Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums [1 ed.] 9783428488285, 9783428088287

Innerhalb des Katalogs der im Grundgesetz verankerten Freiheitsgrundrechte, die von ihrer Struktur her durch das bereits

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German Pages 741 Year 1996

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Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums [1 ed.]
 9783428488285, 9783428088287

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JÜRGEN ESCHENBACH Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 707

Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums Von Jürgen Eschenbach

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Eschenbach, Jürgen:

Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums / von Jürgen Eschenbach. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 707) Zugl.: Osnabrück, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08828-X NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-08828-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©

"Dann sind aber die Juristen darüber gekommen, und da passiert meist ein Unglück. " (Dr. Theodor Heuss über den Entscheidungsprozeß bei der Formulierung des Grundrechtskatalogs in der Weimarer Reichsverfassung, Stenographischer Bericht des Parlamentarischen Rates, S. 44)

Vorwort Am Anfang meiner Überlegungen zu Systematik und Wirkungsweise des Grundrechts der Eigentumsgarantie in Art. 14 des Grundgesetzes stand die Erkenntnis, daß ich trotz gerade abgelegter erster juristischer Staatsprüfung die Norm oder besser gesagt die dazu in Rechtsprechung und Wissenschaft entwickelte Dogmatik eigentlich immer nur gelernt, nie aber wirklich verstanden hatte. Vielen meiner Kommilitonen und Kommilitoninnen war es nach ihren Äußerungen ähnlich ergangen; und wenn man sich die Fülle der allein vom Bundesverfassungsgericht zu diesem Problemfeld erlassenen, als grundsätzlich eingestuften Entscheidungen neben den vielen Beiträgen in der Literatur vor Augen führte, schien dies zumindest verständlich zu sein. Mit der vorliegenden Untersuchung konnte ich deshalb die vielen Stellungnahmen zur Eigentumsgarantie auch nicht ansatzweise erschöpfend darlegen; ich habe mich vielmehr darauf beschränken müssen, neben der Eigentumsdogmatik zu Art. 153 der Weimarer Reichsverfassung als Vorgängernorm in erster Linie die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichts als zweier unterschiedlicher Lösungsmodelle nachzuzeichnen. Alle diejenigen, die ihre Namen und Beiträge im Literaturverzeichnis vergeblich suchen, seien an dieser Stelle um Nachsicht gebeten. Anschließend habe ich dann versucht, unter konsequenter Anwendung der herkömmlichen Auslegungsmethoden ein Konzept von Systematik und Wirkungsweise dieser Norm abzuleiten. Die Arbeit wurde im Wintersemester 1994/95 durch den Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück als Dissertation angenommen. Sie ist in Literatur und Rechtsprechung auf dem Stand von Anfang 1995. An dieser Stelle sei auch rasch erklärt, warum die schriftliche Ausarbeitung so umfangreich geraten ist. Ich habe alle im Zusammenhang mit der Eigentumsgarantie aufgefundenen Problemkreise zweimal durchdenken müssen oder dürfen, weil mein erstes handschriftlich verfaßtes Manuskript auf Grund widriger Umstände zusammen mit meinem damaligen Pkw im Frühjahr 1992

Vorwort

8

gestohlen worden und jedenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit in den Niederlanden verblieben ist. Dieser Umstand erklärt auch, warum nicht nur die Bearbeitungszeit mit fast fünf Jahren, sondern auch die Liste derjenigen, denen ich zu Dank verpflichtet bin, im Vergleich zu anderen Dissertationen so lang ist. In besonderem Maße schulde ich Herrn Professor Dr. Jörn Ipsen Dank. Er regte nicht nur die Bearbeitung gerade dieses Dissertationsthemas an, sondern baute mich im Frühjahr 1992 nach dem Verlust der ersten Arbeit psychisch soweit wieder auf, daß ich meine Bemühungen fortsetzen konnte. Darüber hinaus initiierte er die Gewährung eines Promotionsstipendiums durch die Studienstiftung des deutschen Volkes. Schließlich sorgte er im Jahr 1994 für den notwendigen Druck, damit die Arbeit auch wirklich zum Abschluß gelangte. Die Mühe der Mitberichtserstattung im Promotionsverfahren nahm Herr Professor Dr. Hans-Werner Rengeling auf sich. Einen großen Beitrag zu meiner Arbeit leisteten schließlich die vielen Kollegen und Kolleginnen, die zusammen mit mir während dieser Zeit am Institut fur Kommunalrecht der Universität Osnabrück beschäftigt waren. Ohne die vielen Gespräche, in denen mit nicht endender Geduld Definitionen, Theorien und Modelle härtesten Belastungstests auf Präzision und Schlüssigkeit hin unterworfen wurden, um dann zumeist verworfen zu werden, wäre die Arbeit so sicherlich nicht entstanden. Neben-den Herren Andreas Specht, Dr. Joachim Kronisch, Dr. Winfried Wilkens, Andreas Gausmann, Dr. Thorsten Koch und Frank Niebaum möchte ich an dieser Stelle Frau Iris Elfes erwähnen, die mir während der gesamten fünf Jahre mit einfühlsamen Worten und zumeist einer Tasse Kaffee in ihrem Büro über so manches Stimmungstief hinweggeholfen hat. Nur im Sinne einer Steigerung sei zum Schluß meine Frau genannt, die durch die ganze Zeit hindurch mit einer unerschöpflichen Ruhe und Gelassenheit mein Treiben verfolgte, meine Launen ertrug und mich immer wieder zum Weitermachen ermutigte. Ihren Anteil am Gelingen meiner Arbeit vermag ich nicht hoch genug einzuschätzen. Nun liegen sie also vor - meine Überlegungen zum Grundrecht der Eigentumsfreiheit in Art. 14 des Grundgesetzes. Ob ich mittlerweile die Norm richtig verstanden habe, möge nun der geneigte Leser prüfen.

Osnabrück, im Dezember 1995

Jürgen Eschenbach

Inhaltsverzeichnis Α. Einleitung

23

Β. Die Entwicklung des Eigentumsbegriffs unter der Weimarer Reichsverfassung

33

I. Die Rechtsprechung des RG zum Normbereich des Art. 153 Abs. 1 WRV

34

Π. Der Meinungsstand in der Literatur

37

1. Die Gleichstellung des Verfassungseigentums mit dem bürgerlichrechtlichen Sacheigentum

37

2. Die Erweiterung des Eigentumsbegriffs auf die absoluten dinglichen Rechte

39

3. Die Interpretation des Verfassungseigentums als Summe aller Vermögenswerten Privatrechte

41

4. Die Einbeziehung der subjektiv-öffentlichen Rechte in den Eigentumsbegriff

45

ΙΠ. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur 1. Auslegung nach dem Wortlaut der Vorschrift

45 46

2. Auslegung des Eigentumsbegriffs nach der systematischen Stellung des Art. 153 WRV im VerfassungsgefÜge

48

a) Zulässigkeit einer systematischen Auslegung

48

b) Ergebnis der systematischen Auslegung

49

aa) Systematische Einwände gegen den "weiten" Eigentumsbegriff bb) Systematische Einwände gegen die Einbeziehung der subjektiv-öffentlichen Rechte 3. Der Wille des historischen Verfassungsgebers als Mittel der Auslegung a) Zulässigkeit und Grenzen der genetischen Auslegung

49 50 51 51

10

Inhaltsverzeichnis

b) Die Diskussion des Eigentumsbegriffs in der Nationalversammlung als Untersuchungsgegenstand für die genetische Auslegung

55

4. Die Einbeziehung der historischen Verwurzelungen einer gesetzlichen Vorschrift zur Sinnermittlung

57

a) Zulässigkeit des Rückgriffs auf die Tradition eines Verfassungsbegriffs

57

b) Die Eigentumsgarantien der alten Landesverfassungen als Anknüpfungspunkt einer historischen Auslegung

59

5. Der Zweck der Eigentumsgarantie als Auslegungskriterium a) Zulässigkeit der Heranziehung der "ratio legis" bei der Inhaltsbestimmung von Verfassungsnormen aa) Das Argument der fehlenden Rechtssicherheit

61 62 62

bb) Das Argument der Anmaßung politischer Entscheidungen durch den Rechtsanwender b) Grenzen der Anwendbarkeit teleologischer Interpretation

64 65

aa) Ermittlung der maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte

66

bb) Gnmdrechtsinteipretation und Verfassungswandel

68

(1) Problemstellung (2) Anerkennung der Möglichkeit eines Verfassungswandels

69

(3) Grenzen des Verfassungswandels

70

c) Die Auslegung des Art. 153 Abs. 1 WRV als Freiheitsrecht auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Betätigung IV. Bestimmung des Gegenstandes und des Umfangs des Verfassungseigentums im Sinne des Art. 153 Abs. 1 WRV 1. Festlegung der objektbezogenen Merkmale der Eigentumsfreiheit...

68

73 75 75

a) Das Eigentum als Rechtsposition

76

b) Beschränkung der Gewährleistung auf die "privaten Berechtigungen"

80

aa) Privatrechte als Rechte Privater

81

bb) Privatrechte als privatrechtliche Berechtigungen

83

c) Reduzierung des geschützten Rechtskreises auf die Vermögensrechte

84

d) Folgen der Gleichsetzung des Eigentums mit den "wohlerworbenen Rechten"

87

Inhaltsverzeichnis

e) Beschränkung der Eigentumsgarantie auf gesetzlich fixierte Rechtspositionen? 2. Umfang und Reichweite der Eigentumsgarantie

89 94

a) Der Eigentumsinhalt nach den Vorschriften des BGB

96

b) Folgerungen für die Bestimmung des Umfangs des Verfassungseigentums nach der Rechtsprechung

97

C. Die Entwicklung der Dogmatik der Eigentumsfreiheit in Art. 14 GG bis zur Naßauskiesungsentscheidung des BVerfG 102 I. Der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit in der Rechtsprechung des BGH 102 1. Das RegelungsgefUge des Art. 14 GG nach der Entscheidung des Großen Senats vom 10. Juni 1952 104 2. Die Kriterien des BGH zur Umschreibung der Gegenstände des Verfassungseigentums 120 a) Begrenzung der Eigentumsfreiheit auf Rechtspositionen

120

aa) Abgrenzung des Verfassungseigentums vom "Vermögen als ganzes" 122 bb) Abgrenzung der Rechtspositionen von Interessen, Chancen, Hoffnungen und Erwartungen 124 (1) Beschränkung der Wirkung der Eigentumsfreiheit auf die "Substanz des Betriebs" 128 (2) "Innen" und "Außen" als Rechtskategorie

129

(3) Der Rückgriff auf das bürgerlich-rechtliche Sacheigentum als Begrenzungskriterium 133 (4) Die Rückbesinnung auf die normativen Grenzen zur Bestimmung des Verfassungseigentums 134 (5) Das schutzwürdige Vertrauen - das übergeordnete Wertungskriterium 136 (6) Gesamtergebnis

139

cc) Die Differenzierung zwischen Rechten und den sog. "Rechtsreflexen" durch das Kriterium der Privatnützigkeit 140 b) Der Vermögenswert - Verwirrungen innerhalb eines ungeklärten Begriffs 141 aa) Der Firmenname als vermögenswertes Recht

142

bb) Personalkonzessionen als Vermögenswerte Positionen

143

12

Inhaltsverzeichnis

c) Verwertbarkeit im Rechtsverkehr, Einsatz von Arbeit und Kapital - Annäherung der Rechtsprechung des BGH an die Differenzierungskriterien des BVerfG für die subjektiv-öffentlichen Rechte 146 d) Ausklammerung rechtswidrig erlangter vermögenswerter Positionen aus dem gegenständlichen Schutzbereich 148 3. Die weitere Entwicklung und Ausformung des Schutzumfangs der Eigentumsfreiheit durch den BGH 150 a) Überblick

150

b) Die Gleichsetzung von Inhalt und Schranken nach Art. 14 Abs. lSatz2GG 153 aa) Orientierung des Eigentumsinhalts an den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs? 153 bb) Der einheitliche Regelungsaufirag

155

( 1 ) Die Auffassung des BGH und mögliche Konsequenzen für die Effektivität des Grundrechtsschutzes 155 (a) Die Sonderopfertheorie

155

(b) Die Wesensgehaltssperre

156

(c) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

157

(2) Die in der Literatur vertretenen Abgrenzungsmodelle 159 (a) Die Auffassung Benders

162

(b) Unterscheidung nach den geregelten Interessenbereichen 163 (c) Die Orientierung an der Veränderung der Rechtsmacht 164 (d) Die Differenzierung zwischen "Eigentumshülse" und "-inhalt" nach Schwerdtfeger 164 (e) Die zweigleisige Schutzwirkung der Eigentumsfreiheit als Anknüpfungspunkt (Ramsauer) 166 (f)

Unterscheidung zwischen langfristiger inhaltlicher Anpassung an die gesellschaftlichen Bedürfnisse und aktueller Konfliktbewältigung (Limpens) 168

(g) Trennung nach generellen Befugnis- und Pflichtennormierungen 169

Inhaltsverzeichnis

(h) Zusammenfassung

172

c) Der Gesetzgeber als Adressat des Auftrags zur Bestimmung von Inhalt und Schranken

172

aa) Die Kollision mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise

172

bb) Die Qualifikation des Merkmals "Gesetz",

173

(1) Überblick über die Entwicklung des Grundsatzes vom Gesetzesvorbehalt 175 (2) Auswirkungen der geänderten Vorbehaltsdoktrin auf den Gesetzesbegriff in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG

180

cc) Die "Pflichtigkeit" i. S. d. Art. 14 Abs. 2 GG als unmittelbar geltende Inhaltsbestimmung 185 ( 1 ) Die Pflichtigkeitslehre des BGH

185

(2) Die zustimmende Literatur - Definitionen und Begründungsansätze 186 (3) Art. 14 Abs. 2 GG als nur verbindliche Richtschnur für den Gesetzgeber 188 d) Die Einbeziehung des Art. 14 Abs. 2 GG zur Konkretisierung des einfachgesetzlichen Regelungsauftrags 196 aa) Die Sozialpflichtigkeit - Definition, Funktion und Herleitung in der Rechtsprechung des BGH 196 (1) Die Entwicklung des Pflichtigkeitsmerkmals in der Grundsatzentscheidung "Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk" 196 (2) Inhalt und Funktion der Rechtsfigur "Pflichtigkeit im Rechtssinne" 199 (a) Die Kriterien zur Bestimmung der Pflichtigkeit im Einzelfall 199 (b) Der Inhalt der "Pflichtigkeit im Rechtssinne".

200

(c) Die Reichweite des gewählten Abgrenzungskriteriums 203 bb) Die Kritik der Literatur am Topos der Sozialpflichtigkeit. 210 (1) Zur Frage der Herleitung

210

(2) Zur Reichweite der Sozialpflichtigkeit

211

(3) Zu den Kriterien der Sozialpflichtigkeit

211

Π. Die Bestimmung der einbezogenen Schutzobjekte durch das BVerfG .... 214 1. Beschränkung des Verfassungseigentums auf Rechtspositionen

215

Inhaltsverzeichnis

a) Abgrenzung der geschützten Positionen gegenüber Gewinnchancen, Zukunftshoffhungen, Erwartungen und faktischen Aussichten 217 b) Erfassung von Rechtspositionen statt einzelner Berechtigungen . 228 c) Einbeziehung des Vermögens in den Schutzbereich?

231

aa) Die generelle Ausklammerung des Vermögens als Ganzes 232 bb) Kehrtwende der Rechtsprechung durch die Einführung der Übermaßformel? 235 ( 1 ) Geldleistungspflichten auf Grund bestimmter Eigentumsnutzungen 238 (2) Geldleistungspflichten, die an das Innehaben einer Rechtsposition anknüpfen 241 (3) Geldleistungspflichten ohne konkreten Bezug zum Eigentum 244 Der Vermögenswert in der Rechtsprechung des BVerfG - Klarer Ansatz oder neue Wirrungen? 246 Die Erweiterung der Eigentumsfreiheit auf subjektiv-öffentliche Rechte - Stationen eines angeblichen Wandels 249 Die Orientierung am Sacheigentum und den gesellschaftlichen Anschauungen als Ausgangspunkt zur Eingrenzung eigentumsfähiger subjektiv-öffentlicher Rechte 263 a) Die Verengung der wissenschaftlichen Diskussion auf die Leistungsthese des BVerfG 263 b) Der Vergleich mit dem Sacheigentum

264

c) Die Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis als Merkmale des Verfassungseigentums 268 d) Die Leistungsthese des BVerfG - Inhalt, Herleitung und Kritik.. 272 aa) Zur Bezugsgröße der eigenen Leistungserbringung

272

bb) Der Stellenwert des Leistungskriteriums

277

cc) Kritik der Literatur an der Leistungsthese des BVerfG

283

(1) Zur Herleitung der Eigenleistung aus den hergebrachten "gesellschaftlichen Anschauungen" 284 (2) Zur Ableitung der Leistungsthese "Entsprechungs-" bzw. "Stärke"-Formel

aus

der 285

(3) Zur Herleitung aus der ratio der Eigentumsfreiheit.. 288 (4) Andere Begründungsansätze in der Literatur

290

Inhaltsverzeichnis

e) Die Einführung des Merkmals der Existenzsicherung in die Eigentumsdogmatik als Grenzfall zulässiger teleologischer Interpretation 293 aa) Das Merkmal der Existenzsicherung als ergänzende Folgenkontrollmöglichkeit 293 bb) Vom faktischen Wandel des Kreises der existenzsichernden Ansprüche zum auslegungserheblichen Funktionswandel der Eigentumsfreiheit 300 ( 1 ) Die abweichende Auffassung Rupp-v. Brünnecks als Ausgangspunkt 300 (2) Die Haltung des BVerfG zu dieser angedeuteten Funktionsänderung 303 (3) Die Reaktionen der Literatur auf die geänderte Funktionsbestimmung der Eigentumsfreiheit 305 (a) Die Ausblendung des Machteigentums

305

(b) Einbeziehung subjektiv-öffentlicher Rechte .... 311 (c) Die Existenzsicherung als zweite Funktion der Eigentumsfreiheit 313 (4) Kritische Würdigung einer existenzsichernden Funktion der Eigentumsgarantie 314 (a) Die Voraussetzungen eines Verfassungswandels in tatsächlicher Hinsicht 314 (b) Überprüfung der ratio der Existenzsicherung anhand der Auslegungsergebnisse der übrigen Interpretationsmethoden 317 (aa) Möglichkeiten und Grenzen einer Orientierung am Wortlaut des Eigentumsgrundrechts 317 (bb) Die Absicherung des Funktionswandels durch die übrigen Auslegungsmethoden . 320 [1] Systematische Überlegungen zur Funktion der Existenzsicherung .... 320 [2] Anhaltspunkte aus den Materialien 325 (cc) Einführung eines eigenständigen Merkmals der Existenzsicherung in den Eigentumsbegriff 326 f)

Die Abgrenzung der eigentumsfähigen Positionen von den rechtswidrig erlangten Rechten 330

Inhaltsverzeichnis

g) Anforderungen an das eigentumsbestimmende Gesetz

330

Die Bestimmung des Schutzumfangs der Eigentumsfreiheit im Regelungsgefüge des Art. 14 GG nach der Rechtsprechung des BVerfG 331 1. Überblick über die Entwicklung des Schutzumfangs in der Rechtsprechung des BVerfG bis zur Grundsatzentscheidung über das Hamburger Deichordnungsgesetz 331 a) Inhalt und Schranken als einheitlicher Regelungsauftrag

333

b) Verfassungsrechtliche Gesetzgeber

334

Vorgaben

an

den

bestimmenden

aa) Bindung an das Rechtsstaatsprinzip

337

bb) Bindung an den Gleichheitssatz

338

cc) Bindung an das Sozialstaatsprinzip

338

dd) Bindung an das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit 339 ee) Bindung an die Institutsgarantie (1) Wesen und Wirkungsweise der Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG

340 342

(2) Die Auslegung des Art. 19 Abs. 2 GG zum Vergleich 344 (3) Die Auslegungsergebnisse des BVerfG zu Art. 19 Abs. 2 GG 353 c) Die Bindung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

359

d) Die Abgrenzung zwischen Enteignung und Inhaltsbeschränkung. 369 aa) Die Minderung vorhandener Rechtspositionen als Mindestvoraussetzung 370 bb) Der Entzug als Voll- oder Teilrechtsverlust

371

cc) Das Merkmal des Sonderopfers

373

dd) Der Rechtsübergang als historisches Argument

376

ee) Die Finalität des Entzugs

377

ff)

Die Beziehung zwischen Entzug und Enteignungszweck als entscheidendes Kriterium 380

gg) Kritik an der Rechtsprechung des BVerfG (1 ) Zum Merkmal des Rechtsentzugs

389 389

(2) Zur Abgrenzung von privaten Eingriffsbefugnissen . 391 (3) Zur Differenzierung nach dem verfolgten Ziel

392

Inhaltsverzeichnis

e) Das Merkmal der Sozialpflichtigkeit

393

2. Die Bestimmung des Kreises inhaltsbestimmender Gesetze

394

a) Möglichkeiten einer Tangierung der privaten Vermögenssphäre durch oder auf Grund einfacher Gesetze 397 aa) Eigentumsbezug auf der Rechtsfolgenstandsseite des Gesetzes

und Tatbe398

bb) Eigentumsbezug nur auf der Rechtsfolgenseite des Gesetzes 398 cc) Eigentumsbezug nur auf der Tatbestandsseite des Gesetzes 399 dd) Das Problem der faktischen Einflußnahme

403

b) Versuch der Entwicklung eines Kriteriums für die Zurechnung eigentumsrelevanter Erfolge zur gesetzgeberischen Maßnahme . 408 aa) Der finale staatliche Zugriff als Ausgangsüberlegung

409

bb) Indirekte staatliche Einflußnahme durch tatbestandliche Anknüpfung 411 cc) Zurechnungskriterien bei faktischer gesetzlicher Einflußnahme 416 (1) Berührung des Schutzbereichs nur nach vorheriger gesetzlicher Anerkennung? 417 (2) Der Einfluß der wirtschaftlichen Betrachtungsweise 419 (3) Das enge wirtschaftliche Verhältnis zwischen Eigentümer und Nachfrager als Objekt gesetzlicher Regelungen 423 (4) Die Art der Einflußnahme auf den Dritten

425

c) Die Anwendung der Kriterien auf den Bereich der Subventionierung eines Konkurrenten 428 d) Die Einordnung nachteiliger Veränderungen einer bestehenden günstigen Gesetzeslage ohne konkreten Eigentumsbezug 432 3. Die Bedeutung der Sozialbindungsklausel in Art. 14 Abs. 2 GG

433

a) Der Inhalt der Sozialbindung nach der Rechtsprechung im Überblick 433 b) Zustimmung und Modifikation in der Literatur

435

aa) Zur Herleitung der Sozialbindungsklausel aus dem Sozialstaatsprinzip 436

2 Eschenbach

Inhaltsverzeichnis

bb) Zur Verengung der Gemeinwohlinteressen in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG auf die Grundsätze des Sozialstaatsprinzips.. 437 cc) Konsequenzen aus der Einordnung der Sozialbindungsklausel als Verpflichtung zur Gestaltung der gesellschaftlichen Ordnung 439 4. Die Einbeziehung des individuellen Bestandsschutzes bei der Umgestaltung bestehender Rechtspositionen 450 5. Die Abgrenzung zwischen Inhaltsbestimmungen und Enteignungen. 452 a) Die Abgrenzung der Institute zwischen fließendem Übergang und strikter Trennung 453 b) Die einzelnen Gegensatzpaare zur Abgrenzung zwischen Sozialbindung und Enteignung 456 aa) Konkrete Positionen als Enteignungsgegenstand

456

bb) Die Unterscheidung zwischen Entzug und Beschränkung . 458 cc) Die Enteignung als finaler Zugriff

460

dd) Differenzierung nach der Bedeutung der Gemeinwohlinteressen 461 c) Die Beziehung zwischen Entzug und Enteignungszweck

463

d) Die Enteignung als zusätzliche gesetzgeberische Alternative

466

IV. Zusammenfassung des Stands der vom BVerfG entwickelten Eigentumsdogmatik vor dem Naßauskiesungsbeschluß 467

Der heutige Stand der Eigentumsdogmatik

470

I. Der Naßauskiesungsbeschluß - Wende, Durchbruch oder bloße Wiederholung? 470 1. Gegenstand und Umfang des Schutzbereichs der Eigentumsfreiheit. 471 2. Die Unterscheidung zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung .. 472 a) Der Deutungsvorschlag von Battis

474

b) Begrenzung der enteignungsfähigen Güter auf ausgeübte Befugnisse 474 c) Die Enteignung als zusätzliches Gestaltungsmittel bei der Eigentumsneuordnung 476 3. Das Zusammenwirken zwischen individueller Eigentumsfreiheit und Institutsgarantie innerhalb des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG

477

a) Die Differenzierung zwischen Bestands- und Institutsgarantie ... 479

Inhaltsverzeichnis

19

b) Möglichkeiten der Überprüfung inhaltsbestimmender Gesetze anhand der Institutsgarantie 483 c) Abwehrmöglichkeiten für den betroffenen Eigentümer bei belastenden Inhaltsneubestimmungen 493 4. Der Streit um das Ende des enteignenden und enteignungsgleichen Eingriffs 494 Π. Die Pflichtexemplarentscheidung - die neue Einbruchstelle in der Eigentumsdogmatik des BVerfG 495 1. Zur Herleitung der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung aus dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG 2. Die Einbeziehung des Verhältnismäßigkeitsprinzips

499 501

3. Die Übertragung der Rechtsfigur der privatrechtlichen Aufopferung in den Bereich der Eigentumsfreiheit 509 ΙΠ. Entwicklungstendenzen in der Eigentumsdogmatik von BVerfG und Literatur nach den Grundsatzentscheidungen zur Naßauskiesung und zum Pflichtexemplar 515 1. Probleme bei der Eingrenzung der geschützten Vermögenswerte auf rechtlich verfestigte Positionen 516 2. Weiterhin diffus: Die Bestimmung des Vermögenswertes

524

3. Freiheit contra Existenzsicherung: Die Ausuferung des Merkmals der Existenzsicherung in den Bereich der privatrechtlich verfestigten Positionen 530 4. Die Vermengung der verschiedenen eigentumskonstituierenden Merkmale zur Abspaltung nicht geschützter Teile einer anerkannten Vermögenswerten Position 536 5. Der formalisierte Enteignungsbegriff - Akzentverschiebung, aber keine endgültige Klarheit 538 a) Der Entzug einer Rechtsposition als Ausgangspunkt der Rechtsprechung 539 b) Die Beziehung zwischen Rechtsverlust und verfolgtem Ziel als entscheidendes Kriterium 540 6. Zusammenwirken von Eigentumsfreiheit und Institutsgarantie als verfassungsrechtlicher Maßstab zur Überprüfung eigentumsbestimmender Maßnahmen 542

£.

2*

Das Grundproblem: Rechtsordnung"

Verfassungseigentum

als

"Schöpfung

der 547

20

Inhaltsverzeichnis

I. Das Dogma von der rechtlichen Herrschaft als genereller Rechtfertigungsansatz 548 Π. Der Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Grundlage der Interpretation des Begriffs "Verfassungseigentum" 551 ΙΠ. Der Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG als systematisches Argument 555 1. Eigentumsgewährung oder -beschränkung: Was leistet der Gesetzgeber? 558 2. Versuch der Katalogisierung der bestehenden Eigentumskategorien

562

IV. Die Sozialbindungsklausel des Art. 14 Abs. 2 GG als systematisches Argument 565 V. Die Beratungen über die Formulierung des Eigentumsrechts als zusätzlicher Anhaltspunkt 570 VI. Das traditionelle Erscheinungsbild des Verfassungseigentums als oft gebrauchtes Argument 574 VE. Der Zweck der Eigentumsgewährung - Konkreter Bestands- oder Institutsschutz? 576 1. Die Gewährleistungsformel als Hinweis für die Betonung einer institutionellen Sichtweise 577 2. Die Deutung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als eine von mehreren im Grundrechtskatalog enthaltenen Einrichtungsgarantien 578 a) Überblick über den Meinungsstand zu den Einrichtungsgarantien 580 b) Rechtfertigungsversuche der herrschenden Meinung bei der Definition einer Rechtsinstitutsgarantie 582 aa) Die Einrichtungsgarantie als objektive Verstärkung des Grundrechts bb) Die Komplexität des erfaßten Lebensbereichs

583 583

cc) Kritische Stimmen 584 dd) Der entscheidende Aspekt: Der Unterschied zwischen gesellschaftlichen und staatsbeteiligten Verhältnissen 585

F. Was gewährleistet Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG? - Versuch der Beschreibung seines Anwendungsbereichs 589 I. Die Funktion der "Freiheitsgrundrechte" Π. Die Eigentumsfreiheit als verhaltensschützendes Grundrecht

589 593

Inhaltsverzeichnis

ΠΙ. Das in Bezug genommene Schutzobjekt der Eigentumsfreiheit

596

1. Die Einbeziehung der Arbeitskraft als wirtschaftliches Gut

598

2. Das Vermögen als solches

601

3. Die subjektiv-öffentlichen Rechte

608

4. Die Differenzierung Rechtsreflex

zwischen

Rechtsposition,

Recht

und 609

IV. Die geschützten Verhaltensweisen

611

1. In dubio pro libertate?

612

2. Die Bestimmung der geschützten Verhaltensweise aus dem "Normprogramm" der Eigentumsfreiheit 616 a) Die Einbeziehung der systematischen Zusammenhänge b) Rückgriff auf die Interpretation der Eigentumsfreiheit Art. 153 Abs. 1 WRV c) Konsequenzen aus der ratio der Eigentumsfreiheit

617 in 621 621

G. Die unterschiedlichen Ebenen staatlicher Eingriffe in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit 624 I. Die verschiedenen "Urtatbestände" der Vermögenswerte

624

Π. Einwirkungsmöglichkeiten des Gesetzgebers bei den durch Willensakt entstehenden Leistungsversprechen 629 1. Ausgestaltung verkehrsföhiger Leistungsversprechen

630

2. Schaffung von Auslegungshilfen

631

3. Zwingendes Recht als Schrankenziehung?

631

ΠΙ. Einwirkungsmöglichkeiten des Gesetzgebers auf bestehende Herrschaftsverhältnisse 632 1. Schrankenziehung durch Verhaltensanweisung

634

2. Abschaffung von Eigentumskategorien

636

3. Die Ausgestaltung von Herrschaftsrechten

636

4. Die Abspaltung einzelner Teilpositionen

639

IV. Die besondere Problematik der Beeinflussung der Marktverhältnisse als Eingriff in die Eigentumsfreiheit 643 1. Staatliche Preisgestaltungen

644

22

Inhaltsverzeichnis

2. Die Unterscheidung zwischen individuellen und verkehrswerterheblichen Beschränkungen der Tauglichkeit 646 a) Die Auslegung des Merkmals der verkehrswesentlichen Eigenschaften in § 119 Abs. 2 BGB zum Vergleich 648 b) Übertragung der Ergebnisse auf das durch das Grundrecht der Eigentumsfreiheit begründete Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer und Staat 652 aa) Individuelle und generelle Nachfrageerwartungen an das Wirtschaftsgut 653 bb) Welche Umstände können einem Wirtschaftsgut noch als wertbildender Faktor zugerechnet werden? 655 cc) Wann wirkt eine staatliche Maßnahme verkehrswertmindernd? 658 ( 1 ) Gegenstands- und personenbezogene Regelungen .... 659 (2) Rechts- und entscheidungserhebliche Wirkungen .... 662 (3) Einzelmaßnahme und Beziehungsgeflecht

666

3. Die Beeinflussung der Wertschätzung im Wirtschaftsverkehr durch angebotssteuernde Maßnahmen 668 V. Die Abgrenzung zwischen Schrankenziehung und Enteignung

H.

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

671

673

682

Α. Einleitung Mit der Schaffung eines umfangreichen Katalogs verschiedener, als individuelle Abwehrrechte ausgestalteter Grundrechte und seiner exponierten Placierung im 1. Abschnitt hat das Grundgesetz die überragende Bedeutung dieser Rechtsmaterie für das Gemeinwesen dieses Staates nachdrücklich hervorgehoben. Schon der historische Verfassungsgeber sah es "nach einer Zeit fortgesetzter Bedrückung und schwerster Mißachtung der Menschenrechte als unerläßlich (an), die Achtung vor der Menschenwürde und als eine der notwendigsten Grundlagen dafür die alten Freiheitsrechte zu sichern. In den Grundrechten sollte alsa das Verhältnis des Einzelnen zum Staat geregelt werden, der Allmacht des Staates Schranken gesetzt werden, damit der Mensch in seiner Würde wieder anerkannt werde."1 "Die Freiheitsrechte, welche in den auf Artikel 2 folgenden Artikeln verbrieft werden, (stellen dabei nach seiner Auffassung) im Grunde genommen nur eine Konkretisierung der allgemeinen Rechte und Freiheiten dieses Artikel auf einzelnen Gebieten (dar)." "Bei jedem Grundrecht (war) so weit wie möglich konkretisierend festzustellen, nach welchen Richtungen der Gesetzgeber zu Eingriffen ermächtigt sein sollte."2 Aus diesem Rahmen des in den einzelnen Grundrechten verankerten Spannungsverhältnisses von Freiheitsrecht und Schranke fällt die in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG normierte Eigentumsgarantie nach ganz herrschender Meinimg jedoch heraus. Anschaulich manifestiert sich ihre Sonderrolle innerhalb des Grundrechtskatalogs in dem nach dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG eindeutigen Auftrag an den Gesetzgeber, dem Freiheitsdrang des Grundrechtsträgers innerhalb des erfaßten Lebensbereichs nicht nur Schranken aufzuzeigen, sondern ihm den Schutzbereich dieses Grundrechts inhaltlich vorzugeben.3 Diese ungewöhnliche, von manchen geradezu als provozierend emp1 Schlußbericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Drs. 850, 854, S. 5. 2 3

Schlußbericht, S. 6.

Vgl. deutlich zu dieser Zweiteilung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Krüger, in: FS für Schack, S. 71.

Α. Einleitung

24

fundene 4 Anweisung war vom historischen Verfassungsgeber in bewußter Anlehnung an die Fassung des Art. 153 WRV als Vorgängernorm aufgenommen worden, um zusammen mit der ebenfalls von dort entlehnten Sozialbindungsklausel "den Gedanken der mit dem Eigentum verbundenen Pflichten" klarzustellen.5 Auch die Enteignungsklausel in Art. 14 Abs. 3 GG weist im Vergleich zu den in anderen Grundrechten verankerten Gesetzesvorbehalten, Regelungs- oder EingrifiFsschranken eine erhebliche Besonderheit auf, als hier eine Schutzbereichstangierung zum Ausgleich mit dem Wohl der Allgemeinheit zusätzlich eines finanziellen Ersatzes bedarf, um vor der Verfassung Bestand zu haben. Es kann daher eigentlich auch nicht verwundern, daß mit den überkommenen verfassungsrechtlichen Formulierungen auch gleich die dazu ergangene Rechtsprechung des RG übernommen wurde. Und tatsächlich: Der BGH als höchstes deutsches Zivilgericht fühlte sich - ausschließlich auf die Rechtswegklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG gestützt - dazu berufen, den Bürger vor staatlichen Maßnahmen mit enteignendem Charakter in Schutz zu nehmen und wenigstens eine Entschädigung für den erlittenen Verlust zuzusprechen, selbst wenn eine solche im Gesetz gar nicht vorgesehen war. 6 Der vom RG zur Umschreibung der geschützten Gegenstände kreierte Begriff des Verfassungseigentums, der nicht nur das zivilrechtliche Sacheigentum, sondern "alle subjektiven Privatrechte, einschließlich der Forderungsrechte" 7 umfaßte, wurde ebenso unkritisch übernommen wie· die vom Gericht zur Abgrenzung zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung entwickelte Einzelaktstheorie angereichert allerdings mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG8 - und dies, obwohl der Rechtsprechung unter der Geltung des Art. 153 WRV eine klare politische Zielsetzung zugrunde lag, nämlich die notgedrungen behelfsmäßige Eindämmung des Tatendrangs eines konfiskationslüsternden Revolutionsgesetzgebers.9 Obwohl in der Folgezeit Bemühungen in der Rechtsprechung des BGH erkennbar wurden, die sozialen Bindungen des Eigentums zulasten der Inhaber der betroffenen Rechtpositionen zu betonen10, lag es doch in ihrem Selbstverständnis, einen unter Umständen 4

Wahl, NVwZ 1984, S. 401, 404.

5

Schlußbericht, S. 12.

6

Vgl. grundlegend BGHZ 6, 270, 290 ff.

7

RGZ 109, 310, 319; 111, 224, 227; 139, 177, 182; JW 1926, S. 1444, 1445.

8

BGHZ 6, 270, 280.

9

Dürig, JZ 1954, S. 4; Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 157, 189.

10

Vgl. nur die Einführung des Merkmals der Sozialpflichtigkeit in BGHZ 23, 31, 33.

Α. Einleitung

noch schlafenden Gesetzgeber, der "bis dahin nicht die gebotene Inhaltsbestimmung, insbesondere nicht die Konkretisierung der Sozialbindung geschaffen hatte11, durch die Zubilligung einer Entschädigung ohne Rechtsgrundlage bei unzumutbarer Härte zu korrigieren. 12 Die nach dieser Einstellung entscheidende Abgrenzung zwischen irrelevanter Verdeutlichung der ohnehin bestehenden Sozialbindung und "von außen" auf das Eigentum einwirkendem Eingriff mit enteignendem Charakter 13 vollzog sich nach zahlreichen materiellen Wertungskriterien, wie ζ. B. "die Natur der Sache", die Situationsgebundenheit" oder "der vernünftige und einsichtige Eigentümer".14 Folge dieser interpretationsbedürftigen und dehnbaren Merkmale war eine kaum überschaubare Fülle einzelner nebeneinanderstehender Entscheidungen, aus denen sich wegen der Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nur selten und dann auch nur in groben Umrissen erkennbare Grundlinien ableiten ließen.15 Bis auf wenige Ausnahmen16 wurde diese Rechtsprechung von der Literatur zumindest hingenommen17; die mit ihr verbundene Unsicherheit auch für den betroffenen Bürger schien gegenüber der ansonsten befürchteten Ohnmacht gegenüber der Allmacht des Staates als das geringere Übel. Die "fortlaufende Beobachtung" der Entschädigungsrechtsprechung des BGH sollte nach Auffassung im Schrifttum "zu den wichtigsten Aufgaben desjenigen, der sich in Studium und Praxis mit der Anwendung des Art. 14 GG beschäftigt", zählen.18 Der Gesetzgeber stellte sich ebenfalls auf das durch den BGH geschaffene Risikopotential ein, als "für alle Fälle" bei problematischen

11

Krohn, AgrarR 1984, Beilage I, S. 17.

12

Vgl. ζ. B. die vom Gesetz abweichende Auffassung des BGH zur enteignenden Wirkung einer förmlichen Bausperre bei Überschreitung einer Dreijahresfrist; dargestellt bei Ossenbühl, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), S. 125. 13

Vgl. zu diesem Hauptproblem in der Rechtsprechung des BGH anschaulich Leisner (Sozialbindung des Eigentums, S. 43): "Der Begriff der Sozialbindung ist nach heutiger Eigentumsdogmatik unlösbar mit dem der Enteignung verknüpft: wer ihn bestimmt, definiert auch Sozialbindung. Sozialbindung zu definieren, hat überhaupt nur Sinn, wenn damit deijenige staatliche Aktionsraum gegenüber dem Eigentum abgegrenzt werden kann, in dem keine Entschädigungsverpfliohtungen entstehen. Nach welchen Kriterien immer Sozialbindung also bestimmt werden mag - Sinn hat sie stets nur als Grenze zur Enteignung." 14

Vgl. Kröner, Die Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, S. 62 f.

15

Vgl. zu den Widersprüchen innerhalb der Kasuistik Peter, JZ 1969, S. 549, 550 fif.

16

Vgl. die besonders drastischen Ausführungen von Schneider, DÖV 1965, S. 292 ff.

17 Vgl. ζ. Β. BK-Kimminich, Art. 14 GG (3. Bearb.), Rdnr. 112, 138 ff; v. Münch/Dicke, Art. 14 GG (2. Aufl.), Rdnr. 45ff ; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), S. 124 ff. 18

Kimminich, JuS 1978, S. 217, 222.

Α. Einleitung

26

Vorhaben eine salvatorische Entschädigungsklausel eingebaut wurde. 19 Kritische Andeutungen in der Rechtsprechung des BVerfG zu dieser Praxis eines Grundrechtsschutzes des Inhabers privaten Vermögens vor übermäßiger staatlicher Beeinträchtigung durch Gewährung eines billigen Ausgleichs in Geld20 wurden nicht aufgegriffen. Mit der Verkündung des Naßauskiesungsbeschlusses vom 15. Juli 198121 trat die Unvereinbarkeit der verschiedenen Konzeptionen zur Eigentumsgarantie von BVerfG und BGH offen zutage. Eben noch allgemein respektiert, sah sich das Zivilgericht jetzt in die Nähe eines "outlaw" gedrängt.22 Auch die Literatur verwunderte es "im nachhinein (...), mit welcher Selbstverständlichkeit der Bundesgerichtshof bei der Interpretation des Art. 14 GG die Führungsrolle beansprucht (hatte)."23 Die nur aus dem Bedürfnis des BGH, einem nach seiner Ansicht übermäßig belasteten Bürger wenigstens eine Entschädigung zukommen zu lassen, heraus verständliche Deutung der Eigentumsgarantie "neben ihrem Wortlaut" 24 wurde als "Unsinn" 25 , als "Wildwuchs" bezeichnet, mit dem "das BVerfG gründlich aufgeräumt (habe)."26 An die Stelle eines fließenden Übergangs zwischen entschädigungslos zu duldender Sozialbindung und entschädigungspflichtigem staatlichen Akt setzte es die These, Inhalts- und Schrankenbestimmungen einerseits und Legal« bzw. Administrativenteignungen andererseits seien formalbegrifllich zu trennende Institute.27 Inhalts- und Schrankenbestimmungen werden zu einem Begriffspaar mit einheitlichem Bedeutungsgehalt zusammengefaßt und definiert "als generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne

19

Vgl. zu ihr Weyreuther, im Enteignungsrecht.

Über die Verfassungswidrigkeit salvatorischer Entschädigungsklauseln

20

Vgl. zu diesen zusammenfassend Böhmer, NJW 1988, S. 2561,2563 ff.

21

BVerfGE 58, 300 ff.

22 Vgl. nur die Eingangsbemerkung der Erwiderung des Vorsitzenden Richters am BGH Krohn auf den Vortrag des Bundesverfassungsrichters Böhmer, mit dem aus der Perspektive des BVerfG gegenüber der Fachgerichtsbarkeit schonungslos abgerechnet wird, in AgrarR 1984, Beilage I, S. 17: "Ich stehe vor einer Aufgabe, um die ich nicht zu beneiden bin." 23

Ipsen, DVB1. 1983, S. 1029,1030.

24

Vgl. zu dieser Intention Krohn, AgrarR 1984, Beilage I, S. 17, 20 bezüglich des Vorlagebeschlusses, der dann zur Naßauskiesungsentscheidung führte. 25

Ipsen, in: Recht und Wirtschaft, S. 129,140.

26

Ipsen, DVB1. 1983, S. 1029, 1030.

27

BVerfGE 58, 300, 330 f.

Α. Einleitung

der Verfassung zu verstehen sind."28 Die Enteignung sei demgegenüber auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG für einen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet.29 Eine verfassungswidrige Inhaltsbestimmung könne durch die Zusprechung einer im Gesetz nicht vorgesehenen Entschädigung nicht geheilt werden. Der Bürger habe deshalb auch kein Recht, wahlweise auf einen solchen finanziellen Ausgleich oder auf Aufhebung der ihn belastenden Maßnahme zu klagen. Die Ausgestaltung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als unmittelbar geltendes, individuelles, bestandsschützendes Grundrecht ermögliche zusammen mit der Rechtswegklausel des Art. 19 Abs. 4 GG und der Eröffnung der Verfassungsbeschwerde in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG ein gerichtliches Vorgehen gegen den eigentumsberührenden Akt als solchen. Sollte es jemals eine Berechtigung gegeben haben, den Willen des eigentumsgestaltenden Gesetzgebers durch eine Entschädigung zu korrigieren, so sei sie jedenfalls unter der Geltung des Grundgesetzes mit der Ausgestaltung umfangreichen Rechtsschutzes für den Bürger, die diese Möglichkeiten als Obliegenheit allerdings auch wahrnehmen müsse, entfallen. 30 Offensichtlich froh, endlich einmal die Gelegenheit erhalten zu haben, die eigene Vorstellung von Anwendungsbereich und Struktur des Art. 14 GG umfassend darlegen zu können, nutzte das BVerfG das vom BGH angestrengte Normenkontrollverfahren, um aus seiner Sicht aufgetretene weitere Fehlentwicklungen in der Fachgerichtsbarkeit schonungslos aufzuzeigen und seine Überlegungen im Zusammenhang darzustellen. Ausgangspunkt der vorgestellten Eigentumsdogmatik ist die Erkenntnis, daß "der Begriff des von der Verfassimg gewährleisteten Eigentums (...) aus der Verfassung selbst gewonnen werden (müsse)."31 "Das Eigentum als Zuordnung eines Rechtsgutes an einen Rechtsträger (bedürfe), um im Rechtsleben praktikabel zu sein, notwendigerweise der rechtlichen Ausformung. Demgemäß (habe) das Grundgesetz in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber die Aufgabe übertragen, den Inhalt und die Schranken des Eigentums zu bestimmen. Solche Normen legen (nach seiner Ansicht) generell und abstrakt die Rechte und Pflichten des Eigentümers fest, bestimmen also den (Gesamt-)

28

BVerfGE 58,300,330.

29

BVerfGE 58,300,330 f.

30

Vgl. BVerfGE 58,300,324.

31

BVerfGE 58,300,335.

Α. Einleitung

28

'Inhalt' des Eigentums."32 "Aus der Gesamtheit der verfassungsmäßigen Gesetze, die den Inhalt des Eigentums bestimmen, ergeben sich somit Gegenstand und Umfang des durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisten Bestandsschutzes."33 Die im Vorlagebeschluß des BGH 34 geäußerten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Benutzung von Grundwasser durch den Grundstückseigentümer im Wasserhaushaltsgesetz sollten demgegenüber aus zwei Gründen schon prinzipiell abwegig sein: Zum einen habe das Gericht angeblich die zur Weimarer Reichsverfassung vertretene liberalistische Auffassung übernommen, wonach entsprechend § 903 BGB jede mögliche und wirtschaftlich sinnvolle Nutzung Gegenstand des erfaßten Eigentumsinhalts sei.35 Damit werde aber die gleichrangige Bedeutung aller privat- und öffentlich-rechtlichen Normen mit Eigentumsbezug als Inhaltsgestaltungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verkannt. Zum zweiten würden mit den Topoi "Natur der Sache" und "wirtschaftlich gebotene und vernünftige Nutzung" außerrechtliche Maßstäbe für die Umschreibung eines "an sich" gewährleisteten Eigentumsbestands in die verfassungsrechtliche Erörterung eingeführt, die dem in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG festgeschriebenen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber widersprächen. 36 Abschließend legte das Gericht in aller Ausführlichkeit die Anforderungen offen, die sich aus dem Regelungsgefüge des Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG für den Gesetzgeber bei der Neu- und Umgestaltung der Eigentumsordnimg von Verfassungs wegen ergeben.37 Neben den allgemeinen Vorgaben, wie der Beachtung der Vorschriften über die Gesetzgebungskompetenz und dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG erlangt als eigentumsspezifische Richtschnur nur die neben dem individuellen Abwehrrecht in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte und zur Sozialbindungsklausel des Art. 14 Abs. 2 GG in einem aufzulösenden Spannungsverhältnis stehende Rechtseinrichtungsgarantie Bedeutung.38

32

BVerfGE 58, 300, 330.

33

BVerfGE 58, 300, 336.

34 NJW 1978, S. 2290 ff.; zu ihm wohlwollend ζ. B. Schulte, Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 20 f. 35 BVerfGE 58, 300, 334. 36

BVerfGE 58, 300, 352 f.

37

BVerfGE 58, 300, 338 ff.

38

BVerfGE 58, 300, 339.

Α. Einleitung

Wie nicht anders zu erwarten, lösten die in dem Naßauskiesungsbeschluß des BVerfG zur Abgrenzung von Eigentumsbeschränkung und Enteignung enthaltenen Thesen eine umfangreiche rechtswissenschaftliche Diskussion aus.39 Auch die anfangs bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich des Umfangs der geschützten Rechtspositionen40, des Zusammenwirkens zwischen individueller Bestandsschutz- und objektiver Rechtseinrichtungsgarantie41 oder der Zukunft des enteignungsgleichen bzw. enteignenden Eingriffs als gewohnheitsrechtlich anerkannte Haftungsinstitute 42 vermögen die Schlüssigkeit der hier wiedergegebenen Passagen der Entscheidung nicht in Zweifel zu ziehen, denn schließlich befand sich die Dogmatik des Art. 14 GG auf Grund des offenkundig gewordenen Dissenses zwischen der Rechtsprechung des BVerfG und der des BGH zumindest faktisch H im Umbruch" 4 3 Trotzdem sind Zweifel angebracht, denn die Phase des Umbruchs und der damit verbundenen Unsicherheiten ist, wenn man den Stimmen der Literatur Glauben schenkt, bis heute trotz einer Fülle weiterer Entscheidungen des BVerfG zur Eigentumsgarantie - also nach mehr als zehn Jahren - immer noch nicht bewältigt.44 Diese "Trägheit" in Literatur und Praxis45 läßt sich nicht mit dem schlichten Bemerken abtun, man habe die Judikatur des BVerfG nur "nicht ausreichend zur Kenntnis genommen oder jedenfalls nicht analysiert."46 Ein solcher "Boykottvorwurf ' ließe sich vielleicht bezogen auf die Verhältnisse des Jahres 1981 rechtfertigen. Mittlerweile aber wurde dieses Defizit - davon zeugen die vielen zwischenzeitlich veröffentlichten Untersuchungen - mehr als ausgeglichen. So liegt der Verdacht nahe, daß das vom Gericht mit der Naßauskiesungsentscheidung zumindest verdeutlichte und bis heute mit gewissen Modifikationen 47 vertretene System einer Überschneidung von individuellem Be-

39 Vgl. die Zusammenstellungen bei Hendler, DVB1. 1983, S. 873 Fn. 6; Ipsen, in: Recht und Wirtschaft, S. 129, 130 Fn. 5; Schock, Jura 1989, S. 13 Fn. 9\ Kraft, BayVBl. 1994, S. 97 Fn. 3. 40 Vgl. die Deutung des Verfassungseigentums als ein "Bündel von Rechten und Pflichten des Eigentümers" bei Rittstieg, NJW 1982, S. 721, 722; dagegen Leisner, DVB1. 1983, S. 61,63. 41

Eindrucksvoll Baur, NJW 1982, S. 1734ff.; ihm folgend Leisner, DVB1. 1983, S. 61,63; gegen diese Nierhaus, AöR 116 (1991), S. 72, 98 f. 42

Vgl. nur Hendler, DVB1. 1983, S. 873, 881 f.

43

V. Münch/Bryde,

Art. 14 GG (3. Aufl.), Rdnr. 5.

44

Vgl. v. Münch/Bryde, Art. 14 GG (4. Aufl.), Rdnr. 5; v. Heinegg/Haltern, JuS 1993, S. 121, 122; Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 986 a ; zweifelnd Schoch, Jura 1989, S. 113. 45

Vgl. Kraft,

46

So seinerzeit Böhmer, AgrarR 1984, Beilage I, S. 2, 5.

BayVBl. 1994, S. 97.

47 Man denke ζ. B. an die Entscheidung zum Vorkaufsrecht in BVerfGE 83, 201, 211 f., in der die These, eine inhaltliche Neugestaltung einer Eigentumskategorie könne bezüglich des umgeformten Altbestands eine Aufopferungsenteignung darstellen (so noch BVerfGE 58, 300, 331 f.), aufgegeben

Α. Einleitung

30

standsschutz und Institutsgarantie, von inhaltsgestaltendem und enteignendem Gesetzgeber im Bereich des Art. 14 GG doch nicht so lückenlos und widerspruchsfrei ist, wie optimistische Einschätzungen - insbesondere die des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Böhmer, des Berichterstatters in dem damaligen Verfahren 48 - dies verlauten lassen. In der Tat: Mustert man die Rechtsprechung des BVerfG zur Eigentumsgarantie, sortiert nach der bei anderen Grundrechten üblichen Prüfungsreihenfolge von Schutzbereich und Schranke, durch, so lassen sich bereits im Überblick Problemschwerpunkte erkennen, die in folgende Fragestellungen münden: 1. Unter der Geltung des Art. 153 WRV wurde der Bereich der erfaßten Schutzgegenstände vom zivilrechtlichen Sacheigentum auf alle privatrechtlichen Vermögenspositionen ausgedehnt. Diese in der Literatur postulierte49 Erweiterung fand in der Rechtsprechung des RG schnell Widerhall nicht zuletzt deshalb, weil in der Regelung des Art. 153 Abs. 2 WRV die einzige Möglichkeit erblickt wurde, wie das vermögende Bürgertum sich gegen die sozialistischen Umtriebe zur Wehr setzen konnte.50 Trotz dieses historischen Zusammenhangs hat auch das BVerfG nahtlos an diese Tradition angeknüpft und darüber hinaus Teilbereiche der subjektiv-öffentlichen Rechte einbezogen. Da allerdings im Gegensatz zur historischen Ausgangslage der Bürger vor staatlichen Eingriffen unmittelbar durch zahlreiche Gründrechte geschützt ist, fragt es sich, ob derartige Erweiterungen des Schutzbereichs, denen zwangsläufig Aufweichungen der grundrechtlichen Anforderungen an das einschränkende Gesetz folgen 51, nicht letztendlich ein Danaergeschenk sind. 2. Mit der Hinwendung des Gerichts zum öffentlich-rechtlichen Vermögensbereich - also in erster Linie den sozialversicherungsrechtichen Anwartschaften und Rentenansprüchen - wurden völlig neue Begriffsmerkmale in die Diskussion um den Eigentumsbegriflf eingeführt. Hingewiesen sei hier insbesondere auf die Merkmale der eigenen Leistung und der Existenzsicherung. Dadurch verlor der Terminus des Verfassungseigentums, der wegen der unterschiedlichen Gehalte der einzelnen privatrechtlichen Positionen ohnehin nicht besonders trennscharf definiert werden konnte, weiter an Konturen. Bleibt als und stattdessen wegen der schwerwiegenden Beseitigung des Altbestands auf den Rechtsgedanken des Art. 14 Abs. 3 GG verwiesen wurde. Dazu Ossenbühl, JuS 1993, S. 200 ff. 48

NJW 1988, S. 2561 ff; vgl. ferner Breuer, zit. bei Kraft,

49

Vgl. Wolff,

50

Vgl. Schmitt, JW 1929, S. 495,496: "Schutzmittel gegen die Gesetzgebung selbst".

51

Vgl. dazu ζ. B. Schneider, Der verfassungrechtliche Schutz von Renten der Sozialversicherung,

S. 31.

BayVBl. 1994, S. 97 Fn. 2.

in: FS für Kahl IV, S. 3.

Α. Einleitung

kleinster gemeinsamer Nenner wirklich nur das "Recht mit wirtschaftlichem Bezug"52 und im übrigen nur die Möglichkeit, die einzelnen bereits vom BVerfG anerkannten Werte beziehungslos nebeneinander aufzuführen? 53 3. Eng mit der vorangehenden Fragestellung verknüpft ist die festzustellende Unsicherheit über die ratio der Eigentumsgarantie. Unter der Geltung des Art. 153 WRV wurde dieses Grundrecht auf Grund seiner systematischen Stellung als Wirtschaftsgrundrecht aufgefaßt. Nutzungs- und Verfugungsbefugnis waren dementsprechend entscheidende Gesichtspunkte, wenn es um die Frage der Berührung des geschützten Lebensbereichs geht. Angesichts der ausgemachten Vermögenslosigkeit großer Teile der Bevölkerung wurden Stimmen in der Literatur aktiv, dem faktischen Leerlaufen dieses Grundrechts durch die Zuweisung einer geänderten Funktion zu begegnen.54 Das BVerfG hat sich diesen Bedenken angeschlossen und sieht in der Existenzsicherung neben oder anstelle der herkömmlichen Zielsetzung des Schutzes der wirtschaftlichen Betätigung einen neuen Aspekt für eine teleologische Auslegung. Jüngst hat es diesen Gedanken auch im Bereich der privatrechtlich fixierten Positionen fruchtbar gemacht.55 Es bleibt eigentlich nur die Frage, warum die Eigentumsgarantie neben einem Freiheitsgrundrecht auch die Funktion einer materiellen Vorfeldsicherung für die durch andere Grundrechte geschützten Betätigungen haben soll. 4. Unter der WRV verlief die für den betroffenen Bürger entscheidende Grenzlinie eines effektiven Schutzes vor staatlichen Maßnahmen zwischen der Eigentumsbeschränkung nach Art. 153 Abs. 1 Satz 2 und der Enteignimg nach Abs. 2. Daß die Norm ihrem Wortlaut nach zwischen Inhalt und Schranken unterscheidet, interessierte die Rechtsprechung nicht, da sie gegenüber dem Gesetzgeber insofern keine Handhabe hatte. Auch diese Tradition setzt das BVerfG fort 56 und dies, obwohl es im übrigen gerade mit dem Wortlaut die Eigenständigkeit der drei Rechtsinstitute mit Eigentumsbezug (Inhaltsbestimmung, Legalenteignung und Administrativenteignung), die das Grundgesetz deutlich voneinander abgrenze, zu begründen sucht.57 Läßt sich unter Respektierung der differenzierenden Sicht des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gera-

52

Vgl. ζ. B. Ipsen, in: Recht und Wirtschaft, S. 129, 130 f.

53

So ζ. Β. v. Heinegg/Haltern,

54

Vgl. ζ. B. eindrucksvoll Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem.

55

Vgl. NJW 1993, S. 2035 f.

56

BVerfGE 58, 300, 335 f.

57

BVerfGE 58, 300, 331.

JuS 1993, S. 121,122 f.

32

Α. Einleitung

de vor dem Hintergrund, daß der Bürger sich nun auch gegenüber verfassungswidrigen Inhaltsbestimmungen und Schrankenziehungen zur Wehr setzen kann, diese nivellierende Auslegung halten? 5. Die Deutung des Verfassungseigentums als Rechtsposition und die Zusammenfassung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG als einheitlicher Gestaltungsauftrag an die einfache Rechtsordnung führen zwangsläufig dazu, daß zwischen einem eigentumsgewährenden und -begrenzenden legislativen Akt nicht getrennt werden kann. Deshalb erlangt in derartigen Konstellationen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Rechtseinrichtungsgarantie entscheidenden Einfluß. Aber auch hiergegen lassen sich Bedenken vorbringen: Wie ist es mit der gegenüber der Rechtslage unter der WRV erhöhten Effektivität des individuellen Grundrechtsschutzes vereinbar, wenn ein Bürger, der durch eine Inhaltsumgestaltung zumindest wirtschaftlich eine Vermögenseinbuße erleidet, bei der verfassungsgerichtlichen Überprüfung auf die Vorgaben einer Institutsgarantie als Minimalstandard verwiesen wird, obgleich die Kreation der Einrichtungsgarantien durch die Wissenschaft gerade auf den Unzulänglichkeiten des Schutzes vor gravierenden Inhaltsbeschränkungen durch die programmatischen Grundrechte der WRV beruhte? 6. Läßt sich die formale Trennimg zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung allen kritischen Äußerungen zum Trotz nach den Vorgaben des BVerfG durchhalten? Bei der Erörterung all dieser Fragen ist allerdings zu beachten, daß gerade die Diskussion um Reichweite und Wirkungsweise des Art. 14 GG oftmals vor dem Hintergrund gesellschaftspolitscher Auseinandersetzungen gefuhrt wird. 58 So wird ζ. B. in der Literatur des öfteren daraufhingewiesen, daß das Eigentum in der Hand des Einzelnen diesem eine Machtbeziehung zu anderen Privaten eröffne, die schon aus diesem Grunde staatlich definiert werden müsse.59 Wie immer man solchen Argumenten im Einzelfall gegenübersteht, bleibt jedoch festzuhalten, daß gerade bei einer Betonung der teleologischen Auslegung die Gefahr einer Vermengung des juristisch Machbaren mit dem rechtpolitisch Wünschenswerten besteht.

58 Vgl. ζ. B. Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne von Artikel 14 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 1 ff. 59

Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 66.

Β. Die Entwicklung des EigentumsbegrifFs unter der Weimarer Reichsverfassung Die Antwort auf die aufgeworfenen Grundfragen zur Charakterisierung des Verfassungseigentums innerhalb des Grundrechts der Eigentumsgarantie ergibt sich zum einen aus dem traditionellen Erscheinungsbild dieses Rechtsinstituts. Um dieses zu erhellen und im Rahmen einer historischen Verfassungsinterpretation fruchtbar zu machen, bedarf es einer ausführlichen Untersuchung des Meinungsspektrums zur Vorgängernorm des Art. 14 GG in der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 19191. Art. 153 WRV lautet: "Das Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen. Eine Enteignung kann nur zum Wohl der Allgemeinheit und auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Sie erfolgt gegen angemessene Entschädigung, soweit nicht ein Reichsgesetz etwas anderes bestimmt. Wegen der Höhe der Entschädigung ist im Streitfalle der Rechtsweg bei den ordentlichen Gerichten offen zu halten, soweit Reichsgesetze nicht anderes bestimmen. Eine Enteignung durch das Reich gegenüber Ländern, Gemeinden und gemeinnützigen Verbänden kann nur gegen Entschädigung erfolgen. Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste."

Mit dieser Formulierung knüpft Art. 153 Abs. 1 WRV dem Wortlaut nach an die Eigentumsklauseln der Verfassungen des 19. Jahrhunderts an, die unter dem Begriff des Eigentums nach überwiegender Ansicht zunächst nur das Grundeigentum, später unter dem Eindruck der Kriegswirren des ersten Weltkriegs auch das Mobiliareigentum verstanden.2 Auf der Grundlage dieser

1

RGBl. 1919, S. 1383.

2

Vgl. Kreft, Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839 Rdnr. 4; Breuer, Die Bodennutzung, S. 13; Sendler, DÖV 1974, S. 73, 74; Bender, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 12; Scheicher, in: Die

3 Eschenbach

34

Β. Entwicklung des Eigentumsbegriffs nach Art. 153 WRV

Vorschrift vollzog sich allerdings eine wesentliche Umgestaltung des verfassungsrechtlich verankerten Schutzes des Privateigentums, die maßgeblich von der Judikatur des Reichsgerichts geprägt und von der Literatur kritisch begleitet wurde.

L Die Rechtsprechung des RG zum Normbereich des Art. 153 Abs. 1 WRV

Die Rechtsprechung des RG zum Normbereich der Eigentumsgarantie ist im Bereich des Eigentumsobjekts durch die Loslösung vom Eigentumsbegriff des bürgerlichen Rechts im Sinne des Sacheigentums des § 903 BGB und die Erweiterung auf alle Vermögenswerten, im Privatrecht verankerten Rechtspositionen gekennzeichnet.3 Dabei unterschied das RG nicht zwischen dem nach Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV gewährleisteten und dem Eigentum als Objekt der Enteignung nach Art. 153 Abs. 2 WRV.4 Diese Entwicklung ist aber nicht gradlinig verlaufen und weist in ihrer Begründung Defizite auf. 1. Bereits im Urteil des RG vom 18. November 1921 über die lippische Rente löste es sich bei der Bestimmung der Eigentumsgegenstände vom bürgerlich-rechtlichen Sacheigentum und setzte den in Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV verwendeten Begriff mit dem der. wohlerworbenen Rechte gleich.5 Diese Abkehr von dem bis dahin gültigen Eigentumsverständnis vollzog sich allerdings thesenartig ohne eine auch nur ansatzweise dogmatische Begründung. 2. Unsicherheiten bei der Bestimmung des gegenständlichen Normbereichs offenbaren sich dagegen in anderen, späteren Entscheidungen. a) In seinem Urteil vom 3. März 19226 verengte es die Zielbestimmung für die Eigentumsgarantie auf den Schutz des Grundeigentums vor staatlichen Zugriffen. Mit dieser Ansicht hätte das Gericht die einengende Auslegung des Eigentumsbegriffs der früheren Landesverfassungen durch die damals herr-

Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 201; Stein, in: FS für Müller, S. 503, 509. 3 Vgl. RGZ 109,310,319; 110, 344, 347; 111, 123, 130; 111,224, 227; 111,320, 328; 121, 166, 168; 121, 197, 199; 128, 165, 171; 129, 146, 148; 136, 113, 123; 139, 177, 182. 4

Vgl. RGZ 111, 320, 328; 128, 165, 171 f.

5

Vgl. RGZ 103, 200, 201.

6

RGZ 104, 137. 140.

I. Die Auffassung des Reichsgerichts

35

sehende Meinung7 auf Art. 153 WRV übertragen. Die weiteren höchstrichterlichen Entscheidungen machen aber deutlich, daß eine solche Interpretation dieses Urteils überzogen wäre, da bereits am 7. Juli 1922 das Recht des Mieters zum Besitz ohne weitere Problematisierung unter das Verfassungseigentum subsumiert wurde.8 b) Gegen den vom RG favorisierten weiten Eigentumsbegriff wurden von der Literatur u. a. seine beiden Urteile vom 17. Oktober 19239 und vom 8. November 192510 angeführt. Dort hatte es zur Bestimmung der Merkmale "Enteignung" und "Entschädigung" die Vorschrift des § 1 des preußischen Gesetzes über die Enteignung von Grundeigentum vom 11. Juni 187411 herangezogen und ergänzend ausgeführt, daß "es nicht anzunehmen (sei), daß die Reichsverfassung unter (diesen Begriffen), ohne dies erkennbar zu machen, etwas anderes verstanden hätte als das in dem größeren Teile von Deutschland geltende preußische Enteignungsgesetz"12. Nach der Literatur bedeutete es aber dann einen Widerspruch, wenn entgegen diesem Gesetz das Objekt der Enteignung auf alle Vermögenswerten Privatrechte ausgedehnt werde.13 c) Schließlich hat es noch 1924, also zweieinhalb Jahre, nachdem es bei der Entscheidung über die lippische Rente den weiten Eigentumsbegriff ohne Einschränkung vertreten hatte, bei der Entscheidung über die Einbeziehung von Hypotheken in den Normbereich des Art. 153 WRV offengelassen, welchem Eigentumsbegriff es folgen wolle.14 3. Letztlich aber setzte sich der weite Eigentumsbegriff in der Rechtsprechung des RG mit seinem Urteil über die anhaltische Kohlenrente vom 13. Dezember 1924 durch. 15 Auffällig an dieser Judikatur ist, daß trotz der zum 7 Vgl. ζ. B. Anschütz, Verw. Arch. 5 (1897), S. 1, 82; dens., Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat, Bd. 1, S. 153 unter Hinweis auf die Verfassungsmaterialien; Layer, Principien des Enteignungsrechts, S. 564; Meyer/Dochow, Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts, 1. Teil, S. 231; Scheicher, in: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. 1, S. 717, 721; a. A. Heilfron, Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts, S. 541; Fülster, Deutsches Reichsstaatsrecht, S. 377; v. Rönne/Zorn, Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie, Bd. 2, S. 215 Fn. 1. 8

RGZ 105, 251,253.

9

RGZ 107,261.

10

RGZ 112, 189.

11

Preußische Gesetz-Sammlung, S. 221.

12

RGZ 107, 261, 269; im gleichen Sinne RGZ 112, 189, 192.

13

Vgl. Rosenberg,, JW 1928, S. 454, 455; C. Schmitt, JW 1929, S. 495, 496 Fn. 5.1.

14

Vgl. RGZ 107. 370, 375.

15 RGZ 109, 310, 319 f. Der Staatsgerichtshof hat sich später in seiner Entscheidung vom 23.3.1929 (RGZ 124, Anhang S. 19, 33) der Auffassung des RG angeschlossen.

3*

Β. Entwicklung des Eigentumsbegriffs nach Art. 153 WRV

36

Teil heftig geführten Diskussion in der Literatur 16 das RG in nur zwei Urteilen Begründungsansätze erkennen ließ, während es sich ansonsten nur auf seine früheren thesenartigen Ausführungen 17 bzw. auf die herrschende Meinung18 berief. Als Begründung für diese Auffassung finden sich im Urteil vom 13. Dezember 192419 folgende Gesichtspunkte: Zunächst stellte das RG auf die besondere Funktion der Eigentumsgarantie als wirtschaftliches Freiheitsrecht ab und betonte, daß die Existenzsicherung des freien selbstverantwortlichen Menschen - im Gegensatz zu früheren Zeiten - nicht mehr entscheidend vom reinen Sacheigentum, sondern in der modernen Industriegesellschaft in mindestens gleicher Weise auch von anderen Vermögenswerten Rechten geleistet werde. Mit dieser teleologischen Auslegung setzte es sich über die Bedenken der Literatur hinweg, die mittels historischer Auslegung durch Anknüpfung an die Auslegungsergebnisse der entsprechenden Bestimmungen der alten Landesverfassungen den engen Eigentumsbegriff fortführen wollen. Schließlich verwies es noch auf den Willen der verfassungsgebenden Nationalversammlung, die sich auf den weiten Eigentumsbegriff festgelegt habe, weil sie fast zeitgleich bei § 1 Abs. 1 des Reichsgesetzes vom 31. August 1919 über Enteignungen und Entschädigungen aus Anlaß des Friedensvertrages zwischen Deutschland und den alliierten und assoziierten Mächten20 diesen zugrunde gelegt habe. In seinem Urteil vom 20. November 1925 schließlich setzte es sich mit den Bedenken des OLG Celle auseinander, das mit einer systematischen Auslegung des Art. 153 WRV im Vergleich mit den "wohlerworbenen Rechten" des Art. 129 Abs. 1 Satz 3 WRV zu einer engen Interpretation des Eigentumsbegriffs gelangte. Es hielt an seiner weiten Auffassung mit der Erwägung fest, daß Art. 129 WRV für einen Eingriff in die "wohlerworbenen Rechte" der

16 Vgl. ζ. B. Scheicher, in : Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 202ff.; dens., Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 140 ff.; Hoestery, Einziehung und Enteignung, S. 12 f. 17

Ζ . B. in RGZ 111,123,130; 111, 224, 227; 129,146,148; 139,177,182.

18

Ζ. B. in RGZ 111, 320, 328; 121,166,168 unter Hinweis auf Wolff,

19

RGZ 109,310,319 f.

20

RGBl., S. 1527.

in: FS für Kahl IV, S. 3 fif.

II. Der Meinungsstand in der Literatur

37

Beamten strengere Anforderungen stelle, somit dieser trotz weiter Interpretation des Schutzbereichs des Art. 153 WRV nicht leerlaufend sei.21

EL Der Meinungsstand in der Literatur

Die oben aufgezeigte Entwicklung des Eigentumsbegriffs in der Judikatur löste eine heftige Kontroverse im Schrifttum aus, deren Meinungsspektrum über ihre völlige Ablehnung bis zur Einbeziehung sogar subjektiv-öffentlicher Rechte in den gegenständlichen Schutzbereich des Art. 153 WRV reichte. Es lassen sich dabei vier Grundströmungen unterscheiden:

1. Die Gleichstellung des Verfassungseigentums mit dem bürgerlich-rechtlichen Sacheigentum

Nach der engsten Auffassung wurde der Begriff des Eigentums in Art. 153 WRV mit dem der §§ 903 ff. BGB gleichgestellt; Objekte der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie konnten danach nur bewegliche und unbewegliche Sachen sein.22 Zur Begründung wurden folgende Argumente vorgebracht: a) Der Begriff des "Eigentums" in Art. 153 WRV könne bei seiner Auslegung nicht losgelöst von der übrigen Rechtsordnung beurteilt werden. Vielmehr habe die Reichsverfassung in dieser Bestimmung auf den durch das BGB geformten terminus technicus zurückgegriffen, so daß der Normbereich der Eigentumsgarantie aus dem Grundgedanken der Einheitlichkeit der Rechtsordnung heraus mit diesem zivilrechtlichen Begriff übereinstimme.23 Aber 21

Vgl. RG, JW 1926, S. 1444,1445.

22

So ζ. B. Köttgen, Grundprobleme des Wasserrechts, S. 81 f.; Hofacker, Grundrechte und Grundpflichten, S. 34 f.; ders., Die Auslegung der Grundrechte, S. 6, 23; Hatschek, Lehrbuch des deutschen und preußischen Verwaltungsrechts, S. 303 f.; Wittmayer, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 3, S. 737, 739; Hoestery, Einziehung und Enteignung, S. 14; Buschke , Die Grundrechte der Weimarer Verfassung, S. 106ff.; Koll, JW 1924, S. 1900; wohl auch Diekmann, Verwaltungsrecht, S. 45; Rosenberg, JW 1928, S. 454, 455. 23 Buschke, Die Grundrechte der Weimarer Verfassung, S. 107; Köttgen, Grundprobleme des Wasserrechts, S. 81 f.; Hofacker, Die Auslegung der Grundrechte, S. 6, 23; ders., Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen, S. 36; Scheicher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 142; ders., in: Die Gnindrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 199; Gebhard, Art. 153 WRV, Anm. 2.

38

Β. Entwicklung des Eigentumsbegriffs nach Art. 153 WRV

auch wenn einem Rechtsbegriff in der gesamten Rechtsordnung unterschiedliche Bedeutungsinhalte beigegeben würden, so spräche jedoch erst einmal eine Vermutung dafür, daß die Reichsverfassung von einem so fundamentalen Rechtsbegrifif wie dem des Eigentums nicht habe abweichen wolle, um ihn durch einen "mehr oder minder willkürlich bestimmten SpezialbegrifiH, der nur im Bereich des Art. 153 WRV gelten solle, zu ersetzen.24 b) Der historische Verfassungsgeber habe dem Begriff des Eigentums keinen verfassungsspezifischen Inhalt geben wollen. Zwar sei es unter Umständen richtig, daß die Nationalversammlung nicht zu jeder Zeit den zivilrechtlichen Rechtsbegrifif vor Augen gehabt habe, zumal über diesen Aspekt keine direkten Äußerungen vorlägen und auch aus dem Kontext nicht viel zu ermitteln sei. Auf der anderen Seite könne wegen dieser Unklarheiten in den Materialien auch nicht positiv auf das Gegenteil geschlossen werden.25 Die oben genannte Vermutungsregel, der Verfassungsgeber habe den vorgefundenen Begriff in den Art. 153 WRV übernehmen wollen, könne jedenfalls nicht widerlegt werden. c) Auch ein Vergleich mit den vor 1919 gültigen Landesverfassungen sollte dieses Ergebnis stützen. Sie wollten ihrem Wortlaut nach in der Mehrzahl dieser Auffassung zufolge nur das bürgerlich-rechtliche Eigentum schützen, was daraus geschlossen wurde, daß einzelne Verfassungen ihren Schutzbereich ausdrücklich noch um die sonstigen übrigen Rechte erweiterten. 26 Wenn der Verfassungsgeber ebenfalls den Schutz der gesamten privaten Vermögenssphäre gewollt hätte, warum unterließ er dann die schon früher gebräuchliche Klarstellung? d) Des weiteren wurden Erwägungen zur systematischen Auslegung des Art. 153 Abs. 1 WRV angestellt. Hofacker 27 zog zur Erläuterung seiner Ansicht Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV heran und betonte, daß der Verfassungsgeber das 24 Buschke, Die Grundrechte der Weimarer Verfassung, S. 106 unter Hinweis auf OVG Hamburg, JW 1927, S. 1288 Nr. 2; Gebhard, Art. 153 WRV, Anm. 2; Köttgen, Grundprobleme des Wasserrechts, S. 81 ;Hoestery, Einziehung und Enteignung, S. 13. 25

Scheicher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 141 Fn. 1; ders., in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 201 f.; Krückmann, JW 1928, S. 646; ders., LZ 1926, Sp. 315, 319. 26 Vgl. Scheicher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 141 Fn. 1; dens., in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 199 f. 27

Die Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen, S. 36 f.; ders., Die Auslegung der Grundrechte, S. 23; ihm folgend: Gleue, Entschädigungspflichtige Enteignung, S. 21 ff.; Scheicher, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 204; Gebhard, Art. 153 WRV, Anm. 2.

II. Der Meinungsstand in der Literatur

39

Rechtsinstitut des Eigentums nicht habe schaffen wollen, sondern dies als bereits bestehend voraussetzt habe. Da es im geltenden Recht nur ein zivilrechtlich ausgeprägtes Eigentum gebe, müsse dies auch zur Bestimmung des gegenständlichen Schutzbereichs herangezogen werden. Andere Autoren stellten Art. 153 Abs. 1 WRV die Art. 129 Abs. 4 WRV, der von den "wohlerworbenen Rechte und vermögensrechtlichen Ansprüchen der Beamten" spricht, und 138 Abs. 2 WRV, der neben dem Eigentum auch "andere Rechte" gewährleistet, gegenüber. Im Umkehrschluß stellten sie fest, daß die Reichsverfassung durchaus von einem engen Eigentumsbegriff ausgehen müsse, weil sonst diese Zusätze leerlaufen würden.28 e) Schließlich wurde die Erwägung des RG, daß Art. 153 Abs. 1 WRV auch die übrigen Vermögenswerten Privatrechte, die wegen ihrer im Vergleich zur Kaiserzeit gestiegenen Bedeutung für die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Bürger genauso schutzbedürftig wie das Sacheigentum seien, umfassen müsse, als bloße rechtspolitische Wertung abgelehnt, der im Rahmen der rechtslogischen Interpretation des Art. 153 Abs. 1 WRV keine Bedeutung zukommen dürfe. 29 Im übrigen würde der vom RG angestrebte erhöhte Schutz durch die Erweiterung des gegenständlichen Schutzbereichs gar nicht erreicht, da mit dieser Auslegung eine Enteignung aller Vermögenswerten Rechte der Bürger ermöglicht werde, während nach der alten Rechtslage dieser schwerwiegende Eingriff nur in das Sacheigentum zulässig gewesen sei.30

2. Die Erweiterung des Eigentumsbegriffs auf die absoluten dinglichen Rechte

Andere Autoren wollten den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff mit dem der §§ 903 ff. BGB gleichsetzen, aber nicht nur Sachen, sondern darüber hinausgehend alle Gegenstände, an denen ein unmittelbares, gegenüber jedermann wirkendes Herrschaftsrecht bestehen kann, in den gegenständlichen

28 Scheicher, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 204; ders., Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 139 f.; Hoestery, Einziehung und Enteignung, S. 13; Richter, Danz. Jur. MZtschr. 1926, S. 110. 29

Vgl. nur Scheicher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 143; dens., in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 205; Hoestery, Einziehung und Enteignung, S. 12; Buschke , Die Grundrechte der Weimarer Verfassung, S. 108. 30

H of acker, Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen, S. 54.

40

Β. Entwicklung des Eigentumsbegriffs nach Art. 153 WRV

Schutzbereich des Art. 153 WRV einbeziehen.31 Danach wurden neben dem Volleigentum an Sachen auch die übrigen dinglichen Rechte, das "geistige" Eigentum, die Rechte als Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, Miet- oder Pachtrechte32 und der Besitz i. S. d. §§ 854 ff. BGB 33 von Art. 153 WRV erfaßt; die bloß inter partes wirkenden obligatorischen Rechte fielen nach dieser Auffassung aus dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie heraus. Begründet wurde diese Auffassung in Abgrenzung zur Rechtsprechimg des RG mit den unter 1. genannten Argumenten. Die Erweiterung gegenüber dem engen Verständnis vom Eigentum als Sacheigentum wurde dagegen mit folgenden Erwägungen gerechtfertigt: a) Die WRV habe sich sicherlich an dem 1919 bereits bestehenden bürgerlich-rechtlichen Eigentumsbegriff orientiert, weil dieser festgeprägte Begriff des bürgerlichen Rechts während der Beratungen zu keiner Zeit in Zweifel gezogen worden sei. Nur dürften die Bestimmungen der §§ 903 ff. BGB nicht dahingehend fehlinterpretiert werden, daß neben den aus dem Eigentum fließenden Befugnissen auch die Gegenstände, an denen Eigentum als Herrschaftsverhältnis begrifflich möglich sei, durch diese Zivilrechtsnormen abschließend geregelt worden seien.34 Die Beschränkung des Eigentums auf Sachen durch das BGB sei schon deshalb nicht abschließend, weil in zahlrei31 Schelcher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 143 f.; ders., in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 205"; später nur angesichts der etablierten herrschenden Gegenansicht aufgegeben in AöR 57 (1930), S. 321, 325 Fn. 4; Gebhard, Art. 153 WRV, Anm. 2 a. E.; wohl auch Richter, LZ 1931, Sp. 649, 655: "Grundsätzlich wird jeder Vermögenswert Gegenstand des Eigentums sein können, an dem eine relative Herrschaft des einzelnen anderen gegenüber begrifflich möglich ist." (Hervorhebung vom Verfasser); ders., Danz. Jur. MZtschr. 1931, S. 49, 50. 32 Die Einbeziehung dieser Rechtspositionen durch Schelcher überrascht zunächst, weil sie dem Anspruchsberechtigten nur gegenüber dem Vermieter bzw. Verpächter einen Anspruch auf Besitzverschaflung zur Nutzung bzw. Nutzung und Fruchtziehung verschaffen, also gerade nicht gegenüber jedermann wirken. Schelcher ließ sich bei der Bestimmung der vom Eigentum i. S. d. Art. 153 WRV umfaßten Gegenstände offensichtlich von der herrschenden Meinung zum "sonstigen Recht" des § 823 Abs. 1 BGB leiten. Dieses Merkmal erfüllen nur solche Rechte, die denselben rechtlichen Charakter wie das bürgerlich-rechtliche Eigentum haben (vgl. nur RGZ 57, S. 353, 356; Faiandt/Thomas, § 823 BGB, Rdnr. 11; Erman/Drees, § 823 BGB, Rdnr. 24; Soergel/Zeuner, § 823 BGB, Rdnr. 41; MKMertens, § 823 BGB, Rdnr. 101; Staudinger/Schäfer, § 823 BGB, Rdnr. 73). Das im Besitz verkörperte Recht zum Besitz war als eigentumsähnliches sonstiges Recht anerkannt (vgl. nur RGZ 59, 326, 328; 91, 60, 66; 105, 213, 218; 170, 1, 6; heute ebenfalls noch überwiegend anerkannt: vgl. Palandt/Thomas, § 823 BGB, Rdnr. 13; UK-Mertens, § 823 BGB, Rdnr. 123 m. w. N.; Staudinger/Schäfer, § 823 BGB, Rdnr. 99; Erman/Drees, § 823 BGB, Rdnr. 30; a. A. Lorenz, Schuldrecht II/l, § 48 IV [S. 241]). 33 Auch der Besitz als solches wurde von der damals herrschenden Meinung als sonstiges Recht i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt, was heute allerdings umstritten ist (vgl. über den Diskussionsstand nur Staudinger/Sc/rô/er, § 823 BGB, Rdnr. 100 m. w. N.). 34

Richter, LZ 1931, Sp. 649, 655: "Der Gegenstand des Eigentums hat mit dem Begriff des Eigentums nichts zu tun."

