Deutschland-China-Japan 1933–1939: Das Dilemma der deutschen Fernostpolitik [Reprint 2022 ed.] 9783112621301, 9783112621295


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German Pages 190 [193] Year 1965

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Deutschland-China-Japan 1933–1939: Das Dilemma der deutschen Fernostpolitik [Reprint 2022 ed.]
 9783112621301, 9783112621295

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DEUTSCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU B E R L I N SCHRIFTEN DES INSTITUTS FÜR GESCHICHTE R E I H E I: A L L G E M E I N E UND D E U T S C H E

GESCHICHTE

B A N D 25

KARL DRECHSLER

Deutschland - China -Japan 1933-1939 Das Dilemma der deutschen Fernostpolitik

AKADEMIE-VERLAG

• B E R L I N • 1964

Erschienen im Akademie-Verlag G m b H , Berlin W 8, Leipziger Straße 3 — 4 Copyright by Akademie-Verlag G m b H Lizenznummer: 200 • 100/128/64 Gesamtherstellung: IV/2/14 V E B Werkdruck Gräfenhainichen 2256 Bestellnummer: 2083/I/25 • E S 14 D / E • Preis 1 9 , - MDN

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

V

Abkürzungsverzeichnis

VII

Einleitung

i

I. Das Dilemma der deutschen Fernostpolitik (1933—1937)

9

1. China — das Land der großen Profitmöglichkeiten 2. Japan — der Verbündete für die kriegerische Neuaufteilung der Welt

13 . .

II. Das Lavieren zwischen China und Japan (Juli 1937 — Januar 1938)

19 27

1. Die Auseinandersetzungen innerhalb der herrschenden Klasse Deutschlands

32

2. Die deutsche „Vermittlungsaktion" im Fernostkonflikt

41

3. Die japanischen Forderungen

48

a) Abberufung der deutschen Militärberater Tschiang Kai-sche ks . . . .

48

b) Einstellung der Kriegsmateriallieferungen an China

50

c) Diplomatische Anerkennung Manzhouguos (Mandschukuos) 4. Die Umorientierung der deutschen Monopole von China auf Japan

54 . . .

5. Der Beitritt Italiens zum Antikominternpakt III. Die Entscheidung für Japan (1938) 1. Bündnispolitik und Kriegsplanung an der Jahreswende 1937/1938 . . . .

55 62 67 73

2. Die offene Unterstützung der japanischen Aggression durch Deutschland .

79

3. Die Verhandlungen über einen Militärpakt Berlin—Rom—Tokio

84

4. Die deutsch-japanischen Widersprüche in China IV. Die widerspruchsvolle Allianz (1938/1939)

95 98

1. Die politische Offensive Japans in China und die deutsche Diplomatie . .

104

2. Die deutschen Nordchina-Pläne

108

3. Das Scheitern des Militärpakt-Projektes

112

a) V o m Münchener Abkommen bis zur Annexion der Rest-Tschechoslowakei b) Die letzten Monate vor der Entfesselung des zweiten Weltkrieges . . .

112 120

c) Der deutsch-sowjetische Nichtangriffsvertrag und das Bündnis BerlinTokio

129

V . Zusammenfassung und Schluß: Der Dreimächtepakt vom 27. September 1940

136

VI. Anhang: Literatur- und Quelleneinschätzung

141

Quellen- und Literaturverzeichnis

147

Personenregister

174

Vorwort

Die Kommission der Historiker der D D R und der UdSSR führte im November 1957 in Leipzig ihre erste wissenschaftliche Konferenz durch. Eines der beiden Tagungsthemen war die Auseinandersetzung mit den wichtigsten Richtungen der reaktionären bürgerlichen Geschichtsschreibung über den zweiten Weltkrieg. Der Beschluß der Konferenz bezeichnete als vorrangige Aufgabe u. a. die Untersuchung der internationalen Beziehungen am Vorabend und während des zweiten Weltkrieges. Dieser Verpflichtung nachzukommen und dadurch mitzuhelfen, damit das Geheimnis gelüftet wird, wie Kriege gemacht werden, ist Sinn und Zweck der vorliegenden Arbeit. Mitte der dreißiger Jahre standen die Machthaber des „Dritten Reiches" vor der Alternative: Sollte das profitable, besonders für die Rüstungsindustrie wichtige Chinageschäft erhalten bleiben, oder mußte es zugunsten des Bündnisses mit Japan „geopfert" werden? In den um diese Frage entbrannten vordergründigen Cliquenkämpfen, hinter denen sich die widersprüchlichen Interessen von I G Farben, A E G , Siemens-Schuckert, Krupp, Otto Wölfl u. a. verbargen, setzte sich Anfang 1938 die projapanische Richtung durch (Hitler, Ribbentrop, Göring contra Schacht, Neurath, Blomberg). Die an diese Entscheidung geknüpften Erwartungen, die eigene strategische und taktische Kriegsplanung mit der Japans koordinieren und trotzdem die bisherige Chinapolitik — via Tokio — fortsetzen zu können, erwiesen sich jedoch weitgehend als Fehlkalkulation. Die durch das gemeinsame Interesse an der Neuaufteilung der Welt zusammengehaltene Koalition Berlin(-Rom)-Tokio wurde niemals zu dem „stählernen Block", als den ihn seine Schöpfer emphatisch feierten. Die vorliegende Studie, der meine 1962 an der Philosophischen Fakultät der MartinLuther-Universität in Halle (Saale) verteidigte Dissertation zugrunde liegt, stützt sich auf die in Frage kommenden deutsch-, russisch- und englischsprachigen Publikationen sowie auf unveröffentlichte Akten der deutschen Botschaft in China, des Auswärtigen Amtes, der Nachlässe Trautmann und Dirksen, der Prozesse gegen Krupp und I G Farben sowie des Internationalen Militärtribunals für den Fernen Osten. Die Umschrift chinesischer Ausdrücke erfolgt nach der neuen chinesischen amtlichen Transkription (Pinyin). Die bisher übliche Umschrift ist jeweils einmal in Klammern hinzugefügt. Bei einigen der bekanntesten Namen (Mao Tse-tung, Peking, Tschiang Kai-schek) wird die traditionelle Schreibweise beibehalten. Es ist mir ein aufrichtiges Bedürfnis, meinem verehrten Lehrer Prof. Dr. Dr. h. c. Leo Stern, der die vorliegende Arbeit anregte und ihren Fortgang stets unterstützte,

VI

Vorwort

Dank zu sageq. Ferner möchte ich Prof. Dr. Heinz Tillmann danken, der mir eine Reihe wertvoller Hinweise und Ratschläge gab. Für die freundliche Unterstützung bei der Materialsammlung bin ich den Leitern und Mitarbeitern des Deutschen Zentralarchivs in Potsdam, der Universitäts- und Landesbibliothek in Halle (Saale), des ApxHB BHenraeÄ ÜOJIHTHKH CCCP in Moskau, der Glöwna Komisja do badania zbrodni hitlerowskich w Polsce in Warschau, des Public Record Office, der Foreign Office Library und des British Museum in London sowie des Verlags für fremdsprachige Literatur in Peking zu Dank verpflichtet. Die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin gab mir in großzügiger Weise die Möglichkeit zu Studienreisen, ohne die die vorliegende Arbeit nicht hätte geschrieben werden können. Für die Transkription der chinesischen Ausdrücke habe ich Dr. Herbert Bräutigam zu danken. Halle (Saale), im August 1963

Karl Drechsler

Abkürzungsverzeichnis

AA

Auswärtiges A m t

ABII

ApxHB BHeumeii

AdAP

Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918—1945. Aus dem Archiv des deutschen Auswärtigen Amtes, Serie D (1937—1945), 7 Bde, Baden-Baden 1950 ff.

DBC

Deutsche Botschaft in China

DZA

Deutsches Zentralarchiv

GFM

German Foreign Ministry

IIOJIHTHKH

G K B Z H P Glöwna Komisja do badania zbrodni hitlerowskich w Polsce PRO

Public Record Office

Einleitung

Als die Botschafter Großbritanniens und Frankreichs am 3. September 1939 in Berlin die Kriegserklärungen ihrer Regierungen überreichten, kam dies einer offiziellen Bankrotterklärung der rund zwei Jahrzehnte lang verfolgten englischen und französischen Außenpolitik gleich. Der 3. September machte offenkundig, daß alle Pläne, die ständig wachsenden Gegensätze innerhalb der kapitalistischen Welt auf Kosten des ersten sozialistischen Staates, der Sowjetunion, zu lösen, gescheitert waren. Der zweite Weltkrieg begann als Konflikt zwischen zwei Koalitionen imperialistischer Mächte. Das komplizierte Nebeneinander und die Verflechtung des Grundwiderspruchs zwischen Kapitalismus und Sozialismus mit den Gegensätzen zwischen den konkurrierenden kapitalistischen Staaten sind das Hauptproblem auch der internationalen Beziehungen im Fernen Osten, speziell der Politik Hitlerdeutschlands gegenüber China und Japan von 1933 bis 1939. Die ungleichmäßige Entwicklung der imperialistischen Länder führte bald nach 1918 zu neuen Störungen des zeitweiligen Gleichgewichts innerhalb der kapitalistischen Welt, das von den Siegermächten des ersten Weltkrieges in den Verträgen von Versailles und Washington fixiert worden war. Seit dem Ende der zwanziger und vor allem in den dreißiger Jahren bildeten sich zwei feindliche Gruppierungen imperialistischer Staaten heraus: Deutschland, Italien und Japan auf der einen Seite, die die Neuaufteilung der Welt forderten, die USA, England und Frankreich auf der anderen Seite, die sich ihren Besitz und ihre Einflußsphären unversehrt erhalten wollten. Die Weltwirtschaftskrise, die von 1929 bis 1932 das gesamte kapitalistische System erschütterte, führte zu einer weiteren Verschärfung der Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten, ihres Kampfes um Einflußsphären, um Rohstoff- und Absatzgebiete, um die Weltherrschaft. Durch die Krise, die die relative Stabilisierung des Kapitalismus beendete, wurden die Arbeitermassen in zunehmendem Maße revolutioniert. Während die Krise den Werktätigen die Ausweglosigkeit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung nachdrücklich vor Augen führte, wurde andererseits immer deutlicher die Überlegenheit des sozialistischen Systems über das kapitalistische demonstriert. Die Sowjetunion, die sich innerhalb kurzer Zeit aus einem um rund 100 Jahre zurückgebliebenen Agrarland in eine fortgeschrittene Industriemacht mit einer eigenen Schwerindustrie entwickelt hatte, war das einzige Land, dessen Industrieproduktion — frei von Krisenerscheinungen — ständig wuchs. Die Vertiefung der kapitalistischen Widersprüche und die Furcht vor wachsenden revolutionären Aktionen der Arbeiterklasse verstärkten in imperialistischen Kreisen

2

Einleitung

das Bestreben, in außenpolitischen Abenteuern, im Krieg und in der Eroberung fremder Territorien einen Ausweg zu suchen. 1931 überfiel Japan die nordöstlichen Provinzen Chinas, die Mandschurei, um sich dadurch entscheidende Vorteile im Konkurrenzkampf mit den USA und mit England zu sichern und um gleichzeitig ein günstiges militärisches Aufmarschgebiet zum Angriff auf die UdSSR zu schaffen. Als Folge der japanischen Aggression entstand im Fernen Osten der erste Herd eines neuen Weltkrieges. Indem die herrschenden Kreise Japans vor allem die antisowjetische Stoßrichtung ihrer Aggression betonten, betrieben sie eine Politik, die Sowjetunion zu isolieren und die Unterstützung der Westmächte für ihre abenteuerliche Chinapolitik zu gewinnen. Die Vertreter des englischen und amerikanischen Imperialismus kamen diesem Bestreben Japans weitgehend entgegen, indem sie den Aggressor faktisch unterstützten, um ihn zu einem Uberfall auf die UdSSR zu ermuntern. Auch die von Tschiang Kai-schek geführte Guomindang-Regierung setzte, anstatt den nationalen Abwehrkampf gegen den japanischen Überfall zu organisieren, den Kampf gegen die chinesischen Kommunisten fort. Es war die Kommunistische Partei Chinas, die die Führung des Partisanenkampfes in der Mandschurei übernahm und die sich an die Spitze der patriotischen Bewegung des Landes stellte und damit die Grundlage für eine nationale, antijapanische Einheitsfront schuf. Die Sowjetunion verfolgte als einzige Macht konsequent eine Politik des Friedens. Um einer Aggression wirksam vorzubeugen, traf sie Maßnahmen zur Sicherung der fernöstlichen Grenzen des Landes. Angesichts der wachsenden Aktionen der Arbeiterklasse, zu denen es als Folge der Krise in Deutschland kam — die Kommunistische Partei erhielt bei den Reichstagswahlen im November 1932 fast 6 Millionen Stimmen —, sahen die herrschenden Kreise keinen anderen Ausweg, als die von den Werktätigen in der Novemberrevolution erkämpften demokratischen Rechte wieder abzubauen und zu Methoden der offenen, brutalen Diktatur zu greifen. Auf Betreiben der reaktionärsten, aggressivsten, am meisten imperialistischen und chauvinistischen Kräfte des deutschen Monopolkapitals wurde Anfang 1933 die faschistische Diktatur in Deutschland errichtet. Begleitet von grausamstem Terror gegen alle progressiven, friedliebenden Kräfte des Landes — allen voran gegen die Kommunistische Partei — begann nunmehr die direkte Vorbereitung auf die kriegerische Neuaufteilung der Welt im Interesse des deutschen Imperialismus. Georgi Dimitroff erklärte dazu auf dem VII. Kongreß der Kommunistischen Internationale in Moskau 1935: „Der deutsche Faschismus spielt die Rolle des Stoßtrupps der internationalen Konterrevolution, des Hauptanstifters des imperialistischen Krieges, des Initiators eines Kreuzzuges gegen die Sowjetunion..."1 Im Herzen Europas.war damit ein zweiter Kriegsherd entstanden. Unter Verletzung des Versailler Vertrages führte Deutschland 1935 die Wehrpflicht wieder ein. Ein Jahr später marschierten die faschistischen Truppen in das Rheinland, womit zum 1

Pieck, Wilhelm/Dimitroff, GeorgijTogliatti, Palmiro, Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunisten im Kampf für die Volksfront gegen Krieg und Faschismus. Referate auf dem VII. Kongreß der Kommunistischen Internationale (1935)' Berlin 1957, S. 87.

Einleitung

3

ersten Male seit 1918 das deutsche Heer wieder direkt an der Grenze Frankreichs stand. Die Besonderheit in der ökonomischen Lage der kapitalistischen Welt nach 193} bestand darin, daß die Wirtschaftskrise von 1929 bis 1932 unmittelbar in eine anhaltende Depression überging, ohne daß vorher ein neuer Aufschwung einsetzte, wie dies sonst allgemein der Fall war. Diese Tatsache trug entscheidend zur weiteren Verschärfung der Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten bei. Hitlerdeutschland, Japan und Italien gingen in dieser Situation dazu über, sich zur Verwirklichung ihres gemeinsamen Zieles — der Neuaufteilung der Welt — auch vertraglich zusammenzuschließen. Am 25. Oktober 1936 wurde.die deutsch-italienische Übereinkunft („Achse" Berlin-Rom) über die Zusammenarbeit beider Länder unterzeichnet. Einen Monat später, am 25. November, schlössen die deutsche und die japanische Regierung den sogenannten Antikominternvertrag, dem ein Jahr darauf auch Italien beitrat. Trotz der vertraglichen Bindung bestand jedoch auch zwischen den drei faschistischen Mächten eine Reihe imperialistischer Widersprüche, so zwischen Deutschland und Japan bei der Ausbeutung Chinas. Italien hatte 1935 Abessinien annektiert. 1936 unterstützten der deutsche und der italienische Faschismus gemeinsam die faschistische Meuterei unter General Franco gegen die rechtmäßige republikanische Regierung in Spanien. Mit ihrem Eingreifen in Spanien verfolgten sie das strategische Ziel, Frankreich vom Rücken her bedrohen und die Verbindungswege Frankreichs und Englands im Mittelmeer und im Atlantik abschneiden zu können. Führende Kreise vor allem des englischen, aber auch des französischen und des amerikanischen Imperialismus hatten nicht nur die Machtergreifung der deutschen Faschisten begünstigt, sondern unterstützten auch faktisch deren Kriegsvorbereitungen. Ebenso wie in ihrer Stellung zum Überfall Japans auf Nordchina verfolgten die Westmächte dabei das Ziel, die drohende Aggression gegen die Sowjetunion zu lenken. Sie rechneten damit, daß sich die deutsch-j apanisch-italienische Staatengruppe und die Sowjetunion gegenseitig soweit schwächen würden, daß dadurch ihre eigene Stellung in der Welt weiter gefestigt würde. Zugleich sahen sie in den faschistischen Mächten ein wirksames Instrument zur Unterdrückung der wachsenden nationalen Befreiungsbewegung in den kolonialen und halbkolonialen Ländern, z. B. in China, und der Volksfrontbewegung in verschiedenen kapitalistischen Ländern, so vor allem in Spanien. In der sich zusehends verschärfenden internationalen Lage nach 1933, als in Asien und in, Europa bereits zwei vorläufig noch getrennte Herde eines neuen Weltkrieges entstanden waren, verstärkte die UdSSR ihre Bemühungen, den Frieden in der Welt zu erhalten, eine Politik, die sowohl den Interessen des sozialistischen Aufbaus, den Interessen der Werktätigen in der Sowjetunion, als auch den Interessen der Volksmassen in der gesamten Welt entsprach, deren nationale Freiheit von den faschistischen Aggressoren bedroht wurde. Die Sowjetunion traf konkrete Maßnahmen zur Sicherung des Friedens, indem sie 1934 dem Völkerbund beitrat, den Hitlerdeutschland und Japan ein Jahr vorher verlassen hatten, und mit Frankreich und der CSR 1935 Verträge über gegenseitigen Beistand unterzeichnete. Zugleich bereitete sich die UdSSR auch darauf vor, eine eventuelle

Einleitung

4

Aggression jederzeit zurückschlagen zu können. D i e Voraussetzung dafür war die weitere Stärkung der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Macht des Landes. In den Jahren 1933 bis 1937 konnte die sozialistische Rekonstruktion aller Zweige der Volkswirtschaft abgeschlossen und der Aufbau des Sozialismus im wesentlichen vollendet werden — das größte historische Ereignis nach der Oktoberrevolution. Die UdSSR verfolgte konsequent die Politik, allen Völkern zu helfen, die bereits Opfer faschistischer Überfälle geworden waren und im nationalen Abwehrkampf standen. Mit besonderem Nachdruck war die Sowjetunion bestrebt, ein System zur kollektiven A b w e h r der Aggressoren zu schaffen. Dieser Plan, den Zusammenschluß aller Staaten zu erreichen, die durch die faschistischen Mächte bedroht wurden, stieß jedoch auf den hartnäckigen Widerstand der Westmächte. D i e Aktionseinheit der Arbeiterklasse, der Zusammenschluß aller nationalen, demokratischen und friedliebenden K r ä f t e gegen Faschismus und Krieg wurde zu einer immer dringenderen Forderung. Der VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale, der im Sommer 1935 in Moskau tagte, gab eine exakte wissenschaftliche Analyse des Faschismus und wies nachdrücklich auf die Gefahr hin, die den Völkern durch die forcierten Kriegsvorbereitungen der faschistischen Mächte drohte. D e r Kongreß wies den konkreten Weg, wie der Kampf für die Aktionseinheit der Arbeiterklasse und für die Bildung einer Volksfront gegen Faschismus und Krieg zu organisieren sei. Während es in einigen Ländern in der Folgezeit gelang, eine Volksfront zu schaffen, so in Spanien, China und Frankreich, konnten die Führer der II. Internationale in den meisten Ländern den Zusammenschluß der antifaschistischen K r ä f t e verhindern, wodurch die Kräfte des Friedens und der Demokratie in der W e l t bedeutend geschwächt wurden. Im Herbst 1957 brach — nach vier Jahren Depression — eine neue Krise über die kapitalistische W e l t herein. D i e Industrieproduktion der U S A sank 1938 auf 72, die Frankreichs auf 70 Prozent des Standes von 1929. D i e Länder des faschistischen Blocks — Deutschland, Italien und Japan —, deren Wirtschaft bereits weitestgehend auf den Krieg umgestellt war, wurden allerdings von der Krise nicht erfaßt. Im Rahmen der forcierten Kriegsvorbereitungen erreichte die Wirtschaft Hitlerdeutschlands vielmehr einen Produktionsstand von 121, die Japans sogar von 185 Prozent gegenüber 1929, ein Aufschwung, der vor allem ermöglicht wurde durch die brutale Ausbeutung der Werktätigen, denen auch die letzten demokratischen Rechte geraubt worden waren. D i e faschistischen Mächte verstärkten in dieser Situation ihre Kriegsvorbereitungen, um einem Übergreifen der Krise auch auf ihre Länder vorzubeugen. 2 Der Überfall der japanischen Imperialisten und Militaristen auf China im Juli 1937 leitete eine neue Etappe der japanischen Aggression ein, deren Ziel es war, ganz China in eine Kolonie Japans zu verwandeln. Im Kampf gegen den faschistischen Räuber wuchs die gerechte, nationale Befreiungsbewegung des chinesischen Volkes. Trotz des Widerstandes der rechten Guomindangführer kam es —durch die politische, militärische und organisatorische Tätigkeit der Kommunistischen Partei — zur Bildung einer antijapanischen, nationalen Einheitsfront. 2

Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Berlin i960, S. 628.

Einleitung

5

Die UdSSR half dem heldenhaft kämpfenden chinesischen Volk auf jede erdenkliche Weise. So war der Abschluß des sowjetisch-chinesischen Nichtangriffsvertrages eine große politische und moralische Unterstützung im Kampf gegen den Aggressor. Außerdem unterstützte die Sowjetunion China durch die Gewährung von Krediten, durch die Lieferung von Flugzeugen u. a. England, Frankreich und die USA dagegen setzten auch in dieser Situation ihre Politik fort, die UdSSR zu isolieren und Japan zum Angriff auf den ersten Arbeiterund-Bauern-Staat zu ermuntern. Ihre Politik, die faktisch eine Unterstützung des japanischen Aggressors gegen das chinesische Volk war, führte dazu, daß die Westmächte mehr und mehr aus China verdrängt wurden. Auch in Europa kam es zu neuen Aggressionen. Im März 1938 marschierten deutsche Truppen in Österreich ein, im Anschluß daran ging die Hitlerregierung dazu über, verstärkt die Annexion der Tschechoslowakei vorzubereiten. Die Gefahr, daß sich die beiden Brandherde in Europa und im Fernen Osten zu einem Weltbrand vereinigten, wurde zusehends größer. Die Sowjetregierung und die KPdSU (B) verstärkten ihre Bemühungen, durch kollektive Sicherheitsmaßnahmen dieser Gefahr vorzubeugen. So schlug die UdSSR nach der Besetzung Österreichs in einer Erklärung vor, die entsprechenden praktischen Maßnahmen zur Abwehr weiterer faschistischer Aggressionen mit allen interessierten Mächten im Völkerbund oder an anderer Stelle zu erörtern. Die Sowjetunion gab ihre Bereitschaft zu verstehen, der Tschechoslowakei im Rahmen dgs sowjetisch-tschechoslowakischen Vertrages von 1935 Hilfe zu leisten, d. h. unter der Voraussetzung, daß auch Frankreich zu seiner Bündnispflicht stehen würde. Die Sowjetregierung erklärte sich darüber hinaus bereit, notfalls auch allein Hilfe zu gewähren, falls die tschechoslowakische Regierung sie darum ersuchen und selbst Widerstand leisten würde. Seit Ende 1937/Anfang 1938 wurde das Bestreben Hitlerdeutschlands immer offenkundiger, den Krieg um die Neuaufteilung der Welt nicht sofort mit der entscheidenden Auseinandersetzung, mit dem Überfall auf die Sowjetunion, zu beginnen, sondern diesen erst durch die Unterwerfung der westeuropäischen kapitalistischen Länder vorzubereiten. Zu diesem Zweck bemühten sich die Hitlerdiplomaten, den Antikominternvertrag in einen zunächst primär gegen die Westmächte gerichteten militärischen Beistandspakt umzuwandeln. In den damit verbundenen taktischen Fragen kam es innerhalb des Blocks der faschistischen Staaten zu ernsthaften Differenzen. Entgegen dem allmählich Gestalt gewinnenden Plan Hitlerdeutschlands, vor dem Überfall auf die UdSSR die kapitalistischen Mächte Westeuropas zu unterwerfen, setzten sich führende Kreise des japanischen Imperialismus für einen Kompromiß mit den Westmächten und den direkten Angriff auf die UdSSR ein. Neben diesen taktischen Differenzen wird noch ein anderes Moment in der deutschen Japanpolitik des zu untersuchenden Zeitabschnittes ersichtlich, das u. a. mit dazu beitrug, die Niederlage der faschistischen Mächte zu besiegeln, bevor der Krieg eigentlich begonnen hatte. Von der marxistischen Geschichtswissenschaft sind in den vergangenen Jahren die Gesetzmäßigkeit und die historische Bedingtheit der Niederlagen des deutschen Imperialismus in den beiden Weltkriegen klar herausgearbeitet worden. Walter Ulbricht hat

6

Einleitung

die Gründe, weshalb der deutsche Imperialismus und Militarismus in den beiden von ihm entfesselten Weltkriegen gesetzmäßig unterliegen mußte, folgendermaßen prägnant zusammengefaßt: „ D e r deutsche Imperialismus erlitt erstens und vor allem deshalb zwei katastrophale militärische Niederlagen, weil er die reaktionärsten, überlebtesten gesellschaftlichen Kräfte verkörperte, weil seine Kriegsziele die räuberischsten von allen waren, weil er den ungerechtesten Krieg führte und weil er es war, der als Hauptstoßkraft des Weltimperialismus gegen die Sowjetmacht handelte. D e r deutsche Imperialismus mußte zweitens deshalb gesetzmäßig unterliegen, weil er die menschheitsfeindlichsten Ziele verfolgte, weil er ganze Völker mit der V e r sklavung und Ausrottung bedrohte und dem eigenen Volke unermeßliche Leiden aufbürdete. Drittens wurde der deutsche Imperialismus deshalb zweimal geschlagen, weil seine Kriegsziele nicht dem realen Kräfteverhältnis entsprachen, weil sich der Widerspruch zwischen seinen Weltherrschaftsplänen und seinen politisch-moralischen, ökonomischen und militärischen Möglichkeiten von Krieg zu Krieg verschärfte und weil er diesen antagonistischen Widerspruch niemals zu lösen imstande ist." 3 Besonders die dritte These Ulbrichts wird durch die Darstellung der deutschen Fernostpolitik — speziell der deutschen Japanpolitik — am Vorabend des zweiten Weltkrieges bestätigt. Das deutsche Monopolkapital, das das politische und militärische A b e n teurertum zur Staatsdoktrin erhoben hatte, verband sich dabei mit den Mächten, deren Kriegsziele ebenfalls in keiner Weise dem realen Kräfteverhältnis entsprachen. D i e Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Deutschlands und der Kommunistischen Partei Italiens hatten in einer gemeinsamen Erklärung zur Zusammenkunft Hitlers und Mussolinis im Sommer 1937 erklärt: „Wenn zwei bankrotte Regime sich zusammenschließen, dann werden sie nicht stärker." 4 Diese Feststellung traf auch auf die deutsch-japanische Allianz bzw. auf die Koalition aller drei faschistischen Mächte z u : Ebenso wie Hitlerdeutschland fehlten auch Japan und Italien die ökonomischen, die militärischen und die politisch-moralischen Möglichkeiten, um ihre weitgesteckten Eroberungspläne verwirklichen zu können. Die Politik der Westmächte, den deutschen Faschismus durch Zugeständnisse zu „befrieden" — lies: seine Expansion in östliche Richtung zu lenken —, gipfelte im Münchener Abkommen vom September 1938. England und Frankreich kamen den Forderungen der Hitlerregierung nach, indem sie die mit ihnen verbündete Tschechoslowakei aufforderten, das Sudetengebiet an Deutschland abzutreten. Kein halbes Jahr später erfolgte die Annexion der gesamten Tschechoslowakei durch den deutschen Faschismus. Der XVIII. Parteitag der K P d S U (B) im März 1939 brandmarkte aufs schärfste den Kriegskurs der faschistischen Staaten und die Politik der Westmächte, die sie dabei

3

Ulbricht, Walter, Zur Eröffnung der ersten sozialistischen Militärakademie in der Geschichte Deutschlands, Berlin 1959, S. 9 f ; Stern, Leo, Die Gesetzmäßigkeit und die historische Bedingtheit der Niederlagen des deutschen Imperialismus in den beiden Weltkriegen, in: Aggressoren ohne Chance, Berlin i960, S. 47ff.

4

Zit. in: Die Schwächen der Kriegsachse, in: Die Internationale, 7—8/1937, S. 101.

Einleitung

7

faktisch unterstützten. Wie es im Rechenschaftsbericht über die Arbeit des Zentralkomitees hieß, hatte der von den faschistischen Staaten zur Neuaufteilung der Welt entfesselte Krieg gegen die freiheitsliebenden Völker, der faktisch seit 1931 im Gange war, bereits Länder mit einer Bevölkerung von ca. 500 Millionen Menschen erfaßt. Die Delegierten billigten die Außenpolitik der Sowjetregierung, beschlossen, auch in Zukunft konsequent die Politik des Friedens zu verfolgen, und bekannten sich zur Herstellung sachlicher Beziehungen mit allen Ländern, die am Kampf gegen den Faschismus interessiert waren. Zugleich gab der Parteitag aber auch eindeutig zu verstehen, daß die UdSSR nicht gewillt sei, anderen Mächten „die Kastanien aus dem Feuer zu holen", daß sie sich nicht auf Grund von Provokationen in einen Konflikt hineinziehen lassen werde. 5 Auch nach der Okkupation der Tschechoslowakei durch das faschistische Deutschland im März 1939, als die Hitlerregierung Kurs auf die Annexion Polens nahm, waren die Westmächte nicht zu einer grundsätzlichen Neuorientierung ihrer Politik bereit. Obwohl sich die Widersprüche zwischen ihnen und dem Block der faschistischen Staaten zusehends verschärften und immer mehr zu einer kriegerischen Auseinandersetzung hinführten, trafen die Regierungen in London und Paris lediglich taktische Änderungen. So übernahmen England und Frankreich im Frühjahr 1939 die Garantie für die staatliche Unabhängigkeit von Polen, Griechenland, Rumänien und der Türkei, d. h. einer Reihe Staaten, deren Existenz von den faschistischen Eroberern bedroht wurde. Außerdem nahmen sie Verhandlungen mit der Sowjetunion auf. Sie sahen darin aber, wie der Verlauf der Gespräche zeigte, vor allem ein Mittel, um die demokratische Öffentlichkeit ihrer Länder zu beruhigen, und ein Druckmittel gegen Hitlerdeutschland, das dadurch zum Kompromiß mit dem anglo-französischen Monopolkapital gezwungen werden sollte. Mit dem Ziel, keine Möglichkeit zur Erhaltung des Friedens ungenutzt zu lassen, erklärte sich die Sowjetunion zu Verhandlungen mit den Westmächten bereit, die von März bis August 1939 dauerten. In ihrem Verlauf erwies sich aber eindeutig — besonders auch in den während des Sommers stattfindenden Militärverhandlungen —, daß die herrschenden Kreise Englands und Frankreichs dabei das Ziel verfolgten, die UdSSR in einen Krieg mit Hitlerdeutschland zu verwickeln. Parallel zu den Verhandlungen mit der Sowjetunion stand die englische Regierung im Gespräch mit Berlin über den Abschluß eines Nichtangriffsvertrages und über die Aufteilung der Welt in Einflußsphären, unter die auch die Sowjetunion und China fallen sollten. Auch an den fernöstlichen Grenzen der UdSSR verschärfte sich die Lage. 1938 hatten die japanischen Imperialisten und Militaristen am Chassan-See, in der Nähe von Wladiwostok, einen Grenzüberfall provoziert. Im Sommer 1939 drangen sie am Chalchin-Gol in das Gebiet der mit der Sowjetunion verbündeten Mongolischen Volksrepublik ein, mit dem Ziel, in Sowjetterritorium vorzustoßen. Beide Überfälle konnten jedoch von den sowjetischen Truppen innerhalb kurzer Zeit zurückgeschlagen werden. 5 Rechenschaftsbericht an den XVIII. Parteitag über die Arbeit des Z K der KPdSU(B), in: Stalin, /., Fragen des Leninismus, Berlin 1955, S. 760ff.; Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, a. a. O., S. 631 ff.

8

Einleitung

In der gleichen Zeit unterstützten England und die USA weiterhin den japanischen Aggressor, insbesondere durch die Lieferung von strategischen Rohstoffen. Das Münchener Abkommen, mit dem England und Frankreich die Tschechoslowakei an Hitlerdeutschland auslieferten, fand sein Gegenstück im Craigie-Arita-Abkommen, das ein Teil der Politik eines „Fernost-Münchens" war. Mit diesem im Sommer 1939 geschlossenen Vertrag zwischen England und Japan sprach die britische Regierung die juristische Anerkennung der japanischen Aggression in China aus. Der UdSSR drohten damit im Sommer 1939 die völlige außenpolitische Isolierung und der Krieg an zwei Fronten. Als es im Laufe des Augusts endgültig klar geworden war, daß die Westmächte an der Politik kollektiver Sicherheit gegen die faschistischen Aggressoren absolut desinteressiert waren, erklärte sich die Sowjetunion zum Abschluß des Nichtangriffsvertrages bereit, den ihr Hitlerdeutschland angeboten hatte. In der internationalen Situation des Sommers 1939, als es nicht mehr möglich war, den Krieg zu verhindern, war es die Pflicht der Sowjetregierung und der K P d S U (B), das erste und damals einzige Land des Sozialismus aus dem Kriege herauszuhalten. Diese Politik entsprach zugleich dem Interesse der Werktätigen und der antifaschistischdemokratischen Kräfte aller Länder der Welt. Durch den deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag vom August 1939 zerschlug die Sowjetunion die Pläne einer imperialistischen Einheitsfront gegen den Sozialismus, entging sie der Gefahr eines Zweifrontenkrieges und gewann Zeit, sich auf die nach wie vor drohende faschistische Aggression vorzubereiten. Außerdem führte der Vertrag auch zu einer Vertiefung der Differenzen zwischen Deutschland und Japan, die sich nicht darüber hatten einigen können, ob der Kampf um die Neuaufteilung der Welt mit dem Überfall auf die Sowjetunion oder mit der Unterwerfung der Westmächte beginnen sollte. Mit dem Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen begann am 1. September 1939 der zweite Weltkrieg. Auf Grund der innerimperialistischen Widersprüche kam es zunächst nicht zum Angriff auf die Sowjetunion, wie es die reaktionären Kreise Englands, Frankreichs und der USA geplant hatten, sondern zum Zusammenstoß zweier imperialistischer Koalitionen, der erst allmählich, letztlich mit dem Eintritt der UdSSR in den Krieg, zu einem antifaschistischen Befreiungskampf wurde.

I.

Das Dilemma der deutschen Fernostpolitik (193 3 - 1 9 3 7)

Der erste Weltkrieg führte auch im Fernen Osten zu entscheidenden Veränderungen: Die U S A gingen als stärkste kapitalistische Macht aus dem Krieg hervor und wurden zum bedeutendsten Kapitalexporteur der Nachkriegsjahre. Eines ihrer Ziele im Kampf um die Weltherrschaft war, die Vormachtstellung im pazifischen Raum zu erringen. Auch Japan hatte seine Macht verstärken können. Auf der Pariser Friedenskonferenz 1919 buchte der japanische Imperialismus einen unbestreitbaren diplomatischen Erfolg für sich: Die Artikel 156—158 des Versailler Vertrages übertrugen ihm die ehemaligen deutschen Rechte in der chinesischen Provinz Shandong (Schändung) sowie das Mandat über die früheren deutschen Inseln im Stillen Ozean, die nördlich des Äquators lagen. Unter den Bedingungen der Nachkriegs jähre wurde der amerikanisch-j apanische Gegensatz zum wichtigsten Gegensatz im Fernen Osten. Beide Mächte kämpften um Einflußsphären und um die Vormachtstellung in China. Lenin erklärte bereits im Mai 1918 dazu: „Die ökonomische Entwicklung dieser Länder (USA und Japan — K. D.) hat im Laufe mehrerer Jahrzehnte eine Unmasse Zündstoff angehäuft, der ein erbittertes Ringen dieser Mächte um die Herrschaft über den Stillen Ozean und seine Küsten unvermeidlich macht. Die ganze diplomatische und ökonomische Geschichte des Fernen Ostens macht es ganz unzweifelhaft, daß auf dem Boden des Kapitalismus der heranreifende scharfe Konflikt zwischen Japan und Amerika unmöglich abzuwenden ist." 1 England hatte ursprünglich über den größten Einfluß in China verfügt. Die Machtausdehnung des englischen Kapitalismus kam jedoch mit dem ersten Weltkrieg zum Stehen. In der Folgezeit ging der Einfluß Großbritanniens — zugunsten Japans und der U S A — sogar zurück. Resultierend aus den englisch-japanischen Widersprüchen in China, schlössen sich England und die USA gegen Japan zusammen. Auf Initiative der U S A und mit Hilfe Großbritanniens wurde im November 1921 die Washingtoner Konferenz einberufen. Der im Februar 1922 unterzeichnete „Vertrag der Neun Staaten" — Amerika, Belgien, England, China, Frankreich, Italien, Japan, 1

Lenin, W. /., Bericht über die Außenpolitik in der gemeinsamen Sitzung des Gesamtrussischen Zentralexekutivkomitees und des Moskauer Sowjets, in: Werke, Bd 27, 4. Ausg., Berlin 196O, S. 361.

2

Drechsler, Deutschland-China-Japan

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I. Das Dilemma der deutschen Fernostpolitik

Holland und Portugal — war ein zeitweiliger Kompromiß der an der Aufteilung Chinas interessierten Mächte. In demagogischen Worten wurde die „Souveränität Chinas" anerkannt. Andererseits wurde aber das Prinzip der „gleichen Rechte aller Staaten in China", die „Politik der offenen Tür" proklamiert. 2 Die Doktrin der „offenen Tür" entsprach vor allem den Interessen der USA als der stärksten imperialistischen Macht nach dem ersten Weltkrieg und sollte die amerikanische Vorherrschaft in China sichern. Die Washingtoner Konferenz wurde — im Gegensatz zur Pariser Friedenskonferenz — zu einer Niederlage Japans, das sich verpflichten mußte, spätestens sechs Monate nach Vertragsabschluß, d. h. nach dem 4. Februar 1922, das ehemalige deutsche Pachtgebiet in der Provinz Shandong an China zurückzugeben. Die Verhandlungen und Abkommen der Washingtoner Konferenz hatten ferner das Ziel, eine Einheitsfront der imperialistischen Mächte gegen die nationale Befreiungsbewegung des chinesischen Volkes zu schaffen, die unter dem Einfluß der Oktoberrevolution in Rußland zusehends an Boden gewann. Gleichzeitig sollten sie neue aggressive Maßnahmen gegen Sowjetrußland vorbereiten. 3 Das Washingtoner System konnte nur zeitweilig ein noch dazu überaus labiles Gleichgewicht der Kräfte herstellen. Die imperialistischen Gegensätze bei der Unterjochung und Ausbeutung Chinas wurden in keiner Weise beseitigt. Es änderten sich lediglich vorübergehend die Methoden, mit denen sie ausgetragen wurden. Der Konkurrenzkampf während der folgenden zehn Jahre — bis 1931 — spielte sich vorwiegend als Auseinandersetzung zwischen den chinesischen Militärpartikularisten ab, die von den verschiedenen imperialistischen Mächten ausgehalten wurden. 4 Die sozialistische Oktoberrevolution beeinflußte in entscheidendem Maße den weiteren Kampf des chinesischen Volkes um seine nationale und soziale Befreiung. An Stelle des zaristischen Rußlands bildete sich an der Grenze Chinas der erste Arbeiterund-Bauern-Staat der Geschichte. Es entstand ein Staat, der keinerlei aggressive Bestrebungen kannte und der an einer auf Freundschaft und Gleichberechtigung basierenden Außenpolitik interessiert war. Der Sieg der Oktoberrevolution führte zu grundlegenden Veränderungen in der Geschichte des chinesischen Volkes. Unter dem Einfluß der russischen Revolution übernahm die Arbeiterklasse Chinas die Führung der demokratischen Revolution des Landes. 5 Am 4. Mai 1919 kam es zu einer allgemeinen Boykottbewegung gegen die ausländischen Imperialisten und ihre Agentur innerhalb Chinas, zu Demonstrationen, in denen sich Arbeiter und Intellektuelle, Schüler und Studenten, Handwerker und Händler vereinten.6 Wie Mao Tse-tung schrieb, entstand die Bewegung des 4. Mai „als 2

Djiän Be-dsanjScbao Hsün-dschengl Hu Hua, Kurzer Abriß der chinesischen Geschichte, Peking

3

Die internationalen Beziehungen im Fernen Osten, (1870—1945), Gesamtredaktion der russ.

