5 : „Der K ö n i g wird herrschen, er wird weise sein, wird R e c h t u n d Gerechtigkeit walten lassen auf E r d e n . " Weil aber die L e i t u n g m e h r eine Sache des Königs ist, die A u s f ü h r u n g aber Sache der U n t e r gebenen, wird die F ü h r u n g s k u r i s t m e h r als Teil der Klugheit aufgestellt, der es z u k o m m t zu leiten, d e n n als Teil der Gerechtigkeit, der es z u k o m m t a u s z u f ü h r e n . Z u 2. D a s K ö n i g t u m ist im Vergleich zu den anderen HerrQ U A E S T I O 50, ,
et perfecta ratio regiminis: tanto enim regimen perfectiua est quanto est universalius, ad plura se extendens et ulteriorem finem attingens. Et ideo regi, ad quem pertinet regere civitatem vel regnum, prudentia competit secundum specialem et perfectissimam sui rationem. Et propter hoc regnativa ponitur species prudentiae. AD PRIMUM ergo dicendum quod omnia quae sunt virtutum moralium pertinent ad prudentiam sicut ad dirigentem: unde et ratio recta prudentiae ponitur in definitione virtutis moralis, ut supra dictum est. Et ideo etiam executio justitiae, prout ordinatur ad bonum commune, quae pertinet ad officium regis, indiget directione prudentiae. Unde istae duae virtutes sunt maxime propriae regi, scilicet prudentia et justitia: secundum illud Jer. 23: „Regnabit rex, et sapiens erit et faciet judicium et justitiam in terra." Quia tarnen dirigere magis pertinet ad regem, exequi vero ad subditos, ideo regnativa magis ponitur species prudentiae, quae est directiva, quam justitiae, quae est executiva. AD SECUNDUM dicendum quod regnum inter alias politias 271
50, 2 schaffcsformen die beste (Aristoteles), und darum mußte diese Art der Klugheit eher nach dem Königtum benannt werden; so jedoch, daß alle anderen rechten Weisen der Leitung unter der Führungskunst einbegriffen sind, nicht aber die verkehrten, die der Tugend widerstreiten, weswegen sie nicht zur Klugheit gehören [101]. Zu 3. Aristoteles benennt die Führungskunst vom hauptsächlichen Akte des Königs, dem Gesetzgeben, her. Wenn dies auch anderen zukommt, so doch nur insofern, als sie an der Herrschaft des Königs teilhaben. 2. A R T I K E L Wird der Staatsbürgersinn
angemessen aufgeführt?
als Teil der
Klugheit
1. Die Führungskunst ist ein Teil der staatsbürgerlichen Klugheit (47, 11 Anders.). Der Teil aber darf nicht gegen das Ganze abgegrenzt werden. Also darf der Staatsbürgersinn nicht als andere Art der Klugheit aufgeführt werden. 2. Die Arten der Gehaben werden nach den verschiedenen Gegenständen unterschieden. Was der Regierende zu gebieten und der Untergebene auszuführen hat, ist aber dasselbe. QUAESTIO 50,
s
1160 a 35 est optimum regimen, ut dicitur in 8 Ethicorum [c. 12]. Et ideo species prudentiae magis debuit denominari a regno. Ita tarnen quod sub regnativa comprehendantur omnia alia regimina recta: non autem perversa, quae virtuti opponuntur, unde non pertinent ad prudentiam. 1141 b 25 A D TERTIUM dicendum quod Philosophus [Eth. 6, 8] denominat regnativam a principali actu regis, qui est leges ponere. Quod etsi conveniat aliis, non convenit eis nisi secundum quod participant aliquid de regimine regis. A R T I C U L U S II Utrum politica convenienter ponatur pars prudentiae [Supra 47,10 sqq; 48,1; 3 d 33: 3,1 qa 4; Eth 6 Iect 7]
A D SECUNDUM sic proceditur. Yidetur quod politica inconvenienter ponatur pars prudentiae. Regnativa enim et pars politicae prudentiae, ut dictum est. Sed pars non debet dividi contra totum. Ergo politica non debet poni alia species prudentiae. 2. P R A E T E R E A , species habituum distinguuntur secundum diversa objecta. Sed eadem sunt quae oportet regnantem prae272
Also darf der Staatsbürger sinn, sofern er Sache der Unter- 50, 2 gebenen ist, nicht als von der Führungskunst unterschiedener Teil der Klugheit aufgeführt werden. 3. Ein jeder der Untergebenen ist eine einzelne Person. Eine jede einzelne Person kann aber durch die Klugheit im allgemeinenen Sinne sich selbst hinreichend leiten. Also braucht keine andere Art der Klugheit aufgeführt zu werden, welche staatsbürgerliche heißt. A N D E R S E I T S sagt Aristoteles: „Insofern die den Staat betreffende [Klugheit] leitend [baumeisterlich] [84] ist, ist sie gesetzgebende Klugheit; insofern sie sich aber auf das einzelne bezieht, hat sie den allgemeinen Namen .staatsbürgerliche' [Klugheit]." ANTWORT: Durch Befehl wird der Knecht vom Herrn bewegt und der Untergebene vom Herrscher, jedoch anders, als die unvernünftigen und unbeseelten Wesen von ihren Bewegern bewegt werden. Denn die unbeseelten und unvernünftigen Wesen werden nur von einem anderen geleitet, sie selbst aber leiten nicht sich selbst, denn sie haben nicht die Herrschaft über ihr Handeln durch das freie Entscheidungsvermögen. Und daher ist die Rechtheit ihrer Leitung nicht in ihnen selbst [begründet], sondern nur in den Bewegern. Die Knechte aber und alle anderen Untergebenen werden von anderen so durch Gebot geleitet, daß sie dennoch sich selbst Q U A E S T I O 50. ,
cipere et subditum exequi. Ergo política, secundum quod pertinet ad subditos, non debet poni species prudentiae distincta a regnativa. 3. P R A E T E R E A , unusquisque subditorum est singularis persona. Sed quaelibet singularis persona seipsam sufficienter dirigere potest per prudentiam communiter dictam. Ergo non oportet poni aliam speciem prudentiae quae dicatur política. S E D CONTRA est quod Philosophus dicit, in 6 Ethicorum [c. 8 ] : »Ejus autem quae circa civitatem haec quidem ut archi- 1141 b 24 tectónica prudentia legispositiva; haec autem commune nomen habet política, circa singularia existens." R E S P O N D E O dicendum quod servus per imperium movetur a domino et subditus a principante, aliter tarnen quam irrationalia et inanimata moveantur a suis motoribus. Nam inanimata et irrationalia aguntur solum ab alio, non autem ipsa agunt seipsa: quia non habent dominium sui actus per liberum arbitrium. E t ideo rectitudo regiminis ipsorum non est in ipsis, sed solum in motoribus. Sed homines servi, vel quicumque subditi, ita aguntur ab aliis per praeceptum quod tarnen agunt seipsos 273
50, 2 durch das freie Entscheidungsvermögen leiten. Und daher wird bei ihnen R e c h t h e i t der Leitung verlangt, durch die sie sich selbst im Gehorsam gegenüber ihren Herrschern lenken. Und dazu gehört die Art der Klugheit, die S t a a t s bürgersinn genannt wird. Z u 1. Die Führungskunst ist die vollkommenste A r t der Klugheit. U n d darum behält die Klugheit der Untergebenen, die hinter der Führungsklugheit zurückbleibt, den allgemeinen Namen für sich, so daß sie .staatsbürgerliche' Klugheit heißt. I n ähnlicher Weise behält in der Logik das Vertauschbare, das nicht das Wesen bezeichnet, den allgemeinen Namen E i g e n t ü m l i c h e s ' [102], Z u 2. E i n e verschiedene Bewandtnis des Gegenstandes begründet die Artverschiedenheit des Gehabens (47, 5 ; I - I I 54, 2 : B d . 11). Dieselben Aufgaben werden vom König in umfassenderer Hinsicht betrachtet als vom Untergebenen, der gehorcht. Denn es gehorchen dem einen Könige in verschiedenen Ämtern viele. Und daher verhält sich die Führungskunst zum Staatsbürgersinn, von dem wir jetzt reden, wie die B a u k u n s t zur K u n s t des Handwerkers [84]. Z u 3. Durch die Klugheit im allgemeinen Sinne leitet sich der Mensch selbst im Hinblick auf das Eigenwohl, durch die staatsbürgerliche Klugheit aber, von der wir j e t z t sprechen, im Hinblick auf das Gemeinwohl. QUAESTIO 50, , per liberum arbitrium. E t ideo requiritur in eis quaedam rectitudo regiminis per quam seipsos dirigant in obediendo principatibus. E t ad hoc pertinet species prudentiae quae politica vocatur. AD PRIMUM ergo dicendum quod sicut dictum est, regnativa est perfectissima species prudentiae. E t ideo prudentia subditorum, quae deficit a prudentia regnativa, retinet sibi nomen commune, ut politica dicatur: sicut in logicis convertibile quod non significat essentiam retinet sibi commune nomen proprii. AD SECUNDUM dicendum quod diversa ratio objecti diversificat habitum secundum speciem, ut ex supradictis patet. Eadem autem agenda considerantur quidem a rege secundum universaliorem rationem quam considerentur a subdito, qui obedit: uni enim regi in diversis officiis multi obediunt. E t ideo regnativa comparatur ad hanc politicam de qua loquimur sicut ars architectonica ad eam quae manu operatur. AD T E R T I U M dicendum quod per prudentiam communiter dictam regit homo seipsum in ordine ad proprium bonum: per politicam autem de qua loquimur, in ordine ad bonum commune. 274
3. A R T I K E L Muß die Hauswirtschaftskunst als Art der Klugheit werden ?
aufgeführt
1. Die Klugheit ist auf das Ganze des [sittlich] guten Lebens hingeordnet (Aristoteles). Die Hauswirtschaftskunst aber ist auf ein besonderes Ziel hingeordnet, nämlich auf den Reichtum (Aristoteles). Also ist die Hauswirtschaftskunst keine Art der Klugheit. 2. Klugheit haben nur die Guten (47, 13). Die Hauswirtschaftskunst aber können auch schlechte Menschen haben, denn viele Sünder sind weitblickend in der Leitung ihrer Familie. Also darf die Hauswirtschaftskunst nicht als Art der Klugheit aufgeführt werden. 3. Wie sich in einem Reiche Herrscher und Untertan finden, so auch in einem Hauswesen. Wenn nun die Hauswirtschaftskunst eine Art der Klugheit ist wie der Staatsbürgersinn, müßte man auch eine väterliche Klugheit aufführen entsprechend wie die Führungsklugheit. Sie wird aber nicht aufgeführt. Also darf auch nicht die Hauswirtschaftskunst als Teil der Klugheit aufgeführt werden. A N D E R S E I T S sagt Aristoteles : „Von jenen", nämlich den Arten der Klugheit, die sich auf die Leitung der Menge beQ U A E S T I O 50, ,
Utrum
A R T I C U L U S III oeconomica debeat poni species
prudentiae
[Supra 47,11; 48,1; 3 d 33: 3,1 qa 4; Eth 6 lect 7]
AD T E R T I U M sic proceditur. Videtur quod oeconomica non debeat poni species prudentiae. Quia ut Philosophus dicit, in 6 Ethicorum [c. 5], prudentia ordinatur ad bene vivere H40 a 28 totum. Sed oeconomica ordinatur ad aliquem particularem finem, scilicet ad divitias, ut dicitur in 1 Ethicorum [c. 1]. Ergo oeco- 1094 a 9 nomica non est species prudentiae. 2. P R A E T E R E A , sicut supra habitum est, prudentia non est nisi bonorum. Sed oeconomica potest esse etiam malorum: multi enim peccatores providi sunt in gubernatione familiae. Ergo oeconomica non debet poni species prudentiae. 3. P R A E T E R E A , sicut in regno invenitur principans et subjectum, ita etiam in domo. Si ergo oeconomica est species prudentiae sicut et politica, deberet etiam paterna prudentia poni, sicut et regnativa. Non autem ponitur. Ergo nec oeconomica debet poni species prudentiae. S E D CONTRA est quod Philosophus dicit, in 6 Ethicorum [c. 8], quod „illarum", scilicet prudentiarum quae se habent ad 1141 b 31 275
50, 3 ziehen, „ist die eine hauswirtschaftlich, die zweite gesetzgebend, die dritte staatsbürgerlich." A N T W O R T : Die auf Grund des Allgemeinen oder Besonderen bzw. des Ganzen oder des Teiles unterschiedene Bewandtnis des Gegenstandes begründet die Verschiedenheit der Künste und der Tugenden; gemäß dieser Verschiedenheit hat eine den Vorrang vor der anderen. E s ist nun offensichtlich, daß ein Hauswesen eine mittlere Stellung einnimmt zwischen einer Einzelperson und der Stadt oder dem Reich; denn wie eine Einzelperson Teil des Hauswesens ist, so ist ein Hauswesen Teil der Stadt oder des Reiches. Und wie nun die Klugheit im allgemeinen Sinne, die den einzelnen leitet, von der staatsbürgerlichen Klugheit unterschieden wird, so muß die hauswirtschaftliche Klugheit von beiden unterschieden werden. Z u 1. Reichtümer stehen zur Hauswirtschaftskunst nicht im Verhältnis eines letzten Zieles, sondern im Verhältnis von Werkzeugen (Aristoteles). Das letzte Ziel der Hauswirtschaftskunst ist das Ganze des [sittlich] guten Lebens im häuslichen Verkehr. Aristoteles aber führt den Reichtum als Ziel der Hauswirtschaftskunst im Sinne eines Beispiels an, weil die meisten danach streben. Zu 2. Im Hinblick auf einzelnes, das in einem Hauswesen QUAESTIO 50, , regimen multitudinis, „haec quidem oeconomica, haec autem legispositiva, haec autem politica". RESPONDEO dicendum quod ratio objecti diversificata secundum universale et particulare, vel secundum totum et partem, diversiflcat artes et virtutes: secundum quam diversitatem una est principalis respeetu alterius. Manifestum est autem quod domus medio modo se habet inter unam singularem personam et civitatem vel regnum: nam sicut una singularis persona est pars domus, ita una domus est pars civitatis vel regni. E r ideo sicut prudentia communiter dicta, quae est regitiva unius, distinguitur a politica prudentia, ita oportet quod oeconomica distinguatur ab utraque. AD PRIMTUM ergo dicendum quod divitiae comparantur ad oeconomicam non sicut finis ultimus, sed sicut instrumenta l25fi b 36 quaedam, ut dicitur in 1 Politicorum [c. 8]. Finis autem ultimus oeconomicae est totum bene vivere secundum domesticam con1094 a 9 versationem. Philosophus autem 1 Ethicorum [c. 1] ponit exemplificando divitias finem oeconomicae secundum Studium plurimorum. AD SECUNDUM dicendum quod ad aliqua particularia quae 276
geregelt werden muß, können manche Sünder sich weit- 50, 4 blickend verhalten, nicht aber im Hinblick auf das Ganze des [sittlich] guten Lebens im häuslichen Verkehr, wozu hauptsächlich tugendhaftes Leben erforderlich ist. Z u 3. Der Vater hat im Haus wesen eine gewisse Ähnlichkeit mit der königlichen Herrschaft (Aristoteles); nicht aber hat er die vollendete Herrschaftsgewalt wie der König. Und daher wird väterliche Klugheit nicht getrennt, wie die Führungsklugheit, als Art der Klugheit aufgeführt. 4. A R T I K E L Muß die Kriegskunst
als Art der Klugheit
aufgeführt
werden?
1. Die Klugheit wird gegen die Kunst abgegrenzt (Aristo teles). Die Kampftechnik [Kriegskunst] scheint aber eine Kunst hinsichtlich kriegerischer Unternehmungen zu sein (Aristoteles). Also darf die Kampftechnik [Kriegskunst] nicht als Art der Klugheit aufgeführt werden. 2. Wie die kriegerische Tätigkeit unter die staatsbürgerliche fällt, so auch viele andere Tätigkeiten, wie die der Kaufleute, der Künstler und anderer. Hinsichtlich der anderen Tätigkeiten, die es im Gemeinwesen gibt, werden Q U A E S T I O 50, ,
sunt in domo disponenda possunt aliqui peccatores provide se habere: sed non ad ipsum totum bene vivere domesticae conversationis, ad quod praecipue requiritur vita virtuosa. A D TERTITJM dicendum quod pater in domo habet quandam similitudinem regii principatus, ut dicitur in 8 Ethicorum [c. 12]: non tarnen habet perfectam potestatem regiminis sicut neo h 21 rex. Et ideo non ponitur separatim paterna species prudentiae, sicut regnativa. Utrum
militaris
A R T I C U L U S IV debeat poni species
prudentiae
[Supra 48,1; 3 d 33: 3,1 qa 4]
A D QUARTUM sie proceditur. Videtur quod militaris non debeat poni species prudentiae. Prudentia enim contra artem dividitur, ut dicitur in 6 Ethicorum [c. 3. 5], Sed militaris videtur 1139 b 16 esse quaedam ars in rebus bellicis; sicut patet per Philosophum 1 1 4 0 {J in 3 Ethicorum [e. 11; 1, 1], Ergo militaris non debet poni m e b e species prudentiae. 1094 a 12 2. P R A E T E R E A , sicut militare negotium continetur sub politico, ita etiam et plura alia negotia, sicut mercatorum, artificum et aliorum hujusmodi. Sed secundum alia negotia quae 277
50, i aber keine Arten der Klugheit angenommen. Also auch nicht hinsichtlich der kriegerischen Tätigkeit. 3. Bei kriegerischen Unternehmungen gilt am meisten die Tapferkeit der Soldaten. Also gehört die Kriegskunst mehr zur Tapferkeit als zur Klugheit. ANDERSEITS heißt es Spr 24, 6: „Mit weisen Maßnahmen wird der Krieg glücklich geführt, und das Heil ist da, wo viele Überlegungen sind." Das Überlegen gehört aber zur Klugheit. Also ist bei kriegerischen Unternehmungen eine Art von Klugheit höchst notwendig, die kriegerische heißt. ANTWORT: Das, was auf Grund der Kunst und der Vernunft getan wird, muß dem gleichgestaltet sein, was der Natur entspricht und von der göttlichen Vernunft eingerichtet wurde. Die Natur strebt aber zwei Dinge an: erstens, ein jedes Ding in sich selbst zu leiten; zweitens, äußeren Angreifern und Schädlingen zu widerstehen. Und darum gab sie den Lebewesen nicht nur das begehrende Strebevermögen, durch das sie zu dem bewegt werden, was ihrem Wohl entspricht, sondern auch das überwindende Strebevermögen, durch welches das Lebewesen den Angreifern widersteht. Daher muß es auch im Bereich der Vernunft nicht nur eine staatsbürgerliche Klugheit geben, durch welche die Belange des Gemeinwohls angemessen geordnet werden, sondern auch Q U A E S T I O 50.
4
sunt in civitate non accipiuntur aliquae species prudentiae. Ergo etiam neque secundum militare negotium. 3. PRAETEREA, in rebus bellicis plurimum valet militum fortitudo. Ergo militaris magis pertinet ad fortitudinem quam ad prudentiam. SED CONTRA est quod dicitur Prov. 24: „Cum dispositione initur bellum, et erit salus ubi sunt multa consilia." Sed consiliari pertinet ad prudentiam. Ergo in rebus bellicis maxime necessaria est aliqua species prudentiae quae militaris dicitur. RESPONDEO dicendum quod ea quae secundum artem et rationem aguntur conformia oportet esse his quae sunt secundum naturam, quae a ratione divina sunt instituta. Natura autem ad duo intendit: primo quidem, ad regendum unamquamque rem in seipsa; secundo vero, ad resistendum extrinsecis impugnantibus et corruptivis. E t propter hoc non solum dedit animalibus vim concupiscibilem, per quam moveantur ad ea quae sunt saluti eorum accommoda; sed etiam vim irascibüem, per quam animal resistit impugnantibus. Unde et in his quae sunt secundum rationem non solum oportet esse prudentiam politicam, per quam convenienter disponantur ea quae pertinent ad bonum 278
eine K r i e g s k l u g h e i t , d u r c h welche die Angriffe d e r F e i n d e 50, 4 zurückgewiesen w e r d e n .
Zu 1. Die Kampftechnik [Kriegskunst] kann Kunst sein, insofern sie Regeln zum Gebrauch äußerer Dinge, zum Beispiel Waffen und Pferde, besitzt; insofern sie jedoch auf das Gemeinwohl hingeordnet ist, besitzt sie mehr die Bewandtnis der Klugheit. Zu 2. Die anderen Tätigkeiten im Gemeinwesen sind auf einzelne nützliche Zwecke hingeordnet. Die kriegerische Tätigkeit aber ist auf den Schutz des gesamten Gemeinwohls hingeordnet. Zu 3. Die Ausführung des Kriegsdienstes gehört zur Tapferkeit; die Leitung aber zur Klugheit, und zwar hauptsächlich insofern sie sich im Heerführer findet. Q U A E S T I O 50, ,
c o m m u n e ; sed etiam militarem, per q u a m hostium insultus repellantur. A D P R I M U M ergo dicendum quod militaris potest esse ars secundum quod h a b e t q u a s d a m regulas recte utendi quibusdam exterioribus rebus, p u t a armis et equis: sed secundum quod ordinatur ad bonum commune, h a b e t magis rationem prudentiae. A D SECUNDUM dicendum quod alia negotia quae sunt in civitate ordinantur a d aliquas particulares utilitates: sed militare negotium ordinatur ad tuitionem totius boni communis. A D T E R T I U M dicendum quod executio militiae pertinet ad fortitudinem: sed directio ad prudentiam, et praecipue secund u m quod est in duce exercitus.
279
51,1
51.
FRAGE
D I E MÄCHTIGKEITSTEILE D E R KLUGHEIT Hierauf ist über die der Klugheit angegliederten Tugenden nachzudenken, die gleichsam ihre Mächtigkeitsteile sind. Dazu ergeben sieb vier Einzelfragen: 1. Ist die Wohlberatenheit eine Tugend? 2. Ist sie eine arteigene von der Klugheit unterschiedene Tugend? 3. Ist die Verständigkeit eine arteigene Tugend? 4. Ist die Klar sieht eine arteigene Tugend ? 1. A R T I K E L Ist die Wohlberatenheit eine Tugend? 1. Nach Augustinus „gebraucht niemand die Tugenden schlecht". Die Wohlberatenheit aber, die gut zu überlegen weiß, wird von manchen schlecht gebraucht, entweder weil sie verschlagene Pläne ausdenken, um schlechte Ziele zu erreichen, oder weil sie auch auf die Erlangung guter Ziele Sünden hinordnen, z. B . wenn jemand stiehlt, um Almosen zu geben. Also ist die Wohlberatenheit keine Tugend.
QUAESTIO LI DE PARTIBUS POTENTIALIBUS PRUDENTIAE Deinde considerandum est de virtutibus adjunetis prüdentiae, quae sunt quasi partes potentiales ipsius. E t circa hoc quaeruntur quatuor: 1. Utrum eubulia sit virtus. — 2. Utrum sit specialis virtus a prudentia distineta. — 3. Utrum synesis sit specialis virtus. — 4. Utrum gnome sit specialis virtus. ARTICULUS I U t r u m eubulia sit v i r t u s [MI 57,6; 3 d 33: 3,1 qa 3; Eth 6 lect 8] AD PRIMUM sic proceditur. Videtur quod eubulia non sit virtus. Quia secundum Augustinum, in libro de libero Arbitrio PL [2, 19], „virtutibus nullus male utitur". Sed eubulia, quae est 32/1268 A k e n e consiliativa, aliqui male utuntur : vel quia astuta Consilia exeogitant ad malos fines consequendos ; aut quia etiam ad bonos fines consequendos aliqua peccata ordinant, puta qui furatur ut eleemosynam det. Ergo eubulia non est virtus. 280
2. „Die Tugend ist eine Vollkommenheit" (Aristoteles). Die 51,1 Wohlberatenheit betrifft aber den Bereich der Überlegung. Diese beinhaltet Zweifel und Untersuchung, die Zeichen von Unvollkommenheit sind. Also ist die Wohlberatenheit keine Tugend. 3. Die Tugenden sind untereinander verknüpft (I-II Fr. 65: Bd. 11). Die Wohlberatenheit aber ist nicht mit den anderen Tugenden verknüpft, denn viele Sünder wissen gut zu überlegen, und viele Gerechte sind langsam bei den Überlegungen. Also ist die Wohlberatenheit keine Tugend. ANDERSEITS „ist Wohlberatenheit die Rechtheit der Überlegung" (Aristoteles). Die rechte Maßgabe der Vernunft vollendet aber die Bewandtnis der Tugend. Also ist die Wohlberatenheit eine Tugend. ANTWORT: Es gehört zum Wesen der menschlichen Tugend, daß sie den Akt des Menschen gut macht (47, 4). Unter den Akten des Menschen ist das Überlegen ihm besonders eigen. Denn es besagt eine Untersuchung der Vernunft hinsichtlich der Aufgaben des Handelns, in welchem das menschliche Leben besteht; denn da« auf die Schau gerichtete Leben ist übermenschlich (Aristoteles) [103]. Die Wohlberatenheit besagt aber die Güte der Überlegung; denn das Wort evßovXia kommt von ev, was gut heißt, und ßovkr), was Überlegung heißt, also gute Überlegung oder besser Q U A E S T I O 51, ,
2. P R A E T E R E A , „virtus perfectio quaedam est", ut dicitur in 7 Physicorum [c. 3]. Sed eubulia circa consilium consistit, quod importât dubitationem et inquisitionem, quae imperfectionis sunt. Ergo eubulia non est virtus. 3. P R A E T E R E A , virtutes sunt connexae ad invicem, ut supra habitum est. Sed eubulia non est connexa aliis virtutibus : multi enim peccatores sunt bene consiliativi, et multi justi sunt in consiliis tardi. Ergo eubulia non est virtus. S E D CONTRA est quod „eubulia est rectitudo consilii", ut Philosophus dicit, in 6 Ethicorum [c. 10]. Sed recta ratio perficit rationem virtutis. Ergo eubulia est virtus. R E S P O N D E O dicendum quod, sicut supra dictum est, de ratione virtutis humanae est quod faciat actum hominis bonum. Inter ceteros autem actus hominis proprium est ei consiliari: quia hoc importât quandam rationis inquisitionem circa agenda, in quibus consistit vita humana ; nam vita speculativa est supra hominem, ut dicitur in 10 Ethicorum [c. 7]. Eubulia autem importât bonitatem consilii: dicitur enim ab eu, quod est bonum, et boule, quod est consilium, quasi bona consiliatio, vel potius 281
246 a 13 247 a 2
1142 b 16
1177 b 26
51, l guter Überlegung fähig. Darum ist offensichtlich die Wohlberatenheit eine menschliche Tugend. Zu 1. Es bedeutet keine gute Überlegung, wenn jemand sich beim Überlegen ein schlechtes Ziel aufstellt oder auch schlechte Wege zu einem guten Ziel ausdenkt. So bedeutet es auch im Bereich des auf die Schau gerichteten Denkens keine gute Schlußfolgerung, wenn jemand entweder Falsches schließt oder auch Wahres aus Falschem schließt, weil er nicht das richtige Beweismittel gebraucht. Und darum ist beides gegen das Wesen der Wohlberatenheit (Aristoteles). Z u 2. Wenn auch die Tugend wesenhaft eine Vollkommenheit ist, so ist es doch nicht notwendig, daß alles das, was zum Bereich der Tugend gehört, Vollkommenheit besage. Man muß nämlich in allen menschlichen Bereichen durch Tugenden vervollkommnet werden und nicht nur im Bereich der Vernunftakte, zu denen die Überlegung gehört, sondern auch im Bereich der Leidenschaften des sinnlichen Strebevermögens, die noch viel unvollkommener sind. Oder: Die menschliche Tugend ist Vollkommenheit in der Weise des Menschen, der die Wahrheit der Dinge nicht mit Gewißheit in einem einfachen Blick umfassen kann, besonders im Bereich der Handlungen, die nicht notwendig sind. Zu 3. In keinem Sünder als solchem findet sich die WohlQ U A E S T I O 51, ,
bene consiliativa. Unde manifestum est quod eubulia est virtus humana. AD PRIMUM ergo dicendum quod non est bonum consilium sive aliquis malum finem sibi in consiliando praestituat, sive etiam ad bonum finem malas vias adinveniat. Sicut etiam in speculativis non est bona ratiocinatio sive aliquis falsum concludat, sive etiam concludat verum ex falsis, quia non utitur convenienti medio. E t ideo utrumque praedictorum est contra 1142 b 16 rationem eubuliae, ut Philosophus dicit, in 6 Ethicorum [c. 10]. AD SECUNDUM dicendum quod etsi virtus sit essentialiter perfectio quaedam, non tarnen oportet quod omne illud quod est materia virtutis perfectionem importet. Oportet enim circa omnia humana perfici per virtutes: et non solum circa actus rationis, inter quos est consilium; sed etiam circa passiones appetitus sensitivi, quae adhuc sunt multo imperfectiores. Vel potest dici quod virtus humana est perfectio secundum modum hominis, qui non potest per certitudinem comprehendere veritatem rerum simplici intuitu; et praecipue in agibilibus, quae sunt contingentia. AD T E R T I U M dicendum quod in nullo peccatore, inquantum 282
b e r a t e n h e i t . D e n n jede S ü n d e ist gegen die g u t e Überlegung. 51, 2 Zu den Erfordernissen der g u t e n Überlegung gehört n i c h t n u r d a s A u f f i n d e n oder A u s d e n k e n dessen, was f ü r ein Ziel geeignet ist, sondern a u c h die a n d e r e n U m s t ä n d e ; z. B. die entsprechende Zeit in d e m Sinne, d a ß m a n bei den Überlegungen weder zu langsam noch zu schnell ist, die Weise des Überlegens in d e m Sinne, d a ß m a n in seiner Überlegung fest ist, u n d n o c h a n d e r e derartige geforderte U m s t ä n d e , die der S ü n d e r beim Sündigen n i c h t b e a c h t e t . J e d e r T u g e n d h a f t e aber ist guter Überlegung fähig in dem, was auf das Ziel der T u g e n d hingeordnet ist. W e n n er auch vielleicht in einigen besonderen Angelegenheiten n i c h t g u t e r Überlegung fähig ist, etwa in H a n d e l s g e s c h ä f t e n , in K r i e g s u n t e r n e h m u n g e n oder e t w a s dergleichen. 2. A R T I K E L Ist die Wohlberatenheit
eine von der Klugheit Tugend ?
unterschiedene
1. Aristoteles s a g t : „ E s scheint Sache des K l u g e n zu sein, g u t zu überlegen." D a s a b e r gehört zur W o h l b e r a t e n h e i t (Art. 1). Also ist die W o h l b e r a t e n h e i t n i c h t von der K l u g h e i t unterschieden. q u a e s t i o 51, hujusmodi, invenitur eubulia. Omne enim peccatum est contra bonam consiliationem. Requiritur enim ad bene consiliandum non solum adinventio vel excogitatio eorum quae sunt opportuna ad finem, sed etiam aliae circumstantiae: scilicet tempus congruum, ut nec nimis tardus nec nimis velox sit in consiliis; et modus consiliandi, ut scilicet sit firmus in suo consilio; et aliae hujusmodi debitae circumstantiae, quae peccator peccando non observat. Quilibet autem virtuosus est bene consiliativus in his quae ordinantur ad finem virtutis: licet forte in aliquibus particularibus negotiis non sit bene consiliativus, puta in mercationibus vel in rebus bellicis vel in aliquo hujusmodi. A R T I C U L U S II sit virtus distincta a prudentia [X-II 57,6; 3 d 33: 3,1 qa 3] AD SECUNDUM sie proceditur. Videtur quod eubulia non sit virtus distincta a prudentia. Quia ut Philosophus dicit, in 6 Ethicorum [c. 5], „videtur prudentis esse bene consiliari". 1140 a 25 Sed hoc pertinet ad eubuliam, ut dictum est. Ergo eubulia non distinguitur a prudentia. Utrum
eubulia
283
51, 2
2. Die menschlichen Tätigkeiten, auf welche die menschlichen Tugenden hingeordnet sind, erlangen ihre Artbestimmtheit hauptsächlich vom Ziel her (I-II 1 , 3 ; 1 8 , 6 : Bd. 9). Wohlberatenheit und Klugheit aber sind auf dasselbe Ziel hingeordnet (Aristoteles), nämlich nicht auf irgendein einzelnes Ziel, sondern auf das gemeinsame Ziel des ganzen Lebens. Also ist die Wohlberatenheit keine von der Klugheit unterschiedene Tugend. 3. In den auf die Schau gerichteten Wissenschaften ist es Sache derselben Wissenschaft, zu untersuchen und zu bestimmen. Also ist dieses auch Sache derselben Tugend im Bereich der Handlungen. Das Untersuchen gehört aber zur Wohlberatenheit, das Bestimmen aber zur Klugheit. Also ist die Wohlberatenheit keine andere Tugend als die Klugheit. A N D E R S E I T S „ist die Klugheit gebietend" (Aristoteles). Dies aber kommt nicht der Wohlberatenheit zu. Also ist die Wohlberatenheit eine andere Tugend als die Klugheit. ANTWORT: Die Tugend ist wesentlich auf die Tätigkeit hingeordnet, die sie gut macht (47, 4; I - I I 55, 2 u. 3: Bd. 11). Und darum muß es je nach der Verschiedenheit der Tätigkeiten verschiedene Tugenden geben; das gilt am meisten für den Fall, wenn die Bewandtnis des Gutseins in den Tätigkeiten nicht dieselbe ist. Wenn nämlich die Bewandtnis des Gutseins in ihnen dieselbe wäre, dann würden verschiedene Q U A E S T I O 51, ,
2. P R A E T E R E A , humani actus, ad quos ordinantur humanae virtutes, praecipue specificantur ex fine, ut supra habitum est. Sed ad eundem finem ordinantur eubulia et prudentia, ut H42 b 31 dicitur in 6 Ethicorum [c. 10]: idest non ad quendam particularem finem, sed ad communem finem totius vitae. Ergo eubulia non est virtus distincta a prudentia. 3. P R A E T E R E A , in scientiis speculativis ad eandem scientiam pertinet inquirere et determinare. Ergo pari ratione in operativis hoc pertinet ad eandem virtutem. Sed inquirere pertinet ad eubuliam, determinare autem ad prudentiam. Ergo eubulia non est alia virtus a prudentia. S E D CONTRA, „prudentia est praeceptiva", ut dicitur in 1143 a 8 6 Ethicorum [c. 11], Hoc autem non convenit eubuliae. Ergo eubulia est alia virtus a prudentia. R E S P O N D E O dicendum quod, sicut dictum est supra, virtus proprie ordinatur ad actum, quem reddit bonum. E t ideo oportet secundum differentiam actuum esse diversas virtutes: et maxime quando non est eadem ratio bonitatis in actibus. Si enim esset eadem ratio bonitatis in eis, tunc ad eandem virtutem pertinerent 284
Tätigkeiten zur selben Tugend gehören, wie das Gutsein der 51, 2 Liebe, des Verlangens und der Freude denselben Grund hat and sie daher zu derselben Tugend der Liebe gehören. Die auf das Werk hingeordneten Tätigkeiten der Vernunft sind aber verschieden und haben nicht dieselbe Bewandtnis des Gutseins, denn der Mensch wird aus einem anderen Grund guter Überlegung, guten Urteilens und guten Gebietens fähig. Das geht daraus hervor, daß diese [Tätigkeiten] zuweilen voneinander getrennt sind. Und daher muß die Wohlberatenheit, durch die der Mensch guter Überlegung fähig ist, eine andere Tugend sein als die Klugheit, durch die der Mensch guten Gebietens fähig ist. Und wie das Überlegen auf das Gebieten als auf das Vorzüglichere hingeordnet ist, so ist auch die Wohlberatenheit auf die Klugheit als auf die vorzüglichere Tugend hingeordnet, ohne die sie keine Tugend wäre, so wenig wie die sittlichen Tugenden ohne die Klugheit und die übrigen Tugenden ohne die Liebe. Z u 1. Das gute Überlegen wird von der Klugheit befohlen, von der Wohlberatenheit aber unmittelbar hervorgebracht. Z u 2. Auf das eine letzte Ziel, nämlich das Ganze des [sittlich] guten Lebens, sind verschiedene Akte in einer gewissen Stufenfolge hingeordnet; denn die Überlegung geht voraus, das Urteil folgt, und das letzte ist das Gebot, das in einem unmittelbaren Verhältnis zum letzten Ziele steht, QUAESTIO
51,,
diversi actus : sicut ex eodem dependet bonitas amoris, desiderii et gaudii, et ideo omnia ista pertinent ad eandem virtutem caritatis. Actus autem rationis ordinati ad opus sunt diversi, nec habent eandem rationem bonitatis : ex alia enim efficitur homo bene consiliativus, et bene judicativus, et bene praeceptivus ; quod patet ex hoc quod ista aliquando ab invicem separantur. E t ideo oportet aliam esse virtutem eubuliam, per quam homo est bene consiliativus ; et aliam prudentiam, per quam homo est bene praeceptivus. E t sicut consiliari ordinatur ad praecipere tanquam ad principalius, ita etiam eubulia ordinatur ad prudentiam tanquam ad principaliorem virtutem; sine qua nec virtus esset, sicut nec morales virtutes sine prudentia, nec ceterae virtutes sine caritate. A D PRIMUM ergo dicendum quod ad prudentiam pertinet bene consiliari imperative: ad eubuliam autem elicitive. A D SECUNDUM dicendum quod ad unum finem ultimum, quod est bene vivere totum [Eth. 6, 5], ordinantur diversi actus 1140 a 28 secundum quendam gradum : nam praecedit consilium, sequitur Judicium, et ultimum est praeceptum, quod immediate se habet 285
51, 3 während die anderen beiden Akte in einem mittelbaren Verhältnis dazu stehen. Doch haben sie gewisse nächste Ziele, nämlich die Überlegung die Auffindung dessen, was zu tun ist, und das Urteil die Gewißheit. Daraas folgt somit nicht, daß Wohlberatenheit und Klugheit keine verschiedenen Tugenden seien, sondern daß die Wohlberatenheit auf die Klugheit als Begleittugend auf die Haupttugend hingeordnet ist. Zu 3. Auch in den auf die Schau gerichteten Wissenschaften ist die Dialektik, die auf die forschende Untersuchung hingeordnet ist, eine andere Vernunftwissenschaft als die beweisende Wissenschaft, welche die Wahrheit bestimmt [104]. 3. A R T I K E L Ist die Verständigkeit eine
Tugend?
1. „Die Tugenden sind in uns nicht von Natur aus" (Aristoteles). Die Verständigkeit ist aber in manchen von Natur aus (Aristoteles). Also ist die Verständigkeit keine Tugend. 2. „Die Aufgabe der Verständigkeit ist nur das Urteilen" (Aristoteles). Das Urteil allein ohne Gebot kann aber auch bei den Bösen vorliegen. Da nun Tugend nur bei den Guten vorliegt, scheint die Verständigkeit keine Tugend zu sein. Q U A E S T I O 51, ,
ad finem ultimum, alii autem duo actus remote se habent. Qui tarnen habent quosdam proximos fines: consilium quidem inven tionem eorum quae sunt agenda; judicium autem certitudinem. Unde ex hoc non sequitur quod eubulia et prudentia non sint diversae virtutes: sed quod eubulia ordinetur ad prudentiam sicut virtus secundaria ad principalem. AD T E R T I U M dicendum quod etiam in speculativis alia rationalis scientia est dialéctica, quae ordinatur ad inquisitionem inventivam; et alia scientia demonstrativa, quae est verrtatis determinativa. A R T I C U L U S III U t r u m s y n e s i s sit v i r t u s [I-II 57,6; 3 d 33: 3,1 qa 3; Eth 6 lect 9]
1103 a 23 1143 b 6 a 9
AD T E R T I U M sie proceditur. Videtur quod synesis non sit virtus. Virtutes „enim non insunt nobis a natura", ut dicitur in 2 Ethicorum [c. 1]. Sed synesis inest aliquibus a natura, ut dicit Philosophus in 6 Ethicorum [c. 12], Ergo synesis non est virtus. 2. P R A E T E R E A , synesis, ut in eodem libro [c. 11] dicitur, „est solum judicativa". Sed judicium solum, sine praeeepto, potest esse etiam in malis. Cum ergo virtus sit solum in bonis, videtur quod synesis non sit virtus. 286
3. Es gibt keinen Mangel beim Gebieten, wenn kein Mangel 51, 3 beim Urteilen vorliegt, zumindest beim einzelnen, was zu tun ist und wobei jeder Böse irrt. Wenn nun die Verständigkeit als die Tugend für das gute Urteilen aufgeführt wird, scheint eine andere Tugend für das gute Gebieten nicht notwendig zu sein. Und so wäre die Klugheit überflüssig, was unangemessen wäre. Also ist die Verständigkeit keine Tugend. A N D E R S E I T S : Das Urteil ist vollkommener als die Überlegung. Nun ist die Wohlberatenheit, deren Aufgabe das gute Überlegen ist, eine Tugend. Also ist um so viel mehr die Verständigkeit, deren Aufgabe das gute Urteilen ist, eine Tugend. ANTWORT: Die Verständigkeit besagt ein rechtes Urteil nicht im Bereich der Gegenstände reiner Schau, sondern im Bereich des einzelnen, was zu tun ist, worauf sich auch die Klugheit richtet. Darum werden im Griechischen gemäß der avveaig
[Verständigkeit]
manche
avvevoi
[Verständige],
das heißt besonnen genannt, oder svavvtTOi [Wohlverständige], das heißt Menschen guten Sinnes, wie im Gegensatz dazu diejenigen, die dieser Tugend entbehren, äavvevoi [Unverständige], das heißt Unsinnige genannt werden. Nun muß aber der Verschiedenheit der Akte, die sich nicht auf dieselbe Ursache zurückführen lassen, auch eine Verschiedenheit der Tugenden entsprechen. Es ist aber offensichtlich, Q U A E S T I O 51, ,
3. P R A E T E R E A , nunquam est defectus in praecipiendo nisi sit aliquis defectus in judicando, saltem in particulari operabili, in quo omnis malus errat. Si ergo synesis ponitur virtus ad bene judicandurn, videtur quod non sit necessaria alia virtus ad bene praecipiendum. E t ideo prudentia erit superflua: quod est inconveniens. Non ergo synesis est virtus. S E D CONTRA, judicium est perfectius quam consilium. Sed eubulia, quae est bene consiliativa, est virtus. Ergo multo magis synesis, quae est bene judicativa, est virtus. R E S P O N D E O dicendum quod synesis importat judicium rectum non quidem circa speculabilia, sed circa particularia operabilia, circa quae etiam est prudentia. Unde secundum synesim dicuntur in graeco aliqui syneti, idest sensati, vel eusyneti, idest homines boni sensus: sicut e contrario qui carent hac virtute dicuntur asyneti, idest insensati. Oportet autem quod secundum differentiam actuum qui non reducuntur in eandem causam sit etiam diversitas virtutum. Manifestum est 287
51, 3 daß sich das Gutsein der Überlegung und das Gutsein des Urteils nicht auf dieselbe Ursache zurückführen lassen; denn viele sind guter Überlegung fähig und dennoch nicht wohl besonnen, das heißt richtig urteilend. So gibt es auch im Bereich des auf die Schau gerichteten Denkens manche, die gut untersuchen, weil ihre Vernunft bereit ist, Verschiedenes zu durchlaufen, was aus der Veranlagung der Einbildungskraft zu kommen scheint, die leicht verschiedene Vorstellungsbilder zu bilden vermag. Und dennoch haben solche Menschen bisweilen kein gutes Urteil, und zwar wegen eines Mangels ihres Verstandes, der hauptsächlich von einer schlechten Veranlagung nicht gut urteilenden Gemeinsinnes herrührt. Und darum muß es außer der Wohlberatenheit eine andere Tugend geben, die gut zu urteilen vermag. Und diese heißt Verständigkeit. Zu 1. Das rechte Urteil besteht darin, daß die Erkenntniskraft eine Sache so erfaßt, wie sie in sich ist. Dieses kommt von der rechten Beschaffenheit der Erfassungskraft; so werden auch in einem Spiegel, wenn er gut beschaffen ist, die Gestalten der Körper so eingeprägt, wie sie sind, ist der Spiegel aber schlecht beschaffen, erscheinen verzerrte und verkehrt aussehende Bilder. Daß aber die Erkenntniskraft gut beschaffen ist, um die Dinge aufzunehmen, wie sie sind, Q U A E S T I O 51, ,
autem quod bonitas consilii et bonitas judicii non reducuntur in eandem causam: multi enim sunt bene consilitiavi qui tarnen non sunt bene sensati, quasi recte judicantes. Sicut etiam in speculativis aliqui sunt bene inquirentes, propter hoc quod ratio eorum prompta est ad discurrendum per diversa, quod videtur provenire ex dispositione imaginativae virtutis, quae de facili potest formare diversa phantasmata: et tarnen hujusmodi quandoque non sunt boni judicii, quod est propter defectum intellectus, qui máxime contingit ex mala dispositione communis sensus non bene judicantis. E t ideo oportet praeter eubuliam esse aliam virtutem quae est bene judicativa. E t haec dicitur synesis. AD PRIMTJM ergo dicendum quod rectum judicium in hoc consistit quod vis cognoscitiva apprehendat rem aliquam secundum quod in se est. Quod quidem provenit ex recta dispositione virtutis apprehensivae: sicut in speculo, si fuerit bene dispositum, imprimuntur formae corporum secundum quod sunt; si vero fuerit speculum male dispositum, apparent ibi imagines distortae et prave se habentes. Quod autem virtus cognoscitiva sit bene disposita ad recipiendum res secundum quod sunt, con288
kommt wurzelhaft von der Natur her, in der Vollendung aber 51, 3 von der Übung oder vom Geschenk der Gnade her. Und dies auf doppelte Weise. E i n m a l unmittelbar von Seiten der Erkenntniskraft selbst, etwa weil sie nicht durch schlechte, sondern durch wahre und rechte Begriffe ausgefüllt ist, und dieses gehört zur Verständigkeit, sofern sie eine arteigene Tugend ist. In a n d e r e r Weise mittelbar von Seiten der guten Beschaffenheit der Strebekraft, welche zur Folge hat, daß der Mensch über das Erstrebbare gut urteilt. Und so folgt das gute Tugendurteil den Gehaben der sittlichen Tugenden, und zwar im Bereich der Ziele; die Verständigkeit aber betrifft mehr den Bereich dessen, was zum Ziele führt. Zu 2. Bei den Bösen kann das Urteil zwar im allgemeinen recht sein; jedoch ist es in bezug auf die Einzelhandlungen immer verdorben (E. 3; I 63, 1 Zu 4: Bd. 4). Zu 3. Es kommt gelegentlich vor, daß eine Sache, die richtig beurteilt wurde, aufgeschoben bzw. nachlässig oder unordentlich betrieben wird. Und deshalb ist im Anschluß an die Tugend, die gut zu urteilen vermag, eine abschließende Haupttugend notwendig, die gut zu gebieten vermag, nämlich die Klugheit. QUAESTIO 51, , tingit quidem radicaliter ex natura, consummative autem ex exercitio vel ex munere gratiae. E t hoc dupliciter. Uno modo, directe ex parte ipsius cognoscitivae virtutis, puta quia non est imbuta pravis conceptionibus, sed veris et rectis: et hoc pertinet ad synesim secundum quod est specialis virtus. Alio modo, indirecte, ex bona dispositione appetitivae virtutis, ex qua sequitur, quod homo bene judicet de appetibilibus. E t sie bonum virtutis judicium consequitur habitus virtutum moralium, sed circa fines: synesis autem est magis circa ea quae sunt ad finem. AD SECUNDUM dicendum quod in malis potest quidem judicium rectum esse in universali: sed in particulari agibili semper eorum judicium corrumpitur, ut supra habitum est. AD T E R T I U M dicendum quod contingit quandoque id quod bene judicatum est differri, vel negligenter agi aut inordinate. E t ideo post virtutem quae est bene judicativa necessaria est finalis virtus principalis quae sit bene praeceptiva, scilicet prudentia.
19 17 B
289
51,4
4. A R T I K E L Ist die Klarsicht eine arteigene Tugend ?
1. Auf Grund der Verständigkeit wird von jemand gesagt, daß er gut zu urteilen vermag. E s kann aber von keinem gesagt werden, daß er gut zu urteilen vermag, wenn er nicht in allem gut urteilt. Also erstreckt sich die Verständigkeit auf alles, was zu beurteilen ist. Also gibt es keine andere Tugend des guten Urteilens, die Klarsicht genannt wird. 2. Das Urteil steht in der Mitte zwischen Überlegung und Gebot. E s kommt aber nur einer Tugend zu, gut zu überlegen, nämlich der Wohlberatenheit, und nur einer Tugend, gut zu gebieten, nämlich der Klugheit. Also kommt es mir einer Tugend zu, gut zu urteilen, nämlich der Verständigkeit. 3. Bei dem, was selten eintritt und bei dem man von den allgemeinen Gesetzen abweichen muß, scheint es sich vor allem um Zufälliges zu handeln, wofür die Vernunft nicht zuständig ist (Aristoteles). Alle verstandhaften Tüchtigkeiten gehören aber zur rechten Maßgabe der Vernunft. Also gibt es im Bereich des Genannten keine verstandhafte Tüchtigkeit. A N D E R S E I T S bestimmt Aristoteles die Klarsicht als eine arteigene Tugend. Q U A E S T I O 51, ,
A R T I C U L U S IV U t r u m gnome sit specialis
virtus
[ M I 57,6 ad 3; 3 d 33: 3,1 qa 3]
AD QUARTUM sic proceditur. Videtur quod gnome non sit specialis virtus a synesi distincta. Quia secundum synesim dicitur aliquis bene judicatives. Sed nullus potest dici judicativus bene nisi in omnibus bene judicet. Ergo synesis se extendit ad omnia dijudicanda. Non est ergo aliqua alia virtus bene judicativa quae gnome vocatur. 2. P R A E T E R E A , judicium medium est inter consilium et praeceptum. Sed ima tantum virtus est bene consiliativa, scilicet eubulia ; et una tantum virtus est bene praeceptiva, scilicet prudentia. Ergo una tantum est virtus bene judicativa, scilicet synesis. 3. P R A E T E R E A , ea quae raro accidunt, in quibus oportet a communibus legibus discedere, videntur praecipue casualia esse, 197 a 18 quorum non est ratio, ut dicitur in 2 Physicorum [c. 5], Omnes autem virtutes intellectuales pertinent ad rationem rectam. Ergo circa praedicta non est aliqua virtus intellectualis. SED CONTRA est quod Philosophus determinai, in 6 Ethi1143 a 19 corum [c. 11], gnomen esse specialem virtutem. 290
ANTWORT: Die Erkenntnisgehaben unterscheiden sich 51,4 gemäß den höheren oder niederen Gründen; so betrachtet die Weisheit im Bereich des auf die Schau gerichteten Denkens höhere Gründe als die Wissenschaft und unterscheidet sich deshalb von ihr. Und so muß es auch im Bereich des Wirkens sein. Offenbar wird das, was außerhalb der Ordnung eines niederen Grundes oder einer niederen Ursache liegt, bisweilen auf die Ordnung eines höheren Grundes zurückgeführt ; so liegen die Mißgeburten bei den Lebewesen außerhalb der Ordnung der Wirkkraft im Samen, fallen jedoch unter die Ordnung eines höheren Grundes, nämlich eines Himmelskörpers oder darüber hinaus der Vorsehung Gottes. Darum könnte derjenige, der die Wirkkraft im Samen betrachtete, kein sicheres Urteil über solche Mißgeburten abgeben, man kann darüber jedoch urteilen, wenn man die Vorsehung Gottes betrachtet. Es trifft nun bisweilen zu, daß etwas außerhalb der allgemeinen Riegeln des Handelns zu tun ist; z. B. wenn einem Feind des Vaterlandes ein hinterlegtes Gut nicht wiederzuerstatten ist oder anderes dergleichen. Und darum muß man in solchen Fällen nach höheren Gründen urteilen, als es die gewöhnlichen Regeln sind, nach denen die Verständigkeit urteilt. Und entsprechend jenen höheren Gründen wird eine höhere Urteilskraft gefordert, die Klarsicht genannt wird und einen gewissen Scharfblick des Urteils bedeutet. QUAESTIO 51, 4 R E S P O N D E O d i c e n d u m q u o d h a b i t u s cognoscitivi disting u u n t u r s e c u n d u m altiora vel inferiora principia : sicut sapientia in speculativis altiora principia considérât q u a m scientia, et ideo a b ea distinguitur. E t ita e t i a m o p o r t e t esse in activis. Manif e s t u m est a u t e m q u o d illa q u a e s u n t p r a e t e r o r d i n e m inferioris principii sive causae r e d u c u n t u r q u a n d o q u e in ordinem altioris principii : sicut m o n s t r u o s i p a r t u s a n i m a l i u m s u n t p r a e t e r ordin e m v i r t u t i s a c t i v a e in semine, t a r n e n c a d u n t s u b ordine altioris principii, scilicet caelestis corporis, vel u l t e r i u s providentiae divinae. U n d e Ule qui consideraret v i r t u t e m a c t i v a m in semine n o n posset Judicium c e r t u m ferre de h u j u s m o d i m o n s t r i s : de q u i b u s tarnen p o t e s t judicari s e c u n d u m considerationem divinae providentiae. Contingit a u t e m q u a n d o q u e aliquid esse faciend u m p r a e t e r c o m m u n e s régulas a g e n d o r u m : p u t a c u m impugnat o r i p a t r i a e n o n est d e p o s i t u m r e d d e n d u m , vel aliquid aliud h u j u s m o d i . E t ideo o p o r t e t de h u j u s m o d i judicare s e c u n d u m aliqua altiora principia q u a m sint regulae c o m m u n e s , s e c u n d u m q u a s j u d i c a t synesis. E t s e c u n d u m illa altiora principia exigitur altior v i r t u s j u d i c a t i v a , q u a e v o c a t u r gnome, q u a e i m p o r t â t q u a n d a m p e r s p i c a c i t a t e m judicii.
19*
291
51, 4
Zu 1. Die Verständigkeit urteilt richtig über alles, was nach allgemeinen Regeln geschieht. Aber es gibt auch einiges andere, das außerhalb der allgemeinen Regeln liegt und beurteilt werden muß (Antw.). Zu 2. Das Urteil muß aus den der Sache eigenen Gründen genommen werden; die Untersuchung geschieht aber auch gemäß den allgemeinen Gründen. Darum geht auch bei dem auf die Schau gerichteten Denken die Dialektik, deren Aufgabe die Untersuchung ist, von den allgemeinen Gründen aus; die beweisende [Wissenschaft] aber, deren Aufgabe das Urteil ist, geht von den [der Sache] eigenen Gründen aus [104]. Und darum ist die Wohlberatenheit, deren Aufgabe die überlegende Untersuchung ist, eine für alles; nicht aber die Verständigkeit, deren Aufgabe das Urteilen ist. — Das Gebot aber betrifft in allem die eine Bewandtnis des Guten. Und darum ist auch die Klugheit nur eine. Zu 3. Alles das zu betrachten, was außerhalb des gewöhnlichen Laufes zutreffen kann, ist allein Sache der Vorsehung Gottes; unter den Menschen aber kann der, der scharfblickender ist, durch seine Vernunft mehr [als andere] von diesen Dingen beurteilen. Und dazu gehört die Klarsicht, die einen gewissen Scharfblick des Urteils bedeutet. QUAESTIO 51, , AD PRIMUM ergo dicendum quod synesis est vere judicativa de omnibus quae secundum communes regulas fiunt. Sed praeter communes regulas sunt quaedam alia dijudicanda, ut jam dictum est. AD SECUNDUM dicendum quod judicium debet sumi ex propriis principiis rei: inquisitio autem fit etiam per communia. Unde etiam in speculativis dialectica, quae est inquisitiva, procedit ex communibus: demonstrativa autem, quae est judicativa, procedit ex propriis. E t ideo eubulia, ad quam pertinet inquisitio consilii, est una de omnibus: non autem synesis, quae est judicativa. — Praeceptum autem respicit in omnibus unam rationem boni. E t ideo etiam prudentia non est nisi una. AD T E R T I U M dicendum quod omnia illa quae praeter communem cursum contingere possunt considerare pertinet ad solam providentiam divinam: sed inter homines ille qui est magis perspicax potest plura horum sua ratione dijudicare. E t ad hoc pertinet gnome, quae importat quandam perspicacitatem judicii.
292
52. F R A G E D I E GABE DES R A T E S Hierauf ist über die Gabe des Rates, die der Klugheit entspricht, nachzudenken. Dazu ergeben sich vier Einzelfragen: 1. Muß der R a t unter den sieben Gaben des Heiligen Geistes aufgeführt werden? 2. Entspricht die Gabe des Rates der Tugend der Klugheit? 3. Bleibt die Gabe des Rates in der ewigen Heimat? 4. Entspricht die fünfte Seligkeit „Selig sind die Barmherzigen" der Gabe des Rates? 1. A R T I K E L Muß der Rat unter den Gaben des Heiligen Geistes aufgeführt werden ? I. Die Gaben des Heiligen Geistes werden zur Unterstützung der Tugenden gegeben (Gregor). Hinsichtlich des Rates aber wird der Mensch ausreichend durch die Tugend der Klugheit oder auch der Wohlberatenheit vollendet (47, 1
Q U A E S T I O LH
DE DONO CONSILII Deinde considerandum est de dono consilii, quod respondet prudentiae. E t circa hoc quaeruntur quatuor: 1. Utrum consilium debeat poni inter Septem dona Spiritus Sancti. — 2. Utrum donum consilii respondeat virtuti prudentiae. — 3. Utrum donum consilii maneat in patria. — 4. Utrum quinta beatitudo, quae est, „Beati misericordes", respondeat dono consilii. Utrum consilium
ARTICULUS I d e b e a t poni i n t e r d o n a Sancti
Spiritus
[Supra 8,6; 3 d 35: 2,4 qa 1; Is 11,2 sq; Mt 10,19]
AD PRIMUM sic proceditur. Videtur quod consilium non debeat poni inter dona Spiritus Sancti. Dona enim Spiritus Sancti in adjutorium virtutum dantur; ut patet per Gregorium, in 2 Moralium [C. 49], Sed ad consiliandum homo sufficienter PL perficitur per virtutem prudentiae, vel etiam eubuliae, ut ex '5/592 293
D
52, l Zu 2; 51, 1 u. 2). Also braucht der Rat nicht unter den Gaben des Heiligen Geistes aufgeführt zu werden. 2. Der Unterschied zwischen den sieben Gaben des Heiligen Geistes und den freigewährten Gnaden scheint der zu sein, daß die freigewährten Gnaden nicht allen gegeben werden, sondern an verschiedene ausgeteilt werden. Die Gaben des Heiligen Geistes aber werden allen denen gegeben, die den Heiligen Geist haben. Nun scheint aber der R a t zu den [Gnadengeschenken] zu gehören, die manchen vom Heiligen Geist in besonderer Weise verliehen werden; gemäß 1 Maklc 2, 65: „Siehe da, Simon, euer Bruder, er ist ein Mann des Rates." Also muß der R a t eher unter den freigewährten Gnaden aufgeführt werden als unter den sieben Gaben des Heiligen Geistes. 3. „Die vom Geiste Gottes getrieben werden, sind Söhne Gottes" (Rom 8, 14). Denen aber, die von einem anderen getrieben werden, entspricht es nicht, mit sich zu Rate zu gehen. Da nun die Gaben des Heiligen Geistes am meisten den Söhnen Gottes zukommen, „die den Geist der Annahme an Sohnes Statt empfangen haben" (Rom 8, 15), scheint der R a t nicht unter den Gaben des Heiligen Geistes aufgeführt werden zu dürfen. A N D E R S E I T S heißt es Is 11, 2: „Es wird auf ihm ruhen der Geist des Rates und der Stärke." QUAESTIO 52, , dictis patet. Ergo consilium non debet poni inter dona Spiritus Sancti. 2. P R A E T E R E A , haec videtur esse differentia inter Septem dona Spiritus Sancti et gratiaa gratis datas, quod gratiae gratis datae non dantur omnibus, sed distribuuntur diversis; dona autem Spiritus Sancti dantur omnibus habentibus Spiritum Sanctum. Sed consilium videtur esse de his quae specialiter aliquibus a Spiritu Sancto dantur: secundum illud 1 Mach 2: „Ecce Simon, frater vester: ipse vir consilii est." Ergo consilium magis debet poni inter gratias gratis datas quam inter Septem dona Spiritus Sancti. 3. P R A E T E R E A , Rom. 8 dicitur: „Qui Spiritu Dei aguntur, hi filii Dei sunt." Sed his qui ab alio aguntur non competit consilium. Cum igitur dona Spiritus Sancti maxime competant filiis Dei, qui „acceperunt spiritum adoptionis filiorum", videtur quod consilium inter dona Spiritus Sancti poni non debeat. S E D CONTRA est quod Is. 11 dicitur: „Requiescet super eum spiritus consilü et fortitudinis." 294
A N T W O R T : Die Gaben des Heiligen Geistes sind gewisse 52,1 Ausrichtungen, durch welche die Seele vom Heiligen Geist leicht bewegbar wird. Gott bewegt aber ein jedes nach der Weise dessen, was bewegt wird. So bewegt E r die körperliche Schöpfung zeitlich und räumlich, die geistige Schöpfung aber zeitlich und nicht räumlich (Augustinus). E s ist aber dem vernunftbegabten Geschöpf eigen, daß es durch die Untersuchung der Vernunft dazu bewegt wird, etwas zu tun. Und diese Untersuchung wird R a t [Überlegung] genannt. Und darum bewegt der Heilige Geist in der Weise des Rates das vernunftbegabte Geschöpf. Und aus diesem Grunde wird der R a t unter den Gaben des Heiligen Geistes aufgeführt. Zu 1. Die Klugheit oder Wohlberatenheit leitet, ob sie nun erworben oder eingegossen ist, den Menschen im Suchen des Rates nach Maßgabe dessen, was die Vernunft begreifen kann; daher wird der Mensch durch Klugheit oder Wohlberatenheit ein guter Berater für sich oder einen anderen. Weil aber die menschliche Vernunft das Einzelne und NichtNotwendige, das begegnen kann, nicht begreifen kann, „sind die Gedanken der Sterblichen furchtsam und ist unsere Voraussicht ungewiß" (Wsh 9, 14). Und daher bedarf der Mensch beim Suchen des Rates der Leitung durch Gott, der alles begreift. Dies geschieht durch die Gabe des Rates, durch die Q U A E S T I O 52,
t
RESPONDEO dicendum quod dona Spiritus Sancti, ut supra dictum est, sunt quaedam dispositiones quibus anima redditur bene mobilis a Spiritu Sancto. Deus autem movet unumquodque secundum modum ejus quod movetur: sicut creaturam corporalem movet per tempus et locum, creaturam autem spiritualem per tempus et non per locum, ut Augustinus dicit, 8 super Genesim ad Litteram [c. 20. 22], Est autem proprium rationali PL creaturae quod per inquisitionem rationis moveatur ad aliquid 34'|ggQ agendum: quae quidem inquisitio consilium dicitur. E t ideo Spiritus Sanctus per modum consilii creaturam rationalem movet. E t propter hoc consilium ponitur inter dona Spiritus Sancti. AD PRIMUM ergo dicendum quod prudentia vel eubulia, sive sit acquisita sive infusa, dirigit hominem in inquisitione consilii secundum ea quae ratio comprehendere potest: unde homo per prudentiam vel eubuliam fit bene consilians vel sibi vel alii. Sed quia humana ratio non potest comprehendere singularia et contingentia quae occurrere possunt, fit quod „cogitationes mortalium sunt timidae, et incertae providentiae nostrae", ut dicitur Sap. 9. E t ideo indiget homo in inquisitione consilii dirigi a Deo, qui omnia comprehendit. Quod fit per donum 295
52, 2 der Mensch gleichsam durch von Gott empfangenen R a t geleitet wird. So suchen auch im menschlichen Bereich diejenigen, die beim Suchen des Rates sich selbst nicht genügen, R a t bei Weiseren. Z u 2. Es kann zur freigewährten Gnade gehören, daß jemand so des guten Rates fähig ist, daß er anderen Rat gewährt. D a ß man aber von Gott in dem beraten wird, was im Bereich des Heilsnotwendigen getan werden muß, das ist allen Heiligen gemeinsam. Z u 3. Die Söhne Gottes werden vom Heiligen Geist nach ihrer Weise getrieben unter Wahrung des freien Entscheidungsvermögens, das „eine Fähigkeit des Willens und des Verstandes ist" [Petrus Lombardus]. U n d insofern nun die Vernunft vom Heiligen Geist unterwiesen wird über das, was zu tun ist, kommt den Söhnen Gottes die Gabe des Rates zu. 2. A R T I K E L Entspricht
die Gabe des Rates der Tugend der Klugheit ?