II. Der Meinungsstand in der Literatur

41

chen Nebengesetzen andere Rechte eigentumsgleich ausgestaltet worden seien (wie ζ. B. das Urheberrecht und das Bergwerkseigentum). Die Eigentumsgarantie des Art. 153 WRV müsse daher gegenständlich um die Rechte erweitert werden, über die der Berechtigte wie ein Eigentümer verfügen und andere Personen von der Nutzung ausschließen könne.35 b) Diese erweiternde Interpretation ließe sich auch mit dem Wortlaut des Art. 153 WRV vereinbaren, da nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter Eigentum gegenständlich alle Rechte verstanden würden, die man "sein eigen" nenne. Im allgemeinen Sprachgebrauch werde dieser Begriff nicht auf die gegenüber jedermann wirkende Herrschaft über Sachen beschränkt, sondern auf alle Gegenstände bezogen, an denen ein solches Herrschaftsrecht begründbar sei.36

3. Die Interpretation des Verfassungseigentums als Summe aller Vermögenswerten Privatrechte

Die herrschende Meinung in der Literatur Schloß sich der Rechtsprechung des RG an und bezog alle privaten Vermögensrechte einschließlich der obligatorischen in den Schutzbereich des Art. 153 WRV ein. 37 Zur Untermauerung dieser Ansicht wurden folgende Argumente vorgebracht:

35

Richter, LZ 1931, Sp. 649,655.

36

Vgl. Schelcher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 143; dens., in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 205; zum allgemeinen Sprachgebrauch bezüglich des Eigentumsbegrififs auch: Warnkönig, in: Das Staats-Lexikon, Bd. 4, S. 741, 751; Stammler, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 3, S. 332, 336; Dnistrjanskyj, Jhrings Jahrbücher 79, S. 1,75. 37 Stammler, in: Handwörterbuch des Staatswissenschaften, Bd. 3, S. 332, 336; Oertmann, Die Aufwertungsfrage, S. 34; Giese, Art. 153 WRV, Anm. 1; Triepel, Goldbilanzverordnung, S. 17; Junck, DJZ 1930, Sp. 655; Furier, RPrVBl. 33 (1928), S. 390, 395 f.; Heilmann, RPrVBl. 53 (1932), S. 807, 809; Isan, RPrVBl. 53 (1932), S. 810, 811; Bornhak, Danz. Jur. MZtschr. 1931, S. 33, 34; Stier-Somlo, Die Verfassung des Deutschen Reichs, S. 86; ders., Deutsches Reichs- und Landesstaatsrecht, Bd. 1; § 65 Nr. 6, S. 445; Rieß, LZ 1928, Sp. 217, 223; Poetzsch-Heffier, Art. 153 WRV, Anm. 2; Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 2; Mende, AöR 49 (1926), S. 247, 253; Wolff, in: FS für Kahl IV, S. 3; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 292; Marwitz, in: Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, Bd. 2, S. 272, 273; Hensel, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Bd. 1, S. 29; Jellinek, Verwaltungsrecht, § 18 II 3, S. 409; Huber, AöR 62 (1933), S. 1, 41; Friebertshäuser, Die öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung, S. 42 f.; Dochow, PrVBl. 44 (1923), S. 389, 390; Ackermann, Enteignung und Eigentumsschranken, S. 16 fif.; wohl auch Krückmann, Enteignung, Einziehung, Kontrahierungszwang, S. 5 fif.

42

Β. Entwicklung des Eigentumsbegriffs nach Art. 153 WRV

a) Der Wortlaut des Art. 153 WRV ermögliche nicht nur eine Interpretation des Eigentumsbegriffs nach den engen sachenrechtlichen Vorschriften der §§ 903 BGB. Vielmehr stünde neben diesem "technischen" Begriff ein weiterer, der alle Vermögensrechte erfasse, die der Bürger als "sein eigen" auffasse.38 Die Frage, welchen Eigentumsbegriff die WRV verwendet habe, könne nicht einfach unter Hinweis, daß der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung die Anknüpfung an den juristischen bürgerlich-rechtlichen Begriff gebiete, beantwortet werden, da dieser Grundsatz gar nicht bewiesen sei.39 Die Eigentumsgarantie des Art. 153 WRV müsse als Teil eines verfassungsrechtlichen Wertesystems aus der Verfassung selbst heraus ausgelegt werden und dürfe nicht mehr als ein technisches Spezialgesetz aufgefaßt werden.40 Für eine Orientierung am laienhaften Eigentumsbegriff spräche auch, daß sich die Grundrechte in erster Linie an das Volk richteten 4 1 b) Auch die Nationalversammlung sei von einem weiten Eigentumsverständnis im Sinne der herrschenden Meinung ausgegangen. Die Begründungsversuche für diese Behauptung fielen allerdings höchst unterschiedlich aus: Während Triepel 42 pauschal auf die bei den Beratungen überall erkennbar gewordene entsprechende Absicht des Verfassungsgebers abstellte, verwies Anschütz43 auf Belegstellen, die seiner Meinung nach auf eine ausdehnende Interpretation des Begriffs der "Enteignung" und damit auch des Eigentums als deren Gegenstand schließen ließen. Schließlich wurde noch auf § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Enteignungen und Entschädigungen aus Anlaß des Friedensvertrags zwischen Deutschland und den allierten und assoziierten Mächten vom 31. August 191944 verwiesen. Dieses mit der Reichsverfassung fast zeitgleich von der Nationalversammlung verabschiedete Gesetz erfaßte als Enteignungsobjekte ausdrücklich Gegenstände, ging also über den bürgerlichrechtlichen Eigentumsbegriff mit der Erfassung vermögenswerter Rechte hinaus.45 Da nach der amtlichen Begründung zum Gesetz46 durch § 1 Abs. 1 die 38 Vgl. Warnkönig,, in: Das Staats-Lexikon, Bd. 4, S. 741, 751; Stammler, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 3, S. 332, 336. 39

Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 152 f.

40

Vgl. Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 154; Junck, DJZ 1930, Sp. 655; Hemel in: Die Reichgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Bd. 1, S. 29; Bertram, Verw. Arch. 35 (1930), S. 411 m. w. Ν. 41

Ackermann, Enteignung und Eigentumsschranken, S. 18.

42

Goldbilanzverordnung, S. 16.

43

Art. 153 WRV, Anm. 7; ihm insoweit folgend Schelcher, AöR 57 (1930), S. 321, 325.

44

RGBl. 1919,1, S. 1527.

45

Vgl. Schlegelberger, Die Ausführungsgesetze zum Friedensvertrag, S. 8.

II. Der Meinungsstand in der Literatur

43

nach Art. 153 Abs. 2 WRV notwendige gesetzliche Grundlage geschaffen werden sollte, müsse davon ausgegangen werden, daß der Verfassungsgeber auch Art. 153 WRV diesen weiten Eigentumsbegriff zugrunde gelegt habe.47 c) Auch die der Reichsverfassung vorangegangenen Länderverfassungen, insbesondere Art. 9 der preußischen Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850, wurden im Rahmen einer historischen Auslegung als Beleg für das weite Eigentumsverständnis genutzt. Die Begriffe Eigentum und Enteignung seien in diesen Landesverfassungen, die bei der Formulierung der Eigentumsgarantie in Art. 153 WRV als Vorbilder gedient hätten, schon immer in einem weiten Sinne verstanden worden.48 Art. 9 der preußischen Verfassungsurkunde habe den bereits durch § 75 Einl. ALR gewährten Schutz jedes privaten Vermögensrechts nur verfassungsmäßig absichern, nicht aber in den Landesteilen Preußens, in denen zuvor durch den Code Civil nur das Sacheigentum geschützt worden war, hinter diesen Schutzbereich zurückbleiben wollen.49 Andere Autoren lehnten allerdings einen solchen Rückgriff auf die Vorgängernormen der Eigentumsgarantie wegen der zwischenzeitlich eingetretenen radikalen Umwälzungen ab.50 d) Den Bedenken, die die Vertreter des engen Eigentumsbegriffs aus einer systematischen Auslegung des Art. 153 WRV mit den Art. 138 Abs. 2 und 129 Abs. 2 WRV ableiteten, wurde entgegengehalten, daß der Verfassungsgeber auch an anderer Stelle für den gleichen Tatbestand unterschiedliche Ausdrükke verwendet habe.51 Zudem wiesen die herangezogenen Artikel auch sachli-

46

Abgedruckt bei Schlegelberger, Die Ausführungsgesetze zum Friedensvertrag, S. 52, 53.

47

Vgl. Dochow, PrVBl. 1923, S. 389, 390.

48

Triepel, Goldbilanzverordnung, S. 16; Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 150 f.; Bornhak, Danz. Jur. MZtschr. 1931, S. 33. 49 vgl. Bornhak, Danz. Jur. MZtschr. 1931, S. 33; wohl auch Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331,338. 50

Vgl. Hensel, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Bd. 1, S. 29 unter Hinweis auf Wolff, in: FS für Kahl IV, S. 3, 20 f.: "Was Theorie und Praxis des älteren Rechtes entwickelt haben, ist für die Erkenntnis des neuen Rechts nur mit großer Vorsicht aufzunehmen, denn während in den älteren Verfassungen (...) die für die Enteignung gegebenen Voraussetzungen, die ja jenen der Reichsverfassung zum Vorbild dienten, nur den Schutz des privaten gegen 'administrative Willkür' bezweckten, will die Reichsverfassung (außer diesem Schutze) auch gegen den konfiskationslüsternen Landesgesetzgeber schützen." Angemerkt sei, daß die dieser Interpretation zugrundeliegende kaum verhohlene Demokratiefeindlichkeit bei der Übertragung der Auslegungsergebnisse zu Art. 153 WRV auf Art. 14 GG eine wesentliche Rolle wird spielen müssen. 51 Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 156 unter Hinweis auf die Rechtswegklauseln in den Art. 129,131 und 153 WRV.

44

Β. Entwicklung des Eigentumsbegriffs nach Art. 153 WRV

che Unterschiede zu Art. 153 WRV auf, die ihre Anwendung im Rahmen einer systematischen Auslegung untauglich erscheinen ließen.52 e) Hauptargument für die Bestimmung des Normbereichs durch die herrschende Meinung war die Berücksichtigung des Normzwecks für die Auslegung des Art. 153 WRV. Selbst wenn man davon ausginge, daß der historische Verfassungsgeber im Jahr 1919 die Eigentumsgarantie nur eng auf das bürgerlich-rechtliche Sacheigentum habe beschränken wollen, so sei dieser Wille jedoch dann nicht maßgeblich, wenn eine teleologische Auslegung der Norm zu einem abweichenden Ergebnis gelange.53 Noch vor dem ersten Weltkrieg bildete das Sacheigentum, insbesondere das Grundeigentum, nach dieser Auffassung den wesentlichen Teil des Vermögens der Bürger. Zudem sah es der liberale und formale Rechtsstaat nicht als seine Aufgabe an, in die gesellschaftliche Vermögensordnung lenkend und gestaltend einzugreifen, und beschränkte sich im wesentlichen darauf, durch Enteignungen den ständig steigenden Bedarf an Grundeigentum für öffentliche Anlagen zu decken.54 Mit der Änderung der Wirtschaftsordnung durch eine moderne arbeitsteilige Industriegesellschaft trat an die Stelle des Sacheigentums das Kapital als die Summe der Vermögensrechte der Bürger. 55 Art. 153 WRV könne seine Funktion als wirtschaftliches Freiheitsrecht nur dann erfüllen, wenn es sich von der statischen Eigentumsdefinition des BGB löse und sich der Wirtschaftsordnung anpasse. Dies sei umso drängender, als der Staat nach den Erfahrungen aus dem ersten Weltkrieg 56 sich nicht wieder auf die Rolle als "Nachtwächter" beschränken würde.

52

Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 157 - 160; Wolff,

in: FS für Kahl IV, S. 3 Fn. 1.

53

Vgl. Huber, AöR 62 (1933), S. 1, 41 f.; Friebertshäuser, Die öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung, S. 43; Furier, RPrVBl. 33 (1928), S. 340,395 f.; Hemel, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Bd. 1, S. 29; Schelcher, AöR 57 (1930), S. 321, 325. 54

Vgl. Kreft, JA 1975, S. 457, 460; Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 18.

55

Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 168fif. mit dem Hinweis auf das Straf- und Steuerrecht, wo sich unter dem Eindruck des Wandels ein wirtschaftlicher Eigentumsbegriff herausgebildet habe. 56 Auf Grund der Versorgungsknappheit hatte sich der Staat Eingriffsmöglichkeiten auch in bewegliche Sachen und obligatorische Rechte durch Gesetz verschafft; vgl. die Beispiele bei Wittmayer, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 3, S. 737, 738 f.; aber auch die BundesratsVO vom 24. Juni 1915, RGBl. 1915,1, S. 357.

III. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

45

4. Die Einbeziehung der subjektiv-öffentlichen Rechte in den Eigentumsbegriff

Von einigen Autoren schließlich wurde der Normbereich der Eigentumsgarantie auch auf die subjektiv-öffentlichen Rechte erstreckt. 57 Zur Begründung wurde vor allem auf die Schutzwürdigkeit dieser Rechtspositionen im Vergleich zu den privaten Vermögensrechten auf Grund der wirtschaftlichen Bedeutung für ihre Inhaber hingewiesen, die es verbiete, beide Arten von Rechten unterschiedlich zu behandeln.58

ΙΠ. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

Bei Systematisierung der verschiedenen Literaturauffassungen wird deutlich, daß deren unterschiedliche Ergebnisse zum Schutzbereich des Art. 153 WRV nicht so sehr auf spezifischen Auslegungsschwierigkeiten dieses Grundrechts beruhen, sondern vielmehr ihre Ursache im differierenden Verständnis über die zulässigen Methoden der Verfassungsinterpretation und ihren Stellenwert untereinander haben. Neben der Streitfrage, ob allein an den Willen des historischen Gesetzgebers anzuknüpfen oder der objektivierte Wille des Gesetzes entscheidend sei, wurde vor allem diskutiert, ob neben den "rechtslogischen Interpretationsmethoden" 59 auch Erwägung teleologischer und rechtsvergleichender Art zulässig seien.60 Die hier angedeuteten Fragestellungen sind auch heute noch nicht abschließend geklärt.61

57 Vgl. Arndt, Art. 153 WRV, Anm. 1; Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 167; Wild, Untersuchungen zum Deutschen Enteignungsrecht, S. 45. Auch Triepel (AöR 40 [1921], S. 349, 363) schien zunächst öfifentlichrechtliche Positionen in den Schutzbereich einbeziehen zu wollen, schloß sich dann später aber ohne weiteres der herrschenden Meinung an (vgl. Goldbilanzverordnung, S. 17). 58 Wild, Untersuchungen zum Deutschen Enteignungsrecht, S. 45; Stödter, Entschädigung, S. 162.

Öffentlich-rechtliche

59 Grammatische, systematische und historische Auslegung. Vgl. zu diesem provokanten Begriff Schelcher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137,143; Hoestery, Einziehung und Enteignung, S. 10 unter Hinweis auf Köttgen, Grundprobleme des Wasserrechts, S. 83. 60 Vgl. zum damaligen Streitstand Ule, AöR 60 (1931/32), S. 37 ff.; Smend, Verfassung und Verfassungsrecht; Schwinge, Der Methodenstreit in der heutigen Rechtswissenschaft; v. Hippel, Untersuchungen zum Problem des fehlerhaften Staatsaktes, S. 130fif.; Holstein, AöR 50 (1926), S. 1 fif.; Jerusalem,, AöR 54 (1928), S. 161,192ff.; Heller, AöR 55 (1929), S. 332 fif. 61 Vgl. nur den Überblick bei Böckenförde, NJW 1976, S. 2089fif.; v. Münch/v. Münch, Art. 1 -19 Vorb. GG (4. Aufl.), Rdnr. 50; v. Mangoldt/Klein/Starcfc, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, Art. 1 Abs. 3, Rdnr. 105 f. Zur Kritik an dem vom BVerfG angewendeten Auslegungsverfahren vgl. Roellecke, FS

46

Β. Entwicklung des Eigentumsbegriffs nach Art. 153 WRV

Legt man das heute wohl herrschende Verständnis über die Zulässigkeit und Reichweite der verschiedenen Auslegungsmethoden zugrunde, ergibt sich für den Rechtsbegriff des Eigentums in Art. 153 WRV folgendes:

1. Auslegung nach dem Wortlaut der Vorschrift

Grundlage der Norminterpretation muß der Wortlaut des Gesetzestextes sein. Eine Inhaltsbestimmung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals, die die Grenzen des Wortlauts als des sprachlich Möglichen überschreitet, kann nicht mehr als Ergebnis einer Auslegung der Norm bezeichnet werden, sondern stellt in Wahrheit Rechtsfortbildung praeter legem dar, die nach dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit an besondere Voraussetzungen gebunden sein muß.62 Diese Grenze des Wortlaut gilt auch bei der Auslegung der Verfassung; wird sie überschritten, bedeutet dies eine unzulässige "Verfassungsänderung durch Interpretation" 63. Das gegen die Wortlautgrenze vorgebrachte Argument, die Offenheit der Verfassungsbegriffe lasse oftmals eine klare Wortlautgrenze nicht erkennen, deren Konturen müßten erst durch eine interpretatorische Konkretisierung ermittelt werden 64, ist angesichts der Stabilitätsfunktion einer Verfassung für das Gemeinwesen, die durch die erhöhten Anforderungen, die an den Verfassungsgesetzgeber bei Änderungen im Vergleich zum einfachen Gesetzgeber gestellt werden, verdeutlicht wird, abzulehnen.65 Bei der Inhaltsbestimmung des Eigentumsbegriffs nach dessen Wortlaut stößt man schnell auf Widersprüche: Auf der einen Seite soll dieser Begriff per se keinen vorgegebenen Inhalt haben; Eigentum "als Schöpfung der Rechtsordnung" werde durch die Summe der durch einfache Gesetze ausgestalteten

BVerfG, Bd. 2, S. 22, 48 f., wonach es "nicht sicher (sei), ob das Gericht seine eigenen Argumentationsmuster immer durchschaut." 62 Vgl. dazu nur BVerfGE 1, 351, 366 f.; 2, 347, 374 f.; 8, 210, 221; 9, 89, 104fif.; 13, 261, 268; BGHZ 46, 74, 76; Larenz, Methodenlehre, S. 308. 63 So BVerfGE 8, 210, 220; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 77; Müller, Juristische Methodik, S 98 f., 199; Schenke, AöR 103, (1978), S. 566, 589 Fn. 110 m. w. N.; ders., NJW 1979, S. 1321, 1327; Leibholz, Die Gleicheit vor dem Gesetz, S. 35; zur WRV Nawiasky, WDStRL 3 (1927), S. 25, 29; Ule, AöR 60 (1931/32), S. 37, 121; Thoma, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1, S. 1, 9; Schwinge, Der Methodenstreit in der heutigen Rechtswissenschaft, S. 17. 64 Böckenförde, NJW 1976, S. 2089, 2096; ebenfalls kritisch zu den Möglichkeiten der grammatischen Auslegung Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 268. 65

Vgl. neben den unter Fn. 62 f. Genannten Kirchhof,

in: HbStR, Bd. 1, § 19, Rdnr. 46.

III. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

47

Rechte erst ausgeformt. 66 Auf der anderen Seite verbietet sich aber die unkritische Übernahme der Eigentumsbegriffe des einfachen Gesetzesrechts zur Auslegung des Art. 153 WRV, da die in einer Verfassung gebrauchten Begriffe wegen ihrer strukturellen Eigenart aus sich selbst heraus auszulegen sind.67 Mit einer Wortlautinterpretation können daher nur durch Zusammenstellung aller möglichen Sinnvarianten die Grenzen des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs festgestellt werden. Eine vorschnelle Festlegung auf einen bestimmten Eigentumsbegriff ohne Einbeziehung der übrigen Interpretationsmethoden wäre daher verfehlt. Unter diesem Gesichtspunkt kann das Verfassungseigentum nicht auf das bürgerlich-rechtliche Sacheigentum i. S. d. §§ 903fif. BGB verengt werden. Das hierzu vorgebrachte Argument, die Einheitlichkeit der Rechtsordnung gebiete es, den Verfassungsbegriff "Eigentum" unter Rückgriff auf den gleichlautenden terminus technicus des BGB als einfachem Gesetz auszulegen, verkennt gerade die eigenständige Verfassungsbegrifflichkeit. Ohne den Wortlaut zu überdehnen, kann der Begriff auch als die Rechtsbeziehung eines Rechtssubjekts zu einem Rechtsobjekt verstanden werden, das die rechtliche Zuordnung des Gegenstands zum Inhaber regelt und ihr eine grundsätzliche Verfügungsbefugnis über ihn gegenüber Dritten einräumt. 68 Dieses Verständnis ermöglicht durchaus die Einbeziehung der Vermögenswerten Rechte als Gegenstand des Eigentums. Die verschiedenen Auffassungen zum gegenständlichen Schutzbereich des Art. 153 WRV sind somit alle mit dem Wortlaut dieser Verfassungsnorm vereinbar und können daher zunächst auch alle gleichberechtigt Geltung beanspruchen.

66

Vgl. BVerfGE 58, 300, 336.

67

Vgl. BVerfGE 58, 300, 335; Leisner, Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung; ders., JZ 1964, S. 201, 203; Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 40; zur WRV H en sei, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Bd. 1, S. 29; Junck, DJZ 1930, Sp. 655; Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 154; Wolff, FS für Kahl IV, S. 3, 6 Fn. 2; Smend, VVDStRL 4 (1928), S. 44, 45 f.; ders., Verfassung und Verfassungsrecht, S. 161 ff.; Bertram, Verw. Arch. 35 (1930), S. 411. 68

Vgl. BVerfGE 42, 263, 294; 50, 290, 339; 52, 1, 30; Leisner, in: HbStR, Bd. 6, § 149, Rdnr. 3 m. w. N.; AK-Rittstieg, Art. 14/15 GG, Rdnr. 61; Maunz/Dürig-Pa/>/er, Art. 14 GG, Rdnr. 57; Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 22; Böhmer, NJW 1988, S. 2561, 2566; zusammenfassend Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 11; zur WRV Stammler, in: Handbuch der Staatwissenschaften, Bd. 3., S. 332, 336.

48

Β. Entwicklung des Eigentumsbegriffs nach Art. 153 WRV

2. Auslegung des Eigentumsbegriffs nach der systematischen Stellung des Art. 153 WRV im Verfassungsgefüge

a) Zulässigkeit einer systematischen Auslegung

Die Zulässigkeit der systematischen Auslegung, d. h. die Inhaltsbestimmung einer Norm aus dem Zusammenhang und ihrer Stellung innerhalb des Normgefiiges heraus, ist heute als objektive Interpretationsmethode allgemein anerkannt.69 Nur die Vertreter der subjektiven Auslegungsmethode, die zur Lösung der Interpretationsaufgabe auf den Willen des historischen Gesetzgebers abstellten, erteilten der systematischen Auslegung entweder gänzlich eine Absage70 oder ließen sie nur insoweit zu, als sie ihren ausdrücklichen Niederschlag in den Gesetzesmaterialien gefunden hatte.71 Gegen diese Betonung der genetischen Auslegung wurde zu Recht geltend gemacht, daß sie gerade in Zweifelsfällen versagt, wenn nämlich sich aus den Materialien kein klarer Wille der beteiligten Organe entnehmen läßt.72 Ziel der Gesetzesauslegung kann es nicht sein, die Rechtsvorstellung der damals bei den Beratungen Beteiligten zu zementieren, zumal die in den Beratungen geäußerten Einzelauffassungen nicht dem Willen des späteren Verfassungsgesetzgebers entsprechen müssen.73 Vielmehr muß der heute rechtlich maßgebliche, also der normative Sinn des Gesetzes ermittelt werden. Unter diesem Gesichtspunkt wirken grammatische, systematische, genetische, historische und die teleologische Auslegung als methodische Einzelgesichtspunkte zusammen, um ein nachprüfbares und gesichertes Ergebnis zu entwickeln.74 Erwägungen zur systematischen Stellung des Art. 153 WRV innerhalb der WRV sind daher zulässig und geboten.

69 Vgl. BVerfGE 11, 126, 130; 38, 154, 164 f.; 50, 177, 194; BGHZ 46, 74, 76; Hesse,, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 68; v. Münch/v. Münch, Art. 1-19 Vorb. GG, Rdnr. 50; Larenz, Methodenlehre, S. 310fif.; zum Streitstand zur Zeit der Geltung der WRV Ule, AöR 60 (1931/32), S. 37, 94fif. m. w. N. aus Rechtsprechung und Literatur. 70 So wohl Krückmann, LZ 1926, Sp. 325, 319; ders., JW 1928, S. 646; Rümlin, AcP 122 (1924), S. 265, 268 Fn. 5, 272 Fn. 12; weitere Nachweise bei Ule, AöR 60 (1931/32), S. 37, 63, 112 f.; und bei Schneider, WDStRL 20 (1963), S. 1, 7. 71

Lüchinger, Die Auslegung der Schweizerischen Bundesverfassung, S. 125 f.

72

Ule,, AöR 60 (1931/32), S. 37,113; Schick,, AöR 94 (1969), S. 352, 371.

73

Larenz, Methodenlehre, S. 314, 330.

74 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 305; Müller, Juristische Methodik, S. 207; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd 1, § 4 III 1 a (S. 124).

III. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

49

b) Ergebnis der systematischen Auslegung aa) Systematische Einwände gegen den "weiten" Eigentumsbegriff

Die zivilrechtlich geprägte Auffassung wies in erster Linie auf die Bestimmungen der Art. 129 Abs. 4 und 138 Abs. 2 WRV hin, die auf Grund ihrer weitergehenden Formulierungen einen Umkehrschluß auf eine enge Interpretation des Begriffs "Eigentum" zuließen.75 Art. 129 Abs. 2 WRV ist schon deshalb im Vergleich zu Art. 153 WRV nicht leerlaufend, weil die dort aufgeführten Schutzobjekte als subjektivöffentliche Rechte teilweise ohne Vermögenswert nach herrschender Meinung gar nicht unter den Eigentumsbegriff des Art. 153 WRV fallen. 76 Aber auch wenn man mit der weitesten Auffassung auch Vermögenswerte subjektivöffentliche Rechte unter den Begriff des Verfassungseigentums fassen würde, wäre Art. 129 Abs. 2 WRV schon deshalb nicht sinnlos, weil er einen verstärkten Schutz der beamtenrechtlichen Positionen gegenüber Eingriffen durch den Gesetzgeber vorsieht. 77 Auch die weitergehende Fassung des Art. 138 Abs. 2 WRV, der neben dem "Eigentum" ausdrücklich noch die "anderen Rechte" der Religionsgesellschaften erwähnte, ist aus dem Zusammenhang der Verfassung heraus verständlich, da mit dieser Regelung eine Ausnahme zur Möglichkeit einer entschädigungslosen Enteignung per einfachem Reichsgesetz nach Art. 153 Abs. 2 Satz 2, 2. HS WRV geschaffen werden sollte. Weil Ausnahmeregelungen nach dem auch damals herrschenden Interpretationsverständnis eng auszulegen sind, erfolgte ein klarstellender Zusatz in Art. 138 Abs. 2 WRV. 78 Schließlich läßt sich aus der Bestimmung des Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV, der dem einfachen Gesetzgeber einen Auftrag zur Bestimmung des Eigentumsinhalts zuweist, keine Fixierung des Verfassungseigentums auf das zivilrechtliche Eigentum herleiten. Diese Interpretation würde die eigene Verfassungsbegrifflichkeit einer jeden Verfassung außer acht lassen und zudem den Regelungsbereich des Eigentumsgrundrechts zur Disposition des einfachen Gesetzgebers stellen. Der in Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV festgelegte Auftrag an den Gesetzgeber kann

75

Vgl. oben die unter Fn. 25 Genannten.

76

Vgl. Wolff,

77

Vgl. im einzelnen Stödter, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 158.

78

Vgl. Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 157.

4 Eschenbach

FS für Kahl IV, S. 3, 5.

50

Β. Entwicklung des Eigentumsbegriffs nach Art. 153 WRV

also nur so verstanden werden, daß er bei der Ausformung von eigentumsrelevanten Rechtspositionen an den Begriffsinhalt des verfassungsmäßigen Eigentumsbegriffs gebunden ist, zur Bestimmung des Verfassungseigentums somit gerade nicht auf die einfachen Gesetze zurückgegriffen werden kann. Insgesamt sind daher die aus der systematischen Stellung des Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV abgeleiteten Bedenken gegen den "weiten" Eigentumsbegriff nicht haltbar.

bb) Systematische Einwände gegen die Einbeziehimg der subjektiv-öffentlichen Rechte

Gegen die Einbeziehung subjektiv-öffentlicher Rechte in den Schutzbereich des Art. 153 Abs. 1 WRV wurden zuerst vom preußischen OVG 79 Bedenken systematischer Art geltend gemacht. Im ersten Teil des fünften Abschnitts der Grundrechte (Art. 151 bis 154 WRV) sei das Prinzip individualisierter Rechtsund Wirtschaftsordnung verankert. Da alle Vorschriften nur Privatrechtsverhältnisse regelten (Vertragsfreiheit, Verbot des Wuchers, Erbrecht), müsse dies auch für die Auslegung des Art. 153 WRV berücksichtigt werden. Die dagegen vorgebrachte Kritik, aus der Stellung des Art. 153 WRV innerhalb der Verfassung lasse sich ein so weitgehender Schluß nicht ziehen, da diese Artikel nur die Einordnung des durch Verfügung über alle seine Rechte wirtschaftlich handelnden Bürgers in die staatliche Gemeinschaft gewährleisten wollten 80 , ist im Ergebnis nicht überzeugend. Nach herrschender Auffassung hatte die WRV sich mit der Formulierung in Art. 151 ff. grundsätzlich zu einer liberalen, nur mit einigen sozialen Elementen durchsetzten Wirtschaftsordnung bekannt.81 Eckpfeiler dieser Festschreibung einer bürgerlichen Wirtschaftsordnung waren die Artikel 152 bis 154 82 , die nur Privatrechtsverhältnisse zum Inhalt hatten. Wenn Art. 153 Abs. 1

79 OVGE 81, 181, 201; ihm folgend RGZ 129, 246, 251 \ Ackermann, Enteignung und Eigentumsschranken, S. 23. 80 Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 162; Wild, Untersuchungen zum deutschen Enteignungsrecht, S. 45. 81 Vgl. Lehmann, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 125, 137; StolL in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 175, 179: StierSomlo, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1, S. 158, 170; Schmitt, in: HdbStR, Bd. 2, S. 572, 583 f. 82

Amchütz,, Vor Art. 151 WRV.

III. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

51

WRV auch einen Freiheitsraum für eine eigenverantwortliche wirtschaftliche Betätigung der Bürger schaffen sollte, lag es nahe, diesen auf diejenigen Vermögenswerte Rechte zu erstrecken, die dem Bürger ermöglichen, autonom und mit privatnütziger Zielsetzung an der Gestaltung der Wirtschaftsordnung teilzuhaben. Während im 19. Jahrhundert noch Verfügungen über das Sacheigentum den wesentlichen Teil der wirtschaftlichen Betätigung der Bürger ausmachten, hatten die Dispositionen über die übrigen privaten Vermögensrechte mit der Umgestaltung zu einer modernen Industriegesellschaft mehr an Bedeutung gewonnen.83 Subjektiv-öffentliche Rechte dienten dagegen in erster Linie der materiellen Existenzsicherung der Bürger und gehörten daher nicht unmittelbar zu seinen Instrumenten der selbstverantwortlichen Mitgestaltung der Sozialordnung. Diese Differenzierung folgt schon aus der Erwägung, daß diese Rechtspositionen keine Wirtschaftsgüter sind, weil ihnen das Merkmal der unmittelbaren Verwertbarkeit und Verfügbarkeit im Wirtschaftsleben fehlt. 84 Aus der Stellung des Art. 153 WRV innerhalb der Normen, die die Wirtschaftsordnung in der Weimarer Republik festschrieben, war somit eine Beschränkung des Verfassungseigentums auf die Privatrechte begründbar.

3. Der Wille des historischen Verfassungsgebers als Mittel der Auslegung

a) Zulässigkeit und Grenzen der genetischen Auslegung

Der Rückgriff auf den historischen Willen des Gesetzgebers durch die Heranziehung der Gesetzesmaterialien (occasio legis, Vorarbeiten, Denkschriften, Gesetzesbegründungen, Verhandlungen in Kommissionen oder in parlamentarischen Ausschüssen sowie im Plenum der gesetzgeberischen Körperschaften) zur Ermittlung des Bedeutungsinhalts einer Norm wird heute allgemein als zulässig erachtet.85 Umstritten ist allerdings, welche Bedeutung der Ent83 Vgl. Kreft, Vor § 839, Rdnr. 5; Stein, in: FS für Müller, S. 503, 510; Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 15. 84

Auf die Probleme bei der Einbeziehung subjektiv-öffentlicher Rechte wird ausführlich bei der Diskussion um die entsprechende Rechtsprechung des BVerfG einzugehen sein. 85 Vgl. nur Müller y Juristische Methodik, S. 34 f. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG; Stern, Staatsrecht, Bd. 1, § 4 III 1 a (S. 126); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 68; Bender, JZ 1957, S. 593, 598; Müller, JZ 1962, S. 471 ff. Auch Larenz, Methodenlehre, S. 314 f., folgt dieser allgemeinen Meinung, macht aber insoweit eine Einschränkung, als nur die Stellungnahmen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten herangezogen werden könnten; die Normvorstellungen der Verfasser eines Gesetzentwurfes könnten nur Anhaltspunkte für die Auslegung geben.

4*

52

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach Art. 153 WRV

stehungsgeschichte im Vergleich zu den übrigen Auslegungsmethoden zukommen soll. Das Meinungsspektrum reicht hier von der Zubilligung einer überragenden Stellung der genetischen Auslegung86 über die gleichrangige Anwendbarkeit dieser Methode87 bis zu der Auffassung, ihr käme nur eine Hilfsfunktion in dem Fall zu, in dem der Normbereich durch die übrigen Methoden nicht zweifelsfrei geklärt werden könne.88 Später hat das BVerfG seine klare Position, der genetischen Auslegung nur eine Hilfsfunktion zuzuweisen, relativiert, indem es grundsätzlich Ausnahmen zuließ89 und in anderen Entscheidungen ohne nähere Begründung die Ergebnisse aus der Analyse der Entstehungsgeschichte als maßgeblich erklärte. 90 Eine ausschließliche oder überwiegende Orientierung an den Motiven der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten erscheint zunächst aus tatsächlichen Gründen fragwürdig. In den Materialien sind nur die Meinungen einzelner Beteiligter aufgezeichnet, die mit denen des Plenums oder der Mehrheit, die dem Entwurf letztlich zugestimmt haben, nicht übereinzustimmen brauchen, zumal bei politisch umstrittenen Entscheidungen häufig gegensätzliche Vorstellungen über die Tragweite der diskutierten Norm geäußert werden. Zudem dürften manche Diskussionsbeiträge im Plenum von der Wortwahl her wegen ihrer relativ kurzfristigen Vorbereitungsphase nicht so exakt formuliert sein, als daß man ihnen im nachhinein ein solches Gewicht beimessen könnte. Damit ist es schon rein tatsächlich nicht möglich, einen "einheitlichen Willen des tatsächlichen Gesetzgebers" zu ermitteln 91, der dann für die Interpretation der Norm als entscheidend herangezogen werden könnte. Das von den Vertretern der subjektiven Auslegungsmethode vorgebrachte Argument der Rechtssicherheit verkehrt sich so in sein Gegenteil, da bei der Auswahl und Gewichtung der für maßgeblich erachteten Einzelstellungnahmen willkürliche Ent86 Vgl. ζ. B. BGHZ 46, 74, 80 m. w. N.; Bender, JZ 1957; Krückmann, JW 1928, S. 646; dem., LZ 1926, Sp. 315, 319; Schmitt, JW 1929, S. 495, 496; Anschütz, Art. 109 WRV, Anm. 2 III; dens., Art. 142 WRV, Anm. 2; für den Vorrang der genetischen Auslegung zumindest im Verfassungsrecht: v. Hippel, Untersuchungen zum Problem des fehlerhaften Staatsaktes, S. 142 Fn. 547; Rümlin, AcP 122 (1924), S. 265, 268 Fn. 5, 272 Fn. 12. 87 Vgl. ζ. B. Stern, Staatsrecht Bd. 1, § 4 III 1 a (S. 126); Müller, Juristische Methodik, S. 206 f.; Ule, AöR 60 (1931/32), S. 37, 77; Larenz, Methodenlehre, S. 305. 88 BVerfGE 1, 299, 312; 6, 55, 75; 10, 234, 244; v.Münch/v. Münch, Art. 1-19 Vorb. GG, Rdnr. 50; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Einf. Rz 11. 89

E 8, 274, 307; 11, 126, 130.

90

Ζ. Β. E 2, 266, 276; 4, 299, 304; zur leitenden Funktion der Entstehungsgeschichte ferner E 9, 124, 128; 33, 125, 152; 54, 227, 297 f.; 61, 149, 200. Zusammenfassend zu dieser Tendenz Sachs, DVB1. 1984, S. 73, 75 f. 91

Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 314; Ule, AöR 60 (1931/32), S. 37,113.

III. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

53

Scheidung geradezu unvermeidlich sind und bei zu vagen oder gar fehlenden Äußerungen der Wille des Gesetzgebers nur durch Vermutungen "ermittelt1' werden kann.92 Aber auch dogmatische Bedenken sprechen gegen eine Überbetonung der Ergebnisse der genetischen Auslegung. Gesetze sind abstrakt-generelle Regelungen, die oftmals das Ziel verfolgen, im Interesse der Allgemeinheit den Adressaten zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen.93 Eine derartige Rechtsnorm enthält damit eine an den Adressaten (Bürger oder Behörde) gerichtete Anordnung, der dieser nachkommen muß. Rechtsstaatliche Grundsätze erfordern dabei, daß der Bürger als unmittelbar oder wegen des dazwischentretenden Vollzugsakts mittelbar Betroffene den an ihn oder die Behörde gerichteten Befehl verstehen und sein Verhalten danach einrichten kann.94 Im Zivilrecht wird dem Interesse des Empfängers einer empfangsbedürftigen Willenserklärung nach Rechtssicherheit gegenüber dem des Erklärenden, nur entsprechend dem Gewollten rechtlich gebunden zu sein, im Rahmen des § 133 BGB dadurch Rechnung getragen, als das objektiv Erklärte grundsätzlich die Basis der Sinnermittlung bildet.95 Dieser in § 133 BGB zum Ausdruck kommende Gedanke, daß der Erklärende das Risiko eines unrichtigen Verständnisses zu tragen hat, sofern der Empfänger nach den ihm zur Verfügung stehenden Fakten keinem Auslegungsfehler erlegen ist, läßt sich auch in den Bereich des öffentlichen Rechts übertragen. Der Staat spricht nicht in den persönlichen Äußerungen der an dem Gesetzgebungsverfahren Beteiligten, sondern nur im Gesetz als der einen verbindlichen Normbefehl enthaltenen Willenserklärung 96 selbst.97 Auslegungsziel kann es daher nicht sein, die

92 Vgl. als Beipiel: Anschütz, Art. 109 WRV Anm. 2 III 1. Nach Auffassung des BVerfG (E 78, 20, 25) kann dem Schweigen des historischen Gesetzgebers auch dann keine Bedeutung beigemessen werden, wenn bei einer mehrdeutigen Norm eine feststehende höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt. 93

Stern,, Staatsrecht, Bd. 1, § 20 IV 4 f (S. 826); ders., Staatsrecht, Bd. 2, § 3713 a (S. 564); Katz, Staatsrecht, Rdnr. 420. 94 BVerfGE 21, 73, 79; vgl. auch E 31, 255, 264; 37, 132, 142; 47, 239, 247; 50, 42, 48; 52, 1, 41; 63,312, 323; 78, 214, 226; 83,130, 145; Maunz/Dürig-tfercog, Art. 20 VII, Rdnr. 58. 95

Vgl. zur Auslegung einer Willenserklärung nach § 133 BGB nur ?a\tmdt/Heinrichs, Rdnr. 9 m. w. N.

§ 133 BGB,

96 Die Stimmigkeit dieser Parallele zum Zivilrecht wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die offizielle Verkündung eines Gesetzes im Gesetzblatt im Grunde die Bekanntmachung an jeden einzelnen Bürger ersetzt; so Niebaum/Eschenbach, DÖV 1994, S. 12, 17 Fn. 64. Auch im Verwaltungsrecht wird der Regelungsgehalt von Verwaltungsakten analog § 133 BGB wegen ihres Charakters als Willenserklärung ermittelt (vgl. Erichsen, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23a Rdnr. 12). Vgl. ferner zum Ersatz einer Einzelbekanntgabe von Allgemeinverfügungen durch öffentliche Bekanntgabe § 41 Abs. 3 VwVfG.

Β. Entwicklung des Eigentumsbegriffs nach Art. 153 WRV

54

Vorstellungen des gesetzgebenden Organs empirisch festzustellen; Anknüpfungspunkt für die Auslegung muß vielmehr das Gesetz selbst sein.98 Es muß also darauf ankommen, den "Willen des Gesetzes" als dem in ihm immanenten vernünftigen Sinngehalt zu erforschen, der mit den Normvorstellungen des tatsächlichen Gesetzgebers, die regelmäßig hinter den tatsächlichen Anwendungsmöglichkeiten der Norm zurückbleiben, nicht deckungsgleich zu sein braucht.99 Daher ist das Gesetz auch nicht als Willensäußerung des tatsächlichen Gesetzgebers aufzufassen; mit der Verabschiedung durch ihn löst es sich zwangsläufig von ihm und seinen Vorstellungen.100 Maßgebend für seine Auslegung ist vielmehr der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille eines optimalen, daher auch fiktiven, rein normativ zu verstehenden Gesetzgebers, dessen Wille sich mit dem des Gesetzes deckt. Es bleibt somit nur noch zu klären, welches Gewicht der genetischen Auslegung im Vergleich zu den übrigen Auslegungskriterien zukommt. Diese Frage stellt sich allerdings nur dann, wenn sie zu von den übrigen abweichenden Ergebnissen gelangt, da in einem solchen Fall eine gleichwertige Kombination der Auslegungsmethoden nicht mehr möglich ist und ein Kriterium zurücktreten muß. Bei der Lösung dieses Problems ist wiederum von der beschränkten Aussagekraft der Gesetzesmaterialien als Grundlage der genetischen Auslegung auszugehen. Die von einem einzelnen Beteiligten geäußerten persönlichen Auffassungen werden sich in der Regel nicht mit der im Plenum vertretenen Mehrheitsmeinung decken, da diese in der heutigen Praxis gar nicht mehr in der Lage ist, sich zu einzelnen Gesetzen eine eigene, in die Einzelheiten gehende Meinung zu bilden. Zudem sind diese Stellungnahmen durch die historische Situation geprägt, in der das Gesetz verabschiedet wurde. Eine Anknüpfung an diesen vergangenen Willen, der die zukünftigen regelungsbedürftigen Probleme teilweise gar nicht erkennen konnte, würde den Anforderungen, die an das Gesetz zur Schlichtung und Lösung der heutigen Streitfragen gestellt werden, nicht gerecht werden können. Die Loslösung von den Anschauungen des wirklichen historischen Gesetzgebers ist deswegen nicht als ein unzulässiger Versuch einer Erfolgsvereitelung zu werten 101 , da der Rechtsanwender zwar durch den Vorrang des Gesetzes verpflichtet ist, die im 97

BVerfGE 11,126,130 unter Hinweis auf Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 210 f.

98

So schon Triepel, AöR 40 (1921), S. 349,373.

99

BVerfGE 54, 277, 298. Der Behauptung, daß das Gesetz klüger sei als sein Verfasser, ist daher zuzustimmen; vgl. BVerfGE 36, 342, 362. 100

Vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. 1, § 4 III 1 a (S. 125); Badura, Staatsrecht, A 15.

101

A A Bender, JZ 1957, S. 593, 598.

III. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

55

Gesetz von der Legislative abstrakt getroffene Entscheidung zu respektieren, dies ihn aber nicht daran hindert, deren Bedeutungsgehalt durch Auslegung zu aktualisieren, weil er eben nur an das Gesetz als Endprodukt des Gesetzgebungsverfahrens und nicht an die Meinungsäußerungen während der Beratungen gebunden ist. 102 Die vorrangige Anknüpfung an den zum Zeitpunkt der Entscheidung mit dem Wortlaut einer Norm verbundenen Bedeutungsinhalt ist vielmehr wegen des rechtsstaatlichen Gebots der Normklarheit, das dem Bürger die Rechtsfindung allein auf Grund inhaltlich hinreichend klar formulierter Gesetze ermöglichen soll 103 , geradezu geboten. Die Intentionen und Auslegungen durch den historischen Gesetzgeber können daher die Auslegung der Norm nur insoweit beeinflussen, als sie sich innerhalb des möglichen Wortsinns bewegen und der systematischen und teleologischen Auslegung, die sich an dem Gesetzestext selbst orientieren, nicht zuwiderlaufen.

b) Die Diskussion des Eigentumsbegriffs in der Nationalversammlung als Untersuchungsgegenstand für die genetische Auslegung

Die Folgerungen, die die Literatur aus der Analyse der Gesetzgebungsmaterialien zum Eigentumsgrundrecht des Art. 153 WRV zog, sind ein anschauliches Beispiel für die Schwierigkeiten, die sich bei der Auslegung einer Norm unter diesem Aspekt ergeben. Nicht anders ist es erklärbar, daß dem historischen Verfassungsgeber teilweise der weite Eigentumsbegriff unterstellt 104, teilweise dies aber genauso entschieden abgelehnt wurde. 105 Diese diametral entgegengesetzten Ergebnisse beruhen auf dem Umstand, daß der Begriff des

102

So im Ergebnis auch: Maunz/Dürig-iferzog, Art. 20 GG, Rdnr. 42; Larenz, Methodenlehre,

S. 315. 103 Vgl. nur Maunz/Dürig-tferzog, Art. 20 VII GG, Rndr. 63; Schmidt-Aßmann, in: HdbStR, Bd. 1, § 24 Rdnr. 85 m. w. N. aus Rechtsprechung und Literatur. 104

So z. B. Triepel, Goldbilanzverordnung, S. 16; Wild, Untersuchungen zum deutschen Enteignungsrecht, S. 33; Schelcher, AöR 57 (1930), S. 321, 325; etwas vorsichtiger: Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 19 und Friebertshäuser, Die öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung, S. 34, beide unter Hinweis auf Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 7. 105

Krückmann, JW 1928, S. 646; ders., LZ 1926, Sp. 315, 319; Hoestery, Einziehung und Enteignung, S. 13 f.; Schelcher, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 202; ders., Fischers Zeitschrift 60 (1927), S. 137, 141 ;Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 340; Sendler, DÖV 1974, S. 73, 74; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, S. 330; vorsichtiger Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331,338

56

Β. Entwicklung des Eigentumsbegriffs nach Art. 153 WRV

Eigentums in den Verhandlungen nicht fest umrissen wurde. 106 In den Diskussionsbeiträgen wurden stattdessen verschiedene Begriffe mit dem des Eigentums gleichgesetzt, ζ. B. Privatbesitz 107, Vermögen 108, privates Gut 109 , wohlerworbene Rechte110 und Eigentum an Gegenständen111. Diese Ansammlung verschiedener Begriffe zur Kennzeichnimg des gegenständlichen Schutzbereichs des Art. 153 WRV läßt zumindest den Schluß zu, daß die Redner und, da ihre Äußerungen zu keinem Zeitpunkt im Plenum auf Widerspruch stießen, die Nationalversammlung insgesamt unter dem Begriff des Verfassungseigentums nicht den fest umrissenen terminus technicus des BGB verstanden, weil ansonsten diese Begriffsverwirrung nicht hätte entstehen dürfen. Auffällig ist im übrigen, daß an keiner Stelle ein Bezug zum Eigentum im bürgerlich-rechtlichen Sinne oder zum Enteignungsbegriff des preußischen Enteignungsgesetzes von 1874 hergestellt wurde, was an sich nahegelegen hätte, hätte die Nationalversammlung an diesen Begriff anknüpfen wollen. 112 Auch der vom Verfassungsgeber verfolgte Zweck des Eigentumsgrundrechts, soweit er sich aus den Materialien entnehmen läßt, spricht für den damals herrschenden weiten Eigentumsbegriff unter Ausschluß der subjektivöffentlichen Rechte. Im Vorlagebericht werden die Art. 149 bis 151 des Entwurfs (die späteren Art. 152 bis 154 WRV) als einheitliches Regelungswerk zur "Sicherung und Regulierung der wirtschaftlichen Einzelbetätigung" vorgestellt113, so daß die systematischen Erwägungen, die das preußische OVG hinsichtlich dieser drei Artikel mit dem Ergebnis des weiten Eigentumsverständnisses unter Ausschluß der subjektiv-öffentlichen Rechte unternahm, insoweit durch die genetische Auslegung unterstützt wird. Schließlich findet die von der herrschenden Meinung dem Art. 153 WRV zugrunde gelegte ratio legis ihren Widerhall in der wiederholt geäußerten Ansicht, dieses Freiheitsgrundrecht wolle das Eigentum des einzelnen als Ergebnis seiner Arbeit vor

106 Nur der Abgeordnete Henke (Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1753 1.) unternimmt einen Definitionsversuch, indem er dem Gebrauchseigentum, das allein von Art. 153 Abs. 1 WRV erfaßt werden soll, das kapitalistische Eigentum entgegensetzt. Diese Position ist aber aus dem Kontext heraus als politische Wertung und nicht als juristische Auslegung zu begreifen. 107

Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1754 r.

108

Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1757 r., 1758 r, 1759 1.

109

Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1759 1.

110

Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1764.

111

Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1753 1.

112

A A Gebhard, Art. 153 WRV, Anm. 2, der diesen "Ungenauigkeiten in der Ausdrucksweise der Redner" keine Bedeutung zukommen lassen will. 113

Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1748 r.

III. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

57

staatlichen Zugriffen schützen.114 Wenn man neben diesen unmittelbar zu Art. 153 WRV geäußerten Ansichten auch diejenigen heranzieht, die an anderer Stelle aber mit Bezug zu diesem Grundrecht dokumentiert sind, so verstärkt sich der Eindruck noch, daß der historische Verfassungsgeber die Eigentumsgarantie nicht auf das bürgerlich-rechtliche Sacheigentum begrenzen wollte. Bei der Beratung des Art. 152 Abs. 4 des Entwurfs (des späteren Art. 155 Abs. 4 WRV) gingen alle Fraktionen übereinstimmend davon aus, daß die privaten Regale und andere Nutzungsrechte als Eigentum i. S. d. Art. 153 WRV anzusehen seien.115 In § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Enteignungen und Entschädigungen aus Anlaß des Friedensvertrags zwischen Deutschland und den alliierten und assoziierten Mächten vom 31. August 1919116 wird die Reichsregierung zur Enteignung von Gegenständen ermächtigt. Aus der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf 117 und den Beratungen in der Nationalversammlung118 geht hervor, daß eine Enteignung jeglicher Art von Gegenständen, also auch von Rechten, nach Art. 153 Abs. 2 WRV grds. nur gegen Entschädigung erfolgen sollte. Insgesamt läßt sich den Andeutungen aus den Materialien entnehmen, daß der Verfassungsgesetzgeber wohl von einem weiten Eigentumsbegriff ausgegangen ist.

4. Die Einbeziehung der historischen Verwurzelungen einer gesetzlichen Vorschrift zur Sinnermittlung

a) Zulässigkeit des Rückgriffs

auf die Tradition

eines Verfassungsbegriffs

Zu den allgemein anerkannten Erkenntnissen der juristischen Methodenlehre gehört es, daß für das Verständnis einer Norm der Rückgriff auf ihre Vorläufer unerläßlich ist. 119 Diese Feststellung muß für den Bereich des Verfas114

Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1756 r., 1748 r.

115

Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1763,1764,1765, 1766, 1768.

116

Abgedruckt bei Schlegelberger, Die Ausführungsgesetze zum Friedensvertrag, S. 7.

117

Abgedruckt bei Schlegelberger, Die Ausführungsgesetze zum Friedensvertrag, S. 52 f.

118

Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 329, S. 2592.

119 Vgl. nur BVerfGE 11, 126, 130; 50, 177, 194; 57, 250, 262; v. Mangoldt/Klein/Starcfc, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, Art. 1 Abs. 3, Rdnr. 106; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 68; Stern, Staatsrecht, Bd. 1, § 4 III 1 a (S. 126); Müller, Juristische Methodik, S. 206 f.; Schick, AöR 94 (1969), S. 353, 365; Ule, AöR 60 (1931/32), S. 37, 121; Anschütz, Art. 109 WRV, Anm. 1; Thoma, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1, S. 1, 9. Wenn dagegen Engel (AöR 118 [1993], S. 169, 197) der historischen Auslegung

58

Β. Entwicklung des Eigentumsbegriffs nach Art. 153 WRV

sungsrechts umso mehr gelten, als dieses in der Tradition des Staates stärker als die einfachgesetzlichen Regelungsmaterien verwurzelt ist. 120 Die Übertragung einer bereits bestehenden, traditionell ausgeprägten Verfassungsbegrifflichkeit ist aber nur dann zulässig, wenn der Verfassungsgeber an sie hat anknüpfen wollen und die aktuelle Verfassungsnorm nicht einem Bedeutungswandel unterzogen hat. Ohne diesen Akt der Übernahme bei der Schöpfung der Verfassung hätten die vorangegangenen Verfassungen keine Verbindung zum geltenden Recht und die nur mehr oder weniger "zufällig" bestehenden Übereinstimmungen könnten keine Rechtfertigung für ihre Verwertung im Rahmen einer historischen Auslegung geben.121 Für die Beurteilung der Frage, ob eine Verfassungsnorm an ihre Vorgängerin inhaltlich anknüpft oder nicht, kann allerdings der in den Materialien unter Umständen festgehaltene Wille des verfassungsgebenden Organs nicht in erster Linie maßgeblich sein; vielmehr muß auch hier auf den objektivierten Willen des Verfassungsgebers abgestellt werden. Die einzelnen Verfassungsformulierungen sind im Gegensatz zu den einfachen Spezialgesetzen das Ergebnis geschichtlicher Entwicklung, das nur im Zusammenhang gerade mit dem Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse der verschiedenen Epochen und nur unter Berücksichtigung der äußeren gesellschaftlichen Verhältnisse der jeweils herrschenden Geistesrichtung erfaßt werden kann. Wegen dieses "politischen" Charakters ist für die Zulässigkeit einer historischen Auslegung entscheidend, ob die auszulegende Verfassungnorm bei Übernahme der alten Begriffe trotz des zwischenzeitlich eingetretenen Wandels der äußerlichen gesellschaftlichen Verhältnisse und der einstmals allgemein anerkannten weltanschaulichen Grundwerte ihre Funktion im Rahmen der Verfassung, die politischen und gesellschaftlichen Kräfte zur Wahrung des staatlichen Lebens permanent zusammenzuführen 122, noch wahrnehmen kann. Aus geschichtlich entfernten, auf abweichenden Anschauungen beruhenden Verfassungstexten können somit in der Regel keine Rückschlüsse mehr auf den Bedeutungsinhalt

nur einen untergeordneten Stellenwert zubilligen will und dies mit BVerfGE 1, 299, 312 stützt, so vermischt er genetische und historische Interpretation miteinander. 120

Schick,, AöR 94 (1969), S. 353,367; Häberle, ZfP 21 (1974), S. 111,125.

121

Schick,, AöR 94 (1969), S. 353, 368 f.; Bertram,, Verw. Arch. 35 (1930), S. 411, 412; Holstein, AöR 50 (1926), S. 1,13; v. Hippel, AöR 49 (1926), S. 124,142. 122

So die von Smend begründete Integrationslehre, vgl. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 158 ff; densWDStRL 4 (1928), S. 44, 46; zustimmend Ule, AöR 60 (1931/32), S. 37, 85; Stern, Staatsrecht, Bd. 1, § 3 III 6 b (S. 92) m. w. N. pro und contra; Fiedler, JZ 1979, S. 417, 418; Isensee, NJW 1977, S. 545, 550.

III. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

59

des geltenden Verfassungsrechts gezogen werden, andernfalls würde dies eine "Versteinerung" des Rechts zur Folge haben.123

b) Die Eigentumsgarantien der alten Landesverfassungen als Anknüpfungspunkt einer historischen Auslegung

Da sowohl die Reichsverfassung vom 16. April 1871124 als auch die Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16. April 1867125 keinen Grundrechtskatalog enthielten, griffen Rechtsprechimg und Literatur zur Inhaltsbestimmung des Verfassungseigentums in Art. 153 WRV auf die entsprechenden Gewährleistungen der alten Länderverfassungen zurück, wobei dem Art. 9 der preußischen Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850126 wegen des geographischen Übergewichts des Staates Preußen im Deutschen Reich eine besondere Bedeutung beigemessen wurde. 127 Die Eigentumsgarantien waren allerdings schon vom Wortlaut her unterschiedlich gefaßt: Teilweise bezogen sie die sonstigen Rechte neben dem Eigentum ausdrücklich in den Grundsatz der Unverletzlichkeit mit ein 1 2 8 , teilweise stellten sie nur das Eigentum unter den allgemeinen Schutz der Verfassung. 129 Manche Verfassungen verzichteten aber ganz auf diese Klausel und enthielten nur eine Regelung über die Enteignung von Eigentum.130 Diesen unterschiedlichen Fassungen der Eigentumsga-

123

So Schenke, AöR 103 (1978), S. 566, 584.

124

Vgl. Gesetz betreffend die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871; RGBl. 1971, S. 63. 125

BGBl. 1867, S. 2.

126

Preußische Gesetz-Sammlung, S. 17.

127 Vgl. nur Bornhak, Danz. Jur. MZtschr. 1931, S. 33, 34; Schelcher, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 199; dens., Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 141 Fn. 1; Triepel, Goldbilanzverordnung, S. 16; Furier, RPrVBl. 33 (1928), S. 340, 393; Friebertshäuser, Die öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung, S. 41. Art. 9 der PrVerfUrk. lautete: "Das Eigentum ist unverletzlich. Es kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohls gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden." 128 Braunschweig: § 32 der Landschaftsordnung vom 12. Dezember 1832; Bremen: § 19 der Verfassung vom 1. Januar 1894; Bayern: § 8 Abs. 1 der Verfassung vom 26. Mai 1818. 129

Baden: § 13 der Verfassung vom 26. August 1904; Hessen: Art. 23 der Verfassung vom 13. Oktober 1879; Oldenburg: Art. 60 des Rev. Staatsgrundgesetzes vom 22. November 1852; Preußen: Art. 9 der Verfassungsurkunde; Sachsen: Art. 27 der Verfassung vom 4. September 1831; Württemberg: Art. 24 der Verfassung vom 25. September 1819. 130 Hamburg: Art. 62 Abs. 8 der Verfassung vom 13. Oktober 1879; Lübeck: § 53 Abs. 10 der Verfassung vom 29. September 1851.

60

Β. Entwicklung des Eigentumsbegriffs nach Art. 153 WRV

rantien entsprechend wurden zur Bedeutung und Reichweite des Art. 9 Satz 1 PrVerfUrk. unterschiedliche Auffassungen vertreten: Nach der restriktivsten Meinung kam dem ersten Satz der Eigentumsgarantie gar keine Bedeutung zu, er sollte danach den Staat im wesentlichen zum Schutz des Eigentümers gegenüber anderen Privaten verpflichten und ihm willkürliche Enteignungen, die in Widerspruch zu Art. 9 Satz 2 PrVerfUrk. standen, untersagen.131 Eine andere Ansicht sprach dem ersten Satz dieser Bestimmung eine selbständige Bedeutung zu, als dort der Grundsatz der gesetzmäßigen Verwaltung in Bezug auf eigentumsbeschränkende Maßnahmen festgeschrieben worden sei. 132 Der im ersten Satz verwendete Eigentumsbegriff wurde außerdem noch von den jeweiligen Strömungen noch unterschiedlich interpretiert. 133 Eine Entscheidung über den Schutzbereich des Art. 9 PrVerfUrk. ist aber entbehrlich, weil die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse im 19. Jahrhundert von denen nach dem ersten Weltkrieg in so großem Umfang abweichen, daß eine Übernahme des Bedeutungsinhalts für den Art. 153 WRV nicht möglich ist. 134 Die Aberkennung eines eigenständigen Bedeutungsinhalts des Art. 9 Satz 1 PrVerfUrk. - der Grundsatz der gesetzmäßigen Verwaltung galt auch ohne diese Bestimmung135 - entsprach der damaligen klassischliberalen Grundeinstellung von einem Staat, der sich jeglicher Regelung der gesellschaftlichen Ordnung der Güterverteilung grundsätzlich zu enthalten habe. Nur die Beschaffung von Grundeigentum für den Ausbau der Eisenbahn und anderer Unternehmungen sollte die Enteignungsregelung ermöglichen, andere Rechte oder Sachgüter mußte der Staat sich rechtsgeschäftlich beschaf-

131

Vgl. Stier-Somlo, Verw. Arch. 19 (1911), S. 43, 55, 88 f.; ν. Rönne/Zorn, Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie, Bd. 2, S. 216 mit Nachweisen aus den Gesetzesmaterialien in Fn. 4; G. Meyer/Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, S. 815. 132 Anschütz, Die Verfassungsurkunde für den preußischen Staat, Bd. 1, S. 156 f.; ders., Verw. Arch. 5 (1897), S. 1, 63 Fn. 108, 82; Schulze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, S. 390; Bornhak, Danz. Jur. MZtschr. 1931, S. 33\Eck, Jherings Jhrbch 23 (1884), S. 1, 56. 133 Für den engen sachenrechtlichen Eigentumsbegriff Anschütz, Die Verfassungsurkunde für den preußischen Staat, Bd. 1, S. 157; ders., Verw. Arch. 5 (1897), S. 1, 82; vgl. ferner Sendler, DÖV 1974, S. 73, 74; Bender, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 9; Stein, in: FS für Müller, S. 503, 509; für einen weiten vermögensrechtlichen Eigentumsbegriff Eck, Jherings Jhrbch 23 (1884), S. 1, 54; Heilfron, Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts, S. 541; Fülster, Deutsches Reichsstaatsrecht, S. 377; Meyer/Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, S. 390; v. Rönne/Zorn, Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie, Bd. 2, S. 215 Fn. 1. 134 So auch Wild, Untersuchungen zum Deutschen Enteignungsrecht, S. 37. 135

Vgl. nur Anschütz, Verw. Arch. 5 (1897), S. 1, 82.

III. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

61

fen. 136 Nach dem ersten Weltkrieg hatte sich die gesellschaftliche Situation grundlegend gewandelt: Der Übergang in eine moderne Industriegesellschaft führte zu einer wachsenden Bedeutung der übrigen Vermögensrechte im Vergleich zum bürgerlich-rechtlichen Sacheigentum. Gleichzeitig wandelte sich die Funktion des Staates auf Grund des Drucks der sozialen Verhältnisse zu einem Sozial- und Lenkungsstaat, der sich auch nicht mehr davor scheute, zum sozialen Ausgleich in andere Rechte seiner Bürger einzugreifen. 137 Vor diesem Hintergrund verbietet sich eine historische Auslegung des Art. 153 WRV unter Berücksichtigung der Landesverfassungen des vorherigen Jahrhunderts.

5. Der Zweck der Ëigentumsgarantie als Auslegungskriterium

Die von der herrschenden Meinung befürwortete Ausweitung des Eigentumsschutzes auf alle Vermögenswerten Privatrechte und auch die teilweise Erstreckung auf die subjektiv-öffentlichen Rechte wurden vor allem mit der freiheitssichernden Funktion dieses Grundrechts begründet. Wenn die grundsätzliche Gewährleistung der individuellen Wirtschaftsfreiheit einen wesentlichen Bestandteil des Gerechtigkeitsideals der Verfassung ist 1 3 8 , war es folgerichtig, diese angesichts der gestiegenen Bedeutung der Privatrechte für die wirtschaftliche Betätigung dem Sacheigentum als gleichermaßen schutzwürdig gleichzustellen.139 Die Gegenauffassung stellte zwar die Schlüssigkeit dieser Argumentation nicht in Frage, maß ihr jedoch nur rechtspolitischen Charakter zu. Im Rahmen einer rein rechtslogischen Interpretation dürften danach diese

136 V g l forsthoffl Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I Allgemeiner Teil, S. 330 f.; Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 254; Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 17 f.; MaunzfDûùg-Papier, Art. 14 GG, Rdnr. 21. 137

Bezeichnend dafür sind ζ. B. die Regelungen der Art. 153 Abs. 2 (Enteignung durch Reichsgesetz ohne Entschädigung), Art. 153 Abs. 3 (Gemeinwohlklausel), Art. 154 (staatlicher Vorbehalt für einen gesetzlich zu bestimmenden Teil der Erbschaft), Art. 156 (Sozialisierungsermächtigung für Unternehmen). 138

So Lehmann, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 125, 137; Stoll, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 175, 179; C. Schmitt, in: HdbStR, Bd. 2, S. 572, 584; Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 1; ders., Vor Art. 151 WRV. 139

So RGZ 109, 310, 319; Triepel, Goldbilanzverordnung, S. 19; Friebertshäuser, Die öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung, S. 43; Schelcher, AöR 57 (1930), S. 321, 325; für die Gleichstellung der subjektiv-öffentlichen Rechte Wild, Untersuchungen zum deutschen Enteignungsrecht, S. 45; Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 162.

62

Β. Entwicklung des Eigentumsbegriffs nach Art. 153 WRV

höchst subjektiven Faktoren keine Rolle spielen.140 Damit stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit und Reichweite der teleologischen Verfassungsauslegung.

a) Zulässigkeit der Heranziehung der "ratio legis" bei der Inhaltsbestimmung von Verfassungsnormen

Wie Stellungnahmen der Literatur aus jüngerer Zeit belegen, ist der Streit um die Einbeziehimg politischer Wertentscheidungen und Funktionszuweisungen bei der Interpretation von Verfassungsnormen auch nach dem Ende der Weimarer Republik nicht zum Stillstand gekommen.141 Gegen den teleologischen Interpretationsansatz wurden bzw. werden noch vor allem zwei Einwände erhoben:

aa) Das Argument der fehlenden Rechtssicherheit

Die generelle Ablehnung objektiv-teleologischer Kriterien zur Inhaltsbestimmung einer Verfassungsnorm wurde mit dem ansonsten einsetzenden Verlust an Rechtssicherheit begründet. Weil sich die Reichsverfassung in Art. 102 für die Herrschaft des Gesetzes entschieden habe, müsse durch die Ausschaltung einer individuellen Bewertung einer Norm im Einzelfall durch den Rechtsanwender die Gleichmäßigkeit der Behandlung gleichgelagerter Fälle als dem Endziel der Herrschaft des Gesetzes sichergestellt werden. Rechtspolitische Argumente entzögen sich jeglicher objektiver Nachweisbarkeit, gefährdeten daher das Postulat der Rechtssicherheit und müßten daher außer Betracht bleiben.142 Zuzugeben ist der Kritik zunächst, daß der Grundsatz der 140

Vgl. ζ. B. Hoechstery, Einziehung und Enteignung, S. 10; Richter, LZ 1931, Sp. 649, 650; Schelcher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137,143; ders., in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 203, 204 f.; Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung; S. 343; Buschke, Die Grundrechte der Weimarer Verfassung, S. 108 f.; Köttgen, Grundprobleme des Wasserrechts, S. 79. 141 Vgl. ζ. B. Ridder, Grundrechtsschutz des Eigentums, S. 39, 48; Lecheler, NJW 1979, S. 2273 ff; Forsthoff, in: FS für C. Schmitt, S. 35ff; dens., Zur Problematik der Verfassungsauslegung, S. 33. Dagegen hatte Schwinge (Der Methodenstreit in der heutigen Rechtswissenschaft, S. 19) schon 1930 den Sieg der teleologischen Methode über den Positivismus verkündet. 142 Vgl. Jellinek, AöR 48 (1925), S. 361, 363 f.; Mainzer, Gleichheit vor dem Gesetz, S. 35 ff ; wohl auch Forsthoff, in: FS für C. Schmitt, S. 35, 47: "Die Preisgabe der klassischen Regeln der

III. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

63

Methodenklarheit als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips der Heranziehung subjektiver, nicht überprüfbarer Wertungen entgegensteht. Solche "normgelösten" Abwägungen wären mit Sicherheit unzulässig.143 Die Vertreter der "rechtslogischen Interpretation" übersehen aber, daß mit der teleologischen Interpretation keinesfalls ein Einfallstor für derartige Wertungen geöffnet werden soll. Da die Verfassung, wie bereits oben erwähnt, die politischen und gesellschaftlichen Kräfte zur Wahrung des staatlichen Lebens permanent zusammenführen soll, ist der Maßstab für die Ermittlung der ratio legis das Rechtsbewußtsein und die Anschauungen der Gesellschaft als etwas objektiv Gegebenes, so wie sie in der Norm festgelegt oder aus ihr erkennbar sind. 144 Daß die Ermittlung der einer Verfassung zugrunde liegenden Wertordnung nicht formalistisch beweisbar ist, zumal gerade bei umstrittenen politischen Zielsetzungen eine recht vage Formulierung als Kompromiß des herrschenden Interessenkonflikts gewählt wird, um die notwendige Zustimmung der verfassungsgebenden Organe zu erhalten, ist im Vergleich zu den übrigen "rechtslogischen" Methoden nichts Ungewöhnliches. Mit der systematischen Auslegung, von Savigny ursprünglich auch als "philosophische" bezeichnet, wird die einem Normkomplex zugrunde liegende Wertentscheidung ebenfalls auf eine vergleichbare Norm übertragen. 145 Auch bei der historischen und genetischen Auslegung werden die soziologischen Gegebenheiten und politischen Motive des Verfassungsgebers zur Ableitung normativer Folgerungen für die auszulegende Norm im Wege verstehender Sinnerfassung und nicht nur mit mechanischem Scharfsinn berücksichtigt.146 Im übrigen bedarf es, um willkürlichen Ergebnissen zu begegnen, gerade bei den oft blankettartig formulierten Grundrechten einer wertorientierten Konkretisierung. Die Ermittlung beispielsweise des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs aus der Weimarer Verfassung heraus ist wegen der dort fehlenden Definition und des sich wegen des Postulats der eigenen Verfassungsbegrifflichkeit verbietenden Rückgriffs auf die einfachen Gesetze allein mittels deduktiver Logik nicht möglich. Die Frage nach der Funktion der EigentumsAuslegungskunst, die eine Auflösung des Gesetzesbegriffs im Inhaltlichen bedeutet, nimmt der Norm die Evidenz." 143

Vgl. Müller, Juristische Methodik, S. 254.

144

Vgl. Triepel, AöR 40 (1921), S. 349, 365; dens., in: FS für Kahl II, S. 3, 52; dem., Goldbilanzverordnung, S. 30; dem., WDStRL 4 (1927), S. 89, 90 (Aussprache); v. Hippel, AöR 49 (1926), S. 124, 142; dem., Untersuchungen zum Problem des fehlerhaften Staatsaktes, S. 142 Fn. 547; Schwinge, Der Methodenstreit in der heutigen Rechtswissenschaft, S. 22 f. 145

Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 346.

146

Hollerbach, AöR 85 (1960), S. 241, 262 f.

64

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

garantie ist als ein tragendes Element einer nachvollziehbaren Auslegung, die ihre Grundlagen offenlegt, gerade in solchen Fällen, die mittels der übrigen Elemente gar nicht zweifelsfrei entschieden werden können, unverzichtbar.

bb) Das Argument der Anmaßung politischer Entscheidungen durch den Rechtsanwender

Das zweite Argument gegen die Einbeziehung "rechtspolitischer Wertungen" im Rahmen der teleologischen Verfassungsauslegung zielt auf die dadurch angeblich gegebene Verschiebung der Kompetenzen zwischen Verfassungsgesetzgeber147 und der Rechtsprechung als Rechtsanwender ab. Während nach rechtsstaatlicher Auffassung der Richter an die politischen Entscheidungen des Gesetzgebers, so wie sie im Gesetz zum Ausdruck kommen, gebunden sei, würde sich der Richter, der die Verfassimg auf eine von ihm unterlegte Wertordnung hin interpretiere, zwangsläufig zum "Herrn der Verfassung" machen.148 Er überschreite seine Kompetenzen, wenn er bei der Auslegung einer Verfassungsnorm dieser Aufgaben und Funktionen unterstelle, die sich aus dem Verfassungstext nicht entnehmen ließen.149 Da aber gerade im Verfassungsrecht wegen der Unbestimmtheit der verwendeten Begriffe, die oftmals als vage Zielbestimmungen Wege, Mittel und Intensität ihrer Verwirklichung nicht regeln, sich hinter diesen Normen stehende politische Wertentscheidungen nicht eindeutig bestimmen ließen, sei die Gefahr unzulässiger normgelöster subjektiver Wertung auf diesem Rechtsgebiet besonders groß, so daß zumindest für das Verfassungsrecht eine teleologische Auslegung abzulehnen sei. Dieser Einwand führt zu einem allgemeineren Problem, mit dem sich die Verfassungsinterpretation ständig auseinandersetzen muß. Es ist nämlich zu klären, wann der Rechtsanwender die ihm zugewiesene Aufgabe der Konkretisierung der Verfassung durch Auslegung der vorgefundenen Normen verläßt und in den ihm verwehrten Bereich der politischen Entscheidung vordringt. Die nach dieser Fragestellung notwendige Grenzziehung zwischen einem 147 Darunter ist das verfassungsändernde gesetzgebende Organ zu verstehen; vgl. Maunz/DürigMaunz, Art. 79 GG, Rdnr. 3. 148 Forsthoff, Zur Problematik der Verfassungsauslegung, S. 33; vgl. auch die Befürchtungen von Lecheler,, NJW 1979, S. 2273. 149 Vgl. Ridder, Grundrechtsschutz und Eigentum, S. 48; kritisch in diesem Punkt auch Müller, Juristische Methodik, S. 208.

III. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

65

politischen und dem rechtlichen Aufgabenbereich ist jedoch auf dem Gebiet des Verfassungsrechts nicht leicht durchzufuhren. Diese Schwierigkeit folgt zwangsläufig aus der Regelungsmaterie dieses Rechtsgebiets. Verfassungsrecht regelt den Aufbau und die Handlungsformen der staatlichen Organe und grenzt ihre Zuständigkeiten untereinander ab. Es spiegelt die maßgeblichen Strukturprinzipien des Staates und die insbesondere in dem Grundrechtskatalog zur Tage tretenden prinzipiellen Wertentscheidungen wider, die der politischen Gewalt Maß und Schranken setzen. Als Manifestation der Herrschaftsund Werteordnung im Staat ist die Verfassung das "Recht für das Politische" 150 . Diese enge Verknüpfung zwischen der Verfassung und den ihr zugrunde liegende Wertentscheidungen über gesellschaftliche Interessenkonflikte und die schützenswerten und förderungswürdigen Gemeingüter macht ihre sinnvolle Auslegung unter Anwendung angeblicher Regeln formaler Rechtslogik unmöglich, da sich mit diesen grammatischen und systematischen Auslegungskriterien der Bedeutungsinhalt und die Tragweite dieser Normen oftmals auch nicht annähernd konkret bestimmen läßt. Eine Vermeidung teleologischer Interpretation führt daher dazu, tragende Auslegungskriterien ungenannt zu lassen.151 Allerdings ist sie nur insoweit zulässig, als der Rechtsanwender nicht seine eigenen subjektiven Bewertungen und Anschauungen an die Stelle der des Normgebers setzt und damit den Grundsatz der Gewaltenteilung und -balance ins Wanken bringt. Dies ist aber ausschließlich eine Frage der Reichweite und Methodik der teleologischen Interpretation.

b) Grenzen der Anwendbarkeit teleologischer Interpretation

Mit der grundsätzlichen Anerkennung der teleologischen Verfassungsinterpretation ist aber für die Problemlösung noch nicht viel erreicht. Läßt sich die Notwendigkeit dieses Auslegungskriteriums allgemein noch relativ leicht begründen, so folgt doch aus der oben bereits genannten Einschränkung, der Rechtsanwender dürfe nicht seine subjektiven Werturteile an die Stelle derer des Verfassungsgebers setzen, ein ungleich diffizileres Abgrenzungsproblem, mit dem sich "einige der heikelsten rechtlichen Auseinandersetzungen, welche 150 Triepel, WDStRL 5 (1929), S. 2, 8; Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 189; Schenke, NJW 1979, S. 1321, 1322; Stern, Staatsrecht, Bd. 2, § 44 I 4 b (S. 944); ders., Staatsrecht, Bd. 1, § 1 V 1 b (S. 16), § 4 III 4 (S. 129); Krüger, in: FS für Smed, S. 151, 159; Zöllner, Recht und Politik, S. 131fif. m. w. N.; kritisch zum Begriff des "politischen Rechts" Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 565. 151

Vgl. Meyer-Abich, Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 20.

5 Eschenbach

66

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

die Bundesrepublik (Deutschland) in ihrer bisherigen Geschichte erlebt hat", verbinden 152. Es stellt sich nämlich die Frage, wie die einer Verfassungsnorm zugrunde liegenden Wertentscheidungen zu ermitteln sind und ob und in welchem Umfang Änderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse und Anschauungen und ein damit verbundener möglicher Funktionswandel der Norm in eine teleologische Interpretation einfließen können.

aa) Ermittlung der maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte

Teilweise wurde gefordert, daß sich die Sinnermittlung einer Verfassungsnorm zur Vermeidung eigener politischer Wertungen des Rechtsanwenders streng oder doch überwiegend an die Zielsetzungen des historischen Verfassungsgebers, wie sie sich aus der Entstehungsgeschichte entnehmen ließen, orientieren müsse.153 Diese Vorgehensweise würde aber dem Willen des historischen Verfassungsgesetzgebers eine Bedeutung zukommen lassen, die dem genetischen Auslegungskriterium im Vergleich zu den übrigen nach dem bereits oben Ausgeführten nicht zukommen kann. Für die ratio legis einer Verfassungsnorm ist danach der objektivierte Wille eines historisch verankerten, aber rein normativ aufzufassenden Verfassungsgebers entscheidend.154 Die Ermittlung eines rein fiktiven Willens des Verfassungsgebers gestaltet sich angesichts der oftmals verwendeten generalklauselartigen Begriffe schwierig und birgt deshalb die Gefahr in sich, daß in dem Bestreben, die durch den objektivierten Verfassungsgeber vorgegebenen Wertsetzungen nachzuvollziehen und zu konkretisieren, doch autonome Wertungen des einzelnen Rechtsanwenders in die Auslegung einfließen. 155 Das BVerfG versucht, dieser Gefahr zu begegnen, indem es sich dem aus dem amerikanischen 152

Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 146.

153

Vgl. v. Hippel, Untersuchungen zum Problem des fehlerhaften Staatsaktes, S. 142 Fn. 547; Rümlin, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 26; Bender, JZ 1957, S. 593, 598. 154 155

Vgl. Krüger, DVB1. 1961, S. 685; H. J. Müller, JZ 1965, S. 471, 472.