4

Djiän Be-dsanjScbao Hsün-dschengjHu

5

Ebenda, S. 191.

6

Die internationalen Beziehungen im Fernen Osten, a. a. O., S. 203.

1958, S. 198f. A u s g . / . M. Shukorv, Berlin 1955, S. 282f. u. 291. Hua, a. a. O., S. 199.

i . Das Dilemma der deutschen Fernostpolitik

Antwort auf den Appell der Weltrevolution, auf den Appell der russischen Revolution, auf den Appell Lenins" 7 . In einer Erklärung vom 25. Juli 1919 verzichtete die Sowjetregierung auf alle früheren Sonderrechte, Konzessionen und Niederlassungen, die sich die zaristische Regierung im Laufe der Zeit in China gewaltsam angeeignet hatte, und bekannte sich zu freundschaftlichen Beziehungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung. 8 Diese Politik der freundschaftlichen Beziehungen stellte die Sowjetunion in den folgenden Jahrzehnten hundertfach unter Beweis, insbesondere in den Jahren des gerechten nationalen Befreiungskrieges Chinas gegen die japanische Aggression. Im Zusammenhang mit der Vorbereitung des II. Kongresses der Kommunistischen Internationale im Jahre 1920 untersuchte Lenin eine Reihe grundlegender Probleme des nationalen und antikolonialen Befreiungskampfes, die auch für die weitere Entwicklung des chinesischen Volkes von großer Bedeutung waren. In seinem „Ursprünglichen Entwurf der Thesen zur nationalen und kolonialen Fragie" 9 und in seinem „Referat über die internationale Lage und die Hauptaufgaben der Kommunistischen Internationale" 1 0 wies er darauf hin, daß die antiimperialistische, nationale Befreiungsbewegung in den Kolonien und Halbkolonien und die sozialistische Revolution gegen den gleichen Feind kämpfen, gegen den internationalen Imperialismus. 1 1 Die unter dem Einfluß der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution entstandene „Bewegung des 4. Mai" trug mit zur Verschmelzung des Marxismus-Leninismus und der chinesischen Arbeiterbewegung bei. Diese Verschmelzung war eine wesentliche Voraussetzung für die Gründung der Kommunistischen Partei Chinas, die am 1. Juli 1921 in Shanghai erfolgte und einen Wendepunkt in der Geschichte Chinas bedeutete. 1? Die K P Chinas wurde in wachsendem Maße zur anerkannten Führerin des chinesischen Volkes, besonders nach dem Verrat der rechten Guomindang-Führung an der Sache der Nation 1927/28. Das von den imperialistischen Mächten 1921/22 geschaffene „Washingtoner System" gewährleistete für rund zehn Jahre ein labiles Gleichgewicht der Kräfte im Kampf um die Ausbeutung Chinas. Die Okkupation der Mandschurei durch Japan 1931 ließ erneut den offenen Kampf entbrennen, der durch die Ausdehnung der japanischen Aggression auf ganz China seit Juli 1937 eine weitere Verschärfung erfuhr. Die Niederlage des deutschen Imperialismus im ersten Weltkrieg bedeutete zunächst das Ende seiner Kolonialpolitik auch in China. In dem Maße, in dem er mit Hilfe der imperialistischen Westmächte wieder erstarkte, gelang es ihm jedoch erneut, in China einzudringen und seine Positionen Schritt für Schritt auszubauen. Besonders in den 7

Mao Tse-tung, Über die neue Demokratie, in: Ausgewählte Schriften in vier Bänden, Bd 3, Berlin i960, S. 1 7 3 .

8

Die internationalen'Beziehungenim Fernen Osten, a. a. O., S. 268 f.

9

Lenin, W. f., Werke, Bd 3 1 , Berlin 1959, S. 1 3 2 f r .

10

Ebenda, S. 203 fr.

11

Mjau Tscbu-bwang, Kurze Geschichte der Kommunistischen ParteiChinas, Berlin i960, S. 2 o f .

12

Ebenda, S. 1 8 f . ; Hu Tscbiau-mu, 30 Jahre Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas, Berlin 1954. S. 8ff.



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I. Das Dilemma der deutschen Fernostpolitik

Jahren nach der Errichtung der faschistischen Diktatur verstanden es die deutschen Monopole, ständig größere Profite in China zu realisieren, einen „Kolonialismus ohne Kolonien" zu betreiben, wie Peck die Chinapolitik des deutschen Imperialismus treffend charakterisiert. 13 Der Ausbau der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Beziehungen des deutschen Imperialismus zu China stand im Gegensatz zu den Interessen Japans, das unter der demagogischen Losung „Asien den Asiaten" nach der Alleinherrschaft über China strebte. Das besondere Bemühen Deutschlands war aber gerade darauf gerichtet, mit Japan — ebenso mit Italien — ein aggressives Bündnis zu schließen, dessen Ziel die Neuaufteilung der Welt war. Diese divergierenden Interessen — einerseits der Wunsch, verstärkt an der Ausbeutung Chinas teilzunehmen, was den Plänen des japanischen Imperialismus widersprach, andererseits das Bestreben, sich mit Japan für den geplanten Krieg zu verbünden — bestimmten etwa bis zum Beginn des Jahres 1938 die Fernostpolitik Deutschlands. In dem noch halbkolonialen, aber in relativ rascher wirtschaftlicher Entwicklung begriffenen China bot sich den deutschen Imperialisten die Möglichkeit ungeahnter Profite, die in dem hochindustrialisierten Japan nicht gegeben war. Der deutsche Botschafter in China, Dr. Oskar Trautmann, trug dem Rechnung, wenn er riet, in der Fernostpolitik stets zu berücksichtigen, „daß in Japan bereits eine vollentwickelte Industrie besteht, die alles daransetzt, die Einfuhr durch eigene Produktion von Jahr zu Jahr mehr zu ersetzen, während in China die Industrie erst im Entstehen begriffen ist und uns daher die Möglichkeit einer weiteren Verbesserung unserer Handelsbeziehungen durch Beteiligung an dem Aufbau und der Versorgung der bestehenden Industrie noch für Jahre hinaus offensteht" u . In Japan andererseits, das bei der Verwirklichung seines weitgesteckten Aggressionsprogrammes eines „Großostasien" in Konflikt sowohl mit der Sowjetunion als auch mit den Westmächten geraten mußte, erkannten die herrschenden Kreise Deutschlands dafür mehr und mehr den potentiellen Verbündeten für die von ihnen planmäßig vorbereitete kriegerische Neuaufteilung der Welt. Der deutsche Botschafter in Tokio, Herbert von Dirksen, schrieb in diesem Zusammenhang: „Die gegenwärtige weltpolitische Lage steht unter dem Zeichen der Auflösung bestehender außenpolitischer Kombinationen und bevorstehender Bildung neuer Bindungen zwischen den Völkern . . . Deutschland kann nicht abwarten, bis die Umrisse dieser neuen Gebilde sich fester abzeichnen. Es muß jetzt — bevor andere feindliche Zusammenballungen stattgefunden haben — Bindungen mit gleichgearteten Mächten eingehen. Japan, von seinen alten Freunden gelöst, sich vereinsamt fühlend, gehört zu diesen Mächten." 1 5 1 3 Peck, Joachim,

Kolonialismus ohne Kolonien. Der deutsche Imperialismus und China 1937,

Berlin 1 9 6 1 . D Z A Potsdam, D B C , N r 2076, Bl. 54, Trautmann an das A A , Nanjing, 28. 1 2 . 1936, Anlage: Aufzeichnung über die wirtschaftliche Entwicklung Chinas 1936. i5

Ebenda, Nachlaß Trautmann, N r 24, Bl. 253, Politischer Bericht aus Tokio, 27. 12. 1936(Auszug).

i . China

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1. China — das Land, der großen Profitmöglichkeiten Mit der Niederlage im ersten Weltkrieg war zunächst ein Schlußstrich unter die deutsche Kolonialpolitik in China gezogen. Dem deutschen Imperialismus gelang es jedoch relativ schnell, den Handel mit China wieder aufzunehmen: War der Anteil Deutschlands am gesamten chinesischen Außenhandel im Jahre 1918 gleich Null, so betrug er 1920 bereits 1,5, 1951 4 Prozent und stieg 1937 auf 12 Prozent an. Damit rangierte Hitlerdeutschland im Außenhandel Chinas hinter den USA mit 24 und Japan mit 13 Prozent 16 an dritter Stelle, vor England, das mit 11 Prozent an vierter Stelle folgte. 17 Große Erfolge erzielte der deutsche Imperialismus in den Jahren von 1931 bis 1937, in denen sich sein Anteil am chinesischen Außenhandel verdreifachte. Unter den Exportländern Deutschlands stand China damit 1937 an 12., Japan lediglich an 20. Stelle, der japanische Satellitenstaat Manzhouguo (Mandschukuo) an 53. Beim Import rangierte China für Hitlerdeutschland an 21., Japan erst an 44. Stelle (Manzhouguo an 31.). 18 Die Ausfuhr nach China bestand zur Hälfte aus Maschinen und Metallwerten aller Art (Eisenbahnbaumaterial, Werkzeugmaschinen, Lokomotiven, Fahrzeuge usw.). Der nächstgrößte Anteil des deutschen Exports nach China entfiel auf Chemikalien, besonders auf die chemischen Vorerzeugnisse, aber auch Kunstdünger, pharmazeutische Präparate u. a. Bei der Einfuhr von Farben und Chemikalien nach China stand Deutschland an der Spitze aller imperialistischen Mächte. Im Jahre 1934 z. B. kamen 49 Prozent der Gesamteinfuhr an Farben und 31 Prozent der Gesamteinfuhr an Chemikalien aus Deutschland.19 Eine besondere Rolle spielten ferner die umfangreichen 16

Die f ü r Japan gegebene Prozentzahl entspricht nicht ganz den wahren Verhältnissen, weil die japanische A u s f u h r nach China infolge des sog. Spezialhandels, der nichts anderes war als ein durch die japanischen herrschenden Kreise geförderter großangelegter Schmuggel in Nordchina, nicht m e h r statistisch erfaßt werden konnte. Ebenda, DBC, N r 2703, Bl. 293, Aufzeichnung Winterfeldts über deutsche Handelsinteressen in China, Shanghai, 23. 1. 1939.

17

Ebenda, Bl. 292f.; siehe a u c h : Ebenda, N r 2322, Bl. 1, K u r t Bloch, Berlin-Tokyo Axis (Presseausschnitt: „ T h e Chinese Press" 19. 12. 1937); Bloch, Kurt, G e r m a n Interests and Policies in the Far East, Institute of Pacific Relations, N e w Y o r k 1940, S. i o f f .

18

Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, h g . v. Statist. Reichsamt, 57. Jg., 1938, Berlin 1938, S. 281. Bei dieser Statistik ist der E x p o r t in die Mandschurei lediglich f ü r die Jahre 1935 u. 1936 mit eingeschlossen. A b 1937 w u r d e der japanische Satellitenstaat M a n z h o u g u o gesondert ang e f ü h r t . ( E x p o r t nach M a n z h o u g u o 1937: 11,8 Mill. RM). Z u den deutsch-chinesischen und deutsch-japanischen ökonomischen Beziehungen siehe f e r n e r : Bloch, Kurt, G e r m a n Interests and Policies . . . , a. a. O., S. 2 2 f r . ; MacjieHHHKOB, B . , IIojiHTHKa repMaHCKOro HMnepiiaJiiiaMa B KHTae, i n : THXHÜ OKeaH, 2/193 8, S. 9 ff.; Das Liebesmahl des Ostasiatischen Vereins H a m b u r g Bremen, H a m b u r g , am 5. März 1938, i n : Ostasiatische Rundschau v. 16. 3. 1938, S. 134®.

19

D Z A Potsdam, I G Farben, Büro N W 7, Bd 9 1 1 , Bl. 109, Bericht über eine Reise nach Ostasien 934/}5. Bd 2: China, H o n g k o n g und Macao, v o n Max ligner (im folgenden zitiert: Chinabericht ligners).

I

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I. Das Dilemma der deutschen Fernostpolitik

deutschen Lieferungen von Waffen und Munition nach China, die allerdings in keiner der offiziellen Statistiken auftauchten. China führte nach Deutschland besonders Eiprodukte, Ölsaaten, Wolle und Baumwolle aus. In den entscheidenden Jahren der Vorbereitung des zweiten Weltkrieges machten Wolfram- und Antimonerze etwa 20 Prozent der gesamten chinesischen Ausfuhr nach Deutschland aus. 20 Während es dem deutschen Imperialismus bis 1931 gelang, am Außenhandel Chinas wieder mit 4 Prozent beteiligt zu sein, blieben seine Kapitalinvestitionen in China allerdings relativ gering. Von sämtlichen ausländischen Investitionen in China entfielen 1 9 3 1 : 36,7 Prozent auf England, 35,1 auf Japan, 6,1 Prozent auf die U S A — allerdings ohne die amerikanischen Investitionen für die „religiöse", „karitative" und „kulturelle" Tätigkeit in China — und je 2,7 Prozent auf Deutschland und Belgien. 21 Für 1937 werden die Kapitalanlagen des deutschen Imperialismus in China unterschiedlich angegeben, einmal mit 200 Mill. RM, ein andermal mit 400 Mill. RM. 2 2 Die am Chinageschäft beteiligten großen deutschen Monopole gehörten — wie dies bereits aus der Aufstellung der Exportgüter ersichtlich ist — sowohl der Monopolgruppe Kohle-Eisen-Stahl, als auch der Gruppe der chemischen und der Elektroindustrie an. Zu den führenden Konzernen der ersten Gruppe zählten u. a. der Otto-Wolff-Konzern, die Ferrostaal A G (Essen), der Krupp-Konzern und die in der Stahlunion-Export GmbH (Düsseldorf) zusammengeschlossenen Aktiengesellschaften: August-ThyssenHütte, Bochumer Verein, Deutsche Maschinenfabrik Duisburg (Demag). 23 Von der chemischen und der Elektroindustrie konnten vor allem I G Farben, A E G und Siemens-Schuckert-Werke große Gewinne in China realisieren. Wie Mehner 2 4 auf Grund umfangreichen Quellenmaterials nachgewiesen hat, griff der deutsche Imperialismus unter der Flagge des „Antikolonialismus" und der „freundschaftlichen Hilfe" während der Weltwirtschaftskrise und in den darauf folgenden Jahren der faschistischen Diktatur mit Nachdruck in den Kampf der kapitalistischen Großmächte um China ein. Die deutschen Monopole bedienten sich dabei vor allem der heute zu den Hauptmethoden des Neokolonialismus gehörenden indirekten Kontrolle. Seit 1927/28 — dem Ende des ersten revolutionären Bürgerkrieges in China — drang eine wachsende Zahl deutscher Militär-, Wirtschafts- und Verwaltungs„Experten" als Berater in verschiedene Stellen der Tschiang-Kai-schek-Regierung ein, 20

D Z A Potsdam, DBC, Nr 2705, Bl. 294 u. 297, Aufzeichnung Winterfeldts über deutsche Handelsinteressen in China, Shanghai, 23. 1. 1939.

21

LjuDa-njän,

22

D Z A Potsdam,

Geschichte der amerikanischen Aggression in China, Berlin 1956, S. 167ff. DBC, Nr 2703, Bl. 299, Aufzeichnung Winterfeldts über deutsche Handels-

interessen in China, Shanghai, 23. 1. 1939; Nr 2192, Bl. 249, Trautmann an das A A , Hankou, 9. 5. 1938, Anlage: Der Faktor „China". 23 24

Siehe dazu u. a.: Ebenda, Nr 2696, Bl. 201 ff., Otto Wolff, Chefbüro, an das A A , Köln, 16. 12. 1935 Mehner, Karl, Die Rolle deutscher Militärberater als Interessenvertreter des deutschen Imperialismus und Militarismus in China (1928—1936), phil. Diss. Leipzig 1961. (MS). Siehe auch: Wünsche, Renate, Die Haltung des deutschen Imperialismus zum japanisch-chinesischen Konflikt von 1931—1933 und der Kampf der Kommunistischen Partei Deutschlands gegen die fernöstliche Kriegsgefahr, phil. Diss., Potsdam 1 9 6 1 . (MS).

i. China

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die sich von ihnen eine entscheidende Hilfe bei der Verwirklichung ihrer eigenen volksfeindlichen Pläne versprachen. Die Hauptaufgabe sahen diese Berater vom ersten Tag ihrer Tätigkeit an darin, Schrittmacher für die deutsche Industrie zu sein. 25 Dr. Max ligner, einer der entscheidenden Männer von I G Farben, ließ daran keinerlei Zweifel. Nach einer Reise durch die Länder Ostasiens 1934/35 schrieb er: „Durch die Berater — direkt und indirekt — einen Einfluß in China auszuüben, ist gleichbedeutend mit einer lebhaften Beteiligung'am Wirtschaftsaufbau Chinas. A l l e Arbeit, alle Mittel, die hier verwandt werden, sind produktiv angelegt. Wir können bei systematischer und einheitlicher A r b e i t . . . auf dem Gebiete des Beraterwesens in China zweifellos eine führende Rolle spielen." 2 6 In dem mehrbändigen Bericht über seine Ostasienreise, der übrigens auch Hitler vorgelegt wurde 2 7 , formulierte ligner einige Grundgedanken der deutschen Chinapolitik dieser Jahre. Mit Nachdruck äußerte er seine Überzeugung von der Stabilität der Herrschaft Tschiang Kai-scheks, dessen „große Konsequenz" in wirtschafts- und innenpolitischen Fragen er lobend hervorhob. 28 ligner ging in seinem Bericht davon aus, daß die Methoden des alten, traditionellen Kolonialismus in China überholt seien. Die Frage, die seiner Ansicht nach über die Zukunft der einzelnen imperialistischen Mächte in diesem an einem Wendepunkt seiner Entwicklung stehenden Land entschied, lautete: „Wer entwickelt China?" 2 9 — mutatis mutandis die Grundfrage der neokolonialistischen Politik, wie sie von den imperialistischen Mächten gegenüber den jungen Nationalstaaten vor allem nach dem zweiten Weltkrieg betrieben wurde. Die Alternative, die ligner 1935 sah, bestand darin: entweder wird Japan allein oder gemeinsam mit den „hauptsächlich interessierten westlichen Mächten" China „entwickeln". 30 Bei der Untersuchung, welche der beiden Varianten die günstigere für den deutschen Imperialismus sei, kam ligner zu folgendem Ergebnis: „Daß die optimale Lösung sowohl vom chinesischen als auch vom japanischen Standpunkt lauten muß: alle gemeinsam, scheint mir keinem Zweifel zu unterliegen. Daß eine solche Lösung für die westlichen Nationen und besonders auch von unserem deutschen Standpunkt aus gesehen ebenfalls wünschenswert erscheint, ist selbstverständlich. Viele Probleme aber können nicht einzeln gelöst werden, und es wird manches davon abhängen, ob die westlichen Mächte ihre eigenen Angelegenheiten zu Hause für so viel größer erachten, daß sie keine Zeit finden, sich diesem Weltproblem, das Solidarität und Korporationsgeist erfordert, zuzuwenden." 3 1 Damit unterstützte ligner faktisch die amerikanische Doktrin der „offenen Tür" und stellte sich eindeutig gegen den japanischen Anspruch 25 Mehner, Karl, a. a. O., S. 218 ff. 26 Chinabericht ligners, Bl. 32 u. 32 v. 27 GKBZHP, IG-Farben-Prozeß, I G d 1 5 - 1 7 , Bl. 425, 443 u. 455. 28 Chinabericht ligners, Bl. 9. 29 Ebenda, Bl. 12. so Ebenda. 31 Ebenda, Bl. 12 u. 12 v.

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I. Das Dilemma der deutschen Fernostpolitik

auf Vorherrschaft in China. Es ist in diesem Zusammenhang äußerst aufschlußreich, daß sich ligner gleichzeitig sehr zurückhaltend über die Möglichkeit eines deutschjapanischen Bündnisses äußerte. 32 Seine Ablehnung der japanischen Chinapläne, die die Verdrängung aller übrigen imperialistischen Mächte aus China zum Inhalt hatten, brachte ligner auch noch an anderen Stellen seines Berichts recht drastisch zum Ausdruck, so z. B., wenn er schrieb: „Ein solches von Japan fast ausschließlich entwickeltes China würde a b e r . . . ein China sein, das möglicherweise eines Tages mit seinen Industrieerzeugnissen über die Grenze ginge und damit eine zusätzliche Belastung der an und für sich schon zu großen industriellen Produktions-Kapazität in der Welt bedeuten. A b e r . . . solche Überlegungen — so konkret sie auch in den Köpfen vieler Japaner sein mögen — scheinen meines Erachtens wenig Aussicht auf Erfolg zu haben." 3 3 Mit zynischer Offenheit legte ligner in seinem Bericht das Wesen der deutschen Chinapolitik dar: Die seiner Ansicht nach notwendige „Entwicklung Chinas" durch die imperialistischen Mächte dürfe lediglich eine „Intensivierung" der chinesischen Wirtschaft bedeuten, die zur „Schaffung von zusätzlicher Kaufkraft" führe. Keinesfalls sei die gewünschte „Intensivierung... dem Begriff der Industrialisierung Chinas gleichzusetzen" 34 . Klarer kann die deutsche Chinapolitik kaum charakterisiert werden: sie war gerichtet gegen die Bildung eines wirklich unabhängigen, souveränen Nationalstaates. Ein wichtiges Mittel, um die Chinapläne des deutschen Imperialismus zu verwirklichen, sah ligner — neben der Tätigkeit der „Berater" — in einer aktiven Kulturpropaganda, die er eindeutig als „politisches Mittel" 3 5 gewertet wissen wollte. In seinem Bericht werden die folgenden „Vereine und Institute zur Förderung der deutschchinesischen Beziehungen" 3 6 aufgezählt: der Ostasiatische Verein Hamburg-Bremen (Präsident: Staatsrat Helfferich); der Verband für den Fernen Osten (Präsident: Generaldirektor Diehn); das China-Institut in Frankfurt a. Main (Leiter: Professor Rousselle); die Gesellschaft für Ostasiatische Kunst in Berlin; die Chinastudiengesellschaft Berlin, die mit der Reichsgruppe Industrie eng zusammenarbeitete; der ChinaKlub der Deutschen Industrie; das chinesische Studentenheim in Freiburg i. Br. und der Deutsch-Chinesische Kreis in Dresden. Zu diesen Instituten und Vereinen, die ihren Sitz in Deutschland hatten, kamen noch die folgenden in China dazu: die deutschen Missionen und Gemeindeschulen; die unter deutschem Einfluß stehende Tongji (Tung-Chi)-Universität (Shanghai-Wusong); das Deutschland-Institut in Peking; der Verein der Freunde des China-Instituts; der Deutsch-Chinesische Ingenieur-Verein; 32

D Z A Potsdam, I G Farben, Büro N W 7, Bd 9 1 1 , Bl. 20 v u. 21, Bericht über eine Reise nach Ostasien 1 9 5 4 / 3 5 , Bd 1 : Japan und Mandschurei, von Max ligner (im folgenden zitiert: Japanbericht ligners).

33

Chinabericht ligners, Bl. 1 1 u. 1 1 v .

34

Ebenda, Bl. 62.

35

Japanbericht ligners, Bl. 47 v.

36

Chinabericht ligners, Bl. 54 v .

i. China

17

der Chinesisch-Deutsche Kulturverband und der Deutsch-Österreichisch-Schweizer Studentenverband. 37 Vorrangige Bedeutung für die Realisierung der deutschen Chinapläne kam der deutschen Militärberatergruppe zu, die sich aus Offizieren des ehemaligen kaiserlichen Heeres, der Freikorps bzw. der Reichswehr zusammensetzte und in den zehn Jahren von 1928 bis zu ihrer Rückberufung 1938 nacheinander unter der Führung von Oberst Bauer, Oberstleutnant Kriebel, General Wetzeil, Generaloberst von Seeckt und General von Falkenhausen stand. Mit der Reorganisation der Nanjing (Nanking)Armee und durch ihre Tätigkeit bei der Organisierung der antikommunistischen Feldzüge Tschiang Kai-scheks griffen die deutschen Militärberater maßgeblich in den zweiten revolutionären Bürgerkrieg in China (1927—1936/37) auf volksfeindlicher Seite ein. Wie Mehner nachweist, hatte die deutsche Militärberatergruppe — neben ihrer allgemeinen Funktion, Schrittmacher der deutschen Industrie zu sein — noch die folgenden konkreten Aufgaben zu lösen: das deutsche Kriegsmaterial zu erproben; gewisse taktische und strategische Pläne des deutschen Generalstabes, die für den geplanten Weltkrieg gedacht waren, zunächst im Rahmen des chinesischen Bürgerkrieges zu überprüfen; mit der nach preußisch-deutschem Muster reorganisierten chinesischen Armee Tschiang Kai-schek ein gefügiges antikommunistisches Machtinstrument in die Hand zu geben, das nicht nur gegen die chinesische nationale Befreiungsbewegung, sondern gegebenenfalls auch gegen die Sowjetunion benutzt werden konnte. 38 Von besonderer Bedeutung für die deutschen Monopole, vor allem der Schwer- und Rüstungsindustrie, waren die beiden Chinareisen des Generalobersten Seeckt 1933 und 1934/35. Die Grundgedanken der Denkschrift über die Organisation der chinesischen Armee, die Seeckt nach Abschluß seiner ersten Reise für Tschiang Kai-schek anfertigte, bestanden darin, daß ein Heeresaufbau nicht möglich sei ohne Aufbau der Rüstungsindustrie und ohne vorangehende „wirtschaftliche Erschließung Chinas im modernen Sinne". Es war das Hauptanliegen Seeckts, dabei vor allem das deutsche Monopolkapital ins Geschäft zu bringen. Selbst Rabenau, der in seiner Seeckt-Biographie die Behandlung wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Fragen sonst peinlichst zu vermeiden weiß, muß eingestehen, daß Seeckt auf seiner zweiten Reise „sich bald von den rein militärischen überwiegend den wirtschaftlichen Fragen zuwendete". 39 Die Geschäfte, die Seeckt 1933—34 für die deutschen Monopole vorbereitet hatte, wurden von General Reichenau weitergeführt, der im Auftrag des Kriegsministeriums 1936 nach China fuhr und sich vor allem für die glatte und schnelle Durchführung des HAPRO-Vertrages einsetzen sollte. 40 Die H A P R O — „Handelsgesellschaft für industrielle Produkte m. b. H." — war eine „vom Reichskriegsministerium gelenkte und 38 37 Ebenda, Bl. 34 v ff. Mehner, Karl, a. a. O., S. 22of. 39 Rabenau, Friedrieb v., Seeckt. Aus seinem Leben 1918—1936, Leipzig [1940], S. 705 u. S. 677ff.; siehe auch: Liu, F. F . , A Military History of Modern China 1924—1949, Princeton-New Jersey

1 9 5 6 , S. 97fr. 40

D Z A Potsdam, Nachlaß Trautmann Nr 30, Bl. 140, Dieckhoff, Leiter der politischen Abteilung des A A , an die deutsche Botschaft in Nanjing, Berlin, 8. 6. 1936.

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I. Das Dilemma der deutschen Fernostpolitik

von den großen Rüstungsindustriellen protegierte Gesellschaft", 41 deren Hauptaufgabe im Export von Kriegsmaterial nach China bestand, und zwar im Austausch gegen solche Produkte, die wiederum die deutsche Rüstungsindustrie benötigte. Die Tätigkeit der H A P R O erfolgte auf Grund zweier Abkommen mit China, eines Handelsabkommens vom 23. August 1934 und eines Kreditabkommens vom 8. April 1936, 42 das damals allgemein als „HAPRO-Vertrag" bezeichnet wurde. Beim Abschluß der Staatsverträge, die seit 1935 zwischen führenden deutschen Monopolen und der chinesischen Regierung bzw. zwischen einzelnen Stellen der Hitlerund der Tschiang-Kai-schek-Regierung im Auftrag der Monopole unterzeichnet wurden, arbeiteten das Kriegsministerium unter Blomberg und das Wirtschaftsministerium unter Schacht Hand in Hand, wobei sie durch das von Neurath geleitete Außenministerium und die unter General von Falkenhausen stehende deutsche Militärberatergruppe in China aktiv unterstützt wurden. Noch in der ersten Jahreshälfte 1937, unmittelbar vor Beginn des chinesischen nationalen Befreiungskrieges, trug man sich im Kriegsministerium mit dem Gedanken einer Reise Blombergs nach China. 43 Anläßlich des Besuches von Sonderbotschafter H. H. Gong (Kung) im Juni 1937 in Berlin setzte sich auch Schacht noch einmal mit allem Nachdruck für die Fortführung der Geschäfte mit der Tschiang-Kai-schek-Regierung ein. 44 Der Bevollmächtigte des deutschen Kriegsministeriums für die Durchführung des HAPRO-Vertrages in China, Klein, brachte die Wünsche des von ihm vertretenen Ministeriums und der deutschen Rüstungsindustrie eindeutig zum Ausdruck, als er in einem Gespräch mit Trautmann im Dezember 1936 erklärte: „Wenn der Marschall (Tschiang Kai-schek — K . D.) sechzig Divisionen aufstellen wolle, was in seiner Absicht läge, so müßte er jährlich für den Militär-Etat eine Milliarde ausgeben. Deutschland könne die Rüstung für China liefern." 4 5 Unter der „Rüstung" waren dabei nicht nur Waffen- und Munitionslieferungen zu verstehen. Dazu gehörten auch der Aufbau von Stahlwerken in China, von Ferro-Wolfram- und Kupferelektrolyse-Anlagen sowie von zahlreichen anderen Betrieben, die mit der Aufrüstung unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang standen, ferner der Bau neuer Eisenbahnlinien, die Lieferung von Eisenbahnmaterial, Kraftfahrzeugen und anderen für die Kriegführung notwendigen Gütern. 46 Die japanische Aggression in China und die in diesem Zusammenhang von 41 Mehner, Karl, a. a. O., S. 222. 42 A d A P , Bd 1, V o n Neurath zu Ribbentrop (September 1 9 3 7 — September 1938),

Baden-Baden

1950, S. 627, A n m . 1. Die H A P R O wurde im Oktober 1 9 3 7 der Dienststelle des Beauftragten für den Vierjahresplan, General Göring, unterstellt. «

D Z A Potsdam, Nachlaß Trautmann, N r 30, Bl. 91, Aufzeichnung Trautmanns über ein Gespräch mit Klein, Nanjing, 1 5 . 2. 1 9 3 7 .

v> Noch, Kurt, German Interests and Policies, a. a. O., S. soff.; siehe auch die entsprechenden Artikel in: „ D a s Neue China", hg. von der Sektion der Kuomintang in Deutschland, 3. J g . , 20, 2 1 / 1 9 3 7 , S. 6f. u. 9 ; 2 2 / 1 9 3 7 , S. 7ff., I7ff. u. 3 2 ; D Z A Potsdam, D B C , N r 2 3 2 2 , Bl. 1, Kurt Bloch, BerlinT o k y o Axis. 13 Ebenda, Nachlaß Trautmann, N r 23, Bl. 66f., Aufzeichnung Trautmanns über ein Gespräch mit Klein, Nanjing, 4. 1 2 . 1 9 3 6 . Ebenda, Bl. 68.

2. Japan

l

9

Japan erhobene Forderung, jegliche deutsche Unterstützung für die Regierung Tschiang Kai-schek einzustellen, sollten jedoch bald zum entscheidenden Hindernis bei der Verwirklichung dieser Millionengeschäfte werden.

2. Japan — der Verbündete für die kriegerische Neuaufteilung der Welt

Japan, das ebenso wie Deutschland relativ spät in die Reihe der führenden imperialistischen Staaten der Welt aufgerückt war, hatte während des ersten Weltkrieges seine Machtpositionen wesentlich ausbauen können. Auf der Washingtoner Konferenz mußte es allerdings unter dem Druck der U S A und Englands auf einen [Teil seiner Kriegsbeute wieder verzichten. Seit der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre meldete der japanische Imperialismus erneut mit Nachdruck seine expansionistischen Forderungen an. E r mußte sich dabei mit dem deutschen Imperialismus treffen, dessen weitgestreckte Eroberungsziele ebenfalls nur auf dem Wege einer kriegerischen Auseinandersetzung zu erreichen waren. Als dritter potentieller Verbündeter bot sich das faschistische Italien an. 47 Die drei aggressivsten imperialistischen Mächte der Welt mußten bei der Verwirklichung ihrer Ziele in Konflikt mit der Sowjetunion geraten, die als erster sozialistischer Staat allein durch ihre Existenz ein entscheidendes Hindernis für imperialistische Kriegsabenteuer darstellte. Auf ihre Reichtümer spekulierten vor allem die deutschen und die japanischen Monopole. Gleichzeitig waren aber die Eroberungsabsichten des deutschen, des japanischen und des italienischen Imperialismus auch gegen die Interessen Englands, Frankreichs und der USA, der Hauptnutznießer des ersten Weltkrieges, gerichtet. Das sich anbahnende Bündnis der drei Mächte, die durch faschistische Methoden im Innern den Widerstand der Arbeiterklasse und aller fortschrittlichen Kräfte gegen ihren Kriegskurs unterdrückten, war schließlich auch eine akute Gefahr für die nationale und soziale Existenz der Volksmassen in den von Deutschland, Japan und Italien bedrohten Ländern. Im Jahre 1927 hatte der damalige Ministerpräsident Japans, Tanaka, in einer geheimen Denkschrift das Aggressionsprogramm des japanischen Imperialismus formuliert. Die wichtigsten Passagen daraus lauteten: „Um authentische Anrechte in der Mandschurei und Mongolei zu erwerben, müssen wir dieses Gebiet als Basis benutzen und unter dem Vorwand der Entwicklung unseres Handels in das übrige China vordringen. Sind wir erst mit gesicherten Rechten ausgestattet, fassen wir alle Ressourcen des ganzen Landes in unserer Hand zusammen. Mit allen Hilfsquellen Chinas zu unserer Verfügung, machen wir uns dann an die Eroberung Indiens, Indonesiens, Kleinasiens, Zentralasiens und selbst Europas. Aber die Kontrolle über die Mandschurei und die Mongolei an uns zu reißen muß der erste Schritt sein, wenn sich die 47

Turtscbins, J. B., Die Verschärfung der ungleichmäßigen Entwicklung des Kapitalismus durch den zweiten Weltkrieg, Berlin 1956, S. 4} ff.

20

I. Das Dilemma der deutschen Fernostpolitik

Rasse Y a m a t o s im kontinentalen Asien hervorzutun w ü n s c h t . . .

Zum

Programm

unserer nationalen Entwicklung gehört allem Anschein nach die Notwendigkeit, auf den Feldern der Mongolei erneut unsere K l i n g e n mit Rußland zu kreuzen, um die Reichtümer der Nordmandschurei in unseren Besitz zu bringen. Solange dieses verborgene Riff nicht gesprengt wird, kann unser Schiff nicht rasch vorwärtssteuern."

48

A l s ersten Schritt zur Verwirklichung dieses Programms führte Japan 1931 den Überfall auf die Mandschurei durch, in dessen Verlauf es 1933 den Völkerbund verließ. Auch die Hitlerregierung hatte als eine ihrer ersten außenpolitischen Maßnahmen den Austritt aus dem V ö l k e r b u n d beschlossen. A u f diesem Hintergrund fanden dann 1933 bis 1935 die ersten konkreten Annäherungsversuche zwischen dem deutschen und dem japanischen Imperialismus statt. 49 So berichtete z. B . der amerikanische K o n s u l in Harbin im M ä r z 1933, d a ß die in der Mandschurei lebenden Deutschen Weisung erhalten hätten, enger mit den Japanern, ihren zukünftigen Verbündeten zusammenzuarbeiten. 5 0 Im M a i 1934 reiste der japanische Vizeadmiral Matsushita nach Deutschland, w o er von Hitler und Hindenburg empfangen wurde. Im Juni 1934 erfolgte die mit einer breiten projapanischen Propaganda verbundene Gründung des „Japanischen Vereins in Deutschland" und der „Deutsch-Japanischen Gesellschaft", der im N o v e m b e r die Eröffnung des „German-Japanese Institute of Research" in K y o t o folgte. Im M a i 1935 schließlich weilte eine japanische Marine-Delegation in Deutschland, deren Besuch sich im Sommer weitere Gespräche mit dem Ziel einer Annäherung zwischen dem deutschen und dem japanischen Militarismus anschlössen. 51 Allerdings bestanden in den ersten Jahren der faschistischen Diktatur in Deutschland noch gewisse Bedenken, sich zu sehr auf Japan festzulegen. Durch d i e Zusammenarbeit mit Japan sollte auf keinen Fall das Zustandekommen einer Koalition mit England gegen die Sowjetunion verhindert werden, ein Bündnis, das Hitler bereits in: „Mein K a m p f " als erstrebenswertes Ziel der deutschen Außenpolitik hingestellt hatte. A l f r e d Rosenberg, der Leiter des Außenpolitischen A m t s der N S D A P , schrieb dazu in einer für Hitler bestimmten Denkschrift „ E n g l a n d und Deutschland. Skizze einer weltpolitischen Möglichkeit" am 12. M a i 1934: „ E i n Bekenntnis zum 48 49

gesamten

Zit. nach: Die internationalen Beziehungen im Fernen Osten, a. a. O., S. 315f. Karl Haushofer und andere Vertreter der Geopolitik hatten bereits vor 1933, vor allem in der „Zeitschrift für Geopolitik", den Zusammenschluß Deutschlands, Italiens und Japans propagiert. Vgl. dazu besonders: Heyden, Günter, Kritik der deutschen Geopolitik. Wesen und soziale Funktion einer reaktionären soziologischen Schule, Berlin 1958, S. 157fr. So hatte z. B. der Vertreter der Geopolitik, Prof. Hennig, 1927 geschrieben: „Geepolitiscb gebären Italien und Deutschland, beute unbedingt zusammen: beide leiden an denselben Übervölkerungsproblemen, demselben berechtigten Kolonialhunger. Und auch Japan muß seinen Platz in diesem Bündnis finden". Zeitschrift für Geopolitik, 3/1927, S. 246. Siehe auch: Ikle, Frank William, German-Japanese Relations 1936 bis 1940, New York (1956), S. z5.

50

Der Konsul der USA in Harbin an den Außenminister, Harbin, 25. 3. 1933, zit. nach: ebenda, S. 26.

51

Ebenda, S. 26f.; International Military Tribunal for the Far East. Judgment. November 1948 (Im folgenden zitiert: Judgment).