1. Das Niedere reicht mit dem, was in ihm am höchsten ist, an das heran, was höher ist (Dionysius); so reicht der Mensch hinsichtlich des Verstandes an den Engel heran. Q U A E S T I O 52, ,
consilii, per quod homo dirigitur quasi consilio a Deo accepto. Sicut etiam in rebus humanis qui sibi ipsis non sufficiunt in inquisitione consilii a sapientioribus consilium requirunt. AD SECUNDUM dicendum quod hoc potest pertinere ad gratiam gratis datam quod aliquis sit ita boni consilii quod aliis consilium praebeat. Sed quod aliquis a Deo consilium habeat quid fieri oporteat in hia quae sunt necessaria ad salutem, hoc est commune omnium sanctorum. AD T E R T I U M dicendum quod filii Dei aguntur a Spiritu Sancto secundum modum eorum, salvato scilicet libero arbitrio, quae „est facultas voluntatis et rationis". 1 E t sie inquantum ratio a Spiritu Sancto instruitur de agendis, competit filiis Dei donum consilii. A R T I C U L U S II U t r u m d o n u m consilii r e s p o n d e a t v i r t u t i p r u d e n t i a e [Supra a. 1 ad 1; 3 d 34: 1,2; 35: 2,4 qa 1 sq]
AD SECUNDUM sic proceditur. Videtur quod donum consilii non respondeat convenienter virtuti prudentiae. Inferius enim in suo supremo attingit id quod est superius, u t patet per ^ pg Dionysium, 7 cap. de Divinis Nominibus: sicut homo attingit Sol 1/407
1 Petrus Lomb., Sent. II 24,3 (QU 1/421).
296
Eine Kardinaltugend ist aber niederer als eine Gabe (I-II 52, 2 68, 8: Bd. 11). Da nun der Rat [die Überlegung] der erste und niederste Akt der Klugheit ist, ihr höchster Akt aber das Gebieten ist und der mittlere das Urteilen, scheint die der Klugheit entsprechende Gabe nicht der Rat, sondern eher das Urteil oder das Gebot zu sein. 2. E i n e Tugend erhält ausreichend Hilfe durch e i n e Gabe. Denn je höher etwas ist, um so mehr ist es geeint (Buch von den Ursachen). Die Klugheit erhält aber Hilfe durch die Gabe der Wissenschaft, die nicht nur auf die Schau, sondern auch auf das Tun gerichtet ist (9, 3: Bd. 15). Also entspricht die Gabe des Rates nicht der Tugend der Klugheit. 3. Es gehört im eigentlichen Sinne zur Klugheit, zuleiten (50, 1 Zu 1). Es gehört aber zur Gabe des Rates, daß der Mensch von Gott geleitet wird (Art. 1). Also gehört die Gabe des Rates nicht zur Tugend der Klugheit. A N D E R S E I T S betrifft die Gabe des Rates das, was um des Zieles willen zu tun ist. Diesen Bereich betrifft aber auch die Klugheit. Also entsprechen sie einander. ANTWORT: Ein niederer Beweggrund wird hauptsächlich dadurch unterstützt und vollendet, daß er von einem höheren Beweggrund bewegt wird, wie der Leib dadurch, daß er vom Lebensgeist bewegt wird [105], Es ist nun offenQ U A E S T I O 52, , angelum secundum intellectum. Sed virtus cardinalis est inferior dono, ut supra habitum est. Cum ergo consilium sit primus et infimus actus prudentiae, supremus autem actus ejus est praecipere, medius autem judicare; videtur quod donum respondens prudentiae non sit consilium, sedmagis judicium velpraeceptum. 2. P R A E T E R E A , uni virtuti sufficienter auxilium praebetur per unum donum: quia quanto aliquid est superius tanto est magis unitum, ut probatur in libro de Causis. Sed prudentiae auxilium praebetur per donum scientiae, quae non solum est speculativa, sed etiam practica, ut supra habitum est. Ergo donum consilii non respondet virtuti prudentiae. 3. P R A E T E R E A , ad prudentiam proprio pertinet dirigere, ut supra habitum est. Sed ad donum consilii pertinet quod homo dirigatur a Deo, sicut dictum est. Ergo donum consilii non pertinet ad virtutem prudentiae. S E D CONTRA est quod donum consilii est circa ea quae sunt agenda propter finem. Sed circa haec etiam est prudentia. Ergo sibi invicem correspondent. R E S P O N D E O dicendum quod principium motivum inferius praecipue adjuvatur et perficitur per hoc quod movetur a superiori motivo principio: sicut corpus in hoc quod movetur a
20 17 B
297
52, 2 sichtlich, daß die Rechtheit der menschlichen Vernunft sich zur göttlichen Vernunft verhält wie der niedere Beweggrund zum höheren; denn die ewige Vernunft ist die höchste Richtschnur aller menschlichen Rechtheit. Und darum wird die Klugheit, welche die Rechtheit der menschlichen Vernunft beinhaltet, am meisten vollendet und unterstützt, insofern sie vom Heiligen Geist ausgerichtet und bewegt wird. Dieses gehört zur Gabe des Rates (Art. 1). Und darum entspricht die Gabe des Rates der Klugheit, insofern sie diese unterstützt und vollendet. Zu 1. Urteilen und Gebieten ist nicht Sache des Bewegten, sondern des Bewegenden. Und weil der menschliche Geist im Bereich der Gaben des Heiligen Geistes nicht im Verhältnis eines Bewegenden, sondern eher eines Bewegten steht (Art. 1; I - I I 68, 1: Bd. 11), darum war es nicht angemessen, daß die der Klugheit entsprechende Gabe Gebot oder Urteil genannt würde, sondern Rat, womit die Bewegung des Geistes bezeichnet werden kann, der von einem anderen, der Rat gibt, Rat empfängt. Zu 2. Die Gabe der Wissenschaft entspricht nicht unmittelbar der Klugheit, da sie im Bereich dessen liegt, was auf die Schau gerichtet ist. Vielmehr unterstützt sie diese im Sinne einer gewissen Ausweitung [106]. Die Gabe des Rates aber entspricht unmittelbar der Klugheit, da sie denselben Bereich betrifft. QUAESTIO 52, , spiritu. Manifestum est autem quod rectitudo rationis humanae comparatur ad rationem divinam sicut prineipium motivum inferius ad superius: ratio enim aeterna est suprema regula omnis humanae rectitudinis. E t ideo prudentia, quae importat rectitudinem rationis, maxime perficitur et juvatur secundum quod regulatur et movetur a Spiritu Sancto. Quod pertinet ad donum consilii, ut dictum est. Unde donum consilii respondet prudentiae, sicut ipsam adjuvans et perficiens. A D P R I M U M ergo dicendum quod judicare et praeeipere non est moti, sed moventis. E t quia in donis Spiritus Sancti mens humana non se habet ut movens, sed magis u t mota, ut supra dictum e s t ; inde est quod non fuit conveniens quod donum correspondens prudentiae praeeeptum diceretur vel judicium, sed consilium, per quod potest significari motio mentis consiliatae ab alio consiliante. A D S E C U N D U M dicendum quod scientiae donum non directe respondet prudentiae, cum sit in speculativa: sed secundum quandam extensionem eam adjuvat. Donum autem consilii directe respondet prudentiae, sicut circa eadem existens. 298
Zu 3. Das bewegte Bewegende bewegt dadurch, daß es be- 52, n wegt wird. Darum wird der menschliche Geist eben dadurch, daß er vom Heiligen Geist gelenkt wird, in den Stand gesetzt, sich und andere zu lenken. 3. A R T I K E L Bleibt die Gabe des Rates in der ewigen Heimat?
1. Der Rat betrifft das, was um des Zieles willen zu tun ist. In der ewigen Heimat aber wird nichts um eines Zieles willen zu tun sein, weil dort die Menschen des letzten Zieles teilhaft sind. Also gibt es die Gabe des Rates nicht in der ewigen Heimat. 2. Das Mit-sich-zu-Rate-Gehen beinhaltet einen Zweifel; im Bereich des Offenbaren nämlich ist es lächerlich, mit sich zu Rate zu gehen (Aristoteles). In der ewigen Heimat aber wird jeder Zweifel behoben sein. Also wird es in der ewigen Heimat keinen Rat geben. 3. In der ewigen Heimat sind die Heiligen Gott im höchsten Maße gleichgestaltet; gemäß 1 Jo 3, 2: „Wenn Er erschienen sein wird, werden wir Ihm ähnlich sein." Nun kommt Gott kein Rat zu; gemäß Rom 11, 34: „Wer ist Sein Q U A E S T I O 52, ,
A D T E R T I U M dicendum quod movens motum ex hoc quod movetur movet. Unde mens humana, ex hoc ipso quod dirigitur a Spiritu Sancto, fit potens dirigere se et alios. ARTICULUS
III
U t r u m d o n u m c o n s i l i i m a n e a t in p a t r i a [3 d 35: 2,4 qa 3]
A D T E R T I U M sie proceditur. Videtur quod donum consilii non maneat in patria. Consilium enim est eorum quae sunt agenda propter finem. Sed in patria nihil erit agendum propter finem: quia ibi homines ultimo fine potiuntur. Ergo in patria non est donum consilii. 2. P R A E T E R E A , consilium dubitationem importat: in his enim quae manifesta sunt ridiculum est consiliari, sicut patet per Philosophum, in 3 Ethicorum [c. 5]. In patria autem tolletur 1112 a 34 omnis dubitatio. Ergo in patria non erit consilium. 3. P R A E T E R E A , in patria saneti máxime Deo conformantur, secundum illud 1 Joan. 3: „Cum apparuerit, similes ei erimus." Sed Deo non convenit consilium: secundum illud Rom. 20*
299
52, 3 Ratgeber gewesen?" Also kommt auch den Heiligen in der ewigen Heimat nicht die Gabe des Rates zu. ANDERSEITS sagt Gregor: „Wenn Schuld oder Gerechtigkeit eines jeden Volkes vor den Rat des himmlischen Gerichtshofes gebracht wird, erweist es sich, ob der Vorsteher des betreifenden Volkes im [irdischen] Kampf gesiegt hat oder nicht." ANTWORT: Die Gaben des Heiligen Geistes haben den Sinn, daß die vernunftbegabte Schöpfung von Gott bewegt wird (Art. 1; I - I I 68, 1: Bd. 11). Nun muß man bezüglich der Bewegung des menschlichen Geistes durch Gott zwei Dinge beachten. E r s t e n s , daß die Verfassung des Bewegten während der Bewegung eine andere ist als am Ziel der Bewegung. Ist nun das Bewegende alleiniger Grund des Bewegens, hört das Wirken des Bewegenden auf das Bewegbare, das bereits ans Ziel gelangt ist, nach Aufhören der Bewegung auf; so wird das Haus, nachdem es fertiggebaut ist, vom Baumeister nicht weitergebaut. Ist aber das Bewegende nicht nur Ursache des Bewegens, sondern auch Ursache der Form, auf die hin die Bewegung gerichtet ist, hört das Wirken des Bewegenden auch nach Erreichung der Form nicht auf; so erleuchtet die Sonne die Luft auch, nachdem sie schon erleuchtet ist. Und in dieser Weise verursacht Gott in uns sowohl Tugend als auch Erkenntnis nicht nur, wenn wir sie Q U A E S T I O 52, „
11: „Quis consiliarius ejus fuit?" Ergo etiam neque sanctis in patria competit donum consilii. PL SED CONTRA est quod dicit Gregorius, 17 Moralium [c. 12]: 76/20 B ^Cumque uniuscujusque gentis vel culpa vel justitia ad super nae curiae consilium ducitur, ejusdem gentis praepositus vel obtinuisse in certamine vel non obtinuisse perhibetur." RESPONDEO dicendum quod, sicut dictum est, dona Spiritus Sancti ad hoc pertinent quod creatura rationalis movetur a Deo. Circa motionem autem humanae mentis a Deo duo considerari oportet. Primo quidem, quod alia est dispositio ejus quod movetur dum movetur; et alia dum est in termino motus. Et quidem quando movens est solum principium movendi, cessante motu cessat actio moventis super mobile, quod jam pervenit ad terminum: sicut domus, postquam aedificata est, non aedificatur ulterius ab aedificatore. Sed quando movens non solum est causa movendi, sed etiam est causa ipsius formae ad quam est motus, tunc non cessat actio moventis etiam post adeptionem formae: sicut sol illuminat aerem etiam postquam est illuminatus. Et hoc modo Deus causat in nobis et virtutem et 300
zum ersten Male erwerben, sondern auch, solange wir in 52, 3 ihnen verharren. Und so verursacht Gott die Erkenntnis dessen, was zu tun ist, in den Seligen nicht wie in Unwissenden, sondern so, daß Er in ihnen die Erkenntnis dessen, was zu tun ist, weiterführt. Doch gibt es einiges, was die Seligen, seien es Engel oder Menschen, nicht erkennen, nämlich solches, was nicht zum Wesen der Seligkeit gehört, sondern die Lenkung der Dinge gemäß der göttlichen Vorsehung betrifft. Und in bezug darauf ist ein Z w e i t e s zu betrachten, nämlich daß der Geist der Seligen von Gott in anderer Weise bewegt wird als der Geist derer, die auf dem Wege sind. Denn der Geist derer, die auf dem Wege sind, wird von Gott in dem, was zu tun ist, dadurch bewegt, daß die vorausgehende Angst des Zweifels behoben wird. Im Geist der Seligen aber besteht bezüglich dessen, was sie nicht erkennen, einfaches Nichtwissen, von dem auch die Engel gereinigt werden (Dionysius); bei ihnen geht jedoch keine durch Zweifel gekennzeichnete Untersuchung voraus, sondern eine einfache Hinwendung zu Gott. Und das heißt Gott um Rat fragen, wie es Augustinus von den Engeln sagt: „Sie fragen Gott bezüglich des Niederen um R a t . " Darum wird auch die Unterweisung, in der sie von Gott darüber unterrichtet werden, Rat genannt. Q U A E S T I O 52, ,
cognitionem non solum quando primo acquirimus, sed etiam quandiu in eis perseveramus. E t sie cognitionem agendorum causat Deus in beatis, non quasi in ignorantibus, sed quasi conti nuando in eis cognitionem eorum quae agenda sunt. Tarnen quaedam sunt quae beati, vel angeli vel homines, non cognoscunt, quae non sunt de essentia beatitudinis, sed pertinent ad gubernationem rerum secundum divinam providentiam. E t quantum ad hoc est aliud considerandum, scilicet quod mens beatorum aliter movetur a Deo, et aliter mens viatorum. N a m mens viatorum movetur a Deo in agendis per hoc quod sedatur anxietas dubitationis in eis praecedens. In mente vero beatorum circa ea quae non cognoscunt est simplex nescientia, a qua etiam angeli purgantur, secundum Dionysium, 6 cap. de Ecclesiastica Hierarchia: 1 non autem praecedit in eis inquisitio dubitationis, sed simplex conversio ad Deum. E t hoc est Deum consulere: sicut Augustinus dicit, 5 super Genesim ad Litteram [c. 19J, quod angeli „de inferioribus Deum consulunt". Unde et instruetio qua super hoc a Deo instruuntur consilium dicitur. 1
Cf. De Coel. Hier., c. 7 (PG 3/209 D ; Sol 11/859).
301
PG
3/537 A
n/1404 PL 34/334 0
52, 3
In diesem Sinne ist die Gabe des Rates in den Seligen, insofern Gott in ihnen die Erkenntnis dessen, was sie wissen, weiterführt und insofern sie hinsichtlich dessen erleuchtet werden, was sie im Bereich ihrer Aufgaben nicht wissen. Zu 1. Auch bei den Seligen gibt es Akte, die auf das Ziel hingeordnet sind, sei es, daß diese aus der Erreichung den Zieles hervorgehen — z. B . daß sie Gott loben —, sei es, daß sie durch solche [Akte] andere zu dem Ziele führen, das sie selbst erreicht haben — z. B. die Dienstwaltungen der Engel und die Gebete der Heiligen. Und im Hinblick darauf hat die Gabe des Rates bei ihnen statt. Zu 2. Der Zweifel gehört zum Mit-sich-zu-Rate-Gehen gemäß dem Stande des gegenwärtigen Lebens; nicht aber gehört er dazu, insofern es Rat in der ewigen Heimat gibt. So haben auch die Kardinaltugenden in keiner Weise dieselben Akte in der ewigen Heimat und auf dem Wege. Zu 3. Rat ist in Gott nicht als in dem, der [ihn] empfängt, sondern als in dem, der [ihn] gibt. Und auf diese Weise werden die Heiligen in der ewigen Heimat Gott gleichgestaltet, wie das Empfangende dem Eingießenden. Q U A E S T I O 52, ,
E t secundum hoc donum consilii est in beatis, inquantum in eis a Deo continuatur cognitio eorum quae sciunt; et inquantum illuminantur de his quae nesciunt circa agenda. AD PRIMUM ergo dicendum quod etiam in beatis sunt aliqui actus ordinati ad flnem: vel quasi procedentes ex consecutione finis, sicut quod Deum laudant; vel quibus alios pertrahunt ad finem quem ipsi sunt consecuti, sicut sunt ministeria angelorum et orationes sanctorum. E t quantum ad hoc habet in eis locum donum consilii. AD SECUNDUM dicendum quod dubitatio pertinet ad consilium secundum statum vitae praesentis: non autem pertinet secundum quod est consilium in patria. Sicut etiam virtutes cardinales non habent omnino eosdem actus in patria et in via. AD T E R T I U M dicendum quod consilium non est in Deo sicut in recipiente, sed sicut in dante. Hoc autem modo conformantur Deo sancti in patria, sicut recipiens influenti.
302
4. A R T I K E L
52,4
Entspricht die fünfte Seligkeit, die sich auf die Barmherzigkeit bezieht, der Gabe des Rates?
1. Alle Seligkeiten sind gewisse Tätigkeiten der Tugenden (I-II 69, 1: Bd. 11) [107], Wir werden aber durch den Rat in allen Tätigkeiten der Tugenden geleitet. Also entspricht dem Rat die fünfte Seligkeit nicht mehr als eine andere. 2. Gebote werden bezüglich des Heilsnotwendigen gegeben; Rat aber wird bezüglich des Nichtheilsnotwendigen gegeben. Barmherzigkeit aber ist heilsnotwendig; gemäß Jak 2, 13: „Ein Gericht ohne Barmherzigkeit über den, der keine Barmherzigkeit erwiesen hat." Armut aber ist nicht heilsnotwendig, sondern gehört zur Vollkommenheit des Lebens (Mt 19, 21). Also entspricht der Gabe des Rates die Seligkeit der Armut mehr als die Seligkeit der Barmherzigkeit. 3. Die .Früchte' folgen den Seligkeiten [vgl. I-II 70, 2: Bd. 11], denn sie besagen eine gewisse geistliche Freude, die auf vollkommene Tätigkeiten der Tugenden folgt. Unter den Früchten aber wird nichts aufgeführt, was der Gabe des Rates entspricht (Gal 5, 22 f.). Also entspricht auch die Seligkeit der Barmherzigkeit nicht der Gabe des Rates. Q U A E S T I O 52, ,
Utrum
A R T I C U L U S IV q u i n t a b e a t i t u d o , q u a e est de misericordia, r e s p o n d e a t dono consilii [I-II 69,3 ad 3; 3 d 34: 1.4; Mt 5,7]
A D QUAR TUM sie proceditur. Videtur quod quinta beatitudo, quae est de misericordia, non respondeat dono consilii. Omnes enim beatitudines sunt quidam actus v i r t u t u m , u t supra habit u m est. Sed per consilium in omnibus v i r t u t u m actibus dirigimur. Ergo consilio non respondet magis quinta beatitudo q u a m alia. 2. P R A E T E R E A , praeeepta d a n t u r de his quae sunt de necessitate salutis: consilium a u t e m d a t u r de his quae non sunt de necessitate salutis. Misericordia a u t e m est de necessitate salutis, secundum illud J a c . 2: „Judicium sine misericordia ei qui non fecit misericordiam": paupertas autem non est de necessitate salutis, sed pertinet ad perfectionem vitae, u t p a t e t Matth. 19. Ergo dono consilii magis respondet beatitudo paupertatis q u a m beatitudo misericordiae. 3. P R A E T E R E A , f r u e t u s consequuntur a d beatitudines: important enim delectationem q u a n d a m spiritualem quae consequitur perfectos actus v i r t u t u m . Sed inter fruetus non ponitur aliquid respondens dono consilii, u t p a t e t Gal. 5. Ergo etiam beatitudo misericordiae non respondet dono consilii. 303
52,4
ANDERSEITS sagt Augustinus : Den Barmherzigen kommt die Gabe des Rates zu, denn das einzige Mittel für die Befreiung aus so großen Übeln ist: anderen verzeihen und geben. ANTWORT: Der Rat bezieht sich im eigentlichen Sinne auf das, was zum Ziele nützlich ist. Darum muß das, was am meisten zum Ziele nützlich ist, am meisten der Gabe des Rates entsprechen. Das aber ist die Barmherzigkeit; gemäß 1 Tim 4, 8 : „Die Frömmigkeit ist zu allem nützlich." Und darum entspricht der Gabe des Rates in besonderer Weise die Seligkeit der Barmherzigkeit, nicht als ob sie diese hervorbringen würde, sondern insofern sie diese leitet. Z u 1. Wenn auch der R a t [uns] in allen Tätigkeiten der Tugenden leitet, so leitet er [uns] doch in besonderer Weise in den Werken der Barmherzigkeit (Antw.). Z u 2. Insofern der Rat eine Gabe des Heiligen Geistes ist, leitet er uns in allem, was auf das Ziel des ewigen Lebens hingeordnet ist, sei es nun heilsnotwendig oder nicht. Jedoch ist nicht jedes Werk der Barmherzigkeit heilsnotwendig. Z u 3. Frucht besagt ein Letztes. Im Bereich der Tätigkeit aber liegt das Letzte nicht in der Erkenntnis, sondern in der Handlung, die das Ziel ist. Und darum wird unter den FrüchQ U A E S T I O 52, ,
SED CONTRA est quod Augustinus dicit, in libro de Sermone TL Domini in Monte [1,4]: Consilium convenit misericordibus : 34/1234 D q U i a unicum remedium est de tantis malis erui, dimittere aliis et dare. RESPONDEO dicendum quod consilium proprie est de his quae sunt utilia ad finem. Unde ea quae maxime sunt utilia ad flnem maxime debent correspondere dono consilii. Hoc autem est misericordia : secundum illud 1 ad Tim. 4 : „Pietas ad omnia utilis est." Et ideo specialiter dono consilii respondet beatitudo misericordiae, non sicut elicienti, sed sicut dirigenti. A D PRIMUM ergo dicendum quod etsi consilium dirigat in omnibus actibus virtutum, specialiter tarnen dirigit in operibus misericordiae, ratione jam dicta. A D SECUNDUM dicendum quod consilium, secundum quod est donum Spiritus Sancti, dirigit nos in omnibus quae ordinantur in finem vitae aeternae, sive sint de necessitate salutis sive non. Et tarnen non omne opus misericordiae est de necessitate salutis. A D TERTIUM dicendum quod fructus importât quoddam ultimum. In practicis autem non est ultimum in cognitione, sed in operatione, quae est finis. Et ideo inter fructus nihil ponitur 304
ten nichts aufgeführt, was zu der auf das Tun gerichteten 52, 4 Erkenntnis gehört, sondern nur das, was die Handlungen betrifft, in denen [uns] die auf das Tun gerichtete Erkenntnis leitet. Unter diesen werden Güte und Milde aufgeführt, die der Barmherzigkeit entsprechen. Q.UAESTIO 52, , quod pertineat ad cognitionem practicam, sed solum ea quae pertinent ad operationes, in quibus cognitio practica dirigit. Inter quae ponitur bonitas et benignitas, quae respondent misericordiae.
305
53
53.
FRAGE
DIE UNKLUGHEIT Hierauf ist über die der Klugheit entgegengesetzten Laster nachzudenken. Augustinus sagt: „Zu allen Tugenden gibt es nicht nur entgegengesetzte Laster, die sich offen [von den Tugenden] unterscheiden, wie zur Klugheit den Vorwitz, sondern auch irgendwie nahestehende [Laster], die zwar nicht in Wahrheit, sondern durch ein täuschendes Aussehen [der Tugend] ähnlich sind, wie der Klugheit die Verschlagenheit." Erstens ist also über die Laster nachzudenken, die offensichtlich im Gegensatz zur Klugheit stehen, nämlich die Laster, die aus dem Mangel an Klugheit oder an dem, was zur Klugheit erforderlich ist, herrühren; zweitens über die Laster, die eine trügerische Ähnlichkeit mit der Klugheit haben, nämlich solche, die durch Mißbrauch dessen eintreten, was zur Klugheit erforderlich ist [Fr. 55]. Weil aber die Besorgtheit zur Klugheit gehört, ist hinsichtlich des ersten über zweierlei nachzudenken: erstens über die Unklugheit; zweitens über die Nachlässigkeit, die der Besorgtheit entgegengesetzt ist [Fr. 54]. Zum ersten ergeben sich sechs Einzelfragen: 1. Ist die Unklugheit eine Sünde? 2. Ist sie eine arteigene Sünde? 3. Die Überstürzung oder der Vorwitz.
QUAESTIO
LIII
DE IMPRUDENTIA Deinde considerandum est de vitiis oppositis prudentiae. I'L Dicit autem Augustinus, in 4 contra Julianum [c. 3], quod 44/748 D ^omnibus virtutibus non solum sunt vitia manifesta discretione contraria, sicut prudentiae temeritas: verum etiam vicina quodammodo, nec veritate, sed quadam specie fallente similia, sicut ipsi prudentiae astutia". Primo ergo considerandum est de vitiis quae manifeste contrarietatem habent ad prudentiam, quae scilicet vitia proveniunt ex defectu prudentiae vel eorum quae ad prudentiam requiruntur; secundo, de vitiis quae habent quandam similitudinem falsam cum prudentia, quae scilicet contingunt per abusum eorum quae ad prudentiam requiruntur. Quia vero sollicitudo ad prudentiam pertinet, circa primum consideranda sunt duo: primo quidem, de imprudentia; secundo, de negligentia, quae sollicitudini opponitur. Circa primum quaeruntur sex: 1. De imprudentia, utrum sit peccatum. — 2. Utrum sit speciale peccatum. — 3. De prae306
4. Die Bedenkenlosigkeit. 5. Die Unbeständigkeit. 6. Der Ursprung dieser Laster.
53,1
1. A R T I K E L Ist die Unklugheit eine Sünde? 1. Jede Sünde ist freiwillig (Augustinus). Die Unklugheit aber ist nichts Freiwilliges, denn keiner will unklug sein. Also ist die Unklugheit keine Sünde. 2. Keine Sünde wird mit dem Menschen geboren außer der Erbsünde. Die Unklugheit aber wird mit dem Menschen geboren; darum sind auch die jungen Leute unklug. Sie ist auch nicht die Erbsünde, die der Urgerechtigkeit entgegengesetzt ist. Also ist die Unklugheit keine Sünde. 3. Jede Sünde wird durch Buße getilgt. Die Unklugheit aber wird nicht durch Buße getilgt. Also ist die Unklugheit keine Sünde. ANDERSEITS wird der geistliche Gnadenschatz nur durch die Sünde zerstört. E r wird aber durch Unklugheit Q U A E S T I O 53, ,
cipitatione, sive temeritate. — 4. De inconsideratione. — 5. De inconstantia. — 6. De origine horum vitiorum. ARTICULUS U t r u m imprudentia sit
I peccatum
A D P R I M U M sie proceditur. Videtur quod imprudentia non sit peccatum. Omne enim peccatum est voluntarium, ut Augustinus 1 dicit. Imprudentia autem non est aliquid voluntarium: nullus enim vult esse imprudens. Ergo imprudentia non est peccatum. 2. P R A E T E R E A , nullum peccatum nascitur cum homine nisi originale. Sed imprudentia nascitur cum homine: unde et juvenes imprudentes sunt. Nec est originale peccatum, quod opponitur originali justitiae. Ergo imprudentia non est peccatum. 3. P R A E T E R E A , omne peccatum per poenitentiam tollitur. Sed imprudentia non tollitur per poenitentiam. Ergo imprudentia non est peccatum. S E D CONTRA, spiritualis thesaurus gratiae non tollitur nisi per peccatum. Tollitur autem per imprudentiam: secundum 1
De vera Religione, c. 14 (PL 34/133 D).
307
53, l zerstört; gemäß Spr 21, 20: „Kostbarer Schatz und Öl sind in der Wohnung des Gerechten, aber ein unkluger Mensch vergeudet es." ANTWORT: Die Unklugheit kann zweifach aufgefaßt werden: einmal als Beraubung, zum anderen als Gegensatz. — In bloß verneinendem Sinne spricht man aber nicht eigentlich [von Unklugheit], so nämlich, daß sie ein bloßes Fehlen der Klugheit bedeuten würde; dieses kann ohne Sünde sein. — Im Sinne der Beraubung spricht man von Unklugheit, insofern jemandem die Klugheit fehlt, zu der er veranlagt ist und die er haben sollte. Und in diesem Sinne ist die Unklugheit eine Sünde wegen der Nachlässigkeit, auf Grund deren man sich nicht bemüht, die Klugheit zu erlangen. Als Gegensatz wird die Unklugheit aufgefaßt, insofern die Vernunft in einer der Klugheit entgegengesetzten Weise bewegt wird oder handelt. Wenn z. B. die rechte Vernunft im Sinne der Klugheit durch Überlegung handelt, verachtet der Unkluge die Überlegung, und so verhält es sich mit allem, was bei der Tätigkeit des Klugen zu beobachten ist. Auf diese Weise ist die Unklugheit eine Sünde im Hinblick auf die eigentliche Bewandtnis der Klugheit. Denn daß ein Mensch gegen die Klugheit handelt, kann nur dadurch geschehen, daß er von dem Richtmaß abweicht, durch das die Vernunft im Sinne der Klugheit recht ausgerichtet wird. Wenn dies nun durch Abwendung vom göttlichen Richtmaß Q U A E S T I O 53, ,
illud Prov. 21: „Thesaurus desiderabilis et oleum in habitaculo justi, et homo imprudens dissipabit illud." RESPONDEO dicendum quod imprudentia dupliciter accipi potest: uno modo, privative; alio modo, contrarie. — Negative autem non proprie dicitur, ita scilicet quod importet solam carentiam prudentiae: quae potest esse sine peccato. — Privative quidem imprudentia dicitur inquantum aliquis caret prudentia quam natus est et debet habere. Et secundum hoc imprudentia est peccatum ratione negligentiae, qua quis non adhibet Studium ad prudentiam habendam. Contrarie vero accipitur imprudentia secundum quod ratio contrario modo movetur vel agit prudentiae. Puta, si recta ratio prudentiae agit consiliando, imprudens consilium spemit: et sie de aliis quae in actu prudentis observanda sunt. Et hoc modo imprudentia est peccatum secundum rationem propriam prudentiae. Non enim potest hoc contingere quod homo contra prudentiam agat, nisi divertens a regulis quibus ratio prudentiae rectiflcatur. Unde si hoc contingat per aversionem a regulis 308
geschieht, ist es eine Todsünde, z. B . wenn einer überstürzt 53, 1 handelt, indem er die göttlichen Zeugnisse verachtet und verschmäht. W e n n aber einer an ihm vorbeihandelt, ohne Verachtung und ohne Beeinträchtigung dessen, was heilsnotwendig ist, ist es eine läßliche Sünde. Z u 1. K e i n e r will die Unklugheit als Mißgestalt, aber den A k t der Unklugheit will der Vorwitzige, der überstürzt handeln will. D a r u m sagt auch Aristoteles: „Wer sich im B e reich der Klugheit freiwillig verfehlt, wird geringer geschätzt [als jener, der sich unfreiwillig verfehlt]." Z u 2. J e n e r Beweisgang geht aus von der Unklugheit, sofern sie im bloß verneinenden Sinne genommen wird. — Doch muß man wissen, daß das Fehlen der Klugheit und jeglicher Tugend im Fehlen der Urgerechtigkeit eingeschlossen ist, welche die ganze Seele vollendete. U n d in diesem Sinne können alle jene Mängel auf die Erbsünde zurückgeführt werden. Z u 3. Durch B u ß e wird die eingegossene Klugheit wiederhergestellt, und so hört das Fehlen dieser Klugheit auf. Die erworbene Klugheit wird jedoch in bezug auf das Gehaben nicht wiederhergestellt, wohl aber wird der entgegengesetzte A k t aufgehoben, in dem die Sünde der Unklugheit eigentlich besteht. QUAESTIO 53, , divinis, est peccatum mortale: puta cum quis quasi contemnens et repudians divina documenta, praecipitanter agit. Si vero praeter eas agat absque contemptu, et absque detrimento eorum quae sunt de necessitate salutis, est peccatum veniale. AD PRIMUM ergo dicendum quod deformitatem imprudentiae nullus vult: sed actum imprudentiae vult temerarius, qui vult praecipitanter agere. Unde et Philosophus dicit, 6 Ethicorum [c. 5], quod „ille qui circa prudentiam peccat volens, luob23 minus acceptatur". AD SECUNDUM dicendum quod ratio illa procedit de imprudentia secundum quod sumitur negative. — Sciendum tarnen quod carentia prudentiae et cujuslibet virtutis includitur in carentia originalis justitiae, quae totam animam perficiebat. E t secundum hoc omnes isti defectus virtutum possunt reduci ad originale peccatum. AD T E R T I U M dicendum quod per poenitentiam restituitur prudentia infusa, et sie cessat carentia hujus prudentiae. Non tarnen restituitur prudentia acquisita quantum ad habitum: sed tollitur actus contrarius, in quo proprie consistit peccatum imprudentiae. 309
2. A R T I K E L Ist die Unklugheit eine, arteigene
Sünde?
1. Wer immer sündigt, handelt gegen die rechte Maßgabe der Vernunft, worin die Klugheit besteht. Die Unklugheit aber besteht darin, daß jemand gegen die Klugheit handelt (Art. 1). Also ist die Unklugheit keine arteigene Sünde. 2. Die Klugheit steht den sittlichen Tätigkeiten näher als das Wissen. Die Unwissenheit aber, die dem Wissen entgegengesetzt ist, wird unter den allgemeinen Ursachen der Sünde aufgeführt. Also erst recht die Unklugheit. 3. Die Sünden entstehen dadurch, daß die zu den Tugenden gehörenden Umstände verfälscht werden; darum sagt Dionysius: „Das Schlechte rührt aus einzelnen Mängeln her." Zur Klugheit ist aber vieles erforderlich, wie Vernunft, Verstand, Beiehrbarkeit und das übrige oben Aufgezählte (Fr. 48 f.). Also gibt es viele Arten der Unklugheit. Also ist sie keine arteigene Sünde. ANDERSEITS ist die Unklugheit der Klugheit entgegengesetzt (Art. 1). Die Klugheit aber ist eine arteigene Tugend. Also ist die Unklugheit ein arteigenes Laster. ANTWORT: Ein Laster oder eine Sünde kann auf doppelte Weise allgemein genannt werden: einmal schlechthin, QUAESTIO 53, , A R T I C U L U S II U t r u m i m p r u d e n t i a sit speciale p e c c a t u m A D SECUNDUM sie proceditur. Videtur quod imprudentia non sit speciale peccatum. Quicumque enim peccat agit contra rationem rectam, quae est prudentia. Sed imprudentia consistit in hoc quod aliquis agit contra prudentiam, u t dictum est. Ergo imprudentia non est speciale peccatum. 2. P R A E T E R E A , prudentia magis est affinis moralibus actibus q u a m scientia. Sed ignorantia, quae opponitur scientiae, ponitur inter generales causas peccati. Ergo multo magis imprudentia. 3. P R A E T E R E A , peccata contingunt ex hoc quod v i r t u t u m circumstantiae c o r r u m p u n t u r : unde et Dionysius dicit, 4 cap. T'G de Divinis Nominibus, quod „malum contingit ex singularibus 3ol^l/298 defectibus". Sed m u l t a requiruntur ad p r u d e n t i a m : sicut ratio, intellectus, docilitas, et cetera quae supra posita sunt. Ergo multae sunt imprudentiae species. Ergo non est speciale peccatum. S E D CONTRA, imprudentia est contrarium prudentiae, u t dictum est. Sed prudentia est u n a virtus specialis. Ergo imprudentia est u n u m vitium speciale. R E S P O N D E O dicendum quod aliquod vitium vel peccatum potest dici generale dupliciter: uno modo, absolute, quia scilicet 310
weil es allgemein ist im Hinblick auf alle Sünden; zum ande- 53, 2 ren, weil es allgemein ist im Hinblick auf bestimmte Laster, die seine Arten sind. Auf die erste Weise kann ein Laster zweifach allgemein genannt werden. Einmal dem Wesen nach, weil es von allen Sünden ausgesagt wird. In dieser Weise ist die Unklugheit keine allgemeine Sünde wie auch die Klugheit keine allgemeine Tugend, da beide arteigene Tätigkeiten betreffen, nämlich die Tätigkeiten der Vernunft. — Zum anderen der Teilhabe nach. In dieser Weise ist die Unklugheit eine allgemeine Sünde. Wie nämlich alle Tugenden in gewisser Weise an der Klugheit teilhaben, insofern diese sie leitet, so auch alle Laster und Sünden an der Unklugheit; denn keine Sünde kann geschehen, wenn nicht ein Versagen in einer Tätigkeit der leitenden Vernunft vorliegt, was zur Unklugheit gehört. Wenn man jedoch von allgemeiner Sünde nicht schlechthin spricht, sondern im Sinne einer Gattung, weil sie viele Arten unter sich begreift, dann ist die Unklugheit eine allgemeine Sünde. Denn sie begreift in dreifacher Weise verschiedene Arten. E i n m a l im Gegensatz zu den verschiedenen Unterteilen der Klugheit. So unterscheidet man nämlich die Klugheit in persönliche, die den einzelnen leitet, und in die anderen Arten der Klugheit, die eine Menge leiten (Fr. 48); QUAESTIO 53,, est generale respectu omnium peccatorum; alio modo, quia est generale respectu quorundam vitiorum quae sunt species ejus. Primo autem modo potest dici aliquod vitium generale dupliciter. Uno modo, per essentiam: quia scilicet praedicatur de omnibus peccatis. E t hoc modo imprudentia non est generale peccatum, sicut nec prudentia generalis virtus: cum sint circa actus speciales, scilicet circa ipsos actus rationis. — Alio modo, per participationem. E t hoc modo imprudentia est generale peccatum. Sicut enim prudentia participatur quodammodo in omnibus virtutibus, inquantum est directiva earum, ita et imprudentia in omnibus vitiis et peccatis: nullum enim peccatum accidere potest nisi sit defectus in aliquo actu rationis dirigentis, quod pertinet ad imprudentiam. Si vero dicatur peccatum generale non simpliciter, sed secundum aliquod genus, quia scilicet continet sub se multas species; sic imprudentia est generale peccatum. Continet enim sub se diversas species tripliciter. Uno quidem modo, per oppositum ad diversas partes subjectivas prudentiae. Sicut enim distinguitur prudentia in monasticam, quae est regitiva unius, et in alias species prudentia« quae sunt multitudinis regitivae, ut supra 311
53, 2 und so auch, die Unklugheit. — Zum a n d e r e n gemäß den Mächtigkeitsteilen der Klugheit, welche die angegliederten Tugenden sind und von den verschiedenen Tätigkeiten der Vernunft hergenommen werden. In diesem Sinne ist in bezug auf den Mangel an Überlegung, auf die sich die Wohlberatenheit richtet, die Überstürzung oder der Vorwitz eine Art der Unklugheit. In bezug auf den Mangel an Urteil, auf das sich Verständigkeit und Klarsicht richten, ist [die Art] die Bedenkenlosigkeit. Aber in bezug auf das Gebot selbst, das die eigentliche Tätigkeit der Klugheit ist, sind [die Arten] Unbeständigkeit und Nachlässigkeit. — In einer d r i t t e n Weise können sie verstanden werden im Gegensatz zu den Erfordernissen der Klugheit, welche gleichsam die Ganzheitsteile der Klugheit sind. Weil aber all diese auf die Leitung der drei genannten Tätigkeiten der Vernunft hingeordnet sind, werden alle entgegengesetzten Mängel auf die vier genannten Teile [der Unklugheit] zurückgeführt. So sind die Unvorsichtigkeit und der Mangel an Umsicht in der Bedenkenlosigkeit eingeschlossen. Daß man es aber an Beiehrbarkeit, Erinnerung oder Vernunft mangeln läßt, gehört zur Überstürzung. Aber der Mangel an Weitblick, Einsicht und Treffsicherheit gehört zur Nachlässigkeit und Unbeständigkeit. Z u 1. Jener Beweisgang geht von der Allgemeinheit im Sinne der Teilhabe aus. Q U A E S T I O 53, ,
habitum est; ita etiam imprudentia. — Alio modo, secundum partes quasi potentiales prudentiae, quae sunt virtutes adjunctae, et accipiuntur secundum diversos actus rationis. E t hoc modo, quantum ad defectum consilii, circa quod est eubulia, est praecipitatio, sive temeritas, imprudentiae species. Quantum vero ad defectum judicii, circa quod sunt synesis et gnome, est inconsideratio. Quantum vero ad ipsum praeceptum, quod est proprius actus prudentiae, est inconstantia et negligentia. — Tertio modo possunt sumi per oppositum ad ea quae requiruntur ad prudentiam, quae sunt quasi partes integrales prudentiae. Sed quia omnia ilia ordinantur ad dirigendum praedictos tres rationis actus, inde est quod omnes defectus oppositi reducuntur ad quatuor praedictas partes. Sicut incautela et incircumspectio includitur sub inconsideratione. Quod autem aliquis deficiat a docilitate vel memoria vel ratione, pertinet ad praecipitationem. Improvidentia vero et defectus intelligentiae et solertiae pertinet ad negligentiam et inconstantiam. A D P R I M U M ergo dicendum quod ratio illa procedit de generalitate quae est secundum participationem.
312
Z u 2. Weil das Wissen dem Sittlichen ferner steht als die 53, 2 Klugheit — beide in ihrer eigentlichen Bewandtnis genommen —, hat die Unwissenheit die Bewandtnis einer sittlichen Verfehlung nicht von sich her, sondern nur auf Grund vorausgehender Nachlässigkeit oder nachfolgender Wirkung. U n d deshalb wird sie unter den allgemeinen Ursachen der Sünde aufgeführt. Die Unklugheit aber besagt in ihrer eigentlichen Bewandtnis eine sittliche Fehlhaltung. U n d darum kann sie eher als arteigene Sünde aufgeführt werden. Z u 3. Wenn die Verfälschung der verschiedenen Umstände denselben Beweggrund hat, begründet sie keine Verschiedenheit in der Art der S ü n d e ; so ist es eine Sünde derselben Art, wenn einer sich fremdes Gut aneignet, wo er es nicht darf und wann er es nicht darf. Liegen aber verschiedene Beweggründe vor, dann sind es verschiedene Arten. Würde j e m a n d z. B . sich dort etwas aneignen, wo er es nicht dürfte, um einen heiligen Ort zu schänden, so würde das die A r t , G o t t e s r a u b ' ausmachen. Würde ein anderer sich [etwas] aneignen, wann er es nicht darf, nur aus überflüssigem Besitzstreben, dann wäre das einfache Habsucht. U n d darum begründen die Mängel in den Erfordernissen der Klugheit nicht die Verschiedenheit von Arten, es sei denn, sie beziehen sich auf verschiedene Tätigkeiten der Vernunft (Antw.). QUAESTIO 53, ,
AD SECUNDUM dicendum quod quia scientia est magis remota a moralibus quam prudentia secundum propriam rationem utriusque, inde est quod ignorantia non habet de se rationem peccati moralis, sed solum ratione negligentiae praecedentis vel effectus sequentis. E t propter hoc ponitur inter generales causas peccati. Sed imprudentia secundum propriam ratio nem importat vitium morale. E t ideo magis potest poni speciale peccatum. AD T E R T I U M dicendum quod quando corruptio diversarum circumstantiarum habet idem motivum, non diversificatur peccati species: sicut ejusdem speciei est peccatum ut aliquis accipiat non sua ubi non debet, et quando non debet. Sed si sint diversa motiva, tunc essent diversae species: puta si unus acciperet unde non deberet ut faceret injuriam loco sacro, quod faceret speciem sacrilegii; alius quando non debet propter solum superfluum appetitum habendi, quod esset simplex avaritia. E t ideo defectus eorum quae requiruntur ad prudentiam non diversificant species nisi quatenus ordinantur ad diversos actus rationis, ut dictum est.
313
53,3
3. A R T I K E L Ist die Überstürzung eine unter der Unklugheit einbegriffene Sünde?
1. Die Unklugheit ist der Tugend der Klugheit entgegengesetzt. Die Überstürzung aber ist der Gabe des Rates entgegengesetzt. Gregor sagt nämlich, daß die Gabe des Rates gegen die Überstürzung verliehen wird. Also ist die Überstürzung keine unter der Unklugheit einbegriffene Sünde. 2. Überstürzung scheint zum Vorwitz zu gehören. Vorwitz aber besagt Vermessenheit, die zum Hochmut gehört. Also ist die Überstürzung kein unter der Unklugheit einbegriffenes Laster. 3. Überstürzung scheint eine ungeordnete Übereilung zu besagen. Bei der Überlegung aber kommt eine Sünde nicht nur dadurch zustande, daß jemand übereilt ist, sondern auch dadurch, daß er zu langsam ist, so daß der rechte Augenblick zur Tat verstreicht, sowie auf Grund von Unordnung in den anderen Umständen (Aristoteles). Also darf die Überstürzung nicht in höherem Maße als unter der Unklugheit einbegriffene Sünde aufgeführt werden als die Langsamkeit oder auch anderes dergleichen, was zur Unordnung der Überlegung gehört. Q U A E S T I O 53, ,
A R T I C U L U S III U t r u m p r a e c i p i t a t i o sit p e c c a t u m sub contentum
imprudentia
[Mal 15,4]
AD T E R T I U M sie proceditur. Videtur quod praecipitatio non sit peccatum sub imprudentia contentum. imprudentia enim opponitur virtuti prudentiae. Sed praecipitatio opponitur PL dono consilii: dicit enim Gregorius, in 2 Moralium [c. 49], quod 75/592 D ¿onum consilii datur contra praeeipitationem. Ergo praecipitatio non est peccatum sub imprudentia contentum. 2. P R A E T E R E A , praecipitatio videtur ad temeritatem pertinere. Temeritas autem praesumptionem importat, quae pertinet ad superbiam. Ergo praecipitatio non est vitium sub imprudentia contentum. 3. P R A E T E R E A , praecipitatio videtur importare quandam inordinatam festinationem. Sed in consiliando non solum contingit esse peccatum per hoc quod aliquis est festinus, sed etiam si sit nimis tardus, ita quod praetereat opportunitas operis; et etiam secundum inordinationes aliarum circumstantiarum, ut iU2b26 dicitur in 6 Ethicorum [c. 10]. Ergo non magis praecipitatio debet poni peccatum sub imprudentia contentum quam tarditas, aut aliqua alia hujusmodi ad inordinationem consilii pertinentia. 314
ANDERSEITS heißt es Spr 4, 19: „Der Weg der Gott- 53, 3 losen ist finster; sie wissen nicht, wo sie zu Fall kommen." Die Finsternis des Weges der Gottlosigkeit gehört aber zur Unklugheit. Also gehört das Zu-Fall-Kommen oder SichÜberstürzen zur Unklugheit. ANTWORT: Von Überstürzung spricht man bei den Tätigkeiten der Seele in übertragenem Sinne auf Grund einer Ähnlichkeit mit der körperlichen Bewegung. Man spricht von Überstürzung im Sinne der körperlichen Bewegung, wenn jemand vom Höheren zum Niedersten auf Grund des Ungestümes der eigenen Bewegung oder eines Stoßenden gelangt, wobei er nicht den ordentlichen Weg über die Stufen nimmt. Das Höchste der Seele aber ist die Vernunft selbst. Das Niederste ist die durch den Körper ausgeübte Tätigkeit. Die mittleren Stufen aber, durch die man geordnet herabsteigen muß, sind die Erinnerung an das Vergangene, die Einsicht in das Gegenwärtige, die Treffsicherheit in der Erwägung zukünftiger Ereignisse, die Schlußfolgerung, die eines mit dem anderen vergleicht, die Beiehrbarkeit, auf Grund deren jemand den Urteilen der Hochstehenden zustimmt, und durch diese Stufen hindurch steigt man bei rechter Überlegung geordnet hinab. Wenn jemand aber zum Handeln getrieben wird durch das Ungestüm des Willens oder der Leidenschaft und dabei diese Stufen überspringt, Q U A E S T I O 53, ,
SED CONTRA est quod dicitur Prov. 4: „Via impiorum tenebrosa: nesciunt ubi corruant." Tenebrae autem viae impietatis pertinent ad imprudentiam. Ergo corruere, sive praecipitari, ad imprudentiam pertinet. RESPONDEO dicendum quod praecipitatio in actibus animae metaphorice dicitur secundum similitudinem a corporali motu acceptam. Dicitur autem praecipitari secundum corporalem motum quod a superiori in ima pervenit secundum impetum quendam proprii motus vel alicujus impellentis, non Ordinate incedendo per gradúa. Summum autem animae est ipsa ratio. Imum autem est operatio per corpus exercita. Gradus autem medii, per quos oportet Ordinate descendere, sunt memoria praeteritorum, intelligentia praesentium, solertia in considerandis futuris eventibus, ratiocinatio conferens unum alteri, docilitas, per quamaliquis acquiescit sententiis majorum: per quos quidem gradus aliquis ordinate descendit recte consiliando. Si quis autem feratur ad agendum per impetum voluntatis vel passionis, pertransitis hujusmodi gradibus, erit praecipitatio. 315
53, 3 liegt Überstürzung vor. Da nun die Unordnung in der Überlegung zur Unklugheit gehört, ist das Laster der Überstürzung offenbar unter der Unklugheit einbegriffen. Zu 1. Die Rechtheit der Überlegung [des Rates] gehört zur Gabe des Rates und zur Tugend der Klugheit, wenn auch auf verschiedene Weise (52, 2). Und darum ist die Überstürzung beiden entgegengesetzt. Zu 2. Von all dem, was nicht durch die Vernunft geleitet wird, sagt man, es geschehe vorwitzig. Das kann auf zweifache Weise der Fall sein. Einmal aus dem Ungestüm des Willens oder der Leidenschaft. Zum anderen aus der Verachtung des leitenden Richtmaßes, und das besagt im eigentlichen Sinne der Vorwitz. Darum scheint er aus dem Hochmut als Wurzel hervorzugehen, welcher sich sträubt, einem fremden Richtmaß unterworfen zu sein. Die Überstürzung aber bezieht sich auf beides. Darum ist der Vorwitz unter der Überstürzung einbegriffen, obwohl die Überstürzung mehr das erste betrifft. Zu 3. Bei der überlegenden Untersuchung sind viele Einzelheiten zu erwägen. Und darum sagt Aristoteles: „Man muß langsam überlegen." Daher ist die Überstürzung der Rechtheit der Überlegung unmittelbarer entgegengesetzt als die überflüssige Langsamkeit, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der rechten Überlegung hat. QUAESTIO 53, ,
Cum ergo inordinatio consilii ad imprudentiam pertineat, manifestum est quod vitium praecipitationis sub imprudentia continetur. AD PRIMUM ergo dicendum quod consilii rectitudo pertinet ad donum consilii et ad virtutem prudentiae, licet diversimode, ut supra dictum est. E t ideo praecipitatio utrique contrariatur. AD SECUNDUM dicendum quod illa dicuntur fieri temere quae ratione non reguntur. Quod quidem potest contingere dupliciter. Uno modo, ex impetu voluntatis vel passionis. Alio modo, ex contemptu regulae dirigentis: et hoc proprie importat temeritas. Unde videtur ex radice superbiae provenire, quae refugit subesse regulae alienae. Praecipitatio autem se habet ad utrumque. Unde temeritas sub praecipitatione continetur: quamvis praecipitatio magis respiciat primum. AD TERTIUM dicendum quod in inquisitione consilii multa particularia sunt consideranda: et ideo Philosophus dicit, in 1142 b 5 6 Ethicorum [I.e.]: „Oportet consiliari tarde." Unde praecipitatio directius opponitur rectitudini consilii quam tarditas superflua, quae habet quandam similitudinem recti consilii. 316
4. A R T I K E L
53,4
Ist die Bedenkenlosigkeit eine arteigene unter der Unklugheit einbegriffene Sünde ?