Ein Beispiel aus der Rechtsprechung des BVerfG mag diese Gefahr veranschaulichen. Dieses hatte der Verfassungsbeschwerde eines Pfarrers stattgegeben, indem es mittels verfassungskonformer Auslegung des § 70 Abs. 1 StPO auch die Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG als "gesetzlichen Grund" anerkannte (BVerfGE 33, 23 fif.). In der abw. Meinung des Richters v. Schlabrendorff wird demgegenüber auf die durch das Grundgesetz geschaffene Gesamtordnung abgestellt (BVerfGE, 33, 35, 36). In diesem Zusammenhang definiert er den Begriff des Glaubens, zieht Aussagen der Bergpredigt zur Begründung heran und schließt mit der Erkenntnis, daß "weder ein Mensch, noch ein Volk, noch ein Staat (...) ohne Gott leben" könne (BVerfGE, 33, 41). Das sind sicherlich achtenswerte Gedankengänge, nichts desto trotz aber nur höchst subjektive Glaubensgewißheiten.

III. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

67

Recht stammenden Grundsatz des "judicial self-restraint" unterworfen hat und bei Entscheidungen, die die Kompetenzen anderer Verfassungsorgane berühren, Zurückhaltung übt. 1 5 6 1 5 7 Mit dieser Selbstbescheidung des BVerfG im rechtlich-politischen Grenzbereich sollen die Funktionszuweisungen des Grundgesetzes gewahrt werden. 158 Im Bereich der teleologischen Interpretation der Verfassung bedeutet dies zunächst, daß sich die Rechtsprechung die im Vergleich zur politischen Entscheidung unterschiedliche Methodik der Erkenntnisgewinnung und Entscheidungsfindung bewußt machen muß. Der Richter darf mit seiner Entscheidung keine neuen abstrakten Normen erzeugen, er schafft nur für den ihm unterbreiteten Fall innerhalb der gesamten Rechtsordnung konkretes Recht. Im Gegensatz zu politischen Entscheidungen, die allein Zweckmäßigkeitserwägungen und Wertvorstellungen der Entscheidungsträger widerspiegeln, müssen die Ermittlungen, mit denen der Richter die einer Verfassung bereits zugrunde gelegten Werturteile aufdeckt, um sie zur Auslegung einer Verfassungsnorm heranzuziehen, rational nachvollziehbar sein.159 Einer Verfassungnorm kann daher nicht jede beliebige "ratio" unterstellt werden, nur Funktionen und Wertvorstellungen, die in ihr selbst zum Ausdruck kommen, sind nachvollziehbar und damit zulässig. Deshalb müssen Gesichtspunkte von "Sinn und Zweck" der zu deutenden Norm mit Hilfe der übrigen Auslegungsmethoden belegt werden können und dürfen keinesfalls dazu herangezogen werden, sie zu überspielen.160 Schließlich muß der Verfassungsinterpret sich vergegenwärtigen, daß die Verfassung als bloße Rahmenordnung nicht alle Bereiche des Lebens erfassen kann.161 Eine exten-

156 Vgl. BVerfGE 2, 79, 96; 3, 52, 57; 4, 157, 169 f.; 36, 1, 14 f.; 40, 141, 178; 55, 349, 364 f.; 62,1, 51; 68,1,97; ferner die Zusammenfassung bei Kriele, NJW 1976, S. 777 ff. 157 Vgl. zur gleichen Problematik bei der Auslegung des EWG-Vertrags durch den EuGH Clever, DAngVers 1993, S. 71,75. 158 Da es sich bei dem Gebot der verfassungsgerichtlichen Zurückhaltung letztlich um eine Folge des im Grundgesetz verankerten Gewahenteilungsprinzips handelt, ist die Übernahme des amerikanischen Begriffs "^//-restraint" zumindest irreführend; vgl. Zuck, JZ 1974, S. 361, 368; Böckenförde, NJW 1976, S. 2089,2099; Schenke,, NJW 1979, S. 1321,1325. Kritisch zur Übernahme der Rechtsfigur Blumenwitz, DVB1. 1976, S. 464,469. 159

Vgl. Böckenförde,, NJW 1976, S. 2089, 2099; Schenke,, NJW 1979, S. 1321, 1327; Stern, Staatsrecht, Bd. 2, § 44 I 4 b (S. 945). Das BVerfG hat den Vorwurf, seine eigenen Wertvorstellung als die der Verfassung auszugeben, um damit den Willen des Gesetzgebers zu überwinden, als unzutreffend zurückgewiesen, vgl. die entsprechenden Äußerungen des Präsidenten Benda, DÖV 1979, S. 465, 469. 160

Vgl .Müller, Juristische Methodik, S. 208, 258; Schenke, NJW 1979, S. 1321, 1327; Fiedler, JZ 1979, S. 417, 419; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 68; Ule, AöR 60 (1931/32), S. 37,121 f.; v. Hippel, AöR 49 (1926), S. 124,141 f. 161 Vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. 1, § 3 III 3 a (S. 83); weitere Nachweise bei Andersen, Probleme der Wandlung des Eigentumsbegriffs, S. 68 Fn. 1.

5*

68

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrif nach At. 153 WRV

sive Interpretation unter Heranziehung von anderen, nicht mehr von der Verfassung zum Ausdruck kommenden Wertungen würde diese überfordern und in die Kompetenz des Verfassungsgesetzgebers eingreifen. Hier ist der Rechtsanwender zur Zurückhaltung verpflichtet und muß die Nicht-Entscheidung der Verfassung auf diesem Gebiet respektieren. 162 Im Bereich der weitgehend offenen Wirtschaftsverfassung und der durch den sozialen Bezug bedingten Einschränkung der Eigentumsgarantie in Art. 14 Abs. 2 GG wird dem Gesetzgeber bei der Inhaltsbestimmung des Eigentumsinhalts nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch das BVerfG ein weiter, nur im Rahmen einer Vertretbarkeitskontrolle vom Gericht überprüfbarer Prognosespielraum eingeräumt.163

bb) Grundrechtsinterpretation und Verfassungswandel (1) Problemstellung

Da bei der teleologischen Auslegung der Grundrechte deren von der Verfassimg ihnen zugedachte Funktion ein maßgebliches Kriterium darstellt, ergibt sich zwangsläufig die Frage, ob diese Aufgaben- und Zweckzuweisungen durch den objektivierten Willen des Verfassungsgebers in der Zeit des Entstehens der Verfassung fixiert sind oder ob und in welchen Grenzen sie sich an gesellschaftliche Änderungen anpassen können. Diese Problemstellung wird in Literatur und Rechtsprechung unter dem Stichwort des "Verfassungswandels" diskutiert. 164 Durch Verfassungswandel ändert sich mit Hilfe neuer Funktionszuweisungen der Sinn einer Verfassungsnorm, ohne daß auch ihr Text geändert wird.

162

Vgl. Steinberg,, JZ 1980, S. 385,387.

163

Vgl. die Zusammenfassung bei Weber, AöR 104 (1979), S. 521, 543fif, der dabei zu dem Schluß gelangt, daß das Gericht bei Überprüfungen anhand zentraler Grundrechte (den ideellen Hauptfreiheiten) einen strengeren Maßstab an den erforderlichen Informationsstand und die notwendige Sachkenntnis des regelnden Gesetzgebers anlegt, somit von einer zumindest faktisch bestehenden Wertrangordnung innerhalb des Grundrechtskatalogs ausgehe. Zur Kritik vgl. Schmidt, Der Staat 19 (1980), S. 235, 242 f. 164 Vgl. nur Stern, Staatsrecht, Bd. 1, § 5 III 2 b (S. 160) m. w. N.; Maunz/Dürig-Ma«nz, Art. 79 GG, Rdnr. 20; v. Münch/Bryde, Art. 79 GG, Rdnr. 11; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 45fif.; Kirchhof, in: HdbStR, Bd. 1, § 19 Rdnr. 46; Lerche, in: FS für Maunz, S. 285fif.; Fiedler, JZ 1979, S. 417fif; Schenke, AöR 103 (1978), S. 566fif.; dens., NJW 1979, S. 1321fif.; Steinberg, JZ 1980, S. 385fif.; Isensee, NJW 1977, S. 545; Schulze-Fielitz, DVB1. 1982, S. 331,334.

III. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

69

(2) Anerkennung der Möglichkeit eines Verfassungswandels

Nach dem heutigen Meinungsstand ist die Möglichkeit, mittels Auslegung einen Bedeutungswandel einer Verfassungsnorm herbeizuführen, von denjenigen, die eine teleologische Sinnermittlung für geboten halten, überwiegend anerkannt.165 Soll die Verfassung ihrer Integrationsfunktion für das Gemeinwesen gerecht werden können, müssen Änderungen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse bei der Auslegung berücksichtigt werden, damit sie nicht ihrer Entstehungszeit verhaftet bleibt und mit zunehmendem Alter ein Konsens der Bürger über ihre Grundaussagen unmöglich wird. 166 Auch wenn man mit der herrschenden Meinung den objektivierten Willen des Verfassungsgesetzgebers als einer historischen Figur zum Maßstab der Auslegung erhebt 167, so ergibt sich doch aus der Notwendigkeit einer fortlaufenden Aktualisierung, daß der objektivierte und daher optimale historische Verfassungsgesetzgeber sich der "Offenheit" der Verfassung für künftige Entwicklungen bewußt gewesen ist und diese billigend in Kauf nahm.168 Diese permanent notwendige Anpassung an die sich wandelnden gesellschaftlichen Grundstrukturen erfordert ihre Einbeziehung in den Interpretationsvorgang; nur durch ein "Hin- und Herwandern" des Blicks zwischen Lebenssachverhalt und Verfassungsnorm 169 kann die für die Wirksamkeit der Verfassung notwendige Gegenwartsbezogenheit hergestellt werden, damit Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit nicht auseinanderdriften. 170

165 Vgl. BVerfGE 2, 380, 401; 7, 342, 351; 45, 1, 33 und die unter Fn. .164 Genannten. Vgl. zur Gegenauffassung der Vertreter der "rechtslogischen Interpretation" die Zusammenstellungen bei Schenke, AöR 103 (1978), S. 566, 570 ff.; Andersen, Probleme der Wandlung des Eigentumsbegriffs, S. 78 ff. Kritisch femer zur Grenze zwischen der anerkannten schöpferischen Rechtsfortbildung im Rahmen der Auslegung und der unzulässigen Verfassungsdurchbrechung, die "rational nicht mehr zu bestimmen (sei)", Krüger, DÖV 1961, 721, 725. 166 Vgl. BVerfGE 52, 1, 30; Schenke,, NJW 1979, S. 1321, 1322; dens., AöR 103 (1978), S. 566, 585; Steinberg, JZ 1980, S. 385; Stern, Staatsrecht, Bd. 1, § 5 III 2 b (S. 161); Lerche, Werbung und Verfassung, S. 80 f.; zur Bedeutung des Konsenses vgl. Isensee, NJW 1977, S. 545, 550. 167

Vgl. dazu insbesondere Müller, JZ 1965, S. 471, 472; Krüger, DVB1. 1961, S. 685, 689.

168

Vgl. Schick, AöR 94 (1969), S. 351, 373.

169

Vgl. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 197 ff.; Rupp, AöR 101 (1976), S. 161,164.

170

Lerche, in: FS für Maunz, S. 285 m. w. N.

70

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrif nach At. 153 WRV

(3) Grenzen des Verfassungswandels Diese einer Verfassung innewohnende Dynamik, auf geänderte gesellschaftliche Verhältnisse durch Ausfüllung der Verfassungsbegriffe mit gewandeltem Bedeutungsinhalt reagieren zu können, kann indes nicht schrankenlos sein. Die Möglichkeit einer grenzenlosen Ändeibarkeit ihres Bedeutungsinhalts würde zum Verlust ihrer normativen Verbindlichkeit führen, so daß sie ihrer stabilisiertenden Funktion als ordnende, machtbegrenzende und freiheitssichernde Grundordnung des Staates nicht mehr gerecht werden würde. 171 Die Wandelbarkeit kann daher nur soweit gehen, als eine Anpassung zur Verwirklichung der feststehenden verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen notwendig ist. Gerade die Gefahr für die freiheitssichernde Funktion der Verfassung durch eine Überbetonung des dynamischen Verständnisses wird offensichtlich, wenn man sich vor Augen führt, daß die durch die gesellschaftliche Mehrheit geprägten gesellschaftlichen Anschauungen ohne weiteres in den Interpretationsprozeß einfließen könnten. Die Verfassung würde dann nicht mehr die politische Wirklichkeit gestalten172, sondern zum Spiegelbild und Spielball der politischen Auseinandersetzung degenerieren. 173 Politische Diskussionen würden in den Rang von Verfassungsproblemstellungen erhoben; der politische Gegner könnte zum Verfassungsfeind abgestempelt werden; der im Demokratieprinzip verankerte Minderheitenschutz wäre ausgehebelt.174 Dieser Gefahr kann nur entgegengewirkt werden, wenn durch die Auslegungsmethodik die gestalterischen Möglichkeiten, die die Verfassung als Normierung bestehender, objektivierter Wertentscheidungen bietet, auch gegen gesellschaftliche Widerstände die in ihr getroffenen Grundsatzentscheidungen für

171 Vgl. Fiedler, JZ 1979, S. 417, 419; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 31, 77; dens., in: FS für Scheuner, S. 123, 128 f.; Lerche, in: FS für Maunz, S. 285,290 f.; Stern, Staatsrecht, Bd. 1, § 5 III 2 b (S. 163 f.). 172

So Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 60.

173

Hesse, Die normative Kraft der Verfassung, S. 5 f. Vgl. ferner eindrucksvoll zu diesen Gefahren einer schrankenlosen funktionalen Interpretation, die die sozialen und politischen Wertungen des Norminterpreten als herrschende gesellschaftliche Vorstellungen zu teleologischen Argumentationsmerkmalen erhebt, Lecheler, NJW 1979, S. 2272 ff; dagegen Klauser, NJW 1980, S. 753 f., der dieser Gefahr der Subjektivierung der Inhaltsbestimmung die Vielfalt der tatsächlichen Interpretationen in Rechtsprechung und Literatur entgegenstellt und dabei übersieht, daß einzelnen Interpreten, ζ. B. dem BVerfG, auf Grund ihrer Stellung ein überragendes Gewicht innerhalb der juristischen Diskussion zukommt. 174

Vgl. Schenke, AöR 103 (1973), S. 566,588; Lerche, in: FS für Maunz, S. 285,287 f.

III. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

71

die politische Wirklichkeit durchzusetzen, nicht angetastet werden, ihr also die notwendige Stabilität zugestanden wird. 175 Auch die Verfassungsgeber der Weimarer Reichsverfassung und des Grundgesetzes haben diese notwendige Stabilität im Verfassungstext zum Ausdruck gebracht, indem sie Verfassungstextänderungen an besondere, im Vergleich zum einfachen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 68 ff. WRV bzw. 76fif. GG strengere Voraussetzungen geknüpft haben176, sofern sie nicht nach Art. 79 Abs. 3 GG gänzlich ausgeschlossen sind. Bei Verletzung der durch Art. 79 Abs. 3 GG gesicherten Grundordnung durch die Staatsgewalt hat jeder Bürger das Recht zum aktiven Widerstand, sofern die Staatsorgane nicht willens oder fähig sind, Abhilfe zu schaffen. 177 Diese verfassungsrechtliche Wertung muß dem Bestreben, ihr durch eine ständige Aktualisierung ein Höchstmaß an Akzeptanz bei den Bürgern zu verleihen, Grenzen setzen.178 Das als notwendig erkannte Maß an Flexibilität darf nicht zu einer Auflösung der Verfassung als Verfassungsgesefr führen. 179 Folgende Konsequenzen lassen sich für den Bereich des zulässigen Verfassungswandels daraus ableiten: (a) Äußerste Grenze für den Verfassungswandel muß der Wortlaut der Norm sein. Ein Auslegungsergebnis, daß sich nicht mehr im Rahmen eines sinnvollen Verständnisses des Normtextes hält oder im Gegenteil sich zu diesem in offenen Widerspruch setzt, wäre als Verfassungsdurchbrechung unzulässig. Die Bestimmung der Wortlautgrenze stößt allerdings in der Praxis wegen der Unbestimmtheit der Verfassungsbegrifife und der Wandlung der Bedeutungsinhalte für einzelne Begriffe gerade in der Umgangssprache auf erhebliche Schwierigkeiten, so daß die grammatische Auslegung allein die notwendige

175 Vgl zu dieser stabilisierenden Funktion, die in einem Ausgleich der in einer pluralistischen Gesellschaft bestehenden Grundströmungen besteht, Isensee, NJW 1977, S. 545, 548. 176

Vgl. Art. 76 Abs. 1 Satz 2 WRV bzw. Art. 79 Abs. 1,2 GG.

177

Vgl. zum Umfang des Rechts auf Widerstand nach Art. 20 Abs. 4 GG Maunz/Dürig-/terzog, Art. 20 IX GG, Rdnr. 12fif. m. w. N.; Stern, Staatsrecht, Bd. 2, § 57 III 4 (S. 1512); kritisch zur Wirksamkeit dieses Grundrechts v. Münch/Schnapp, Art. 20 GG (4. Aufl.), Rdnr. 50 fif. 178 Vgl. BVerfGE 39, 1, 67: Eine "Grundentscheidung der Verfassung bestimmt Gestaltung und Auslegung der gesamten Rechtsordnung. Auch der Gesetzgeber ist Hat nicht gegenüberfrei; gesellschaftpolitische Zweckmäßigkeitserwägungen, ja staatspolitische Notwendigkeiten können diese Schranke nicht überwinden. Auch ein allgemeiner Wandel der hierüber in der Bevölkerung herrschenden Anschauungen - falls er überhaupt festzustellen wäre - würde daran nichts ändern können". 179

So die Befürchtungen von Forsthoff, in: FS für C. Schmitt, S. 35,42. Tatsächlich gibt es in der Literatur vereinzelt Bestrebungen, Verfassungsdurchbrechungen als "Auflockerungen" der Verfassung unter Mißachtung des Art. 79 Abs. 2 GG für zulässig zu erachten; vgl. Häberle, ZfP 21 (1974), S. 111,132 f. Im allgemeinen wird allerdings die Möglichkeit eines "stillen Verfassungswandels" nach der Einschätzung Isensee s (NJW 1977, S. 545, 549 m. w. N. in Fn. 28) "verdrängt".

72

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

Abschichtung zwischen erlaubtem Verfassungswandel und einer unzulässigen Verfassungsdurchbrechung nicht zu leisten vermag. 180 (b) Die Änderung des Verständnisses über eine Verfassungsnorm muß auf einem Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse beruhen; eine Neuinterpretation bisher anders verstandener Verfassungsbegriffe unter Berücksichtigung neuer Ziel- und Zweckbestimmungen, die nicht auf Grund einer breiten Konsensbildung als allgemeine, in der Gesellschaft herrschende Auffassung objektiviert wären 181 , wäre als individuelles Streben nach Gerechtigkeit methodisch nicht zu begründen. Der Anstoß für einen Verfassungswandel durch Interpretation darf daher nicht von "innen", vom einzelnen Anwender der Norm ausgehen, er muß sich als eine notwendige Folge auf eine gesellschaftliche Veränderung ihm gleichsam von "außen" aufdrängen. (c) Die für einen Verfassungswandel als notwendig erachteten Änderungen in der Gesellschaft können auf zwei Feldern stattfinden. Zum einen müssen rein faktische Wandlungen, ζ. B. durch die Einführung neuer Technologien, die der historische Verfassungsgeber nicht erkennen konnte, in den Regelungsbereich der Verfassung integriert werden. Die Anpassung einer Verfassungsnorm an die sich ändernde Wirklichkeit stellt aber für sich genommen niemals eine unzulässige Verfassungsdurchbrechung dar, solange nur die Wertentscheidungen des historischen objektivierten Verfassungsgebers im Wege der Übertragung bei der Bewältigung der neuen Materie herangezogen werden und damit unangetastet bleiben.182 Bei tatsächlichen Wandlungen der Gesellschaft wird danach der Geltungsbereich einer Verfassungsnorm aktualisiert, das Normprogramm, das eine durch die übrigen Auslegungsmethoden zur beweisende Funktionsbestimmung als dem Grundgedanken der Norm enthält, bleibt dagegen unangetastet. Schwieriger gestaltet sich die interpretatorische Anpassung der Verfassung an die geänderten Wertvorstellungen der Gesellschaft, die bereits zur Zeit der 180 Einen Unterfall einer unzulässigen Verfassungsdurchbrechung gegen den Wortlaut bewirkt die Leugnung eines selbständigen Bedeutungsgehalts einer Norm im Rahmen ihrer Interpretation, also ihre faktische Außerkraftsetzung durch den Rechtsanwender; vgl. mit Beispiel Krüger, DÖV 1961, S. 721, 725. 181 Vgl. Triepel, Goldbilanzverordnung, S. 30:"(...) nach Zeit und Ort wandelbare Anschauungen der Gesellschaft (...)"; Ehmke, WDStRL 20 (1963), S. 71: "(...) Konsens aller vernünftig und gerecht Denkenden...". 182 Vgl. Krüger, DÖV 1961, S. 721, 725; Ossenbühl, DÖV 1965, S. 649, 650; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 46. Erstaunlicherweise wird dieser Vorgang als Konkretisierung einer Verfassungsnorm bezeichnet, obwohl es sich doch um eine Veränderung des bislang anerkannten Normbereichs und damit um eine Normverschiebung handelt.

III. Stellungnahme zur Diskussion in der Literatur

73

Verfassungsgebung bekannten Umstände ohne deren tatsächliche Veränderungen eine neue Bedeutung verschaffen. Hier wird die Abgrenzungsproblematik zwischen Verfassungswandel und -durchbrechung akut, weil bei der Umorientierung an neue Werte von verfassungsrechtlichem Rang das Normprogramm, also der Grundgedanke der jeweiligen Norm, berührt wird. Die Grenze eines zulässigen Verfassungswandels ist dort zu ziehen, wo die Verfassung ihre stabilisierende Funktion als ordnende, machtbegrenzende und freiheitssichernde Grundordnung nicht mehr erfüllen kann. Ein Verfassungswandel kann sich daher nur in einem zeitlich langsamen Prozeß und nicht durch plötzliche, ruck- oder schubartige Änderungen vollziehen, weil ansonsten die zur Sicherung dieser Funktion erforderliche Regelungskontinuität verloren gehen würde. Unvermittelte Neu- oder Umdeutungen von Verfassungsbegriffen bedürfen daher einer Änderung des Verfassungstextes, nur solche allmählichen, auf Grund einer breiten Diskussion in Forschung, Praxis, Rechtsprechung und einfacher Gesetzgebung gewachsenen Überzeugungen können eine Grundlage für einen "stillen Verfassungswandel" sein.183 (d) Schließlich ist das Auslegungsergebnis auf Grund dieser teleologischen Auslegung mit einer angepaßten Ziel- und Zweckbestimmung noch dahingehend zu überprüfen, ob es sich auch mittels der übrigen Auslegungsmethoden stützen läßt. 184 Da die Verfassungsinterpretation an die Verfassung selbst gebunden ist 1 8 5 , ist deren Grenze dort erreicht, wo der Verfassungstext keine Rückschlüsse mehr auf die aktualisierte ratio zuläßt, wo also neue von der Verfassung losgelöste, politische Wertungen dazu benutzt werden, um die Ergebnisse der übrigen Auslegungsmethoden auszuhebeln.186

c) Die Auslegung des Art 153 Abs. 1 WRV als Freiheitsrecht auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Betätigung

Werden die oben skizierten Grundsätze einer teleologischen Auslegung auf den Begriff des Verfassungseigentums angewendet, so spricht die sich aus dem systematischen Zusammenhang des Art. 153 Abs. 1 WRV im Gefüge des 5. 183 Den Zeitfaktor für die Beurteilung zur Charakterisierung des Verfassungswandels hat zunächst Lerche, in: FS fur Maunz, S. 285, 292fif. herausgebildet. Ihm folgend Schenke, AöR 103 (1973), S. 566, 589\Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 294; Schulze-Fielitz, DVB1. 1982, S. 331, 334. 184

Vgl. oben S. 26.

185

Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 77

186

Vgl. insbesondere Schenke, NJW 1979, S. 1321, 1327.

74

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

Abschnitts zur Regelung des Wirtschaftslebens erschließbare ratio, die eigenverantwortliche wirtschaftliche Betätigung der Bürger im Rahmen einer individualistischen Rechts- und Wirtschaftsordnung zu gewährleisten, für die Einbeziehung der Vermögenswerten Rechte und damit für ein weites Eigentumsverständnis. Auch Gesichtspunkte, die durch die genetische Auslegung der Materialien zur WRV ermittelt wurden, stützen dieses Ergebnis. Zum einen werden die ersten drei Artikel des 5. Abschnitts im Vorlagebericht als einheitliches Regelungswerk zur "Sicherung und Regulierung der wirtschaftlichen Einzelbetätigung" qualifiziert, zum anderen setzten die Abgeordneten den Eigentumsbegriff mit dem des Privatvermögens gleich, ohne in diesem Zusammenhang nur einmal das bürgerlich-rechtliche Sacheigentum als terminus technicus zu erwähnen.187 Die dem Art. 153 Abs. 1 WRV zugrundeliegende ratio stützt daher nur das Auslegungsergebnis zu dieser Norm, das nach genetischer und systematischer Interpretation nahe gelegen hatte. Die Erweiterung des Schutzbereichs des Art. 153 Abs. 1 WRV auch auf die subjektiv-öffentlichen Rechte mit dem Hinweis, daß diese Rechtspositionen genauso schutzwürdig seien wie die privaten Rechte, widerspricht dagegen insbesondere der systematischen Auslegung. Wollte man nämlich diese Ansprüche ebenfalls einbeziehen, müßte auch die ratio des Art. 153 Abs. 1 WRV geändert werden. Ziel der Eigentumsgarantie müßte es dann sein, nicht nur die eigenverantwortliche Mitwirkung am Wirtschaftsleben zu schützen, sondern allgemein die materielle Daseinssicherung der Bürger zu gewährleisten.188 Nur bei Unterstellung dieser ratio, die sich allerdings nicht durch die Ergebnnisse der anderen Auslegungsmethoden belegen läßt bzw. diesen sogar widerspricht, wäre die These des preußischen OVG, daß der Schutz der subjektiv-öffentlichen Rechte nicht "in gleicher Weise notwendig war wie der der Privatrechte" 189, widerlegt. Da ein Auslegungsergebnis nach dem oben Ausgeführten nicht allein mit einer teleologischen Auslegung begründet werden kann, da ansonsten durch die Übeibetonung des Wertgesichtspunktes die verfassungsrechtliche Regelung überspielt werden könnte, verbietet sich die Einbeziehung subjektiv-öffentlicher Rechte. Das Verfassungseigentum nach Art. 153 Abs. 1 WRV umfaßt daher alle Vermögenswerten Privatrechte. Zur besonderen Betonung dieser freiheitsverbürgenden Funktion der Eigentumsgarantie 187

Vgl. oben S. 55 ff.

188

Zur Begründung der Ausdehnung des Schutzbereichs auf leistungsbezogene subjektivöffentliche Vermögenswerte Rechte verweist Dürig, in: FS für Apeh, S. 13, 17 u. a. auch darauf, daß ein größerer Prozentsatz der Bevölkerung in ihrer Existenz auf unselbständiges Arbeitseinkommen und die damit verbundenen öffentlich-rechtlichen Sicherungsansprüchc angewiesen sei. 189

OVGE81,181,201.

IV. Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie

75

wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit dieses Grundrecht als Grundrecht der Eigentumsfreiheit oder verkürzt als die Eigentumsfreiheit bezeichnet werden. IV. Bestimmung des Gegenstandes und des Umfangs des Verfassungseigentums im Sinne des Art 153 Abs. 1 WRV Mit dem nunmehr gewonnenen Ergebnis, daß Art. 153 Abs. 1 WRV nicht nur das bürgerlich-rechtliche Sacheigentum, sondern mit der damals herrschenden Meinung jedes Vermögenswerte Privatrecht in den Grundrechtsschutz einbezieht, ist nur ein Gesichtspunkt zur Qualifizierung des Normbereichs dieses Grundrechts erfaßt. Neben der erforderlichen Bestimmung von gemeinsamen Merkmalen zur Abgrenzung der privaten Vermögenswerten Rechte von den übrigen nicht vom Schutzbereich des Art. 153 I WRV umfaßten Positionen ist eine Umschreibung hinsichtlich des Umfangs dieses Grundrechts erforderlich, m. a. W.: der Normbereich der Eigentumsfreiheit ist hinsichtlich der erfaßten Gegenstände und seines Bedeutungsgehalts zu qualifizieren. 190

1. Festlegung der objektbezogenen Merkmale der Eigentumsfreiheit

Die Rechtsprechung des RG hat die vom Schutzbereich des Art. 153 Abs. 1 WRV umfaßten Gegenstände nicht durchweg gleich beschrieben: Neben der auch häufig in der Literatur verwendeten Formulierung, Eigentum i.S.d. Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV sei der Inbegriff jedes privaten Vermögensrechts 191, finden sich aus Formulierungen wie: Unter dem Begriff des Eigentums seien" alle subjektiven Privatrechte einschließlich der Forderungsrechte" 192, "subjektive Berechtigungen dinglicher oder persönlicher Art" 1 9 3 zu verstehen. 190 Die notwendige strikte Unterscheidung zwischen den von Art 153 Abs. 1 WRV erfaßten Gegenständen und dem durch die Eigentumsfreiheit umfaßten Inhalt dieser Positionen wurde wegen des oben unter II. dargestellten Streits oftmals in der Diskussion vernachlässigt; vgl. zur Kritik: Richter, LZ 1931, Sp. 649,651; dens., Danz. Jur. MZtschr. 1931, S. 49, 50. 191 RG, JW 1929, S. 2331, 2332; RGZ 129,246, 250; aus der Literatur z. B. Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 2; Poetzsch-Heffier, Art 153 WRV, Anm. 2; Stier-Somlo, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.August 1919, S. 86; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 292; Wolff, in: FS für Kahl IV, S. 3. 192 RGZ 109,310,319; 111,224,227; 121,166,168; 139,177, 182; JW 1926, 1444,1445; vgl. Junck, DJZ 1930, S. 655. 193

RGZ 107,370,375; 111,123,130.

76

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

Auf Grund der in den einzelnen Urteilen erfolgten Verweisungen auf die eigene Rechtsprechung kann allerdings davon ausgegangen werden, daß das RG diese Begriffe synonym verwenden wollte. 194 Anhand der verschiedenen Formulierungen soll nun versucht werden, den Gegenstand der Eigentumsfreiheit möglichst exakt zu erfassen:

a) Das Eigentum als Rechtsposition

Trotz der großen Reichweite des von der herrschenden Meinung vertretenen Eigentumsbegriffs herrschte Einigkeit, daß Art. 153 Abs. 1 WRV, obwohl er nach seiner ratio die wirtschaftliche Betätigungsfireiheit der Bürger gewährleisten sollte, nicht deren Vermögen als Ganzes, sondern nur konkrete Rechtspositionen als dessen Bestandteile schützte.195 Vom Schutzbereich waren daher bloße Erwerbschancen und die sog. Reflexrechte 196 ausgeschlossen.197 Geschützt wurde also nicht die bloße faktische Herrschaft, sondern allein die in den einzelnen subjektiven Vermögensrechten Gestalt gewinnende, durch das objektive Recht dem einzelnen zugewiesene Machtbefugnis in Bezug auf Vermögensgegenstände.198 Mit der Erkenntnis, daß die Schutzwirkung der 194 In RGZ 129, 246, 250, wo der Begriff Eigentum mit jedem privaten Vermögensrecht gleichgesetzt wird, erfolgt ζ. B. eine Verweisung auf RGZ 103, 200, 201 ("wohlerworbene Privatrechte") und auf RGZ 111,123,130 ("subjektive Berechtigungen dinglicher oder persönlicher Art"). 195

So ausdrücklich Huber, AöR 62 (1933), S. 1, 44 Fn. 77: Art. 153 Abs. 1 WRV "dient dem Schutz der privaten Vermögensrechte, nicht einfach dem Schutz der privaten Vermögenssphäre"; Schelcher, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 205; ders., Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 143; vgl. zu den Begriffen Rechte und Vermögen Elster, in: Handbuch der Rechtswissenschaft, Bd. 6, S. 452,455 m. w. N. 196 Das sind faktische Begünstigungen auf Grund von Normen, die ausschließlich dem öffentlichen Interesse dienen sollen und lediglich rein tatsächlich in der Nebenwirkung auch dem Individualinteresse zu Gute kommen, ohne daß die Norm in ihrer Zwecksetzung diese Nebenwirkung mit umfaßt; vgl. zum Begriff Schücking, DJZ 1902, S. 315. 197 Vgl. Huber, AöR 62 (1933), S. 1, 44 Fn. 77; Holstein, Fideikommißauflösung und Reichsverfassung, S. 6. Auch das RG (Z 139, 177, 185 f.) zieht diesen Trennungsstrich bei der Beurteilung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, indem es ausführt, daß dieses Recht nur in dem Umfang, in dem es als sonstiges Recht i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB gebilligt sei, zum Verfassungseigentum gehören könne. Nach der ständigen Rechtsprechung des RG zu § 823 Abs. 1 BGB fiel die Aussicht auf Erwerb und die Gewinnung von Kundschaft nicht mit dem geschützten Bestand des Gewerbebetriebs zusammen; vgl. RGRK-Degg, (7. Aufl.), § 823 Anm. 9 m. w. N. aus der Rechtsprechung. Vgl. weiter zum Ausschluß der Reflexrechte RG, Warn. Rspr. 16 (1924), S. 234, 235: Es müssen "subjektive Rechte (...), von der Rechtsordnung geschützte, nicht bloß tatsächliche Möglichkeiten (...) in Frage stehen". 198 Vgl. zur Begriffsbestimmung des subjektiven Rechts allgemein Friedrich, Rechtswissenschaft, Bd. 5, S. 823 ff.

in: Handbuch der

IV. Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie

77

Eigentumsfreiheit nicht aus sich heraus wirken könne, sondern erst einsetze, sobald durch den einfachen Gesetzgeber eine normative Verknüpfung des Vermögensgegenstandes zum Inhaber geschaffen sei 199 , wurde das bereits in der Einleitung dieser Arbeit aufgeworfene Dilemma deutlich: Wie konnte Art. 153 Abs. 1 WRV als Grundrecht eine unmittelbare Bindungswirkung auch gegenüber der einfachen Gesetzgebung haben, wie die herrschende Meinung annahm200, wenn sein Freiheitsschutz ohne diesen gesetzlichen Zuwendungsakt eo ipso nicht wirksam war? Was blieb dann von der Eigentumsgarantie noch übrig, wenn das Eigentum als anerkannte Bastion individueller Freiheit nicht zur staatsunabhängigen Eigensphäre des Individuums gerechnet werden konnte? Rechtsprechimg und Literatur nahmen diese durch die Abhängigkeit von der einfachen Gesetzgebung begründete "Schwäche" des Eigentums201 hin. Unter Verkennung des dogmatischen Unterschieds zwischen Gegenstand und Umfang (Inhalt) der Eigentumsfreiheit stellten sie fest, daß der einfache Gesetzgeber bei der Ausgestaltung und Beschränkung des Eigentums, also auch bei der Schaffung neuer oder Begrenzung bestehender Rechtspositionen, durch Art. 153 Abs. 1 Satz WRV nicht behindert werde. 202 Da Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV keine geschriebenen Einzelkriterien enthielt, nach welchen die Gültigkeit eines Gesetzes vor der Eigentumsgewährleistung überprüft werden konnte, billigte das positivistisch ausgerichtete RG jedes Gesetz, also jeder generell-abstrakten Regelung, selbst wenn sie auf das Schwerste in das Eigentum eingriff. 203 Die Eigentumsgarantie band nach herrschender Ansicht den einfachen Gesetzgeber unbestritten nur insoweit, als er das neben dem Individualfreiheitsrecht ebenfalls gewährleistete Rechtsinstitut des Privateigentums

199

Vgl. Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 160: "Eigentum ist nur vorhanden, weil und soweit der Staat es geschaffen und anerkannt hat."; RG, Warn. Rspr. 16, (1924), S. 234, 235:" (...) subjektive, von der Rechtsordnung geschützte Rechte". 200 Vgl. Wolff, FS für Kahl IV, S. 3, 6, 21; Arndt, Art. 153 WRV, Anm. 2; Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 5; Gebhard, WRV, Zweiter Hauptteil, Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen, Anm. 3; Schelcher, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 207. 201

Vgl. Jellmek, Verwaltungsrecht, S. 413.

202

Vgl. RGZ 107, 370, 375; 111, 320, 325; 128, 165, 172; 133, 124, 126; 139, 177, 183; 137, 163, 170; Staatsgerichtshof, RGZ 124, Anhang, 19, 33, 34-, Arndt, Art. 153 WRV, Anm. 2; Wolff, in: FS für Kahl IV, S. 3, 7; Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 5; Poetzsch-Heffler, Art. 153 WRV, Anm. 2 b; Schelcher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 145; dens., in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 207; Furier, RPrVBl. 33 (1928), S. 340, 392, 394. 203 Vgl. insbesondere RGZ, 107, 370, 375; 139, 177,183: "Erforderlich ist nur, daß die Regelung durch eine allgemeingültige Vorschrift erfolgt." (Hervorhebung vom Verfasser)

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Β. Entwicklung des EigentumsbegriflEs nach Ait. 153 WRV

nicht abschaffen durfte. 204 Die Möglichkeit, für inhaltsbegrenzende Gesetze außer der absoluten Wesensgehaltsgrenze des Rechtsinstituts "Privateigentum" die Bestimmung des Art. 153 Abs. 3 WRV als verbindlichen Auftrag an den Gesetzgeber heranzuziehen, wurde dagegen nicht genutzt. Die dort verankerte Forderung, beim Gebrauch der eigentumsfähigen Positionen Gemeinwohl und Privatinteresse in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, was eine Verhältnismäßigkeitskontrolle bei jeder eigentumsrelevanten Regelung nahelegen würde, wurde nach allgemeiner Ansicht lediglich als unverbindliche "Richtschnur" oder noch schwächer als bloßer "Appell" an den Gesetzgeber verstanden.205 Die weiteren damit noch verbleibenden Alternativen einer Begrenzung der gesetzgeberischen Allmacht gegenüber diesem Grundrecht der Bürger wurden kontrovers diskutiert: Da die Eigentumsgarantie des Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV gegenüber dem einfachen Gesetzgeber nach der Rechtsprechung faktisch leerlief, erweiterte sie - gebilligt von der überwiegenden Literatur - den Anwendungsbereich der Enteignung mit der Folge der Entschädigung im Rahmen des Art. 153 Abs. 2 WRV und erhob diese Norm zur eigentlichen Schutzvorschrift für das Eigentum. Danach war es ausreichend, wenn der Gesetzgeber unmittelbar ohne Einschiebung eines Verwaltungsakts in die private Vermögenssphäre eingriff, indem er aus Gründen des Gemeinwohls subjektive Privatrechte, nicht nur Grundstücke und sonstige dingliche Rechte, zerstörte oder schmälerte, wobei die vollständige Übertragung der Rechtsposition auf einen öffentlichen Unternehmer nicht mehr vorausgesetzt wurde. Die Abgrenzung zur entschädigungslos hinzunehmenden Beschränkung des Eigentums i. S. d. Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV wurde mit dem Erfordernis sichergestellt, daß eine Enteignung nur einzelne oder doch einen verhältnismäßig engen Kreis treffen müsse, während im Rahmen des Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV das Eigentum für alle gleichmäßig beschränkt werde. 206 Der Charakter des Art. 153 WRV wandelte 204 Vgl. nur Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 5; Wolff, in: FS für Kahl IV, S. 3,6; Huber, AöR 62 (1933), S. 1,44; Schelcher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137,145. 205 Vgl. Schelcher, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 245 f.; Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 18; Giese, Art. 153 WRV, Anm. 7. Auch Wolff (in: FS für Kahl IV, S. 3, 10fif.) stimmt dieser Ansicht zu, mißt demgegenüber aber, abgelehnt von der herrschenden Meinung, dieser Bestimmung unmittelbare Geltungskraft gegenüber den Privaten zu. In dieser Entschätzung des Art. 153 Abs. 3 WRV spiegelt sich wiederum die in Rechtsprechung und Literatur weit verbreitete Abneigung der in dieser Norm angeblich verankerten "Ideen des Sozialismus" (so Lehmann, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 125,138) wider. 206 Sog. Sonderopfer- oder Einzeleingriffstheorie; vgl. RGZ 116, 268, 271, 273; 127, 281; 128, 28, 29; 128, 171; 129, 146, 149; 132, 73, 75; 133, 125, 126; 135, 311; 136, 124; 137, 170; Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 7; Schelcher, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 209; ders., Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 146; Furier, Verwaltungsrecht,

IV. Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie

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sich damit nach herrschender Meinung faktisch von einem primär bestandsschützenden Freiheitsrecht zu einer Entschädigungsgarantie. Andere Stimmen in der Literatur deuteten den Begriff der Schranken im Sinne des Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV so, daß die gänzliche Entziehung von eigentumsfähigen Rechtspositionen außerhalb des Art. 153 Abs. 2 WRV unzulässig sei, weil die sich aus Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV ergebende Befugnis nur die Beschränkung der Einwirkungs- und Ausschließungsbefugnis umfasse.207 Triepel 208 schließlich ließ wie andere Autoren auch209 die Aufhebung von Rechtspostionen ohne Entschädigung durch den einfachen Gesetzgeber nach Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV zu, beschränkte diese Befugnis aber durch das Rechtsstaatsprinzip, dessen Ausprägungen - Willkürveibot und Verhältnismäßigkeitsprinzip - bei der Auferlegung öffentlicher Lasten (Art. 134 WRV) zu beachten seien. Alle diese Bemühungen der Rechtsprechung und Literatur zeugen von der Unzufriedenheit, die angesichts des bloß lückenhaften Schutzes des Privateigentums gegenüber dem einfachen Gesetzgeber durch Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV herrschte. 210 In dem rechtspolitischen Bestreben, angesichts der im Vergleich zum Kaiserreich rücksichtsloseren Eingriffe des Staates unter dem Druck politischer, wirtschaftlicher und finanzieller Nöte nach dem ersten Weltkrieg den einzelnen gegen derartige Zugriffe in Schutz zu nehmen211, geprägt von einem tiefen Mißtrauen gegenüber dem demokratisch legitimier-

S. 395fif.; dagegen insbesondere Schmitt, JW 1929, S. 495fif.; Wolff, in: FS für Kahl IV, S. 3, 25, 27; Krückmann, Enteignung nach alter und neuer Reichsverfassung, S. 4, die einen "Übereignungsakt" für unentbehrlich erachteten; Jellinek, Gutachten für den 36. Deutschen Juristentag, Verh. I 2, S. 792 fif.; ders., Verwaltungsrecht, S. 412fif.; ähnlich auch Stödter, öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 197, 204,210,213 f., die nach dem Kriterium der Schutzwürdigkeit bzw. Zumutbarkeit abgrenzen wollten; Huber, AöR 62 (1933), S. 1, 44 Fa 81, der nach der Schwere des Eingriffe unterschied und die Entziehung von wesentlichen Eigentumsfunktionen als Enteignung auffaßte. 207 Vgl. Arndt, Art. 153 WRV, Anm. 2; so wird auch Wolff in: FS für Kahl IV, S. 3, 7 von Triepel, Goldbilanzverordnung, S. 25 verstanden und abgelehnt; kritisch zu diesem Ansatz auch PoetzschHeffter, Art. 153 WRV, Anm. 3 . 208

Goldbilanzverordnung, S. 25.

209

Z. B. Schelcher, Fischers Zeitschrift 60 (1927), S. 137, 161 Fn. 2, 170; Poetzsch-Heffler, 153 WRV, Anm. 3.

Art.

210 Bezeichnend hierfür ist die Bemerkung bei Richter, LZ 1931 Sp. 649, 658, wo eine einfachgesetzliche Beschränkung des Eigentums mit Ereignissen der Außenwelt wie Naturkatastrophen, Wirtschaftskonj unktur, Entwicklung des Verkehr, Fortschritte der Technik u. s. w. gleichgesetzt wird. 211

Vgl. RGZ 109, 310, 319; Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 8; Schelcher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 169.

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

80

ten Gesetzgeber212 wurde der Begriff der Enteignung von der Rechtsprechung nach und nach seiner "klassischen" Merkmale entkleidet213 und bereitete so in Abgrenzung zur Eigentumsbeschränkung erhebliche Auslegungsschwierigkeiten. Das Bestreben, notfalls mit gewagten Interpretationen die Eigentumssphäre gegenüber "linksradikalen Ideen"214 zu schützen, wird daher bei der Beurteilung der Auslegungsergebnisse des Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV im Vergleich zur Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG eine entscheidende Rolle spielen.

b) Beschränkung der Gewährleistung auf die "privaten Berechtigungen"

Bereits in der Nationalversammlung wurde die freiheitssichernde Funktion im vermögensrechtlichen Bereich für den einzelnen gegenüber der Staatsmacht betont 215 , die Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV erfüllen sollte, und festgestellt, daß das Eigentum unter dem Schutz der Reichsverfassung gestellt werde, weil sich ihm "die Arbeit des einzelnen (...) niedergeschlagen habe" 216 . Diesen Schutzzweck hatte das RG bei der Ausdehnung des Eigentumsbegriffs über den der bürgerlichen Rechts hinaus auch zugrundegelegt.217 Unter diesem Gesichtspunkt könnte der Begriff der Privatrcchtc den Schutzbereich des Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV zweifach eingrenzend beschreiben:

212

Vgl. die eindrucksvolle Beschreibung des Charakters des Gesetzgebers bei Wolff, Kahl IV, S. 3, 20 f., wiedergegeben auf S. 13 Fn. 50.

in: FS für

213 Schmitt, JW 1929, S. 495 spricht denn auch von einer Auflösung diese Begriffs; vgl. auch die Stellungnahme Anschütz? bei Schelcher, AöR 57 (1930), S. 321, 326 Fn. 5; rückblickend Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 341: "Mit dieser Auffassung (...) hatte sich das Reichsgericht einen Hammer geschmiedet, mit dem es nicht nur das in langer Verwaltungserfahrung erprobte Rechtsinstitut der Enteignung, sondern noch sehr viel weiteres, nämlich einen beträchtlichen Teil des gesamten aus der Zeit des konstitionellen Staatsrechts überkommenen, vom sozialen Geist (!) erfüllten Verwaltungsrechts zerschlug." 214

So Wolff,

215

Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1748 (C).

216

Vgl. Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1756 (C).

217

in: FS für Kahl IV, S. 3, 6.

Vgl. RGZ 109,310,319, wo es zur Begründung der Ausdehnung auch auf den wirtschaftlichen Wert der übrigen Privatrechte für den einzelnen abstellt, und RGZ 129, 146, 148, wo es den schon lange betätigten Heilgewerbebetrieb unter den Schutzbereich des Art. 153 Abs. 1 WRV subsumiert.

IV. Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie

81

aa) Privatrechte als Rechte Privater Wenn die Eigentumsgarantie im Rahmen der Art. 151 ff. WRV eine individualistische Rechts- und Wirtschaftsordnung sicherstellen sollte, lag es an sich nahe, als mögliche Grundrechtsträger nur die Bürger, also Privatpersonen zu erfassen, weil das Eigentum in der Hand einer juristischen Person des öffentlichen Rechts nicht die Grundlage von Privatinitiative, Privatautonomie, Privatnützigkeit und individueller Eigenverantwortlichkeit sein kann. 218 Tatsächlich scheint aber selbst der Verfassungsgeber nicht so konsequent gewesen zu sein; vielmehr hat er trotz dieser ratio mit Art. 153 Abs. 2 Satz 4 WRV zu erkennen gegeben, daß er eine Enteignung gegenüber Gebietskörperschaften und damit ihre Grundrechtsfahigkeit zumindest im Bereich der Eigentumsfreiheit für möglich hielt. 219 In Entsprechung dieser vorgegebenen Verfassungslage war nach Auffassung des RG und der Literatur in Fortführung des klassischen Enteignungsbegriffs auch das Eigentum der juristischen Personen des öffentlichen Rechts geschützt, wenn und soweit die Zuordnung des Gutes zu ihrem Inhaber zivilrechtlich geregelt war, sie also "wie ein Untertan, also als Privatperson" 220 auftrat. 221 Dieser auf den ersten Blick überraschende Befund der Einbeziehung der öffentlichen Hand in den von der Verfassung geschützten staatsfireien Wirtschaftsverkehr läßt sich teilweise vor dem Hintergrund des damals herrschenden Verständnisses über die Eigentumsverhältnisse bei Gegenständen der öffentlichen Hand erklären. Das Vermögen der öffentlichen Hand zerfällt danach in drei Vermögensmassen. Das Finanzvermögen umfaßt die Gegenstände, die den Zwecken der

218 Das BVerfG hat u. a. mit diesem Argument die Fähigkeit einer Gemeinde, Träger des Eigentumsgrundrechts sein zu können, abgelehnt; vgl. nur NJW 1982, S. 2173, 2175 und zusammenfassend Maunz/Dürig-Pa/wer, Art. 14 GG, Rdnr. 192. 219

Vgl. Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1757 - 1759.

220

Schelcher, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196,197.

221 In der Entscheidung RGZ 129, 246, 250 hat das RG diese Frage zwar offengelassen. Indem es aber die Klage mit dem Argument abwies, von Art. 153 WRV seien subjektiv-öffentliche Rechte nicht erfaßt (RGZ 129, S. 251), gab es doch zu erkennen, daß es die Grundrechtsträgereigenschaft der juristischen Personen des öffentlichen Rechts bezüglich der Eigentumsfreiheit für möglich hielt. Zur Literaturaufifassung vgl. außer Schelcher, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 197, dens., AöR 57 (1930), S. 321, 368; dens., Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 158; Hatschek, Lehrbuch des deutschen und preußischen Verwaltungsrechts, S. 304; Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 404; Wild, Untersuchungen zum Deutschen Enteignungsrecht, S. 43 f.; Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 159; Gebhard, Art. 153 WRV, Anm. 10 a; aus der Literatur des Deutschen Kaiserreichs Schelcher, in: Wörterbuch des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. 1, S. 12\,Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 28.

6 Eschenbach

82

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

öffentlichen Verwaltung nur mittelbar, nicht durch ihren Gebrauch, sondern durch ihren Vermögenswert oder ihre Erträgnisse dienen. Das Verwaltungsvermögen setzt sich demgegenüber aus den Gegenständen zusammen, die die Verwaltung selbst unmittelbar benötigt, um mit der Errichtung und dem Betrieb ihrer Einrichtungen ihre öffentlichen Aufgaben wahrnehmen zu können. Im Unterschied zur letzten Gruppe, den Sachen im Gemeingebrauch, werden sie nicht zur bestimmungsgemäßen externen Benutzung den Bürgern bereitgestellt, sondern dienen nur der verwaltungsinternen Nutzung.222 Die Nutzung durch die öffentliche Hand bzw. die Allgemeinheit läßt das bürgerlich rechtliche Eigentum des Staates an der Sache unberührt, so daß es insbesondere bei den Sachen im Gemeingebrauch durch den öffentlich-rechtlichen Akt der Widmung und die nachfolgende tatsächliche Indienststellung zu einem "Dualismus von öffentlichem und privatem Recht"223 kommt. 224 Das von Otto Mayer 225 demgegenüber in Anlehnung an den französischen "domaine public" entwickelte Rechtsinstitut des "öffentlichen Eigentums", durch das solche Gegenstände in der Hand eines Verwaltungsträgers, die öffentlichen Zwecken zu diesen bestimmt sind, per se aus der bürgerlich-rechtlichen Eigentumsordnung ausscheiden, konnte sich dagegen nicht durchsetzen.226 Die herrschende Meinung nahm daher insofern zutreffend an, daß jegliche Eingriffe des Staates in das durch die Auferlegung einer öffentlichen Zweckbestimmung rechtlich unberührte Privateigentum eines Verwaltungsträgers an Art. 153 WRV zu messen sei. Allerdings kam bei dieser formalen Sichtweise, wonach der Hoheitsträger bei Erwerb und Verwertung seiner Vermögenswerten privatrechtlich verfestigten Güter wie ein Privatmann unter Gleichgestellten auftreten müsse, wohl der auch aus Art. 153 Abs. 3 Satz 2 WRV hervorgeVgl. nur Laband, Staatsrecht IV, S. 346, 355; Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, S. 472; Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 28; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, § 3 II (S. 10). 223

Böttcher, DÖV 1969, S. 491.

224

Vgl. Hatschek, Lehrbuch des deutschen und preußischen Verwaltungsrechts, S. 472; Friedrich, AöR 40 (1921), S. 257, 307 ff. m. w. N. auf S. 308 Fn. 3; Forsthoff Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I Allgemeiner Teil, S. 379; Wolff-Bachof, Verwaltungsrecht I, § 57 I a; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, § 4 II (S. 15 f.); Salzwedel, in: Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Abschn., Rdnr. 5. 225 226

Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 40.

Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 17, 64 verneint daher konsequent die Enteignungsfähigkeit dieses öffentlich-rechtlichen Eigentums, weil der Staat als Rechtsinhaber insofern nicht einem Untertan vergleichbar sei. Das BVerfG hat später u. a. mit diesem Gedankengang die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts nach Art. 19 Abs. 3 GG abgelehnt, allerdings vermengt mit dem zusätzlichen Hinweis, der Staat könne nicht gleichzeitig Adressat und Nutznießer der Grundrechte sein (vgl. BVerfGE 21, 362, 369; deutlicher E 68, 193, 206; 75, 192, 196).

IV. Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie

83

hende innere Grund für das Eigentumsgrundrecht, den Schutz des privatnützig motivierten Handelns zu gewährleisten, angesichts der Tatsache, daß Hoheitsträger ausschließlich gemeinwohlorientiert handeln, "zu kurz" 227 . Wegen des ausdrücklichen Normbefehls in Art. 153 Abs. 2 Satz 4 WRV, der allerdings wegen der Systematik des Art 153 WRV innerhalb der Grundrechte zur Ordnung des Wirtschaftsverkehrs einen regelungstechnischen Bruch bedeutet, erscheint die uneingeschränkte Anwendnung der Eigentumsfreiheit auf die juristischen Personen des öffentlichen Rechts für unumgänglich. Keinesfalls läßt sich allerdings diese Rechtsansicht im Rahmen einer historischen Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG auf die heute heftig umstrittene Frage der Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts übertragen. 228

bb) Privatrechte als privatrechtliche Berechtigungen

Mit der Begrenzung der vom Normbereich erfaßten Gegenstände auf die Privatrechte wurden nach allgemeiner Auffassung die subjektiv-öffentlichen Rechte ausgegrenzt. Unter Eigentum i. S. d. Art. 153 Abs. 1 WRV waren demnach nur solche Rechtspositionen zu verstehen, die durch Normen des Privatrechts begründet sind.229 Schelcher230 demgegenüber bestimmte den vom Reichsgericht verwendeten Ausdruck der Privatrechte unter Heranziehung alter höchstrichterlicher Rechtsprechung231 als die Summe aller vermögensrechtlicher Güter, gleichgültig, ob sie auf zivilrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Grundlage beruhen. Diese alte Rechtsprechung, die zur Auslegung der "bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten" i. S. d. § 13 GVG bzw. der §§ 5, 1 des Gesetzes über die Zulässigkeit des Rechtswegs gegen polizeiliche Verfügungen vom 11. Mai 1842 ergangen war, kann aber bei der Interpretation des Begriffs des Verfassungseigentums schon deshalb nicht herangezogen werden, weil die Verfassung aus sich selbst heraus und unter Loslösung von der Ebene des 227 Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 404 und 188 f. Dort wird die Einbeziehung des Verwaltungsvermögens und der Sachen im Gemeingebrauch in den Schutzbereich des Art. 153 WRV nicht deshalb, weil es sich um öffentliches Eigentum handele, abgelehnt, sondern nur, weil der Schutzgedanke des Art. 153 WRV, der ein Unterordnungsverhältnis zwischen Grundrechtsträger und -verpflichtetem voraussetze, für zwei sich gleichrangig gegenüberstehende Verwaltungsträger nicht passe. 228 Vgl Kimminich, Der Schutz kommunaler Unternehmen gegen konfiskatorische Eingriffe, S. 79.

6*

229

Vgl. zur Begriffsbestimmung Friedrich,

230

AöR 57 (1930), S. 321, 367 f.

231

RGZ 22, 285, 288; 25, 325, 330.

in:Handbuch der Rechtswissenschaft, Bd. 5, S. 823 fif.

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

84

einfachen Gesetzes ausgelegt werden muß.232 Im übrigen scheint Scheichers Argumentation zu weitgehend, da das RG selbst in seiner Entscheidung vom 23. Juni 1930 die Maßgeblichkeit des Verfassungstextes für seine Auslegung betonte und dann über eine systematische Auslegung die Einbeziehung subjektiv-öffentlicher Rechte ablehnte.233

c) Reduzierung des geschützten Rechtskreises auf die Vermögensrechte

Entsprechend seiner ratio, die eigenverantwortliche wirtschaftliche Betätigung der Bürger in einer individualistischen Rechts- und Wirtschaftsordnung zu gewährleisten, wurde der Geltungsbereich der Eigentumsgarantie von der Rechtsprechung auf die Vermögenswerten Rechte beschränkt.234 Eine positive Inhaltsbestimmung dieses Merkmals findet sich in der Rechtsprechung allerdings nicht. Das RG beschränkt sich lediglich in seiner Entscheidung vom 4. Juni 1928 darauf festzustellen, daß Familienrechte235 weder direkt noch analog im Wege eines Erst-recht-Schlusses in den Schutzbereich des Art. 153 Abs. 1 WRV fallen. 236 In der Literatur wurde der Begriff der "Vermögensrechte" weitgehend übernommen, ohne daß dort die Frage geklärt wurde, wie denn diese Rechte von den übrigen, nicht schutzwürdigen Positionen abzugrenzen seien.237 Diese Feststellung überrascht, weil die Abgrenzung zwi232

Vgl. die Ausführungen oben auf S. 47.

233

RGZ 129, 246, 251.

234 Vgl Nachweise unter Fn. 191. Allerdings tritt dieser Aspekt bei den übrigen vom RG gebrauchten Umschreibungen für den Begriff des Verfassungseigentums ("alle subjektiven Privatrechte einschließlich der Forderungsrechte", subjektive Berechtigungen dinglicher oder persönlicher Art", wohlerworbene Rechte") nicht in Erscheinung. 235 Unter Familienrechten verstand man die Rechte der Ehegatten gegeneinander, die elterliche Gewalt und die Rechte des Vormunds. Diese Rechte zeichnen sich dadurch aus, daß sie im wesentlichen sittliche Pflichten ohne Vermögenswert zum Inhalt, wie ζ. B. in der angegebenen reichsgerichtlichen Entscheidung das Recht auf Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft, haben. Vgl. ferner v. Thür, Der allgemeine Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, Erster Band, Allgemeine Lehren und Personenrecht, S. 144 ff.; Planck, IV. Band, 1. Hälfte, Familienrecht, Vor § 1353 Anm. 6. 236

RGZ 121, 197, 199. In der Entscheidung vom 13. Dezember 1924 führt das RG allerdings in anderem Zusammenhang aus, daß der Grund für die Gleichstellung zwischen dem bürgerlichrechtlichen Eigentum und den sonstigen Rechten deren "wirtschaftlicher Wert" sei (RGZ 109, 310, 319), und läßt damit erkennen, daß es nur solche geldwerten Rechte in den Schutzbereich einbeziehen will. 237 Vgl. nur Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 2; Huber, AöR 62 (1933), S. 1, 41; Furier, RPrVBl. 33 (1928), S. 340, 395; Poetzsch-Heffler, Art. 153 WRV, Anm. 2; Schelcher, AöR 57 (1930), S. 321, 368; Junck, DJZ 1930, Sp. 655; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechtrechts, S. 292; Giese, JW 1926, S. 1444,1445. Arndt, Art. 153 WRV, Anm. 1 und Marwitz, in: Handwörter-

IV. Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie

85

sehen Personen-, Familien- und Vermögensrechten in der Zivilrechtsdogmatik durchaus umstritten war. Nach dort herrschender Auffassung waren die Vermögensrechte durch ihren vermögensrechtlichen Inhalt gekennzeichnet, sie gingen also entweder auf Geld oder hatten einen geldwerten, d. h. in Geld schätzbaren Inhalt. 238 Mit dem Hinweis, es gäbe Forderungen auf Leistungen ohne Vermögenswert, Eigentum an wertlosen Sachen und Urheberrechte auf absolut wertlose Geistesprodukte239, hatten einige Autoren andere Abgrenzungskriterien entwikkelt: Nach Sohm240 ist für die Charakterisierung als Vermögensrecht entscheidend, daß es seiner Art nach grundsätzlich veräußerungsfähig sei, wenn auch im Einzelfall ein besonderer Hinderungsgrund vorläge. Nach anderer Ansicht mußte die Unterscheidung durch die Herausbildung des sittlichen Zwecks gefunden werden, der die Begründung für die Verleihung des einzelnen Rechts durch die Rechtsordnung liefere. Vermögensrechte dienten danach in erster Linie der Befriedigung ihres Gläubigers, während die Familienrechte vor allem es ihrem Rechtsinhaber ermöglichen sollten, die sittlichen Pflichten gegenüber seinem Partner, mit dem er in einer dauernden Beziehung stehe, zu erfüllen. Familienrechte hätten insoweit einen "Drittbezug" 241. Eine dritte Auffassung unterschied zwischen den Personenrechten, die überwiegend unwirtschaftlichen Interessen zu dienen bestimmt seien oder zumindest auf einem unwirtschaftlichen Rechtsverhältnis zwischen den Nächstbeteiligten beruhten und den Vermögensrechten als den übrigen Rechtspositionen.242 Die oben skizzierte Kontroverse um den bürgerlich-rechtlichen Vermögensrechtsbegriff braucht jedoch nicht weiter vertieft zu werden, da die dort gefunbuch der Rechtswissenschaft, Bd. 2, S. 272, 273 beziehen demgegenüber auch Persönlichkeitsrechte in den Schutzbereich des Art. 153 Abs. 1 WRV ein, verkennen dabei aber, daß Art. 153 WRV nicht einen umfassenden Schutz der Privatsphäre der Bürger gewährleisten soll. 238 Vgl. Dernburg, Das bürgerliche Recht des Deutschen Reiches und Preußens, Erster Band: Die allgemeinen Lehren, S. 355 m. w. N. in Fn. 11; Elster, in: Handbuch der Rechtswissenschaft, Bd. 6, S. 452, 455; Binder, Archiv für bürgerliches Recht 34 (1910), S. 209, 227 und die Nachweise unter Fn. 4 bei Sohm, Archiv für bürgerliches Recht 28 (1906), S. 173,180. 239 Enneccerus/Kipp/Wolff, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Erster Band, erste Abteilung: Einleitung, Allgemeiner Teil, S. 170; Sohm, Archiv für bürgerliches Recht 28 (1906), S. 173, 180 ff. 240 241

Sohm, Archiv für bürgerliches Recht 28 (1906), S. 188 f.

Vgl. Enneccerus/Kipp/Wolff, Einleitung, Allgemeiner Teil, S. 170 f.

Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Erster Band, erste Abteilung:

242 Vgl. Cosack/Mitteis, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Erster Band, Die Allgemeinen Lehren und das Schuldrecht, S. 42; Gierke , Deutsches Privatrecht, Erster Band, Allgemeiner Teil und Personenrecht, S. 706.

86

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

denen Ergebnisse nicht ohne weiteres zur Auslegung des Art. 153 Abs. 1 WRV auf die verfassungsrechtliche Ebene übertragen werde können. Vielmehr stellen sie Anhaltspunkte einer möglichen Interpretation dieses Ausdrucks der Rechtsprechung von seinem Wortlaut her dar, die durch die anerkannten Verfassungsauslegungsmethoden konkretisiert werden müssen. Bei einer systematischen Auslegung des Eigentumsbegriffs unter dem Aspekt des Vermögenswerten Rechts sind die Bestimmungen der Art. 129 Abs. 4 und 138 Abs. 2 WRV heranzuziehen. Art. 129 Abs. 4 WRV stellte die wohlerworbenen Rechte der Beamten unter den Schutz der Verfassung und gewährte diesem Berufsstand für die Durchsetzung der vermögensrechtlichen Ansprüche den Rechtsweg vor die ordentlichen Gerichte. Art. 138 Abs. 2 WRV erfaßte den Schutz des Kirchengutes vor den Zugriffen der staatlichen Gewalt. Beide Normen gingen über den Schutz der Eigentumsfreiheit nach Art. 153 Abs. 1 WRV hinaus: Art. 129 Abs. 4 WRV schützte alle subjektiv-öffentlichen Rechte der Beamtenschaft und damit einen Rechtskreis, der den Schutzbereich des Art. 153 Abs. 1 WRV nach herrschender Meinung in keinem Fall berührte. 243 Art. 138 Abs. 2 WRV sicherte die kirchlichen Vermögensrechte gegen eine entschädigungslose Enteignung durch Reichsgesetz und konnte zudem im Gegensatz zur Art. 153 WRV nicht durch den Reichspräsidenten nach Art. 48 Abs. 2 Satz 2 WRV außer Kraft gesetzt werden, hatte also einen höheren Stellenwert innerhalb des 2. Hauptteils der Verfassung. Nach ihrer ratio aber waren die beiden Vorschriften, soweit Vermögenswerte Rechte erfaßt waren, mit der Eigentumsgarantie vergleichbar: Beide Normen sollten wie Art. 153 Abs. 1 WRV verhindern, daß der Staat zur Überbrückung seiner finanziellen Engpässe ohne weiteres auf das Vermögen der geschützten Personenkreise zugreift. Gemäß dieser Intention wurde bei der Auslegung der entsprechenden Passagen allein auf den vermögensrechtlichen Inhalt abgestellt.244 Dieses hier ermittelte Ergebnis wird auch durch eine genetische Auslegung des Eigentumsbegriffs gestützt, weil in den Beratungen des Entwurfs der Reichsverfassimg das Schutzgut des Art. 153 WRV mit dem des Vermögens245 , des privaten Gutes246 und des kapitalistischen Eigentums247 gleich243 A A Triepel, AöR 40 (1921), S. 349, 361, der später die Ansicht vertrat, nur private Vermögensrechte seien von Art. 153 Abs. 1 WRV umfaßt; vgl. Goldbilanzverordnung, S. 17. 244 Vgl. Anschütz, Art. 129 WRV, Anm. 5; Ebers, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 2, S. 361, 389: "auch persönliche Rechte, soweit sie Vermögenswerte darstellen"; Brand, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 2, S. 210,262. 245

Vgl. Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1758 (A) bzw. (B); S. 1759 (B).

246

Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1759 (B).

IV. Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie

87

gesetzt wurde, alles volkwirtschaflliche Begriffe, die nur die wirtschaftlichen Güter mit geldwertem Charakter erfassen. 248 Schließlich würde eine andere Anknüpfung auch zu mit dem Schutzzweck nicht vereinbaren Konsequenzen führen: So ist es nicht einzusehen, warum Personen- und Familienrechte, die einen Vermögenswert haben und deshalb insoweit einer vermögensrechtlichen Regelung zugänglich sind 249 , vom Schutzzweck des Art. 153 Abs. 1 WRV auszuschließen sein sollen, obwohl ihr Rechtsinhaber sie ebenfalls im wirtschaftlichen Verkehr einsetzen kann. Somit kann festgestellt werden, daß nur die Rechte unter den Schutzbereich des Art. 153 Abs. 1 WRV fallen, die einen privatwirtschaftlichen Wert haben.250

d) Folgen der Gleichsetzung des Eigentums mit den "wohlerworbenen Rechten"

Im folgenden ist der Frage nachzugehen, ob mit der reichsgerichtlichen Umschreibung der eigentumsfähigen Rechtspositionen als "wohlerworbene Rechte" eine zusätzliche Beschränkung der geschützten Gegenstände beabsichtigt war. Der Begriff der wohlerworbenen Rechte wurde in der Naturrechtslehre durch die Gegenüberstellung mit den angeborenen Rechten definiert. Das angeborene Recht folgte danach aus der Natur des Menschen und war für alle gleich, während das erworbene Recht als besonderes Recht des einzelnen zu seiner Entstehung ein besonderes menschliches Verhalten velangte.251 Im 19. Jahrhundert wurde dem Begriff von der Lehre ein anderer Bedeutungsinhalt zugeordnet: Ein erworbenes Recht mußte danach einer individuell bestimmten Person auf Grund eines speziellen Titels, ζ. B. Rechtsgeschäft, Ersitzung,

247

Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1753 (B).

248

Vgl. zur volkswirtschaftlichen Definition des Begriffs "Vermögen" Elster, in: Handbuch der Rechtswissenschaft, Bd. 6, S. 452. 249 Gierke, Deutsches Privatrecht, Erster Band, Allgemeiner Teil und Personenrecht, S. 706. 250 Der Vollständigkeit halber sei daraufhingewiesen, daß die Autoren, die den Begriff des Vermögenwerts näher umschrieben haben, ebenfalls am Inhalt des zu beurteilenden Rechts angeknüpft haben; vgl. Triepel, AöR 40 (1921), S. 349, 361, der allerdings verkennt, daß die beamtenrechtlichen Positionen als subjektiv-öffentliche Rechte nicht dem Schutzbereich des Art. 153 Abs. 1 WRV unterliegen, und Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 173: "Eigentumsinhalt ist alles, wofür man Geld bekommen kann." 251

Vgl. Stier-Somlo, in: Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, Bd. 6, S. 937.

88

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

Privileg oder Individualgesetz zustehen, Ansprüche aus allgemeinen Gesetzen wurden nicht darunter gefaßt. 252 Auf diese Definition scheint das RG in seiner Entscheidung vom 20. November 1925 abzustellen, da es die ofifengelassene Problemstellung, ob subjektiv-öffentliche Rechte unter den Schutzbereich des Art. 153 WRV fallen, von vornherein auf solche Berechtigungen beschränkt, "die auf besonderen Rechtstiteln beruhen" 253. Auch in der Literatur wurde der zu schützende Rechtskreis teilweise auf solche Sonderrechte des einzelnen beschränkt und andere Rechte, deren Trägerschaft durch ein allgemeines Gesetz generell bestimmt ist, ausgenommen.254 Gegen eine solche einengende Auslegung des Verfassungseigentums sprechen die schon in der allgemeinen Literatur zu Beginn dieses Jahrhunderts gegen diese Unterscheidung geltend gemachten Bedenken. Zum einen seien die vorgeschlagenen Dififerenzierungskriterien rechtslogisch nicht einwandfrei anwendbar. Jeder Rechtserwerb auf Grund eines speziellen Titels ließe sich letztendlich auf einen diesen legitimierenden allgemeinen Rechtssatz zurückfuhren, umgekehrt gäbe es keine "einem sozusagen in den Schoß gefallenen Rechte"255 , weil in jedem Fall der gesetzliche Tatbestand erfüllt sein müsse.256 Zudem sei auch nicht einzusehen, warum die danach erworbenen Rechte vom Gesetzgeber besser geschützt würden als die Rechtspositionen, die den Bürgern als Teil eines allgemeinen Rechtssatzes zustünden.257 Demzufolge wurden nach herrschender Meinung durch diesen Begriff nur die subjektiven Rechte von den bloßen tatsächlichen Möglichkeiten, Hoffnungen und Erwartungen, die sich noch nicht zu einem Anwartschaftsrecht verdichtet haben, abgegrenzt.258

252

Vgl. Meyer-Dochow, Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts, S. 316; vgl. weiter die Nachweise bei Schücking, DJZ 1902, S. 315; und Triepel, AöR 40 (1921), S. 349, 359. 253

JW 1926, S. 1444, 1445.

254

Vgl. ζ. Β. Arndt, Art. 153 WRV, Anm. 1; Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 159 m. w. N.; Schelcher, AöR 57 (1930), S. 321, 367 f.; wohl auch Giese, JW 1926, S. 1444, 1445. 255

Bühler, Die subjektiv öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, S. 232. 256 Vgl. Triepel, AöR 40 (1921), S. 349, 359; Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 335. 257 Vgl. Triepel, AöR 40 (1921), S. 349, 359; Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 335; Schücking, DJZ 1902, S. 315; Stier-Somlo, in: Handbuch der Rechtswissenschaft, Bd. 6, S. 937 f.

IV. Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie

89

Gerade die wertungsorientierten Bedenken lassen sich auf die Ebene der verfassungsrechtlichen Diskussion übertragen, weil es für den Umfang der Eigentumsfreiheit nicht auf den Rechtsgrund der fraglichen Position ankommen kann, sondern nur darauf, ob sie ihrem Inhaber im Wirtschaftsverkehr nützlich ist. Diese teleologische Argumentation wird auch durch eine systematische Auslegung durch Heranziehung des Art. 129 Abs. 4 WRV gestützt, weil unter den wohlerworbenen Rechten dort alle subjektiv-öffentlichen Rechtspositionen verstanden wurden. 259 Somit läßt sich aus dieser Umschreibung keine zusätzliche Begrenzung des gegenständlichen Normbereichs des Art. 153 WRV ableiten.

e) Beschränkung der Eigentumsgarantie auf gesetzlich fixierte Rechtspositionen?

Nach Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV bestimmt sich der Inhalt des Eigentums nach den Gesetzen. Da der Begriff des Gesetzes im materiellen Sinn 260 sich erheblich von dem im formellen Sinn 261 unterscheidet, fragt sich, welcher der beiden für Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV maßgeblich ist und ob Rechtsprechung und Literatur Folgerungen daraus für die Bestimmung der geschützten Rechtspositionen gezogen haben. Das RG hat das Merkmal des Gesetzes in Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV im Rahmen der Festlegung der von der Eigentumsfreiheit erfaßten Rechte nie problematisiert. In seiner Entscheidung vom 7. Juli 1924 stellt es lediglich darauf ab, daß die Rechte von der Rechtsordnung geschützt sein müßten262, in zwei anderen Entscheidungen zählt es das

258

Triepel, AöR 40 (1921), S. 359 f.; Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 335; Stier-Somlo, in: Handbuch der Rechtswissenschaft, Bd. 6, S. 937 f.; Schücking, DJZ 1902, S. 315. 259 Vgl. Stier-Somlo, in: Handbuch der Rechtswissenschaft, Bd. 6, S. 938; Hue de Grais/Peters, Handbuch der Verfassung und Verwaltung, S. 51 Fn. 4; Gebhard, Art. 129 WRV, Anm. 5d. Einer exakten Definition dieses Begriffs in Art. 129 Abs. 4 WRV hat sich das RG in RGZ 109, 117, 121 enthalten. 260 Das sind alle Rechtsnormen, d. h. jede hoheitliche Anordnung, die für eine unbestimmte Vielzahl von Personen allgemein verbindliche Regelungen enthält. 261 Alle Normen, die von den zur Gesetzgebung zuständigen Organen im verfassungsmäßig vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren beschlossen, ordnungsgemäß ausgefertigt und verkündet werden. 262

Warn. Rspr. 16 (1924), Nr. 184, S. 234, 235.

90

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu den von Art. 153 WRV umfaßten Gütern 263 , ohne auf das Problem derrichterrechtlichen Entwicklung dieses Vermögensrechts 264 einzugehen. Soweit die Rechtsprechung zur Auslegung der Gesetze als Schranken der Eigentumsfreiheit Stellung nimmt, setzt sie diesen Ausdruck mit dem Begriff im materiellen Sinn gleich.265 Auch in der überwiegenden Literatur wurde dieses Kriterium nur in Zusammenhang mit dem Umfang des Freiheitsgrundrechts diskutiert 266 , wobei auch sie den Gesetzesbegriff im weiteren Sinn verstand. 267 Nur bei Arndt 268 findet sich der Hinweis, daß auch die Entstehung von eigentumsfähigen Rechten durch die Gesetze zu erfolgen habe, wobei er allerdings diese wiederum als solche im materiellen Sinn begreift. Als Begründung für diese weite Auslegung dieses Merkmals wurde zunächst auf den Bedeutungsinhalt in der juristischen Fachsprache unter Hinweis auf die Legaldefinition in Art. 2 EGBGB bzw. § 12 EGZPO verwiesen.269 Daneben wurden die Auslegungsergebnisse zu Art. 114 und 152 WRV im Wege einer systematischen Interpretation herangezogen.270 Eine vorschnelle Festlegung auf den weiten Gesetzesbegriff durch Heranziehung des terminus technicus im einfachen Recht ist aber nicht statthaft, weil die Reichsverfassung aus sich selbst heraus auszulegen ist. Somit kann als Ergebnis der gram263

RGZ 129, 146, 148; 139,177,185 f.

264

Vgl. dazu die Grundsatzentscheidung des RG vom 27. Februar 1904, RGZ 58,24,29 f.

265

Vgl. RGZ 128, 18, 28: "Gesetz im weiteren Sinne"; JW 1927, S. 1261, 1262: "jede Rechts-

norm". 266 Vgl. Schelcher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 145; dens., in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 208; Gebhard, Art. 153 WRV, Anm. 3c; Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 4; Poetzsch-Heffier, Art. 153 WRV, Anm. 2; Wolff, in: FS für Kahl IV, S. 3, 7. Besonders deutlich wird der fehlende Rückgriff auf Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV bei der Auswahl der Gegenstände des Verfassungseigentums bei Richter, LZ 1931, Sp. 649, 655, da er zur Inhaltsbestimmung nur die Normen der §§ 903ff. BGB heranzieht und jedem Vermögenswert, an dem ein solches durch das BGB geregelte Herrschaftverhältnis möglich sei, unabhängig von dessen gesetzlicher Grundlage als Teil des Verfassungseigentums ansieht. 267

Vgl. Schelcher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 145; dens., in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 208; Gebhard, Art. 153 WRV, Anm. 3c; Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 4; Poetzsch-Heffier, Art. 153 WRV, Anm. 2; Triepel, Goldbilanzverordnung, S. 19. 268

Art. 153 WRV, Anm. 2.

269

Vgl. Schelcher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 145; dens., in: Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196,208. 270 Vgl. Schelcher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 145; dens., in: Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 208; Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 4; RG, JW 1927, S. 1261, 1262.

IV. Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie

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matischen Auslegung nur festgestellt werden, daß beide Gesetzesbegriffe vom Wortlaut her sich im Rahmen einer möglichen Interpretation halten. Im Rahmen der systematischen Auslegung können in erster Linie die übrigen Artikel des 5. Abschnitts der WRV herangezogen werden, da nach dem Willen des historischen Verfassungsgebers durch deren Zusammenstellung "eine gewisse Einheitlichkeit in der Aufführung der wirtschaftlichen Grundrechte hergestellt" werden sollte.271 In der Tat stehen auch die in Art. 152 Abs. 1 WRV gewährleistete Vertragsfreiheit und das in Art. 154 Abs. 1 WRV erfaßte Erbrecht unter dem Regelungsvorbehalt des Gesetzes. Der Gesetzesbegriff in diesen Normen wurde allerdings unterschiedlich interpretiert 272, so daß sich eine eindeutige Aussage für den hier in Frage stehenden Rechtsbegriff nicht treffen läßt. Die ratio des Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV ist einfach zu bestimmen. Der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit bedarf nach dem damals wie heute herrschenden Verständnis zu seiner näheren Konkretisierung der Ausgestaltung durch unterverfassungsrechtliche Normen, da das Eigentum als "Geschöpf der Rechtsordnung" keinen aus sich heraus faßbaren Inhalt habe und nirgends in der Verfassung selbst definiert sei. Unter dem Gesichtspunkt einer möglichst weitgehenden Entstehung von geschützten Rechtspositionen wäre eine weite Auslegung des Gesetzbegriffs von Vorteil. Auf der anderen Seite würden aber auch die zulässigen Beschränkungen erheblich weiter gespannt, so das der eben nochgewonnene "Zuwachs an individueller Freiheit" sich schnell in sein Gegenteil verkehrt hätte. Unter dem Aspekt, daß eine Verfassungsnorm so auszulegen ist, daß sie ihre normative Kraft am stärksten entfaltet 273, kann eine teleologische Auslegung unter Berücksichtigung der Abhängigkeit des Eigentums vom Gesetz nach herrschender Meinung die Beschränkung des Gesetzesbegriffs auf den im formellen Sinne rechtfertigen: 271

Vgl. Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1748 (D).

272

Für der Gesetzesbegriff im weiten Sinne in Art. 152 Abs. 1 WRV RG, JW 1929, S. 1261, 1262; Anschütz, Art. 152 WRV, Anm. 1; Gebhard, Art. 152 WRV, Anm. 2 b; Stoll, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 175, 186 m. w. N. in Fn. 47; PoetzschHeffter, Art. 152 WRV, Anm. 3; Arndt, Art. 152 WRV, Anm. 2; Tatarin-Tarnheyden, WDStRL 4 (1928), S. 183, 186 (Aussprache); für eine enge Interpretation allgemein Bühler, in: FS für Fleiner, S. 26, 55; wohl auch Heller, WDStRL 4 (1928), S. 98, 131 f.; für eine enge Interpretation im Rahmen des Art. 154 Abs. 2 Boehmer, in: Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 250, 277. 273 Vgl. Thoma, in: Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1, S. 1,9; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 75.