2. Japan

21

japanischen offensichtlichen (Expansions-) Plan wäre eine offene Brüskierung Englands, das u. U. dann in entscheidenden politischen Fragen sich nicht neutral halten, sondern auf die Seite Frankreichs stellen könnte, was für Deutschland unabsehbare Konsequenzen haben müßte." Das faschistische Deutschland sollte sich nach Ansicht Rosenbergs zunächst darauf beschränken, zu erklären, „daß wir in der Konsolidierung des japanisch-chinesischen Ostens eine naturgegebene Notwendigkeit erblicken und nicht daran denken, die Japaner in der Festlegung ihres gesamten Lebensraumes zu hindern" 5 2 . Nachdem der VII. Kongreß der Kommunistischen Internationale im August 1935 in Moskau das Programm der Volksfront, das Programm des Kampfes gegen Faschismus und Krieg verkündet hatte — auch der Abschluß des sowjetisch-französischen und des sowjetisch-tschechoslowakischen Beistandspaktes war nicht ohne Eindruck auf die faschistischen Aggressoren geblieben —, wurden von Hitlerdeutschland und von Japan seit der zweiten Hälfte des Jahres 1935 die Bestrebungen forciert, eine aggressive deutsch-japanische Koalition zu schaffen. 53 Die deutsche Presse schrieb mehr und mehr von dem „Preußen des Fernen Ostens"; das Rassepolitische Amt sah sich u. a. vor die gewiß nicht leichte Aufgabe gestellt, zu beweisen, daß das Verbot für Ehen zwischen Deutschen und „Nichtariern" auf Japaner nicht zutreffe. 54 Die politischen Verhandlungen wurden seit 1935/36 durch wirtschaftliche Gespräche weiter vorangetrieben. Auf Grund der Vorarbeiten einer Handelsmission unter Generalkonsul Kiep wurde am 30. April 1936 ein Handelsabkommen zwischen Deutschland und dem japanischen Satellitenstaat Manzhouguo unterzeichnet, das am 1. Juni in Kraft trat. 55 Dieses Abkommen war nicht nur von wesentlicher Bedeutung für die weitere Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland, Manzhouguo und Japan, sondern hatte auch auf die Weiterführung der Fernostpolitik des deutschen Imperialismus überhaupt entscheidenden Einfluß: Das Abkommen mit dem japanischen Satellitenstaat stärkte dessen internationale Position und war faktisch der erste Schritt zu der 1938 erfolgten diplomatischen Anerkennung Manzhouguos durch Deutschland, die einen offenen Affront der Tschiang-Kai-schek-Regierung bedeutete. Das Handelsabkommen vom April 1936 war zugleich eine Vorstufe zum Antikominternpakt, der sieben Monate später, am 25. November 1936, zwischen Deutschland und Japan unterzeichnet wurde. 58 Die Verhandlungen mit Japan, die schließlich im Antikominternpakt ihre erste vertragliche Fixierung fanden, waren im direkten Auftrag Hitlers unter Umgehung des 52

53 5 Zit. bei Weinberg, Gerbard L., a. a. O., S. 397, Kordt an Bohle, 28. 2. 1938. 150 Dazu siehe auch: Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion, a. a. O., S. 12. IM Jones, F. C., a. a. O., S. 99; Presseisen, Ernst L., Germany and Japan. A Study in Totalitarian Diplomacy 1933—1941, Den Haag 1958, S. 1 6 4 ® . 152 Ebenda, S. 100. 153 IkJe, Frank William, a. a. O., S. 70.

j. Der Beitritt Italiens zum Antikominternpakt

63

Auftrag Ribbentrops Fühlung mit Italien aufgenommen; 1 5 4 dazu war auch Prinz Philipp von Hessen, der Schwiegersohn des italienischen Königs, im März 1937 nach Rom entsandt worden. 1 5 5 A l s Resultat eines Monate währenden Hin und Her zwischen Tokio, Berlin und Rom fand schließlich am 6. November 1937 die Unterzeichnung des Vertrages durch Rippentrop, Ciano und Hotta statt, durch den Italien — rückwirkend als „ursprüngliches Mitglied" — seinen Beitritt zum Antikominternpakt erklärte. 156 D i e in Berlin erscheinenden „Monatshefte für Auswärtige Politik" schrieben dazu: „Aus dem deutsch-japanischen Antikomintern-Abkommen vom 25. November 1936 und der Achse Berlin-Rom wurde, wie der Führer es formulierte, das weltpolitische Dreieck Deutschland-Italien-Japan" 1 5 7 . D e r Zusammenschluß der drei reaktionärsten und aggressivsten imperialistischen Mächte der Welt war komplett. Die Charakterisierung des deutsch-japanischen Paktes vom November 1936 gilt im wesentlichen auch für den Dreierpakt vom 6. November 1937. Allerdings war jetzt doch eine gewisse Änderung in der Stoßrichtung zu verzeichnen: Im Zusammenhang mit dem Beitritt Italiens wurde die antibritische Tendenz des Vertrages deutlicher, als es ein Jahr vorher der Fall gewesen war. Diese Tatsache resultierte daraus, daß sich die Gegensätze zwischen den beiden Mächtegruppierungen innerhalb des imperialistischen Lagers weiter verschärft hatten. D i e Linie in der internationalen Politik begann sich allmählich klarer abzuzeichnen, die zum offenen militärischen Konflikt zunächst zwischen zwei Koalitionen imperialistischer Staaten führen sollte und nicht zu einem von den Westmächten tolerierten und unterstützten Uberfall der faschistischen Mächte auf die Sowjetunion. D i e stärkere Ausrichtung des Dreierpaktes vom 6. November 1937 gegen England — und somit gegen Frankreich sowie indirekt auch gegen die U S A — war allerdings nicht das Ergebnis einer wirklichen Übereinstimmung zwischen Berlin, Rom und Tokio in Fragen der Strategie und Taktik des geplanten Krieges. Bereits Ende 1937, im Zusammenhang mit dem Beitritt Italiens zum Antikominternpakt, wurden die Gegensätze offenkundig, die darin bestanden, daß maßgebliche Kreise Japans alles daransetzten, einen offenen Konflikt mit den Westmächten zu vermeiden, während Deutschland und Italien mehr und mehr auch die Möglichkeit einer militärischen Auseinandersetzung mit diesen Staaten einkalkulierten bzw. darauf spekulierten, sie durch eine „Politik der Stärke" — wenn dieser Terminus aus den Jahren nach 1945 angewendet werden kann — einzuschüchtern und zum Nachgeben zu zwingen. 1 5 8 154 Sommer, Theo, a. a. O., S. 82f. 155 IkJe, Frank William, a. a. O., S. 7of. )56 Sommer, Theo, a. a. O., S. 82ff. Siehe dazu auch: Wiskemann, Elisabeth, The Rome-Berlin Axis, New York-London 1949. Siehe auch: A B I I C C C P , OHA 436, onHCb 2, nanKa 34, «ejio 105, JTJl. 9f. (6o28f.), Vernehmung Oshimas; ebenda Bl. 1 4 f r . (6033®.). 157

Deutschland, Italien, Japan und die Komintern, in: Monatshefte für Auswärtige Politik, 12/1937, S. 873.

158 Die Ansicht, der Abschluß des Dreimächte-Paktes werde England dahingehend beeinflussen, daß es unbedingt eine Verständigung mit der faschistischen „ A c h s e " suchen werde, äußerte z. B. Ciano dem polnischen Botschafter von Wysocki gegenüber am 8. November 1937. P R O London, G F M 2/1097, Bl. 318 283, Hassell an das A A , Rom, 10. 11. 1937.

64

II. Das Lavieren zwischen China und Japan

Die Tagebücher des italienischen Außenministers Ciano enthalten eine Reihe interessanter Hinweise zu dieser Frage. Unter dem 24. Oktober berichtet Ciano, daß Ribbentrop ihm in einer Unterredung am Vortage die „Notwendigkeit eines militärischen Bündnisses zwischen Berlin, Rom und Tokio gepredigt (habe), in Voraussicht des unvermeidlichen Konfliktes mit den Westmächten" 1 5 9 . In der Aufzeichnung vom 2. November heißt es, der Dreierpakt sei „sozusagen antikommunistisch, in Wirklichkeit aber antibritisch" 16 °. Diese Erwägungen brachte Ribbentrop in seiner „Notiz für den Führer" am 2. Januar 1938 noch einmal deutlich zum Ausdruck, als er schrieb, das „Dreieck Berlin-Rom-Tokio" müsse eine der englisch-französischen Kombination „überlegene Mächtekonstellation" werden. 161 Über die abweichenden Ansichten, die in Tokio in dieser Frage vertreten wurden, berichtete Dirksen am 8. September: Maßgebliche Kreise Japans seien darüber besorgt, daß die Mussolini-Regierung versuche — über die Konzeption Ribbentrops war sich der Botschafter entweder selbst nicht im klaren, oder er wollte sich dazu nicht äußern —, den Verhandlungen über ein Antikominternabkommen einen anti-englischen Einschlag zu geben; Japan sehe mit Besorgnis, daß die italienische Regierung bemüht sei, den Fernostkonflikt auszunutzen, um sich freie Hand im Mittelmeer zu verschaffen.162 In den Tagebuchaufzeichnungen Cianos gibt es ferner Hinweise darauf, daß diese stärkere Frontstellung gegen die Westmächte auch in Berlin teilweise auf Widerstand stieß. Am 20. Oktober schrieb er über die Vorbereitungen zum Dreierpakt: „Neurath, scheint mir, hat sich auf die Riemen gesetzt, wie die Seeleute sagen. Und von Hasseil (deutscher Botschafter in Rom — K. D.) ist bemerkenswerterweise mit im Spiel. Sie wollen nichts unternehmen, was in London Besorgnis erregen könnte, und außerdem fürchten sie einen persönlichen Erfolg von Ribbentrop (!)." 1 6 3 Charakteristisch für die Demagogie der Hitlerregierung, mit der sie den Pakt als nur gegen die Kommunistische Internationale gerichtet hinzustellen versuchte, um an den Antibolschewismus der herrschenden Kreise in den imperialistischen Staaten des Westens anzuknüpfen, war eine am Vormittag der Unterzeichnung durchgeführte Pressekonferenz. Die längst gleichgeschaltete deutsche Presse wurde noch einmal energisch angewiesen, den Vertrag lediglich als ein „Verteidigungsabkommen gegen die revolutionären Bestrebungen der Komintern" zu kommentieren: „Verweisen Sie auf die sich Tag für Tag klarer abzeichnende Gefahr, die dem britischen Weltreich — nicht etwa von deutschen Krupp-Geschützen bei Gibraltar oder geheimnisvollen U-Booten — droht, sondern vielmehr von dem Welt-Bolschewismus, und lenken Sie die Aufmerksamkeit auf die systematische Zersetzungsarbeit der Komintern in Indien, Palästina, Südafrika, Kanada, Australien und Neuseeland usw." 1 6 4 159

Ciano, Galtazgp,

161

A d A P , Bd 1, N r 93, S. 132fr., Notiz Ribbentrops für den Führer, Berlin, 2. 1. 1 9 3 8 .

162

Ebenda, N r 485, S. 618, Dirksen an das A A , Tokio, 8. 9. 1 9 3 7 .

163

Ciano, Gattasgo,

Tagebücher 1 9 5 7 / 3 8 , Hamburg 1949, S. 32.

160

Ebenda, S. 37.

Tagebücher 1 9 3 7 / 3 8 , a. a. O., S. 29 (Hervorhebung von mir — K . D.). Siehe

auch: S. 35 u. 4 8 f . 1 6 4 D Z A Potsdam, A A , 6 0 3 9 7 , Bl. 7, Aufzeichnung Lohses für die Pressebesprechung am 6. 1 1 . 1 9 3 7 , Berlin, 6. 1 1 . 1 9 3 7 .

5. Der Beitritt Italiens zum Antikominternpakt

65

Mit allem Nachdruck wiesen die Vertreter der kommunistischen Parteien darauf hin, daß der Pakt der faschistischen Aggressoren Deutschland, Italien und Japan nicht nur gegen die Kommunistische Internationale und die Sowjetunion, sondern auch gegen die übrigen kapitalistischen Staaten — besonders England und Frankreich — und gegen die Volksmassen in aller W e l t gerichtet war. 1 6 5 Auch fortschrittliche bürgerliche Kreise in den imperialistischen Staaten erkannten die wirklichen Ziele des faschistischen Kriegsbündnisses. So wurde der Pakt sogar von der englischen konservativen Presse als „schwerbewaffnetes Bündnis" bezeichnet, das mit dem unmittelbaren Kampf gegen den Kommunismus nichts zu tun habe. 1 6 6 D e r französische Journalist Pertinax brachte die Meinung vieler realistisch denkender Vertreter des Bürgertums zum Ausdruck, als er im „Echo de Paris" schrieb: „Man kann nur eines sagen, und zwar, daß die Sowjetunion durch das italienisch-deutsche System vielleicht weniger betroffen ist als das Britische Empire." 1 6 7 D i e Unterzeichnung des Antikominternpaktes durch Italien darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Vertrag außer dem gegen die Sowjetunion gerichteten Geheimen Zusatzprotokoll — das Italien übrigens nicht unterzeichnete — noch keinerlei konkrete Bestimmungen über die Eventualitäten der Beistandspflicht, über A r t und Umfang der im Kriegsfall zu leistenden gegenseitigen Hilfe etc. enthielt. Gerade darüber sowie in den damit zusammenhängenden Fragen der Strategie und Taktik des geplanten Krieges um die Neuaufteilung der W e l t sollte es bald zu ernsthaften Auseinandersetzungen zwischen den Bündnispartnern kommen. Der Beitritt Italiens zum Antikominternpakt, der rund vier Monate nach dem Überfall Japans auf China erfolgte, war — in seiner Bedeutung für die Fernostpolitik — eine eindeutige Demonstration, wie Deutschland seine Politik gegenüber China und Japan fortzusetzen gedachte. In diesem Zusammenhang berichtete Woermann am 8. November 1937 aus London, eine verbreitete Ansicht gehe dahin, daß der Beitritt Italiens zum Antikominternpakt seinem Zeitpunkt und seiner Form nach als moralische Unterstützung für die Aggression Japans in China gedacht sei. 168 Die Ansicht mußte sich geradezu aufdrängen, da es Italien war, das seit Beginn des Fernost-Konfliktes am eindeutigsten für die Unterstützung der japanischen Aggression eingetreten war. D e r Mussolini-Regierung war dieser Schritt wesentlich leichter gefallen als ihrem Verbündeten diesseits der Alpen, da die italienische Wirtschaft nur geringfügige Interessen in China hatte, für sie also nichts zu verlieren war.

165 Rechenschaftsbericht an den XVIII. Parteitag über die Arbeit des Z K der K P d S U (B), io. März 1938, in: Stalin, J. W., Fragen des Leninismus, Berlin 1955, S. 766f. V g l . auch: Geschichte der Diplomatie, a. a. O., S. 249f. 106

Zit. in: Ebenda, S. 249. V g l . ferner: P R O London, G F M , 2/1097, A A , Politische Abteilung (Pol VIII): Antikomintern-Pakte,

Okt. 1937—März 1939. Der Band enthält

umfangreiches

Material über das internationale Presseecho anläßlich des Beitritts Italiens zum Antikomintern-Pakt sowie Materialien zum geplanten Beitritt Polens, Griechenlands, Rumäniens, Argentiniens, Brasiliens, Chiles, Österreichs, Ungarns, Manzhouguos, Jugoslawiens und Bulgariens. 167

Zit. in: Geschichte der Diplomatie, a. a. O., S. 249.

168 p r o London, G F M , 2/1097, Bl. 318 266fr., Woermann an das A A , London, 8. 11. 1937.

66

II. Das Lavieren zwischen China und Japan

Um die Abwicklung der noch laufenden Geschäfte mit der Regierung Tschiang Kaischek nicht zu gefährden, wurde der deutschen Presse untersagt, irgendeinen Zusammenhang zwischen dem Beitritt Italiens zum Antikominternpakt und der japanischen Aggression in China herzustellen. In der bereits erwähnten, im Auftrag Ribbentrops durchgeführten Pressekonferenz erklärte Lohse: „Zweck und Auswirkung des Antikomintern-Abkommens (dürfen) auf keinen Fall in Verbindung gebracht werden mit dem ostasiatischen Konflikt. Ich glaube daher, auch besondere Zurückhaltung anempfehlen zu müssen für die Übernahme japanischer Pressestimmen." 1 6 9 Trotz gewisser Widersprüche zwischen Deutschland und Japan zielte die Fernostpolitik des deutschen Imperialismus Ende 1937 immer mehr auf die direkte, offene Unterstützung der japanischen Aggression in China, obwohl die Position der „Neutralität" zum Schein noch beibehalten wurde. Die endgültige Festlegung auf den japanischen Imperialismus, die zum Bruch mit der Tschiang-Kai-schek-Regierung führen mußte, wurde auch in der deutschen Presse immer deutlicher sichtbar, die in zunehmendem Maße offen Partei für die japanischen Aggressoren ergriff. 170 Die Bedeutung des Antikominternpaktes in den Jahren 1936/1937 einschätzend, konnte Ribbentrop bei einer Besprechung mit Oshima im Jahre 1941 mit Genugtuung feststellen: „Die Freundschaft Japans... hätte Deutschland nach Abschluß des Antikomintern-Paktes die Aufrüstung ermöglicht. Japan seinerseits hätte dafür tief in die englische Interessensphäre in China eindringen können." 171 Das wurde auch von Oshima bestätigt, der zum fünften Jahrestag des Antikominternpaktes 1941 erklärte: „Für Japan hat sich dieser Pakt während des Chinakrieges besonders bewährt."172 169

D Z A Potsdam, A A , N r 60 397, Bl. 5, Konzept Lohses für die Pressebesprechung am 6. 1 1 . 1 9 3 7 , 9.15 Uhr. (Lohse wurde unter Ribbentrop zum Attaché in der Nachrichten- und Presseabteilung des A A ernannt.)

170

A d A P , Bd i, N r 480, S. 6 i 4 f . , Aufzeichnung Mackensens, Berlin, 19. 8. 1 9 3 7 .

171 Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem internationalen Militärgericbtsbof Nürnberg 14. vember 1945—1.

No-

Oktober 1946, Bd III, Nürnberg 1947, S . 4 2 0 , Besprechung Ribbentrop — Oshima

v o m 23. 2. 1 9 4 1 . 172

Der Staatsakt in der Reichskanzlei, i n : Völkischer Beobachter (Berliner Ausgabe) v. 26. 1 1 . 1 9 4 1 .

III. Die Entscheidung für Japan (1938)

Die Monate Januar bis Oktober 1938 sind durch das weitere Vorrücken der japanischen Aggressoren in China gekennzeichnet, denen die Guomindang-Truppen nur schwachen Widerstand entgegensetzten. Die Tschiang-Kai-schek-Regierung verfolgte weiterhin die bereits im ersten Halbjahr des Krieges eingeschlagene Politik des einseitigen antijapanischen Krieges, d. h. sie wollte den Befreiungskampf lediglich durch militärische Aktionen der regulären Truppen führen und war bestrebt, die Entwicklung der antijapanischen Volksbewegung aufzuhalten. Diese Politik hatte bis Ende 1937/Anfang 1938 zur Besetzung wichtiger Teile Chinas durch die japanischen Okkupanten geführt: Nach dem Verlust von Peking und Tianjin hatten sich die Guomindang-Truppen bis in die Nähe des Huanghe (Huangho) zurückgezogen, in Mittelchina waren Nanjing und Shanghai verlorengegangen, die Japaner waren fast bis vor Wuhan gelangt. 1 Während die Tschiang-Kai-schek-Truppen häufig kampflos zurückwichen, führte die Achte Armee, die sich konsequent an die Prinzipien der von der Kommunistischen Partei verfolgten Einheitsfrontpolitik hielt, energische Aktionen gegen die Aggressoren durch. Sie stieß in die Etappe des Gegners in Nordchina vor und eröffnete einen Kriegsschauplatz hinter der feindlichen Frontlinie. Dieses Vorgehen war von der erweiterten Tagung des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas bereits im August 1937 in Luochuan (Lotschwan) beraten worden. Der in Luochuan beschlossene Aktionsplan sah vor, die Schwäche des Gegners, insbesondere die zahlenmäßige Unzulänglichkeit seiner Streitkräfte auszunutzen. D a es den Japanern nicht möglich sein konnte, die annektierten Gebiete völlig zu kontrollieren, sollten im Rücken der japanischen Linie eine Front eröffnet und Stützpunkte für den Kampf gegen den Interventen geschaffen werden. 2 Die erste dieser antijapanischen Basen war im Oktober 1937 im Grenzgebiet der Provinzen Shanxi (Schanssi), Chahaer (Tschahar) und Hebei (Hobee) entstanden. Damit wurde der Kampf um die Bildung zahlreicher demokratischer, antij apanischer Stützpunkte im feindlichen Hinterland eingeleitet. Die Entstehung einer ganzen Front von befreiten Gebieten wurde zum wichtigsten Ereignis des chinesischen Befreiungskrieges im Jahre 1938. Bis Mai 1938 hatte die Achte Armee dabei bereits über 630 Kämpfe bestanden, in denen mehr als 41 000 japanische Soldaten und Offiziere 1 2

Djiän Be-dsanlScbao Hsün-dscbengjHu Hua, a. a. O., S. 254^ Mjau Tscbu-bwang, a. a. O., S. 168ff.; Hu Tschiau-mu, a. a. O., S. 6off.

68

III. Die Entscheidung für Japan

außer Gefecht gesetzt wurden. 3 Im Sommer 1938 banden die unter Führung der Kommunistischen Partei in der japanischen Etappe operierenden Truppen etwa 300000 Mann des Aggressors. 4 In den befreiten Gebieten schloß sich die Achte Armee mit den Massen des Volkes immer enger zusammen. Pacht- und Darlehnszinsen wurden gesenkt, eine demokratische Staatsmacht aufgebaut und bewaffnete Formationen der Bevölkerung gebildet, die den Kampf gegen die japanischen Truppen aufnahmen. Es entstand eine Reihe demokratischer Massenorganisationen, während andererseits die Organisationen der Verräter und Kapitulanten zerschlagen wurden. Die junge marxistische Geschichtsschreibung der Volksrepublik China würdigt die heldenhaften Aktionen der Achten Armee im Jahre 1938: „So wurde das von der Kuomintang preisgegebene Nordchina durch den heroischen Kampf der Achten Armee und der Bevölkerung wieder ein Teil unseres Vaterlandes und verwandelte sich in das befreite Gebiet Nordchina, das sich von den von der Kuomintang beherrschten Gebieten auffallend unterschied." 5 In Mittelchina schlössen sich die roten Partisanenabteilungen nördlich und südlich des Yangzi zur Neuen Vierten Armee zusammen. Seit Mai 1938 kämpfte sich der größte Teil der Neuen Vierten Armee von der Provinz Anhui (Anhuee) aus in östliche Richtung durch und eröffnete im Rücken des Feindes den Partisanenkrieg. Der Kampf nahm auf Grund der rechtsopportunistischen Tendenzen in der Führung der Neuen Vierten Armee allerdings nicht den Umfang an wie in Nordchina. 6 Das Jahr 1938 stellte die Kommunistische Partei Chinas vor schwierige politische Fragen. Obwohl die Guomindang ihre antikommunistische, volksfeindliche Tätigkeit verstärkte, kämpfte die Kommunistische Partei Chinas gegen alle Bestrebungen, die Einheitsfront zu spalten, weil dies lediglich den japanischen Okkupanten genutzt hätte. Andererseits mußte sie sich jedoch mit allem Nachdruck für die Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Partei einsetzen und alle Versuche vereiteln, die Kommunistische Partei zu einem Anhängsel der Guomindang zu machen. Das bedeutete im einzelnen zu verhindern, daß die Guomindang ihre Mitglieder auf entscheidende Kommandoposten in der Achten und der Neuen Vierten Armee setzte; die volksdemokratische Ordnung in den befreiten Gebieten aufrechtzuerhalten und zu festigen; in den unter Einfluß von Tschiang Kai-schek stehenden Gebieten die Massen zum Kampf zu mobilisieren; den Partisanenkrieg — auch gegen den Widerstand der Guomindang — zu organisieren. 7 Zur Klärung dieser Fragen veröffentlichte Mao Tse-tung im Mai 1938 zwei Arbeiten: „Fragen der Strategie des Partisanenkrieges gegen die japanischen Eindringlinge" 8 und „Uber den langdauernden Krieg" 9 . Auf Grund einer sorgfältigen Analyse der innerpolitischen und der internationalen Situation widerlegte Mao Tse-tung sowohl die 3

Mjau Tscbu-bwang, a. a. O., S. 174, Nikiforew, W.jErenburg, G./Jurjew, M., a. a. O., S. joß. '' Djiän Be-dsanjSchao Hsün-dschengfHu Hua, a. a. O., S. 255. 5 Mjau Tschu-hwang, a. a. O., S. 174. 6 Ebenda, S. 174 und 184; Hu Tscbiau-mu, a. a. O., S. 61 ff. 7 Mjau Tscbu-bwang, a. a. O., S. 179. 8 9 Mao Tse-tung, Ausgewählte Schriften, a. a. O., Bd 2, S. 8 5 ff. Ebenda, S. 13 3 ff.

III. Die Entscheidung für Japan

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These von der „unvermeidlichen Unterjochung Chinas" — die nicht nur vom projapanischen Flügel der Guomindang unter Wang Jingwei, sondern auch in zunehmendem Maße vom probritischen und proamerikanischen Flügel unter Tschiang Kai-schek verteten wurde — als auch die opportunistische These von einem „raschen Sieg" über Japan. 1 0 Mao Tse-tung führte demgegenüber aus, daß der Volkskrieg gegen die Okkupanten in seiner weiteren Entwicklung drei Etappen durchlaufen müsse: 1. die Etappe des strategischen Angriffs Japans und der strategischen Verteidigung Chinas; 2. die Etappe des Gleichgewichts der Kräfte beider Mächte und 3. die Etappe des strategischen Gegenangriffs Chinas und des strategischen Rückzugs der Japaner. 1 1 Während die Politik der Kommunistischen Partei Chinas, den Volkskrieg gegen die japanische Aggression zu organisieren, 1938 zur Bildung und Festigung einer Front der befreiten Gebiete führte, erlitt die antidemokratische Politik der Guomindang eine eindeutige Niederlage. 1 2 Auf Grund der mehr oder weniger passiven Kriegführung verlor die Tschiang-Kai-schek-Regierung fast die gesamten chinesischen Küstengebiete. Die Guomindang-Truppen zogen sich bis Wuhan zurück und überließen dem Gegner 1 1 Provinzen: Chahaer, Suiyuan (Ssueejüän), Hebei, Shandong, Shanxi, Henan (Honan), Jiangsu (Djangssu), Zhejiang (Dshödjang), Anhui, Jiangxi (Djangssi) und Hubei (Hubee). Die Achte und die Neue Vierte Armee sowie die befreiten Gebiete im japanischen Hinterland dagegen wurden zu einer immer stärkeren Kraft im antijapanischen Befreiungskrieg. Beide Armeen, die vor dem Krieg etwa 40 000 Mann umfaßten, zählten 1938 rund 180000 Mann. 13 Die imperialistischen Westmächte setzten auch im Jahre 1938 ihre zwiespältige Politik dem chinesisch-japanischen Krieg gegenüber fort. So mußten sie einerseits immer deutlicher erkennen, daß die Ausdehnung der japanischen Aggression ihre eigenen Interessen in China entscheidend beeinträchtigte. Ein gewisser Widerstand Chinas — den sie durch Anleihen und Waffenlieferungen geringeren Umfangs unterstützten — und die gegenseitige Schwächung der beiden kriegführenden Seiten entsprach daher nur zu sehr den Wünschen des anglo-amerikanischen Monopolkapitals. Andererseits waren sich die herrschenden Kreise Englands und der U S A aber auch darüber im klaren, daß sich die rasch entwickelnde nationale Befreiungsbewegung des chinesischen Volkes in der Endkonsequenz nicht nur gegen den japanischen Imperialismus, sondern gegen jede koloniale Unterjochung überhaupt richten mußte. Sie waren daher nur zu bereit, Japan die Funktion des Gendarmen der imperialistischen Mächte gegen die Volksbewegung in China zu überlassen. Aus diesem Grunde setzten sie die Lieferung von kriegswichtigen Rohstoffen und Gütern an Japan auch im Jahre 1938 fort. Ihr Hauptziel bestand ferner nach wie vor darin, Japan in China Zugeständnisse zu machen, die japanische Aggression mit ihrer Hauptkraft aber gegen die Sowjetunion zu lenken — die gleiche Politik, die sie auch gegenüber dem faschistischen Deutschland in Europa verfolgten. «> Ebenda, S. 148 fr. " 12 13

Ebenda, S. 167fr. Nikiforow, W.jErenburg, G.jjurjeiv, M., a. a. O., S. 68f. Mjau Tscbu-htvang, a. a. O., S. 183f.



III. Die Entscheidung für Japan

Eine weitere Etappe auf dem Wege der „Befriedungs"politik Englands im Fernen Osten war der im April 1938 unterzeichnete englisch-japanische Vertrag, der die Übergabe der Zölle im okkupierten chinesischen Gebiet an Japan vorsah. Diese Maßnahme bedeutete nichts anderes, als dem Aggressor eine zusätzliche Einnahmequelle zu schaffen, d. h. mit zur Finanzierung des ungerechten japanischen Krieges gegen das chinesische Volk beizutragen. 14 Selbst die Tatsache, daß Japan den Yangzijiang (Jangtsekiang) für alle nichtjapanischen Schiffe sperrte, was die Isolierung Shanghais von den Binnenmärkten zur Folge hatte, führte zu keiner Änderung in der englischen Politik. Seit Sommer 1938 fanden vielmehr Verhandlungen zwischen dem japanischen Außenminister Ugaki und dem englischen Botschafter Craigie statt, die auf weitere Kompromisse zwischen beiden Mächten zielten, allerdings ergebnislos abgebrochen wurden. 15 Der direkte Zusammenhang zwischen der „Befriedungs"politik in Europa und im Fernen Osten wurde nach der Münchener Konferenz vom September 1938 besonders offensichtlich. Japan nutzte die Kapitulation Englands und Frankreichs vor Hitlerdeutschland aus, um auch in China einen Vorstoß zu unternehmen, der einen weiteren entscheidenden Schlag gegen die Positionen Großbritanniens im Fernen Osten bedeutete. Am 22. Oktober, drei Wochen nach München, nahmen japanische Truppen Guangdong (Kanton) ein, das in unmittelbarer Nachbarschaft der englischen Kronkolonie Hongkong lag. Die Einnahme von Guangdong und die drei Tage später erfolgte Eroberung von Hankou, um das fünf Monate gekämpft worden war, beendeten die erste Etappe der japanischen Aggression in China. Auch die U S A betrieben weiterhin eine Politik der faktischen Unterstützung Japans im Kampf gegen China. So stieg die Menge des an Japan gelieferten kriegswichtigen Materials 1938 'um 34,3 Prozent an. 16 Die Reaktion der U S A auf die nach „München" erfolgte japanische Offensive im Süden Chinas unterschied sich allerdings teilweise von der Reaktion Englands. Während die britische Regierung den japanischen Vorstoß praktisch widerspruchslos hinnahm, übergab der amerikanische Botschafter in Japan, Grew, am 6. Oktober eine in relativ scharfen Worten gehaltene Protestnote seiner Regierung. Dieser Schritt resultierte vor allem aus der Befürchtung der herrschenden amerikanischen Kreise, es könnte eine japanisch-englische Einigung auf dem Rücken der USA zustande kommen. In der Note protestierte die amerikanische Regierung gegen die Verletzung des Prinzips der „Offenen Tür" in China und drohte Gegenmaßnahmen an. 1 7 Das Vorgehen der U S A Anfang Oktober 1938 ist ein Ausdruck der Verschärfung des amerikanischjapanischen Antagonismus, aber auch der amerikanisch-englischen Rivalität im Fernen Osten. 18 14 16

17 18

Die internationalen Beziehungen im Fernen Osten, a. a. O., S. 382. 1 5 Ebenda, S. 372f. LJa Da-njän, a. a. O., S. 224; Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion, a. a. O., S. 146fr. Die internationalen Beziehungen im Fernen Osten, a. a. O., S. 385f. Hass, Gerbart, Die Entwicklung der Gegensätze zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Imperialismus am Vorabend des zweiten Weltkrieges (1938—1939), phil. Diss., Halle/S. 1962, S. 208 ff. (MS).

III. Die Entscheidung für Japan

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D i e Sowjetunion verfolgte auch im Jahre 1938 konsequent ihre Politik, China im Kampf gegen die japanischen Interventen zu unterstützen. So baute sie besonders die wirtschaftlichen Beziehungen mit der chinesischen Regierung aus und gewährte China am 1. März einen Kredit in Höhe von 50 Millionen USA-Dollar, dem am 1. Juli eine weitere Anleihe folgte. 1 9 Das wichtigste Ereignis der sowjetischen Fernostpolitik des Jahres 1938 war die Zerschlagung der japanischen Aggression am Chassan-See. 20 Im Juli/August 1938 hatten die japanischen Imperialisten und Militaristen im Zuge ihrer Aggressionsvorbereitungen gegen die U d S S R einen großangelegten Grenzzwischenfall am Chassan-See, nahe der mandschurischen Grenze, provoziert. 21 Wie die Baseler „Rundschau" treffend schrieb, verfolgte Japan damit die folgenden Ziele: „Durch den Einbruch in das Sowjetterritorium gedachten die japanischen Militaristen seinerzeit, die Sowjetunion unter Druck zu setzen. Sie glaubten, die Verwicklungen im Gebiet des Hasangsees könnten zu ihrer Entlastung im Krieg gegen das chinesische Volk führen. Angestachelt durch ihren europäischen Verbündeten, den deutschen Faschismus, versuchten sie es einmal mit einer militärischen .Demonstration' an der Sowjetgrenze, in der Erwartung, diese Provokation werde ihnen in aller Welt die tatkräftige Unterstützung durch die reaktionären Elemente verschaffen. Nachdem schon mehrere Beispiele für die widerstandslose Nachgiebigkeit bürgerlich-demokratischer und bürgerlich-sozialdemokratischer Regierungen gegenüber den Vertragsbrüchen und Vertragsverletzungen durch faschistische Mächte vorlagen, hofften die japanischen Imperialisten, auch die Sowjetunion zur Anerkennung einer offenkundigen Grenzverletzung, eines klaren Vertragsbruches, zwingen zu können." 2 2 Innerhalb von knapp vier Wochen wurde den Aggressoren jedoch von den sowjetischen Streitkräften eine vernichtende Niederlage erteilt, die sie zwang, die Sowjetregierung um Verhandlungen zu ersuchen. 23 Die wuchtigen Schläge der sowjetischen Fernost1 9 Die internatiortalen Beziehungen im Fernes Osten, a. a. O., S. 576; Geschichte des Großen Vaterländische Krieges der Sowjetunion, a. a. O., S. 146 fr. 20 CeeocmbUHoe, r. H., IIojiHTHKa BeJiHKHX «epmaB . . ., a. a. O., S. 295 fr. 21 Literatur- und Quellenangaben zur Geschichte der japanischen Aggression am Chassan-See siehe: Buöjiuospaxßwi Hnonuu, a. a. O., S. 162fr. Sommer, Theo, a. a. O., S. 13 5f., vertritt in diesem Zusammenhang die alte, bereits 1938 von den japanischen Aggressoren in die Welt gesetzte Legende, nicht Japan, sondern die Sowjetunion habe den Zwischenfall am Chassan-See provoziert. Mit dieser These — Sommer führt als „Argument" u. a. auch die Ausführungen eines zum Vaterlandsverräter gewordenen ehemaligen sowjetischen Stabsoffiziers ins Feld — stellt er sich bewußt gegen das Urteil des Tokioter Hauptkriegsverbrecherprozesses, in dem der Zwischenfall eindeutig als japanische Provokation charakterisiert worden war.Judgment, a. a. O., S. n o f . ; Interessante Materialien zur japanischen Provokation am Chassan-See siehe: A B I I CCCP, $OHp; 436, onacb 2, nanKa 37, p,eno 112. 22

23

Funk, Kurt, Lehren vom Hasangsee, Zum Jahrestag des Sieges am Hasangsee, in: Rundschau, 41/1939. S. 1167. Judgment, a. a. O., S. n o f . ; Siehe ferner den Aktenband: PRO London GFM 2/1693, AA, Politische Abt. (Pol. VIII), Politische Beziehungen zwischen Japan und Rußland, Mai—Dezember

1938.

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III. Die Entscheidung für Japan

Armee wirkten wie eine kalte Dusche auf den Aggressor und hatten zur Folge, daß der Überfall auf die Sowjetunion zunächst verschoben wurde. 24 Die Zerschlagung der japanischen Aggression, die bewiesen hatte, daß es möglich war, den Krieg im Fernen Osten einzudämmen, war zugleich eine bedeutende moralische Unterstützung für China wie auch für den Kampf aller antifaschistisch-demokratischen und friedliebenden K r ä f t e in der ganzen Welt. Die Sowjetunion hatte damit eindeutig unter Beweis gestellt, daß die Aggressoren nicht durch fortlaufende Kompromisse, nicht durch die von reaktionären Kreisen der Westmächte verfolgte „Befriedungs"politik, sondern nur durch energische Maßnahmen gebändigt werden konnten: 2 5 „ D i e Verteidiger des Friedens stellen mit Freuden fest, daß . . . die K r ä f t e der Aggression in Schach gehalten worden sind." 2 6 D i e U d S S R hatte nachdrücklich demonstriert, daß es möglich war, den faschistischen Interventen Paroli zu bieten. Zum Nachteil der friedliebenden Völker der Welt zogen die herrschenden Kreise der Westmächte daraus jedoch keine Schlußfolgerungen. Sie setzten ihre „Befriedungs"politik nach wie vor fort und ignorierten alle Vorschläge der Sowjetunion, Maßnahmen zur kollektiven Sicherheit gegen die Aggressoren zu treffen. D e r faschistische deutsche Imperialismus ging seit Januar 1938 zur offenen und direkten Unterstützung der japanischen Aggression im Fernen Osten über. E r verfolgte damit das Ziel, seine eigenen aggressiven Maßnahmen — Vorbereitung der Annexion Österreichs und der Tschechoslowakei — in zunehmendem Maße mit den kriegerischen Aktionen Japans im Fernen Osten zu koordinieren. Seit E n d e 1937/Anfang 1938 gewann der Plan der herrschenden Kreise Deutschlands immer mehr Gestalt, den Uberfall auf die Sowjetunion durch die Eroberung der westeuropäischen kapitalistischen Länder vorzubereiten. Diese Konzeption resultierte einmal aus der Verschärfung der Widersprüche zwischen den beiden feindlichen Gruppierungen innerhalb des imperialistischen Lagers, zum anderen verfolgte die faschistische deutsche Regierung damit das Ziel, das eigene ökonomische und militärische Potential vor dem Angriff auf die U d S S R noch entscheidend zu vergrößern. Um diesen Aktionsplan — Auseinandersetzung zuerst mit den kapitalistischen Staaten Westeuropas und danach Überfall auf die Sowjetunion — mit dem Vorgehen Japans im Fernen Osten zu koordinieren, war die Hitlerregierung seit 1938 bestrebt, den Antikominternvertrag in einen militärischen Beistandspakt der drei faschistischen Mächte umzuwandeln, der zunächst primär gegen die Westmächte gerichtet sein sollte. Bei dem Versuch, das weitere aggressive Vorgehen aufeinander abzustimmen, traten jedoch ernste Differenzen zwischen Deutschland und Japan auf, die vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges nicht überwunden werden konnten. Eine maßgebliche Richtung innerhalb der herrschenden Klasse Japans stimmte der Reihenfolge der Eroberungen, wie sie im deutschen Kriegsplan vorgesehen war, nicht zu, sondern war bestrebt, einen 24 25 26

Fmk, Kurt, Lehren vom Hasangsee, a. a. O., S. 1167. Ebenda. Peri, Gabriel, Prag, die Ebro-Front und der Hügel von Tschangkufeng, in: Rundschau, 40/1938, S. 1556.

i. Bündnispolitik und Kriegsplanung 1937/1938

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Kompromiß mit den Westmächten zu schließen, und wollte den Überfall auf die Sowjetunion ohne vorherige kriegerische Auseinandersetzung mit den übrigen kapitalistischen Großmächten durchführen. Diese Kreise des japanischen Imperialismus waren vor allem nicht daran interessiert, in einen europäischen Krieg hineingezogen zu werden. Außer den deutsch-japanischen Differenzen, die bei dem Versuch auftraten, die Aktionen beider Mächte in Europa und im Fernen Osten aufeinander abzustimmen, wurden auch die Widersprüche zwischen Deutschland und Japan bei der Ausbeutung Chinas 1938 besonders offenkundig. Die japanischen Monopolisten waren nicht bereit, dem deutschen Imperialismus in China die geforderte Sonderstellung gegenüber den Westmächten und die Gleichberechtigung mit Japan zuzugestehen. Trotz dieser Gegensätze war aber das aggressive Vorgehen Deutschlands in Europa und Japans im Fernen Osten 1938 eine Politik der gemeinsamen Vorbereitung eines neuen Weltkrieges. D e r innere Zusammenhang des europäischen und des fernöstlichen Kriegsherdes wurde im September/Oktober 1938 deutlich sichtbar, als Japan das weitere Nachgeben Englands und Frankreichs gegenüber Deutschland sofort zu einer gegen die englischen Interessen gerichteten Offensive in Südchina ausnutzte.