1. Das göttliche Gesetz führt uns in keine Sünde; gemäß Ps 19 (18), 8: „Das Gesetz des Herrn ist makellos." Es führt aber dazu, sieh nicht zu bedenken; gemäß Mt 10, 19: „Denkt nicht darüber nach, wie oder was ihr sprechen sollt." Also ist die Bedenkenlosigkeit keine Sünde. 2. Wer immer überlegt, muß vieles bedenken. Durch den Mangel an Überlegung kommt aber die Überstürzung zustande und infolge davon auch durch den Mangel an Bedacht. Also ist die Überstürzung unter der Bedenkenlosigkeit einbegriffen. Also ist die Bedenkenlosigkeit keine arteigene Sünde. 3. Die Klugheit besteht in den Tätigkeiten der auf das Tun gerichteten Vernunft: Überlegen, das Überlegte beurteilen und gebieten. Das Bedenken aber geht all diesen Tätigkeiten voraus, weil es auch zu der auf die Schau gerichteten Vernunft gehört. Also ist die Bedenkenlosigkeit keine arteigene unter der Unklugheit einbegriffene Sünde. ANDERSEITS heißt es Spr 4, 25: „Laß deine Augen das Q L ' A E S T I O 53, ,
A R T I C U L U S IV U t r u m inconsideratio sit speciale p e c c a t u m sub imprudentia contentum [Mal 15,4; Mt 10,19]
A D QUARTUM sie proceditur. Videtur quod inconsideratio non sit peccatum speciale sub imprudentia contentum. Lex enim divina ad nullum peccatum nos inducit, secundum illud Psalmi 18: „Lex Domini immaculata." Inducit a u t e m a d non considerandum: secundum illud Matth. 10: „Nolite cogitare quomodo a u t quid loquamini." Ergo inconsideratio n o n est peccatum. 2. P R A E T E R E A , quicumque consiliatur oportet quod m u l t a consideret. Sed per defectum consilii est praeeipitatio; et per consequens ex defectu considerationis. Ergo praeeipitatio sub inconsideratione continetur. Non ergo inconsideratio est speciale peccatum. 3. P R A E T E R E A , prudentia consistit in actibus rationis practicae, qui sunt consiliari, judicare de consiliatis, et praecipere. Sed considerare praecedit omnes istos actus: quia pertinet etiam a d intellectum speculativum. Ergo inconsideratio non est speciale peccatum sub imprudentia contentum. S E D CONTRA est quod dicitur Prov. 4 : „Oculi tui videant 317
53, 4 Rechte sehen und deine Augenlider deinen Schritten vorausgehen", was zur Klugheit gehört. Durch die Bedenkenlosigkeit geschieht aber das Gegenteil davon. Also ist die Beden kenlosigkeit eine arteigene unter der Unklugheit einbegriffene Sünde. ANTWORT: Das Bedenken besagt eine Tätigkeit des Verstandes, insofern er die Wahrheit der Sache anschaut. Wie nun die Untersuchung zur Vernunft gehört, so gehört das Urteil zum Verstand. Darum wird auch im Bereich des auf die Schau gerichteten Denkens die beweisende Wissenschaft urteilend genannt, insofern durch die Auflösung in die ersten Grundsätze des Verstandes ein Urteil über die Wahrheit des Untersuchten gefällt wird. Und darum gehört das Bedenken vor allem zum Urteil. Daher gehört auch der Mangel an rechtem Urteil zum Laster der Bedenkenlosigkeit, insofern man es nämlich am rechten Urteilen ermangeln läßt, weil man dasjenige verachtet oder vernachlässigt, woraus ein rechtes Urteil hervorgeht. Darum ist die Bedenkenlosigkeit offensichtlich eine Sünde. Zu 1. Der Herr verbietet nicht, das zu bedenken, was zu tun oder zu sagen ist, solange der Mensch dazu Gelegenheit hat. Durch die angeführten Worte aber gibt er den Jüngern das Vertrauen, daß sie bei mangelnder Gelegenheit oder wegen Unerfahrenheit oder wegen plötzlicher InanspruchQ U A E S T I O 53, ,
recta, et palpebrae tuae praecedant gressus tuos", quod pertinet ad prudentiam. Sed contrarium hujus agitur per inconsiderationem. Ergo inconsideratio est speciale peccatum sub imprudentia contentum. R E S P O N D E O dicendum quod consideratio importat actum intellectus veritatem rei intuentis. Sicut autem inquisitio pertinet ad rationem, ita judicium pertinet ad intellectum: unde et in speculativis demonstrativa scientia dicitur judicativa, inquantum per resolutionem in prima principia intelligibilia de veritate inquisitorum dijudicatur. E t ideo consideratio maxime pertinet ad judicium. Unde et defectus recti judicii ad vitium inconsiderationis pertinet: prout scilicet aliquis in recte judicando deficit ex hoc quod contemnit vel negligit attendere ea ex quibus rectum judicium procedit. Unde manifestum est quod inconsideratio est peccatum. AD PRIMUM ergo dicendum quod Dominus non prohibet considerare ea quae sunt agenda vel dicenda, quando homo habet opportunitatem. Sed dat fiduciam discipulis in verbis inductis ut, deficiente sibi opportunitate vel propter imperitiam vel quia subito praeoccupantur, in solo divino confidant con318
nähme allein auf den göttlichen Rat vertrauen, denn: „Wenn 53, r> wir nicht wissen, was wir tun sollen, bleibt uns nur das eine übrig, unsere Augen auf den Herrn zu richten" (2 Chr 20, 12). Andernfalls scheint der Mensch Gott zu versuchen, wenn er unterläßt, was er tun kann, und nur auf die göttliche Hilfe wartet. Z u 2. Alles Bedenken dessen, was bei der Überlegung zu beachten ist, ist auf das rechte Urteilen hingeordnet. Und daher vollendet sich das Bedenken im Urteil. Und darum ist auch die Bedenkenlosigkeit am meisten der Rechtheit des Urteils entgegengesetzt. Z u 3. Bedenkenlosigkeit wird hier im Hinblick auf einen bestimmten Bereich verstanden, nämlich dessen, was der Mensch zu tun h a t ; in diesem Bereich ist für das rechte Urteilen mehr zu bedenken als selbst im Bereich des auf die Schau gerichteten Denkens, denn die Handlungen spielen sich im einzelnen ab. 5. A R T I K E L Ist die Unbeständigkeit
ein unter der Unklugheit Laster ?
einbegriffenes
1. Die Unbeständigkeit scheint darin zu bestehen, daß der Mensch in etwas Schwierigem nicht durchhält. In SchwierigQ U A E S T I O 53, ,
silio: quia „cum ignoramus quid agere debeamus, hoc solum habemus residui, ut oculos nostros dirigamus ad Deum", sicut dicitur 2 Par. 20. Alioquin, si homo praetermittat facere quod potest, solum divinum auxilium expectans, videtur tentare Deum. A D SECUNDUM dicendum quod tota consideratio eorum quae in consilio attenduntur ordinatur ad recte judicandum: et ideo consideratio in judicio perficitur. Unde etiam inconsideratio maxime opponitur rectitudini judicii. A D TERTIUM dicendum quod inconsideratio hic accipitur secundum determinatam materiam, id est secundum agibilia humana: in quibus plura sunt attendenda ad recte judicandum quam etiam in speculativis; quia operationes sunt in singularibus. ARTICTJLUS V Utrum i n c o n s t a n t i a sit v i t i u m sub imprudentia contentum [Mal 15,4]
A D QUINTUM sie proceditur. Videtur quod inconstantia non sit vitium sub imprudentia contentum. Inconstantia enim videtur in hoc consistere quod homo non persistat in aliquo difficili. 319
53, 5 keiten durchzuhalten gehört aber zur Tapferkeit. Also ist die Unbeständigkeit mehr der Tapferkeit als der Klugheit entgegengesetzt. 2. Es heißt J a k 3, 16: „Wo Eifer und Streitsucht, da ist Unbeständigkeit [108] und jedes böse Werk." Der Eifer gehört aber zum Neid. Also gehört die Unbeständigkeit nicht zur Unklugheit, sondern mehr zum Neid. 3. Jener scheint unbeständig zu sein, der nicht in dem, was er sich vorgenommen hatte, beharrt. So verhält sich in bezug auf die Lust der Unenthaltsame, in bezug auf die Traurigkeit der Weichliche oder Verwöhnte (Aristoteles). Also gehört die Unbeständigkeit nicht zur Unklugheit. ANDERSEITS gehört es zur Klugheit, das größere Gut einem kleineren Gut vorzuziehen. Also gehört das Ablassen vom Besseren zur Unklugheit. Das aber ist Unbeständigkeit. Also gehört die Unbeständigkeit zur Unklugheit. ANTWORT: Unbeständigkeit besagt ein Zurückweichen von einem bestimmten Guten, das man sich vorgenommen hat. Ein solches Zurückweichen aber hat seinen Ursprung in der Strebekraft. Denn es weicht jemand von einem Guten, das er sich vorher vorgenommen hat, nur zurück um eines anderen willen, das ihm in ungeordneter Weise gefällt. Aber dieses Zurückweichen wird erst durch das Versagen der Vernunft Q U A E S T I O 53, ,
Sed persistere in difficilibus pertinet ad fortitudinem. Ergo inconstantia magis opponitur fortitudini quam prudentiae. 2. PRAETEREA, Jac. 3 dicitur: „Ubizelus et contentio, ibi inconstantia et omne opus pravum." Sed zelus ad invidiam pertinet. Ergo inconstantia non pertinet ad imprudentiam, sed magis ad invidiam. 3. PRAETEREA, ille videtur inconstans qui non perseverat in eo quod proposuerat. Quod quidem pertinet in delectationibus ad incontinentem, in tristitiis autem ad mollem sive deli1150 a 13 catum, ut dicitur 7 Ethicorum [c. 8], Ergo inconstantia non b 1 pertinet ad imprudentiam. SED CONTRA est quod ad prudentiam pertinet praeferre majus bonum minus bono. Ergo desistere a meliori pertinet ad imprudentiam. Sed hoc est inconstantia. Ergo inconstantia pertinet ad imprudentiam. RESPONDEO dicendum quod inconstantia importat recessum quendam a bono proposito definito. Hujusmodi autem recessus principium quidem habet a vi appetitiva: non enim aliquis recedit a priori bono proposito nisi propter aliquid quod sibi inordinate placet. Sed iste recessus non consummatur nisi 320
vollendet, die sich darin täuscht, daß sie das zurückweist, 53, 5 was sie mit Recht angenommen hatte; denn da sie dem Ansturm der Leidenschaft widerstehen kann, kommt das Fehlen des Widerstandes aus ihrer Schwäche,7 die sichj nicht fest an das ergriffene Gute hält. Und darum gehört die Unbeständigkeit unter dem Gesichtspunkt ihrer Vollendung zum Versagen der Vernunft. Wie nun jede Rechtheit der auf das Tun gerichteten Vernunft irgendwie zur Klugheit gehört, so gehört jedes Versagen derselben zur Unklugheit. Und darum gehört die Unbeständigkeit in ihrer Vollendung zur Unklugheit. Und wie die Überstürzung aus einem Versagen im Überlegen kommt und die Bedenkenlosigkeit [aus einem Versagen] im Urteilen, so die Unbeständigkeit [aus einem Versagen] im Gebieten. Denn es heißt jemand darum unbeständig, weil die Vernunft im Gebieten dessen versagt, was überlegt und beurteilt worden ist. Z u 1. Am Gut der Klugheit nehmen alle sittlichen Tugenden teil. Und in dieser Hinsicht gehört das Durchhalten im Guten zu allen sittlichen Tugenden, hauptsächlich jedoch zur Tapferkeit, welche den stärksten Ansturm in die entgegengesetzte Richtung erfährt. Z u 2. Neid und Zorn, die Ursprung der Streitsucht sind, bewirken Unbeständigkeit von Seiten der Strebekraft, in welcher der Ursprung der Unbeständigkeit liegt (Antw.). Q U A E S T I O 53, ,
per defectum rationis, quae fallitur in hoc quod repudiat id quod recte acceptaverat: et quia, cum possit resistere impulsui passionis, si non resistat, hoc est ex debilitate ipsius, quae non tenet se firmiter in bono concepto. Et ideo inconstantia, quantum ad sui consummationem, pertinet ad defectum rationis. Sicut autem omnis rectitudo rationis practicae pertinet aliqualiter ad prudentiam, ita omnis defectus ejusdem pertinet ad imprudentiam. E t ideo inconstantia, secundum sui consummationem, ad imprudentiam pertinet. Et sicut praecipitatio est ex defectu circa actum consilii, et inconsideratio circa actum judicii, ita inconstantia circa actum praecepti: ex hoc enim dicitur aliquis esse inconstans quod ratio deficit in praecipiendo ea quae sunt consiliata et judicata. A D PRIMUM ergo dicendum quod bonum prudentiae participator in omnibus virtutibus moralibus: et secundum hoc persistere in bono pertinet ad omnes virtutes morales. Praecipue tamen ad fortitudinem, quae patitur majorem impulsum ad contrarium. A D SECUNDUM dicendum quod invidia et ira, quae est contentionis principium, faciunt inconstantiam ex parte appetitivae virtutis, ex qua est principium inconstantiae, ut dictum est.
21
17 B
321
53, 6
Z u 3. Enthaltsamkeit und Beharrlichkeit seheinen nicht in der Strebekraft zu liegen, sondern nur in der Vernunft. Denn der Enthaltsame erleidet verkehrte Begierden und der Beharrliche schwere Traurigkeit, was einen Mangel in der Strebekraft besagt; beim Enthaltsamen aber hält die Vern u n f t fest durch gegen die Begierden, beim Beharrlichen gegen die Traurigkeit. Und darum scheinen Enthaltsamkeit und Beharrlichkeit Arten der Standhaftigkeit zu sein, die zur Vernunft gehört und zu der auch die Unbeständigkeit gehört [109], 6. A R T I K E L Gehen die genannten Laster aus der Unzucht hervor? 1. Die Unbeständigkeit geht aus dem Neid hervor (Art. 5 Zu 2). Der Neid aber ist ein von der Unzucht verschiedenes Laster. Also gehen die genannten Laster nicht aus der Unzucht hervor. 2. Es heißt J a k 1, 8: „Ein Mann mit zwiespältigem Herzen ist unbeständig auf allen seinen Wegen." Die Zwiespältigkeit scheint aber nicht zur Unzucht zu gehören, sondern mehr zur Verschlagenheit, die eine Tochter der Habsucht ist (Gregor). Also gehen die genannten Laster nicht aus der Unzucht hervor. Q U A E S T I O 53, .
A D T E R T I U M dicendum quod continentia et perseverantia non videntur esse in vi appetitiva, sed solum in ratione. Continens enim patitur quidem perversas concupiscentias, et perseverans graves tristitias, quod designat defectum appetitivae virtutis. Sed ratio firmiter persistit, continentis quidem contra concupiscentias, perseverantis a u t e m contra tristitias. U n d e continentia et perseverantia videntur esse species constantiae ad rationem pertinentis, ad quam etiam pertinet inconstantia. A R T I C U L U S VI U t r u m praedicta vitia oriantur ex
luxuria
[Infra, 153,5; Mal 15,4]
A D S E X T U M sie proceditur. Videtur quod praedicta vitia non oriantur ex luxuria. Inconstantia enim oritur ex invidia, ut dictum est. Sed invidia est v i t i u m distinetum a luxuria. Ergo praedicta vitia non oriuntur ex luxuria. 2. P R A E T E R E A , Jac. 1 dicitur: „Vir duplex animo inconstans est in omnibus viis suis." Sed duplicitas n o n videtur ad luxuriam pertinere, sed magis ad dolositatem, quae est filia PL avaritiae, secundum Gregorium 31 Moralium [c. 45]. Ergo prae76/621 B d i c t a vitia non oriuntur e x luxuria. 322
3. Die genannten Laster betreffen ein Versagen der Ver- 53, fi nunft. Die geistigen Laster stehen aber der Vernunft näher als die fleischlichen Laster. Also gehen die genannten Laster mehr aus geistigen Lastern als aus fleischlichen Lastern hervor. ANDERSEITS behauptet Gregor, daß die genannten Laster aus der Unzucht hervorgehen. ANTWORT: Die Lust verdirbt am meisten die Urteilskraft der Klugheit (Aristoteles), und zwar vor allem die Geschlechtslust, welche die ganze Seele gefangennimmt und zur sinnlichen Lust hinzieht; die Vollendung der Klugheit aber und jeder verstandhaften Tüchtigkeit besteht in der Loslösung vom Sinnlichen. Da nun die genannten Laster zum Versagen der Klugheit und der auf das Tun gerichteten Vernunft gehören (Art. 2 u. 5), folgt, daß sie am meisten aus der Unzucht hervorgehen. Zu 1. Neid und Zorn verursachen Unbeständigkeit, indem sie die Vernunft zu etwas anderem hinziehen; die Unzucht aber verursacht Unbeständigkeit, indem sie das Urteil der Vernunft gänzlich auslöscht. Darum sagt Aristoteles: Der im Zorn Unenthaltsame hört zwar die Vernunft, aber nicht vollkommen; der in der Begierde Unenthaltsame aber hört sie überhaupt nicht. Q U A E S T I O 53, ,
3. P R A E T E R E A , praedicta vitia pertinent ad defectum rationis. Sed vitia spiritualia propinquiora sunt rationi quam vitia carnalia. Ergo praedicta vitia magis oriuntur ex vitiis spiritualibus quam ex vitiis carnalibus. S E D CONTRA est quod Gregorius, 31 Moralium [1. c.], ponit praedicta vitia ex luxuria oriri. R E S P O N D E O dicendum quod, sicut Philosophus dicit, in 6 Ethicorum [c. 5], delectatio maxime corrumpit existimatio- 1140 h 13 nem prudentiae: et praecipue delectatio quae est in venereis, quae totam animam absorbet et trahit ad sensibilem delectationem; perfectio autem prudentiae, et cujuslibet intellectualis virtutis, consistit in abstractione a sensibilibus. Unde cum praedicta vitia pertineant ad defectum prudentiae et rationis practicae, sicut habitum est, sequitur quod ex luxuria maxime oriantur. AD P R I M U M ergo dicendum quod invidia et ira causant inconstantiam pertrahendo rationem ad aliud: sed luxuria causat inconstantiam totaliter extinguendo judicium rationis. Unde Philosophus dicit, in 7 Ethicorum [c. 7], quod incontinens 114» a 25 irae audit quidem rationem, sed non perfecte: incontinens autem concupiscentiae totaliter eam non audit. 21*
323
6
Zu 2. Auch die Zwiespältigkeit des Herzens ist eine Folge der Unzucht wie auch die Unbeständigkeit, insofern die Zwiespältigkeit des Herzens die Veränderlichkeit des Herzens zu vielem hin nach sich zieht. Daruni sagt aucli Terentius: I n der Liebe ist Krieg und wiederum Friede und Waffenstillstand. Zu 3. Die fleischlichen Laster löschen das Urteil der Vernunft um so mehr aus, je weiter sie von der Vernunft wegführen. Q U A E S T I O 53, ,
A D SECUNDUM dicendum quod etiam duplicitas animi est quoddam consequens ad luxuriam, sicut et inconstantia, prout duplicitas animi importai vertibilitatem animi ad diversa. Unde et Terentius dicit, in Eunucho, 1 quod in amore est bellum, et rursus pax et indutiae. A D TERTIUM dicendum quod vitia carnalia intantum magis extinguunt judicium rationis inquantum longius abducunt a ratione. 1 P. Terenti Afri Comoediae. Iterum ree. Fleckeisen (Tb). Eunuehus I 1,59 sqq. Lipsiae 1901, p. 10».
324
54. F R A G E DIE NACHLÄSSIGKEIT Hierauf ist über die Nachlässigkeit nachzudenken. Dazu ergeben sich drei Einzelfragen: 1. Ist die Nachlässigkeit eine arteigene Sünde ? 2. Welcher Tugend ist sie entgegengesetzt? 3. Ist die Nachlässigkeit eine Todsünde? 1. A R T I K E L Ist die Nachlässigkeit eine arteigene Sünde? 1. Die Nachlässigkeit ist der Sorgfalt entgegengesetzt. Sorgfalt aber ist in jeder Tugend erfordert wie auch gewissenhafte Wahl [110]. Also ist die Nachlässigkeit keine arteigene Sünde. 2. Das, was sich in jeder Sünde findet, ist keine arteigene Sünde. Die Nachlässigkeit findet sich aber in jeder Sünde, weil jeder, der sündigt, das vernachlässigt, wodurch er von der Sünde zurückgehalten würde, und wer in der Sünde verharrt, vernachlässigt es, die Sünde zu bereuen. Also ist die Nachlässigkeit keine arteigene Sünde.
QUAESTIO LIV DE
NEGLIGENTIA
Deinde considerandum est de negligentia. E t circa hoc quaeruntur tria: 1. Utrum negligentia sit peccatum speciale. — 2. Cui virtuti opponatur. — 3. Utrum negligentia sit peccatum mortale. ARTICULUSI U t r u m negligentia sit p e c c a t u m
[Hb 2,3: lect 1; 12,5: lect 2]
speciale
AD P R I M U M sie proceditur. Videtur quod negligentia non sit peccatum speciale. Negligentia enim diligentiae opponitur. Sed diligentia requiritur in qualibet virtute, sicut et eligentia. Ergo negligentia non est peccatum speciale. 2. P R A E T E R E A , illud quod invenitur in quolibet peccato non est speciale peccatum. Sed negligentia invenitur in quolibet peccato: quia omnis qui peccat negligit ea per quae a peccato retraheretur ; et qui in peccato perseverai negligit conteri de peccato. Ergo negligentia non est speciale peccatum.
i
3. Jede arteigene Sünde hat einen bestimmten Bereich. Die Nachlässigkeit aber scheint keinen bestimmten Bereich zu haben, denn einerseits betrifft sie nicht das Böse oder das Gleichgültige, weil dessen Unterlassung keinem als Nachlässigkeit angerechnet wird; anderseits betrifft sie auch nicht das Gute, denn wenn es nachlässig getan wird, ist es nicht mehr gut. Also scheint die Nachlässigkeit kein arteigenes Laster zu sein. ANDERSEITS werden die Sünden, die man aus Nachlässigkeit begeht, von den Sünden unterschieden, die man aus Verachtung begeht. ANTWORT: Nachlässigkeit besagt den Mangel der geschuldeten Besorgtheit. Jeder Mangel einer geschuldeten Tätigkeit hat aber die Bewandtnis der Sünde. Darum ist es offensichtlich, daß die Nachlässigkeit die Bewandtnis der Sünde h a t ; und in dem Maße, in dem Besorgtheit ein arteigener Tugendakt ist, muß die Nachlässigkeit eine arteigene Sünde sein. Denn manche Sünden sind arteigene Sünden, weil sie einen arteigenen Bereich betreffen, wie die Unzucht das Geschlechtliche betrifft; manche aber sind arteigene Laster wegen der Eigen-Art einer Tätigkeit, die sich auf jeden Bereich erstreckt. Und solcherart sind alle Laster, welche die Tätigkeit der Vernunft betreffen. Denn eine jede Tätigkeit QUAESTIO 54, , 3. PRAETEREA, omne peccatum speciale habet materiam determinatam. Sed negligentia non videtur habere determinatam materiam: neque enim est circa mala aut indifferentia, quia ea praetermittere nulli ad negligentiam deputatur; 1 similiter etiam non est circa bona, quia si negligenter aguntur, jam non sunt bona. Ergo videtur quod negligentia non sit vitium speciale. SED CONTRA est quod peccata quae committuntur ex negligentia distinguuntur contra peccata quae committuntur ex contemptu. RESPONDEO dicendum quod negligentia importat defectum debitae sollicitudinis. Omnis autem defectus debiti actus habet rationem peccati. TJnde manifestum est quod negligentia habet rationem peccati: et eo modo quo sollicitudo est specialis virtutis actus, necesse est quod negligentia sit speciale peccatum. Sunt enim aliqua peccata specialia quia sunt circa aliquam materiam specialem, sicut luxuria est circa venerea: quaedam autem sunt vitia specialia propter specialitatem actus se extendentis ad omnem materiam. Et hujusmodi sunt omnia vitia quae sunt circa actum rationis: nam quilibet actus rationis se 1
326
P: reputatur.
der Vernunft erstreckt sich auf einen jeden sittlichen 54,1 Bereich. Und da nun die Besorgtheit eine arteigene Tätigkeit der Vernunft ist (47, 9), folgt, daß die Nachlässigkeit, die einen Mangel der Besorgtheit besagt, eine arteigene Sünde ist. Zu 1. Die Sorgfalt scheint dasselbe zu sein wie die Besorgtheit, weil wir in dem, was wir lieben, größere Besorgtheit anwenden [110]. Darum ist die Sorgfalt wie auch die Besorgtheit zu jeder Tugend erforderlich, insofern in jeder Tugend die entsprechenden Tätigkeiten der Vernunft erforderlich sind. Zu 2. In jeder Sünde liegt notwendig ein Mangel hinsichtlich einer Tätigkeit der Vernunft vor, z. B . ein Mangel an Überlegung oder an anderen [Tätigkeiten] dieser Art. Wie nun die Überstürzung eine arteigene Sünde wegen der Unterlassung einer arteigenen Tätigkeit der Vernunft, nämlich der Überlegung, ist, obwohl sie in jeder Art von Sünde gefunden werden kann, so ist auch die Nachlässigkeit eine arteigene Sünde wegen des Mangels einer arteigenen Tätigkeit der Vernunft, nämlich der Besorgtheit, obwohl sie irgendwie sich in allen Sünden findet. Zu 3. Zum Bereich der Nachlässigkeit gehört im eigentlichen Sinne das Gute, das man tun soll, nicht als wäre es darin gut, daß es nachlässig getan wird, sondern insofern Q U A E S T I O 54, ,
extendit ad quamlibet materiam moralem. E t ideo, cum sollicitudo sit quidam specialis actus rationis, ut supra habitum est, consequens est quod negligentia, quae importat defectum sollicitudinis, sit speciale peccatum. AD PRIMUM ergo dicendum quod diligentia videtur esse idem sollicitudini: quia in his quae diligimus majorem sollicitudinem adhibemus. Unde diligentia, sicut et sollicitudo, requiritur ad quamlibet virtutem, inquantum in qualibet virtute requiruntur debiti actus rationis. AD SECUNDUM dicendum quod in quolibet peccato necesse est esse defectum circa aliquem actum rationis: puta defectum consilii et aliorum hujusmodi. Unde sicut praecipitatio est speciale peccatum propter specialem actum rationis qui praetermittitur, scilicet consilium, quamvis possit inveniri in quolibet genere peccatorum; ita negligentia est speciale peccatum propter defectum specialis actus rationis qui est sollicitudo, quamvis inveniatur aliqualiter in omnibus peccatis. AD T E R T I U M dicendum quod materia negligentiae proprio sunt bona quae quis agere debet: non quod ipsa sunt bona cum negligenter aguntur; sed quia per negligentiam accidit defectus 327
54, 2 durch die Nachlässigkeit ein Mangel an Gutsein bei ihm eintritt, sei es, daß wegen eines Mangels der Besorgtheit die geschuldete Tätigkeit gänzlich unterlassen wird, sei es, daß auch [nur] ein gebührender Umstand der Tätigkeit nicht beachtet wird. 2. A R T I K E L Ist die Nachlässigkeit
der Klugheit entgegengesetzt ?
1. Nachlässigkeit scheint dasselbe zu sein wie Trägheit oder Gleichgültigkeit, die zum Überdruß gehören (Gregor). Der Überdruß aber ist nicht der Klugheit, sondern eher der Liebe entgegengesetzt (35, 3). Also ist die Nachlässigkeit nicht der Klugheit entgegengesetzt. 2. Zur Nachlässigkeit scheint jede Unterlassungssünde zu gehören. Die Unterlassungssünde aber ist nicht der Klugheit entgegengesetzt, sondern eher den ausführenden sittlichen Tugenden. Also ist die Nachlässigkeit nicht der Klugheit entgegengesetzt. 3. Die Unklugheit betrifft [immer] irgendeine Tätigkeit der Vernunft. Die Nachlässigkeit aber besagt weder einen Mangel im Bereich der Überlegung, an der es die Überstürzimg mangeln läßt, noch im Bereich des Urteils, an dem es die Q T J A E S T I O 54, ,
bonitatis in eis, sive praetermittatur totaliter actus debitus propter defectum sollicitudinis, sive etiam aliqua debita circumstantia actus. Utrum
A R T I C U L U S II negligentia opponatur
prudentiae
[Supra 47,9]
AD SECTINDUM sie proceditur. Videtur quod negligentia non opponatur prudentiae. Negligentia enim videtur esse idem quod pigritia vel torpor, qui pertinet ad acediam, ut patet per PL Gregorium, 31 Moralium [c. 45]. Acedia autem non opponitur 76/621 R p rui Jentiae, sed magis caritati, ut supra dictum est. Ergo negligentia non opponitur prudentiae. 2. PRAETEREA, ad negligentiam videtur pertinere omne peccatum omissionis. Sed peccatuxn omissionis non opponitur prudentiae, sed magis virtutibus moralibus executivis. Ergo negligentia non opponitur prudentiae. 3. PRAETEREA, imprudentia est circa aliquem actum rationis. Sed negligentia non importat defectum neque circa consilium, in quo deficit praeeipitatio; neque circa judicium, in 328
Bedenkenlosigkeit mangeln läßt, noch im Bereich des 54,2 Gebotes, an dem es die Unbeständigkeit mangeln läßt. Also gehört die Nachlässigkeit nicht zur Unklugheit. 4. Es heißt Prd 7, 19: „Wer Gott fürchtet, vernachlässigt nichts." Eine jede Sünde wird aber hauptsächlich durch die entgegengesetzte Tugend ausgeschlossen. Also ist die Nachlässigkeit mehr der Furcht als der Klugheit entgegengesetzt. ANDERSEITS heißt es Sir 20, 7: „Der Schwätzer und der Unkluge achten auf keine Zeit." Das aber gehört zur Nachlässigkeit. Also ist die Nachlässigkeit der Klugheit entgegengesetzt. ANTWORT: Die Nachlässigkeit ist unmittelbar der Besorgtheit entgegengesetzt. Die Besorgtheit aber gehört zur Vernunft und die rechte Besorgtheit zur Klugheit. Darum gehört die Nachlässigkeit im Gegensatz dazu zur Unklugheit. — Das geht auch aus dem Wort selbst hervor, denn „nachlässig" heißt „gleichsam nicht auswählend" (Isidor). Die rechte Auswahl dessen, was zum Ziele führt, gehört aber zur Klugheit. Also gehört die Nachlässigkeit zur Unklugheit. Zu 1. Die Nachlässigkeit besteht in dem Mangel der inneren Tätigkeit, zu der auch die Auswahl gehört. Trägheit aber und Gleichgültigkeit gehören mehr zur Ausführung, und Q U A E S T I O 54, „
quo deficit inconsideratio; neque circa praeceptum, in quo deficit inconstantia. Ergo negligentia non pertinet ad imprudentiam. 4. P R A E T E R E A , dicitur Eccli. 7 : „Qui timet Deum nihil negligit." Sed unumquodque peccatum praecipue excluditur per virtutem oppositam. Ergo negligentia magis opponitur timori quam prudentiae. S E D C O N T R A est quod dicitur Eccli. 2 0 : „Lascivus et imprudens non observant tempus." Sed hoc pertinet ad negligentiam. Ergo negligentia opponitur prudentiae. R E S P O N D E O dicendum quod negligentia directe opponitur sollicitudini. Sollicitudo autem ad rationem pertinet, et rectitudo sollicitudinis ad prudentiam. Unde, per oppositum, negligentia ad imprudentiam pertinet. — E t hoc etiam ex ipso nomine apparet. Quia sicut Isidorus dicit, in libro Etymologiarum [10 n. 194]: „Negligens" dicitur „quasi nec eligens." Electio PL autem recta eorum quae sunt ad finem ad prudentiam pertinet. 8 2 / 3 8 7 Unde negligentia pertinet ad imprudentiam. A D P R I M U M ergo dicendum quod negligentia consistit in defectu interioris actus, ad quem pertinet etiam electio. Pigritia autem et torpor magis pertinent ad executionem: ita tarnen quod 22
17 B
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2 zwar besagt Trägheit das Zögern, etwas auszuführen; Gleichgültigkeit aber besagt ein gewisses Nachlassen in der Ausführung selbst. Und darum geht die Gleichgültigkeit dementsprechend aus dem Überdruß hervor, denn der Überdruß ist eine belastende Traurigkeit, die nämlich den Geist am Tätigsein hindert [35, 1], Z u 2. Die Unterlassung gehört zur äußeren Tätigkeit; Unterlassung liegt nämlich vor, wenn eine geschuldete Tätigkeit unterlassen wird. Und darum ist sie der Gerechtigkeit entgegengesetzt. Sie ist auch eine Wirkung der Nachlässigkeit, wie auch die Ausführung eines gerechten Werkes eine Wirkung der rechten Vernunft ist. Zu 3. Die Nachlässigkeit betrifft den Bereich des Gebietens, zu dem auch die Besorgtheit gehört. Jedoch läßt ein Nachlässiger es an dieser Tätigkeit in anderer Weise ermangeln als ein Unbeständiger. Der Unbeständige nämlich läßt es am Gebieten ermangeln wie einer, der von irgend etwas gehindert wird ; der Nachlässige aber durch den Mangel eines bereiten Willens. Zu 4. Die Furcht Gottes läßt jede Sünde meiden; es heißt nämlich Spr 15, 27 (Vg.) : „Durch die Furcht des Herrn meidet ein jeder das Böse." Und darum läßt Furcht die Nachlässigkeit meiden. Jedoch nicht so, daß die Nachlässigkeit der Furcht unmittelbar entgegengesetzt wäre, sondern insoQUAESTIO 54,, pigritia importât tarditatem ad exequendum; torpor remissionem quandam importât in ipsa executione. Et ideo convenienter torpor ex acedia nascitur : quia acedia est tristitia aggravans, idest impediens animum ab operando. A D SECUNDUM dicendum quod omissio pertinet ad exteriorem actum : est enim omissio quando praetermittitur aliquis actus debitus. Et ideo opponitur justitiae. Et est effectus negligentiae: sicut etiam executio justi operis est effectus rationis rectae. A D T E R T I U M dicendum quod negligentia est circa actum praecipiendi, ad quem etiam pertinet sollicitudo. Aliter tarnen circa hunc actum deficit negligens, et aliter inconstans. Inconstans enim deficit in praecipiendo quasi ab aliquo impeditus: negligens autem per defectum promptae voluntatis. A D QUARTUM dicendum quod timor Dei operatur ad vitationem cujuslibet peccati: quia ut dicitur Prov. 15, „per timorem Domini déclinât omnis a malo". Et ideo timor facit negligentiam vitare. Non tarnen ita quod directe negligentia timori 330
fern die Furcht den Menschen zu Tätigkeiten der Vernunft ">4, 3 anspornt. Und darum wurde oben ( I - I I 44, 2: Bd. 10) gesagt, die Furcht mache der Überlegung fähig. 3. A R T I K E L Kann die Nachlässigkeit Todsünde sein ? 1. Zu Job 9, 28 ,Ich fürchtete meine W e r k e . . . ' sagt die Glosse Gregors: „Eine mindere Gottesliebe vermehrt jene", nämlich die Nachlässigkeit. W o immer aber eine Todsünde ist, wird die Gottesliebe vollständig aufgehoben. Also ist die Nachlässigkeit keine Todsünde. 2. Zu Sir 7, 34 ,Reinige dich mit Wenigem von deiner Nachlässigkeit' sagt die Glosse: „Die dargebrachte Gabe mag noch so gering sein, sie reinigt doch von den Nachlässigkeiten vieler Vergehen." Das aber wäre nicht der Fall, wenn die Nachlässigkeit eine Todsünde wäre. Also ist die Nachlässigkeit keine Todsünde. 3. I m Gesetze waren Opfer für Todsünden festgesetzt ( L v 4 ff.). Es war aber kein Opfer für die Nachlässigkeit festgesetzt. Also ist die Nachlässigkeit keine Todsünde. QUAESTIO
54,,
opponatur: sed inquantum timor excitat hominem ad actus rationis. Unde etiam supra habitum est, cum de passionibus ageretur, quod timor facit consiliativos. ARTICULUS Utrum
negligentia
possit
esse
III peccatum
mortale
A D T E R T I U M sie proceditur. Videtur quod negligentia non possit esse peccatum mortale. Quia super illud Job 9, ,Verebar opera mea', etc., dicit glossa Gregorii1 quod „illam", scilicet negligentiam, „minor amor Dei exaggerat". Sed ubicumque est peccatum mortale, totaliter tollitur amor Dei. Ergo negligentia non est peccatum mortale. 2. P R A E T E R E A , super illud Eccli. 7, ,De negligentia purga te cum paucis', dicit glossa: „Quamvis oblatio parva sit, multorum delictorum purgat negligentias." Sed hoc non esset si negligentia esset peccatum mortale. Ergo negligentia non est peccatum mortale. 3. P R A E T E R E A , in lege fuerunt statuta sacrificia pro peccatis mortalibus, sicut patet in Levitico. Sed nullum fuit statutum sacrificium pro negligentia. Ergo negligentia non est peccatum mortale. 1
22*
Cf. Gregor., Moral. 9,34 ( P L 75/888 C).
331
3
A N D E R S E I T S heißt es Spr 19, 16: „Wer nachlässig in seinem Leben ist, wird sterben." ANTWORT : Die Nachlässigkeit kommt aus einem Nachlassen des Willens, das zur Folge hat, daß die Vernunft nicht angetrieben wird, zu gebieten, was sie soll oder wie sie es soll. Es kann also auf zweifache Weise zutreffen, daß die Nachlässigkeit eine Todsünde ist. E i n m a l von Seiten dessen, was durch Nachlässigkeit unterlassen wird. Betrifft dieses etwas Heilsnotwendiges, sei dies eine Tätigkeit oder ein Umstand, so liegt Todsünde vor. — Zum a n d e r e n von Seiten der Ursache. Wenn nämlich der Wille in den Dingen Gottes so nachgelassen hat, daß er es völlig an Gottesliebe mangeln läßt, dann ist eine solche Nachlässigkeit Todsünde. Und dies trifft hauptsächlich zu, wenn die Nachlässigkeit aus der Verachtung folgt. — Andernfalls, wenn die Nachlässigkeit in der Unterlassung einer Tätigkeit oder in der Nichtbeachtung eines Umstandes besteht, der nicht heilsnotwendig ist, und dies nicht aus Verachtung geschieht, sondern aus einem Mangel an Glut, die bisweilen durch eine läßliche Sünde gemindert wird, dann ist die Nachlässigkeit keine Todsünde, sondern eine läßliche Sünde. Zu 1. Mindere Gottesliebe kann zweifach verstanden werQUAESTIO 54, , S E D CONTRA est quod habetur Prov. 19: „Qui negligit vitam 1 suam mortiflcabitur. " R E S P O N D E O dicendum quod, sicut supra dictum est, negligentia provenit ex quadam remissione voluntatis, per quam contingit quod ratio non sollicitatur ut praecipiat ea quae debet, vel eo modo quo debet. Potest ergo dupliciter contingere quod negligentia sit peccatum mortale. Uno modo, ex parte ejus quod praetermittitur per negligentiam. Quod quidem si sit de necessitate salutis, sive sit actus sive circumstantia, erit peccatum mortale. — Alio modo, ex parte causae. Si enim voluntas intantum sit remissa circa ea quae sunt Dei ut totaliter a Dei caritate deficiat, talis negligentia est peccatum mortale. E t hoc praecipue contingit quando negligentia sequitur ex contemptu. — Alioquin, si negligentia consistât in praetermissione alicujus actus vel circumstantiae quae non sit de necessitate salutis; nec hoc fiat ex contemptu, sed ex aliquo defectu fervoris, qui impeditur interdum per aliquod veniale peccatum: tunc negligentia non est peccatum mortale, sed veniale. AD PRIMUM ergo dicendum quod minor amor Dei potest 1
332
P: viam.
den. E i n m a l als Mangel an Glut heiliger Liebe. Und so wird 54, 3 eine Nachlässigkeit verursacht, die läßliche Sünde ist. Zum a n d e r e n als Mangel der heiligen Liebe selbst; so spricht man von minderer Gottesliebe, wenn jemand Gott nur mit natürlicher Liebe liebt. Und dann wird eine Nachlässigkeit verursacht, die Todsünde ist. Zu 2. „Eine geringe Gabe, die mit demütigem Sinn und reiner Liebe dargebracht wird" (Glosse), reinigt nicht nur von läßlichen, sondern auch von Todsünden. Zu 3. Wenn die Nachlässigkeit in der Unterlassung dessen besteht, was heilsnotwendig ist, dann geht sie über in eine andere, offenkundigere Gattung der Sünde. Denn die Sünden, die in inneren Tätigkeiten bestehen, sind verborgener, und darum wurden für sie im Gesetz keine bestimmten Opfer auferlegt; denn die Darbringung von Opfern war ein öffentliches Bekenntnis der Sünde, das von einer verborgenen Sünde nicht abzulegen war. QUAESTIO 54, , intelligi dupliciter. Uno modo, per defectum fervoris caritatis: et sie causatur negligentia quae est peccatum veniale. Alio modo, per defectum ipsius caritatis: sicut dicitur minor amor Dei quando aliquis diligit Deran solum amore naturali. E t tunc causatur negligentia quae est peccatum mortale. AD SECUNDUM dicendum quod „parva oblatio cum humili mente et pura dilectione facta", ut ibidem dicitur, non solum purgat peccata venialia, sed etiam mortalia. AD T E R T I U M dicendum quod quando negligentia consistit in praetermissione eorum quae sunt de necessitate salutis, tunc trahitur ad aliud genus peccati magis manifestum. Peccata enim quae consistunt in interioribus actibus sunt magis occulta. E t ideo pro eis certa sacrificianon injungebantur in lege: quia sacrificiorum oblatio erat quaedam publica protestatio peccati, quae non est facienda de peccato occulto.
333
55. F R A G E
DIE DER KLUGHEIT ENTGEGENGESETZTEN LASTER, DIE EINE ÄHNLICHKEIT MIT IHR HABEN Hierauf ist über die der Klugheit entgegengesetzten Laster nachzudenken, die eine Ähnlichkeit mit ihr haben. Dazu ergeben sich acht Einzelfragen: 1. Ist die Klugheit des Fleisches eine Sünde ? 2. Ist sie Todsünde? 3. Ist die Verschlagenheit eine arteigene Sünde? 4. Die List? 5. Der Betrug? 6. Die Besorgtheit um irdische Dinge? 7. Die Besorgtheit um Zukünftiges? 8. Der Ursprung dieser Laster. 1. A R T I K E L Ist die Klugheit
des Fleisches eine Sünde ?
1. Die Klugheit ist eine edlere Tugend als die anderen sittlichen Tugenden, insofern sie alle leitet. Keine Art von Gerechtigkeit oder Maßhaltung ist aber Sünde. Also ist auch keine Art von Klugheit Sünde.
Q U A E S T I O LV
DE VITUS OPPOSITIS PRUDENTIAE QUAE H A B E N T S I M I L I T U D I N E M CUM I P S A Deinde considerandum est de vitiis oppositis prudentiae quae h a b e n t similitudinem cum ipsa. E t circa hoc quaeruntur octo: 1. U t r u m prudentia carnis sit peccatum. — 2. U t r u m sit peccatum mortale. — 3. U t r u m astutia sit peccatum speciale. — 4. De dolo. — 5. De fraude. — 6. De sollicitudine temporalium rerum. — 7. De sollicitudine f u t u r o r u m . •— 8. De origine h o r u m vitiorum. ARTICULUS I U t r u m p r u d e n t i a carnis sit p e c c a t u m [Rom 8,6—9: lect 1 sq] A D P R I M U M sic proceditur. Videtur quod prudentia carnis non sit peccatum. Prudentia enim est nobilior virtus q u a m aliae virtutes morales, utpote omnium regitiva. Sed nulla justitia vel temperantia est peccatum. Ergo etiam neque aliqua prudentia est peccatum. 334
2. K l u g auf ein Ziel hin zu handeln, das erlaubterweise ge- 55,1 liebt wird, ist keine Sünde. D a s Fleisch wird aber erlaubterweise geliebt: „Niemand hat j e sein eigenes Fleisch g e h a ß t " (Eph 5, 29). Also ist die Klugheit des Fleisches keine Sünde. 3. W i e der Mensch vom Fleische versucht wird, so wird er auch von der W e l t versucht und auch vom Teufel. Unter den Sünden wird aber keine Klugheit der W e l t oder des Teufels aufgeführt. Also darf unter den Sünden auch keine Klugheit des Fleisches aufgeführt werden. A N D E R S E I T S ist niemand G o t t feind, es sei denn wegen Ungerechtigkeit; gemäß W s h 14, 9 : „In gleicher Weise sind der Gottlose und seine Gottlosigkeit Gott v e r h a ß t . " Aber „die Klugheit des Fleisches ist G o t t feind" (Rom 8, 7). Also ist die Klugheit des Fleisches Sünde. A N T W O R T : Die Klugheit betrifft das, was auf das Ziel des ganzen [sittlichen] Lebens hingeordnet ist. U n d darum spricht man von Klugheit des Fleisches im eigentlichen Sinn, insofern jemand die Güter des Fleisches als letztes Ziel seines Lebens betrachtet (47, 13). Dies aber ist offensichtlich Sünde, denn dadurch wird der Mensch in Unordnung gebracht im Hinblick auf das letzte Ziel, das nicht in Gütern des Leibes besteht ( I - I I 2, 5 : B d . 9). U n d darum ist die Klugheit des Fleisches Sünde. Z u 1. Gerechtigkeit und Maßhaltung beinhalten in ihrem Q U A E S T I O 55,
t
2. P R A E T E R E A , prudenter operari ad finem qui licite amatur non est peccatum. Sed caro licite amatur: „Nemo enim unquam carnem suam odio habuit", ut habetur ad Eph. 5. Ergo prudentia carnis non est peccatum. 3. P R A E T E R E A , sicut homo tentatur a carne, ita etiam tentatur a mundo, et etiam a diabolo. Sed non ponitur inter peccata aliqua prudentia mundi, vel etiam diaboli. Ergo neque debet poni inter peccata aliqua prudentia carnis. SED CONTRA, nullus est inimicus Deo nisi propter iniquitatem: secundum illud Sap. 14: „Similiter odio sunt Deo impius et impietas ejus." Sed sicut dicitur ad Rom. 8, „prudentia carnis inimica est Deo." Ergo prudentia carnis est peccatum. RESPONDEO dicendum quod, sicut supra dictum est, prudentia est circa ea quae sunt ad finem totius vitae. E t ideo prudentia carnis proprie dicitur secundum quod aliquis bona carnis habet ut ultimum finem suae vitae. Manifestum est autem quod hoc est peccatum: per hoc enim homo deordinatur circa ultimum finem, qui non consistit in bonis corporis, sicut supra habitum est. E t ideo prudentia carnis est pcccatum. AD PRIMUM ergo dicendum quod justitia et temperantia in 335
i Begriff das, auf Grund dessen die Tugend zn loben ist, nämlich Ausgleich und Zügelung der Begierden; darum werden sie nie im schlechten Sinne verstanden. Das Wort .Klugheit' aber ist vom Weitblicken hergenommen (49, 6 E. 1); das kann auch auf Schlechtes ausgedehnt werden. Und obwohl nun die schlechthin so genannte Klugheit im guten Sinne verstanden wird, kann sie doch mit einer Beifügung im schlechten Sinne verstanden werden. Und in diesem Sinne heißt es, die Klugheit des Fleisches sei Sünde. Zu 2. Das Fleisch ist um der Seele willen da, wie die Materie um der Form willen und das Werkzeug um des Haupt wirkenden willen. Und darum wird das Pleisch dann erlaubter weise geliebt, wenn es auf das Gut der Seele als auf das Ziel hingeordnet ist. Wird jedoch das letzte Ziel in das Gut des Fleisches hineinverlegt, so ist die Liebe ungeordnet und unerlaubt. In dieser Weise ist die Klugheit des Fleisches auf die Liebe des Fleisches hingeordnet. Zu 3. Der Teufel versucht uns nicht in der Weise eines begehrenswerten Gutes, sondern durch Einflüsterung. Und darum spricht man, da Klugheit die Hinordnung auf ein begehrenswertes Ziel besagt, nicht in dem Sinne von .Klugheit des Teufels' wie von Klugheit in Hinblick auf ein schlechtes Ziel, und in dieser Hinsicht versuchen uns Welt und Fleisch, insofern sie uns vorgestellt werden, damit wir nach Q U A E S T I O 55, ,
sui ratione important id unde virtus laudatur, scilicet aequalitatem et concupiscentiarum refrenationem: et ideo nunquam accipiuntur in malo. Sed nomen prudentiae sumitur a providendo, sicut supra dictum est: quod potest etiam ad mala extendi. E t ideo, licet prudentia simpliciter dicta in bono accipiatur, aliquo tarnen addito potest accipi in malo. E t secundum hoc dicitur prudentia carnis esse peccatum. AD SECUNDUM dicendum quod caro est propter animam sicut materia propter formam et instrumentum propter principale agens. E t ideo sie licite diligitur caro ut ordinetur ad bonum animae sicut ad finem. Si autem in ipso bono carnis constituatur ultimus finis, erit inordinata et illicita dilectio. E t hoc modo ad amorem carnis ordinatur prudentia carnis. AD TERTITJM dicendum quod diabolus nos tentat non per modum appetibilis, sed per modum suggerentis. E t ideo, cum prudentia importet ordinem ad aliquem finem appetibilem, non ita dicitur prudentia diaboli sicut prudentia respectu alieujus mali finis, sub cujus ratione tentat nos mundus et caro, inquantum scilicet proponuntur nobis ad appetendum bona mundi 336
den Gütern der Welt oder des Fleisches streben. Und darum 55, 2 spricht man von ,Klugheit des Fleisches' und auch von ,Klugheit der Welt', gemäß Lk 16, 8: „Die Kinder dieser Welt sind in ihrer Art klüger..." Der Apostel aber begreift das Ganze unter der Klugheit des Fleisches ein, weil wir auch die äußeren Dinge der Welt um des Fleisches willen anstreben. Man kann jedoch sagen: Da die Klugheit irgendwie .Weisheit' genannt wird (47, 2 Zu 1), darum kann die dreifache Klugheit im Hinblick auf die drei Versuchungen verstanden werden. So heißt es Jak 3, 15, die Weisheit sei „irdisch, sinnlich, teuflisch" (45, 1 Zu 1). 2. A R T I K E L Ist die Klugheit
des Fleisches Todsünde ?
1. Sich gegen das göttliche Gesetz auflehnen ist Todsünde, weil der Herr dadurch verachtet wird. Nun aber „ist die Klugheit des Fleisches... dem göttlichen Gesetze nicht unterworfen" (Rom 8, 7). Also ist die Klugheit des Fleisches Todsünde. 2. Jede Sünde gegen den Heiligen Geist ist eine Todsünde. Die Klugheit des Fleisches scheint aber eine Sünde gegen den Q U A E S T I O 55,,
vel carnis. E t ideo dicitur prudentia carnis, et etiam prudentia mundi, secundum illud Luc. 16: „Filii h u j u s saeculi prudentiores sunt in generatione sua", etc. Apostolus a u t e m t o t u m comprehendit sub prudentia carnis, quia etiam exteriores res mundi appetimus propter carnem. Potest tarnen dici quod quia prudentia quodammodo dicitur sapientia, u t supra dictum est, ideo secundum tres tentationes potest intelligi triplex prudentia. U n d e dicitur J a c . 3 sapientia esse „terrena, animalis, diabolica", u t supra expositum est cum de sapientia ageretur. A R T I C U L U S II p r u d e n t i a carnis sit p e c c a t u m mortale [Vide sub a. 1] A D SECUNDUM sie proceditur. Videtur quod prudentia carnis sit peccatum mortale. Rebellare enim divinae legi est peccatum mortale: quia per hoc Dominus contemnitur. Sed „prudentia carnis non est subjecta legi Dei", u t habetur Rom. 8. Ergo prudentia carnis est peccatum mortale. 2. P R A E T E R E A , omne peccatum in Spiritum Sanctum est peccatum mortale. Sed prudentia carnis videtur esse peccatum Utrum
337
55, 2 Heiligen Geist zu sein; „denn sie kann dem Gesetze Gottes nicht unterworfen sein" (Rom 8, 7). So scheint sie eine Sünde zu sein, die nicht nachgelassen werden kann, was der Sünde gegen den Heiligen Geist eigen ist. Also ist die Klugheit des Fleisches Todsünde. 3. Dem größten Gut ist das größte Übel entgegengesetzt (Aristoteles). Die Klugheit des Fleisches ist aber der Klugheit entgegengesetzt, welche den Vorrang unter den sittlichen Tugenden hat. Also hat die Klugheit des Fleisches den Vorrang unter den sittlichen Verfehlungen. Und so ist sie Todsunde. ANDERSEITS besagt das, was die Sünde mindert, von sich aus nicht die Bewandtnis einer Todsünde. Aber das vorsichtig verfolgen, was zur Sorge um das Fleisch gehört — und das scheint zur Klugheit des Fleisches zu gehören —, mindert die Sünde. Also besagt die Klugheit des Fleisches von ihrem Wesen her keine Todsünde. ANTWORT: Klug wird jemand in zweifachem Sinne genannt: einmal schlechthin, nämlich in Hinordnung auf das Ziel des gesamten Lebens; zum anderen in gewisser Hinsicht' nämlich in Hinordnung auf ein besonderes Ziel, wie z. B. jemand klug in Geschäften oder in anderem dergleichen genannt wird (47, 2 Zu 1; 47, 13). Wenn nun die Klugheit des Fleisches als Klugheit schlechthin aufgefaßt wird, so nämQUAESTIO 55, , in Spiritum Sanctum: „non enim potest esse subjecta legi Dei", ut dicitur Rom. 8; et ita videtur esse peccatum irremissibile, quod est proprium peccati in Spiritum Sanctum. Ergo prudentia carnis est peccatum mortale. 3. P R A E T E R E A , maximo bono opponitur maximum 1160 ü 9 malum, ut patet in 8 Ethicorum [c. 12]. Sed prudentia carnis opponitur prudentiae, quae est praecipua inter virtutes morales. Ergo prodentia carnis est praecipuum inter peccata moralia. Et ita est peccatum mortale. SED CONTRA, illud quod diminuit peccatum non importat de se rationem peccati mortalis. Sed caute prosequi ea quae pertinent ad curam carnis, quod videtur ad prudentiam carnis pertinere, diminuit peccatum. Ergo prudentia carnis de sui ratione non importat peccatum mortale. RESPONDEO dicendum quod, sicut supra dictum est, prudens dicitur aliquis dupliciter: uno modo, simpliciter, scilicet in ordine ad finem totius vitae; alio modo, secundum quid, scilicet in ordine ad finem aliquem particularem, puta sicut dicitur aliquis prudens in negotiatione vel in aliquo hujusmodi. Si ergo prudentia carnis accipiatur secundum absolutam prudentiae 338
lieh, daß das letzte Ziel des gesamten Lebens in die Sorge rnn 55, 2 das Fleisch verlegt wird, dann ist sie Todsünde, weil der Mensch dadurch von Gott abgewandt wird; denn es ist unmöglich, daß es mehrere letzte Ziele gibt (I-II 1, 5: Bd. 9). Wird jedoch Klugheit des Fleisches als Klugheit in besonderer Hinsicht aufgefaßt, so ist die Klugheit des Fleisches läßliche Sünde. Es kommt nämlich bisweilen vor, daß jemand in ungeordneter Weise zu einem Gegenstand der Fleischeslust hingezogen wird, ohne sich dabei durch eine Todsünde von Gott abzuwenden; daher verlegt er das Ziel des gesamten Lebens noch nicht in die Fleischeslust. Und sich in solcher Weise um die Erlangung dieser Lust zu bemühen ist eine läßliche Sünde und gehört zur Klugheit des Fleisches. Wenn jemand aber ausdrücklich die Sorge um das Fleisch auf ein sittlich gutes Ziel hinordnet, z. B. wenn jemand sich wegen der Erhaltung des Leibes um das Essen kümmert, so heißt das nicht Klugheit des Fleisches, weil der Mensch so die Sorge um das Fleisch auf ein Ziel bezieht. Z u 1. Der Apostel spricht von der Klugheit des Fleisches, insofern das Ziel des ganzen menschlichen Lebens in die Güter des Fleisches verlegt wird. Und in diesem Sinne ist sie Todsünde. Zu 2. Die Klugheit des Fleisches besagt keine Sünde gegen QUAESTIO 55,, rationem, ita scilicet quod in cura carnis constituatur ultimus finis totius vitae, sie est peccatum mortale: quia per hoc homo avertitur a Deo, cum impossibile sit esse plures fines Ultimos, ut supra habitum est. Si vero prudentia carnis aeeipiatur secundum rationem particularis prudentiae, sie prudentia carnis est peceatum veniale. Contingit enim quandoque quod aliquis inordinate afficitur ad aliquod delectabile carnis absque hoc quod avertatur a Deo per peccatum mortale: unde non constituit finem totius vitae in deleotatione carnis. E t sie adhibere Studium ad hano delectationem consequendam est peccatum veniale, quod pertinet ad prudentiam carnis. Si vero aliquis actu curam carnis referat in finem honestum, puta cum aliquis studet comestioni propter corporis sustentationem, non voeatur prudentia carnis: quia sie utitur homo cura carnis ut ad finem. A D PRIMUM ergo dicendum quod Apostolus loquitur de prudentia carnis secundum quod finis totius vitae humanae eonstituitur in bonis carnis. Et sie est peccatum mortale. A D SECUNDUM dicendum quod prudentia carnis non 339
55, 3 den Heiligen Geist. Wenn es heißt: „Sie kann dem Gesetze Gottes nicht unterworfen sein", so ist das nicht so zu verstehen, daß der, welcher die Klugheit des Fleisches besitzt, nicht dem Gesetze Gottes zugekehrt und unterworfen werden könnte, sondern weil die Klugheit des Fleisches selbst dem Gesetz Gottes nicht unterworfen sein kann, wie auch die Ungerechtigkeit nicht gerecht oder die Wärme nicht kalt sein kann, obwohl etwas Warmes kalt sein kann. Z u 3. Eine jede Sünde ist der Klugheit entgegengesetzt, wie auch jede Tugend an der Klugheit teilhat. Darum aber muß noch nicht jede der Klugheit entgegengesetzte Sünde die schwerste sein, sondern nur, wenn sie der Klugheit in einer Sache von höchster Bedeutung entgegengesetzt ist. 3. A R T I K E L Ist die Verschlagenheit eine arteigene Sünde ?
1. Die Worte der Heiligen Schrift führen keinen zur Sünde. Sie führen aber zur Verschlagenheit; gemäß Spr 1 , 4 : „Damit den Kleinen Verschlagenheit verliehen werde." Also ist die Verschlagenheit keine Sünde. 2. E s heißt Spr 13, 16: „Der Verschlagene tut alles mit Überlegung." Also entweder in Hinordnung auf ein gutes Ziel Q U A E S T I O 55, ,
importat peccatum in Spiritum Sanctum. Quod enim dicitur quod „non potest esse subjecta legi Dei", non sie est intelligendum quasi ille qui habet prudentiam carnis non possit converti et subjici legi Dei: sed quia ipsa prudentia carnis legi Dei non potest esse subjecta, sicut nec injustitia potest esse justa, nec calor potest esse frigidus, quamvis calidum possit esse frigidum. AD T E R T I U M dicendum quod omne peccatum opponitur prudentiae, sicut et prudentia partieipatur in omni virtute. Sed ideo non oportet quod quodlibet peccatum prudentiae oppositum sit gravissimum: sed solum quando opponitur prudentiae in aliquo maximo. A R T I C U L U S III U t r u m a s t u t i a sit speciale p e c c a t u m [Infra 92,1 ad 1; 111,3 ad 2]
AD TERTTUM sie proceditur. Videtur quod astutia non sit speciale peccatum. Verba enim Sacrae Scripturae non indueunt aliquem ad peccatum. Indueunt autem ad astutiam, secundum illud Prov. 1: „Ut detur parvulis astutia." Ergo astutia non est peccatum. 2. P R A E T E R E A , Prov. 13 dicitur: „Astutus omnia agit cum consilio." Aut ergo ad finem bonum; aut ad finem malum. 340
oder auf ein schlechtes Ziel. Wenn in Hinordnung auf ein 55, 3 gutes Ziel, dann scheint es keine Sunde zu sein. Wenn aber in Hinordnung auf ein schlechtes Ziel, dann scheint es zur Klugheit des Fleisches oder der Welt zu gehören. Also ist die Verschlagenheit keine arteigene, von der Klugheit des Fleisches unterschiedene Sünde. 3. Zu Job 12, 4 ,Die Einfalt des Gerechten wird verlacht' sagt Gregor: „Die Weisheit dieser Welt besteht darin, das Herz mit Verstellungen zu tarnen, den Sinn durch Worte zu verhüllen, was falsch ist als wahr zu behaupten, was wahr ist als falsch zu beweisen." Und dann fügt er hinzu: „Diese Klugheit wird von den Jünglingen durch Übung gewonnen, von Knaben für Geld gelernt." Das Aufgezählte scheint aber zur Verschlagenheit zu gehören. Also unterscheidet sich die Verschlagenheit nicht von der Klugheit des Fleisches oder der Welt, und so scheint sie keine arteigene Sünde zu sein. ANDERSEITS sagt der Apostel 2 Kor 4, 2: „Sagen wir uns los von allen schändlichen Heimlichkeiten, wir wollen nicht wandeln in Verschlagenheit noch das Wort Gottes verfälschen." Also ist die Verschlagenheit eine Sünde. ANTWORT: Die Klugheit ist die rechte Maßgabe der Vernunft im Bereich des Tuns, wie die Wissenschaft die rechte Maßgabe der Vernunft im Bereich des Wissens ist. Es kann aber gegen die Rechtheit der Wissenschaft im Bereich des auf die Schau gerichteten Denkens auf zweifache Weise gefehlt Q U A E S T I O 55, ,
Si ad finem bonum, non videtur esse peccatum. Si autem ad finem malum, videtur pertinere ad prudentiam carnis vel saeculi. Ergo astutia non est speciale peccatum a prudentia carnis distinctum. 3. PRAETEREA, Gregorius, 10 Moralium [c. 29], exponens i'L illud Job 12, ,Deridetur justi simplicitas', dicit: „Sapientia 7 5 ' 0 4 ' hujus mundi est cor machinationibus tegere, sensum verbis velare, quae falsa sunt vera ostendere, quae vera sunt falsa demonstrare." Et postea subdit: „Haec prudentia usu a juvenibus scitur, a pueris pretio discitur." Sed ea quae praedicta sunt videntur ad astutiam pertinere. Ergo astutia non distinguitur a prudentia carnis vel mundi; et ita non videtur esse speciale peccatum. S E D CONTRA est quod Apostolus dicit, 2 ad Cor. 4: „Abdicamus occulta dedecoris, non ambulantes in astutia, neque adulterantes verbum Dei." Ergo astutia est quoddam peccatum. RESPONDEO dicendum quod prudentia est recta ratio agibilium, sicut scientia est recta ratio scibilium. Contingit autem contra rectitudinem scientiae dupliciter peccari in speculativis: 341
A
55,3 werden: Einmal, wenn die Vernunft zu einer falschen Schlußfolgerung geführt wird, die wahr scheint; zum anderen, wenn die Vernunft von etwas Falschem ausgeht, was wahr scheint, sei es, daß dies zu einer wahren Schlußfolgerung, sei es, daß es zu einer falschen führt. So kann auch eine Sünde gegen die Klugheit vorliegen, die ihr auf zweifache Weise ähnlich ist. Einmal, weil das Bemühen der Vernunft auf ein Ziel hingeordnet wird, das nicht wahrhaft, sondern nur scheinbar gut ist; und das gehört zur Klugheit des Fleisches. Zum anderen, insofern jemand zur Erreichung eines guten oder schlechten Zieles keine wahren Wege, sondern Wege der Täuschung und des Scheins einschlägt. Und das gehört zur Sünde der Verschlagenheit. Darum gibt es eine der Klugheit entgegengesetzte Sünde, die von der Klugheit des Fleisches verschieden ist. Z u 1. Augustinus sagt: Wie Klugheit bisweilen mißbräuchlich im schlechten Sinne verstanden wird, so auch die Verschlagenheit bisweilen im guten. Und dies wegen der Ähnlichkeit des einen mit dem anderen. Im eigentlichen Sinne aber wird Verschlagenheit im schlechten Sinne verstanden (Aristoteles). Z u 2. Die Verschlagenheit kann sowohl im Hinblick auf ein gutes als auf ein schlechtes Ziel überlegen; man darf aber Q U A B S T I O 55, ,
uno quidem modo, quando ratio inducitur ad aliquam conclusionem falsam quae apparet vera; alio modo, ex eo quod ratio procedit ex aliquibus falsis quae videntur esse vera, sive sint ad conclusionem veram sive ad conclusionem falsam. Ita etiam aliquod peccatum potest esse contra prudentiam habens aliquam similitudinem ejus dupliciter. Uno modo, quia Studium rationis ordinatur ad finem qui non est vere bonus sed apparens: et hoo pertinet ad prudentiam carnis. Alio modo, inquantum aliquis ad finem aliquem consequendum, vel bonum vel malum, utitur non veris viis, sed simulatis et apparentibus: et hoc pertinet ad peccatum astutiae. TJnde est quoddam peccatum prudentiae oppositum a prudentia carnis distinctum. A D PRIMTJM ergo dicendum quod, sicut Augustinus dicit, PL in 4 contra Julianum [c. 3], sicut prudentia abusive quandoque 4 4 / 7 4 8 c j n m a i 0 accipitur, ita et astutia quandoque in bono: et hoc propter similitudinem unius ad alterum. Proprie tarnen astutia in malo accipitur; sicut et Philosophus dicit, in 6 Ethicorum 1144 a 27 [c. 13]. A D SECUNDUM dicendum quod astutia potest consiliari et ad finem bonum et ad finem malum: nec oportet ad finem 342
zu einem guten Ziel nicht auf falschen und betrügerischen 55, 4 Wegen gelangen, sondern [muß es] auf wahren [erreichen]. Darum ist die Verschlagenheit, auch wenn sie auf ein gutes Ziel hingeordnet ist, Sünde. Zu 3. Gregor versteht unter .Klugheit der Welt' alles, was zur falschen Klugheit gehören kann. Und daher wird auch die Verschlagenheit unter dieser mit einbegriffen. 4. A K T I K E L Ist List eine zur Verschlagenheit gehörende Sünde? 1. Sünde findet sich nicht bei vollkommenen Männern, vor allem nicht die Todsünde. Doch findet sich bei ihnen List; gemäß 2 Kor 12, 16: „Da ich verschlagen war, habe ich euch mit List gefangen" [111]. Also ist List nicht immer Sünde. 2. List scheint sich am meisten auf die Zunge zu beziehen; gemäß Ps 5, 11: „Mit ihren Zungen übten sie List." Die Verschlagenheit aber ist wie auch die Klugheit in der Tätigkeit der Vernunft. Also gehört die List nicht zur Verschlagenheit. 3. Es heißt Spr 12, 20: „Es findet sich List im Herzen derer, die Böses sinnen." Nicht jedes Sinnen auf Böses gehört aber zur Verschlagenheit. Also scheint die List nicht zur Verschlagenheit zu gehören. Q U A E S T I O 55, ,
bonum falsis viis pervenire et simulatis, sed veris. Unde etiam astutia si ordinetur ad bonum finem, est peccatum. AD T E R T I U M dicendum quod Gregorius sub prüdentia mundi accepit omnia quae possunt ad falsam prudentiam pertinere. Unde etiam sub hac comprehenditur astutia. Utrum
dolus
sit
A R T I C U L U S IV p e c c a t u m ad a s t u t i a m
pertinens
[Supra 47,13 ad 3; infra 66,3 ad 1; 111,3 ad 2; Job 13,7. 9; J o 1,47: lect 15; 1 Cor 6,7: lect 2; Eph 4,14: lect 5]
AD QUARTUM sie proceditur. Videtur quod dolus non sit peccatum ad astutiam pertinens. Peccatum enim in perfectis viris non invenitur, praeeipue mortale. Invenitur autem in eis aliquis dolus: secundum illud 2 ad Cor. 12: „Cum essem astutus, dolo vos cepi." Ergo dolus non est Semper peccatum. 2. P R A E T E R E A , dolus maxime ad linguam pertinere videt u r : secundum illud Psalmi: „Linguis suis dolose agebant." Astutia autem, sicut et prudentia, est in ipso actu rationis. Ergo dolus non pertinet ad astutiam. 3. P R A E T E R E A , Prov. 12 dicitur: „Dolus in corde cogitantium mala." Sed non omnis malorum cogitatio pertinet ad astutiam. Ergo dolus non videtur ad astutiam pertinere.