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Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

Teile der Literatur hielten die in der Reichsverfassung enthaltenen "Maßgabe"-Grundrechte 274, soweit sie individuelle Freiheitsrechte verkörperten, für "leerlaufend" und "bedeutungslos", weil sie neben dem in der Verfassung zwar nicht ausdrücklich, aber doch stillschweigend verankerten Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung keinen Aussagewert hätten.275 Auch der historische Verfassungsgeber hatte den vermeintlich fehlenden Bedeutungsinhalt der "Wirtschaftsgrundrechte" erkannt, diese aber dennoch mit dem Ziel einer vereinheitlichten Fassung dieser Grundrechte aufgenommen. 276 Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, daß der ursprüngliche Entwurf des Art. 9 der PrVerfUrk. eine dem Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV dem Wortlaut nach fast entsprechende Norm zunächst ebenfalls nicht enthielt, weil sie für überflüssig gehalten wurde. 277 Im 19. Jahrhundert setzte sich der aus dem Rechtsstaat abgeleitete Grundsatz von der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in den konstitutionellen Monarchien auf deutschem Boden als Abkehr vom Absolutismus durch. 278 Inhalt und Umfang dieses Prinzips wurden in der Literatur allerdings zunächst nicht einheitlich beurteilt. Noch in der Kaiserzeit wurde der aus diesem Grundsatz neben dem Vorrang des Gesetzes folgende Vorbehalt des Gesetzes, wonach Eingriffe in Freiheit und Eigentum nur durch formelles Gesetz oder auf Grund einer solchen gesetzlichen Ermächtigung statthaft seien, heftig bestritten. Zum Teil wurde behauptet, daß, solange kein formelles Gesetz eine Rechtsmaterie abschließend regele, die Verwaltung "freie Hand" habe, solange sie nicht willkürlich handele.279 Diese Ansicht lief auf eine Negierung des gesetzlichen Vorbehalts als eigenständigem Institut hinaus, weil das Willkürverbot schon aus dem Vorrang des Gesetzes folgt. Nach anderer Ansicht war diesem rechtsstaatlichen Gebot schon dann Genüge getan, wenn sich für die freiheitsbeschränkende Handlung der Verwaltung materielle Gesetze, also auch Ge274 Das sind solche, die nur nach Maßgabe oder im Rahmen der Gesetze gelten oder durch Gesetze und auf Grund eines solchen beschränkt werden konnte, also vor allem Art. 114 Abs. 1, 115, 122 Abs. 2, 152 Abs. 1, 153 Abs. 1, 154. 275 Vgl. Smed, WDStRL 4 (1928), S. 44 f. (Aussprache); Thoma, in: FS zur Feier des 50jährigen Bestehens des preußischen OVG, S. 183, 195; dens., in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1, S. 1,14. Auch Stoll (in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 175, 185 f.) begründet seine ablehnende Haltung zu Thoma nur mit der institutionellen Seite des Art. 152 WRV; wohl auch Bühler, in: FS für Fleiner, S. 26, 55. 276

Vgl. Verhandlungen der Nationalversammlung, Bd. 328, S. 1748 (C) und (D).

277

Vgl. v. Rönne/Zorn, Das Staatrecht der preußischen Monarchie, Bd. 2, S. 214 Fn. 6.

278

Vgl. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 109; Selmer, JuS 1968, S. 489, 490 f.; Jellinek, AöR 32(1914), S. 580, 587 f. 279

Ζ. B. Stier-Somlo, Verw. Arch. 19 (1911), S. 43, 70, 75ff. m. w. Ν.

IV. Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie

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wohnheitsrecht, als Ermächtigung finden ließen.280 Schließlich gab es auch Stimmen, die einen allgemeinen, in den Verfassungen nicht verankerten, aber dennoch ungeschrieben enthaltenen Vorbehalt des formellen Gesetzes ablehnten und diesen nur in den Fällen, in denen die Grundrechte ihn ausdrücklich normierten, anerkennen wollten.281 Trotz dieser Widerstände setzte sich der allgemeine Vorbehalt des formellen Gesetzes als Grundsatz durch 282 , wobei allerdings die Regelungen innerhalb der besonderen Gewaltverhältnisse ausgenommen waren. 283 Jeder Eingriff in die Individualsphäre des Bürgers durfte danach nur durch oder auf Grund eines formellen Gesetzes erfolgen. Allerdings mußte in diesem Augenblick das Problem der Fortgeltung vorkonstitutioneller und gewohnheitsrechtlicher Ermächtigungsgrundlagen gelöst werden, da das staatsrechtliche Kontinuitätsprinzip eine Blockierung der Staatstätigkeit bis zum Erlaß ausreichend gesetzlicher Ermächtigungen ausschloß. Aus dieser Not heraus ist die damals herrschende Meinung zu erklären, die für neue allgemeine Normen im Vorbehaltsbereich die Gesetzesform forderte, im übrigen jedoch auch die publizierten Erlasse der absolutistischen Epoche und das Gewohnheitsrecht als Legitimationsgrundlage gelten ließ. 284 Soweit allerdings eine Materie nach Erlaß der Verfassung geregelt worden war, was innerhalb des Vorbehaltsbereichs nur durch Gesetz geschehen konnte, bewirkte das Gesetz eine Sperre für die Zukunft und damit den Ausschluß aller alten einschlägigen nichtgesetzlichen Ermächtigungen. Diese aus praktischen Erwägungen unvermeidliche Anerkennung vorkonstitutioneller und gewohnheitsrechtlicher Rechtssätze erschien der Literatur mit dem Grundprinzip des konstitutionellen Staats, wonach die Repräsentanten der Gesell-

280

Vgl. ζ. B. Schade, AöR 25 (1909), S. 266, 301.

281

Vgl. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 83; wohl auch Heller, WDStRL 4 (1928), S. 98, 121, der auf S. 122 Verständnis für die durch einen allgemeinen Vorbehalt des formellen Gesetzes begründete Besorgnis "vor einer unerträglichen Ausdehnung der Legislative", dem "Parlamentsabsolutismus", äußert 282 Vgl. nur Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 88; Bühler, in: FS für Fleiner, S. 26, 55, Anm. 1; Thoma, Polizeibefehl, S. 111; dens., in: FS zur Feier des 50jährigen Bestehens des preußischen OVG, S. 183, 195; dens., in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1, S. 1, 15; Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, S. 117; Hue de Graise/Peters, Handbuch der Verfassung und Verwaltung, S. 8; Drews, Preußisches Polizeirecht, S. 38; Fülster, Grundriß des Verwaltungsrechts, Band I Allgemeiner Teil, S. 37 f. 283 Vgl. Thoma, in: Handbuch des deutschen Staatsrechts, Bd. 2, S. 221, 228; zusammenfassend auch Selmer, JuS 1968, S. 489,491.

284 Ygj Anschatz, Die Verfassungsurkunde für den preußischen Staat, Bd. 1, Art. 5, Anm. 7; Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 82 m. w. N. bzw. S. 89 ff.; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 133 bzw. 183 f. m w. N.; Thoma, in: Handbuch des deutschen Staatsrechts, Bd. 2; S. 221,229.

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Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

schaft selbst zu bestimmen oder jedenfalls mitzubestimmen haben, in welchem Umfang in die Freiheitsphäre der Bürger eingegriffen werden darf, nur schwer vereinbar. 285 Soweit Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV nach Auffassung der Literatur und Rechtsprechung auch materielle Gesetze erfaßte, war dies somit nur als ein "Notbehelf' 286 zu verstehen, der nur für die "Übergangszeit (...) von einer veralteten zu einer neuen, aber erst allmählich zu schaffenden und auszubauenden Staatsordnung"287 seine Berechtigung hatte.

2. Umfang und Reichweite der Eigentumsgarantie

Durch Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV ist dem einfachen Gesetzgeber der verfassungsrechtliche Auftrag zugewiesen worden, dem Verfassungseigentum als Schöpfung der Rechtsordnung durch "eigentumsbestimmende und eigentumsbegrenzende Gesetze"288 rechtliche Konturen zu geben. Trotz des auf eine vom Verfassungsgeber gewollte Differenzierung hindeutenden Wortlauts war die Frage, ob und ggf. wie Inhalt und Schranken des Eigentums voneinander abzugrenzen seien, heftig umstritten. Der Eigentumsinhalt wurde danach teilweise als unbeschränkte rechtliche Herrschaft über die einzelnen Rechtspositionen interpretiert 289, teilweise wurden die Normen des Zivilrechts als inhaltsbestimmend angesehen, während öffentlich-rechtliche dieses relative Herrschaftsverhältnis des Rechtsinhabers gegenüber den übrigen Privatpersonen "von außen her" begrenzten.290 Nach anderer Auffassung war die von der Verfassung gebrauchte Wendung von "Inhalt und Schranken" eine Tautologie, da alle gesetzlichen Beschränkungen der Verfügungs- und Ausschließungsgewalt des Eigentümers Teil des von vornherein beschränkten Eigentumsinhalts seien. Durch ein die Befugnisse des Eigentümers minderndes privat- oder

285

Vgl. insbesondere Thoma, Polizeibefehl, S. 105.

286

Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, S. 118.

287

Thoma, Polizeibefehl, S. 113.

288

Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 9.

289 Vgl. Schelcher, Fischers Ztschr. 60 (1927), S. 137, 146; dens., in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 208; Gebhard, Art. 153 WRV, Anm. 3 b, c; Bertram, Verw. Arch. 35 (1930), S. 411, 412: "Recht des Eigentümers, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren". 290 Richter, LZ 1931, Sp. 649, 655 f., besonders Fn. 27; undeutlicher ders., Danz. Jur. MZtschr. 1931, S. 49, 50; Schelcher, AöR 57 (1930), S. 321, 322.

IV. Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie

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öffentlich-rechtliches Gesetz werde danach nicht von außen in das Wesen des Eigentums eingegriffen, vielmehr nur dessen Inhalt neu bestimmt.291 Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Problemkreis war nicht eindeutig. In einigen Entscheidungen scheint das RG "Inhalt und Schranken" als synonyme Begriffe aufzufassen 292, während in anderen Verfahren dagegen eine differenzierende Sichtweise deutlich wird. 293 Diese sprachlichen Ungenauigkeiten lassen sich leicht erklären: Auf der einen Seite sind befriedigende Abgrenzungsversuche, die eine unterschiedliche Behandlung von gesetzlichen Inhalts- bzw. Schrankenregelungen rechtfertigen können, auch nach dem heutigen Stand in Rechtsprechung und Literatur nur schwerlich zu finden, da es nach herrschender Meinung als bloßer Zufall angesehen wird, ob die Befugnisse des Rechtsinhabers von vornherein restriktiv inhaltlich festgelegt oder bei zunächst großzügigerer Inhaltsfestlegung durch Schranken begrenzt werden. 294 Auf der anderen Seite war der Gesetzgeber nach der ganz herrschenden Ansicht bei der Bestimmung der Grenzen für die eigentumsfähigen Positionen völlig frei, sofern er das Rechtsinstitut des Privateigentums nicht abschaffte. 295 Mangels konkreter Folgen konnte diese Abgrenzung innerhalb des Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV offenblieben.

291

Vgl. Wolff, in: FS für Kahl IV, S. 3, 7 f.; Stier-Somlo, in: Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, Bd. 2, S. 166, 169; Lehmann, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 125, 137; Huber, AöR 62 (1933), S. 1, 44; im Rückblick auch Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 347; Ridder, WDStRL 10 (1952), S. 124,136 Fn. 47.

292 RGZ 129, 146, 149: "Jedenfalls kommt eine Enteignung nicht in Betracht, wenn ein Gesetz allgemein den Inhalt und die Schranken von Rechten und rechtlichen Befugnissen bestimmt damit auch in bestehende Berechtigungen eingreift, aber zugleich das betreffende Rechtsgebiet für die Zukunft regelt und Schranken jur neu zu erwerbende Rechte aufstellt. Derartige ganz allgemein den Inhalt und den Umfang von Rechten und Rechtsbefugnissen festlegende Gesetze (...) entsprech dem Abs. 1 Satz 2 des Art. 153 RVerf. (...)"; RGZ 133, 124, 126: Eine solche Müllbeseitigungsvorschrift, die den Inhalt und den Umfang von Rechten und Rechtsbefugnissen (...) regelt, stellt (...) e Inhaltsbestimmung und -beschränkung im Rahmen des Art. 153. Abs. 1 Satz 2 RVerf. dar." In diesem Sinn wohl auch der Staatsgerichtshof, RGZ 124, Anhang, 19, 33: "Den Inhalt und die Schranken des Eigentums zu regeln, die zulässigen Rechte am Grundstück und die Voraussetzungen i Entstehung allgemein zu bestimmen (...)", und S. 34: "(...), den Inhalt des Privateigentums durch allgemeine grundsätzliche Abzweigungen wirchtiger Befugnisse ohne Entschädigung weitgehend herabzumindern, (...)" (Hervorhebungen vom Verfasser). 293

RGZ 128, 165, 172 und 139, 177, 183: "Die Befugnis, den Inhalt und die Schranken der gegen Enteignung geschützten Rechte zu bestimmen, (...) umfaßt auch die Auferlegung neuer Schranken und die Einengung des Inhalts dieser Rechte." 294 Vgl. nur BVerfGE 49, 382, 393; 58, 300, 336; Maunz/Dürig-Papzer, Art. 14 GG, Rdnr. 251; v. MünchIBryde, Art. 14 GG (4. Aufl.), Rdnr. 51. 295

Vgl. Nachweise oben auf S. 77 Fn. 202.

96

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

Interessanter für eine mögliche Differenzierung erscheinen die Ansätze der Rechtsprechung zur Umschreibung der Enteignung i. S. d. Art. 153 Abs. 2 WRV. Enteignungen waren nach allgemeiner Ansicht als Eingriffe des Staates in das Eigentumsrecht des einzelnen aufzufassen 296 und wirkten daher "von außen" auf den gewährleisteten Eigentumsinhalt ein. Der so betroffene Inhalt wird von ihr als "das Recht des Eigentümers, mit seiner Sache gem. § 903 BGB nach Belieben zu verfahren", beschrieben.297 Wegen des Rückgriffs auf die zivilrechtlichen Normen bei der Bestimmung des Umfangs des Schutzbereichs des Art. 153 WRV ist als Vorfrage zunächst der Eigentumsbegriff der §§ 903 ff. BGB zu klären:

a) Der Eigentumsinhalt nach den Vorschriften

des BGB

Anknüpfungspunkt für die Definition des bürgerlich-rechtlichen Eigentums war die Bestimmung des § 903 BGB, die nach dem Willen des historischen Gesetzgebers dessen Bedeutungsgehalt auch im wesentlichen wiedergeben sollte.298 Problematisiert wurde wegen der Fassung des § 903 BGB, der die Verfügungsmacht und Ausschließungsbefugnis nur insoweit regelt, als nicht Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, die Frage, ob diese Beschränkungen in die Definition mit einzubeziehen seien oder nicht und wenn ja, welche Art von Gesetzen hier gemeint seien. Während die damals herrschende Meinung das Eigentum als schrankenlose Herrschaft über eine Sache verstand 299, inkorporierten andere Stimmen die Beschränkungen durch Gesetz und Rechte Dritter in den Eigentumsinhalt hinein, da ein schrankenloses Recht begrifflich

296 Vgl. RGZ 128, 165, 167; 129, 146, 149; Schelcher, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3; S. 196, 210 ff.; Gebhard, Art. 153 WRV, Anm. 4 a; Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 9; Poetzsch-Heffler, Art. 153, Anm. 2 c. 297 RGZ 132, 69, 71 f.; ständ. Rspr, vgl. nur RGZ 105, 251, 253; 111, 224, 226; 116, 268, 272; und Staatsgerichtshof, RGZ 124, Anhang, 19,33. 298 Vgl. Motive zu dem Entwürfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Bd. 3, S. 262; Jakobs/Schubert, Die Beratungen des BGB, Sachenrecht I, S. 442; Dernburg % Bürgerliches Recht, Bd. 3, S. 228; Neumann, Handausgabe des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. 1, § 903 Anm. A; a. Α.: keine Definition des Eigentumsbegriffs Cosak/Mitteis, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, 1. Abteilung Sachenrecht. Recht der Wertpapiere, S. 128; Planck, Vor § 903 BGB, Erster Titel, Anm. 1.

299 Ygj n u r Bruck, Eigentümerhypothek, S. 130 ff.; Sohm/MitteisAVenger, Institutionen des römischen Rechts, S. 282; Cosack/Mitteis, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Bd. 2, Erste Abteilung, S. 129; StaudingerIKober, Bd. 3, Sachenrecht, § 903 Anm. I g; Matthiak, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Bd. 2, S. 35; im Rückblick auch Böhmer, AgrarR 1984, Beilage I, S. 28 f.

IV. Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie

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in einer Rechtsordnung nicht denkbar sei. 300 Dabei wurde die Frage, ob das Gesetz i. S. d. § 903 BGB auch die öffentlich-rechtlichen Normen umfaßte oder sich nur auf die des Privatrechts erstreckte, unterschiedlich beantwortet. 301 Ohne diesen Streit letztlich zu entscheiden, sei dazu nur soviel angemerkt, daß zwar für die Einbeziehung aller Normen die Legaldefinition des Art. 2 EGBGB spricht, entscheidend dagegen aber die Tatsache, daß der historische Gesetzgeber gar nicht die Kompetenz hatte, öffentlich-rechtliche Beschränkungen zu statuieren, sondern nur Privatrechtsverhältnisse regeln konnte.302

b) Folgerungen für die Bestimmung des Umfangs des Verfassungseigentums nach der Rechtsprechung

Wie dargelegt, kann eine aus der Bezugnahme des § 903 BGB bei der Bestimmung des Eigentumsinhalts durch die Rechtsprechung seine hier interessierende Auffassung, ob das Eigentumsrecht durch die Schranken i. S. d. Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV "von außen" her beschränkt wird oder diese bereits den Normbereich des Grundrechts "von innen her" gestalten, nicht eindeutig geklärt werden. Immerhin läßt sich aber aus den Fällen, in denen das RG Gesetze als durch Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV als gedeckt ansah, eine gewisse Linie erkennen. So erscheint ihm die Einordnung der Hypothekenaufwertung als zwangsweise "Entziehung" zweifelhaft, wohl eher sei sie eine "gesetzliche Normierung des streitig gewordenen zivilrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen Hypothekengläubiger und Hypothekenschuldner"303, "die 300 Ygj Qi erk e^ Bürgerliches Recht, Sachenrecht, S. 67; Leske, Bürgerliches Gesetzbuch und Preußisches Allgemeines Landrecht, Erste Hälfte, S. 392; Enneccerus/Kipp/Wolff, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Bd. 2.1. Das Sachenrecht, § 51 I; Planck, AcP 75 (1889), S. 327, 397; Planck, Vor § 903 BGB, Erster Titel, Anm. 1; Schock, AöR 25 (1909), S. 266, 274, 289; Stier-Somlo, Verw. Arch. 6 (1897), S. 275, 332 f.; dens., Verw. Arch. 18 (1910), S. 140, 143; dens., in: Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, Bd. 2, S. 166,169; im Rückblick auch Böhmer, NJW 1988, S. 2561,2570. 301 Gegen die Einbeziehung Schade, AöR 25 (1909), S. 266, 294; Staudinger/Kober, Bd. 3, Sachenrecht, § 903 BGB, Anm. I g: "Umgekehrt will und kann natürlich § 903 auch keinen ändernden Einfluß auf Bestimmungen des öffentlichen Rechts üben."; Matthiak, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Bd. 2, S. 36; für die Einbeziehung Dernburg, Das bürgerliche Recht, Bd. 3, Das Sachenrecht, S. 229; Cosack/Mitteis, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Bd. 2, 1. Abteilung Sachenrecht. Recht der Wertpapiere, S. 129; Neumann, Handausgabe des bürgerlichen Gesetzbuches, Bd. 1, § 903, Anm. Β I 1 d; Gierke, Bürgerliches Recht Sachenrecht, S. 68; Leske, Bürgerliches Gesetzbuch und Preußisches Allgemeines Landrecht, Erste Hälfte, S. 392. 302

Vgl. Böhmer, AgrarR 1984, Beilage I, S. 29.

303

RGZ 107, 370,375.

7 Eschenbach

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Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

nach § 242 und auch § 157 BGB zulässig (sei)" 304 . In seiner Entscheidung über die Aufwertungsfrage hält das Gericht an seinen Zweifeln fest und führt sodann aus, daß "es sich bei der Regelung der Aufwertung nicht um die Entziehung wohlbegründeter Rechte, sondern um eine Festsetzung und Begrenzung des Inhalts der durch die Geldentwertung und den Wirtschaftsverfall in ihren Grundlagen völlig erschütterten Rechtsverhältnisse im Sinne des Art. 153 Abs. 1 Satz 2 RVerf. gehandelt (habe)" 3 0 5 . Aus dieser Stellungnahme läßt sich immerhin ableiten, daß das RG Normen des Zivilrechts, die eine eigentumsfähige Rechtsposition im Verhältnis der Bürger zueinander regeln, für inhaltsbestimmend hält. Umgekehrt wird aus Formulierungen anderer Entscheidungen deutlich, daß öffentlich-rechtliche Normen den Inhalt des Eigentums beschränken sollen.306 Damit würde die Auffassung des RG der von Richter und Schelcher307 entsprechen, wonach der Eigentumsinhalt als Ausgestaltung eines relativen Herrschaftsverhältnisses des einzelnen gegenüber anderen Privatpersonen durch die Zivilrechtsordnung geprägt wird, während öffentlich-rechtliche Normen diese Herrschaft gegenüber der Staatsgewalt und der Allgemeinheit begrenzen. Der von diesen Autoren zur Begründung herangezogene Rückgriff auf das Privatrecht kann dagegen nicht tragfähig sein, da die Verfassung im Zweifel nicht Begriffe des einfachen Rechts übernommen hat, sondern aus sich selbst heraus auszulegen ist. Entscheidendes Indiz für die Richtigkeit dieser Abgrenzung ist die durch genetische und systematische Auslegung gestützte, dem Art. 153 Abs. 1 WRV zugrundegelegte ratio: Danach soll die Eigentumsfreiheit die private Vermögenssphäre des Bürgers als Grundlage seiner wirtschaftlichen Betätigung vor staatlichen Übergriffen schützen. Dieser Funktion als klassisches Abwehrrecht würde die Einordnung privatrechtlicher Normen, die nur das Verhältnis der Bürger untereinander regeln, ohne jedenfalls nach damals herrschender Vorstellung entgegen der ausdrücklichen Regelung des Art. 153 304

RGZ 107, 370, 373.

305

RGZ 111,320,325.

306

RGZ 137, 163, 170 unter Bezugnahme auf Art. I l l EGBGB; RGZ 129, 146, 149: "(...), wenn ein Gesetz ganz allgemein den Inhalt und die Schranken von Rechten (...) bestimmt und damit zwar auch in bestehende Berechtigungen eingreift, aber zugleich das betreffende Rechtsgebiet als Ganzes für die Zukunft regelt und Schranken flr neu zu erwerbende Rechte aufstellt. Derartige ganz allgemein den Inhalt und den Umfang von Rechten und Rechtsbefugnissen festlegende Gesetze, besonders solche, die auf entsprechen dem Abs. 1 Satz 2 des Art. 153 RVerf. gewerbe- und gesundheitspolizeili Gesichtspunkten beruhen (...)"; deutlicher RGZ 132, 69, 72 zur Beurteilung einer öffentlichrechtlichen Fluchtlinienregelung: "(...) wo der Eigentumsinhalt allgemein für eine unbestimmte Zahl (...) eingeschränkt wird." (Hervorhebungen vom Verfasser) 307

Vgl. die Nachweise in Fn. 289 f.

IV. Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie

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Abs. 3 WRV das Gebot der sozialen Rücksichtnahme berücksichtigen zu müssen308 , als staatliche Eingriffe widersprechen, so daß solche Normen tatsächlich nur "Gebrauchsmodifikationen" darstellen, die den Eigentumsinhalt, also die Zuordnung zu seinem Rechtsinhaber im Verhältnis zu den übrigen gleichgestellten Rechtsgenossen, nur abweichend regeln, ohne in diesen einzugreifen. 309 Da Eigentum als rechtliche Zuordnung eines Gegenstands zu seinem Inhaber per se seine Grenze an der Rechtssphäre der übrigen Privatpersonen finden muß, verrechtlicht das Privatrecht, das die Grenzen der zulässigen rechtlichen Machtbereiche der Privaten zueinander regelt, nur die im Eigentum bereits von seinem rechtslogischen Verhältnis her immanenten Grenzen und hat damit keine konstitutiv schrankenziehende, sondern nur eine deklaratorische Bedeutung.310 Auf der anderen Seite besteht zwischen Enteignungsgesetzen und den übrigen beschränkenden öffentlich-rechtlichen Normen kein prinzipieller Unterschied. Nach der vom RG vertretenen Einzeleingriflfstheorie greifen alle öffentlich-rechtlichen Normen gleichermaßen in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit ein, wobei Enteignungen nur nach dem betroffenen Personenkreis abgegrenzt werden können. Nach der abweichend hiervon in der Literatur vertretenen sog. Schweretheorie besteht zwischen derartigen Schranken und Enteignungen nur ein gradueller Unterschied 311, während nach der von Jellinek vertretenen Schutzwürdigkeitstheorie 312 nur die Geschichte, die gemeinen Anschauungen, der Sprachgebrauch und Andeutungen in den Gesetzen Kriterien für die Abschichtung liefern sollen. Alle diese Versuche und deren Schwierigkeiten313 machen deutlich, daß alle öffentlich-rechtlichen Normen, die auf das Eigentumsrecht der Bürger einwirken, als Eingriffe der Staatsgewalt angesehen werden müssen314, weil der Staat insoweit zur Verwirklichung der Staatszwecke auf das private Vermögen zurückgreift. Die Einbeziehung solcher öffentlich-rechtlicher Beschränkungen in den Eigentumsinhalt wäre demgegenüber wegen des Schutzzwecks dieses Grundrechts verfehlt, weil 308

Vgl. die Stellungnahmen der Literatur zum Rechtscharakter des Art. 153 Abs. 3 WRV auf S. 32 Fn. 205. 309 Richter, LZ 1931, Sp. 649, 656 Fn. 27\Mügel, DJZ 1926, S. 11, 12; BayObLG, DJZ 1926, S. 903 f.; Schelcher, AöR 57 (1930), S. 321, 322; ders., in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 213.

7*

310

Vgl. Dürig, Ztschr. für die gesamten Staatswissenschaften 109 (1953), S. 326,349.

311

Vgl. Huber, AöR 62 (1933), S. 1, 44 Fn. 81 m. w. N.

312

Verwaltungsrecht, S. 412 fif.

313

Vgl. nur die Darstellung bei Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 9,10.

314

So ζ. B. ausdrücklich Arndt, Art. 153 WRV, Anm. 3.

100

Β. Entwicklung des Eigentumsbegrifs nach At. 153 WRV

sowohl die Enteignung als auch die sonstigen eigentumsbeschränkenden öffentlich-rechtlichen Normen aus Gründen des Gemeinwohls den Gegensatz der Interessen des privaten Rechtsinhabers und der des Staates, gegen den sich alle Grundrechte als Adressat in erster Linie richten, zu seinen Gunsten ausgleichen. Mit dieser Unterscheidung zwischen Inhalt und Schranken lassen sich auch die Schwierigkeiten lösen, denen sich Wolff auf Grund seiner zusammenziehenden Interpretation von Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV ausgesetzt sah.315 Wäre seine Auffassung richtig, wären Entziehungen durch Gesetz, die nicht als Enteignungen nach Art. 153 Abs. 2 WRV qualifiziert werden können, also insbesondere die entsprechenden straf- und polizeirechtlichen Vorschriften, wegen des abschließenden Charakters dieser Norm nicht möglich.316 Letztlich hat die hier vertretene Auffassung auch den Vorteil, daß dem einfachen Gesetzgeber bei inhaltsbestimmenden und beschränkenden Gesetzen Begrenzungen seiner Gestaltungsmöglichkeiten durch das Gleichheitsgebot (Art. 109 WRV), dem Grundgedanken der Verhältnismäßigkeit bei der Auferlegung öffentlicher Lasten (Art. 134 WRV) und den übrigen Prinzipien der Rechtsordnung schon nach dem damaligen Stand der Rechtsdogmatik auferlegt werden konnten317, die sich je nach der Art der Regelungsmaterie unterschiedlich intensiv auswirken. Allerdings ist zuzugeben, daß dieser Gedankengang einer Begrenzung der gesetzgeberischen Gestaltungsmacht in der damaligen Literatur und Rechtsprechung noch weitgehend unbeachtet blieb, dem Gesetzgeber deshalb weitestgehende Gestaltungsfreiheit bei der Formulierung von Inhalt und Schranken eingeräumt wurde und nur durch die Institutsgarantie eine letzte verfassungsrechtliche Sicherung bestand. Immerhin wurde aber von einzelnen Autoren die von der herrschenden Meinung postulierte "Schwäche des Eigentums" durch seine Abhängigkeit vom einfachen Gesetzgeber als unzulässige Kreierung bloßer "Maßgabe"-Grundrechte kritisiert und zutreffend hervorgehoben, daß sich die Eigentumsfreiheit nicht durch das einfache Gesetz, sondern unmittelbar aus der Verfassung ergebe und einfachgesetzliche Eingriffe nur als prinzpiell begrenzte und meßbare Ausnahmen von dem durch die Verfassung gewährleisteten Grundrecht erscheinen dürften. 318

315

Vgl. in: FS für Kahl IV, S. 3,7.

316

Sojedenfalls Triepel, Goldbilanzverordnung, S. 25.

317

Vgl. Triepel, Goldbilanzverordnung, S. 25.

318

Vgl. C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 166,172.

IV. Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie

101

Somit bleibt als Ergebnis festzustellen, daß der Normbereich der Eigentumsfreiheit nach dem damaligen Verständnis seinem Umfang nach durch die zivilrechtlichen Normen bestimmt wurde, die einen Gegenstand einer Person rechtlich zuordnen und das relative Herrschaftsverhältnis des Rechtsinhabers gegenüber den anderen Privatpersonen regeln. Diesen inhaltsbestimmenden Normen standen öffentlich-rechtlich Normen gegenüber, die entweder als Schranken oder als Enteignungen zum Wohl der Allgemeinheit die Eigentumsfireiheit von "außen her" beschränkten. Diese relativ klare Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Inhalt und Schranken des Eigentums zur Beschreibung des Schutzbereichs der Eigentumsfreiheit nach dem Rechtscharakter der jeweiligen sie berührenden Normen versagt allerdings in dem Moment, in dem der Sozialbindungsklausel eine konstitutive Wirkung dergestalt eingeräumt wird, daß der Gesetzgeber auch bei der zivilrechtlichen Ausgestaltung von Rechtspositionen die sozialen Belange der Betroffenen in einen Ausgleich zu bringen hat.

C. Die Entwicklung der Dogmatik der Eigentumsfreiheit in Art. 14 GG bis zur Naßauskiesungsentscheidung des BVerfG Bevor die aktuelle Diskussion über Gegenstand und Umfang der Eigentumsfreiheit geschildert und kritisch gewürdigt werden kann, erscheint es zweckmäßig, zunächst die Entwicklung des Eigentumsbegriffs bis zum Jahr 1981 zu referieren, um so die Ausgangslage für die bedeutende Naßauskiesungsentscheidung des BVerfG 1 zu verdeutlichen. Bei dieser Reflexion steht die Ausdeutung der Norm durch die Rechtsprechung, insbesondere die des BGH und des BVerfG, die mit ihren unterschiedlichen Ansätzen das Meinungsspektrum recht umfassend widerspiegeln, im Vordergrund. Ein besonderes Augenmerk verdienen dabei die verschiedenartigen Begründungsansätze der Rechtsprechung, sofern sie überhaupt vorhanden sind, da man bei einem ersten Überblick leicht den Eindruck gewinnen kann, daß diese angesichts der zentralen Bedeutung des Eigentums für die gesellschaftliche, wirtschaftliche und staatliche Ordnung vorschnell auf vermeidlich teleologische Auslegungskriterien, einem angeblich eingetretenen Funktionswandel der Eigentumsfreiheit zurückgreift, ohne diese Ergebnis durch eine Stützung mit den übrigen Auslegungsmethoden abzusichern und so objektiv nachvollziehbar zu machen.2

L Der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit in der Rechtsprechung des BGH

Die frühe Rechtsprechung des BGH ist gekennzeichnet durch die Rezeption der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 153 WRV in den Art. 14 GG. 1 2

BVerfGE 58, 300 ff.

So begründet der BGH die Einbeziehung aller Vermögenswerten zivil- und öffentlich-rechtlichen Rechtspositionen in seiner Grundsatzentscheidung vom 10. Juni 1952 (BGHZ 6, 270, 278) allein mit der Schutzbedürftigkeit aller Rechtspositionen Privater gegenüber der staatlichen Enteignung. Dieser Schluß von der Staatswirklichkeit auf die rechtliche Tragweite der Eigentumsfreiheit bringt dem Gericht denn auch den Vorwurf an, "lediglich indivdualisierte Rechtspolitik" (Düng, in: FS für Apelt, S. 13, 20) zu betreiben, zumal diese Erweiterung als Abkehr von der bisher herrschenden Praxis und Lehre einer eingehenderen Begründung bedurft hätte (so Stödter, DÖV 1953, S. 97,98).

I. Die Rechtsprechung des BGH

103

So erklärte das Gericht den Begriff der Enteignung in beiden Verfassungen für deckungsgleich.3 An anderer Stelle4 betonte es, daß die Rechtswegverweisung des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG mit der des Art. 153 Abs. 2 WRV übereinstimme. Diese Ansicht hatte zur Folge, daß es die reichsgerichtliche Auslegung dieser Norm, nämlich auch die Frage, ob überhaupt eine Enteignung vorliege, von den ordentlichen Gerichten zu prüfen sei, übernehmen konnte.5 Eine Begründung für diese Übernahme der reichsgerichtlichen Erkenntnisse findet sich nicht, auch die in den Entscheidungen zitierte Literatur unterstellt ohne weiteres die Bedeutungsidentität. Allerdings erscheint die spärliche Begründung dieser Vorgehensweise insoweit verständlich, als damals in Rechtsprechung und Literatur weitgehend Konsens in dieser Frage bestand.6 Die erste grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Regelungsgefüge des Art. 14 GG erfolgte im Beschluß des Großen Senats für Zivilsachen vom 10. Juni 1952.7 Die Thesen und Begründungsansätze dieser Entscheidung, die in der Literatur eine umfangreiche Diskussion auslöste8 und vom Gericht im Grundsatz nie aufgegeben wurde 9, sollen im folgenden dargestellt werden, 3

BGHZ 4,10,47; 4,68,75; 4,266,272.

4

BGHZ 4, 266,273.

5

Diese Entscheidung erscheint angesichts der Tatsache, daß hier mit der teleologischen Erwägung, eine wortlautgetreue Auslegung entspreche "nicht dem Sinn des Art. 14 GrundG" und dem historischen Bezug auf die Vorgängernorm die Grenze der grammatischen Auslegung gesprengt wird, besonders bedenklich. An sich hätte bei systematischer Auslegung der Rechtswegklausel in Zusammenhang mit Art. 19 Abs. 4 GG deutlich werden müssen, daß es dieser erweiternden Auslegung im Unterschied zur Rechtslage der WRV nicht mehr bedurft hätte. Vgl. aber die abweichende Auffassung von Kimminich, JuS 1978, S. 217,222. 6 Vgl. neben v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 14, Anm. 1: "Im Laufe der Beratungen ist der Einfluß der erprobten Formulierungen des Art. 153 WeimRV. aber unverkennbar immer stärker geworden." und Anm. 5; dens., AöR 75 (1949), S. 273, 288; Abraham, in: Bonner Kommentar (1. Bearb.), Art. 14,1, Anm. 5; BayVerfG, DÖV 1952, S. 278; VGH BW, JZ 1951, S. 86, 87; Nipper dey, DRiZ 1950, S. 193, 194: "Art. 14 des Grundgesetzes entspricht im wesentlichen der Eigentumsgarantie und der Regelung des Enteignungsrechts des Art. 153 der Weimarer Verfassung."; Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331,345, und auch Giese, Enteignung und Entschädigung, S. 28 Fn. 8, der zur Begründung seiner Auffassung, daß nur die privaten Vermögensrechte enteignungsfähig seien, allein auf die ständ. Rspr. des RG verweist. Anders dagegen Ipsen, WDStRL 10 (1952), S. 74, 83, der die seit 1919 eingetretenen faktischen Veränderung durch die verstärkte staatliche Wirtschaftsgestaltung in die Gewährleistungsgarantie einbezogen wissen will, auf der anderen Seite aber von einer juristischtechnischen Identität der Eigentumsbegriffe in den beiden Verfassungen ausgeht. 7

BGHZ 6, 270 ff.

8

Vgl. nur die Anmerkungen von Stödter, DÖV 1953, S. 97 ff.; Pagenkopf, NJW 1952, S. 119 ff.; Hamann, NJW 1952, S. 1176fif.; Forsthoff, JZ 1952, S. 627 f.; Haas, MDR 1952, S. 848fif.; Giese, DRiZ 1953, S. 61 f. 9 Vgl. nur die Verweise auf diesen Beschluß in den späteren Entscheidungen, ζ. B. BGHZ 7, 296, 297; 8, 273, 275; 9, 83, 90; 9, 390, 400; 11, Anhang, 2, 33; 13, 88, 90; 15, 113, 117; 15, 269, 272; 23,13,32; 23,157,169; 26, 248, 255; 45,151,153; 53,226,235; 54,293,296; 60,127,130.

104

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

soweit sie für die Abgrenzung des Schutzbereichs des Art. 14 Abs. 1 GG von Bedeutung sind.

1. Das Regelungsgefüge des Art. 14 GG nach der Entscheidung des Großen Senats vom 10. Juni 1952

Prüfungsgegenstand dieser Entscheidung waren Maßnahmen der Wohnungsbehörden (Erfassung und Zuteilung von freiem Wohnraum) gegen die Hauseigentümer aufgrund des Kontrollratsgesetzes Nr. 18 (Wohnungsgesetz) vom 8. März 1946.10 Im einzelnen sollte der Große Senat u. a. feststellen, ob diese staatlichen Eingriffe als inhaltliche Bestimmung und Begrenzung des Eigentumsrechts oder als Enteignungen zu qualifizieren seien. In diesem Zusammenhang beschäftigt sich zunächst mit der Stellung der Grundrechte innerhalb des Grundgesetzes: "Das Bonner Grundgesetz erkennt den übergesetzlichen, Verwaltung, Rechtsprechung und Gesetzgebung bindenden Charakter der Grundrechte, auch der Eigentumsgarantie, ausdrücklich an (Art. 1 Abs. 2 und 3) und bestimmt infolgedessen, daß auch gesetzliche Eingriffe in ein Grundrecht dieses in keinem Fall in seinem Wesensgehalt antasten dürfen (Art. 19 Abs. 2). (...) Allerdings ist nach dem Bonner Grundgesetz - nicht etwas weil es* zeitlich zurückwirkte, sondern weil es die übergesetzliche, d. h. die von staatlicher Rechtsetzung unabhängige Geltung der Grundrechte anerkennt - auch für die vor dem Grundgesetz liegende Zeit anzunehmen, daß die echten Grundrechte übergesetzlichen Charakter haben und daß deswegen auch gesetzliche Eingriffe in sei das Wesen der Grundrechte nicht antasten dürfen." 11

Die Einordnung der Eigentumsfreiheit als vorstaatliches Recht entsprach einer damals starken Strömung12, war allerdings auch nicht unbestritten.13 Ob 10

Amtsblatt des Kontrollrates in Deutschland 1946, S. 116 ff.

11

BGHZ 6, 270, 275 (Hervorhebungen vom Verfasser).

12

Vgl. nur Art. 60 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung von Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947: "Das Eigentum ist ein Naturrecht und wird vom Staat gewährleistet."; BayVerfG, VRspr. 1 (1949), S. 253, 263: "Die Bayer. Verf. faßt die Grundrechte als dem Gesetzgeber vorausliegende und vorgegebene Menschenrechte auf,..."; Bad. StGH, VRspr. 1 (1949), S. 373, 375; dens., VRspr. 2 (1950), S. 129, 132: "Das Recht des Privateigentums blieb auch in der Zeit, in der es keine geschriebene Verfassung gab, als ungeschriebenes, überstaatliches Grundrecht bestehen ..."; Giese, Grundgesetz fur die Bundesrepublik Deutschland, S. 8; dens., DRiZ 1953, S. 61, 62; Dürig, Ztschr. für die gesamte Staatswissenschaft 109 (1953), S. 326, 338; Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63, 78; Hamann,

I. Die Rechtsprechung des BGH

105

diese naturrechtliche Sichtweise des BGH zutreffend ist, braucht hier allerdings noch nicht erörtert zu werden, da es zunächst nur einmal darauf ankommen soll, die Entwicklung der vom BGH getroffenen Feststellungen auf ihre Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Der nächste "Begründungsbaustein11 der Entscheidung findet sich auf den Seiten 276 bis 278: Dort nimmt der BGH eine Funktionsbestimmung der Eigentumsfreiheit vor: "Der in den Staat eingegliederte einzelne bedarf, um unter seinesgleichen als Person, d. h. frei und selbstverantwortlich leben zu können und um nicht zum bloßen Objekt einer übermächtigen Staatsgewalt zu werden, also um seiner Freiheit und Würde willen einer rechtlich streng gesicherten Sphäre des Eigentums." Dieser Sphäre des einzelnen Bürgers stehe aber die für den Staat notwendigen Möglichkeit, zum Gemeinwohl in das private Vermögen einzugreifen, in einer Spannungslage entgegen, die durch die verbürgte Eigentumsfireiheit entschärft werden müsse. Dieser Ausgleich erfordere, daß grundsätzlich das Eigentum des einzelnen "im weitesten Sinne" geschützt sein müsse. Der Staat dürfe in dieses Eigentum nur ausnahmsweise bei Vorliegen eines übergeordneten öffentlichen Zwecks eingreifen, d. h. es entziehen, übertragen oder im Einzelfall belasten. Ansonsten stehe es ihm aber frei, es allgemein innerhalb gewisser Grenzen sozial zu binden und geschichtlichen Veränderungen seinem Inhalt nach anzupassen. Auf diese Funktionsbestimmung der Eigentumsfreiheit aufbauend nimmt der BGH schließlich die Abgrenzung des Schutzbereichs des Art. 14 GG von den geschützten Objekten und seinem Umfang her vor: "Wenn die staatliche Enteignung nach dem ganzen Vermögen der Bürger greift, muß die Eigentumsgarantie und der Enteignungsschutz auch das ganze Vermögen der Bürger decken. Sie müssen daher folgerichtigerweise auf jedes Vermögenswerte Recht bezogen werden, gleichgültig, ob es dem bürgerlichen oder dem öffentlichen Recht angehört. Geschützt ist nicht nur das Eigentum im weitesten Sinne als Rechtseinrichtung, sondern jedes vorhandene Vermögenswerte

Rech f. 14

Das Grundgesetz (1. Aufl.), Art. 14, Anm. 2 m. w. N., der allerdings nur die institutionelle Eigentumsgarantie als überpositives Recht ansieht. 13 Vgl. Ridder, VVDStRL 10 (1952), S. 124, 136: "Das Eigentum deckt nur das, was ihm die konkrete Rechtsordnung von vornherein zuerkennt..."; Ipsen, WDStRL 10 (1952), S. 74, 84 f. m. w. N.; Weber, NJW 1950, S. 401, 402; Maunz, Deutsches Staatsrecht (1. Aufl.), S. 73; schon zu Art. 153 WRV Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 159 f.

106

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Der Umfang des geschützten Eigentums bestimmt sich aus der Summe der gesetzlichen Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Diese unterscheiden sich von Enteignungen, die "dem Eigentum eine ihm nicht innewohnende Beschränkung der Herrschaftsbefugnis nur von außen auferlegen 15 dadurch, daß sie allgemeine Begrenzungen vornehmen, den Rechtsträgern somit unterschiedslos neue Pflichten auferlegen. 16 Der BGH differenziert in seinem Beschluß nicht zwischen den Kategorien der inhaltlichen Festlegung und der Beschränkung des Eigentums, er sieht sie beide als dem Recht bereits "innewohnende Beschränkung"17 an.18 Eine solche einheitliche Eigentumsbegrenzung findet ihre Grenze allerdings in Art. 19 Abs. 2 GG und dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.19 Das Überschreiten dieser Grenzen mache ein Gesetz nichtig, der Vollzug eines solchen nichtigen Gesetzes durch die Verwaltung löse einen enteignungsgleichen Eingriff aus, der zu einem Entschädigungsanspruch in entsprechender Anwendung des Art. 14 Abs. 3 GG führe. 20 Bevor die weitere Entwicklung und Ausdififerenzierungen des Schutzbereichs durch die höchstrichterliche Zivilrechtsprechung dargestellt werden wird, erscheinen schon jetzt einige Anmerkungen zu diesem Beschluß angebracht, die entgegen den überwiegend lobenden Stellungnahmen in der Literatur die Lückenhaftigkeit und Brüchigkeit der Argumentation verdeutlichen sollen.21

14

BGHZ 6,270,278 (Hervorhebung vom Verfasser).

15

BGHZ 6,270, 286 f. (Hervorhebung vom Verfasser).

16

Das Kriterium zur Unterscheidung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen einerseits und Enteignungen andererseits ist der Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz: "Der Verstoß gegen den Gleichheitsgrunflsatz kennzeichnet die Enteignung" (BGHZ 6,270,280). 17

BGHZ 6,270, 286.

18

Diese Vereinheitlichung und Zusammenfassung zu einem Schutzbereich wird in der Terminologie der Entscheidung nicht durchgängig eingehalten. Zwar werden die gesetzlichen Bestimmungen des Wohnungsnotrechts auf den S. 288 und 289 konsequent als "inhaltliche Begrenzung" der betroffenen Eigentumsposition bezeichnet. Auf der anderen Seite allerdings sollen sie "gesetzliche Eingriffe in die freie Bestimmungsbefiignis des Wohnungsinhabers" (S. 287 und ähnlich S. 289) darstellen, eine Sichtweise, die § 903 BGB als Inhaltsbestimmung und die Normen des Wohnungsgesetzes als Schranke nahelegen würde. 19

BGHZ 6, 270, 279.

20

BGHZ 6, 270, 290 ff.

21

Vgl. demgegenüber z. B. Giese, DRiZ 1953, S. 61: "Da der Plenarbeschluß des BGH jedem Leser dieser Zeitschrift bekannt ist, rechtfertigt sich eine erneute Würdigung nur deshalb, weil seitdem

I. Die Rechtsprechung des BGH

107

Auffällig ist zunächst die Funktionsbestimmung, die das Gericht bei Art. 14 Abs. 1 GG vornimmt. Dabei betont es den Zusammenhang dieses Grundrechts mit der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG als oberstem Verfassungsprinzip und kommt zu dem Schluß, daß die Eigentumsfreiheit die Aufgabe habe, den Menschen eine freie und eigenverantwortliche Lebensführung materiell zu sichern.22 Erstaunlich an diesem Begründungsansatz ist angesichts der bis dahin weitgehenden Übernahme der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 153 WRV die fehlende Auseinandersetzung mit der damals herrschenden Meinung, die die Eigentumsfreiheit nicht als allgemeines materielles Existenzsicherungsgrundrecht, sondern als Freiheitsgrundrecht im Rahmen des in der WRV verankerten "Prinzinzips individualistischer Recht- und Wirtschaftsordnung" 23 auffaßte mit der Folge, daß nur die im Wirtschaftsverkehr einsetz- und verwertbaren Rechtsgüter zur Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr geschützt waren. Auch das BVerfG ging in seinem Urteil vom 30. April 195224 von dieser überkommenen ratio der Eigentumsfreiheit aus. Zwar erkannte es die existenzsichernde Funktion der staatlich verliehenen Kehrbezirke für die Bezirksschornsteinfegermeister an, indem es ausführte, mit der Einführung einer Altersgrenze würden diese auf die - gegenüber ihren bisherigen Einkünften erheblich geringeren - Altersrenten des Versorgungsvereins verwiesen. Die Einbeziehung der vom Gesetzgeber geschmälerten Rechtsposition in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit wurde aber damit abgelehnt, daß der Bezirksschornsteinfegermeister für dieses Recht kein Kapital eingesetzt habe und es keinen im Rechtsverkehr durch Veräußerung, Verpachtung oder Vererbung verwertbaren Vermögensbestandteil darstelle. Auch Teile der Literatur stellten diesen Zusammenhang zwischen einer freien Wirtschaftsordnung und dem Schutzobjekt des Art. 14 GG her. 25 Eine Diskussion mit der reichsgerichtlichen Zweckbestimmung, insbesondere die Klärung der systematischen Stellung der Eigentumsfreiheit innerhalb des Grundrechtskatalogs im Unterschied zum Art. 153 WRV innerhalb des 5. Abschnitts des 2. Haupt-

eine gewisse Kritik eingesetzt hat, die vielleicht bei einem gewissenhaften Richter die der obersten Instanz gebührende Achtung abschwächen könnte. Darum sei gleich im Ergebnis vermerkt, daß jener Plenarbeschluß in allen wesentlichen Punkten das Richtige getroffen hat." 22

BGHZ 6, 270, 276.

23

Vgl. PrOVGE 81,181,201; RGZ 129,246,251 m. w. N.

24

BVerfGE 1,265,277 und 278 - Bezirksschomsteinfeger.

25 Vgl. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 9: "Damit (mit Art. 14 GG) ist das private Wirtschaftseigentum, d. h. die Gesamtheit der privaten Rechte an Produktionsmitteln und Produktionsgütem im weitesten Sinne gewährleistet (...). Er gewährleistet damit eines der fundamentalen Grundrechte, auf denen das wirtschaftsverfassungsrechtliche Prinzip der Wirtschaftsfreiheit beruht."

108

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

teils der Vorgängerverfassung, wäre wohl hier geboten gewesen26, da der BGH insoweit nicht "die Lösung auf dem Boden der langjährigen Tradition des RG" gesucht hatte.27 Auch die Argumentation zur Einbeziehung aller subjektiv-öffentlichen Rechte erscheint bei näherer Betrachtung wenig ergiebig: Der BGH stützt diese Erweiterung gegenüber der Rechtslage mit der Schutzwürdigkeit aller vermögenswerter Rechte, die durch die Zugriffsmöglichkeiten des Staates gleichermaßen bedroht seien. Erstaunlich ist dieser kurze und mit einer Selbstverständlichkeit vorgetragene Ansatz schon deshalb, weil das Reichsgericht seinerzeit die Erweiterung der Schutzgüter des Art. 153 Abs. 1 WRV vom bürgerlich-rechtlichen Sacheigentum auf alle privaten Berechtigungen ebenfalls nur damit begründet hatte, daß diese "nach ihrem wirtschaftlichen Werte und nach der Art des Eingriffs eben so sehr des Schutzes bedürftig sein" könnten28. Warum die gleiche Schlußfolgerung zu unterschiedlichen Ergebnissen fuhren kann, ist erklärungsbedürftig. 29 Demgegenüber erscheint der Vorwurf, der BGH habe mit dem Rückschluß von der Schutzbedürftigkeit aller Vermögenswerten Rechte auf die von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG umfaßten Gegenstände von der Staatswirklichkeit auf die verfassungsmäßige Rechtslage geschlossen und damit die "Tradition" einer "individualistischen Rechtspolitik" durch das RG fortgeführt, überzogen.30 Diese Passage des Beschlusses muß in Zusammenhang mit der zuvor vorgenommenen Zweckbestimmung des Eigentumsgrundrechts, nämlich der Gewährleistung einer rechtlich streng gesicherten Sphäre des privaten Eigentums, gesehen werden und stellt deshalb ein teleologisches Auslegungskriterium dar. Allerdings ist eine solche Auslegung allein ohne Absicherung des gefundenen Ergebnisses durch die übrigen Interpretationsmethoden als Begründung nicht geeignet, da ansonsten die Gefahr besteht, mit Hilfe dieses 26 Dieser Vergleich wurde denn auch vom BVerfG in seinem Beschluß vom 1. Juli 1953 (BVerfGE 2, 380, 401) mit dem Ergebnis vorgenommen, daß "die systematische Einordnung des Eigentumsschutzes (...) unverändert" geblieben sei. 27

So aber die Einschätzung des Beschlusses von Haas, MDR 1952, S. 648; a. A zu Recht Dürig, in: FS für Apelt, S. 13, 21 Fn. 23. 28

RGZ 109,310,319.

29

Daß hierfür nähere Ausführungen erforderlich gewesen wären, zeigt auch der Umstand, daß das preußische OVG (E 81, 181, 201) seinerzeit ausdrücklich festgestellt hatte, öffentlich-rechtliche Rechtspositionen seien nicht im gleichen Umfang schutzwürdig wie die von Art. 153 Abs. 1 WRV umfaßten privatrechtlichen Ansprüche, wenn auch zuzugeben ist, daß das RG diese Feststellung in seiner Entscheidung über die Schulunterhaltungspflicht nicht übernommen hatte; vgl. RGZ 129, 246, 250 f. 30

So aber Dürig, in: FS für Apelt, S. 13, 20.

I. Die Rechtsprechung des BGH

109

Ansatzes das Ergebnis der übrigen Auslegungsarten zu überspielen, insbesondere den Wortlaut der Verfassungsnorm zu überdehnen. Ein anderer, systematischer Widerspruch innerhalb dieser bundesgerichtlichen Passage wurde sofort von der Literatur nach Verkündung des Beschlusses bemängelt: Wenn das Grundgesetz den übergesetzlichen, vorstaatlichen Charakter der Eigentumsfreiheit anerkannt habe, erscheine es wenig folgerichtig, zu ihrer Auslegung die staatlichen Enteigungsbefugnis, die ihrerseits nicht auf einer vorstaatlichen Kompetenz beruhe, heranzuziehen.31 Im übrigen sei auch aus diesem Grunde die Einbeziehung subjektiv-öffentlicher Rechte, die auf einem staatlichen Verleihungsakt beruhen und diesen daher voraussetzen, unlogisch.32 Da die Auffassung, daß wegen des naturrechtlichen Charakters nur zivilrechtliche Ansprüche Eigentum darstellen könnten, bereits zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung kontrovers diskutiert wurde 33, wäre insoweit eine eingehendere Untersuchung erforderlich gewesen. Auch die argumentative Verknüpfung zwischen dem Merkmal der Enteignung und dem Schutzbereich zur Bestimmung der Gegenstände der Eigentumsfreiheit erscheint fragwürdig. Das RG mußte unter der Geltung des Art. 153 Abs.l WRV aus seiner Sicht zwangsläufig die Merkmale des Enteignungstatbestandes ausdehnen, um, da die Gewährleistung in Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV gegenüber dem Gesetzgeber nur als Ausprägung des Prinzips vom Vorbehalt des Gesetzes verstanden wurde und ihm gegenüber daher leerlaufend war, dem Bürger gegenüber legislativen Maßnahmen wenigstens eine Vermögensgarantie zu gewähren. Bereits Apelt hatte 1946 diese Vorgehensweise der Rechtsprechung, die von einem tiefen Mißtrauen gegenüber dem demokratisch legitimierten Parlament geprägt war, heftig kritisiert. 34 Das Grundgesetz aber hatte unter dem Eindruck der Weimarer Zeit reagiert: Mit Art. 1 Abs. 3 GG ordnete es die Bindung auch des einfachen Gesetzgebers an die Grundrechte an, den Bürgers gewährte Art. 19 Abs. 4 GG einen umfassenden Rechtsschutz auch gegen Akte der Legislative. Darüber hinaus sichern abstraktes und konkretes Normenkontrollverfahren, daß sich die Gesetze im Einklang mit der Verfassung halten. Auch die politische Motivation, die die Rechtsprechung zu dieser Erweiterung des Enteignungsbegrififs zum Schutz 31

Vgl. Stödter, DÖV 1953, S. 97, 98; zustimmend Dürig, JZ 1954, S. 4, 5 Fn. 5; ferner BVerfGE 2,237, 253. 32

Vgl. Stödter, DÖV 1953, S. 97,98.

33

Vgl. ζ. B. Huber, Die Garantie der kirchlichen Vermögensrechte in der Weimarer Verfassung, 1927, S. 7; a. A. damals Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, Hamburg 1933, S. 159 ff. 34

Vgl. Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 343.

110

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

des Eigentums veranlaßt hatte, hätte dem BGH angesichts des ausdrücklichen Bekenntnisses des Grundgesetzes zum parlamentarischen Rechtsstaat in Art. 20 GG Veranlassung geben müssen, dieses "provisorische Kampfmittel gegen den konfiskulationslüsternden Revolutionsgesetzgeber"35 auf seine Berechtigung hin zu prüfen. 36 Gegenüber dieser Kritik sei allerdings angemerkt, daß der BGH mit der Auffassung, Art. 14 GG sei rechtlich mit seinem Vorgänger weitgehend identisch, durchaus keine Außenseiterstellung innehatte37, so daß die fehlende Überprüfung der These, Art. 14 GG gewährleiste in erster Linie eine Vermögenswertgarantie 38, verständlich erscheint. Die vom BGH vorgenommene Abgrenzung von Inhaltsbestimmung (Inhalt und Schranken) einerseits und hoheitlichen Eingriffen in Form von Enteignungen andererseits und damit die Bestimmung des Umfangs des Schutzbereichs des Eigentumsgrundrechts ist vor dem Diskussionsstand ebenfalls problematisch. Der BGH zieht zur Begriffsbestimmung die vom Reichsgericht überlieferte sog. Einzelaktstheorie heran, erweitert sie durch die Einfügung der sachlichen Kriterien des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG und definiert so die Enteignung als von außen herrührenden Eingriff, der die betroffenen einzelnen oder Gruppen gleichheitswidrig treffe und nur deshalb rechtmäßig erscheine, weil seine Folge durch die Entschädigung ausgeglichen werde. Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung und damit eine Veränderung des Schutzbereichs der Eigentumsfreiheit liegt seiner Ansicht dagegen vor, wenn die Herrschaftsform über die Vermögenswerten Rechte in für alle Rechtsinhaber gleichmäßiger Form verändert, eindeutiger: beschränkt werde. Zunächst ist festzustellen, daß bereits im Vorfeld dieser Grundsatzentscheidung grundsätzliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Einzelaktstheorie im Rahmen des Grundgesetzes geäußert wurden. Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG ist eine Enteignung direkt durch Gesetz oder verwaltungsbehördlichen Akt möglich. In Verbindung mit der Einzelaktstheorie müßte eine nach Art. 14 Abs. 3 GG zulässige Legalenteignung gegeben sein, wenn durch das Gesetz auf die Rechtsposition eines einzelnen eingewirkt wird. Solche Individualge-

35 So Dürig, JZ 1954, S. 4; vgl. femer die kritische Schilderung bei Blank/Brauns/Fangmann/ Uesseler, Wohin treibt der Rechtsstaat?, S. 101 f. 36

Vgl. in der Rückschau nur Osterloh, DVB1. 1991, S. 906,909.

37

Vgl. oben die auf S. 103 in Fn. 6 Genannten.

38

Dieser These liegt die Gleichstellung von Enteignungen und rechtswidrigen Verwaltungsmaßnahmen zugrunde, da es doch eigentlich nahegelegen hätte, daß letztere von dem Bürger mit dem Ziel der Aufhebung und der Wiederherstellung der konkreten Rechtsposition gerichtlich angegriffen hätte werden müssen; vgl. BGHZ 6, 270, 290.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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setze seien aber nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungswidrig, so daß die Einzelaktstheorie als Auslegungskriterium nach dieser Auffassung zur Differenzierung zwischen Inhaltsbegrenzung und Enteignung untauglich sei.39 Daß der BGH diese Erwägungen hätte wohl berücksichtigen müssen, zeigen die Schwierigkeiten, die das BVerfG später hatte, als es die Unanwendbarkeit des Art. 19 Abs. 1 GG begründen mußte. In seiner Entscheidung zum Hamburgischen Deichordnungsgesetz vom 18. Dezember 1968 stellt es dazu nur fest, daß die Zulassung einer Legalenteignung in Art. 14 Abs. 3 GG keinen Gesetzesvorbehalt i. S. d. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG darstelle, weil sich die Duldungspflicht des Eigentümers bezüglich der Enteignung bereits aus Art. 14 Abs. 3 GG ergebe und durch die einfachgesetzliche Regelung nur eine Ausgestaltung auf "konkret zu bestimmende Gegenstände" für "konkrete Sachbereiche" vorgenommen werde.40 Angesichts der Tatsache, daß das Gericht den Begriff der Enteignung in ständiger Rechtsprechung als staatlichen Zugriff auf das Eigentum des einzelnen definiert, mit dem konkrete subjektive Rechtspositionen, die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet sind, vollständig oder teilweise entzogen werden 41, erscheint dieses Argument zumindest fragwürdig. 42 39 Vgl. Krüger, DVB1. 1950, S. 625, 626; Greiner, DÖV 1954, S. 583, 584; Schach, NJW 1954, S. 577 ff.; Haas, MDR 1951, S. 650, 651 mit dem Hinweis in Fn. 10, daß der historische Verfassungsgesetzgeber mit Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG gerade Individualenteignungsgesetze habe ausschließen wollen. Vgl. weiter die kritische Würdigung des Beschlusses von Dürig, JZ 1954, S. 4, 6 f.; auch Hamann, Das Grundgesetz (1. Aufl.), Art. 14 Anm. 10 erkennt an, daß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG eine Schranke für Legalenteignungen aufstellt, befürwortet aber dennoch die £inzelaktslehre in Anm. 8. Gegen die Argumentation Dürigs ausdrücklich Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I Allgemeiner Teil, S. 342 Fn. 2 mit dem Hinweis, Art. 19 Abs. 1 wirke nur insoweit auf Art. 14 Abs. 1 GG ein, als er das Rechtsinstitut des Eigentums schütze. Gegen Dürig ferner Scheuner, DÖV 1954, S. 587, 590, mit dem Argument, Gesetze könnten zwar generelle Regelungen beinhalten, indem sie eine bestimmte Gruppe als Regelungsadressaten träfen, aber im Vergleich diese Gruppe ungleichmäßig im Vergleich zur Allgemeinheit belasten. 40 BVerfGE 24, 367, 396 f., 403 f.; so auch v. MiXnch/Hendrichs (2. Aufl.), Art. 19 GG, Rdnr. 8; Hamann (3. Aufl.), Art. 19 GG, Anm. 2c. Unter diesen Umständen ist der Lösungsvorschlag von Rausch (DVB1. 1969, S. 167, 170), der zwischen Einzelfall- und Einzeleingriffsgesetzen trennt, wobei nur erstere unter das Verbot des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG fallen sollen, gerade unter Berufung auf die Entscheidung zum Hamburger Deichordnungsgesetz äußerst fragwürdig, weil die Legalenteignung dort als "Verwaltung durch Gesetz" gekennzeichnet wurde, somit sich gerade um ein Einzelfallgesetz in seinem Sinne handeln würde. 41 Vgl. BVerfGE 38, 175,180; 45, 297, 326; 56, 249, 260; 58, 300,321; 70, 191, 199 f.; 71, 137, 143; 72, 66, 76; 79, 174, 191. 42 Vgl. dazu ζ. B. Maunz/Dürig-Papzer, Art. 14 GG, Rdnr. 483; BK-Menger, Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG, Rdnr. 86; v. Münch/Dicke (2. Aufl.), Art. 14 GG, Rdnr. 40; Dicke, DÖV 1969, S. 554, 556 f. Nach Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rdnr. 50 läßt sich der "scheinbare Widerspruch zu Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG (...) rechtstheoretisch dadurch bewältigen (!), daß Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG insoweit als Spezialvorschrift gegenüber Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG eingeordnet wird."; ebenso Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 369.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Weiterhin sei hier in diesem Zusammenhang die Frage erlaubt, ob die Interpretation des Art. 14 GG durch den BGH dem traditionellen Charakter der Eigentumsfreiheit als Freiheits- und Abwehrrecht gerecht wurde. Der BGH stellt bei der Frage, ob ein Eingriff in die Eigentumssphäre des Bürgers durch einen staatlichen Akt gegeben sei, ausschließlich auf den Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz ab. Offensichtlich ist dies bei seiner Qualifizierung der Enteignung; aber auch bei Verwaltungsmaßnahmen, die auf verfassungswidrigen Gesetzen beruhen oder aus sonstigen Gründen rechtswidrig sind, kann der Bürger nur deshalb eine Entschädigung verlangen, weil auch diese ihm ein im Verhältnis zur Allgemeinheit besonderes Opfer abverlangten. In der Literatur wurde denn auch die Frage, ob die These: "Die Enteignung wird durch den Verstoß gegen den Gleichheitssatz charakterisiert" auch in dem Sinne umkehrbar sei, daß jeder Verstoß gegen den Gleichheitssatz mit eigentumsrelevantem Inhalt eine Enteignung darstelle, aufgeworfen. 43 Mit dieser ausdrücklichen Verzahnung der Art. 3 und 14 GG - der Bürger erfahrt nach dieser Rechtsprechung nur einen von außen herrührenden staatlichen Eingriff in sein Eigentum bei Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz - verwandelt sich der Charakter der Eigentumsfireiheit von dem damals überwiegend anerkannten Freiheitsgrundrecht 44 in ein gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG spezielleres Gleichheitsgrundrecht. Dies hat für die Wirkungsweise des Grundrechts erhebliche Folgen. Während Freiheitsgrundrechte als generelle Abwehrrechte konstruiert sind, die Eingriffe in die geschützte Privatsphäre nur in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Abwägung des zu schützenden Allgemeingutes mit der betroffenen Rechtsposition zulassen, also entscheidend auf die Intensität der Beeinträchtigung abstellen, gewährleisten Gleichheitsgrundrechte in erster Linie, daß der Staat nicht willkürlich ohne sachlichen Grund stärker in die Sphäre einzelner eingreift, wobei erst dann, wenn ein "un-

43 Forsthoff, JZ 1952, S. 627, 628; Stödter, DÖV 1953, S. 97, 99; Dürig, JZ 1954, S. 4, 6; Reinhardt, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 1, 11; kritisch zur Verknüpfung zwischen Art. 14 Abs. 3 und 3 Abs. 1 GG Schach, NJW 1954, S. 577, 579 mit Fn. 29. 44

Vgl. zu Art. 153 WRV nur Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 4, der Art. 114 WRV mit Art. 153 WRV gleichheitlich auslegt und so zu dem Schluß kommt, daß auch Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV ein Verbot unbefugter Eingriffe in die Individualsphäre, hier dem Privateigentum, statuiert. Ferner Thoma, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1, S. 1, 21; Schelcher, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, S. 196, 207 unter Hinweis auf Triepel, Goldbilanzverordnung, S. 25; Schmitt, Verfassungslehre, S. 163. Der BGH stellt in seinem Beschluß auf die freiheitssichernde Funktion des Grundrechts ab. Vgl. ferner Dürig, Ztschr. f. d. gesamte Staatswissenschaft 109 (1953), S. 326,334.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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gleicher Eingriff" festgestellt wird 45 , zu seiner Rechtfertigung in beschränktem Umfang auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip herangezogen wird. Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung erstreckt sich aber nicht auf die Frage, ob die Begrenzung bzw. Beschränkung für sich genommen in einem angemessenen Verhältnis zu dem durch sie angestrebten Zweck steht. Meßlatte für die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG ist das Maß der Ungleichbehandlung, das geeignet, erforderlich und angemessen sein muß.46 Ein Gleichheitsgrundrecht wirkt somit bildlich gesprochen in die Breite und nicht wie ein Freiheitsgrundrecht in die Tiefe. 47 Ob in diesem Zusammenhang eine lückenlose "Aufteilung" der im Grundgesetz gewährleisteten Grundrechte als Spezialausformungen des Hauptfreiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) bzw. des Hauptgleichheitsgrundrechts (Art. 3 Abs. 1 GG) möglich ist 4 8 , ob neben diese Klassifizierung andere Grundrechtsarten hinzutreten 49, ist hier nicht entscheidend. Wichtig ist nur, daß die Gewährleistung des Privateigentums zur Zeit des Beschlusses des Großen Senats entweder als ein Freiheitsgrundrecht oder doch zumindest als freiheitsschützendes Grundrecht angesehen wurde.50 Die Konsequenz der Rechtsprechung des BGH, allgemein belastende Normen könnten keinen Eingriff in den Normbereich des Art. 14 GG auslösen, wurde denn auch zu Recht bezwei45

Vgl. zu den Schwächen, im Rahmen der Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG die Kriterien für eine wesentliche und damit beachtliche Ungleichbehandlung herauszuarbeiten, Sass, Art. 14 GG und das Entschädigungserfordemis, S. 128 f. 46 Vgl. v. Münch/Gubelt, Art. 3 GG (4. Aufl.), Rdnr. 29, der eine Bindung des Gesetzgebers an den Grundsatz der Erforderlichkeit im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG mit der Erwägung anzweifelt, der Gesetzgeber werde in seiner Gestaltungsmacht "zu weitgehend eingeschränkt". 47 Die für Art. 14 GG logische Konsequenz bei Anwendung der Einzelaktstheorie, wonach die Frage der enteignenden Wirkung einer eigentumsrelevanten Maßnahme von der Anzahl der durch sie Betroffenen und nicht von ihrer Schwere abhängen soll, wird denn auch in der Literatur als Bruch mit derfreiheitssichemden Funktion dieses Grundrechts kritisiert; vgl. Maunz/Dürig-Pap/er, Art. 14 GG, Rdnr. 302\ Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 142 f.; Schmitt-Kammler, NJW 1990, S. 2515, 2517. 48

So Maunz/Dürig-Dör/g, Art. 1 Abs. 1 GG, Rdnr. 11 f.; ders., AöR 81 (1956), S. 117, 121 ff; zweifelnd Stern, Staatsrecht III/l, S. 467. 49 So ζ. B. Giese, Staatsrecht, S. 108; Hoche, in: Handbuch der Verfassung und Verwaltung, S. 21 f. 50

Vgl. dazu Hamann, Das Grundgesetz (1. Aufl.), Art. 14, Anm. Β 1 mit dem Hinweis, daß eigentlich kein Verhalten, sondern Rechtspositionen von Art. 14 GG erfaßt seien, daß aber dennoch die Verfügungsmacht das "Gebrauchmachen", geschützt werden müsse. Ferner v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 14, Anm. 2; Reinhardt, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 1, 14; der einer Verknüpfung des Art. 2 Abs. 1 GG mit Art. 14 Abs. 1 GG eine "unverkennbare Bedeutung" zumißt; Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63,69; Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 353; Raiser, WDStRL 10 (1952), S. 158 (Aussprache); v. Mangoldt, WDStRL 10 (1952), S. 161 (Aussprache).

8 Eschenbach

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

feit. 51 Die Lösungen auf diese Abgrenzungsfrage waren allerdings, was nach dem Diskussionsstand zur Zeit der WRV nicht verwundert, nicht einheitlich. Teilweise wurde auf die Intensität der staatlichen Maßnahme abgestellt52, teilweise zusätzlich materielle Kriterien, wie die Aufhebung der Privatnützigkeit fur den Rechtsinhaber53 oder die Dienstbarmachung für staatliche Zwekke 54 herangezogen. Dürig schließlich wollte den klassischen Enteignungsbegriff, der nur den totalen Rechtsverlust umfaßte, wieder fruchtbar machen.55 Alle diese Versuche sollen hier nur das Unbehagen der Literatur aufgrund der Veränderung der Wirkungsweise des Art. 14 GG aufzeigen. Schließlich bleibt noch die Auffassung des BGH, Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sei als einheitlicher Regelungsvorbehalt des Gesetzgebers mit der Folge zu verstehen, daß nicht zwischen Inhaltsbestimmungen und Schrankenziehungen differenziert werden könne, auch letztere bereits dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG "innewohnten", zu untersuchen. Diese Interpretation als einheitlichem Regelungsvorbehalt war zur Zeit der Weimarer Republik zunächst von Wolff 56 mit dem Argument vertreten worden, daß die ausdrückliche Nennung der Schranken des Eigentums auf der überwundenen individualistischen Auffassung von der grenzenlosen durch das Eigentum vermittelten Freiheit beruhe. Trotz der damaligen Kontroverse über den "Sinn" der Regelung des Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV wurde die Auffassung von Wolff bei der Auslegung der Eigentumsfreiheit des Grundgesetzes nahezu einhellig übernommen.57 Gegen diese ganz herrschende Auffassung wurden nur vereinzelt 51 Vgl. nur Forsthoff, JZ 1952, S. 627, 628; Stödter, DÖV 1953, S. 97, 99, 101; Reinhardt, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 1, 11; Haas, MDR 1952, S. 648, 650; Dürig, JZ 1954, S. 4, 6; schon so vor Verkündung des Beschlusses Schumacher, NJW 1951, S. 53, 56. 52

So Forsthoff,

JZ 1952, S. 627,628; Stödter, DÖV 1953, S. 100.

53

Reinhardt, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 1, 33; ihm folgend Pleyer, JuS 1963, S. 8,12. 54 Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 374; Hamann, Das Grundgesetz (1. Aufl.), Art. 14, Anm. 8 m. w. N. 55

JZ 1954, S. 4,10. Ebenso für die Entziehung des Vollrechts als Enteignung Schack, NJW 1954, S. 577, 578 ff; Hamann, NJW 1952, S. 401, 403. Gegen Dürigs These Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I Allgemeiner Teil, S. 339 Fn. 2, der ihm vorwirft, mit dem Wegfall des Merkmals des Rechtsübergangs bei der Enteignung bereits den klassischen Tatbestand verlassen zu haben. Vgl. ferner die Kritik Schmitts (Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 122 f.) an der These Dürigs, wonach die Reichweite des Enteignungsbegriffs nicht losgelöst von dem jeweiligen Begriffsverständnis zum Eigentum interpretiert werden könne. 56 57

In: FS für Kahl IV, S. 3, 7.

Vgl. ζ. B. Schumacher, NJW 1951, S. 53, 56: "Die dem Eigentümer eingeräumte Befugnis besteht in dem Recht zur ausschließlichen Nutzung des Gutes in dem von der Gemeinschaft zuerkannten Umfang."; Weber, NJW 1950, S. 401, 402: "Eigentum und Vermögen geben von vornherein nicht mehr her, als ihnen die im Recht ausgeformte Sozialordnung überhaupt an Inhalt und Möglichkeiten

I. Die Rechtsprechung des BGH

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kritische Stimmen laut. Manche Autoren gingen in ihren Ausführungen offensichtlich von einer Teilung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen aus, ohne allerdings Unterscheidungskriterien oder eine Begründung für ihr Vorgehen anzugeben.58 Krüger 59 betonte unter Hinweis auf den freiheitssichernden Charakter der Eigentumsfreiheit, daß es dem Gesetzgeber in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gestattet sei, nicht nur diesen Freiheitsbereich einzuschränken, sondern daneben ihn erst überhaupt festzulegen. Während die Schrankenziehung nach seiner Auffassung die Grenzen in Art. 2 Abs. 1 GG als dem "allgemeinen Freiheitsgrundrecht" einzuhalten habe, sei der Gesetzgeber bei der Bestimmung des Inhalts nur an die Wesensgehaltssperre des Art. 19 Abs. 2 GG gebunden. Maunz zog zur Rechtfertigung der Unterscheidbarkeit von Inhalt und Schranken ein rechtslogisches Argument heran. Ein inhaltsbestimmendes Gesetz, das das Wesen des geschützten Eigentums erst bestimme, könne dessen Wesen nicht gleichzeitig durch diesen Akt beschränken.60 Mit diesen Bedenken setzte sich die herrschende Meinung allerdings wegen der "Eindeutigkeit der Gewichtungen" nicht auseinander. Sie betonte zunächst, daß es ein "schrankenloses" Eigentum schon begrifflich nicht geben könne, weil die dem einzelnen verliehene Rechtsmacht notwendigerweise ihre Grenze an der Rechtsmacht der übrigen finden müsse. Die Grenze des jeweiligen Eigentums ist danach gleichzeitig immer auch die Grenze des Eigentums eines anderen Rechtsinhabers (bzw. der übrigen Rechtsmacht eines Nichteigentümers).61 Dieser Ansatz für die Anerkennung eines nur relativen Eigentumsrechts ist richtig, wurde aber auch nicht von den Befürwortern einer Trennung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen bestritten. Die begrififsnot-

zuerkennt."; Ridder, VVDStRL 10 (1952), S. 124, 136 Fn. 47; Scheuner, WDStRL 10 (1952), S. 155 (Aussprache) unter Heranziehung des Art. 12 Abs. 1 GG; Jellinek, VVDStRL 10 (1952), S. 162 (Aussprache) mit dem Vorschlag, Inhalt und Schranken als einheitliche Eigentumsbegrenzungen aufzufassen; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 11; Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2; S. 331, 369; Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63, 79; Hamann, Das Grundgesetz (1. Aufl.), Art. 14, Anm. 4 f.; Haas, MDR 1951, S. 650; dens., MDR 1952, S. 648, 649; Giese, DRiZ 1953, S. 61; Stödter, DÖV 1953, S. 97, 98; Hamann, NJW 1952, S. 1176, Dürig, JZ 1954, S. 4, 11. 58 Vgl. v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 14, Anm. 14: "Der Gesetzgeber darf das Grundrecht inhaltlich nicht so ausgestalten oder es durch Schranken so weitgehend einengen, ..." (Hervorhebung vom Verfasser); Ipsen, VVDStRL 10 (1952), S. 74, 84. Pagenkopf übernahm wie selbstverständlich die Trennung von zivilrechtlichen Modifikationen und öffentlich-rechtlichen Beschränkungen im Interesse der Allgemeinheit, ohne mit einem Wort auf die abweichende herrschende Meinung einzugehen (NJW 1952, S. 1193), im Gegenteil: er stimmt der abweichenden Entscheidung des BGH "vorbehaltlos" zu (NJW 1952, S. 1197). 59

DVB1. 1950, S. 626, 627.

60

Deutsches Staatsrecht (1. Aufl.), S. 108.

61

Vgl. Dürig, Ztschr. für die gesamte Staatswissenschaft 109 (1953), S. 326,349.

8*

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wendigen Abgrenzungen 4er Rechtssphären der Privaten untereinander durch das Zivilrecht sollten schon nach dem Verständnis zur Zeit der Geltung der Weimarer Reichsverfassung als Inhaltsbestimmungen aufgefaßt werden, nur die Normen, die aus Gründen des Gemeinwohls der den Eigentümern prinzipiell verliehenen und abgegrenzten Rechtsmacht zusätzliche Grenzen setzten, stellten danach Schranken dar. Das grundlegend verwendete Argument, daß die von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG umfaßten Rechtspositionen sich erst aus der Gesamtschau aller eigentumsrelevanten Normen ergäben, wobei Inhalts- und Schrankenregelungen gemeinsam die Größe Eigentum festlegen würden 62, ist nur eine apodiktische These, denn bei allen Freiheitsgrundrechten bestimmt sich die letztlich geschützte Sphäre, also der Bereich, den der einzelne gegenüber dem Staat als Freiraum beanspruchen kann, aus dem Schutzbereich reduziert um die im konkreten Zeitpunkt gültigen verfassungsmäßigen Schranken.63 Trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, dort Schutzbereich und Schranken zusammenfassen zu wollen. Der eigentliche Grund für die Vereinheitlichung von Inhalt und Schranken liegt denn auch tiefer und berührt die Frage nach dem verfassungspolitischen Eigentumsverständnis. Das RG hatte Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV von einem liberalen Eigentumsverständnis her ausgelegt und die sozialpolitische Komponente des Art. 153 Abs. 3 WRV verdrängt. Dafür war es "posthum" von Apelt heftigst kritisiert worden.64 Unter der Geltung des Grundgesetzes war die sozialpolitische Bindung des Eigentums wiederum in Art. 14 Abs. 2 GG verankert worden. Die Einbindung veranlaßte die Literatur, das Eigentum als "sozialrechtlichen Begriff 1 aufzufassen 65 und die gewährleisteten Befugnisse als von vornherein unter dem Gesichtspunkt der Sozialordnung stehend und durch sie beschränkt anzusehen.66 Auch der BGH läßt in seinem Beschluß diese sozialrechtliche Bindung des Eigentumsinhalts erkennen, indem er ausführt, daß das Eigentum seinem Inhalt nach in gewissen

62 Vgl. z. B. Bidder , VVDStRL 10 (1952), S. 124, 136 Fn. 47; Stödter, DÖV 1953, S. 97, 98; Haas, MDR 1951, S. 650; Huber,Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 11; Weber, NJW 1950, S. 401,402. 63

Schneider, Verw. Arch. 58 (1967), S. 197,213.

64

Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 343 f.

65

Schumacher, NJW 1951, S. 53, 56.