1. Bündnispolitik und Kriegsplanung an der Jahreswende

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Im wirtschaftlichen Interesse führender deutscher Monopole hatte die Hitlerregierung offiziell zunächst eine „neutrale" Haltung zur japanischen Aggression in China eingenommen und die offene Hilfe für den fernöstlichen Verbündeten vermieden. D i e von Schacht, Neurath, Blomberg u. a. vertretene Richtung, die einer zu engen Bindung an den japanischen Imperialismus auf Kosten der Beziehungen zur Tschiang-Kai-schekRegierung ablehnend gegenüberstand, konnte jedoch von der projapanischen Führungsclique der Nazipartei mehr und mehr überspielt werden. Dies wurde dadurch erleichtert, daß die deutschen Konzernherren selbst in zunehmendem Maße an einen japanischen Sieg in China glaubten und dem bereits in den letzten Monaten des Jahres 1937 Rechnung trugen, indem sie sich auf wirtschaftlichem Gebiet allmählich von China auf Japan und die durch Japan besetzten chinesischen Gebiete umstellten. Im Zusammenhang mit den Maßnahmen, mit denen Deutschland Ende 1937/Anfang 1938 eine neue Etappe der unmittelbaren Kriegsvorbereitung einleitete, erfolgte auch die endgültige Festlegung auf Japan, die die offene Frontstellung gegen die TschiangKai-schek-Regierung zur Folge hatte. Indem die Hitlerregierung in den ersten Monaten des Jahres 1938 die seit Juli 1937 wiederholt gestellten japanischen Forderungen erfüllte — Anerkennung Manzhouguos, Einstellung der Kriegsmateriallieferungen an China und Abberufung der deutschen Militärberater —, wurde auch der letzte Schein einer deutschen Neutralität im Fernostkonflikt beseitigt, wurden damit entscheidende Hemmnisse für eine noch engere Bindung der faschistischen Aggressoren Deutschland und Japan aus dem Wege geräumt. 6

Drechsler, Deutschland-China-Japan

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III. D i e E n t s c h e i d u n g f ü r Japan

D i e Erwägungen, die der wirtschaftlichen Umorientierung des deutschen Monopolkapitals im Fernen Osten zugrunde lagen, sind bereits dargestellt worden. Dirksen hatte sie in die Worte zusammengefaßt, es komme darauf an, den „durch den Kriegsverlauf herbeigeführten geographischen Veränderungen der chinesischen Landkarte" 27 Rechnung zu tragen — eine wahrhaft brillante geographische Umschreibung für die militärische Okkupation eines Teiles Chinas durch Japan. Die Absicht, sich durch die Unterstützung Japans die weitere Beteiligung an der Ausbeutung Chinas zu sichern, war jedoch nur der eine Grund für die maßgeblichen Kreise Deutschlands, sich an der Jahreswende 1937/38 endgültig und eindeutig für Japan und gegen China zu entscheiden. D i e andere und eigentlich entscheidende Ursache für die Umstellung in der Fernostpolitik war die Rolle, die Japan - im Interesse des deutschen Imperialismus — bei der kriegerischen Neuaufteilung der Welt spielen sollte. E t w a um die Jahreswende 1937/38 trat die Kriegsvorbereitung des faschistischen Deutschlands in ihr letztes, entscheidendes Stadium: A m 5. November 1937 fand eine Besprechung in der Reichskanzlei statt, an der außer Hitler Reichskriegsminister Blomberg, die militärischen Oberbefehlshaber Fritsch, Raeder und Göring, Reichsaußenminister Neurath sowie der Adjutant Hitlers, Oberst Hoßbach, teilnahmen. 28 Auf dieser Konferenz entwickelte Hitler die weiteren Aggressionsziele und bezeichnete in diesem Zusammenhang als nächste Aufgabe, „die Tschechei und gleichzeitig Osterreich niederzuwerfen" 2 9 , wobei die deutsche Politik „mit den beiden Haßgegnern England und Frankreich zu rechnen (habe), denen ein starker deutscher K o l o ß inmitten Europas ein Dorn im A u g e sei" 30 . Nach wie vor setzten jedoch die herrschenden Kreise Englands und Frankreichs ihre „Beschwichtigungspolitik dem faschistischen Deutschland gegenüber fort. Genau vierzehn Tage nach der Besprechung in der Reichskanzlei weilte Lord Halifax, der spätere englische Außenminister, zu einem offiziellen Besuch in Berlin. E r ebenso wie auch andere Mitglieder des englischen Kabinetts seien davon durchdrungen, erklärte er Hitler, „daß der Führer nicht nur in Deutschland selbst Großes geleistet habe, sondern daß er auch durch die Vernichtung des Kommunismus im eigenen Lande diesem den W e g nach Westeuropa versperrt habe und daß daher mit Recht Deutschland als Bollwerk des Westens gegen den Bolschewismus angesehen werden könne" 3 1 . Mit aller Deutlichkeit brachte Halifax zum Ausdruck, daß die herrschende Klasse Englands bereit sei, dem deutschen Imperialismus freie Hand im Osten zu lassen. Allerdings müsse eine „vernünftige Regelung" aller strittigen Fragen mit dem englischen

27

A d A P , Bd I, N r 564, S. 674, D i r k s e n an das A A , T o k i o , 26. 1. 1938.

28

Ebenda, N r 19, S. 25ff., Niederschrift

über die Besprechung in der Reichskanzlei am 5. N o v .

1937 (sog. Hoßbach-Protokoll). 29 Ebenda, S. 29. 30 E b e n d a , S. 27. 31 Dokumente und Materialien aus der Vorgeschichte des zweiten Weltkrieges, h g . v o m Ministerium f ü r A u s w ä r t i g e A n g e l e g e n h e i t e n der U d S S R , Bd i , N o v e m b e r 1937—1938, M o s k a u 1948, S. 1 7 f . , A u f z e i c h n u n g über die U n t e r r e d u n g zwischen dem Führer und Reichskanzler und L o r d Halifax in Anwesenheit des Herrn Reichsaußenministers, A m Obersalzberg, 19. 1 1 . 1937.

i. Bündnispolitik und Kriegsplanung 1937/1938

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Monopolkapital erfolgen. Halifax schlug die Zusammenarbeit der „4 großen westeuropäischen Mächte" — England, Deutschland, Italien und Frankreich — vor mit dem Ziel, die Sowjetunion zu isolieren und zum Objekt der faschistischen Aggression zu machen.32 Am 2. Januar 1938 verfaßte Ribbentrop eine „Notiz für den Führer", in der die auf der Besprechung mit Hitler am 5. November erörterten Angriffspläne weiter präzisiert wurden. Die entscheidenden Partien dieser Denkschrift, die in ihrem historischen Aussagewert für die letzte Etappe der Kriegsvorbereitung kaum hoch genug gewertet werden kann und daher ausführlicher zitiert werden soll, lauten: „Mit der Erkenntnis, daß Deutschland sich an den status quo in Mitteleuropa nicht binden will und eine kriegerische Auseinandersetzung in Europa früher oder später möglich ist, wird die Hoffnung auf eine Verständigung der deutsch-freundlichen englischen Politiker — soweit sie nicht sowieso derzeit nur eine ihnen zugeteilte Rolle spielen — allmählich schwinden. Hiermit ist die Schicksalsfrage gestellt: Werden letzten Endes Deutschland und England zwangsläufig in getrennte Lager treiben und eines Tages wieder gegeneinander marschieren? Zur Beantwortung dieser Frage muß man sich folgendes vergegenwärtigen : Eine Änderung des status quo im Osten im deutschen Sinne ist nur gewaltsam durchzuführen. Solange Frankreich weiß, daß England, das sozusagen die Gefahrhaftung für Frankreich gegenüber Deutschland übernommen hat, zu ihm steht, ist Frankreichs Marschieren für seine östlichen Bundesgenossen wahrscheinlich, jedenfalls immer möglich und damit der deutsch-englische Krieg. Dies trifft selbst dann zu, wenn England den Krieg nicht will; England, das glaubt, seine Grenze am Rhein verteidigen zu müssen, würde einfach von Frankreich automatisch hineingezogen, d. h. also, Frankreich hat es praktisch in der Hand, einen deutsch-englischen Krieg auf dem Wege über einen deutsch-französischen Konflikt zu forcieren. Hieraus folgert wiederum, daß ein Krieg zwischen Deutschland und England wegen Frankreich nur verhindert werden kann, wenn Frankreich von vorneherein weiß, daß Englands Kräfte nicht ausreichen würden, den gemeinsamen Sieg sicherzustellen. Eine solche Situation könnte England und damit Frankreich zwingen, manches hinzunehmen, was eine starke englisch-französische Konstellation niemals dulden würde. Dieser Fall wäre z. B. gegeben, wenn England mangels ausreichender Aufrüstung oder infolge Bedrohung seines Imperiums durch eine überlegene Mächtekonstellation (z. B. Deutschland-Italien-Japan) und damit Fesselung seiner militärischen Kräfte an anderen Stellen, Frankreich nicht genügend Unterstützung in Europa zu gewähren vermöchte . . . Daher von uns zu ziehende Konsequenz: 1. nach außen weiter Verständigung mit England unter Wahrung der Interessen unserer Freunde 32 Ebenda, S. i 8 f . u. 24.; Siehe auch: Cbrvostow, B. M.jNekritscb,

A. M., Wie der zweite Weltkrieg

entstand, Berlin 1961, S. 5 5 f. Ungefähr zum gleichen Zeitpunkt fanden auch deutsch-amerikanische und deutsch-französische Besprechungen statt. Siehe dazu: Geschichte des Großen Vater• ländiscben Krieges der Sowjetunion, a. a. O., S. 1 ; 7 f f . ; Hass, Gerbart, a. a. O., S. 1 3 4 ® -



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III. Die Entscheidung für Japan

2. Herstellung in aller Stille, aber mit ganzer Zähigkeit, einer Bündniskonstellation gegen England —, d. h. praktisch Festigung unserer Freundschaften mit Italien und Japan — ferner Hinzugewinnung aller Staaten, deren Interessen direkt oder indirekt mit unseren konform gehen — enge und vertrauliche Zusammenarbeit der Diplomaten der drei Großmächte zu diesem Zweck. Nur auf diese Weise können wir England begegnen, sei es eines Tages noch zum Ausgleich oder zum Konflikt." 3 3 E s war die taktische Konzeption für die letzte Etappe der Kriegsvorbereitungen, die Ribbentrop in dieser Denkschrift entwickelte: Das Hauptziel des Krieges blieb nach wie vor der Überfall auf die Sowjetunion, die Eroberung von „Lebensraum" im Osten, wie es Hitler bereits in „Mein K a m p f " 3 4 und in seinem „Zweiten Buch" aus dem Jahre 1928 3 5 formuliert hatte und woran niemals die geringsten Abstriche gemacht wurden, auch wenn zeitweise — wie z. B. bei der November-Besprechung in der Reichskanzlei und in Ribbentrops „Notiz für den Führer" — nicht ausdrücklich darauf verwiesen wurde. 3 6 A m Vorabend des zweiten Weltkrieges bestand jedoch nicht nur der Wunsch Deutschlands, den sozialistischen Sowjetstaat zu vernichten, ein Wunsch, der alle kapitalistischen Staaten einte. Daneben gab es die immer schärfer werdenden Widersprüche innerhalb des imperialistischen Lagers selbst. Deutschland, Italien und Japan forderten die Neuaufteilung der Welt, die auch auf Kosten Englands und Frankreichs gehen mußte. Diesen Konflikt, dessen eigentlicher Inhalt das Streben nach der Weltherrschaft war, gedachte der deutsche Imperialismus vor dem Überfall auf die Sowjetunion zu seinen Gunsten zu lösen. D i e herrschenden Kreise Deutschlands verfolgten damit offenbar zugleich die Absicht, das ihnen zur Verfügung stehende ökonomische und militärische Potential für den Waffengang mit der Sowjetunion zu vergrößern, da sie instinktiv erkannten, daß dieser zur entscheidenden Auseinandersetzung bei der Verwirklichung ihrer Aggressionsziele werden mußte. Um die Jahreswende 1937/38 erfolgte damit eine erste Weichenstellung für die Politik, die im September 1939 nicht

33

A d A P , Bd 1, Nr 93, S. i ; 2 f . u. 136, Notiz Ribbentrops für den Führer, Berlin, 2. 1. 1938.

3 4 Hitler, Adolf, Mein Kampf, München 1943, S. 726fr. 35 Hitlers Zweites Buch. Ein Dokument aus dem Jahr 1928, eingeleitet und kommentiert von Gerhard L. Weinberg. Mit einem Geleitwort von Hans Rothfels, Stuttgart 1961. 36 Die Kontinuität der letztlich immer gegen die Sowjetunion gerichteten aggressiven Außenpolitik Hitlers — von der Darstellung in „Mein K a m p f " bis zu den Tischgesprächen v o m Februar 1945 — wurde u. a. von dem bürgerlichen Historiker Trevor-Roper in einem vielbeachteten Vortrag über Hitlers Kriegsziele nachgewiesen. Die entscheidende Schwäche der Konzeption TrevorRopers besteht jedoch darin, daß er die Existenz objektiv wirkender imperialistischer Gegensätze zwischen dem faschistischen Deutschland und den Westmächten leugnet, den kriegerischen Konflikt zwischen diesen Staaten daher vorwiegend ajs Mißverständnis, als Ergebnis subjektiver Entscheidungen von Politikern deuten muß. — Nur allzuleicht kann die Geschichtsdeutung v o n Trevor-Roper als Aufruf an die imperialistische Welt der Gegenwart verstanden werden, die zwischen den einzelnen Mächten bestehenden Gegensätze im Interesse des gemeinsamen Kampfes gegen das sozialistische Lager zurückzustellen. Trevor-Roper, Hugh Redwald, Hitlers Kriegsziele, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 2/1960, S. 121 ff.

I. Bündnispolitik und Kriegsplanung 1937/1938

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zum Uberfall auf die Sowjetunion, sondern zunächst zur kriegerischen Auseinandersetzung innerhalb des imperialistischen Lagers führte.37 In der Außenpolitik verfolgte Deutschland 1938/39 vor allem das Ziel, den Kriegspakt der drei faschistischen Mächte weiter auszubauen und seine Spitze zunächst gegen die Westmächte, insbesondere gegen den englischen Imperialismus, zu richten. Der Satz aus Ribbentrops „Notiz für den Führer" vom 2. Januar: „Allerdings müßte diese (deutsch-japanisch-italienische — K. D.) Konstellation fest gefügt sein, und es dürfte bei England und Frankreich kein Zweifel darüber herrschen, daß Italien und Japan fest zu uns stehen und gegebenenfalls die gemeinsamen Kräfte der Konstellation schlagartig eingesetzt würden"38, sollte zum Grundmotiv Deutschlands für die 1938/39 geführten Verhandlungen werden, deren Ziel der Abschluß eines unbeschränkten Militärbündnisses der drei faschistischen Aggressoren war. In dieser Politik gegenüber England und Frankreich dürften Hitler, Ribbentrop und ihre Hintermänner zugleich die Grundlage ihrer Amerikapolitik gesehen haben. Hatte doch der deutsche Botschafter in Washington, Dieckhoff, bereits am 9. Oktober 1937 die These vertreten, ayf der seine sämtlichen Berichte der folgenden Monate basierten, daß „die amerikanische Außenpolitik sowohl Ostasien wie Europa gegenüber erst dann aus ihrer Passivität heraustreten dürfte, wenn ein Weltkonflikt, in den Großbritannien hineingezogen wird, entbrennen sollte" 39 . England durch eine geschickte Diplomatie am Krieg gegen Deutschland hindern hieß — der zitierten These von Dieckhoff zufolge —, auch die USA dem aggressiven Vorgehen des deutschen Faschismus gegenüber zum Stillehalten zu verurteilen. Der erste Schritt auf dem von Ribbentrop am 2. Januar 1938 entwickelten Weg war die am 4. Februar vollzogene Umbildung der Hitlerregierung: Neurath und Blomberg wurden entlassen, ebenso Fritsch sowie zahlreiche Generale und Offiziere. Auch in den wirtschaftlichen Stellen wurden Mitarbeiter Schachts, der bereits im November 1937 als Wirtschaftsminister zurückgetreten war 4 0 , durch bedingungslose Anhänger des wirtschaftspolitischen Kurses von Göring ersetzt. Den militärischen Oberbefehl übernahm Hitler selbst, Außenminister wurde Ribbentrop.41 Vor dem Hintergrund der hemmungslosen Aufrüstungspolitik und der drohenden Inflation fand die Regierungsumbildung Anfang 1938 statt.42 Das Z K der in der Illega37

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39 40

42

Siehe dazu u. a.: Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion, a. a. O., S. 156, 207 u. 413. AdAP, Bd 1, Nr 93, S. 133, Ribbentrops Notiz für den Führer, Berlin 2. 1. 1938. (Hervorhebung von mir. — K. D.). AdAP, Bd 1, Nr 413, S. j 18f., Dieckhoff an das A A , Washington, 9. 10. 1937. Von November 1937 bis Januar 1943 war Schacht Minister ohne Geschäftsbereich. Präsident der Reichsbank blieb er (von März 1933) bis Januar 1939. Im Zusammenhang mit der Umbildung des Hitlerkabinetts wurde auch Dirksen aus Tokio zurückgerufen. Sein Nachfolger wurde Ott, der bis dahin Militärattache an der Botschaft in Tokio gewesen war. Ribbentrop wollte damit wohl vor allem die Ernennung des japanischen Militärattaches in Berlin, Oshima — einer der Hauptverfechter der deutsch-japanischen Kriegskoalition —, zum Botschafter vorbereiten. Oshima wurde Ende 1938 auch tatsächlich zum japanischen Botschafter in Deutschland ernannt. Dirksen war 1938/1939 Botschafter in London. Frei, Bruno, Nach dem Sturz Schachts, in: Rundschau, 4/1939, S. i 2 i f .



III. Die Entscheidung für Japan

lität kämpfenden Kommunistischen Partei Deutschlands gab dazu eine von Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht unterschriebene Erklärung ab, in der es u. a. hieß: „Die Ereignisse des 4. Februar sind für das deutsche Volk äußerst alarmierend. Die Entfernung von Dutzenden Generälen und Hunderten Offizieren aus dem Reichsheer ist keine .nationale Konzentration', wie es die Naziführer darstellen. Sie bedeutet in Wahrheit die Verschärfung der Hitlerdiktatur über das deutsche Volk zur unmittelbaren Vorbereitung neuer Kriegsaktionen. Die Hitlerdiktatur sucht einen Ausweg aus den wachsenden Schwierigkeiten und der Massen-Unzufriedenheit gegen das faschistische Regime im Lande durch Kriegsabenteuer nach außen. Die faschistische Kriegspartei sucht alle im Staatsapparat noch vorhandenen Hemmungen gegen ihre abenteuerliche Kriegspolitik zu beseitigen." 49 Sowohl Neurath und Blomberg, als auch zahlreiche andere, die am 4. Februar ausgebootet wurden, zählten zu der Richtung, die den Kriegskurs zwar grundsätzlich unterstützte, die „Achsen"-Politik aber für anfechtbar hielt. Mit vollem Recht stellte die Baseler „Rundschau" fest: „Hitlers Sieg bedeutet von diesem Standpunkt aus den Sieg jener, die, den Generälen zum Trotz, die Politik der Achse, d. h. des Zijsammenarbeitens Deutschlands, Italiens und Japans, fortsetzen und verstärken wollen." 44 Mit unverhohlener Genugtuung wurde in der japanischen Presse davon gesprochen, daß nunmehr „jeder mögliche Dualismus in der deutschen Außenpolitik beseitigt sei und daß die Freundschaft zwischen Deutschland, Japan und Mandschukuo dadurch bedeutend gefördert werde", so die „Kokumin Shimbun".45 Als Folge der Ende 1937 zugespitzten Auseinandersetzungen innerhalb der herrschenden Klasse Deutschlands über den weiteren Weg zum Krieg kam es zur Reorganisierung der Militärinstitutionen und zur teilweisen Reorganisierung des Kabinetts. Der Gewaltstreich der obersten Naziclique am 4. Februar 1958 führte zur „hundertprozentigen Nazifizierung des militärischen, des wirtschaftlichen und des politischen Apparates des Dritten Reiches" 46 . Die Maßnahmen vom 4. Februar 1938 waren kein Ausdruck der Stärke der faschistischen Diktatur, sondern im Gegenteil der wachsenden Krise, in die die Hitlerregierung immer tiefer geriet und aus der sie als einzigen Ausweg die baldige Entfesselung des Krieges sah. Die „Prawda" schrieb dazu am 7. Februar: „Gleichzeitig sprechen die Ereignisse in Deutschland deutlich von den außerordentlichen Schwierigkeiten der faschistischen Diktatur. Die Unzufriedenheit mit dem faschistischen Regime hat breiteste Kreise der Bevölkerung ergriffen. Sie dehnt sich auf die verschiedensten Kreise aus. Der ,Sieg' der faschistischen Spitzen über Fritsch und die ungehorsamen Generäle zeigt nur, bis zu welchem Grade die Basis des deutschen Faschismus zusammengeschrumpft ist." 47 43

Das Zentralkomitee der KPD zum 4. Februar, in: Die Internationale, 1—2/1938, S. 1.

44

Péri, Gabriel, Zum 4. Februar, Hitlers neue Kriegsmaßnahmen und ihre internationalen Auswirkungen, in: Rundschau, 6/1938, S. 170.

46

D Z A Potsdam, A A , Nr 58653, Bl. 38, Presseausschnitte: Japan, 7.2. 1938. Péri, Gabriel, Zum 4. Februar, in: Rundschau, 6/1938, S. 169; siehe auch: Dem „großen Krieg" entgegen. Die „Prawda" zu den Ereignissen vom 4. Februar, in: ebenda, S. i7of.

46

47

In: ebenda, S. 1 7 1 .

i . Die Unterstützung der japanischen Aggression

79

z. Die offene Unterstützung der japanischen Aggression durch Deutschland

Die erste Maßnahme in der Fernostpolitik, die nach der Regierungsumbildung vom 4. Februar durchgeführt wurde, war die Anerkennung des japanischen Satellitenstaates Manzhouguo. Bereits einen Tag nach der Übernahme des Außenministeriums durch Ribbentrop appellierte der japanische Außenminister Hirota erneut an die Hitlerregierung, den Forderungen in bezug auf China endlich nachzukommen, wobei er mit allem Nachdruck wiederum auf die Anerkennung Manzhouguos verwies. 48 Noch einmal machten Trautmann und andere Mitarbeiter der deutschen Botschaft in China Einwendungen, jedoch vergeblich. Ihre Argumente — die Anerkennung Manzhouguos werde die Tschiang-Kai-schek-Regierung gegen Deutschland einnehmen und so die wirtschaftliche und kulturelle Stellung des deutschen Imperialismus besonders in Südchina zerstören'49 — konnten Hitler, Ribbentrop, Göring und die deutschen Konzernherren nicht mehr überzeugen. Spekulierten diese doch jetzt darauf, im Bündnis mit dem japanischen Imperialismus, solche Gewinne in dem bevorstehenden Krieg zu machen, die das bisherige Chinageschäft glatt in den Schatten stellen würden. Am 17. Februar war die Entscheidung gefallen: Reichsminister Lammers teilte Ribbentrop Hitlers Entscheidung mit, Manzhouguo diplomatisch anzuerkennen.50 In einer seiner „historischen" Reichstagsreden posaunte Hitler am 20. Februar diesen Entschluß in die Welt hinaus. 51 Einen Tag später wies Ribbentrop den deutschen Botschafter in China an, mit allen Mitteln der Demagogie dafür zu sorgen, daß „nachteilige Folgen für deutsch-chinesische Beziehungen" 5 2 möglichst vermieden würden. Auch jetzt noch ließen die deutschen Imperialisten also nichts unversucht, um trotz ihrer eindeutigen Stellungnahme gegen die Interessen Chinas ihre Geschäfte wenigstens teilweise noch fortsetzen zu können. In demagogischen Worten hieß es in dem Telegramm Ribbentrops an Trautmann: „Deutsche Regierung hoffe, daß man chinesischerseits in Würdigung unserer bisherigen Haltung im Konflikt, die durch Ausführungen Führers besonders betont sei, an unserer freundschaftlichen Haltung gegenüber China nicht irre w e r d e . . . Gleichzeitig wollen Sie Erwartung Ausdruck geben, daß Chinesische Regierung, falls erforderlich, ihren Einfluß zur Beruhigung öffentlicher Meinung in China einsetzt." 5 3 Am 12. Mai wurde im Außenministerium in Berlin der deutsch-mandschurische Vertrag unterzeichnet, der die von Hitler am 20. Februar angekündigte Anerkennung Man« AdAP, Bd i, Nr 565, S. 6i6i., Dirksen an Ribbentrop, Tokio, 5.2. 1938. Ebenda, Nr 566, S. 677f., Trautmann an das A A , Hankou, 14. 2. 1938; ebenda, Nr 567, S. 678, Trautmann an das A A , Hankou, 14. 2. 1938. 50 Ebenda, Nr 569, S. 682, Lammers an Ribbentrop, Berlin, 17. 2. 1938. 51 Ebenda, Nr 570, S. 6Si(., Ribbentrop an Trautmann, Berlin, 21. 2. 1938. 52 Ebenda, S. 682. 53 Ebenda, S. 683; PRO London, GFM, 2/145, Bl. 8i 227f., Mackensen an Trautmann, Berlin, Februar 1938.

8o

III. Die Entscheidung für Japan

zhouguos rechtskräftig machte und die offene Sanktion des japanischen Raubkrieges bedeutete.54 War die Anerkennung Manzhouguos als eine erste Mitgift für die Zweckehe zwischen dem deutschen und dem japanischen Imperialismus gedacht, so folgte bald als zweite die Einstellung der Kriegsmateriallieferungen an die Tschiang-Kai-schek-Regierung. Einer Aufzeichnung des Ministerialdirektors Wiehl vom 28. April zufolge untersagte Göring in den letzten Apriltagen die weitere Ausfuhr von Kriegsmaterial nach China. 55 Wie aus einer späteren Aufzeichnung von Strachwitz' hervorgeht, herrschte jedoch noch eine Zeitlang Unklarheit darüber, wie die Weisung Görings auszulegen war. 56 Trotzdem und trotz nochmaligen Protestes von Trautmann dürften aber die Kriegsmateriallieferungen seit Mai 1938 im wesentlichen eingestellt worden sein. 57 Der japanische Botschafter in Berlin, den Ribbentrop in einem Gespräch am 20. Mai auf die Schädigung hinwies, die der deutschen Rüstungsindustrie daraus erwachsen würde, hatte dafür lediglich die ironische Bemerkung übrig, Göring „habe bereits an General Oshima einen diesbezüglichen Brief geschrieben und den Schaden wegen Unterbindung der Kriegsgerätelieferungen auf 100 Mill. R M beziffert. Bei dieser Schadensforderung sei den Japanern erst richtig zum Bewußtsein gekommen, wie enorm die deutschen Kriegslieferungen an China bisher gewesen sein müßten" 5 8 . Die dritte Schuld schließlich, die Deutschland abzutragen hatte, um Japan enger an die eigenen Kriegspläne binden zu können, war die Abberufung der Militärberater, die im Dienst der Tschiang-Kai-schek-Regierung standen. Es handelte sich dabei im April 1938 um 24 Offiziere und 9 weitere Berater, die nicht als Offiziere tätig waren. 98 Am 27. April 1938 bestätigte Weizsäcker dem chinesischen Botschafter in Berlin die Nachrichten, denen zufolge die deutschen Militärberater China verlassen sollten. Falkenhausen und Trautmann protestierten mit dem Hinweis darauf, daß dies einen Vertragsbruch darstelle und außerdem den wirtschaftlichen Ruin der deutschen Militärberater bedeuten würde. Ribbentrop antwortet!; in überaus scharfem Ton, wobei er betonte, daß die Zurückziehung der Militärberater ausdrücklich von Hitler befohlen sei, eine Weigerung würde daher ernste Maßnahmen gegen die betreffenden Offiziere 54

Der japanische Botschafter, Exz. Togo, in Hamburg, in: Ostasiatische Rundschau, 7/1938 (1. 4.), S. 162. Zur Anerkennung von Manzhouguo durch Deutschland siehe auch: PRO London, G F M , 2/145, Bl. 81195, Trautmann an das A A , Hankou, 24. 2 . 1 9 3 8 ; ebenda, 2/145, Bl. 81 202f., Aufzeichnung über eine Besprechung über die Anerkennung von Manchukuo. Der Anerkennung folgte ein neues „deutsch-mandschurisches Wirtschaftsabkommen", das am 13. September 1938 durch den Chef des Außenamts von Manzhouguo und den deutschen Geschäftsträger in Xingjing unterzeichnet wurde und — mit Rückwirkung vom 1. Juni 1938 — bis zum 31. Mai 1940 gültig war. Richter, Otto, Umschau. Der chinesisch-japanische Konflikt, in: Ostasiatische Rundschau, 18/1938 (16. 9.), S. 421.

55

AdAP, Bd 1, N r 579, S. 695, Aufzeichnung Wiehls, Berlin, 28. 4. 1938.

56

Ebenda, N r 594, S. 709f., Aufzeichnung Wiehls, Berlin, 16. 6. 1938 und Aufzeichnung Strachwitz', Berlin 15. 6 . 1938.

57

Ebenda, Nr 594, S. 709, Aufzeichnung Wiehls, Berlin, 16. 6. 1958.

58

Ebenda, Nr 588, S. 704, Aufzeichnung Wiehls, Berlin, 2. 6. 1938.

59

Namentlich 26. 4. 1938.

aufgeführt in: Ebenda,

Nr 577, S. 694, Aufzeichnung:

Beraterstab

Nanjing,

2. Die Unterstützung der japanischen Aggression

81

nach sich ziehen. Sollte die Tschiang-Kai-schek-Regierung Schwierigkeiten bereiten, so sei mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu rechnen.00 Am 20. Juni erging die Weisung an Trautmann, innerhalb von drei Tagen China zu verlassen, falls die chinesische Regierung bis dahin nicht das endgültige Einverständnis mit der Abreise aller Berater erklärt habe. 61 Das erfolgte schließlich am 5. Juli, allerdings erst, nachdem Trautmann Hankou weisungsgemäß verlassen hatte. 62 Auf der gleichen Linie des do ut des gegenüber dem japanischen Imperialismus lagen auch die ersten Stellungnahmen der Hitlerregierung zu einer geplanten Regierung von japanhörigen Elementen in China. Bereits wenige Monate nach Beginn des japanischen Uberfalles mußten die Aggressoren erkennen, daß ihre Blitzkriegspläne gescheitert waren und die Tschiang-Kai-schek-Regierung unter dem Druck der Volksmassen nicht offen kapitulieren konnte. So griff die herrschende Klasse Japans zu dem strategischen Mittel, eine Reihe ihr gefügiger Marionettenregierungen einzusetzen. Am 14. Dezember 1937 wurde eine sogenannte „Vorläufige Regierung der Chinesischen Republik" in Peking proklamiert, der am 28. März 1938 eine „Reformierte Regierung der Chinesischen Republik" in Nanjing folgte. Beide bestanden bis zum 30. März 1940 und wurden dann durch die „Reorganisierte Nationalregierung" in Nanjing — eine Gegenregierung zum Tschiang-Kai-schek-Kabinett in Chongqing — unter dem chinesischen Quisling Wang Jingwei abgelöst. 63 Unmittelbar nach Beendigung der deutschen „Vermittlungsaktion" im Fernen Osten hatte der japanische Botschafter in einem Gespräch mit Neurath die weiteren Ziele der herrschenden Clique Japans folgendermaßen charakterisiert: „ . . .die Japanische Regierung könne nach der militärischen Niederlage Chiang Kai-sheks diesen nicht mehr als Vertreter des chinesischen Volkes anerkennen, die chinesische Zentralregierung existiere nicht mehr. Japan werde sich nunmehr bemühen, mit einer neuen chinesischen Regierung, die sich vermutlich aus den schon jetzt bestehenden Regierungen in Peking und Schanghai zusammensetzen werde, über die Beendigung des 60

Ebenda, Nr Trautmann Hankou, 9. ebenda, Nr

61

Ebenda, Nr 597, S. 712, Ribbentrop an Trautmann, Berlin, 20. 6. 1938. D Z A Potsdam, DBC, Nr 2249, Bl. 161, Lautenschlager, deutsche Botschaft in Hankou, an das A A , Hankou, 9. 7. 1938. Ribbentrop dürfte der Anlaß, Trautmann zurückzurufen, sehr willkommen gewesen sein, entsprach doch dessen prochinesische Orientierung nicht mehr den Zielen der deutschen Fernostpolitik. Siehe dazu: Ostwald, Paul, a. a. O., S. 50 f. Martin Fischer fungierte nach der Abreise Trautmanns als Geschäftsträger. AdAP, Bd IV, Nr 538, S. 607 Anm. 3.

62

63

578, S. 695, Aufzeichnung Weizsäckers, Berlin, 27. 4. 1958; ebenda, Nr 580, S. 696, an das A A , Hankou, 30. 4. 1938; ebenda, Nr 582, S. 698f., Trautmann an das A A , 5. 1938; ebenda, Nr 583, S. 699f-, Ribbentrop an Trautmann, Berlin, 13. 5. 1938; 584, S. 700, Ribbentrop an Trautmann, Berlin, 17. 5. 1938.

Tansill, Charles Callen, a. a. O., S. 531. Die bereits 1936 gegründete „Antikommunistische Autonome Regierung von Ost-Hopei" wurde am 1. Februar 1938 aufgelöst, ihre „Rechte und Pflichten" mit auf die „Vorläufige Regierung der Chinesischen Republik" in Peking übertragen. D Z A Potsdam, DBC, Nr 2102, Bl. 130fr., Dr. Bidder, deutscher Konsul in Peking, an die deutsche Botschaft in Hankou, Peking, 3. 2. 1938.

82

III. Die Entscheidung für Japan

Kriegszustandes zu verhandeln." 64 Vorerst führten die japanischen Bemühungen jedoch noch zu keinem greifbaren Erfolg, so daß auch die eventuelle diplomatische Anerkennung einer japanhörigen Regierung in China seitens Deutschland nicht akut wurde. Am 5. Juli hatte die deutsche Botschaft in Tokio zwar berichtet, daß einflußreiche japanische Kreise mit einer baldigen Anerkennung der Marionettenregierungen in Nanjing und Peking durch Deutschland rechneten.65 Im gleichen Sinne äußerte sich auch der italienische Botschafter im Oktober 1938 in Shanghai: „ E r sei überzeugt, daß Deutschland und Italien neue Chinesische Zentralregierung nach Anerkennung durch Japan ebenfalls .anerkennen würden." 66 In der Folgezeit hatten die Okkupanten auf diesem Gebiet aber eher Rückschritte als Fortschritte zu verzeichnen, nicht zuletzt auf Grund der energischen Protestaktionen des chinesischen Volkes in den besetzten Gebieten. So schrieb Ott am 26. November 1938: „Japans Wunsch nach deutscher Anerkennung einer chinesischen Zentralregierung tritt hier erheblich geringer zutage als gegenüber unserer Botschaft in China. . . . Habe Eindruck, daß Bildung Zentralregierung vertagt, da persönliche und politische Voraussetzungen noch nicht gegeben. Auch Kriegsminister hat in Presseinterview sich in diesem Sinne geäußert." 6 7 Deutschland dürfte auch in der Frage, eine oder mehrere Satellitenregierungen in China anzuerkennen, 1938 durchaus bereit gewesen sein, den Wünschen seines fernöstlichen Verbündeten nachzukommen.68 Die Frage wurde lediglich nicht spruchreif, weil, noch keine Regierung gebildet werden konnte, die den Ambitionen der herrschenden Kreise Japans entsprochen hätte. Wenn der deutsche Imperialismus sich in seiner Fernostpolitik seit Anfang 1938 eindeutig auf Japan orientierte, so bedeutet dies allerdings nicht, daß sämtliche Beziehungen zur Tschiang-Kai-schek-Regierung abgebrochen worden wären. Das war weder 1938 noch in den Jahren des zweiten Weltkrieges der Fall. Im Januar 1938 hatte das Guomindang-Kabinett unter dem Druck der chinesischen Volksmassen die Bestrebungen der Hitlerdiplomaten, die auf die Umwandlung Chinas in eine japanische Kolonie zielten, zurückgewiesen. Obwohl die Politik des faschistischen Deutschlands in den folgenden Monaten eindeutig auf die Unterstützung der japanischen Aggressoren und gegen den gerechten, nationalen Kampf Chinas gerichtet war, arbeiteten führende Vertreter der Guomindang nach wie vor daran, Deutschland und besonders Italien für eine neue „Vermittlungsaktion" zu gewinnen, 64

AdAP,

Bd 1, N r 562, S. 670, Aufzeichnung Neuraths, Berlin, 25. 1 . 1 9 3 8 ; Der japanische Bot-

schafter, E x z . T o g o , in Hamburg, in: Ostasiatische Rundschau, 7 / 1 9 3 8 ( 1 . 4.), S. 1 6 2 . 65 P R O London, G F M , 2/1693, Bl. 397 922, Kolb, deutsche Botschaft in Tokio, an das A A , Tokio, 5. 7. 1938. 66 D Z A Potsdam, D B C , N r 2 1 9 3 , Bl. 48, Lautenschlager an die deutsche Botschaft in Chongqing, Shanghai, 24. 10. 1 9 3 8 . 67

AdAP,

Bd 4, N r 538, S. 608, Ott an das A A , Tokio, 26. 1 1 . 1 9 3 8 ; siehe auch: P R O London,

G F M , 2/5242, Bl. E 3 1 1 4 1 6 , Ott an das A A , Tokio, 27. 10. 1 9 3 8 . 68

Während eine japanische Satellitenregierung in China anerkannt werden sollte, konnte der neuernannte chinesische Botschafter in Deutschland, Chen Iie, monatelang sein Beglaubigungsschreiben nicht abgeben, da Hitler ihn nicht empfing. A d A P , Bd I V ^ N r 541, S. 6 i o f . , Fischer, Geschäftsträger in Nanjing, an das A A , Shanghai, 29. 12. 1938.

