Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention: Eine Analyse der Rechtsprechung der Straßburger Organe [1 ed.] 9783428487882, 9783428087884


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German Pages 214 Year 1996

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Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention: Eine Analyse der Rechtsprechung der Straßburger Organe [1 ed.]
 9783428487882, 9783428087884

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KATJA GELINSKY

Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention

Schrüten zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera und Detlef Merten

Band 31

Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention Eine Analyse der Rechtsprechung der Straßburger Organe

Von Katja Gelinsky

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Gelinsky, Katja:

Der Schutz des Eigentums gemäss Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention : eine Analyse der Rechtsprechung der Strassburger Organe / von Katja Gelinsky. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum europäischen Recht ; Bd. 31) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1995/96 ISBN 3-428-08788-7 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-08788-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

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Meinen Eltern und meiner Großmutter

Vorwort Die Arbeit "Der Eigentumsschutz nach Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Eine Analyse der Rechtsprechung der Straßburger Organe" ist im Wintersemester 1995/96 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen worden. Mein herzlicher Dank gilt Herrn Professor Dr. Dr. Frowein, der die Anregung zu dem Thema gab, sowie Herrn Professor Dr. Dr. Bleckmann, der die Arbeit betreut hat. Danken möchte ich auch Herrn Professor Dr. Cassese, der mir während des Forschungsaufenthalts am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz Rat und Hilfe geleistet hat. Herrn Professor Dr. Birk danke ich für die Erstattung des Zweitgutachtens. Ich danke weiterhin den Herren Professoren Dr. Magiera und Dr. Merten für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe "Schriften zum Europäischen Recht" . Für Anregungen und Hinweise bedanke ich mich bei Annette Langen, Ansgar Hörster und Robin Mishra. Meinen weiteren Freunden danke ich für ihr Verständnis und ihren Zuspruch während der Ausarbeitung. Besonders bedanken möchte ich mich bei meinen Eltern, die mich die ganzen Jahre gefördert und unterstützt haben, sowie bei meiner Großmutter, mit deren Hilfe so manches juristische Wortungetüm aus der Arbeit verbannt werden konnte. Mein Danlc gilt auch dem Deutschen Akademischen Austauschdienst für die finanzielle Hilfe zum Forschungsaufenthalt am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz sowie der Fakultät, die die Drucklegung der Arbeit finanziell unterstützt hat. Münster, im April 1996 Katja Gelinsky

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Die Reichweite der konventionsrechtlichen Eigentmnsgarantie . . . . . . . . . . . . .. I. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

20 20 20

1. Heranziehung des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. 2. Heranziehung des nationalen Rechts . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Eigentumsrechtlich geschützte Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtsprechung der Konventionsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Eigentum an unbeweglichen Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Anteilsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wohlerworbene Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d) Privatrechtliche Forderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. e) Goodwill . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. f) Öffentlich-rechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. g) Geistiges Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. h) Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abweichende Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Eigener Ansatz: Die Bestimmung des Schutzurnfangs unter Berücksichtigung des Menschenrechtscharakters der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

c.

Eingriffe in das Eigentmnsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Formelle Eigentumsentziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1. Die Rechtsprechung der Konventionsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Eigentumsübertragungen auf den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Regelung von Privatrechtsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Der Fall Bramelid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Der Fall James . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konfiskationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abweichende Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Nutzungsregelnde Eigentumseingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Die Anwendbarkeit der Nutzungsklausel gemäß der Rechtsprechung der Konventionsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bauvorhaben und Landschaftsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Genehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wohn- und Mietpreisbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Konfiskationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 2. Kriterien für die Anwendbarkeit der Nutzungsklausel . . . . . . . . . . . . . . " a) Der Eingriffszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Eingriffsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " III. Die de facto Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " 1. Die Rechtsfigur der de facta Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Die Rechtsprechung der Konventionsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . " b) Literaturmeinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Unterscheidung zwischen Nutzungskontrolle und de facto Enteignung . .. a) Der Ansatz der Konventionsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Fall Sporrong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Fall Mellacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " cc) Der Fall Pine Valley . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. dd) Der Fall Tre Traktörer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " ee) Der Fall Fredin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I) Verlust sinnvoller Nutzungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ungewißhe,it im Hinblick auf den Fortbestand des Nutzungsrechts . ff) Der Fall Papamichalopoulos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I) Der Ansatz der Kommission. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (2) Der Ansatz des Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. gg) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahmen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " c) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " IV. "Sonstige" Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " 1. Problemaufriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidungen der Konventionsorgane zu "sonstigen" Eingriffen . . . . . . . . 3. Gemeinsame Charakteristika "sonstiger" Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinsame Kennzeichen der Fälle Sporrong un.d Erkner . . . . . . . . . . . b) Der Fall Papamichalopoulos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fragwürdigkeit des Ausschlusses der Entziehungs- und Nutzungsklausel .... a) Der Fall Sporrong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Argumentation des Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gegenstimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Der Fall Erkner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Die Auffassung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Auffassung des Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Der Fall Papamichalopoulos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Der Ansatz der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Gegenstimmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " 5. Fragwürdigkeit des Konzepts einer dritten Eingriffskategorie . . . . . . . . . . . a) Die Struktur der Eigentumsnorm nach der Rechtsprechung der Straßburger Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die "Theorie der drei getrennten Normen" . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54 54 55 56 56 56 58 59 59 60 60 61 61 62 62 63 64 65 65 66 67 67 68 73 73 73 75 76 77 78 79 80 80 80 81 83 83 83 84 85 85 85 86 86 86 86