66 Weber, NJW 1950, S. 401, 402; Stödter, DÖV 1953, S. 97, 98; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 11 verneint ausdrücklich die Bindung des Gesetzgebers an die liberalistische Eigentumsdogmatik bei der inhalüichen Ausgestaltung; Ridder, VVDStRL 10 (1952), S. 124, 136 Fn. 47 unter Hinweis auf die Verfassungslage der Weimarer Republik.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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Grenzen wandelbar sei67 und gesetzliche Begrenzungen nur "der Auffassung vom verpflichtenden Charakter (...) einen gesetzlichen Ausdruck" geben.68 Als Konsequenz der Vereinheitlichung von Inhalt und Schranken als Ausgestaltungsvorbehalt wurde von Teilen der Literatur dem einfachen Gesetzgeber ein besonderer Spielraum bei der Festlegung der Größe "Eigentum" zugebilligt.69 Dieser Ausgestaltungsspielraum sollte danach nur durch das Eigentumsinstitut und Art. 19 Abs. 2 GG begrenzt sein; er wurde überlagert von der Verpflichtung des Gesetzgebers zur Sozialstaatlichkeit nach Art. 14 Abs. 2 GG.70 Der BGH engte den Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers zwar dahingehend ein, als die normierte Inhaltsbegrenzung geeignet und erforderlich zur Durchsetzung des angestrebten Gemeinwohlinteresses sein müsse.71 Trotzdem bleibt die Frage, ob diese Auslegung dem Charakter des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Freiheitsgrundrecht des einzelnen gegenüber staatlichen Zugriffen unter dem Gesichtspunkt der anzustrebenden größtmöglichen Effektivität der Verfassungsnorm 72 gerecht wird. Dazu ist zu untersuchen, inwieweit sich der Ausgestaltungsspiehzum von dem dem Gesetzgeber bei den übrigen Gesetzesvorbehalten gewährten Gestaltungsspiehzum unterscheidet. Schon früh hatte das BVerfG festgestellt, daß der Gesetzgeber bei der Anwendung einer gesetzlichen Ermächtigung einen nicht justiziablen Gestaltungsspielraum habe. Danach könne der Gesetzgeber nur seinen politischen Zielvorstellungen folgend unterscheiden, ob und wie er eine ihm gewährte gesetzliche Ermächtigung wahrnehmen wolle. Die dabei angestellten politischen Zweckvorstellungen waren verfassungsgerichtlich nur insoweit überprüfbar, als die äußerste Grenze der Willkür nicht überschritten sein durfte. 73 Hatte 67

BGHZ 6, 270, 277.

68

BGHZ 6, 270, 288.

69

Vgl. Ipsen, VVDStRL 10 (1952), S. 74, 85; Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63, 79; Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 358; wohl auch Hamann, Das Grundgesetz (1. Aufl.), Art. 14 Anm. 5; ders., NJW 1952, S. 1176. 70 Krüger (DVB1. 1950, S. 625,627) erkennt für die Inhaltsbestimmungen in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ebenfalls einen weiten Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers an, der nur am Wesensgehalt des Grundrechts seine Grenze finden soll. 71

BGHZ 6, 270,279.

72

Vgl. grundlegend Thoma, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1, S. 1, 9; unter der Geltung des GG später Hamann, Das Grundgesetz (1. Aufl.), Einführung I E, allerdings mit der These :"In dubeo pro liberiate"; ebenso Uber, Freiheit des Berufs, S. 28; Jellinek, DÖV 1952, S. 383. Das BVerfG hat sich später der These von Thoma angeschlossen: E 6, 55, 72; 32, 54, 71; 39,1,38; 43,154,167. 73 BVerfGE 1, 97, 105; 1, 117, 135 f. unter Anerkennung der Unüberprüfbarkeit finanzpolitischer Erwägungen; 1, 264, 279; vgl. auch Scheuner, DVB1. 1952, S. 613, 615 f.; Zweigert, JZ 1952, S. 321,327.

118

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

der Gesetzgeber allerdings die politische Frage entschieden, daß er zum Schutz eines Gemeingutes tätig werden wollte, so mußte er bei der Gestaltung der Norm den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.74 Er hatte dann nur noch die Wahl zwischen verschiedenen möglichen gesetzlichen Regelungsinhalten, wenn diese in gleicher Weise geeignet und für den Schutz des Allgemeingutes erforderlich waren.75 Im Unterschied zum verfassungsgerichtlichen Prüfungsumfang des Ausgestaltungsspielraums bei inhaltsbestimmenden Normen, der als abschließende Kontrolle nur noch die Verletzung der Wesensgehaltssperre des Art. 19 Abs. 2 GG ermöglichte, wurde bei freiheitsbeschränkenden Gesetzen die Frage, ob der Eingriff in das Grundrecht in einem angemessen Verhältnis zum schützenswerten Allgemeingut stünde, in vollem Umfang für gerichtlich nachprüfbar gehalten.76 Dies ließ sich auch mit der damaligen Rechtsprechung des BVerfG zur Reichweite des gesetzgeberischen "Ermessens" begründen. Danach wurde dem Gestaltungsspielraum durch die in der Verfassung verankerten Grundprinzipien, die sich aus einer Gesamtschau der Verfassung als innerer Einheit ableiten ließen, verfassungsrechtlich Grenzen gesetzt.77 Der Gesetzgeber mußte den von ihm mit einem Gesetzvorhaben verfolgten Zweck mit diesen Grundprinzipien in ein angemessenes Verhältnis bringen. Als eine solche Grundwertung wurde das Bekenntnis zur Menschenwürde und zur Freiheit als dem obersten Zweck allen Rechts gedeutet, was sich aus der Stellung der Grundrechte innerhalb des Grundgesetzes, aus dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG und der Regelung des Art. 79 Abs. 3 GG ergab.78 In dieser Angemessenheitskontrolle unterschied sich somit nach dem damaligen Stand der Dogmatik der verfassungsgerichtliche Überprüfungsmaßstab bei Maßnahmen auf Grund eines Gesetzvorbehalts von solchen auf Grund eines sonstigen Regelungsvorbehalts. Die Wirkungskraft des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als individuelles Abwehrrecht gegenüber solchen regelnden Gesetzen wurde bei der Gleichsetzung von Inhalt und Schranken reduziert, obwohl sich dies, wie oben bereits dargelegt, nicht zwingend ergab, da Inhalt und Schranken durch eine entsprechende Auslegung für trennbar erachtet wurden.

74

BVerfGE 3, 383, 399.

75

Vgl. besonders deutlich Hamann, Das Grundgesetz (1. Aufl.), Einführung I D 7a, Anm. 8; dens. y NJW 1955, S. 969,971. 76

Vgl. Jerusalem, SJZ 1950, Sp. 2, 5; undeutlicher Krüger, DVB1. 1950, S. 625,628.

77

BVerfGE 1,14,32.

78 Vgl. v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 1, Anm. 2; Hamann, Das Grundgesetz (1. Aufl.), Einführung IE.

I. Die Rechtsprechung des BGH

119

Allerdings muß bei der kritischen Würdigung der BGH-Entscheidung in diesem Punkt berücksichtigt werden, daß sich zu dem Komplex Regelungs- bzw. Gesetzesvorbehalt und Eingriff noch keine klare Terminologie herausgebildet hatte. Während teilweise vom Ausgangspunkt einer einheitlichen Ausgestaltungsbefugnis in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG her folgerichtig die gesetzgeberische Konkretisierung des Eigentums als "Eigentumsbindungen"79 oder "Eigentumsbegrenzungen"80 bezeichnet wurde, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG wie der Regelungsvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG81 im Gegensatz zu den sonst üblichen Gesetzesvorbehalten eine andere Qualität habe82, wurden diese eigentumskonkretisierenden Normen von anderen Stimmen als "Eingriffe" oder "Schranken"83 tituliert, was wiederum für deren Einordnung als "von außen" auf die bereits vorgeprägte Eigentumssphäre der Bürger einwirkende staatliche Hoheitsakte sprechen würde. Als besonders auffälliges Beispiel für die Unsicherheiten bei der Begriffsbestimmung sei abschließend die Einordnung der Ausgestaltungsbefugnis von Huber als "Gesetzesvorbehalt"84 genannt, da er dem Gesetzgeber ein Ermessen bei der Festlegung des Inhalts des Eigentums und der übrigen privaten Vermögensrechte einräumt und damit verkennt, daß ein Gesetzesvorbehalt nur die Befugnis zur Einschränkung eines bereits vorhandenen Grundrechtsschutzbereichs einräumt.85 Allerdings wird der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung des BGH gerade auch in dem Punkt der Berücksichtigung eines effektiven Grundrechtsschutzes ein besonderer Augenmerk zu widmen sein.

79

So ζ. B. Weber, NJW 1950, S. 401,402.

80

So ζ. B. Jellinek, VVDStRL 10 (1952), S. 162 (Aussprache).

81

Vgl. Scheuner, WDStRL 10 (1952), S. 153,155 (Aussprache).

82

Vgl. Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63,79; Schumacher, NJW 1951, S. 53, 56; Hamann, NJW 1952, S. 1176, Uli, Haas, MDR 1951, S. 650. 83 Vgl. OLG Neustadt, NJW 1952, S. 1417, 1418; Dürig, JZ 1954, S. 4, 10; Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331,369 für die gesetzlichen KonfiskationstatbestAnde. 84

Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 11.

85

Vgl. Hamann, Das Grundgesetz (1. Aufl.), Art. 14, Anm. 5 m. w. N.

120

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

2. Die Kriterien des BGH zur Umschreibung der Gegenstände des Verfassungseigentums

Trotz der vereinzelt in den Entscheidungen des BGH verwendeten Formulierung, die Eigentumsfreiheit müsse das gesamte Vermögen der Bürger dekken 86 , erstreckt sich der gegenständliche Normbereich nach seiner Auffassung - zusammengefaßt und etwas vereinfacht - nur auf die durch die Rechtsordnung anerkannten wohlerworbenen Vermögenswerten Rechtspositionen Privater. 87 So klar und einleuchtend diese Umschreibung auf den ersten Blick auch erscheinen mag, die der BGH in Anlehnung an die reichsgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 153 Abs. 1 WRV aufgestellt hat, so schwierig ist die Konkretisierung der einzelnen Merkmale unter Heranziehung seiner Entscheidungen. Die sich ergebende Widersprüchlichkeit zwischen den Grundsätzen und ihren Anwendungsergebnissen im Einzelfall soll daher im folgenden neben den dogmatischen Begründungsansätzen für die einzelnen eigentumsbestimmenden Kriterien aufgezeigt werden.

a) Begrenzung der Eigentumsfreiheit

auf Rechtspositionen

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH werden nur Rechtspositionen vom gegenständlichen Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfaßt. 88 Von diesen rechtlich verfestigten und ausgeformten Beziehungen89 zwischen einem Gegenstand und seinem Inhaber waren danach "bloße Aussichten und Erwartungen" 90, "Chancen"91 und die "vorgefundenen Vorteile" 92 abzugrenzen. Zur Begründung findet sich zunächst die These, daß Eigentum ein Recht

86 BGHZ 6, 270, 278; 12, 52, 55; vgl. auch dens., MDR 1958, S. 493, 494: Enteignung sei ein Eingriff in ein Vermögen. 87

Ständ. Rspr., vgl. nur die zusammenfassende Darstellung von Kröner, Die Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, S. 30 ff., und Kreft, Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839, Rdnr. 24 ff. 88 BGHZ 50, 285, 289; 61, 252, 255; 62, 96, 98; 64, 382, 390, 392; 66, 173, 176; vgl. ferner die zusammenfassende Darstellung bei Klemhoff, DRiZ 1958, S. 167 f. 89

BGHZ 59, 322, 337.

90

BGHZ 64,382, 390 m. w. N.

91

BGH, JZ 1966, S. 358, 359.

92

BGH, VersR 1964, S. 89, 92.

I. Die Rechtsprechung des BGH

121

sei.93 Die in den frühen Entscheidungen zur Untermauerung herangezogene Rechtsprechung des RG kann daneben als historischer Auslegungsansatz gedeutet werden. Eine weitere Begründung für diese Verengung des Verfassungseigentums ist der Rechtsprechung nicht zu entnehmen.94 Bevor die Einzelheiten dieses Merkmals herausgearbeitet werden sollen, muß in diesem Zusammenhang noch darauf hingewiesen werden, daß das Gericht dieses Kriterium der rechtlichen Verfestigung auch für die Beurteilung der Frage heranzieht, in welchem Umfang eine einmal als schutzwürdig erkannte Position in den Normbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG einzubeziehen sei.95 Weil die Erfassung von Gegenstand und Umfang des Verfassungseigentums nur den einheitlichen Normbereich der Eigentumsfreiheit definiert, sind diese Erwägungen insoweit aber auch auf die Gegenstandsumschreibung übertragbar, als darin die allgemeine Überzeugung zum Ausdruck kommt, daß bloße faktische Gegebenheiten ohne rechtliche Ausprägung niemals unter Art. 14 GG fallen können.96 Das Unbehagen, das diese Rechtsprechung wegen der Übertragung gesetzlicher Ausprägungen der in Art. 14 Abs. 2 GG normierten Sozialbindung auf die Frage des Umfangs des Schutzgutes der Eigentumsfreiheit teilweise hervorgebracht hat 97 , beruht demgegenüber nicht auf der Festlegung des Schutzbereichs auf die rechtlich verfestigten Positionen, sondern ist zwangsläufiges Ergebnis der herrschenden Auffassung, die Inhalt und Schranken des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG als einheitlichen Regelungsauftrag begreift und deshalb bei derartigen Normen in keinem Fall einen von außen herrührenden Eingriff bejahen will. Darauf wird später zurückzukommen sein.

93

BGHZ 62, 96, 98.

94

Vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 33 fif.

95

Vgl. zu dieser Rechtsprechung Kreft, in: FS für Hauß, S. 203, 204fif.; kritisch Schulte, Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 22 ff., der der Rechtsprechung vorwirft, das Problem der Bestimmung des Eigentumsgegenstands mit dem Abgrenzungsproblem zwischen Enteignung und Sozialbindung zu vermengen; ebenso Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 84 f. 96

Vgl. dazu Kreft, in: FS für Hauß, S. 203, 204, der ebenfalls eine unmittelbare Beziehung zwischen Gegenstand und Umfang der geschützten Positionen herstellt. 97

Vgl. Schulte, Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 22 fif.

122

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

aa) Abgrenzung des Verfassungseigentums vom "Vermögen als ganzes" Auf Grund der in den Entscheidungen des BGH ständig wiederkehrenden Wendung von den Vermögenswerten Rechten98 als Schutzgegenstand der Eigentumsfreiheit erscheint die Ablehnung eines umfassenden Vermögensschutzes durch das Gericht zwangsläufig, da das Vermögen als wirtschaftliche Zusammenfassung aller in Geld schätzbaren Güter einer Person nach allgemeiner Ansicht keine rechtsatzmäßig verfestigte eigenständige Rechtsposition darstellt. 99 Wenn man allerdings die wenigen Stellungnahmen des BGH, die sich mit der Belastung des Vermögens durch Auferlegung einer Geldleistungspflicht beschäftigen, daraufhin untersucht, fallen angesichts des oben angeführten scheinbar eindeutigen Befunds deren vorsichtige, sogar undeutliche Formullierungen auf. In seinem Urteil vom 13. März 1958 über die Rechtmäßigkeit der Begründung einer öffentlichen Last nach dem Hess. Aufbaugesetz lehnt der BGH eine Enteignung nicht etwa mit dem Argument ab, allein das Vermögen, nicht aber ein konkretes Vermögensrecht sei von der hoheitlichen Maßnahme betroffen. Vielmehr verneint er den für eine Enteignung erforderlichen Eingriff "in ein Vermögen (!)" mit dem Argument, daß dem Bürger nichts von seinen "Rechten und Gütern (!) weggenommen", sondern nur eine "Verbindlichkeit zu seinen Lasten geschaffen" werde. 100 Mit dieser Argumentation wird die grundsätzliche Frage der Einbeziehung des Vermögens als solches offengelassen, denn möglich ist auch die Deutung, daß ein Eingriff in das Vermögen als der Summe aller geldwerten Rechte durch die Auferlegung einer Verbindlichkeit als Erhöhung der Passiva des betroffenen Bürgers wegen der fehlenden unmittelbaren Minderung des aktiven Vermögensbestands abgelehnt wurde, denn erst wenn der Bürger nach Entstehung der Verbindlichkeit diese tilgt, wirkt er selbst unmittelbar mindernd auf seine Aktiva ein. 101 Dieser Ansatz wird vom Gericht auch in späteren Entscheidun-

98

Vgl. nur BGHZ 15,17, 20; 23, 158,161; 26, 249,254; 45,151, 152; 48, 46,49; 52, 216, 227.

99

Vgl. Wendt, NJW 1980, S. 2111, 2115; Friauf, Juristische Analysen, S. 299, 306; Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, S. 61 Fn. 94; für den Bereich des Zivilrechts Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, § 17 13 (S. 307); Hübner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, Rdnr. 177. 100 101

BGH, MDR 1958, S. 493 f.

Vgl. auch die Deutung der Entscheidung bei Imohr, DVB1. 1968, S. 629, 630. Anders dagegen Wendt, NJW 1980, S. 2111,2114, derin dem durch die Auferlegung einer Leistungspflicht erzwungenen Zugriff des Steuerpflichtigen auf eine oder mehrere konkrete Vermögensbestandteile eine unmittelbare hoheitliche Einwirkung erblickt und dabei wohl übersieht, daß zwischen der hoheitlichen Steuerfestsetzung und der konkreten Vermögenseinwirkung der Entscheidungsprozeß des Steuerpflichtigen, auf welches konkrete Gut zur Tilgung seiner Steuerschuld er bestandsmindemd eingreifen

I. Die Rechtsprechung des BGH

123

gen verwendet, wenn auch jetzt mit dem klärenden Zusatz, daß eine Rechtsposition nicht unmittelbar belastet würde. 102 Nicht nachvollziehbar erscheint demgegenüber das Urteil vom 13. November 1975, das in Fortfuhrung der bisherigen Rechtsprechung unter ausdrücklicher Verweisung auf die zuletzt geschilderte Entscheidung einen Eingriff durch die Auferlegung von Verbindlichkeiten wegen der fehlenden unmittelbaren Einwirkung ablehnt, eine Ausnahme allerdings für den Fall erwägt, wenn der Betroffene genötigt werde, "auf die Substanz seines Eigentums zurückzugreifen" 103. Mit dieser Einschränkung greift das Gericht offensichtlich auf Erkenntnisse des BVerfG zurück, das bereits 1969 festgestellt hatte, Art. 14 GG werde "durch die Auferlegung bestimmter Geldleistungspflichten nicht verletzt, solange die Substanz durch die Besteuerung unangetastet bleibt". 104 Die Widersprüchlichkeit dieser apodiktischen These ist offensichtlich: Entweder wird durch das Entstehen einer Verbindlichkeit bereits unmittelbar auf das Vermögen bestandsmindernd eingewirkt, was voraussetzt, daß das Vermögen trotz seiner fehlenden Verfestigung in den gegenständlichen Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG einbezogen werden muß, oder aber bei der Beurteilung einer Enteignung durch das Auferlegen einer solchen Verpflichtung wird ausnahmsweise auf das Merkmal der "unmittelbaren" Einwirkung auf die konkrete Rechtsposition verzichtet, weil eine solche notwendige Bestandsminderung der Eigentumsrechte des betroffenen Bürgers erst durch seine Einwirkung in Form der Tilgung der Schuld erfolgt. Welcher Ausweg aus diesem Dilemma, auf der einen Seite als Verfassungseigentum angeblich nur Rechtspositionen erfassen zu können, auf der anderen Seite aber die vermutete "offene Flanke" der Eigentumsfreiheit gegenüber dem Steuergesetzgeber schließen zu müssen105, sich ergeben kann, ob die Annahmen, die ihm zugrunde liegen, korrekt ermittelt worden sind, soll im Moment der bloßen Bestandsaufnahme noch unerörtert bleiben.

will, liegt, worauf der Staat eben keinen Einfluß nimmt. Zwar wird der Anlaß für die entsprechenden Überlegungen des Steuerpflichtigen durch die hoheitlichen Maßnahme verursacht, die Auswahl des konkreten Gutes als Vorstufe zu deren Bestandminderung liegt dagegen allein den wirtschaftlichen Dispositionserwägungen des Pflichtigen (vgl. dazu auch BVerfGE 10,354,371). 102

Vgl. BGHZ 56, 221, 228 m. w. N.

103

BGH, NJW 1976, S. 423.

104

BVerfG, HFR 1969, S. 347.

105

Vgl. vorerst nur Ballerstedt, S. 217, 218.

in: Die Grundrechte, Bd. 3/1, S. 1, 39; Kimminich, JuS 1978,

124

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

bb) Abgrenzung der Rechtspositionen von Interessen, Chancen, Hoffnungen und Erwartungen Die Notwendigkeit einer Abschichtung der rechtlich fixierten eigentumsfahigen Positionen von den wirtschaftlich zwar vorhandenen, eventuell im Geschäftsleben als Vermögenswert anerkannten faktischen Aussichten und Gegebenheiten bedurfte aus der Sicht des BGH als Selbstverständlichkeit eigentlich kaum mehr als einer kurzen Erwähnung. Das grundsätzliche Bekenntnis des Gerichts zum "Dogma vom Schutz allein rechtlicher Herrschaft" 106 bereitet auch dogmatisch keine Schwierigkeiten, es besteht vielmehr in Literatur und Rechtsprechung in dieser Frage weitestgehend Konsens.107 Problematisch ist dagegen die Rechtsprechung bei dieser als notwendig erachteten Trennung, wenn sie im Einzelfall die Unterscheidung tatsächlich vornehmen muß. Dabei ist zwar zuzugeben, daß diese Schwierigkeiten im Regelfall erst bei der Bestimmung des Umfangs einer als schützenswert anerkannten Rechtsposition entstehen. Allerdings können diese Probleme nicht, wie dies von Teilen der Literatur angenommen wird, mit diesem Hinweis mit der Folge abgetan werden 108 , daß bei der Bestimmung der geschützten Güter der Grad der rechtlichen Verfestigung allein entscheidend sei. Nach herrschender Auffassung ist der Regelungsauftrag des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ein einheitlicher; somit müssen die Anforderungen, die an die vom Schutzbereich dieses Grundrechts erfaßten Positionen hinsichtlich der Ausgestaltung durch das Gesetz gestellt werden, bezüglich des "Ob" und des "Wieweit" den gleichen Beurteilungskriterien genügen, damit die absolut herrschende Auffassung in sich schlüssig bleibt. Deshalb können Widersprüche, die sich bei der Bestimmimg des Umfangs einer durch die Rechtsprechung im Prinzip anerkannten Rechtsposition ergeben, sehr wohl dieses auch vom BGH als dem Verfassungseigentum mitgeprägende Kriterium erschüttern. 109 Im folgenden sollen die oben bereits angedeuteten Schwierigkeiten der

106

Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 33.

107

Vgl. nur die Darstellungen in den gängigen Kommentaren zur dieser Frage, z. B. Kreft, Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839 , Rdnr. 29; AK-Rittstieg, Art. 14/15 GG, Rdnr. 56 ff.; BKKimminich, Art. 14 GG (2. Bearb.), Rdnr. 55; Jarass/Pieroth, Art. 14 GG, Rdnr. 5 a; Maunz/DürigPapier, Art. 14 GG, Rdnr. 55. 108 Vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 35 Fn. 122; ähnlich Schulte, Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 23. 109

Vgl. dazu anschaulich Friehe, JuS 1981, S. 867, 869, der auf der einen Seite die Einbeziehung des Unternehmens als Ganzes in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit mit dem Hinweis auf die in dieser Position enthaltenen Erwerbschancen ablehnt, den Kundenstamm im Rahmen des Rechts am

I. Die Rechtsprechung des BGH

125

Abgrenzung von den faktischen Gegebenheiten im Bereich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dargestellt werden. Dieses Recht bietet sich wegen seines Charakters als Rahmenrecht an, weil es als Gesamtheit der in einem Betrieb zusammengefaßten Rechte und Sachen definiert wird. Wenn also unter dem Verfassungseigentum nur Rechtspositionen zu verstehen sind, wäre es an sich konsequent, wenn der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb von seinem Umfang her ebenfalls nur mit den im Unternehmen enthaltenen und zusammengefaßten Rechten von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG umfaßt werden würde. Der gegenständliche Schutzbereich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hat in der Rechtsprechung des BGH trotz dieses an sich eindeutigen Befunds mehrmals Veränderungen erfahren müssen. Während das RG den verfassungsrechtlichen Schutz dieses Rechts nur auf die Gesamtheit der im Betrieb zusammengefaßten Rechte erstreckte 110, wurde, beginnend mit der Entscheidung vom 28. Januar 1957, das Verfassungseigentum auf die "Betriebsgrundstücke und -räume, sowie die Einrichtungsgegenstände, die Warenvorräte und die Außenstände", aber auch die "geschäftlichen Verbindungen, (den) Kundenstamm, kurz alles das, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des konkreten Gewerbebetriebs ausmacht", erweitert. 111 Als Begründimg für dieses Vorgehen wurde auf die gewandelten Vorstellungen über den erfaßten unternehmerischen Bereich verwiesen, die im Bereich der deliktsrechtlichen Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB zu einer Veränderung vom reinen Bestandsschutz zum Schutz der gewerblichen Betätigung vor jedem unmittelbaren Eingriff in den Bereich des Gewerbebetriebs geführt hätten.112 Die zivilrechtliche Extension mußte nach Ansicht des BGH auf den Bereich des Art. 14 Abs. 1 GG übertragen werden, weil der Zweck des § 823 Abs. 1 BGB, den Schutz des gesamten gewerblichen Tätigkeitskreises zu gewährleisten, auch bei der Abwehr staatlicher enteignender Maßnahmen gelten müsse. Der Begriff des eingerichteten Gewerbebetriebs könne daher nur einheitlich gefaßt werden, sein Umfang müsse mit "wirtschaftlich wertender

eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aber als geschützt ansieht, obwohl dieser für sich kein Recht ist und gerade nur die rechnerische Umsetzung der zukünftigen Erwerbsentwicklung des Unternehmens verkörpert. 110

Vgl. RGZ 139, 177,187, 189.

111

BGHZ 23, 157, 162 f. (Hervorhebung vom Verfasser); 45, 83, 87; 45, 150, 155; DB 1962, S. 1370, 1371; DB 1968, S. 258; BB 1968, S. 13; DVB1. 1967, S. 879; NJW 1967, S. 1749, 1750; NJW 1967, S. 1752,1753. 112

Vgl. BGHZ 23,157,162 unter Hinweis auf BGHZ 3,270,279 f.

126

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Beurteilung" anhand der jeweiligen konkreten Situation ermittelt werden. 113 Mit dem ersten Teil der Begründung griff der BGH offensichtlich auf die vom BVerfG verwendete Formulierung, Art. 14 GG schütze "das Rechtsinstitut des Eigentums, so wie es das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen geformt haben"114 zurück, was eine nähere Auseinandersetzung als überflüssig erscheinen lassen mochte. Nur am Rande sei deshalb hier die Frage aufgeworfen, wie denn die gesellschaftlichen Anschauungen, die sich noch nicht in konkreten Gesetzen niedergeschlagen hatten, das Verfassungseigentum angesichts des "alleinigen" Gestaltungsauftrags an den Gesetzgeber in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG den Umfang des Verfassungseigentums mitgestalten, wie denn eine wirtschaftlich wertende, nicht rechtliche Betrachtungsweise für das Vorliegen eines Eingriffs in ein vermögenswertes Recht entscheidend sein konnte. Auch die Übertragung der ratio des § 823 Abs. 1 BGB auf die verfassungsrechtliche Eigentumsfireiheit wurde später in der Literatur angezweifelt. 115 Ungeachtet dieser Bedenken ist in dem hier interessierenden Zusammenhang nur entscheidend, daß der BGH mit seiner "Ausstrahlungsdogmatik" ein Einfallstor für lediglich gesellschaftlich anerkannte Positionen geschaffen hatte 116 , das er nun, um den Dissens zu seinem Grundsatz der Nichtberücksichtigung faktischer Gegebenheiten zu vermeiden, auf andere Weise schließen mußte.117 Zunächst fällt an der oben genannten Grundsatzentscheidung über den Umfang des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die Selbstverständlichkeit auf, mit der das Gericht neben dem Bestand an Rechten und Sachen auch den Kundenstamm und andere immaterielle Wirtschaftsgüter erwähnt. Dabei hätte eigentlich auffallen müssen, daß gerade der ausdrücklich aufgeführte Kundenstamm als Teil des Firmen- oder Geschäftswerts eines Unternehmens keine rechtlich verfestigte Position, sondern nur einen im Schätzweg ermittelten Bewertungsposten für die aus den bereits bestehenden laufenden Geschäftsverbindungen abgeleiteten erhofften künftigen Gewinner-

113

BGHZ 23, 157,162 f.; zustimmend z. B. Dürig, in: FS für Apelt, S. 13, 14 Fn. 3 a. E.

114

BVerfGE 1,264,278 (Hervorhebung vom Verfasser).

115

Vgl. Badura, AöR 98 (1973), S. 153, 155; Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 84; vorsichtig auch Kreft, LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 18, allerdings mit dem Ergebnis, daß Art. 14 GG sich nur aufbereite vorhandene konkrete Werte (nicht Rechte!) beziehe. 116

V. d. Heydte (in: FS für Paulick, S. 267, 274) charakterisiert das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Unternehmen denn auch als "Kern eines Vermögens", das sich aus einer Vielheit "durch ihre Funktion in einem inneren (wirtschaftlichen) Zusammenhang stehen(der)" vermögenswerter Gegenstände zusammensetze. 117

Vgl. Steinberg/Lubberger,

Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, S. 70 fif.

I. Die Rechtsprechung des BGH

12

Wartungen darstellt. 118 Konsequenterweise wurde dieser entscheidende Passus in der Literatur als stillschweigende, wenigstens teilweise Abkehr der Rechtsprechung vom Dogma des Verfassungseigentums als rechtlich geprägte Herrschaftsform angesehen, als zumindest beim Rahmenrecht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs auch wirtschaftliche Chancen und Interessen in den gegenständlichen Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG einbezogen werden sollten.119 Untermauert wurde diese Deutung dadurch, daß der BGH die Rechtsqualität des durch den staatlichen Akt beeinträchtigten "Teilbereichs" innerhalb des Unternehmens unerörtert und darüber hinausgehend isoliert von seiner Zugehörigkeit zu diesem Rahmenrecht dessen Einbeziehung in das Verfassungseigentums selbst entweder offengelassen 120 oder später sogar ausdrücklich abgelehnt hat. 121 Schließlich verdeutlichte auch die Heranziehung der "jeweiligen (faktischen) Situation, in der Gewerbe betrieben wird" 122 als rein betriebswirtschaftliche Erwägung zur Ermittlung des rechtlichen Umfangs des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs durch die Rechtsprechung das ganze Ausmaß von der Abkehr der reichsgerichtlichen "Bestandsermittlung", da jetzt ζ. B. auch "die Möglichkeit, auf die vorübergehenden Fußgänger einzuwirken" und Laufkundschaft zu gewinnen123, als Bestandteil des Gewerbebetriebs anerkannt wurde. 124 Im weiteren Verlauf der Arbeit sollen nun die verschiedenen Abgrenzungskriterien zur Schließung des vom BGH sehr weit gefaßten schutzwürdigen Bereichs des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, die sich teilweise überschneiden und zu einer unübersichtlichen "schillernden Kasuistik" verdichten 125, angedeutet und systematisiert werden, um daraus Folgerungen für die Einhaltung 118

Vgl. dazu auch die eindeutigen Formulierungen in RGZ 167,260,262.

119

Vgl. Kleinhoff, DRiZ 1958, S. 167; Pagendarm, DRiZ 1960, S. 314, 317; dens., LM, Art. 14 GrundG, Nr. 63, Bl. V, Schock, BB 1963, S. 1227fif.; dens., DVB1. 1967, S. 882, 883; Schmidt, NJW 1968, S. 791; Leisner, NJW 1974, S. 478, 479; Kreft, LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 18. unter Ablehnung einer "formalrechtlichen" Betrachtungsweise. 120

Ζ. B. bei der damals strittigen Beurteilung des Gemeingebrauchs in BGHZ 23, 157, 161 trotz der entsprechenden Ausführungen des Berufungsgerichts (vgl., BGHZ 23, S. 160), und in LM, Art. 14 GrundG, Nr. 76, Β. 1 f., wo der Gemeingebrauch lediglich als "RechtsbegrifF' bezeichnet wird. Vgl. zur ersten Entscheidung auch die entsprechenden Ausführungen bei Bettermann, MDR 1957, S. 672, 673 und Pagendarm, LM, Art. 14 GrundG, Nr. 63, Bl. 1. 121 BGHZ 45, 150, 154; 48, 58, 60; 48, 340, 343; 52, 216, 227; LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 24, Bl. 1. 122

BGHZ 23, 157, 163 f.

123

BGHZ 23, 157, 163 f.; 29,65,68.

124

Vgl. dazu Pagendarm, LM, Art. 14 GrundG, Nr. 63, Bl. 1.

125

Ossenbühl, Staatshaftungsrecht (2. Aufl.), S. 109; deutlich kritischer ζ. B. Peter, JZ 1969, S. 549, 552: "Die Enteignung ist nur noch (!) kasuistisch verstehbar."

12

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

des Erfordernisses einer rechtlichen Fixierung der geschützten Eigentumspositionen abzuleiten.

(1) Beschränkung der Wirkung der Eigentumsfreiheit auf die "Substanz des Betriebs"

Ein Begrenzungskriterium zur Trennung von bloßen Gewinnchancen innerhalb des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt die Forderung der Rechtsprechung dar, daß ein Eingriff mit enteignendem Charakter immer auf die "Substanz"126 des Verfassungseigentums, konkret: in bereits vorhandene, nicht nur in erwartete Betriebsbestandteile, auswirken müsse.127 Schon die Prämisse des BGH, innerhalb des Rahmenrechts seien nur die Bestandteile geschützt, die als selbständige Teile angesehen werden könnten, ist vor dem Hintergrund, daß der Organismus des Unternehmens eine andere Qualität als die Summe seiner Teile hat, zweifelhaft. 128 Die daraus zu schließende Konsequenz, daß Zukunftserwartungen, die sich noch nicht im Betrieb verdichtet haben, nicht unter den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fallen, ermöglicht allerdings nicht die völlige Differenzierung zwischen den zu erfassenden Rechtspositionen und den übrigen faktischen Gegebenheiten. Da der BGH selbst in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit der Einbeziehung konkreter Betriebsbestandteile spricht, sind nach Anwendung dieses Kriteriums die gesellschaftlich anerkannten Objekte und Werte im Betrieb, wie ζ. B. der Firmenwert, noch nicht eleminiert. 129

126 Vgl. in diesem Zusammenhang die Entscheidung des BVerfG über das Investitionshilfegesetz vom 20. Juli 1954 (E 4, 7,17), wonach beim Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nur die Bestandteile als durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt anzusehen seien, die als "selbständiges Recht" qualifiziert werden könnten. Dagegen mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise Ipsen, AöR 78 (1952/53), S. 284, 291; Hoffmann,, DVB1. 1969, S. 202, die beide danachfragen, ob durch den Entzug liquider Mittel der Wert des Unternehmens als Ganzes gemindert würde. Die Entscheidung des BVerfG läßt sich allerdings mit dem Argument halten, daß durch das IHG unmittelbar nur eine Verbindlichkeit begründet werde, so daß schon kein bestandsmindernder Eingriff in die "Aktiva" des Unternehmens vorliege (vgl. die Ausführungen des Gerichts ebenda). 127 Vgl. ζ. B. BGHZ 7, 273, 274 f., wo die Beschränkung der Ertragsfähigkeit nicht als Substanz des Betriebs angesehen wird, gleichwohl aber bei erheblicher Beeinträchtigung derselben ein Aufopferungsanspruch gegeben sein soll; 45, 150, 155; WM 1962, S. 1008, 1012; NJW 1967, S. 1749, 1753; NJW 1980, S. 2700, 2701; LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 36, Bl. 1; LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 38, Bl. 1. 128 129

Vgl. Hoffmann, DVB1. 1969, S. 202.

Vgl. als Beispiele aus der Rechtsprechung BGHZ 48, 58 ff., wo auf der einen Seite der Charakter des Gemeingebrauchs als Rechtsposition geleugnet (BGHZ 48, S. 60), auf der anderen Seite eine

I. Die Rechtsprechung des BGH

12

(2) "Innen " und "Außen " als Rechtskategorie Einen weiteren Begriffstopos zur Abgrenzung von faktischen Gegebenheiten versuchte der BGH mit dem Gegensatzpaar "Innen" und "Außen" zu finden. Ein Gewerbetreibender werde danach bei der Nutzung seiner im Betrieb vereinigten "inneren" Mittel und Werte von den allgemeinen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten beeinflußt. Diese Umstände hätten aber keinerlei konkreten Bezug zu seinem einzelnen Betrieb, er könne auf sie nicht gestaltend einwirken. Aus diesem Grunde lägen Vorteile, die sich aus diesem generellen Umfeld für den konkreten Fall ergäben, außerhalb des verfassungsrechtlich geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Geweibebetrieb, weil der Unternehmer nur eine Chance, nicht aber ein Recht auf die Aufrechterhaltung der für ihn günstigen Situation habe.130 Eine Ausnahme sei nur in den Fällen möglich, bei denen der Betriebsinhaber auf das Fortbestehen derartiger außerbetrieblicher Umstände vertrauen dürfe. 131 Dieses vom BGH geprägte Kriterium zur Konkretisierung der allein geschützten "Substanz" eines Gewerbebetriebs als Rechtsposition vermag weder im konkreten Fall noch abstrakt zu überzeugen.132 Zur Untermauerung dieser These sei zunächst auf die "Soldatengaststättenentscheidung" des BGH verwiesen133 , in der Veränderungen des Straßensystems, die die Straße als Kommunikationsmittel unangetastet lassen, aber den Kundenstamm von einem Gewerbebetrieb abhalten, als enteignende Maßnahmen untersucht wurden. Dort wurde zunächst allgemein festgestellt, daß auch der bereits erworbene Kundenstamm als wirtschaftlicher Wert in das Schutzgut der Eigentumsfrei-

Abgrenzung von Gewinnchancen, Zukunftshoffnungen und Erwartungen von den konkreten Werten und Objekten vorgenommen und der "Kontakt nach außen" trotz fehlender Rechtsqualität zu diesen konkreten Bestandteilen gerechnet wird (BGHZ 48, S. 61); dazu auch Hoffmann , DVBl. 1969, S. 202; BGH, LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 18, wo der Kundenstamm als Substanzbestandteil anerkannt wird. Ferner Leisner, NJW 1974, S. 478, 479: Der als Betriebsbestandteil geltende good will "ist keine 'Chance', sondern bereits ein existierender Wert"; Kreft, LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 18. 130

Vgl. BGHZ 45, 83, 87 zur Beurteilung eines Schutzzolls; NJW 1964, S. 769, 770 zur Frage der Aufrechterhaltung einer günstigen Gesetzeslage bei öffentlichen Filmveranstaltungen; JZ 1968, S. 130 zur Aufrechterhaltung von Vorschriften über die Ausrüstung von Kraftfahrzeugen; Ζ 55, 261, 264 zur Aufrechterhaltung eines Lagevorteils; weiter Nachweise bei Kreft, Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839, Rdnr. 72. 131

Vgl. zu diesem Gesichtspunkt die nachfolgenden Ausführungen ab S. 136.

132

A A Kreft, LM, Art 14 (Cf) GrundG, Nr. 18; dens., öfifentiich-rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839 Rdnr. 71fif.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht (2. Aufl.), S. 111fif.; Arndt, LM, Ait. 14 (Cf) GrundG, Nr. 3\\Badura, AöR 98 (1973), S. 153,165. 133

BGHZ 55,261 fif.

9 Eschenbach

1

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

heit einzubeziehen sei. 134 In den weiteren Ausführungen stellte das Gericht dagegen fest, daß "die besondere Lage eines Betriebs an einer bestimmten Straße (...) regelmäßig nur einen zufälligen außerhalb des Betriebs stehenden allgemeinen Vorteil (bilde), mag sie auch den Betriebsinhaber veranlassen, sein Unternehmen auf einen bestimmten Kundenstamm einzustellen"135. In diesem Zusammenhang wurde die Beeinträchtigung des erworbenen Kimdenstamms - einer prinzipiell anerkannten Position - durch die veränderte Verkehrsführung unter dem Gesichtspunkt der Berührung des Schutzbereichs des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht geprüft, vielmehr lag nach der Auffassung des Gerichts schon keine Rechtsposition vor. In der Literatur wurde gegenüber diesem Standpunkt zu Recht geltend gemacht, daß auch die Veränderung der allgemeinen Rechtslage auf die wirtschaftliche Substanz des Geweibebetriebs und nicht nur auf das allgemeine unternehmerische Risiko einwirken könne, so ζ. B. wenn durch eine gesetzliche Novellierung die weitere Produktion eines speziellen Gutes durch ein eingerichtetes und betriebenes Spezialunternehmen mangels Kundschaft eingestellt werden müßte, dieser also wertlos werden würde 136 oder wenn der seit langer Zeit ausgeübte Betrieb wegen der günstigen äußeren Umstände für den Inhaber eine gesicherte Existenzgrundlage bilde. 137 Allerdings erscheint die Richtigkeit des letzteren Gesichtspunkts zweifelhaft, da die Erwartung des Inhabers, sein Betrieb werde auch weiterhin seine Existenz sichern, eben auch nur eine in die Zukunft gerichtete Hoffnung darstellt. 138 Wie immer man im einzelnen diese Kritik bewerten mag, festzuhalten bleibt jedenfalls, daß dierigorose Ausblendung von äußeren Gegebenheiten ohne die Prüfung, ob diese den wirtschaftlichen Wert des konkreten Betriebs mindern, einen augenscheinlichen Bruch gegenüber der "Ausstrahlungsdogmatik" des Gerichts bedeutet.139 Wenn der gegenständliche Bereich des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs tatsächlich alle wirtschaftlichen Positionen

134

BGHZ 55, S. 263.

135

BGHZ 55, S. 264 (Hervorhebung vom Verfasser).

136

Vgl. Schmidt, NJW 1968, S. 791; Badura, DÖV 1964, S. 539, 540; Schwabe, DVB1. 1981, S. 386, 388 f.; kritisch auch Schulte, Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 25. 137

Schock, DVB1. 1967, S. 882, 883.

138

So im Ergebnis auch Kreft,

139

LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 33.

Besonders deutlich wird dieser Bruch in der Entscheidung des BGH in JZ 1968, S. 130, wo zunächst der Schutzbereich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auf die gesamten Erscheinungsformen ausgedehnt und dann aber ausgeführt wird: "Indessen wird die 'Substanz' eines Gewerbebetriebs durch eine hoheitliche Maßnahme nur berührt,..." (Hervorhebung vom Verfasser).

I. Die Rechtsprechung des BGH

131

innerhalb des Unternehmens umfaßt, müssen folgerichtig prinzipiell solche Normen, die auf diese wirtschaftliche Positionen wertmindernd einwirken, als "eigentumsbegrenzende Inhaltsbestimmungen" nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG angesehen werden mit der Konsequenz, daß sie ζ. B. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unter Zugrundelegung der Eigentumsfreiheit genügen müssen.140 Eine Ausnahme wäre nur unter dem Gesichtspunkt einer nur mittelbaren Grundrechtsberührung durch die Norm möglich, also dogmatisch bei dem Merkmal des "Bestimmens" i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu verorten. 141 Keinesfalls ist es unter Berücksichtigung der weiten Ausstrahlungsdogmatik des BGH denkbar, solche gesetzlichen Änderungen des Güterbestands gänzlich außerhalb des Reglungsgefüges des Art. 14 GG einzuordnen (also der nach Auffassung des BGH notwendigen Unterscheidung zwischen gesetzlicher Sozialbindung und Enteignung), weil sie dann nur noch im Rahmen des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG, "durch die Staatsgewalt nicht mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist" 1 4 2 , unter Vernachlässigung des vom Gericht festgestellten eigentumsspezifischen Bezugs verfassungsrechtlich überprüfbar sind.143 Tatsächlich hat der BGH trotz gegenteiliger Beteuerungen diese scharfe Beschneidung des gegenständlichen Schutzbereichs später modifiziert. Besonders deutlich wird diese stillschweigende Abkehr in seinen Ausführungen zum straßenrechtlichen Verbot von Werbefahrten. Dort wird zunächst ausdrücklich offengelassen, ob durch die gesetzliche Veränderung von allgemeinen Gegebenheiten und Chancen der Schutzbereich der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berührt werde. 144 Dann wird der Begriff der außerhalb des Betriebs liegenden, vorgefundenen "Gegebenheiten und Chancen" dahinge140

So Hoffmann, DVB1. 1969, S. 202,203.

141

Vgl. dazu die Ausführungen auf S. 122 f.

142

BVerfGE 9, 83, 88; 19, 206, 215; 30,191, 198.

143

Erstaunlich in diesem Zusammenhang ist die Selbstverständlichkeit, mit dieser offensichtliche Wertungswiderspruch in der Literatur hingenommen wird. Maunz/Dürig-Papzer, Art. 14 GG, Rdnr. 96 stellt zunächst in Übereinstimmung mit dem BGH fest, daß zum geschützten Bereich des Gewerbebetriebs auch der Kundenstamm gehöre. Später führt der Autor aus, daß die Veränderungen von Lagevorteilen, die von vornherein nicht einer verfassungsrechtlich geschützten Eigentümerposition unterfielen, in keinem Fall enteignenden Charakter haben könnten, selbst wenn sie zur Existenzvernichtung führen (Maunz/Dürig-Pop/er, Art. 14 GG, Rdnr. 103), leugnet somit deren wirtschaftlich Einbindung in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Im weitern Verlauf seiner Erörterung behauptet er sogar, daß die Vernichtung des Kundenstamms, also eines innerhalb des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb von ihm anerkannten Bestandteils, durch die Veränderung der Verkehrsführung das wirtschaftlich gesehen geschmälerte Verfassungseigentumsrecht des Betroffenen erst gar nicht tangiere (Maunz/Dürig-Pap/er, Art. 14 GG, Rdnr. 113). 144

9*

BGHZ 78,41,45.

12

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

hend konkretisiert, daß darunter rechtmäßige Änderungen, "die die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gezogene Grenzen nicht überschreiten", zu fassen seien, auch wenn sie in die Substanz des geschützten Eigentumsobjekts eingreifen. 145 Rechtswidrige Veränderungen von äußeren Umständen, die auf den Gewerbebetrieb negativ Einfluß nähmen, berühren dagegen nicht nur den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG, sie verletzen ihn sogar und führen zu einer Entschädigung. Nach anderen Entscheidungen des Gerichts sollen denn auch Veränderungen der Verkehrssituation, die zu einer Abwanderung der Kundschaft eines Gewerbebetriebs fuhren, sobald sie wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder die Wesensgehaltssperre des Art. 19 Abs. 2 GG rechtswidrig sind, zu einer Entschädigung wegen eines enteignungsgleichen Eingriffs führen, obwohl sie eigentlich als äußere Gegebenheiten146 die Rechtsposition des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erst gar nicht tangieren dürften. 147 Wenn man weiterhin berücksichtigt, daß der rechtswidrige enteignungsgleiche Eingriff nach Auffassung des BGH von seiner Natur her enteignenden Charakter haben und somit in eine eigentumsfähige Position eingreifen muß 148 , so kann diese Rechtsprechung nur dahingehend gedeutet werden, daß gesetzliche Neuorientierungen der "äußerlichen" allgemeinen Umstände, sobald der Gewerbebetrieb in seiner Ausstrahlung, in seinem wirtschaftlichen Wert als Zusammenfassimg von Sachen, Rechten und anderen Gütern betroffen ist, Inhaltsänderungen i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen.149 Das bedeutet aber letztlich, daß auch ohne eine solche gesetzliche Inhaltsbestimmung der Umfang des verfassungsrechtlich geschützten Bereichs des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs durch die gesellschaftlich fixierte Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu ihrem tatsächlichen Inhaber bestimmt werden kann, dieses Recht von seinem gegenständlichen Umfang her nicht auf eine rechtliche Umschreibung angewiesen ist.

145

BGHZ 78, s. 46 f.

146

So in der Besprechung des Urteils BGHZ 48, 58, 60 ausdrücklich Kreft, GrundG, Nr. 33. 147

LM, Art. 14 (Cf)

Vgl. ζ. B. BGHZ 48, 58, 60: Der Gemeingebrauch ist keine Rechtsposition, BGHZ 48, S 61: Die Verkehrslage ist kein konkreter Wert, dann aber BGHZ 48, S 62 mit Hinweis auf BGH, LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 27: Die nicht eigentumsrelevanten Maßnahmen werden unter Berücksichtigung der Eigentumsfreiheit anhand des Verhältnismäßigkeitsprinzips und der Wesensgehaltssperre geprüft. 148

Vgl. BGHZ 32, 208, 210 f.

149

Vgl. Schmidt, NJW 1968, S. 791; Bender, NJW 1965, S. 1297,1300.

I. Die Rechtsprechung des BGH

1

(3) Der Rückgriff auf das bürgerlich-rechtliche Sacheigentum als Begrenzungskriterium Ein weiteres Merkmal, um der durch die weite Umschreibung des gegenständlichen Schutzbereichs des Rahmenrechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb drohenden Gefahr eines "uferlosen" Schutzes vermögenswerter Interessen zu begegnen, suchte der BGH in der Heranziehung der Rechtsprechung des BVerfG, wonach für die Einbeziehung einer Position in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit entscheidend sein sollte, ob sie derjenigen eines Sacheigentümers "so nahe kommt, daß Art. 14 GG Anwendung finden muß" 150 . Dementsprechend fußt die Rechtsprechung des BGH ebenfalls auf einer an der Stellung des Sacheigentümers sich ausrichtenden wertenden Betrachtungsweise, weil u. a. auch entscheidend sein sollte, ob der in Rede stehende Wert "eines Schutzes wie das Eigentum fähig und eines solchen bedürftig" sei 151 . Dem an sich naheliegenden Einwand, daß das Gericht zur Ermittlung der Bestimmungsmerkmale des eigenständigen Verfassungseigentumsbegriffs auf das Sacheigentum zurückgreife, obwohl die herrschende Meinung auf Grund der gesellschaftlichen Wandlungen und der mit ihnen einhergehenden zunehmenden Bedeutungslosigkeit des Sacheigentums für die menschliche Existenzsicherung bzw. die Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr schon in der Weimarer Zeit von dieser Gleichsetzung Abstand genommen hatte, ist das Gericht leider nicht nachgegangen, eine Begründung für die behauptete Vergleichbarkeit und Prägung durch dieses einfachgesetzliche Rechtsinstitut findet sich an keiner Stelle. Mit dieser daher zweifelhaften Argumentationsfigur 152 wurde ζ. B. der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Wahrung des ihm nach dem Schwerbehindertengesetz zustehenden Kündigungsschutzes aus dem gegenständlichen Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ausgeschlossen, weil es sich bei diesem "Recht" nach der richterlichen Auffassung um einen bloßen Rechtsreflex handele.153 Zur Erklärung der Wirkungsweise dieses Merkmals zur Abgrenzung der Eigentumsgegenstände von den bloßen Chancen geben die Entscheidungsgründe daher nichts her. Im "Importsaatguturteil" führt dagegen

150

BVerfGE 4, 219, 241.

151

Vgl. nur BGH, LM, Art. 14 (Cc) GrundG, Nr. 12, Bl. 4; LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 35, Bl. 1; LM, Art. 14 (Ce) GrundG, Nr. 39, Bl. 3; LM, Art. 14 (Bc) GrundG, Nr. 17, Bl. 1. 152 Dem BGH folgend dagegen z. B. Krohn, Gew. Arch. 1979, S. 249; Kreft, Ersatzleistungen, Vor § 839, Rdnr. 28; ders., in: FS für Hauß, S. 203, 204. 153

BGH, LM, Art. 14 (Cc) GrundG, Nr. 12, Bl. 4.

Öffentlich-rechtliche

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

der Vergleich des Eigentümers von importiertem Saatgut, dem die Zulassung als "Importsaatgut" nach § 39 SaatG verweigert worden war, mit der Rechtsstellung eines Sacheigentümers zu dem Ergebnis, daß durch die rechtswidrige Verweigerung dieser Zulassung zwar die Gewinnerwartungen und damit der wirtschaftliche Wert des Gutes beeinträchtigt, jedoch nicht die Rechtsstellung des Inhabers gemindert worden sei, weil die Eigenschaft als "Importsaatgut" diesem rechtlich noch nicht zugestanden hätte.154 Die Heranziehung der Sacheigentumskriterien führte somit in der hier interessierende Frage dazu, daß Chancen in Abgrenzung zu den Eigentumsgegenständen immer der notwendigen Konkretisierung und Zuordnung entbehren.155 Damit aber gelingt mit diesem Topos keine über den "Substanz"-Gesichtspunkt hinausfuhrende Eingrenzung, auch hiernach sind gesellschaftlich, nicht rechtlich anerkannte Wirtschaftsgüter im Rahmen des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs als Verfassungseigentum geschützt. Besonders deutlich wird dieses Ergebnis in der dem BGH zustimmenden Kommentierung von Kreft. Danach muß es sich um einen konkreten Vermögenswert handeln, der nach wirtschaftlich wertender Betrachtungsweise dem Inhaber als zu ihm gehörig zugerechnet werde. 156 Eine Rückführung auf die allein rechtlich fixierten Positionen wird insoweit nicht erreicht.

(4) Die Rückbesinnung auf die normativen Grenzen zur Bestimmung des Verfassungseigentums

Einen scheinbar offensichtlichen Widerspruch zur 1957 begründeten wirtschaftlichen Globalformel bei der Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsfreiheit stellt die spätere Begrenzung und Fixierung auf die rechtlich umschriebenen Befugnisse des Inhabers der betroffenen Rechtsposition157 dar. Im Rahmen des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erlangte diese Restriktion bei den sog. Anliegerfällen 158 Bedeutung. Hier ver154

BGH, LM, Art. 14 (Cc) GrundG, Nr. 18.

155

Vgl. weiter BGH, LM, Art. 14 (Ce) GrundG, Nr. 39, Bl. 3, wo auf die rechtliche Qualifizierung als Bauland abgestellt wird. 156 LM, Art. 14 (Bb) GrundG, Nr. 36, Bl. 1; LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 33, Bl. 1; JA 1976, S. 253, 258; zweifelnd dazu Kröner, Die Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, S. 32. 157 158

Vgl. BGHZ 62,96,98; 64,382,390; 66,173,176 fif.

Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs durch faktische Eingriffe in den Anliegergebrauch an öffentlichen Straßen u. ä.

I. Die Rechtsprechung des BGH

15

band der BGH die zivilrechtliche Komponente des Rahmenrechts, vom Betriebsgrundstück aus werbend auf den vorbeifließenden Geschäftsverkehr einwirken zu dürfen 159 , mit der subjektiv-öffentlichen Rechtsstellung des Anliegers. Dadurch sollte dem prinzipiell als schutzwürdig anerkannten Lagevorteil ein rechtlich konkretisierendes Gerüst übergestülpt werden, um die Entschädigungspflicht von faktischen Beschränkungen des Verkehrsflusses, die der Zweckbestimmung der Straße dienen sollen, auszuschließen. Die Verkehrsbehinderungen durch Straßenarbeiten zur Erhaltung und Anpassung an steigende Verkehrsbedürfhisse waren dann entschädigungslos hinzunehmen, wenn sie nach Art und Umfang bei ordnungsgemäßer Planung unter Hinzuziehung der möglichen und zumutbaren Mittel unvermeidbar waren. Wurde dagegen ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz festgestellt, lag ein rechtswidriger enteignungsgleicher Eingriff vor. 160 Auch hier muß wiederum die Frage gestellt werden, wie eine rechtswidrige Beschränkung des "Kontakts nach außen" einen Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum auslösen kann, wenn auf der anderen Seite der gleich wirkende rechtmäßige Eingriff dessen Schutzbereich schon gar nicht tangieren soll. Die Tangierung des Schutzbereichs eines Grundrechts durch eine staatliche Maßnahme bestimmt sich nach ihrem Regelungsgehalt und nicht nach ihrer Rechtmäßig- bzw. -Widrigkeit. Oder aber: Jede Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Werte eines Gewerbebetriebs stellt eine Tangierung dar, die allerdings entschädigungslos zu dulden ist, wenn sie im Rahmen einer gesetzlichen Inhaltsbestimmung zu rechtfertigen ist. Mit der zweiten Variante wären auch die Entscheidungen des BGH, mit denen er von seiner ursprünglichen These abrückte, auch Existenzvernichtungen durch rechtmäßige Infrastrukturmaßnahmen berührten den Schutzbereich des Art. 14 GG erst gar nicht 161 , erklärbar. Später führte er nämlich zu diesem Problem aus, daß auch solche staatlichen Handlungen "bei ungewöhnlicher Schwere" Entschädigungen auslösen müßten162 ; hierzu rechnete das Gericht die Existenzgefährdung des Betriebs oder wirtschaftlich gleichstehende Maßnahmen.163

159

Sog. "Kontakt nach außen"; vgl. BGHZ 23, 157, 163 f.; 48, 65, 66; 55, 261, 263; 70, 212, 218; LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 47. 160 Vgl. BGH, WM 1963, S. 1100, 1101 f.; NJW 1960, S. 1995; NJW 1972, S. 243, 244; NJW 1965, S. 1907, 1908; ferner Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, S. 55 f.; Kreft, öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839, Rdnr. 69. 161

BGHZ 45, 150,158fif.; 55,261,265.

162

BGHZ 57,359,365.

163

BGHZ 57,359,365; 48,65,67; LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 27 Bl. 3.

16

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

(5) Das schutzwürdige

Vertrauen - das übergeordnete Wertungskriterium

Mit der MVerkaufsbaracken"-Entscheidung vom 28. Januar 1957 führte der BGH zum ersten Mal das Kriterium des Vertrauensschutzes zur Abgrenzung der im Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb enthaltenen Positionen von den ungeschützten Chancen, Hoffnungen und Erwartungen in die Diskussion ein. 164 Danach sollte für die Begrenzung des gegenständlichen Schutzbereichs allein die Frage entscheidend sein, ob der Inhaber des Gewerbebetriebs auf die Aufrechterhaltung eines bestimmten günstigen Zustands durch die öffentliche Hand vertrauen durfte. Die dogmatische Herleitung dieses Wertungsgesichtspunkts bleibt dunkel: eine Erklärung dafür, warum es für die Begründung und den Umfang einer schützenswerten Eigentumsposition auf die Vorhersehbarkeit eines staatlichen Zugriffs ankommen soll, fehlt im Urteil völlig. 165 Im weiteren Verlauf der Rechtsprechung wurde dieser Aspekt des Vertrauensschutz zum zentralen Angelpunkt der juristischen Argumentation ausgebaut.166 Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts wurden sogar Veränderungen des sozialen Umfelds, die der Unternehmer als Ausdruck des allgemeinen Unternehmerrisikos grundsätzlich hinzunehmen habe, als Eingriffe in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb qualifiziert, obwohl diese tatsächlichen und rechtlichen Umstände unter Anwendung der oben skizzierten Abgrenzungsmerkmale (Substanz des Betriebs, Vergleichbarkeit mit dem Sacheigentum, Innen und Außen) überhaupt nicht in den gegenständlichen Schutzbereich fallen dürften. Nach Auffassung des BGH bewirkt das schutzwürdige Vertrauen des Gewerbetreibenden auf den

164

Vgl. BGHZ 23, 157, 163 fif.

165

Diesen Gesichtspunkt hebt auch Bettermann in seiner Anmerkung in MDR 1957, S. 672, 673 hervor. Allerdings wird das Urteil durch ihn insoweit fehlinterpretiert, als er diesem Aspekt nur bei der Frage der Enteignungsentschädigung angewendet sieht, während der BGH mit Hilfe des Vertrauens schon die Vorfrage, ob überhaupt Verfassungseigentum vorliegt, entscheiden will. Vgl. zur Notwendigkeit, die Kehrtwende des Gerichts dogmatisch untermauern zu müssen, auch die Stellungnahme des Großen Senats vom 10. Juli 1952 zur sog. Schutzwürdigkeitstheorie als Abgrenzungsversuch zwischen Eigentumsbindung und Enteignung, wobei das Kriterium des schutzwürdigen Vertrauens als zu vage, nicht mit der Rechtssicherheit verträglich und wegen eines "übergroßen Maßes eines ungewissen Ermessens" abgelehnt wurde (BGHZ 6, 270, 283.). Völlig kritiklos dagegen ζ. B. Pagendarm, in LM, Art. 14 GrundG, Nr. 63 Bl. 1. 166 Vgl. nur BGH, NJW 1957, S. 1927; LM, Art. 14 (Ba) GrundG, Nr. 25, Bl. 1; LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 23, Bl. 2; LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 24, Bl. 2; LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 27, Bl. 2; BB 1968, S. 13, 14; WM 1962, S. 1008, 1012.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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Fortbestand eines solchen Umstands dessen Erstarken zu einer verfassungseigentumsrechtlichen Rechtsposition.167 Erste Schwierigkeiten bei der Durchdringung dieser Argumentationsfigur ergeben sich schon, wenn man die verschiedenen Entscheidungen im Hinblick auf die Frage untersucht, welcher Gegenstand durch das schutzwürdige Vertrauen in eine "Rechtsposition" i. S. d. Art. 14 Abs. 1 GG innerhalb des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verwandelt wird. Wächst in diesen Fällen die eigentlich äußere Gegebenheit selbst der Substanz des Unternehmens zu 1 6 8 , entsteht ein Anspruch des Bürgers gegen die Hoheitsträger auf "konsequentes Verhalten" 169 oder verdichten sich die bereits im Prinzip anerkannten Bestandteile dieses Rahmenrechts, wie ζ. B. der "Kontakt nach außen" oder der Kundenstamm so weit, daß sie in erhöhtem Maß schutzwürdig werden?170 Diese recht offensichtliche Unsicherheit des BGH bei der näheren Ausgestaltung der Wirkungsweise des besonderen Vertrauensschutzes im Rahmen der Normbereichsbestimmung des Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht nur vordergründig darauf zurückzuführen, daß das Gericht angesichts der breiten Zustimmung in der Literatur auf eine weitere Konkretisierung verzichten konnte. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß für die Einfuhrung dieses Kriteriums in keiner Entscheidung auch nur ansatzweise eine Begründung aus dem Wesen der Eigentumsfreiheit geliefert wurde, offenbart dieser Mangel das eigentliche Problem dieser Denkfigur: Sie findet in der Freiheitsverbürgung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG keinerlei Stütze. Zwar hat der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes im Rahmen der Eigentumsfreiheit nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG eine eigene Ausprägung erhalten 171, weil durch dieses Freiheitsrecht auf dem Gebiet der privaten Vermögenssphäre das Vertrauen der Rechtsinhaber auf den Fortbestand des Erworbenen gegenüber ungerechtfertigten (!) 1 7 2 Eingriffen des Staates geschützt werde. Diese 167 Vgl. BGHZ 45, 83, 87; NJW 1964, S. 769, 770; NJW 1967, S. 1749, 1750; BGHZ 55, 261, 264 m. w. N.; kritisch dazu Schneider, NJW 1967, S. 1750, 1754. 168

So interpretiert Kreft, Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839, Rdnr. 75 die Rechtsprechung. Vgl. auch BGH, NJW 1964, S. 769,7701. 169

So BGH, WM 1962, S. 1008, 1012.

170

So ζ. B. BGHZ 55, 261, 264 und BGH, DVB1. 1967, S. 881 für die Verfestigung des Anliegergemeingebrauchs über die Grenzen der Widmung hinweg und BGH, BB 1968, S. 13, 14 zu einer bestehenden, auf besonderen staatlichen Zusagen beruhenden "wertvollen Kundenbeziehung"; vgl. ferner die Kritik bei Hoffmann, DVB1. 1969, S. 202. 171 Vgl. nur BVerfGE 31, 275, 293; 36, 281, 293; 42, 263,300 f.; 45,142, 168; 53, 257, 294; 58, 81, 120 f.; 64, 87, 104; 70, 101, 114; 71,1, 11 f.; 75, 78, 105; 76, 220, 244. 172

Diese Feststellung des Gerichts ist für sich genommen eigentlich eine Selbstverständlichkeit, da Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Freiheitsgrundrecht des einzelnen gegenüber hoheitlichen Maßnahmen

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

besondere Ausprägung des allgemeinen Vertrauensschutzes, die ihre Wirkung bei der Prüfung der Frage entfalten soll, ob angemessene Gründe des öffentlichen Interesses vorliegen, die die Beschneidung der erworbenen Rechte legitimieren 173 , darf - ohne auf ihre Berechtigung hier näher einzugehen174 jedoch nicht mit der Zielrichtung verwechselt werden, die der BGH bei der Anwendung seines Vertrauenstatbestands verfolgte. Dem Gericht ging es darum, die geschützten Gegenstände innerhalb des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs mit diesem Merkmal zu bestimmen, mit anderen Worten: mit dieser Figur soll der Kreis bzw. der Umfang der schutzwürdigen erworbenen Rechtspositionen fixiert werden. 175 Nach der Prämisse des BGH sind aber nur solche Positionen und Werte vom Normbereich umfaßt, die nach der von ihm geprägten wirtschaftlichen Betrachtungsweise bereits so weit sich verdichtet haben, daß sie ihrem Inhaber zugeordnet werden können (wobei das Vertrauen in die Festigkeit dieser Position sicher ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Einschätzung durch die Gesellschaft ist). Besteht wie bei bloßen Chancen und Erwartungen dieser Verdichtungsgrad noch nicht, so daß keine verfasssungsrechtlich schützenswerte "Rechtsposition" in der Hand des einzelnen gegeben ist, kann nicht über die Anwendimg des Vertrauensschutzes als zusätzlichem Merkmal eine schützenswerte Position konstruiert werden, denn damit würde in Wahrheit das Vertrauen in den Fortbestand des bereits Erworbenen im Rahmen der Eigentumsfreiheit gleichsam in eine geschützte "Erwartung" gegenüber dem Staat auf Schaffung von Vermögenswerten Rechten umgedeutet. Die Funktion der Eigentumsfreiheit als Abwehrrecht vor vertrauensverletzenden staatlichen Eingriffen würde in ein Leistungsrecht auf Beibehaltung des Zustands zur Schaffung von "Eigentum " verwandelt. Diese Konsequenz läßt sich nur dadurch vermeiden, daß der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 14 Abs. 1 GG außer Betracht zu bleiben hat. 176

schon aus sich heraus die Abwehr nicht durch Gründe des Gemeinwohls legitimierter Eingriffe ermöglicht, der rechtsstaatliche Vertrauensgrundsatz bei dieser Art der Interpretation somit leerlaufend wäre. 173

Vgl. z.B. BVerfGE 31, 271,293 f.; 58, 81,121.

174

Vgl. die Kritik von Schmidt, JuS 1973, S. 530, 537.

175

Vgl. dazu deutlich Badura, AöR 98 (1973), S. 153, 169.

176

Im Ergebnis auch Scholler/Broß, DÖV 1978, S. 46, 47 und Hoffmann,, DVB1. 1969, S. 202, 203. Vgl. zur Wirkungsweise auch Maurer, in: HbStR, Bd. 3, § 60, Rdnr. 49. Die Notwendigkeit, erst aus der Verfassung heraus den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG zu fixieren und danach unter Heranziehung des Vertrauensschutzgedankens die Verfassungsmäßigkeit der eigentumsberührenden Maßnahme zu bestimmen, sieht auch Schwabe, DVB1. 1981, S. 386,387 f.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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(6) Gesamtergebnis Mit der Aufschlüsselung der verschiedenen Abgrenzungskriterien des BGH bei der Bestimmung des geschützten gegenständlichen Bereichs im Rahmen des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs wurde die anfangs in der Einführung wiedergegebene Auffassung von dem im großen und ganzen widerspruchsfreien Eigentumsverständnis des Gerichts 177 zumindest erschüttert. Nach der Fixierung auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Rahmen der "Ausstrahlungsdogmatik" konnte der offensichtliche Widerspruch zwischen der Erweiterung des Schutzbereichs auf alle im Wirtschaftsverkehr anerkannten Güter bzw. Werte und dem grundsätzlichen Bekenntnis zum begrififsprägenden Merkmal "Rechtsposition" nicht mehr überbrückt werden. An die Stelle klarer Begrifflichkeit traten eine Fülle von dogmatisch zumindest nicht abgesicherten Formeln, die im Grunde nur eines bewirkten: einen größtmöglichen richterlichen Bewertungsspielraum 178, verbunden mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit.179 Schwerer als die mangelnde Praktikabilität wiegt der Vorwurf, daß mit dieser Interpretation der Eigentumsfreiheit das Normgefüge des Art. 14 GG als einem Freiheitsgrundrecht gesprengt worden ist. Der prinzipiell anerkannte gegenständliche Schutzbereich des Grundrechts wurde zunächst beim eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb um faktische Positionen ergänzt, um dann schließlich doch wieder angeblich auf die rechtlichen Grenzen zurückgeführt zu werden. Diese Begrenzung wurde aber nicht konsequent durchgehalten: An sich ungeschützte Chancen verwandeln sich in Rechtspositionen bei einer gewissen Schwere der staatlichen Maßnahme, wenn der Inhaber auf das Fortbestehen der Chance vertrauen durfte oder wenn die Maßnahme rechtswidrig ist. Daran stellt sich vor allem bei der letzten Fallgruppe in aller Schärfe die Frage, wie eine "außerbetriebliche Gegebenheit", wenn sie rechtswidrig verändert wird, zu einer verfassungseigentumsrechtlichen Position erstarken kann, während ansonsten hoheitliche Maßnahmen noch nicht einmal den Schutzbereich tangieren, also nicht an-

177 178

Vgl. den Nachweis auf S. 25 Fn. 17.

Vgl. nur die Anmerkungen Krefts GrundG Nr. 33 und Nr. 42 a. 179

in LM, Art. 14 (Bb) GrundG, Nr. 36 und LM, Art. 14 (Cf)

Vgl. Schneider, NJW 1967, S. 1750 ff.; Badura, AöR 98 (1973), S. 153, 168; und die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Peter, JZ 1969, S. 552, 556. Vgl. femer die unterschiedlichen Resultate bei der Anwendung der gleichen Grundsätze des BGH durch OVG Lüneburg, DÖV 1978, S. 44 f. und BVerwG, DVB1. 1981, S. 983 ff. zur Einführung eines kommunalen Benutzungszwangs für die privaten Müllabfuhruntemehmen.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

hand der Eigentumsfreiheit als Maßstab zu überprüfen sein sollen.180 Muß sich die Rechtsprechung hier nicht den Vorwurf gefallen lassen, Erwägungen, die im Rahmen der Sozialbindung bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer eigentumsrelevanten Maßnahme anzustellen sind, systemwidrig auf die Ebene des Schutzbereichs vorzuverlagern? Wie ist es im übrigen möglich, daß ein hoheitlicher Akt, der den Schutzbereich gar nicht berührt, bei entsprechender Schwere sogar die Wesensgehaltssperre des Art. 19 Abs. 2 GG verletzen soll? Führen die Überlegungen des Gerichts nicht zu einer vollständigen Auflösimg der dogmatischen Struktur der Eigentumsfreiheit?

cc) Die Differenzierung zwischen Rechten und den sog. "Rechtsreflexen" durch das Kriterium der Privatnützigkeit

Wie schon das RG im Rahmen des Art. 153 WRV grenzt auch der BGH die vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfaßten Objekte von den sog. Rechtsreflexen ab, bei denen sich eine faktische Besserstellung des Betroffenen auf Grund einer hoheitlichen Maßnahme ergibt, ohne daß auch ein Anspruch auf die Beibehaltung dieser günstigen Lage gewährt werden soll. Maßstab für die Abgrenzung des gegenständlichen Schutzbereichs in dieser Richtung ist die Vergleichbarkeit der durch Art. 14 Abs. 1 erfaßten Rechtspositionen mit dem Sacheigentum. In der Entscheidung über den Kündigungsschutz von Schwerbehinderten wurde mit dieser Begründung die Rechtsstellung eines von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmers gegenüber der für die Zustimmung zuständigen Hauptfürsorgestelle nicht als Recht qualifiziert, weil die durch das Gesetz gewährte Sonderstellung in erster Linie nicht den Interessen des einzelnen, sondern dem Gruppeninteresse aller Behinderten dienen solle.181 In diesem Zusammenhang setzte sich der BGH auch mit der Entscheidung des BVerwG auseinander, wonach eine rechtswidrige Zustimmung der Hauptfursorgestelle den Betroffenen in seinen Rechten verletze. 182 Dabei wurde zwar anerkannt, daß begünstigende Normen, die dem Allgemeininteresse, aber - wenn auch nur nebenbei - auch einem Individualinteresse dienten, rechtlich geschützte Interessen schafften, diese ReflexrecAte (im Unterschied 180 Vgl. zur Widersprüchlichkeit, eine Tangierung des Schutzbereichs des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG bei rechtmäßigem hoheitlichen Handeln auszuschließen, trotzdem die Frage der Verfassungsmäßigkeit anhand dieses Grundrechts zu prüfen, um bei einem Verstoß sogar dessen Verletzung feststellen zu können, Schwabe, DVB1. 1981, S. 386, 388. 181

BGH, VersR 1964, S. 89, 92.

182

BVerwGE 8, 46, 50; 8, 68, 69.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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zu den rein faktischen Rechtsreflexen) den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 GG jedoch nicht genügen sollten. Der BGH stellte bei diesem Problem daher nicht so sehr auf den Grad der rechtlichen Verfestigung als Maßstab für das Entstehen einer eigentumsfahigen Rechtsposition ab, sondern vielmehr auf den Grad der Privatnützigkeit. Nur Rechtsgüter, die gänzlich oder weit überwiegend Individualinteressen zu dienen bestimmt seien, sind danach Verfassungseigentum. Auch in der Entscheidung über den Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich vom 15. Mai 1955 wurde mit der fehlenden überwiegenden Privatnützigkeit der Anspruch eines deutschen Schuldners auf Forderungsverzicht durch den Staat Österreich als Verfassungseigentum abgelehnt, weil "der Verzicht (...) nicht zu einer im Interesse des Schuldners liegenden Bereicherung fuhren" sollte.183

b) Der Vermögenswert - Verwirrungen

innerhalb eines ungeklärten Begriffs

In Anknüpfung an die Rechtsprechung des RG bestimmte auch der BGH in Übereinstimmung mit der Literatur und Rechtsprechung des BVerfG die Gegenstände des Verfassungseigentums als Rechte mit Vermögenswert. 184 Die Kernaussage zum Umfang des Normbereichs der Eigentumsfreiheit in der anfangs besprochenen Grundsatzentscheidung vom 10. Juni 1952, wonach das gesamte Vermögen der Bürger von diesem Grundrecht abgedeckt sein müsse185 , legt die Vermutung nahe, daß der BGH auch in diesem Punkte der herrschenden Meinung zu Art. 153 Abs. 1 WRV gefolgt war und als vermögenswertes Recht nur solche anerkennen wollte, die einen in Geld bewertbaren Inhalt haben. Tatsächlich weisen einige Ausführungen in späteren Entscheidungen in diese Richtung. So wird der Umfang des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nach wirtschaftlich wertender Betrachtungsweise als die Summe der Güter definiert, die in ihrer Gesamtheit "den wirtschaftlichen Wert des konkreten Gewerbebetriebs" ausmachen.186 An anderer Stelle wird untersucht, ob der beeinträchtigte Gegenstand einen wirtschaftlichen Wert

183

BGH, LM, Art. 14 (Bc) GrundG, Nr. 17, Bl. 2.

184

Vgl. nur BGHZ 15, 17, 20; 23, 158, 161; 26, 249, 254; 34, 188, 190; 45, 150, 152; 48, 46, 49; 52, 216,227; 79, 39, 60; 83,1, 3. 185

BGHZ 6, 270, 278.

186

BGHZ 23,158,163.

12

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

besessen habe.187 Schließlich ist in diesem Zusammenhang auf die Äußerungen des Gerichts zu verweisen, wonach die nach Art. 14 Abs. 3 GG zu gewährende Entschädigung dem Betroffenen "einen wirklichen Wertausgleich zu verschaffen" habe und daher so zu bemessen sei, "daß der Enteignete in die Lage versetzt werde, mit der Entschädigung eine Sache gleicher Art und Güte, ein gleichwertiges Objekt, wieder zu beschaffen" 188. Diese klare Begrifflichkeit hat das Gericht allerdings nicht konsequent durchgehalten, vielmehr wird im folgenden aufzuzeigen sein, daß dem Merkmal des Vermögenswerts in Einzelfällen ein völlig neuer Bedeutungsinhalt zugemessen wurde, es seine normbereichskonstituierende Funktion verlor und andere Merkmale eingeführt wurden, um diese Lücken zu schließen.

aa) Der Firmenname als vermögenswertes Recht

In einer Entscheidung aus dem Jahr 1955 verneinte das Gericht unter Hinweis auf die entsprechende Rechtsprechung des RG 189 den Eigentumscharakter des Rechts am Firmennamen, weil dieses trotz eines u. U. erheblichen Vermögenswerts und der Möglichkeit der Übertragung personalen Charakter habe.190 Es bestehen allerdings erheblich Zweifel, ob der BGH sich auch später, nachdem er sich ausdrücklich zu einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG bekannt hatte, auf diese formaljuristische Position zurückgezogen hätte, obwohl der Firmenname einen im Wirtschaftsleben anerkannten konkreten Wert innehat.191 Somit kann davon ausgegangen werden, daß dieses obiter dictum nicht als dauerhafte Abkehr von der damals herrschenden Begrenzung des Schutzbereichs auf geldwerte Rechte gedacht war.

187

Vgl. BGH, LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 47, Bl. 2.

188

BGHZ 41, 354, 358; vgl. auch NJW 1972, S. 1574, 1575.

189

RGZ 158, 226, 230.

190

BGHZ 17, 209, 214.

191

So im Ergebnis schon Schumacher, NJW 1951, S. 53,55; ders.,ZRR 113 (1950), S. 166, 171 Fn. 9, der mit dem Merkmal des Vermögenswerts auch die Verkehrsfähigkeit des Rechts verbindet. A A Schneider, Verw. Arch. 58 (1967), S. 197, 202 Fn. 6, der unzutreffend schon den im Namen eines Unternehmens liegenden Marktwert leugnet.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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bb) Personalkonzessionen als Vermögenswerte Positionen Von erheblich höherer Relevanz für die gegenständliche Erfassung der verfassungseigentumsfähigen Rechtspositionen unter dem Blickwinkel ihres Vermögensbezugs sind die Entscheidungen über die berufsrechtlichen Personalkonzessionen. Die Konzession zum Betrieb einer Apotheke nach alter Rechtslage stellt nach Auffassung des BGH, obwohl sie im Rechtsverkehr nicht verwertbar ist (und damit sich wohl auch kein Geldwert festlegen läßt), trotzdem ein vermögenswertes Recht dar, weil sie die wirtschafltiche Nutzbarmachung der in staatlichen Prüfungen nachgewiesenen Kenntnisse ermögliche, Schutz vor Konkurrenz biete und im übrigen sich mit ihr der Unternehmenswert der lagenmäßig festgelegten Apotheke verknüpfe. 192 Zur Begründung der Einbeziehung einer Konzession als Bezirksschornsteinfegermeister führt das Gericht an anderer Stelle aus: Die Konzession vermittle eine gesicherte Rechtsstellung, die "die dem Inhaber als Entgelt für seine Tätigkeit ein sicheres Einkommen garantiert und insoweit für ihn wirtschaftliche Existenzgrundlage und 'Vermögen' darstellt" 193. Letztlich läuft die Argumentation darauf hinaus, daß alle Rechtsstellungen, die für die wirtschaftliche Betätigung ihres Inhabers von Bedeutung sind, unter den gegenständlichen Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG fallen. 194 Um den Bruch mit der These, Vermögenswerte Rechte müßten einen in Geld meßbaren Inhalt haben, deutlich zu machen, sei hier vorweg klargestellt, daß der BGH nicht etwa das nach längerer Tätigkeit des Berechtigten aufgebaute Unternehmen als Ansatzpunkt für den möglichen Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG ansieht, sondern ausdrücklich die Konzession als vermögenswertes "eigentumsähnliches" (!) Recht bezeichnet195. Sofern daher in der Literatur der Auffassung des BGH zugestimmt wird, weil die spätere Entziehung der Konzession als Eingriff auf das genehmigte, bereits eingerichtete und ausgeüb-

192

BGHZ 15,17,20.

193

BGH, NJW 1956, S. 1109,1110.

194

Vgl. zur Einordnung des Bergwerkeigentums auch Hoppe, DVB1. 1982, S. 101, 104, der zum einen darauf abstellt, daß diese Konzession auf einer vorherigen Leistung ihres Rechtsinhabers beruhe, zum zweiten die Grundlage für seine weitere wirtschaftliche Betätigung darstelle und zum dritten auch selbst durch Verwertung eine unmittelbare Teilnahme am Wirtschaftsverkehr ermögliche. Letztlich stellt der Autor mit der Leistungsthese des BVerfG auf S. 105 auf den zuvor erbrachten Leistungs- und Kapitaleinsatz ab. 195 Diese Interpretation wird im übrigen durch das nicht veröffentlichte Urteil des BGH vom 7. Juli 1966 - III ZR 170/64 - gestützt, wonach die Apothekenkonzession nach dem Wegfall des Exklusivrechts keinen Vermögenswert mehr habe (zit. nach Kröner, DVB1. 1969, S. 157,160).