343
4
A N D E R S E I T S wird die Verschlagenheit auf das Umgarnen hingeordnet; gemäß Eph 4, 14: „In Verschlagenheit zur Umgarnung durch den Irrtum." Darauf ist auch die List hingeordnet. Also gehört die List zur Verschlagenheit. ANTWORT: Es gehört zur Verschlagenheit, keine wahren Wege einzuschlagen, sondern Wege der Täuschung und des Scheins, um ein gutes oder schlechtes Ziel zu erreichen. Das Einschlagen dieser Wege kann zweifach betrachtet werden. Einmal als Ausdenken derartiger Wege, und dies gehört im eigentlichen Sinne zur Verschlagenheit, wie auch das Ausdenken rechter Wege zu einem geforderten Ziel zur Klugheit gehört. Zum andern kann das Einschlagen solcher Wege betrachtet werden als Ausführung des Werkes; und in dieser Hinsicht gehört es zur List. Und darum besagt List Ausführung der Verschlagenheit. In diesem Sinne gehört sie zur Verschlagenheit. Zu 1. Wie die Verschlagenheit eigentlich im schlechten Sinne verstanden wird, mißbräuchlich aber im guten Sinne, so auch die List, die Ausführung der Verschlagenheit ist. Zu 2. Die Ausführung der Verschlagenheit zu Täuschungszwecken geschieht in erster Linie und hauptsächlich durch Worte, die die vornehmste Stelle unter den Zeichen einnehmen, mit denen ein Mensch dem andern etwas bezeichnet Q U A E S T I O 55, .
SED CONTRA est quod astutia ad circumveniendum ordinatur, secundum illud Apostoli, ad Eph. 4 : „In astutia ad circumventionem erroris." Ad quod etiam dolus ordinatur. Ergo dolus pertinet ad astutiam. R E S P O N D E O dicendum quod, sicut supra dictum est, ad astutiam pertinet assumere vias non veras, sed simulatas et apparentes, ad aliquem finem prosequendum vel bonum vel malum. Assumptio autem harum viarum potest dupliciter considerari. Uno quidem modo in ipsa excogitatione viarum hujusmodi: et hoc proprie pertinet ad astutiam, sicut etiam excogitatio rectarum viarum ad debitum finem pertinet ad prudentiam. Alio modo potest considerari talium viarum assumptio secundum executionem operis: et secundum hoc pertinet ad dolum. E t ideo dolus importat quandam executionem astutiae. E t secundum hoc ad astutiam pertinet. AD PRIMUM ergo dicendum quod sicut astutia proprie accipitur in malo, abusive autem in bono; ita etiam et dolus, qui est astutiae executio. AD SECUNDUM dicendum quod executio astutiae ad decipiendum primo quidem et principaliter fit per verba, quae praecipuum locum tenent inter signa quibus homo significat aliquid
344
(Augustinus). Und darum wird List am meisten der Rede zu- 55, r> geschrieben. E s kann jedoch List auch in Taten vorkommen; gemäß P s 105 (104), 2 5 : „ . . . u m List zu üben gegen seine Diener." E s gibt auch List im Herzen; gemäß Sir 1 9 , 2 3 : „Sein Inneres ist voller L i s t . " Das aber ist der Fall, wenn jemand Listen ausdenkt; gemäß P s 38 (37), 13: „Den ganzen Tag ersannen sie Listen." Z u 3. Alle, die darauf sinnen, etwas Böses zu tun, müssen Wege ausdenken, um ihr Vorhaben zu verwirklichen; und meistenteils denken sie arglistige Wege aus, um mit ihnen leichter ihr Vorhaben zu erreichen. Doch tun manche das Böse gelegentlich ohne Verschlagenheit und List offen und mit Gewalt, aber dies kommt, weil es schwieriger wird, seltener vor. 5. A R T I K E L Gehört Betrug zur Verschlagenheit ? 1. E s ist nicht zu loben, daß jemand es sich gefallen läßt, getäuscht zu werden, worauf die Verschlagenheit hinzielt. E s ist aber zu loben, daß jemand Betrug erleidet; gemäß Q U A E S T I O 55, ,
alteri, ut patet per Augustinum in libro de Doctrina Christiana [2, 3]. E t ideo dolus maxime attribuitur. locutioni. Contingit p L tarnen esse dolum et in factis, secundum illud Psalmi: „Et 34/37 n dolum facerent in servos ejus." E s t etiam dolus in corde; secundum illud Eccli. 19: „Interiora ejus plena sunt dolo." Sed hoc est secundum quod aliquis dolos excogitat, secundum illud Psalmi: „Dolos tota die meditabantur." AD T E B T I U M dicendum quod quieumque cogitant aliquod malum facere, necesse est quod excogitent aliquas vias ad hoe quod suum propositum impleant: et ut plurimum excogitant vias dolosas quibus facilius propositum consequantur. Quamvis contingat quandoque quod absque astutia et dolo aliqui aperte et per violentiam malum operentur. Sed hoc, quia difficilius fit, in paucioribus accidit. ARTICULUS V U t r u m f r a u s ad a s t u t i a m
pertineat
[Vide sub a. 4]
AD QUINTUM sie proceditur. Videtur quod fraus ad astutiam non pertineat. Non enim est laudabile quod aliquis deeipi se patiatur, ad quod astutia tendit. E s t autem laudabile quod aliquis patiatur fraudem: secundum illud 1 ad Cor 6: „Quare 345
55, 5 1 Kor 6, 7: „Warum erleidet ihr nicht eher Betrug?" Also gehört Betrug nicht zur Verschlagenheit. 2. Betrug scheint sich darauf zu beziehen, daß man äußere Güter unerlaubt annimmt oder zurückbehält. Es heißt nämlich Apg 5, 1 f.: „Ein Mann namens Ananias verkaufte mit seiner Frau Saphira einen Acker und übte Betrug mit dem Erlös des Ackers." Äußere Dinge unerlaubt sich anzueignen oder zurückzuhalten gehört aber zur Ungerechtigkeit oder Unfreigebigkeit. Also gehört der Betrug nicht zur Verschlagenheit, die der Klugheit entgegengesetzt ist. 3. Keiner übt Verschlagenheit gegen sich selbst. Aber der Betrug mancher richtet sich gegen sich selbst; es heißt nämlich Spr 1, 18 von manchen: „Sie setzen Betrug ins Werk gegen ihre eigenen Seelen." Also gehört Betrug nicht zur Verschlagenheit. ANDERSEITS ist Betrug auf Täuschung hingeordnet; gemäß Job 13, 9: „Wird er etwa wie ein Mensch getäuscht werden durch eure Betrügereien?" Auf dasselbe ist auch die Verschlagenheit hingeordnet. Also gehört Betrug zur Verschlagenheit. ANTWORT: Wie die List in der Ausführung der Verschlagenheit besteht, so auch der Betrug. Sie scheinen sich aber darin zu unterscheiden, daß List ganz allgemein zur Ausführung der Verschlagenheit gehört, ob dies nun durch Q U A E S T I O 55,
t
non magis fraudem patimini?" Ergo frans ~non pertinet ad astutiam. 2. PRAETEREA, fraus pertinere videtur ad illicitam acceptionem vel receptionem exteriorum rerum: dicitur enim Act. 5 quod „vir quidam nomine Ananias, cum Saphira uxore sua, vendidit agrum et fraudavit de pretio agri". Sed illicite usurpare vel retinere res exteriores pertinet ad injustitiam vel illiberalitatem. Ergo fraus non pertinet ad astutiam, quae opponitur prudentiae. 3. PRAETEREA, nullus astutia utitur contra seipsum. Sed aliquorum fraudes sunt contra seipsos: dicitur enim Prov. 1 de quibusdam quod „moliuntur fraudes contra animas suas". Ergo fraus non pertinet ad astutiam. SED CONTRA fraus ad deceptionem ordinatur: secundum illud Job 13: „Numquid decipietur ut homo vestris fraudulentiis?" Ad idem etiam ordinatur astutia. Ergo fraus ad astutiam pertinet. RESPONDEO dicendum quod sicut dolus consistit in executione astutiae, ita etiam et fraus: sed in hoc differre videntur quod dolus pertinet universaliter ad executionem astutiae, sive 346
Worte oder durch Taten geschieht; der Betrug aber gehört 55, 5 im eigentlicheren Sinne zur Ausführung der Verschlagenheit, sofern sie durch Taten geschieht. Zu 1. Der Apostel leitet seine Gläubigen nicht dazu an, sich im Erkennen täuschen zu lassen, sondern dazu, die Wirkung der Täuschung geduldig zu ertragen, indem sie durch Betrug zugefügtes Unrecht aushalten. Zu 2. Die Ausführung der Verschlagenheit kann durch irgendein anderes Laster geschehen, wie auch die Ausführung der Klugheit durch die Tugenden geschieht. Und so steht nichts im Wege, daß Betrug zum Geiz oder zur Unfreigebigkeit gehört. Zu 3. Diejenigen, die betrügen, setzen ihrer Absicht nach nichts gegen sich selbst oder gegen ihre Seele ins Werk; es ergibt sich aber aus dem gerechten Urteil Gottes, daß das, was sie gegen andere ins Werk setzen, sich gegen sie selbst zurückwendet; gemäß Ps 7, 16: „Er ist in die Grube gefallen, die er gegraben hat." Q U A E S T I O 55,
s
fiat per verba sive per facta; fraus autem magis proprie pertinet ad executionem astutiae secundum quod fit per facta. AD PRIMUM ergo dicendum quod Apostolus non inducit fideles ad hoc quod decipiantur in cognoscendo: sed ad hoc quod effectum deceptionis patienter tolerent in sustinendis injuriis fraudulenter illatis. AD SECUNDUM dicendum quod executio astutiae potest fieri per aliquod aliud vitium, sicut et executio prudentiae fit per virtutes. E t hoc modo nihil prohibet defraudationem pertinere ad avaritiam vel illiberalitatem. AD T E R T I U M dicendum quod illi qui fraudes faciunt ex eorum intentione non moliuntur aliquid contra seipsos vel contra animas suas: sed ex justo Dei judicio provenit ut id quod contra alios moliuntur contra eos retorqueatur; secundum illud' Psalmi: „Incidit in foveam quam fecit."
347
6.
6
ARTIKEL
Ist es erlaubt, um irdische
Dinge
besorgt zu
sein?
1. E s ist Sache des Vorstehers, um das besorgt zu sein, dem er vorsteht; gemäß R o m 12, 8 : „Wer vorsteht, [tue es] in Besorgtheit." Der Mensch steht aber nach göttlicher Anordnung den irdischen Dingen v o r ; gemäß Ps 8 , 8 : „Alles hast Du seinen Füßen unterworfen, die Schafe und die R i n d e r . . . " Also soll der Mensch um irdische Dinge besorgt sein. 2. E i n jeder ist besorgt um das Ziel, um dessentwillen er wirkt. E s ist aber erlaubt, daß der Mensch um der irdischen Dinge willen wirke, mit denen er sein Leben erhält. Darum sagt der Apostel 2 Thess 3, 10: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen." Also ist es erlaubt, sich um irdische Dinge zu sorgen. 3. E s ist lobenswert, um die Werke der Barmherzigkeit .besorgt zu sein, gemäß 2 Tim 1, 17: „Als er nach R o m gekommen war, hat er mich mit Besorgtheit aufgesucht." Um irdische Dinge besorgt zu sein gehört aber bisweilen zu den Werken der Barmherzigkeit, z. B . wenn jemand darum beQ U A E S T I O 55, ,
ARTICULUS
VI
Utrum licitum sit sollicitudinem de t e m p o r a l i b u s r e b u s
habere
[Infra 188,7; I-II 108,3 ad 5; CG III 135; Alb VII 7,1 ad 7; Mt 6,31; 10,10; 13,22; J o 13,29: lect 5; Rom 12,8: lect 2; 1 Cor 7,32: lect 7; Phil 4,6: lect 1; 2 Thess 3,10: lect 2]
AD S E X T U M sie proceditur. Videtur quod licitum sit sollicitudinem habere de temporalibus rebus. Ad praesidentem enim pertinet sollicitum esse de his quibus praeest: secundum illud Rom. 12: „Qui praeest in sollicitudine." Sed homo praeest ex divina ordinatione temporalibus rebus: secundum illud Psalmi: „Omnia subjecisti sub pedibus ejus, oves et boves", etc. Ergo homo debet habere sollicitudinem de temporalibus rebus. 2. P R A E T E R E A , unusquisque sollicitus est de fine propter quem operatur. Sed licitum est hominem operari propter temporalia, quibus vitam sustentet: unde Apostolus dicit, 2 ad Thess. 3: „Si quis non vult operari, non manducet." Ergo licitum est sollicitari de rebus temporalibus. 3. P R A E T E R E A , sollicitudo de operibus misericordiae laudabilis est: secundum illud 2 ad Tim. 1: „Cum Romam venisset, sollicite me quaesivit." Sed sollicitudo temporalium rerum quandoque pertinet ad opera misericordiae: puta cum quis 348
sorgt ist, die Angelegenheiten der Waisen und der Armen zu 55, e betreiben. Also ist es nicht unerlaubt, um irdische Dinge besorgt zu sein. A N D E R S E I T S sagt der Herr Mt 6, 3 1 : „Seid nicht besorgt und s a g t : W a s sollen wir essen oder was sollen wir trinken oder womit sollen wir uns bekleiden?" U n d doch sind diese Dinge im höchsten Maße notwendig. A N T W O R T : Besorgtheit besagt das Aufwenden vonMühe, um etwas zu erreichen. E s ist aber offensichtlich, daß eine größere Mühe dort aufgewandt wird, wo die F u r c h t vor einem Mangel vorliegt, und darum t r i t t eine geringere B e sorgtheit dort auf, wo die Sicherheit des Erreichens vorliegt. So kann also die Besorgtheit um irdische Dinge in dreifacher Weise unerlaubt sein. E i n m a l von Seiten dessen, worüber wir besorgt sind; wenn wir nämlich irdische Dinge als Ziel anstreben. D a r u m sagt auch Augustinus: „Wenn der H e r r m a h n t : Seid nicht b e s o r g t . . . , so sagt er dies, damit sie nicht jene ins Auge fassen und um ihretwillen all das tun, was bei der Verkündung des Evangeliums zu tun befohlen wird." Zum a n d e r e n kann die Besorgtheit um irdische Dinge wegen der überflüssigen Mühe unerlaubt sein, die zur B e schaffung der irdischen Dinge eingesetzt wird, wodurch der Mensch vom Geistigen, dem er hauptsächlich dienen soll, QUAESTJO 55, , sollicitudinem adhibet ad procurandum negotia pupillorum et pauperum. Ergo sollicitudo temporalium rerum non est illicita. SED CONTRA est quod Dominus dicit, Matth. 6: „Nolite solliciti esse, dicentes: Quid manducabimus aut quid bibemus, aut quo operiemur?" Quae tarnen sunt maxime necessaria. R E S P O N D E O dicendum quod sollicitudo importat Studium quoddam adhibitum ad aliquid consequendum. Manifestum est autem quod majus Studium adhibetur ubi est timor deficiendi: et ideo ubi est securitas consequendi, minor intervenit sollicitudo. Sic ergo sollicitudo temporalium rerum tripliciter potest esse illicita. Uno quidem modo, ex parte ejus de quo sollicitamur: si scilicet temporalia tanquam finem quaeramus. TJnde et Augustinus dicit, in libro de Opere Monachorum [c. 26]: „Cum PL Dominus dicit, ,Nolite solilciti esse', etc., hoc dicit ut non ista 4 0 , 5 , ; ) intueantur et propter ista faciant quidquid in Evangelii praedicatione facere jubentur." Alio modo potest esse temporalium sollicitudo illicita propter superfluum Studium quod apponitur ad temporalia procuranda, propter quod homo a spiritualibus, quibus principalius inservire 349
u
55, 6 zurückgehalten wird. Darum sagt der Herr Mt 13, 22 : „Die Besorgtheit um die Welt erstickt das Wort." D r i t t e n s von Seiten der überflüssigen Furcht, wenn nämlich jemand fürchtet, es könnte ihm, während er tut, was er soll, das Notwendige mangeln. Das schließt der Herr auf dreifache Weise aus. E r s t e n s wegen der größeren Wohltaten, die dem Menschen unabhängig von seiner Besorgtheit von Gott geschenkt werden, nämlich Leib und Seele [Mt 6, 25], Z w e i t e n s wegen der Fürsorge, mit der Gott für die Tiere und Pflanzen ohne menschliche Arbeit nach Maßgabe ihrer Natur sorgt [6, 26 ff.]. D r i t t e n s durch die göttliche Vorsehung. Weil die Heiden diese nicht kennen, geht ihre Sorge hauptsächlich darin auf, die irdischen Dinge zu suchen. Und darum schließt er, daß wir hauptsächlich um die geistigen Güter besorgt sein sollen, in der Hoffnung, daß uns auch die irdischen Güter zukommen, soweit sie notwendig sind, wenn wir getan haben, was wir sollen [6, 33]. Zu 1. Die irdischen Dinge sind dem Menschen unterstellt, damit er sich ihrer nach Notwendigkeit bediene, nicht aber damit er in sie sein Ziel verlege und überflüssig um sie besorgt sei. Zu 2. Die Besorgtheit dessen, der sein Brot mit körperlicher Arbeit erwirbt, ist nicht überflüssig, sondern rechtmäßig. Und darum sagt Hieronymus : „Die Arbeit ist zu tun, QUAESTIO 55, , debet, retrahitur. E t ideo dicitur Matth. 13 quod „sollicitudo saeculi suffocat verbum". Tertio modo, ex parte timoris superflui : quando scilicet aliquis timet ne, faciendo quod debet, necessaria sibi deficiant. Quod Dominus tripliciter excludit. Primo, propter majora bénéficia homini praestita divinitus praeter suam sollicitudinem, scilicet corpus et animam. Secundo, propter Subventionen! qua Deus animalibus et plantis subvenit absque opere humano, secundum proportionem suae naturae. Tertio, ex divina Providentia, propter cujus ignorantiam gentiles circa temporalia bona quaerenda principalius sollicitantur. E t ideo concludit quod principaliter nostra sollicitudo esse debet de spiritualibus bonis, sperantes quod etiam temporalia nobis provenient ad necessitatem, si fecerimus quod debemus. AD PRIMUM ergo dicendum quod temporalia bona subjecta sunt homini ut eis utatur ad necessitatem: non ut in eis finem constituât, et superflue circa ea sollicitetur. AD SECUNDUM dicendum quod sollicitudo ejus qui corporali labore panem acquirit non est superflua, sed moderata. PL E t ideo Hieronymus dicit [In Matth., lib. 1 ad 6, 25] quod 350
die Besorgtheit zu zerstreuen", nämlich die überflüssige, die 55, 7 den Geist beunruhigt. Z u 3. Die Besorgtheit um irdische Dinge wird bei den Werken der Barmherzigkeit auf das Ziel der Liebe hingeordnet. Und darum ist sie nicht unerlaubt, es sei denn, sie wäre überflüssig. 7. A R T I K E L Soll man um die Zukunft
besorgt sein ?
1. Es heißt Spr 6, 6 ff. : „Gehe zur Ameise, du Fauler, betrachte ihre Wege und lerne Weisheit: Denn sie, die weder Führer noch Lehrer hat, bereitet sich im Sommer Speise und sammelt bei der Ernte ihre Nahrung." Das aber heißt um die Zukunft besorgt sein. Also ist die Besorgtheit um Zukünftiges zu loben. 2. Die Besorgtheit gehört zur Klugheit. Die Klugheit aber geht hauptsächlich auf Zukünftiges, denn ihr vorzüglicher Teil ist der .Weitblick auf das Zukünftige' (49, 6). Also ist es tugendhaft, um Zukünftiges besorgt zu sein. 3. Jeder, der etwas zurücklegt, um es für später aufzubewahren, ist um die Zukunft besorgt. Man liest aber, daß Q U A E S T I O 55, ,
„labor exercendus est, sollicitudo tollenda", superflua scilicet, animum inquietans. A D T E R T I U M dicendum quod sollicitudo temporalium in operibus misericordiae ordinatur ad finem caritatis. E t ideo non est illicita, nisi sit superflua. A R T I C U L U S VII U t r u m a l i q u i s d e b e a t esse s o l l i c i t u s in f u t u r u m [Vide sub a. 6]
A D SEPTIMUM sic proceditur. Videtur quod aliquis debeat esse sollicitus in futurum. Dicitur enim P r o v . 6: „Vade ad formicam, o piger, et considera vias ejus, et disce sapientiam: quae cum non habeat ducem nec praeceptorem, parat in aestate cibum sibi, et congregai in messe quod comedat." Sed hoc est in futurum sollicitari. Ergo laudabilis est sollicitudo futurorum. 2. P R A E T E R E A , sollicitudo ad prudentiam pertinet. Sed prudentia praecipue est futurorum: praecipua enim pars ejus est Providentia futurorum, ut supra dictum est. Ergo virtuosum est sollicitari de futuris. 3. P R A E T E R E A , quicumque reponit aliquid in posterum conservandum sollicitus est in futurum. Sed ipse Christus legi351
55. 7 Christus selbst eine Kasse hatte, um etwas aufzubewahren, und Judas sie trug [Jo 12, 6]. Auch die Apostel bewahrten den Erlös aus den Grundstücken auf, der zu ihren Füßen niedergelegt wurde (Apg 4, 35). ANDERSEITS sagt der Herr Mt 6, 34: „Seid nicht besorgt um den morgigen Tag." .Morgen' aber steht dort für .Zukunft' (Hieronymus). ANTWORT: Kein Werk kann tugendhaft sein, wenn es nicht mit den gebührenden Umständen ausgestattet ist, unter denen einer die gebührende Zeit ist; gemäß Prd 8 , 6 : „Für jedes Unternehmen gibt es eine rechte Zeit." Das gilt nicht nur für äußere Werke, sondern auch für die innere Besorgtheit. Denn einer jeden Zeit kommt ihre eigene Besorgtheit zu, so kommt der Zeit des Sommers die Besorgtheit um die Ernte zu, der Zeit des Herbstes aber die Besorgtheit um die Weinlese. Wenn also jemand zur Zeit des Sommers bereits um die Weinlese besorgt wäre, würde er die Besorgtheit um die Zukunft überflüssigerweise vorwegnehmen. Darum verbietet der Herr solche Besorgtheit als überflüssig: „Seid nicht besorgt um den morgigen Tag." Aus diesem Grunde fügt Er hinzu: „Der morgige Tag wird für sich selbst besorgt sein", das heißt er wird seine eigene Besorgtheit haben, die genügt, um den Geist zu bedrängen. Und das QUABSTIO
55, ,
tur, Joan. 12, loculos habuisse ad aliquid conservandum, quos Judas deferebat. Apostoli etiam conservabant pretia praediorum, quae ante pedes eorum ponebantur, ut legitur Act. 4. Ergo licitum est in futurum sollicitari. SED CONTRA est quod Dominus dicit, Matth. 6: „Nolite solliciti esse in crastinum." Cras autem ibi ponitur pro futuro, PL sicut dicit Hieronymus [1. c.]. B 47 B ' RESPONDEO dicendum quod nullum opus potest esse virtuosum nisi debitis circumstantiis vestiatur; inter quas una est debitum tempus, secundum illud Eccli. 8: „Omni negotio tempus est et opportunitas." Quod non solum in exterioribus operibus, sed etiam in interiori sollicitudine locum habet. TJnicuique enim tempori competit propria sollicitudo: sicut tempori aestatis competit sollicitudo metendi, tempori autumni sollicitudo vindemiae. Si quis ergo tempore aestatis de vindemia jam esset sollicitus, superflue praeoccuparet futuri temporis sollicitudinem. Unde hujusmodi sollicitudinem tanquam superfluam Dominus prohibet, dicens: „Nolite solliciti esse in crastinum." Unde subdit: „Crastinus enim dies sollicitus erit sibi ipsi", idest, suam propriam sollicitudinem habebit, quae sufficiet ad 352
meint Er mit der Beifügung: „Es genügt jedem Tag seine 55, 7 Plage", das heißt die Bedrängnis der Besorgtheit. Zu 1. Die Ameise hat die der Zeit entsprechende Besorgtheit, und das wird uns zur Nachahmung vorgelegt. Zu 2. Der gebührende Weitblick auf das Zukünftige gehört zur Klugheit. Der Weitblick auf das Zukünftige oder die Besorgtheit wäre indes ungeordnet, wenn jemand die zeitlichen Güter, bei denen man von Vergangenheit und Zukunft spricht, gleichsam als Ziele suchen würde; oder wenn er Überflüssiges suchen würde, das über das für das gegenwärtige Leben Notwendige hinausgeht, oder wenn er die Zeit für die Besorgtheit vorwegnehmen würde. Zu 3. Augustinus sagt: „Wenn wir einen Diener Gottes weitblickend sorgen sehen, damit ihm nichts Notwendiges fehle, wollen wir ihn nicht verurteilen, als sei er um den morgigen Tag besorgt. Denn auch der Herr selbst hielt es für angebracht, um des Beispiels willen eine Kasse zu haben . . . Und in der Apostelgeschichte steht geschrieben, daß das zum Leben Notwendige für die Zukunft wegen einer drohenden Hungersgefahr beschafft wurde... Also mißbilligt es der Herr nicht, wenn sich jemand nach menschlichem Brauch dieses verschafft, sondern wenn jemand um dieser Dinge willen Gott dient." QUAESTIO 55, , animum affligendum. E t hoc est quod subdit: „Sufficit diei malitia sua", idest afflictio sollicitudinis. AD PRIMUM ergo dicendum quod formica habet sollicitudinem congruam tempori: et hoc nobis imitandum proponitur. AD SECUNDUM dicendum quod ad prudentiam pertinet Providentia debita futurorum. Esset autem inordinata futurorum Providentia vel sollicitudo si quis temporalia, in quibus dicitur praeteritum et futurum, tanquam fines quaereret; vel si superflua quaereret ultra praesentis vitae necessitatem; vel si tempus sollicitudinis praeoccuparet. AD T E R T I U M dicendum quod, sicut Augustinus dicit, in libro de Sermone Domini in Monte [2, 17], „cum viderimus ali- i'L quem servum Dei providere ne ista necessaria sibi desint, non 3 4 ' 1 2 9 4 judicemus eum de crastino sollicitum esse. Nam et ipse Dominus propter exemplum loculos habere dignatus est; et in Actibus Apostolorum scriptum est ea quae ad victum sunt necessaria procurata esse in futurum propter imminentem famem. Non ergo Dominus improbat si quis humano more ista procuret, sed si quis propter ista militet Deo." 23
17B
353
u
8. A R T I K E L Gehen derartige Laster aus der Habsucht hervor ?
1. Die Vernunft in ihrer Rechtheit leidet am meisten Schaden durch die Unzucht (53, 6). Derartige Laster sind aber der rechten Maßgabe der Vernunft entgegengesetzt, nämlich der Klugheit. Also gehen derartige Laster am meisten aus der Unzucht hervor, besonders da Aristoteles sagt, Venus sei listenreich und ihr Gürtel sei vielfarbig, und daß der in der Begierde Unenthaltsame aus dem Hinterhalt handelt. 2. Die genannten Laster haben eine gewisse Ähnlichkeit mit der Klugheit (Art. 3 ; 47, 13; 53 Vorw.). Eine größere Nähe zur Klugheit, die ja in der Vernunft ist, scheinen aber die geistigeren Laster zu haben, wie Hochmut und eitle Ruhmsucht. Also scheinen derartige Laster mehr aus dem Hochmut hervorzugehen als aus der Habsucht. 3. Der Mensch bedient sich des Hinterhalts nicht nur, um fremdes Gut an sich zu reißen, sondern auch, wenn er die Ermordung anderer plant; davon gehört das erste zur Habsucht, das zweite zum Zorn. Sich des Hinterhalts bedienen Q U A E S T I O 55, ,
A R T I C U L T J S VIII U t r u m hujusmodi vitia oriantur ex a v a r i t i a [Infra 118,8; Mal 13,3]
AD OCTAVUM sie proceditur. Videtur quod hujusmodi vitia non oriantur ex avaritia. Quia sicut dictum est, per luxuriam maxime ratio patitur defectum in sua rectitudine. Sed hujusmodi vitia opponuntur rationi rectae, scilicet prudentiae. Ergo hujusmodi vitia maxime ex luxuria oriuntur: praesertim cum 1149 b 15 Philosophus dicat, in 7 Ethicorum [c. 7], quod „Venus est dolosa, et ejus corrigia est varia", 1 et quod „ex insidiis agit incontinens concupiscentiae ". 2. P R A E T E R E A , praedicta vitia habent quandam similitudinem prudentiae, ut dictum est. Sed ad prudentiam, cum sit in ratione, majorem propinquitatem habere videntur vitia magis spiritualia, sicut superbia et inanis gloria. Ergo hujusmodi vitia magis videntur ex superbia oriri quam ex avaritia. 3. P R A E T E R E A , homo insidiis utitur non solum in diripiendis bonis alienis sed etiam in machinando aliorum caedes: quorum primum pertinet ad avaritiam, secundum ad iram. Sed 1
354
Cf. Theognis Megarensis, Elegiae I I 1386. Ed. Young (Tb). Lipsiae 1961, p. 82.
gehört aber zu Verschlagenheit, List und Betrug. Also 55, s gehen die genannten Laster nicht nur aus der Habsucht, sondern auch aus dem Zorn hervor. A N D E R S E I T S führt Gregor den Betrug als Tochter der Habsucht auf. ANTWORT: Die Klugheit des Fleisches und die Verschlagenheit haben wie auch die List und der Betrug eine gewisse Ähnlichkeit mit der Klugheit auf Grund eines gewissen Gebrauches der Vernunft. Am meisten aber erscheint unter allen sittlichen Tugenden der Gebrauch der rechten Vernunft in der Gerechtigkeit, die im vernunfthaften Strebevermögen ist. Und darum wird der unrechte Gebrauch der Vernunft am meisten in den der Gerechtigkeit entgegengesetzten Lastern sichtbar. Ihr aber ist am meisten die Habsucht entgegengesetzt. Und daher gehen die genannten Laster am meisten aus der Habsucht hervor. Zu 1. Die Unzucht unterdrückt wegen der Heftigkeit der Lust und der Begierde die Vernunft vollständig, so daß sie nicht in Tätigkeit übergeht. In den genannten Lastern aber findet sich ein gewisser, wenn auch ungeordneter Vernunftgebrauch. Daher gehen die genannten Laster nicht unmittelbar aus der Unzucht hervor. — Wenn aber Aristoteles die Venus listenreich nennt, so sagt er das im Sinne einer gewissen Ähnlichkeit, insofern sie den Menschen plötzlich überQ U A E S T I O 55, „
insidiis uti pertinet ad astutiam, dolum et fraudem. Ergo praedicta vitia non solum oriuntur ex avaritia, sed etiam ex ira. S E D CONTRA est quod Gregorius, 31 Moralium [c. 45], PL ponit fraudem filiam avaritiae. 7S/«2i R E S P O N D E O dicendum quod, sicut dictum est, prudentia carnis et astutia, cum dolo et fraude, quandam similitudinem habent cum prudentia in aliquali usu rationis. Praecipue autem inter alias virtutes morales usus rationis rectae apparet in justitia, quae est in appetitu rationali. E t ideo usus rationis indebitus etiam maxime apparet in vitiis oppositis justitiae. Opponitur autem sibi maxime avaritia. E t ideo praedicta vitia maxime ex avaritia oriuntur. AD PRIMUM ergo dicendum quod luxuria, propter vehementiam delectationis et concupiscentiae, totaliter opprimit rationem, ne prodeat in actum. In praedictis autem vitiis aliquis usus rationis est, licet inordinatus. Unde praedicta vitia non oriuntur directe ex luxuria. — Quod autem Philosophus Venerem dolosam appellat, hoc dicitur secundum quandam similitudinem: inquantum scilicet subito hominem surripit,
55, s fällt, wie dies auch bei der List der Fall ist, jedoch nicht durch Verschlagenheit, sondern eher durch die Gewalt der Begierde und der Lust. Darum fügt er auch bei: „Venus raubt auch dem Verständigsten den Verstand" [Homer]. Zu 2. Aus dem Hinterhalt handeln scheint zu einem gewissen Kleinmut zu gehören; denn der Großgesinnte will in allen Dingen offen sichtbar sein (Aristoteles). Weil nun der Hochmut Ähnlichkeit mit der Großgesinntheit hat oder vortäuscht, gehen derartige Laster, die sich des Betruges und der List bedienen, nicht unmittelbar aus dem Hochmut hervor. Vielmehr gehört das zur Habsucht, die den Nutzen sucht und das Hervorragen gering einschätzt. Zu 3. Die Bewegung des Zornes ist plötzlich. Darum handelt er [der Zornige] überstürzt und ohne Überlegung, während die genannten Laster sich ihrer bedienen, wenn auch ungeordnet. Wenn sich jedoch einige des Hinterhalts bedienen, um andere zu ermorden, dann kommt das nicht vom Zorn, sondern eher vom Haß; denn der Zornige strebt danach, offen zu schädigen (Aristoteles). Q U A E S T I O 55, ,
sicut et in dolis agitur; non tarnen per astutias, sed magis per violentiam concupiscentiae et delectationis. Unde et subdit im) Ii 17 quod „Venus furatur intellectum multum sapientis". 1 A D S E C U N D U M dicendum quod ex insidiis agere ad quandam pusillanimitatem pertinere videtur: magnanimus enim in omnibus vult manifestus esse, ut Philosophus dicit, in 4 Ethi112+1)20 corum [c. 8], E t ideo quia superbia quandam similitudinem magnanimitatis habet vel fingit, inde est quod non directe ex superbia hujusmodi vitia oriuntur, quae utuntur fraude et dolis. Magis autem hoc pertinet ad avaritiam, quae utilitatem quaerit, parvipendens excellentiam. A D T E R T I U M dicendum quod ira habet subitum motum: unde praecipitanter agit et absque consilio; quo utuntur praedicta vitia, licet inordinate. Quod autem aliqui insidiis utantur ad caedes aliorum, non provenit ex ira, sed magis ex odio: quia iracundus appetit esse manifestus in nocendo, ut dicit i;i7x ¡i 31 Philosophus, in 2 Rhetoricorum [c. 2]. 1
350
Ilomerus, Ilias X I V , 217. Ed. Dindorf-Hentzc (Tb). Lipsiae 1937 sq. t. I I p. 35.
56. F R A G E
56,1
DIE Z U R KLUGHEIT GEHÖRENDEN GEBOTE Hierauf ist über die zur Klugheit gehörenden Gebote nachzudenken. Dazu ergeben sich zwei Einzelfragen: 1. Die zur Klugheit gehörenden Gebote. 2. Die zu den entgegengesetzten Lastern gehörenden Gebote. 1.
ARTIKEL
Mußte unter den Zehn Geboten ein Gebot bezüglich der Klugheit erlassen werden ? 1. Bezüglich einer wichtigeren Tugend müssen wichtigere Gebote erlassen werden. Die wichtigsten Gebote des Gesetzes sind aber die Zehn Gebote. Da nun die Klugheit wichtiger als die anderen sittlichen Tugenden ist, scheint es, daß unter den Zehn Geboten ein Gebot bezüglich der Klugheit erlassen werden mußte. 2. Die Lehre des Evangeliums enthält das Gesetz hauptsächlich hinsichtlich der Zehn Gebote. In der Lehre des E v a n geliums wird aber ein Gebot bezüglich der Klugheit erlassen Q U A E S T I O LVI
DE PRAECEPTIS PERTINENTIBUS AD P R U D E N T I A M Deinde considerandum est de praeceptis ad prudentiam pertinentibus. E t circa hoc quaeruntur duo: 1. De praeceptis pertinentibus ad prudentiam. — 2. De praeceptis pertinentibus ad vitia opposita. ARTICULUS Utrum
I
de p r u d e n t i a f u e r i t d a n d u m a l i q u o d ceptum inter praecepta decalogi
prae-
[Mt 10,16]
AD P R I M U M sie proceditur. Videtur quod de prudentia fuerit dandum aliquod praeeeptum inter praecepta decalogi. De prineipaliori enim virtute prineipaliora praecepta dari debent. Sed prineipaliora praecepta legis sunt praecepta decalogi. Cum ergo prudentia sit prineipalior inter virtutes morales, videtur quod de prudentia fuerit dandum aliquod praeeeptum inter praecepta decalogi. 2. P R A E T E R E A , in doctrina evangelica continetur lex maxime quantum ad praecepta decalogi. Sed in doctrina evangelica datur praeeeptum de prudentia: ut patet Matth. 10: „Estote :S.-)7
56, i (Mt 10, 16): „Seid klug wie die Schlangen." Also mußte unter den Zehn Geboten auch der Akt der Klugheit geboten werden. 3. Die anderen Zeugnisse des Alten Testamentes sind auf die Zehn Gebote hingeordnet. Darum heißt es Mal 3, 22 (Vg. 4, 4): „Gedenke des Gesetzes Moses', Meines Dieners, das Ich ihm auf dem Horeb aufgetragen habe." In den anderen Zeugnissen des Alten Testamentes werden aber Gebote bezüglich der Klugheit erlassen; so heißt es Spr 3, 5: „Stütze dich nicht auf deine Klugheit", und 4, 25: „Laß deine Augenlider deinen Schritten vorausgehen." Also mußte auch im Gesetz ein Gebot bezüglich der Klugheit erlassen werden, und zwar vor allem unter den Zehn Geboten. A B E R DAS G E G E N T E I L ist dem offensichtlich, der die Zehn Gebote durchgeht. ANTWORT: Wie die Zehn Gebote für das gesamte Volk erlassen wurden, so sind sie auch dem Urteilsvermögen aller zugänglich, da sie gleichsam zur natürlichen Vernunft gehören (I-II 100, 3 u. 5 Zu 1: Bd. 13). Vor allem bezieht sich der Spruch der natürlichen Vernunft auf die Ziele des menschlichen Lebens, die im Bereich des Tuns sich so verhalten wie die von Natur aus erkannten Grundsätze im Bereich des auf die Schau gerichteten Denkens (47, 6). Die Klugheit aber betrifft nicht das Ziel, sondern das, was zum Ziel führt (ebd.). Und darum wäre es nicht angemessen geQ U A E S T I O 56,
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prudentes sicut serpentes." Ergo inter praeeepta decalogi debuit praeeipi actus prudentiae. 3. P R A E T E R E A , alia documenta veteris Testamenti ad praeeepta decalogi ordinantur. TJnde et Mal. ult. dicitur: „Mementote legis Moysi, servi mei, quam mandavi ei in Horeb." Sed in aliis documentis veteris Testamenti dantur praeeepta de prudentia: sicut Prov. 3 : „Ne innitaris prudentiae t u a e " ; et infra, cap. 4 : „Palpebrae tuae praecedant gressus tuos." Ergo et in lege debuit aliquod praeeeptum de prudentia dari, et praeeipue inter praeeepta decalogi. S E D CONTRARIUM patet enumeranti praeeepta decalogi. R E S P O N D E O dicendum quod, sicut supra dictum est cum de praeeeptis ageretur, praeeepta decalogi, sicut data sunt omni populo, ita etiam cadunt in aestimatione omnium, quasi ad naturalem rationem pertinentia. Praeeipue autem sunt de dictamine rationis naturalis fines humanae vitae, qui se habent in agendis sicut principia naturaliter cognita in speculativis, ut ex supradictis patet. Prudentia autem non est circa íinem, sed circa ea quae sunt ad finem, ut supra dictum est. E t ideo non 358
wesen, wenn unter den Zehn Geboten ein Gebot aufgestellt 56,1 worden wäre, das sich unmittelbar auf die Klugheit bezieht. Und doch beziehen sich alle Zehn Gebote auf sie, insofern sie alle tugendhaften Akte zu leiten hat. Zu 1. Obwohl die Klugheit schlechthin wichtiger als die anderen sittlichen Tugenden ist, so ist doch die Gerechtigkeit wichtiger im Hinblick auf die Bewandtnis des Geschuldeten, das zum Gebot notwendig ist (44, 1; I - I I 99, 1 u. 5; 100, 5 Zu 1: Bd. 13). Und darum mußten die wichtigsten Gebote des Gesetzes, welche die Zehn Gebote sind, mehr die Gerechtigkeit als die Klugheit betreffen. Zu 2. Die Lehre des Evangeliums ist die Lehre der Vollkommenheit. Und deshalb mußte der Mensch durch sie vollkommen über alles unterwiesen werden, was zur Rechtheit des Lebens gehört, seien es Ziele, sei es das, was zum Ziele führt. Und daher mußten in der Lehre des Evangeliums auch bezüglich der Klugheit Gebote erlassen werden. Zu 3. Wie die übrige Lehre des Alten Testamentes auf die Zehn Gebote als auf das Ziel hingeordnet ist, so war es auch angemessen, daß in den nachfolgenden Zeugnissen des Alten Testamentes die Menschen über den Akt der Klugheit unterwiesen wurden, der den Bereich dessen betrifft, was zum Ziele führt. Q UAESTIO 56, , fuit conveniens ut inter praecepta decalogi aliquod praeceptum poneretur ad prudentiam directe pertinens. Ad quam tarnen omnia praecepta decalogi pertinent secundum quod ipsa est directiva omnium virtuosorum actuum. AD P R I M U M ergo dicendum quod licet prudentia sit simpliciter principalior virtus aliis virtutibus moralibus, justitia tarnen principalius respicit rationem debiti, quod requiritur ad praeceptum, ut supra dictum est. E t ideo principalia praecepta legis, quae sunt praecepta decalogi, magis debuerunt ad justitiam quam ad prudentiam pertinere. AD SECUNDUM dicendum quod doctrina evangelica est doctrina perfectionis: et ideo oportuit quod in ipsa perfecte instrueretur homo de omnibus quae pertinent ad rectitudinem vitae, sive sint finea sive ea quae sunt ad finem. E t propter hoc oportuit in doctrina evangelica etiam de prudentia praecepta dari. AD T E R T I U M dicendum quod sicut alia doctrina veteris Testamenti ordinatur ad praecepta decalogi ut ad finem, ita etiam conveniens fuit ut in subsequentibus documentis veteris Testamenti homines instruerentur de actu prudentiae, qui est circa ea quae sunt ad finem. 359
56,2
2. A K T I K E L Wurden im Alten Gesetz angemessen Verbote bezüglich der der Klugheit entgegengesetzten Laster aufgestellt? 1. Der Klugheit ist nicht weniger das entgegengesetzt, was in unmittelbarem Gegensatz zu ihr steht, wie die Unklugheit und ihre Teile, als das, was eine Ähnlichkeit mit ihr hat, wie die Verschlagenheit und was zu ihr gehört. Diese Laster sind aber im Gesetz verboten; es heißt nämlich L v 19, 13: „Du sollst deinen N ä c h s t e n nicht verleumden", und D t 25, 13: „Du sollst in deinem Beutel nicht verschiedene Gewichte führen, ein größeres und ein kleineres." Also m u ß t e n auch bezüglich der Laster, die der Klugheit unmittelbar entgegengesetzt sind, einige Verbote erlassen werden. 2. Nicht nur bei Kauf und Verkauf, sondern auch bei vielen anderen Dingen kann m a n betrügen. E s ist also unangemessen, daß das Gesetz den Betrug nur bei Kauf u n d Verkauf verbot. 3. Einen A k t der Tugend gebieten u n d einen A k t des entgegengesetzten Lasters verbieten hat dieselbe Bewandtnis. N u n finden sich aber im Gesetz keine Akte der Klugheit geboten. Also durften auch keine entgegengesetzten Laster im Gesetz verboten werden. QUAESTIO
56, ,
ARTICULTJS II U t r u m in v e t e r i lege f u e r i n t c o n v e n i e n t e r p r a e e e p t a p r o h i b i t i v a p r o p o s i t a de vitiis oppositis p r u d e n t i a e A D SECUNDUM sie proceditur. Videtur quod in veteri lege fuerint inconvenienter praeeepta prohibitiva proposita de vitiis oppositis prudentiae. Opponuntur enim prudentiae non minus illa quae h a b e n t directam oppositionem ad ipsam, sicut imprudentia et partes ejus, q u a m illa quae cum ipsa similitudinem habent, siout astutia et quae a d ipsam pertinent. Sed haec vitia prohibentur in lege: dicitur enim Lev. 19: „Non facies calumniam proximo t u o " ; et Deut. 25: „Non habebis in sacculo t u o diversa pondera, m a j u s et minus." Ergo et de illis vitiis quae directe opponuntur prudentiae aliqua praeeepta prohibitiva dari debuerunt. 2. P R A E T E R E A , in multis aliis rebus potest fraus fieri q u a m in emptione et venditione. Inconvenienter igitur f r a u d e m in sola emptione et venditione lex prohibuit. 3. P R A E T E R E A , eadem ratio est praeeipiendi a c t u m virtutis et prohibendi a c t u m vitii oppositi. Sed actus prudentiae non inveniuntur in lege praeeepti. Ergo nec aliqua opposita vitia debuerunt in lege prohiberi. 360
ABER DAS GEGENTEIL ist aus den [E. 1] angeführten 56, 2 Geboten des Gesetzes offensichtlich. ANTWORT: Die Gerechtigkeit betrifft am meisten die Bewandtnis des Geschuldeten, das zum Gebot notwendig ist (Art. 1 Zu 1); denn die Gerechtigkeit hat den Sinn, das dem anderen Geschuldete zu erstatten (58, 2 u. 11: Bd. 18). Verschlagenheit aber wird in bezug auf die Ausübung am meisten im Bereich der Gerechtigkeit geübt (55, 8). Und darum war es angemessen, im Gesetz Verbote bezüglich der Ausübung von Verschlagenheit zu erlassen, sofern sie zur Ungerechtigkeit gehört, so wenn jemand einen anderen durch List oder Betrug verleumdet oder seine Güter an sich reißt. Z u 1. Jene Laster, die der Klugheit unmittelbar in einem offenen Gegensatz entgegengesetzt sind, gehören nicht so zur Ungerechtigkeit wie die Ausübung der Verschlagenheit. Und daher werden sie im Gesetz nicht so verboten wie Betrug und List, die zur Ungerechtigkeit gehören. Z u 2. Jeder Betrug und jede List, die im Bereich der Gerechtigkeit begangen wurden, können durch das Verbot der Verleumdung als verboten aufgefaßt werden (Lv 19, 13). Betrug und List pflegen vor allem bei Kauf und Verkauf geübt zu werden; gemäß Sir 26, 28: „Ein Händler wird sich nicht von Zungensünden freihalten." Deswegen wird im Q U A E S T I O 56, ,
SED CONTRARIUM patet per praecepta legis indueta. RESPONDEO dicendum quod, sicut supra dictum est, justitia maxime respicit rationem debiti, quod requiritur ad praeceptum: quia justitia est ad reddendum debitum alteri, ut infra dicetur. Astutia autem quantum ad executionem maxime committitur in his circa quae est justitia, ut dictum est. Et ideo conveniens fuit ut praecepta prohibitiva darentur in lege de executione astutiae inquantum ad injustitiam pertinet: sicut cum dolo vel fraude aliquis alicui calumniam ingerit, vel ejus bona surripit. A D PRIMUM ergo dicendum quod illa vitia quae directe opponuntur prudentiae manifesta contrarietate non ita pertinent ad injustitiam sicut executio astutiae. Et ideo non ita prohibentur in lege sicut fraus et dolus, quae ad injustitiam pertinent. A D SECUNDUM dicendum quod omnis fraus vel dolus commissa in his quae ad justitiam pertinent potest intelligi esse prohibita, Lev. 19, in prohibitione calumniae. Praecipue autem solet fraus exerceri et dolus in emptione et venditione : secundum illud Eccli. 26: „Non justificabitur caupo a peccato 24
17B
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56, 2 Gesetze eigens ein Verbot gegen den Betrug erlassen, der bei K a u f und Verkauf verübt wird [vgl. L v 19, 35 f . ; D t 25, 13 ff.]. Z u 3. Alle Gebote bezüglich der A k t e der Gerechtigkeit, die im Gesetze erlassen wurden, gehören zur Ausübung der K l u g h e i t ; wie auch die Verbote, die gegen Diebstahl, Verleumdung und betrügerischen Verkauf erlassen wurden, zur Ausübung der Verschlagenheit gehören. Q U A E S T I O 56, ,
labiorum." Propter hoc specialiter praeceptum prohibitivum datur in lege de fraude circa emptiones et venditiones commissa. AD T E R T I U M dicendum quod omnia praecepta de actibus justitiae in lege data pertinent ad executionem prudentiae: sicut et praecepta prohibitiva data de furto, calumnia et fraudulenta venditione pertinent ad executionem astutiae.