Inhaltsverzeichnis

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bb) Die Modifikation der "Theorie der drei getrennten Nonnen" . . . . . . . b) Die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des 1. ZP in der Literatur ..... c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Die Rechtfertigung von Eigentlonseingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Die Rechtfertigung von Enteignungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das ~ öffentliche Interesse" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Die "durch Gesetz ... vorgesehenen Bedingungen" . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt des Gesetzesvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fonneller oder materieller Gesetzesbegriff! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aal Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Literaturauffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Verhältnismäßigkeitserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Das Problem der Enteignungsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entschädigungsverpflichtung gegenüber Aus- und Inländern? . . . . . . . . . . . a) Die Entschädigungsfrage in der Konventionspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . aal Die ältere Konventionspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die neuere Konventionspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahmen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aal Befürwortung einer generellen Entschädigungspflicht . . . . . . . . . . .. bb) Ablehnung einer generellen Entschädigungspflicht . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aal Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der einschlägige Entschädigungsmaßstab - Problemaufriß . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechtsprechung ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Literatunneinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . , . . . . . . . . . . . . . aal Entschädigungspflicht gemäß den völkerrechtlichen Prinzipien . . . . . . bb) Keine generelle Anwendung der völkerrechtlichen Prinzipien . . . . . . . cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aal Der Wortlaut des Art. 1 des 1. ZP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Systematische Erwägungen - das Diskriminierungsverbot des Art. 14 . cc) Der Sinn und Zweck der Konvention - die Schaffung eines ordre public 3. Der Entschädigungsumfang im Rahmen des Art. 1 des 1. ZP nach der Rechtsprechung der Konventionsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Entschädigungskriterien der Straßburger Organe . . . . . . . . . . . . . . . b) Der konventionsrechtliche Entschädigungsstandard in der Fallpraxis ..... aal Keine Entschädigungspflicht im Falle außergewöhnlicher Umstände - Der Fall Heilige Klöster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Argumentation der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92 92 92 96 96 98 99 100 101 102 102 107 108 108 110 110 112 115 115 117

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133 133 134 134 135 136

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Inhaltsverzeichnis bb) Keine Entschädigung für entgangenen Gewinn und nicht realisierte Nutzungsmöglichkeiten - Der Fall Andorfer Tonwerke . . . . . . . . . . . . . cc) Keine BelÜcksichtigung des gezahlten Kaufpreises - Der Fall Häkansson . . (1) Die Argumentation der Konventionsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gegenstimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Keine Entschädigung bei der Umgestaltung von Eigentumsrechten - Der Fall James . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Auffassung der Streitparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Auffassung der Konventionsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Keine BelÜcksichtigung von Wertsteigerungen und Inflation - Der Fall Lithgow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fehlende BelÜcksichtigung zwischenzeitlich eingetretener Wertsteigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Argumentation der Streitparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Argumentation des Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Gegenstimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine BelÜcksichtigung der Inflation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis zur Entschädigungsrechtsprechung der Konventionsorgane 4. Der völkerrechtliche Entschädigungsstandard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zur opinio iuris bezüglich des völkerrechtlichen Entschädigungsstandards . b) Die Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zur Resolutionspraxis der Vereinten Nationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die internationale Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die ältere Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die neuere Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis zum völkerrechtlichen Entschädigungsstandard . . . . . . . 5. Eigener Ansatz zur Bestimmung der konventionsrechtlichen Entschädigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine generelle Heranziehung der völkerrechtlichen Entschädigungsgrundsätze im Rahmen von Art. 1 des 1. ZP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkretisierung des von den Konventionsorganen entwickelten Entschädigungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111. Rechtfertigung nutzungsregelnder Maßnahmen gern. Art. 1 Abs. 2 des 1. ZP . . . 1. Gesetzliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeinwohlerfordemis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. VerhältnismäßigkeitsplÜfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fallanalyse zur VerhältnismäßigkeitsplÜfung der Konventionsorgane bei nutzungsregelnden Eingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Fall Raimondo . . . . . . . . . . . . . '. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Fall Fredin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Fall Tre Traktörer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

137 138 139 140 140 142 142 142 143 144 144 144 145 147 147 149 150 150 151 152 153 155 156 159 159 161 164 165 165 166 170 171 172 174 174 176 176 177 178

Inhaltsverzeichnis

13

dd) Der Fall Mellacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Urteil des Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Abweichende Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Der Fall AGOSI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Entscheidung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Urteil des Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnalunc zur Einzelfallanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Notwendigkeit einer strengeren Verhältnismäßigkeitskontrolle . . . . . . . . . 4. Zur Frage der Entschädigung bei Nutzungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Fall Bancr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Fall Pine Valley . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnalunc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtfertigung "sonstiger" Eingriffe gern. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des 1. ZP . . . . .

179 179 180 181 181 182 183 187 189 189 191 193 196

E. ZWlammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

204

Verzeichnis der Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

211

Abkürzungsverzeichnis Abs. AJCL AJIL AK Art. BGBI. BGH BK BR BVerfG BVerfGE BVerwG BYlL CD CJIL Diss. Doc. DR E. EMRK f.

ff. GA GAOR GB HRlJ HRQ Hrsg. HS ibid. ICJ ICLQ IGH ILM ILR JCP JZ LIEI m. w. N. n. F. NILR NJW OPEC

Absatz American Journal of Comparative Law American Journal of International Law Reihe Alternativkommentare - Kommentar zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland Artikel Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bonner Kommentar zum Grundgesetz Bundesrepublik Bundesverfassungsgericht Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht The British Yearbook of International Law Collected Decisions Conneticut Journal of International Law Dissertation Documents Decisions and Reports Entscheidungen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten folgende fortfolgende General Assembly General Assembly Official Records Großbritannien Human Rights Law Journal Human Rights Quarterly Herausgeber Halbsatz ibidem International Court of Justice International and Comparative Law Quarterly Internationaler Gerichtshof International Legal Materials International Law Reports Juris-Classeur Periodique Juristenzeitung Legal Issues of European Integration mit weiteren Nachweisen Neue Fassung Netherlands International Law Review Neue Juristische Wochenschrift Organisation of the Petroleum Exporting Countries

Abkürzungsverzeichnis OPIC ÖZRV ÖZW

PCll

RdC RDH RDI Res. RIAA RIDU RIW/ADW RUDH

Rz.

Supp. TDOR

u. a.

UHR UN UNCTAD US vgl. VJIL WVRK YB

z. B.