2. Die Unterstützung det japanischen Aggression

83

d. h. praktisch die Kapitulation Chinas vor dem japanischen Imperialismus vorzubereiten. 69 E i n solcher Versuch der Guomindang-Führer, auf dem Weg der Kapitulation zu einem Kompromiß mit den japanischen Aggressoren zu kommen, fand im März 1938 statt. D i e chinesischen Kapitulanten setzten dabei vor allem auf die Hilfe der italienischen und der englischen Regierung, Deutschland spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle. Trautmann telegrafierte in dieser Angelegenheit am 16. März nach Berlin: „Italienischer Botschaftsrat hat mich heute davon informiert, daß sowohl Wangchinwei wie Kung an ihn herangetreten sind, um zu sondieren, ob mit Hilfe Italiens und vielleicht einer dritten Macht etwas für die Herbeiführung des Friedens getan werden kann. Wangchinwei hat angedeutet, daß China bereit wäre, ein spezielles Regime in der Mongolei und in Schanghai anzuerkennen, über die sonst von den Japanern gewünschten Sonderregimes und demilitarisierten Zonen müßten die Japaner zunächst Einzelheiten mitteilen, die Frage des Cominternpaktes würde keine Schwierigkeiten machen, und man würde auch evtl. eine Kriegsentschädigung zahlen. D i e Chinesen wären bereit, Mandschukuo anzuerkennen; darüber, wie dies geschehen soll, haben sie noch sehr vage Ideen. Mit der dritten Macht ist offenbar England gemeint." 7 0 Einen T a g später sprach der italienische Botschaftsrat Graf Magistrati in Berlin bei Ribbentrop vor, um ihm — mit kleinen Varianten — die gleichen Informationen zu überbringen, die Trautmann am 16. März telegrafisch übermittelt hatte. 71 Ribbentrop gab dem italienischen Botschaftsrat jedoch deutlich zu verstehen, daß die japanische Regierung unter den vom chinesischen Kabinett vorgeschlagenen Bedingungen kaum zu Verhandlungen geneigt sein dürfte. 7 2 Über das Scheitern dieses vor allem von Wang Jingwei, H. H. Gong und Tschiang Kai-schek ausgehenden Kapitulationsversuches berichtete Trautmann am 7. April: Graf Ciano habe entschieden, die Zeit für eine Vermittlungsaktion sei noch nicht reif, da die Ansichten der beiden kriegführenden Mächte noch zu weit auseinandergingen. 73 Wie die deutsche Botschaft in China am 4. Juli aus Hankou meldete, setzten die Vertreter des faschistischen Italiens ihre Sondierungen wegen der Kapitulation der chinesischen Regierung fort. Sie stießen dabei allerdings immer wieder auf die japanische Grundforderung, vor eventuellen Verhandlungen habe Tschiang Kai-schek abzudanken. 74 D i e ständigen Versuche der Guomindang-Führung, auch 1958 die Verbindung mit Deutschland nicht abreißen zu lassen, werden durch einen Aufsatz in der von der Guomindang-Sektion in Deutschland herausgegebenen Zeitschrift „ D a s Neue China" «9 Quigley, Harold S., Far eastern war 1937—1941, Boston 1942, S. 8iff.; Mossdorf, Otto, Der Krieg in Ostasien, Bd 1: Der chinesisch-japanische Konflikt, Leipzig 1941, S. 116. "0 DZA Potsdam, DBC, Nr 2106, Bl. igf., Trautmann an das AA, Hankou, 16. 3. 1938. '1 PRO London, GFM 2/145, Bl. 81171, Aufzeichnung Ribbentrops, Berlin, 17. 3. 1938. 72 Ebenda. Siehe auch: DZA Potsdam, DBC, Nr 2106, Bl. 12f., Trautmann an das AA, Hankou, 23. 3. 1938. 7 3 Ebenda, Bl. 10, Trautmann an das AA, 7. 4. 1938. 74 Ebenda, Bl. 4. Lautenschlager an das AA, Hankou, 4. 7. 1938. Siehe auch: PRO London, GFM 2/145, Bl- 81137, Trautmann an das AA, Hankou, 11. 6. 1938.

84

III. Die Entscheidung für Japan

eindeutig charakterisert: „Die chinesische Staatsführung legt aber nach wie vor Wert darauf, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen China und Deutschland zu pflegen, und — soweit es in ihrer Macht steht — zu fördern. Sie hat Maßnahmen getroffen, um zu verhindern, daß sich das chinesische Volk durch das unter dem ersten Eindruck der deutschen Stellungnahme entstandene Gefühl dazu verleiten läßt, in dem bisher mit uns befreundeten Deutschland einen Gegner zu sehen, was scheinbar weder die leitenden Männer Chinas, noch diejenigen Deutschlands wünschen." 75 Auch 1938 war es wiederum das Verdienst der Kommunistischen Partei Chinas, die die Volksmassen immer wieder zur Wachsamkeit aufrief, daß die Führer der Guomindang ihre Kapitulationspolitik nicht realisieren konnten. In diesem Zusammenhang schrieb die „Xinhua ribao" (Hsin Hua Jih Pao), ein seit Anfang 1938 in Wuhan erscheinendes Organ der K P Chinas, am 19. Juli 1938: „Neuerdings tauchen vereinzelte Bestrebungen auf, die . . . China zu einer Verbindung mit Deutschland und Italien bringen wollen. Diesen Leuten fehlt es wahrscheinlich an den nötigen Kenntnissen der politischen Lage in der Welt, oder sie verfolgen andere Absichten! Bei dem Umfange, in dem Italien und Deutschland Japan so unverhohlen Unterstützung gewährt haben, bedeuten die Absichten dieser Leute nichts anderes, als daß China durch die Hände Deutschlands und Italiens zum Paktieren mit und zur Unterwerfung vor Japan gebracht werden s o l l . . . Um die Politik des Abwehrkampfes bis zum Ende durchzuführen, müssen wir eine Verbindung mit Deutschland und Italien ablehnen, um der Schlinge zum Fall Chinas zu entgehen, die Japan uns gelegt hat. Um die Grundsätze der Kuomintang über den Abwehrkampf und den Aufbau Chinas zu unterstützen, um die festgelegte Politik des Abwehrkampfes durchzuführen und um die Sympathie bei den demokratischen Staaten und den Menschen, die den Frieden und den Fortschritt lieben, zu erweitern, dürfen wir keine phantastischen Hoffnungen auf die Staaten der ,Eroberergruppe' setzen." 7 6

3. Die Verhandlungen über einen Militärpakt Berlin—Rom—Tokio

Seit Anfang 1938 leitete Deutschland — wie bereits dargestellt — eine Reihe von Maßnahmen ein, die auch den letzten Anschein einer „neutralen" Stellung zum Fernostkonflikt beseitigen mußten und auf die eindeutige Unterstützung der japanischen Aggression sowie den offenen Affront der Tschiang-Kai-schek-Regierung hinausliefen. Die maßgeblichen Kreise der herrschenden Klasse Deutschlands glaubten, die Positionen des deutschen Imperialismus im Fernen Osten nur durch die Unterstützung Japans halten zu können, an dessen Sieg über China ihrer Ansicht nach kein Zweifel bestand. 75

Z u r Anerkennung „Mandschukuos" durch Deutschland. Mißverständnisse und die Voraussetzungen zu ihrer Beseitigung, in: Das Neue China, 4. Jg., N r 26/27, S. 7.

76

D Z A Potsdam, D B C , N r 379S, Bl. 7 7 f . , Die Linie unserer Außenpolitik, in: Xinhua ribao v. 19. 7. 1 9 5 8 .

3. D i e Verhandlungen über einen Militärpakt

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Sie verbanden damit aber vor allem die Absicht, den japanischen Imperialismus auf diese Weise noch enger an die eigenen Kriegspläne zu binden und den Antikominternvertrag zu einem Militärbündnis auszubauen. D a die Hitlerregierung in der taktischen und strategischen Planung zu diesem Zeitpunkt mehr und mehr davon ausging, vor dem Uberfall auf die Sowjetunion die Widersprüche zwischen dem deutschen und dem anglo-französischen Monopolkapital zugunsten des faschistischen Deutschlands zu lösen — sei es auf dem Wege der Erpressung durch den Druck eines aggressiven Bündnissystems, sei es auf dem Wege der militärischen Auseinandersetzung —, sollte der geplante Militärpakt zunächst vor allem gegen England und Frankreich gerichtet sein. D i e Anerkennung Manzhouguos, die Einstellung der Kriegsmateriallieferungen an die Tschiang-Kai-schek-Regierung und die Abberufung der deutschen Militärberater aus China sollten die Voraussetzungen schaffen, um Japan für diesen Plan Deutschlands zu gewinnen. Die 1938 anlaufenden Verhandlungen über den Pakt der faschistischen Mächte, wie ihn Ribbentrop in seiner Denkschrift vom 2. Januar konzipiert hatte, gerieten jedoch bald in eine Sackgasse, da sich Unstimmigkeiten zwischen dem deutschen und dem japanischen Imperialismus hinsichtlich der nächsten Aggressionsziele ergaben. E i n Teil der herrschenden Klasse Japans — vertreten vor allem durch die Marine, die Hof- und gewisse Wirtschaftskreise — verfolgte die Politik eines Kompromisses mit den Westmächten und bestand darauf, daß der Überfall auf die Sowjetunion das nächste Angriffsziel sein müsse. D e r andere Teil mit der Armee als Exponenten sah ebenfalls die nördliche Richtung, d. h. den Überfall auf die U d S S R , als die Hauptrichtung der japanischen Expansionsbestrebungen an, setzte sich jedoch unter den konkreten Bedingungen am Vorabend des zweiten Weltkrieges energisch dafür ein, die japanischen Aggressionspläne mit denen Deutschlands zu koordinieren. In dem Maße, in dem das faschistische Deutschland darauf Kurs nahm, die Widersprüche mit den imperialistischen Konkurrenten England und Frankreich vor der Auseinandersetzung mit der Sowjetunion zu lösen, trat die japanische Armeeführung für eine Politik ein, die zur Verschärfung der japanisch-englischen und der japanisch-amerikanischen Widersprüche führen mußte. In der Frage der Bündnispolitik unterstützte diese Richtung der herrschenden Klasse Japans entschieden die von Ribbentrop unterbreiteten Vorschläge, ein zunächst hauptsächlich gegen die Westmächte gerichtetes Militärbündnis der drei faschistischen Mächte abzuschließen. 77 Ebenso wie bei den zwei Richtungen in der Fernostpolitik Hitler77

Siehedazu u. a.:ABIICCGP, $OHH43Ö, onHCb 2, nanKa 7 4 . flejio 2 0 3 , jioi. 2 3 i f f . ( = 3 3 7 6 0 f r . ) , Verhör Torshiro Kawabes, 2 1 . u. 2 4 . 11. 1 9 4 6 ; ebenda, Bd 2 0 4 , Bl. I2jff. ( = 33997ff-) Verhör Oshimas; ebenda, nanna 34, «ENO 105, JIJI. 3 o f f . ( = 6o49fi.), Exzerpte aus dem Verhör Oshimas betr. die Verhandlungen über den Abschluß des Dreimächtepaktes von Januar 1938 bis April 1939 (Exhibit 4 9 7 ) . An die taktischen Differenzen anknüpfend, die bei der Vorbereitung des zweiten Weltkrieges innerhalb der herrschenden Klasse Japans auftraten, versuchten reaktionäre japanische Historiker nach 194;, die Zaibatsu — d. h. die japanischen Finanzkapitalisten, die praktisch die gesamte Wirtschaft des Landes beherrschten — von der Schuld an der Entfesselung des Krieges freizu-

III. Die Entscheidung für Japan

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deutschlands handelte es sich auch bei den Differenzen innerhalb der herrschenden Klasse Japans nicht um einen prinzipiellen, sondern lediglich um einen taktischen Gegensatz. D i e Bestrebungen der Richtung innerhalb der herrschenden Klasse Japans, die für einen Kompromiß mit den Westmächten, für den direkten Vorstoß in nördliche Richtung, gegen die Sowjetunion, eintrat, waren die Ursache dafür, daß die Verhandlungen über den Militärpakt der drei faschistischen Mächte nahezu drei Jahre erfolglos blieben. Erst angesichts der militärischen Siege Deutschlands 1939/40 änderte sich das Kräfteverhältnis innerhalb der herrschenden Klasse Japans entscheidend zugunsten der Kräfte, die bereit waren, das Schicksal des japanischen Imperialismus auf das engste mit dem des faschistischen deutschen Imperialismus zu verbinden: Im September 1940 wurde der Dreierpakt zwischen Deutschland, Japan und Italien unterzeichnet, dessen vorbereitende Verhandlungen schon 1938 begonnen hatten. 78 Bereits im Januar 1938 hatte Ribbentrop dem japanischen Militärattache Oshima die engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Japan vorgeschlagen 79 , ohne allerdings in den folgenden Wochen und Monaten weiter darauf zu drängen. E s war die Zeit, in der die Hitlerregierung erst einmal den japanischen Forderungen in bezug auf China nachkam und offensichtlich die Wirkung dieser Politik abwarten wollte. Weit reger waren in diesen Monaten die Gespräche, die in der Frage des Militärpaktes zwischen Berlin und Rom geführt wurden. 80 Wahrscheinlich als Antwort auf das Januargespräch zwischen Ribbentrop und Oshima unterbreitete dieser am 28. Juni Weizsäcker den Entwurf eines Abkommens, das zwischen der deutschen Wehrmacht (ausschließlich der Kriegsmarine) und der japanischen Armee abgeschlossen werden sollte. 81 Auf Vorschlag Weizsäckers wurde der japanische Entwurf mit geringfügigen Änderungen in der folgenden Form Ribbentrop übergeben: „Streng

geheiml

Nach dem Geist des Antikomintern-Abkommens vom 25. November 1936 haben die Deutsche Wehrmacht (ausschließlich der Kriegsmarine) und die Japanische Armee folgendes vereinbart: sprechen.

Um das japanische Monopolkapital über die Niederlage von 1945 hinwegzuretten,

wurde der Militärclique die gesamte Schuld an der Kriegspolitik Japans in die Schuhe geschoben. Der progressive japanische Historiker Jujiro Uesugi hat dazu auf der ersten wissenschaftlichen Konferenz der deutsch-sowjetischen Historiker-Kommission 1957 in Leipzig treffend erklärt: „ D i e japanischen reaktionären Historiker betonen in zu starkem Maße den sekundären Widerspruch zwischen den Monopolherren und der Militärclique und vertuschen dadurch die führende Rolle der Zaibatsu bei den Kriegsvorbereitungen." Uesugi, Jujiro, Die reaktionäre japanische Geschichtsschreibung über den zweiten Weltkrieg, in: Probleme der Geschichte des zweiten Weltkrieges, a. a. O., S. 455. 78

Zu den verschiedenen Taktiken des japanischen Imperialismus und Militarismus siehe auch: Kodom, B., a. a. O., S. I9ff. u. I47f.

79 80 81

Judgment, a. a. O., S. 114. Siehe auch: Presseisen, Ernst L., a. a. O., S. 189fr. Siehe dazu: Sommer, Theo, a. a. O., S. I i 6 f f . P R O London, G F M 2/2134 H, Bl. 467 129; ebenda, Bl. 467 128, Aufzeichnung Weizsäckers über ein Gespräch mit Oshima, 28. 6. 1938.

}. Die Verhandlungen über einen Militärpakt

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1. Beide Teile tauschen die Generalstabsnachrichten über die russische Armee und Rußland aus. 2. Beide Teile wirken bei der Abwehrarbeit gegen Rußland zusammen. 3. Beide Teile halten jährlich mindestens einmal eine gemeinsame Beratung ab mit dem Zweck, die Durchführung des obengenannten Nachrichten-Austausches und der Abwehrarbeit zu erleichtern, sowie die im Rahmen des Antikomintern-Abkommens liegenden Ziele, soweit sie die Wehrmacht betreffen, weiter zu verfolgen. Als Zeitpunkt der gemeinsamen Beratung ist als Regel der Februar jeden Jahres vorgesehen. Ort, Teilnehmer sowie Gegenstände der Beratung werden vorher zwischen beiden Teilen vereinbart." 8 2 Es liegt auf der Hand, daß dieser Entwurf nicht den Vorstellungen entsprach, die die herrschenden Kreise Deutschlands von der weiteren Gestaltung des deutsch-japanischitalienischen Paktes hatten. In einet Unterhaltung mit dem japanischen Militärattache Oshima bezeichnete Ribbentrop Anfang Juli den japanischen Vorschlag daher als „einseitig und schwach" und präzisierte noch einmal die Konzeption der Hitlerregierung, die einen „gegenseitigen Beistandspakt" wünschte, „nicht nur allein gegen die UdSSR gerichtet, sondern gegen alle Länder" 83 . In Zusammenarbeit von Ribbentrop und Oshima und nach Rücksprache mit Hitler entstand im Juli 1938 der erste konkrete Entwurf eines Beistandspaktes, der nicht nur die Sowjetunion, sondern alle Länder zum Gegenstand hatte, auf deren Kosten die faschistischen Mächte die Neuaufteilung der Welt vornehmen wollten. Dieser Vertragsentwurf, der bisher weder in deutschen noch-in japanischen Akten wiedergefunden werden konnte, dürfte die folgenden drei Punkte enthalten haben: Verpflichtung der Unterzeichnerstaaten: 1.bei diplomatischen Verwicklungen mit dritten Mächten sich gegenseitig zu konsultieren, 2. bei Bedrohung durch dritte Mächte sich politische und diplomatische Unterstützung zu leisten, 3. im Falle eines Angriffs durch dritte Mächte sich gegenseitig militärischen Beistand zu leisten.84 Dieser Entwurf vom Juli 1938 wurde durch einen Vertrauensmann, den japanischen Generalmajor Kasahara, nach Japan gebracht, der etwa Anfang August in Tokio eingetroffen sein dürfte. 85 Bevor und während dieser Entwurf vom japanischen Generalstab und der Regierung beraten wurde, startete das faschistische Japan die Provokation am Chassan-See. Die 82

83

84

85

Ebenda, G F M 2/2392, Bl. D 500299; siehe auch: ebenda, Bl. D 500297. Die beiden Entwürfe veröffentlicht bei: Sommer, Theo, a . a . O . , S. I29f. Zit. bei: Ikje, Frank William, a. a. O., S. 79F.; Presseisen, Ernst L., a. a. O., S. 193; Sommer, Theo, a. a. O., S. 122. Sommer, Theo, a. a. O., S. 1 3 1 , hat diesen Text aus Materialien des Tokioter Hauptkriegsverbrecherprozesses rekonstruiert. Neben dem eigentlichen Vertragsentwurf wurde außerdem noch der Entwurf eines geheimen Zusatzprotokolls vorgelegt, in dem Einzelheiten der militärischen Beistandsleistungen in bestimmten Konfliktfällen festgelegt wurden. Ebenda, S. 133.

III. Die Entscheidung für Japan

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Zerschlagung dieser japanischen Aggression durch die sowjetischen Truppen war eine moralische Unterstützung für das heldenhaft kämpfende chinesische Volk und ein Ansporn für alle antifaschistisch-demokratischen, friedliebenden Kräfte in der Welt. Der Sieg der sowjetischen Streitkräfte zwang die reaktionären Kreise Japans, ihre Angriffspläne gegenüber der Sowjetunion zunächst aufzuschieben. Damit demonstrierte die UdSSR mit aller Deutlichkeit, daß es möglich war, den faschistischen Räubern Paroli zu bieten. Wie aus dem Urteil des Tokioter Hauptkriegsverbrecherprozesses hervorgeht, hatte Japan im Zusammenhang mit der Grenzprovokation am Chassan-See — in der Literatur häufig auch als „Tschanggufeng-Konflikt" bezeichnet — Deutschland um Unterstützung gebeten.80 Der Beistand scheint aber über eine Solidaritätserklärung für den japanischen Raubzug nicht hinausgekommen zu sein. In der „Deutschen diplomatischpolitischen Korrespondenz" vom u . August 1938 hieß es in demagogischen Worten dazu: „Als aufrichtiger Freund Japans begleitet Deutschland mit Sympathie die Bemühungen Tokios, erfolgreich seine Rechte zu wahren und gleichzeitig den Frieden zu erhalten. Daß Deutschland sowohl vom rechtlichen wie vom Standpunkt seiner Freundschaft mit Japan aus die Entwicklung mit warmer Anteilnahme verfolgt und an dem Ausgang keineswegs desinteressiert sein kann, ist daher selbstverständlich. Die deutschen Sympathien liegen voll und ganz auf seiten Japans." 8 7 Deutschland, das zum direkten Eingreifen nicht gewillt war, sah in der japanischen Grenzprovokation am Chassan-See vor allem eine Art Versuchsballon, durch den festgestellt werden sollte, wie die -Sowjetunion auf eine derartige Aggression reagierte. In diesem Zusammenhang schrieb die Baseler „Rundschau": „Ein Sieg Japans im Fernen Osten sollte den Bürgen Sowjetunion zur Unbeweglichkeit verurteilen. Man kann sich das Interesse, mit dem seit dem 18. Juli Deutschland die sowjetfeindlichen Provokationen Japans verfolgt und häufig angefacht hat, nicht anders erklären. Hätte die Sowjetunion Weichheit bekundet, so wäre das Haupthindernis, das sich dem Expansionsplan des Dritten Reichs in Mitteleuropa entgegenstellt, behoben gewesen. Der Weg für den großen ,Drang nach dem Osten' des Rassismus wäre frei gewesen." 88 Trotz der Erklärung „warmer Anteilnahme" scheint der Hitlerregierung die japanische Niederlage jedoch nicht ganz unwillkommen gewesen zu sein. Bewirkte diese doch, daß sich die herrschenden japanischen Kreise entschlossen, zunächst aktiver in China zu werden, was automatisch die Widersprüche mit den Westmächten verschärfen mußte und daher nur zu sehr den taktischen Plänen Hitlerdeutschlands entsprach. Als im August der von Ribbentrop überreichte Entwurf eines Militärpakts der drei faschistischen Staaten von der japanischen Regierung beraten wurde, stieß er schon auf größere Bereitschaft, als dies vor der Niederlage am Chassan-See der Fall ge86

Judgment, a. a. O., S. 1 1 0 ; siehe dazu auch: AdAP, Bd 1, Nr 608, S. 726, Aufzeichnung Woermanns, Berlin, 22. 9. 1938.

8? PRO London, G F M 2/1693, Bl. 397942. 88

Pen, Gabriel, Prag, die Ebro-Front und der Hügel von Tschangkufeng, in: Rundschau, 40/1938, S. 13 3 5 f.

}. Die Verhandlungen über einen Militärpakt

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wesen war. Nach wie vor waren aber maßgebliche Kreise der herrschenden Klasse Japans — vertreten vor allem durch die Marine — nicht bereit, ein Militärbündnis abzuschließen, das hauptsächlich gegen die Westmächte gerichtet sein sollte. Als Ergebnis nochmaliger Beratungen wurde von der Fünf-Minister-Konferenz — eine Art inneres Kabinett, dem Premier Konoe, Außenminister Ugaki, Finanzminister Ikeda, Kriegsminister Itagaki und Marineminister Yonai angehörten — E n d e August die japanische Antwort auf den von der Hitlerregierung überreichten Paktentwurf vom Juli 1938 festgelegt: Die japanischen Imperialisten und Militaristen waren zu einem Militärbündnis mit dem faschistischen Deutschland prinzipiell bereit. Diese Allianz sollte aber primär gegen die Sowjetunion und nur sekundär gegen andere Mächte gerichtet sein. Die herrschenden japanischen Kreise waren vor allem nicht gewillt, ihre Handlungsfreiheit aufzugeben und bedingungslos militärische Hilfe zuzusagen, falls Deutschland in einen Konflikt mit den Westmächten in Europa geraten sollte 8 9 , — gerade das aber war der Wunsch der Hitlerregierung. A m 29. August wurden Oshima in zwei Telegrammen die entsprechenden Weisungen seiner Regierung übermittelt. Nachdem einleitend „dem grundsätzlichen Inhalt des von Generalmajor Kasahara überbrachten Vertragsentwurfes" zugestimmt worden war, folgte eine Reihe von Abänderungsvorschlägen, die inhaltlich eine Einschränkung der vorgeschlagenen Bestimmungen bedeuteten. 90 Die Grundtendenz, die Japan dem Dreierpakt geben wollte, wird vor allerh aus dem folgenden Telegramm des Kriegsministeriums an Oshima ersichtlich: „ i . A u s dem Präambel-Entwurf (gemeint ist der von der japanischen Regierung vorgelegte Entwurf — K . D.) geht hervor, daß dieser Vertrag eine Erweiterung des bestehenden Antikominternpaktes ist. E r macht die Absicht deutlich, daß die Sowjetunion das Hauptziel darstellt. E s wurde sorgfältig vermieden, daß aus dem Wortlaut der Eindruck entstehe, England und die Vereinigten Staaten seien die Hauptgegner. 2. D i e Verpflichtung zu militärischem Beistand nach Artikel 3 des Entwurfs ist (im Bündnisfall) weder augenblicklich noch bedingungslos (wirksam). Um die G e f a h r auszuschließen, gegen unseren Willen in ein rein europäisches Problem hineingezogen zu werden, wird eine Konferenz vor der Gewährung militärischer Unterstützung zum Prinzip gemacht. 3. Um dem Vertrag grundsätzlich einen defensiven Charakter zu verleihen, werden .Bedrohung und Angriff' auf solche Fälle beschränkt, wo sie nicht provoziert sind. 4. Im übrigen wird der Entwurf gegenwärtig noch eingehend geprüft." 9 1 Botschafter Togo, dem selbst diese einschränkenden japanischen Bestimmungen noch zu weitgehend erschienen und der immer wieder vor der Verwicklung Japans in einen europäischen Krieg warnte, wurde von seinem Posten in Berlin abberufen und nach Moskau versetzt. Sein Nachfolger sollte kein anderer als Oshima werden, der am 8. Oktober die Ernennungsurkunde erhielt. 92 89 Judgment, a. a. O., S. 115, 125, i z S f . u. 144f.; Ikle, Frank William, a. a. O., S. 81 f. 90 91 Der Text beider Telegramme bei: Sommer, Theo, a. a. O., S. ij7fEbenda, S. 138. 92 Ebenda, S. 128f. Siehe auch: Togo, Sbigenori, Japan im zweiten Weltkrieg. Erinnerungen des japanischen Außenministers 1941—1942 und 1945, Bonn 1958, S. 54. Wie die meisten der nach 7

Drechsler, Deutschland-China-Japan

III. Die Entscheidung für Japan



Die Hoffnung der deutschen Imperialisten und Militaristen, sich bei ihren aggressiven Abenteuern des Jahres 1938 auf die aktive Unterstützung Japans verlassen zu können, hatte sich jedoch nicht erfüllt. Weder bei der Annexion Österreichs im März 1938 noch zur Zeit der heranreifenden „Sudetenkrise" im September bestand der Militärpakt, um den die Hitlerregierung seit Anfang 1938 bemüht war, und der schon allein durch seine Existenz die Westmächte zur Kapitulation allen Forderungen des deutschen Imperialismus gegenüber zwingen sollte. Aber auch ohne den formellen Militärpakt der drei Erobererstaaten kamen die reaktionären Vertreter der Westmächte den Wünschen Deutschlands in bezug auf die Tschechoslowakische Republik nach: In ihrem Bestreben, die deutsche Militärmaschine gegen die Sowjetunion abzulenken, kapitulierten sie Ende September auf der berüchtigten Münchener Konferenz vor den Forderungen des faschistischen Aggressors. Als Ergebnis der Diskussionen, die Ribbentrop und Oshima über die japanischen Vorschläge vom 29. August führten, überreichte der deutsche Außenminister seinem italienischen Kollegen Ciano am 29. September in München einen neuen Vertragsentwurf. Sommer hat bereits darauf verwiesen, daß dieser Entwurf, der die japanischen Wünsche vom 29. August weitgehend, aber nicht vollständig berücksichtigte, wahrscheinlich noch vor dem Höhepunkt der Sudetenkrise ausgearbeitet worden war und vor allem als Druckmittel gegenüber England und Frankreich dienen sollte.93 Dafür spricht, daß der Entwurf, mehr als oberflächlich ausgearbeitet, die Regelung der eigentlich strittigen Fragen auf die Zeit nach Unterzeichnung des Vertrages verschob.94 Wie Sommer schreibt, habe dieser Pakt „dem Reich ein Minimum an Dreiecks-Solidarität und ein Maximum an Propagandanutzen für den Fall eines Krieges mit der Tschechoslowakei"95 verschaffen sollen. Wahrscheinlich ist der Vertrag sogar nur Ciano überreicht und nicht einmal nach Tokio geschickt worden. Wenige Tage nach München ersuchte Staatssekretär von Weizsäcker Botschafter Ott, im Hinblick auf die „Septemberkrise" seine Beobachtungen über die Haltung Japans im Falle eines europäischen Konflikts mitzuteilen.96 Der deutsche Botschafter in Tokio gab daraufhin am 1. November einen Bericht, der die Zusammenarbeit der beiden Aggressoren, aber auch die vorhandenen Widersprüche recht deutlich veranschaulicht. Ott schrieb, daß die Verschärfung der Krise in Europa mit einer japanischen Offensive in China zusammenfiel. Der im August und September geführte Angriff auf Hankou habe zu einer mächtigen Anspannung der japanischen Kräfte geführt, die besonders in Massenaushebungen und in der Steigerung der Produktion 1945 erschienenen Memoiren von maßgeblichen Vertretern der geschlagenen faschistischen Staaten sind auch die Erinnerungen Togos ganz auf Rehabilitierung abgestimmt und darauf ausgerichtet, das Bild eines stets aktiven „Friedenskämpfers" zu zeichnen. 93

Sommer, Theo, a. a. O., S. 143 f.

94 Der ursprünglich in Englisch abgefaßte Entwurf wurde lediglich in der italienischen Fassung in den Archivbeständen des Palazzo Chigi gefunden und veröffentlicht bei: Toscano, Mario,

Le

origine diplomatiche del patto d'acciaio, Florenz 1956, S. 57f. Eine deutsche Übersetzung davon bei: Sommer, Theo, a. a. O., S. 142. Zusatzabkommen zum eigentlichen Vertrag: ebenda, S. 95 Ebenda, S. 144. 96

AdAP, Bd 4, Nr 531, S. 598, Weizsäcker an Ott, Berlin, 1 1 . 10. 1938.

142t.

). Die Verhandlungen über einen Militärpakt

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der Kriegsindustrie ihren Ausdruck fand. Die eingeleitete Offensive habe Japan allerdings auch gezwungen, sich ausschließlich auf das chinesische Ziel einzustellen, woraus vor allem die japanische Stellung zur Verschärfung der Krise in Europa zu verstehen sei: „Am nachdrücklichsten trat für die deutsche Sache die japanische Wehrmacht ein, gemäß ihrer Tradition als Trägerin der Antikomintern-Politik. Besonders die Armee folgte den deutschen Schritten mit lebhafter und zustimmender Anteilnahme Auf dem Gebiet der Wehrmacht setzte auch die wichtigste Wechselwirkung zwischen der Europa-Krise und dem Fernen Osten ein, indem die zunehmende Bindung Englands in Europa den japanischen Entschluß gezeitigt hat, die Verständigungsversuche des Außenministers (Ugaki) mit England abzubrechen und den vielumstrittenen Angriff auf Kanton gegen seinen Willen durchzuführen. Es ist anzunehmen, daß beide Maßnahmen, insbesondere die nicht verborgen bleibende Vorbereitung gegen Südchina rückwärtswirkend den Druck auf England verstärkt und so zu unseren Gunsten gewirkt haben... Die Auffassung der japanischen Armee stellt sich so dar, daß man die zunehmende Spannung in Europa zur Entlastung der eigenen Lage in China begrüßte, ihrer möglichen Entladung zu einem Weltkonflikt aber mit Sorge entgegensah, wie wiederholt von maßgebenden Stellen zum Ausdruck gebracht worden ist. Ein solcher Konflikt hätte aller Voraussicht den Kriegserfolg in China in Frage gestellt, u. a. weil er die lebenswichtige Rohstoffeinfuhr für Japan zum Erliegen gebracht hätte. Zu einer aktiven Mitwirkung gegen eine dritte Macht aber wäre die japanische Wehrmacht, wie oben ausgeführt, trotz bestem Willen, nicht in der Lage gewesen." 97 Die anglo-französische Kapitulation vor Hitlerdeutschland in München wurde von den aggressiven japanischen Kreisen als Signal angesehen, auch im Fernen Osten aktiver vorgehen zu können, ohne daß eine Intervention Englands oder Frankreichs ernstlich zu befürchten war. Daß diese Hoffnung auf richtigen Voraussetzungen basierte, wird u. a. durch eine Mitteilung des englischen Botschafters in Tokio, Sir Robert Craigie, an seinen amerikanischen Kollegen Grew bestätigt. Dieser Mitteilung nach war Craigie von seiner Regierung angewiesen worden, „infolge der europäischen K r i s e . . . gegenwärtig eine Kraftprobe mit der japanischen Regierung zu vermeiden und weiterzumachen, so gut er könne" 9S. Die erste Schlußfolgerung, die die japanischen Aggressoren aus München zogen, war denn auch, vor allem in Südchina aktiver zu werden und den Angriff auf Guangdong, eine der Festen des englischen Monopolkapitals, zu wagen. Ein Bericht Otts vom 2. November hob noch einmal die Wechselwirkungen der aggressiven Aktionen Deutschlands in Europa und Japans im Fernen Osten hervor, die insbesondere auf Kosten des englischen Imperialismus gingen. Die englisch-französische Kapitulation in München und die inzwischen abgeschlossene Eroberung Guangdongs (22. Oktober) und Hankous (25-/26. Oktober) haben sich dahingehend 97 Ebenda, Nr 535, S. 6o2fT., Ott an das AA, Tokio, 1. 11. 1938. Siehe auch: ebenda, Nr 534 S. 601, Aufzeichnung ohne Unterschrift, Berlin, 29. 1. 1938; PRO London, GFM 2/5242, BL E 3 1 1 4 1 6 , Ott an das A A , Tokio, 27. 10. 1938. 98 Grew an Hull, Tokio, 8. 9. 1938, zit. bei: Tansill, Charles Collen, a. a. O., S. 534. 7»

9

III. Die Entscheidung für Japan

2

ausgewirkt, bemerkte Ott, daß sich Japans Haltung gegenüber England zusehends versteifte und die Positionen der aggressivsten Kreise innerhalb der herrschenden Klasse Japans mehr und mehr gestärkt wurden." Die Widerstände, die Japan dem deutschen Werben um ein zunächst gegen die Westmächte gerichtetes Militärbündnis entgegengesetzt hatte, wurden durch die Ereignisse von München sichtlich geschwächt. Wie aus einem Bericht Otts vom 18. November hervorgeht, befürchteten reaktionäre japanische Kreise jetzt sogar eine zu weitgehende Einigung zwischen Deutschland und England. So äußerte z. B. die „Kokumin", ein der Armee nahestehendes Organ, iam 1 1 . November die Befürchtung, „die Annäherung der englisch-französischen an die deutsch-italienische Mächtegruppe könnte sich auf dem Rücken Japans vollziehen und allmählich zu einer Schwächung des deutschen Interesses an Japan führen" 1 0 °. Es ist nicht uninteressant, auch die Spekulationen zu erwähnen, die die profaschistischen Elemente der Guomindong-Führung an den Münchener Verrat der Westmächte knüpften. Einem Schreiben des deutschen Generalkonsuls in Hongkong zufolge gingen die erneut auflebenden Bestrebungen, die Zusammenarbeit mit Deutschland fortzusetzen, u. a. von Gong aus: „Nach Auffassung Dr. Kungs könne jetzt in den deutschchinesischen Beziehungen eine gewisse Wendung zum Besseren verzeichnet werden, jedenfalls müsse man auf allen Gebieten aktiv darauf hinarbeiten. Vor allen Dingen müsse von China in materieller Hinsicht genügend geschehen, und man müsse überall Deutschland mehr Verständnis entgegenbringen." 101 Die verräterischen, kapitulantenhaften Bestrebungen der Tschiang-Kai-schek-Clique in den Tagen und Wochen nach München werden in einem Bericht des TransoceanKorrespondenten in Chongqing, Dr. Eigner, an seine Zentrale in Berlin besonders deutlich dargestellt. Eigner schrieb, daß sich die Hoffnung der Guomindang-Führer, Hilfe von außen zu erhalten, unter den gegenwärtigen Bedingungen auf Deutschland 99

PRO London, G F M 2/442, Bl. 221 }68F., Ott an Weizsäcker, Tokio, 2. 1 1 . 1938. Der Bericht ist überaus aufschlußreich dafür, wie mangelhaft Ott über die Verhandlungen, ein Dreier-Militärbündnis zu schaffen, informiert war. Während Ribbentrop sich bemühte, Japan für einen primär gegen die Westmächte gerichteten Pakt zu gewinnen, äußerte Ott die Befürchtung, der Druck Japans auf England könnte evtl. solche Formen annehmen, daß die deutsch-englischen Beziehungen dadurch in unerwünschtem Maße belastet würden. Siehe auch: D Z A Potsdam, DBC, Nr 2322, Bl. 2, Bloch, Berlin-Tokyo-Axis.

«"> A d A P , Bd 4, Nr 537, S. 606, Ott an das A A , Tokio, 18. 1 1 . 1938. Kurze Zeit vorher hatten hoch die Vertreter Hitlerdeutschlands vor einer japanisch-englischen Einigung gebangt. P R O London, G F M 2/145, Bl- 81 203, Aufzeichnung ohne Unterschrift, vermutlich Februar 1938. 101

D Z A Potsdam, DBC, Nr 2118, Bl. 22, Gipperich an Fischer, Hongkong, 24. 1 1 . 1938. Siehe auch den Bericht Schefflers an die deutsche Botschaft in Chongqing: „Chinesen glauben nach Münchener Konferenz an intensivere Politik westeuropäischer Mächte in Ostasien besonders gegen japanische Interessen und an günstigen Kriegsausgang. Zur Wiederherstellung freundschaftlichster Beziehungen China-Deutschland anregen Chinesen Umgebung Marschalls, welcher nach wie vor auf politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland hinwirke, daß Führer vor

anderen Staatsmännern öffentliche Sympathie-

erklärung für China und deutsch-chinesische Freundschaft abgeben möge." Ebenda, Nr 2193, Bl. n o , Scheffler an die deutsche Botschaft in Chongqing, Hankou, 2. 10. 1938.

4. Die deutsch-japanischen Widersprüche

93

konzentriere. Die Tschiang-Kai-schek-Regierung wäre bereit, Wang Jingwei oder General Changchun, dien Stellvertreter des Marschalls, zu Verhandlungen nach Deutschland zu schicken. Zusammenfassend hieß es, die chinesische Regierung wolle „den Ton der chinesischen Presse, der gegenwärtig gegen Deutschland gerichtet ist, vcn Grund auf . . . ändern. Es (China — K. D.) wäre bereit, seine Bindung mit Rußland zu lösen" 102. Von den Kommunistischen Parteien sowie auch von den progressiven Vertretern des Bürgertums wurde die Wechselwirkung zwischen der faschistischen Aggression in Europa und dem Fernen Osten richtig erkannt. So schrieb die „Iswestija": „ . . . der Beginn der Kriegsoperationen Japans in Südchina und die Bedrohung Hongkongs — all diese Tatsachen sprechen davon, daß die Münchener Vereinbarung nicht das Ende, sondern der Beginn einer neuen, und dabei direkt gegen England und Frankreich gerichteten Periode der Aktivität der Aggressoren ist. Gerade weil die Münchener Vereinbarung der Ausgangspunkt einer neuen Entwicklung der schärfsten imperialistischen Gegensätze ist, ist es interessant festzustellen, in welchem Maße sich die englischen und französischen Teilnehmer am Münchener Übereinkommen irrten und in welchem Maße sie Verwirrung anstifteten, denn die Antwort auf diese Frage gibt die Möglichkeit, ihre wirklichen Absichten und Beweggründe aufzudecken." 1 0 3

4. Die deutsch-japanischen Widersprüche in China Der Zusammenschluß der drei aggressiven faschistischen Staaten im November 1937 und die offene Unterstützung der japanischen Aggression in China durch Deutschland und Italien dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß nach wie vor eine Reihe von Widersprüchen zwischen den Partnern dieser Kriegskoalition bestanden. Neben den bereits dargelegten ernsten Meinungsverschiedenheiten in den Fragen von Taktik und Strategie der geplanten kriegerischen Neuaufteilung der Welt gehörten dazu auch die Differenzen zwischen Deutschland und Japan um die weitere Ausbeutung Chinas. Die deutschen Imperialisten, die sich mit der offenen Unterstützung Japans mehr und mehr gegen die Tschiang-Kai-schek-Regierung stellten, spekulierten darauf, in den von Japan okkupierten Gebieten ebensolche — durch die Ausschaltung der englischen und amerikanischen Konkurrenz vielleicht sogar größere — Gewinne machen zu können als vor der Besetzung Chinas.104 Die japanischen Imperialisten jedoch waren nicht gewillt — wie die Entwicklung der folgenden Zeit beweisen sollte —, ihre Beute mit Deutschland zu teilen. 102

103

104

Ebenda, Nr 4257, Bl. 144f., Eigner an die Transocean G.m.b.H. in Berlin, Chongqing, 24. 10. 1958 (Hervorhebung von mir — K. D.). H3BeCTHH v. 23. 10. 1938, zit. in: „Rundschau" 53/1938, S. 1781 (Hervorhebung von mir — K. D.). Die japanischen Regierungsvertreter waren, um die Unterstützung Deutschlands gegen China zu gewinnen, zunächst nur zu bereit gewesen, den deutschen Imperialisten dahingehend Versprechungen zu machen. Judgment, a. a. O., S. 113.