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ANMERKUNGEN
[1] Zu S. 4. Das apokryphe 3. Esdrasbuch s t a m m t wahrscheinlich aus dem 2. J h . v. Chr. Es ist eine u m Einschübe vermehrte Übersetzung von Stücken aus Chr, Esr u n d Neh. Unsere Stelle s t a m m t aus dem größeren Einschub (3, 1—5, 3), der den Wettstreit der drei Pagen des Darius schildert, die es unternehmen, vor dem Könige das Mächtigste zu preisen. Serubabel, der die Wahrheit als das Mächtigste preist, wird v o m König der Sieg zuerkannt (s. Otto E i ß f e l d t , Einleitung in das Alte Testament. Tübingen 3 1964, 777—781). — Bedeutsam ist, daß Thomas dieses Buch als ,apokryph' anspricht, denn sowohl bei den Kirchenv ä t e r n als auch im Mittelalter galt es weithin als kanonisch (vgl. dazu Dict. de la Bible, Suppl. I [1928] 432—441). [2] Zu S. 7. Das Aristoteleszitat steht an seinem Ort im Zusammenhang mit der Frage n a c h der besten Herrschaftsform : K ö n i g t u m u n d Tyrannis sind Gegensätze. Die Tyrannis ist aber ganz offenbar die schlechteste Herrschaftsform. Also ist das K ö n i g t u m die beste, „denn das Schlechteste ist dem Besten entgegengesetzt". Der T e x t ist aber auch offen f ü r eine Schlußfolgerung vom K ö n i g t u m auf die Tyrannis: Diese ist die schlechteste Herrschaftsform, weil sie dem Königtum entgegengesetzt ist, „denn dem Besten ist das Schlechteste entgegengesetzt". Vgl. zu beiden Interpretationsmöglichkeiten R . A. G a u t h i e r O P u n d J . Y. J o l i f OP, L ' É t h i q u e à Nicomaque. Introduction, traduction et commentaire. Paris-Louvain 1958 f, I I 701). — Thomas gebraucht den Satz „Das Schlechteste ist dem Besten entgegengesetzt" axiomatisch ohne nähere Begründung (wie ja auch Aristoteles selbst), u m die Schwere eines Übels von dem entgegengesetzten G u t her zu bestimmen (vgl. I - I I 39, 4 E . 1 : Bd. 10; 73, 4 Anders.: Bd. 12; I I - I I 20, 3 E . 2: Bd. 16; 34, 4 E. 2; 39, 2 E . 3; 79, 4 E . 2: Bd. 18; 94, 3 E . 1 : Bd. 19; 162, 6 E . 2: Bd. 22; Mal 2, 10 Anders.). Der Satz gründet darin, daß Thomas das Verhältnis von Gut u n d Schlecht als privativen Gegensatz bestimmt, d. h. das Schlechte ist eine Beraubung des Guten u n d nicht n u r ein Nicht-Gut. Das Schlechteste ist somit nichts anderes als eine B e r a u b u n g des Besten. N u r deshalb kann von ihm sein Gegenteil als das Beste — u n d nicht n u r als ein Besseres — bestimmt werden, weil es selbst definitorisch nichts anderes als dessen privativer Gegensatz ist. [3] Zu S. 11. Mit .Gerechtigkeit' ist hier nicht die Kardinaltugend gemeint, sondern die innere Rechtheit vor Gott (I-II 113, 1 Antw.: Bd. 14). Diese aristotelische „justitia metaphorice dicta" (ebd.) deckt sich mit dem biblischen Sinn von .Gerechtigkeit' (vgl. O. H . P e s c h OP, Die Theologie der Rechtfertigung bei Martin Luther u n d Thomas von Aquin. Diss. München 1964 [Maschinenschrift], 1029 ff., bes. 1031 Anm. 9). — Diese Gerechtigkeit wird .göttliche' genannt, weil Gott selbst die Men365
sehen .recht' m a c h t (I-II 113, 3), bzw. weil „das Höchste im Menschen Gott unterworfen wird" (I-II 113, 1). — Wenn es Z u 1 heißt, daß die Menschen „den Weg zur göttlichen Gerechtigkeit gehen", so ist dies im Sinne von I - I I 113, 1 d a h i n g e h e n d zu verstehen, daß Gott, wenn er die Menschen zur Gerechtigkeit hin bewegt, zugleich den freien Willen bewegt, so daß die Bewegung zugleich die eigene, wenn auch immer u n t e r dem Vorgriff Gottes ist (vgl. P e s c h , a. a. 0 . , 1043—1048). [4] Zu S. 11. Auf den ersten Blick scheint Thomas hier nicht mehr auf biblischem Boden zu stehen, u n d doch t u t er es. Auch das N T k e n n t die Unterscheidung von Person u n d Sache. Der Mensch, auch u n d besonders der Feind, ist zu lieben, seine Werke der Finsternis aber sind zu hassen (O. M i c h e l , ßiaea. T h W IV 697). Aber der Gebrauch des Gegensatzpaares „lieben — hassen" in diesem Zusammenhang (bes. in der Nachfolgeo r d n u n g : Mt 10, 37; L k 14, 26; J o 12, 25) ist ein Hebraismus, in dem „hassen" nicht psychologischen H a ß bedeutet, sondern bewußte Abkehr bzw. Ablehnung. Hassen ist also nicht psychologisch, sondern christozentrisch zu verstehen als Absage gegen jede Trennung von Christus ( M i c h e l , a. a. O., 694 f.). Thomas f a ß t H a ß als Leidenschaft (s. Antw. mit Verweis auf I - I I F r . 29: Bd. 10). I m näheren Zusammenhang aber bildet der H a ß den Gegenbegriff zur christlichen Nächstenliebe, ist daher von ihr her zu deuten. Insofern diese aber eine F u n k t i o n des geistigen Strebens ist, ist dies auch der ihr entgegengesetzte H a ß (I-II 29, 1 Antw. u. 6 Antw.). Auch bei Thomas ist daher der d e m Christen zukommende H a ß nicht psychologisch zu fassen, sondern als „ein Mißklang zwischen dem [geistigen] Streben u n d dem, was als widerstreitend u n d schädlich wahrgenommen wird" (I-II 29, 1). — W a s bei Thomas fehlt, ist die thematische Ausführung des christozentrischen Bezuges. [5] Zu S. 12. Der angedeutete Augustinustext l a u t e t : „Wenn es [ein Sein] aber verderbt wird, so ist seine Verderbnis d a r u m etwas Böses, weil sie es irgendeines Gutes beraubt. W e n n sie es nicht u m ein Gut bringen würde, würde sie nicht schaden" (A. A u g u s t i n u s , Enchiridion de fide, spe et caritate / H a n d büchlein über Glaube, Hoffnung u n d Liebe. Text u n d Übersetzung m. Einleitung u n d K o m m e n t a r hrsg. von J . B ä r b e l . D a r m s t a d t 1960, 39). Vgl. dazu den K o m m e n t a r von B ä r b e l (a. a. O., 203 f.). [6] Zu S. 13. P s . - C h r y s o s t o m u s begründet dies an der angeführten Stelle von der Erfüllbarkeit der Gebote h e r : Die Gebote des Moses sind leicht zu erfüllen (in actu facilia sunt), denn vor einem so großen Verbrechen, wie z. B. Mord u n d Ehebruch, schreckt der Wille zurück. Die Gebote Christi sind dagegen sehr schwer zu erfüllen (ipso actu sunt dijficilia), denn der Zorn, die Begierde usw. sind „in die Menschen von N a t u r aus eingepflanzt" (naturaliter in hominibus iracundia est plantata), so daß der Menge das Nicht-Zürnen usw. sehr schwerfällt. J e schwerer aber ein Gebot zu erfüllen ist, desto geringer ist 366
die Sünde beim Übertreten des Gebotes und zugleich desto größer die Belohnung bei seiner Erfüllung. [7] Zu S. 15. Die Wiedergabe der Definition von virtus (dgevri) in Phys. 7, 3 in dieser Fassung ist ungewöhnlich. Gewöhnlich gibt Thomas die Aristotelesstelle bzw. deren Paraphrase durch Themistius anders wieder: 1. „ Virtus est dispositio perfecti ad optimum: dico autem perfectum, quod est dispositum secundum naturam (Tugend ist Ausrichtung des Vollkommenen auf das B e s t e ; und vollkommen nenne ich, was gemäß der Natur ausgerichtet ist)" (Paraphrase des Themistius: 246 b 23 f . ; Thomas: I - I I 49, 2; 62, 1 E . 1: B d . 11; 71, 1: B d . 12; 110, 3 : B d . 14). 2. I n abgekürzter F o r m : „dispositio perfecti ad optimum" ( I - I I 55, 2 E . 3; 66, 5 E . 2 : B d . 11; I I - I I 23, 7 : B d . 1 7 A ; 145, 1: B d . 21) oder: „dispositio perfecti" ( I I - I I 17, 1 E . 3 : B d . 16; 161, 1 E . 4 : B d . 22). 3. „ Virtus est perfectio quaedam; tunc enim unumquodque perfectum dicimus quando attingit propriam virtutem (Tugend ist eine gewisse Vollkommenheit; wir nennen nämlich dann ein jedes vollkommen, wenn es die ihm eigene K r a f t [Tugend] erreicht)" (Aristoteles: 246 a 13 ff.; Thomas: CG, I 37: nr. 304). 4. I n abgekürzter F o r m : „perfectio quaedam" ( I - I I 49, 4 Anders.: B d . 11; I I - I I 4, 5 Zu 3 : B d . 15; 51, 1 E . 2; 117, 4 : B d . 2 0 ; 129, 2 ; 144, 1: B d . 21). Unsere Stelle zieht den Aristotelestext zusammen, indem sie den Begriff der Vollkommenheit ausläßt und an dessen Stelle sofort deren Definition setzt: „Die Tugend ist eine gewisse Vollkommenheit (denn wenn etwas seine eigene Tugend [Kraft] erreicht, dann nennt man es vollkommen, denn dann ist es am meisten der Natur gemäß)" (Phys. 7, 3 : 246 a 13 ff.). Thomas kommentiert diese Stelle: „Dann ist etwas am meisten der Natur gemäß, wenn es die K r a f t [Tugend] der Natur h a t ; denn die K r a f t der Natur ist das Zeichen der Vollendung der Natur: wenn aber etwas seine Natur vollendet (complete) hat, dann wird es vollkommen genannt" (Phys 7 lect. 6 : nr. 920). [8] Zu S. 21. Cassian sieht einen engen Zusammenhang zwischen der religiösen Schlaffheit und einem durch Fasten verursachten körperlichen Schwächezustand, der sich bei den Mönchen besonders um die Mittagszeit bemerkbar macht. Wenn der Grund für die religiöse Unlust der Mönche auch oft das Fasten war, so kann dessen Gegenteil, das Übermaß an Speise und Trank, die gleiche Wirkung haben. Der Mensch ist mit einem vollen Magen ebensowenig zu geistig-religiösen Akten aufgelegt wie mit einem leeren. [9] Zu S. 22. Der ,Schriftbeweis' steht auf schwachen Füßen. I n der angeführten Stelle, Sir 6, 25 (Vg. 26), ist von der acedia wohl nicht die Rede, denn acedior ist Übersetzung von jiooooyJI (Ekel empfinden, Unwillen hegen, ergrimmen). Vgl. Anm. [10]. 367
[10] Zu S. 22. Acedia ist die Latinisierung von dxyöia bzw. äy.)jdet.a (bei Cicero noch Fremdwort). I m profanen Griechisch ist dieses Wort- sehr selten. E s bezeichnet in einem sittlich indifferenten Sinne zunächst .Sorglosigkeit' u n d .Gleichgültigkeit', die berechtigt oder unberechtigt sein können. D a n n meint es auch .Erschöpfung', die dem Menschen den K a m p f u m das Lebensglück verleiden kann, u n d ,Bedrängnis'. U n d endlich bedeutet es .Sorgenfülle'. — I m christlichen R a u m wurde d a m i t anfänglich sowohl die als sittlich gut bewertete Sorglosigkeit des gottvertrauenden Christen als auch deren Mangel wiedergegeben. I m Möchtum erst wurde es zum terminus technicus des überdrüssigen Willens gegen das aszetisch-religiöse Leben u n d bildete in dieser Bedeutung bis zu G r e g o r d. G r . eines der acht H a u p t l a s t e r (vgl. Art. 4) (vgl. A. V ö g t l e , acedia. RAC I 62 f.). Die mittelalterliche Etymologie erklärte acedia von acida (sauer) her (so C ä s a r i u s v. H e i s t e r b a c h : s. D u C a n g e , Glossarium mediae et infimae Latinitatis. Neudruck Graz 1954ff, I 52 a). — Die Gleichsetzung: acida sunt frigida (Saures ist kalt) geschieht über den (auch etymologischen) Zusammenhang von acidus mit acetum (Essig) (s. W a l d e - H o f m a n n , Lateinisches etymologisches Wörterbuch. Heidelberg 3 1938, I 6). Essig ist verdorbener Wein (privatio et corruptio vini) u n d insofern sein Gegenteil (Met 8 lect. 4: nr. 1749 ff.). Diese privative Gegensätzlichkeit zeigt sich a n ihren gegensätzlichen Eigenschaften (contrariae proprietates): „Wein ist (d. h. macht) warm, Essig aber k a l t " (4 d 11: 2, 3 qa 2). D e n n ,kalt' ist Beraubung von ,warm' (privatio calidi) (Gen et Corr I lect. 8: nr. 61 f.; Cael 2 lect. 4: nr. 337). Vgl. Anm. [68]. Zum Wein vgl. Bd. 21 Anmerkung [74]. [11] Zu S. 25. Obwohl .Enthaltung' nicht unmittelbar das mit continentia Gemeinte erkennen läßt, wurde es trotzdem als Übersetzungswort gewählt, u m so auch im Deutschen die Stammgleichheit von abstinentia (Enthaltsamkeit) u n d continentia wiederzugeben (vgl. dazu Bd. 21, S. 567). Abstinentia besagt Maßhaltung (positive Festsetzung, nicht n u r negative Abgrenzimg) im Bereich des Essens, continentia solche im Bereich des Geschlechtlichen (vgl. F r . 146: Bd. 21; F r . 155: Bd. 22). [12] Zu S. 41. Die anschauliche Schilderung der Wirkungen des Neides geht weiter: „An Eigenem k a n n er sich nicht freuen, denn den sich abhärmenden Geist, den das fremde Glück martert, verletzt die eigene Strafe, u n d je mehr der B a u des fremden Werkes in die H ö h e wächst, desto tiefer wird das F u n d a ment des neidischen Geistes unterwühlt, so daß je mehr die anderen zu Höherem eilen, er u m so tiefer stürzt, durch welchen Sturz auch all das zerstört wird, was in anderen Handlungen ihn gar sehr emporgehoben erscheinen ließ" ( G r e g o r d. Gr., a. a. O.). [13] Zu S. 45. J o b 5, 2 meint Töten im physischen, nicht im sittlichen Sinne, wie Thomas den Vers deutet (vgl. auch I n 368
J o b 5, 2: lect. 1). Außerdem ist invidia die Wiedergabe von £f)/.og (Eifer, im negativen Sinne) u n d nicht von (p-üövog (Neid). — Als Schriftbeweis f ü r den Neid als Todsünde wäre daher R o m 1, 29 geeigneter, wo der Neid im Lasterkatalog mitaufg e f ü h r t wird. [14] Zu S. 57. Ursprung u n d Verfasser des neuplatonischen Werkes ,Liber de causis' oder ,De expositione bonitatis purae' sind nicht mit Sicherheit festzustellen. N a c h d e m es von G e r h a r d v o n C r e m o n a (f 1187) aus dem Arabischen übersetzt wurde, f a n d es rasch weiteste Verbreitung. Aufgebaut ist es nach der axiomatischen F o r m der Geometrie des E u k l i d : propositiones — commentum. I n der Mitte des 13. J h s . schrieb m a n die propositiones A r i s t o t e l e s zu u n d die commenta A l f a r a b i u n d A v i c e n n a . — T h o m a s v. A q u i n war es, der durch Textvergleich feststellte, d a ß die propositiones aus der Elementatio theologica des P r o k l o s zusammengestellt sind (Caus prooem.: ed. Saffrey S. 3) u n d d a ß der K o m m e n t a t o r dem P s e u d o D i o n y s nahesteht (Caus prop. 3: ed. Saffrey S. 20. 24 f.; prop. 4: ed. Saffrey S. 33; prop. 16: ed. Saffrey S. 95). Vgl. zum Ganzen H . D. S a f f r e y OP, Sancti Thomae de Aquino Super librum de causis expositio. Fribourg-Louvain 1954, X V — X X X I I . [15] Zu S. 60. ,Fleisch bezeichnet im Zusammenhang des Zitates aus Gal 5 den ganzen Menschen, „der Gott feindlich gegenübersteht, der nicht n u r physisch, sondern auch moralisch schwach u n d hinfällig ist" (A. S t ö g e r , Fleisch. B T h W I 351). „Werke des Fleisches" sind daher nicht n u r „sogenannte Sinnlichkeitssünden", sondern auch „solche, die mehr oder weniger dem geistigen Gebiet angehören" (a. a. O., 352). [16] Zu S. 60. Contendere = contra tendere ist nicht der ursprüngliche Sinn von contendere. Das con- ist intensiv zu verstehen : zusammen-spannen = anstrengen, daher seine ursprüngliche Gleichsetzung mit interniere. E r s t in der Ausweitung seiner Bedeutung erhält das con- komparativischen (zusammenspannen = vergleichen) u n d adversativen Charakter (zusammenspannen = gemeinsam anstrengen, gegen einen anderen sich anstrengen, streiten). [17] Zu S. 63. Thomas kommentiert J o b 13, 3 folgendermaßen : , , ,Mit dem Allmächtigen möchte ich sprechen'; er [Job] sagt gleichsam: Obgleich ich aus den verschiedenen Wirkungen die Größe der göttlichen Weisheit u n d K r a f t nicht weniger als ihr erkenne, werde ich dadurch dennoch nicht auf vernunftgemäße Weise von meinem Vorsatz abgebracht, j a vielmehr ich begehre Gott zu sprechen, u m die Regungen meines Herzens ihm zu öffnen, der der Erforscher u n d Richter der Herzen ist, u n d u m von ihm, der der Lehrer aller W a h r h e i t ist, die Wahrheit zu erforschen; daher f ü g t er [Job] hinzu: ,ich wünsche mit Gott ein Streitgespräch zu f ü h r e n ' ; nicht freilich, weil ich seine Urteile umstoßen will, sondern weil ich eure I r r t ü m e r zerstören will, a u s denen gefolgert wird: ich sei ungerecht vor G o t t " (Job 13, 3: lect. 1). 369
[18] Zu S. 68. Schisma bedeutet jedwede Spaltung und Trennung. Eine davon ist die Trennung der Herzen. Aber auch sie ist nicht schisma im hier gemeinten Sinn, sondern discordia (Zwietracht). — Über die Eigenart mittelalterlicher Worterklärung vgl. E . R . C u r t i u s , Europäische Literatur und abendländisches Mittelalter. Bern 1948, 488 (Etymologie als Denkform). [19] Zu S. 75. Die Ausführungen werden erst von ihrem aristotelischen Ursprung und Hintergrund her verständlich Aristoteles fragt in Metaph. 12, 10 (1075 a 11—15) danach, wie der Natur des Alls das Gute und das Beste zukommt (ly,f i >) zov ölov (pvoig %ö äyadöv
y.ai zö utjiatov:
a l l f.), o b d i e s e s d i e Ord-
nung des Alls selbst ist oder etwas von ihm Unterschiedenes, oder in beidem wie das Heer, das seinen Wert sowohl in seiner Ordnung als in dem Feldherrn hat, der diese herstellt. Thomas kommentiert: Die erste Ursache, von der der Himmel und die ganze Natur abhängen, ist als Ziel und anziehendes Gut (finis
et bonum appetibile)
ein v o m A l l z u u n t e r s c h e i d e n d e s G u t
(bonum separatum). E s ist aber notwendig, daß alle Dinge, die ein gemeinsames Ziel haben, in der Ordnung auf das Ziel hin übereinkommen. Daher findet sich in den Teilen des Alls eine gewisse Ordnung vor (bonum ordinis). „So wie wir es beim Heer sehen: Das Gut des Heeres besteht in der Ordnung des Heeres selbst und in dem Heerführer, der dem Heer vorsteht, aber mehr ist das Gut des Heeres in dem Heerführer als in der Ordnung, weil das Ziel in seinem Gutsein höher steht als das, was auf das Ziel hin ist. Die Ordnung des Heeres aber ist, um das Gut des Heerführers zu erfüllen, nämlich den Willen des Heerführers, den Sieg zu erlangen; nicht aber ist umgekehrt das Gut des Heerführers um des Gutes des Heeres willen. Und weil die Bewandtnis dessen, was auf das Ziel hin ist, vom Ziel her genommen wird, deshalb ist es notwendig, wenn die Ordnung des Heeres wegen des Heerführers sein soll, daß nicht nur die Ordnung des Heeres wegen des Heerführers ist, sondern auch, daß die Ordnung des Heeres vom Heerführer ist" (Met 12 lect. 12: nr. 2629 ff.). I m Verständnis von Aristoteles und Thomas hat das Heer seine einzige Zielbewandtnis darin, den Willen des Heerführers in die Tat umzusetzen, denn aus keinem anderen Grunde ist es vom Heerführer ins Leben gerufen worden. Die O r d n u n g des Heeres (nicht der einzelne Krieger als M e n s c h : vgl. E t h 1 lect. 2: nr. 30) ist daher seinem Willen voll untergeordnet. [20] Zu S. 79. ,Exkommunizieren' heißt aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausschließen und erst in der Folge davon Ausschluß von den Sakramenten, insbesondere von der Eucharistie. ,Ex-kommunikation' kommt also nicht vom Verbot der .Kommunion' her. Nur so ist der Gedankengang des Argumentes durchsichtig: die Verantwortung für die gefallenen Brüder ist besser gewahrt durch ihre Einbehaltung in der Gemeinschaft der Gläubigen als durch ihren Ausstoß. 370
[21] Zu S. 79. N a h 1, 9 lautet nach dem hebräischen U r t e x t : „Nicht zweimal erhebt sich Bedrängnis." Die griechische Übersetzung ( L X X ) h a t : oi>y. ¿xdix'qaei dig ¿ni %o avzo ¿v ü/J-ipu „Nicht wird E r zweimal zugleich in Bedrängnis strafen." Die von Thomas angeführte lateinische Ubersetzung gibt ¿ni rö ai>vo wörtlich m i t „in id ipsum" wieder. Der Einwand scheint diese Formulierung wörtlich als „in bezug auf dasselbe", bzw. mit einer Wendung ins masculinum als „in bezug auf denselben" zu verstehen (vgl. Suppl 89, 8 Anders.). [22] Zu S. 80. Dieses Prinzip, das nicht n u r in Aussagen der Heiligen Schrift u n d in theologischen Erwägungen gründet, sondern auch vom Volksglauben u n d aus nichtchristlichen Quellen gespeist wird, spielt eine besondere Rolle bei der Frage nach der Art u n d Weise der Höllenstrafe. Vgl. B d . 36, 517 f. — Das W o r t der Heiligen Schrift besagt: Zur Strafe der götzendienerischen Verehrung von Fröschen u n d allerlei Arten von Insekten sandte J a h w e eben diese Tiere als Strafe über sein Volk, „damit sie erkennen möchten, daß m a n gestraft wird, wodurch m a n sündigt". [23] Zu S. 82. Nachdem sich Jesus ausdrücklich vom Gesetz der Wiedervergeltung (jus talionis) distanziert h a t (Mt 5, 38), weist er hier mit der B e r u f u n g auf dieses Gesetz einen Verteidigungsversuch seiner J ü n g e r zurück: diese sollen d a r a n denken, daß die Wiedervergeltung als Gesetz dieser Weltzeit an ihnen vollzogen werden wird (vgl. J . S c h m i d , zu Mt 5, 38. R N T 4 I 107 f.). „Das W o r t h a t sprichwortartigen Charakter u n d sagt nichts aus, weder über das moralische R e c h t derer, die an ihn [Jesus] H a n d anlegen wollen, noch über die sittliche Berechtigung des Staates überhaupt, sein .Schwert', d. h. seine Macht, auch zum Töten zu gebrauchen" (J. S c h m i d , zu Mt 26, 52. R N T 4 I 363). F ü r die Christen aber besagt es — wenn die Situation der Gefangennahme Jesu als allgemeine christliche Situation ausgeweitet werden darf —, d a ß einmal eine Verteidigung des Glaubens mit dem Schwert aussichtslos ist und daß andererseits der Glaube eine solche Verteidigung auch nicht braucht u n d nicht fordert (a. a. O.). [24] Zu S. 83. Die Turniere, in Frankreich im 11. u n d in Deutschland im 12. J h . eingeführt, sind wegen der f ü r Leib und Leben d a m i t verbundenen Gefahren von der Kirche o f t verboten worden. So z. B. von der Synode von Clermont 1130, dem 2. Laterankonzil 1139, der Synode von Reims 1148. Wer an einer im Turnier erhaltenen Verwundung starb, konnte zwar auf seine B i t t e n vorher Absolution u n d Wegzehrung empfangen, wurde aber nicht kirchlich beerdigt. Trotz aller Verbote sind solche Turniere bis in die Mitte des 16. J h . abgehalten worden (vgl. A. S c h a r n a g l , Zweikampf. L T h K X 1109 f.). [25] Zu S. 89. Thomas v e r t r a t die theologische Meinung, daß der Soldatentod u n t e r bestimmten U m s t ä n d e n — wenn das Gemeinwohl, f ü r das er kämpfend stirbt, auf Christus bezogen 371
ist — Martyrium sei (II-II 124, 5 Zu 3: Bd. 21; Suppl96, 6 Zu 11: Bd. 36). Diese Auffassung setzte sich jedoch nicht durch, u n d der durch Kardinal L a m b e r t i n i (Papst B e n e d i k t XIV.) geprägte .kanonische' Martyriumsbegriff läßt d a f ü r keinen R a u m . Vgl. die ausführliche Darstellving in Bd. 21, S. 477—489, bes. 485—488. [26] Zu S. 91. Schon das AT u n d N T stellten Eignungsbedingungen f ü r das Priesteramt auf. W e r diesen regulae nicht entspricht, ist ir-regulär. I m Laufe der Kirchengeschichte war die Festlegung solcher Weihehindernisse (Irregularitäten) nicht immer einheitlich. Die letzte u n d heute gültige Festlegung geschah im CJC (can. 983—991). Die Irregularitäten richten sich in erster Linie nicht auf den Schuldcharakter, sondern auf den Tatcharakter einer H a n d l u n g (I-II 20, 5 Zu 4 : Bd. 9), wie dies auch a n unserer Stelle deutlich wird. Vgl. Bd. 31 Anm. [137] u n d K o m m . S. 525; außerdem im allgemeinen W . U l h o f f , Irregularität. L T h K 2 V 766 f. [27] Zu S. 91. Thomas zitiert hier 2 K o r 10, 4 nicht in der gewöhnlichen Vulgatafassung (ebenso 4 d 49: 5, 3 qa 3 Zu 3; anders in 2 Cor 10, 4: nr. 350). Die Variante spiritnalia statt potentia (dvvatü) ergibt aber den gleichen Sinn: die Macht des Christen ist nicht menschlich-irdischer N a t u r ( = fleischlich: vgl. Anm. [15]), sondern Macht Gottes ( = geistig). Vgl. dazu Bd. 21 Anm. [1], E . S c h w e i z e r , aäsS. T h W V I I 127. [28] Zu S. 95. Mathathias u n d seine Freunde beschlossen, auch a m Sabbat zu kämpfen, nachdem zuvor die Israeliten sich geweigert h a t t e n , a m Sabbat zu kämpfen, u n d infolgedessen „gegen tausend Menschen" a m Sabbat getötet worden waren (1 Makk 2, 34—38). [29] Zu S. 97. Rixa steht wahrscheinlich in etymologischem Zusammenhang mit rima (Spalte, Ritze) — ¿Qtixca (zerbrechen, zerspalten). Die Verbindung mit ringor, ri(n)ctus (Mund aufsperren, Zähne fletschen) ist fragwürdig, aber auch heute noch vertreten (s. W a l d e - H o f m a n n , a. a. O., I I 435 f. 438). [30] Zu S. 100. „Die Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens unterscheiden sich von denen des begehrenden darin, daß die Gegenstände der Leidenschaften des begehrenden Strebevermögens Gut und Übel schlechthin sind, die der Leidenschaften des überwindenden Strebevermögens aber Gut u n d Übel mit einer gewissen Steigerung oder Schwierigkeit. . . Der Zorn aber geht auf zwei Gegenstände, nämlich auf die Vergeltung, die er anstrebt, u n d auf den, an dem er Vergeltung zu üben sucht. U n d bei beiden setzt der Zorn eine gewisse Schwierigkeit voraus. Die Zornwallung bricht nämlich nicht aus, wenn es sich nicht auf beiden Seiten u m etwas Großes h a n d e l t . . . Daher ist es offenbar, d a ß der Zorn nicht im begehrenden, sondern im überwindenden Strebevermögen ist" (I-II 46, 3: Bd. 10). 372
[31] Zu S. 104. Seditio ist zusammengesetzt aus sed = se (beiseite, weg) u n d itio (Gehen) : Beiseitegehen, Sich-Absondern, Aufgeben des Zusammengehens m i t a n d e r e n (vgl. W a l d e H o f m a n n , a. a. O., I I 509. 50G f.). [32] Zu S. 114. Die B e d e u t u n g von jortuna als Glück ist bei T h o m a s s t a r k zurückgedrängt, d a jortuna f ü r ihn Übersetzungswort des aristotelischen %v%r) ist u n d d a h e r gewöhnlich den Sinn v o n ,Geschick', ,Zufall' h a t . — T h o m a s k o m m e n t i e r t die zitierte Stelle der aristotelischen P h y s i k : „Geschick (Zufall) ist eine Ursache d u r c h Hinzufall (causa per accidens) in den Dingen, die g e m ä ß einem Vorsatz (secundum propositum) u m eines Zieles willen in einem begrenzten Bereich geschehen. D a r a u s wird ersichtlich, d a ß Zufall u n d V e r s t a n d sich auf dasselbe richten, d e n n n u r denen k o m m t ein H a n d e l n a u s Zufall zu, die einen V e r s t a n d h a b e n ; Vorsatz oder Wille sind nämlich nicht ohne V e r s t a n d . U n d wenn auch n u r jene aus Zufall handeln, die einen V e r s t a n d h a b e n , so ist d e m n a c h etwas, je m e h r es d e m V e r s t a n d u n t e r w o r f e n ist, desto weniger d e m Zufall unterw o r f e n " (Phys 2 lect. 8: n r . 216). Zur gegenseitigen Bedingtheit v o n TéXoç u n d zv/ri bei Aristoteles vgl. W . J a n k e , Theologie u n d Unendlichkeit. A G P h 46 (1964) 87 f. I n der 2. H ä l f t e der Lösung verweist T h o m a s d a r a u f , d a ß etwas Zufälliges oder das Zufällige selbst d a s Wesen eines Dinges a u s m a c h e n k a n n u n d d a n n in dessen Begriffsbestimmung eingeht. Dieses Zufällige aber ist von d e m zu unterscheiden, was d e m Wesen eines Dinges zufällig ist, denn dieses Zufällige k o m m t einem Ding a n sich u n d nicht zufällig zu. [33] Zu S. 117. Hier ist das, was das Ärgernis zu einem solchen u n d d a m i t zu einer Sünde m a c h t , d a ß nämlich ein weniger richtiges Verhalten einem a n d e r e n Anlaß zur Sünde wird, nicht erwähnt. [34] Zu S. 118. Der S a t z : „Es ist notwendig, d a ß Ärgernisse k o m m e n " h e i ß t nicht : Ärgernisse k o m m e n notwendig, sondern : die Aussage ,Ärgernisse k o m m e n ' ist notwendig. Das von Gott Vorhergewußte t r i t t n i c h t notwendig ein, sondern die Beziehung zwischen d e m Vorherwissen Gottes und d e m E i n t r e t e n ist eine notwendige. N u r insofern ich dieses .Zusammen' v o n beidem begreife, k a n n von Notwendigkeit gesprochen werden. .Notwendig' bezieht sich also auf die Aussageform (Verknüpfung v o n S u b j e k t u n d P r ä d i k a t des Satzes) und nicht auf den Gegens t a n d der Aussage. [35] Zu S. 119. Die Lösung bezieht sich n u r auf das Ärgernis. Von diesem wird gesagt, es sei immer eine Sünde, wenigstens eine läßliche (vgl. 43, 4). Auch w e n n tatsächlich kein Ärgernis g e n o m m e n wird, k a n n doch der T a t b e s t a n d eines Ärgernisgebens vorliegen (43, 1 Zu 4). [36] Zu S. 121. Die Lösung berücksichtigt n u r eine b e s t i m m t e F o r m des Ärgernisses, jene, die ein n u r scheinbar s ü n d h a f t e s 373
Verhalten ist. Aber auch das Ärgernis, das in einer in sich schon sündhaften Handlung besteht, ist von der betreffenden Sünde der Art nach verschieden, da diese nur als Materie im Ärgernis enthalten ist. I n diesem Fall ist die Sünde des Ärgernisses zwar nicht getrennt von der anderen, aber doch von ihr verschieden (vgl. Zu 1). [37] Zu S. 122. Der Artikel versucht weniger zu zeigen, daß das Ärgernis eine schwere Sünde ist, sondern daß es auch eine leichte Sünde sein kann. Das ist insofern überraschend, als in den vorausgehenden Artikeln über das Ärgernis, wie überhaupt bei allen Lastern gegen die Liebe, das schwer Sündhafte besonders betont wird. [38] Zu S. 122. Letztlich und mittelbar richtet sich jede Sünde gegen Gott. Aber deshalb braucht nicht auch unmittelbar jede gegen Gott gerichtet zu sein. So verstößt das Ärgernis unmittelbar gegen die dem Nächsten geschuldete Zurechtweisung (vgl. 43, 3). [39] Zu S. 126. I m Gegensatz zur Lösung des Artikels, nach der die Vollkommenen nicht einmal im Sinne der läßlichen Sünde Ärgernis nehmen können, nimmt Thomas in 4 d 3 8 : 2, 3 diese Möglichkeit für einige der Vollkommenen noch an. [40] Zu S. 126. Daraus, daß Paulus vom Satan gehindert wurde (2 Thess 2, 18), wird geschlossen, Paulus habe Ärgernis genommen. Tatsächlich ist dieses Gehindertwerden aber kein Ärgernis-nehmen, wenn die innere Gemeinschaft mit Gott in der Liebe bleibt. [41] Zu S. 126. P s 73 (72), 2 sagt nicht, auch der Gerechte könne in Gefahr kommen, Ärgernis zu nehmen, sondern der Verfasser des Psalms bekennt von sich, die Feststellung, daß es den Frevlern gut gehe, habe seinen Glauben an Gottes gerechte Vorsehung beinahe wankend gemacht. [42] Zu S. 127. Passio est effectus actionis. Mit passio ist hier nicht ein Vollzug des sinnenhaften Strebens, eine Leidenschaft gemeint, sondern jene (vor allem qualitative) Veränderung, die ein Seiendes dadurch erfährt, daß es die Wirkung der Tätigkeit (actio) eines anderen aufnimmt. Vgl. Phys 3 lect. 5 (nr. 309 ff.). [43] Zu S. 128. Ähnlich wie hinsichtlich des Ärgernis-nehmens hat Thomas im Sentenzenkommentar (a. a. O.) auch hinsichtlich des Ärgernis-gebens eine etwas andere Ansicht vertreten. E r nimmt dort an, Vollkommene könnten auch noch leichtes Ärgernis geben, wie sie zuweilen noch in andere läßliche Sünden fallen. [44] Zu S. 129. Gemeint ist „das Ärgernis der Pharisäer" (vgl. Art. 7 u. 8). [45] Zu S. 131 u. 136. Die Herkunft dieser als regula Hieronymi (Art. 8 E . 2; A l e x a n d e r v. H a i e s , Summa I I I 862: Q R 3/821) 374
bezeichneten Sentenz ist dunkel. Bei H i e r o n y m u s ist dieser Ausspruch nicht nachweisbar. B e d a V e n e r a b i i i s kommentiert Mk 9, 4 1 : „Wenn aber durch die Wahrheit ein Ärgernis entsteht, dann ist es nützlicher, zuzulassen, daß das Ärgernis geboren wird, als daß die Wahrheit aufgegeben wird" ( P L 92/ 2 2 6 C ; als Glosse zu Mk 9, 41 übernommen: P L 114/216A). Die regulae juris G r e g o r s I X . scheinen sich daran anzulehnen: „Um ein Ärgernis zu vermeiden, ist die Wahrheit nicht aufzugeben" (Decretal. V . tit. 41, c. 3 : F r d b I I 927; s. B o n a v e n t u r a , Sent. 4 d. 13 dub. 1 u. d. 21 p. 2 a. 2 qu. 3 : Q R 4/312. 870). B o n a v e n t u r a spricht in dem Zusammenhang nur von der veritas vitae vel doctrinae (Sent. 4 d. 3 p. 2 a. 3 qu. 2 sc.; d. 7 dub. 1: Q R 4/86. 175). H u g o v. S t . C h e r zitiert die Regel ohne Namensnennung als versus: „Dreifach ist die Wahrheit, nämlich des Lebens, der Gerechtigkeit und der Lehre, die niemals aufgegeben werden darf, um ein Ärgernis zu vermeiden. Daher der Vers: Dem Leben, der Gerechtigkeit und der Lehre weichen die Ärgernisse, die anderen Güter aber sind manchmal aufzugeben, manchmal nicht" (in Mt 18, 7 : Venedig 1703, V I fol. 6 1 r b ) . Dem T e x t von Thomas am nächsten steht W i l h e l m v. A u x e r r e , der auch des näheren erläutert, was unter dieser dreifachen Wahrheit zu verstehen ist: „ohne Schaden der dreifachen Wahrheit, des Lebens, der Gerechtigkeit und der Lehre: des Lebens, weil ich nicht, wenn der Gefährte daran Ärgernis nimmt, daß ich nicht gleich ihm Ehebruch treibe, wegen dieses Ärgernisses mein gutes Leben aufgeben darf; oder wenn einer daran Ärgernis nimmt, daß ich ein gerechtes Urteil gegen ihn fälle, dann darf ich deswegen nicht aufhören, gerecht zu urteilen ; der Lehre, weil ich, wenn einer daran Ärgernis nimmt, daß ich den Glauben verkünde, deswegen nicht aufhören darf, zu verkünden" (Summa aurea I I I tr. 24 qu. 4 : E d . Pigouchet, Paris 1500, fol. 2 3 6 v b ) . [46] Zu S. 136. D a r f man eine läßliche Sünde begehen, um einen anderen vor einer schweren zu bewahren? E s scheint der Fall zu sein, weil man so einen anderen vor der Verdammnis bewahrt — wozu man verpflichtet ist — , ohne dadurch sein eigenes Heil zu gefährden. Aber der Schein trügt. Sicher darf man ein geringeres physisches Übel verursachen, um dadurch ein größeres zu verhüten. I n der sittlichen Ordnung darf man sicher keine schwere Sünde begehen, um einen anderen vor einer solchen zu bewahren ( I I - I I 26, 4 : B d . 17A). Aber man darf des genannten Zweckes wegen auch keine läßliche Sünde begehen, obgleich diese die Gnade und das Gehaben der Liebe nicht zerstört ( I I - I I 24, 8 Zu 2 : B d . 17A), kein Übel schlechthin, sondern nur in gewisser Hinsicht ist ( I - I I 78, 2 Zu 1: B d . 12). Sie bringt den Menschen trotzdem in Gefahr, eine schwere Sünde zu begehen, indem sie ihn dazu disponiert. Darum ist sie heilsgefährdend und muß vermieden werden. [47] Zu S. 138. Über das Leben und die Leistungen des Erzbischofs von Canterbury T h o m a s Becket (1118—1170) berichtet in ebenso anregender wie kritischer Weise und mit 375
reicher Literaturangabe: G. K r a n z , Politische Heilige u n d katholische Frömmigkeit. Augsburg 1959, 114—145. [48] Zu S. 140. „Das Judenchristentum h a t a m Verbot des als kultisch unrein [vgl. Bd. 21, Anm. (75)] geltenden Götzenopferfleisches festgehalten (Apg 15,20 29; A p k 2, 14 20). Paulus dagegen v e r t r i t t hierin einen fortgeschrittenen S t a n d p u n k t : Wenn es keine Götzen gibt, d a n n auch kein Götzenopferfleisch, u n d d a r u m erlaubt er den .Starken' grundsätzlich dessen Genuß. U m aber den .Schwachen', die durch seinen Genuß ihr Gewissen beflecken würden, keinen Anstoß zu bereiten, sollen die Starken darauf verzichten (1 K o r 8 , 1 — 1 3 ; 10,23—33). Gleichzeitig w a r n t er aber vor der Teilnahme an Götzenopfermahlzeiten; denn wenn die Götzen auch keine Götter sind, so stehen hinter ihnen doch die Dämonen, mit denen der Christ nicht in Gemeinschaft treten soll (1 K o r 10, 14—22; vgl. auch E p h 2, 2; Kol 1, 13)" (J. S c h m i d , Götzendienst. L T h K 2 I V 1148 f.). [49] Zu S. 143. Die hier gegebene Einteilung der Tugenden gliedert diese unter dem Einfluß von 1 Tim 1, 5 nach ihrer Funktion bei der Einung des Menschen mit Gott durch die Liebe. Die oft so sehr formalen Erörterungen von Thomas gerade bei der Behandlung der Tugenden bekommen a n Stellen wie dieser gleichsam wieder Boden u n t e r den F ü ß e n : der biblische Boden, aus dem sie hervorgehen, u n d der konkrete Mensch, den sie betreffen, werden sichtbar. W a s sonst in der Einteilung der Tugenden als ein Anhang zur Gerechtigkeit an den R a n d gedrückt zu sein scheint (vgl. I I - I I F r . 80: Bd. 19), die Tugenden des .religiösen Lebens', ist hier der Gerechtigkeit eigenständig gegenübergestellt u n d vorgeordnet. Die Tugenden des ,religiösen Lebens' sind die Vorbedingungen eines .rechten Glaubens', sie bereiten den Boden f ü r die Beseitigung von I r r t ü m e r n u n d f ü r die Festigung der Herzen im rechten Glauben (vgl. 1 Tim 1, 5 : nr. 16). Die biblische Inspiration der thomasischen Tugendlehre wird vor allem dort sichtbar, wo sich Thomas auf das Beispiel Christi beruft. Auf Grund seiner Gnadenfülle „besaß Christus alle Tugenden" ( I I I 7, 2), ausgenommen den Glauben, d a dieser Nicht-schauen des Göttlichen besagt, Christus aber „vom ersten Augenblick seiner Empfängnis an Gottes Wesen in seiner Fülle schaute" ( I I I 7 , 3 ; vgl. 9 , 2 ; F r . 10: Bd. 25; 3 4 , 4 : B d . 26). Solche Aussagen sind nicht im Sinne einer beschreibenden Psychologie zu verstehen, sondern transzendental, das heißt im R a h m e n der Frage nach dem Sein Christi als Bedingung der Möglichkeit der Erlösung. Thomas läßt sich in seiner theologischen Überlegung ständig von der Schrift korrigieren. So f ü g t er gleich hinzu, daß Christus das zu eigen war, was die Bibel als das Eigentliche des gelebten Glaubens bezeichnet: der Gehorsam gegenüber dem im Dunkel führenden Gott ( I I I 7, 3 Zu 2). W e n n Thomas Christus „die sittlichen Tugenden" (ebd. Zu 1) zuschreibt, d a n n ist damit der ,religiöse' Bereich — bei Christus das Verhältnis zum Vater •— nicht n u r mitgemeint, sondern vor allem im Blick. So k a n n Thomas im Anschluß a n Augustinus 376
(Enohiridion 53 ? Vgl. ed. Bärbel, a. a. O., 104) auf die Haltungen hinweisen, die der Herr in seinem Leiden und am Kreuze offenbart und sie als Vorbild christlicher Bildung (ad informandum totaliter vitam nostram) darstellen: Liebe, Geduld, Demut, Gehorsam, Verachtung des Irdischen (Symb 4 : nr. 919 ff.), dazu Tapferkeit (CTh 2 2 7 : nr. 477), Standhaftigkeit, Gerechtigkeit ( I I I 46, 3 Antw. Zweitens: B d . 28), kindliche Sorge um die Mutter und in allem Beharrlichkeit bis ans Ende (Hb 12 lect. 1: nr. 667). [50] Zu S. 144. Nicht jedes .Vorstellen' ist ein .Verstellen' (vgl. I I - I I 111, 1 Zu 1: B d . 20). Thomas aber gebraucht in unserem Zusammenhang fingere in der engen Bedeutung des verstellenden Vorstellens. E i n .verstellter Glaube' (fides ficta) richtet sich nicht auf Gott, sondern auf ein Bild, das wir uns von Gott gemacht haben, insofern diese Vorstellung Gottes nicht auf Gott selbst verweist, sondern den Blick auf ihn gerade .verstellt', weil es ein Bild ist, das wir nach unseren eigenen Bedürfnissen gemacht haben. Fehlende Ausrichtung des Lebens auf Gott macht einen Glauben zum ,verstellten Glauben' (vgl. Anm. [49]). L . F e u e r b a c h denunzierte den Glauben überhaupt als einen ,verstellten Glauben', weil er Gott leugnete, wodurch jede Gottesvorstellung notwendig nur ein Bild der menschlichen Bedürfnisse sein muß und nicht auch verweisenden Charakter haben kann, insofern sie Ausdruck der Ausrichtung des Menschen auf Gott ist. [51] Zu S. 144. Die Frage, wie oft das Gebot der Gottesliebe zu erfüllen ist, wird im Artikel nicht gestellt. Bedenkt man, daß alle anderen Gebote auf die Liebe zu Gott und zum Mitmenschen hingeordnet sind (44, 1 Zu 3), dann wird und muß die Gottesliebe so oft geübt werden, wie man zu den anderen Geboten verpflichtet ist. Hinsichtlich des ausdrücklichen Vollzugs der Gottesliebe hat Papst Innozenz X I . 1679 einige minimalistische Ansichten verworfen: jene, nach der es genügt, die Gottesliebe einmal im Leben zu erwecken (Dz 2105; vgl. 2106), und jene, nach der ein solcher Akt nur verpflichtend ist, wenn er die einzige Möglichkeit unserer Rechtfertigung ist (Dz 2107). [52] Zu S. 144. Der Freiheit ist nicht die Notwendigkeit schlechthin entgegengesetzt, sondern die Notwendigkeit des Zwanges (I 82, 1: B d . 6). Gebot aber ist nicht mit Zwang gleichzusetzen, denn der Zwang richtet sich gegen die eigene Neigung (ebd.), während das Gebot nur eine Verpflichtung formuliert, die in der wesensgemäßen eigenen Neigung und deren Vollzug enthalten ist. E s wird daher nur dann zum Zwang — das heißt etwas Äußerliches, mir Entgegenstehendes, dem nur aus Furcht entsprochen wird — , wenn der Mensch sich gegen seine eigene Natur kehrt (vgl. B d . 21, Anm. [17] und [67]). Die Möglichkeit dazu gründet in der Freiheit des Menschen, ihr Vollzug aber ist nicht deren Verwirklichung, sondern Abfall von ihr (I 62, 8 Zu 3 : B d . 4). Freiheit ist ihrem Wesen nach ,Selbstvollzug' des Menschen : Der Mensch tut aus sich heraus das, worauf er angelegt 377
ist. Vgl. Bd. 14, Anm. [22]; Bd. 31, Anm. [127]; Otto M. P e s c h OP, Freiheitsbegriff und Freiheitslehre bei Thomas von Aquin und Luther. Cath 17 (1963) 197—244, bes. 200—210. Zum Verständnis von Einwand und Lösung an unserer Stelle ist zu beachten, daß vom Neuen Gesetz die Rede ist. Dieses ist als „Gnade des Heiligen Geistes" dem Christen innerlich (I-II 106, 1: Bd. 14). Das Gebot der Liebe ist damit nur der Ausdruck dafür, daß wir die uns geschenkte Liebe im Lieben zu vollziehen haben: Wir haben die Liebe empfangen und deshalb stehen wir unter der Forderung der Liebe. Wir stehen unter dem „Gesetz der Freiheit", weil die Gnade des Heiligen Geistes als etwas uns Innerliches uns das frei tun läßt, wozu sie uns geneigt macht (I-II 106, 1 Zu 2; 108, 1 Antw. u. Zu 2: Bd. 14; vgl. U. K ü h n , Via Caritatis. Theologie des Gesetzes bei Thomas von Aquin. Göttingen 1965). [53] Zu S. 147. Thomas beantwortet nur einen Teil des Einwandes. Dieser setzt an: Es gibt Gottesliebe ohne Nächstenliebe. Und fügt dann ein a fortiori zu: Gottesliebe ist der Nächstenliebe entgegengesetzt. Also ist der Verstoß gegen die Nächstenliebe keine Sünde, und damit kann auch bezüglich der Nächstenliebe kein Gebot gegeben werden. — Die Lösung lautet: Die Nächstenliebe hat die Bewandtnis ihres Gutseins aus ihrer Hinordnung auf die Gottesliebe. Eine der Nächstenliebe entgegengesetzte Sünde hat dementsprechend ihr Schlechtsein aus ihrer Abkehr von der Gottesliebe und nicht aus ihrem Gegensatz zur Nächstenliebe unter Absehung ihrer Bezogenheit zur Gottesliebe, denn insoweit kommt ihr kein Gutsein zu. Der Einwand spricht aber von einer .Nächstenliebe', die nicht auf die Gottesliebe hingeordnet, sondern sich gerade von dieser abhebt und sich ihr entgegensetzt. Diese .Nächstenliebe' ist im Sinne des Herrenwortes abzulehnen. Von ihr ist aber im Artikel nicht die Rede. (Zum Gegensatzpaar .lieben—hassen' vgl. Anm. [4].) Auf den ersten Teil des Einwandes hätte Thomas mit dem Aufweis des inneren Bezuges von Gottes- und Nächstenliebe antworten müssen (vgl. Fr. 25; 26, 2: Bd. 17A). [54] Zu S. 148. Die von Augustinus (s. Zu 1) übernommene Einteilung der Liebe nach ihrem vierfachen Gegenstand: Gott, Ich, Mitmensch und eigener Leib, ist nicht adäquat, da Ich und eigener Leib nicht so verschieden sind, wie in dieser neuplatonischen Sicht unterstellt wird. [55] Zu S. 149. Der Beweis dafür, daß zwei Liebesgebote, das der Gottes- und der Nächstenliebe, genügen, und daß die Selbstliebe nicht geboten zu werden braucht, stützt sich darauf, daß die hier gemeinte Liebe Freundschaftsliebe ist und Freundschaftsliebe immer einen Partner fordert. Demnach scheint es, als könne der Mensch sich selbst überhaupt nicht mit der hier gemeinten übernatürlichen Liebe lieben. Aber trotzdem ist das möglich. Denn der Mensch kann sich kraft der Gottesliebe als den von Gott Geliebten lieben (vgl. H. C h r i s t m a n n OP, Bd. 17A, S. 471 ff.). 378
[56] Zu S. 150. Thomas denkt dabei wahrscheinlich an Stellen wie „Tue dem Gerechten Gutes" (Sir 12, 2); „Gib dem Guten u n d weise den Bösen ab, lobe den Demütigen u n d gib dem Übermütigen nichts" (Sir 1 2 , 4 ) ; „Bevor d u stirbst, t u e Gutes dem F r e u n d , u n d soviel d u kannst, beschenke ihn" (Sir 14, 13); „Versage nicht Gutes dem, der es nötig h a t " (Spr 3, 27); „Liebet eure Feinde u n d t u t Gutes u n d leiht aus, ohne etwas zu erwarten" (Lk 6, 35). [57] Zu S. 152. Bei einem Tugendakt ist ein Zweifaches zu unterscheiden: seine S u b s t a n z , worunter das ihm Eigentümliche zu verstehen ist, sowie eine bestimmte A r t u n d W e i s e des Vollzugs. Dabei ist wieder eine .innere' u n d eine .äußere' Weise auseinanderzuhalten. Bei der Liebe zu den E l t e r n besteht die S u b s t a n z oder das Wesen in einer E h r f u r c h t , Liebe und Bereitschaft enthaltenden willentlichen Verfassung. Eine .äußere' W e i s e dieser Liebe wäre ihr Vollzug aus einem anderen Beweggrund, etwa dem der Liebe zu Gott. Die .innere' Art und Weise dieser Liebe bestände in ihrem Umfang, in all dem, was sie enthält, u m eine geziemende Liebe zu den E l t e r n zu sein. D a ß Gott aus ganzem Herzen u n d m i t ganzer K r a f t zu lieben ist, wird im Artikel als eine .innere' Art u n d Weise der Gottesliebe aufgefaßt. Die einer Tugend innere A r t u n d Weise fällt, wie die Tugend selbst, auch u n t e r das Gebot (Zu 1). — Zu dem Einfluß einer höheren Tugend auf eine niedere vgl. Bd. 21 Anm. [16]. [58] Zu S. 153. E s sind drei Zustandsweisen der Gottesliebe zu unterscheiden: die schlechthin vollkommene, in der der Mensch m i t allen seinen K r ä f t e n diese Liebe t a t s ä c h l i c h vollzieht. Sie ist nur dem im himmlischen Vaterhaus angekommenen Menschen möglich. Der Mensch als Wanderer k a n n sich zu Gott als Endziel so verhalten, d a ß er ihm z u s t ä n d l i c h zugewandt bleibt u n d sich in seinen Akten vorwiegend darauf beschränkt, n i c h t zu t u n , was ihn von Gott trennen könnte. Das wäre die unterste Stufe der Gottesliebe. Außer ihr ist dem irdischen Menschen noch eine andere möglich, die sich nicht vorwiegend auf die Unterlassung schlechter, sondern auf den Vollzug g u t e r Akte verlegt. Sie steht höher als die mehr negativ sich betätigende irdische F o r m u n d tiefer als der höchstmögliche positive Vollzug im Himmel. I n dieser mittleren Art betätigt der Mensch alle seine K r ä f t e , soweit er das auf E r d e n kann. W e n n also die Gottesliebe diese F o r m haben m u ß , u m echte Gottesliebe zu sein, wäre im bloßen Vermeiden dessen, was sich m i t Gott als Endziel nicht verträgt, schon keine wahre Gottesliebe mehr. Trotzdem wird aber diese unterste F o r m noch als perfectio viae bezeichnet. [59] Zu S. 161. Mit „Ordnung der Liebe" ist die Rangordnung im Gegenstandsbereich der Liebe gemeint, die in I I - I I 26, 1—13 (Bd. 17A) ausführlich behandelt wird. [60] Zu S. 163. Die Ordnung der Liebe ist dem Menschen vorgegeben, denn sein Lieben schafft nicht den liebenswerten Gegen379
stand — wie die Liebe Gottes —, sondern setzt ihn in seiner Liebenswertheit voraus. Diese Skala der Liebenswertheit ist nun keine absolute, sondern eine relative. Der Einwand aber geht davon aus, daß das Maß der Liebenswertheit dem Gegenstand in sich zukommt ohne Bezug auf den Liebenden. Thomas antwortet, daß das Maß an Liebe, worauf der andere Anspruch hat, immer nur ein Verhältnismaß ist, das heißt nur als ein Mehr oder Weniger gegenüber einem anderen gefaßt werden kann. Beachtet muß werden, daß Thomas hier von der Objektordnung der Liebe spricht, was bzw. wer wem vorzuziehen bzw. hintenanzustellen ist. Über die psychologische Intensität der Liebe ist damit nichts ausgesagt. Mit anderen Worten: Thomas spricht hier von dem qualitativen Mehr oder Weniger der Liebe, nicht aber von dem quantitativen (vgl. dazu B d . 21 Anm. [53]). [61] Zu S. 167. In seiner Allgemeinheit gilt der Satz für jedes Seiende. Letztlich liegt ihm ein besonderes Verständnis von Bewegung und Sein zugrunde. Ziel besagt „Endpunkt der Bewegung" (Met 5 lect. 2: nr. 775). Bewegung ist damit immer gerichtete Bewegung und Wirken als positiv-gerichtete Bewegung — in Abhebung vom Leiden, Aufnehmen (pati) als der gleichzeitig verlaufenden negativ-gerichteten Bewegung — immer e i n e Bewegung auf ein esse zu. D a s propter finem des Wirkens gründet in der Einheit der Bewegung als solcher. „Das Wirkende [ = „Ausgangspunkt der Bewegung"] ist die Ursache des Zieles im Hinblick auf dessen Sein, weil das Wirkende bewegend zu dem hinführt, was das Ziel ist. Das Ziel aber ist die Ursache des Wirkenden nicht im Hinblick auf dessen Sein, sondern im Hinblick auf dessen Ursächlichkeitsbewandtnis.. . Daher erhält das Wirkende vom Ziel her seine Ursächlichkeit" (ebd.). In der Art und Weise, wie das Ziel vorgestellt wird, unterscheiden sich die Naturwesen von den verstandhaften, den ersteren ist das vor-gestellte Ziel in ihrer Naturanlage selbst mitgegeben, die letzteren stellen sich das Ziel selbst vor (I-II 1, 2: B d . 9). Deswegen ist es nur bei diesen möglich, daß falsche Einzelziele vorgestellt werden oder daß das Endziel falsch konkretisiert wird. Andererseits ist auch nur bei diesen so etwas wie echter Zufall möglich, weil es hier wirklich Vorentwürfe gibt, die durchkreuzt werden können, während es im Bereich der Natur höchstens für den Betrachter wie Zufall aussieht, weil er die Bewegungsabläufe in ihrer Fülle nicht zu überschauen vermag (vgl. Anm. [32]). [62] Zu S. 168. A u g u s t i n u s versteht hier die Weisheit im praktischen Sinn: Gott, den man als höchstes Gut erkannt hat, auch über alles zu lieben. Die Liebe ist geistgeschenkte gelebte Weisheit. [63] Zu S. 169. Das lateinische Wortspiel, das sich auf der etymologischen Herkunft von sapientia gründet (vgl. W a l d e H o f m a n n , a. a. O., I I 477), konnte im Deutschen nicht wiedergegeben werden: sapientia — sapida scientia. — Thomas 380
macht in Z u 2 darauf aufmerksam, daß diese Etymologie nur f ü r sapientia, nicht aber f ü r die ihr zugrunde liegende noq iu gilt. Die Deutung von Thomas, d a ß mit ,Name' der Ruf der Weisheit gemeint zu sein scheint, durch den sie allen empfohlen wird, ist k a u m zutreffend. Auch heute noch sind sich die Ausleger über den Sinn dieses Verses nicht einig. Der hebräische T e x t läßt sich als etymologischen Hinweis deuten, aber in ihm ist v o n ,Zucht' u n d nicht von .Weisheit' die R e d e (so z. B. V. H a m p in der Echter-Bibel, z. St.). Der griechische Text ist f ü r eine etymologische Deutung nicht offen. Sein Sinn ist k a u m eindeutig festlegbar: Die Weisheit ist so wenig vorhanden, wie ihr N a m e selten genannt wird? Die Weisheit ist nur d e m N a m e n nach d a ? Am besten vielleicht R . S m e n d : „Die Weisheit ist eben Weisheit, u n d deshalb geht sie den meisten nicht ein." (Die Weisheit des Jesus Sirach. Berlin 1906, 58.) [64] Zu S. 171. Der Einwand setzt nicht nur voraus, daß die Schau höher steht als das Tim, sondern auch, d a ß die Schau als das Höhere nicht das T u n m i t umgreift, sondern sich von ihm, es ablehnend, abwendet. I n gewissem Sinne ist dies ein aristotelischer Einwand. Allerdings h a t f ü r Aristoteles die oocpia eine ausgezeichnete F u n k t i o n in der jiöhg. F ü r Thomas ist der intellectus speculativus, der auf die Schau gerichtete Verstand, zugleich auch regula operis, so wie die ,schauende Tätigkeit' als höchste Glückseligkeit zugleich auch Grund des Handelns ist. Vgl. A. S c h w a n , Politik als ,Werk der Wahrheit'. Einheit u n d Differenz von E t h i k u n d Politik bei Aristoteles. I n : Sein u n d E t h o s . Hrsg. v. P . E n g e l h a r d t OP. Mainz 1963, 69—110, bes. 102—105; D. E i c k e l s c h u l t e OP, Beatitudo als Prozeß. Zur Frage nach dem Ort der theologischen E t h i k des Thomas von Aquin. E b d . , 158—185, bes. 168 f., 183 f. [65] Zu S. 176. Der Schrifttext ist nicht genau wiedergegeben (vgl. auch 45, 6 E . 3). Thomas liest: „urteilend ohne Heuchelei" (judicans sine simulatione), s t a t t : „nichturteilend, ohne Heuchelei" (non judicans, sine simulatione). E s handelt sich also u m zwei Betätigungen der Weisheit: unparteiisch zu sein u n d ohne Verstellung. Außerdem bezieht Thomas das „judicans sine simulatione" in diesem Artikel auf die Beurteilung der e i g e n e n Akte, im folgenden Artikel (Zu 3) auf das Verhalten zum a n d e r e n . [66] Zu S. 178. Der griechische Text spricht von /pi'o.ua = Salböl u n d nicht von Salbung (unctio). Der Sinn von 1 J o 2, 27 ist: Das Salböl = der Heilige Geist, den die Christen von Christus (dem schlechthin v o m Heiligen Geist „Gesalbten") empfangen haben, bleibt in ihnen, u n d sie haben deshalb nicht nötig, d a ß j e m a n d sie belehre. I m Gesamtzusammenhang von 1 J o heißt dies: E s „geht mit dem Hören, dem gläubigen Aufnehmen der von Anfang an verkündeten Christusbotschaft, die innere Belehrung durch den Heiligen Geist H a n d in H a n d , u n d gerade diese gibt die (subjektive) Gewißheit" (R. S c h n a c k e n b u r g , Die Johannesbriefe. Freiburg 1953, 142). 381
[67] Zu S. 185. Stultitia kommt nicht, wie Thomas im Anschluß an Isidor v. Sevilla meint, von Stupor, sondern von stolidus (tölpelhaft, dumm, ungebildet). Vgl. W a l d e - H o f m a n n , a. a. O., I I 599. [68] Zu S. 188. Der Geschmacksinn richtet sich auf den Geschmack und damit auf die Bekömmlichkeit der Nahrungsmittel und nicht unmittelbar auf die Notwendigkeit, solche zu sich nehmen zu müssen (Eth 3 lect. 20: nr. 613 615; An 2 lect. 5: nr. 291: s. Bd. 21, Anm. [55]). Die Geschmacksqualität ,süß' ist das Anzeichen für die Bekömmlichkeit, die Leichtverdaubar keit wie auch für den Nährwert eines Nahrungsmittels (Sensu lect. 10: nr. 146; zum Verständnis der Verdauung bei Thomas vgl. Bd. 21, Anm. [68], [73], [74]). Das Geschmacksorgan, die Zunge, darf nicht zu trocken und nicht zu feucht sein, sondern muß eine mittlere Ausgeglichenheit in der Feuchtigkeit als der süß und sauer zugrunde liegenden Qualität haben (vgl. I 78, 3 Zu 3 u. 4 : Bd. 6; Bd. 36, Anm. [76]), sie muß befeuchtet sein (An 2 lect. 21: nr. 512 f.). Ist sie zu feucht, dann schmeckt sie nämlich nur den Geschmack der vorhandenen Feuchtigkeit und nicht der neu hinzukommenden. So kann ich auch unmittelbar nach einer Speise mit starkem Geschmack nicht den Geschmack einer anderen Speise feststellen, weil noch der erste vorherrscht (ebd.). Wenn Thomas hier von der Verderbtheit der Säftemischung (vgl. Bd. 21, Anm. [2] u. [74]) spricht, so meint er z. B . Fiebernde, denen alles bitter schmeckt, weil die ganze Zunge von der heißen Feuchtigkeit, die bitter ist, bedeckt ist (An 2 lect. 21: nr. 513). [69] Zu S. 189. Das Wollen des Unzüchtigen richtet sich auf eine sündhafte L u s t , aber nicht auf ihren Charakter als Sünde — das wäre eine Sünde gegen den Heiligen Geist und nicht eine Sünde der Unzucht. — Der Hinweis auf die „Lust, ohne die keine Sünde ist", besagt weder, daß jede Lust Sünde ist, noch, daß jede Sünde lustvoll ist. Es besagt hier im Zusammenhang, daß Unzuchtsünden Unordnungen im Bereich der geschlechtlichen Lust sind. [70] Zu S. 194 u. 202. Diese augustinische Begriffsbestimmung ist ein (nicht als solches gekennzeichnetes) Zitat aus Cicero (De Officiis 1 , 4 3 : ed. Atzert [Tb], Lipsiae 1949, p. 69). — Das eigentliche Tugendverständnis Augustins wird mehr in dem Zitat aus De Moribus Ecclesiae (c. 15) sichtbar, das Thomas in E . 1 anführt: Klugheit ist eine besondere Weise der Liebe. Vgl. dazu Bd. 21 Anm. [7] u. [10]; Bd. 31 Anm. [35] u. [36], [71] Zu S. 194. Thomas übernimmt die von Isidor gebotene Ableitung von prudentia. Danach käme prudens von porro videns = weitsichtig, vorausschauend. I n Wirklichkeit ist prudentia aber eine Zusammenziehung von Providentia (s. W a l d e - H o f m a n n , a. a. O., I I 378), wie Thomas selbst in 49, 6 Zu 2 u. 55, 1 Zu 1 sagt. I m vorliegenden Artikel will Thomas 382