Ziff. zit. ZP

15

Overseas Private Investment Corporation Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht Österreichische Zeitschrift für Wirtschaft Permanent Court of International Justice Recueil des Cours Revue des droits de l'homme Rivista di Dirino Internazionale Resolution Reports of International Arbitral Awards Rivista Internazionale dei Diritto deli' Uomo Recht der Internationalen Wirtschaft!Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters Revue Universelle des Droits de I'Homme Randzahl Supplement Trade and Development Official Reports und andere Universal Human Rights United Nations United Nations Conference on Trade and Development United States vergleiche Virginia Journal of International Law Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention) Yearbook of the European Convention on Human Rights zum Beispiel Ziffer zitiert Zusatzprotokoll

A. Einleitung Das Eigentumsrecht gern. Artikel 1 des Ersten ZU$atzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention 1 ist eines der Rechte in der EMRK, dessen Inhalt und Struktur immer noch zahlreiche Fragen aufwirft. Bereits als es um die Aufnahme einer eigentumsschützenden Norm in die EMRK ging, k~ es zu fundamentalen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gründungsvätem der Konvention. 2 Uneinigkeit herrschte sowohl darüber, ob ü~erhaupt ein Menschenrecht auf Eigentum statuiert werden sollte, als auch über die Reichweite einer möglichen Eigentumsgarantie. Da man zunächst keinen Konsens finden konnte, wurde die Konvention 1949 ohne Bezugnahme auf ein Eigentumsrecht verabschiedet. Erst drei Jahre später einigte man sich auf die Aufnahme einer Eigentumsgarantie in das Erste Zusatzprotokoll zurEMRK, welches am 20. März 1952 unterzeichnet wurde. In Art. 1 des 1. ZP heißt es: "Jede natürliche und juristische Person hat ein Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, daß das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen. Die vorstehenden Bestimmungen beeinträchtigen jedoch in keiner Weis~ das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse oder zur Sicherung der Zahlung von Steuern oder sonstigen Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlich hält. "3 1 Im folgenden: Art. 1 des 1. ZP; soweit Normen ohne Gesetzesangabe zitiert werden, handelt es sich um solche der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). 2 Zur Entstehungsgeschichte siehe: Böckstiegei, Grundsätze des Völkerrechts, 11 ff.; Condorelli, RDI, 1970, 175; Dolzer, Eigentum im geltenden Völkerrecht, 94 ff.; Partsch, 219 ff.; Peukert, EuGRZ, 1981,97 ff.; Schwelb, AJCL, 1964,535; van den Broek, LIEI, 1986,53 ff.

3

Die authentische englische Fassung lautet: "Every natural or legal person is entitIed to the peaceful enjoyment of his possessions. No one shall be deprived of his possessions except in the public interest and subject to the conditions provided for by law. The preceding provisions shall not, however, in any way impair the right of aState to enforce such laws as it deerns necessary to control the use of property in accordance with the general interest or to secure the payment of taxes or other contributions or penalties ...

2 Gelinsky

18

A. Einleitung

Die Bemühungen um den konventionsrechtlichen Schutz des Eigentums blieben jedoch zunächst ohne praktische Konsequenzen, denn es dauerte mehr als zwanzig Jahre bis der Gerichtshof erstmals, und zwar im Fall Handyside, ein Urteil zu Art. 1 des 1. ZP fällte. Seit Beginn der achtziger Jahre jedoch hat sich die Zahl der Beschwerden, in denen eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Eigentums gerügt wurde, erheblich erhöht. Dieser Entwicklung soll in der vorliegenden Arbeit durch die Analyse der Rechtsprechung zum Eigentumsschutz Rechnung getragen werden. Teilweise ergeben sich dabei die gleichen Probleme wie bei der Auslegung nationalstaatlicher Eigentumsnormen. Dies gilt beispielsweise für die Schwierigkeiten, den Schutzumfang der Eigentumsgarantie festzulegen sowie für die Abgrenzung zwischen Enteignungen und nutzungsbeschränkenden Eigentumseingriffen. Darüber hinaus gibt es jedoch auch Aspekte, die speziell den konventionsrechtlichen Eigentumsschutz betreffen. So ist zu berücksichtigen, daß das Recht auf Achtung des Eigentums gern. Art. 1 des 1. ZP den Status eines Menschenrechts genießt und damit als besonders schützenswert erachtet wird. Bei der Bestimmung des Schutzumfangs der konventionsrechtlichen Eigentumsnorm ist außerdem auf die unterschiedliche Ausprägung des Eigentumsschutzes in den Mitgliedstaaten Rücksicht zu nehmen. 4 Aufgabe des Art. 1 des 1. ZP ist es nicht, den nationalen Eigentumsschutz zu ersetzen. Seine Bedeutung liegt vielmehr darin, einen einheitlichen europäischen Mindeststandard beim Schutz des Eigentums zu garantieren. 5 Die Konventionsorgane sind dabei vor die schwierige Aufgabe gestellt, die Bürger wirksam vor staatlichen Eigentumseingriffen zu schützen, gleichzeitig aber auch die nationalen Eigentumsregelungen zu berücksichtigen. Der gleichfalls authentische französische Text lautet: "Toute personne physique ou morale a droit au respect de ses biens. Nul ne peut etre prive de sa propriete que pour cause d 'utilite publique et dans les conditions prevues par la loi et les principes generaux du droit international. Les dispositions precCdentes ne portent pas atteinte au droit que possedent les Etats de mettre en vigeur les lois qu'ils jugent necessaires pour reglementer l'usage des biens conformement a l' interet general ou pour assurer le paiement des impöts ou d' autres contributions ou des amendes." • Zum Eigentumsschutz im angelsächsischen Recht: Allen, ICLQ, 1993, 523 ff.; zum deutschen Recht siehe zusammmenfassend: BK - Kimminich, An. 14; Maunz - Papier, An. 14; AK Rittstieg, An. 14; von Münch - Kunig, An. 14; zum französischen Recht siehe: Baumgarmer, 1 ff. (Diss.); Buchmueller, 1 ff. (Diss.); Luchaire, 265 ff.; von Richthofen, 1 ff. (Diss.); zum Schutz des Eigentums im griechischen Recht: Kedikoglou; 1 ff.; zum österreichischen Recht: Loebenstein, FS-Melichar, 79 ff.; zum italienischen Recht siehe u. a.: Bleckmann, ZaöRV, 1967, 94 ff.; rechtsvergleichend siehe auch: Dolzer, Eigentum im geltenden Völkerrecht, 167 ff., 216 ff.; Ojfermann-Clas, 64 ff.; Mosler; Staat und Privateigentum; Rittstieg, 1 ff.; Schiffauer, EuGRZ, 1981,51 ff. , Zum subsidiären Charakter der EMRK vgl.: Bleckmann, Staatsrecht 11, 30 ff.; ders.: EuGRZ, 1979, 487; O'Donnell, HRQ, 1982,475; Hai/bronner, FS-Mosler, 383; Spjut, FS-Schmitthoff, 122; Yourow, CJIL, 1987, 117.