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

te Unternehmen des Konzessionärs schädigend einwirken könne 196 , gehen diese Stellungnahmen an dem Ansatz und der Zielrichtung des BGH vorbei. Nur soweit in der Literatur eine Verknüpfung von Konzession und später ausgeübtem Gewerbe zur Bestimmung des Schutzgegenstands abgelehnt wurde, können die dort angeführten Begründungsansätze zur Überprüfung der Rechtsprechung herangezogen werden. 197 Zur Rechtfertigung der extensiven Auslegung des Eigentumsbegriffs über die Vermögenswerten Rechte hinaus wird, wenn das Ergebnis des BGH nicht nur übernommen wird 1 9 8 , auf den Sinn des Art. 14 Abs. 1 GG, als Freiheitsrecht eine möglichst unabhängige Existenzerhaltung für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu sichern 199 , verwiesen.200 Zum Teil wurde dieser Funktionsbestimmimg der Eigentumsfreiheit als Garantie einer materiellen Existenzsicherung die traditionelle ratio entgegengesetzt, Art. 14 Abs. 1 GG solle dem einzelnen durch die privatnützige Ausübung der Eigentümerbefugnisse die Teilnahme am Wirtschaftleben zur Gestaltung der Sozialordnung ermöglichen.201 Wie immer man über diese unterschiedlichen dem ursprünglichen Freiheitsgrundrecht unterlegten Zielsetzungen urteilen mag, so macht diese angedeutete Kontroverse schon deutlich, welche Unsicherheiten sich mit einer ausschließlich teleologisch orientierten Auslegung für den Bedeutungsinhalt einer Norm ergeben. Entscheidend für die Auslegung des Begriffs des Verfassungseigentums unter dem Gesichtspunkt der Anforderungen bezüglich eines Vermögenswerts muß daher die Absicherung der vom BGH vertretenen Auffassung durch die übrigen Auslegungsmethoden sein, da die teleologische Interpretation gerade 196 Vgl. nur Weber, AöR 91 (1966), S. 382,400; Reinhardt, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 1, 40 Fn. 38; Forsthoff NJW 1955, S. 1249, 1250 für den Apothekenbetrieb; Leisner, NJW 1974, S. 478, 479: "Es geht hier nicht um einen 'Eigentumsschutz der Zulassung', sondern um den Eigentumsschutz dessen, was sich ein bestimmter Rechtsanwalt auf Grund der Zulassung der Praxis aufgebaut hat."; Erning, DVB1. 1960, S. 467, 468. 197 Vgl. Menger, Verw. Arch. 48 (1957), S. 166, 177; Schock, BB 1963, S. 1227, 1231; Schneider, Verw. Arch. 58 (1967), S. 197, 203 mit Fn. 12; Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63, 98. Auch Dürig bejaht den Vermögenswert der Berufekonzession, lehnt den Schutz dieser Rechtsposition aber mit dem Hinweis ab, daß ohne die Aufnahme der genehmigten Tätigkeit noch keine Leistung erbracht worden sei (JZ 1958, S. 22, 23; in: FS für Apelt, S. 13, 46). 198

So ζ. B. Pagendarm, DRiZ 1960, S. 314, 317; ders., LM, Art. 14 GrundG, Nr. 34; Kleinhoff, DRiZ 1958, S. 167,168; Schock, BB 1963, S. 1227, 1231; OLG Hamm, DB 1970, S. 2317, 2318. 199 Vgl. Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 353; Schock, BB 1963, S. 1227, 1229 Fn. 23; Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63, 98; Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, S. 59. 200

Schneider, Verw. Arch. 58 (1967), S. 197,203.

201

So ζ. Β. Maunz/Dürig-Pap/er, Art. 14 GG, Rdnr. 2 m. w. N.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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wegen ihrer Unsicherheiten in der Ergebnisfindung nur in einer solchen Zusammenschau zulässig ist. Ohne die eigene endgültige Würdigung des Normbereichs der Eigentumsfreiheit vorwegzunehmen, seien schon hier zumindest Zweifel an der Extension des Schutzbereichs auf alle Rechte mit wirtschaftlicher Bedeutung angemeldet. Der Konzession als solcher fehlt jeglicher finanzieller Wert, erst im Zusammenwirken mit ihrem Inhaber, seinen Fähigkeiten und seiner Leistungsbereitschaft vermittelt sie ihm die Chance, am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen und konkrete Werte zu schaffen. Der Vergleich mit dem gesellschaftlich anerkannten "good will" eines Unternehmens macht es deutlich: Dort kann auf Grund des in der Vergangenheit bereits erwirtschafteten Erfolgs eine relativ verläßliche Zukunftsprognose über die zukünftige Ertragskraft angestellt werden, nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise liegt daher ein gesellschaftlich anerkannter Wert vor. Eine solche Prognose ist auf Grund der Rechtsstellung, die den Inhaber einer Personalkonzession verliehen ist, nicht möglich, diese Position ist wirtschaftlich noch nicht bewertbar. Auch wenn man somit auf die Verwertbarkeit im Rechtsverkehr als Kriterium für einen Vermögenswert verzichtet, dürfte die Einbeziehung der Konzession als Vermögensbestandteil wegen ihrer fehlenden faktischen Verdichtung schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch schwerfallen. Auch systematische Überlegungen scheinen gegen die Einbeziehung aller Positionen mit wirtschaftlichem Bezug zu sprechen. Während die Eigentumsfreiheit nach allgemeiner Auffassung einen Bestandsschutz des bereits Erworbenen, des Ergebnisses einer wirtschaftlichen Betätigung bezweckt, soll die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG die Betätigung selbst schützen.202 Die Entziehung einer verliehenen Konzession hat unmittelbar berufsbeendenden Charakter, fallt daher in erster Linie in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG. Soweit durch die Berufsbeendigung bereits geschaffene Mittel des Konzessionsinhabers zerstört oder zweckentleert werden, betrifft dies das auf Grund der Konzession errichtete Unternehmen und nicht die Konzession selbst. Die Konzession ist daher die Voraussetzung für die Schaffung vermögenswerter Rechte, sie hat aber selbst keinen Vermögenswert. Zudem kollidiert die Auffassung des BGH mit Art. 14 Abs. 3 GG. Es entspricht anerkannter, vom Gericht 203 gebilligter Auffassung 204, daß die Ent-

202

Vgl. nur BVerfGE 30, 292, 334 f.; 38, 61, 102; 65, 237, 248; 77, 84, 117; 81, 70, 96.

203

Ζ 41, 354, 358; NJW 1972, S. 1574, 1575.

204 Vgl. nur Forsthoff, tum, S. 19.

10 Eschenbach

in: FS für Maunz, S. 89, 92 f.; Suhr, Eigentumsinstitut und Aktieneigen-

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Schädigung dem Betroffenen "einen wirklichen Wertausgleich zu verschaffen" habe und daher so zu bemessen sei, "daß der Enteignete in die Lage versetzt (werde), mit der Entschädigung eine Sache gleicher Art und Güte, ein gleichwertiges Objekt, wieder zu beschaffen" 205. Diese Funktion der Entschädigung setzt aber voraus, daß das enteignete Objekt einen Tauschwert haben muß, daß es wertmäßig in Geld umrechenbar sein muß. Auf dieses Kriterium kann daher entgegen der Auffassung des BGH nicht verzichtet werden.

c) Verwertbarkeit im Rechtsverkehr, Einsatz von Arbeit und Kapital Annäherung der Rechtsprechung des BGH an die Differenzierungskriterien des BVerfG für die subjektiv-öffentlichen Rechte

Mit der Grundsatzentscheidung vom 10. Juni 1952 hatte der BGH mit der damals herrschenden Auffassung, nur die Vermögenswerten Privatrechte seien Verfassungseigentum, radikal gebrochen. Ohne auf den damaligen Diskussionsstand einzugehen, was angesichts der zahlreichen Verweisungen bei den übrigen Problemstellungen verwundert, bezog das Gericht ausnahmslos auch alle subjektiv-öffentlichen Rechte mit Vermögenswert in den gegenständlichen Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG ein. Die extensive Auslegung des Eigentumsbegriffs fand in der Literatur kaum Anhänger. 206 Die Kritiker monierten die drohende Verflüchtigung des Eigentumsbegriffs 207 und bemängelten die Konsequenz, daß durch die Einbeziehung einseitig gewährter staatlicher Fürsorgeansprüche die ratio der Eigentumsfreiheit, durch die Sicherung der durch Arbeit, Einsatz von Kapital und besonderen Opfern geschaffenen privaten Vermögenswerte gegenüber staatlichen Zugriffen ein eigenverantwortliches Leben zu gewährleisten, vernachlässigt werde. 208 Ohne auf diese grundsätzlichen Bedenken einzugehen209, 205

BGHZ 41,354, 358.

206

Giese, DRiZ 1953, S. 61; Stödter, DÖV 1953, S. 97, 98; wohl auch Schneider, Verw. Arch. 58 (1967), S. 197,203. 207

BVerwGE 3, 254, 257; BSG, JZ 1958, S. 20.

208

Vgl. nur Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 354 f. m. w. N. in Fn. 35; Dürig., in: FS für Apelt, S. 13. 20 f.; Ipsen, JZ 1953, S. 663 f.; Forsthoff, NJW 1955, S. 1249, 1250. Ob diese Funktionszuweisung dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit gerecht wird, soll hier noch nicht problematisiert werden. 209 Was angesichts der im Urteil des BVerfG vom 1. Juli 1953 deutlich geäußerten ablehnenden Stellungnahme (BVerfGE 2, 380, 401) doch nahegelegen hätte. Der BGH läßt dieses grundsätzliche Problem aber ausdrücklich offen, LM, Art. 14 GrundG, Nr. 40.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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wiederholte der BGH vereinzelt seine weite Schutzbereichsformel 210, wobei allerdings in diesen Entscheidungen eine Abgrenzung zu der inzwischen herrschenden differenzierenden Leistungssichtweise bei subjektiv-öffentlichen Rechten nicht erforderlich war, weil privatrechtliche Positionen geprüft wurden. Im Urteil über die Beeinträchtigung der Rechtsposition eines Bezirksschornsteinfegermeisters durch die Bestellung eines zweiten im gleichen Bezirk vom 23. April 1956 wurde dagegen die zuvor vom BVerfG geäußerte Auffassung, diese Rechtsstellung sei mangels Kapital- und Arbeitseinsatzes und wegen fehlender Verwertbarkeit im Rechtsverkehr kein Verfassungseigentum 211 , ohne weiteres ausdrücklich abgelehnt und für nicht bindend erklärt. 212 An anderer Stelle verwendete der BGH über seine Globalformel hinausgehende Abgrenzungsversuche, die auf eine stillschweigende Abkehr und Annäherung an die herrschende Meinung hindeuten. So ließ das Gericht bei der Prüfung der Apothekenkonzession als vermögenswertes Recht den Gesichtspunkt anklingen, daß diese auf Grund der nachgewiesenen fachlichen Qualifikation, also nach einem erheblichen Arbeitseinsatz des Bewerbers, verliehen würde. 213 Desweiteren wird geprüft, ob eine 'Vermögenswerte Rechtsstellung, die eines Schutzes wie das Sacheigentum fähig und bedürftig sei", vorliege. 214 Diese Wertungsgesichtspunkte ähneln schon der vom BVerfG gebrauchten Wendung, daß die Eigentumsfreiheit nur dann berührt sein könne, "wenn der ein subjektives Recht begründende Sachverhalt dem einzelnen eine Rechtsposition verschafft, die derjenigen eines Eigentümers entspricht und die so stark ist, daß ihre ersatzlose Einziehung dem rechtsstaatlichen Gehalt des Grundgesetzes widersprechen würde" 215 . So kann es kaum verwundern, daß der BGH wie zuvor das BVerfG diese doch vage Formulierung, die leicht zu einem Zirkelschluß verleitet 216, durch das Leistungskriterium konkretisiert, ohne allerdings von seiner alten Rechtsprechung formal abzurücken.217 In der Entscheidung über den Versorgungsausgleich vom 21. März 1979 schließlich

210

Vgl. BGHZ 11, Anhang 2,33; 16,189, 201; 26, 248, 254; 27, 69, 73.

211

BVerfGE 1, 264, 278.

212

DÖV 1956, S. 574, 575.

213

BGHZ 15, 17, 20; in diesem Sinne auch Leisner, NJW 1974, S. 478, 482.

214

BGH, Warn. Rspr. 1967, S. 377, 378; der BGH ließ hier allerdings dahingestellt sein, ob die fragliche Position privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur war. 215 BVerfGE 4, 219, 240; vgl. ferner E 14, 288, 293; 15, 167, 200; 16, 94, 111ff.; 18, 392, 397; 24, 220, 225; 40, 65, 83. 216

Maunz, BayVBl. 1981, S. 321,324.

217

Vgl. BGH, LM, Art. 14 (Bc) GrundG, Nr. 17, Bl. 1.

10*

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

übernahm der BGH ausdrücklich die differenzierende Auffassung des BVerfG. 218 Da der BGH sich im Ergebnis der Rechtsprechung des BVerfG zur Einbeziehung des Leistungskriteriums bei der Prüfung öffentlich-rechtlicher Positionen angeschlossen hat, ohne zu dessen dogmatischer Herleitung eigene Ansätze beizutragen, erscheint es sinnvoll, auf die Kritik an dieser Rechtsprechung des BVerfG hier nicht näher einzugehen.219 d) Ausklammerung rechtswidrig erlangter vermögenswerter Positionen aus dem gegenständlichen Schutzbereich

Von der Prämisse des BGH ausgehend, daß Art. 14 Abs. 1 GG nur Vermögenswerte Rechte erfaßt, ist es nur konsequent, wenn das Gericht rechtswidrig erlangte Vermögensvorteile ohne weiteres aus dem gegenständlichen Schutzbereich ausgrenzt, da nur die von der Rechtsordnung anerkannten "wohlerworbenen" Güter 220 vor ihr als Maßstab Bestand haben können. Folgerichtig werden hoheitliche Eingriffe in bestehende, aber rechtswidrig erlangte Güter von vornherein nicht einer Kontrolle durch die Eigentumsfireiheit unterworfen, der Betroffene bleibt schutzlos.221 Somit ist die Frage zu stellen, ob die Anknüpfung an einfachgesetzliche Verbotsgesetze zur Ausformung des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums nicht zu der befürchteten Pervertierung des Grundsatzes von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur "Gesetzmäßigkeit der Verfassung" führen muß.222 Bevor auf diesen Einwand näher eingegangen werden soll, sei zur Verdeutlichung die parallele Problemstellung innerhalb des Art. 12 Abs. 1 GG 218

BGHZ 74,39,60.

219

Grundsätzliche Kritik an der Rechtsprechung des BVerfG zur Eigentumsfähigkeit öffentlichrechtlicher Positionen üben ζ. B. Maunz/Dürig-Pop/er, Art. 14 GG, Rdnr. 126 ff. und Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 44 ff. 220

BGHZ 26, 248, 254.

221

Vgl. BGH, LM, Art. 14 GrundG, Nr. 56; NJW 1962, S. 2347, 2348, wo auch ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verneint wurde; WM 1962, S. 1008, 1011 f.; zustimmend ζ. B. Kleinhoff, DRiZ 1958, S. 167, 168; Kröner, DRiZ 1960, S. 242, 243; ders., DVB1. 1969, S. 157, 160; ders., Die Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, S. 30 mit weiteren Hinweisen auf nichtveröffentlichte Entscheidungen des BGH; Wilhelm, DÖV 1965, S. 397, 404; Badura, in: Handbuch des Verfassungsrechts, S. 653,667 m. w. N. in Fn. 44. 222 Vgl. Gilsdorf, JZ 1958, 641, 643; ferner Leisner, Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung; dens., JZ 1964, S. 201 ff.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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geschildert. Nach Auffassung des BVerfG ist der verfassungsrechtliche Berufsbegriflf u. a. dadurch gekennzeichnet, daß er nur eine "erlaubte Tätigkeit" umfassen könne.223 "Unerlaubte Berufstätigkeiten" liegen danach noch "im Vorfeld" des Art. 12 Abs. 1 GG; Berufsverbote sind daher nur im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG überprüfbar 224, teilweise wird selbst eine Heranziehung dieses Auffangfreiheitsgrundrechts abgelehnt.225 Gegen diese tatbestandliche Restriktion des Berufsbegriffs wurde zutreffend eingewendet, daß das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG gerade erst die Aufgabe habe, von Verfassungs wegen darüber zu entscheiden, welche Tätigkeiten gesetzlich verboten seien oder für strafbar erklärt werden dürften. 226 Der Begriff des verfassungsmäßig geschützten Berufs läßt sich daher nicht an das einfachgesetzliche Erfordernis des Erlaubtseins binden.227 Dieses Ergebnis kann allerdings nicht ohne weiteres auf die Lösung der Frage, ob nur rechtmäßig erlangtes Eigentum schutzwürdig ist, übertragen werden. Sofern durch ein gesetzliches Verbot der Erwerb eines bestimmten Gutes unmöglich ist, ist der Schutzbereich der Eigentumsfireiheit in keinem Fall betroffen. Art. 14 Abs. 1 GG schützt nur das bereits in der Hand des einzelnen geschaffene existente Eigentum, nicht aber beinhaltet er ein Grundrecht auf Eigentumserwerb. 228 Sofern allerdings rechtswidrig erlangtes oder geschaffenes "Eigentum" durch hoheitliche Maßnahmen belastet oder gar entzogen wird, stehen diese Eingriffe in das Vermögen des einzelnen unter dem Vorrang der Verhältnismäßigkeit. Die Schaffung eines grundrechtsfreien Raumes durch den einfachen Gesetzgeber, in dem die öffentliche Gewalt losgelöst von jeglicher verfassungsrechtlicher Bindung in die Privatsphäre des Bürgers eingreifen könnte, wäre mit Art. 1 Abs. 3 und 20 Abs. 3 GG unvereinbar. 229 Eine

223

BVerfGE 7, 377, 397; 9, 73, 78; 13, 97,106; 14, 19, 22; 16,147, 163; 48, 376, 388.

224

So BVerfGE 2,110,114; dass., Gew. Arch 1963, S. 202, 204.

225

Bay VGH, NJW 1972, S. 2149.

226

Vgl. Bachof in: Die Grundrechte, Bd. 3/1, S. 155, 189 f.; Berg, Gew. Arch. 1977, 249 ff.; Maunz/Dürig-ScAo/z, Art. 12 GG Rdnr. 24 ff; a. A. noch Maunz/Dwr/g, Art. 12 GG, Rdnr. 37 (zit. nach Berg, Gew. Arch. 1977,249 Fn. 11). 227 Vgl. auch Schnur, VVDStRL 22 (1965), S. 101, 103 Fn. 5; Maunz/Dürig-//erzog, Art. 5 Abs. I, II GG, Rdnr. 89. 228

So mit weiteren Nachweisen für und wider Maunz/Dürig-Pap/er, Art. 14 GG, Rdnr. 209 f.: Das Freiheitsrecht aw/Eigentum ist nur im Rahnem des Art. 2 Abs. 1 GG und als Ausfluß der beruflichen Leistung aus Art. 12 Abs. 1 geschützt. 229 Vgl. schon Scheuner, DÖV 1954, S. 587, 589, der davor warnte, der Gesetzgeber könne Rechtspositionen zunächst in ein "schlechthin unzulässiges Eigentum" verwandeln, um sie dann ohne weiteres zu entziehen.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Ausklammerung rechtswidrig erlangten Eigentums aus dem gegenständlichen Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG ist daher nicht möglich.230

3. Die weitere Entwicklung und Ausformung des Schutzumfangs der Eigentumsfreiheit durch den BGH

a) Überblick

Aufbauend auf der bereits besprochenen Grundsatzentscheidung des Großen Senats aus dem Jahr 1952 entwickelte der BGH in der Folgezeit ein zweistufiges Regelungssystem innerhalb des Art. 14 GG: Staatliche, die Eigentumssphäre berührende Maßnahmen stellten entweder eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG - das Gericht spricht insofern von einer einheitlichen "Eigentumsbeschränkung"231 oder "Eigentumsbegrenzung"232 - oder eine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG dar 233 . Danach ist zunächst der einfache Gesetzgeber aufgefordert, das in seinen Grenzen bereits begrifflich nicht starre, sondern wandelbare Eigentum inhaltlich zu bestimmen und in gewissem Ausmaße ganz allgemein und für jeden verbindlich zu beschränken und ihm Grenzen zu setzen.234 Diese vom Grund230 Ein drastisches Beispiel für diesen Mechanismus, eine an sich eigentumsfähige Rechtsposition erst aus dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG auszuklammern, um sie dann zu entziehen, findet sich bei Bellstedt, DÖV 1961, S. 811, 815 f., wonach dem Staat unter dem Eindruck des "Kalten Krieges" das "natürliche Recht auf Selbsterhaltung" zustehe, das ihm ungeschrieben die Berechtigung verleihe, einen "gemeinschädlichen Gebrauch" einer Vermögenswerten Position wegen Schutzunwürdigkeit zu verbieten. Die in diesem Zusammenhang vom Autor verwendete Begrifflichkeit zur Umschreibung des gemeinschädlichen Verhaltens vermag aber nichts daran zu ändern, daß hier ein Eingriff in die Privatsphäre des Rechtsinhabers vorliegt, der durch Abwägung der beiderseitig berührten Interessen zu rechtfertigen ist.

Vgl. ferner zur Möglichkeit, "gemeinschädliches" Eigentum aus dem Schutzbereich der Strafgesetze auszuklammern, so daß deren Beeinträchtigung insofern folgenlos bleibt, die Ausführungen bei Engel, NStZ 1991, S. 520 f. 231

BGHZ 19, 1, 3; 30, 338, 342; 58, 124, 130.

232

BGHZ 60,126,130.

233 Auf die Kritik Schuhes (DVB1. 1965, S. 386, 387) an dieser Zweiteilung eigentumsrelevanter Gesetze mit dem Hinweis auf die privatrechtlich normierten Eingriffsbefugnisse (z. B. §§ 904 S. 1, 906 BGB), die sich in dieses System nicht einordnen ließen, wird später bei der Erörterung der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung zurückzukommen sein. Vorerst soll hier nur der Hinweis genügen, daß dieses vom BGH verwendete Gegensatzpaar auch nach dessen Ansicht bei hoheitlichen Eingriffen in den Eigentumsbestand Privater Geltung beanspruchen kann (vgl. ders., DVB1. 1965, S. 388). 234 Vgl. ζ. B. BGHZ 48, 193, 197 mit Anm. von Kreft, 43,197,205 f.; 54, 293,295.

LM, Art. 14 (Ba) GrundG, Nr. 28; BGHZ

I. Die Rechtsprechung des BGH

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satz her weite Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers findet ihre Grenzen an folgenden, hier thesenartig vorgestellten Kriterien: aa) Eine inhaltliche Begrenzung darf in keinem Fall "den Wesensgehalt des Eigentums" (Art. 19 Abs. 2 GG) tangieren.235 bb) Der Gesetzgeber hat den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in dem Sinne zu wahren, daß die das Eigentum bindenden und beschränkenden Regelungen nicht weiter gehen dürfen, als der sachliche Grund, der zu der Bindung und Beschränkung führt und sie als solche rechtfertigt, dies erfordert. 236 cc) In manchen Entscheidungen wird neben dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch der Grundsatz der Zumutbarkeit angesprochen.237 Ob das Gericht mit diesem Kriterium einen zusätzlichen Gesichtspunkt aufgreifen wollte 238 erscheint allerdings fraglich, da der BGH an anderer Stelle beide Prinzipien gleichgesetzt hat. 239 dd) Die Eigentumsbegrenzung muß dem Wesen des betroffenen Rechts eigentümlich sein, d. h. das Gesetz muß das Eigentum nach seinem Zweck erfassen bzw. den Eigentümer ζ. B. durch zusätzlich auferlegte Duldungspflichten lediglich in der funktionsgerechten Verwendung seines Eigentumsgegenstands binden.240 Zulässig sind danach insbesondere Regelungen zur Abgren-

235

U. a. BGHZ 15,269, 272; 23,30,32; 30,338,342; 48,46, 50; 53,226, 234; 60,126,130.

236

So BGHZ 43, 196, 206; 53, 226,235, jeweils unter Hinweis auf BGHZ 6, 270, 279; femer BGHZ 54,293,296; NJW 1978, S. 2290,2292. 237

BGHZ 80, 111, 116: "... und dadurch deren Eigentümer schwer und unerträglich getroffen"; BGHZ 54, 293, 296: "Überschreitung einer gewissen Opfergrenze"; BGHZ 64, 220, 223: "der Maßstab der Zumutbarkeit"; LM, Art. 14 (Ba) GrundG, Nr. 29, Bl. 7. 238 Für einen unterschiedlichen Bedeutungsinhalt ζ. B. Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 94: "(Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) ist daher ein sachbezogener, funktionaler Grundsatz, (der Grundsatz der Zumutbarkeit) ein subjektbezogener, individualisierender Wertungsmaßstab." 239 240

JZ 1974, S. 291,292.

BGHZ 15, 269, 272; 30, 338, 342. Vgl. zu den Unzulänglichkeiten dieser Klausel nur Weber, NJW 1955, S. 40, 42, der die Erklärung eines Grundstücks zum Naturschutzgebiet nach § 24 des Reichsnaturschutzgesetzes als enteignende Maßnahme begreift, weil die sich hieraus ergebenden Beschränkungen "nicht die dem Baugrundstück oder Acker als solchem eigene Zweckbestimmung" konkretisieren, sondern "eine Dienstbarmachung für fremde Zwecke" bewirken. Wenn man allerdings den von Weber anerkannten Eigentumsgattungen des "Baugrundeigentums", des "Bauernlands", des "Waldbesitzes", des "Wohnhauseigentums" die des "naturschutzwürdigen Grundeigentums" zufügt, wäre diese Argumentation nicht mehr haltbar. Zum gleichen Ergebnis gelangt Reinhardt, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 1, 40 Fn. 38 unter Anwendung seiner Privatnützigkeitstheorie, da mit der Eintragung in die Denkmalschutzliste wesentliche Nutzungsbefugnisse entzogen würden. Vgl. demgegenüber zur Argumentation der herrschenden Meinung, wonach solche Beschränkungen lediglich inhaltsbestimmend seien, weil sich durch den behördlichen Akt der Unterschutzstellung nur eine

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

zung der Rechtsmacht der Eigentümer untereinander oder Eigentümer zu anderen Privatpersonen. 241 Aber auch Regelungen, die in Konkretisierung der sozialen Pflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) auf die Befugnisse des Eigentümers zugreifen, sind entschädigungslos hinzunehmen.242 Nur die Entziehung und Übertragung des Vollrechts fallt nach Auffassung des BGH aus der Regelungsbefugnis zur Eigentumsbegrenzung heraus.243 Wird eine solche zulässige Regelung getroffen, ist nach Auffassung des BGH der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG schon gar nicht tangiert, weil die dort geregelten Beschränkungen dem betroffenen Recht bereits "von vornherein innewohnen"244 bzw. bei der Auferlegung neuer Pflichten lediglich eine bereits zuvor die das Recht auf Grund der sozialen Gebundenheit latent belastende Pflichtigkeit nur zu einer akuten Pflicht verdichtet werde. Berührt eine staatliche Maßnahme in rechtswidriger Weise, also unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die Wesensgehaltssperre oder unverhältnismäßig die private Eigentumssphäre, so schlägt sie von einer Inhaltsbegrenzung in einen enteignenden Tatbestand um. 245 Im Rahmen der Beurteilung dieser Konstruktion werden daher unter anderem auch die folgenden Fragen zu klären sein: - Ist die Zusammenfassung von Inhalt und Schranken zur Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erforderlich und gerechtfertigt? - Ist mit der Rechtsprechung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widerspruchslos und ausreichend Genüge getan? - Wie können die Rechtsfiguren "soziale Pflichtigkeit", "Situationsgebundenheit", "erhebliche Schwere" u. a. zur Abgrenzung eines Eingriffs in die Eigentumsfreiheit von ihrer Ausgestaltung dogmatisch hergeleitet werden?

Pflichtigkeit konkretisiere, die allen Inhabern denkmalwürdiger Grundstücke bereits auferlegt sei, Kreft, Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839, Rdnr. 49 a. E. 241

BGHZ 53, 226, 234; 59, 332, 337.

242

Vgl. nur das Grundsatzurteil über die Einführung der sozialen Pflichtigkeit in BGHZ 23, 31,

33. 243

BGHZ 30, 338, 342.

244

BGHZ 59, 332, 337.

245

So ausdrücklich BGH, LM, Art. 14 (Ba) GrundG, Nr. 29 Bl. 7 Rückseite.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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b) Die Gleichsetzung von Inhalt und Schranken nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG aa) Orientierung des Eigentumsinhalts an den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs?

Vorab soll auf die im Naßauskiesungsbeschluß des BVerfG und dann in der Literatur aufgeworfene These eingegangen werden, der BGH lasse sich bei der Bestimmung des Eigentumsinhalts vom bürgerlich-rechtlichen Eigentumsinhalt, also insbesondere von § 903 BGB leiten und präge so den Verfassungsbegriff durch eine einfachgesetzliche Norm. 246 Auffällig an dieser Behauptung ist zunächst, daß als Beleg für diese angeblich fundamentale Erkenntnis des BGH im wesentlichen nur die Passage des Vorlagebeschlusses zur Naßauskiesung herangezogen wird, in der es heißt: "Diese öffentlich-rechtliche Regelung der Benutzung des Grundwassers (§ 1 a Abs. 3 Nr. 1 des WHG 2 4 7 ) stellt sich als eine bundesgesetzliche Bestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums i. S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und § 903 BGB dar" 248 . In der Tat: Sucht man weitere Entscheidungen des BGH auf eine Verknüpfung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und § 903 BGB, so stellt man sehr schnell fest, daß entgegen der Rechtsprechung des RG zu Art. 153 WRV, wonach der Eigentumsinhalt als "das Recht des Eigentümers, mit seiner Sache gemäß § 903 BGB nach Belieben zu verfahren" 249, bestimmt wurde, der BGH diese Formel nur ganz vereinzelt verwendet hat. 250 Aber auch sachlich läßt sich diese Behauptung nicht mit der Rechtsprechung des BGH in Einklang bringen: Nach seiner ständigen Rechtsprechung findet die Rechtsmacht des durch eine staatliche Maßnahme betroffenen Eigentümers ihre Grenzen an den eigentumsbegrenzenden Gesetzen.251 Dabei unterscheidet das Gericht nicht zwischen den bürgerlich-rechtlich und den 246

BVerfGE 58, 300, 334; Maunz/Dürig-Pap/er, Art. 14 GG, Rdnr. 36; Schwerdtfeger, JuS 1983, S. 104, 106, ders., Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 15; Lange, in: Hochschule und Verwaltungspraxis, S. 291, 293; Ipsen, in: Recht und Wirtschaft, S. 129, 131; besonders kritisch Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 157, 164, 186, 197; ders., NJW 1988, S. 2561, 2566, 2567 ff.; ders., AgrarR 1984, Beilage I, S. 3, 6,12 ff. 247

Klammerzusatz vom Verfasser.

248

NJW 1978, S. 2290, 2291.

249

Vgl. Nachweise auf S. 96 Fn. 297.

250

Vgl. BGHZ 6, 270, 287: "Eingriff in diefreie Bestimmungsbefugnis des Wohnungsinhabers"; Verw. Rspr. 9, 340, 342. 251

Vgl. BGHZ 57, 359, 364; 60, 126, 131; 62, 96,98; 66, 173, 177.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

öffentlich-rechtlich geregelten Befugnissen und ihren Beschränkungen; alle rechtmäßigen Eigentumsbegrenzungen formen die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Rechtspositionen, begründen den Schutzbereich der geschützten Eigentumsgegenstände, wohnen trotz ihrer beschränkenden Wirkung dem Eigentum "von vornherein inne" 252 . Nur so läßt sich erklären, daß rechtmäßige Konkretisierungen der sozialen Bindung des Eigentums durch staatliche Maßnahmen keine von außen erfolgenden Eingriffe darstellen. Dem Eigentümer wird nichts "genommen"253 , weil seine Dispositionsfreiheit schon vor der Maßnahme "gar nicht so weit reichte" 254. Der Rückgriff auf § 903 BGB im vom BVerfG so heftig gescholtenen Vorlagebeschluß läßt sich dagegen aus dem Umstand erklären, daß der BGH die Rechtmäßigkeit von Bestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes als Inhaltsbegrenzungen unter dem Gesichtspunkt zu prüfen hatte, ob der Gesetzgeber mit diesen Normen den vom Gericht verlangten gerechten Ausgleich zwischen Individual- und Allgemeininteresse erbracht hatte.255 Im Rahmen der dort angestellten Verhältnismäßigkeitsprüfung mußte für die Frage der Angemessenheit der rechtliche Zustand mit dem ohne die fraglichen Bestimmungen gegenübergestellt werden. Ohne die Spezialregelung im WHG galten aber nach Auffassung des BGH die allgemeinen Regelungen der §§ 903, 905 BGB, die deshalb als "Vergleichsmaßstab" herangezogen wurden. 256 Dem BGH kann daher nicht der Vorwurf gemacht werden, er orientiere sich von vornherein an einem umfassenden Nutzungsund Herrschaftsrecht als vorgegebenem Eigentumsinhalt. Zwar könnte der Gesetzgeber jederzeit den Regelungsgehalt des § 903 BGB verändern, solange er sich im Gestaltungsauftrag des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG hält. Nur: Solange er die "Generalnorm" des § 903 BGB nicht geändert hat, bildet sie mit den übrigen eigentumsprägenden Normen den Eigentumsinhalt, muß also herangezogen werden, um im Rahmen der Überprüfung einer Inhaltsänderung den Vergleichsmaßstab zu bilden. Somit schaffen und begrenzen alle verfassungsmäßigen gesetzlichen eigentumsberührenden Gesetze auch nach Auffas-

252 BGHZ 59,332,337; ferner ζ. B. BGHZ 19,1,3: "Zum Inhalt des Grundeigentums gehört auch die Befugnis, es im Rahmen der allgemeinen Baubeschränkungen baulich zu nutzen" (Hervorhebung vom Verfasser). 253

BGHZ 60,126,131.

254

BGHZ 23, 30, 33; weitere Nachweise bei Kröner, Die Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, S. 63; lobend insoweit auch Dittus, DVB1. 1957, S. 329,330. 255 256

Vgl. BGH, NJW 1978, S. 2290, 2292.

Auch in der anderen Entscheidung diente § 903 BGB als Maßstabsnorm zur Beurteilung einer beschränkenden staatlichen Maßnahme, weil es an einer spezielleren Norm fehlte, vgl. BGH, Verw. Rspr. 9, 340,342.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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sung des BGH die Bezugsobjekte der Eigentumsfreiheit; die Kritik des BVerfG ist insoweit unbegründet. bb) Der einheitliche Regelungsauftrag (1) Die Auffassung des BGH und mögliche Konsequenzen för die Effektivität des Grundrechtsschutzes

Ohne auf die nach dem Beschluß des Großen Senats erfolgte - sicherlich vereinzelt gebliebene - Kritik 2 5 7 näher einzugehen, wiederholte der BGH in den folgenden Jahren ohne weiteres seine These, Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG stelle einen einheitlichen Regelungsauftrag für den Gesetzgeber dar. Ohne daß das Postulat einer einheitlichen Einschätzung und die Ablehnung einer unterschiedlichen Behandlung von Inhalt und Schranken ausdrücklich formuliert wurde, verquickte er diese beiden Begriffe teilweise zum Oberbegriff der "Eigentumsbegrenzung" oder "-beschränkung"; teilweise wurde auch pauschal vom Gebot der Inhalts- und Schrankenbestimmung gesprochen und dabei auch konsequenterweise ein gemeinsamer verfassungsrechtlicher Zulässigkeitsmaßstab angewendet.258 Auf die naheliegende Gefahr, daß durch diese Nivellierung des Wortlauts des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Abwehrkraft der Eigentumsfreiheit als Freiheitsrecht über Gebühr geschwächt werden könnte, ist bereits oben bei den Erörterungen zum Beschluß des Großen Senats hingewiesen worden. 259 Es bleibt daher zu untersuchen, ob das Gericht durch die Formulierung der dem Gesetzgeber auferlegten Bindungen zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit seines Handelns dieser Schwächung des Grundrechts erfolgreich entgegengesteuert ist.

(a) Die Sonderopfertheorie

Die Orientierung der gerichtlichen Überprüfung an den Kriterien des "Sonderopfers" als des Ausdrucks eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG und der in diesem Zusammenhang von der Rechtsprechimg entwickelte Topos der sozialen Pflichtigkeit kann bei dieser Frage noch keine Bedeutung gewinnen,

257

Vgl. Nachweise auf S. 115.

258

Ζ. B. BGHZ 43,196,205; 48,46, 50; 53,226,234; 59,293,295; 59,332,336; 64,30,38 f.

259

Vgl. oben die Ausführungen auf S. 118.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

da hier - wie oben bereits erörtert - eine Vermischung des Freiheitsgrundrechts mit dem Gleichheitsgebot erfolgte. Diesem Gesichtspunkt wird später bei der Abgrenzung zwischen Enteignung und Eigentumsbeschränkung nachzugehen sein.260

(b) Die Wesensgehaltssperre

In vielen Entscheidungen des BGH wird neben dem Gebot aus dem Gleichheitsgrundsatz nur die Wesensgehaltssperre des Art. 19 Abs. 2 GG als verfassungsrechtliche Beschränkung genannt.261 Dabei ist zunächst klarzustellen, daß mit der Nennung des Art. 19 Abs. 2 GG allein die Geltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht geleugnet werden sollte. Nach älterer Auffassung des BGH wurde ein Grundrecht durch einen gesetzlichen Eingriff dann in seinem Wesensgehalt angetastet, wenn durch den Eingriff die wesensmäßige Geltung und Entfaltung des Grundrechts stärker eingeschränkt werde, als dies der sachliche Anlaß und Grund, der zu dem Eingriff geführt habe, unbedingt und zwingend gebiete. Danach untersagt die Wesensgehaltssperre nicht nur die Beschneidung des "Kernbereichs eines Grundrechts" als absolute Grenze, sondern daneben auch unverhältnismäßige Eingriffe als einem relativen Maßstab.262 Nicht nachvollziehbar ist dagegen die Wendung, bei einer Antastung des Wesensgehalts schlage eine generelle Eigentumsbindung in eine Enteignung um. 263 Nach dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 2 GG ist eine Beschneidung des Kernbereichs der Eigentumsfreiheit in jedem Fall unzulässig und fuhrt deshalb zur Nichtigkeit.264 In diesem Fall steht somit die 260 Vgl. unten d) Die Einbeziehung des Art. 14 Abs. 2 GG zur Konkretisierung des Regelungsauftrags (S. 196 ff.). 261

So ζ. B. in BGHZ 15,269,272; 30, 338, 340; 43, 196, 205; 48, 46, 50; 54, 293, 296; 60, 126,

130. 262 Vgl. BGH, DVB1. 1953, S. 370, 371; DVB1. 1953, S. 471, 472; DÖV 1955, S. 729, 730 f.; BGHZ 22, 167, 170; 43, 196, 205 f.; demgegenüber aber auch die Äußerungen des Gerichts, wiedergegeben in BVerfGE 10, 221, 225, wonach Art. 19 Abs. 2 GG eine Erforderlichkeitskontrolle der staatlichen Maßnahme ermögliche, die aber daneben auch bei der Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durchzuführen sei. Vgl. zu dieser Deutung des Art. 19 Abs. 2 GG kritisch Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 34 ff mit dem Hinweis, daß die absolute Grenze des Art. 19 Abs. 2 GG durch dessen Relativierung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Extremfall "sich in ein Nichts auflösen würde)." 263 Ζ. B. BGHZ 30, 338, 341; 60, 126, 130; zustimmend ζ. B. Kreft, leistungen, Vor § 839, Rdnr. 49. 264

Vgl. BVerfGE 7,377,411; v. Münch/Hendrichs, Dogmatik des Art. 14 GG, S. 15.

Öffentlich-rechtliche Ersatz-

Art. 19 GG (3. Aufl.), Rdnr. 27; Schulte, Zur

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"Umschlagstheorie" des BGH in Widerspruch zum geltenden Verfassungsrecht. 265

(c) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Das Hauptaugenmerk ist nun auf die Frage zu richten, ob der Grad der Bindung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei schutzbereichsbestimmenden bzw. -ändernden Gesetzen von dem bei anderen grundrechtsbeschränkenden "Eingriffen" abweicht. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dessen Geltung auch im Bereich legislativer Maßnahmen im Verhältnis zur Verfassung heute unbestritten ist 2 6 6 , setzt sich nach ganz herrschender Meinung aus den drei Komponenten Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit zusammen.267 In der älteren Judikatur wurde des öfteren die Wendung gebraucht, daß ein Grundrecht nicht stärker durch eine staatliche Maßnahme beschnitten werden dürfe, als der sachliche Grund dies unbedingt und zwingend gebiete.268 Diese Ausführungen legen den Verdacht nahe, daß der BGH dieses Prinzip auf eine Geeignetheits- und Erforderlichkeitsprüfung reduziert habe und im übrigen auf die normative Bewertung der Maßnahme im Rahmen der Angemessenheitsprüfung verzichten würde. 269 In späteren Entscheidungen hat sich das Gericht demgegenüber ausdrücklich zum Verhältnismäßigkeitsprinzip in allen drei Teilgrundsätzen bekannt.270 Auch wenn nicht in jeder Entscheidung jeder der drei Gesichtpunkte angesprochen und ausführlich 265 So schon eindeutig BVerfGE 4, 219, 230fif. unter Hervorhebung der Strukturunterschiede zwischen WRV und GG. 266

Die ablehnende Ansicht Forsthoffs (Der Staat in der Industriegesellschaft, S. 137fif.), wonach die Unterstellung der Legislative unter das Verhältnismäßigkeitsprinzip dessen Ableitung aus dem einfachen Verwaltungsrecht verkenne, hat sich demgegenüber nicht durchsetzen können (vgl. dens., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I Allgemeiner Teil, S. 70 f.), weil dieses Prinzip als "elementarer Bestandteil der Gerechtigkeit" (vgl. Schneider, in: FS für BVerfG, Bd. 2, S. 390,393) im positiv normierten Rechtsstaatsgebot für alle Gewalten bindend verortet ist (vgl. auch Wendt, AöR 104 [1979], S. 414, 416). 267

Vgl. nur die zusammenfassenden Darstellungen bei v. Münch/v. Münch, Art. 1-19 Vorb. GG, Rdnr. 55; Maunz/Dürig-tferzog, Art. 20 VII GG, Rdnr. 71fif.; Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568, 571 fif.; Schnapp, JuS 1983, S. 850, 852; Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 8 fif. 268 Vgl. neben BGHZ 6, 270, 279 auch Ζ 22, 169, 175; 43, 196, 205 f.; DVB1. 1953, S. 370, 371; DVB1. 1953, S. 471, 472 f. 269 Ygj m ^gjj vvortgleichen Ausführungen infrühen Entscheidungen des BVerfG Wendt, AöR 104(1979), S. 414, 429 f. 270 Vgl. BGHZ 53, 226, 235; 54, 115, 123; 59, 332, 337 f.; 64, 30, 39; 74, 39, 67; 80,111,116; NJW 1980, S. 2290, 2292.

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behandelt wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, daß das Prinzip im Rahmen der gesetzgeberischen Maßnahmen auf Grund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nur in abgeschwächter Form Geltung beanspruchen sollte. Teile der Literatur verbanden demgegenüber mit der Gleichsetzung von "Inhalt und Schranken" mit einem einheitlichen Ausgestaltungsauftrag die These, daß der Gesetzgeber bei der inhaltlichen Ausprägung und Gestaltung des verfassungsrechtlichen Schutzbereichs des Verfassungseigentums nicht eigentlich in diesen eingreife und deshalb der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur in beschränktem Umfang gelten könne.271 Trotz des an sich naheliegenden Einwands, daß der Gesetzgeber ζ. B. durch die erstmalige Schaffung eines Vermögenswerten Rechts oder die inhaltliche Anpassung an die vom Gesetz abweichenden Vorstellungen des Wirtschaftsverkehrs den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG nicht beschränken könne, mithin gerade die Angemessenheit dieser Maßnahme unter dem Gesichtspunkt der "übermäßigen Belastung"272 des Grundrechtsinhabers schwerlich untersucht werden kann 273 , unterzog der BGH sämtliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen einer vollständigen Verhältnismäßigkeitsprüfung, billigte dem Gesetzgeber aber wie das BVerfG 274 einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Zielbestimmung zu. 275 Sofern in der Literatur dagegen vorgeschlagen wurde, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei gesetzlichen Neuregelungen nur insoweit 27 1 Lerche, Übermaß und Verhältnismäßigkeit, S. 140fif.; vgl. auch Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568, 588 f., 597fif.; Badura, Staatsrecht, C 26; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, S. 100 f.; wohl auch Kirchhof, in: HdbStR, Bd. 3, § 59, Rdnr. 25; Stein, in: FS für Müller, S. 503, 525 f.; dagegen insbesondere Wendt, AöR 104 (1979), S. 414, 450fif.; Gentz, NJW 1968, S. 1600, 1601; Wülfing, Grundrechtliche Gesetzesvorbehalte und Grundrechtsschranken, S. 35 f.; Schnapp, JuS 1983, S. 850, 854. 272

BVerfGE 7, 377, 405 f.; 8, 71, 80; 9, 338, 345; 10, 141, 173; 11, 30, 42; 13,97, 113; 13, 231, 235; 13, 237, 241; 15, 226, 234; 16, 286, 297; 18, 353, 362; 21, 150, 155; 21, 173, 182; 29, 221, 235. Anschaulich auch Schnapp, JuS 1983, S. 850, 854: "In Beziehung zu setzen ist die 'Wertigkeit' der verfolgten Gemeinwohlinteressen auf der einen mit dem Maß an Freiheitsverlust (!) auf der anderen Seite." und Seilmann, NJW 1965, S. 1689, 1692, der die strenge Bindung des Gesetzgebers bei "Eigentumsbeschränkungen" fordert und dabei übersieht, daß es sich bei der Neugestaltung von Rechten um "Eigentumserweiterungen" handelt. 273

Auf das Problem des fehlenden Vergleichsmaßstabs machen v. MünchIBryde, Art. 14 GG (4. Aufl.), Rdnr. 63; AK-Rittstieg, Art. 14/15 GG, Rdnr. 167 aufmerksam, wobei sie dem ähnlich operierenden BVerfG einen Rückgriff auf den absoluten Eigentumsbegriff des BGB vorwerfen. Vgl. femer Rühl, JA 1991, S. 111, 116; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 281 Fn. 625. 274 275

BVerfGE 8, 71, 80; 37, 132, 140; 42, 263, 294.

Vgl. BGHZ 43, 196, 205; 54, 293, 295: Anpassungsmöglichkeit der Grenzen einer Rechtsposition an den sich wandelnden Rechtsaufifassungen und sozialen Gegebenheiten und Notwendigkeiten; vgl. aus der Literatur femer Kreft, LM, Art. 14 (Ba) GrundG, Nr. 32; Frotscher, JuS 1981, S. 890, 892; Bender, NJW 1965, S. 1297, 1298; Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, S. 75.

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anzuwenden, als in den Bestand der nach alter Rechtslage entstandenen Altrechte befugnismindernd eingegriffen werde 276, begegnet dieser Lösungsvorschlag unter der Prämisse, durch solche Gesetze werde der gegenständliche Schutzbereich lediglich reduziert, so daß sich dererlei Regelungen nicht als Eingriffe in einen unverändert geschützten Lebensbereich darstellen lassen277, Bedenken. In Wahrheit würde die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf diesen Bereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ein berechtigtes Vertrauen der Betroffenen in den Fortbestand der gesetzlichen Regelungslage als eigentumskonstituierenden Umstand voraussetzen, und dies, obwohl das Vertrauensschutzprinzip - aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet - einen Maßstab zur Begrenzung der gesetzgeberischen Befugnisse im grundrechtsrelevanten Bereich darstellt 278, mithin einen bereits gegebenen grundrechtlichen Schutzbereich voraussetzt.279 Bei der Prüfung der insofern Inhalt und Schranken ebenfalls gleichsetzenden Rechtsprechimg des BVerfG wird daher die Frage zu stellen sein, ob mit einer Differenzierung dem eingriffsbeschränkendem Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht besser und widerspruchsfreier Geltung verschafft werden kann.

(2) Die in der Literatur vertretenen Abgrenzungsmodelle

Bereits bei der Analyse der Grundsatzentscheidung des Großen Senats 1952 war deutlich geworden, daß die Rechtsprechung es an Argumenten für ihre These fehlen ließ, warum trotz des differenzierenden Wortlauts dem Gesetzgeber ein einheitlicher Ausgestaltungsauftrag durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG eingeräumt worden sei. In der zustimmenden herrschenden Literatur 280 wurde 276 So ζ. B. Schmidt-Aßmann, in: FS Universität Heidelberg, S. 107, 117; Schwerdtfeger, dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 24.

Die

277 So ausdrücklich Herzog, in: FS für Zeidler, Bd. 2, S. 1415, 1419 f.; ferner Rogozinski, JuS 1978, S. 385, 386. 278

Vgl. nur v. Münch/Schnapp, Art. 20 GG (4. Aufl.), Rdnr. 27; UmmfDiXng-Herzog, VII GG, Rdnr. 65 fif. 279 Vgl. zur Rolle des Vertrauens bei der Beurteilung einer gesetzlichen Regelung, die eine Eigentumsbeschränkung über den zeitlichen Anwendungsbereich der ursprünglichen Regelung hinaus verlängert, BVerfGE 25, 371, 406, wonach das Vertrauen der Betroffenen auf das Auslaufen der Eigentumsbelastung nach der alten Regelung verfassungsrechtlich nicht geschützt sei. Die Verlängerung der Eigentumsbelastung bewirke "lediglich", daß eine "Verbesserung (!) der Rechtsposition (...)die auf Grund der früheren Fassung (der Norm) (...) eingetreten wäre - unterbleibt." 280 Trotz der im folgenden aufzuzeigenden vereinzelt gebliebenen Gegenauffassungen geht die herrschende Meinung, unterstützt durch die eindeutige Bekräftigung durch das BVerfG im Naßauskie-

Art. 20

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

dieses nachgeholt; allerdings erstreckte sich die Beweisführung im wesentlichen auf ein einziges Argument: nämlich das des "Wortlauts (!) und der Logik" 281 . Von der individuellen Eigentumsfreiheit seien nur die durch das Gesetz ausgeformten Rechtspositionen eifaßt, wobei sich die geschützten Befugnisse aus einer Zusammenschau von inhaltsbestimmenden und schrankenziehenden Gesetzen ergäben. So könne es keinen Unterschied machen, ob der Gesetzgeber die eigentumsrechtlichen Befugnisse generell zunächst weit fasse, um sie dann einzuschränken, oder sie von vornherein dem Rechtsinhaber nur in gemindertem Umfang zubillige. Da Inhaltsnormen durch ihren limitierenden Regelungsgehalt dem Eigentümer auch Schranken zögen und umgekehrt gesetzliche Schranken den Umfang seiner Befugnisse aufzeigten, also den Inhalt erkennen ließen, gingen beide Kategorien in einer unauflöslichen Einheit auf. 282 Diese Argumentation entbehrt angesichts des früheren Befunds, daß die Eigentümerbefugnisse denknotwendigerweise ihre rechtliche Begrenzung am Eigentum der übrigen Rechtsgenossen finden müsse283, nicht einer gewissen Logik. Das Phänomen der Tautologie ist nach wohl überwiegender Ansicht in Literatur und Rechtsprechung wohl auch im übrigen Verfassungstext vereinzelt anzutreffen. Gegenstand der Sozialisierung ist nach Art. 15 GG u. a. der "Grund und Boden", ein Begriffspaar, das teilweise284 als Pleonasmus gedeutet wird. Allerdings wird von anderen Autoren diesem Begriffspaar ein eigenständiger Sinn dergestalt zugeordnet, als grundstücksgleiche Rechte in dieser insoweit abschließenden Aufzählung nicht erfaßt seien. 285 Im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG soll der Handlungsalternative des "Verbreitens" neben der umfassend auszulegenden Meinungsäußerung kein eigenständiger Inhalt zukommen.286 Aber auch dort hat es Differenzie-

sungsbeschluß (BVerfGE 58, 300, 336), heute noch von der Einheitlichkeit des Regelungsauftrags aus. Insoweit war die Äußerung Kimminichs (BK, Art 14 GG, Rdnr. 97), die "Theorie der Dekkungsgleichheit von Inhaltsbestimmung und Schrankensetzung" sei überholt, zumindest übertrieben. 281

Kimminich, JuS 1969, S. 346,349.

282

Ζ. B. Maunz/Dürig-Pap/er, Art. 14 GG, Rdnr. 251; v. UünchJBryde, Art. 14 GG (4. Aufl.), Rdnr. 51; Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 19 f.; Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S. 48; Schach, NJW 1954, S. 577, 579; Müller, NJW 1971, S. 81; Schneider, Verw. Arch. 58 (1967), S. 197, 212; Hamel, DVB1. 1958, S. 37, 41 f.; Bender,, NJW 1965, S. 1297, 1298. 283

Dürig, Ztschr. für die gesamte Staatswissenschaft 109 (1953), S. 326,349.

284

V. Münch/Bryde, Art. 14 GG (4. Aufl.), Rdnr. 51.

285

So Hamann, Art. 15 GG (3. Aufl.), Anm. 1 a; BK-Kimminich, Art. 15 GG, Rdnr. 26; MaunzfDûùg-Maunz, Art. 15 Rdnr. 11; a. A. als Folge seiner Auslegung dieses Begriffspaars v. Münch/Bryde, Ait. 15 GG (4. Aufl.), Rdnr. 16. 286

So v. Münch/v. Münch, Art. 5 GG (4. Aufl.), Rdnr. 17.

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rungsversuche gegeben.287 Auch wenn diese im einzelnen nicht überzeugen sollten, wird durch den Zusatz bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG doch unmißverständlich verdeutlicht, daß jede Art der Kommunikation vom ihm erfaßt sein soll. 288 Schließlich maß man dem Differenzierungskriterium "Geschlecht" in Art. 3 Abs. 3 GG neben Art. 3 Abs. 2 GG lange Zeit keine selbständige Bedeutung bei 2 8 9 , aber auch diese Ansicht ist schon damals vereinzelt bestritten worden. 290 Diese Beispiele zeigen aber, daß bei Auslegungsschwierigkeiten bezüglich einzelner Normen oder ihrer Tatbestandsmerkmale nicht vorschnell eine nicht ausreichende begriffliche Durchdringung des Grundgesetzgebers bei der Wortwahl diagnostiziert werden kann, um so den scheinbar einfacheren Weg der Ableugnung eines Bedeutungsgehalts beschreiten zu können. Zum einen ist trotz eventueller Unklarheiten über den Inhalt einer Norm bei ihrer Entstehung nicht der mangelhafte Wille des Verfassungsgebers entscheidend, sondern die Formulierung als Ausdruck der Vorstellung des objektivierten, abstrakten Verfassungsgesetzes aus sich heraus zu interpretieren. Zum zweiten kann die oftmals sicherlich vorhandene Vag- und Unbestimmtheit verfassungsrechtlicher Regelungen nicht dazu fuhren, einmal objektiv gegebene Anhaltspunkte schlicht zu ignorieren. Es muß daher versucht werden, dem objektivierten Willen des Verfassungsgebers durch die anerkannten Auslegungsmethoden möglichst weitgehend Geltung zu verschaffen. 291 Angesichts des Wortlauts des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG wurde der "Mut" der herrschenden Auffassung bewundert, den von der Verfassung dem einfachen Gesetzgeber verliehenen Auftrag, nicht nur Beschränkungen am bestehenden Eigentum vorzunehmen, sondern auch seinen Inhalt konstitutiv festzulegen,

287 Vgl. ζ. B. Maunz/Dürig-//erzog, Art. 5 GG, Rdnr. 56 ff.; Hamann, Art. 5 GG (3. Aufl.), Anm. Β 3. 288 V g l v Mangoldt/Klein/Starcfc, Art. 5 Abs. 1, 2 GG, Rdnr. 22; Ridder, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 243, 274. 289 Ζ. B. v. Mimch/Gubelt, GG, Rdnr. 4. 290

Art. 3 GG (4. Aufl.), Rdnr. 95; Maunz/Dürig-Dwng, Art. 3 Abs. III

Vgl. Ramm, JZ 1968, S. 41, 42 f.; aus neuerer Zeit BVerfGE 85, 191, 206 f.

291

Vgl. Eschenbach, KStZ 1990, S. 147; Schick, BayVBl. 1973, S. 449, 452; Selmer, DÖV 1974, S. 374, 375. Besonders extrem erscheint unter diesem Gesichtspunkt die Ansicht Schultes, der die Begriffe "Inhalt" und "Eingriff 1 als unverbindliche Bilder ansieht, diesen Begriffen außerhalb eines "formalen Denkschemas" und einer "einprägsamen Vorstellungshilfe" innerhalb der juristischen Diskussion für die Anwendung der Verfassung keinerlei Bedeutung zumessen will und im übrigen der Frage der Entschädigungspflicht innerhalb des Art. 14 GG das entscheidende Gewicht beilegt (Eigentum und öffentliches Interesse, S. 48 ff, 50, 52).

11 Eschenbach

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zu einem allgemeinen Regelungsvorbehalt zu reduzieren. 292 Tatsächlich legt die gleichberechtigte Nennung von Inhalt und Schranken zunächst einmal die Vermutung nahe, daß dem Begriff der Schranke eine eigenständige Bedeutung zukommt, und dieser nicht nur einen verdeutlichenden Zusatz für einen allgemeinen Inhaltsbestimmungsauftrag darstellt. 293 Auch vom allgemeinen Sprachgebrauch her haben diese beiden Begriffe genau abgrenzbare Bedeutungen.294 Im folgenden ist daher zu untersuchen, ob die bisherigen Abgrenzungsversuche eine Trennung der Normen, die die Merkmale des Verfassungseigentums bezüglich einzelner Rechtspositionen konkretisieren, von denjenigen, die das konkret ausgestaltete Eigentum des einzelnen zum Schutze anderer Gemeinwohlinteressen einengen, ermöglichen.

(a) Die Auffassung Benders

Bender unterscheidet die verschiedenen Normkategorien nach ihrer Rechtsfolge: Soweit dem Eigentümer eine Handlungsmöglichkeit bezüglich des Eigentumsgegenstands eingeräumt oder auferlegt werde, liegen danach Inhaltsbestimmungen vor, während Schranken Unterlassungs- und Duldungspflichten normieren sollen.295 Allerdings zieht Bender aus dieser Differenzierung keinerlei Folgerungen, Inhalt und Schranken gehen letztlich "in einer unzerreißbaren Einheit" auf. 296 Diese Art der Abgrenzung ist mit dem oben ermittelten Wortsinn kaum vereinbar, weil zum Schutze anderer Gemeinwohlinteressen nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG ("Sein Gebrauch ...) auch Handlungspflichten auferlegt werden können.297 Eine derartige Trennung erscheint daher als zu formalistisch.

292

Krüger, in: FS für Schack, S. 71, 72; vgl. dens., DÖV 1961, 721, 726.

293

Etwas anderes könnte ζ. B. dann gelten, wenn Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Fassung hätte: "Der Inhalt des Eigentums, insbesondere seine Schranken, werden durch Gesetz bestimmt." 294 Der Inhalt stellt nach den Regeln der Logik die Summe aller Merkmale eines Begriffs dar, während Beschränkungen einen bereits vorgegebenen Inhalt einengen; vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Stichwort: "Inhalt". 295

Vgl. NJW 1965, S. 1297 f.

296

NJW 1965, S. 1298.

297

So Kimminich, JuS 1969, S. 349, 356.

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(b) Unterscheidung nach den geregelten Interessenbereichen Andere Autoren knüpfen mit ihren Überlegungen an die bereits zur Weimarer Zeit vertretene Auffassung an, wonach die Privatrechtsordnung die Rechtsmacht der Eigentümer untereinander ausgestalte und begrenze, während öffentlich-rechtliche Normen diesen Inhalt aus Gründen des Gemeinwohls beschränken, also einen Eingriff darstellen sollen. Die Unterscheidung zwischen Inhalt und Schranken hat nach dieser Auffassung insoweit Folgen, als bei der Überprüfung einschränkender Gesetze ein strengerer Maßstab an die den Eingriff legitimierenden Gemeinwohlinteressen und die Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip anzulegen sei.298 Für diese Auffassung spricht zunächst ihre Praktikabilität; jede Norm läßt sich zweifelsfrei einer der beiden Kategorien zuordnen. Erste Zweifel an der Richtigkeit dieser These entstehen, wenn man sich klar macht, daß diese Autoren auch gewisse subjektiv-öffentliche Rechte in den gegenständlichen Schutzbereich einbeziehen wollen.299 Die Ausgestaltung der mit diesen Rechten verbundenen Befugnisse gegenüber dem verpflichteten Staat muß denknotwendigerweise durch öffentlich-rechtliche Normen erfolgen. Auch ist die Behauptung, durch privatrechtliche Bestimmungen werde in jedem Fall nur der Machtbereich des Eigentümers konkretisiert, "indem der Gesetzgeber die Grenzen des Eigentums in sich bestimmt"300, mit der Realität eines nicht mehr nur der Sicherung der Privatsphäre, sondern auch der Ausgestaltung einer sozialgerechten Gesellschaft verpflichteten Gemeinwesens nicht vereinbar. 301 Beispielweise im privatrechtlich geregelten Wohnungsmietrecht erfolgt die Abgrenzung der Interessen von Vermieter und Mieter unter besonderer Berücksichtigung der Sozialbindung des Vermietereigentums als einem übergeordnetem Grund. 302 Eine am Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG orientierte, mit der Systematik der

298 Vgl. Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 44 f., 48 f.; Stein, Staatsrecht (9. Aufl.), S. 163; Stein, in: FS für Müller, S. 503, 525 f.; aus jüngerer Zeit Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 76 mit einer Differenzierung zwischen einer Bürger-Bürger und einer BürgerStaat-Relation und Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 228 ff., 274, 279 fif. 299

Stein, Staatsrecht, S. 162 f.; Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 96 ff.

300

Stein, in: FS für Müller, S. 503, 525.

301

AK-Rittstieg, Art. 14/15, Rdnr. 161. Vgl. allgemein zur "nahen Verwandtschaft" der zwingenden Privatrechtsnormen, die der Durchsetzung von Gemeinwohlbelangen dienen, mit dem öffentlichen Recht BVerfGE 7, 198, 206. 302 Vgl. nur BVerfGE 18, 121, 131 f.; ferner zur Mehrheitsumwandlung nach dem UmwG als Abgrenzung der Befugnisse zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionären BVerfGE 14, 263, 282. Allgemein Schwabe, DVB1. 1973, S. 103, 104.

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Eigentumsfreiheit nicht kollidierende Trennung kann diese Auffassung daher nicht leisten.303

(c) Die Orientierung an der Veränderung der Rechtsmacht

Erichsen wendete zeitweise bei der von ihm als notwendig erachteten Trennung von Inhalt und Schranken einen relativen Maßstab an: Wird danach der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit durch die einfachgesetzliche Zubilligung eines "Mehrs an Rechten" erweitert, so liegt eine Inhaltsbestimmung, wird ein Nutzungsrecht genommen, eine Beschränkung vor. 304 Auch dieses Differenzierungskriterium kann bereits vom Wortlaut her nicht überzeugen: Wird der Inhalt eines Begriffs durch die Summe aller ihn prägenden Merkmale bestimmt, so kann die Aufhebung einer gesetzlichen Beschränkimg nur wegen ihrer erweiternden Rechtsfolge keine prägende Inhaltsbestimmung darstellen, sondern nur als negative Schrankenbestimmung einzuordnen sein. Dies gilt umso mehr, wenn mit der Einordnung in die beiden Bereiche unterschiedliche Maßstäbe für die Verfassungsmäßigkeitsprüfung verbunden werden. Erichsen selbst hat diese Auffassung später zugunsten eines in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG normierten einheitlichen "Schutzbereichsbegrenzungsauftrags" aufgegeben. 305

(d) Die Differenzierung zwischen "Eigentumshülse" und "-inhalt" nach Schwerdtfeger

Schwerdtfegers Ansatz beruht zunächst auf der Feststellung, daß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG eine Vielzahl von Rechtspositionen mit verschiedenartigsten Regelungsgehalten als Eigentum anerkenne. Deshalb könne diesem Verfassungsmerkmal kein abstrakt-allgemeiner Bedeutungsinhalt zukommen. Würde man "Eigentum" als Rechtsbegriff ansehen, so müßte es durch eine abschließende Zahl von einzelnen Merkmalen definiert sein, die zur Zuordnung einer Rechtsposition geschlossen vorliegen müßten. Da aber mit diesem Begriffsdenken die große Zahl der verschiedenen Positionen nicht erfaßt werden könnte, sei das Merkmal "Eigentum" als Typus, also als ein "Gesamtbild mit 303

Vgl. auch Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 262.

304

Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit, Bd. 1 (1. Aufl.), S. 97 f.

305

Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit, Bd. 1 (2. Aufl.), S. 107.

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unscharfen Konturen" 306 aufzufassen. Manche Elemente zur Beschreibung des Typus seien wesensmäßig "prägend", so daß auf sie in keinem Fall verzichtet werden dürfe. Andere Elemente führten zwar bei ihrem Vorliegen zur Qualifikation der fraglichen Position als Eigentum, bei ihrem Fehlen könne die Eigentumseigenschaft aber nicht zwingend verneint werden (sog. zuordnende Typusmerkmale). Diese zuordnenden Typusmerkmale seien bei den einzelnen Arten des Verfassungseigentums - ζ. B. Grundeigentum, Forderung, Aktie, Gebrauchs- und Produktionseigentum - unterschiedlich ausgestaltet, so daß es unter dem Sammerbegriff" des Eigentums eine Vielzahl von verschiedenen "Eigentumstypen" gebe. Die Schwierigkeit, diese zuordnenden Typenmerkmale zu bestimmen, wird von Schwerdtfeger soziologisch gelöst. Wenn nach den "heute allgemein herrschenden gesellschaftlichen Anschauungen" sich ein Eigentumstyp herausgebildet habe, seien gesetzgeberische Maßnahmen zur Modifikation dieses Typus unter dem Blickwinkel der Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu würdigen. Dabei müsse allerdings zwischen den prägenden und den sonstigen Elementen unterschieden werden. Die Veränderung der ersteren Elemente werde durch die Kompetenz des Gesetzgebers, Schranken des Eigentums zu bestimmen, gedeckt und sei speziell am Erfordernis des Verhältnismäßigkeitsprinzips unter Beachtung des Art. 14 GG als "Schranken-Schranke" zu messen.307 Die Veränderung der übrigen Merkmale durch gesetzliche Inhaltsbestimmungen könne nicht an Art. 14 Abs. 1 GG gemessen werden, da insoweit die lediglich garantierte "Eigentumshülse", also die Summe der eigentumsprägenden Typusmerkmale, nicht berührt sei. Deswegen sei in diesem Bereich insbesondere eine Angemessenheitskontrolle als Überprüfung der Zweck-Mittel-Relation zwischen schützenswertem Gemeinwohlinteresse und der Eigentumsfreiheit nicht vorzunehmen.308 Diese Differenzierung zwischen typusprägenden Elementen, deren gesetzliche Veränderungen als schrankenziehende Eingriffe angesehen werden, und den übrigen zuordnenden Elementen, die durch den Gesetzgeber inhaltsbestimmend geändert werden können, ist schon in der Praxis nur schwer zu treffen. 309 Im übrigen erscheint es auch denklogisch möglich zu sein, die von Schwerdtfeger entwickelten, allen Eigentumstypen gemeinsamen prägenden 306

Unternehmerische Mitbestimmung der Arbeitnehmer und Grundgesetz, S. 227.

307

Unternehmerische Mitbestimmung der Arbeitnehmer und Grundgesetz, S. 231 ff.

308

Unternehmerische Mitbestimmung der Arbeitnehmer und Grundgesetz, S. 225 f. mit dem Hinweis, daß sich die Geeignetheits- und Erforderlichkeitskontrolle direkt aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebe. 309 Vgl. Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 72; densDVB1. 1980, S. 539, 540.

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Elemente als die Summe der den einheitlichen Eigentumsiegr/j/f ausmachenden Merkmale aufzufassen. Daneben fehlt jeglicher Beleg dafür, daß die Normen, die typusprägende Merkmale für einzelne Eigentumspositionen beschränken, nicht zugleich, dadurch daß sie im übrigen den prägenden Bereich unangetastet lassen und ihn insoweit gesetzlich "bestätigen", nicht auch gleichzeitig den Inhalt des Eigentums bestimmen. Schließlich erweckt auch die "Problemlösung" Schwerdtfegers, nämlich die Frage, ob ein vermögenswerter Gegenstand als Verfassungseigentum einzuordnen sei, nach den in der Rechtsposition verankerten Typusmerkmalen unter Bezugnahme auf die herrschenden gesellschaftlichen Vorstellungen zu entscheiden, dann Bedenken, wenn man sich vergegenwärtigt, daß auch nach Schwertfeger der Gesetzgeber die Eigentumsgegenstände konstitutiv bestimme. 310 Zwar hat sich der Gesetzgeber bei der Schaffung und Ausgestaltung an den gesellschaftlichen Anschauungen zu orientieren. 311 Bedeutet es aber nicht eine Überspielung der im gesetzgeberischen Akt verkörperten Wertung und damit die Leugnung des Auftrags allein an den Gesetzgeber, wenn bei der Frage der Einbeziehung der Rechtsposition neben den normativen Vorgaben aus der Verfassung pauschal die gesellschaftlichen Anschauungen einbezogen werden sollen?

(e) Die zweigleisige Schutzwirkung der Eigentumsfreiheit als Anknüpfungspunkt (Ramsauer)

Nach herrschender Auffassung gewährleistet Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur ein individuelles Grundrecht des Inhalts, daß der Inhaber einer vom Schutzbereich umfaßten Rechtsposition gegenüber der staatlichen Gewalt rechtswidrige Eingriffe in sein Recht nicht zu dulden braucht, sondern auch das Eigentum als Rechtsinstitut als Teil der objektiven Wertordnung. 312 Aus dieser Zweigleisigkeit zieht Ramsauer den Schluß, daß bezüglich gesetzlicher Veränderungen des Rechtsinstituts als der Gesamtheit eigentumsrelevanter Normen nur eine inhaltliche Neubestimmung vorliegen könne, während Normen, die auf bereits bestehende Rechte Privater mindernd einwirken, Schran310

Vgl. nur BVerfGE 24, 367, 396; 37, 132, 141; Schwertfeger, paritätischen Mitbestimmung, S. 67. 311 312

Zur Verfassungsmäßigkeit der

Vgl. nur BVerfGE 20, 351, 355.

Vgl. zu dieser doppelten Zielrichtung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vorerst nur BVerfGE 20, 351, 355; 24, 367, 389; 26, 206, 222; 31, 229, 239; 42, 263, 293; 50, 290, 339.

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ken darstellen.313 Daraus ergeben sich nach seiner Auffassung für die Schutzwirkung der Eigentumsfreiheit folgende Konsequenzen: Gesetze, die eine bislang nicht zugebilligte Rechtsposition schaffen und ausgestalten, greifen nicht in vorhandene Rechtspositionen ein und stellen daher "nur" Inhaltsbestimmungen dar. Der Gesetzgeber hat bei solchen Regelungen die übrigen Bestimmungen der Verfassung, die grundlegende Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums und die Wesensgehaltssperre als absolute Grenze zu beachten. Gesetze, die auf bereits bestehende Rechtspositionen einwirken, sind dagegen sowohl Inhalts- (bezogen auf die Institutsgarantie), als auch Schrankenbestimmung (bezogen auf das Individualgrundrecht), müssen daher zusätzlich durch die Sozialbindung nach Art. 14 Abs. 2 GG gerechtfertigt sein. Bei der Überprüfung dieses Diflferenzierungsvorschlags anhand der Grenzen des Wortlauts des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG werden erste Schwierigkeiten sichtbar. "Inhalt" und "Schranken" haben nach Ansicht Ramsauers keinen gleichberechtigt nebeneinanderstehenden Bedeutungsinhalt, letztere sind vielmehr ein qualifizierter Unterfall. Gewichtiger als dieser formale Einwand ist die Konsequenz dieser Einteilung, daß der Individualschutz der Eigentumsfreiheit bei inhaltsbestimmenden Normen gänzlich entfallen müßte 314 , weil der "betroffene Bürger" keine Verletzung eigener Rechte geltend machen kann. Zweck der Lehre von der Institutsgarantie war es doch gerade, das individuelle Grundrecht zur Abwehr staatlicher Eingriffe in die Privatsphäre abzusichern und zu verstärken. 315 Ramsauers Ansicht führt dagegen im Bereich der ausgestaltenden Normen zu einer Schwächung des Grundrechtsschutzes. Neben dieser bedenklichen Folge bleibt anzumerken, daß Ramsauer seine Einteilung selbst nicht konsequent durchhält. 316 Im weiteren Verlauf seiner Überlegungen führt er noch die Untergruppen "positive" und "negative" Inhaltsbestimmungen ein. Während erstere in positiver Weise die einzelnen

313

Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 73 f.; ders., DVB1. 1980, S. 539, 540 f.

314

So ausdrücklich Ramsauer, DVB1. 1980, S. 539, 541 f.; zu Recht zweifelnd auch Lutz, Eigentumsschutz bei "störender" Nutzung gewerblicher Anlagen, S. 163 Fn. 408. 315 BVerfGE 7, 198, 204 f.; 24, 367, 389; 50, 290, 337; Krämer, NJW 1977, S. 1426, 1427; Friauf, DÖV 1980, S. 480, 487; Schmidt, AöR 91 (1962), S. 42, 62. 316 Bemerkenswert z. B. seine Ausführung, der Begriff der Inhaltsbestimmung werde in erster Linie dem Eigentum als Rechtsinstitut, in zweiter Linie natürlich auch dem Individualgrundrecht zugeordnet (Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 75 mit Fn. 92).

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Befugnisse, die dem Rechtsinhaber in bezug auf den Eigentumsgegenstand gegenüber den Rechtsgenossen zustehen, regeln, greifen letztere in diesen Inhalt beschränkend ein. 317 Diese weitere Unterteilung hat allerdings keinen dogmatischen Hintergrund, die Rechtsfolgen für beide Kategorien, insbesondere die geleugnete Tangierung des Schutzbereichs des Freiheitsgrundrechts des einzelnen, sind identisch. (f) Unterscheidung zwischen langfristiger inhaltlicher Anpassung an die gesellschaftlichen Bedürfnisse und aktueller Konfliktbewältigung (Limpens)

Ausgehend von der These, daß eine Wortlautinterpretation das problematische Verhältnis von inhaltsbestimmenden und schrankensetzenden Normen nicht lösen könne 318 , sieht Limpens in der unterschiedlichen Funktionsweise von Inhalt und Schranken das entscheidende Diflferenzierungskriterium. Vergleiche mit anderen Grundrechtsbestimmungen im Rahmen einer systematischen Auslegung, bei denen eine dem Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechende Vorschrift fehle, machen nach seiner Ansicht deutlich, daß dem einfachen Gesetzgeber mit diesem Ausgestaltungauftrag eine weitergehende Dispositionsfreiheit über den Schutzbereich dieser Gewährleistung eingeräumt werde, als dies bei den übrigen Grundrechten, bei denen der Gesetzgeber die Konturen des leitbildartig gewährleisteten Schutzes deklaratorisch nachzeichnen und verdeutlichen dürfe, anerkannt sei.319 Inhaltsbestimmungen ermöglichen daher eine langfristige, grundsätzliche Neuordnung der Eigentumsordnung, orientiert am Wandel der gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse. Bei dieser gestaltenden Aufgabe, bei der nach Limpens auch der Schutzbereich der grundrechtlichen Eigentumsfreiheit verändert wird, darf sich der Gesetzgeber ohne weiteres bis zur Wesensgehaltssperre des Art. 19 Abs. 2 GG vorwagen, die die spezifische Grenze gerade für diesen Fall darstellen soll. Schranken dagegen schlichten gegenwärtige Konflikte der Bürger untereinander oder einzelner Bürger gegenüber dem Staat. Sie sind deshalb Eingriffe in den grundrechtlichen Schutzbereich, bedürfen zu ihrer Rechtfertigung eines von

317

Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 148 ff.

318

Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 85. 319 Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 94 ff.

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der Verfassung anerkannten Zwecks und sind streng an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen.320 Diese allein funktional begründete Unterscheidung ist von vornherein mit einem unüberwindlichen Manko behaftet: Sie ist weder durch eine grammatische Auslegung hergeleitet worden, noch läßt sie sich überhaupt mit dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG in Übereinstimmung bringen. Der Wortlaut einer Verfassungsnorm ist eben nicht nur Ausgangspunkt, sondern auch Grenze der möglichen Interpretationsergebnisse. Im übrigen erscheint allerdings auch die vorgeschlagene Differenzierung in der Praxis nicht möglich: So dürfte die Gesetzgebung im Wohnungsmietrecht aktuell die Interessenkonflikte zwischen Vermieter und Mieter schlichten, trotzdem wird man ihr langfristige politische Überlegungen des einfachen Gesetzgebers nicht absprechen können. Es ist daher wohl kaum möglich, langfristige und kurzfristige Zielsetzungen der Gesetzgbeung dogmatisch voneinander zu trennen.

(g) Trennung nach generellen Befugnis- und Pflichtennormierungen

Lutz und ihm folgend Wendt trennen Inhalt und Schranken nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG wie die zuvor vorgestellte Auffassung Limpens' nach unterschiedlichen Funktionsweisen: Inhaltsnormen legen danach die Eigentumsrechte und die mit ihnen verbundenen Befugnisse als solche fest, während Schranken in diese Befugnisse von "außen" beschneidend durch Auferlegung von Pflichten eingreifen, um Konfliktlagen mit dem Staat oder anderen Bürgern zu lösen.321 Ausgehend von der herrschenden Meinung, wonach der einfache Gesetzgeber, gebunden an die Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als "Grobraster" und an die übrigen Verfassungsnormen, die Gegenstände der individuellen Eigentumsfreiheit konstitutiv bestimmen müsse, da es einen verfassungsrechtlich vorgegebenen Eigentumsbegriff nicht gebe, werden die Normen, mit denen diese Definitionskompetenz durch den Gesetzgeber wahrgenommen wird, als inhaltsbestimmend qualifiziert. 322 Damit tritt Lutz der Auffassung u. a. Leisners entgegen, die, geleitet von der Befürchtung, diese konstitutive Ausgestaltungsbefugnis führe zu einer Sinnentleerung der 320 Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 112ff., 143 f. 321 Lutz, Eigentumsschutz bei "störender" Nutzung gewerblicher Anlagen, S. 165; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 147 ff. 322

Lutz, Eigentumsschutz bei "störender" Nutzung gewerblicher Anlagen, S. 130 ff., 138 f.

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individuellen Eigentumsfreiheit gegenüber dem Gesetzgeber, von einem verfassungsrechtlich vorgeprägten grundsätzlich unbeschränkten Schutzgut "Eigentum" ausgeht und somit alle legislativen Akte als Eingriffe einordnet. 323 Der Gleichsetzung von Inhalt und Schranken als bloße Eigentumsbindungen ohne Eingriffscharakter durch die herrschende Meinung werden systematische und teleologische Argumente entgegengesetzt: Nach Lutz führt das herrschende Verständnis zu unauflösbaren Widersprüchen innerhalb des Art. 14 Abs. 3 GG. Eine Enteignung setzt begrifflich eine bereits bestehende Rechtsposition voraus, auf die im nachhinein, eben enteignend eingegriffen wird. Werden aber durch ein eigentumsregelndes Gesetz nach dessen Inkrafittreten erworbene Rechtspositionen "betroffen", so wäre konsequenterweise, selbst wenn die Regelung bei Altrechten enteignenden Charakter hätte, kein Enteignungstatbestand für die "newcomer" möglich. Wenn Eigentum nicht mehr hergibt, als ihm die im Recht ausgeformte Sozialordnung überhaupt an Inhalt und Schranken zuerkennt 324, dann wären die Neurechte von vornherein nur in den Grenzen aller die Eigentumsbefügnisse regelnder Normen inklusive des zu beurteilenden Gesetzes entstanden. Das enteignende Gesetz hätte die betroffenen "newcomer" geprägt, könnte somit nicht zugleich Mittel einer Schmälerung des von ihm Mitgeprägten sein. Eine Lösung dieses Dilemmas ist nur möglich, wenn enteignende Gesetze als Unterfall von eigentumsbeschränkenden, nicht inhaltsprägenden Normen verstanden werden. 325 Auch aus Art. 14 Abs. 2 GG läßt sich ein systematisches Argument für die Notwendigkeit der Trennung in zwei verschiedene Bereiche gewinnen: Inhalt und Grenzen der dort normierten Sozialpflichtigkeit sind in erster Linie Kriterien für die Differenzierung zwischen Sozialbindung und Enteignung. Wie Art. 14 Abs. 3 GG setzt auch Art. 14 Abs. 2 GG bereits bestehende Eigentumspositionen als Anknüpfungspunkt voraus. Erst wenn ein nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gesetzlich eingeräumter Eigentumstitel geschaffen ist, können die mit ihm verbundenen Befugnisse im Rahmen des Art. 14 Abs. 2 entweder unmittelbar 326 oder erst auf Grund pflichtigkeitskonkretisierender Gesetze wegen des Gebots der sozialen Rücksichtnahme als Legitimationsbasis

323 Vgl. Lutz, Eigentumsschutz bei "störender" Nutzung gewerblicher Anlagen, S. 158, 138 mit Nachweisen für diese abgelehnte Ansicht. 324

So die gebräuchliche Standardformel von Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 347 f.