mit Hilfe des Wortsinns zeigen, daß die Klugheit ein Erkennen, und zwar ein Erkennen des Verstandes ist. Daraus folgt jedoch nicht, daß die Lehre des Aquinaten von der Klugheit als Verstandestugend nur auf der sprachlichen Wurzel von .Klugheit' aufbaut. Vom Namen her die Sache zu deuten gewinnt für das ganze Mittelalter grundlegende Bedeutung durch I s i d o r v. S e v i l l a , „der bei seiner Zusammenstellung des gesamten menschlichen Wissens den Weg von der Bezeichnung zum Wesen, von den verba zur res wählte und sein Werk dementsprechend Etymologiarum librinannte" ( C u r t i u s , a. a. O., 489). Das Werk Isidors ist von einer kaum zu überschätzenden Bedeutung für das ganze Mittelalter. E s hat nicht nur den Wissensstand für acht Jahrhunderte gültig festgelegt, sondern auch deren Denkformen geprägt (a. a. O.). Nach Curtius ist der sprachwissenschaftliche Standpunkt des Isidor vernünftig zu nennen, da er sagt, nicht alle Namen seien von den Alten dem Wesen der Dinge entsprechend gegeben. Thomas bestimmt den Gegenstand der Sinneserkenntnis als das, „was gegenwärtig ist und den Sinnen sich darbietet". Versteht man darunter das Sinnenhafte in seiner physischen Wirklichkeit, dann ist nur der Gegenstand der äußeren Sinne angegeben. „Gegenwärtig" ist in der .vergleichenden' Vernunft auch das Vergangene und das Zukünftige, um das es der Klugheit vor allem geht. [72] Zu S. 197. Die 7 artes liberales waren der Grundbestand jeder antiken und mittelalterlichen Bildung. Sie gliedern sich auf in das Trivium (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) und Quadrivium (Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie). J e d e r mittelalterliche Student an den Universitäten mußte zuerst diese artes liberales studieren. Blieben das Mittelalter hindurch an den Schulen die artes liberales Lehrplan und Lehrstoff, so entwickelten sich an den Universitäten die Grammatik zur Sprachlogik und die Dialektik zur Philosophie (vgl. B T 5, 3 Zu 3), während die sprachlichen und literarischen Studien zurücktraten. Vgl. H. W a l t e r , Artes liberales. L T h K 2 I 909 f . ; zum Einfluß auf die Theologie vgl. M.-D. C h e n u OP, Das Werk des hl. Thomas von Aquin (2. Ergänzungsband der DThA). Heidelberg-Graz 1960. [73] Zu S. 197. Diese Begriffsbestimmung ist eine Zusammenschau von E t h . Nie. 6, 1 (recta ratio) und 6, 5 (agibilium). Thomas gebraucht diese Begriffsbestimmung oft, besonders wenn es um die Abhebung der Klugheit von der Kunsttüchtigkeit (ars) geht (vgl. B d . 21 Anm. [5] u. [11]). Bei Aristoteles besagt ÖQ-Ovg Äd'/oc (1138 b 20. 25. 34) der das Konkret-Rechte erstellende Vernunftschluß (6, 2 : 1139 a 22 — b 5). F ü r Thomas ist recta ratio = rectitudo rationis = virtus intellectualis (Eth 6 lect. 1: nr. 1109). Man kann den Unterschied zu Aristoteles vielleicht dahin formulieren: Aristoteles spricht vom Vollzug der Seele (vgl. 6 , 3 : 1139 b 15 f.), hier: ö Acr/og 6 ögiidg liybi (6, 1: 1138 b 20), Thomas dagegen von der Ausrichtung der Vermögen der Seele, hier von der Rechtheit der ratio (vgl. B d . 21 Anm. [36]). 383
[74] Zu S. 198. I m Hebräischen lautet Spr 10, 23: „Als Vergnügen gilt. . . Weisheit dem verständigen [klugen] Mann." L X X und Vulgata haben: „Die Weisheit gebiert (Vg.: ist) dem Manne verständige Einsieht [Klugheit]." — Thomas faßt dagegen viro immer als Einschränkung von sapientia auf: „Weisheit bezogen auf menschliche und materielle Dinge ist Klugheit" (Ps 48, 2 ; vgl. R o m 8 lect. 2 : nr. 621; 1 Cor 1 lect. 3 : nr. 4 9 ; Eph 5 lect. 6 : nr. 305; I 1, 6 : B d . 1). E r benutzt diesen Vers immer, um das Verhältnis von ,Weisheit' und .Klugheit' zu klären, die in der Heiligen Schrift oft synonym gebraucht werden. Ihre Gleichsetzung bereitet Thomas deswegen Schwierigkeit, weil für ihn Weisheit eine Tätigkeit des auf die Schau gerichteten Verstandes, Klugheit aber eine solche des auf das Tun gerichteten Verstandes ist (das A T kennt diese Scheidung nicht, für es ist Weisheit immer Weisheit des Lebens). Außer der hier vorgenommenen Unterscheidung zwischen ,Weisheit schlechthin' und .Weisheit in einem bestimmten Bereich' hat Thomas aber unter dem Einfluß der Heiligen Schrift den Begriff der Weisheit selbst auf das Leben hin ausgeweitet. Vgl. dazu Anm. [64]. [75] Zu S. 201. Aristoteles stellt an der bezeichneten Stelle die Frage, ob das sinnliche Wahrnehmen eines Konkret-Einzelnen von dessen geistigem Erfassen in der Weise verschieden ist, daß es zwei einander äußerliche Vorgänge sind, oder daß es zwei Seiten desselben Vorganges sind in der Weise, wie die gekrümmte Linie sich zu sich selbst verhält, wenn sie geradegemacht wird. — Thomas interpretiert diese Stelle: Der Verstand „erkennt das Wesen der Art oder das, was ist, in der direkten Erstreckung seiner selbst (directe extendendo seipsum), das einzelne selbst aber durch eine gewisse Zurückwendung (per quandam reflexionem), insofern er zurückkehrt zu den Vorstellungsbildern (redit super phantasmata), von denen die geistigen Wesenheiten (species intelligibiles) abstrahiert wurden" (An 3 lect. 8 : nr. 713; vgl. I 84, 7 : B d . 6 ; dazu K . R a h n e r , Geist in Welt. Zur Metaphysik der endlichen Erkenntnis bei Thomas von Aquin. München 2 1957). — Diese Deutung wird Aristoteles wohl nicht gerecht. Bei diesem ist das geistige Erfassen sehr wahrscheinlich das Strecken der sinnlichen Wahrnehmung ( = der gekrümmten Linie) selbst (airi-jv). I n jenem streckt sich die Seele auf das Sein des einzelnen (zö oägxi elvai xgiiei: b 17). Dieses Strecken schließt immer die Beugung durch die sinnliche Wahrnehmung ein und setzt sie voraus. — Das aristotelische Bild ist dunkel und die Interpretationen der Ausleger mannigfaltig. [76] Zu S. 204. Der Anschluß von Spr 23, 4 b an 4 a ist im Hebräischen ein .indem', in der Septuaginta und Vulgata ein ,sondern'. Demgemäß ist der jeweilige Sinn von 4 b verschieden: „Mühe dich nicht ab, Reichtum zu gewinnen, indem du abstehst von deiner Einsicht [Klugheit]" (Hebr.), „. . ., sondern stehe ab von deiner Einsicht" (Septuaginta) und „ . . . , sondern setze dieser Einsicht ein M a ß " (Vulgata). I m Hebräischen wird das Streben nach Reichtum als Mangel an Einsicht erklärt (paral384
lelismus synonymus). I n der Septuaginta wird das Streben nach Reichtum mit dem Folgen der eigenen Einsicht gleichgesetzt, von der Abstand zu nehmen sei (parallelismus antitheticus). I n der Vulgata ist dieses Abstandnehmen von der eigenen Einsicht modifiziert zu einem Begrenzen der eigenen Einsicht. Prudentia (ivvoia) wird hier also nicht als etwas aus sich heraus Tugendhaftes verstanden. — Thomas, der prudentia als Tugend versteht, muß daher den Vers entgegen dessen Sinn umdeuten. [77] Zu S. 205. Das Ziel ist wirkmächtig anwesend nur in dem W e g auf das Ziel hin. Ohne das Handeln (actio) auf das Ziel hin, ist das Ziel nicht Ziel, das heißt bewegende Ursache. Die freie Entscheidung (electio) des Menschen, die vom Ziel her die Mittel bestimmt, macht dadurch in den Mitteln erst das Ziel gegenwärtig, so wie in der Schlußfolgerung die Ursätze gegenwärtig sind ( I - I I 13, 3: Bd. 9). Diese frei gewählten Mittel sind immer menschliche Handlungen ( I - I I 13, 4) in ihrer realen Möglichkeit für um. Und erst in deren realer Möglichkeit wird auch die des Zieles sichtbar: „Keiner würde sich auf das Ziel hinbewegen, wenn nicht dadurch, daß offenkundig das, was auf das Ziel hin ist, möglich ist" ( I - I I 13, 5). [78] Zu S. 206. Es wurde versucht, ratio formalis (sc. objecti) mit „Gegenständlichkeit" wiederzugeben und consideratio materialis mit „Sachgehalt". Denn eine Sache hat ihr Gegenstandsem nicht in sich, sondern sie i s t Gegenstand immer in einer und durch eine arteigene Sicht. Ein und dieselbe ,Sache' kann als Gegenstand, das heißt in ihrer Gegenständlichkeit' sehr verschieden sein, je nachdem, wessen Gegenstand sie ist. Und die Sache erscheint in ihrer konkreten Vorfindlichkeit immer als Gegenstand und damit als etwas Bestimmtes, da sie nur erscheint, insofern sie Gegenstand eines Vermögens oder Gehabens ist. [79] Zu S. 207. Wäre Thomas nicht auf die lateinische Ubersetzung des Aristoteles angewiesen gewesen, so hätte er sich den Untersatz des Einwandes sparen können, denn dem sapiens (Weisen) liegt (pQÖvi/Mg zugrunde. Der Kluge erstellt die Grenze des Vernunftspruches, bestimmt, was hic et nunc vernünftig ist. Trotz der mangelhaften Übersetzung erkennt Thomas aber, daß unter dem .Weisen' der ,Kluge' zu verstehen sei (Eth 2 lect. 7: nr. 323). Die Einführung der recta ratio (vgl. Anm. [73]) in die Begriffsbestimmung der Tugend bei Aristoteles geht auf die Auseinandersetzung mit Sokrates zurück, für den jede Tugend nur eine Weise der Klugheit war (Eth. Nie. 6, 13: 1144 b 18 f. 28 ff.). Ihm gegenüber präzisiert und korrigiert Aristoteles: Tugend ist nicht ein Gehaben, das gemäß (xazä) dem rechten Vernunftschluß ist, sondern ein Gehaben, das mit einem rechten Vernunftschluß verbunden (¡XTI:Ä xov 6Q4)OV Xöyov) ist (ebd.: b 26 f.). Damit ist Tugend für Aristoteles eindeutig von der natürlichen Anlage (cpvav/.ri ägezi): b 36) abgehoben. Die Klugheit als das Fällen des rechten Vernunftspruches ist innerer Bestandteil jeder sittlichen Tugend. Ihr näheres Verhältnis
25
17 B
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kennzeichnet Aristoteles dahin, daß die Tugend das rechte Ziel erstellt (vö axonöv noiel ögfrö v: a 8), die Klugheit aber das, was auf dieses hin ist (vgl. 1145 a 5 f.). —, Vgl. E t h . 6 lect. 10: nr. 1269; lect. 11: nr. 1281. 1284 f. 1289; K . - H . V o l k m a n n S c h l u c k , E t h o s u n d Wissen in der Niko machischen E t h i k des Aristoteles. I n : Sein u n d Ethos, 56—68, bes. 65 ff. [80] Zu S. 208. Die beiden Vergleichsglieder sind in ihrem A u f b a u vom ersten Satz abhängig. Daraus erklärt sich, d a ß der zweite Teil des Satzes nicht h e i ß t : „wie sich die vernunftlosen Geschöpfe zum Menschen verhalten", was v o m Vergleich her zu erwarten wäre. Thomas greift in der ersten Satzhälfte die zweite Aussage des ersten Satzes a u f : in einer Beziehung — nämlich insofern er nicht V e r n u n f t ist —- k o m m t der Mensch m i t den vernunftlosen Dingen überein. Dieser Bereich des Menschen verhält sich deshalb (igitur) zur Vernunft, wie — und jetzt greift Thomas die erste Aussage des ersten Satzes auch in ihrer Aussageform wieder auf — der Mensch sich zu den vernunftlosen Geschöpfen verhält. [81] Zu S. 216 u. 256. Sollicitudo (sollicitus) ist aus sollers u n d cieo (cito = in schnelle Bewegung setzen) gebildet. Sollers ist aus sollus u n d ars zusammengesetzt. Sollns ist ein oskisches W o r t , das die Bedeutung von totus = ganz h a t . Sollers bedeutet also: ganz kunstgeschickt, anstellig, erfinderisch. Sollicitus = ganz s t a r k erregt oder bewegt, aufgeregt. I m übertragenen Sinn: in unruhiger Spannung, besorgt, b e k ü m m e r t . Die E r k l ä r u n g Isidors: „Sollicitus quia sollers et citus atque inrequietus" ist sachlich richtig. Vgl. W a l d e - H o f m a n n , a. a. O., I 213 f . ; I I 556. [82] Zu S. 220. Maximus V a l e r i u s , römischer Schriftsteller, lebte u n t e r Tiberius (14—37 n. Chr.). Über sein Leben ist fast nichts bekannt. Aus inneren Gründen m u ß er sein Werk „ F a c t o r u m et dictorum memorabilium libri I X " kurz nach 31 publiziert haben. Dessen Zweck ist zunächst ein rhetorischer. Es soll eine bequeme Sammlung von facta ac dicta f ü r den Redner sein. Valerius n i m m t seine Beispiele aus der römischen u n d griechischen Geschichte. I n 4, 4 bringt er Beispiele lobenswerter A r m u t (de paupertate laudata). Seit dem 11. J a h r h u n d e r t ist das Werk häufig verwertet worden. — Siehe R . H e l m , Valerius Maximus. Pauly-Wissowa (Zweite Reihe) V I I I A/90-116. [83] Zu S. 221. Thomas kommentiert diese Stelle: Aristoteles „sagt also, daß Klugheit u n d Staatsbürgersinn dasselbe Gehaben im Hinblick auf den Sachgehalt (secundum substantiam) sind, weil beide eine rechte Maßgabe der Vernunft im Bereich der Handlungen [vgl. Anm. (73)] hinsichtlich des menschlichen Guten u n d Schlechten sind; sie unterscheiden sich aber hinsichtlich der [näheren] Bewandtnis (secundum rationem). Denn die Klugheit ist die rechte Maßgabe der Vernunft im Bereich der Handlungen hinsichtlich dessen, was f ü r einen Menschen — d a s heißt f ü r ihn selbst — gut oder schlecht ist; der Staatsbürger 386
sinn a b e r hinsichtlich dessen, w a s f ü r die ganze bürgerliche Gem e i n s c h a f t (totius multitudinis civilis) g u t oder schlecht i s t " ( E t h 6 lect. 7: n r . 1196). — I s t hier v o m ,Sein' (esse) der Klugheit oder des Staatsbürgersinnes die R e d e , so ist d e r e n W i r k lichkeit im Vollzug g e m e i n t . Beide sind sozusagen K o n k r e t i sierungen des Gehabens. E s wird hierbei deutlich, wie politica (ähnliches gilt v o n oeconomica usw.) i m m e r offen ist f ü r die B e d e u t u n g e n . S t a a t s b ü r g e r s i n n ' u n d .staatsbürgerliche Klugh e i t ' . — W i r d in E . 3 u. Z u 1 svhstantia m i t ,Wesen' wiedergegeben, so ist dies i m Sinne v o n Sachgehalt zu v e r s t e h e n u n d m e i n t die Gegebenheit, die in E . 1 m i t idern habitus bezeichnet ist. [84] Zu S. 221. A n der B a u k u n s t (ztzvr) öixoöofiixrj) legt Aristoteles f ü r gewöhnlich das Wesen der ztxvt] (ars, K u n s t ) a u s (vgl. E t h . 6, 4 : 1140 a 6—10). Mit Begriffen a u s i h r e m Bereich b e s t i m m t er auch, in welcher Weise eine K u n s t ( = K u n s t t ü c h t i g k e i t , K u n s t f e r t i g k e i t ; vgl. B d . 21 A n m . [5] u. [11]) einem Menschen z u k o m m t u n d worauf die R a n g o r d n u n g der . K ü n s t e ' b e r u h t . I n ü b e r t r a g e n e m Sinn b e n u t z t er die Begriffe d a n n a u c h zu ähnlichen B e s t i m m u n g e n i m Bereich der Tugend e n u n d der Wissenschaften. Die v o n T h o m a s a n unseren Stellen a u s E t h . Nie. 6, 8 (1141 b 25—29) e n t n o m m e n e U n t e r s c h e i d u n g zwischen der , K u n s t des B a u m e i s t e r s ' (in der Ü b e r s e t z u n g v e r e i n f a c h e n d : , B a u k u n s t ' ) u n d der , K u n s t des H a n d w e r k e r s ' f ü h r t Aristoteles in Met. 1, 1 (981 a 30—b 6) a u s : D e r B a u m e i s t e r (AQZM:txv(ov) h a t d e n Begriff (vo Xöyov i'ytiv: b 6) u n d k e n n t die U r s a c h e n dessen, was h e r v o r g e b r a c h t werden soll (zag ah lag ztov Jioioviiti 6v>iotg xrjg octQy.ög ( = Klugheit des Fleisches) dort. Die Klugheit des Fleisches haben alle, die die leiblich-materiellen Güter zur Würde eines Endzieles erheben. Sie ist letztlich nichts anderes als die Kunst, gefahrlos sündigen zu können. Das Gewissen, das an sich den Menschen vor der Sünde warnt, warnt hier nur noch vor den irdischen, materiellen und leiblichen bösen Folgen der Sünde. Nichts ist widernatürlicher als eine solche kluge Umsicht im Bereich des Bösen. Wer so sündigt, daß 550
e r a u c h die d a m i t v e r b u n d e n e n Schäden auf sich n i m m t , ist 55, l wenigstens folgerichtig u n d b e w a h r t noch ein gewisses E m p f i n d e n f ü r die Seinsgesetzlichkeit. W e r a b e r die Strafe v o n der S ü n d e t r e n n t u n d vor ihr ausweicht, b e h ä l t nichts z u r ü c k als reine U n o r d n u n g u n d Bosheit. 2. W e r in einem irdischen, geschaffenen W e r t d a s E n d g u t 55, 2 sieht, s ü n d i g t ohne Zweifel s c h w e r (Art. 2). T h o m a s aber will gleichzeitig, u n d d a s ist n a c h d e n v o r a u s g e h e n d e n Darlegungen e t w a s ü b e r r a s c h e n d , begreiflich m a c h e n , d a ß die irdische Klugheit ihrem Begriffe n a c h k e i n e T o d s ü n d e ist, d a ß ihr ungeo r d n e t e s B e m ü h e n u m die materiellen G ü t e r n i c h t i m m e r m i t einer A b k e h r v o n G o t t v e r b u n d e n sein m u ß . § 2. Unklugheit
bezüglich scheinbar guter (Art. 3 - 8 )
Mittel
1. Die V e r s c h l a g e n h e i t (Art. 3). — Der Verschlagene ist 55, 3 sich der d u n k l e n H e r k u n f t seiner Mittel u n d Wege wohl b e w u ß t . Verschlagenheit, die sich zu t a r n e n u n d a n d e r e zu t ä u s c h e n s u c h t , bleibt v e r k e h r t , selbst w e n n sie sich u m ein gutes Ziel bem ü h t . I s t dieses schlecht, d a n n ist der U n w e r t der H a n d l u n g n u r noch größer. D e r W e l t k l u g h e i t h a f t e t die der Verschlagenheit eigene U n w a h r h a f t i g k e i t n i c h t a n ; sie spielt gleichsam m i t offenen K a r t e n . I n diesem u n d d e m vorausgehenden Artikel werden Verschlagenheit u n d W e l t k l u g h e i t v o n e i n a n d e r unterschieden, wogegen sie f r ü h e r (47, 13 Zu 3) noch gleichgesetzt w u r d e n . D a s Schlechte, auf d a s beide sich beziehen, ist bei der W e l t k l u g h e i t d a s Ziel, bei der Verschlagenheit sind es die Mittel. D a b e i könn e n diese einem g u t e n oder einem schlechten Ziele dienen (vgl. A n m . [87]). Der Verschlagene zeigt deutlich, d a ß die ihn leitende Unt u g e n d d e n Schein der K l u g h e i t h a t . E r fehlt n i c h t gegen einen d e r K l u g h e i t s a k t e , wie d a s d e m U n k l u g e n u n t e r l ä u f t . Äußerlich gesehen v e r h ä l t er sich wie der Kluge, n u r wird sein H a n d e l n d u r c h das Unehrliche oder d a d u r c h , d a ß es noch einem schlecht e n Ziele dient, innerlich v e r d o r b e n . 2. Die L i s t (Art. 4). — Verschlagenheit d e n k t die Mittel u n d 55, 4 W e g e a u s ; die List w e n d e t sie a n . Sie ü b e r s e t z t gleichsam in W o r t u n d W e r k den E n t w u r f jener U n t u g e n d . 3. D e r B e t r u g (Art. 5). — E r ist eine a n d e r e Art, d a s von der 55, 5 Verschlagenheit A u s g e d a c h t e ins W e r k zu übersetzen. Von der List unterscheidet sich der B e t r u g d a d u r c h , d a ß er sich vornehmlich in T a t e n ausspricht, wogegen die List sich sowohl der W o r t e wie der W e r k e bedient. D a s W e r k k a n n d a n n verschiedene T u g e n d e n v e r l e t z e n ; der B e t r u g liegt darin, d a ß es v o m Schein des G u t e n u m g e b e n wird. 4. Die (übermäßige) S o r g e (Art. 6 u. 7). — E s h a n d e l t sich u m 55, 6/7 d a s ü b e r m ä ß i g e B e d a c h t s e i n auf die Z u k u n f t u n d die materiel551
55, 6/7 len G ü t e r . D a b e i ist eine d r e i f a c h e F o r m v e r b o t e n e r Sorge zu u n t e r s c h e i d e n : jene, die in d e n Zeit- u n d N u t z g ü t e r n Selbstw e r t e s i e h t ; eine a n d e r e , die eine solche U m w e r t u n g z w a r n i c h t v o r n i m m t , die a b e r o b i h r e r S t ä r k e d e n M e n s c h e n n i c h t m e h r a n d i e h ö h e r e n G ü t e r d e n k e n l ä ß t ; endlich jene, die sich w o h l in d e n r e c h t e n Grenzen h ä l t , der j e d o c h sowohl d a s B e w u ß t s e i n , g e n u g g e t a n zu h a b e n , wie d a s V e r t r a u e n auf die V o r s e h u n g f e h l t . Gewiß d a r f u n d soll d e r Mensch a u c h a n Z u k ü n f t i g e s d e n k e n . Die p l a n e n d e Vor-sorge d a r f a b e r n i c h t z u r U n r u h e w e r d e n u n d soll sich n i c h t m i t D i n g e n q u ä l e n , die i m A u g e n b l i c k n i c h t spruchreif sind. M a n e r k e n n t , wie leicht ein solcher u n b e s o n n e n e r u n d u n e r l e u c h t e t e r E i f e r f ü r augenblickliche u n d z u k ü n f tige B e l a n g e als e c h t e K l u g h e i t erscheinen k a n n . 55, 8
5. Die H a b s u c h t (Art. 8). — W i e in d e r U n z u c h t die W u r z e l d e r verschiedenen U n k l u g h e i t e n gesehen w u r d e , so w e r d e n j e t z t die F o r m e n d e r Scheinklugheit auf die H a b s u c h t z u r ü c k g e f ü h r t . Die K l u g h e i t , in d e r die semsgerechte V e r n u n f t sich a u s s p r i c h t u n d die m i t allen sittlichen T u g e n d e n v e r b u n d e n ist, w i r d n a c h T h o m a s a m k l a r s t e n in d e r G e r e c h t i g k e i t s i c h t b a r . I n dieser wird, o h n e R ü c k s i c h t auf Gefühl, n a c h M a ß , Z a h l u n d Gewicht, n a c h d e m sachlich G e s c h u l d e t e n e n t s c h i e d e n . D a n n m u ß sich d e r seinswidrige V e r n u n f t g e b r a u c h a m d e u t l i c h s t e n in d e r die Gerechtigkeit a m m e i s t e n v e r l e t z e n d e n U n t u g e n d zeigen: in d e r H a b s u c h t . I m H a b s ü c h t i g e n finden jene U n t u g e n d e n einen b e s o n d e r s g u t e n B o d e n . D e r n a c h d e m H a b e n S ü c h t i g e ist f ü r die Scheinklugheit besser g e s t i m m t als d e r U n z ü c h t i g e , J ä h z o r nige oder Stolze. D e r H a b s ü c h t i g e ist i c h b e z o g e n ; m a ß l o s will er alles a n sich reißen u n d f ü r sich h a b e n . H a b s u c h t ist eine G r u n d form der Selbstsucht. Selbstsucht kennzeichnet aber auch den Scheinklugen. I h m g e h t es n i c h t u m d a s Sein u n d seine W a h r h e i t ; er u m g i b t sich n u r m i t i h r e m Schein, u m seine W ü n s c h e zu erfüllen. V. T e i l DAS G E B O T E N S E I N D E R K L U G H E I T (Fr. 56)
56, l
1. E s soll in A r t . 1 n i c h t nachgewiesen w e r d e n , d a ß d e r Mensch v e r p f l i c h t e t ist, t u g e n d h a f t klug zu h a n d e l n . D a s ist in d e n vora u s g e h e n d e n A r t i k e l n o f t u n d eindringlich g e n u g g e f o r d e r t word e n . G e f r a g t wird, o b diese V e r p f l i c h t u n g a u c h in einem d e r Gesetze, u n d zwar d e r Z e h n G e b o t e e n t h a l t e n u n d a u s g e s p r o c h e n sein m u ß . E i n eigenes G e b o t g i b t es d a f ü r n i c h t . E i n solches aufzustellen w a r d e s h a l b n i c h t nötig, weil die Z e h n G e b o t e die H a u p t z i e l e m e n s c h l i c h e n H a n d e l n s festlegen, die K l u g h e i t a b e r m i t d e n M i t t e l n z u m Ziel b e s c h ä f t i g t ist. A n d e r e r s e i t s ist sie in j e d e m G e b o t e m i t g e m e i n t , weil sie j e d e H a n d l u n g leiten soll. Die Z e h n G e b o t e sind n i c h t d a s g a n z e Gesetz, s o n d e r n n u r d i e G r u n d f o r d e r u n g e n des Gesetzes. V o r allem legen sie j e n e R i c h t linien v o r , die i m Z u s a m m e n l e b e n u n b e d i n g t b e a c h t e t w e r d e n 552
müssen. Das sind an erster Stelle die Forderungen der Gerech- 56, l tigkeit. J e mehr das sittliche Bewußtsein sich entwickelt, u m so mehr wächst a u c h d a s Wissen u m die Zahl der von Gott erlassenen Gesetze. Diese beziehen sich d a n n nicht mehr allein auf die Ziele, sondern auch auf die Mittel. Derartige Äußerungen des göttlichen Willens finden sich in den Sprüchen (Spr 3, 5) u n d vor allem im N T (Mt 10, 16). 2. E s wäre aber falsch, aus den vorhergehenden Artikeln zu 56, 2 folgern: Also brauchten im A T auch keine V e r b o t e gegen die der Klugheit widerstreitenden Untugenden erlassen zu werden (Art. 2). Tatsächlich bestehen solche Verbote, u n d zwar gegen List und Betrug (Dt 25, 13). Thomas sucht zu erklären, w a r u m gerade diese u n d nicht andere gegen die Klugheit verstoßende Laster verboten worden sind. E r geht dabei von dem in Art. 1 über die Gerechtigkeit Gesagten aus. Weil gerade sie f ü r das sittliche Leben von grundlegender Bedeutung ist, m u ß t e auch verboten werden, was sie verletzt. Dazu gehören aber Betrug und List.
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17B
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Wilhelm Salber Psychologischer
Exkurs
zur Abhandlung des Thomas von über die Klugheit*
Aquin
I. Die moderne empirische Psychologie spricht nicht von ,Tugenden' im Sinne des Thomas von Aquin. D a dieser aber, wenn er von (erworbenen) Tugenden spricht, auch seelische S t r u k t u r e n im Blick h a t , nämlich gefestigte Ausrichtungen seelischer Anlagen', k a n n die moderne Psychologie danach fragen, welche von den Strukturen, die sie beschreibt, Thomas gesehen h a t . Infolge des anderen Denkhorizontes der heutigen Psychologie zeigen sich ihr auch manche Gegebenheiten anders. Der Versuch, das von Thomas Gemeinte in den Blick zu bekommen, ist aber dennoch nicht fruchtlos. F a ß t Thomas in .Klugheit' die komplexe S t r u k t u r zusammen, welche die Rechtheit des Menschen, d. h. seine rechte Lebensführung u n d -haltung bedingt, verbürgt und erstellt, so k a n n sich die moderne Psychologie ferner fragen, wie sich ihr eine solche komplexe seelische S t r u k t u r zeigt. F ü r überdauernde seelische Gegebenheiten verwendet die Psychologie hauptsächlich den Begriff der Eigenschaft. U m der im Tugendbegriff mitgemeinten Gefügehaftigkeit u n d Durchformtheit von Seelischem gerecht zu werden, würde sie von seelischem ,Halt', von .Haltung' oder spezieller von Personschicht, Ausprägung von Gewichtigkeitsverhältnissen in der seelischen S t r u k t u r oder von einer Qualität, einem Vorgang .Klugheit' reden (Lorsch, Rothacker, Schroeder, Thomae, Wellek). Diese Begriffe stehen dem .Gehaben' (habitus) nahe, das n a c h Thomas den Oberbegriff f ü r .Tugend' bildet. Insofern diese Momente die individuelle Persönlichkeit in ihren Lebensanliegen fördern, übernehmen sie die Funktion, die Thomas den Tugenden zuschrieb. Einige Psychologen würden ,Tugend' eine Eigenschaft nennen, „die keine ist" (Klages), d a sie, z. B. .Ehrlichkeit', eine .Folge' aus Wesenseigenschaften darstellt, die sich n u r allgemeinen Normen (Bürgertugend, Rittertugend), nicht aber psychologischer Betrachtung gegenüber rechtfertigt. Der Grund f ü r diese Einschränkung liegt darin, daß heute die Tendenz besteht, in der Psychologie bewußt ,wertfrei' zu verfahren, u m jedem Menschen in seiner besonderen ,Lage' (Rothak ker) u n d seinen je gegebenen W e r t e n gerecht zu werden; m a n zögert, v o m S t a n d p u n k t einer umschriebenen Wertung aus, über die zu entscheiden nicht Sache der Einzelwissenschaft ist, eine Aussage zu machen, die das individuelle .Tugend'-Muster nicht so sehen k a n n , wie es vielleicht der gegebene Fall fordert. Eine psychologische Definition, die die Klugheit mit dem Niederhalten des Bösen in eins setzt (Wellek), könnte d a m i t vor allem • Das Manuskript wurde am 21. März 1956 an die SchriCtleitung der DThA eingesandt.
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das Niederhalten des je Bösen f ü r die je in sich zu verstehende Persönlichkeit meinen. Auch der Terminus .Klugheit' spielt heute keine wesentliche Rolle in der Psychologie. Falls der Begriff verwendet wird, steht er in charakterologischen Schilderungen: die fehlende wissenschaftliche Systematisierung bedeutet also nicht, d a ß .Klugheit' in der Psychologie nicht mehr gesehen wird; was fehlt, ist ein genau definierter Platz im System. Dadurch wird eine Gegenüberstellung von Klugheit, wie Thomas sie versteht, m i t der heutigen Auffassung entsprechender seelischer Tatbestände erschwert. Bei Wellek findet sich der Begriff ,Charakterklugheit'; er sagt darüber aus, wie die V e r n u n f t mit den Gefahren des Charakters fertig wird — wobei allerdings nicht der Verstand wie bei R . Maistriaux, sondern die Artung von Trieb und Gefühl eine entscheidende Stellung einnehmen. Diese Verwendung des Klugheitsbegriffes s t e h t ziemlich f ü r sich. Sonst stößt m a n fast ausschließlich auf Untersuchungen über die Begabung, die Intelligenz u n d das Denken. Diese drei Begriffe meinen jedoch etwas anderes als Klugheit im thomasischen Sinne u n d können sowohl ,mit' als auch ,ohne' seelische Geschehnisse auftreten, die als ,kluges' T u n zu charakterisieren wären. U n t e r Begabung wird vor allem die ,Rüstungs'-Disposition (Stern) menschlichen Handelns, u n t e r Intelligenz das situationsangepaßte Reagieren, u n t e r Denken eine nach ,innen' verlagerte H a n d l u n g eigentümlicher Qualität verstanden. Diese Bereiche werden nicht immer in gleicher Weise und begrifflich scharf voneinander g e t r e n n t ; u m die J a h r h u n d e r t w e n d e setzte Ebbinghaus sogar Verstand, Intelligenz u n d Klugheit gleich. Da aber Momente, die zu ihrer Bestimmung dienen, auch bei Thomas bedeutsam sind, ist es möglich, seine .Integrale' der Klugheit ( I I - I I F r . 49) den Zügen gegenüberzustellen, die in der Begabungs-, der Intelligenz- und der Denkpsychologie bedeutsam wurden. Eine derartige Analyse k a n n notwendigerweise n u r auf Analogien in der gegenwärtigen Psychologie hinweisen; sie gibt weder eine philologische Interpretation des Textes noch eine I n t e r p r e t a t i o n der thomasischen Psychologie. Die Definition der Klugheit bei Thomas deutet auf einige wichtige Gesichtspunkte bei der B e t r a c h t u n g seelischer Gegebenheiten h i n : das beschriebene Seelische ist mehrdimensional u n d gefügehaft; die Untersuchung verbindet die Analyse des aktuellen Geschehens m i t »biographischen' T a t b e s t ä n d e n ; sie argumentiert von der Überlegung a u s : W e n n Klugheit ist, was m u ß d a n n dabei mitwirken, auf daß diese Klugheit seelisch .leben' kann? Die Mehrdimensionalität bedeutet Verzicht auf eine einlinige Ableitung der Klugheit (z. B. Klugheit ist rationales Tun) u n d Hinweis darauf, daß, wenn von einer .Eigenschaft' Klugheit gesprochen werden dürfte, diese Eigenschaft nicht als ein statisches, „unsterbliches Klötzchen" (James) angesehen wird, sondern als ein Prinzip im menschlichen Handeln, das mehrere Integrale aufweist. Diese wären d a n n Züge oder Seiten (Volkelt), die als unselbständige Dimensionen einen Gesamttatbestand, die S t r u k t u r der Klugheit, umschreibbar machen. Der556
artige Dimensionsbetrachtung wird heute in vielfältiger Weise bei der Bestimmung seelischer T a t b e s t ä n d e angewandt. Die Gefügehaftigkeit ergibt sich daraus, d a ß bei Thomas wesentlichere u n d weniger wesentliche Integrale unterschieden werden, d a ß die Klugheit selbst eine bestimmte Schlüsselstellung unter den Tugenden einnimmt, d a ß als Schwerpunkt zur .allgemeinen Intelligenz' noch das Denken (ratio) eingeführt wird, d a ß sich eine .Breitendimension' (memoria) von einer .Höhendimension' (ratio) — wenn nicht sogar von einer .Tiefendimension' (intellectxis) — abheben läßt (vgl. u. S. 563), d a ß in der Scheidung von erkennender und gebietender ,Seite' eine entscheidende qualitative Gefügeordnung konstatiert wird. Das läßt den Schluß zu, d a ß bei Thomas nicht allein a n nebeneinander existierende Dimensionen, sondern auch a n einen bestimmten A u f b a u der Klugheit gedacht war, wodurch sich eine Hierarchie, eine .architektonische Ordnung' (Dilthey), oder ein funktionales System (erkennend — gebietend) bildet, das ,Gefüge'qualität über die Dimensionsqualitäten hinaus einführt. Auch das steht mit neueren Untersuchungen in Einklang. Die Analyse des aktuellen Geschehens ist erforderlich, um von den Phänomenen her die Momente, F a k t o r e n usw. aufweisen zu können, die bei psychologischer B e t r a c h t u n g zur Konstruktion dieses bestimmten Geschehens der Klugheit beitragen. Die Integrale eines Denkablaufs, einer intelligenten H a n d l u n g können nicht von einer f ü r sich existierenden Klugheit getrennt werden, d a sie sich j a in konkreten Betätigungen äußern m u ß bzw. n u r aus dem konkreten Verhalten erschlossen werden kann. Dennoch ist die Klugheit eine seelische Realität, die nicht in der jeweiligen H a n d l u n g a u f g e h t : sie t r ä g t die einzelne Handlung als umgreifende ,Ganzheit' u n d transphänomenale ,Struktur'. Auch Thomas läßt diese Auffassung erkennen. E r verbindet die in einer durchaus .modernen' subtilen Beschreibung der aktuellen Phänomene (und ihrer Logik) aufgefundenen Züge mit solchen, die nur bei der B e t r a c h t u n g des Lebenslaufes eines Menschen aufweisbar sind. Dadurch wird die Klugheit bei ihm zu einer lebensgeschichtlichen Kategorie, die aus der Analyse der Einzelvorgänge seelischen Geschehens erwächst, übergreifende Bezüge aber nicht ausschließt. Hier trifft er sich mit den Bestrebungen der Psychologie, die den A u f b a u des Erlebens mit dem der seelischen Struktur, den A u f b a u der Begabung mit dem A u f b a u der Persönlichkeit, mit der Lebensgeschichte u n d mit dem A u f b a u des Handelns beispielsweise als .Lebensgestalt', .Begabungsgestalt' zusammensehen will (Gottschaidt, Rothacker, Sander, Thomae, Wenzl). Gerade auf diesen doppelten Aspekt der Bet r a c h t u n g wäre auch bei Thomas zu achten. E s wird immer weniger gebräuchlich, die Intelligenz von der Eigenart der Persönlichkeit als einen eigenen Bereich f ü r sich zu trennen. Die Intelligenz ist selbst f ü r Forscher, die sich u m eine spezielle Diagnose der Intelligenz bemühen (Wechsler), nicht vom Charakter isolierbar. D a d u r c h rücken .Gesamtbegriffe' wie Klugheit wieder stärker in den Vordergrund.
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II. Erinnerung, Gedächtnis, organisierter (memoria)
Bestand,
D i e A n a l y s e menschlichen V e r h a l t e n s in Situationen, in denen Schwierigkeiten z u überwinden u n d b e s t i m m t e K o n f r o n t a t i o n e n aus- u n d u m z u f o r m e n sind, d e c k t a u f , wie die gegenw ä r t i g e K o n f i g u r a t i o n durch ein A u f w e i s e n anderer . A s p e k t e ' (Duncker, J a m e s ) g e w a n d e l t wird. D a s geschieht u. a. im Besinnen a u f E r f a h r u n g e n , im verinnerlichten Versetzen des V o r h a n denen in b e k a n n t e Z u s a m m e n h ä n g e und u m g e k e h r t , i m V e r f ü g b a r m a c h e n u n d Mobilisieren des .Gedächtnisses', das d a b e i G e g e n s t ä n d e n u n d T ä t i g k e i t e n .aufgeladen' sein k a n n (Duncker, Gehlen, Selz). K e i n e s w e g s darf m a n hier das Gedächtnis wie einen S a c k verstehen, f ü r sich als eigene A b t e i l u n g isoliert, aus d e m das N o t w e n d i g e h e r a u s g e k r a m t wird. D i e E r i n n e r u n g h ä n g t wie das L e r n e n m i t d e m Organisationsfeld b z w . den Organisationsformen der ablaufenden Prozesse z u s a m m e n (Duncker, L e w i n , K ö h l e r ) u n d ist eigentümlich eingebaut in das N a c h - v o r w ä r t s - D r ä n g e n u n d U m f o r m e n der intellektuellen Vollzüge u n d Handlungseinheiten — so wie a u c h T h o m a s das I n t e g r a l memoria in den V o l l z u g der K l u g h e i t eingebaut sein ließ. I m m e r h i n k a n n m a n d a v o n sprechen, d a ß eine gewisse . K a p a z i t ä t ' u n d . W e i t e ' (Wenzl) oder a u c h . K o m p l e x i t ä t ' (Meili) der Intelligenz v o r h a n d e n sein m u ß , w e n n Situationen b e w ä l t i g t w e r d e n sollen. J e beziehungsreicher, sinnhaft-durchformter, überschaubarer das psychische ,Feld' ist, j e .offener' E r f a h r u n g e n zur V e r f ü g u n g stehen, u m so b e d e u t s a m e r ist die L e i s t u n g des SichErinnerns f ü r den intellektuellen P r o z e ß des E r k e n n e n s . D e r B r ü c k e n s c h l a g v o n Intelligenz zu .Gedächtnisleistung' geschieht n a c h W e n z l in der A k t u a l i s i e r u n g v o n ,Gedächtnisresiduen' a u f G r u n d v o n Sinn- u n d Willensdeterminationen (Ach). I n die K a p a z i t ä t der „ I n t e l l i g e n z " (hier = B e g a b u n g ) als „ F ä h i g k e i t zur E r f a s s u n g u n d Herstellung beziehungs- und sinngeladener umfassender G a n z h e i t e n " ist das Sich-Erinnern e i n g e f ü g t (Wenzl). E s stellt seinerseits als o r g a n i s i e r t e r B e s t a n d ' bestimmte .erfahrene' S c h e m a t a und Operationen zur V e r f ü g u n g , die wieder E i n f l u ß a u f das Fortschreiten des Geschehens h a b e n (Selz, Piaget). Somit wird memoria nicht allein als F a s s u n g s r a u m , sondern a u c h als verarbeitende Organisation e r f a ß t , die nicht passiv n e b e n den anderen Integralen steht, sondern durchaus ,erkenn e n d ' als tätiger V o l l z u g m i t ihnen w i r k s a m ist. L i e g t a u c h ein starker A k z e n t a u f d e m B e r e i t h a l t e n v o n E r f a h r u n g e n , Erinnerungen, so darf doch nicht übersehen werden, d a ß schon die anderen Integrale bei T h o m a s verhindern, im Sinne einer einseitigen empirisch-assoziativen Theorie alles Z u k ü n f t i g e nur aus d e m E r f a h r e n e n abzuleiten. D e r B e h a v i o r i s t W a t s o n wollte das Bleibende genauer charakterisieren, w e n n er s t a t t v o n Gedächtnis v o n der „ B e i b e h a l t u n g einer gegebenen G e w o h n h e i t " sprach. U n a b h ä n g i g v o n seinen theoretischen F o l g e r u n g e n weist er hiermit d a r a u f hin, d a ß die 558
K a t e g o r i e der .Erinnerung' nicht nur v o n der Erlebnisseite, sondern a u c h v o n der Lebensgeschichte her b e t r a c h t e t werden k a n n . M c D o u g a l l setzte .Wissen' u n d . K ö n n e n ' gleich, R o t h a c k e r vert i e f t e die K l a g e s s c h e Scheidung v o n G e d ä c h t n i s und b e w u ß t e r E r i n n e r u n g , indem er den Schichten der Persönlichkeit ihr eigenes G e d ä c h t n i s — als ihre Weise, sich weiter z u leben — zuteilte, T h o m a e fand d a s „in Fleisch u n d B l u t übergegangene W i s s e n " als ein j e individuelles L a g e s c h e m a wieder, und G o t t schaidt u n d W e n z l betonten, d a ß der A u f b a u des H a n d e l n s eng m i t d e m P e r s ö n l i c h k e i t s a u f b a u v e r k n ü p f t sei. D i e ganze Person m i t ihrem .Gedächtnis', das w e i t über das b e w u ß t Eingelernte hinausreicht, agiert in j e d e m H a n d e l n . Aufgeschlossenheit, Schwerfälligkeit des Antriebslebens eines Menschen, die A r t u n g seiner tiefen Schichten, sein E r f ü h l e n k ö n n e n , A n g e z o g e n w e r d e n , seine Interessen äußern sich auch in seinem D e n k e n (Gottschaidt, R o t h a c k e r ) . So ist die Dimension der K a p a z i t ä t u n d W e i t e nicht allein eine Dimension der Intelligenz, sondern a u c h eine A n g e l e g e n h e i t der P e r s ö n l i c h k e i t ; die E r i n n e r u n g daher n i c h t allein etwas, das m i t d e m D e n k e n , sondern etwas, d a s g a n z im Sinne v o n T h o m a s m i t den . T u g e n d e n ' der Person u n t e r d e m G e s i c h t s p u n k t ihrer L e b e n s f ü h r u n g z u s a m m e n h ä n g t . Vernunfthafte Tätigkeit, Überlegung
(ratio)
Definiert m a n m i t Stern die Intelligenz d u r c h „ F e r t i g w e r d e n m i t neuen S i t u a t i o n e n " , d a n n fällt Intelligenz nicht m i t D e n k e n (ratio) z u s a m m e n . U n t e r b e s t i m m t e n U m s t ä n d e n g i b t es i m F o r t s c h r e i t e n v o n einem z u m anderen, v o m A l t e n z u m N e u e n , v o m U n g e l ö s t e n z u m Gelösten intelligentere T ä t i g k e i t e n als sorgfältiges Ü b e r d e n k e n . D i e E i n f ü h r u n g des Integrals ratio weist daher offenbar d a r a u f hin, d a ß für die B e s t i m m u n g der K l u g h e i t a u f die „ Ü b e r l e g u n g " ( v e r n u n f t h a f t e T ä t i g k e i t ) nicht v e r z i c h t e t werden sollte. Ratio w ä r e f ü r die moderne P s y c h o l o g i e ein W o r t , das b e s t i m m t e F o r m e n menschlicher T ä t i g k e i t und spezifische habituell gewordene A b l a u f s r i c h t u n g e n und Einstellungen umschließt. Diese ratio ist, wie memoria, nicht als ein v o n A n f a n g a n gegebener B e s t a n d a u f z u f a s s e n : sie wird ständig in k o n k r e t e n Geschehnissen neu erreicht, so wie sie a u c h d e m Menschen in seiner E n t w i c k l u n g z u w u c h s . Sie ist kein einfaches V e r m ö g e n , sondern ein , S y s t e m ' , dessen Gleichgewicht (Lewin, P i a g e t ) bei A n f o r d e r u n g e n und Schwierigkeiten dauernd g e f ä h r d e t ist u n d d a s immer wieder erreicht werden m u ß in k o n k r e t e n Handlungseinheiten, wie Urteil, Feststellung, Meinung — psychologisch, nicht logisch z u verstehenden A b l ä u f e n . I m D e n k e n e r f ä h r t m a n B e z i e h u n g s s y s t e m e , deren Gerüst v o n umschreibbaren s i n n h a f t e n K o n s t a n t e n , v o n Regulationsgesetzen getragen wird. P i a g e t bezeichnete diese G e f ü g e z ü g e als .Gruppierungen'. Die G r u p p i e r u n g organisiert u n d koordiniert die verschiedenen a b l a u f e n d e n D e n k - O p e r a t i o n e n (Selz) n a c h festgelegten Gesetzen z u S y s t e m e n , in denen m a n v o n einem P u n k t z u m anderen übergehen u n d wieder z u r ü c k k e h r e n k a n n . Hierbei e r f a ß t das D e n k e n die T r a n s f o r m a t i o n selbst. I m Unter-
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schied zur sensu-motorischen Intelligenz bilden sich in d e n Denks y s t e m e n ,Gesamtvorstellungen', die die sonst n o t w e n d i g e zeitliche Abfolge der H a n d l u n g e n a u f h e b e n . Die G r u p p i e r u n g d r ä n g t auf E r k l ä r u n g u n d Klassifikation, sie v e r b i n d e t v o r h a n d e n e Begriffssysteme m i t möglichen E r f ü l l u n g e n . W e n n a u c h die sensu-motorische Intelligenz a m U r s p r u n g des D e n k e n s s t e h t , so b a u t d a s D e n k e n doch ein neues Geschehen auf einer a n d e r e n E b e n e a u f ; keine Synthese, sondern eine eigene .Ganzheit' in Verinnerlichung u n d Dezentrierung. Ratio wird hier als Geschehens-System v e r s t a n d e n , dessen Gleichgewicht n a c h P i a g e t zugleich beweglich u n d d a u e r h a f t i s t : die T r a n s f o r m a t i o n e n des Systems k ö n n e n d u r c h die umgek e h r t e n Operationen (Reversibilität) stets g e n a u k o m p e n s i e r t werden. D a d u r c h wird die Ausgangslage m i t Ä n d e r u n g e n u n d E n d l a g e n , g e m ä ß d e n Möglichkeiten des Operierens, in wechselseitige Beziehung g e b r a c h t . I n solcher F o r m verwirklicht die K l u g h e i t „ U n t e r s u c h u n g u n d schrittweises D e n k e n " (inquisitio et discursus: 49, 5 Zu 3). Die Überlegung, die v o n einem z u m a n d e r e n , v o n einer F r a g e zur a n d e r e n fortschreitet, t u t dies in einem System, d a s d u r c h seine eigene R e g u l a t i o n Lösungen, K l ä r u n g e n u n d neue P r o b l e m e bereitstellt. U n d eine weitere B e s t i m m u n g der ratio: D a s Denk-Geschehen vollzieht sich mittels „ O p e r a t i o n e n " (Selz), d . h . in GeschehensF o r m e n , die die einzelnen D e n k s c h r i t t e u n d D e n k i n h a l t e u m greifen. D a s F o r t s c h r e i t e n b e r u h t auf der T e n d e n z zur „ K o m p l e x e r g ä n z u n g " (Selz); die rationalen A k t i o n e n sind e i n g e b a u t in einen b e s t i m m t e n R a h m e n v o n F r a g e n , die auf eine b e s t i m m t e A n t w o r t d r ä n g e n , ihrerseits a b e r wiederum als A u s d r u c k bewährt e r Operationen gelten k ö n n e n . D a s sind Differenzierungen, die die Ansätze bei T h o m a s n i c h t in F r a g e stellen, die a b e r doch n i c h t zu v e r k e n n e n d e Unterschiede in der genaueren Bestimm u n g der v e r n u n f t h a f t e n T ä t i g k e i t beinhalten. Die E r f a s s u n g der ratio im aktuellen Geschehen l e n k t besonders d e n Blick d a r a u f , d a ß d a s .innere' u n d d a s .äußere' Verh a l t e n ebenso wie d a s .niedere' u n d d a s .höhere' V e r h a l t e n n i c h t m e h r d u r c h tiefe A b g r ü n d e g e t r e n n t sind (Gestalttheorie, Gehlen, Piaget). Sie e r l a u b t a u c h n i c h t , d i e ratio als intellektuelles T u n f ü r eine zu d e r W a h r n e h m u n g h i n z u k o m m e n d e M a c h t zu h a l t e n , wie Gemelli a n n i m m t . Verzichtet wird auf eine schroffe T r e n n u n g v o n P h a n t a s i e u n d Denken, Wollen u n d D e n k e n ; a u c h T h o m a s spricht j a v o n u r t e i l e n d e m Wollen. D a ß sich dennoch Unterschiede zeigen, b e r u h t in der A r t u n g u n d d e m Aufb a u analysierbarer Konfigurationen, F o r m e n u n d E i n h e i t e n , die S y s t e m e des Geschehens u n d seelischer Z u s a m m e n h ä n g e bilden. Hierbei zeigen sich a u c h weitere Momente, die die Eigena r t rationalen Verhaltens gegenüber der sensu-motorischen I n telligenz b e g r ü n d e n ; sie liegen sowohl in einem deutlich erkennb a r e n .Stil' (Klages, R o t h a c k e r ) als a u c h in d e n m i t d e m .rationalen' Geschehen z u s a m m e n h ä n g e n d e n Zügen, die schlagw o r t h a f t als .Verfügen' u n d ,Sich-versetzen-Können, ohne v o n der Stelle zu gehen' (Gehlen), als Gleichhalten-Können, Reversibilität, als Verinnerlichung b e s t i m m t werden. Diese Züge bes t i m m e n die besondere A r t der v e r n u n f t h a f t e n T ä t i g k e i t i m 560
Vergleich zur Intelligenz überhaupt. Wenn Intelligenz Fähigkeit zur Erfassung und Herstellung beziehungs- und sinngeladener umfassender Ganzheiten ist, könnte die ratio definiert werden als die Fähigkeit zur gedanklichen Operation mit ihnen. Vor allem durch die Sprache, die als ,"Umgangsaktivität' (Gehlen) eine konstante Welt des Menschen aufbauen hilft, sowie durch andere sich verfestigende ,Symbolwelten' wird eine objektive Entsprechung für die Vorgänge der Überlegung geschaffen. Piaget würde wahrscheinlich sein Gleichgewicht auch mehr als eine objektive Instanz bezeichnen. Von den ,Sachen' her argumentiert auch die Gestalttheorie. I m (bereits bei memoria erwähnten) F a k t o r der ,Komplexität' hat Meili die Zwischenstellung der .rationalen' Vorgänge zwischen subjektivem Geschehen und objektiver Beziehungswelt gut gefaßt: Die der ratio nahe Seite der Komplexität (der alten .Weite des Bewußtseins' etwa entsprechend) weist darauf hin, daß der „rationale" Vorgang die Abstufungen in der Art eines Zueinand e r in den Griff bekommen muß, womit ein Feld in mehrpoliger Ordnung aufgebaut wird. Wenn das auch bei dem Integral ratio nicht ausdrücklich gesagt wird, diese ,Zwischenstellung' der ratio schließt Thomas ebenfalls nicht aus. Den Vorgängen, die unter ratio begriffen werden, kommt eine .überdauernde' Wirklichkeit auch deshalb zu, weil die Gruppierungen und Operationen — die selbst in die Handlungsstruktur des Menschen (Gehlen) eingebaut sind — den Rahmen für neue Einverleibungen bilden (Selz, Piaget), genau wie die entsprechende ,Welt' zu einem fertigen Bezugssystem (Gehlen, Metzger, Rothacker) geworden ist. Nach Sander setzt jeder geglückte Vollzug eines Denkgebildes Bedingungen für alle weiteren Vollzüge und läßt operative Vollzugsbereitschaften gewinnen, über die der Denkende verfügt. B e i psychologischer Erfassung der Lebensgeschichte wird die .rationale' Ausbildung eines Menschen durch Aussagen zu charakterisieren gesucht, die seinen .Personalen Oberbau' (Lersch), seine Personschicht (Rothacker) oder Persönlichkeitsqualitäten wie .Versachlichung', .Distanzierung' (Thomae) betreffen. Verstand, Verständnis, Einsicht
(intellectu-s)
Wenn Wertheimer über Schlußprozesse, Köhler über tierische Intelligenz spricht, dann lassen sie eine „Einsicht" eintreten, indem durch Umzentrierung eines Eigenschaftsfeldes innere Strukturzusammenhänge des Ganzen neu erfahren werden, deren Aspekt in der ursprünglichen Situation und .Zentrierung' nicht offenbar war. Außerhalb der speziellen Gestalttheorie hatte bereits J a m e s davon gesprochen, man müsse den richtigen Aspekt herausheben, die Sache im rechten Licht zu sehen suchen. „Synthetische Einsicht" kommt nach Duncker (S. 65) zustande dadurch, „daß von einem in bestimmter Gestaltung gegebenen und durch bestimmte Funktionen (Aspekte) charakterisierten Sachverhalt bei identisch festgehaltenen Fundamenten n e u e , d. h. zur Charakterisierung nicht mitverwendete Funk561
tionen (Aspekte) vermöge neuer Gestaltungen (Betrachtungen) ablesbar sind". Das Geschehen entzündet sich an .Aspekten', die nicht langen, das Ziel zu erreichen; sie werden daher sub specie des Zieles umgestaltet. Das geschieht mit Hilfe des f u n k tionalwertes', des transponierbaren generellen Prinzips der Lösung, das stets eine angemessene ,Mitvariation der Lösung' erlaubt, wenn variierte Situationsbedingungen darin eingesetzt werden. J e d e r Lösungsversuch formt zugleich das Problem u m ; die E n d f o r m der Lösung wird über eine produktivere Umform u n g des Problems erreicht, das immer mehr auf die Frage nach der Einsicht in tragende Gründe, die die spezielle Lösung ableitbar machen, zugespitzt wird. .Einsicht' braucht also nicht ein Erkenntnisweg zu sein, der völlig anders als das diskursive Erkennen geartet ist. Vielmehr scheint die Einordnung von ratio u n d intellectus in e i n e Ganzheit ,Klugheit' bei Thomas darauf hinzuweisen, daß hier zwei Glieder eines Geschehens sich ergänzen. Auch das Verständnis ist etwas, das sich herausarbeitet. E s ist eng damit verbunden, daß ein Streben auf die Lösung hin besteht u n d daß an ihm gearbeitet u n d geradezu experimentiert wird (Rignano). Experimentieren heißt hier aber nicht, die Wahrheit nach Belieben gestalten, sondern vielmehr, die .Wahrheit', die dem Problem entspricht u n d ihrer Lösung zugrunde liegt, aufsuchen u n d erarbeiten. Da die Einsicht nicht immer ohrie weiteres aktualisiert werden kann, sind jene Prozesse erforderlich, die schon als ratio besprochen wurden. Intellectus ist ebenfalls kein starres Vermögen, sondern ein .Integral' wie die ratio. Beide sind tätige Vollzüge. Das wird klar, wenn die Psychologie heute von Auffassungs- u n d Deutungsvorgängen im Denken spricht (Duncker). Die Schwierigkeit wird zu lösen gesucht, indem gefragt wird: „Was bedeutet das eigentlich?" (Duncker). J e d e Phase des Erkenntnisvorganges ist einsichtige .Lösung nach hinten' u n d .Problem nach vorn' (Duncker). Auch die End-Einsicht ist d a n n eine Neuauffassung oder Deutung, die in der Lösung die .Platzanweisung' f ü r das Gefragte herstellt (Bühler) u n d sie aus dem Bezug zum .Ganzen', zu den letzten Gründen einsichtig m a c h t . So hängt die im Prozeß erstrebte Einsicht mit dem .Ganzen' zusammen, das .rationale' Operationen a u f r u f t und die Verbindung zwischen Frage u n d Antwort als Grundlage der Lösung t r ä g t . Meili spricht vom .Faktor der Ganzheit', wenn er die Bedingung der Umformungen, das Gefühl der Richtung, in der die Lösung liegt, anvisiert. Mit dem .Einsichtigwerden' verbindet sich eine Steuerung der Geschehnisrichtung durch ein bestimmtes .Signalement' (Duncker, Selz) der Lösung und schließlich auch der Sinn, den das Geschehen und der das Geschehen trägt. Der ,Sinn' weist hin auf das Eigentliche des Integrals intellectus. Einsicht bedeutet Aneignung u n d Einverleibung der W a h r h e i t ; das Erkennen ist ein sinndurchdrungenes Geschehen: „.Verstand' [Einsicht] ist von der innersten Durchdringung der Wahrheit genommen" (Intellectus enim nomen sumitur ab intima penetratione veritatis: 49, 5 Zu 3). Die Vorgänge, die auf ein Einsichtigwerden drängen, führen gleichzeitig zu bestimmten Gehalten, zur Einordnung in 562
ein S y s t e m v o n W e l t und Gesetz. N a t ü r l i c h lassen sich dabei die Operationen v o n den Gehalten nicht t r e n n e n ; auch nicht eine mehr operational v e r s t a n d e n e ratio v o n einer mehr a u f G e h a l t e bezogenen E i n s i c h t . F a ß t m a n intellectus als einen Hinweis d a r a u f , d a ß der Mensch e t w a s „ein-sehen" m u ß , so ist es v o n der E i n s i c h t in G r ü n d e n i c h t w e i t z u der E i n s i c h t in .Wesenheiten' ( R o t h a c k e r ) . V o n d a aus ist wahrscheinlich a u c h die E i n t e i l u n g W e n z l s z u verstehen, der eine ,Tiefendimension' der Intelligenz v o n einer ,Höhendimension' unterscheidet. D i e Tiefendimension u m f a ß t V o r g ä n g e wie die Wesenserfassung, die A n s c h a u u n g , Intuition, die V e r s e n k u n g s f ä h i g k e i t . H i e r liegt die V o r a u s s e t z u n g f ü r ,materiales D e n k e n ' . D i e Höhendimension u m f a ß t mehr die Abstraktionsleistungen, das logische D e n k e n ; sie ist die F ä h i g k e i t des D e n k e n s a n u n d i n L e e r f o r m e n ; signifikatives D e n k e n im Sinne Husserls. N i c h t z u vergessen ist in diesem Z u s a m m e n h a n g a u c h die E r k e n n t n i s der Tiefenpsychologie, n a c h der die „ E i n s i c h t " ein wesentlicher L e b e n s p r o z e ß ist. N e b e n einer f u n k t i o n e l l e n ' Seite der .strukturellen D u r c h f o r m u n g ' , die ratio heißen k ö n n t e , b i e t e t sich im intellectus gleichsam eine inhaltliche Seite der als .Disposition' verstandenen ,Intelligenz': jede E i n s i c h t in S a c h v e r h a l t e setzt Mitb e d i n g u n g e n f ü r die V e r t r a u t h e i t u n d Gehaltserfülltheit der D e n k g e g e n s t ä n d e (Sander). E r n e u t zeigt sich der lebensgeschichtliche A s p e k t eines Integrals. D e r .geistige H o r i z o n t ' , der geistige Orientierungsrahmen, in d e m das Personwesen d e n k t , w e r t e t und h a n d e l t , e r w ä c h s t aus den Sinngehalten, die ein Mensch in seinen H a n d l u n g e n e r f ä h r t (Sander). D a s I n t e g r a l intellectus lenkt den B l i c k a u f die . T h e m a t i k ' (Adler, Hippius, T h o m a e ) eines Menschen, a u f das, w a s i h m i m L e b e n u n d f ü r d a s L e b e n w i c h t i g erscheint; u n d so v e r b i n d e t sich intellectus m i t circumspectio durch den B e z u g a u f das . B e d e u t s a m e ' (Rothacker), m i t Providentia durch den B e z u g a u f das richtige Eins c h ä t z e n des Möglichen u n d Förderlichen, m i t cautio d u r c h d a s N e u a u s r i c h t e n des H a n d e l n s bei neu entstandener E i n s i c h t . Treffsicherheit und Beweglichkeit
(solertia).