A. Einleitung

19

Andernfalls wäre zu befürchten, daß einzelne Mitgliedstaaten ihre Unterwerfung unter die Kontrolle der europäischen Organe zurücknehmen würden. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, anband von Urteilen des Gerichtshofs sowie Kommissionsentscheidungen zu analysieren, welche Ausformung der konventionsrechtliche Eigentumsschutz in der Rechtsprechung der Konventionsorgane gefunden hat. Die Erörterungen beziehen sich sowohl auf die inhaltliche Ausgestaltung der Eigentumsgarantie als auch auf die formale Struktur des Art. 1 des 1. ZP. Im Mittelpunkt steht dabei jeweils die Frage, ob die von den Konventionsorganen verfolgte Linie dem Erfordernis effektiven Eigentumsschutzes gerecht wird. Sofern sich im Laufe der Untersuchung zeigen sollte, daß die Auslegung der konventionsrechtlichen Eigentumsnorm durch die Straßburger Organe keinen wirksamen Eigentumsschutz garantiert, sind Konzepte zu entwickeln, die den jeweiligen Defiziten Rechnung tragen und mögliche Lücken im konventionsrechtlichen Eigentumsschutz schließen.

B. Die Reichweite der konventionsrechtlichen Eigentumsgarantie Zunächst stellt sich die Frage, welche Güter und Rechte durch die Eigentumsgarantie des Art. 1 des 1. ZP geschützt werden.

I. Begriffsbestimmung In der Vorschrift des Art. 1 des 1. ZP fmdet sich keine Definition des Begriffs "Eigentum". Auch während der Verhandlungen über die konventionsrechtliche Verankerung des Eigentumsrechts wurde über dessen Inhalt kaum diskutiert. Auf entschiedene Ablehnung stieß allerdings der Vorschlag des französischen Angeordneten Philip, den Schutz des Eigentums auf Gegenstände des persönlichen Gebrauchs zu beschränken. 1 Dies läßt den Schluß zu, daß die Gründungsväter der EMRK und der Zusatzprotokolle den Eigentumsbegriff weit auslegten. Der genaue Inhalt der konventionsrechtlichen Eigentumsgarantie wurde jedoch weder in der Beratenden Versammlung noch im Ministerrat oder im Expertenausschuß diskutiert. 2

1. Heranziehung des Völkerrechts

In der völkerrechtlichen Literatur wird allgemein davon ausgegangen, daß "Eigentum" im Sinne von Art. 1 des 1. ZP der EMRK die gleiche Bedeutung habe wie im allgemeinen Völkerrecht. 3 Zur Begründung wird angeführt, daß mangels besonderer Hinweise auf ein spezielles konventionsrechtliches Eigentumsverständnis davon ausgegangen werden müsse, daß Art. 1 des 1. ZP als eine Norm des Völkerrechts den Eigentumsbegriff in der gleichen Weise

I

Vgl. Council 0/ Europe, Consultative Assembly, Reports, Documents de Seance, 1949, 95.

2

Vgl. dazu Böckstiegei, Grundsätze des Völkerrechts, 24.

Böckstiegei, ibid.; Cohen-Jonathan, 521; Condorelli, ROIU, 1989,266; FroweinlPeukertPeuken, 255, Rz. 4; Naudet, Droit Prospectif, 1990, 28; Riedei, EuGRZ, 1988, 334; Dolzer, Eigentum im geltenden Völkerrecht, 170 f. J

I. Begriffsbestimmung

21

verwende wie im allgemeinen Völkerrecht. 4 Geschützt seien danach prinzipiell alle vermögenswerten Rechtspositionen Privater. S Auch im Völkerrecht besteht jedoch in mancher Hinsicht Unklarheit darüber, ob und inwieweit bestimmte Positionen eigentumsrechtlich zu schützen sind. Dies gilt beispielsweise für zivilrechtliehe Forderungen sowie öffentlichrechtliche Ansprüche, insbesondere Renten- und Pensionsansprüche. Problematisch sind außerdem der völkerrechtliche Schutz des goodwill und die Schutzwürdigkeit von Chancen und Erwartungen auf Verbesserung der Vermögensposition. 6 Mit dem Verweis auf den völkerrechtlichen Eigentumsbegriff werden die Probleme der Eigentumsdefmitiongem. Art. 1 des 1. ZP lediglich auf eine andere Ebene verlagert. Eine eindeutige Antwort auf die Frage nach der Reichweite des konventionsrechtlichen Eigentumsschutzes ergibt sich damit nicht.

2. Heranziehung des nationalen Rechts

Des weiteren besteht die Möglichkeit, die Reichweite der konventionsrechtlichen Eigentumsgarantie in Anlehnung an den Eigentumsbegriff, wie er in den Verfassungen der Mitgliedstaaten verstanden wird, zu bestimmen. So heißt es bei Peukert: "Die Vorschrift [Art. 1 des 1. ZP] kann als eine Synthese der Grundprinzipien angesehen werden, die im Recht der Mitgliedstaaten für den Eigentumsschutz maßgeblich sind. "7

Auch Frowein vertritt die Auffassung: "Possessions in the sense of Article 1 of Protocol No. 1 are in the first place all those rights which are called property rights in the national systems. "8

Von der Grundidee her wird "Eigentum" in den nationalen Rechtsordnungen der westeuropäischen Staaten in gleicher Weise verstanden. So gelten als traditionell schützenswert vermögenswerte Rechte Privater. 9 Das heißt jedoch nicht, daß der Kreis der eigentumsrechtlich geschützten Rechtspositionen in • Peukert, EuGRZ, 1981,99; Böckstiegei, Grundsätze des Völkerrechts, 24. S Zum völkerrechtlichen Eigentumsbegriffvgl.: Böckstiegei, Grundsätze des Völkerrechts, 24 f.; Dolzer, Eigentum im geltenden Völkerrecht, 148 ff.; Müller; 1 ff.; Seidl-Hohenveldem, FSErmacora, 181 ff. 6

Vgl. Dolzer, Eigentum im geltenden Völkerrecht, 171 ff.