325

Lutz, Eigentumsschutz bei "störender" Nutzung gewerblicher Anlagen, S. 159; i. E. schon Schulte, DVB1. 1965, S. 386,387; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, S. 86. 326

So die wohl damals noch herrschende Meinung; vgl. die Nachweise auf S. 186 Fn. 400.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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beschnitten werden. 327 Die Trennung zwischen Inhalt und Schranken folgt daher der Logik des Art. 14 Abs. 2 GG: Bei der Bestimmung des Zuordnungsverhältnisses zwischen Rechtsinhaber und Vermögenswert und des Umfangs der privatnützigen Herrschaftsbefugnisse können danach nicht dieselben Wertungen wie bei der Postulierung eines sozialnützigen Umgangs auf Grund des Art. 14 Abs. 2 GG herangezogen werden. Wendt argumentiert dagegen in erster Linie teleologisch mit der dem Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zugeordneten Funktion, dem Bürger im Vermögensbereich einen Freiheitsraum sicherzustellen. Die Gleichsetzung von Inhalt und Schranken zu einer Eigentumsbindung ohne Eingriffscharakter birgt die große Gefahr in sich, daß die Eigentumsfreiheit zu einem bloßen Maßgabegrundrecht verkümmert, dem über die spezialgesetzliche Normierung des rechtsstaatlichen Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes keine weitere Bedeutung zukommt. Der Gesetzgeber müsse zwar notwendigerweise durch die Schaffung eigentumsfahiger Rechtspositionen herangezogen werden, um der Eigentumsfreiheit Gestalt zu verleihen und sie damit zu einem effektivem Abwehrrecht zu machen. Auf der anderen Seite könnten mit der Trennung zwischen Inhaltsbestimmung und Schrankenziehung bei der Prüfung der Begrenzung dieser gewährten Position durch den Gesetzgeber zugunsten des Gemeinwohls wie bei den übrigen Freiheitsgrundrechten alle rechtsstaatlich-grundrechtlichen Voraussetzungen herangezogen werden, so daß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG aus sich heraus als Wertungsmaßstab eine eigenständige Bedeutung erhalte. 328 Diese Auffassung hat zunächst den Vorteil, daß sie, jedenfalls vom Grundsatz her, eine trennscharfe Unterscheidung zwischen Inhalt und Schranken ermöglicht. Zudem hält sie sich in den vom Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vorgegebenen Grenzen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Ähnlichkeit mit der von Schelcher bereits zu Art. 153 WRV vertretenen, streng am Wortlaut orientierten Differenzierung, wonach der Inhalt des Eigentums die rechtliche Herrschaft bilde, der durch die Schranken zugunsten des gemeinen Besten in der Ausübung Grenzen gesetzt werden. 329 Ein gravierender Mangel in diesem System ist allerdings die nicht konsequente, gleichsam doppelseitige Einordnung inhaltsverändernder Gesetze durch diese Ansicht: Um nachträgliche Minderungen von Herrschaftsbefugnissen bei Altrechten als 327

Lutz, Eigentumsschutz bei "störender" Nutzung gewerblicher Anlagen, S. 143.

328

Eigentum und Gesetzgebung, S. 150 f.

329

Vgl. oben die Ausführungen auf S. 99.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Eingriff qualifizieren zu können, sollen solche Inhaltsänderungen nur bei nachträglich entstandenen Rechtspositionen inhaltsbestimmenden Charakter haben, im übrigen seien sie "eigentumsbindende Schrankenziehung"330. Die Schwäche dieser Zweigleisigkeit liegt auf der Hand, denn im Ergebnis nähern sich damit Lutz und Wendt der Auffassung Ramsauers mit allen negativen Konsequenzen an.

(h) Zusammenfassung

Der hier vorgestellte Meinungsüberblick verdeutlicht zweierlei: Neben einigen schon nach einer grammatischen Auslegung bedenklichen Differenzierungskriterien wurden in der Literatur auch solche Lösungen vorgestellt, die der Wortläutgrenze des Art. 14 Abs 1 Satz 2 GG im Grundsatz standhalten. Für die Notwendigkeit einer strikten Trennung sind neben dem Wortlautargument, das teilweise als bloße "Wortakrobatik" 331 kritisiert wurde, auch gewichtige systematische und teleologische Gesichtspunkte vorgetragen worden. Daß letztlich keine der unterbreiteten Vorschläge voll überzeugen konnte, bedeutet keinesfalls, daß jetzt der herrschenden Meinung unbedenklich zu folgen sei, sondern vielmehr, daß der von den verschiedenen Stimmen in der Literatur aufgezeigte Weg weiter zu verfolgen ist.

c) Der Gesetzgeber als Adressat des Auftrags zur Bestimmung von Inhalt und Schranken aa) Die Kollision mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise

Bereits bei der Bestimmung der von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfaßten Gegenstände ist der Widerspruch zwischen der vom BGH favorisierten wirtschaftlichen Betrachtungsweise und seinem grundsätzlichen Bekenntnis der Abhängigkeit des Schutzbereichs von der Verfestigung durch die Rechtsordnung deutlich geworden. Neben den zahlreichen Beispielen zum Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, dessen normative Reichweite 330 Lutz, Eigentumsschutz bei "störender" Nutzung gewerblicher Anlagen, S. 137, 164 Fn. 12; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 158. 331

Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 147.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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nach seiner faktischen Situation, in der das Unternehmen betrieben wird, bestimmt werden soll 332 , sei hier noch zur Verdeutlichung auf die Entscheidung über die Enteignung eines Pachtvertrags auf unbestimmte Zeit vom 20. Januar 1958 hingewiesen: Dort hatte das Gericht die aus faktischen Gründen als berechtigt erscheinende Hoffnung auf Fortsetzung eines Pachtvertrags trotz bestehender Kündigungsmöglichkeit durch den Verpächter als Bestandteil der durch die Eigentumsfreiheit geschützten Rechtsposition angesehen.333 Die sich aus diesem "Brückenschlag"334 zwischen einer strengen rechtlichen Fixierung und der Notwendigkeit wirtschaftlicher Betrachtungsweise aus dem Charakter als Wirtschaftsgrundrecht heraus ergebenden Spannungen und Folgen für das Regelungsgefuge des Art. 14 GG lassen die Auffassung des BGH in diesem Punkt nicht stimmig erscheinen.

bb) Die Qualifikation des Merkmals "Gesetz"

In der Diskussion um den Gesetzesbegriff in Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV war das Dilemma zwischen verfassungsrechtlichem Anspruch und verwaltungstechnischer Praktikabilität deutlich geworden: Auf der einen Seite wurde Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV zumindest als spezielle Ausprägung des rechtsstaatlichen Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes bei Eingriffen in Freiheit und Eigentum verstanden, somit konnten nur formelle Gesetze oder materielle Normen, die auf erstere zurückfuhrbar waren, eigentumsbestimmend sein. Auf der anderen Seite waren viele als notwendig erachtete eigentumsberührende hoheitliche Maßnahmen nicht in der erforderlichen Weise legitimierbar, so daß um der Praktikabilität willen für eine Übergangszeit Gewohnheitsrecht und vorkonstitutionelles Recht als Ermächtigungsgrundlage herhalten mußten. In der Rechtsprechung des BGH wird das Problem, ob Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ein "Parlaments-" oder ein Rechtssatzvorbehalt ist, nicht ausdrücklich angesprochen. Allerdings läßt sich aus einigen Urteilspassagen entnehmen, daß das Gericht in Übereinstimmung mit dem BVerfG 335 und überwiegender 332

Grundlegend BGHZ 23, 158, 163.

333

BGHZ 26, 248, 255; später aber aufgegeben in BGHZ 50, 284, 290; 83, 1, 4.

334

So Hamann, BB 1962, S. 505, 506 Fn. 24 mit kritischem Unterton.

335

E 8, 71, 79. Der von Rengeling (AöR 105 [1980], S. 423, 434 Fn. 70, 435, Fn. 75) diagnostizierte Widerspruch zwischen dem hier vom Gericht vertretenen materiellen Gesetzesbegriff und E 21, 73, 79 f., wo ausgeführt wurde, daß "sich also die Veräußerungs- und Erwerbshindernisse (als Eigentumsbegrenzungen) aus dem Gesetz ergeben (müßten)", besteht schon deshalb nicht, weil diese Aussa-

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Literatur 336 die letztere Auffassung favorisiert 337. So können untergesetzliche Normen den Inhalt des Eigentums bestimmen338 , das richterrechtlich entwikkelte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und damit ungeschriebene Rechtssätze werden problemlos integriert, schließlich sieht das Gericht auch keine Schwierigkeit, §§ 142, 143 ALR I 8 als vorkonstitionelle Legitimationsbasis für das eigentumsrelevante Lichtschutzrecht heranzuziehen. 339 Ohne einer umfassenden Analyse des Gesetzesbegriffs in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vorzugreifen, sei auch hier wie zuvor bei der Besprechimg des Art. 153 WRV die Frage aufgeworfen, ob sich die Rechtsprechung des BGH mit dem Verfassungsgrundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes in Übereinstimmung bringen läßt oder nicht vielmehr einen t,Rückschritt,, gegenüber der klassischen Vorbehaltsdoktrin bedeutet.340 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß sich die Auffassungen über Herleitung und Reichweite dieses Verfassungsgrundsatzes gewandelt haben. Eine umfassende Würdigung der Entwicklung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.341 Daher kann im weiteren nur ein Überblick über die wesentlichen Aspekte unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG vermittelt werden.

ge - fußend auf Überlegungen zum rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot - sich auf das Verhältnis zwischen Legislative und den übrigen Staatsgewalten bezieht und explizit nichts über die Grenzen der Delegationsbefugnisse des Parlamentsgesetzgebers aussagt. 336

Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 347; Ipsen, WDStRL 10 (1952), S. 74, 84; Hamann, Art. 14 GG (3. Aufl.), Anm. 4 a; Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, S. 74 Fn. 133; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 118; Kröner, Die Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, S. 62; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 143; Maunz/Dürig-Pa/?/er, Art. 14 GG, Rdnr. 279. 337 Die Deutung der Entscheidung des BVerwG zur Gültigkeit einer Landschaftsschutzverordnung, die bezüglich ihres räumlichen Geltungsbereichs auf unveröffentlichte, amtliche Karten verwies (DVB1. 1965, S. 810; vgl. auch BVerwGE 17, 192fif.), durch Eberth (DVB1. 1965, S. 804, 805), wonach nur Gesetze im formellen Sinn inhaltsbestimmend seien könnten, ist eine Fehlinterpretation dieser Entscheidung. Das Gericht wollte vielmehr nur klarstellen, daß jegliche materiellen Rechtsnormen in Abgrenzung zu bloß ministeriellen Erlassen die Verwaltung zu konkreten eigentumsrelevanten Maßnahmen ermächtigen können (sorichtigHeumann, DVB1. 1965, S. 800, 803). 338

BGHZ 78,41,44.

339

BGHZ 14,64, 71.

340

So allgemein die Kritik gegen die herrschende Meinung bei Jesch, Gesetz und Verwaltung,

S. 138. 341

Vgl. zum Streitstand ζ. B. v. Münch/Schnapp, Art. 20 GG (4. Aufl.), Rdnr. 43fif.; Ossenbühl, in: HbStR, Bd. 3, § 62, Rdnr. 15 fif.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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(1) Überblick über die Entwicklung des Grundsatzes vom Gesetzesvorbehalt Der klassische Vorbehalt des Gesetzes für staatliche Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger beruht auf zwei verschiedenen Argumentationsansätzen: Die eine historische Wurzel des Prinzips gesetzmäßiger Staatstätigkeit reicht in die Vorstellung der Aufklärung zurück, wonach allgemein gefaßte Regeln deshalb vernünftiger als Einzelakte seien, weil der Zwang zur abstraktgenerellen Fassung den Handelnden dazu bringe, über den einzelnen Fall hinaus eine sinnvolle Regelung anzustreben. Durch den Vorbehalt des Gesetzes sollte der bürgerlichen Gesellschaft als dem vom Staat exakt getrennten Gegenüber dessen Handeln vorhersehbar, berechenbar und sinnvoll erscheinen. Der Vorbehalt des Gesetzes ist somit zum Teil Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips. Dem Vorbehalt des Gesetzes als Ausformung des Rechtsstaatsprinzips genügen daher alle materiellen Rechtssätze, die in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen so formuliert sind, daß die von ihrer Regelung unmittelbar oder auf Grund des zu erwartenden Verwaltungsvollzugsakt mittelbar Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können 342 , ohne daß es darauf ankäme, ob der Bürger in abstraktgenereller Weise durch ein formliches Gesetz oder eine sonstige Rechtsnorm betroffen ist. 343 Die andere historische Wurzel fußt auf dem Kampf zwischen monarchistischer Exekutive und parlamentarischem Gesetzgeber um eine wachsende Beteiligung an der staatlichen Machtfülle. Die damalige Staatsauflfassung beruhte auf der Vorstellung, daß der Staat gegenüber der Gesellschaft durch exekutive Eingriffe in die Rechte der Individuen Sicherheit und Ordnung gewährleiste. Da der Monarch und mit ihm die Regierung außerhalb direkter parlamentarischer Zugriflfsmöglichkeiten stand, versuchten Verfassungsrechtslehre und Staatspraxis über die These, daß Einzelakte der Exekutive, die die staatsexterne gesellschaftliche Sphäre belastend berühren, nur auf Grund gesetzlicher Ermächtigung ergehen dürften, als Umweg das Verwaltungshandeln zu be-

342 So die Anforderungen an die Normenklarheit und -bestimmtheit in BVerfGE 21, 73, 79; 31, 255, 264; 37, 132, 142; 47, 239, 247; 50, 42, 48; 52, 1, 41; 59, 104, 114; 63, 312, 323; 78, 214, 226; 83, 130, 145; Maunz/Dürig-//erzog, Art. 20 VII GG, Rdnr. 58. Da es dem Gesetzgeber aber nicht verwehrt ist, unbestimmte Rechtsbegriffe (BVerfGE 4, 352, 357; 11, 234, 237) oder Generalklauseln (BVerfGE 8, 274, 326; 13,153, 161) zu verwenden oder der Behörde Ermessensspielräume einzuräumen (Erichsen/Martens-£ric/jiew, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10, Rdnr. 13 ff), kann die Nichtigkeit eines Gesetzes nur in Extremfällen angenommen werden (v. Münch/Schnapp, Art. 20 GG [4. Aufl.], Rdnr. 38 unter Hinweis auf BVerfGE 1,14,45; 17,67, 82; 25,216,227). 343

Vgl. Pietzker, JuS 1979, S. 710, 712, 714; Kloepfer,

JZ 1984, S. 689, 693 f.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

stimmen und zu kontrollieren. Der Vorbehalt des Gesetzes war daher auch demokratisch begründet, als das einzige demokratisch legitimierte Organ allein die Grundentscheidungen über individuell beschränkende Maßnahmen treffen sollte.344 Die Beteiligung des Parlaments als Vertretung des rechtsunterworfenen Volkes an der Machtfülle der nicht demokratisch legitimierten Exekutive mit Hilfe des Vorbehalts des Gesetzes diente damit geradezu der Sicherung der individuellen Freiheit des einzelnen.345 Dieser Zielsetzung war allerdings schon dann Genüge getan, wenn das förmliche Gesetz Grundrechtseingriffe durch die Exekutive überhaupt zuließ. Die Legislative hatte das Recht, Voraussetzungen und Reichweite detailliert zu regeln, konnte aber nach freiem Willen auf seine Gestaltungsmacht zugunsten großzügiger Ermächtigungen für die Verwaltung verzichten. 346 Führt man sich diese historischen Zusammenhänge vor Augen, wird deutlich, daß mit dem Wegfall der konstitutionellen Monarchie als Staatsform diese zweiteilige Legitimationsbasis für den klassischen Eingriflfsvorbehalt, wobei nur dessen demokratisches Element eine Beschränkung auf förmliche Gesetze als Quelle staatlichen Handelns gegenüber dem Bürger begründen konnte, schon wegen des geänderten Umfelds nicht mehr unbesehen fortgeführt werden konnte. Der rechtsstaatliche Begründungsansatz für den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes, wonach der Schutz der Freiheitssphäre des Bürgers vor mißbräuchlichem und willkürlichem Verwaltungshandeln im Einzelfall einer generellen und abstrakten Festlegung als Grundlage, mithin einer gesetzlichen Ermächtigung im materiellen Sinne bedürfe, um die für den Bürger notwendige Klarheit und Vorhersehbarkeit zu bewirken, wurde von der Literatur unter der Geltung der WRV zwanglos übernommen.347 Folgerungen aus dem Wandel der Staatsform und dem sich daraus ergebenden Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive, die nun ebenfalls über eine demokratische Legitimation verfugte 348, wurden dagegen nicht gezogen. Vielmehr wur344 Vgl. zu diesem Aspekt eingehend Rupp, JuS 1975, S. 609fif.; vgl. ferner Krebs, Jura 1979, S. 304; Vogel, WDStRL 24 (1966), S. 125, 149; Kloepfer, JZ 1984, S. 685; Gusy, JuS 1983, S. 189; Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, S. 15. 345

Vgl. Vogel, WDStRL 24 (1966), S. 125, 150; Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 124 fif.

346

Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 305; Krebs, Jura 1979, S. 304, 305, der die Zielsetzung des Gesetzesvorbehalts, staatliche Beeinträchtigungen gesellschaftlicher Freiräume von der Mitwirkung des Parlaments abhängig zu machen, betont; ebenso Kloepfer, JZ 1984, S. 685, 686. 347 348

Vgl. die Ausführungen auf S. 89 ff.

Vgl. zu diesem Aspekt nur Ossenbühl, in: HbStR, Bd. 3, § 62 Rdnr. 15; Krebs, Jura 1979, S. 304, 307; v. Arnim, DVB1. 1987, S. 1241, 1243 Fn. 22.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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de durch die Postulierung des Vorbehalts eines Parlamentsgesetzes in diesem Bereich der unter der konstitutionellen Monarchie bestehende Gegensatz zwischen Exekutive und Legislative in das demokratische System systemwidrig transformiert. 349 Erst unter der Geltung des Grundgesetzes wurde die Reichweite und Herleitung des Vorbehalts des Gesetzes aus den Staatsprinzipien der Demokratie und des Rechtsstaats neu überdacht. Dabei entwickelten sich folgende für die eingangs aufgeworfene Fragestellung relevante Gesichtspunkte heraus: Ungeachtet des Streits um seine positivrechtliche Verankerung im Grundgesetz350 beansprucht der Vorbehalt des Gesetzes weiterhin uneingeschränkte Geltung im Bereich der sog. Eingriffsverwaltung, d. h. grundrechtsbelastende hoheitliche Maßnahmen gegenüber dem Bürger als unmittelbar Betroffenem sind nur auf Grund eines Gesetzes möglich.351 Mit diesem "eisernen Bestand der Staatsrechtsdogmatik"352 ist allerdings nur ein Minimalkonsens des heutigen Streitstands umschrieben, da sich an diese Ausgangsposition zwei, nicht immer hinreichend deutlich genug getrennte Fragestellungen anschließen: Zum einen ist zu klären, inwieweit die Exekutive über diesen Bereich hinaus einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf, um in Einzelfällen tätig werden zu können, und zum zweiten ist zu erörtern, inwieweit der parlamentarische Gesetzgeber selbst Voraussetzungen und Umfang der Regelungen inhaltlich bestimmen muß, m. a. W. ob und in welchem Umfang sich der Vorbehalt des

349 Vgl. dazu auch die Kritik an der unter dem Grundgesetz entwickelten Lehre vom Totalvorbehalt bei Böckenßrde/Grawert, AöR 95 (1970), S. 3, 26. 350 Ableitung aus dem Vorrang des Gesetzes nach Art. 20 Abs. 3 GG als dessen denknotwendige Voraussetzung BVerfGE 40, 237, 248 f.; 49, 89, 126; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 201; v. Münch/Schnapp, Art. 20 GG (4. Aufl.), Rdnr. 38; kritisch gegen diesen Erst-recht-Schluß Böckenßrde/Grawert, AöR 95 (1970), S. 3, 26; Pietzker, JuS 1979, S. 710, 712; Stelkens/Bonk/Leonhardt-^e/fceni/SacAi, § 44 VwVfG, Rdnr. 22; Gusy, JuS 1983, S. 189, 191; Ableitung aus dem "allgemeinen" Rechtsstaatsprinzip Stelkens/Sachs, § 44 VwVfG, Rdnr. 22; Götz, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 14; Badura, Staatsrecht, F 9; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 113 ff., 128 ff.; Leugnung eines allgemeinen Gesetzesvorbehalts unter Hinweis auf die verschiedenen "Regelungsaufträge" im Grundgesetz z. B. Vogel, VVDStRL 24 (1966), S. 125, 149 f -Jarass, Art. 20 GG, Rdnr. 28; ders., NVwZ 1984, S. 473, 478; Ableitung aus den Prinzipien der Demokratie und des Rechtsstaats z. B. Ossenbühl, in: HbStR, Bd. 3, § 62, Rdnr. 33; Kloepfer, JZ 1984, S. 685, 693 f.; Ableitung als Verfassungsgewohnheitsrecht Maunz/Dürig-Zferzog, Art. 20 VI GG, Rdnr. 79. 351 Vgl. nur BVerfGE 8, 274, 325fif.; 47, 46, 79; Maunz/Dürig-/tera>g, Art. 20 GG, Rdnr. 64; v. Münch/Schnapp, Art. 20 GG (4. Aufl.), Rdnr. 44; Pietzker, JuS 1979, S. 710, 712; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. 3, § 138 III c; Badura, Staatsrecht, F 9; Stern, Staatsrecht, Bd. 1, § 20 IV 4 b (S. 805); Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, S. 111 m. w. N.; dens., Jura 1979, S. 304, 305 m. w. N. 352

Starck, Der Gesetzesbegrifif des Grundgesetzes, S. 288 Fn. 4.

12 Eschenbach

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Gesetzes von einem bloßen Rechtssatzvorbehalt353 zu einem strengen Parlamentsvorbehalt verdichtet. 354 Den mit dem ersten Bereich dieser zweigeteilten Frage verbundenen Streitfragen über die Ausweitung des Gesetzesvoibehalts über den klassischen Bereich der Grundrechtseingriffe hinaus - erinnert sei hier vor allem an die Extremauffassung eines Totalvoibehalts355 - braucht für den Bereich der Ausformung des Verfassungseigentums nicht nachgegangen zu werden, da Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich einen Gestaltungsauftrag des Gesetzgebers normiert, mithin Verwaltung und Rechtsprechung ohne gesetzliche Festlegung nicht tätig werden dürfen. 356 Immerhin sei hier angemerkt, daß die Lösung dieses Rechtsinstituts vom klassischen Eingriffsbereich durch das BVerfG 357 von seinem Umfang her angesichts des in der Verfassung ζ. B. durch das Sozialstaatsprinzip zum Ausdruck gekommenen geänderten Verständnisses über die erweiterten Aufgabenzuweisungen des Staates ζ. B. auf den Gebieten der Sozialgestaltung und der Wirtschaftslenkung nicht sehr überraschen konnte358 und im Prinzip ungeachtet der Kritik an dem gefundenen Abgrenzungsmerkmal von der Literatur auch befürwortet wurde. 359

353

Vgl. zu diesem Terminus als Oberbegriff des Gesetzesvorbehalts nur Ossenbühl, in: HbStR, Bd. 3, §62, Rdnr. 11 f. 354 Vgl. zu diesen beiden zu trennenden Gesichtspunkten des Gesetzesvorbehalts ζ. B. Götz, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 14 f.; Pietzker, JuS 1979, S. 710, 712; Jarass, Art. 20 GG, Rdnr. 33; v. Arnim, DVB1 1987, S. 1241, 1242; Kloepfer, JZ 1984, S. 685, 690, 693 f.; Erichsen, Verw. Arch. 70 (1979), S. 249 f. 355 Vor allem Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 205, 277; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 115 f.; vgl. femer Maunz/Dürig-Zferzog, Art. 20 GG, Rdnr. 69fif.; unentschieden ζ. B. Ipsen, Staatsorganisationsrecht, Rdnr. 807. Zur Kritik vgl. nur Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 282; Jarass, Art. 20 GG, Rdnr. 30; Ossenbühl, in: HbStR, Bd. 3, § 62, Rdnr. 18, 20; Böckenförde/Grawert, AöR 95 (.1970), S. 3, 25 f., wonach die mittelbar demokratische Legitimation der Exekutive eine solche Abhängigkeit von der Legislative als unmittelbar demokratisch legitimierten Verfassungsorgang nicht gebiete. 356 Vgl. dazu Erichsen, Verw. Arch. 70 (1979), S. 249, 252, der zu Recht hervorhebt, daß im Bereich der Grundrechte, sofern diese einen Gesetzesvorbehalt im weitesten Sinne ausdrücklich normieren, für die Frage, öb hoheitliche Maßnahmen von ihrem Umfang her einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, nicht der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes bemüht zu werden brauche. 357

Vgl. deutlich BVerfGE 47,46, 79.

358

Ossenbühl (in: HbStR, Bd. 3, § 62 Rdnr. 33) macht denn auch zu Recht darauf aufinerksam, daß auch schon vor der Kreierung der "Wesentlichkeitstheorie" durch das BVerfG in der Literatur Ansätze für die Erweiterung des Gesetzesvorbehalts auf al|e wesentlichen staatlichen Betätigungen zu finden seien. 359 Vgl. Kloqpfer, JZ 1984, S. 685, 686 f.; Pietzker, JuS 1979, S. 710, 713; v. Arnim, DVB1. 1987, S. 1241,1242, Bauer, DÖV 1983, S. 53 f.; Krebs, Jura 1979, S. 304, 306; dens., DVB1. 1977, S. 632 f. · \

I. Die Rechtsprechung des BGH

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Wesentlich bedeutsamer für die hier gestellte Frage nach dem Gesetzesbegriff innerhalb des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sind die Äußerungen des BVerfG über den Adressaten und die Rechtsfolgen des Gesetzesvoibehalts im Rahmen der von ihm geprägten "Wesentlichkeitstheorie"360 : Während nach der älteren Rechtsprechung des Gerichts der parlamentarische Gesetzgeber seine Regelungsbefugnis durch Ermächtigungen zum Erlaß untergesetzlicher Normen weitgehend auf die Exekutive übertragen konnte 361 , ohne dabei hinsichtlich der Ausgestaltung der Ermächtigung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß strenge Vorgaben erteilen zu müssen362, wurde dem Parlament nun die alleinige Zuständigkeit zugewiesen, die wesentlichen Grundentscheidungen selbst zu treffen. Die frühere Berechtigung zum Erlaß von Gesetzen hatte sich mit dem Wegfall der Spannungslage zwischen Exekutive und Legislative zu Zeiten der konstitutionellen Monarchie geradezu in eine Verpflichtung des unmittelbar demokratisch legitimierten Organs verwandelt. Sofern ein politischer Handlungsbedarf erkannt ist, muß es selbst tätig werden und kann sich nicht seiner verfassungsrechtlich zukommenden Gesetzgebungsaufgabe durch Delegation entziehen.363 Damit rückt die Fragestellung in den Vordergrund, welche Materien so wesentlich sind, daß sie demförmlichen Gesetz vorbehalten sein müssen. Neben dem hier nicht weiter interessierenden Bereich der organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalte364 hatte das BVerfG sich im Grundrechtsbereich zunächst gleichsam tastend auf folgende Umschreibung festgelegt: Der strenge Vorbehalt des Parlamentsgesetzes solle immer dann greifen, wenn der Regelungsgehalt "wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte" 365 ist bzw. den "Freiheits- und Gleichheitsbereich des Bürgers wesentlich (betreffe)" 366. Mit 360 Vgl. BVerfGE 33,125,163; 33, 303, 336ff.; 34, 165, 192 f.; 40, 295, 320 f.; 58, 257, 268 f.; 73, 280, 295; 77, 381, 403; 79,174, 195 f.; 80, 1, 20. 361

Vgl. dazu die Zusammenfassung der älteren Rechtsprechung bezüglich der Rechtsverordnungen bei Wilke, AöR 98 (1973), S. 196, 237 ff; bezüglich der Satzungen Starck, AöR 92 (1967), S. 449, 455 ff. 362 Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG wurde vom BVerfG insoweit großzügig ausgelegt, als aus der Ermächtigung lediglich das "Programm", das der Gesetzgeber verfolgen wollte, hinreichend deutlich erkennbar sein müsse (vgl. BVerfGE 2, 307, 334; 5, 71, 77; 23, 62, 72; zusammenfassend v. Münch/Bryde, Art. 80 GG, Rdnr. 20 f.; Ipsen, Staatsorganisationsrecht, Rdnr. 799). Zur Kritik an dieser vagen Umschreibung der Bestimmtheit solcher Normen vgl. v. MùnchJBryde, Art. 80 GG, Rdnr. 21; Pietzker, JuS 1979, S. 710,712 Fn. 27. 363 Vgl. BVerfGE 40, 125, 158, Ossenbühl, in: HbStR, Bd. 3, § 62, Rdnr. 42; Kloepfer, S. 685,690. 364

Vgl. nur Jarass, Art. 20 GG, Rdnr. 35.

365

BVerfGE 34,165,192; 41,231,260 f.; 47,46,79; 49,89,127.

366

BVerfGE 48, 89,126 f.

12*

J7. 10R1,

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

diesen Umschreibungen ist allerdings nicht viel gewonnen367, da sie in einem Zirkelschluß die Wesentlichkeit einer Regelung nur durch die Wesentlichkeit für die Ausübung eines Grundrechts durch den Bürger ersetzen.368 Trotzdem hat das Gericht in späteren Entscheidungen an seiner wertenden Betrachtungsweise, die bei der Frage der Geltung des Gesetzesvorbehalts auf den Grad der Grundrechtsberührung abstellt, nicht zugunsten eindeutigerer Kriterien verzichtet 369, wobei allerdings insoweit eine Präzisierung festzustellen ist, als für den Grad der Grundrechtsrelevanz die Reichweite der Regelung für das konkrete Grundrecht herangezogen wird. 370 Mit dieser Anknüpfung an die konkreten in der Verfassung selbst normierten speziellen Regelungsvorbehalte trat das Gericht dem sich aus den ersten Entscheidungen ergebenden Eindruck eines weiten Geltungsbereichs des strengen Parlamentsvorbehalts371 entgegen, indem es feststellte, daß sich kein allgemeiner Parlamentsvorbehalt aus Art. 20 Abs. 3 GG ableiten ließe, sondern dessen Geltungsbereich und Umfang jeweils aus den einzelnen Grundgesetzbestimmungen zu bestimmen sei.372

(2) Auswirkungen der geänderten Vorbehaltsdoktrin auf den Gesetzesbegriff in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG

Legt man die vom BVerfG entwickelte Wesentlichkeitstheorie als Maßstab zur Auslegung des Gesetzesbegriffs in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zugrunde, so ist zunächst festzustellen, daß hoheitliche Eingriffe im klassischen Sinne in den Schutzbereich der Eigentumsfireiheit als unmittelbar gegen den Bürger 367 Kritisch zu der vagen Umschreibung daher auch die überwiegende Literatur, vgl. ζ. B. Pieske, DVB1. 1977, S. 673; Pietzcker, JuS 1979, S. 710,713; Krebs, Jura 1979, S. 304, 308 m. w. N. in Fn. 37,38; Kloepfer, JZ 1984, S. 685, 690, 692 Fn. 65. 368

Ζ. B. Roellecke, NJW 1978, S. 1777, 1778; Kloepfer, JZ 1984, S. 685, 690; Kisker, NJW 1977, S. 1313, 1317; Krebs, Jura 1979, S. 304, 308. Immerhin läßt sich soviel aus ihnen entnehmen, daß auch bloße gesetzliche Ausgestaltungen eines grundrechtlichen Schutzbereichs wesentliche sein können; vgl. dazu BVerfGE 58, 257, 274, wo der Grad der Betroffenheit der Grundrechte durch die Regelung als entscheidend angesehen wird. 369 Vgl. besonders deutlich BVerfGE 58, 257, 274fif.; zur vorgenannten Kritik auch die Entgegnung in BVerfGE 47, 46, 78 f. 370 Vgl. ζ. B. BVerfGE 68, 260, 275, 278fif. zur "Wissenschaftsrelevanz" innerhalb des Art. 5 Abs. 3 GG; E 57, 295, 320 f. zur Rundfunkfreiheit; E 58, 257, 273, 274 zurfreien Berufswahl und Wahl der Ausbildungsstätte nach Art. 12 Abs. 1 GG; Schmidt-Aßmann, in: HbStR, Bd. 1, § 24, Rdnr. 64; Jarass, NVwZ 1984, S. 473, 475. Vgl. ferner zum organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalt E 68, 1,109 und abw. Meinung in E 68,111,129fif. zu Art. 59 Abs. 2 GG. 371

Vgl. nur BVerfGE 33,125, 158 f.; 33, 303,345 f.; 40, 237, 248 f.

372

BVerfGE 68,1, 87, 109; vgl. dazu auch Ossenbühl, in: HbStR, Bd. 3, § 62, Rdnr. 49.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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gerichtete Maßnahmen nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes zulässig sein dürften. 373 Tatsächlich fordert die überwiegende Meinung zur Legitimation einer Enteignung i. S. d. Art. 14 Abs. 3 GG als eines Eingriffs in dieses individuelle Freiheitsgrundrecht ein solches Gesetz, um "die eine Enteignung legitimierenden Gemeinwohlaufgaben zu bestimmen und die hierbei erforderlichen Rechtsvorschriften zu erlassen" 374. Indem der BGH jedoch alle denkbaren hoheitlichen Maßnahmen - formelle und materielle Gesetzesregelungen, individuelle behördliche Ge- und Verbote und Realakte375 -, sobald sie die Grenze der Inhaltsbestimmung überschritten haben, als enteignungsgleiche Eingriffe in das Individualgrundrecht wertet, mißachtet er insoweit den Parlamentvorbehalt, da die fehlende Legitimation durch eine richterrechtlich gewährte Entschädigung geheilt werden soll. 376 Bei den inhaltsbestimmenden Gesetzen ist der Befund nicht so eindeutig ermittelbar, da nach der Sichtweise des BGH durch solche Bestimmungen nicht von außen in die Eigentumsfreiheit eingegriffen wird, sondern nur eine Umformung innerhalb des Schutzbereichs des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG er-

373 Die Annahme von Teilen der Literatur, durch die Einführung der Wesentlichkeitstheorie werde der Anwendungsbereich des Parlamentsvorbehalts über die Fälle des klassischen Grundrechtseingriffs erweitert (so ζ. B. Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 307; Jarass, Art. 20 GG, Rdnr. 31), ist zwar grundsätzlich korrekt, sagt aber über die Frage, ob und in welchem Umfang der parlamentarische Gesetzgeber seine Regelungsbefugnis delegieren darf oder welche wesentlichen Voraussetzungen und Folgen er selbst regeln muß, nichts aus (Vgl. Ossenbühl in HbStR, Bd. 3, § 62, Rdnr. 40; Krebs, Jura 1979, S. 304, 311). 374 BVerfGE 56, 249, 261; v. Münch/Bryde, Art. 14 GG (4. Aufl.), Rdnr. 76; Maunz/DürigPctpier, Art. 14 GG, Rdnr. 471; BK-Kimminich, Art. 14 GG, Rdnr. 252; a. A Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 380 f. unter Hinweis auf den historischen Verfassungsgeber. Der Streit, ob unter einer Enteignung "auf Grund eines Gesetzes" nur die "Administrativenteignung", also die Konkretisierung des abstrakten Normbefehls auf den betroffenen Einzelfall durch behördlichen Vollzugsakt, zu verstehen sei (so BVerfGE 58, 300; 331) oder auch Konkretisierungen durch Rechtsverordnung oder Satzung zulässig sind (so ζ. B. Maunz/Dürig-Pap/er, Art. 14 GG, Rdnr. 473 ff.; BK-Kimminich, Art. 14 GG, Rdnr. 253, jeweils m. w. N.), berührt diese Feststellung nicht, da in jedem Fall Enteignungstatbestand und -folgen formellgesetzlich geregelt werden müssen. Die Zulässigkeit von Rechtsverordnungen und Satzungen in diesem Bereich stößt allerdings auf die Schwierigkeit, daß das Gericht bei der Prüfung seiner Wesentlichkeitstheorie entweder eine Regelung unmittelbar durch den Gesetzgeber verlangt oder aber bei erkannter Unwesentlichkeit auch keine gesteigerten Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlagen stellt (vgl. deutlich BVerfGE 58, 257, 274, 276 ff.). Sie würde daher ein Umdenken des Gerichts über die Bedeutung des Art. 80 Abs. 1 Satz bzw. den Bestimmtheitsgrundsatz bei Normen, die zum Erlaß von Satzungen ermächtigen, hin zu flexiblen Anforderungen je nach Grundrechtsrelevanz erfordern (Vgl. aber auch BVerfGE 41, 251, 266, wo die notwendige Bestimmtheit einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage von der Intensität der Grundrechtstangierung abhängig gemacht wird; ähnlich BVerfGE 33,125, 160; 57, 295, 321). 375 Vgl. zusammenfassend Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, S. 62fif.; Kreft, Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839, Rdnr. 31 f. 376

Worauf Dürig bereits in JZ 1954 (!), S. 4, 7 hingewiesen hat.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

folgt. 377 Folgt man dieser zweifelhaften Prämisse, so ist mit der Wesentlichkeitstheorie auf den Grad der Grundrechtsrelevanz bei dererlei Bestimmungen abzustellen. Soweit die Befürworter der Erweiterung des Gesetzesbegriffs in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu einem "Rechtssatzvorbehalt" überhaupt die Problematik des Gesetzesvorbehalts erwähnen, wird in der älteren Literatur allein auf die fehlende "Eingriffsqualität" einer Inhaltsbestimmung abgestellt, der Gesetzesvorbehalt also noch in seiner klassischen Ausprägung verstanden.378 Andere Autoren 379 leugnen dagegen auf dem Boden der neueren Rechtsprechung des BVerfG die Wesentlichkeit der hier in Frage stehenden Regelungsinhalte für die Bedeutung der individuellen Eigentumsfreiheit, indem sie die verschiedenen Kompetenzen des Gesetzgebers in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 GG nach ihrer Einwirkungsintensität in ein Stufenverhältnis bringen und auf diese "gestuften Vorbehalte" die Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG anwenden. Tatsächlich hat das BVerfG bei der Frage, ob eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit einer abschließenden förmlich-gesetzlichen Grundlage bedürfe, die Intensität dieser Belastung anhand seiner zu Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG entwickelten Stufentheorie beurteilt: Berufsausübende Regelungen als schwächste Form der Beeinträchtigung können danach durch Gewohnheitsrecht 380, Satzungen381 und Rechtsverordnungen382 erfolgen, ohne daß erhöhte Ansprüche an die erforderliche förmliche Ermächtigungsgrundla-

377

Vgl. BGHZ 64,30, 38 f. und Anm. Steffen, LM, Art. 14 (Ba) GrundG, Nr. 36.

378

Ipsen, WDStRL 10 (1952), S. 74, 84; Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 347; v. Mangoldt/AT/em, Das Bonner Grundgesetz, Art. 14, Anm. V 1 c. 379 Maunz/Dürig-Pa/wer, Art 14 GG, Rdnr. 279, 471 (beachte aber auch dem., Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, S. 34 f., wo er den auf Demokratie und Rechtsstaat fußenden Parlamentsvorbehalt zu erschüttern sucht); ihm folgend Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 1021; Götz, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 15. 380

Vgl. BVerfGE 34, 293, 303; 41, 251, 263. Die Verweisung auf Art. 12 Abs. 1 GG in den Entscheidungen berührt diese grundsätzliche Feststellung nicht, da das BVerfG mit steigender Intensität einer Grundrechtsbelastung durch angeblich gewohnheitsrechtlich entstandene Normen strengere Anforderungen an ihren Nachweis, insbesondere an die Anerkennung durch die Gemeinschaft der Rechtsunterworfenen stellt, damit nur weniger schwerwiegende Regelungen weiter gelten läßt und deren Regelungsmaterie nicht dem alleinigen Verantwortungsbereich des Parlaments überantwortet (vgl. BVerfGE 28, 21, 28 zur gewohnheitsrechtlichen Pflicht des Rechtsanwalts zum Tragen einer Amtstracht). 381 Vgl. BVerfGE 33, 125, 160, 161, 163fif., wo satzungsmäßigfixierte Berufeausübungsregelungen, die in ihrer Wirkung Berufswahlregelungen nahekommen, insoweit dem Parlamentsvorbehalt unterlegt werden, als die wesentlichen Voraussetzungen der "statusbildenden" Normen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage selbst entnehmbar sein müssen, während reine Berufsausübungsreglungen auf Grund einer gesetzlichen Generalklausel in einer Satzung enthalten sein dürfen. 382

Vgl. BVerfGE 58, 257, 274, 277 f.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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ge zu stellen sind. Berufswahlregelungen sind dagegen wie allgemein intensiver wirkende Eingriffe dem förmlichen Gesetz vorbehalten, wobei der vorbehaltene Regelungsbereich sich auf die Voraussetzungen, die Zuständigkeit und das Verfahren erstrecken soll. 383 Eine Übertragung dieser Rechtsprechung zur Berufsfreiheit auf die Eigentumsfreiheit würde aber einen entscheidenden Unterschied zwischen den Strukturen dieser beiden Grundrechte vernachlässigen: Der Schutzbereich der Berufsfreiheit ergibt sich bereits aus der Verfassung selbst, da jeder, auch der untypische Beruf von ihm erfaßt wird. 384 Von daher stellt auch die Schaflung eines gesetzlichen "Berufsbildes", die dem Grundrechtsträger die (weitere) Ausübung seiner bislang nachgegangenen Beschäftigung u. U. unmöglich macht und neue Bewerber in ihrer Berufswahl beschränkt, eine Belastung dieses Grundrechts dar. 385 Im Gegensatz dazu bewirken die Inhaltsbegrenzungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nach herrschender Meinung aber keinen Eingriff in ein von Natur aus existierendes Schutzgut, durch den einfachen Gesetzgeber wird der Bereich des individuellen Freiheitsgrundrechts erst konstitutiv geschaffen. Ohne Vermittlung der Rechtsordnung gibt es nach dieser Auffassung kein grundgesetzlich geschütztes Eigentum.386 Eine wesentliche Regelungsmaterie liegt aber auch dann vor, wenn innerhalb eines bislang ungeregelten Lebensbereichs mehrere Grundrechte mit verschiedenen Grundrechtsträgern sich mit staatlichen Befugnissen derartig überschneiden, daß ihre jeweiligen Grenzen nur schwer erkennbar sind. 387 Ein Argument in der Literatur, mit dem die notwendige Ausprägung des Eigentums als Schutzgegenstand der Eigentumsfreiheit durch die Rechtsordnung begründet wird, ist

383

Vgl. BVerfGE 58,257,275; ferner E 33,125,163.

384

Vgl. nur v. Münch/Gubelt, Ait 12 GG, Rdnr. 11 m. w. N.

385

Vgl. BVerfGE 54,301, 314; zusammenfassend zum Streitstand v. Uünch/Gubelt, (4. Aufl.), Rdnr. 13 f.

Art 12 GG

386 BVerfGE 31, 229, 240; BGHZ 62, 96, 98; Kreft, Öffenüich-rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839, Rdnr. 25 m. w. N.; Schock, Jura 1989, S. 113,116 m. w. N. in Fn. 49fif.; Kritisch, aber nicht im Ergebnis ablehnend Maunz/Dürig-Pjp/er, Art 14 GG, Rdnr. 35fif. Selbst wenn man wie der BGH in seiner Grundsatzentscheidung 1952 die Eigentumsfreiheit als ein Naturrecht begreift, wird damit lediglich ein Recht an/Eigentum bejaht, das durch die Rechtsordnung erst ausgefüllt werden muß (vgl. Dürig, Ztschr. f. d. ges. Staatswissenschaft 109 [1953], S. 326,338). 387

BVerfGE 47,46, 80 zum Schulverhältnis, in dem der staatliche Erziehungsauftrag (Art 7 Abs. 1 GG), das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) und das Persönlichkeitsrecht des Kindes (Art. 2 Abs. 1 GG) sich überschneiden; zu dieser Entscheidung Erichsen, Verw. Arch. 67 (1976), S. 93,96; vgl. ferner zu den verschiedenen Verschrflnkungen innerhalb dieses Bereichs v. Mangoldt/Klein/Starcfc, Das Bonner Grundgesetz, Art. 2 Abs. 1, Rdnr. 102fif. Zur Verpflichtung des parlamentarischen Gesetzgebers, den Ausgleich von Grundrechtskollisionen verschiedener Träger selbst vorzunehmen, weiter BVerfGE 57, 295,321.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

die als unerträglich empfundene Folge einer weitergehenden Anerkennung lediglich empirisch-tatsächlicher Herrschaft in bezug auf Vermögenswerte Gegenstände: Der Staat müßte danach auch die im Vermögensbereich verankerte Form der Machtentfaltung Privater über Dritte nicht nur tolerieren, sondern geradezu unter seinen Schutz stellen, ohne daß ihm die Möglichkeit verbliebe, die schützenswerten Belange der betroffenen Dritten einbeziehen zu können.388 Ob dieses Argument tatsächlich die abweichend von allen übrigen Grundrechten erforderliche Fixierung des Schutzbereichs durch die Rechtsordnung zu rechtfertigen vermag, braucht hier nicht entschieden zu werden. Richtig ist zumindest, daß mit der Ausformung von eigentumsfähigen Gütern durch das Gesetz nicht nur der Rechtskreis des Begünstigten erweitert, sondern auch zumindest die allgemeine Handlungsfreiheit deqenigen, die seinen Machtbefugnissen unterworfen werden, beschnitten wird. Es ist daher die Frage erlaubt, ob die Schaffung einer Eigentumsordnimg auch unter dem Gesichtspunkt der weitreichenden Folgen für die Allgemeinheit wegen der damit verbundenen Pflichten gegenüber dem Rechtsinhaber nicht so wesentlich ist, daß die Grundsatzentscheidungen, also ζ. B. die wesentlichen Befugnisse und das Verfahren des Eigentumserwerbs, dem Parlament vorbehalten bleiben müßten.389 Ein weiterer Gesichtspunkt, der für die Wesentlichkeit der Regelungsmaterie des Art. 14 Abs. 1 GG nach dem herrschenden Verständnis vom Eigentum als Rechtsposition spricht, ist die Tatsache, daß auch der Eigentümer, will er sein "Vermögen" gegenüber der Allgemeinheit gewährleistet sehen, der rechtlichen Manifestation zwingend bedarf. Wenn der Vorbehalt des Parlamentsgesetzes in erster Linie "der Gewährleistung der verfassungsrechtlich verbürgten Freiheit und Gleichheit der Bürger (dient)" 390 , müßte es dann nicht eine wesentliche Aufgabe darstellen, diesem Grundrecht durch die Formulierung eigentumsfahiger Positionen Geltung zu verschaffen, somit eine Grundrechtsausübung durch den einzelnen überhaupt erst zu ermöglichen? Der hiergegen mögliche Hinweis, daß Neuregelungen im Bereich der Eigentumsordnung auf die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Positionen grundrechtsbelastend einwirken 391 , so daß die Wesentlichkeit aus dem Grad dieser Belastung der Altrechte

388

Vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 67 f.

389

Vgl. zu dem Gesichtspunkt der "weitreichenden Auswirkungen auf die Bürger, insbesondere auf ihre Freiheits- und Gleichheitsbereich (und) auf die allgemeinen Lebensverhältnisse" BVerfGE 49, 89, 127. 390

BVerwG, NVwZ 1984, S. 41 \ Jarass, Art. 20 GG, Rdnr. 28.

391

So ζ. B. Pieroth/Schlink,

Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 995.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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ermittelbar sei, hilft hier deshalb nicht weiter, weil zumindest für die Zukunft eine verbindliche Neudefinition des gegenständlichen Schutzbereichs des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Grundlage für Prüfung zukünftiger Beeinträchtigungen erfolgt.

cc) Die "Pflichtigkeit" i. S. d. Art. 14 Abs. 2 GG als unmittelbar geltende Inhaltsbestimmung

Im folgenden soll das Verhältnis zwischen Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 14 Abs. 2 GG untersucht werden, ob der im Absatz 2 normierten "Sozialpflichtigkeit" ohne nähere einfachgesetzliche Konkretisierung eine inhaltsbegrenzende Wirkung zukommt oder ob es sich "nur" um eine materielle "Richtschnur" für den einfachgesetzlichen Gestaltungsauftrag handelt.

(1) Die Pflichtigkeitslehre

des BGH

Der BGH sieht in Abkehr der zu Art. 153 Abs. 3 WRV herrschenden Auffassung 392 in Art. 14 Abs. 2 GG unmittelbar anwendbares Recht, wobei er zur Begründung Art. 1 Abs. 3 GG heranzieht.393 Dabei wird Art. 14 Abs. 2 GG ein zweifacher Bedeutungsinhalt zugewiesen: Zum einen normiert diese Bestimmung latente Beschränkbarkeiten und Pflichtigkeiten, die erst durch gesetzliche Bestimmungen zu Rechtspflichten verdichtet werden, selbst somit keine unmittelbaren Rechtspflichten auslösen können.394 Zum zweiten umfaßt sie auch ein gegenüber dem Eigentümer ohne weiteres geltendes Rücksichtnahmegebot gegenüber der Allgemeinheit.395 Im ersten Bereich ist das Sozialpflichtigkeitsgebot eine Aufforderung an Gesetzgeber, Jurisdiktion und Exekutive, bei allen eigentumsrelevanten Entscheidungen selbständig eine Abwägung zwischen den betroffenen Interessen des Eigentümers und dem Gemein-

392 Vgl. Anschütz, Art. 153 WRV, Anm. 1; weitere Nachweise bei Kühler, AcP 159 (1960), S. 236, 237. 393

BGH, LM, § 903 BGB, Nr. 1, 2; BGHZ 14, 294,300.

394

Grundlegend BGHZ 23, 30,33 fif.

395 BGH, LM, § 903 BGB, Nr. 1: Art. 14 Abs. 2 GG normiert im Privatrechtsverkehr das Rücksichtnahmegebot weitgehend im gleichen Umfang wie § 242 BGB; BGH, LM, § 903 BGB, Nr. 2: Verpflichtung zu gebührender Rücksichtnahme auf das Gemeinwohl; BGHZ 14, 294, 300; 48, 193, 196 und dazu Kreft, in: FS für Hauß, S. 203, 208 f.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

wohl vorzunehmen. Darüber hinaus erzeugt es unmittelbare Wirkungen für den Eigentümer. Erste Schwächen zeigen sich allerdings schon, wenn das Gericht versucht, den Inhalt der sich aus Art. 14 Abs. 2 GG ergebenden Rechtspflichten positiv zu umschreiben. Im Privatrechtsverkehr seien Art. 14 Abs. 2 GG und § 242 BGB weitestgehend identisch, weitergehende Verpflichtungen könnten aus der Sozialpflichtigkeit wegen seiner "knappen Fassung" nicht abgeleitet werden. 396 Aus dem Charakter als "bloße Sollvorschrift" entnimmt das Gericht an anderer Stelle, daß dem Eigentümer nicht die Pflicht zu größtmöglichem gemeinnützigen Verhalten auferlegt werden könne 397 , lediglich dem groben Mißbrauch gegenüber könne die Sozialpflichtigkeit eine Grenze ziehen.398 Schließlich werde dem Grundeigentümer aus Art. 14 Abs. 2 GG auferlegt, sich bei der Nutzung seines Grundstücks an den jeweiligen "Anschauungen" zu orientieren und diese auch ohne gesetzliche Fixierung "einsichtig" zu respektieren. 399

(2) Die zustimmende Literatur - Definitionen und Begründungsansätze

In der damaligen Literatur wurde der Ansatz des BGH eines zweifachen Geltungsbereichs des Art. 14 Abs. 2 GG weitgehend geteilt.400 Aber auch dort bereitete angesichts der "generalklauselartigen Weite"401 und sprachlichen Unschärfe die positive Abgrenzung der sich ergebenden Pflichten für den Eigentümer erhebliche Schwierigkeiten. Teilweise verblieb es bei der allgemein gehaltenen Feststellung, den Eigentümer treffe eine allumfassende Rücksichtnahmepflicht gegenüber den übrigen Rechtsgenossen und den Be-

396

BGH, LM, § 903 BGB, Nr. 1; vgl. auch BGHZ 28,110,111 f.

397

BGH, LM, § 903 BGB, Nr. 2, Bl. 2; BGHZ 14,294,300.

398

BGHZ 14,294,300.

399

BGHZ 48,193,196, ständige Rechtsprechung; vgl. Kröner, in: FS für Geiger, S. 445 fif.

400 Vgl. Kreft, öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839, Rdnr. 43; dens., in: FS für Hauß, S. 203, 208 f.; Hamann, Ait. 14 GG (3. Aufl.), Anm. 5 d; Ipsen, AöR 91 (1966), S. 86, 100 f.; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 15 f.; Stein, in: FS für Müller, S. 502, 523 f.; BKKimminich, Art. 14 GG, Rdnr. 108fif., 105; dens., JuS 1978, S. 217, 222; dens., Jura 1979, S. 366, 371 f.; Leibholz/Linke, DVB1. 1975, S. 933, 934; Weyreuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, S. 39fif., 68fif.; Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 42 m. w. N. in Fn. 133; aus jüngerer Zeit Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rdnr. 141; v. Münch/Bryde, Art 14 GG (4. Aufl.), Rdnr. 69. 401 Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 144.

I. Die Rechtsprechung des BGH

langen der Allgemeinheit402, ohne daß die Grenzen dieser Pflicht aufgezeigt würden; teilweise wurde auf die "allgemeinen Grundsätze der Sozialethik" als außerrechtlichem Maßstab verwiesen403 ; teilweise wurde trotz unmittelbarer Geltungskraft gegenüber dem Eigentümer die Notwendigkeit einer einfachgesetzlichen Ausprägung betont 404 , also auf diesem "Umweg" Art. 14 Abs. 2 GG doch wieder zu einer "materiellen Richtlinie" für den Gesetzgeber umgedeutet. 405 Soweit solche Begrenzungen der Wirkungskraft des Art. 14 Abs. 2 GG abgelehnt wurden, weil sie dessen Charakter als unmittelbar geltendem Recht widersprechen würden, wurde zur Auffüllung und Konkretisierung der Norm auf die "fortlaufende Beobachtung" der Entschädigungsrechtsprechung des BGH (!) verwiesen, welche "daher zu den wichtigsten Aufgaben desjenigen, der sich in Studium und Praxis mit der Anwendung des Art. 14 GG beschäftigt", gehöre.406 Zur Begründung einer unmittelbaren Geltung des Art. 14 Abs. 2 GG zulasten des Eigentümers entweder als eigenständiger Grundpflicht, die von außen auf das Freiheitsgrundrecht einwirkt 407 , oder als dem Eigentum bereits innewohnender Beschränkung408, wurden neben Art. 1 Abs. 3 GG die Entstehungsgeschichte dieser Norm und das Sozialstaatsprinzip herangezogen.409 Die verfassungsrechtlich schwerwiegende Konsequenz dieser unmittelbaren Geltung des Art. 14 Abs. 2 GG im Verhältnis zum Bürger zeigt sich daran, daß Rechtsprechung und Verwaltung ohne einfachgesetzliche Ermächtigung vom Eigentümer die Einhaltung der Sozialpflichten nach den sich wandelnden Vorstellungen der Gesellschafft erzwingen können sollen. Des weiteren sollen sie sogar befugt sein, ausdrückliche einfachgesetzliche Anordnungen, die nach 402

Stein,, in: FS für Müller, S. 502, 523.

403

Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 15.

404 Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 43. Eine Mittelmeinung vertritt insofern Kreft (in: FS für Hauß, S. 203, 209). Er differenziert zwischen unmittelbar geltenden Pflichten des Eigentümers, die durch einfaches Gesetz lediglich verdeutlicht würden, und bloßen Pflichtigkeiten, die zu ihrer Wirksamkeit erst durch einfaches Gesetz zu einer Pflicht verdichtet werden müßten. Die Trennlinie soll danach dort gezogen werden, wo sich die entsprechenden Folgen im Einzelfall unmittelbar aus der konkreten Situationsgebundenheit ableiten ließen. 405

Konsequent kritisiert Stein, in: FS für Müller, S. 502, 523 diesen Ansatz mit der Bemerkung, daß in einem solchen Fall wiederum das konkretisierende einfache Gesetz den Bedeutungsgehalt des Verfassungsgrundrechts prägen würde. 406 Kimminich, JuS 1978, S. 217, 222; vgl. auch dens., Jura 1979, S. 366, 371, wonach den Eigentümer eine positive Förderpflicht zugunsten des Gemeinwohls treffe. 407

So wohl Stein, in: FS für Müller, S. 502, 525.

408

So BK-Kimminich, Art. 14 GG, Rdnr. 110.

409

Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 43; BKKimminich, Art. 14 GG, Rdnr. 108,115; Stein, in: FS für Müller, S. 502, 525.

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

ihrer Auffassung (allerdings unter Berücksichtigung der objektiven gesellschaftlichen Anschauungen) nicht weitgehend genug sind, in ihren Rechtsfolgen zu korrigieren. 410 Damit werden einfachgesetzliche Normbefehle in ihrer Wirkung in den Rang lediglich deklaratorischer Auslegungsrichtlinien des Art. 14 Abs. 2 GG degradiert. 411412

(3) Art. 14 Abs. 2 GG als nur verbindliche Richtschnurfiir

den Gesetzgeber

Sofern in der damaligen Literatur Art. 14 Abs. 2 GG jede unmittelbare Geltung für den Eigentümer abgesprochen wurde 413 , wurde in erster Linie teleologisch argumentiert. Unmittelbar durch Art. 14 Abs. 2 GG erzeugte Rechtspflichten des Eigentümers würden danach das "groteske Ergebnis einer Drittwirkung der Gemeinwohlklausel zugunsten einzelner" 414 zur Folge haben; diese könnten aber ohne einfachgesetzlichen Unterbau rechtlich nicht erzwungen werden. 415 Aber auch in der neueren Literatur überwiegen zweckgerichtete Begründungen.416

410

So ausdrücklich BK-Kimminich, Art. 14 GG, Rdnr. 108; vorsichtiger ders., JuS 1978, S. 217, 222, wonach Rechtsprechung und Verwaltung die diesbezüglichen Entscheidungen des Gesetzgeber wohl zu respektieren hätten. 411 Vgl. dazu auch Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rdnr. 141 mit Fn. 46 und Wey reuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, S. 71, wonach Verwaltung und Rechtsprechung bei der Ausgestaltung der Sozialpflicht im Einzelfall die einfachen Gesetze als System "allgemeiner Grundsätze" ("Einsichten, Gesichtspunkte") zur Orientierung (!) heranzuziehen hätten. 412 Wenn Bryde (in: v. Münch, Art. 14 GG [4. Aufl.], Rdnr. 70) ζ. B. behauptet, es mache im Ergebnis keinen Unterschied, "ob man Art. 14 II unmittelbar als (zivilrechtliche) Generalklausel anwendet (...) oder seinen Grundgedanken im Rahmen der zivilrechtlichen Generalklauseln berücksichtigt (...)", so verkennt er, daß eine generelle Einflußnahme dieses Prinzips auf die Auslegung des einfachen Rechts auch in Fällen eines an sich eindeutigen, am Wortlaut und der Systematik orientierten Interpretationsergebnisses die Verbindlichkeit des Normbefehls erschüttert und damit die Autorität des Gesetzgebers, gesellschaftliche Wertungen zu erkennen und in Regelungen umzusetzen, leugnet 413 Ipsen, WDStRL 10 (1952), S. 85; Schock, NJW 1954, S. 577, 588 Fn. 37; Badura, BayVBl. 1973, S. 1,4; Müller, NJW 1981, S. 1254, 1255; Staudinger-Sew/err, § 903 BGB, Anm. 31; SoergelBauer, § 903 BGB, Rdnr. 12. 414

Müller, NJW 1981, S. 1254, 1255.

415

Staudinger-Sew/êrf, § 903 BGB, Anm. 31. Nach vereinzelter Ansicht wird insoweit auf dieses Argument Rücksicht genommen, als die aus Art. 14 Abs. 2 GG abgeleitete Grundpflicht für den Eigentümer als lex imperfecta nicht erzwingbar sein soll; vgl. Götz, WDStRL 41 (1982), S. 7, 32; Hofmann, WDStRL 41 (1982), S. 42, 76; v. MünchJBryde, Art. 14 GG (4. Aufl.), Rdnr. 69. 416

Vgl. Wendt, Rdnr. 250.

Eigentum und Gesetzgebung, S. 299 ff.; Maunz/Dürig-Pap/er, Art. 14 GG,

I. Die Rechtsprechung des BGH

189

Hält man sich den Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 GG vor Augen, so scheint Satz 1 einen klaren Normbefehl für den einzelnen Eigentümer zu beinhalten. Ohne weiteres, insbesondere ohne weiteren einfachgesetzlichen Umsetzungsakt, ist dort die Verpflichtung des Eigentümers ausgesprochen. Allerdings läßt Satz 1 die entscheidende Frage offen, wozu der Eigentümer verpflichtet werden soll. Er ist somit vom Wortlaut her bereits unvollständig und bedarf aus sich heraus der weiteren Präzisierung. 417 Untersucht man deshalb den Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG, so fällt zunächst dessen Ausgestaltung als bloße Sollvorschrift auf. Im Vergleich zu anderen eingrenzenden Tatbestandsmerkmalen bei der Bestimmung des Schutzbereichs anderer Grundrechte 418 läßt die Regelung des Satzes 2 dem Eigentümer scheinbar einen "Ermessensspielraum" bei der Abwägung zwischen seinen Interessen und denen des Gemeinwohls. Dieser doch merkwürdige Befund erfaßt die Beurteilung der Sozialpflichtigkeitsklausel insgesamt, da Satz 1 und Satz 2 wegen der oben beschriebenen Unvollständigkeit des Satzes 1 eine Regelungsgesamtheit bilden und Satz 2 daher nicht nur eine bloße Erläuterung zu Satz 1 darstellt. 419 Die durch die Unbestimmtheit der Norm sich ergebenden Bedenken gegenüber einer unmittelbaren Geltung des Art. 14 Abs. 2 GG für den einzelnen Eigentümer verstärken sich weiter, wenn man sich die Anforderungen, die an die Normenklarheit von Gesetzen aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet werden, vor Augen führt. Nach Auffassung des BVerfG hat der einfache Gesetzgeber eine Vorschrift so abzufassen, daß die von ihr Betroffenen von den Voraussetzungen und den Rechtsfolgen her die sich ergebende Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können.420 Dieses notwendige Maß an Bestimmtheit ist auch von der Verfassungsnorm des Art. 14 Abs. 2 GG zu erfüllen, da auch der Verfassungsgeber als Verfassungsgesetzgeber die

417

So wohl auch BK-Kimminich, Art. 14 GG, Rdnr. 107, der von den beiden Sätzen des Art. 14 Abs. 2 GG spricht, die sich an den Eigentümer unmittelbar wenden sollen; ferner Krüger, DÖV 1977, S. 263, 265. 418 Ζ. B. bei der Informationsfreiheit auf "allgemein zugängliche Quellen" durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. GG; bei der Versammlungsfreiheit auf das Recht, sich "friedlich und ohne Waffen" zu versammeln, durch Art. 8 Abs. 1 GG. 419 Α. A. aber ζ. B. Hamann, Art. 14 GG (3. Aufl.), Anm. 5 a, c, der bereits Satz 1 als "richtungsweisend" ansieht und in Satz 2 nur eine nähere Erläuterung, Konkretisierung und Begrenzung erblickt. 420

Vgl. BVerfGE 21, 73, 79; 45, 400, 420; 58, 257, 278; 62, 169, 183; 83, 130, 145.

190

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

"elementaren Grundsätze (...) des Grundgesetzes und seiner Wertordnung" beachten mußte.421 Nach dem heutigen Stand der Dogmatik sind im Verwaltungsrecht solche Normen, die der in Grundrechte eingreifenden Behörde bei ihrer Entscheidung ein Ermessen einräumen, unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten weithin anerkannt.422 Den kritischen Stimmen423, die in solchen Regelungen eine dem Gewaltenteilungsprinzip widersprechende Kompetenzverschiebung von der Legislative zur Exekutive erblicken und wegen der nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG rügen, wird entgegengehalten, daß die Vielschichtigkeit der zu regelnden Materie bei Unterstellung einer strikt bindenden gesetzlichen Ermächtigung für das Verwaltungshandeln den Gesetzgeber überfordern würde 4 2 4 Zudem würde der Zwang, der Exekutive in jedem Fall bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandmerkmale einen Eingriff in die Freiheitssphäre des Bürgers nach Art und Umfang vorschreiben zu müssen, gegenüber einer flexibleren Regelung auf der Rechtsfolgenseite zu einer schärferen, die Grundrechte stärker tangierenden Regelung führen. 425 Schließlich seien dererlei angeordnete Ermessensentscheidungen wegen der vielfältigen Bindungen der Exekutive an die Wertungen des angewendeten Gesetzes426 und die verfassungsrechtlichen Grundprinzipien (ζ. B. das Gebot der Verhältnismäßigkeit, des Vertrauensschutzes, das Sozialstaatsprinzip und die Grundrechte) 427 trotz der der Exekutive im Einzelfall eingeräumten Entscheidungsalternativen in bestimmbarer Weise für den Bürger vorhersehbar und von den Gerichten nachprüfbar. In diesen Grenzen der Bestimm- und Vorhersehbarkeit der behördlichen Einzelmaßnahme

421 Vgl. BVerfGE 19, 206, 220; 31, 1, 19; v. Münch/Pappermann, Art. 10 GG (2. Aufl.), Rdnr. 37.

422 Ygj n u r Erichsen/Martens-Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10, Rdnr. 13 fif. (S. 186 ff.); Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rdnr. 52; Meyer/Borgs, § 40 VwVfG, Rdnr. 6, 9fif.; Stelkens/Bonk/Leonhardt-5te/fcew^acÄi, § 40 VwVfG, Rdnr. 8 m. w. N.; Ule, Verw. Arch. 76 (1985), S. 1,9fif.; Obermayer, § 40 VwVfG, Rdnr. 10. 423

Vgl. Cattepoel, Verw. Arch. 71 (1980), S. 140,141fif. m. w. Ν. in Fn. 7.

424

Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rdnr. 52.

425

Erichsen/Martens - Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10, Rdnr. 13fif. (S. 186 fif.).

426

Deshalb sind nicht ausfüllungsfähige Blankettermächtigungen für die Exekutive auch wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip verfassungswidrig; Erichsen/Martens-isWc/we;?, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10, Rdnr. 13fif. (S. 186fif.), S. 214. 427

Vgl. nur die knappen Darstellungen bei Kopp, § 40 VwVfG, Rdnr. 21 fif.; Stelkens/Borik/Leorûiaràt-Stelkens/Sachs, § 40 VwVfG, Rdnr. 42 fif.

I. Die Rechtsprechung des BGH

191

für den Bürger ist es dem Gesetzgeber auch gestattet, unbestimmte Rechtsbegriffe 428 mit einer Ermessensermächtigung in einer Norm zu koppeln 4 2 9 Unterstellt man diese Ansicht über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Ermessensregelungen gegenüber der Behörde als richtig, so ergeben sich bereits hinsichtlich der großen Unbestimmtheit des Begriffs "Wohl der Allgemeinheit", der lediglich als zusammenfassende Generalumschreibung für die Rechtfertigung staatlichen Handelns zu verstehen ist und für die Einzelentscheidung eines staatlichen Organs über die zu ergreifende Maßnahme einer weitergehenden, differenzierdenden Interpretation bedarf 430, Bedenken. Der wegen der Abhängigkeit von den politischen Anschauungen des Bewertenden notwendige431 Rückgriff auf die Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes zur näheren Eingrenzung dieses Begriffs 432 gestaltet sich für den Bürger im Gegensatz zu den Hoheitsträgern schwierig, weil in erster Linie letztere zum Schutz des Bürgers und nicht die Bürger an sie gebunden sind. 433 Aber auch unabhängig von diesem Gedankengang weist der von der herrschenden Meinung für zulässig erachtete Ermessensspielraum für die Exekutive, verknüpft mit einem unbestimmten Rechtsbegriff, gegenüber der möglichen Ermessensentscheidung des Bürgers, sofern er Normadressat des Art. 14 Abs. 2 GG sein soll, einen entscheidenden Unterschied auf: Gesetzgeberisch eingeräumte Ermessensentscheidungen verpflichten die Behörde, die vom Gesetz in gewis428 Kritisch zu diesem Ausdruck Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rdnr. 39 mit dem Hinweis, daß jeder Begriff letztlich einen bestimmbaren Inhalt haben müsse. 429

Erichsen/Martens-£r/cArew, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10, Rdnr. 13fif., S. 214; v. Mutins, Jura 1987, S. 92, 100; Seewald, Jura 1980, S. 175, 181. Nach Eichstaedt (AöR 98 [1973], S. 173, 177 f.) besteht zwischen unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessensregelungen sogar ein "sachlogischer Zusammenhang", da der Gesetzgeber, ohne den Einzelfall genau regeln zu können, der Exekutive eine Richtschnur für ihr Handeln geben müsse. 430 Vgl. zu den Schwierigkeiten und der Notwendigkeit der Konkretisierung dieses Merkmals v. Münch, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1, Rdnr. 16fif.; ferner Hönes, NVwZ 1983, S. 213, wonach eine Konkretisierung des staatliches Handeln legitimierenden Interesses durch den demokratisch-parlamentarischen Gesetzgeber "nach heutigem rechtsstaatlichen Verständnis geboten (sei), denn (er müsse) diesem konkreten öffentlichen Interesse eindeutig vollziehbare Konturen geben. Es gibt also kein einheitliches 'öffentliches Interesse' im Sinne eines 'Gesamtinteresses', sondern nur das aus dem jeweiligen Gesetz (konkret) zu ermittelnde öffentliche Interesse." 431 Vgl. Schwerdtfeger, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, Rdnr. 560 m. w. N., wonach diese ausschließlich politische Entscheidung über die Interessen der Allgemeinheit wegen des im Grundgesetz verankerten Demokratieprinzips allein vom Parlament als der Volksvertretung zu treffen ist. 432 V. Münch, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1, Rdnr. 16; Schwerdtfeger, öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, Rdnr. 561. 433 Deutlich wird dies an der Regelung des Art. 18 GG, der nur in Extremfklleri des Mißbrauchs der Grundrechte gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung die Rechtsfolge einer Verwirkung knüpft.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

sem Rahmen unbestimmte generelle Regelung in pflichtgemäßer Weise im Einzelfall zu konkretisieren, m. a. W., der Bürger wird nicht schon durch das Gesetz, sondern erst durch den behördlichen Vollzugsakt in seiner Privatsphäre unmittelbar betroffen. Dieser Vollzugsakt muß aber gem. § 37 Abs. 1 VwVfG (oder den entsprechenden VwVfG der Länder) einen eindeutigen, d. h. zweifelsfrei bestimmbaren Inhalt haben, nach dem sich der Betroffene richten muß, aber auch kann. 434 Unzulässig sind danach solche Verwaltungsakte, aus denen der Betroffene nicht einwandfrei das von ihm geforderte Verhalten durch Auslegung aus dem Verwaltungsakt als Willenserklärung heraus entnehmen kann. § 37 Abs. 1 VwVfG als Ausprägung des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatzes435 läßt sich insofern auf die Ebene des Gesetzes und damit auch des Verfassungsgesetzes übertragen, als derartige Normbefehle, die sich direkt an Private wenden, aus sich heraus eindeutig und verständlich sein müssen. Bei behördlichen Ermächtigungsgrundlagen kann demgegenüber auf diese Art der strengen Bestimmtheit verzichtet werden, weil dem Bürger erst durch den behördlichen Vollzugsakt unmittelbare, dann aber eindeutige Verhaltensmaßregeln erteilt werden. Die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Gesetzes müssen sich somit in dem Maße erhöhen, in dem der Bürger bei der Normanwendung auf sich gestellt ist, also dann ihre größte Intensität entfalten, wenn eine ipso-iure Regelung unmittelbare Befolgung durch ihn verlangt. Die Regelung des Art. 14 Abs. 2 GG, die eine ständige Abwägung zwischen den Individual- und den Gemeinwohlinteressen erfordert, wobei diese wegen des Charakters als Soll-Vorschrift auch in Einzelfällen entbehrlich sein kann, würde, falls sie unmittelbar an den Bürger gerichtet wäre, diesem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Maßstab nicht gerecht. 436 4 3 7 Auch die Systematik des Grundgesetzes, insbesondere das Regelungsgefüge innerhalb des Art. 14 GG, unterstützt die Bedenken. Hauptargument der damals überwiegenden Meinung war Art. 1 Abs. 3 GG, wonach die Grundrechte gegenüber dem Gesetzgeber, aber auch gegenüber der Exekutive und Jurisdik-

434 Vgl. Stelkens/Bonk/Leonhardt-Äe/^w5, § 37 VwVfG, Rdnr. 6, 14 ff; Obermayer, VwVfG, Rdnr. 6 ff; Badura, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 422 f.

§ 37

435

Vgl. nur Stelkens/Bonk/Leonhardt-^e/itewi, § 37 VwVfG, Rdnr. 6.

436

So i. E. auch Gassner, NVwZ 1982, S. 165,167; ferner Osterloh, DVB1. 1991, S. 906,910.

437

Vgl. in diesem Zusammenhang die Regelung des § 9 Satz 1 NDSchG ("Für Baudenkmale ist eine Nutzung anzustreben, die ihre Erhaltung auf Dauer gewährleistet."), aus der nach der Literatur wegen ihrer Unbestimmtheit keine positiven, unmittelbar gegen den Eigentümer wirkenden Verpflichtungen zu einer bestimmten Nutzung entnommen werden können; vgl. Grosse Suchsd o r f / S c h m a l t z / N B a u O , NDSchG, § 9 NDSchG, Rdnr. 1.

I. Die Rechtsprechung des BGH

193

tion Geltung beanspruchen.438 Dagegen kann allerdings nicht eingewendet werden, auch als verbindliche Richtschnur für den einfachen Gesetzgeber sei Art. 14 Abs. 2 GG unmittelbar geltendes Recht und Art. 1 Abs. 3 GG somit Genüge getan, da damit Art. 1 Abs. 3 GG unzulässig verkürzt würde. 439 Erste Bedenken ergeben sich allerdings, wenn man sich vor Augen führt, daß Art. 14 Abs. 2 GG nach dieser Ansicht als Grundpflicht den Bürger als Normadressaten zu einem "sozialgebundenen Verhalten" verpflichten soll 440 , so daß die Frage der Bindung der Verwaltung und der Jurisdiktion an diese Bestimmung nichts über den Charakter dieser Norm als unmittelbare Grundpflicht auszusagen vermag. 441 Aber auch die These, Art. 14 Abs. 2 GG sei vom Regelungsgehalt des Art. 1 Abs. 3 GG erfaßt, stößt auf Bedenken. Art. 1 Abs. 3 GG beschränkt seinen Anwendungsbereich ausdrücklich nur auf "Grundrechte" und nennt die staatliche Gewalt als Verpflichteten. Diese Formulierung ist aus der historischen Situation heraus bewußt gewählt worden, um das in der Verfassung vorgegebene Wertesystem in ein positiv-rechtlich unbezweifelbares Anspruchssystem umzuprägen.442 Sieht man in Art. 14 Abs. 2 GG eine selbständige Grundpflicht 443 , so kann Art. 1 Abs. 3 GG nicht über seinen Wortlaut hinaus anwendbar sein, da bei Grundpflichten nicht der Staat, sondern der Bürger Verpflichteter ist. Lehnt man das Vorliegen einer selbständigen Grundpflicht ab, so kann aus Art. 1 Abs. 3 GG auch kein Hinweis auf die unmittelbare Geltung des Art. 14 Abs. 2 GG als unselbständiger Teil der Schutzbereichsbestimmung des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gezogen werden, denn Art. 1 Abs. 3 GG setzt Grundrechte zwar voraus, gibt aber keinen Aufschluß über den Umfang der von ihm erfaßten, aber ansonsten in den einzelnen Bestimmungen umschriebenen Gleichheits- und Freiheitsgrundrechte. Sofern Art. 14 Abs. 2 GG nur die materielle Auffüllung des Regelungsvorbehalts des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist, würde er sich wie die anderen Gesetzes· und Regelungsvorbehalte innerhalb der Grundrechtsbestimmungen nur an den Gesetzgeber richten. 438

Vgl. z. B. ausdrücklich v. Münch! Dicke, Art. 14 GG (2. Aufl.), Rdnr. 44 m. w. N.

439

So aber Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 299.

440

Vgl. deutlich v. MünchIBryde, Art. 14 GG (3. Aufl.), Rdnr. 67.

441

Vgl. auch v. MünchIBryde, Art. 14 GG (3. Aufl.), Rdnr. 68, der die Bedeutung des Art. 14 Abs. 2 GG als Auslegungsrichtlinie bei der Bestimmung unbestimmter einfachgesetzlicher Rechtsbegriffe betont. 442

Vgl. dazu v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Vorbemerkungen, Anm. 2 f.

443

So ζ. Β. v. Mangoldt/Klein/Starcfc, Das Bonner Grundgesetz, Art. 1 Abs. 3, Rdnr. 120; v. MünchIBryde, Art. 14 GG (3. Aufl.), Rdnr. 67. 13 Eschenbach

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Gegen die Zusammenfassung des Art. 14 Abs. 2 GG mit Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu einem einheitlichen Regelungsvorgehalt unter Leugnung einer unmittelbaren Wirkung gegenüber dem Eigentümer spricht allerdings auf den ersten Blick das Regelungsgefüge innerhalb dieser Norm. Bei den Gesetzesvorbehalten der übrigen Grundrechte (z. B. Art. 8 Abs. 2, 10 Abs. 2 und 13 Abs. 2, 3 GG) ist eine Trennung zwischen formellen und materiellen Voraussetzungen in verschiedenen Absätzen nicht vorgenommen worden, die räumliche Trennung innerhalb der Eigentumsfreiheit ist daher schon ungewöhnlich. Aber auch hierfür läßt sich eine durchschlagende Erklärung finden: Zum einen ist Art. 14 GG in seinem Aufoau bis auf einen Tausch der Absätze 2 und 3 mit seiner Vorgängernorm identisch, so daß aus dem Bestreben der Wahrung von Kontinuität keine so weitreichenden Folgerungen gezogen werden können. Zum zweiten läßt sich die Trennung dadurch rechtfertigen, als damit systematisch verdeutlicht werden soll, daß aus Gründen des Gemeinwohls zwei Arten gesetzlicher "Beschränkungen" des Eigentums zugelassen werden sollten. Durch die Zubilligung unmittelbarer Rechtswirkungen mit der Folge, daß Exekutive und Jurisdiktion aus eigener Verantwortung Abwägungen zwischen Eigentümer- und Allgemeininteressen anstellen könnten 444 , würde dieser aus der Systematik erkennbare Auftrag zur Abwägung an den Gesetzgeber umgangen.445 Auch ein Vergleich mit den übrigen Normen innerhalb des Grundrechtskatalogs, die als selbständige Grundpflichten angesehen werden - also insbesondere Art. 12 a Abs. 1, 2 GG 446 - bestärkt die Ansicht einer nicht unmittelbaren Geltung gegenüber dem Betroffenen ohne einfachgesetzliche Umsetzung, da auch diese Grundpflichten als Gesetzesvorbehalt ausformuliert sind 447 und deshalb für Exekutive und Jurisdiktion ohne weiteres keine Ermächtigungsgrundlage gegenüber dem Bürger ergeben.448

444 Vgl. ζ. B. Kimminich (JuS 1978, S. 217, 221 f.), der ohne weiteres die vom BVerfG zur Begrenzung der gesetzgeberischen Gestaltungsmacht entwickelten Grundsätze als Auslegungskriterien auf die Anwendung des Art. 14 Abs. 2 GG durch Rechtsprechung und Verwaltung überträgt, obwohl diese gerade keinen zu respektierenden politischen Gestaltungsspielraum haben. 445 Vgl. allgemein die gleichlautenden Bedenken bei Grimm, WDStRL 41 (1983), S. 102, 103 (Aussprache). 446

Vgl. v. Münch/Gw&e/r, Art. 12 a GG (4. Aufl.), Rdnr. 1; Götz, WDStRL 41 (1983), S. 7, 23 m. w. N. in Fn. 67. 447 Auch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, der von der den Eltern "obliegenden (nicht auferlegten) Pflicht" zur Kindeserziehung spricht wird im Rahmen einer systematischen Interpretation mit Satz 2 der Norm insoweit als gesetzgeberischer Vorbehalt gedeutet (vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 224 b). '

I. Die Rechtsprechung des BGH

195

Desweiteren ist der Wille des historischen Verfassungsgebers zu erforschen. In den Beratungen wurde überwiegend um die Frage gestritten, ob neben der Sozialpflichtigkeit i. S. d. Art. 14 Abs. 2 GG eine ausdrückliche Mißbrauchsklausel erforderlich sei.449 Gegen diese Mißbrauchsklausel und auch gegen Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG wurden verschiedentlich Einwände geltend gemacht: Sie seien überflüssig, weil bereits in Art. 14 Abs. 2 Satz 1 GG enthalten.450 Die Vorschriften seien sprachlich zu ungenau formuliert, weil auch der allein privatnützige Gebrauch des Eigentums zulässig bleiben müsse und die Qualität eines Mißbrauchs definitionsbedürftig sei.451 Die Änderungsvorschläge konnten sich nicht durchsetzen, letztlich verzichtete man auf die Mißbrauchsklausel, weil sie zumindest teilweise durch Art. 18 GG abgedeckt sein sollte.452 Aus dem vorgelegten Schlußbericht geht aber hervor, daß der Regelung des Art. 14 Abs. 2 GG auch unmittelbare rechtliche Bedeutung für den Eigentümer zukommen sollte. Dieser historische Wille kann allerdings nur dann im Rahmen der Auslegung eine unterstützende Funktion einnehmen, wenn er einem eindeutigen Ergebnis der übrigen Auslegungsmethoden, insbesondere der grammatischen und systematischen Auslegung, nicht zuwiderläuft. Abschließend kann zur Erhärtung des gefundenen Ergebnisses noch auf die teleologischen Erwägungen zurückgegriffen werden, die gegen eine unmittelbar durch Art. 14 Abs. 2 GG erzeugte Rechtspflicht des Eigentümers vorgebracht worden sind.453

448 Vgl. für die rechtliche Situation bei der Grundpflicht zur Übernahme von Ehrenämtern nach den Landesverfassungen Götz, VVDStRL 41 (1983), S. 7, 27; zur Grundpflicht zur Steuerzahlung dens., WDStRL 41 (1983), S. 33; zur Deutung der Erziehungspflicht in Art. 6 Abs. 2 GG als Recht gegenüber dem Bürger v. Münch/v. Münch, Art. 6 GG (4. Aufl.), Rdnr. 35; allgemein zur Notwendigkeit der Umsetzung solcher Grundpflichten durch verbindliche einfachgesetzliche Bestimmungen Götz, VVDStRL 41 (1983), S. 37. Vgl. demgegenüber aber AK-Rittstieg, Art. 14/15 GG, Rdnr. 252, wonach die Abgabenpflicht "eine von der Verfassung als selbstverständlich vorausgesetzte Grundpflicht (sei, was) u. a. Art. 106 als Kompetenznorm (belege)." 449 "Wer sein Eigentum mißbraucht, kann sich auf den Schutz dieser Bestimmungen nicht berufen."; vgl. Kurzprotokoll der 26. Sitzung des Ausschusses tür Grundsatztragen am 30. November 1948, PR 12.48-338 II, S. 2. 450

PR 12.48-402, S. 1; Hauptausschuß-Stenographische Protokolle, S. 578.