U m P r o b l e m e lösen zu können, g e n ü g t es nicht, b e w ä h r t e Operationen i m m e r wieder einzusetzen. E i n e z u starre V e r w e n d u n g v o n E r f a h r u n g e n erschwert sogar die B e w ä l t i g u n g neuer Situationen. Schon in den T i e r v e r s u c h e n der Behavioristen zeigte sich, d a ß eine wesentliche R o l l e f ü r die Ü b e r w i n d u n g v o n Schwierigkeiten die . P l a s t i z i t ä t ' spielte, m i t der neues V e r h a l t e n sich ermöglichte (Thorndike). P l a s t i z i t ä t b e d e u t e t e i n m a l : bestehende V e r b i n d u n g e n k ö n n e n gelöst w e r d e n ; z u m a n d e r e n : neue V e r b i n d u n g e n werden möglich. Die A n f a n g s s i t u a t i o n wird g e s t a l t e t u n d u m g e f o r m t , indem entweder d a s V o r h a n d e n e u n d Gegebene oder das E r s t r e b t e analysiert und in neue Ordnungen ü b e r f ü h r t w e r d e n (Duncker). U m w e g e , K o m b i n a t i o n e n , U m d e u t u n g e n , U m z e n t r i e r u n g e n — das alles zeigt, wie plastisch und gestaltungsoffen die V o r g ä n g e sein müssen, die eine Problemlösung herbeiführen helfen. D i e B e w e g l i c h k e i t der intelligen-
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t e n Prozesse eines Mensehen b a u t sich als wesentliches Moment in die Modellvorstellung vom Gleichgewichtssystem, seinen Störungen und seinen Ausbalancierungen ein. U n t e r solertia d ü r f t e neben diesem ,Faktor der Plastizität' aber noch ein anderer ,Faktor' verstanden werden, die .Flüssigkeit' („Fluency": Meili). I n dieser Weise interpretiert, wäre d a n n solertia ein Hinweis darauf, daß die Umformung aus eigener K r a f t und die Plastizität allein noch nicht ausreichend sind für die Aussage, j e m a n d sei .intelligent' oder klug. Hinzu k o m m t noch als notwendige Bedingung, d a ß es möglich ist, l e i c h t von einem I n h a l t oder von einer Operation zur anderen hinüberzuleiten, sich leicht anderen Gegenständen zuzuwenden. Duncker sprach von der .Disponibilität' der Dinge als einer wesentlichen Hilfe f ü r die Umgestaltung bestehender Strukturen. Beide Faktoren (Plastizität u n d Flüssigkeit) sind wohl Voraussetzung dafür, treffsicher die rechte Einschätzung finden zu können. Wie die Begründung der solertia in zwei .Faktoren' k a n n als Beispiel, an dem sich die Unterschiede gegenwärtiger Psychologie zu Thomas demonstrieren lassen, auch die .Erfindung des Mittels' dienen. .Erfindung des Mittels' oder .Mittelftndung' war der Terminus, den Selz gebrauchte, u m das Denkgeschehen zu erklären: Eine Zielsetzung zieht nicht die Reproduktion von Inhalten, sondern die von intellektuellen Operationen nach sich; bei Mangel an Methoden wird das Wissen von Methoden aktualisiert. D a s heißt, ,Mittelfindung' wird bei Selz als ein spezieller Terminus der Denkpsychologie verwendet. Der Doppelaspekt der solertia als Treffsicherheit u n d Beweglichkeit zeigt sich, wenn Wenzl von einem Intelligenz-Temperam e n t spricht, Sander von allgemeinen .Formeigentümlichkeiten', die im Denken eines Menschen immer wieder in Erscheinung treten. E s sind Bereitschaften zu bestimmten Denkvollzügen, deren S t r u k t u r m a n sich a n unterschiedlichen .Denkgestalten' klarmachen k a n n . B e i e h r b a r k e i t (docilitas) Bei der Bestimmung der docilitas spielt in der gegenwärtigen Psychologie weniger die Belehrung durch andere Menschen eine Rolle. Von docilitas ist in einer viel allgemeineren Bedeutung die Rede. Tolman definiert behavioristisch .Cognition' ü b e r h a u p t als ein Verhalten, das .docility' zeige, abhängig davon, wie die Umgebimg sich erweise; je nachdem werde d a s Verhalten geändert. Das Gleichgewichtsmodell sucht so nicht nur die .inneren' Denkvorgänge verständlicher zu machen; es wird auch auf die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt angewendet. Deren Aufeinander-eingestellt-Sein bedeutet eine Dezentrierung des .egoistischen' Systems und enthüllt die Tendenz der Intelligenzvorgänge zur Anpassung (Piaget, Claparede). Sowohl bei der Einstellung auf bestimmte Endergebnisse hin — z. B. echte Urteile, ,daß es so ist' (Husserl) — als auch bei der Einstellung zur .Wirklichkeit', die bewältigt werden m u ß (Jaspers, M. Weber), geht die Anpassung dabei mit dem Vorgang der Versachlichung H a n d in H a n d . 564
I n einer F ü l l e v o n .Kreisprozessen' spielen sich im L a u f e der E n t w i c k l u n g s u b j e k t i v e H a n d l u n g e n u n d A n t r i e b e auf objekt i v e Gegebenheiten ein (Gehlen, Piaget). D a b e i k o m m t es langs a m zu einer Versachlichung der V e r h a l t e n s gegenüber der Egozentrik, wo W u n s c h , Interesse Verfälschungen in K a u f nehm e n m ü s s e n : in j e d e m intelligenten Vorgang wird i m m e r wieder v e r s u c h t , die Sache sprechen zu lassen bzw. d e n A s p e k t der Sachen, d e r der L ö s u n g dienlich ist. E s ist eine F u n k t i o n der solertia, i m m e r n e u e sachliche Möglichkeiten zu aktivieren, eine F u n k t i o n der docilitas ist es, sich v o n diesen Sachen a u c h .belehr e n ' zu lassen. Versachlichung b e d e u t e t hier K o o r d i n i e r u n g des eigenen V e r h a l t e n s m i t diesen . ä u ß e r e n ' Gegebenheiten. Die .Gruppierungen' verwirklichen d a s Gleichgewicht zwischen .Assimilation' d e r Dinge a n die T ä t i g k e i t des S u b j e k t s u n d der .Akkom o d a t i o n ' d e r s u b j e k t i v e n S c h e m a t a a n die V e r ä n d e r u n g der Dinge (Piaget). D i e Versachlichung b e i m alltäglichen Urteil, d a s einen W i d e r s t a n d ü b e r w i n d e n will, selegiert d a s m i n i m u m r a t i o n a l e ; sie e n t z a u b e r t die W e l t (M. W e b e r ) . Doch ist zu b e t o n e n , d a ß der Mensch a u c h v o n .Sachen' — oder besser v o n W e s e n h e i t e n — belehrt werden k a n n , die n i c h t auf rein zweckm ä ß i g e Z u s a m m e n h ä n g e reduziert sind. Klages, J u n g , Palagyi, R o t h a c k e r h a b e n auf ,Wirklichkeiten der Seele' hingewiesen, die eine b e d e u t s a m e »Physiognomie' h a b e n u n d die n i c h t der E n t z a u b e r u n g anheimfallen k ö n n e n . So e t w a s wie Versachlichung in d e m zuerst e r w ä h n t e n Sinne k a n n ihnen gegenüber eintreten, w e n n sie v o m Menschen berücksichtigt werden, ohne d a ß er d a u e r n d p a t h i s c h ihrer Faszin a t i o n erliegen m u ß . Sie werden verwirklicht, i n d e m d e r Mensch d a s t u t , was ihrer Verwirklichung in dieser W e l t u n t e r Zuhilfen a h m e d e r .Technik' rationaler V e r e i n f a c h u n g dienlich ist. D a s ist eine d o p p e l t d e t e r m i n i e r t e docilitas, u n d insofern k a n n diese Versachlichung als L e b e n s v o r g a n g ein Zeichen der Reife (Kunkel, T h o m a e ) sein, wie g e r a d e die .Organisation' echter k a r i t a tiver u n d vielleicht a u c h religiöser Anliegen beweist. D e m u t , E i n o r d n u n g , E n t - i c h u n g , Nicht-alles-selbst-machen-Wollen (Adler, K ü n k e l ) sind dieser Sachlichkeit v e r w a n d t . Sie ist Bereits c h a f t u n d Offenheit f ü r Gegebenheiten u n d .Wesenheiten', die m a n a n e r k e n n e n m u ß ; sie ist a b e r a u c h die F ä h i g k e i t , sich v o n ihnen n i c h t . u m w e r f e n ' , s o n d e r n lenken zu lassen. D a die T a t sachen i n n e r h a l b einer individuellen Lebensgeschichte n i c h t in ihrer G e s a m t h e i t v o n einem einzelnen e r f a h r e n werden k ö n n e n , d a einer n i c h t alles selbst e r f a h r e n u n d b e a r b e i t e n k a n n , ist es wichtig, wie T h o m a s auf die .Anderen' hinzuweisen. Zu d e n . A n d e r e n ' m ü s s e n a u c h die „objektivierten Gestalten der in J a h r t a u s e n d e n gewordenen K u l t u r " gerechnet werden, die „auf die D u r c h s t r u k t u r i e r u n g " d e r Intelligenz des Einzelmenschen einwirken (Sander). Weitblick
(providentia)
Die Providentia als ein M o m e n t der .gebietenden T u g e n d ' erhellt eine Seite seelischen Geschehens, die bei d e n a n d e r e n M o m e n t e n i m m e r schon a n k l a n g . T h o m a s spricht hier ü b e r die 565
Bezogenheit der K l u g h e i t auf Ziele, über ihre Ausrichtung a u f ein E n d e hin. Die heutige Psychologie glaubt, d a ß Seelisches nur wirklich wird, wenn zu dieser Verwirklichung genügend a u f Ziele z u richtender Antrieb (Klages, Thomae) aufgebracht ist b z w . so etwas wie ein ,gespanntes S y s t e m ' (Lewin, Duncker) entsteht. Diese .Spannung' hätte m a n früher vielleicht m i t ,Willen' bezeichnet, und v o n der Tatsache her, daß sie immer mit bestimmten Antizipationen verbunden ist, k a n n sie durchaus als .gebietend' bezeichnet werden. Tragen Providentia, circumspectio und cautio diese Spannung bei der K l u g h e i t , so wäre das .Gebieten' in dem Sinne z u verstehen, daß in ihnen übergreifende und ausrichtende Momente der K l u g h e i t zu sehen seien. Selz hatte die ,Gesetze des geordneten Denkverlaufs' a u f dem Spannungssystem v o n .Komplexergänzungen' und .Operationen' a u f g e b a u t ; denn zur E r k l ä r u n g des Denkens reichten A u f merksamkeit, Assoziation, leitende Idee, Wille oder sonstige Reproduktionsmotive nicht aus. Der Zielsetzung entspricht die Aktualisierung einer Operation. E i n .Schema' antizipiert als Bewußtsein einer geordneten Folge v o n möglichen Operationen die Lösung und drängt so, den A n f a n g s k o m p l e x zu ergänzen, wie die A n t w o r t die F r a g e ergänzt (Duncker). Die intelligente ,Gruppierung' schafft dann die Einheit zwischen dem vorhandenen Begriffssystem, dem antizipierenden Schema und seiner kontrollierten Erfüllung. Die Analogie bei den .gebietenden' Integralen liegt a u f der H a n d : sie tragen die sich ergänzenden . K o m p l e x e ' als das ,Leben' der K l u g h e i t , ihre .Gestalttendenzen' richten sich auf die ,guten' Gestalten, z u denen Seelisches hindrängt. Die Vorgänge der K l u g h e i t gehen nicht auf Gedächtniserwerb oder Geschicklichkeitserwerb oder D e n k s p o r t ; sie gehen a u f Ziele, die mit der Lebensführung eines Menschen zusammenhängen. Providentia, circumspectio, cautio bilden den R a h m e n für das erkennende Geschehen und geben ihm ihren ganzheitlichen .Klugheits'-Bezug. Sie sind ,gebietend', wie das G e s a m t system' seelischer Vorgänge .gebietend' ist, das die Einzelschritte erst z u l ä ß t und in .Bewegung bringt'. W e n n T h o m a s auch nicht a u f ratio als Integral der K l u g h e i t verzichtet und damit a u f eine bestimmte Ausprägung des Bewußtseins und des Gewissens hindeutet, so k a n n doch das Umgreifende der K l u g heit etwas anderes sein als .Rationalität'. Die Psychologie würde die Einschätzung der Möglichkeiten, ein Handeln realisieren zu können und bestimmte Ziele zu erreichen, heute nicht allein der .Rationalität' zuschreiben; auch bei T h o m a s scheint pro-videntia diese enge Verbindung keineswegs zu beinhalten. Der eine handelt klug aus seinem .emotionalen Denken' (H. Maier), seinem ,Denkfühlen' (Apfelbach): aus dem Gefühl für den rechten Zeitpunkt, er spürt, wittert, a h n t Sach- und Sinnzusammenhänge (Sander), wobei eine scharfe Trennung zwischen ,Gesehenem' und daraus Möglichem nicht den Tatsachen entspricht. E i n anderer, der .Rationalist', dessen Denken etwas ,straff Gerichtetes' hat, analysiert, zergliedert, schreitet sukzessiv v o n Einzelnem z u Einzelnem weiter; ein dritter wieder besitzt das, was Goethe ,exakte Phantasie' nannte 566
und was Sander als .Synthese' der beiden anderen Denkstile bezeichnet u n d R o t h a c k e r m i t der Aussage umreißt, d a ß große anschauungsnahe Gedanken aus dem ,Es' kommen. Diese Denkhaltungen sind für die K l u g h e i t als charakteristische Unterformen zu verstehen, die v o n der umfassenden Ganzheit der K l u g h e i t und ihren Integralen in ihrer Eigenart bestimmt werden, jedoch ihrerseits helfen, das Wesen der K l u g h e i t und besonders die .gebietenden' Züge z u klären. D e n Erscheinungsweisen der Providentia entsprechen in der gegenwärtigen Psychologie sowohl Aussagen über das ,Gespür' — im Sinne v o n ,einen Riecher haben' oder allgemeiner „Sensorium für das Physiognomische" (Wellek) — wie über ,Instinktsicherheit' — als einer es-haften Qualität (Rothacker) — wie über Qualitäten der prospektiven Sphäre, des Ich, des ,Oberbaues' (Lersch, Rothacker, Thomae). I m m e r werden diese Qualitäten im Zusammenhang mit ,Kernbereichen', m i t G e m ü t und Gewissen (Wellek) und der T h e m a t i k eines Menschen gesehen. Sie gehören z u m Wesen der Persönlichkeit und können nicht allein v o n d e r Intelligenz aus verstanden werden. W i e die übrigen Integrale ist auch das, was als Providentia bezeichnet wird, nicht ein isoliertes Organ, ähnlich dem körperlichen Gebilde des Auges. Sie ist eine Weise des „geführten" Geschehens, der Lebensgestaltung, eng der Lebensgeschichte des Menschen, seinen Zielen, seinem , E n t w u r f ' (Sartre), seinen Problemen und ihren Lösungen verbunden. Eine A n g a b e darüber, wie dieser Mensch seine Anliegen zu verwirklichen sucht, welche Planungen er vornimmt, welche Möglichkeiten er überschaut, welche Gegebenheiten er verarbeitet — und a u f welche A r t er das t u t — was er sieht, wie sein ,Realitätsprinzip' (Freud) beschaffen ist — all das sind wesentliche Erkenntniswege, einen Menschen psychologisch zu verstehen: die Providentia ist auch heute einer der bedeutsamsten Züge eines Menschen, wenn seine ,Begabungsgestalt' oder seine . K l u g h e i t ' in P r ä g e steht. Umsicht
(circumspectio)
Die Erkenntnis des E n d e s und seiner Beziehung zu dem, was ,gut' ist, ist für Handlungen, die klug in die Z u k u n f t greifen wollen, unumgänglich. Schon das .Fragen' nach bestimmten Möglichkeiten ist A u s d r u c k bereits bestehender .Klassifikationen', die für D e n k e n und Sich-Entschließen Gültigkeit haben. I m Entschluß zu einem T u n m u ß der tragende B o d e n sichtbar g e m a c h t werden; das dem Entschluß folgende T u n wird der personalen W e l t ,introzipiert' (Stern). E s m u ß aber durchaus nicht immer ein Entschluß das Handeln einleiten — an ihm k a n n m a n sich nur besonders g u t psychische Zusammenhänge klarmachen — , auch andere F o r m e n und Handlungseinheiten führen das Geschehen weiter. D a s Handeln des Menschen wird gelenkt v o n bestimmten sinnhaften .Leitbildern' und .Leitlinien' (Adler). A u f diese Leitbilder wird rekurriert, wenn eine H a n d l u n g das bisher Geschehene profilieren, fortsetzen soll: ist es der gleiche Stil, p a ß t das als F o r t f ü h r u n g dessen, was ich als ,mein' ansehe — wobei 567
sowohl die Qualitäten eines ,Ich' wie die Qualitäten einer dem I c h entsprechenden, immer schon w e r t h a f t e n W e l t die Weiterführung des Geschehens auf ein bestimmtes, ihnen zugeordnetes E n d e hin gestalten können. I m Anstreben dieser Ziele werden notwendig die sachlichen Möglichkeiten für eine Verwirklichung einzukalkulieren sein; das schönste Ziel n u t z t nichts, wenn es nicht erreichbar ist. Circumspectio umreißt in einem W o r t diese Vorgänge, die a u f das rechte E n d e zuführen. E s ist v o r allem die Hinsicht a u f gute Gründe, die hier die circumspectio z u m gebietenden Integral für die Vorgänge der K l u g h e i t machen. D a m i t wird die W e r t haftigkeit des T u n s b e s t i m m t ; ihr müssen sich auch die Providentia und die cautio beugen: die in der circumspectio sich offenbarende Bezogenheit des Geschehens a u f die Persönlichkeit und ihre W e r t e ist f ü r die K l u g h e i t des Handelns v o n ausschlaggebender B e d e u t u n g . Die U m s i c h t als Integral der K l u g h e i t verbindet Urteile und Entschlüsse, sie zeigt damit sowohl, d a ß die K l u g h e i t nicht mit dem Denken gleichzusetzen ist, als auch, d a ß T h o m a s richtig Züge lebensgeschichtlicher A r t als ganzheitliche .Oberbegriffe' für verschiedenartige seelische A b l ä u f e einzusetzen w u ß t e — für A b l ä u f e , die beim ersten Hinsehen scheinbar nicht vergleichbar sind. A n dieser Stelle steht ein H a u p t p r o b l e m der Charakterologie zur Diskussion. Übersicht über Situation und Lebenslagen, innere Ordnung in den Handlungen eines Menschen, Stabilität, Durchformung, Integration, ,Freisein v o n Neurosen' sind Begriffe, mit denen die Psychologie heute die Verbundenheit und Einheitlichkeit der verschiedenen A k t i o n e n , der Gedanken und Ziele, der W e r t e und ihrer Verwirklichung zu fassen sucht. Wieder ist es nicht das Vermögen der circumspectio, das diese Ordnung herstellt; und wiederum ist es nicht ein .Verstand', der sich .umsieht' und den hier gegebenen W e r t mit dem dort gegebenen E n d e in eine b e w u ß t e Gleichung bringt. So im Sinne der philosophischen Logik geht es im Seelischen nicht zu. Dennoch ist das Grundprinzip des In-Einklang-Bringens v o n Handlungs-Ende mit dem , G u t ' der Persönlichkeit heute wieder eine treffende Einsicht. Wachsamkeit und Vorsicht
(cautio)
Die ruhige, sorgfältige Überlegung bis zur echten Einsicht, die Sicherheit des Wertens und Beurteilens der Konsequenzen des Geschehens, die mit dem klugen Handeln — g e m ä ß seinen Integralen — einhergehen, sind nicht Versicherungen gegen alle Zufälligkeiten. Jeder Entschluß n i m m t ein Risiko auf sich, jedes Urteil über Tatsachen riskiert etwas. D e n Qualitäten der Providentia und circumspectio wird durch cautio eine B e s t i m m u n g hinzugefügt, die erst die ,gebietende' K l u g h e i t ,ganz' m a c h t . Gerade dabei zeigt sich nochmals, d a ß die Integrale der K l u g h e i t nicht nebeneinander liegende starre .Vermögen' sind, sondern Momente eines Vorganges, Glieder eines A b l a u f s , einer Struktur der Persönlichkeitsentwicklung: es ist „die gesamte Persönlichkeit nach einer bestimmten Richt u n g h i n " (Utitz), die als ,klug' bestimmt wird. 568
Gegenüber der Providentia, d e m G e w a h r w e r d e n v o n Möglichk e i t e n u n d W i r k l i c h k e i t e n , u n d der richtungweisenden circumspectio b e d e u t e t cautio: B e w u ß t s e i n des W a g n i s s e s der H a n d l u n gen und .Freiheit' zur Neuorientierung u n d Ä n d e r u n g der eingeschlagenen R i c h t u n g . D a s sind C h a r a k t e r i s t i k a , die g e g e n w ä r t i g in den psychologischen Ü b e r l e g u n g e n eine R o l l e spielen, d a sich d a r a n entscheidende G e d a n k e n zur F r a g e der Persönlichkeitsbildung a n k n ü p f e n ; v o r allem im H i n b l i c k darauf, ob sich und wie weitgehend sich ein Mensch ä n d e r n k a n n . Mit der Q u a l i t ä t cautio w i r d einmal die N o t w e n d i g k e i t der .Improvisation' f ü r die k l u g e L e b e n s f ü h r u n g herausgestellt. M a n m u ß den eingeschlagenen W e g verlassen, seine in d e n H a n d l u n g e n liegende ,Meinung' revidieren können, w e n n es erforderlich ist. I m Begriff der cautio liegt beschlossen, d a ß der Mensch w a c h sein m u ß , neue ,Signale' b e m e r k e n m u ß und d a ß er A n f a n g s l ö s u n g e n anzupassen, sich immer wieder n e u z u orientieren h a t , u m den Widerfahrnissen gerecht zu werden. N i c h t ein blindes Durchf ü h r e n des einmal für .richtig' B e f u n d e n e n , sondern — im klugen W e i t e r l e b e n — Offenbleiben f ü r Neues, a u c h n a c h d e m alles sorgfältig überlegt w u r d e , das m a c h t die K l u g h e i t aus. Z u m anderen m u ß der Mensch aber a u c h w a c h s a m sein, seine G r u n d o r d n u n g zu w a h r e n . Vielleicht l ä ß t sich die E i n h e i t v o n O r d n u n g und B e w e g l i c h k e i t , die als cautio f a ß b a r wird, besonders g u t v o n d e m K r ä f t e s p i e l der Seele her beleuchten, mit dem sich die N e o p s y c h o a n a l y s e b e s c h ä f t i g t (A. F r e u d , H a r t m a n n , Kris). Die A n a l y s e des ,Grenzverkehrs zwischen E s und I c h ' d e u t e t a u f Z ü g e der cautio hin, wie G e w a h r w e r d e n v o n Veränderungen, M u t zu neuen L ö s u n g e n u n d W a h r u n g der Ordnung. E s u n d I c h ergänzen sich, nur durch ihr Z u s a m m e n w i r k e n entw i c k e l t sich d a s .gesunde' Ganze. D a b e i v e r m a g , T r i e b h a f t e s ' I c h a n p a s s u n g e n z u fördern, die Organisation des I c h wiederum , A f f e k t i v e s ' als ihre S t ü t z e z u nehmen. E s k o m m t z u neuen E r f a h r u n g e n der R e a l i t ä t oder der sogenannten ,Innenwelt', die z u Modifikationen, V e r ä n d e r u n g e n u n d a u c h zu übergreifenden O r d n u n g s s y s t e m e n führen, in die sich die W a n d l u n g e n einfügen können. D e r G e d a n k e einer D i a l e k t i k b e d e u t e t hier nicht Relativismus, sondern H i n w e i s a u f die Möglichkeiten u n d Chancen, die sich der Organisation des Seelischen bieten. W e n n die Verä n d e r u n g e n a u c h bestehende Ordnungen lösen können, so müssen sie doch i m m e r wieder in O r d n u n g e n g e b r a c h t werden. U n d u m g e k e h r t will j e d e V e r w i r k l i c h u n g einer Ordnung im Hinblick a u f das, w a s sie in B e w e g u n g bringt, w a c h s a m betrieben werden. I m Z u g e h e n a u f neue Ordnungen, a u f unerprobte Synthesen wie i m B e a n t w o r t e n unerwarteter V e r ä n d e r u n g e n liegen Risiken, denen m a n m i t V o r s i c h t und W a c h s a m k e i t begegnen m u ß . Zugleich aber findet sich g e r a d e hier ein F e l d f ü r schöpferische Lösungen, d a s die cautio als ein wesentliches K e n n z e i c h e n menschlichen H a n d e l n s klar herausstellt. III. W e n n hier u n t e r d e n B e g r i f f e n , m i t denen T h o m a s die Integrale der K l u g h e i t z u fassen suchte, b e s t i m m t e A u s s a g e n der g e g e n w ä r t i g e n P s y c h o l o g i e a u f g e f ü h r t w u r d e n , die d e m v o n ihm 569
gemeinten Phänomen entsprechen könnten, bleibt selbstverständlich die Frage offen, ob wirklich etwas völlig Entsprechendes gemeint ist. Diese Art des Vorgehens aber war darin begründet, daß die heutige Psychologie das Problem der Klugheit expressis verbis im Verhältnis zu anderen Problemen nur wenig beachtet. E s fehlt daher die Möglichkeit, den Begriff der .Klugheit' in der modernen Psychologie dem Klugheitsbegriff des Thomas von Aquin unmittelbar gegenüberzustellen. Der Weg über die Integrale und ihre entsprechenden Bestimmungen in der neueren Psychologie schien noch der geeignetste zu sein. Der Vergleich scheint fruchtbar zu sein, denn es zeigt sich eine Reihe wesentlicher Momente, in denen eindeutige Übereinstimmungen zwischen den Erkenntnissen, die Thomas gewann, und denen, die heute für richtig befunden werden, bestehen. Dazu gehört einmal die Methode des Vorgehens und der Darstellung: ein umschriebenes seelisches Geschehen wird aufgegriffen und in seinen Zusammenhängen und seinen Notwendigkeiten — Was ist an Seelischem erforderlich, um klug handeln zu können ? — betrachtet; die Darstellung folgt den Momenten eines .Ganzen' und stellt ein bestimmtes Gefüge, eine hierarchische Ordnung oder eine Struktur heraus. Übereinstimmungen finden sich zum anderen auch bei vielen inhaltlichen Aussagen, so bei der wichtigen Einsicht in die Unterscheidung von ,erkennender' und .gebietender' Klugheit, und nicht zuletzt in der Richtung auf Erfassung eines lebensgeschichtlichen Vorgangs: der Klugheit. Der .Aufbau der Begabung' ist nicht vom ,Aufbau der Persönlichkeit' zu trennen; genauer: die Gestalten des Handelns sind immer Formen, bei denen ,Intelligenz' und Persönlichkeit unlöslich verbunden sind. Dieser Einsicht der gegenwärtigen Psychologie steht der Klugheitsbegriff bei Thomas recht nahe. Klugheit ist ein Prinzip der Lebensführung, ein Vorgang der Persönlichkeitsgeschichte, eine Strukturqualität der Persönlichkeit. Die Frage nach der ,Begabungsgestalt' des Arztes oder des Kaufmanns, um die sich die Psychologie heute bemüht, muß nicht notwendig auf die Gestalt der Klugheit dieser Menschen eingehen; im Beruf kann man sehr begabt, in seiner Lebensführung sehr unklug sein. I m Beachten solcher Gesamtqualitäten liegt dennoch viel Gemeinsames zwischen Thomas und der gegenwärtigen Psychologie. Und von da aus ist es auch nicht weit zur Wertung bestimmter Vorgänge und Eigenschaften als wert-voller Tugenden. Das läßt selbst eine Überlegung H. Taines ( I I S. 279 f¥.) erkennen: „In dem sturmbewegten Strome des Lebens sind die Charaktere Lasten und Flöße, die uns bald auf den Grund reißen, bald über Wasser halten. . . Daraus folgt, daß alle Charaktere des Willens und Verstandes, welche dem Menschen beim Handeln und Erkennen helfen, wohltätig und die entgegengesetzten schädlich sind. . . In dem Staats- und Geschäftsmann ist es ein Steuerungsgeschick, immer wachsam und sicher. Die Zähigkeit des gesunden Sinnes, die unaufhörliche Anpassung des Geistes an den Wechsel der Dinge, eine Art innerer Anpassung des Geistes an den Wechsel der Dinge, eine Art 570
innerer Waage, die stets bereit ist, alle umliegenden Kräfte zu wägen, eine begrenzte und auf praktische Einfälle sich beschränkende Einbildungskraft und der unerschütterliche Instinkt für das Mögliche und Wirkliche." Diese Feststellung eines der ersten ,modernen' Psychologen, der sich um eine neue Klassifikation und um ,ganzheitliche', lebensnahe Psychologie bemühte, sind den thomasischen Ansichten nahe verwandt. Hier finden sich die ,alte' und die ,neue' Psychologie; was auch Überlegungen von Utitz (S. 156) zeigen, der das Charakterologische entscheidend zur Berufsausübung beitragen l ä ß t : „Was nützt dem Patienten alle fachliche Tüchtigkeit, wenn sich sein Arzt nicht gern im Essen und Schlafen stören läßt und darum seinen Besuch verzögert? Was nützt ihm das größte Wissen und der größte Scharfsinn seines Arztes, wenn dieser aus Ängstlichkeit eine schwere Operation hinausschiebt, bis es zu spät ist ?. . . Wendet man ein: dann sei eben der Arzt nicht ,tüchtig', so schließt man schon das Charakterologische ein. J a , man zählt zur Tüchtigkeit mit R e c h t die Freundlichkeit und ruhige Bestimmtheit des Arztes, die Heilsuggestion, die von ihm a u s g e h t . . . " Beschäftigt man sich vom Standpunkt der heutigen Psychologie aus mit einem Vergleich zwischen gegenwärtig anerkannten Ansichten und den Aussagen über die Klugheit, die Thomas macht, stößt man allerdings auch auf zentrale Probleme psychologischen Vorgehens, die auf der Grundlage der hier behandelten Einzelfragen nicht zu lösen sind. Die Probleme entstehen einmal dadurch, daß bei Thomas eine zutreffende Zergliederung seelischer Vorgänge mit konstruktiven Überlegungen zusammenstößt. Zergliederung, Wesenserfahrung, Beschreibung und ihnen gegenüber Konstruktion sind Glieder psychologischen Denkens, die notwendig zusammengehören, aber sich nicht immer einander so durchdringen, daß das Gesehene völlig auf die Ebene begrifflicher Systematik umgesetzt wird. Wenn hier von einem Zusammenstoßen gesprochen werden muß, so ist damit gemeint, daß die Beschreibung seelischer Zusammenhänge und Verknüpfungen bei Thomas zwar wesentliche Züge der in Frage stehenden Vollzüge eindeutig herausarbeitet, sie dann aber Seinsschichten zuordnet, die aus ihrer Definition allein nicht das f u n k t i o n i e r e n ' des psychologisch aufgewiesenen Gefüges der Klugheit verständlich machen. Die moderne Psychologie kann sich noch kein völlig klares Bild von der Struktur solcher seelischer Realitäten wie der Klugheit machen. Was sich als Gefüge der Klugheit heute abzeichnen könnte, wäre vielleicht: das ,Ganze' der Klugheit ist eine Ausprägungsqualität der menschlichen Persönlichkeit. Sie ist verbunden dem Aufbau der Handlung des Menschen und ihrem Organisiertsein. Sinnkonstanten, Leitbilder, ,Erspürtes' lenken die verschiedenartigsten seelischen Operationen gemäß der umfassenden, begründenden und bedingenden Struktur der Klugheit. Daraus erwachsen (oder werden aufgerufen) eigentümliche gegliederte seelische Abläufe. Gegenüber Thomas würde heute wahrscheinlich stärker das Ineinandergreifen der Glieder und die Bedeutung der Formen des seelischen Ablaufs 571
herausgestellt, sonst aber im großen und ganzen ebenfalls die Ganzheit durch ihre Glieder und Seiten einzugrenzen gesucht. Außerdem wäre wohl die Beziehung zur menschlichen Persönlichkeit in psychologischer Sicht, zu den psychologischen Kategorien ihres Erfassens mehr betont. .Tugenden' dieser Persönlichkeit sind nicht ,Stücke' gleich den Steinen eines Hauses, sondern .Baugesetze' oder .Bauvorschriften' (Utitz). Sosehr von den Ansätzen, die Thomas gibt, weitergedacht werden kann, so sehr hieße es die Augen verschließen, wenn man schon jeden Gedanken bei Thomas vorgedacht finden wollte. Gerade dann würde man nicht mit Staunen feststellen können, daß die aus anderen Quellen gespeiste moderne Psychologie mit wesentlichen Einsichten bei Thomas übereinstimmt. Vielleicht h ä t t e man dann etwa die Scheidung von .gebietender' und .erkennender' Klugheit nicht so würdigen können, wie es jetzt auf dem Weg über andersartige Erkenntnisse möglich ist. Daß die Psychologie von ganz anderen Überlegungen her dazu kommt, die Gedanken von Thomas zu würdigen, das dürfte das Beachtliche bei einem solchen Vergleich sein. Ein Tatbestand, der den Psychologen veranlassen kann, als die vielleicht wichtigste Aufgabe einer empirischen Psychologie vor allem ein Besinnen auf die großen Zusammenhänge anzusehen.
572
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574
ERGÄNZUNGEN
ZU D E N
MARGINALIEN
Die Väterzitate im Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum rum (CSEL) und im Corpus Christianorum seu nova collectio, series Laiina (CChrL), soweit die im Bande Werke dort erschienen sind Seite
9 17 21 21 21 22 28 34 40 44 49 56 62 68 68 76 76 77 79 83 84 84 85 85 85 86 86 86 87 93 93 93 108 111 129 129 129 130 135 145 145 149 156 156 157
PL
32/795D 33/964B 49/363A 49/366A 49/398A 37/1424D 49/363A 49/359C 22/871B 32/665D 49/203A 35/1646B 92/598C 14/292D 42/369D 43/109D 43/200B 3/791A 43/200B 33/531D 42/448A 34/781A 42/447B 42/444D 41/637D 33/531A 33/531B 33/531A 33/856A 40/539D 33/856A 34/781A 41/67B 42/418C 33/113A 33/156D 33/277C 41 /22A 49/1063B 34/27B 34/29D 34/27C 34/27C 14/292D 44/300D
CSEL
33 57 17 17 17
256 368 174 174 193
17 17 55 33 17
173sq. 173sq. 294 10 81
3211 251 51 51 311 51 44 251 28 I I 251 251 40 I I 44 44 44 57 41 57 28 I I 401 251 341 3411 34 I I 401 13 80 80 80 80 3211 42
296 537 146 302 643 302 141 673 428 672 667 390 140 140 139sq. 135 511 135 428 90 621 108 76 355 16 476 19 23 19 19 296 17sq.
LatinoPatrum zitierten
CChrL — — —
40/1576 — — — — —
36/304 120/380 — — — — — — — —
33/319 — —
48/675 — — — — — —
33/319 47/53 — — — —
47/9 —
32/17sq 32/22 32/18 32/17 — —
575
Seite
159 165 168 170 181 187 202 203 220 261 266 280 295 295 301 307 345
PL
44/301A 32/1268A 33/557B 33/557B 41 /640D 34/133D 32/1235C 32/1235C 32/689D 63/860B 32/1268A 32/1268A 34/388B 34/389C 34/334C 34/133D 34/37D
VERZEICHNIS
CSEL
42 74 44 44 40 I I 77II 74 74 33 67 74 74 281 281 281 77II 80 DER
/18 /85 /193 /193 /395 /20 /26 /26 /57 /124 / 85 /85 /258sq. /261 /161 /20 /35
CChrL —
-
—
48/679 32/204 —
— —
94/102 — —
— —
—
32/204 32/34
ABKÜRZUNGEN
1. Werke des hl. Thomas vom Aquin (außer Summa Sentenzenkommentar)
theol. und
A n = Quaestio d i s p u t a t a de a n i m a . (In) A n = I n libros De a n i m a expositio. Anal p o s t = I n Aristotelis libros P o s t e r i o r u m A n a l y t i c o r u m expositio. B T = Expositio super librum Boethii D e T r i n i t a t e . Cael = I n libros D e caelo e t m u n d o expositio. Car = Quaestio d i s p u t a t a de c a r i t a t e . Caus = Super l i b r u m De eausis expositio. CG = S u m m a c o n t r a Gentiles. CI = Contra i m p u g n a n t e s Dei c u l t u m et religionem. (In) Cor = Expositio in S. P a u l i Apostoli epistolam a d Corinthios. CTh = C o m p e n d i u m theologiae a d f r a t r e m R e g i n a l d u m socium s u u m carissimum. Dee leg praeo = I n d u o p r a e e e p t a caritatis et in deeem legis p r a e e e p t a expositio. E p h = Expositio in S. P a u l i Apostoli epistolam a d Ephesios. E t h = I n decem libros E t h i c o r u m expositio. (In) Gal = Expositio in S. P a u l i Apostoli epistolam a d G a l a t a s . Gen et Corr = I n libros Aristotelis De generatione et c o r r u p t i o n e expositio. (In) H b = Expositio in S. P a u l i Apostoli epistolam a d H e b r a e o s . I s = Expositio in I s a i a m p r o p h e t a m . (In) J o = Expositio in E v a n g e l i u m S. J o a n n i s . J o b = Expositio in J o b a d l i t t e r a m . Mal = Quaestiones d i s p u t a t a e de malo. Mem et R e m = I n l i b r u m de m e m o r i a et reminisoentia expositio. Met = I n duodeeim libros M e t a p h y s i c o r u m expositio. 576
(In) M t = E x p o s i t i o in E v a n g e l i u m S. M a t t h a e i . P h i l = E x p o s i t i o in S. P a u l i Apostoli e p i s t o l a m a d Philippenses. P o l = I n libros P o l i t i c o r u m expositio. P h y s = I n o c t o libros P h y s i c o r u m expositio. P o t = Q u a e s t i o n e s d i s p u t a t a e d e p o t e n t i a Dei. (In) P s = I n P s a l m o s D a v i d i s expositio. P V S = D e p e r f e c t i o n e v i t a e spiritualis. Qlb = Q u a e s t i o n e s quodlibetales. (In) R o m = E x p o s i t i o in S. P a u l i Apostoli e p i s t o l a m a d R o m a nos. R P = D e regimine P r i n c i p u m a d r e g e m Cypri. S y m b = I n S y m b o l u m A p o s t o l o r u m scilicet „Credo in D e u m " expositio. (In) T h e s s = E x p o s i t i o in S. P a u l i Apostoli e p i s t o l a m a d Thessalonicenses. (In) T i m = E x p o s i t i o in S. P a u l i Apostoli e p i s t o l a m a d T i m o theum. Ver = Q u a e s t i o n e s d i s p u t a t a e de v e r i t a t e . V i r t = Q u a e s t i o d i s p u t a t a d e v i r t u t i b u s in c o m m u n i . Virt c a r d = Quaestio d i s p u t a t a d e v i r t u t i b u s oardinalibus. 2. Abkürzungen
und Ausgaben der öfter zitierten schriften
Werke und Zeit-
A A S = A c t a Apostolicae Sedis. R o m 1909 ff. A G P h = A r c h i v f ü r Geschichte der Philosophie (1895 — 1925: A r c h i v f ü r P h i l o s o p h i e ; 1926—1930: A r c h i v f ü r Geschichte d e r Philosophie u n d Soziologie). Berlin 1889—1932. 1960 ff. A H D L M = Archives d'Histoire doctrinale et littéraire d u m o y e n - â g e . P a r i s 1926 ff. A S S = A c t a S a n c t a e Sedis. R o m 1865 — 1908. B K V = B i b l i o t h e k d e r K i r c h e n v ä t e r . H r s g . v . O. B a r d e n h e w e r (ab B d . 35: J . Zellinger) u . C. W e y m a n n . K e m p t e n 1911 ff. B o r g n e t = O p e r a o m n i a B . A l b e r t i Magni. E d i t i o A. B o r g n e t . Paris 1 8 9 0 - 1 8 9 9 . B T h W = Bibeltheologisches W ö r t e r b u c h . H r s g . v . J . B . B a u e r . 2 B d e . G r a z - W i e n - K ö l n 2 1962. C a t h = Catholica. J a h r b u c h (Vierteljahresschrift) f ü r K o n t r o verstheologie. ( P a d e r b o r n ) M ü n s t e r i. W . 1932 ff. C C h r L = C o r p u s C h r i s t i a n o r u m seu n o v a P a t r u m collectio. Series L a t i n a . T u r n h o u t - P a r i s 1953 ff. C J C = Codex J u r i s Canonici. C S E L — Corpus S c r i p t o r u m E c c l e s i a s t i c o r u m L a t i n o r u m . E d . curis e t impensis A c a d e m i a e L i t t e r a r u m V i n d o b o n e n s i s 1886 ff. D T h A = Deutsche Thomas-Ausgabe. Heidelberg-Graz. D T h C = D i c t i o n n a i r e d e théologie c a t h o l i q u e . H r s g . v . A . V a c a n t u . E . M a n g e n o t , fortges. v . E . A m a n n . P a r i s 1930 fif. D T h ( F ) = D i v u s T h o m a s (vor 1914: J a h r b u c h f ü r Philosophie u n d s p e k u l a t i v e Theologie; a b 1954: F r e i b u r g e r Z e i t s c h r i f t f ü r Theologie u n d Philosophie). F r e i b u r g / S c h w . 1887 ff. D z = H . D e n z i n g e r e t A. S c h ö n m e t z e r S J , E n c h i r i d i o n S y m b o 37
17B
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Zur Literatur über die Klugheit in der modernen Psychologie siehe S. 573—574. Die einschlägigen Artikel im DThC, L T h K . RAC und RGG werden nicht eigens angeführt.
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ALPHABETISCHES NAMEN- UND SACHVERZEICHNIS
VORBEMERKUNGEN 1. Die kursiv gedruckten Ziffern beziehen sich auf Anmerkungen und Kommentar. Wo Einwand und Lösungen sich in den Angaben entsprechen, sind sie durch / zusammengefaßt. 2. Kursiv gedruckt sind Verweise auf andere Schlagwortc. 3. Innerhalb des durch das Schlagwort gebildeten Abschnittes gilt in der Regel die alphabetische Reihenfolge der sinntragenden Stichworte. 4. Wiederholte Schlagworte werden in der Regel mit dem Anfangsbuchstaben abgekürzt. Sonstige Abkflrzungen wie (iblich; außerdem: Ggstd. = Gegenstand; Kl. = Klugheit; Lb. •= Liebe; Tgd. = Tugend.
A All 370. Allgemeine 260 389 391 393. Almosen 131 134. Amt, kirchliches 90f 455. Amtsträger 86. Anlaß — z. Fall 112—115 128 460ff. — unzureichende Ursache 114. — zufällige Ursache 114. Anstoß 112 116. s. Ärgernis. Ärgernis — Anstoß zur Sünde 113f 116 119 123 460ff. — geben und nehmen 115 117 120f 123—130 132 150 374. — d. Kleinen 133 138. — d. Liebe entgegen 120. — d. Pharisäer 127 132 139 374. — Sünde 119ff 123f 373f 462ff. — Ursache 132 138ff. — Verbot im N T 150. — Vermeiden durch Verzicht 130—140 375 465f. — bei Vollkommenen 124 bis 129 464f. - - Wort o. Werk l l f 113ff 117 119 132 373 460ff. 584
— Worterklärung (scandalum) 112 460. — d. brüderl. Zurechtweisung entgg. 121 374. artes liberales 383. Auffindung 242. Auflehnung s. Aufruhr; Schisma. Aufruhr 457—460. — gg. Gerechtigkeit 108f. — gg. d. Menge 106 108f. — u. Schisma 106. Spaltung d. Staates 104 106. Sünde 105 108 457f. — gg. Tyrannei 109. — Vorbereitung z. K a m p f 105ff. — Worterklärung (seditio) 104 373. — Zwietracht 106f. Aufrührer 106 108f. Aussage, F o r m u. Ggstd. 373. B Barmherzigkeit 304ff. — Werke d. B . 131/134f 545. Baukunst 221 387f. Bedenkenlosigkeit 312 317ff 549.
Bedrängnis 371. Befehl 518—523. s. Kl., Gebieten. Begierde 29 45 157. Begräbnis, kirchl. 83. Begriffsbestimmung l l l f 114 393. Beharrlichkeit 320/322 394. 8. Standhaftigkeit. Beiehrbarkeit 239/245 24 l f 245 253ff 315 534 564f. — Ganzheitsteil d. K l . 253ff 534. — psychologisch 564f. — natürl. Veranlagung 253/ 254f. Beleidigung 98f 102. Besorgtheit 526f. — Aufwenden v. Mühe 349. — innere 352. - um irdische Dinge 349. — z. K l . 217 241 351. — d. Trägheit entgg. 216. — überflüssige 352f. — gewisse Unruhe 215/217. — Sache d. Vorgesetzten 348. — Weitblick 241/245 351/352. — Worterklärung (sollicitudo) 216f 386. d. Zeit entsprechend 353. — wegen Ziel 348/350 349. — um Zukunft 351. Betrug 346f 355f 360f 551. Beweglichkeit 563f. Bewegung u. Ziel 380. Bischöfe s. Kleriker; Schisma. Bitterkeit 35. Blödheit 185f. Böses 63 113f 121 123 36(1. Bosheit 31 34 132. C Christus 376f
381. D
Dämonen 376. Demut 24 65. Dialektik 286 292 383 393f. Doppelzüngigkeit 189.
K Ehebruch 29 45. Ehevollzug 92. Ehrabschneidung 50. Eifer 26 41ff 64 369. Eigentümliches 274 393. Einsamkeit 391. Einsicht s. Kl.; Verstand. Eintracht 52 54 56/57. Einzelnes — Erkenntnis d. E . 252 260 264 389 391 494ff. — Ggstd. d. Tuns 153 160 200 251f 260 264 389 391. s. Kl., Ggstd. Einzelwohl 108 218/220 219. Enthaltsamkeit 25 320/322 368. s. Standhaftigkeit. Enthaltung 35 368. Entrüstung 42 44 46. Entscheidung, freie 385 391. Entscheidungsvermögen 296. Erfahrung 247. — psychologisch 558 563. Erinnerung 239/241 242 246ff 534 558f. — u. Erfahrung 247/248f 391. — Ganzheitsteil d. K l . 246 bis 249 315. — - Notwendigkeit 247/249. — Träger 246/248. Erkenntnis 242 248 288f 291. s. Allgemeines; Einzelnes. Essig 368. Exkommunikation 79/80f 133 370 438ff. F Fall, geistiger 111—114 117 120 128 460ff. s. Anlaß. Fasten 367. Feiertage 95f 455. Feind 86 93 159. Findigkeit 227/229 230/231 242 256f 388f. s. Treffsicherheit. Fleisch — biblisch 369. — K l . d. F . 334—339 550f. 585
F r e i h e i t 377j. s. Gebot. F r e u d e 25ff 33 37 148/150 413. F r i e d e n 182f. d. Gemeinschaft 77 106. A k t d. L b . 148/150. — Ziel d. Krieges 87 449. — - R u h e u. O r d n u n g 181 444. — Sünden gg. F . 425. —• W o r t e r k l ä r u n g 443f. F r i e d e n s t i f t e n 179/181 180f 183. F r ö m m i g k e i t 165/168 304. F r ü c h t e 303/304. F ü h r u n g s k u n s t 269/271 270/ 272 270f. — Kl. — — staatsbürgerliche 272/ 274, s. d. vollkommenste A r t 271 274. — u. S t a a t s b ü r g e r s i n n 272f/ 274 387f 392f. F ü r s t 387f. — A u f g a b e n 83f 86 100 225 269/271 270/272 392f. s. Führungskunst. G G a b e n d. H l . Geistes 164 294/ 296 300f. — E i n s i c h t 171, s. d. — F r ö m m i g k e i t 165/168, s. d. - - R a t 293—298 304, s. d. — Weisheit, s. d. - - W i s s e n s c h a f t 171 297/298 394, s. d. Gebieten s. Kl., Gebieten. Gebot — A u s r i c h t u n g : L b . 142/144 377f. — E r f ü l l b a r k e i t 86 137/140 157f 366f. — u. F r e i h e i t 142/144 273f 377. — Ggstd. A k t d. T g d . 141/144 143 145/147 148/149 151/152 162.
Maß d. T g d . 141f/144 151/152. — u. Gemeinwohl 86. 586
— d. Gottes- u. Nächstenlb., s. Lb. — - Ü b e r t r e t u n g : Sünde 161 366f. — Zehn G.e 357ff. Gedächtnis s. Erinnerung. Gegenstand 205f 222 272/274 388. — Gegenständlichkeit 206 385 388. — Sachgehalt 206 385. G e h a b e n 152f 179 203 221/223. — psychologisch 555ff. s. Gegenstand. Geist s. Leben. Gemeinwohl 86 108 139 218 220 274 527f. Gerechtigkeit 376'/. — A u s ü b u n g d u . K l . 271. — biblisch 365. — geschuldet 359 361. — Gesetzes-G. 218/219f. — göttliche 9ff 365f. — K a r d i n a l t g d . 365. — L a s t e r gg. G. 110. — i m v e r n u n f t h a f t e n Strebevermögen 355. — Vollzug 130. Gericht 137 140. Geschick 114 373. Geschmackssinn 186ff3S2. Geschuldetes 142f. Geschwätzigkeit 35. Gesetz 145f 148 162 270/272 392f. — u. Gebot 146 357. — Neues 378. Gewalt — geistliche 80. — öffentliche 100. — weltliche 79 81. Gewissen 493 521ff. Glaube 70ff 75 113 144. — Bereich 394. — B e k e n n t n i s 168. — verstellter 143f 377. Gleichgültigkeit s. Trägheit. Glück 373. G n a d e 176ff. — u. L b . 231. — u. T g d . 230. Gott — bewegt menschl. Geist 300ff.
— E r k e n n b a r k e i t 4f 369. - - Geheimnis 178. — G u t h e i t 4 / 5 125. — H a ß gg. G. s. d. —- L e u g n u n g 377. -— Macht 372. - Sein 6. — Söhne G.s 181. — - U r s a c h e 6 166. — Vorherwissen 383. Vorstellung v. G. 377. — W a h r h e i t 4/8 144. Wesensverwandtschaft m. G. 170. — Ziel v. allem 4/6. Gottebenbildlichkeit 160. Göttliches 169 170/171 171ff 175f 178. Götzendienst 71/74 113f 376. Götzenopferfleisch 376. G r a m 48/50. Groll 31/34. Großgesinntheit 218 386. G r u n d s ä t z e 146 234 247 251 358. G u t 72/75 73/75 166f 203. — geistig/geistlich 22f 25ff 30 34 75 131ff. — göttliches 27 /30. — irdisches 186. — leibliches 167. - menschliches 209. — G u t e s t u n 148/150. - schlechthin vollkommen 166f. — Zielcharakter 149. G ü t e r 42f 136—140 167. H H a b s u c h t 354ff 552. Häresie 68/70 72. — u. Schisma, s. d. H a n d e l n 385 389 393 494ff. — Ggstd. d. K l . 205/207. d. sittl. T g d . 205/208. H a n d l u n g e n 146 173 205f 222 272/274 388. H a n d w e r k e r , K u n s t d. H . 387f. H a r t n ä c k i g k e i t 53f. H a ß 403—410. — A b k e h r 4/6 366. — christozentrisch 366.
— gg. G o t t 6ff 403—406. S ü n d e 6/8 75. U r s a c h e 5 7/9 18f 101. — kein H a u p t l a s t e r 15 410j. — d. L b . entgg. 3 10 14 16 366. — gg. Menschen 407—410. — Mißklang 366. — gg. N ä c h s t e n 9ff 99f 150. E l t e r n 9/11 366. — gg. Sünde 10. sittl. Ü b e l 14/16. — Ursache Neid 17/18 19 101/103 411f. Traurigkeit 14/17f. Z a n k 103. Zorn 17/19. — V e r b o t i m A T 150. H a u s w i r t s c h a f t s k u n s t 275/ 276. s. Kl., hausvnrtschaftliche. H e e r 75 158 370. H e i m a t , ewige 157f. H e r r s c h a f t s f o r m e n 270 365 392f. H e r z 153ff 425. Heuchelei 381. H i n t e r h a l t 92ff. — u. Verschlagenheit 355/356. H o c h m u t 56f 167 354/356. — F r u c h t 48. — wegen G ü t e r 64/65. — u. Streit 65. — u. Zorn 100/102. Höllenstrafe 371. I Irdisches 188 190f. I r r e g u l a r i t ä t 91 372. J J u d e n c h r i s t e n 376. J u n g f r ä u l i c h k e i t 92. K K a m p f 109. — Vollzug v. Krieg 105 442j. — V o r b e r e i t u n g z. K . 105 107/ 109. 587
k a t h o l i s c h 68 76. K a s u i s t i k 524ff. K i r c h e 67 81 138 429ff. — E i n h e i t 69 72 430ff. — H a u p t 69 80 430f. — Mitglied 434. — orientalische 431ff. — W e i h e n 77. — Z e h n t e n 137f/140 466. K l a r s i c h t 239f 244 290ff 542f. K l e i n m u t 31 33. K l e r i k e r 88—92 454f. K l u g h e i t (14)ff 192 238 483 bis 532. — Akt E r w ä g e n d . Allgemeinen u . E i n z e l n e n 200f 233 264. F i n d e n d. M i t t e 195 202/204 212 384f. G e b i e t e n 209f 213ff 224 228f 237/240 244 255 261 270 284 297 317 518—523 567 572. U b e r l e g e n 195/197 198 214f 227—230 240 255 259 281ff 297 317 391 519ff. U r t e i l e n 214 228 240 256f 297 317 518ff 572. — arist. B e g r i f f s b e s t i m m u n g 197 383. — - eingegossene 232. -— a u f E i n z e l w o h l 219/220 274. — E r f a h r u n g 247. — E r k e n n t n i s 251. —• e r w o r b e n e 232 343. — d. Fleisches 227 335—342 355 550f. — F ü h r u n g s k i . 240/243. s. Führungskunst. — Ggstd. einzelnes 200f 233 260 264 391. Mittel z. Ziel 195 212. — — N i c h t - N o t w e n d i g e s , Zuk ü n f t i g e s 206f 219ff 236 247 262 267 391. — auf G e m e i n w o h l 218/219f 274. — g e s e t z g e b e n d e 225 270/272 392. — u. G n a d e 389 530. 588
— h a u s w i r t s c h a f t l i c h e 240/ 243f 245 275/276. — - b a u m e i s t e r l . K u n s t 221 387f. — in d. L b . 193/195 382. — L e i s t u n g 496ff. L e i t u n g 243 31 l f . — r e c h t e M a ß g a b e 197 205 208 214 223 251 281 383. -— m i l i t ä r i s c h e 240/243. s. Kriegskunst. —- stellt M i t t e h e r 195 202/204 211/212 384f 516ff. — u . G a b e d. R a t e s 293—306 544ff. — u. Streben nach Reichtum 384. — im w e i t e n Sinn 243f. -•- u . i n n e r e Sinne 201 253. — s t a a t s b ü r g e r l i c h e 220f 226 240/243 245 527f. s.Staatsbiirgersinn u . S ü n d e r 226—229 528ff. — Teile G a n z h e i t s t . e 241f 312 534—537 555—572. .?. Erinnerung; Verstand; Beiehrbarkeit; Treffsicherheit; Weitblick; Unisicht; Vorsicht; Vernunft. M ä c h t i g k e i t s t . e 244 312 •540—543. s. Klarsicht; Verständigkeit; Wohlberatenheit. U n t e r t . e 242ff 311f 392. s. Regierungski.; staatsbürgerl. Kl.; hauswirtschaftl. Kl.; militärische Kl. d. Tiere 233. — T r ä g e r 194 197 237 246 248 484—493. — Tgd. a r t e i g e n e 207 51:2ff. - sittliche 203 507—512. u . sittl. T g d . e n 202/204 208—214 384f 514ff. — - u. T g d . m i t t e 211ff 516ff. v e r s t a n d h a f t e 203 216 225 233 247 494ff. — - U n k l u g h e i t s. d. — u n v o l l k o m m e n 228. — v o l l k o m m e n 228.
- Verstehen 251f 255 389f. — Vorgehen 251f 255 389f. — Weisheit 196/198 337 384. - Wissen 202f 494—502. - W o r t e r k l ä r u n g (prudcntia) 194 261/263 382. — Ziel 197 228f 285 355 338f. Könige 365. s. Fürsten. Kontemplation s. Schau. Krieg 82—96 441—455. — ABC-Waffen 451j. — Begriff 442ff. — Bürgerkr. s. Aufruhr. — erlaubter u. gerechter 83ff 93 100 444—454. --- gg. äußere Feinde 105. - an Festtagen 95f 455. — K.slist 92ff 455. — u. N T 82f 85f 444f. — Privatk. s. Zank. — K.srecht 94. — Verbot f. Kleriker 87—92 454. — Ziel Frieden 87 449. geistig göttl. Gut 92. Kriegskunst 240/243 277/279 540. Kriegsübungen s. Turniere. Kunst 387f 491f. — Arten 197/199 204 243 256/ 258. — Ggstd.: Herstellbares 20«. — Wahl d. Mittel 204. — u. Natur 278. — u. Tgd. 202/203. — Verschiedenheit 276. 8. artes liberales. L Laster 14 25f 31/34 150 310. — d. Fleisches 26 323f. — geistiges 323f. — Hauptl. 14 32ff 47ff 56 105 410. Leben, geistl. 45 124 143. Lebensgeister 297 394. Lehre d. Evangeliums 133f 357/359. Leidenschaften 20/23 44f 102 374.
Liebe - Akt d. Willens 155 168. Akte 147 148/149f 152f. - Elternlb. 11 379. Feindeslb. 159. - - Freundschaft 149 378. — u. Frieden 181. Gabe Gottes 174. Ggstd. 18 75 155. - Gehaben 152f. - Gebot 141ff 378 467ff. — - Auslegungen 155f. -— u. Freiheit s. d. Hl. Schrift 154f 469 bis 473. betrifft Maß d. Tgd. 141 / 144 151/152 162 379. Ordnung d. Lb. 161ff 379f 474. Wille 144 377. Ziel 144 158. - Gotteslb. u. Nächstenlb. 147f 378 473f. Vereinigung m. Gott 143. Voraussetzung: Tgd. u. Glaube 143 376. Weisen 152f 379. Wesensverwand tschaft m. Gott 170 175. —- d. Haß entgg. s. d. — Heilige Lb. 148/149f 160 37 8 ff. Nächstenlb. lOff 117 145 bis 148 159 378. Beweggrund 161. Gebot s. Lb., Gebot. - Geschenk 12. — Hinordnung auf Gotteslb. 145/147 378. Maß 160f. s. Selbstlb. s. Nächster. — naturhaft 15. — Ordnung 18 132. s. Lb., Gebot, Ordnung. — Selbstlb. 149 159ff 378. — Tgd. Form d. Tgd.en 141. Mutter d. Tgd.en 14. vornehmste 15. — verbindet 56 143 181. — Verlust: Unglaube 71. — Vollkommenheit 151/152. 589
— Wirkung 180/181f. — u. Gabe d. Weisheit s. d. List 343ff 361 395 551. — u. Hinterhalt 354/356. — u. Verschlagenheit 344f. s. Betrug; Verschlagenheit. Lohn 89 180. Lust 32f 36 39f 189. M Meinungsverschiedenheit 5.'}ff. Menge 106—109 243. Mensch u. vernunftl. Schöpfung 208 386. Mißgunst 49 56. Mitleid 46. Mitte d. Tgd.en 211/212 516ff. Moralsysteme 523f. Mord 121 354/356. Müßigkeit 32/35. N Nachlässigkeit 312 325ff 556. — Ggstd. 329f. — Mangel an Besorgtheit 325 / 327 326 329 395. — Nachlassen d. Willens 332. —- Sündhaftigkeit 325/327 332f. Nächster lOf 159/160 183. — Heil d. N. 117f 123. — Wortbedeutung 159 163. Natur 278 380. Naturerkenntnis 243. Neid — Strafe 41/44 368. — Sünde 43 45f 368f 423ff. — Tochter d. eitl. Ruhmsucht 47. — Töchter d. N. 49f. — Trauer 16 36ff 40—43 48 115 368. — Ursache 37/40. — Verbot im N T 150. — Wesen 420ff. --• Wirkung 41 368. Haß 18 101. Unbeständigkeit 322/ 323. Notwendigkeit 118 142/144 373 377. 590
O Ohrenbläserei 48 50. Ordnung 83f 162. Ort 249 391. P passio s. Streben; Leidenschaft. Paulus, Apostel 374 376 395. Praktiker 500ff. Priesteramt 372. R R a t , Gabe d . Hl. Geistes 293 bis 306 544ff. R ä t e , evangelische 28 131/134 135 151/153. Rechtheit s. Gerechtigkeit. Redekunst 243 256/258. Regi^rungskunst s. Führungskunst. Regsamkeit s. Findigkeit. Reich 84 106 108. Reichtum 204 385. Richter 86 100. Rücksichtslosigkeit 32 35 123. Ruhmsucht, eitle 48f 64/65 354 427ff. — • Töchter 47 55ff64ff 100/102 101 427ff. — Verbot im NT 150. S Sabbat 28 3 72. Sachgehalt s. Gegenstand. Säftemischung 382. Salbung 381. Sanftmut 101. Satan s. Teufel. Schadenfreude 48 50. Schau 172/173 234 261/263 281 381 393. Schisma — Auflehnung 67f/70. — u. Aufruhr 106. — gg. kirchl. Einheit 68f/70 73/75 106. — u. Häresie 68/70f 429. — Sünde 68f 72/75 73 429 bis 434. — Ungehorsam 67f/70.
— u . U n g l a u b e 434ff. — W o r t e r k l ä r u n g 68 104 370. Schismatiker — Begriff 69. — S t r a f e 80 438—443. — S ü n d e 80. — V o l l m a c h t 77f 436ff. Schläfrigkeit s. Müßigkeit. schlecht — u . g u t 365. — w a s s c h a d e t 12 366. s c h l e c h t e s t e 7 12 365. S c h l u ß s ä t z e s. Wissenschaft. S c h w a c h h e i t 112/116 126 128. Schweifen d . Geistes 31f. — T o c h t e r d. Ü b e r d r u s s e s 32 34f. Sein 380. Seligkeiten 303/304 394 480 545. Sinn, innerer 252. Sinnlichkeit u . S ü n d e 29 4 4 / 45f. S i t u a t i o n s e t h i k 502—507. S o l d a t 158 370. S o l d a t e n t o d 82/92 37lf. Sorge, ü b e r m ä ß i g e 551. S o r g f a l t 325/327. s. Besorgtheit. Sorglosigkeit 368. S p a l t u n g s. Aufruhr; Schisma, Worterklärung. S t a a t 87 96 106 388. S t a a t s b ü r g e r s i n n 221/223 273f 387ff. s. Führungskunst. S t a n d h a f t i g k e i t 322 394. S t r a f e 74 80f 133 371. S t r e b e n 127 229 374 499ff. S t r e b e v e r m ö g e n 4 100 102 208 278 372. S t r e i t 59—66 428f. — m . G o t t 369. — S ü n d e 61ff 428. — T o c h t e r d . eitl. R u h m s u c h t 65 428f. —- U r s a c h e 65. — in W o r t e n 60f 98. — - Worterklärung (contentio) 60 369. S t u m p f h e i t d. Geistes 31 /33 35 188. Sünde — A b k e h r v . G o t t 6f.
— A b w e i c h e n v . d . N a t u r 10. allgemeine 31 Off. a r t e i g e n e 68 105 119 121 326. -— B e w e g g r ü n d e a r t b e s t i m m e n d 49 104 313. — geistlicher F a l l 117. - - G g s t d . a r t b e s t i m m e n d 45 73 106. — gg. H l . Geist 8 49. - g g . G o t t 374. i n n e r e u . ä u ß e r e 9 13. läßliche 29f 44f 123 131 135 151 153. u . L u s t 382. Mangel 326f. a u s Nachlässigkeit 326. - gg. N ä c h s t e n 13 73. s. Haß. —•• n i c h t n a t u r h a f t lOf. — öffentliche 119. — Schwere 6 9 13 73 75 135. — - T o d s ü n d e 27ff 44ff 52 98 123f 131 177f. __. bei K i n d e r n 44. bei Heiligen 52/54 59. W e s e n 28f 45 1 2 2 f 3 3 1 . — Ü b e r t r e t u n g 156f. — Ü b e r w i n d u n g 24. — U n g e h o r s a m 68 73 82 156 188 - - U r s a c h e 114ff 187. — a u s V e r a c h t u n g 24 326. - W i r k u n g 67/69. — Ziel 103 120f 123. S ü n d e r 528ff. Synderesis 493.