FroweinlPeukert - Peukert, 255, Rz. 3. • Frowein, in: The European System for the Protection of Human Rights, 516. 9 Zusammenfassend: Dolzer, Eigentum im geltenden Völkerrecht, 170. 7

22

B. Die Reichweite der konventionsrechtlichen Eigentumsgarantie

allen Mitgliedstaaten der EMRK identisch ist. lO Für den Schutz einer Vermögensposition gern. Art. 1 des 1. ZP ist es indes auch nicht erforderlich, daß das behauptete Recht von allen Vertragsstaaten übereinstimmend als Eigentumsrecht im Sinne der jeweiligen nationalen Rechtsordnung anerkannt wird. Der Gerichtshof hat in mehreren Entscheidungen deutlich gemacht, daß die in der EMRK garantierten Rechte autonomen Charakter haben und damit nicht zwangsläufig mit dem nationalen Standard eines jeden Vertragsstaates übereinstimmen müssen. 11 Dementsprechend haben die Konventionsorgane in mehreren Fällen Rechtspositionen als schützenswert im Sinne des Art. 1 des 1. ZP behandelt, obwohl nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates kein Eigentumsschutz bestand. Beispielsweise erachteten sie im Fall van Marle den Kundenstamm eines Rechtsanwalts als Bestandteil des gern. Art. 1 des 1. ZP zu schützenden goodwill, obwohl die beklagte niederländische Regierung geltend gemacht hatte, daß im niederländischen Recht ein Schutz des goodwill nicht verbürgt sei. 12 Eine autonome Bestimmung des Eigentumsbegriffs erfolgte auch in der Entscheidung Müller gegen Öste"eich. So hielt die Kommission die Tatsache, daß Pensions- und Sozialanspruche nach österreichisehern Recht nicht als Eigentumsrechte akzeptiert werden, im Hinblick auf den konventionsrechtlichen Eigentumsschutz für unmaßgeblich. 13 Auf der gleichen Linie liegen auch zwei Entscheidungen, die griechisches Recht betrafen. Im Fall Agrotexim wertete die Kommission Aktienrechte und im Fall Heilige Klöster durch Ersitzung erworbene Liegenschaften als "Eigentum" im Sinne von Art. 1 des 1. ZP, obwohl diesen Vermögenspositionen nach griechischem Recht kein eigentumsrechtlicher Schutz gebührt. 14 Folglich ist die Definition von "Eigentum" gemäß den nationalen Rechtsordnungen jedenfalls nicht allein entscheidend für die Reichweite des konventionsrechtlichen Eigentumsbegriffs .

10

Zur Rechtsvergleichung siehe die Literaturhinweise in Fn. 4 auf Seite 18.

Vgl. dazu folgende Entscheidungen: Sunday Tirnes-Urteil, Ziff. 59; Deweer-Urteil, Ziff. 42; Adolf-Urteil, Ziff. 30; in der völkerrechtlichen Literatur siehe: Bemhardt, FS-Wiarda, 67; Ganshofvan der Meerseh, Journal des Tribunaux, 1982, III f.; Mosler, FS-van Panhuys, 161 f.; Naudet, Droit Prospectif, 1990,28. 11

12

Van Marle-Urteil, Ziff. 40.

DR 3 (1976),31; zur österrcichischen Rechtsauffassung insoweit: Loebenstein, FS-Melichar, 79 ff. 13

14 Agrotexirn Hellas S.A., E. 1480/89, HRU, 1992, 318 (320); Heilige Klöster, E. 13092/87 und 13984/88, Kommissionsbericht, Ziff. 40, Zusammenfassung in: Newsletter Band 3, 1993, 9 ff.

11. Eigentumsrechtlich geschützte Positionen

23

11. Eigentumsrechtlich geschützte Positionen Angesichts der autonomen Bestimmung eigentumsrechtlich geschützter Positionen durch die Konventionsorgane soll die Frage nach dem Verhältnis des konventionsrechtlichen Eigentumsbegriffs zum Eigentumsverständnis im Völkerrecht und im nationalen Recht hier nicht weiter vertieft werden. Statt dessen ist im folgenden auf die Rechtsprechung der Konventionsorgane zum Schutzbereich des Art. 1 des 1. ZP einzugehen.

1. Die Rechtsprechung der Konventionsorgane

Eine Definition des konventionsrechtlichen Eigentumsbegriffs fmdet sich weder in den Entscheidungen der Kommission noch in den Urteilen des Gerichtshofs. Im Fall Marckx legte der Gerichtshof lediglich dar, daß die unterschiedlichen Wendungen "possessions" und "property" beziehungsweise "biens" und "propriete" inhaltlich gleichbedeutend seien. Sie bezeichneten das Recht auf Eigentum, zu dessen traditionellen und grundlegenden Bestandteilen das Recht zähle, über das eigene Vermögen zu verfügen. 1S Außerdem stellte er klar, daß nur vorhandenes Eigentum durch Art. 1 des 1. ZP geschützt werde, nicht dagegen ein Recht auf Eigentumserwerb im Wege der gesetzlichen Erbfolge oder durch freigebige Zuwendungen. 16 Der konkrete Inhalt der konventionsrechtlichen Eigentumsgarantie ist damit jedoch noch nicht hinreichend bestimmt. Deshalb soll im folgenden durch die Erörterung einzelner Rechtspositionen, die in der Rechtsprechung zu Art. 1 des 1. ZP Bedeutung erlangten, die Reichweite der konventionsrechtlichen Eigentumsgarantie abgesteckt werden.

a) Eigentum an unbeweglichen Sachen Grundeigentum verkörpert im allgemeinen einen bedeutenden finanziellen Wert, da es die Basis für die Schaffung weiteren Vermögens darstellt, jedoch nur begrenzt vorhanden und nicht vermehrbar ist. Dies führt regelmäßig zu einer besonders intensiven Kontroll- und Regelungstätigkeit des nationalen Gesetzgebers im Hinblick auf die Nutzung und Verfügung über das Grundeigentum. Von daher ist es für den Eigentümer wesentlich, daß die Eigentumsgarantie des Art. 1 des 1. ZP nicht nur bewegliche Sachen, sondern auch 15

March-Urteil, Ziff. 63.

16

Ibid., Ziff. 50.