III. Die Entscheidung für Japan

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Im Zusammenhang mit der Anerkennung Manzhouguos hatte Außenminister Ribbentrop am 22. Februar 1938 dem japanischen Botschafter Togo gegenüber geäußert: „ E r bitte aber seinerseits, die jetzt schwebenden Wirtschaftsverhandlungen ebenso großzügig von japanischer Seite aus zu führen, denn der Konflikt in China und jetzt die Anerkennung von Mandschukuo bedeuten für die am Fernen Osten interessierten wirtschaftlichen Kreise erhebliche Verluste, und er würde es sehr begrüßen, wenn durch ein großzügiges Abkommen ein gewisser Ausgleich dieser Verluste für die Wirtschaft geschaffen würde. D e r Reichsaußenminister betonte, daß er auch schon in Besprechungen, die im Zusammenhang mit dem Antikomintern-Abkommen geführt wurden, den japanischen Herren gegenüber zum Ausdruck gebracht habe, daß er bei in der Zusammenarbeit in China für Deutschland vollständige Gleichberechtigung bezug auf jede Wirtschaftsbetätigung mit den Japanern erwarte." 105 A m 20. Mai überreichte Togo ein pro-memoria an Ribbentrop, in dem Japans Wunsch zum Ausdruck kam, die deutschen Wirtschaftsinteressen in China zu fördern. Gleichzeitig wurde jedoch auch unmißverständlich betont, daß der japanische Imperialismus seine „Sonderstellung" in China unbedingt zu wahren gedenke. Ein Vertrag über wirtschaftliche Sonderrechte des deutschen Imperialismus in den okkupierten Gebieten Chinas wurde generell abgelehnt. 106 In dem sich anschließenden Gespräch wies Ribbentrop noch einmal auf die „deutschen Leistungen für Japan" hin: Anerkennung Manzhouguos, geplante Rückberufung der Militärberater und Einstellung der Kriegsmateriallieferungen. „Dankbarkeit" fordernd, beklagte Ribbentrop ferner den „Schaden Deutschlands im Verhältnis zu China": die durch nicht eingehaltene Verträge notwendig gewordenen Devisenrückzahlungen, den Verlust von Kriegslieferungsverträgen, den Boykott deutscher Waren in China und die voraussichtliche Zahlungsverweigerung Chinas. W a r 1937 der japanische Imperialismus unzufrieden mit seinem deutschen Verbündeten gewesen, so war es jetzt umgekehrt. Mit drastischen Worten rügte Ribbentrop das , : mangelnde japanische Entgegenkommen", das sich seiner Ansicht nach äußerte: in der ungenügenden Freigabe eingefrorener Forderungen, in der wenig günstigen Behandlung bei Erteilung von Devisengenehmigungen, in der ungünstigen Behandlung gegenüber anderen Ländern bei Regierungsaufträgen in Manzhouguo, in der Unterbindung des deutschen Handels in Nordchina und in der schleppenden Behandlung deutscher Kriegsschädenforderungen. Ribbentrop formulierte die folgenden Wünsche des deutschen Imperialismus hinsichtlich der okkupierten bzw. noch zu okkupierenden Gebiete Chinas: größeres japanisches „Entgegenkommen in Wirtschaftsfragen; Festlegung der mehrfach zugesagten bevorzugten Stellung in der japanischen Festlandssphäre; Ankündigung des Verlangens größerer Devisenerträgnisse im deutsch-japanischen Handel im Hinblick auf die Ausfälle im deutsch-chinesischen Handel". 1 0 7 103 A d A P , Bd 1, Nr 571,S. 684, Notiz Raumers, Dienststelle Ribbentrop, über den Besuch T o g o s bei Ribbentrop am 22. 2. 1938, Berlin, 23. 2. 1938 (Hervorhebung von m i r — K. D.). •06 Ebenda, Nr 587, S. 702f., Aufzeichnung Wiehls über eine Besprechung zwischen Ribbentrop und T o g o am 20. 5. 1938, Berlin, 2. 6. 1938; japanisches pro-memoria, aufgestellt am 20. 5. 1938. 107 Ebenda, Nr 588, S. 704, Aufzeichnung Wiehls über ein Gespräch zwischen Ribbentrop und T o g o am 20. 5. 1938, Berlin, 2. 6. 1938.

4. Die deutsch-japanischen Widersprüche

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E s waren also nicht nur Differenzen um die Ausbeutung Chinas, sondern auch Meinungsverschiedenheiten über die weitere Gestaltung des deutsch-japanischen Handels, die besonders von Mai bis Juli 1938 auftraten, als die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Japan einen Höhepunkt erreichten. 108 Beide Staaten wollten im gegenseitigen Wirtschaftsverkehr möglichst wenig Devisen aufwenden. In einer weiteren Aussprache mit dem japanischen Botschafter am 28. Mai erklärte Ribbentrop dazu: „Die deutschen Devisenverluste in China seien so ernst, daß unter ihrem Druck ganz allgemein bei allen schwebenden und zukünftigen Verhandlungen, nicht nur bei denen mit Japan, von deutscher Seite auf größere Deviseneinkommen mehr als bisher Wert gelegt werden müsse. Daraus, daß die neuen, den Devisenverlust in China außerordentlich steigernden Maßnahmen (Militärberater, Unterbindung der Kriegsgerätelieferungen) mitten im Laufe der Verhandlungen mit Japan getroffen worden seien, wäre der neue deutsche Vorschlag ohne weiteres verständlich..." 1 0 9 Hatte der japanische Botschafter am 28. Mai bereits kategorisch die Zahlung von mehr Devisen an Deutschland abgelehnt, so sprach er sich am 3. Juni in einer Unterhaltung mit Ministerialdirektor Wiehl auch gegen dessen und Raumers Anregungen aus, den Wortlaut des japanischen pro-memoria vom 20. Mai dahingehend abzuändern, daß sich eventuelle Zugeständisse an den deutschen Imperialismus auf alle von Japan okkupierten Teile Chinas bezögen und daß Deutschland eine „Vorzugsstellung" dritten Mächten gegenüber eingeräumt würde. 1 1 0 Am 29. Mai übergab Togo Ribbentrop ein abgeändertes pro-memoria zum deutschen Handel in China, nach dem den deutschen Imperialisten in der Praxis zwar eine Besserstellung gegenüber allen anderen Mächten zugebilligt werden sollte, dies vertraglich jedoch nicht festgelegt werden könnte, ein Vorschlag, den Ribbentrop als unbefriedigend für die Interessen des deutschen Imperialismus bezeichnete. 111 Während die Verhandlungen noch liefen, drängten die japanischen Okkupanten die übrigen imperialistischen Mächte in den besetzten Gebieten Chinas mehr und mehr zurück mit dem Ziel, den fremden Handel völlig auszuschalten bzw. nur auf den Gebieten zuzulassen, auf denen die japanische Industrie selbst noch nicht liefer- oder aufnahmefähig w a r . 1 1 2 Wie aus einer Aufzeichnung von Ministerialdirektor Wiehl hervorgeht, trafen diese japanischen Maßnahmen die deutsche Industrie insbesondere auf den Gebieten der Eisenbahnlieferungen und der Elektrizitätswirtschaft, auf denen deutsche Monopole lange Jahre den chinesischen Markt bestimmt hatten. 119 In einem Bericht, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigließ, schrieb der deutsche Konsul in Jinanfu (Tsinanfu), Siebert dazu: „Das alles [das relativ gute Verhältnis zu den 108

Judgment, a. a. O., S. n } .

109 AdAP, Bd 1, Nr 589, S. 705, Aufzeichnung Wiehls über eine Besprechung zwischen Ribbentrop und Togo am 28. 5. 1938, Berlin, 2. 6. 1938. 110

Ebenda, Nr 590, S. 7o6f., Aufzeichnung Wiehls, Berlin, 3. 6. 1938. Siehe auch: Ebenda, Nr 595, S. 7 1 1 , Aufzeichnung Raumers, o. O., 18. 6. 1938.

111

Ebenda, Nr 602, S. 717fr., Aufzeichnung Ribbentrops, Berlin, 29. 6. 1938. Siehe auch: ebenda, Nr 603, S. 719, Aufzeichnung Ribbentrops, Berlin, 5. 6. 1938.

112

AdAP, Bd 1, Nr 605, S. 721, Aufzeichnung Wiehls, Berlin, 28. 7. 1938.

113

Ebenda.

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III. Die Entscheidung für Japan

japanischen Konsulatsbehörden — K. D.] darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß im allgemeinen die wirtschaftlichen Bestrebungen auch der deutschen Kaufleute, offenbar planmäßig, wenngleich nicht in ganz so schroffer Form wie z. B. bei den Engländern, behindert werden. Zunächst soll anscheinend erst mal alles dem japanischen Einfluß unterworfen werden, und nachher werden dann vielleicht auch andere am Kuchen knabbern dürfen." 1 1 4 Wie aus den angeführten Materialien erhellt, waren es zwei Hauptforderungen, die der deutsche Imperialismus in bezug auf China erhob: i. die „vollständige Gleichberechtigung . . . mit den Japanern" und 2. die „Vorzugsbehandlung gegenüber dritten Mächten", d. h. gegenüber England und den USA. Die erste Forderung wurde von den japanischen Monopolisten kategorisch abgelehnt, wobei sie demagogisch „auf die ungeheueren Opfer an Gut und Blut, die Japan (bei dem verbrecherischen Überfall auf China — K. D.) gebracht habe" 1 1 5 , verwiesen. Aber auch die zweite Forderung — Vorzugsbehandlung der deutschen Imperialisten gegenüber England und den USA — wurde nicht erfüllt. Wie es in einem Schreiben Wiehls an Ott hieß, lag der Grund für diese Ablehnung „offenbar darin, daß eine solche Verpflichtung einer Einigung mit England im Wege stehen würde. In der Tat scheint nach inzwischen bekannt gewordenen vertraulichen Nachrichten Japan England zugesagt zu haben, daß es keinem Lande eine Vorzugsstellung einräumen werde." 1 1 6 Der hier angeführte Grund für die japanische Weigerung, dem deutschen Imperialismus ©ine Vorzugsstellung vor England und den USA auf dem chinesischen Markt einzuräumen, wurde von Ott noch klarer formuliert: „Arita, besonders Armee, sucht grundsätzlich deutsche Mitarbeit, scheut aber vertragliche Vorzugsstellung, weil Japans Handelsbeziehungen mit England und Amerika lebenswichtig." 117 Maßgebliche Kreise der herrschenden Klasse Japans waren nach wie vor bestrebt, einen Konflikt mit den wirtschaftlich starken Westmächten möglichst zu verhindern, und lehnten eine zu enge Bindung an Deutschland ab. Die Politik dieser Kreise — die in gewissem Sinne der Konzeption von Schacht, Neurath und Blomberg entsprach — verhinderte nicht nur den Abschluß des geplanten uneingeschränkten Militärbündnisses der drei Aggressoren, sondern war auch entscheidend dafür, daß die Forderung des deutschen Imperialismus auf Vorzugsbehandlung in China gegenüber England und den USA nicht erfüllt wurde. 1 1 8 Die mehr als drei Jahre ergebnislos verlaufenden Verhandlungen über ein deutsch114

D Z A Potsdam, DBC, Nr 2102, Bl. 101, Siebert an die deutsche Botschaft in Chongqing, Jinanfu, 15. 8. 1938. Siehe auch: ebenda, Nr 2728, Bl. 2of., Deutsche Handelskammer Tientsin. Jahresbericht des Vorstandes für 1938; PRO London, G F M 2/5243, Bl. E 311 420, Ott an das A A , Tokio, 30. 8. 1938.

lf5

AdAP, Bd 1, Nr 571, S. 684, Notiz Raumers, o. O., 23. 2. 1938; ebenda, Nr 606, S. 725, Wiehl an Ott, Berlin, 9. 8. 1938. « 6 Ebenda. Siehe auch: D Z A Potsdam, DBC, Nr 3168, Bl. 2i4f., Wiehl an Staatsrat Helfferich, Vorsitzender des Ostasiatischen Vereins Hamburg-Bremen, Berlin, 22. 1 1 . 1938. 117

AdAP, Bd 4, Nr 536, S. 606, Ott an das A A , Tokio, 17. 11. 1938 (Hervorhebung von mir. — K. D . ) . 118 Vgl. dazu u. a.: Judgment, a. a. O., S. 113.

4- Die deutsch-japanischen Widersprüche

97

japanisches Militärbündnis sowie die vergeblichen Bemühungen beider Mächte, eine Einigung über die weitere Ausbeutung Chinas zu erreichen, spiegeln letztlich die ganze komplizierte Situation am Vorabend des zweiten Weltkrieges wider. Diese wurde dadurch gekennzeichnet, daß einerseits der entscheidende und grundsätzliche Widerspruch zwischen der gesamten kapitalistischen Welt und der sozialistischen Sowjetunion bestand, andererseits der ständig wachsende Widerspruch zwischen den beiden einander feindlich gegenüberstehenden Gruppierungen innerhalb des kapitalistische.n Systems selbst. Die maßgeblichen Vertreter des deutschen Imperialismus entschieden sich mehr und mehr dafür, zunächst den zweiten Widerspruch zu „lösen", einflußreiche Kreise des faschistischen Japans dagegen wollten mit dem ersten beginnen. Weil beide Mächte letztlich nur jeweils an der Erreichung der eigenen imperialistischen Ziele interessiert waren, gelang es ihnen nicht, ihre Aktionen zur Vorbereitung der kriegerischen Neuaufteilung der Welt wirklich zu koordinieren.

IV.

Die widerspruchsvolle Allianz (1938/1939)

Ende Oktober 1938 hatten japanische Truppen Guangdong und Hankou besetzt. Nunmehr befanden sich fast alle chinesischen Großstädte in der Hand des Aggressors. D a der von der Kommunistischen Partei Chinas geführte antijapanische Partisanenkrieg eine wachsende Gefahr für die Okkupanten bedeutete, die befreiten Gebiete sich zusehends vergrößerten und festigten, sahen die herrschenden Kreise Japans in dieser Situation keinen anderen Ausweg, als die strategische Offensive an der Front der Guomindang-Truppen einzustellen und die Hauptkräfte des Aggressionsheeres in das Hinterland zu dirigieren. Damit waren die japanischen „Blitzkriegs"pläne eindeutig gescheitert. D i e Etappe des strategischen Angriffs Japans war beendet, es begann die Etappe des relativen Gleichgewichts der K r ä f t e beider kriegführenden Seiten. D i e Front der befreiten Gebiete wurde zum Hauptkriegsschauplatz in China; von Oktober 1938 bis April 1944 fanden an der Frontlinie der Guomindang-Truppen keinerlei größere Kämpfe statt. 1 D i e herrschenden Kreise Japans gingen seit Oktober 1938 von der vorwiegend militärischen zur vorwiegend politischen Offensive über, d. h. sie forcierten ihre Bestrebungen, den Krieg gegen China durch einen Kompromiß mit der GuomindangFührung zu beenden. D e r Hauptgrund für diese Umstellung in der Taktik w a r die Furcht vor der immer mehr anwachsenden chinesischen nationalen Befreiungsbewegung. Diese taktische Umstellung wurde jedoch auch noch durch andere Faktoren bedingt: Das japanische Oberkommando verlegte, nachdem es bei der antisowjetischen Provokation am Chassan-See eine vernichtende Niederlage erlitten hatte, einen Teil seiner besten Truppen aus China ,an die Grenze der UdSSR. Der japanische Imperialismus war ferner an einer baldigen Beendigung des Krieges in China interessiert, um im Fall eines militärischen Konflikts in Europa die Hände frei zu haben, sei es für den Überfall auf die Sowjetunion, sei es für den Vorstoß in südliche Richtung, d. h. für den Angriff auf die südostasiatischen Kolonien der imperialistischen Westmächte. 2 Schließlich waren es die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten Japans, die den Abschluß des Krieges in China unbedingt notwendig erscheinen ließen. A m 22. Dezember 1938 gab der japanische Premier Konoe eine politische Deklaration über die „Neue Ordnung in Ostasien" ab, in der die weiteren aggressiven Ziele Japans in China formuliert wurden. Darin kam das Bestreben des japanischen Imperia1

Mjau Tschu-bwang, a. a. O., S. 186.

2

Nikiforom, W.jErenburg, G.jJurjew, M., a. a. O., S. -¡it.

IV. Die widerspruchsvolle Allianz

99

lismus zum Ausdruck, die schon lange nicht mehr „offene Tür" in China endgültig zuzuschlagen und durch die Unterwerfung Chinas die Vorherrschaft im gesamten Fernen Osten zu erringen. Das „Friedens"angebot an die Tschiang-Kai-schek-Regierung, das in der Deklaration enthalten war, umfaßte die folgenden drei Punkte: i. Anerkennung Manzhouguos durch China; 2. Beitritt Chinas zum Antikominternpakt; 3. Stationierung japanischer Truppen in Nordchina, der Inneren Mongolei und an anderen Punkten des Landes. Sollten keine Verhandlungen mit Tschiang Kai-schek zustande kommen, so wollte Japan verstärkt auf die Spaltung der chinesischen nationalen Befreiungsfront hinarbeiten, um „China durch Chinesen selbst" zu erobern, wie die Losung der japanischen Imperialisten lautete. 3 D i e erste Reaktion auf die politische Offensive Japans in China bestand darin, daß ein Teil der reaktionären Guomindang-Clique unter Führung von Wang Jingwei im Dezember 1938 offenen Verrat am chinesischen Befreiungskrieg übte, Chongqing, den damaligen Regierungssitz, verließ und auf die japanische Seite überlief. D i e Verräter stellten sich das Ziel, unter dem Schutz der japanischen Bajonette eine neue Regierung zu bilden, die aufs engste auch mit Deutschland und Italien zusammenarbeiten sollte. Im Zusammenhang mit dem Verrat von Wang Jingwei liefen zahlreiche Generale und Mitglieder des Zentralkomitees der Guomindang zu den Japanern über, um auf deren Seite gegen die Befreiungsbewegung des chinesischen Volkes und gegen die Kommunistische Partei zu kämpfen. Ihren offenen nationalen Verrat versuchten sie unter der demagogischen Losung: „Rettet das Vaterland auf Umwegen" zu verschleiern. 4 Aber auch die TschLang-Kai-schek-Clique, die den Verrat von Wang Jingwei und seiner Anhänger in Worten zwar verurteilte, verstärkte ihre Bemühungen, durch die Vermittlung der Westmächte, nach wie vor jedoch auch mit Unterstützung Deutschlands, einen Kompromißfrieden mit dem japanischen Imperialismus abzuschließen. D a die herrschenden Kreise in Chongqing wußten, daß die chinesischen Volksmassen unter Führung der Kommunistischen Partei diesen Plänen energischen Widerstand entgegensetzten, verstärkten sie den Terror gegen alle fortschrittlichen K r ä f t e des Landes: 1939 wurde die K P C h in den von Tschiang Kai-schek beherrschten Gebieten faktisch verboten, die wenigen demokratischen Rechte wurden mehr und mehr liquidiert. 5 Tschiang Kai-schek und die von ihm vertretenen K r ä f t e waren immer offenkundiger bestrebt, die japanischen Aggressoren zur Schwächung der Kommunistischen Partei, der Achten Armee sowie aller anderen bewaffneten Volksformationen auszunutzen. D i e Guomindang-Regierung in Chongqing zog ihre Truppen in die nordwestlichen und die südwestlichen Gebiete des Landes zurück und verhielt sich passiv gegenüber dem antijapanischen Kampf der Volksmassen in den befreiten Gebieten. 6 An der Wende von der ersten zur zweiten Etappe des chinesischen nationalen Befreiungskrieges, Ende Oktober/Anfang November 1938, trat das 6., erweiterte Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas in Ya'nan zusammen. D i e 3

5

6

Die internationalen Beziehungen im Fernen Osten, a. a. O., S. 383f. Djiän Be-dsanjScbao Hsän-dscbengl Hu Hua, a. a. O., S. 258. Nikiforow, W.JErenburg, G./Jurjea>, M., a. a. O., S. 76. Mjau Tscbu-bmang, a. a. O., S. 187.

I V . D i e widerspruchsvolle Allianz

IOO

Delegierten des Plenums, das eigentlich die Rolle eines Parteitages spielte, erarbeiteten konkrete Richtlinien für die Stellung der Partei in der antijapanischen Einheitsfront unter den neuen Bedingungen: Bei weiterhin aktiver Unterstützung der Einheitsfrontbewegung kam es vor allem darauf an, die Unabhängigkeit der K P C h zu wahren und zu festigen. 7 In seinem Schlußwort präzisierte Mao Tse-tung noch einmal das Prinzip der Unabhängigkeit und der Selbständigkeit in der Einheitsfront und wies die rechtsopportunistische Losung „Alles ist durch die Einheitsfront zu erledigen" als falsch zurück. Er erklärte dazu: „ D i e Kuomintang strebt doch danach, unser Wachstum einzuschränken, und mit der Aufstellung der erwähnten Losung würden wir uns lediglich an Händen und Füßen binden; also darf man sie in keinem Falle aufstellen." 8 Unter Führung der Kommunistischen Partei setzte die Bevölkerung der befreiten Gebiete Chinas im Jahre 1939 ihren heroischen Kampf gegen den Aggressor fort: Eine japanische „Säuberungskampagne" nach der anderen wurde zerschlagen, die antijapanischen Stützpunkte konnten vergrößert werden, die zahlenmäßige Stärke der chinesischen bewaffneten Befreiungsinformation stieg mehr und mehr an. Im Kampf gegen den Feind, der seit Ende 1938 einen massierten Angriff gegen die befreiten Gebiete durchführte, wuchs die Zahl der in den demokratischen, antijapanischen Stützpunkten lebenden Bevölkerung bis 1940 auf 100 Millionen an, die Zahl der unter Führung der Kommunistischen Partei operierenden Formationen auf 500000, die Zahl der Mitglieder der K P C h auf 800 ooo. 9 D i e imperialistischen Westmächte setzten in der Zeit von Oktober 1938 bis August 1939 ihre „Befriedungs"politik im Fernen Osten ebenso wie in Europa fort. Um ihre Widersprüche mit Japan abzuschwächen, waren die Vertreter des anglo-amerikanischfranzösischen Monopolkapitals zu weiteren Zugeständnissen bereit. 10 Mit ihrer Politik, das aggressive japanische Vorgehen in China zu dulden und zu fördern, wollten sie vor allem diejenigen Kreise der herrschenden Klasse Japans ermuntern, die dem von Deutschland vorgeschlagenen, zunächst primär gegen die Westmächte gerichteten Militärbündnis der drei faschistischen Staaten ablehnend gegenüberstanden und den direkten Uberfall auf die Sowjetunion planten. Nach München verstärkten die Westmächte ihre Bestrebungen, einen Kompromiß zwischen der chinesischen und der japanischen Regierung — auf Kosten des chinesischen Volkes — vorzubereiten. 1938/39 wurden, wie die Nachrichtenagenturen Reuter und United Press wiederholt meldeten, die verschiedensten Pläne in London und Washington ventiliert, um eine „Internationale Pazifische Konferenz" einzuberufen,

7 Ebenda, S. 1 8 3 f r . ; Nikiforow, 8

W.jErenburg,

G.jjurjeiv,

M., a . a . O . , S. 75.

Mao Tse-tung, D i e Frage der Unabhängigkeit und der Selbständigkeit in der Einheitsfront, in: Ausgewählte Schriften, a. a. O., Bd 2, S. 2 7 1 ; siehe auch das Referat M a o Tse-tungs auf dem V I . Plenum des Z K der K P C h : D e r Platz der Kommunistischen Partei Chinas im nationalen Krieg, in: ebenda, S. 247fr.

9

Djiän Be-dsanjScbao Hsän-iscbenglHu

Hua, a. a. O., S. z6o[.

M/au Tscbu-bwang, a. a. O . , S. 187; Kodow, B„ a. a. O., S. 11 ff.

IV. Die widerspruchsvolle Allianz

IOI

auf der zwischen den beiden kriegführenden Mächten im Fernen Osten vermittelt werden sollte. 11 Weder die Zugeständnisse der Regierungen Englands und der U S A an Japan noch die Bestrebungen, einen chinesisch-japanischen Kompromißfrieden vorzubereiten, konnten jedoch die weitere Zuspitzung der japanisch-englischen und der japanisch-amerikanischen Widersprüche im Fernen Osten verhindern. Im Februar 1939 annektierte Japan die Insel Hainan, im März die strategisch wichtigen Spratley-Inseln im Südchinesischen Meer. 1 2 Am 12. Mai ging eine japanische Marineabteilung auf der Insel Kulangsu, im Zentrum der internationalen Niederlassung in Amoy, an Land, was einer direkten Herausforderung der anderen imperialistischen Mächte gleichkam. Die USA, England und Frankreich landeten als militärische Demonstration am 17./18. Mai starke Kräfte und zwangen Japan vorübergehend zum Rückzug. 13 Bereits einen Monat später aber verstärkte Japan seinen Druck auf die englischen und französischen Niederlassungen in Tianjin, indem es faktisch die Blockade verhängte und die Bewohner beim Betreten und Verlassen ihrer Viertel strengen Durchsuchungen unterzog. Statt wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen, bemühte sich die englische Regierung um ein Kompromißabkommen mit Japan, wobei sie eindeutig das Ziel verfolgte, die japanische Aggression gegen die Sowjetunion abzulenken. 14 Als Ergebnis der in diesem Zusammenhang geführten Verhandlungen wurde am 24. Juli das CraigieAnita-Abkommen geschlossen, in dem der englische Imperialismus die japanische Aggression in China faktisch sanktionierte. 15 Das Craigie-Arita-Abkommen bedeutete eine neue Etappe auf dem Weg zu einem „Fernost-München". Indem die englische Regierung die „besonderen Aufgaben" Japans in China offiziell anerkannte, spornte sie die japanischen Imperialisten und Militaristen in ihrem Kampf gegen das chinesische Volk sowie bei der Vorbereitung des Überfalles auf die Sowjetunion weiter an. 1 6 Als Antwort auf das Craigie-Arita-Abkommen gab die USA-Regierung am 27. Juli die Kündigung des japanisch-amerikanischen Handelsvertrages vom Jahre 1 9 1 1 bekannt. Diese Reaktion resultierte vor allem aus der Furcht vor einer englisch-japanischen Einigung in China. Ebenso wie die amerikanische Protestnote vom Oktober 1938 brachte die Kündigung des Handelsvertrages sowohl die Verschärfung der japanischamerikanischen Widersprüche als auch die amerikanisch-englische Rivalität im Fernen Osten zum Ausdruck. In der Folgezeit zeigte sich allerdings, daß die Kündigung des CeeocmbüHoe, F. H., IIoJlHTHKa B6JIHKHX flepmaB . . ., a. a. O., S. 441 ff.; Djiän Be-dsanjScbao Hsän-dscbengjHu Hua, a . a . O . , S. 258. 12 13 14

15

16

Rodow, B., a. a. O., S. 1 1 . Die internationalen Beziehungen im Fernen Osten, a. a. O., S. 387. Vgl. dazu: Mao Tse-tung, Gegen das Kapitulantentum, in: Ausgewählte Schriften, a. a. O., Bd 3, S. 22 ff.; derselbe, Unterredung mit einem Korrespondenten der Zeitung „Ssinhwash'bau" über die gegenwärtige internationale Lage, in: ebenda, S. 33fr. Die Erklärung Chamberlains zu diesem Abkommen vor dem Unterhaus am 24. Juli 1939 siehe: Ad AP, Bd 6, Nr 719, S. 837. Die internationalen Beziehungen im Fernen Osten, a. a. O., S. 389.

102

IV. Die widerspruchsvolle Allianz

Handelsvertrages vor allem eine demonstrative, weniger eine praktische Bedeutung hatte: Die kriegswichtigen Lieferungen der U S A an Japan wurden nicht eingestellt, sondern stiegen sogar weiter an. 1 7 Die Sowjetunion setzte auch im letzten Jahr vor der Entfesselung des zweiten Weltkrieges ihre Politik fort, China im Kampf gegen den japanischen Aggressor zu unterstützen. So gewährte sie der chinesischen Regierung am 10. Juli 1939 eine weitere Anleihe in Höhe von 1 5 0 Millionen Dollar. Zum wichtigsten Ereignis der sowjetischen Fernostpolitik des Jahres 1939 wurde die Zerschlagung der neuerlichen japanischen Grenzprovokation am Chalchin-Gol. Im Frühsommer und Sommer 1939, als die deutsch-japanischen Verhandlungen über das Militärbündnis der drei faschistischen Mächte in zunehmendem Maße stagnierten, als auch der Krieg gegen das heldenhaft kämpfende chinesische Volk sich mehr und mehr festfuhr, setzten die japanischen Imperialisten eine Provokation gegen die Mongolische Volksrepublik und gegen die Sowjetunion in Szene. D i e japanischen Aggressoren versuchten, die Grenze zwischen der Mongolischen Volksrepublik und der Mandschurei gewaltsam zu verändern, indem sie eine Grenzziehung längs des Chalcha-Flusses verlangten, obgleich die Grenze laut Dokumenten und Karten östlich des Chalchin-Gol verlief. 1 8 Im Mai begann die japanische Offensive im Gebiet des Chalchin-Gol, die bis in den August hinein andauerte. Mit dieser neuerlichen Provokation verfolgten die herrschenden Kreise Japans das Ziel, „im Raum der mongolischen Volksrepublik bei HalchinG o l . . . durchzubrechen, unsere Sibirische Eisenbahnlinie zu durchschneiden und den Fernen Osten von Rußland abzuschneiden" 1 9 . D i e Sowjetarmee kam auf Grund des mongolisch-sowjetischen Protokolls über gegenseitigen Beistand vom 12. März 1936 der Mongolischen Volksrepublik sofort zu Hilfe, so daß alle japanischen Angriffe abgeschlagen werden konnten. Ebenso wie im Jahre 1938 wurden die Aggressoren zur Kapitulation gezwungen: A m 16. September veröffentlichte die „Iswestija" die Meldung, die die Einstellung der Kampfhandlungen und die Festlegung einer Demarkationslinie zum Inhalt hatte. 20 D i e Zerschlagung der japanischen Provokation, die sich bereits lange vor dem 16. September deutlich abzeichnete, war von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die internationalen Beziehungen am Vorabend des zweiten Weltkrieges: 1. hatte die Sowjetunion damit ein weiteres M a l demonstriert, daß sie trotz der gespannten L a g e in Europa vor keinem Aggressor zurückwich; 2. waren dadurch die japanischen Pläne gescheitert, eine bessere Ausgangsposition für den Uberfall auf die U d S S R zu ge Die entscheidende Passage der Rede Aritas lautete in der Wiedergabe Otts: „Die Tätigkeit der Komintern sei eine Hauptursache des Chinakonflikts, sie müsse niedergekämpft werden, um den Konflikt zu beenden und die Neuordnung Ostasiens durchzuführen. Gleichzeitig aber müsse das Verständnis der Welt, namentlich Englands und Amerikas, für die japanische Haltung geweckt werden. Es sei falsch, wenn England, Amerika und Frankreich die Freundschaft Japans mit Deutschland und Italien als eine Blockbildung der totalitären Mächte gegen die demokratischen Mächte auffaßten. Japans Teilnahme am Anti-Kominternabkommen bedeute nicht, daß es gegen England, Amerika oder andere Länder feindlich eingestellt sei." AdAP, Bd 4, Nr 549. S. 618,

Ott an das AA, Tokio, 14. 3. 1939; siehe auch: Ostwald, Paul, a. a. O., S. 56; Sommer, Theo, a. a. O., S. i89f.; ]udgment, 74

a. a. O., S. 147.

AdAP, Bd 4, Nr 547, S. 615, Ott an das A A , Tokio, 1 8 . 2 . 1939. Am 2. März schrieb Weizsäcker an Ott: „Wir sind Ihnen dankbar, daß Sie über Ihre wiederholten Beobachtungen betreffend die Ausgestaltung des Dreiecks uns jeweils so eingehend berichtet haben, auch ohne Kenntnis der hier inzwischen entstandenen Vorgänge. Ich bin von dem Herrn Reichsaußenminister autorisiert, Ihnen zu sagen, daß Sie auf der richtigen Fährte sind und daß es sich nicht nur um eine Vertiefung, sondern um eine wesentliche materielle Verengung und Bindung des Dreiecks-Verhältnisses handelt." Ebenda, Nr 548, S. 616, Weizsäcker an Ott, Berlin, 2. 3. 1939. Ott wurde über den Verlauf der deutsch-japanischen Verhandlungen erst am 26. 4. 1939 durch Ribbentrop genauer informiert: Ebenda, Bd 6, Nr 270, S. 28of., Ribbentrop an Ott, Berlin, 26. 4. 1939.

118

IV. Die widerspruchsvolle Allianz

Hoffnung weiter Kreise, die Paktverstärkung werde die Erreichung der japanischen Ziele in Ostasien erleichtern. Andererseits wird vielfach die Befürchtung geäußert, jede Verstärkung des Paktes, wie immer sie in ihrem Wortlaut formuliert sei, werde die Beziehungen Japans zu den angelsächsischen Mächten, namentlich zu Amerika entscheidend verschlechtern. Die Rücksichtnahme auf die Vereinigten Staaten erklärt sich aus der einfachen Tatsache, daß Japan von Amerika wirtschaftlich weitgehend abhängig ist, und daß Amerika durch wirtschaftliche Kampfmaßnahmen nicht nur dem japanischen Handel und den ohnedies schwer belasteten japanischen Finanzen, sondern namentlich auch der japanischen Kriegführung äußerst gefährliche Schläge versetzen könnte. Auch die Rücksicht auf das Britische Reich wird hier nie ganz außer acht gelassen und die Vermeidung eines Bruchs in der heutigen kritischen Lage als ein Erfordernis der japanischen Politik betrachtet... Die japanische Wehrmacht, und in seiner überwiegenden Mehrheit auch das japanische Volk, fordern heute die siegreiche Beendigung des Chinakonflikts, die Ablehnung jeden Kompromisses mit Tschiang Kai-schek und die Durchführung des japanischen Ostasienprogramms als Siegespreis für so viele Opfer an Gut und Blut, die nicht vergeblich gebracht sein dürften. Dieser Stimmung muß jede Japanische Regierung Rechnung tragen. Um die Hindernisse, die solchen Zielen entgegenstehen, zu überwinden, um die russische Gefahr zu bannen, aber auch um den englisch-amerikanischen Druck durch einen starken Gegendruck auszugleichen und dadurch Tschiang Kai-schek nach Möglichkeit seiner ausländischen Stützen zu berauben, verlangen die aktiven und vorwärtsdrängenden Kräfte der Nation die Erweiterung des Anti-Kominternpakts zu einem Bündnis. Dieser Forderung widersetzen sich diejenigen Kreise, die in erster Linie eine Verständigung mit England und Amerika erstreben und sich für einen schnellen Frieden einsetzen. Sie finden, wie mehrfach berichtet, ihre Hauptstützen in der Wirtschaft und in den Kreisen um den Thron. Zwischen den Strömungen steht die Regierung zweifellos einem schwierigen Dilemma gegenüber." 7 5 Am 15. März erfolgte die militärische Besetzung der Rest-Tschechoslowakei durch Deutschland, womit einmal mehr das absolute Scheitern der von den Westmächten verfolgten „Befriedungs"politik demonstriert wurde. Die Warnungen der Sowjetunion, daß München für die faschistischen Staaten lediglich der Beginn einer neuen Etappe von Aggressionen sei, hatten sich nur allzu schnell bestätigt. Nach wie vor waren aber die Westmächte nicht bereit, eine wirkliche Revision ihrer Haltung vorzunehmen. Unter dem Druck der Volksmassen kam es lediglich zu gewissen Zugeständnissen. So mußten sie der Einleitung von Verhandlungen mit der Sowjetunion zustimmen 76 , waren aber nichtsdestoweniger weiterhin bestrebt, die Militärmaschine Deutschlands und Japans gegen die UdSSR abzulenken. 77 75 76

77

Ebenda, Bd 4, Nr 549, S. 6i6ff., Ott an das A A , Tokio, 14. 3. 1939. Schüttler, Horst, Die politischen Verhandlungen der Sowjetunion mit Großbritannien und Frankreich im Frühjahr und Sommer 1939, in: ZfG, 8/1959, S. 17r6ff.; Basier, Werner, Die britischfranzösisch-sowjetischen Militärbesprechungen im August 1939, in: ebenda, 1/1957, S. i8ff. Stern, Leo, Die Haupttendenzen der reaktionären Geschichtsschreibung über den 2. Weltkrieg, a. a. O., S. 6 ff.

}. Das Scheitern des Militärpakt-Projektes

119

Am 22. März, unter dem unmittelbaren Eindruck des deutschen Aggressionsaktes in Europa stehend, fand in Tokio eine Fünf-Minister-Konferenz statt, auf der neue Vorschläge in der Paktfrage beschlossen wurden. 78 Ribbentrop schrieb etwa einen Monat später an Ott, daß das japanische Angebot vom 22. März, das am 2. April in Berlin offiziell übergeben worden war, „im wesentlichen deutsch-italienischem Entwurf entsprach, Vertragsdauer allerdings auf fünf Jahre herabsetzte. Früherer japanischer Wunsch, Beistandsverpflichtung ausschließlich auf russischen Fall zu beschränken, wurde aber noch in der abgeschwächten Form aufrechterhalten, daß Japaner unsere ausdrückliche Zustimmung dafür erbaten, nach Unterzeichnung und Veröffentlichung Paktes dem englischen, französischen und amerikanischen Botschafter Erklärung etwa folgenden Inhalts abgeben zu können: Pakt habe sich aus Antikominternabkommen entwickelt; Partner hätten dabei an Rußland als Kriegsgegner gedacht; England, Frankreich und Amerika brauchten sich von ihm nicht betroffen zu fühlen. Kabinett Tokio begründete die Notwendigkeit einer solchen einschränkenden Interpretation des Paktes damit, daß Japan aus politischen und insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen zur Zeit noch nicht in der Lage sei, offen als Gegner der drei Demokratien aufzutreten" 79 . Ein gewisses Entgegenkommen war darin zu sehen, daß Japan die Pflicht militärischer Beistandsleistung nicht nur für den Fall einer Auseinandersetzung mit der Sowjetunion generell anerkannte. Allerdings wünsche Tokio, schriftlich zum Ausdruck zu bringen, daß Japan dieser Pflicht im Augenblick nicht wirksam nachkommen könne. 80 Über den japanischen Vorschlag vom 22. März schrieb Ribbentrop an Ott: „Sowohl Ciano wie ich haben keinen Zweifel darüber gelassen, daß Abschluß eines Vertrages mit dieser mit dem Vertragstext selbst in direktem Widerspruch stehenden Interpretation für uns nicht in Betracht kommt." 8 1 Wie am 7. April in Tokio bekannt wurde, hatten Oshima und Shiratori ihre Weigerung, den japanischen Entwurf vom 22. März anzuerkennen, mit der Erklärung verbunden, Japan würde einem Krieg Deutschlands gegen England und Frankreich beitreten, wenn auch vorläufig militärische Hilfeleistung nicht möglich sei, 82 eine Erklärung, die zu neuen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Richtungen der herrschenden Klasse Japans führen mußte. Auch durch die Eroberung der Tschechoslowakei, die letzte Aggression vor der Entfesselung des Krieges in Europa, war somit keine Klärung in den deutsch-japanischen Paktverhandlungen erfolgt. 78

Auch dieser Entwurf konnte in den Akten des deutschen A A nicht aufgefunden werden. Die französische Fassung ist veröffentlicht bei: Toscano, Mario, a.a.O., S. 199fr.; Sommer, Theo, a. a. O., S. 505 fr., Anhang, Dok. Nr 9; siehe auch: ebenda, S. I94f.; AdAP, Bd 6, Nr 270, S. 281 Anm. 7.