T T ä t i g k e i t e n s. Handlung. Teile d . T g d . e n — G a n z h e i t s t . e 241 259 534. - M ä c h t i g k e i t s t . e 244 540f. - U n t e r t . e 242 537. - V o l l s t ä n d i g k e i t . e s. Ganzheitst 6 T e u f e l 117 335/356 374. T o r h e i t 184—191 481ff. E k e l e m p f i n d e n 190. — Gefühllosigkeit 185. — H e i l m i t t e l 185. — Sinn im I r d i s c h e n 188. 591
— Stumpfheit d. Sinne 186 188 — Sünde 187ff 482. Träger 169. - Ursache Unzucht 190f 48-3. Zorn 189/190f. — - Versagen beim Urteilen 184/186 188 190. — Weisheit d. Welt 189/190. — vor d. Welt 184/187. — Worterklärung (stultitia) 185 382. Töten 368. Trägheit 328f. Träger v. Gehaben 484—488. Trauer — Arten 424f. — Folgen 32/35. — d. Freude entgg. 25/27 37/40. — Ggstd. Gut 23 38. - Übel 22f 36/37. gottgefällige 28. -• - Leidenschaft 20/23. — Mühevollem ausweichen 32/ 34. — Sünde 22f. — Ursache Mangel 37/39. — — Schwäche 21/24. — — V e r a c h t u n g 21/24. — d. Welt 28. 8. Neid; Überdruß. Treffsicherheit 239/245 241f 255ff 535 563f. — Finden d- Angemessenen 255/257. — Teil d. Findigkeit 242 255/ 256. — gutes Vermutungsvermögen 255f/257f 256. — Erwägen v. Zukünftigem 315. Tugend — Begriffsbestimmung 367. — biblisch 376f. — Gehaben gutes 205f. in d. Weise d. Natur 211. d. Wahl fähig 204f/207 385f. 592
— macht gut 15 164/166 202 281 367. - - Maß einer Tgd. 152 162. - rechte Maßgabe 271. — sittliche 207 385. Bereich 236 390. Ggstd. 208. in d. Mitte 211/212. u. Natur 210 211/212. — u. verstandhafte Tüchtigkeit 203 207. u. Vernunft 209 212. Ziel 205 210 385. s. Kl. — Substanz u. Weise 379. — Hinordnung auf Tätigkeit 284f. — Umstände 152 379. — Ursache 236 390. — Verknüpfung 231 281. — Verschiedenheit 148 276 284 287. — verstandhafte Tüchtigkeit 203 207. —- •— erworben 167f. Gabe 167f. aus Lehre u. Erfahrung 233/235. —• — rechte Maßgabe 290/ 292. guter Vernunftgebrauch 258/260. s. Kl.; Weisheit; Wissenschaft. — Vollkommenheit 281/282 367. Tun 381. s. Schau. Turniere 83/87 371. Tyrannei 107/109 365. U Übel 14/16 22f 365. Überdruß 20—35 413—419. — Abkehr v. göttl. Gut 30. — Fieber 21/23. — Erschlaffen d. Geistes 22 367. — Hauptlaster 32 419j. — bei Heiligen 28/30. — Leidenschaft 20/23. — d. L b . entgg. 29f. — Sünde 20—30 415—418.
— — — — — — —
T r a u e r 23—26 33f. u. T r a u r i g k e i t 31/34. T ö c h t e r 31/33. Ü b e r w i n d u n g 21/24f. U r s a c h e 21/23f 307f. W e s e n 413ff. Widerwillen 22 31f. W o r t e r k l ä r u n g (acedia) 22 368. Ü b e r l e g e n 260 391. Ü b e r l e g u n g 5S9ff. — Auffindung d. zu Tuenden 195/197 286. — E r f o r d e r n i s s e 283. — H i n o r d n u n g auf U r t e i l 319. — u . K l . 285. — l a n g s a m 314/316. — - d. M e n s c h e n eigen 281. — S t u f e n 315. — S ü n d e gg. Ü . 283. — W e r k d . V e r n u n f t 259. s. Vernunft; Wohlberatenheit. Ü b e r s t ü r z u n g 3 U f f 548f. — Mangel a n Ü b e r l e g u n g 312 317/319 321. — g g . G a b e d. R a t e s 314/316. — Ü b e r s p r i n g e n v. S t u f e n 315f. — L a s t e r d. U n k l . 316 548. U m s i c h t 239/245 242 263 bis 266 537 567f. Umstände — a r t b e s t i m m e n d 264f. — Aufgabe d. Umsicht 263f/ 265f. U n b e s t ä n d i g k e i t 319ff 549. — Mangel 312. - a u s Neid u . Zorn 320/321 322f 394. — V e r s a g e n 321 323 330. — Z u r ü c k w e i c h e n 319f. U n g l a u b e 8 73 75. U n k l u g h e i t 306 356 546—552. — freiwillig gg. K l . 307/309. — H a n d e l n gg. K l . 308. — Mangel a n K l . 308/309. — offene 307—313 546f. s. Überstürzung; Bedenkenlosigkeit; Unbeständigkeit; Unzucht; Nachlässigkeit. — s c h e i n b a r e K l . 307—313 550. 38
17B
s. Kl. d. Fleisches; Verschlagenheit; List; Betrug; Sorge; Habsucht. — S ü n d e , allgemeine 31 Off. U n l u s t , religiöse 367 415—418 U n w e i s h e i t s. Torheit. U n w i s s e n h e i t 310/313. U n z u c h t 322ff 355 549f. — T ö c h t e r 189f 322/324 323. — U n o r d n u n g 189 382. — U r s a c h e d. U n k l . 323f. Urgewissen 210. Ursache — h i n r e i c h e n d e 114. — h ö c h s t e 166f 186. — u n z u r e i c h e n d e 114. — zufällige 114. Urteil — B e d e n k e n 318. — Rechtheit gemäß göttl. Gründen 169 171ff 175. d u . W e s e n s Verwandts c h a f t m . G o t t 169f 175. — ü b e r Sache in sich 288 292. — zw. Ü b e r l e g u n g u . G e b o t 287 290. — Ziel: Gewißheit 286. V Vergessen 237f 532. V e r m u t u n g s v e r m ö g e n s. Findigkeit; Treffsicherheit. Vernunft — G a n z h e i t s t e i l d . K l . 258ff 5-35 561ff. — — r e c h t e r G e b r a u c h 203 212 259 298 354. r e c h t e s V o r g e h e n 242 318. — göttliche 298. — h ö h e r e u . n i e d e r e 172. — n a t ü r l i c h e 210 212 358. — a u f S c h a u g e r i c h t e t e 381 489. — d. H ö c h s t e d. Seele 315. — v o l l e n d e t S ü n d e 29. — auf T u n g e r i c h t e t e 209f 214 489. — U r s p r u n g d . Sittlichen 46. — W o r t e r k l ä r u n g (ratio) 260 391f. V e r p f l i c h t u n g 377. 593
Verschlagenheit 230 342 344 354f/356 361 388 551. Verstand — Ausrüstung 491ff. — - unmittelbare Einsicht 2 5 0 f 318 — Gabe d. H l . Geistes 169 171 250. Ganzheitsteil d. K l . 250ff 534 561ff. — rechter J&ebrauch 250f. — verstandhafte Tüchtigkeit 167f 170 247 250f. — - Vervollkommnung 169. — u. Wille 155 373 518f. — Wortbedeutung (intellectus) 260 391f. — u. Zufall 373. Verständigkeit 2 8 6 — 2 9 0 542. Verständnis s. Verstand, Ganzheitsteil d. Kl. Verstellen 377. Verteidigung 84 86 89 108. — d. Glaubens 371. — Selbstv. 86 98f 108. Verzweiflung s. Überdruß. Volk 107ff. s. Menge. Vollkommenheit 125 127f 151/ 153. — u. Ärgernis nehmen 124ff 374. — u. läßliche Sünde 126f 129 153. — d. Weges 152f. Vollmacht 77/78 100. Voraussicht s. Weitblick. Vorauswissen Gottes 373. Vorgesetzte, kirchl. 135 176/ 178. Vorsatz 373. Vorsehung Gottes 374. Vorsicht 266ff 537 568f. Vorstellen 377. Vorwitz 309 314 316. s. Überstürzung. W W a c h s a m k e i t s. Vorsicht. Wahrheit — d. Lebens, d. Lehre u. d. Gerechtigkeit 131 1 3 3 — 1 3 6 140 375. 594
— theoretische u. praktische 489. W a n k e l m u t s. Unbeständigkeit. Weihe d. Kleriker 90. — Vollmacht s. d. W e i n 368. Weisheit 1 6 4 — 1 8 3 475—480. — Gabe d. Hl. Geistes 166ff 171 173 175 177 182 185 475—481. — Gotteslb. 168 380. — Grade 177f. — irdische 165/167. — u. K l . 384. — Leitung d. Handlungen 173 178 182. — Ordnen 176 181. — rechtes Urteil in göttl. Dingen 165 167 172/173 174f. gemäß göttl. Gründen 169 171 173 175 177. — Schau u. T u n d. Göttl. 171/ 173 181 381 384. — verstandhafte Tüchtigkeit 167f 170f 173. — Ursache im Willen 170. im Verstand 170. - - Voraussetzung 175f. — Wirkung 182. — Worterklärung (sapientia) 169ff 177f 186 380f. W e i t b l i c k 261ff 536f 565ff. — Gutes voraussehen 266/267. — vorzüglichster Teil d. K l . 262/263 392. — Bereich d. Tuns 263. — Worterklärung (Providentia) 262 392. Wendigkeit s. Treffsicherheit. ^Vcrkß — d. Fleisches 52 60 98 369. — geistliche 131 133 137. Wiedervergeltung 371. Widerspruch u. Zank 97/99. Wille 13 54 114 155 194. Wissenschaft 393}. — Gabe d. H l . Geistes 298 394. — rechte Maßgabe 341. — betrifft Notwendiges 236. — a u f d. Schau gerichtet 146 235 284/286 393f. •— Vergessen 237.
Wohlberatenheit 283ff 541f. — Rechtheit d. Überlegung 257 281 292. — Mittel z. Ziel 235. Worte, Anlaß z. Sünde 11 112—115 U 7 f 120f 123 125 127ff. s. Ärgernis. Wortwechsel 97 99f 102. Z
Zank 97—103 456f. — Anlaß 102. — Kleinkrieg 98 105f. — Sündhaftigkeit 98ff 456. — T a t e n 57 98 101 105. — Worterklärung (rixa) 97 372
— u. Zorn lOOff 456f. Ziel — artbestimmend 121 222f 229. — u. Bewegung 380. — u. Grundsatz 210. — u. Handeln 167 380 385. — Hinordnimg auf Z. 143 147 149 158. — d. Lebens 143.
38*
— letztes 152 155 167 186. — u. Mittel 222 234f 385. — Ursächlichkeit 380. — u. Vorsatz 373. Zorn 45 55/57 323. — Streben n. Vergeltung 102f 372.
— im überwind. Strebevermögen 100/102 372. — Wirkung 98 lOlff 189/191 323. Zucht 381. Zufall 373 380. Zufälliges 373. Zugrundeliegendes ». Träger. Zurechtweisung 121 130/134 183 374. Zwang 377. Zwietracht 51—58 425ff. — Abwendung v. Gut 53 57. — gg. E i n t r a c h t 52. — Sünde 53f 109 426f. — Tochter d. eitl. R u h m s u c h t 55ff 427f. — Ursache 54 57 65 101 103. — Wesen 425f. — Widerstreit 53f. — Nichtübereinstimmung im Willen 51/54 56f 60.
595
ALPHABETISCHES
AUTOREXVERZEICHNIS
A b a e l a r d 508. A c h N . 558. Adler A . 563 565 567. A l b e r t d. Große 391 508 542. D e B o n o I V 1,1: 488 509 518. I n Sent. I V 17,47: 461. Alexander v. Haies, S u m m a theol. I I 862: 374 — I I I 636 : 419. A l f a r a b i 369. A l f r i n k B . 452. A l m e i d a J . A . 452. A m b r o s i u s 61. D e Offic. Ministr. 1,24: 196/ 198 — 1,29: 94. D e P a r a d i s o c. 8 : 68 156f. A n d r é H . (6). P s . - A n d r o n i c u s 390 540. D e Affectibus, c a p . D e P r u d e n z a : 240 257 392 538. A n d r o n i k o s v . R h o d o s 390f. A n t o n i n v . F l o r e n z , O P 447. A p f e l b a c h H . 566. Aristoteles 369 381 442 485 487 494 520f 530 538 546. A n a l . P o s t . 1,32: 247 — 1,34: 242 255 257 391. Categor. c. 8 : 202 — 11: 216. D e A n . 2,3: 487 — 2,5: 250 — 3,4: 201 250 384 — 3,9f: 487. D e H i s t . A n i m a i . 8,1: 233. D e M e m . e t R e m . 1: 246/249 2* 249 391 E t h . N i c o m . 1,1: 72 168 275f 277 — 1 , 7 : 2 1 7 — 1 , 1 3 : 4 8 7 - 2 , 1 : 2 3 2 f 2 4 7 286 — 2,2: 236 390 — 2,4: 20 — 2,5: 202 509 — 2,6: 204/211f 385 516f — 3,4: 195 — 3,4ff: 520 — 3,5: 199 204 260 — 3,11: 277 — 4,8: 216 356 — 5,3: 218ff — 5,4: 119 — 5,10: 269 — 6,1: 383 — 6,2: 195 197 246f 258 383 — 6,3: 247 250 277 383 476 — 6,4: 387 — 6,5: 193ff 196ff 202ff 205 213f 224 225 237 246 255 258 275 277 283 596
285 299 309 323 383 — 6,6: 197 — 6,7: 195 213 224 227 250 255 259 476 — 6,8: 200 221/223 225 250 270/272 273 275f 386f 528 538f — 6,9: 201 219 232 241 527 — 6,10: 195 213f 217 224 227 239/242 255ff 281f 284 314/316 540f 548 — 6,11: 214 284 286 290 540 — 6,12: 209 232/235 241 251f 254 286 389 — 6,13: 205 227/229 342 385 388 513 — 7,7: 323 354ff — 7,8: 320 — 7,13: 17 — 7,14: 17 — 7 , 1 5 : 3 3 — 8 , 6 : 3 3 4 1 1 419 — 8,7: 33 — 8 , 1 2 : 7 12 72 109 270/272 277 338 365 458 — 9,4: 159 — 9,8: 159 — 10,2: 17 — 10,6: 33 — 10,7: 33 234 281 393. M e t a p h . 1,1: 236 247 387 — 1,2: 166 176 181 — 1,3: 476 — 5,16: 167 — 9,7: 476 — 12,10: 370. P h y s . 1,5: 199 — 2,5: 114 290 373 — 3,6: 151 — 7,3: 15 281 367. Pol. 1,2: 89 — 1,3: 539 — 1,4: 528 — 1,5: 224 — 1,8: 208 276 447 — 1,13: 528 — 3,4: 221/223 224/ 226 270 528 539 — 3,7: 109 270 458 — 7,14: 449. R h e t . 2,2: 356 — 2,5: 218 — 2,9: 38 42 44 46 424 — 2,9ff: 420 — 2,10: 17 36f 40 42 47 421 — 2,11: 43. T o p . 3,2: 2 3 0 - 8 , 1 4 : 391. A s m u s s e n H . 442—445. A s s e n m a c h e r J . (6). A t h e n a g o r a s 431. A u g u s t i n u s 433 436 442 480 485 508 520 545. Confess. 1,7: 44 — 3,8: 220 — 10,28: 9. C o n t r a E p . P a r m e n i a n i 3,2: 130 439. C o n t r a F a u s t u m 20,3: 68 —
22,27: 111 — 22,70: 85 — 22,74: 85 — 22,75: 84. C o n t r a J u l i a n u m 4 , 3 : 306 342 546. C o n t r a M e n d a c i u m c. 15: 93. De Baptismo contra Donat i s t a s 1,1: 7 6 — 6 , 5 : 76 79. D e Civ. Dei 1,9: 130 — 2,21: 108 — 19,12: 85 — 19,13: 181 444 480. D e D o c t r . Christ. 1,22: 145 155f 471 — 1,23: 149 378 — 1,27: 145 — 2,3: 345. D e Genesi a d L i t t . 5,19: 301 — 8,20: 295 — 8,22: 295. D e libero A r b i t r i o 1,13: 202f — 2,19: 165 266 280. D e Moribus Eccl. 1,15: 193/ 195 382 487 — 1,24: 217. De Opere Monachorum c. 2 6 : 349. D e P e r f e c t . I u s t i t i a e c. 8 : 157 159. D e S e r m . D o m . in M o n t e 1,4: 180 304 — 1,19: 86 1 4 0 - 1 , 2 0 : 139 — 2,17: 353. D e T r i n i t a t e 1,12: 478 — 12,7: 172 — 12,12: 44 — 12.14: 165 172 467 — 14,1: 165 467 — 14,9: 213/215 — 15,18: 174. D e u t i l i t a t e cred. c. 12: 478f. D e v e r a Religione c. 14: 187 307. E n c h i r i d i o n c. 4 : 12 366 — 5 3 : 376. E n a r r . i n P s . 106,18: 22 (Gl). E p . (28) a d H i e r o n y m u m 129. E p . (40) a d H i e r o n v m u m 129. E p . (51) a d C r i s p i n u m 435. E p . (82) a d H i e r o n y m u m 129. E p . (138) a d Marcellinum 83 86. E p . (140) de G r a t i a N o v i T e s t . 168 170 380. E p . (189) a d B o n i f a c i u m 87 93.
E p . (211) in R e g u l a 17. I n J o a n . t r . 2 6 : 440 — t r . 32 : 56. Liber o c t o g i n t a t r i u m QQ. q. 61: 194 382 488. Q u a e s t . in H e p t a t . 6,10: 84 93. A u g u s t i n u s T r i u m p h u s 447. A v i c e n n a 369. B a e c k L. 408. B a l d u s a b U b a l d i s 450. B ä r b e l J „ C S S R 366 377. Beda Venerabiiis: I n Marc. 9,41: 375 (Gl). I n L u c . 22,24: 62. Benedikt XI., Papst: „ A d beatissimi A p o s t o l o r u m p r i n c i p i s " 451. „ P a c e m Dei m u n u s " 451. B e n e d i k t X I V . , P a p s t 372. B e r n h a r d v. C l a i r v a u x , S e r m o 3 : 460. B i l l u a r t Ch. A., O P 520. B o e t h i u s , D e Consol. Phil. 5,6: 261. B o h a t e c J . 440. B o n a v e n t u r a 508 522. I n Sent. I V 3,2: 375 — 7,1: 375 — 13,1: 375 — 21,2: 375. Boros L., S J 470. B r e n t a n o F r . 400. B r u g g e r W „ S J 439. B r u n n e r E . 505. B u d d h a 409. B ü h l e r K . 562. B u l t m a n n R . 473. B u y t e n d i j k F . J . J . (6). Caesarius v. H e i s t e r b a c h 368. C a j e t a n d e Vio T h . , O P 403f 418 430 446 455 463 466 471 535. Calvin J . 440. Cassian : Collat. 17,17: 135. D e I n s t . Coenob. 5 , 1 : 49 424 — 10,1: 21 28 34 367 416 — 10,2: 21 416 — 10,25: 21.
C a t h r e i n V., S J 510. C h e n u M. D., O P 383. 597
C h r i s t m a n n H . , O P (5)-(9) (14) 378 426 470 473. P s . - C h r y s o s t o m u s , O p u s imp e r i . in M a t t h , h o m . 10: 12 366 — 4 2 : 155 471. Cicero 368 390f 448 486. D e I n v e n t . R h e t . 2,53: 198 211 239/244 241 247 250 261 487. D e Officiis 1,7: 447 — 1,11: 446 449 — 1,43: 382 487. D e R e P u b l i c a 3,23: 447. R h e t . a d H e r e n n . 3,13: 61 — 3,16:: 248 — 3,19: 249 391 — 4,15: 61. C J C c a n . 108: 454 — 109: 436 — 121: 454f — 732: 436 — 2241: 439 — 2242: 438 — 2247: 438 2260: 438 2314: 438 — 2351: 456. C l a p a r è d e E . 564. Comblin J . 444. Congar Y., O P 431 433 435 438. C u r t i u s E . R . 370 383. Cyprian, E p . ad Antonianuin ' I I : 77. D a i m W . 406. D a r w i n Ch. 444. D e m a n T h . , O P 524 532 538 548. D i l t h e y W. 557. D i o n y s i u s (Ps.-D. A r e o p a g i t a ) 369. D e Coel. H i e r . 7,3: 301. D e Eccl. H i e r . c. 6 : 301. D e D i v . N o m . 2,9: 170 — 4 , 4 : 4 — 4,10: 4 — 4,30: 310 — 4,32: 209 — 7,3: 296. E p . (8) a d D e m o p h i l u m 179. D u Cange Ch. d u F r . 368. D u n c k e r K . 558 561ff 564 566. E b b i n g h a u s H . 556. E i c k e l s c h u l t e D., O P 381. E i ß f e l d t O. 365. E n d r e s J . , CSSR (5) (9) 470 536. E n g e l h a r d t P . , O P (7) 381 501. E u k l i d 369. F e c k e s C. (6). F e u e r b a c h L. 377. 598
F o e r s t e r F r . W . 443 546. F r e u d A . 569. F r e u d S. 567. F r o n t i n u s , S t r a t e g e m a t o n 1,1 : 94. F u c h s J „ S J 506. Galli M. v „ S J 439. Gardeil H . D . [A.], O P 442 475. G a r r i g o u - L a g r a n g e R . , O P 522. G a u t h i e r R . A., O P 365. Gehlen A. 558 560f 565. Gemelli A . 560. Gercke 391. G e r h a r d v. C r e m o n a 369. Gierens M., S J 456. Glossa: 22 60ff 331/333 375. interi. 98 105 107 1 l l f f 117 119 156. zu S c h r i f t s t e l l e n : 1 K g 14,1: 60. J o b 9,28: 331. P s 106,18: 22. Sir 7,34: 331/333. M t 18,7: 375 — 18,8: l l l f f 117—119 — 22,37: 156. Mk 9,41: 375. L k 22,24: 62. R o m 1,29: 61. 2 K o r 12,20: 105 107. Gal 5,20: 98. G o e t h e J . W . v . 566. Gollwitzer H . 452. G o t t s c h a i d t K . 557 559. Graf T h . , O S B 485f 509. G r a t i a n 442 450. D e c r e t u m I 50,4: 90 — I I 7,1: 77 — 9,1: 76 — 23: 444 — 23,1: 83 85 — 23,5: 79 — 23,8: 88f — 24,1: 67 — 28,8: 88. Gregor I . d. Große, P a p s t 442 476. I n E v a n g . 1,14: 88 — 1,17: 149. I n E z . lib. 1 h o m . 7 : 131. L i b . Mor. 2,46: 231 — 2,49: 169 177 185 202 293 314 — 5,46: 36 39 41 47/49 368 423 — 6,37: 172 — 9,34: 331 (Gl) — 10,29: 185 187 189 341 — 17.12: 300 — 22,11: 42 — 25,11:
8f — 31,13: 139 — 31,45: 14 17 26 31f 35 47f 56 64 101 105 189f 322f 328 355 368 410f 415 419 424 549. Gregor I X . , P a p s t , L i b . Decret a l i u m I 45,3: 440f — V 41,3: 375. Gregor v . N v s s a , D e H o m i n i s Opificio c." 8 : 156 471. Gries U . 417. Grisebach E . 504f. Groner J . F . , O P 494 522. Grosche R . (6). G r o ß H . 444. G r o t i u s H . 441f 451. G r u n e r F . E . , CSSR 505. G u n d l a c h G., S J 452. H a a s A. 409. H a g e n A. 434. H a m p B . V. 381. H a r e n t S. 440. H a r t m a n n A., S J 439. H a r t m a n n H . 569. H e i d e n h e i n A. 407. H e i n e n W . 406 422. H e i n r i c h v . Segusia 446f. H e l m R . 386. H e r e d i a V. B . de, O P 450. H e y l a n d C. 460. H i e r o n y m u s 8 7 1 3 0 1 3 6 375 494. E p . (107) ad L a e t a m : 40. E p . (125) a d R u s t i c u m : 417. E x p o s . C a t h . F i d e i 156. I n M a t t h . 6,25:350f — 6,34 :. 352 — 12,25: 5 6 — 15,12: l l l f f (Gl) — 16,23: 116 — 18,6: 122 125. I n T i t . 3,10: 70f 73. H i n s k e N . 536. H i p p i u s R . 563. H i r s c h e r J . B . 451. H i r s c h m a n n J . B., S J 452. H o e c k J . 432. H ö f e r J . 439. H ö f f n e r J . 441 446f. H o f m a n n J . B . 368 372f 380 382 386 392. H o m e r , l l i a s 14,17: 356. H ö r m a n n K . 452. H r a b a n u s M a u r u s , D e Eccl. Disciplina lib. 3 : 22.
H u g o v. St. Cher, O P , M a t t h . 18,7: 375. H ü n e r b e i n A. 413 417. H ü r t h F . , S J 506. H u s s e r l E . 563f.
In
I n n o z e n z I V . , P a p s t 447. I n n o z e n z X I . , P a p s t 377. I s a a c Israeli 391. Isidor v . Sevilla: E t y m o l . 2 : 270 — 8 : 68 — 10: 97/99 104 185f 194 215f 256 261 329 382 386 — 18: 449. Q u a e s t . in V e t . Test, a d D e u t . 7,1: 32/35 49. S e n t . 2,19: 423 — 2,37: 31 35 49 419 424. Ps.-Isidor, D e k r e t a l i e n 432. J a c o b J . 401. J a m e s W . 556 558. J a n k e W . 373. J a s p e r s K . 414 505 564. J o h a n n e s X X I I I . , P a p s t 429 433. „ P a c e m in t e r r i s " 453. J o h a n n e s a S. T h o m a , O P 475 522. J o h a n n e s v. D a m a s k u s 520. D e F i d e O r t h . 2,4: 10 — 2,14: 20/22 37 40f 420 —• 2,30: 10 — 4,20: 10. J o h a n n e s v. K r e u z 414. J o h a n n e s v . Salisbury, V i t a S. T h o m a e 138. Jolif J . Y „ O P 365. J u n g C. G. 565. J u n k e r H . 445. K a n t I . 460. K i e r k e g a a r d S. 505. K l a g e s L. 555 559f 566. K l u x e n W . 501. K ö h l e r W . 558 561. K o l n a i A . 400ff. Konzilien: K o n s t a n z 438. I I I . L a t e r a n 438. I . V a t i k a n 429 440. I I . V a t i k a n 418 429 431 bis 434 437ff 441 453f. K o s t e r M. D.. O P 429. 599
K r a n z G. 376. Krebs E. 429. Kris E. 569. K r o p p A., OP 444. K ü h n U. 378. K ü n g H. 433. Künkel F . 565. K ü n n e t h W. 452. Labourdette M„ OP 501. Lambertini s. Benedikt XIV. L a n d m a n n M. 536. Lanwer B. 409. Laotse 409. Laros M. (6). Las Casas B. de, OP 447. Lebacqz J., SJ 487 489 521. Le F o r t G. v. (14). Leo IV., Papst, E p . ad Ludovicum Augustum 88. Leo X., P a p s t 438. Leo X I I I . , P a p s t 451. „Diuturnum illud" 446. „Immortale Dei" 446. „Sapientiae christianae" 446. Lerner D. W. 439. Lorsch P h . 400f 420 422 516 548 555 561 567. Lewin K . 558f 566. Liber de Causis 297 369, — prop. 10:58 173 — p r o p . 17: 58 173. Lohse E. 445. Lottin O., OSB 391 456 488 508f 513 518 520 542. McDougall W. 559. Macrobius 390. In Somn. Scip. 1,8: 239 250 253 259 261/264. Maier H . 566. Maistriaux R . 556. Mansion A. 487. Maritain J . 439 501. Martensen H. L., SJ 505. Martinus Laudensis 447. Mausbach J . 460. Mayr K . 451. Meili R . 558 561f 564. Meinhold P. 445f. Metzger W . 561. Michel O. 366. 600
Molinos J . de 468. Mörsdorf K . 434 436. Mückle J . T. 392. Müller O. (6). Münster Cl. 452. Murray J . C., S J 439. Nastainczyk W . 506. Nietzsche Fr. 404. Noble H . D., OP 477. Oepke A. 394. O'Hanion D. 433. Ohm Th., OSB 405. Omnibonus, Magister 508. Ouwerkerk C. A .van, CSSR 513. Palagyi M. 565. Panaitios 486. Pascal B. 413. Paul VI., Papst 418 429 431 506. Pelagius: E p . (1) ad Demetrium 156. Libellus Fidei ad Innocentium 156. Pelagius I I . , Papst, E p . ad Victorem et Pancratium 67. Pesch O. H., OP 365f 378 405 499. P e t r u s Lombardus 508. Glossa 61 98. Sent. I I 24,3: 296. Piaget J . 558—561 564f. Pius VI., P a p s t 438. Pius X., P a p s t 438. Pius X I I . , P a p s t 444 449 452f. „Divino afflante spiritu" 409. Pfänder A. 400f. P f ü r t n e r St., O P 402 486. Philipp d. Kanzler 488 508 518. Pieper J . 519 522 526. Pinckaers S., O P 501 520. Plato 485. Gesetze 1,2: 444 — 1,4: 444 449. Staat 4,16: 486f — 5,2: 463. Timaios c. 31: 486. Pleßner H . (6) 407. Plotin 239 253. Plügge H . 413. Pohlenz M. 487.
P o n t i f i c a l e R o m a n u m 90. P o r p h y r i o s 390. Poseidonios 486. Pribilla M., S J 459f 525. P r o k l o s 369. P r ü m m e r D., O P 522. R a d G. v. 445. R a h n e r K . , S J 384 502. R a u m e r K . v . 451. R a y m u n d v. Pennafort, OP, S u m m a l'I 12,5: 450. R e g o u t R . 449. R e i b s t e i n E . 446 450f. R e i n e r H . 501. R e v e r s W.-.T. 413. R i e d m a t t e n H . de, O P 439. R i g n a n o E . 562. R i t s c h l A . 473. R o b e r t Grosseteste 390. R o b i n s o n J . A. T . 473. R o t h a c k e r E . 555 557 559ff 563 565 567. R ü h l i n g W . (8). S a f f r e v H . D., O P 369. Salber W . 533—537 555—572. Sallust, Bellum J u g u r t h . c. 10: 56. S a n d e r F . 557 561 563 567. S a r t r e J . - P . 401 505 567. S c h a r n a g l A . 371. Schätzel W . 442 450. Schauf H . 434. Scheler M. (6) 400 402. Schillebeeckx E . , O P 473. Schleiermacher F r . 460 463. S c h m i d J . 371 376. S c h n a c k e n b u r g R . 381. Schroeder P . 555. S c h u b e r t W . 405. Schulze-Sölde W . 503. S c h w a n A. 381. Schweizer E . 372. Seckler M. 499. Selz O. 558—562 564 566. S e p u l v e d a J . G. de 447. S i e w e r t h G. 499. S m e d t E . de 441. S m e n d R . 381. Soe N . H . 473. S o k r a t e s 385. Soto D . de, O P 447.
S t a h l F . 460. S t ä h l i n G. 460. Stelzenberger J . 415 419 486 509. S t e p a n K . M. (6) (8). S t e r n W . 556 559 567. Stöger A . 369. S t r a t m a n n F r . , O P 446 448 451f. Suárez F r . de, S J 448 450. S u m m a Sylvestriana. 447. Susemihl F . 447. S y n o d e v. P i a c e n z a 76. T a i n e H . 570f. Tellenbach H . 413 416. T e r e n t i u s , E u n u c h u s 1,1: 324. T h e m i s t i u s 375. T h e o g n i s v. Megara, Elegiae I I : 354. T h e r e s i a v. Avila 414. Thiel M „ O S B 495. T h i r y L., O S B 489 522. T h o m a e H . 555 557 561 563 565ff. T h o m a s v. Can t e r b i u-y 138 375. T h o m s o n S. H . 390. T h o r n d i k e E . 563. Tillmanii F r . 469 473. Tischleder P . 459f. T o l m a n E . 564. T o n n e a u J . , O P 524. T r i l l h a a s W . 444. Triisch J . 440. Tullius s. Cicero. Ulhoff W . 372. U r b a n I I . , P a p s t 76. U t i t z E . 568 5 7 l f . U t z A . - F r . , O P 475 510 513. Valerius M a x i m u s 386. F a c t , e t Diet. M e m o r a b . 4,4 : 220.
Y a n d e r p o l A. 449. Vogetius, I n s t . R e i Militar. ì',9—-28: 87 — 2,23: 87. V i k t o r i n e r 508. V i t o r i a F r . de, O P 447 450. Voegtle A. 368. Volkelt H . 556. 601
V ö l k l R . 473. V o l k m a n n - S c h l u c k K . - H . 386. W a l d e A . s. J. B. Hofmann. W a l t e r H . 383. W a t s o n J . B . 558. W e b e r M. 564f. W e c h s l e r D . 557. W e l l e k A . 555f 567. W e n z l A . 557ff 563f.
HEILIGE Altes T e s t a m e n t : G n 2 6 , 2 1 : 97. E x 12,41: 4 4 5 — 2 0 , 8 : 95 — 2 0 , 1 2 : 11 144 — 23,4ff: 409 — 2 3 , 8 : 237 — 3 2 , 2 7 : 71. L v K a p . 4 : 331 — 19,13: 360f — 19,17: 150 — 19,18: 160 409 — 19,35f: 362. S n i 16,26: 80 — 16,30: 71 — 2 1 , 2 : 445. D t 6 , 4 f : 469 472 — 6 , 5 : 145 151 152 153 154 156 468 — 10,12: 142 4 6 8 — 1 1 , 1 3 : 4 6 8 — 16,20: 92 — 2 5 , 2 : 71 — 2 5 , 1 3 : 3 6 0 — 25,13ff: 362. J o s 3 , 5 : 4 4 5 — 6 , 4 : 91 — 8 , 2 : 93. R i 3 , 2 7 : 4 4 5 — 6,34f: 445. 1 S m 9 , 2 0 : 216 — 13,3f: 445 — 14,1: 60. 4 K g 17,16f: 74 — 17,20: 72. 2 C h r 1,10: (14) — 2 , 1 4 : 202 — 2 0 , 1 2 : 319. 1 E s r 4 , 1 9 : 74. 3 E s r ( a p o k r y p h ) 4 , 3 6 : 4 365 — 4 , 3 9 : 4 365. 1 M a k k 2,34ff: 372 — 2 , 4 1 : 95 — 2 , 6 5 : 294. J o b 3 , l f f : 404 — 5 , 2 : 39 45 368 — 9 , 2 8 : 331 — 12,4: 341 — 12,12: 233 — 13,3: 6 3 369 — 13,9: 346 — 2 8 , 2 8 : 165 — 3 9 , 3 2 : 60 — 4 1 , 2 5 : 167 — 4 2 , 7 : 60. P s 5 , 7 : 409 — 5 , 1 1 : 343 — 7 , 1 6 : 347 — 8 , 8 : 348 — 602
W e l t y E . , O P (5) (8). W e r t h e i m e r M . 561. W e s s n e r 390. Wilhelm v. Auxerre, Summa a u r e a I I I 7 , 3 : 508 — 2 4 , 1 : 4 6 1 — 2 4 , 4 : 130/136 375. W i l k s M. 447. W i n d i s c h H . 409. Z o g b y E . 432f 436.
SCHRIFT 19(18),8: 317 — 19(18),9: 157 — 37(36),1: 4 3 — 38(37),13: 3 4 5 — 69(68),10: 4 1 — 7 3 ( 7 2 ) , 2 : 4 3 126 374 — 73(72),3: 46 — 74(73),23: 4 — 82(81),4: 84 — 100 (99),2: 413 — 105(104),25: 3 4 5 — 107(106),18: 22 — 119(118),165: 126 179 — 125(124),1: 125. S p r 1,4: 340 — 1,18: 346 — 1,32: 188 — 3 , 5 : 254 358 — 3 , 2 7 : 379 — 4 , 1 9 : 3 1 5 — 4 , 2 5 : 317 358 — 6,6ff : 351 — 6 , 1 6 : 54 — 6 , 1 6 f f : 409 — 6 , 1 9 : 54 — 7 , 2 2 : 190 — 8 , 8 : 9 — 8 , 1 7 : 177 — 10,12: 101 — 10,23: 196 384 — 12,20: 343 — 13,16: 340 — 15,18: 55 101 — 15,27: 330 — 17,19: 101 — 18,6: 101 — 18,25: 100 — 19,16: 332 — 19,23: 3 4 5 — 2 1 , 2 0 : 308 — 2 3 , 4 : 202 384 — 2 4 , 6 : 278 — 25,21ff : 409 — 2 9 , 2 : 40 — 2 9 , 2 2 : 101 — 3 0 , 2 : 175. P r d 1,2: 404 — l , 1 4 f f : 404 — 7 , l f : 404 — 7 , 1 9 : 329 — 8 , 6 : 352. H L 2 , 4 : 162. W s h 1,14: 175 — 7 , 2 7 : 180 — 7 , 2 8 : 177 — 8 , 7 : 205 487 — 9 , 1 4 : 201 295 — 11,17: 80 — 1 4 , 9 : 335. Sir 6 , 2 3 : 169 — 6 , 2 5 : 367 — 6 , 2 6 : 21 150 — 6 , 3 5 : 2 5 4 —
7,34: 331 — 12,2: 379 — 12,4: 379 — 14,31: 379 — 20,7: 329 — 21,2: 21 — 26,28: 361 — 2 8 , 6 f f : 409. I s 11,2: 166 294 475 — 47,10: 185 — 58,3: 95 — 59 2 : 67. J e r 4,22: 167 — 9,23: 174 — 10,14: 185 — 23,5: 271 — 31,33: 162. E z 33,11: 408 — 34,4: 79. Dn 13,56: 237. N a h 1,9: 79 371. Mal 3,22: 358.
Neues Testament : M t 5,3ff : 394 — 5,9: 179 444 480 — 5,19: 12 — 5,21ff: 444 — 5,38: 371 — 5,39: 82 444 — 5,40: 137 — 5,41: 444 — 5,44: 159 409 — 5,45: 408 — 5,48: 408 — 6,31: 349 — 6,34: 352 — 7,1: 444 — 7,6: 94 130 — 7,12: 93 — 7,18: 116 — 10,16: 358 10,19: 317 — 10,22: 409 — 10,34: 55 87 — 10,37 : 366 — 12,25: 56 — 12,31: 6 — 13,22: 350 — 13,30: 444 — 13,57: 4
34. Frage Der Haß S. 3—19 K a n n man Gott hassen? Ist der Gotteshaß die größte Sünde? Ist jeder Haß gegen den Nächsten Sünde? Ist der Haß gegen den Nächsten die schwerste der Sünden, die man gegen den Nächsten begehen kann? Ist der Haß ein Hauptlaster? Geht der Haß aus dem Neid hervor? 35. Frage Überdruß S. 20—35 Ist der Überdruß Sünde ? Ist der Überdruß ein arteigenes Laster? Ist der Überdruß eine Todsünde ? Muß man den Überdruß zu den Hauptlastern rechnen ?
4 6 9 12 14 16
Der
Al t. 1 „ 2 3 „ 4
Art. " ,, „
1 2 3 4
Art. 1 „ 2
Ist Ist Ist Ist
36. Frage Der Neid S. 36—50 der Neid Traurigkeit ? Neid Sünde? Neid eine Todsünde? der Neid ein Hauptlaster?
37. Frage Die Zwietracht S. 51—58 Ist Zwietracht Sünde? Ist die Zwietracht eine Tochter der eitlen Ruhmsucht?
20 25 27 31
30 40 44 47
51 55 605
38. Frage Der Streit S. 59—66 Art. 1 2 „
Ist Streit eine Todsünde? Ist der Streit eine Tochter der eitlen Ruhmsucht ?
59 64
39. Frage Das Schisma S. 67—81 Art. „ ,, „
1 2 3 4
Ist das Schisma eine arteigene Sünde? Ist Schisma eine schwerere Sünde als Unglaube ?. Haben die Schismatiker irgendeine Vollmacht? Ist die Exkommunikation eine angemessene Strafe für die Schismatiker?
67 71 76 79
40. Frage Der Krieg S. 82—96 Art. 1 „ 2 „
3 4
Ist Kriegführen immer Sünde? Ist den Klerikern und Bischöfen erlaubt zu kämpfen? Ist es im Krieg erlaubt, sich eines Hinterhalts zu bedienen? I s t es an Feiertagen erlaubt, Krieg zu führen?
82 87 92 95
41. Frage Der Zank S. 97—103 Art. 1 „ 2
Ist Zank Sünde? Ist der Zank eine Tochter des Zornes ?
97 100
42. Frage Der Aufruhr S. 104—109 Art. 1 2
Ist Aufruhr eine von den anderen unterschiedene arteigene Sünde? I s t Aufruhr immer Todsünde?
104 107
43. Frage Das Ärgernis S. 110—140 Art. 1 2 3 4 606
Wird Ärgernis angemessen bestimmt als „ein nicht ganz rechtes Wort oder Werk, das Anlaß zum Falle bietet"? Ist Ärgernis Sünde? Ist Ärgernis eine arteigene Sünde? Ist Ärgernis Todsünde ?
111 116 119 122
Art. 5 ,,
6
„
7
,,
8
K a n n Ärgernis-nehmen auch bei vorkommen? K a n n Ärgernis-geben auch bei vorkommen? Muß man geistlich Gutes wegen unterlassen? Muß man zeitliche Güter wegen aufgeben?
Vollkommenen Vollkommenen des Ärgernisses des Ärgernisses
124 127 130 136
44. Frage Die G e b o t e der L i e b e S. 141—163 Art. 1 ,,
2
„ „
3 4
,,
5
„
0
„
7 8
Muß hinsichtlich der Liebe ein Gebot gegeben werden ? Waren hinsichtlich der Liebe zwei Gebote zu geben? Sind zwei Gebote der Liebe genug? I s t es angemessen zu gebieten, daß Gott „aus ganzem Herzen" geliebt werde? Wird zu dem „Du sollst den Herrn deinen Gott lieben aus deinem ganzen Herzen" angemessen hinzugefügt : „aus deiner ganzen Seele und mit all deiner K r a f t " ? K a n n das Gebot der Gottesliebe auf dem Wege erfüllt werden? Ist das Gebot der Nächstenliebe in angemessener Weise gegeben? Fällt die Ordnung der Liebe unter das Gebot? .
141 145 148 151
153 150 159 161
45. Frage Die G a b e der W e i s h e i t S. 164 183 Art. 1 .,
2 3
„
4
„ „
5 6
Muß die Weisheit zu den Gaben des Heiligen Geistes gezählt werden? Ist die Weisheit im Verstand als in dem ihr Zugrundeliegenden? Ist die Weisheit nur auf die Schau oder auch auf das Tun gerichtet ? K a n n die Weisheit ohne Gnade, (das heißt) zusammen mit Todsünde, sein? I s t die Weisheit in allen, die die Gnade besitzen? Entspricht die siebte Seligkeit der Gabe der Weisheit?
164 168 171 174 170 179
46. Frage Die Torheit S. 184—191 Art. 1 „ 2 3
I s t die Torheit der Weisheit entgegengesetzt ? . . I s t Torheit Sünde? I s t die Torheit eine Tochter der Unzucht? . . . .
184 187 189 607
DIE
KLUGHEIT 47. Frage Die Klugheit S. 192—238
Art. 1 „
2
,, „ ,
3 4 5 6
„
7
„
8
„ „
9 10
„
11
„
12
„ „
13 14
„ „
15 16
Ist die Klugheit in der Erkenntniskraft oder in der Strebekraft? Gehört die Klugheit nur zu der auf das Tun gerichteten oder auch zu der auf die Schau gerichteten Vernunft ? Erkennt die Klugheit das einzelne? Ist die Klugheit eine Tugend ? Ist die Klugheit eine arteigene Tugend ? Stellt die Klugheit für die sittlichen Tugenden das Ziel auf? Gehört es zur Klugheit, bei den sittlichen Tugenden die Mitte zu finden ? Ist Gebieten der hauptsächliche Akt der Klugheit? Gehört die Besorgtheit zur Klugheit? Erstreckt sich die Klugheit auf die Leitung der Menge? Ist die Klugheit, die sich auf das eigene Wohl richtet, der Art nach dieselbe wie die Klugheit, die sich auf das Gemeinwohl erstreckt? Findet sich Klugheit bei Untergebenen oder nur bei Fürsten? K a n n sich Klugheit bei den Sündern finden ? . . Findet sich Klugheit bei allen, welche die Gnade besitzen ? Ist die Klugheit in uns von Natur aus? Kann die Klugheit durch Vergessen verlorengehen ?
193 196 199 202 204 208 211 213 215 218 221 224 226 230 232 236
48. Frage Die Teile der K l u g h e i t S. 239—245 Art. 1
Werden die Teile der Klugheit angemessen angegeben?
239
49. Frage Die einzelnen Ganzheitsteile der K l u g h e i t S. 246—268 Art. 1 2 „ 3 4 608
Ist die Erinnerung ein Teil der Klugheit? Ist der Verstand ein Teil der Klugheit? Muß die Beiehrbarkeit als Teil der Klugheit aufgeführt werden? Ist die Treffsicherheit ein Teil der Klugheit?
246 250 253 255
5 6 7 8
M u ß die V e r n u n f t als Teil führt werden? M u ß d e r W e i t b l i c k als Teil führt werden? M u ß die U m s i c h t als Teil führt werden? M u ß die V o r s i c h t als Teil führt werden?
d e r K l u g h e i t aufged e r K l u g h e i t aufged e r K l u g h e i t aufged e r K l u g h e i t aufge-
258 261 2 (¡3 268
50. F r a g e Die U n t e r t e i l e der Klugheit S. 269—279 1 2 3 4
M u ß die F ü h r u n g s k u n s t als eine A r t d e r K l u g h e i t aufgeführt werden? W i r d d e r S t a a t s b ü r g e r s i n n a n g e m e s s e n als Teil der Klugheit aufgeführt ? M u ß die H a u s w i r t s c h a f t als A r t d e r K l u g h e i t aufgeführt werden? M u ß die K r i e g s k u n s t als A r t d e r K l u g h e i t aufgeführt werden? 51. F r a g e Die Mächtigkeitsteile der S. 280—292
1 2 3 4
269 272 275 277
Klugheit
I s t die W o h l b e r a t e n h e i t eine T u g e n d ? I s t die W o h l b e r a t e n h e i t eine v o n d e r K l u g h e i t unterschiedene Tugend? I s t die V e r s t ä n d i g k e i t eine T u g e n d ? I s t die K l a r s i c h t eine a r t e i g e n e T u g e n d ?
280 283 286 290
52. F r a g e Die Gabe des R a t e s S. 293—305 1 2 3 4
M u ß d e r R a t u n t e r d e n G a b e n des Heiligen Geistes a u f g e f ü h r t w e r d e n ? E n t s p r i c h t die G a b e des R a t e s d e r T u g e n d d e r Klugheit? B l e i b t die G a b e des R a t e s in d e r ewigen H e i m a t ? E n t s p r i c h t die f ü n f t e Seligkeit, die sich auf die B a r m h e r z i g k e i t b e z i e h t , d e r G a b e des R a t e s ?
29.'! 296 299 303
53. F r a g e Die U n k l u g h e i t S. 306—324 1 2 3
I s t die U n k l u g h e i t eine S ü n d e ? I s t die U n k l u g h e i t eine a r t e i g e n e S ü n d e ? I s t die Ü b e r s t ü r z u n g eine u n t e r d e r U n k l u g h e i t einbegriffene S ü n d e ?
307 310 314 609
Art. 4 „
5
„
(i
I s t die Bedenkenlosigkeit eine arteigene, unter der Unklugheit einbegriffene Sünde? I s t die Unbeständigkeit ein unter der Unklugheit einbegriffenes Laster? Gehen die genannten Laster aus der Unzucht hervor?
Die Art. 1 2 „ 3
„ „ „ „
5 6 7 8
319 322
54. Frage Nachlässigkeit S. 325—333
Ist die Nachlässigkeit eine arteigene Sünde? I s t die Nachlässigkeit der Klugheit entgegengesetzt ? K a n n die Nachlässigkeit Todsünde sein?
55. Frage Die der K l u g h e i t e n t g e g e n g e s e t z t e n L a s t e r , eine Ä h n l i c h k e i t mit ihr haben S. 334—356 Art. 1 2 ,, 3 „ 4
317
Ist die Klugheit des Fleisches Sünde? I s t die Klugheit des Fleisches Todsünde ? Ist die Verschlagenheit eine arteigene Sünde ? . . Ist List eine zur Verschlagenheit gehörende Sünde? Gehört Betrug zur Verschlagenheit? I s t es erlaubt, um irdische Dinge besorgt zu sein? Soll man um die Zukunft besorgt sein? Gehen derartige Laster aus der Habsucht hervor? 56. Frage D i e zur K l u g h e i t g e h ö r e n d e n S. 357—362
Art . 1
325 328 331
die
334 337 340 343 345 348 351 354
Gebote
Mußte unter den Zehn Geboten ein Gebot bezüglich der Klugheit erlassen werden ? „ 2 Wurden im Alten Gesetz angemessen Verbote bezüglich der der Klugheit entgegengesetzten Laster aufgestellt? Anmerkungen [1]—[111]
357 360 363
KOMMENTAR S. 397—574 D I E L I E B E (2. Teil) F r . 34—46 Einleitung 610
399
II. Teil Die S ü n d e n g e g e n d i e L i e b e (Fr. 34—43) Erster Abschnitt Die S ü n d e g e g e n d i e L i e b e in s i c h : Der H a ß (Fr. 34) 1. Kapitel: Der Gotteshaß (Art. 1—2) I. Zur Analyse des Hasses § 1. Das Wesen des Hasses § 2. Arten des Hasses § 3. Verhältnis von Liebe und Haß II. Die Möglichkeit des Gotteshasses (Art. 1) III. Die Schwere des Gotteshasses (Art. 2) 2. Kapitel: Der Menschenhaß (Art. 3—4) I. Die Sündhaftigkeit des Menschenhasses (Art. 3) . § 1. Ziel dieses Hasses § 2. Voraussetzungen dieses Hasses § 3. Unerlaubtheit des Hasses II. Die Schwere dieser Sünde (Art. 4) 3. Kapitel: Das Verhältnis des Hasses zu anderen Sünden (Art. 5—6) I. Der Haß ist kein Hauptlaster (Art. 5) II. Der Haß ist eine Tochtersünde des Neides (Art. 6) Zweiter Abschnitt Die S ü n d e n g e g e n d i e W i r k u n g e n d e r L i e b e (Fr. 35—42) A. Die Sünden gegen die inneren Wirkungen (Fr. 35—42) 1. Kapitel: Die Sünden gegen die Freude (Fr. 35—36) I. Der Überdruß (Fr. 35) § 1. Das Wesen des Überdrusses (Art. 1) § 2. Der Überdruß als arteigene Sünde (Art. 2) . § 3. Der Überdruß als Todsünde (Art. 3) § 4. Der Überdruß als Hauptlaster (Art. 4) II. Der Neid (Fr. 36) § 1. Das Wesen des Neides (Art. 1) § 2. Die Sündhaftigkeit des Neides (Art. 2—4) . . 2. Kapitel: Die Sünden gegen den Frieden (Fr. 37—42) I. Trennung der Herzen: Die Zwietracht (Fr. 37) § 1. Die Sündhaftigkeit der Zwietracht (Art. 1) 1. Das Wesen der Zwietracht 2. Die Sündhaftigkeit der Zwietracht § 2. Die Zwietracht als Tochter der eitlen Ruhmsucht (Art. 2) II. Uneinigkeit in Worten: Der Streit (Fr. 38) § 1. Der Streit als Todsünde (Art. 1) § 2. Der Streit als Tochter der eitlen Ruhmsucht (Art. 2)
400 400 400 401 402 403 405 407 407 407 407 408 409 410 410 411
413 413 413 413 415 418 419 420 420 423 425 425 425 425 426 427 428 428 428 611
I I I . Uneinigkeit im Werk: Schisma, Zank, Krieg und Aufruhr (Fr. 39—42) § 1. Das Schisma (Fr. 39) 1. Das Schisma als arteigene Sünde (Art. l h 2. Das Schisma ist eine geringere Sünde als der Unglaube (Art. 2) 3. Die Vollmacht der Schismatiker (Art. 3) . 4. Die Strafe für das Schisma (Art. 4) § 2. Der Krieg (Fr. 40) 1. Zum Begriff des Krieges 2. Die Bedingungen für den erlaubten Krieg (Art. 1) 3. Einzelbestimmungen über den Krieg (Art. 2 bis 4) a) Kriegsverbot für Bischöfe und Kleriker (Art. 2) (454) — b) Erlaubtheit bestimmter Kriegslisten (Art. 3) (455) — c) Kriegshandlungen an Festtagen sind erlaubt (Art. 4) (455) § 3. Zank (Privatkrieg) und Aufruhr (Bürgerkrieg) (Fr. 41—42) 1. Der Zank: Sündhaftigkeit und Verhältnis zum Zorn (Fr. 41) 2. Der Aufruhr: seine Eigenart und Schwere (Fr. 42) B . Die Sünden gegen die äußeren Wirkungen der Liebe: Das Ärgernis (Fr. 43) I. Das Wesen des Ärgernisses (Art. 1) II. Die Sündhaftigkeit des Ärgernisses (Art. 2—4) . . Das Ärgernis ist eine Sünde (Art. 2) Das Ärgernis ist eine arteigene Sünde (Art. 3) . . . Das Ärgernis im Vollsinn ist Todsünde (Art. 4). . . . I I I . Das Ärgernis und die Vollkommenen (Art. 5—6) Der Vollkommene kann kein Ärgernis nehmen (Art. 5) .. K a n n der Vollkommene Ärgernis geben? (Art. 6) IV. Ärgernis und Verzicht auf bestimmte Güter (Art. 7—8) Der Verzicht auf geistlich Gutes (Art. 7) Das Aufgeben zeitlicher Güter (Art. 8) I I I . Teil D a s G e b o t e n s e i n der (Fr. 44)
434 436 438 441 442 444 454
456 456 457 460 460 462 462 462 463 464 464 464 465 465 466
Liebe
I. Notwendigkeit und Zahl der Gebote der Liebe (Art. 1—3) § 1. Das Gebotensein der Liebe (Art. 1) § 2. Die Zweizahl des Liebesgebotes (Art. 2—3) II. Die Zusätze zum Liebesgebot (Art. 4—6) § 1. Gott ist „aus ganzem Herzen" zu lieben (Art. 4) 612
429 429 429
467 467 469 471 471
§ 2. Gott ist „aus ganzer Seele und mit aller K r a f t " zu lieben (Art. 5—6) I I I . Die Nächstenliebe (Art. 7) IV. Die Bangordnung der Liebe (Art. 8) Die
Gabe
der
IV. Teil W e i s h e i t u n d ihr die Torheit (Fr. 45—46)
Widerspruch,
1. Kapitel: Die Gabe der Weisheit (Fr. 45) I. Die Weisheit als Gabe des Heiligen Geistes (Art. 1—3) II. Die Abhängigkeit der Gabe der Weisheit von der Gnade (Art. 4—5) I I I . Die Gabe der Weisheit in ihrer Zuordnung zur siebten Seligpreisung (Art. 6) 2. Kapitel: Die Torheit als das der Gabe der Weisheit entgegengesetzte Laster (Fr. 46) I. Das Wesen der Torheit (Art. 1) I I . Die Sündhaftigkeit der Torheit (Art. 2) I I I . Die Unzucht als Mutter der Torheit (Art. 3) DIE
472 473 474
475 476 479 480 481 481 482 483
KLUGHEIT (Fr. 47—56)
Einleitung
483 I. Teil D i e K l u g h e i t in s i c h (Fr. 47)
1. Kapitel: Der Träger der Klugheit (Art. 1—3) I. Die Bedeutung der Trägerfrage (Art. 1) § 1. Der Grund ihrer bevorzugten Behandlung . . . § 2. Die Geschichte der Trägerfrage II. Genaue Bestimmung des Trägers (Art. 2) § 1. Die auf die Schau und die auf das Tun gerichtete Vernunft § 2. Theoretische und praktische Wahrheit § 3. Die Ausrüstung des Verstandes zur Gewinnung der zweifachen Wahrheit 1. Naturhafte Ausrüstving 2. Vervollkommnung durch Gehaben 3. Der Träger der Klugheit 4. Die Synderesis 5. Klugheit und Gewissen I I I . Die Klugheit und die Erkenntnis des einzelnen ( Art. 3) § 1. Die Erkenntnis des einzelnen und das Handeln § 2. Die Leistung der Klugheit
484 484 484 486 488 489 489 491 491 492 492 493 493 494 494 496 613
§ 3. Klugheit und Rechtheit des Strebens § 4. Klugheit und Wissen des Praktikers § 5. Situationsethik (Exkurs) 2. Kapitel: Die Klugheit als sittliche Tugend (Art. 4—16) I. Der Tugendcharakter der Klugheit (Art. 4—7) . . § 1. Klugheit als sittliche Tugend (Art. 4) 1. Mittelalterliche Theologen 2. Klugheit bei Thomas § 2. Die Klugheit als arteigene Tugend (Art. 5) § 3. Klugheit und Ziel der sittlichen Tugenden (Art. 6) § 4. Klugheit und Tugendmitte (Art. 7) II. Die Hauptaufgabe der Klugheit (Art. 8) § 1. Das Gebieten als Hauptakt der Klugheit § 2. Verstand und Wille im Befehl § 3. Der Befehl und die anderen Bestandteile der menschlichen Handlung § 4. Klugheitsbefehl und Gewissensspruch § 5. Klugheitslehre und Moralsysteme (Exkurs) § 6. Klugheit und Kasuistik (Exkurs) III. Einige Sonderrücksichten der Klugheit (Art. 9 bis 16) § 1. Klugheit und Besorgtsein (Art. 9) § 2. Klugheit und Gemeinwohl (Art. 10—11) . . . § 3. Der Träger der Gemeinwohlklugheit (Art. 12) § 4. Klugheit und Sünder (Art. 13) § 5. Die Klugheit als Bestandteil der übernatürlichen Ausrüstung (Art. 14) § 6. Die Klugheit als Naturgabe (Art. 15) § 7 . Verlust der Klugheit durch Vergessen (Art. 16) II. Teil Die T e i l t u g e n d e n der K l u g h e i t (Fr. 48—56) 1. Kapitel: Die Teiltugenden im allgemeinen (Fr. 48) 2. Kapitel: Die Teiltugenden der Klugheit im einzelnen (Fr. 49—51) I. Die Ganzheitsteile der Klugheit (Fr. 49) § 1. Vervollständigving der Klugheit als Erkenntnisgehaben (Art. 1—5) 1. DieErinnerung bzw. das Gedächtnis (Art. 1) 2. Der Verstand oder die Einsicht (Art. 2) 3. Die Beiehrbarkeit (Art. 3) 4. Die Treffsicherheit bzw. Wendigkeit (Art. 4) 5. Die Vernunft (Art. 5) § 2. Vervollständigung der Klugheit als Befehl (Art. 6—8) 1. Der Weitblick oder die Voraussicht (Art. 6) 2. Die Umsicht (Art. 7) 3. Die Vorsicht (Art. 8) 614
499 500 502 507 507 507 507 509 512 514 516 518 518 518 519 521 523 524 526 526 527 528 528 530 530 532
532 534 534 534 534 534 534 535 535 535 536 537 537
I I . Die Unterteile der Klugheit (Fr. 50) § 1. Zwei Grundformen der Klugheit § 2. Die Gemeinwohlklugheit 1. Die Begierungsklugheit oder Führungskunst (Art. 1) 2. Die staatsbürgerliche (politische) Klugheit (Art. 2) 3. Die hauswirtschaftliche Klugheit (Art. 3) 4. Die militärische Klugheit oder Kriegskunst (Art. 4) I I I . Die Mächtigkeitsteile der Klugheit (Fr. 51) § 1. Die Mächtigkeitsteile im allgemeinen § 2. Die Mächtigkeitsteile im einzelnen 1. Die Wohlberatenheit (Art. 1—2) 2. Die Verständigkeit (Art. 3—4) 3. Die Klarsicht (Art. 4)
537 537 538 538 538 539 540 540 540 541 541 542 542
I I I . Teil D i e G a b e des R a t e s (Fr. 52) 1. Gabe des Rates und Tugend der Klugheit (Art. 1—2).. 2. Fortbestehen der Gabe des Rates im Jenseits (Art. 3) 3. Die dem Rat zugeordnete Barmherzigkeit (Art. 4) . . . .
544 545 545
I V . Teil D i e der K l u g h e i t e n t g e g e n g e s e t z t e n L a s t e r (Fr. 53—55) I. Unklugheit als Gegensatz zur Klugheit (Fr. 53 bis 54) § 1. Verschiedene Bedeutungen der Unklugheit (53, 1—2) § 2. Einzelne Formen der Unklugheit (53, 3—6; 54, 1—3) 1. Die Überstürzung (53, 3) 2. Die Bedenkenlosigkeit (53, 4) 3. Die Unbeständigkeit (53, 5) 4. Die Unzucht (53, 6) 5. Die Nachlässigkeit (Fr. 54) I I . Unklugheit als Schein-Klugheit (Fr. 55) § 1. Unklugheit mit einem scheinbar guten Ziel (Art. 1—2) 1. Klugheit des Fleisches (Art. 1) 2. Ihre Sündhaftigkeit (Art. 2) § 2. Unklugheit bezüglich scheinbar guter Mittel (Art. 3—8) 1. Die Verschlagenheit (Art. 3) 2. Die List (Art. 4) 3. Der Betrug (Art. 5) 4. Die (übermäßige) Sorge (Art. 6—7) 5. Die Habsucht (Art. 8)
546 546 548 548 549 549 549 550 550 550 550 551 551 551 551 551 551 552 615
V. Teil Das G e b o t e n s e i n der K l u g h e i t (Fr. 56) Psychologischer Exkurs zur Abhandlung des Thomas von Aquin über die Klugheit 1 II Erinnerung, Gedächtnis, organisierter Bestand (memoria) Vernunfthafte Tätigkeit, Überlegung (ratio) . . . . Verstand, Verständnis, Einsicht (intellectus) . . . . Treffsicherheit und Beweglichkeit (solertia) Beiehrbarkeit (docilitas) Weitblick (providentia) Umsicht (circumspectio) Wachsamkeit und Vorsicht (cautio) III Literatur
558 559 561 563 564 565 567 568 569 573
Ergänzungen zu den Marginalien Verzeichnis der Abkürzungen Literaturverzeichnis Alphabetisches Namen- und Sachverzeichnis Autorenverzeichnis Heilige Schrift
575 576 579 584 596 602
616
555 555 558