24

B. Die Reichweite der konventionsrechtlichen Eigenrumsgarantie

Immobilien erfaßt. 17 Die Bedeutung des konventionsrechtlichen Eigentumsschutzes bei Eingriffen in das Grundeigentum spiegelt sich auch in der Konventionspraxis wider. So hatten sich die Kommission und der Gerichtshof mit einer Vielzahl von Beschwerden zu befassen, in denen eine Verletzung des Rechts auf ungestörte Verfügung und Nutzung des Grundeigentums geltend gemacht wurde. Dies gilt beispielsweise für den Fall Sporrong und Lönnroth, in dem es um Enteignungsgenehmigungen und Bauverbote für Liegenschaften in der Innenstadt von Stockholm ging, sowie für die Entscheidung im Fall James, die die zwangsweise Grundstücksübertragung zugunsten Privater aufgrund einer Änderung des britischen Pachtsystems betraf. Um Eingriffe in das Grundeigentum ging es außerdem in der Rechtssache Erkner und Hojauer, in der die Konventionsorgane über ein österreichisches Landwirtschaftsprogramm zu entscheiden hatten, sowie in dem Fall Papamichalopoulos, dem ein Streit um den Bau einer Marinebasis auf den Privatgrundstücken griechischer Eigentümer zugrunde lag. Auf alle Entscheidungen wird im Laufe dieser Arbeit noch ausführlicher zurückzukommen sein.

b) Anteilsrechte Neben Grundeigentum bilden Anteilsrechte an Unternehmen entscheidende Vermögenswerte. Über deren Schutzwürdigkeit gern. Art. 1 des 1. ZP hatten die Konv'entionsorgane zum Beispiel im Fall Lithgow zu urteilen. Gegenstand der Beschwerde war die Verstaatlichung von Aktien an britischen Unternehmen der Luftfahrt- und Schiffbauindustrie. 18 Zur Anwendbarkeit der konventionsrechtlichen Eigentumsgarantie heißt es im Urteil des Gerichtshofs: " ... the applicants were cIearly 'deprived of their possessions' within the meaning of the second sentence of ArticIe 1." 19

Damit erkannten die Richter konkludent an, daß die Aktienrechte der Beschwerdeführer Eigentum im Sinne des Art. 1 des 1. ZP darstellen. Die Kommission beschäftigte sich bereits in einer früheren Entscheidung mit der Schutzwürdigkeit von Gesellschaftsanteilen. Im Fall Bramelid und Malmström stellte sie fest: "A company share is a complex thing: certifying that the holder possesses a share in the company, together with the corresponding rights (especially voting rights),

17

Grundlegend: Wiggins, DR 13 (1979),46.

Zum Fall Lithgow siehe auch: Bemhardt, ZaöRV, 1986, 539 ff.; Cohen-Jonathan, 531 ff.; Jeantet, JCP, 1987,811.,20733; Mendelson, BYIL, 1987,33 ff. IR

19

Lithgow-Urteil, Ziff. 107.

11. Eigentumsrechtlich geschützte Positionen

25

it also constitute, as it were, an indirect claim on company assets. In the present case, there is no doubt that the ... shares had an economic value. The Commission is therefore of the opinion that, with respect to Article 1 of the First Protocol, the ... shares held by the applicants were indeed 'posssessions ' giving rise to the right of ownership. "20

Nach der Rechtsprechung der Konventionsorgane sind also sowohl Aktien als auch andere Gesellschaftsrechte gern. Art. 1 des 1. ZP geschützt.

c)

Wohlerworbene Rechte

Außerdem werden "wohlerworbene" vermögenswerte Rechte (acquired/ vested rights, droits acquis) von der Eigentumsgarantie des Art. 1 des 1. ZP erfaßt. Im allgemeinen Völkerrecht zählen dazu jedenfalls alle rechtmäßig erworbenen, von der Rechtsordnung des jeweiligen Heimatstaates anerkannten Privatrechte. 21 Inwieweit vermögenswerte Positionen darüber hinaus als "wohlerworbene" Rechte zu behandeln sind, ist nicht abschließend geklärt. Auch die Konventionsorgane geben keine Definition der "wohlerworbenen" Rechte. Im Fall Karni erklärte die Kommission lediglich: "The Commission considers that the vested interests in the applicant's medical practice may be regarded as 'possessions' within the meaning of Article 1 of Protocol No. 1. "22

Auch im Fall van Marle wurde auf "wohlerworbene" Rechte Bezug genommen. Hier entschied die Kommission, daß die Einführung bestimmter gesetzlicher Zulassungsvoraussetzungen für die Führung des Titels "Wirtschaftsprüfer" die "wohlerworbenen " Rechte der Beschwerdeführer beeinträchtigt habe, die diese bis dahin im Zuge ihrer Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer erworben hätten. 23 Damit wird deutlich, daß die Kommission den Begriff der "wohlerworbenen " Rechte weit auslegt. So ließ sie es in den Fällen Karni und van Marle genügen, daß die Beschwerdeführer konkrete untemehmerische Gewinnchancen nachweisen konnten. Auf die rechtliche Verfestigung dieser Vorteile kam es indes nicht an.

20

Bramelid, DR 29 (1982), 8l.

21

Böckstiegel, Grundsätze des Vökerrechts, 25; Sik, NILR, 1977, 120 ff.; VerdrosslSimmll,

22

Kami, DR 55 (1988), 165.

23

Van Marle-Kommissionsentscheidung, Ziff. 123.

§§ 1012, 1213.

26

B. Die Reichweite der konventionsrechtlichen Eigentumsgarantie

d) Privatrechtliche Forderungen Nach der Rechtsprechung der Konventionsorgane werden auch privatrechtliche Forderungen vom Schutzbereich des Art. 1 des 1. ZP erfaßt. 24 Voraussetzung dafür ist allerdings, daß folgende Bedingungen eingehalten werden: Die Beschwerdeführer müssen nachweisen können, daß ihnen die geltend gemachte Forderung tatsächlich zusteht. 25 Überdies muß die Forderung bereits, zur Entstehung gelangt sein; solange sie noch von dem Eintritt gewisser Bedingungen abhängig ist, kommt Art. 1 des 1. ZP nicht zur Anwendung. 26 Die Beweislast obliegt auch hier dem Beschwerdeführer. 27 Kann er nicht den Nachweis einer fälligen, durchsetzbaren Forderung erbringen, ist die Eigentumsgarantie nicht berührt. Aus diesem Grund scheiterte beispielsweise die Beschwerde im Fall X gegen die BR Deutschland. Der Beschwerdeführer hatte behauptet, in seinen Eigentumsrechten gern. Art. 1 des 1. ZP verletzt zu sein, da ihm infolge einer Änderung der gesetzlichen Bestimmungen über Notarsgebühren Einkommensverluste entstanden waren. Die Kommission stellte jedoch klar, daß seine Forderung nur in der Höhe Schutz genieße, in der sie auf der Grundlage der geltenden Gebührenordnung tatsächlich zur Entstehung gelangt sei. Die bloße Erwartung, daß die alte Gebührenregelung in Kraft bleibe, sei nicht schutzwürdig. 28 In die gleiche Richtung weist die Entscheidung im Fall Batelaan. Die Kommission wies die Beschwerde, daß der Entzug einer Genehmigung zur Ausgabe von Medikamenten das berufliche Einkommen gemindert habe, mit folgender Begründung zurück: "... future income could only be considered to constitute apossession, if it had already been eamed or where an enforceable claim existed to it."29