79

Ebenda, Nr 270, S. 281, Ribbentrop an Ott, Berlin, 26. 4. 1939; ebenda, Nr 70, S. 67f., Ott an das A A , Tokio, 23. 3. 1939; siehe auch: Sommer, Theo, a. a. O., S. 195fr.

80

Ebenda, S. 197.

81

AdAP, Bd 6, Nr 270, S. 281, Ribbentrop an Ott, Berlin, 26. 4. 1939. lkle, Frank William, a. a. O., S. 98; Judgment, a. a. O., S. 148; Sommer, Theo, a. a. O., S. 200.

82

I 20

I V . Die widerspruchsvolle Allianz

b) D i e letzten M o n a t e v o r der Entfesselung des zweiten Weltkrieges Im A p r i l 1939 spitzten sich die Auseinandersetzungen um den Militärpakt der drei faschistischen Mächte in J a p a n weiter zu. 8 3 A l s Ergebnis langwieriger Verhandlungen w u r d e am 26. A p r i l v o m K a b i n e t t beschlossen, Premier H i r a n u m a 8 4 solle sich über den deutschen und den italienischen Botschafter in T o k i o mit einer persönlichen B o t schaft direkt an Hitler und Mussolini wenden. W i e Ott nach Berlin berichtete, w a r die Weisung an Botschafter Oshima abgegangen, „ d a ß J a p a n Militärbündnis mit Deutschland und Italien zustimmt ohne Beschränkung auf Rußland. D i e Japanische Regierung verbinde diese Zustimmung mit dem Wunsch, daß der Ausbruch eines K r i e g e s nach Möglichkeit verzögert w e r d e n solle, d a J a p a n zur Z e i t aus militärischen und wirtschaftlichen G r ü n d e n noch nicht zu wirksamer H i l f e f ä h i g sei."

85

D a m i t w a r bereits

im wesentlichen der Inhalt der Hiranuma-Deklaration v o m 4. M a i vorweggenommen. E s ist ein A u s d r u c k der sich überstürzenden Ereignisse in den Monaten unmittelbar v o r der Entfesselung des zweiten Weltkrieges, daß Ribbentrop ungefähr gleichzeitig, am 28. A p r i l , Oshima erläuterte, die Hitlerregierung w e r d e bei einem Scheitern der deutsch-j apanischen Militärpakt-Verhandlungen möglicherweise einen Nichtangriffsvertrag mit der Sowjetunion abschließen. 8 6 In diesen T a g e n gab Ribbentrop auch noch einmal deutlich zu verstehen, w i e sich Deutschland den militärischen Beistandspakt der drei Aggressoren vorstellte. E r erklärte sich mit der weiteren V e r t i e f u n g des Antikomintern-Gedankens in der Präambel des geplanten Vertrages einverstanden, lehnte es aber kategorisch ab, „antirussische Tendenz in irgendeiner W e i s e in den Paktartikeln selbst in die Erscheinung treten zu lassen". D i e zweite Forderung der deutschen Imperialisten und Militaristen besagte, daß „selbstverständlich irgendeine einschränkende Interpretation in dem einen oder anderen Sinne nicht möglich (sei) und . . . von uns unter keinen Umständen akzeptiert w e r d e n "

könne. Schließlich

brachte

Ribbentrop — als Entgegenkommen an die widerstrebenden japanischen K r e i s e — zum Ausdruck, daß der Kriegseintritt eines der Signatarstaaten zwar „ipso f a c t o " auch den Kriegszustand der anderen bedinge, „ A r t und M a ß d e s . . . zu leistenden Beistandes" aber zunächst offen bleiben und erst nach

Paktabschluß

auf

geheimen

Sonder-

besprechungen geregelt werden sollten. 8 7 A m 4. M a i w u r d e Ott in T o k i o d i e sogenannte Hiranuma-Deklaration

übergeben,

deren entscheidende Absätze folgenden Wortlaut hatten: „ W a s nun die Verstärkung 83

A d A P , Bd 6, N r 254, S. 2 6 ; , Ott an das A A , Tokio, 24. 4. 1939. Siehe auch: ebenda, N r 266, S. 2 7 7 f . , Ott an das A A , Tokio, 26. 4. 1 9 3 9 ; ]udgment, a. a. O., S. 149. Nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Konoe hatte Baron Kiichiro Hiranuma am 5. Januar 1939 ein neues Kabinett gebildet.

85

A d A P , Bd 6, N r 2 7 5 , S. 287, Ott an das A A , 27. 4. 1 9 3 9 ; siehe auch: ebenda, N r 285, S. 299, Weizsäcker an Ott, Berlin, 28. 4. 1939 ¡ebenda, N r 298, S. 3 1 5 f., Ott an das A A , Tokio, 30. 4. 1939.

86 Ik/e, Frank William, a. a. O., S. 101. 87

A d A P , Bd 6, N r 304, S. 328, Ribbentrop an Ott, Berlin, 1. 5. 1939. Siehe auch: ebenda, N r 307, S. 330, Ribbentrop an Ott, Berlin, 2. 5. 1 9 3 9 ; ebenda, N r 322, S. 345, Ott an das A A , 4. 5. 1939.

Tokio,

3. Das Scheitern des Militärpakt-Projektes

121

unserer Beziehungen betrifft, so kann ich versichern, daß Japan fest und unerschütterlich entschlossen wäre, an der Seite Deutschlands und Italiens zu stehen, selbst dann, wenn eine dieser beiden Mächte ohne Beteiligung Sowjetunion von einer oder mehreren Mächten angegriffen würde, und ihnen politisch und wirtschaftlich sowie, im Rahmen des Möglichen, auch den in seiner Macht stehenden militärischen Beistand zu leisten. Japan ist dennoch bereit, gemäß den Bestimmungen eines solchen Übereinkommens den Grundsatz der militärischen Unterstützung Deutschlands und Italiens aufzunehmen; indessen ist Japan angesichts der Lage, in der es sich befindet, weder gegenwärtig noch in der nahen Zukunft imstande, ihnen praktisch eine wirksame militärische Hilfe zu leisten. Es versteht sich jedoch von selbst, daß Japan gern diese Unterstützung zuteil werden ließe, wenn dies durch eine Veränderung der Umstände möglich werden sollte. Es wäre mir besonders erwünscht, die ausdrückliche Zustimmung Deutschlands und Italiens zu dem vorstehenden Punkt zu erhalten. Des weiteren wäre Japan infolge der internationalen Lage, der es sich gegenübersieht, gezwungen, hinsichtlich der Erläuterungen (explication), die es im Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Übereinkommens geben wird, die äußerste Umsicht walten zu lassen. Ich würde es begrüßen, auch in diesem Punkte die eindeutige Zustimmung Deutschlands und Italiens zu erhalten." 88 In einem Bericht vom 6. Mai gab Ott nähere Erläuterungen über das Zustandekommen der Hiranuma-Deklaration: Die Botschaft des japanischen Ministerpräsidenten stelle einen Kompromiß dar, den dieser gegen den Widerstand von Außenminister Arita und Marineminister Yonai erreicht habe, ein Kompromiß, den die Armeeführung „für Jetztlage als höchstmögliches Angebot" bezeichne. Die Armee habe zwar vorgeschlagen „bündig zu erklären, daß eine Neutralität Japans keinesfalls in Frage komme", sei aber nicht in der Lage gewesen, ihren Vorschlag durchzusetzen.89 In der Hiranuma-Erklärung war zwar ein weiteres Anrücken an die deutschen Vorstellungen und Wünsche zu verzeichnen, aber die nach wie vor enthaltenen Einschränkungen bedeuteten, die entscheidende Forderung der deutschen Aggressoren auch weiterhin nicht zu erfüllen. Die Hiranuma-Deklaration wurde daher von der deutschen und der italienischen Regierung ignoriert und wahrscheinlich nicht einmal offiziell beantwortet. 90 In den ersten Maitagen arbeitete auch die Hitlerregierung — wiederum in Verbindung mit Oshima — einen neuen Vertragsentwurf aus. 91 Dieser von Gaus, dem Chef der Rechtsabteilung des Ribbentrop-Ministeriums, angefertigte Entwurf eines Konsultations- und Beistandspaktes (vor dem Tokioter Militärtribunal als „Gaus-Plan" be88

89

90

Der vollständige deutsche Text in: ebenda, Nr 326, S. 347ff., Ott an Ribbentrop, Tokio, 4. 5. 1939; Die italienische Fassung veröffentlicht bei: Toscano, Mario, a. a. O., S. 274f. Siehe auch: Sommer, Theo, a. a. O., S. 2i6ff. AdAP, Bd 6, Nr 339, S. 36;f., Ott an Weizsäcker, Tokio, 6. 5. 1939; siehe auch: ebenda, Nr 344, S. 376, Ott an Weizsäcker, Tokio, 8. 5. 1939; ebenda, Nr 363, S. 392, Ott an Weizsäcker, Tokio, 1 1 . 5. 1939. Judgment, a. a. O., S. 150; Ikle, Frank William, a. a. O., S. 107; Sommer, Theo, a. a. O., S. 222.

91

Judgment, a. a. O., S. 152; Sommer, Theo, a. a. O., S. 2iz£.

9

Drechsler, Deutschland-China-Japan

122

I V . Die widerspruchsvolle Allianz

zeichnet) bestand aus den folgenden Teilen: i. dem eigentlichen Pakt; 2. dem Unterzeichnungsprotokoll; 3. einem Geheimen Zusatzprotokoll; 4. einem in den Pakt vor dem Schlußartikel einzuschiebenden neuen Artikel über das Verhältnis des Dreierpaktes zum geplanten Pakt Deutschland-Italien (d. h. zu dem dann am 22. Mai unterzeichneten „Stahlpakt"); 5. dem Entwurf einer vom japanischen Botschafter vor der Unterzeichnung des Vertrages zu übergebenden Notiz über etwaige Ausführungen der japanischen Regierung auf diplomatische Anfragen; 6. dem Entwurf einer vom japanischen Botschafter ebenfalls vor der Unterzeichnung abzugebenden formulierten Erklärung.! 12 Der Entwurf war als weiteres Kompromißangebot an die Kreise der herrschenden Klasse Japans gedacht, die es ablehnten, das geplante Bündnis der drei faschistischen Staaten gegen die Westmächte zu richten, woraus sich die weitgehende Annäherung an die japanischen Vorstellungen erklärt. In der Präambel des Vertrages wurde hervorgehoben, daß der Pakt dazu dienen solle, „die Abwehr gegen die kommunistische Zersetzung in Europa und Asien zu verstärken". Artikel I des eigentlichen Paktes verpflichtete die Unterzeichnerstaaten zur sofortigen Konsultation, falls „eine der vertragschließenden Mächte durch das Verhalten einer an diesem Pakt nicht beteiligten Macht oder mehrerer solcher Mächte in Schwierigkeiten geraten sollte..." Für den Fall, daß eine der Unterzeichnermächte „bedroht" sei, legte Artikel II die Pflicht zur gegenseitigen „politischen und wirtschaftlichen Unterstützung" fest. Artikel III schließlich sah für den Kriegsfall gegenseitige „Hilfe und Beistand" der Vertragspartner vor. Das Geheime Zusatzprotokoll besagte u. a., daß nach Inkrafttreten des Paktes im voraus zu prüfen sei, „welche einzelnen Möglichkeiten von Konflikten bestehen und in welcher Art und in welchem Umfang sich die vertragschließenden Mächte je nach den geographischen Verhältnissen Unterstützung oder Hilfe und Beistand gewähren werden". In dem vor dem Schlußartikel einzuschiebenden Artikel sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß der demnächst zu unterzeichnende deutsch-italienische Pakt „durch den gegenwärtigen Pakt nicht berührt" werde. Die Notiz über etwaige Ausführungen der japanischen Regierung auf diplomatische Anfragen, die integrierender Bestandteil des Vertrages sein sollte, besagte u. a.: „ . . . 2. Historisch ist der Pakt daraus hervorgegangen, daß sich die drei vertragschließenden Mächte in den letzten Jahren zur gemeinsamen Abwehr gegen die Zersetzungsarbeit der Komintern zusammengeschlossen haben. In der gegenwärtigen internationalen Lage fühlt sich Japan seinerseits in erster Linie durch die Bestrebungen der kommunistischen Internationale bedroht. D i e Japanische Regierung hat deshalb als akuteste Friedensgefahr diese von Sowjetrußland ausgehenden Bestrebungen des Kommunismus im Auge gehabt. 3. Sollte eine der an dem Pakt beteiligten Mächte unprovoziert angegriffen werden, so sind die sich daraus für diese Mächte ergebenden Folgen aus dem Wortlaut des Paktes ersichtlich." In der vom japanischen Botschafter vor der Paktunterzeichnung mündlich abzugebenden, formulierten Erklärung hieß es, „daß Japan die in Artikel III des Paktes über92 Der vollständige Text in: A d A P , Bd 6, N r 383, S. 4 1 1 ff., Weizsäcker an Ott, Berlin, 1 5 . 5 . 1939.

Das Scheitern des Militärpakt-Projektes

123

nomraene Verpflichtung zur Gewährung von Hilfe und Beistand in militärischer B e ziehung zur Zeit und in nächster Zukunft nur in beschränktem Umfang durchführen" könne. Ungefähr zu der Zeit, als der Gaus-Plan der japanischen Botschaft in Berlin übergeben wurde, erklärte Oshima dem bereits auf der Reise nach Italien befindlichen deutschen Außenminister in einem Telefongespräch erneut, daß Japan an jedem K r i e g Deutschlands teilnehmen werde, auch wenn es nicht sofort militärische Unterstützung leisten k ö n n e . " E s liegt auf der Hand, daß Oshima damit ein fait accompli für die Diskussion des Gaus-Planes durch das japanische Kabinett schaffen wollte. Arita drohte ob dieser neuerlichen Kompetenzüberschreitung des ihm untergeordneten Botschafters mit dem Rücktritt. Auf der am 7. Mai tagenden Fünf-Minister-Konferenz stellte sich Itagaki jedoch hinter Oshima, und auch Hiranuma billigte die gegenüber Ribbentrop abgegebene Erklärung. 9 4 A m 9. Mai beriet die Fünf-Minister-Konferenz, die nunmehr fast permanent tagte» den Gaus-Plan, ohne daß aber ein Beschluß gefaßt wurde. Während sich Yonai gegen den Vorschlag des Ribbentrop-Ministeriums aussprach mit dem Hinweis darauf, daß der Vertrag nur inoffiziell überreicht sei und außerdem noch keine Antwort auf die Erklärung Hiranumas vom 4. Mai vorliege, stellte sich der japanische Premier erneut hinter die Erklärung Oshimas gegenüber Ribbentrop, daß Japan an jedem Krieg, in den Deutschland oder Italien verwickelt würde, teilnehmen werde, wenn auch nicht aktiv. 9 5 Auf Grund der Tatsache, daß die japanische Regierung die Unterzeichnung des von Deutschland und Italien gewünschten Dreierpaktes immer wieder verzögerte, hatte sich der Plan eines Zweierpaktes zwischen Deutschland und Italien, dem die Hitlerregierung zunächst ablehnend gegenübergestanden hatte, mehr und mehr gefestigt. In den Besprechungen zwischen Ciano und Ribbentrop am 6. und 7. Mai in Mailand w a r schließlich endgültig vereinbart worden, „einen deutsch-italienischen Allianzvertrag umgehend abzuschließen". 96 Bereits am 8. Mai hatte Oshima daraufhin bei Weizsäcker angefragt, ob der geplante deutsch-italienische Pakt mit dem bisherigen Entwurf des Vertrages Berlin-Rom-Tokio im Einklang stünde. D e r japanische Botschafter bat in diesem Gespräch, „ein Wort über den geplanten deutsch-italienischen Militärpakt zu bekommen, welches er gegenüber seiner Heimat verwenden könne, und zwar a) zur Ermutigung meiner Freunde, den Dreieckpakt noch zu retten, b) zur Bekämpfung der Dreieckpaktsgegner, welche von einer Mailänder Sensation sprächen und von einem deutsch-italienischen Rückzug auf die Achse". 9 7 War die Antwort Weizsäckers zunächst nur sehr allgemein gehalten, so wies Ribbentrop am 15. Mai Ott an, die japanische Regierung davon zu unterrichten, daß die V e r 93 94 95 96

97

9*

Ikle, Frank William, a. a. O., S. 107; ]udgment, a. a. O., S. 152; Sommer, Theo, a. a. O., S. 221. Ikle, Frank William, a. a. O., S. 108; Sommer, Theo, a. a. O., S. 224f. Judgment, a. a. O., S. 152; Sommer, Theo, a. a. O., S. 208f. AdAP, Bd 6, Nr 341, S. 372, Aufzeichnung (ohne Unterschrift) über die Besprechung Ribbentrop-Ciano am 6-/7. Mai in Mailand, Berlin, 18. 5.1939. Siehe auch: Sommer, Theo, a. a. 0 . r S. 225 ff* AdAP, Bd 6, Nr 345, S. 376f., Aufzeichnung Weizsäckers, Berlin, 8. 5. 1939.

124

IV. Die widerspruchsvolle Allianz

handlungen über einen Dreieckspakt durch den Abschluß des deutsch-italienischen Vertrages nicht beeinträchtigt würden. Ribbentrop äußerte — wieder einmal in völliger Verkennung der Realitäten — die Hoffnung, daß möglichst am gleichen T a g wie der deutsch-italienische Pakt auch der Dreierpakt geheim paraphiert werden könnte. Ott sollte ferner seinem japanischen Vertrauensmann, möglichst dem Kriegsminister selbst, erläutern, „daß Japans Furcht vor Anschluß Amerikas an England und Frankreich im Kriegsfall in keinem Fall Argument gegen Abschluß Dreierpakts ist, da dieser Pakt das beste Mittel sein wird, Amerika von Krieg fernzuhalten. Andererseits muß sich Japan darüber klar sein, daß die Sicherung seiner Position in Ostasien, insbesondere in China, in erster Linie von der Überlegenheit der Achsenmächte über die Westmächte abhängt. Bestände diese Überlegenheit nicht, so würde Japan die Folgen davon sehr schnell zu spüren bekommen. Japan hat also zweifellos jedes Interesse daran, diese Überlegenheit durch seinen Beitritt zu verstärken und bei den Westmächten nicht etwa den Eindruck aufkommen zu lassen, als ob sie bei Konflikt mit Deutschland oder Italien mit Neutralität Japans rechnen können."

98

A m 20. Mai ließ der japanische Kriegsminister Itagaki Ott mitteilen, daß ein Kabinettsbeschluß über den Dreierpakt gefaßt worden sei, über den die Hitlerregierung bis spätestens 21. Mai unterrichtet werden würde. D i e Armee habe ihre Forderungen im Prinzip durchgesetzt und hoffe, daß die geheime Unterzeichnung des Vertrages gleichzeitig mit der des deutsch-italienischen Paktes möglich s e i . " Bei dieser Beurteilung der Kabinettssitzung durch den Kriegsminister war jedoch offensichtlich der Wunsch der Vater des Gedankens. A m 23. Mai gab Ott eine von der Armee-Erklärung abweichende Darstellung des Beschlusses vom 20. Mai, wie er sie aus Kreisen des japanischen Außenministeriums

erhalten hatte: „Danach

habe Ministerpräsident

im

festen Willen, Dreierpakt zu erreichen, eine Formel gefunden, die für gegenwärtige Regierung einzige Möglichkeit darstelle, über den mehrfach gemeldeten grundsätzlichen Gegensatz innerhalb Kabinetts hinwegzukommen. Hiernach wolle Japan angeblich Kriegseintritt zwar nicht gegen Sowjetunion, wohl aber gegen England und Frankreich von den jeweiligen Umständen abhängig machen. Armee habe zugestimmt, um Rücktritt des Kabinetts, der ihr gegenwärtig durchaus unerwünscht, zu vermeiden."

100

A m 28. Mai wurde Ott angewiesen, er solle deutlich zum Ausdruck bringen, daß die am 20. Mai angekündigte Mitteilung des Beschlusses der japanischen Ministerkonferenz nicht erfolgt sei, was starkes Befremden in Berlin hervorgerufen habe.1®1 98

Ebenda, Nr 382, S. 409®., Ribbentrop an Ott, Berlin, 15. 5. 1939. Siehe auch: ebenda, Nr 400, S. 433, Ott an Weizsäcker, Tokio, 17. 5. 1939.

S'J Ebenda, Nr 410, S. 449, Ott an Ribbentrop, Tokio, 20. 5. 1939. Siehe auch: Sommer, Theo, a. a. O., S. 2 3 6 f r . 100

A d A P , Bd 6, Nr 427, S. 469, Ott an Weizsäcker, Tokio, 23. 5. 1939; ebenda, Nr 444, S. 494,

101

Ebenda, Nr 447, S. 498f., Ribbentrop an Ott, Berlin, 28. 5. 1939. Siehe auch: ebenda, Nr 457,

Ott an Weizsäcker, Tokio, 27. 5. 1939. S. 511, Ott an Ribbentrop, Tokio, 31. 5. 1939.

3. Das Scheitern des Militärpakt-Projektes

125

Am 21. Mai war jedoch bereits der deutsch-italienische Pakt, der „Stahlpakt", in Berlin unterzeichnet worden. 102 Wieder war die Welt dem Krieg einen Schritt näher gekommen. Auf Grund der Widersprüche, die zwischen den europäischen Partnern des Antikominternpaktes einerseits und dem fernöstlichen Verbündeten andererseits bestanden, war es Deutschland jedoch nicht gelungen, das seit Anfang 1938 geplante Militärbündnis aller drei Aggressoren zu verwirklichen. Einen Tag später, am 2 3. Mai, entwickelte Hitler vor den Führern der Wehrmacht das Aggressionsprogramm des deutschen Imperialismus und Militarismus mit dem Überfall auf Polen als nächstem Ziel: „Es entfällt also die Frage, Polen zu schonen, und bleibt der Entschluß, bei erster passender Gelegenheit Polen anzugreifen." 103 Selbst in diesen entscheidenden Monaten waren die Westmächte nicht gewillt, ihre „Befriedungs"politik ernstlich zu revidieren. Wohl hatten England und Frankreich -- unter dem Druck der Öffentlichkeit — Verhandlungen mit der Sowjetunion einleiten müssen, parallel dazu setzten sie aber auch die Geheimverhandlungen mit der Hitlerregierung fort. Im Verlaufe dieser seit Juni geführten Gespräche wurde von seiten Englands die Aufteilung der Welt in Einflußsphären vorgeschlagen. Unter diese Aufteilung sollten — dem Vorschlag der englischen Vertreter zufolge — u. a. auch China und die Sowjetunion fallen. 104 Auch nach Abschluß des „Stahlpaktes" mit Italien war die Hitlerregierung weiterhin bemüht, Japan für ein Bündnis aller drei Aggressoren zu gewinnen. Wie aus" einem Telegramm Otts vom 1. Juni hervorgeht, erhielt der 1936 verabschiedete Admiral Foerster, der von 1934 bis 1936 deutscher Flottenchef gewesen war, den Auftrag, in diesem Sinne auf die japanische Marineführung einzuwirken, wobei er vor allem die 102 Der Vertrag sowie das Geheime Zusatzprotokoll sind veröffentlicht in: ebenda, Nr 426, S. 466 ff. Zur Einschätzung des Vertrages siehe: Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion, 103

104

a. a. O., S. 193. Ad A P , Bd 6, Nr 433, S. 479, Bericht über eine Besprechung bei Hitler am 23. 5. 1939 (SchmundtProtokoll). Hans-Günther Seraphim hat nachgewiesen, daß das Schmundt-Protokoll— es handelt sich dabei nicht um eine stenographische Mitschrift, sondern um eine Art unbeglaubigtes Gedächtnisprotokoll — nicht ohne sorgfältige quellenkritische Analyse benutzt werden darf. Die von ihm daran geknüpften Schlußfolgerungen sind allerdings als völlig absurd abzulehnen. Über die Quellenkritik an diesem Protokoll sowie an den Mitschriften der Besprechungen bei Hitler am 5. November 1937 (Hoßbach-Protokoll), am 22. August und am 23. November 1939 versucht Seraphim nicht mehr und nicht weniger als das „Nürnberger Geschichtsbild" und damit das gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg gesprochene Urteil insgesamt zu revidieren. Eine größere Perversion der Quellenkritik, deren Entwicklung und Anwendung einst zu den großen Verdiensten der bürgerlichen Geschichtswissenschaft zählte, ist kaum noch denkbar! Seraphim, Hans-Günther, Nachkriegsprozesse und zeitgeschichtliche Forschung, in: Mensch und Staat in Recht und Geschichte. Festschrift für Herbert Kraus zur Vollendung seines 70. Lebensjahres, dargebracht von Freunden, Schülern und Mitarbeitern, Kitzingen M. 1954, S. 436ff. Siehe dazu u. a.: Dokumente und Materialien aus der Vorgeschichte des %weiten Weltkrieges, Bd 2, Das Archiv Dirksens (1938—1939), hg. v. Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR, Moskau 1949, Nr 13, S. 65 ff., Aufzeichnung des deutschen Botschafters in London, Dirksen, über die Unterhaltung Wohlthats mit H. Wilson und Hudson, London, 21. 7. 1939.

I2Ö

IV. Die widerspruchsvolle Allianz

Furcht vor der englisch-amerikanischen Flotte zerstreuen sollte. 105 Weizsäcker kabelte am 17. Juni die Weisung an Ott, Admiral Foerster müsse „japanischer Marine klarmachen, daß nur ein ganz klares Bündnis (mit Hitlerdeutschland und Italien — K . D.) in der Lage ist, amerikanische Neutralität wirklich sicherzustellen". 106 A m 19. Juni hatte Foerster eine Aussprache mit dem japanischen Vizemarineminister und trat danach seine Rückreise an. 107 In einem zusammenfassenden Bericht Otts über die Mission Foersters werden die Motive für die ablehnende Haltung der japanischen Marinekreise noch einmal präzisiert. Darin heißt es, die These der Hitlerregierung, daß ein Bündnis Japans mit Deutschland und Italien die Neutralität der U S A am sichersten garantiere 108 , werde mit den folgenden Argumenten beantwortet: „Ein Militärbündnis Japans mit Deutschland und Italien schüchtere Amerika nicht ein. Japan könne keinen wirksamen Seekrieg gegen Amerika führen, kaum gegen Hawai und erst recht keinen Wirtschaftskrieg, denn der Handel der beiden Länder sei nur für Japan lebenswichtig, für Amerika in keiner Weise. Falle Japan als Lieferant an Amerika aus, so trete dort ein Mangel an Seide ein, der volkswirtschaftlich bedeutungslos sei. Falle Japan aber als Käufer aus, so trete für Amerika keine Absatzstockung ein, denn der japanische Hauptankauf an Öl, Schrott und Baumwolle fließe in einem Spannungszustand und vollends im Kriege nach den Freundmächten Amerikas ab. Ein Militärbündnis Japans mit D(eutschland) und I(talien) verschaffe Japan also kein Druckmittel gegen Amerika, setze es vielmehr umgekehrt einem möglichen Wirtschaftsdruck Amerikas aus, der tödlich sein könne, solange die Wirtschaft nicht auf eigenen Füßen steht." 1 0 9 Anfang Juni gab Ott eine Reihe von Informationen nach Berlin, die die Auseinandersetzungen in der Bündnisfrage deutlich veranschaulichen. So drahtete er am 3. Juni, einer Mitteilung aus dem Kriegsministerium zufolge habe die Marine den ArmeeVorschlag in der Bündnisfrage angenommen. 110 Vier Tage später wußte Ott zu berichten — wiederum auf Grund von Informationen aus Kreisen der japanischen Armee —, daß eine Instruktion an Oshima abgegangen sei, wonach Japan bereit sei, an 105 A d A P , Bd 6, Nr 462, S. Ji8f., Ott an Weizsäcker, Tokio, 1. 6. 1939. Siehe auch: Sommer, Theo a. a. O., S. 241. «>6 A d A P , Bd 6, Nr 537, S. 615, Weizsäcker an Ott, Berlin, 17. 6. 1939. 107 Ebenda, Anm. 3. 108

Ribbentrop ließ am 2. Juni Ott anweisen, das folgende „ A r g u m e n t " gegen die japanischen „Wirtschaftssorgen vor Amerika" zu verwenden: „Solange Japan nicht in einen Krieg mit Amerika verwickelt sei, bedeuteten angebliche Wirtschaftsdrohungen nichts. Erfahrungsgemäß suche und finde die Privatwirtschaft in Friedenszeiten stets ihren W e g bzw. Umweg, um gegen gutes Geld ihre Produkte an den Mann zu bringen. Ein timides Verhalten der Japanischen Regierung fördere diesen Handelsverkehr nicht, im Gegenteil vermöge er ihm höchstens zu schaden. Je entschiedener die Japanische Regierung politisch auftrete, um so sicherer werden auch ihre Handelsinteressen gewahrt." Ebenda, Nr 466, S. 522, Weizsäcker an Ott, Berlin, 2. 6. 1939.

109 Ebenda, Nr 619, S. 719, Ott an Weizsäcker, Tokio, 5 . 7 . 1 9 3 9 . Siehe auch: ebenda, Nr 732, S. 851, Aufzeichnung Weizsäckers, Berlin, 28. 7. 1939. 1)0

Ebenda, Nr 467, S. 523, Ott an Weizsäcker, Tokio, 3. 6. 1939.

}. Das Scheitern des Militärpakt-Projektes

127

jedem Krieg Deutschlands automatisch teilzunehmen, wenn die Sowjetunion zu den deutschen Kriegsgegnern gehöre. Sollte Rußland neutral bleiben, so wollte Japan erst in den Krieg eintreten, „wenn Übereinstimmung bestehe, daß Kriegseintritt im gemeinsamen Interesse der Verbündeten liege". 1 1 1 Am 14. Juni wurde Ribbentrop ein von Ott bereits angekündigter neuer japanischer Vorschlag durch Oshima übermittelt. Den Ausführungen des japanischen Botschafters zufolge war die japanische Regierung nunmehr bereit, den von Deutschland vorgeschlagenen Vertrag und die dazu gehörenden beiden Protokolle ohne Einschränkung anzunehmen. Die japanische Regierung hielt aber nach wie vor daran fest, die begrenzte militärische Leistungsfähigkeit Japans in Form eines Notenwechsels zu fixieren, ein Vorschlag, der von Ribbentrop kategorisch abgelehnt wurde. Auch der von Shiratori unterbreitete Vorschlag, in einem geheimen Protokoll festzulegen, daß die japanische Beistandspflicht automatisch nur dann eintrete, wenn entweder die Sowjetunion oder die U S A an dem Krieg teilnehmen, verfiel der Ablehnung. 1 1 2 Die Ausführungen Ribbentrops präzisierten noch einmal die taktische Konzeption des deutschen Imperialismus und Militarismus in der damaligen Situation: „Nur ein ganz klares und nicht auf einzelne Kriegseventualitäten abgestelltes Bündnis werde die Wirkung haben, auf Amerika und Sowjetrußland im Sinne des Fernbleibens vom Kriege einzuwirken. Wenn sich Japan zu einem solchen Bündnis wirklich nicht entschließen wolle, dann sei zu überlegen, ob man von einem Vertrage nicht überhaupt absieht." l l s Welches Ergebnis war in den Militärpakt-Verhandlungen bis zum Sommer 1939 erzielt worden? Unter dem ständigen Druck der Armeeführung war eine gewisse Annäherung Japans an die Konzeption Deutschlands zu verzeichnen. Während die japanische Regierung im Februar lediglich zur Hilfe gegen die Sowjetunion und andere, „kommunistisch gewordene Länder" bereit war, erfolgte im April und Mai bereits bedingt die Verpflichtung zum Beistand gegen die Westmächte, wobei ein automatischer Kriegseintritt allerdings abgelehnt wurde. Im Juni erklärten sich die herrschenden Kreise Japans schließlich auch zur Beistandspflicht gegen jeden „Angreifer" bereit, verlangten aber für gewisse Zeit ihre beschränkte militärische Leistungsfähigkeit schriftlich zum Ausdruck bringen zu können. 11 ' 4 Die Hitlerregierung war jedoch nicht bereit, auf eine dieser Einschränkungen des geplanten militärischen Beistandspaktes einzugehen, und lehnte alle dahingehenden japanischen Vorschläge kategorisch ab. Am 2 1 . Juni ließ Ribbentrop Ott anweisen, Einzelgespräche in der Bündnisfrage fortzusetzen, den Vertragsschluß aber „in zeitlicher Hinsicht jetzt nicht zu forcieren" l l s . — Damit war die erste Entscheidung in der Richtung gefallen, daß Deutschland auch ohne den Militärpakt mit Japan den Krieg in Europa beginnen wollte. Wenn die Regierung des faschistischen Deutschlands der Sowjetunion einen Nichtangriffsvertrag anbot, dann deshalb, weil sie die Stärke des ersten sozialistischen Landes respektieren mußte und den Überfall auf die UdSSR durch 111 112 113 114 115

Ebenda, Nr 487, S. 546, Ott an Weizsäcker, Tokio, 7. 6. 1939. Ebenda, Nr 538, S. 615ff., Ribbentrop an Ott, Berlin, 17. 6. 1939. Ebenda, S. 617. Sommer, Theo, a. a. O., S. 2 ; 5 f . AdAP, Bd 6, Nr 553, S. 631, Weizsäcker an Ott, Berlin, 21. 6. 1939.

128

IV. Die widerspruchsvolle Allianz

die Annexion Westeuropas zunächst vorbereiten wollte. Treffend schreiben Chwostow und Nekritsch in diesem Zusammenhang: „Die Erkenntnis des außergewöhnlichen Risikos eines Krieges gegen die Sowjetunion überwog in diesem Augenblick bei den deutschen regierenden Kreisen." 1 1 6 Es liegt auf der Hand, daß die zwischen England und Japan im Sommer 1939 geführten Verhandlungen, die schließlich zum Craigie-Arita-Abkommen führten, in Berlin sehr aufmerksam verfolgt wurden, mußten sie doch zum Gradmesser werden, wie weit der englische Imperialismus in seiner Kapitulation vor den faschistischen Mächten gehen wollte. Andererseits lag aber ein Übereinkommen zwischen Japan und Großbritannien nicht im Sinne der deutschen Imperialisten und Militaristen, die vor allem an einem „harten" Kurs Japans gegen die Westmächte interessiert waren. Am 14. Juni berichtete Ott in diesem Zusammenhang, der Direktor der Ostasienabteilung des japanischen Außenministeriums habe ihm streng vertraulich mitgeteilt, „scharfe japanische Haltung (in Tianjin — K . D.) sei Teil eines umfassenden Vorgehens gegen England in China". Japan verfolge vor allem den Zweck, schrieb der Botschafter weiter, die Bildung einer neuen Zentralregierung unter Wang Jingwei voranzutreiben. Damit — wie auch durch die baldige Anerkennung dieser Regierung durch Deutschland und Italien — könnte Tschiang Kai-schek und den hinter ihm stehenden Mächten ein empfindlicher Schlag versetzt werden. 1 1 7 Im Zusammenhang mit dem Tianjin-Konflikt fragte Weizsäcker am 24. Juli den japanischen Botschafter in Berlin, was hinter den französischen Pressemeldungen stünde, „nach welchen der Japanische Premierminister so weit gegangen wäre, für einen europäischen Konflikt die Neutralität Japans in Aussicht zu stellen" 1 1 8 . Oshima, der vorgab, nicht genau informiert zu sein, versprach, sich telegraphisch um Auskunft nach Tokio zu wenden. Bereits einen Tag später ließ er dem Leiter der Politischen Abteilung mitteilen, daß „im Zusammenhang mit den englisch-japanischen Verhandlungen eine Erklärung über europäische Fragen, insbesondere über die Neutralität Japans in einem europäischen Konflikt" nach den aus Tokio eingegangenen Nachrichten nicht abgegeben worden sei. Arita habe in dem Telegramm an Oshima, mit der Bitte um Weiterleitung, hinzugefügt, „daß keine Änderung der japanischen Politik eingetreten sei" l l f t . 116 Chwostow, B. M./NeJkritscb, 11'

A. M., a. a. O., S. 87.

AdA, Bd 6, Nr 526, S. 605, Ott an das A A , Tokio, 14. 6. 1939. Siehe auch den Bericht. Otts vom 20. Juni, in dem es u. a. heißt: „Im Vordergrund steht zurzeit Tientsin. Hierzu betont Armee und Gewährsmann Außenministeriums, daß ein Erfolg der Armee bei diesem Vorgehen Japan so weitgehend gegen England festlegen würde, daß sich dadurch der Armeestandpunkt auch in Bündnisfrage zwangsläufig durchsetzen werde. Bei dieser praktischen Bedeutung des TientsinVorgehens für das Bündnis und im Hinblick darauf, daß die gegen das Bündnis eingestellten Kräfte auch in Tientsin-Frage zu bremsen beginnen, bitte ich zu erwägen, ob nicht eine moralische Unterstützung der Japanischen Botschaft Aktion und damit den Trägern des Bündnisgedankens zweckmäßig wäre." Ebenda, Nr 548, S. 627, Ott an das A A , Tokio, 20. 6. 1939.

118 Ebenda, N r 7 1 5 , S. 820, Aufzeichnung Weizsäckers, Berlin, 2 4 . 7 . 1 9 3 9 . Siehe auch: ebenda, Anm. 2, Weizsäcker an Ott, 2 4 . 7 . 1 9 3 9 und: Ott an Weizsäcker, 2 6 . 7 . 1 9 3 9 ; ebenda, Nr 719, S. 836 f., Aufzeichnung Woermanns, Berlin, 2 5 . 7 . 1 9 3 9 . 11 9 Ebenda, Nr 719, S. 836, Aufzeichnung Woermanns, Berlin, 2 5 . 7 . 1 9 3 9 .

129

5- Das Scheitern des Militärpakt-Projektes

Besonders aufschlußreich über die eventuellen Folgen der englisch-japanischen Verhandlungen für das Verhältnis zwischen Deutschland und Japan ist der abschließende Bericht Otts vom 29. Juli. Allerdings kamen die von ihm gezogenen Schlußfolgerungen schon nicht mehr zum Tragen, da Deutschland zu diesem Zeitpunkt seine Bemühungen forcierte, einen Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion abzuschließen, und den Militärpakt mit Japan unter den gegebenen Bedingungen mehr oder weniger abgeschrieben hatte. Ott kam zu folgenden Schlußfolgerungen: „Für uns abzeichnen sich z. Zt. folgende Hauptmerkmale Lage: 1. Erheblicher Stellungsgewinn Japans in China, verbesserte Aussichten auf japanischen Enderfolg, 2. Weitreichende Bloßstellung englischer Schwäche, 3. Anhaltender Kampfwille japanischer Armee, besonders Marine, gegen englische Machtstellung Ostasien, 4. Festhalten Japans an Achsenpolitik und Forderung Militärbündnisses . . . " 1 2 0 Am 3. August berichtete Ott dann allerdings weniger optimistisch, die japanische Armeeführung sei beunruhigt über die japanisch-englischen Verhandlungen und fürchte nachteilige Folgen für den Ausbau des Bündnisses der Achsenmächte; Kriegsminister Itagaki sei aber „fest entschlossen, selbst (auf) Gefahr Kabinettskrise Bündnis (mit Hitlerdeutschland und Italien — K. D.) vorwärtszutreiben" m . Die erneute Initiative Itagakis und der von ihm vertretenen Kräfte war nicht zuletzt auch ein Ergebnis der Niederlage, die die japanischen Truppen bei ihrer antisowjetischen Provokation am Chalchin-Gol erlitten hatten.

c} Der deutsch-sowjetische Nichtangriffsvertrag

und das Bündnis

Berlin-Tokio

Die internationale Lage Anfang August 1939 wurde durch die folgenden Momente gekennzeichnet: Die japanische Provokation gegenüber der Mongolischen Volksrepublik und der Sowjetunion brach unter den Schlägen der sowjetischen Truppen schmählich zusammen. Damit wurden auch alle Spekulationen zerschlagen, die von japanischen Imperialisten und Militaristen wie auch von den „Befriedungs"politikern der Westmächte in diesem Zusammenhang gehegt worden waren. Nichtsdestoweniger schoben aber England und Frankreich die Verhandlungen mit der UdSSR, die sie unter dem Druck der Öffentlichkeit hatten einleiten müssen, auf die lange Bank und bewiesen, daß sie an keinem wirksamen Vertrag im Sinne der kollektiven Sicherheit interessiert waren, der allen Partnern die gleichen Verpflichtungen auferlegte. Die Sowjetregierung ließ daher den Westmächten in den Monaten vor Kriegsausbruch einige deutliche Warnungen zugehen, endlich ihre Haltung gegenüber den faschistischen Aggressoren zu revidieren, so die Rede Stalins vor dem XVIII. Parteitag der KPdSU, in der er mit allem Nachdruck betonte, die UdSSR sei nicht bereit, anderen Mächten „die Kastanien aus dem Feuer zu holen", sowie der den gleichen Grundgedanken ver120 Ebenda, Nr 735, S. 8 j 3 f O t t an Ribbentrop, Tokio, 29. 7. 1939. Ebenda, Nr 762, S. 886, Ott an Weizsäcker, Tokio, 3. 8. 1939.