Auch im Fall van der Mussele wurde die Auffassung bestätigt, daß eine schutzwürdige Forderung auf Vergütung für eine Arbeitsleistung nur besteht, sofern ein Lohnanspruch tatsächlich aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Regelung entstanden ist. Gegenstand der Beschwerde war eine Regelung, gemäß der noch in der Ausbildung stehende Rechtsanwälte verpflichtet waren, mittellose Angeklagte zu verteidigen, ohne dafür eine Vergütung verlangen zu können. Sowohl der Gerichtshof als auch die Kommission gelangten zu der Auffassung, daß Art. 1 des 1. ZP nicht einschlägig sei, da nur bereits erworbenes Vermögen durch die konventionsrechtliche Eigentumsgarantie geschützt 24 Vgl. De Napoles Pacheco, DR 15 (1979), 159; A, Bund AS GmbH gegen die BR Deutschland, DR 14 (1979), 168; Sequaris, DR 29 (1982), 249; Agneessens, DR 58 (1988), 83. 25

A, Bund AS GmbH gegen die BR Deutschland, DR 14 (1979), 168.

26

Agneessens, DR 58 (1988), 68.

27

Azzi gegen Italien, E. 11250/84

21

DR 18 (1980), 219.

29

Batelaan, DR 41, 173.

= EuGRZ,

1988, 620.

11. Eigentumsrechtlich geschützte Positionen

27

werde. 30 Auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer keine Rückerstattung der ihm entstandenen Unkosten verlangen konnte, führte nach Auffassung der Richtermehrheit nicht zur Anwendbarkeit von Art. 1 des 1. ZP. Zur Begründung gab sie an, daß es sich um relativ geringe Ausgaben gehandelt habe und die Verpflichtung zur Übernahme des Mandats mit Art. 4 (Verbot der Zwangsarbeit) vereinbar gewesen sei. 31 Ein konventionsrechtlicher Eigentumsschutz für Unkosten besteht also nur, sofern das nationale Recht einen Erstattungsanspruch vorsieht. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art. 1 des 1. ZP ist außerdem, daß den Beschwerdeführern bereits Unkosten entstanden sind. Einen Vorauszahlungsanspruch für zukünftige Auslagen gewährt Art. 1 des 1. ZP nicht. 32

e) Goodwill Zu den schützenswerten Positionen im Sinne des Art. 1 des 1. ZP zählt außerdem der goodwill. Eine Definition dieser Rechtsfigur findet sich im Konventionsrecht nicht. Da es sich um keine dem Sacheigentum vergleichbare Rechtsposition handelt, ist eine abschließende Umschreibung der vom goodwill umfaßten Schutzobjekte jedoch auch nur schwer möglich. Generell dürften dazu alle in der Vergangenheit erarbeiteten Werte, Verhältnisse und Beziehungen eine Unternehmens zählen, die dessen Wert über den Substanzwert hinaus beeinflussen. 33 Bereits in einer frühen Entscheidung, im Fall König, vertrat Richter Wiarda die Auffassung, daß die Praxisräume eines Arztes, die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit und die Patienten Teil des goodwill seien, der dem Eigentumsrecht in gewisser Weise ähnele. 34 Die Mehrheit der Richter hingegen nahm in dieser Entscheidung keinen Bezug auf den goodwill, sondern stellte lediglich fest: "The running of a private c1inic is in certain respects a commercial activity ... akin to the right of property. "35

30

Van der Mussele-UrteiJ, Ziff. 48, Kommissionsentscheidung Ziff. 115.

3\ Ibid. Urteil, Ziff. 49; siehe aber dazu das abweichende Sondervotum der Richter Vilhjalmsson, Bindschedler und Matscher, 25. 32

X und Y gegen die BR Deutschland, DR 10 (1978), 230.

Vgl.: Creisjelds Rechtswörterbuch - Guntz, 530; Curzon, 147; Stroud's Judicial Dictionary James, 1189 f. 33

34

König-Urteil, 44.

3' Ibid., Ziff. 92.

28

B. Die Reichweite der konventionsrechtlichen Eigentumsgarantie

Die Anerkennung des goodwill als schützenswertes Eigentumsrecht erfolgte in der Konventionsrechtsprechung erstmals im Fallvan Marle. Der Gerichtshof bemerkte in seinem Urteil zur Schutzwürdigkeit der beschwerdeführenden Wirtschaftsprüfer: "The Court agrees with the Commission that the right relied upon by the applicants may be Iikened to the right of property embodied in Article 1: by dint of their own work, the applicants had built up a c1ientele; this had in many respects the nature of a private right and constituted an asset and, hence, apossession within the meaning of the first sentence of Article 1. "36

Zwar wird der goodwill in dieser Entscheidung nicht ausdrücklich erwähnt. Doch nimmt der Gerichtshof Bezug auf die Kommissionsentscheidung im van Marle-Fall. Dort wurde entschieden, daß Maßnahmen, die den goodwill eines Unternehmens betreffen, als Eingriffe in das Eigentumsrecht gewertet werden können. 37 Bedeutung hat der goodwill in der jüngeren Rechtsprechung vor allem im Zusammenhang mit Gewerbegenehmigungen erhalten. So entschied der Gerichtshof im Fall Tre Traktörer, daß der Entzug einer Genehmigung zum Ausschank von Alkohol in einem Restaurant nachteilige Auswirkungen auf den goodwill habe und deshalb einen Eingriff in das konventionsrechtlich geschützte Eigentumsrecht darstelle. 38 Bemerkenswert ist diese Entscheidung, da mit ihr eine Änderung der Rechtsprechung zum eigentumsrechtlichen Schutz von Genehmigungen einherging. Bis dahin war die Behauptung, daß durch den Entzug einer gewerblichen Genehmigung ein Eigentumseingriff erfolgt sei, stets zurückgewiesen worden. 39 Ursächlich dafür war, daß die Kommission die Anwendbarkeit der Eigentumsnorm davon abhängig machte: " ... whether the licence can be considered to create for the Iicence-holder a reasonable and legitimite expectation as to the lasting nature of the licence and as to the possibility to continue to draw benefits from the exercise of the licenced activity. "40

Sofern eine Genehmigung nur unter bestimmten Bedingungen erteilt wurde und diese Bedingungen nicht mehr erfüllt waren, konnte eine gewerbliche Genehmigung demnach keine schützenswerte Eigentumsposition begründen. 36

Van Marle-Urteil, Ziff. 41; bestätigt in der Entscheidung H gegen Belgien-Urteil, Ziff. 47.

31

Kommissionsbericht, Ziff. 123.

38

Tre Traktörer-Urteil, Ziff. 43 und 53; vgl. auch: Fredin-Urteil, Ziff. 40.

39 Pudas, DR 40 (1985), 234; Batelaan, DR 41 (1985), 170; M gegen die BR Deutschland, DR 44 (1985), 203 .

... Pudas, DR 40 (1985), 241; ähnlich: M gegen die BR Deutschland, DR 44 (1985), 206.

ß. Eigentumsrechtlich geschützte Positionen

29

Dasselbe galt, sofern die Genehmigung nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Gesetzes unter bestimmten Bedingungen entzogen werden durfte und die jeweiligen Entziehungsgründe vorlagen. Im Fall Batelaan erwog die Kommission zum ersten Mal, ob die betroffene Genehmigung zwar nicht für sich genommen, jedoch als Element des goodwill schutzwürdig gem. Art. 1 des 1. ZP sein könne. Jedoch kam sie zu dem Ergebnis: "However, although the goodwill attached to a professional practice may, in certain circumstances, constitute an element of the valuation of that practice as a possession, any goodwill derived from the possibility to perform services on the basis of a Iicence wh ich is not automatically connected with the operation of the medical practice, and is subject to revocation on grounds outside the applicants's exercise of their medical profession, cannot be regarded as goodwill attached to a professional practice and, in the circumstances of the present case, does not constitute a possession within the meaning of Article 1 of Protocol No. 1. "41

Im Fall Tre Traktörer dagegen hielten die Konventionsorgane die Eigentumsgarantie für einschlägig, obwohl das schwedische Gesetz vorsah, daß Ausschankgenehmigungen bei der Verletzung von Buchhaltungspflichten, entzogen werden könnten. Als Begründung gab der Gerichtshof an: " . .. that the maintenance of the licence was one of the principal conditions for the carrying on of the applicant company's business, and that its withdrawal had adverse effects on the goodwill and the value of the restaurant ... " Such withdrawal thus constitutes, in the circumstances of the case, an interference with TTA's rights to the 'peaceful enjoyment of [its] possessions' . "42

Nach der neueren Rechtsprechung können also Vermögenspositionen, die für sich betrachtet nicht hinreichend eigentumsrechtlich verfestigt sind, über die Rechtsfigur des goodwill gem. Art. 1 des 1. ZP geschützt sein.

f) Öffentlich-rechtliche Ansprüche

Zu der Frage, ob und inwieweit öffentlich-rechtliche Ansprüche der Eigentumsgarantie unterfallen, hat der Gerichtshof sich bislang nicht geäußert. Jedoch hatte die Kommission sich mit diesem Problem auseinanderzusetzen. Zwar erklärte sie die Entscheidungen, in denen ein eigentumsrechtlicher Schutz

41

Baatelan, DR41 (1985), 173.

42

Tre Traktörer-Urreil, Ziff. 58, ähnlich die Kommissionsenrscheidung, Ziff. 111.

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B. Die Reichweite der konventionsrechtlichen Eigentumsgarantie

öffentlich-rechtlicher Positionen behauptet wurde, im Hinblick auf Art. 1 des 1. ZP für unzulässig. 43 Sie hielt es jedoch nicht für ausgeschlossen, daß: " . .. the right to a pension wh ich is based on employment can in certain circumstances be assimilated to a property right."44

Damit stellt sich die Frage, unter welchen Umständen die Kommission bereit ist, öffentlich-rechtliche Ansprüche unter die Eigentumsgarantie zu fassen. Ein Blick auf die Entscheidungen der Kommission zeigt, daß zum einen die Erbringung einer eigenen Leistung des AnspruchssteIlers selbst oder eines ihn begünstigenden Dritten vorausgesetzt wird. 4s Außerdem wird eine "direkte Verbindung" ("direct link") zwischen der Höhe der Beitragsleistung und der Höhe des jeweiligen Pensions- oder Rentenanspruchs in dem Sinne gefordert, daß dem Betroffenen ein "identifizierbarer Anspruch auf einen Anteil am Versicherungsfonds zustehen müsse" ("identifiable and claimable share in the fund").46 An einer solchen Verbindung fehlt es nach Auffassung der Kommission im Fall X gegen die Niederlande, in dem es um die Frage des eigentumsrechtlichen Schutzes einer Altersrente ging. Dazu heißt es in der Entscheidung: " ... this branch of the Dutch social insurance is based on the principle of solidarity which reflects the responsibility of the community as a whole to provide a minimum fmancial basis for its aged members and for survivors. The contributions which the younger members of the community are obliged to make are collected in a revolving fund from wh ich the older or surviving members of the community receive their pension. The distribution of the pension funds takes into account the economic realities of the period concerned to the extend that persons benefiting from this system receive their pension in accordance with the wage index established for the period in which the pension is paid and not according to that established for the periods in which they made contributions. There is, therfore, no relationship between the contributions made and the pension received in the sense that the amounts paid by the insured person are accumulated with a view to covering the pension benefits accruing to him when reaching pensionable age. Consequentely, a person does not have, at any given moment, an identifiable share in the fund claimable by hirn but he has an expectancy of receiving old-age or

43 Zum Beispiel in: X gegen die Niederlande, CD 38 (1972), 15; Kleine Staarmann, DR 42 (1985), 166; Stigson, DR 57 (1988), 132. 44

Vgl. die Entscheidungen in Fn. 43 .

., Claes, DR 54 (1987), 94; Stigson, DR 57 (1988), 131; T gegen Schweden, DR 43 (1985), 232.