121

i3o

IV. Die widerspruchsvolle Allianz

tretende Aufsatz Shdanows „Die englische und die französische Regierung wollen keinen gleichen Vertrag mit der UdSSR" in der „Prawda" vom 29. Juni. 1 2 2 Die Hitlerregierung hatte in den Wochen vor dem Überfall auf Polen den Plan eines Militärpaktes aller drei faschistischen Mächte auf Grund des japanischen Widerstandes vorübergehend aufgegeben und war bereit, den Krieg auch ohne dieses Bündnis zu beginnen. Die Bestrebungen, einen Nichtangriffsvertrag mit der Sowjetunion abzuschließen, führten zu einer weiteren Verschärfung der taktischen Differenzen zwischen dem faschistischen Deutschland und Japan. Die von einem Teil der herrschenden Klasse Japans verfolgte Politik schließlich, einen Kompromiß mit den Westmächten zu schließen, hatte zum Craigie-Arita-Abkommen vom 24. Juli geführt, das einen entscheidenden Schritt auf dem Wege zu einem „Fernost-München" darstellte. In dieser Situation unternahm die japanische Armeeführung noch einen Versuch, das Militärbündnis mit Italien und Deutschland abzuschließen. Am xo. August berichtete Ott, daß Kriegsminister Itagaki auf der Fünf-Minister-Konferenz vom 8. August energisch die Wiederaufnahme der Bündnisverhandlungen mit den beiden europäischen Antikominternpartnern durch Gewährung gewisser Zugeständnisse gefordert habe. Die Vorschläge seien jedoch durch den Außen-, den Marine- und den Finanzminister erneut abgelehnt worden, Hiranuma habe sich stark zurückgehalten. 12 ^ Am 1 1 . August berichtete Ott weiter, er sei vom Chef der Zentralabteilung des japanischen Kriegsministeriums, General Machijiri, informiert worden, „daß Kriegsminister entschlossen, letztes Kampfmittel seinen Rücktritt einzusetzen, der nahezu sicheren Rücktritt Oshima Shiratori bedingen würde. Dieses Vorgehen könne zwar japanische Bündnisbasis allmählich verbessern, zunächst aber starken Rückschlag herbeiführen. Trotzdem sei Rücktritt einzig möglicher Entschluß. Entscheidung solle am 15. August fallen. Kriegsminister bittet, Regierungen Berlin und Rom außerordentliche schwere Spannungslage darzustellen und ihnen nahezulegen, durch Entgegenkommen Hilfe zu bringen" l a l . Wie der Kriegsminister weiter mitteilen ließ, wäre ein baldiger Abschluß des Bündnisses möglich, wenn Deutschland und Italien sich bereit erklärten, den japanischen Vorschlag vom Juni mit gewissen Vorbehalten zu akzeptieren. Wenige Tage später wandte sich Ott mit der alarmierenden Nachricht an das Außenministerium in Berlin, daß sich Gewährsleuten zufolge der Rücktritt Itagakis und damit eine für die deutschjapanische Bündnispolitik ungünstige Kabinettskrise nur durch die Erklärung der Hitlerregierung vermeiden ließe, daß sie zu weiteren Verhandlungen bereit sei. 1 2 5 Als diese Besprechungen in Japan stattfanden, waren in Berlin die Würfel über den Dreierpakt jedoch bereits gefallen. Hitler war bestrebt, einen Nichtangriffsvertrag mit der Sowjetunion abzuschließen, der das Militärbündnis mit Japan zunächst von der Tagesordnung absetzte. Am 22. August berichtete Ott, daß die Meldung über den 122

Meusel, Alfred, Die „Befriedungs"politik und ihre Bedeutung für den zweiten Weltkrieg, in:

12:!

AdAP, Bd 7, Nr 7, S. 5 f., Ott an Weizsäcker, Tokio, 10. 8. 1939.

Probleme der Geschichte des zweiten Weltkrieges, a. a. O., S. 108. 12/

' Ebenda, Nr 25, S. 21, Ott an Ribbentrop, Tokio, 1 1 . 8. 1939.

125

Ebenda, Nr 110, S. 99, Ott an Weizsäcker, Tokio, 18. 8. 1939.

3. Das Scheitern des Militärpakt-Projektes

131

geplanten deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag bestürzte Anfragen der japanischen Wehrmacht, des Außenministeriums und der Presse ausgelöst habe. 126 A m gleichen Tag noch teilte Oshima mit, der ein Gespräch mit Ribbentrop vor dessen Abflug nach Moskau hatte, daß er seine Demission angeboten habe. 127 Vorher hatte er bereits eine Aussprache mit Weizsäcker über den deutsch-sowjetischen Vertrag geführt, in der er um „Argumente" für seine Berichterstattung nach Tokio bat: „ E r (Oshima — K . D.) sähe einen Schock in Japan voraus, und diesen möchte er durch seine telegraphische Berichterstattung noch heute nacht mildern." 1 2 8 Weizsäcker beeilte sich denn auch zu erklären, daß Deutschland selbstverständlich das „Freundschaftsverhältnis zu Japan... weiter aufrechterhalten" würde, und führte in diesem Zusammenhang aus: „Seit Aufnahme der (von Oshima erwähnten) Antikomintern-Abreden habe sich die Gegnerfront sowohl von Japan wie von Deutschland verschoben. Es liege klar zutage, daß für Japan England der Feind Nr. 1 geworden sei, ebenso wie auch Deutschland viel weniger von der russischen als von der englischen Politik belästigt werde. Unseren beiderseitigen Interessen diene also der nunmehr erstrebte Ausgleich mit Moskau." 1 2 9 Der deutsch-sowjetische Nichtangriffsvertrag 1 3 0 hat bereits in der damaligen Situation, wie auch besonders in den Jahren des „kalten Krieges" nach 1948 eine Welle von bewußten Entstellungen und Verleumdungen der sowjetischen Außenpolitik ausgelöst. 131 Dabei wurde jedoch immer wieder geflissentlich übersehen, daß es für die UdSSR keinen anderen Ausweg gab. Es waren die Westmächte, die durch die A b lehnung des Systems der kollektiven Sicherheit die Sowjetunion zu dem Vertrag mit Hitlerdeutschland gezwungen hatten. Völlig zu Recht schrieb die in Basel erscheinende „Rundschau": „Und wenn heute Polen bedroht ist, kann es den Trägern der MünchenPolitik danken, kann es jenen danken, die das neue System der .Nichteinmischung' errichtet haben und die ohne Unterlaß, trotz sogenannten festen Worten, vor den faschistischen Aggressoren kapitulieren. Die Politik der Regierung von London und Paris ist es, die dem internationalen Faschismus alle seine Eroberungen ermöglichte und der Aggression gegen Polen den Weg erschloß." 1 3 2 Gegen die Zweckentstellungen imperialistischer Ideologen muß mit allem Nachdruck festgestellt werden, daß die herrschenden Kreise Deutschlands bei der Vorbereitung des Uberfalls auf Polen im Sommer 1939 niemals von der Frage ausgingen: Krieg 120 Ebenda, Nr 174, S. 154, Ott an Weizsäcker, Tokio, 22. 8. 1939. 427

Ebenda, Nr 183, S. 159; Weizsäcker an Ott, Berlin, 22. 8. 1939.

128

Ebenda, Nr 186, S. 162, Aufzeichnung Weizsäckers, Berlin, 22. 8. 1939. Ebenda.

i^'O Siehe dazu insbesondere: Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion, a. a. O., S. 207R. \MeaiauHt M.0.. O i e p t t i i HCTOpiiH BHCUiHeft TTOJIMTHKII C C C P , Moskau 1 9 5 8 , S. 301 f f . 131

Stern,

Leo, Die Haupttendenzen der reaktionären Geschichtsschreibung über den zweiten Welt-

krieg, a . a . O . , S. 8 ff.; Geschichtsfälscher.

Aus Geheimdokumenten über die Vorgeschichte des

2. Weltkrieges, Berlin 1955, S. 33fr. 132

Gitton,

Marcel,

Die Sowjetunion spart keinerlei Bemühungen, um die faschistischen Aggressoren

zu bändigen und so die Kriegsgefahr zurückzudämmen. Zum Abschluß des Nichtangriffsvertrages zwischen der Sowjetunion und Deutschland, in: Rundschau, 45/1939 (24. 8.), S. 1285.

132

I V . Die widerspruchsvolle Allianz

gegen die Westmächte oder: Krieg gegen die Westmächte und die Sowjetunion. W i e gerade die Paktverhandlungen der drei faschistischen Mächte in den Jahren 1938/39 beweisen, standen die faschistischen Aggressoren vielmehr vor der Alternative: sollte der Weltkrieg als Auseinandersetzung mit England und Frankreich beginnen oder mit dem Überfall auf die sozialistische Sowjetunion. A l s es durch die Schuld der Westmächte nicht mehr möglich war, durch kollektive Sicherheitsaktionen, wie sie die UdSSR jahrelang vorgeschlagen hatte, den Krieg überhaupt zu verhindern, war es die Pflicht der sowjetischen Staats- und Parteiführung, solche Maßnahmen zu ergreifen, die das Zustandekommen einer imperialistischen Einheitsfront verhinderten und die Sowjetunion — wenigstens zunächst — aus dem Krieg heraushielten. Durch den deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag gelang es der Sowjetunion, die drohende Einheitsfront zwischen den Westmächten und Hitlerdeutschland, die zu einer Einheitsfront der imperialistischen Mächte überhaupt hätte werden können, zu zerschlagen. Mit dem Abschluß des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages wurde aber auch ein Keil in die Front der faschistischen Aggressoren selbst getrieben, ein Faktor, der bei der Bewertung des Vertrages häufig übersehen oder unterbewertet wird. Hatten die Bündnisverhandlungen zwischen Deutschland-Italien und Japan auf Grund taktischer Differenzen bereits 1938 im wesentlichen stagniert, so erreichten die Beziehungen zwischen Berlin und Tokio als Folge des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages ihren Tiefpunkt. A m 23. August berichtete Gesandter Braun von Stumm, die japanische Morgenpresse vertrete allgemein die Ansicht, „daß Japan jetzt völlig neuer Lage gegenüberstehe, die auch auf Fernost wirken werde" und eine gründliche Überprüfung der bisherigen Politik Japans notwendig mache. 133 A m gleichen T a g wandte sich der Leiter des Referats P V I I I der Nachrichten- und Presseabteilung des Ribbentrop-Ministeriums, Fürst Urach, beschwerdeführend an Oshima, da der Berliner Domei-Vertreter, Adachi, seiner Verärgerung über den deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag zu deutlich Luft gemacht hatte. Oshima erwiderte, „es sei ganz klar, daß die mächtige öffentliche Meinung Japans, die sich immer mehr in die Gedankengänge der Antikominternfront hineingelebt habe, durch den plötzlichen Paktabschluß Deutschlands mit dem Erzfeind Japans aufs tiefste überrascht und enttäuscht sei, das sei nur natürlich, denn in Japan werde der Pakt als ein gesinnungsmäßiger Vertragsbruch gewertet. Oshima persönlich teile dem Referenten persönlich mit, daß er ebenfalls tief enttäuscht sei, über die Verhandlungen nicht ins Vertrauen gezogen worden zu sein." 1 3 4 A m 24. August meldete Ott, Japan sei vor allem darüber verstimmt, daß es durch den Paktabschluß vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. D e r Botschafter berichtete ferner, er versuche der aufgebrachten Stimmung damit entgegenzuwirken, d a ß er erkläre, der Pakt schwäche insbesondere Englands Stellung und sei daher für die japanische Aggression in China von Vorteil. 1 3 5 A m 25. August schrieb Ott, Oshima sei angewiesen worden, der Hitlerregierung mitzuteilen, „der Abschluß des Nicht133

A d AP, Bd 7, Nr 209, S. 186, Braun von Stumm, Nachrichten- und Presseabteilung des A A , an die deutsche Botschaft in Moskau, Berlin, 23. 8. 1939.

134

Ebenda, Nr 223, S. I98f., Aufzeichnung (ohne Unterschrift), Berlin, 23. 8. 1939.

I45fDoibara, Japanischer Politiker 105 Dretvs, Max, Stellvertretender Hauptschriftleiter der „Ostasiatischen R u n d s c h a u " 38 Eden, Anthony, Konservativer Abgeordneter im Britischen Unterhaus seit 1923; A u ß e n minister (22. 12. 1935—20. 2. 1938); Staatsminister f ü r die D o m i n i o n s (1939/40); Kriegsminister (Januar—Dezember 1940); Außenminister (Dezember 1940—Mai 1945) Dr. Eigner, ]., Korrespondent der Nachrichtenagentur Transocean in C h o n g q i n g ( T s c h u n g king) 9 2 f . Epstein, Israel 27 f., 107

v. Falkenbausen, Alexander Freiherr, General der Infanterie; Leiter der deutschen Militärberatergruppe bei der chinesischen Regierung (1935—1938); Befehlshaber der Okkupations.truppen in den Niederlanden, in Belgien u n d in N o r d f r a n k r e i c h (1940); als Kriegsverbrecher an Belgien ausgeliefert, zu 12 Jahren Zwangsarbeit verurteilt (1951) nach Westdeutschland entlassen I7f., 34, 50, 80 Feist mann, Rudolf 36 Fischer, Martin, Botschaftsrat an der deutschen Botschaft in China; f u n g i e r t e nach der A b reise v o n Botschafter T r a u t m a n n als Geschäftsträger (seit Juli 1938); v o n 1954 bis zu seinem T o d im Dienst des Bonner Auswärtigen Amtes, Gesandter 81 f., 92, 108, u o f . Foerster, Riebard, A d m i r a l ; Präsident der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Forster, Peter 3 7 Francoy babamonde, Francisco, 3 Frei, Bruno 37

125 f.

v. Fritscb, Freiherr Werner, Generaloberst (1936;) Oberbefehlshaber des Heeres (bis 4. 2. 1938) 74. 77 fFunk, Kurt 71 f. Gaus, Friedrieb, Ministerialdirektor; Leiter der Rechtsabteilung des A A (1923—1943) 114, 121 Giacinto, Anritt, Italienischer Botschafter in Japan (193 3 - 1 9 4 4 ) 120 Gipperieb, Deutscher Generalkonsul in H o n g k o n g 92 Gilten, Marcel 131, 134 Gäring, Hermann Wilhelm, Preußischer Ministerpräsident u n d Reichsluftfahrtminister (seit April 1933); Oberbefehlshaber der L u f t waffe (seit Mai 1935); Beauftragter f ü r den Vier jahresplan (seit O k t o b e r 1936); Generalfeldmarschall (4. 2. 1938); Vorsitzender des Ministerrats f ü r die Reichsverteidigung; zum Nachfolger Hitlers bestimmt (1. 9. 1939); Reichsmarschall (19. 7. 1940); v o m N ü r n berger Militärgerichtshof zum T o d e durch den Strang verurteilt, Selbstmord 18, 33, 36f., 5 1 . 58, 74. 77. 79 f Dr. Gong (Kung Hsiang-bsi), Vizepräsident des chinesischen Exekutiv-Yuans (1933); Finanzminister (1933—1944); Sonderbotschafter zur

I76

Krönung von König Georg VII. von Großbritannien (1937); Präsident des Exekutiv Yuans (1958); Vizepräsident des ExekutivYuans (1939—1945); Mitglied des Zentralen Exekutiv-Komitees der Guomindang (1931— 1950) 18, 26, 47, 83, 92 Grenz, Joseph C., Amerikanischer Botschafter in Tokio (1932—1941) 43, 70, 91 Hagiwara, Stellvertretender japanischer Kolonialminister im ersten Konoe-Kabinett 6of. Halifax, Viscount (Edward Wood, früher-. Lord Irwin), Mitglied der englischen Konservativen Partei; Erziehungsminister (1932—1935); Kriegsminister (1935); Lord-Siegelbewahrer (November 1935—Mai 1937); Lord-Präsident des Staatsrats (1937/38); Außenminister (Februar 1938—Dezember 1940) 74f. Hasegawa, Kiyosbi, Japanischer Admiralj stellvertretender Marineminister (1934); Oberbefehlshaber der Dritten Flotte (1936); Oberbefehlshaber der Japanischen Flotte in den chinesischen Gewässern (1937); Oberbefehlshaber des Marinestützpunktes Yokosuka (1938) 30 v. HasseII, Ulrich, Deutscher Botschafter in Rom (Quirinal) (8. 1 1 . 1932—17. 2. 1938); gehörte zum Kreis der Verschwörer vom 20. Juli 1944 46, 63f. Haushofer, Karl, Generalmajor; Professor für Erdkunde an der Universität München; Präsident der „Deutschen Gesellschaft für Geopolitik"; Herausgeber der Zeitschrift „Die Geopolitik"; Präsident der Deutschen Akademie in München 20 Dr. Hedin, Sven, Schwedischer Asienforscher und Schriftsteller; sympathisierte mit dem deutschen Faschismus 107 Helffericb, E., Präsident des Ostasiatischen Vereins Hamburg-Bremen; Staatsrat 16, 96 Henderson, Sir Neville, Botschafter Großbritanniens in Berlin (1937—1939) I Hennig, R., Professor; Vertreter der deutschen Geopolitik 20 von der Heyden-Kynscb, Bernd Otto Freiherr, Legationsrat in der Politischen Abteilung des A A 51 Hindenburg, Paul v. Beneckendorff und, Generalfeldmarschall; Reichspräsident(i925—1934) 20

Personenregister Hiranuma, Baron Kiichiro, Mitglied des japanischen Kronrats (1924), dessen Vizepräsident (1925) und Präsident (1936—1938); Ministerpräsident ( 5 . 1 . - 2 7 . 8 . 1 9 3 9 ) ; Minister im zweiten und dritten Konoe-Kabinett; vom Internationalen Militärtribunal für den Fernen Osten zu lebenslänglicher Haft verurteilt i2of., 123 f., 128, 130 Hirao, Oberster Wirtschaftlicher Ratgeber der japanischen Armee in Nordchina 109 Hirobito, Japanischer Kaiser (seit 1926); seine Funktionen seit 1945 verfassungsmäßig eingeschränkt 47 Hirota, Koki, Japanischer Ministerpräsident (9. 3. 1936—23. 1. 1937); Außenminister (1937); vom Internationalen Militärtribunal für den Fernen Osten zum Tod durch den Strang verurteilt (1948) 4Öf., 79 Hitler, Adolf 6, 15, 20—22, 32—38, 43, 45, 49— 51, 55, 58—60, 63f., 74—79, 82, 87, 92, 107, 120, 125, 130, 134 Hossbacb, Friedrieb, Adjutant Hitlers 74, 125 Hotta, Masaaki, Japanischer Botschafter in Rom (1937/38) 62f. Howard, Harry Fax ton 45, 107 Hudson, Robert Spear, Staatssekretär im Britischen Department für Überseehandel (Mai 193 7—April 1940) 1 2 5 Hull, Cordell, Außenminister der USA (Secretary of State) (1933—1944) 20, 29, 91 Ikeda, Sbigeakira (Seibin), Generaldirektor der Bank von Japan (1937); Finanzminister (1938) 89 Dr. ligner, Max, Vorstandsmitglied von I G Farben; Leiter des Büros Berlin NW 7 13, 15 f. Isbiwata, Sotaro, Japanischer Finanzminister (1939) 130 Itagaki, Seisbiro, Generalstabschef der Kwantungarmee und Befehlshaber der 5. Division (1937); Armeeminister im ersten Konoe- und im Hiranuma-Kabinett; Generalstabschef der japanischen Streitkräfte in China; General (1939); Befehlshaber der Armee-Streitkräfte in Korea (1941); vom Internationalen Militärtribunal für den Fernen Osten zum Tod durch den Strang verurteilt (1948) 82, 89, I23f., 129 f.

Personenregister I/o, Nobufumi, Japanischer Diplomat; als Generalkonsul Leiter einer Regierungsraission nach Berlin und Rom (Februar/März 1939) n6f. Jessen, Mitarbeiter von I G Farben in China 34 Kasabara, Yukio, Japanischer General 87, 89 Kato, Hiyoscbi 54 Kaivabe, Torashiro, Militärattache an der japanischen Botschaft in Berlin (1938—1940) 85 Kiep, Generalkonsul 21 Kita, Japanischer Politiker 105 Klein, Bevollmächtigter des Reichskriegsministeriums für die Durchführung des HAPRO-Vertrages in China 18, 38, 40 Knoll, Deutscher Handelsbevollmächtigter (Handelsvertreter) in Manzhouguo 26,54R Kojima, Japanischer Marineattache in Berlin; Kapitän z. S. 61 Kolb, Angehöriger der deutschen Botschaft in Tokio 82 Kenoe, Fürst Fumimaro, Vizepräsident (1931) und Präsident (1933) des japanischen Oberhauses; Ministerpräsident (4. 6. 1937—5. 1. 1939. 22. 7. 1940—16. 7. 1941 und 18. 7.—16. 10. 1941); nach der Kapitulation Japans Selbstmord (1945) 89, 98, 120 Dr. Kerdt, Erich, Legationssekretär im A A (1935); Gesandtschaftsrat an der deutschen Botschaft in London (November 1936— Februar 1938); dem Ministerbüro Ribbentrop zugeteilt (März 1938); Legationsrat (Mai 1938) 62 Krauch, Carl, Professor; Vorsitzender des Aufsichtsrates von I G Farben; Generalbevollmächtigter für Sonderfragen der chemischen Erzeugung beim Amt des Vierjahresplanes (Göring) 37 Kriebel, Hermann, Teilnehmer des Naziputsches vom 9. November 1923 in München; als Oberstleutnant Leiter der deutschen Militärberatergruppe in China (1929—1931); seit 1934 Generalkonsul in Shanghai; als Vertrauter Hitlers wie auch Tschiang Kai-scheks verfügte er offensichtlich über größeren Einfluß als der deutsche Botschafter, Dr. Oskar Trautmann; seit April 1939 Leiter der Personal- und Haushaltsabteilung des A A ; Ministerialdirektor 17, 38

177 Dr. Lammers, Hans Heinrich, Staatssekretär in der Reichskanzlei (1933); Staatssekretär und Chef der Reichskanzlei (1934—1937); Reichsminister und Chef der Reichskanzlei(November 1937—1945); Geschäftsführendes Mitglied des Geheimen Kabinettsrats (Februar 1938—1945); Geschäftsführendes Mitglied des Ministerrats für die Reichsverteidigung (seit 1939); von einem amerikanischen Gerichtshof in Nürnberg am 14. 4. 1949 zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt 79 Dr. Lautenschlager, Angehöriger der deutschen Botschaft in China 25,81—83, 1 1 1 Leminoni 3 6 Lenin, Wladimir lljitscb, 9, 1 1 , 31, 104, 138, 144 Dr. Lobse, Günter, Legationsrat in der Nachrichten- und Presseabteilung des A A 64, 66 Ludendorff, Erich, General der Infanterie; I. Generalquartiermeister im ersten Weltkrieg 38 Luther, Martin, Mitarbeiter der „Dienststelle Ribbentrop"; Vortragender Legationsrat im A A ; Leiter des Sonderreferats „Partei" des A A ; seit dem 7. 5. 1940. Leiter der neugebildeten „Abteilung Deutschland" 22 Macbijiri, Chef der Zentralabteilung des japanischen Kriegsministeriums; General 130 v. Mackensen, Hans Georg, Deutscher Gesandter in Budapest (1933—1937); Staatssekretär im A A ( 1 5 . 4 . 1937—März 1938); Botschafter in Rom (1. 4. 1938-8. 9. 1943) 32, 35, 43, 47, 49. 5i. 5 5, 59. 6 6. 79. 134 Magistrati, Graf Massimo, I. Botschaftssekretär an der italienischen Botschaft in Berlin (1934); Botschaftsrat (1936—1940) 83 Mao Tse-tung, iof., 27f., 68f., ioof., I34f. Maslennikow, W. 15 Matsuoka, Yosuke, Präsident der Südmandschurischen Eisenbahn (1935—1939); Außenminister im zweiten Kabinett Konoe (1940/41); angeklagt vor dem Internationalen Militärtribunal für den Fernen Osten, starb während des Prozesses I39f. Matsushita, Japanischer Vizeadmiral 20 Mencbe, H. E., Amtsleiter V I I I (Ostasien) der Auslandsorganisation der N S D A P ; Konteradmiral a. D. 61 Mödlbammer, F. L. 45

17» Musbakjoji, Vicomte Kintomo, Japanischer Botschafter in Berlin (1934—1937) 22, 24, 32, 43 Mussolini, Benito 6, 45, 115, 120, 134 Neumann, Deutscher Konsul in Hanoi 106 v. Neurath, Konstantin Freiherr, Reichsminister des Auswärtigen (2. 6. 1932—4. 2. 1938); Reichsminister und Präsident des Geheimen Kabinettsrats (4. 2. 1938); Mitglied des Ministerrats für die Reichsverteidigung (1939); Reichsprotektor von Böhmen und Mähren (März 1939—September 1941); vom Internationalen Militärgericht in Nürnberg am 1. 10 1946 zu 1; Jahren Gefängnis verurteilt 18, 32-34, 36-38, 43-47. 5°. 54f-, 58f., 61, 64, 73f., 77f., 81 f., 96 Oeblricb, Conrad 45, 106 Osbima, Hirosbi, General; Militarattaché an der japanischen Botschaft in Berlin (1934—1938); Botschafterin Berlin(November 193 8—Oktober 1939 und 1941—1945); vom Internationalen Militärtribunalfür den Fernen Osten zu lebenslänglicher Haft verurteilt, 1955 jedoch entlassen 21—23, 44» 59» 63, 66, 77, 80, 85—87, 89f., 108, i n , 114—116, 119— I2i, 123, 126— 128, 130—133 Ott, Eugen, Generalmajor ; Militarattaché an der deutschen Botschaft in Tokio (1934—1938); Botschafter in Tokio (28. 4. 1938—1942) 22, 46, 77, 82, 90—92, 96, 106, iiof., 116—134, i39f. Péri,Gabriel 36,72,78,88 Pertinax (Pseudonym für André Géraud), Außenpolitischer Mitarbeiter des „Echo de Paris" 65 Philipp, Prinz v. Hessen, Schwiegersohn Victor Emanuel III. von Italien; für Sondermissionen zwischen Hitler und Mussolini eingesetzt; Oberpräsident von Hessen-Nassau (1933— 1943); SA-Gruppenführer 63 Pieck, Wilhelm 2, 39, 78 v. Rabenau, Friedrich, General; Chef der Heeresarchive 17 Raeder, Erich, Oberbefehlshaber der Kriegsmarine (193 5—1943); Großadmiral; vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg am 1. 10. 1946 zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt 74 Dt. v. Raumer, Hermann, Sachbearbeiter für Ost- und Fernostfragen in der „Dienststelle

Personenregister Ribbentrop" (1935—Ende 1938); im April 1938 Ernennung zum Gesandten; seit Anfang 1939 durch Vermittlung Görings Leiter der Verbindungsstelle Ostasien von IG Farben 22f., 62, 94—96 v. Reichenau, Walter, Chef des Ministeramtes im Reichswehr- bzw. Reichskriegsministerium; Generalfeldmarschall (Juli 1940) 17 Dr. Reithinger, Anton, Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung (VO WI) von IG Farben 5 8f. v. Ribbentrop, Joachim, Chef der „Dienststelle Ribbentrop"; Botschafter in London (seit August 1936); Reichsaußenminister (4. 2. 1938—Mai 1945); vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg am 1. 10. 1946 zum Tode durch den Strang verurteilt 18, 22-24, 33-37. 45. 5i. 58f., 62-64, 66, 75-77. 79—81,83,85—88,90, 92, 94f., 114—117, 119— 121, I23f., I26f., 129—131, 133, I4jf. Dr. Richter, Otto, Hauptschriftleiter der „Ostasiatischen Rundschau" 38, 60, 80 Rosenberg, Alfred, Reichsleiter; Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP (1933—1945); Beauftragter Hitlers für die Überwachung der geistigen und weltanschaulichen Erziehung der NSDAP (1934—1945); vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg am 1. 10. 1946 zum Tode durch den Strang verurteilt 20 f. Rousselle, Professor; Leiter des China-Instituts in Frankfurt a. Main 16 v. Saucken, Deutscher Konsul in Qingdao (Tsingtau) iiof. Sawa, M., Privatsekretär des Obersten Wirtschaftlichen Ratgebers der japanischen Armee in Nordchina, Hirao 109 Schacht, Dr. Hjalmar, Präsident der Reichsbank (17. 3. 1933—20. 1. 1939); Reichswirtschaftsminister (August 1934—November 1937); Reichsminister ohne Geschäftsbereich (November 1937—Januar 1943) 18, 26, 3 3 f., 36-39. 54, 58, 73. 77, 96 Scbeffler, Angehöriger der deutschen Botschaft in China 92 Schenke, Wolf, Pressereferent in der Reichsjugendführung der NSDAP; Kriegsberichterstatter im chinesisch-japanischen Krieg 2 5

Personenregister

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Dr. Schlotterer, Gustav, Ministerialdirigent im Stalin, Josef Wissarionowitscb, 7, 65,102, 129 Stoller, Deutscher Generalkonsul in Tianjin Reichswirtschaftsministerium 54 (Tientsin) 4 1 , 1 1 0 Dr. Schmidt, Paul, Seit 1923 im A A ; Legationsrat (1955); Vortragender Legationsrat mit Dr. v. Strachtitz, Graf, Legationsrat in der Politischen Abteilung des A A , Pol. V I I I Amtsbezeichnung Gesandter (1938); Ge(Ostasien und Australien) 43, 80 sandter I. Klasse als Ministerialdirigent (1940); nahm seit 1935 als Dolmetscher Hitlers, Sun Yat-sen, Chinesischer revolutionärer Demokrat, Führer der bürgerlich-demokratischen Neuraths und Ribbentrops an zahlreichen Revolution in China; provisorischer PräsiKonferenzen und Besprechungen teil; dem dent der Chinesischen Republik (Dezember Büro des Reichsaußenministers zugeteilt 1911—Februar 1912); gründete die Guomin(1939-1945) 1 1 4 dang (1912); bildete mehrere GegenregieDr. v. Schmieden, Vortragender Legationsrat in rungen zur militaristischen Zentralregierung der Politischen Abteilung des A A , Pol. in Peking (1917—1924); stellte revolutionäre V I I I (Ostasien und Australien) 35, 48, 5of. Einheitsfront mit der K P Chinas her (1924) Scbmundt, Rudolf, Adjutant Hitlers; Oberst27 leutnant (1938); Oberst (1939); Generalmajor (1941) 125 Tanaka, Giicbi, Japanischer Ministerpräsident v. Seeckt, Haas, Chef des Truppenamtes im (April 1927—Juli 1929) 19 Reichswehrministerium (1919); Chef der Tatsumi, Oberstleutnant im japanischen GeneralHeeresleitung (1920—1926); Generaloberst; stab ; Mitglied der Ito-Mission (Februar/März Leiter der deutschen Militärberatergruppe 1939) 1 1 6 in China (1934/55) 17 Thomas, Georg, Chef des Wehrwirtschafts- und Sbdanoiv, Andrei Alexandrorvitscb, Sekretär des Rüstungsamtes des O K W ; General 36, 51 Gebiets- und des Stadtkomitees der KPdSU in Dr. v. Tirpit%, K7- 34 Leningrad (1934—1944); Mitglied des Zentral- Togliatti, Palmiro, Generalsekretär der Kommukomitees der KPdSU (seit 1930), des Politnistischen Partei Italiens (seit 1927); Sekretär büros (seit 1939); Mitglied des Obersten der Kommunistischen Internationale (seit Kriegsrats der Leningrader Front 130 1935) 2, 39 Sbiratori, Tosbio, Japanischer Botschafter in Togo, Shigenori, Direktor des Büros für euroRom (September 1938—September 1939); päische und asiatische Angelegenheiten (seit setzte sich auch nach seiner Rückkehr nach 1934); japanischer Botschafter in Berlin Japan für enge Zusammenarbeit mit Hitler('937/38) und Moskau (1938—1940); Außendeutschland und Italien ein; Berater Matsuominister und Minister für Überseeangelegenkas bei den (deutsch-japanisch-italienischen) heiten im Tojo-Kabinett (1941/42); vom Dreimächtepakt-Verhandlungen im SeptemInternationalen Militärtribunal für den Fernen ber 1940 22, 114, 116, 119, 127, 130, 134 Osten im November 1948 zu 20 Jahren Haft Dr. Siebert, Fr., Deutscher Konsul in Jinanfu verurteilt 80—82, 89f., 94f. (Tsinanfu) 95 f . Dr.v. Spindler, Mitarbeiter des Reichswirtschaftsministeriums 112 Stahmer, Heinrieb Georg, Hauptreferent in der „Dienststelle Ribbentrop"; Verbindungsmann Ribbentrops zu Oshima; im Büro des Reichsaußenministers ; Generalkonsul; Sonderbevollmächtigter für den Abschluß des (deutschjapanisch-italienischen) Dreimächtepaktes im September 1940; Botschafter in Tokio seit Ende 1942 22, 153, 145

Dr. Trautmann, Oskar, Leiter der Ostasienabteilung im A A ; deutscher Botschafter in China (seit 1935), im Juli 1938 zur Berichterstattung nach Berlin beordert, kehrte nicht mehr auf seinen Posten zurück 12, 14, I7f., 25L, 32, 34f., 38, 40-45. 47— 5°, 55. 7 9 - 8 j . 83. 146 Tscbiang Kai-scbek 2, 1$, 17—19, 27, 32—34, 38, 40—50, 68f., 81, 83, 92, 99, 105—107, 118, 128 Ugaki, Ka^usbige, Japanischer General; Außenminister im ersten Konoe-Kabinett (1938) 70, 89, 91

i8o Ulbricht, Walter, 5 f., 78, 144 Urach, Fürst A, Japan-Korrespondent des „Völkischen Beobachters"; Referent in der Nachrichten- und Presse-Abteilung des A A , P. V I I I (Ostasien, Australien, Neuseeland, Hinter- und Niederländisch-Indien) 35, 132 Usami, U^ubiko, Botschaftsrat an der japanischen Botschaft in Berlin in Wang Cbong-bui (Wang Tschung-hui) Chinesischer Außenminister (1937/38); Generalsekretär des Obersten Nationalen Verteidigungsrates (1942-1947) 42, 44, 47 Wang Jingwei (Wang Tscbing-wei), Führer des pro japanischen Flügels in der Guomindang; lief Ende 1938 auf die Seite des Aggressors über; Präsident einer Marionettenregierung in Nanjing (Nanking) seit 30. März 1940 42» 45, 69, 81, 83, 93, 99, io6f., 1 1 2 , 128 v. Weizsäcker, Ernst Freiherr, Mit der einstweiligen Leitung der Politischen Abteilung des A A beauftragt (August 1936—Mai 1937); Leiter der Politischen Abteilung des A A (Mai 1937—März 1938); Staatssekretär im A A (April 1938—April 1943); von einem amerikanischen Gerichtshof in Nürnberg im April 1949 zu 7 Jahren Haft verurteilt 35, 46, 48—51, 55, 8of., 86, 90, 92, n 6 f . , 120—124, 1 2 6 - 1 3 1 , 133, 145 Wet^ell, General; Leiter der deutschen Militärberatergruppe bei Tschiang Kai-schek ( 1 9 3 1 - 1 9 3 3 ) 17 Wiehl, Emil Karl Josef, Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung des A A (Juni 1937— September 1944); Ministerialdirektor 51 f., 80, 94—96, 108, m f. Wilson, Sir Horace John, Hauptberater der britischen Regierung für Industriefragen (November 1930—Februar 1939); dem Schatzamt zur besonderen Verwendung beim Premierminister zugeteilt (Juni 193 5—Februar 1939) Winter 5 3 f.

Personenregister Gesandter. I. Klasse(Mai 1937—Februar 1938); Ministerialdirektor; Leiter der Politischen Abteilung des A A mit der Amtsbezeichnung eines Unterstaatssekretärs (März 1938—1943); Botschafter bei der Marionettenregierung unter Wang Jingwei in Nanjing (1943—1945); von einem amerikanischen Gerichtshof im April 1949 zu 7 Jahren Haft verurteilt 59, 65, 88, 128 Wobltbat, Helmut, Höherer Beamter im Reichswirtschaftsministerium (seit 1934); Ministerialdirektor und Leiter der Abteilung VI, Devisenbewirtschaftung, (1936); Ministerialdirektor z. b. V. im Amt des Beauftragten für den Vierjahresplan (seit 1938); Chef der Deutschen Wirtschaftskommission in Japan (1941—1944) 125 Dr. Woidt, Beauftragter offizieller deutscher Stellen für Wirtschaftsverhandlungen in den von Japan besetzten chinesischen Gebieten 108—112 Wolff, Otto, Großindustrieller; Mitbegründer der Vereinigten Stahlwerke; Chef des OttoWolff-Konzerns 14, 3 3 f., 50 Wu Peifu ( Wu Pei-fü), Armeeoffizier; spielte in den Generalskämpfen der 20er Jahre in China eine Rolle; seit 1928 im Ruhestand; 1938 von Japan als Chef einer Marionettenregierung in China vorgesehen, 1939 gestorben 105 f. v. Wysocki, Polnischer Botschafter in Rom 63 Yanai, Botschaftsrat an der japanischen Botschaft in Berlin 50 Yonai, Mitsumasa, Marineminister im Hayashi-, im ersten Konoe- und im Hiranuma-Kabinett (1937—1939); Ministerpräsident (16. 1.—22. 7. 1940); Marineminister im Koiso- und im Suzuki-Kabinett(i944/45); Admiral 8 9 , 1 2 1 , 130

Zbang Jingbui (Tscbang Tscbing-bui), Ministerpräsident des Scheinkabinetts von Manzhouguo 26 v. Winterfeldt, Wirtschaftssachverständiger der Zbang Ziping (Cbang Chi Ping), Japanophiler Schriftsteller; Mitarbeiter von Wang Jingwei; deutschen Botschaft in China 13f., 40, 105, Mitglied der Wang-Jingwei-,, Regierung" 108, n o f . 106 Woermann, Ernst, Botschaftsrat an der deutschen Botschaft in London (seit August 1936);

Druckfehlerberichtigung S.

24: Zeile 14 von unten anstatt: Manzhuoguo lies: Manzhouguo

S.

40: Anm. 53 anstatt: Ebenda, Nr 2076 lies: Ebenda, D B C , Nr 2076

S.

99: letzte Zeile anstatt: Ya'nan lies: Yan'an

S. 176: Zeile 1 anstatt: König Georg VII. lies: König Georg V I . S. 178: Zeile 19 von oben anstatt: Botschafterin Berlin lies: Botschafter in Berlin