451

PR 12.48-370, Anm. 2 zu Art. 14.

452

Schlußbericht zum Entwurf des GG, Drs. 850, S. 12. Vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 300, der durch die Statuierung einer generalklausartigen Verpflichtung des Eigentümers zu gemeinwohlorientiertem Verhalten eine Erschütterung des 453

13*

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

d) Die Einbeziehung des Art 14 Abs. 2 GG zur Konkretisierung des einfachgesetzlichen Regelungsauftrags aa) Die Sozialpflichtigkeit - Definition, Funktion und Herleitung in der Rechtsprechung des BGH (1) Die Entwicklung des Pflichtigkeitsmerkmals in der Grundsatzentscheidung "Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk"

454

Der richterliche Topos der Sozialpflichtigkeit wurde zum ersten Mal zur Rechtfertigung der Qualifikation einer Beschränkung von Eigentümerbefugnissen eines Grundeigentümers durch ein mit der Eintragung in ein Grünflächenverzeichnis verbundenes Bauverbot als entschädigungslos hinzunehmende Eigentumsbindung herangezogen. Nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats 1952455 war die Grenzziehung zwischen entschädigungsloser Inhaltsbestimmung und Enteignung durch eine Überprüfung der staatlichen Maßnahme am Gleichheitsgrundsatz vorzunehmen. Das Hauptproblem dieser Abgrenzung war die für die Heranziehung des Art. 3 Abs. 1 GG notwendige Bildung der Vergleichspaare: Während in der Entscheidung zunächst die Inhaber der "betroffenen Gattung von Rechten"456 als Vergleichsgruppe genannt wurden, was auf eine formale Sichtweise dergestalt hinauslaufen würde, daß nach Eigentumsarten (Sacheigentum, Forderungen, Mitgliederrechte) zu differenzieren sei 457 , wurde an späterer Stelle im gleichen Urteil ausgeführt, es sei "im Einzelfall nicht immer leicht zu bestimmen, wann ein ungleich treffender, entschädigungpflichtiger Eingriff in das Eigentum einer Gruppe vorliegt und wann eine entschädigungslose allgemeine Begrenzung von GruppenFreiheitsgrundrechts "im Kern" erblickt und im übrigen darauf hinweist, daß Eigentum faktisch in erster Linie privatnützigen Zwecken dient und deshalb erworben werde, somit der eigentliche Existenzgrund bei einer gleichwertigen Geltung des Art. 14 Abs. 2 GG neben Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geleugnet würde (Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 301; ähnlich auch Grimm, WDStRL 41 [1983], S. 102, 103 [Aussprache]). Schwer wiegt auch die Befürchtung, durch die unmittelbare Durchsetzung der Sozialpflicht durch Jurisdiktion und Exekutive ohne oder sogar gegen den Willen des Gesetzgeber werde das rechtsstaatliche Gefüge der Bindung dieser beiden Gewalten an die Gesetze umgangen, wonach verfassungswidrige Gesetze nicht einfach außer Betracht bleiben könnten, sondern dem BVerfG zur Prüfung vorzulegen sind (vgl. dazu nur Böhmer, NJW 1988, S. 2561, 2573 f.). 454

BGHZ 23, 31 ff.

455

BGHZ 6, 270 fif.

456

BGHZ 6, S. 279.

457

Vgl. die Auflistung dererlei Eigentumsgattungen innerhalb des Grundeigentums bei Weber, NJW 1955, S. 40, 42, der ζ. B. Baugrundstückseigentum, Bauernland, Waldbesitz und Wohnhauseigentum unterscheiden möchte.

I. Die Rechtsprechung des BGH

197

eigentum", weil die zur Abgrenzung vom Reichsgericht u. a. herangezogene Formel vom "Eingriff nach allgemeinen Gattungsmerkmalen (...) nur den Wert von im Einzelfall mehr oder minder brauchbaren Beweiszeichen" liefere. 458 Letztlich wurde im konkreten Fall der Prüfung der Wohnraumbewirtschaftung auf den mit dem Gesetz verfolgten Zweck abgestellt: Sozialpolitische und wirtschafitslenkende Zielsetzungen können danach auf die Sozialpflicht nach Art. 14 Abs. 2 GG zurückgeführt werden, entsprechende Gesetze sind somit nur Inhaltsbegrenzungen459, wobei allerdings nicht angesprochen wurde, daß auch die Enteignung durch Gemeinwohlinteressen zu legitimieren ist. Auch in späteren Entscheidungen wurden teilweise die mit dem Gesetz verfolgten Zwecke herangezogen: Raumordnerische Vorhaben 460 und Maßnahmen der Wirtschaftslenkung 461 sind danach generell bloße Eigentumsbeschränkungen, es sei denn, die Betroffenheit sei besonders "empfindlich" 462. Es liegt auf der Hand, daß mit diesen Thesen kein ausreichendes Kriterium gefunden war, das im Einzelfall eine Abgrenzung zwischen der "Allgemeinheit" als Vergleichsmaßstab zur betroffenen "Gruppe" ermöglichte. 463 Im 23. Band schließlich wurde der Ansatz, beim Vergleich im Rahmen der Abgrenzung zwischen Enteignung und Eigentumsbindimg nicht formal auf die Anzahl der betroffenen Rechtsinhaber oder abstrakt auf einen wie auch immer zu bestimmenden allgemeinen Charakter der Maßnahme abzustellen, sondern die Vergleichspaare unter Heranziehung materieller, wertender Ge458

BGHZ 6, 270.

459

BGHZ 6, 270.

460

BGHZ 15, 268, 275.

461

Ζ. B. BGH, LM, Art. 14 GrundG, Nr. 49, Bl. 2 m. w. N. und weitere Beispiele bei Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I Allgemeiner Teil, S. 343 und Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 18. 462 BGHZ 15, 268, 278; vgl. auch BGHZ 19, 1, 4, wo umgekehrt mit der nach wirtschaftlichen Maßstäben unbedeutenden Belastung argumentiert wird. 463 Vgl. zur Kritik Bender, NJW 1965, S. 1297, 1302 m. w. N. in Fn. 43; Kimminich, JuS 1969, S. 349, 356; Leisner, JZ 1975, S. 272, 273 f. unter Hinweis auf Art. 15 GG, der als Ausnahmevorschrift eine Überführung ganzer Eigentumskategorien in andere Formen der Gemeinwirtschaft zuläßt, so daß die allgemeinere Vorschrift des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG im Umkehrschluß nicht diese Sozialisierungsschwelle erreichen dürfe. Anschaulich werden diese Schwierigkeiten ζ. B. im Urteil des BGH vom 26. März 1953, in dem er die einem in Berlin ansässigen Unternehmer verweigerte Genehmigung zur Betriebsverlagerung nach Westdeutschland einordnen mußte. Das dem ablehnenden Bescheid zugrunde liegende Gesetz zielte auf die Stärkung der Berliner Wirtschaftskraft ab und mußte somit nach seiner Auffassung allgemeine wirtschaftslenkende Eigentumsbegrenzungen für das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen. Als Vergleichsmaßstab für die Ungleichbehandlung wurden denn auch nicht alle westdeutschen Unternehmer herangezogen: entsprechend dieser Zielsetzung wurden die Berliner Unternehmer zur "Allgemeinheit" erklärt.

198

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

sichtspunkte zu bestimmen, durch den Topos der Pflichtigkeit erweitert und dogmatisch auf ein neues Fundament gestellt.464 Grundeigentum als Gattungsart kann danach grundsätzlich nicht als eine einheitliche Kategorie aufgefaßt werden. Für die Beurteilung der Vergleichspaare ist vielmehr auf das tatsächliche Umfeld des Grundstücks, die besonderen faktischen und sozialen Bedürfnisse vor Ort abzustellen. Grundeigentum unter Berücksichtigung der konkreten besonderen Situation ist nach Auffassung des Gerichts kraft der Verpflichtung des Eigentümers zur Rücksichtnahme gegenüber den sich aus dieser Situation ergebenden Erfordernissen zum Schutze des Gemeinwohls "nicht erst kraft einer positivrechtlichen Regelung, sondern 'seiner Natur nach' verbunden (•belastet*) mit einer begrenzten Pflichtigkeit (im Rechtssinne), die sich nach näherer Bestimmung des Gesetzes zu einer Pflicht (im Rechtssinne) verdichten kann, - mit einer Pflichtigkeit, u. U. eine unter den zahlreichen denkbaren, aus dem Eigentumsrecht fließenden Einzelbefugnisse zur Nutzung zu unterlassen. Die Eigentümerfunktion (Dispositionsfreiheit) hinsichtlich eines solchen Grundstücks wird - weil sie gar nicht so weit reicht! - nicht eigentlich beeinträchtigt und verkürzt, wenn dem Eigentümer für die Zukunft eine bisher verwirklichte Verwendungsart, die unvereinbar ist mit jener Situationsgebundenheit, untersagt wird, während ihm die Fülle der Befugnisse aus dem Eigentum (...) ungeschmälert erhalten bleibt" 465 . Solche Konkretisierungen der Pflichtigkeit stellen nur Ausgestaltungen des ohnehin "latent gebundenen" Eigentums dar und sind daher nicht als Enteignungen zu qualifizieren. Thesenartig läßt sich dieser auch für die spätere Rechtsprechung entscheidende Passus wie folgt zusammenfassen: Die Pflichtigkeit des Eigentums ist eine einer konkreten Rechtsposition bereits innewohnende Belastung, so daß eine Konkretisierung durch den einfachen Gesetzgeber oder einen anderen Hoheitsträger auf Grund eines einfachen Gesetzes im Einzelfall keinen Eingriff "von außen", sondern lediglich eine Umgestaltung der betroffenen Rechtspositionen "von innen", eine Anpassung der insoweit abweichenden bisherigen Rechtslage an diese Pflichtigkeit darstellt. Enteignungen dagegen gehen über die Sozialbindung hinaus und sind daher Eingriffe. Eine Konkretisierung der latenten Beschränkbarkeit ist jedenfalls dann möglich, wenn eine unter vielen noch nicht verwirklichten Nutzungensarten für die Zukunft untersagt wird. 464

BGHZ 23,31, 32 f.

465

BGHZ 23, 31, 33.

I. Die Rechtsprechung des BGH

(2) Inhalt und Funktion der Rechtsfigur

"Pflichtigkeit

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im Rechtssinne"

(a) Die Kriterien zur Bestimmung der Pflichtigkeit im Einzelfall

Fragt man sich nach den Kriterien, mit denen der BGH die "Pflichtigkeit" ermittelt, so befindet man sich bei deren Systematisierung in Verlegenheit. Neben rein deskriptiven Merkmalen, wie ζ. B. der tatsächlichen Lage eines Grundstücks in der Landschaft oder der besonderen Gestaltung des betroffenen Eigentums466, der bisherigen Benutzungsart bzw. dem Umstand, ob eine Benutzungsart in der Vergangenheit schon verwirklicht worden war 4 6 7 , und der geschichtlichen Lage, die nicht nur durch die Zeitumstände, sondern auch durch den jeweiligen Stand der Wissenschaft geprägt wird 4 6 8 , bestimmen auch rechtlich wertende Gesichtspunkte469, die "soziale" Gebundenheit470 bzw. "Situationsgebundenheit"471 und vor allem der anzulegende Maßstab des "vernünftigen und einsichtigen Eigentümers"472 den Umfang der Pflichtigkeit. Gerade durch das letzte Bewertungskriterium räumte sich der BGH mit der Möglichkeit, letztendlich für jeden von ihm zu entscheidenden Einzelfall selbst die für die betroffene Rechtsposition wesentlich prägenden Umstände festzulegen, einen weiten Beurteilungsspielraum ein. 473 Dabei überspielte er

466 Vgl. ζ. B. BGHZ 23, 31, 32; BGH, DÖV 1957, S. 669; BGH, LM, Alt. 14 GrundG, Nr. 70; BGH, NJW 1979, S.210. 467 BGH, LM, Art. 14 (Ce) GrundG, Nr. 25, Bl. 2; ausdrücklich darauf abstellend BGH, LM, Art. 14 (Cb) GrundG, Nr. 5, Bl. 2. In der späteren Rechtsprechung erfolgte eine Relativierung dieses Gesichtspunkts in zwei Richtungen: Zum einen kann auch durch eine Eigentumsbindung eine Beschränkung vorhandener Nutzungen erfolgen (BGHZ 48,193,195 f.), zum zweiten können auch noch nicht vorhandene Nutzungen durch Enteignung entzogen werden (BGH, DVB1. 1973, S. 625, 626; ders., DVB1. 1973, 627, 629). 468

Vgl. ζ. B. BGHZ 48,193, 197.

469

Ζ. B. die Schwere der Beeinträchtigung (BGH, LM, Art. 14 (Cf) GrundG, Nr. 17: Nur "fühlbare" Beeinträchtigungen nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise können enteignenden Charakter haben; vgl. ferner BGH, LM, Art. 14 (D) GrundG, Nr. 22; LM, Art. 14 (Ea) GrundG, Nr. 32, die auf eine "wesentliche" Beeinträchtigung abstellen. 470

BGHZ 60,145,147.

471

BGHZ 48, 193,196; dazu Sendler, DÖV 1979, S. 79, 81.

472

So schon BGHZ 23,31,35.

473

Vgl. zu diesem erheblichen Bewertungsspielraum anschaulich BGHZ 87, 66fif., wo als situationsbedingte Umstände angesehen werden: die Lage des konkreten Grundstücks an einem Fluß, Nähe dieses Flusses zum Rhein, Entfernung des betroffenen Grundstücks von 300 Metern zum eigentlichen Fluß, das Problem der Rheinlaufkorrektur als planerische Entscheidung, Geeignetheit des Grundstücks für die Einbeziehung in die geplante Rheinkorrektur nicht nach den Vorgaben des Plans, sondern nach der Natur der Sache, schließlich die rechtliche Situation nach dem WHG. Vgl. femer die zusammen-

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

im Einzelfall unter Heranziehung faktischer, von ihm als wesentlich erkannter Umstände sogar die in Gesetzen zum Ausdruck gekommene, generell und abstrakt formulierte gegenteilige Interessenabwägung.474 Gleichzeitig gelang es dem Gericht, ohne formelle Aufgabe seiner Einzelaktstheorie durch die Einbeziehung der Schwere und Zumutbarkeit der zu beurteilenden hoheitlichen Maßnahme475 die wegen des Charakters der Eigentumsfreiheit als Freiheitsgrundrecht erforderliche Abwägung zwischen betroffenem Eigentümer und den Gemeinwohlinteressen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durchzuprüfen und damit den eigentlich verfehlten Ansatz - der Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz kennzeichnet die Enteignung als Eingriff in das Eigentum - zu durchbrechen. 476

(b) Der Inhalt der "Pflichtigkeit im Rechtssinne"

Angesichts der vom BGH gewählten, schwer verständlichen Pflichtigkeitskonstruktion 477 fällt es auch nicht leicht, den Inhalt dieses einer konkreten Pflicht vorgelagerten Verhältnisses zu bestimmen.478 In einer Entscheidung führt das Gericht dazu aus: "Die Pflichtigkeit hat zum Inhalt, eine oder einzelne bestimmte Nutzungen unter den zahlreichen denkbaren aus dem Eigenfassende Darstellung bei Kröner, Die Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, S. 64 f.; Stich, JuS 1961, S. 346,349. 474

Vgl. ζ. B. zur Frage, wie lange eine faktische Bausperre als Sozialbindung hinzunehmen sei, BGHZ 58, 124, 130 - 3 Jahre - und § 18 BBauG - 4 Jahre -, femer die Anmerkung von SchmidtAßmann, DVB1. 1973, S. 633, 634. Ferner Halstenberg, DVB1. 1964, S. 135; Bischoff, Verw. Arch. 59 (1968), S. 33, 40 für die Beurteilung einer Veränderungssperre. 475

Vgl. die Zusammenstellung der insofern gleichlautenden Bewertungskriterien zwischen BGH und BVerwG, das schon immer auf die individuelle Belastung des betroffenen Eigentümers als Differenzierungskriterium abgestellt hatte, bei Reuß, DVB1. 1965, S. 384, 385 ff.; Leibholz/Lincke, DVB1. 1975, S. 933, 936; femer exemplarisch die Entscheidung des OVG Lüneburg, DVB1. 1966, S. 760 f., aus der die Parallelität der Argumentationsmuster nach modifizierter Einzelakts- und Schweretheorie deutlich hervorgeht. 476 Vgl. Stich, JuS 1961, S. 346,348 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht (4. Aufl.), S. 146, der von einer Aufgabe, nicht nur einer Modifikation der Einzelaktstheorie durch den BGH spricht. In neueren Entscheidungen wird denn auch formell noch auf die "gebotene Beachtung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG)" hingewiesen, die eigentliche Abgrenzung aber anhand einer "wertenden Betrachtung der Kollision zwischen Gemeinwohl (...) und Einzelinteresse" vorgenommen (BGHZ 80, 111, 115 f.). 477 478

So besonders kritisch Schneider, DÖV 1965, S. 292, 294 f.

Vgl. auch die Kritik von Steinke, DVB1. 1976, S. 662, 663 an der Inhaltslosigkeit dieses Merkmals, wobei der Autor später zur Auffüllung eine konkrete Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen den Interessen des betroffenen Eigentümerkreises und den die Begrenzung legitimierenden Gemeinwohlgütern vornimmt {Steinke, DVB1. 1976, S. 666), eine Abwägung, die auch ohne Einschaltung der Sozialpflichtigkeitskonstruktion anzustellen wäre.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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tumsrecht fließenden Nutzungsbefugnissen im Allgemeininteresse zu unterlassen"479 . Nimmt man diese Definition wörtlich, so wäre kein Unterschied zwischen Pflichtigkeit und Pflicht feststellbar, obwohl erst durch das Gesetz der konkrete Normbefehl zum Handeln, Dulden oder Unterlassen geschaffen wird 4 8 0 Zur näheren Konkretisierung der Sozialpflichtigkeit "als rechtlicher Lage, aus der heraus sich für alle Betroffenen dieselbe Pflicht entwickeln kann" 4* 1, könnte sich ein Rückgriff auf den entsprechenden verwaltungsrechtlichen Terminus als nützlich erweisen. In der älteren Literatur wurde von den konkreten Rechtsverhältnissen zwischen Bürger und Staat, die Rechte und Pflichten beinhalten, ein vorangehender Rechtszustand zwischen beiden, die Pflichtigkeit, unterschieden. Die Pflichtigkeit beinhaltet nach dieser Auffassung die Möglichkeit, daß bei Eintritt weiterer tatsächlicher Umstände ein konkretes Rechtsverhältnis entsteht.482 So ist jeder, der seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland innehat, "einkommensteuerpflichtig"; erst durch Erzielung von Einnahmen bestimmter Einkunftsarten wird diese latente Pflichtigkeit zu einer Einkommensteuerpflicht verdichtet. 483 Überträgt man diese Konstruktion auf die "Sozialpflichtigkeit", so bedeutet dies, daß der Eigentümer dann durch Art. 14 Abs. 2 GG insoweit belastet ist, als dem Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt ist, durch Gesetze nach sachgerechter ("vernünftiger und einsichtiger") Abwägung zwischen Individual- und Allgemeininteressen in seine Befugnisse einschränkend einzugreifen. 484 Abgesehen davon, daß die dieser Deutung zugrunde liegende Theorie der allgemeinen Pflichtigkeit der Bürger gegenüber dem Staat, also ihre Unterworfenheit unter seine Fähigkeit, alle zur Erfüllung seiner für erforderlich erachteten Aufgaben notwendigen Befehle und Forderungen zu stellen485, auf der angesichts der Wertungen im Grundgesetz unrichtigen staatstheoretischen Prämisse, nämlich das Verhältnis zwischen Staat und Bürger als vorrechtliches zwischen "Obrigkeit" und "Untertan" zu begrei-

479 480

BGH, LM, Art. 14 (Ce) GrundG, Nr. 25, Bl. 1; ähnlich BGHZ 30, 338, 343.

Vgl. dazu Kreft, Hauß, S. 203, 209 f. 481

Öffentlich-rechtlich Ersatzleistungen, Vor § 839, Rdnr. 43; dem., in: FS für

BGHZ 23, 31,34 (Hervorhebung vom Verfasser).

482

Vgl. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 192 f.; Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 143.

483

Zur parallelen Konstruktion der Zeugenpflichtigkeit Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 192 f.

484

So deutet Dittus, DVB1. 1957, S. 329, 330 die Entscheidung in BGHZ 23, 31 ff.; vgl. auch in: FS für Hauß, S. 203, 209: "Beschränkbarkeiten".

Kreft, 485

So Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 942.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

fen, beruht 486 , stellt sich gerade im Bereich des Art. 14 Abs. 2 GG in Zusammenschau mit Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Frage ihrer Notwendigkeit. Führt man den Gedanken des BGH zur Sozialpflichtigkeit dahin zurück, daß der Eigentümer sich auf Grund seiner Eigentumsfreiheit nicht gegen vorhersehbare, weil zum Schutz des Gemeinwohls geeignete, erforderliche und angemessene Nutzungsbeschränkungen durch Gesetz zur Wehr setzen können soll 487 , so wird offenbar, daß diese Problemstellung des Vertrauensschutzes des Bürgers auf Aufrechterhaltung der bisherigen Rechtslage gegenüber dem Gesetzgeber allgemein durch das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Rückwirkungsverbot erfaßt wird. 488 Da durch eine gesetzliche Beschränkung in bereits bestehende Eigentumsrechtsverhältnisse für die Zukunft "eingegriflfen" wird, sind diese nach der Rechtsprechung des BVerfG zulässig, wenn das Vertrauen des Bürgers in die Aufrechterhaltung der bisherigen Rechtslage schwächer wiegt als das öffentliche Interesse an seine Anpassung489, wobei diese Voraussetzung im Regelfall vorliegen soll 4 9 0 Zur Sicherstellung der notwendigen Abwägung der Allgemeininteressen gegenüber dem Vertrauen des Eigentümers hätte es somit der zweifelhaften Konstruktion der Sozialpflichtigkeit durch den BGH nicht bedurft 4 9 1 Auch wenn das Gericht Art. 14 Abs. 2 GG als bloße Auffüllung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verstanden hätte, wäre diese Zielsetzung nach dem Stand der Dogmatik erreichbar gewesen.492 Der BGH wird diese Lehre u. a. wohl gewählt haben, um noch einmal zu betonen, daß Eigentumsbindungen durch Gesetz nicht den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG tangieren können, weil sie nur die Sozialpflichtigkeit, die

486

Vgl. auch die Verweisung von Seilmann, NJW 1965, S. 1689, 1694 Fn. 47 auf die Literatur aus den "Jahren 1933 ff." in diesem Zusammenhang. Trotzdem finden sich vereinzelt Befürworter der Rechtsfigur des allgemeinen Gewaltverhältnisses, ζ. B. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 99IV, Rdnr. 26; Merk, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 1598. 487

Vgl. zu dieser Zielsetzung anschaulich BGH, NJW 1980, S. 2705 mit der Bemerkung, aus den Satzungsermächtigungen in den Gemeindeordnungen zur Normierung eines Anschluß- und Benutzungszwangs ergebe sich die Pflichtigkeit, sich auf die Situation vor dem Erlaß einer entsprechenden Satzung nicht zu verlassen. 488

Vgl. dazu allgemein nur MxanzfDùùg-Herzog, Art. 20 GG (4. Aufl.), Rdnr. 27.

Art. 20 VII, Rdnr. 65 ff.; v. Münch/Schnapp,

489 Vgl. dazu v. Münch/Schnapp, Art. 20 GG (4. Aufl.), Rdnr. 27; M&unz/Dùùg-Herzog, VII GG, Rdnr. 70;Maurer, in HbStR, Bd. 3, § 60, Rdnr. 43. 490

Ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG, DVB1. 1988, S. 93,97.

491

Vgl. auch die Einschätzung von Bielenberg, DVB1. 1971, S. 441,448.

Art. 20

492 Daran ändert sich auch nichts, wenn man wie das BVerfG (E 31, 275, 293; 36, 281, 292 f.; 45, 142, 168; 53, 257, 309) mittlerweile diesen Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes in der Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG direkt ansiedelt (vgl. aber E 71, 230, 251, wo dieses Prinzip wiederum aus dem Rechtssicherheitsgebot abgeleitet wird).

I. Die Rechtsprechung des BGH

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bereits dem Eigentum innewohnt, nach außen hin konkretisieren. 493 Zum zweiten konnte er zur Auffüllung dieses Topos in jedem Einzelfall auf seine eigenen Wertvorstellungen zurückgreifen und war nicht nur darauf angewiesen, die mit den Gesetzen für ihren gesamten Anwendungsbereich verfolgten Ziele auf ihre Vertretbarkeit hin zu überprüfen, um dann ggf. eine Normenkontrolle anzustrengen.494

(c) Die Reichweite des gewählten Abgrenzungskriteriums

In der Grundsatzentscheidung zum Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk wurde die Sozialpflichtigkeit in Form der Situationsgebundenheit eines Grundstücks entwickelt, um das Verbot einer noch nicht verwirklichten Nutzungsart als Eigentumsbindung zu qualifizieren. Unproblematisch erscheint vor diesem Hintergrund die spätere Erstreckung dieses Kriteriums auch auf andere Schutzgüter des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, ζ. B. dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.495 Anders stellt sich die Entwicklung dar, wenn man nach der Intensität der Eigentumsbegrenzungen fragt, die sich als Konkretisierungen der bereits latent vorhandenen Pflichtigkeit des Art. 14 Abs. 2 GG rechtfertigen lassen. In der älteren Rechtsprechimg wurde die Pflichtigkeitskonstruktion herangezogen, um die Untersagung einer Nutzungserweiterung als bloße Eigentumsbindung zu klassifizieren, während eine Enteignung gegeben sein sollte, wenn "die von der Natur der Sache her gegebene und bisher stets ungestört ausgeübte Benutzungsart untersagt oder wesentlich eingeschränkt" werde. 496 In späteren Entscheidungen erfolgte insoweit eine Erweiterung der Regelungskompetenz des Gesetzgebers und auch der Verwaltung bei der Beschränkung im Einzelfall, als sowohl bereits verwirklichte Nutzungsarten beschränkbar sein sollten 497 , als auch umgekehrt in

493 Positiv zu diesem Aspekt Dittus, DVB1. 1957, S. 329, 330; kritisch dazu Lerche, DVB1. 1958, S. 524, 527 Fn. 39. 494 Vgl. als anschauliches Beispiel für die eigenständige Gewichtung der kollidierenden Rechtsgüter BGHZ 80,111,116 f.; ferner dazu Schulte, Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 14. 495

BGHZ 40, 355, 360, 365; 45,150, 155.

496

BGH, LM, Art. 14 (Cb) GrundG, Nr. 5, Bl. 2; Nr. 70, Bl. 2; Nr. 71, Bl. 2; LM, Art. 14 (Ce) GrundG, Nr. 25. 497

Vgl. BGHZ 48, 193, 197 f.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

noch nicht verwirklichte Nutzungen auch enteignend eingegriffen werden konnte.498 Uneinheitlich stellt sich auch die Auffassung des Gerichts dar, ob durch die vorgegebene Sozialpflichtigkeit auch eigentumsentziehende Maßnahmen gerechtfertigt werden können. In der Grundsatzentscheidung des BGH zur Wohnraumzwangsbewirtschaftung findet sich die These, daß der Gesetzgeber durch eine Eigentumsbegrenzung "nicht Eigentum entziehen oder übertragen" dürfe; dieses führe zur Nichtigkeit des entsprechenden Gesetzes bzw. bei dessen verwaltungsmäßigem Vollzug zu einem enteignungsgleichen Eingriff 499 Später hat der BGH zur Begründung ausgeführt, eine Eigentumsbegrenzung dürfe nicht zu einem dann entschädigungslosen Entzug einer Rechtsposition führen, weil ansonsten entgegen des Wortlauts des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG dieser Gegenstand innerhalb der Eigentumsfreiheit einer "totalen" Sozialbindung unterliege. 500 Vorweg sei zu dieser vom Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG nur im Wege eines Erst-recht-Schlusses ableitbaren These des BGH, das Gebot einer zumindest in Teilbereichen aufrecht zu erhaltenden Privatnützigkeit für den Eigentümer sei im Falle eines Vollrechtsentzugs verletzt 501 , angemerkt, daß sie von seinem eigentlich erfaßten Regelungsbereich (Zulässigkeit und Reichweite von Gebrauchsbeschränkungen) her hätte auch auf die Fälle einer Nutzungsuntersagung angewendet werden müssen. Wenn Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG Gebrauchsbeschränkungen zum Wohl der Allgemeinheit für zulässig 498

Vgl. BGH, NJW 1973, S. 623, 624; dens., DVB1. 1973, S. 627, 629; dens., DVB1. 1974, S. 232, 233; BGHZ 87, 66, 72. 499 BGHZ 6, 270, 278 f.; ebenso BGHZ 19, 209, 212; vgl. auch BGHZ 80, 111,115, wonach aus der Situationsgebundenheit eines Grundstücks lediglich Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen abgeleitet werden könnten, und dann die Einbeziehung existenzbedrohender oder -vernichtender Maßnahmen, also ein Totalentzug, ausdrücklich abgelehnt wird (BGHZ 80, 111, 116). 500 501

BGH, NJW 1978, S. 2290, 2293.

Wenn Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG schon eine totale Sozialbindung des Eigentums durch ein vollständiges Nutzungsverbot im Rahmen der Gestaltung der Eigentumsordnung verbietet, so muß dies erst recht für den Entzug der Rechtsposition gelten, der dem Eigentümer nicht nur die zukünftige Nutzung seines Gutes unmöglich macht, sondern darüber hinaus auch das Zuordnungsverhältnis zwischen ihm und seinem Gut aufhebt; vgl. dazu Turner, JZ 1968, S. 250, 252 m. w. N. in Fn. 31; femer Wilhelm, DÖV 1965, S. 397, 403 unter Hinweis auf rechtsphilosophischen Überlegungen Radbruchs in Fn. 41 und Krause, Eigentum an subjektiven öffentlichen Rechten, S. 22. Wenn dagegen Badura (in: Handbuch des Verfassungsrechts, S. 653, 673) den Begriff des Gebrauchs in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG auf den gesamten Inhalt des Rechtsverhältnisses zwischen Rechtinhaber, Gegenstand und Nichteigentümern ausdehnen will und damit auch entziehende Zugriffe, wenn sie nur zum verfolgten Gemeinwohlinteresse in einem angemessenen Verhältnis stehen, zuläßt, verläßt er unter der Prämisse, daß Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG nur Rechtspositionen schützt, den möglichen Wortsinn dieses Tatbestandsmerkmals als äußerste Grenze der Auslegung.

I. Die Rechtsprechung des BGH

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erachtet, bedeutet dies doch, daß Maßnahmen, die eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung eines Gutes für die Zukunft generell unmöglich machen und damit nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf seine Zerstörung in seinem Vermögenswert hinauslaufen, ohne es allerdings rechtlich zu entziehen, ebenfalls im Rahmen einer inhaltlichen Bindung unzulässig sein müßten.502 Eine solche naheliegende Schlußfolgerung hat das Gericht allerdings nicht gezogen. So wurden die vollständige Nutzungsuntersagung eigener Wassergewinnungsanlagen und die wirtschaftliche Zerstörung eines Gewerbebetriebs durch die infolge einer Entziehung der Betätigungsmöglichkeit bewirkte Zerschlagung des gesamten Kundenstamms noch als zulässige Inhaltsbestimmungen eingeordnet 503 , obwohl wirtschaftlich gesehen eigentumsfähige Positionen nicht nur in ihrem Vermögenswert gemindert, sondern zerstört wurden. 504 Dieser Grundaussage des Verbots totaler Sozialbindung eines Eigentumsgegenstands stehen auf den ersten Blick ferner die ebenfalls schon früh vertretenen Auffassungen zur Zulässigkeit eigentumsentziehender Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung stellen eigentumsrelevante gefahrenabwehrende Maßnahmen gegenüber dem störenden Eigentümer stets eine Zurückdrängung der faktischen Nutzung hinter die allgemeinen gesetzlichen Schranken dar. 505 Sofern diese ordnungsbehördlichen Maßnahmen insbesondere unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots rechtmäßig sind, könnten sie keine enteignende Wirkung entfalten, also keinen Eingriff in die Eigentumsfreiheit des Betroffenen bedeuten. Die ihr zugrunde liegende Ermächtigungsgrundlagen, somit als Grundtatbestand die polizeilichen Generalermächtigungen in den Polizeigesetzen der Länder seien nur inhaltsbegrenzender Natur. Diese These ist sicherlich zutreffend, sofern mit der durch eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage gedeckten ordnungsbehördlichen Maßnahme nur eine bereits durch ein anderes Gesetz oder auf Grund eines anderen Gesetzes vorhandene, bereits akut wirkende Nutzungs- oder Verfügungsbeschränkung gegenüber dem Eigentümer nur noch einmal "verstärkt" und schließlich

502 503

So bereits Schock, NJW 1954, S. 577, 579 mit Fn. 30, 580 mit Fn. 36. Vgl. BGHZ 40, 355, 361; NJW 1980, S. 2705; vgl. ferner BGHZ 54, 293, 295 ff.; 77, 179,

181 ff. 504 Vgl. zur Kritik Badura, DÖV 1964, S. 539, 540; OVG Lüneburg, DÖV 1978, S. 44, 45; gegen diese aber Scholler/Broß, DÖV 1978, S. 46, 47; in neuerer Zeit ferner Ossenbühl, Staatshaftungsrecht (4. Aufl.), S. 153; Erichsen, Jura 1986, S. 196, 201 mit einer Differenzierung zwischen geringund höherwertigen Gütern. 505

BGHZ 25, 144,151; LM, § 839 (Fg), Nr. 27, Bl. 5; BGHZ 45, 23, 25; 54, 293, 296 f.

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zwangsweise durchgesetzt wird. Problematisch ist die Aussage allerdings in ihrer Verallgemeinerung, da es zum einen keinen generellen Rechtssatz gibt, der dem Eigentümer eine nichtstörende Nutzung seines Eigentums gebietet506, und zum zweiten auch die Vernichtung einer Sache, also der Totalentzug des Betroffenen Eigentums nur eine Eigentumsbindung darstellen soll. 507 Zur Schließung der ersten Lücke zieht der BGH die Rechtsfigur der "Polizeipflichtigkeit", entwickelt als Spezialfall der allgemeinen Sozialpflichtigkeit 508 , heran. Danach ist der Eigentümer auch ohne konkrete gesetzliche Ge- oder Verbote mit der "Pflicht" (!) belastet, "sein Eigentum nicht 'polizeipflichtig' zu benutzen"509. Wenn diese Polizeipflichtigkeit einem vernünftigen Eigentümer gebiete, eine Sache zu vernichten, da mildere Mittel zur Abwehr der von dieser Sache ausgehenden Gefahr für ranghöhere Güter der Allgemeinheit nicht zur Verfügung stehen, ist auch das zwangsweise ordnungsbehördliche Einschreiten durch Erlaß einer entsprechenden Verfügung und ggf. deren Durchsetzimg im Wege der Vollstreckung nur eine Konkretisierung des an sich von vornherein gebotenen Verhaltens.510 Mit dieser Postulierung einer allgemeinen Polizeipflicht wird die polizeiliche Generalklausel in den verschiedenen Polizeigesetzen der Länder, die von ihrem eindeutigen Wortlaut her bloße Ermächtigungsgrundlagen für hoheitliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr mit den zuständigen Behörden als Normadressaten beinhalten, in eine gegen den Bürger gerichtete allgemeine, unmittelbar wirkende Verhaltensnorm umgedeutet.511512 Die Unvereinbarkeit dieser Umdeutung mit dem Rechtsstaatsprinzip ist bereits oben am Beispiel des Art. 14 Abs. 2 GG als

506 Man denke nur an die in den meisten Polizeigesetzen aufgenommene öffentliche Ordnung als Schutzgut, die sich gerade durch die fehlende Kodifizierung auszeichnen soll; vgl. dazu kritisch Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 93 ff. 507

Vgl. u. a. BGHZ 40,355,361, 369; 43,196,203; 45,22, 25; 54,293,297; 55, 366, 369.

508

Vgl. deutlich Wilhelm, DÖV 1965, S. 397, 404.

509 BGHZ 40, 355, 361; vgl. ferner die Definition in BGHZ 54, 293, 296: "Niemand darf durch sein Verhalten, den Zustand oder die Verwendung einer Sache oder die Ausübung eines Rechts die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören oder gefährden." 510

Kritisch zu diesem Ansatz bereits Lerche, DVB1. 1958, S. 524, 527 Fn. 40 mit dem Hinweis, es sei zwischen dem Entzug der störenden Sache als eigentumsrelevantem Eingriff und der damit erfolgten Zurückdrängung der Eigentümernutzung hinter das rechtlich erlaubte Maß als dem diesen Eingriff legitimierenden Zweck zu differenzieren. In Wahrheit habe daher der Eigentümer nicht sein Eigentum, wohl aber durch sein Verhalten die Entschädigung für den Entzug der Rechtsposition verwirkt. 511 Vgl. deutlich in diese Richtung Forsthoff, Verwaltungsrecht, Band I Allgemeiner Teil, S. 177; Drews/Wacke/Vogel/fcfartew, Gefahrenabwehr, Bd. 2, S. 172; Quaritsch, DVB1. 1959, S. 455, 457; Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 81. 512

Beachte dazu auch BVerfGE 6, 290, 295, wonach erst durch die einzelfallbezogene Vollziehung einer solchen Ermächtigungsgrundlage eine unmittelbare Grundrechtstangierung möglich ist.

I. Die Rechtsprechung des BGH

207

Sozialpflicht des Eigentümers dargetan worden: Eine unmittelbare Pflicht des Bürgers zur Beachtung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung als vage Generalklauseln würde gerade wegen der Wertungsbedürftigkeit des Merkmals der Ordnung dem Prinzip der Normenklarheit widersprechen. 513 Diese fehlende Normklarheit läßt sich auch nicht mit dem Appell an die Vernunft und Einsicht des Eigentümers überdecken. Schließlich wäre eine solche Umdeutung auch mit dem Prinzip der Gewaltenteilung nicht vereinbar, da der Gesetzgeber sehr wohl zwischen unmittelbaren Ge- oder Verbotsgesetzen und bloßen Ermächtigungsgrundlagen für behördliches Eingreifen zu unterscheiden weiß.514 Diese Widersprüchlichkeit der mit der Konstruktion der Polizeipflichtigkeit verbundenen Folgen soll anhand eines Beispiels aus dem Tierschutzgesetz515 aufgezeigt werden: Nach § 2 hat der Tierhalter für die artgerechte Tierhaltung zu sorgen. Durch die Spezialregelung der unverzüglichen Tötungspflicht eines bei Erwerb an nicht behebbaren Schmerzen leidenden Tieres in § 3 Nr. 2 wird zum Ausdruck gebracht, daß die artgerechte Tierhaltung keine allgemeine Rechtspflicht zur Tötung eines Tieres bei nicht behebbaren Schmerzen beinhaltet.516 Nach § 16 a Nr. 2 Satz 1 kann bei erheblichem Verstoß gegen die Halterpflichten nach § 2 das Tier bis zur Gewähr einer artgerechten Behandlung durch den Tierhalter anderweitig pfleglich untergebracht werden. Nach Satz 2 kann in einem solchen Fall darüberhinaus bei nicht behebbaren Schmerzen, Leiden oder Schäden die sofortige Tötung auf Kosten des Halters durch die Behörde veranlaßt werden. Nach Auffassung des BGH müßte diese ordnungsbehördliche Ermächtigungsgrundlage, die Gefahr für das Rechtsgut eines wirksamen Tierschutzes abzuwehren, in eine Pflicht des Halters, selbst für die Tötung zu sorgen, umgedeutet werden, wodurch der gegenteilige im Regelungsgefüge der §§ 2, 3 Nr. 2 zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzes mißachtet würde. 517

513 Vgl. dazu auch Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 477, wonach eine Verordnung zur Gefahrenabwehr, nach der Tiere so zu halten seien, "daß sie keine Gefährdung für andere darstellen", zu unbestimmt ist. 514

Vgl. auch BGH, DVB1. 1993, S. 430, 431, wonach Baudenkmäler auch vor Eintragung in eine konstitutive Denkmalliste bereits "im Hinblick auf die Situation des jeweiligen Grundstücks" mit einer "Pflicht zur Rücksichtnahme" belastet seien. Damit hebt das Gericht den dogmatischen Unterschied zwischen den verschiedenen Systemen der Unterschutzstellung faktisch auf. 515

Tierschutzgesetz in der Fassung vom 16. August 1986, BGBl. I, S. 1319.

516

Vgl. Lorz, Tierschutzgesetz, § 3, Rdnr. 22.

517 Vgl. femer als Beispiel für die fehlende Differenzierung zwischen unmittelbar rechtsgestaltenden Gesetzen und behördlichen Ermächtigungsgrundlagen Schwabe, JZ 1983, S. 273, 278 f. Dieser

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Zudem stellt die generelle Aussage, alle ordnungs- und sicherheitsrechtlichen Bestimmungen ohne Rücksicht auf die im Einzelfall vorgesehene Rechtsfolge konkretisierten immer nur die dem Eigentümer bereits latent auferlegten Schranken (die in Wahrheit dann schon akute Pflichten wären) und seien somit rechtsstaatlich unbedenklich518, mit der eingangs vorgestellten These des BGH, die Sozialpflichtigkeit rechtfertige nur Gebrauchsbeschränkungen, aber keinen Vollrechtsentzug, in einem nur mühsam "verschleierten" Widerspruch. 519 Ob dieses Problem der Rechtfertigung dieser gravierenden Maßnahmen innerhalb des Art. 14 GG auf anderem Wege ohne die Rechtsfigur der Sozialpflichtigkeit dogmatisch lösbar ist,wird zu untersuchen sein. Bei der Beurteilung der strafrechtlichen Konfiskation bietet der BGH wegen der unterschiedlichen Regelungsgehalte der in Frage stehenden Normen auch verschiedene Begründungsansätze: Zu unterscheiden sind zum einen repressive und präventive Einziehungen, wobei Belasteter zum zweiten ein beteiligter oder unbeteiligter Rechtsinhaber sein kann. Repressive Einziehungen gegenüber dem strafrechtlichen Beteiligten520 werden vom Gericht generell als Eigentumsbindungen eingeordnet. Zur Begründung verweist es zunächst auf die zur Zeit der Weimarer Republik herrschenden Auffassung, wonach trotz eines fehlenden ausdrücklichen Hinweises in Art. 153 WRV der eigentumsbegrenzende Charakter unbestritten gewesen sei.521 Den eigentlich entscheidenden Gesichtspunkt zur Rechtfertigung einer Vollrechtsentziehung ohne Entschädigung sieht es im Rechtsgedanken der Verwirkung. Die Eigentumsfreiheit setzt danach voraus, daß der Rechtsinhaber die durch den einfachen Gesetzgeber konkretisierte Sozialpflichtigkeit achtet und die ihm durch seine Rechte eingeräumte Befugnisse nicht zu gemeinschädlichen Zwecken mißbraucht. Der auf solche Mißbräuche reagierende Gesetzgeber konkretisiert durch entsprechende gesetzliche Einziehungsmöglichkeiten nur die auch der Eigentumsfreiheit immanente Schranke der

behauptet, eine Norm, die den Eigentümer zur Duldung von Realakten verpflichte, sei - dies "liegt nahe" - mit einer Ermächtigungsgrundlage für behördliche Einzelregelungen vergleichbar. 518 So ζ. B. auch die amtliche Begründung zum Tierschutzgesetz in BT-Drucks. 10/3158, S. 38 zur Regelung des § 16 a Nr. 2. 519

Besonders deutlich wird die Unvereinbarkeit dieser beiden Aussagen des BGH in Ζ 43, 196, 208, weil dort ein Vollrechtsentzug auf Grund einer "nahen Berührung (!) mit einem polizeiwidrigen Zustand" als "Übergangsgebiet zwischen entschädigungspflichtiger Enteignung und entschädigungsloser zulässiger Regelung des Inhalts und der Grenzen des Eigentums" behandelt wird. 520

Ζ. B. nach §§ 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB, 22 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, 55 LMBG, 375 Abs. 2 AO.

521

BGHZ 27, 382, 384.

I. Die Rechtsprechung des BGH

209

Verwirkung und wird somit nur inhaltsbegrenzend tätig. 522 Ob diese Argumentation unter dem Gesichtspunkt der ausdrücklichen Verwirkungsklausel in Art. 18 GG haltbar ist, ob dieser somit als abschließende Regelung im Bereich der Grundrechtsausübung letztlich eine Eingriffsbeschränkung unter Ausschluß einer grundrechtsimmanenten Schranke der Verwirkung auf die dort tatbestandlich genannten Fälle und Verfahren oder eine zusätzliche Eingriffsermächtigung zulasten der Grundrechte darstellt 523, braucht hier nicht entschieden zu werden, da das Gericht auf die Rechtsfigur der Sozialpflichtigkeit wegen der im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht ausdrücklich normierten Verhaltensgebote nur mittelbar zurückgegriffen hat. 524 Der rechtfertigende Gedanke der Verwirkung schlägt bei repressiven Einziehungen beteiligtenfremder Gegenstände in die Forderung um, auch der nicht beteiligte Rechtsinhaber müsse die gemeinschädliche Nutzung des einzuziehenden Gegenstands schuldhaft verursacht haben, ansonsten habe die staatliche Maßnahme enteignenden Charakter. 525 Präventive Einziehungen526 dienen der zukünftigen Verhinderung eines gemeinschädlichen Mißbrauchs, sind daher eigentlich Maßnahmen zur Gefahrenabwehr. Konsequenterweise knüpft der BGH bei der Einordnung als Eigentumsbindungen an die Frage an, ob es sich um störendes Eigentum handelt.527 Geht die Gefahr eines gemeinschädlichen Mißbrauchs vom Eigentum selbst oder seinem Rechtsinhaber aus, so stellt der Vollrechtsentzug nur eine Zurückdrängung hinter das der Eigentumsfreiheit innewohnende Mißbrauchsverbot dar. 528 Beruht die Mißbrauchsgefahr dagegen auf dem Verhalten eines Dritten, so daß die Vollrechtsentziehung einen Unbeteiligten treffen würde, so ist deren Beseitigung nur gegen angemessene Entschädigung zulässig.529 Der diesen Überlegungen zugrunde liegende Gedanke der Sicherung der Rechtsordnung vor zukünftigem gemeinschädlichen Gebrauch von Eigentum läßt wie 522

BGHZ 27, 382, 388 unter Hinweis auf Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 367.

523

Vgl. zu diesem Streit v. Münch/Matthey, Art. 18 GG (3. Aufl.), Rdnr. 33; Maunz/Dürig-Dfir/g, Art. 18 GG, Rdnr. 88fif. Der BGH hat bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines strafrechtlichen Berufsverbots sich zur zweiten Lösungsalternative bekannt; vgl. BGHSt 17, 38, 42; dazu kritisch Copie, JZ 1963, S. 494. 524 Vgl. zu diesem Argumentationsgang der Sühne nach erfolgtem Mißbrauch Kröner, NJW 1959, S. 81, 82. 525

BGHZ 27, 382, 385 f.; vgl. auch §§ 74 a StGB, 23 OWiG.

526

Ζ. B. nach §§ 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB, 22. Abs. 2 Nr. 2 OWiG.

527

BGHZ 27, 382, 386.

528

BGHZ 27, 382, 388.

529

BGHZ 27,69,71 f.; vgl. auch die Regelungen in §§ 74 f. StGB, 28 OWiG.

14 Eschenbach

210

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

bei der zuvor angesprochenen polizeirechtlichen Einziehung die Frage offen, warum Art. 14 Abs. 2 GG als gemeinsamer Anknüpfungspunkt auch einen Vollrechtsentzug zu rechtfertigen vermag. 530

bb) Die Kritik der Literatur am Topos der Sozialpflichtigkeit (1) Zur Frage der Herleitung

In der Literatur herrschte zunächst Unsicherheit über den dogmatischen Ansatzpunkt, aus dem die Rechtsprechung den Topos der Sozialpflichtigkeit ableiten wollte. Manche Erklärungsversuche, so ζ. B. die Auffassung, bei der Pflichtigkeit handele es sich um eine auf dem Eigentum latent ruhende "Hypothek", die durch die gesetzliche Konkretisierung oder einen administrativen Vollzugsakt auf Grund eines Gesetzes nur "eingelöst" werde 531 , oder die Konstruktion eines "subsidiären Obereigentums der Allgemeinheit"532, sind denn auch mehr Umschreibungen als dogmatisch fundierte Analysen dieser Rechtsfigur. Während die überwiegende Meinung anfangs ohne Klärung dieser Frage unkritisch der Auffassung des BGH folgte 533 , setzten sich nach und nach kritische Stimmen durch, die die Pflichtigkeit als "juristisches Unding" 534 "aus dem juristischen Niemandsland"535 einstuften. 536

530

Vgl. oben die Ausführungen auf S. 204 mit Fn. 501.

531

So Dittos, DVB1. 1957, S. 329,330; Reiland, Verw. Arch. 66 (1975), S. 253,264.

532

So Reuß, DÖV 1957, S. 653, 659; ders., DVB1. 1965, S. 384, 386 unter Heranziehung der anglo-amerikanischen Rechtsauflfassung; gegen ihn Wilhelm, DÖV 1965, S. 397,404. 533

Vgl. aber auch ζ. B. Bender, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 26 ff.; Moench, NJW 1980, S. 1545, 1548; Kreft, in: FS für Hauß, S. 203, 209; Weyreuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, S. 39 ff.; Krumbiegel, Der Sonderopferbegriff in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, S. 40 ff. 534

Maunz/Dürig-Pap/er, Art. 14 GG, Rdnr. 326.

535

So als erster Schneider, DÖV 1965, S. 292, 294, wobei die Anmerkung der Schriftleitung auf S. 292 zu diesem Beitrag schon bemerkenswert ist. 536 Kritisch auch Bender, NJW 1965, S. 1297, 1301: "geistreiche juristische Erfindung"; Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, S. 93: "mystische Verdichtung der Pflichtigkeit zur Pflicht''; ebenso Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S.,137 m. w. N. in Fn. 155.

I. Die Rechtsprechung des BGH

211

(2) Zur Reichweite der Sozialpflichtigkeit

Die Erstreckung der aus der Sozialbindung legitimierten hoheitlichen Konkretisierungsmaßnahmen weg von den bloßen Nutzungsuntersagungen hin zur Ermächtigung von Bestandseinbußen bis hin zum Totalverlust konnte nach Teilen der Literatur wegen des eindeutigen Wortlauts des Art. 14 Abs. 2 GG, der lediglich Gebrauchsbeschränkungen erwähnt, nur verwundern. 537 Wenn man Substanzverluste im Rahmen einer Inhaltsbestimmimg für möglich hält, müsse man wenigstens Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG als entsprechendem Regelungsvorbehalt insoweit eigenständige Bedeutung zumessen, als dessen Ergänzung durch Art. 14 Abs. 2 GG nicht abschließend sei 538 und deshalb auch als Ermächtigung für substanzmindernde Gesetze dienen könne. Aus Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG lassen sich diese Gesichtspunkte aber nicht ableiten.539

(3) Zu den Kriterien

der Sozialpflichtigkeit

Gegen die vom BGH entwickelten Wertungskriterien, mit denen sich im Einzelfall der Rechtszustand der latenten Pflichtigkeit feststellen lassen sollte, wurden in mehrerlei Hinsicht Einwände erhoben: An der Idealfigur des "vernünftigen Eigentümers" als Maßstab zur Bestimmung des Grades der Schutzwürdigkeit der betroffenen Eigentumsposition wurde die durch sie erfolgte Abkoppelung der Rechtsprechung vom einfachen Gesetz kritisiert. Der Appell an die Vernunft des Eigentümers sei schwer nachvollziehbar, da das Gericht keine einheitlichen Kriterien aufgestellt habe, wann eine getroffene Entscheidung unter dem Blickwinkel des Art. 14 Abs. 2 GG vernünftig sei.540 Stellt man für die Nachprüfung einer vernünftigen Entscheidimg allein wirtschaftliche Gesichtspunkte in den Vordergrund, wie dies Art. 14 Abs. 1 als wirtschaftliches Freiheitsgrundrecht nahelegen könnte, so

537

Vgl. zur Kritik die Nachweise auf S. 205 Fn. 504.

538

So ζ. B. Maunz/Dürig-Pap/er, Art. 14 GG, Rdnr. 286.

539

Vgl. auch Schneider, Verw. Arch. 58 (1967), S. 197, 214fif., 221, der die Sozialpflichtigkeitslehre des BGH als falsch ablehnt, weil nach seinem Verständnis vom Regelungsgetüge des Art.' 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 GG inhaltsbestimmende Gesetze nicht in die Substanz des Rechts schmälernd eingreifen und daher nur die Auferlegung von jeglichen Handlungs-, Duldungs- und Unterlassungspflichten erfassen könnten. 540

Vgl. dazu vertiefend Klaas/Hoepfner,

BB 1978, S. 1141 ff. I

14•

212

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

wäre derjenigen Entscheidungsalternative als günstiger der Vorzug einzuräumen, die eine Gewinnmaximierung bewirkt. In diesem Sinne entschied das Gericht, daß die wirtschaftliche Ausbeutung eines Kiesvorhabens selbst dann vernünftig sei, wenn dadurch die Grundwasserförderung einer angrenzenden Stadt gefährdet würde. 541 Auf der anderen Seite wurde dem Eigentümer eines "Buchendoms" unter Hinweis auf den "vernünftig wirtschaftlich denkenden Menschen" unter Berücksichtigung der faktischen Situation untersagt, seine unter Denkmalschutz stehenden Bäume zur Abholzung als einziger wirtschaftlich sinnvoller Nutzung zu verwerten 542, was wirtschaftlich gesehen einem Totalverlust gleichkommt und wegen der Schwere einen sehr sozial eingestellten Eigentümer voraussetzt. An die Stelle klarer voraussehbarer Schranken für die Eigentümerbefugnisse tritt in jedem Einzelfall ein vom Rechtsgefühl und den politischen Wertvorstellungen der Richter geprägtes Leitbild, an das der Eigentümer einfach "glauben muß" 543 . Letzlich sollte mit dieser Figur nur der gerichtlichen Abwägung zwischen Individual- und Gemeinwohlinteressen appellativ mehr Gewicht verliehen werden. In die gleiche Richtung zielt der Vorwurf, mit der Auffüllung der Sozialpflichtigkeit durch die verschiedensten faktischen und normativen Elemente im Einzelfall werde die gerichtliche Entscheidung über den Charakter einer hoheitlichen Maßnahme nicht mehr nachvollziehbar 544, zumal mit der Einführung eigener Bewertungsmaßstäbe neben oder anstelle des Gesetzes545 unsichere, diffus gesellschaftliche Anschauungen ohne einfachgesetzliche

541

BGHZ 60, 126,133; kritisch dazu Schmidt-Aßmann, DVB1. 1973, S. 633 f.

542

BGH, LM, Art. 14 GrundG, Nr. 60, Bl. 2.

543 Bender, NJW 1965, S. 1297, 1301; vgl. dazu auch kritisch Leisner, in: HbStR, Bd. 6, § 149, Rdnr. 159; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht (4. Aufl.), S. 147 f. m. w. N. in Fn. 37. 544 MaunzfDuùg-Papier, Art. 14 GG, Rdnr. 355: "Beliebigkeit"; Schulte, Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 14 zum faktischen individuellen künstlerischen Gehalt eines denkmalgeschützten Gebäudes in BGH, NJW 1979, S. 210, 211; besonders kritisch Schneider, DÖV 1965, S. 292; Schack, NJW 1963, S. 750, 752. Vgl. ferner die vorsichtige Einschätzung von Bielenberg, DVB1. 1971, S. 441, 442, wonach die von BGH und BVerwG entwickelten Kriterien zwar oft brauchbare Ergebnisse bei der Abgrenzung von Sozialbindung und Enteignung führten, diese aber nicht "wirklich geeignet (seien), im Einzelfall voraussehbare Ergebnisse aufzuzeigen." Positiv dagegen die Einschätzung bei Maunz, DÖV 1975, S. 1, 3 f., wonach es "bereits nicht wenig sei", die notwendige "Entscheidung (zwischen Sozialbindung und Enteignung) den beteiligten Interessenten (zu entziehen) und den unabhängigen Gerichten (zu übertragen)." 545

So stellt der BGH für die Einordnung einer Nutzungsbeschränkung als Eigentumsbindung nicht auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen, sondern auf faktische Nutzungsmöglichkeiten, "die Natur der Sache" ab, NJW 1973, S. 623, 624. Gegenteilig die Rechtsprechung dann nach der Naßauskiesungsentscheidung des BVerfG, vgl. BGHZ 87, 66, 77.

I. Die Rechtsprechung des BGH

213

Fixierung 546 normative Bedeutung erhalten. Damit aber wird der Charakter des Art. 14 Abs. 2 GG deutlich: Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG fordert einen zu schaffenden Ausgleich zwischen Allgemein- und Individualinteressen. Wie die Rechtsprechung richtig erkannt hat, können sich die Gewichtungen innerhalb der Abwägung durch den Wandel der gesellschaftlichen Anschauung ändern 547, was Art. 14 Abs. 2 GG durch seine Offenheit und relative Unbestimmheit auch berücksichtigt. Die notwendigen Anpassungen der Rechtsordnung an den gesellschaftlichen Wandel obliegen aber nicht der gesetzesanwendenden Jurisdiktion 548 ; im demokratischen System ist die Aufdeckung, die Gewichtung und die Umsetzung dererlei Strömungen in rechtlich verbindliche Befehle als politische Aufgabe der Gesetzgebung zugewiesen.549 Schon aus Art. 20 Abs. 1, 3 GG und nicht erst aus dem dieses Ergebnis stützenden Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ergibt sich, daß nur der einfache Gesetzgeber und nicht die Rechtsprechung für die Konkretisierung der Sozialpflichtigkeit als verfassungsrechtliche Richtschnur zuständig ist. 550 Indem die Rechtsprechung nicht nur die vom Gesetz getroffene Wertung auf den zu entscheidenden Einzelfall übertrug und ggf. diese Abwägung unter Heranziehung des Gewichts der Eigentumsfreiheit innerhalb des Wertesystems des Grundgesetzes im Wege der Normenkontrolle beanstandete, sondern unter Umständen contra legem eigene Wertungsmaßstäbe anlegte, maßte sie sich im Grunde als "politischer Richter" eine ihr nicht zustehende Kompetenz an. 551 Gerade der von einigen Autoren gepriesene Umstand, daß mit der Sozialpflichtigkeitskonstruktion wegen ihrer Flexibilität in der Praxis eine gute Abgrenzung zwischen Eigentumsbindung und Enteignung 546

Vgl. ζ. B. Bielenberg,, DVB1. 1971, S. 441, 448: "allgemeine Baugesinnung".

547

BGHZ 48, 193, 197.

548 Vgl. zu der Gefahr der Beschneidung des dem Gesetzgeber zugewiesenen Gestaltungsspielraums durch die Mißachtung seiner inhaltsbestimmenden Wertungen im Rahmen enteignender richterrechtlicher Tatbestände ζ. B. Stich, JuS 1961, S. 346, 348. Für die Zulässigkeit eines solchen Instituts eines "Enteignungsrechts" neben den auf Grund des Art. 14 Abs. 3 GG ergangenen Enteignungsgesetzen zur Abgrenzung der Sozialbindung von einer übermäßigen Begrenzung aber ζ. B. Starck, JuS 1977, S. 732, 737 f. Gegen diesen Rogozinski, JuS 1978, S. 385, 386 f. 549

Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 504 f.

550

Pointiert kann man daher sagen, daß entgegen der Ansicht Rogozinskis (JuS 1978, S. 385, 386) unter der Prämisse, daß von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ausschließlich Vermögenswerte Rechtspositionen erfaßt sind, der einfache Gesetzgeber nicht nur in erster Linie, sondern ausschließlich durch den Erlaß verfassungskonformer eigentumsrelevanter Bestimmungen den Schutzbereich dieses Grundrechts absteckt. 551 Vgl. Rogozinski, JuS 1978, S. 385, 386 f.; Sendler, DÖV 1974, S. 79, 81; Schock, NJW 1963, S. 750, 752; Seilmann, NJW 1965, S. 1689, 1694; Bender, NJW 1965, S. 1297, 1301; Gassner, NVwZ 1982, S. 165, 168.

214

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

mit billigen Ergebnissen im Einzelfall ermöglicht worden sei 552 , wobei sich ihre Rechtfertigung allein aus ihrer "denkökonomischen Praktikabilität" ergebe 553 , zeigt die Gefahr der Verselbständigung von juristischen Denkmodellen ohne verfassungsrechtlich gesicherten Hintergrund.

Π. Die Bestimmung der einbezogenen Schutzobjekte durch das BVerfG

Die Analyse der Schutzbereichsbestimmung durch den BGH hat eine angesichts der bis zur Naßauskiesungsentscheidung vorherrschenden allgemeinen Zustimmung doch erstaunliche Fülle von Widersprüchen ergeben. So stehen die Einführung der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" und der faktischen Situation in einem nicht auflösbaren Widerspruch zur These, nur die Rechtsordnung bestimme Gegenstand und Umfang der durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfaßten Schutzgüter. Der Vermögenswert einer entsprechenden Position wird nicht, wie es an sich Systematik und Zweck der Eigentumsfreiheit nahelegen würden, als der im Wirtschaftsverkehr ermittelte Tauschwert bestimmt, sondern im Fall der Konzession allein die wirtschaftliche Bedeutung für das berufliche Fortkommen ihres Inhabers als entscheidend angesehen. Rechtswidrig erlangte eigentumsfähige Positionen werden bereits gegenständlich ausgeklammert, so daß eine Überprüfung staatlich belastender Maßnahmen zum Entzug dieser Rechte anhand des Art. 14 GG nicht (mehr) möglich ist. Auch die Bestimmung der Reichweite der geschützten Rechte mit Hilfe der latent vorhandenen Sozialpflichtigkeit, hinter der sich im Grunde die subjektiven Wertungen des BGH verbergen, ist dogmatisch kaum haltbar. Im folgenden wird nur zunächst bezüglich der geschützten Eigentumsobjekte untersucht, ob das BVerfG die insoweit gleichlautende Ausgangsthese vom Verfassungseigentum als vermögenswerter Rechtsposition554 ein lückenloses, durch Auslegung der Eigentumsfreiheit gefestigtes Gerüst zur Schutzbereichsbestimmung geschaffen hat.

552 Angesichts der gravierenden Folgen für den Bürger erscheint dieser Hinweis wegen der damit verbundenen Rechtsunsicherheit und fehlenden Kalkulierbarkeit geradezu grotesk. 553 So Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 101 \ Bender, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 29, Meeker, NJW 1974, S. 447, 448; positiv auch Moench, NJW 1980, S. 1545, 1548 f.; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rdnr. 198. 554

Vgl. nur BVerfGE 24,367, 396; 28,119,142; 30, 292, 334; 53, 257, 290.

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

215

1. Beschränkung des Verfassungseigentums auf Rechtspositionen Nach Ansicht des BVerfG folgt aus der Tatsache, daß es keinen vorgegebenen und absoluten Begriff des Eigentums gibt, notwendigerweise, daß der gegenständliche und umfängliche Schutzbereich der Eigentumsfreiheit durch die Rechtsordnung konstitutiv geschaffen werden müsse.555 Neben diesem rechtslogischen Argument finden sich in älteren Entscheidungen auch Verweise auf die insofern gleichlautende herrschende Auffassung zu Art. 153 WRV, also im Ansatz eine historische Auslegung.556 Auch in den Fällen, in denen ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit unter ausdrücklichem Hinweis auf die fehlende normative Verfestigung des betroffenen Gutes abgelehnt wurde, fehlen weitergehende Ausführungen darüber, warum gesellschaftlich anerkannte Herrschaftsbeziehungen nicht ausreichend sein sollen.557 Auch in der Literatur wird die Frage, ob es ein dem gesetzlich ausgeformten Eigentum vorgelagertes faktisches Zuordnungsverhältnis gebe, das ebenfalls dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unterfalle, nur vereinzelt gestellt.558 Ähnlich der Terminologie des BGH wird der Gegenstand der Eigentumsfireiheit nicht mit einem einheitlichen Begriff definiert. Begriffe wie 'Vermögenswerte Güter" 559 , 'Vermögenswerte Rechte"560, 'Vermögenswerte Posi-

555

BVerfGE 20, 351, 355; 24, 367, 396; 31, 229, 240; 53, 257, 292; vgl. auch Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 13; dens., JuS 1983, S. 104,105. 556 Vgl. BVerfGE 1, 264, 277 zur Einbeziehung subjektiver öffentlicher Rechte; ebenso E 2, 380, 399 unter Heranziehung der Verfassungsmaterialien auf S. 400; 4, 7, 17 zur Einbeziehung des Vermögens und der Liquidität eines Gewerbebetriebs. 557 Vgl. BVerfGE 51, 193, 211 ff.: Zwar wird der Möglichkeit eines Winzers, sich bei der Etteketierung seiner Produkte werbewirksam eines Lagenamens zu bedienen, eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zugemessen, der die Rechtsordnung durch die im Weingesetz 1930 für anwendbar erklärten Vorschriften des UWG auch Rechnung getragen hätte, allerdings sei dieser Vorteil ein bloßer Rechtsreflex. 558 Vgl. Schwabe, NJW 1971, S. 913, 916, der die Frage offenläßt; Krüger, in: FS für Schack, S. 71, der faktisches "Eigentum" als Form der privaten Herrschaft für unvereinbar mit der "Einheitlichkeit und Einzigkeit von Staatsgewalt und Staatsmacht" hält; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 25 f. m. w. N. in Fn. 19., wonach die Zuordnung eines Gegenstands zu seinem Inhaber in einem Rechtsstaat durch die Rechtsordnung erfolgen müsse. Entgegen der Deutung von Schwabe, NJW 1971, S. 913, 916 Fn. 41 geht auch Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S. 200 ff. ohne weiteres von dem Postulat der rechtlichen Verfestigung aus, weil er Normen des öffentlichen Baurechts verfassungskonform als rechtsbegründend auslegen will, um den, Grundrechtsschutz durch Art. 14 GG auszulösen. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 483, 490 entnimmt einer systematischen Auslegung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG aus dem dort verankerten Regelungsauftrag an den Gesetzgeber, daß wirtschaftliche Güter ohne eine solche Fixierung nicht vom Eigentumsbegriff erfaßt seien. 559

Ζ. B. BVerfGE 53, 292, 334.

216

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

tion" 5 6 1 , "Vermögensrecht" 562, "vermögensrechtliche Rechtsposition"563 werden gleichberechtigt nebeneinander verwendet. Aus diesen Umschreibungen lassen sich über die Forderung nach rechtlicher Verfestigung hinaus keine weiteren beschränkenden Kriterien ableiten.564 Für den Grad der rechtlichen Verfestigung stellt das Gericht "rechtsformal" auf das Bestehen einer objektiven Norm 565 ab, die zum Schutze individueller Interessen566 entweder unmittelbar oder durch Zwischenschaltung eines Vollzugsaktes auf Dauer 567 Befugnisse an einzelne gegenüber anderen Rechtsgenossen oder der Allgemeinheit verleiht. 568 Erst mit der Entstehung des Rechts durch die Verwirklichung aller rechtsbegründenden Merkmale 569 genießt der Rechtsinhaber für die Zukunft die ihm durch die Eigentumsfireiheit garantierte Abwehrmöglichkeit gegenüber verfassungswidrigen staatlichen Maßnahmen.570 560

BVerfGE 14, 263, 276; 45, 142, 179.

561

BVerfGE 27, 326, 334.

562

BVerfGE 14, 263, 277.

563

BVerfGE 23, 85, 96.

564 A A Leisner, in: HbStR, Bd. 6, § 149, Rdnr. 3 Fn. 4, der unter Hinweis auf BVerfGE 20, 31, 34 behauptet, das Gericht verwende den Begriff der Rechtsposition "deutlich einschränkend gegenüber dem der 'Rechte'", dabei allerdings verkennt, daß in der zitierten Ehemaklerentscheidung die Betroffenheit einer Eigentumsposition nur mit dem Hinweis abgelehnt wird, eine solche sei zum Zeitpunkt der staatlichen Maßnahme noch nicht entstanden. 565

Vgl. deutlich zu den Problemen bei der Begründung einer konkreten Rechtsposition bei unklarer und lückenhafter Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen Begünstigtem und Belastetem BVerfGE 3, 288, 324, wo das Gericht das Bestehen eines "Restbestand(s) von Rechtsbeziehungen versorgungsähnlicher Art zum Deutschen Reich nach dem 8. Mai 1945" "mangels jeder (!) positiven Regelung" alsfraglich ansieht, dann aber unter Anwendung des "allgemeinen Rechtsgrundsatzes (...) von Treu und Glauben" diese Lücke zu schließen trachtet. Letztlich läßt das Gericht die Zulässigkeit dieses Vorgehens offen, indem es dem Gesetzgeber die Möglichkeit einräumt, nach dem Zusammenbruch zur Rechtssicherheit die Ansprüche konstitutiv neu zu ordnen. Vgl. zur Auffüllung des öffentlichen Rechts mit dem Rechtsgedanken des § 242 BGB als Legitimationsgrundlage zur Entziehung von öffentlich-rechtlichen Versorgungsansprüchen aus der Zeit vor 1945 BVerfGE 3, 58, 156, wo der Rechtsgedanke der arbeitsrechtlichen Lehre vom Betriebsrisiko entsprechend angewendet wird. 566 Vgl. demgegenüber BVerfGE 18, 392, 396, wo das Gericht zwischen Zuständigkeitsnormen, die einer Behörde oder einer öffentlichen Körperschaft staatliche Aufgaben zuordnen und in deren Folge den Zuständigen die Kompetenz zur Wahrnehmung dieser Aufgaben gegenüber dem Bürger erwächst, und subjektiv-öffentlichen Rechten gegenüber dem Staat als Verpflichtetem trennt. 567

Vgl. demgegenüber BVerfGE 22, 275, 277 zur Entziehung einer auf Widerruf verliehenen Be-

fugnis. 568

Vgl. BVerfGE 51, 193,211,212,217.

569

Vgl. BVerfGE 21, 101, 105, wonach das Fehlen der Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz der Qualifizierung der durch den Abschluß eines Grundstückskaufvertrags erlangte Position des Käufers als Eigentum entgegenstehe. 570 Vgl. weiter BVerfGE 3, 162, 182; 3, 288, 324; 20, 31, 34; 23, 85, 96; 28, 119, 142; 55, 114, 131 f. In auffalligem Widerspruch steht dazu die Passage in E 21, 73, 76 f., wo die Frage, ob Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG auch das Recht auf Eigentumserlangung schütze, oflfengelassen wird.

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

217

a) Abgrenzung der geschützten Positionen gegenüber Gewinnchancen, Zukunftshoffhungen, Erwartungen und faktischen Aussichten Mangels gesetzlicher Anerkennung sind Chancen und andere faktische Begünstigungen vom Eigentumsbegriff nicht erfaßt. 571 Erst wenn in einer Person sämtliche rechtsbegründenden Merkmale erfüllt sind, wandelt sich die bis dahin bestehende Hoffnung in ein geschütztes Recht um; gesetzliche Regelungen zum Erwerb oder zur erstmaligen Begründung eines Rechts sind daher beim zukünftigen Rechtsinhaber in keinem Fall an Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu messen.572 Vermögenswerte Güter, die ihr Inhaber ohne vollständige Erfüllung aller rechtsbegründenden Merkmale erlangt hat, werden vom Gericht konsequenterweise nur dann als Eigentum anerkannt, wenn sie von der Rechtsordnung bereits durch die Gewährung von Schutzansprüchen gegenüber Dritten und eigenen rechtlichen Nutzungsbefugnissen als hinreichend verfestigt akzeptiert sind.573 In dieses rechtsformale Verständnis fügt sich die offengelassene Fragestellung, ob die Innehabung einer unfertigen Erfindung bereits eine eigene Rechtsposition des Erfinders begründe 574, nicht ein. Ein

571

Vgl. BVerfGE 28, 119, 142; 30, 292, 334 f.

572

Vgl. nur BVerfGE 19, 202, 206; 21, 94, 105; 23, 85, 96; 54, 301, 341. In diesem Zusammenhang ist auf die zweifelhafte Äußerung von Maunz, BayVBl. 1981, S. 321, 323 zur Einordnung des geistigen Eigentums einzugehen. Nach seiner Auffassung ist die gesetzlichfixierte Verwertungsbefugnis nur dann Eigentum und keine bloße Chance, wenn auf Grund der tatsächlichen Nachfrage ein Absatz des Werks "über Null" erreicht wird. Damit verkennt der Autor allerdings, daß der Begriff der Chance in der Rechtsprechung nur den noch nicht erreichten Grad an rechtlicher Verfestigung beschreibt. Der Autor vermengt die Merkmale Rechtsposition und Vermögenswert miteinander. Vgl. zu seinen in dieser Richtung ebenfalls zweifelhaften Ausführungen unten die Ausführungen auf S. 247 Fn. 737. 573 So für das allgemeine Erfinderrecht als Vorstufe zum Recht am Patent BVerfGE 36, 281, 290 unter Hinweis auf die lange Rechtsprechungspraxis des RG (Ζ 29, 49, 51; 37, 41, 42 f.; 77, 81, 82; daneben auch in RGZ 28, 28, 30). Die Feststellung aber, daß die Rechtsordnung dem Erfinder die Berechtigung zur Verwertung seiner Leistung zugesprochen habe, ist allerdings gerade in Verbindung mit dem Hinweis auf die RG-Entscheidungspraxis unglücklich. Im Patentgesetz vor 1936 galt nicht das heute in § 3 PatG normierte Erfinderprinzip, sondern das Recht auf das Patent als Vorstufe zum Recht am Patent wurde dem ersten Anmelder zugewiesen (vgl. nur Weiss, in: Lindenmaier/Weiss, Das Patentgesetz, § 3 PatG, Rdnr. 1; Schulte, Patentgesetz, § 6 Rdnr. 1). Das RG billigte dennoch ungeachtet dieses gesetzlich normierten Anmeldergrundsatzes dem wirklichen Erfinder mit der Erwägung, das Patentgesetz enthalte keine abschließende Regelung, ein aus den "allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts" (RGZ 29, 49, 50 f.) abgeleitetes Erfinderrecht zu, wobei zur inhaltlichen Bestimmung auf Vorschriften des PatG zurückgegriffen wurde (vgl. RGZ 77, 81, 82 f.). Anders unter Betonung des gesetzlichen Anmeldergrundsatzes ζ. B. Jsay, Patentgesetz, Anh. zu §§ 1, 2, Anm. 2. Erst durch das PatG vom 5. Mai 1936 wurde die als unbillig empfundene Regelung (vgl. zu den vorgetragenen Bedenken Klauer/Möhring, Patentrechtskommentar, Band 1, § 3 PatG, Rdnr. 1) durch das Erfinderprinzip ersetzt und so nachträglich die Diskrepanz zwischen Rechtsprechung und gesetzlicher Ausgangslage beseitigt. 574

Vgl. BVerfGE 18, 85, 90, 93.

218

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

eigenständiges Erfinderrecht entsteht erst mit Fertigstellung der Erfindung 575 , eine unfertige Erfindung ist dagegen nur als Teil der Privatsphäre des Erfinders im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschützt.576 Angesichts der Strenge, mit der in anderen Entscheidungen die Prüfung einer Eigentumsberührung durch eine staatliche Maßnahme mit dem Hinweis, in der Person des Betroffenen sei noch kein konkretes subjektives Recht entstanden 577 , abgelehnt wurde, könnten die Erwägungen zur unfertigen Erfindung zumindest Anlaß zu Mißverständnissen geben. Angesichts der dogmatischen Schwierigkeiten der Rechtsprechung des BGH, mit Hilfe seiner wirtschaftlichen Betrachtungsweise die normativen Grenzen des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs zu bestimmen, erscheint eine gleichartige Untersuchung der Ergebnisse des BVerfG angebracht. Dabei sind allerdings drei Fragenkomplexe, die das Gericht bei jeder Prüfung einer möglichen Betroffenheit des Rechtsinhabers in verschiedener Ausführlichkeit anspricht, sorgfältig auseinanderzuhalten: Bereits im ersten Band nahm das Gericht ausführlich zur Einbeziehung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG Stellung. Es bejahte zunächst die Rechtsqualität dieser Position unter Hinweis auf die damals überwiegende Meinung, weil dem Gewerbetreibenden bezüglich der Sach- und Rechtsgesamtheit "Betrieb" von der Rechtsordnung die Befugnis zugesprochen werde, Störungen und Eingriffe von privaten Dritten und von der Allgemeinheit abzuwehren.578 Allein die Rechtsqualität reiche allerdings zur Begründung einer Eigentumsposition nicht aus, "denn das Grundgesetz wollte das Rechtsinstitut des Eigentums, so wie es das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen geformt haben, schützen. " 5 7 9 Die Gleichstellung des Gewerbebetriebs mit dem "reinen Sacheigentum" als der ersten einschränkenden Komponente wird durch die formale Verwertbarkeit im Rechtsverkehr "(durch Veräußerung, Verpachtung, Vererbimg)" 580 erreicht, die "gesellschaftlichen Anschauungen"

575

Vgl. Weiss, in: Lindenmaier/Weiss, § 3 PatG, Rdnr. \\ Klauer/Möhring,

576

Vgl. Schulte, Patentgesetz, § 6, Rdnr. 4.

577

Vgl. ζ. B. BVerfGE 23, 85, 96.

578

BVerfGE 1, 264, 277.

579

BVerfGE 1,264, 278.

580

§ 3 PatG, Rdnr. 8.

BVerfGE 1, 264, 277, besonders auch S. 278, wo u. a. wegen fehlender Verwertbarkeit die Eigentumsfähigkeit des "Bezirksschornsteinfegerbetriebs" abgelehnt wird.

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

219

durch das materielle Kriterium des geleisteten Arbeits- und Kapitaleinsatzes berücksichtigt.581 Von der Klärung der Frage, ob das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb prinzipiell vom Schutzbereich der Eigentumsfreiheit umfaßt ist 5 8 2 , ist weiterhin die Bestimmung der Reichweite des Schutzumfangs zu unterscheiden, zu der das Gericht zum ersten Mal im 8. Band Stellung genommen hat. Dort wurde die Minderung der Liquidität des Betriebsvermögens durch die Auferlegung einer Geldleistungspflicht nicht als eigentumsrelevant angesehen, weil diese Position kein "selbständiges Recht" darstelle 583 , was die Vermutung nahelegt, daß danach entgegen der Auffassung des BGH der Gewerbebetrieb nur als Zusammenfassung von ohne ihn selbständig erfaßten Rechtspositionen geschützt wird. 584 Im folgenden soll es zur näheren Erläuterung der Anforderungen, die das BVerfG an eine Vermögenswerte Position als eigentumsfähiges Recht stellt, nur darum gehen, seine Äußerungen über die ggf. ausreichende rechtliche Verfestigung der Rechts- und Sachgesamtheit "Gewerbebetrieb" dem Grunde und dem Umfang nach einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Gegen die prinzipielle Einordnung des Unternehmens als Recht wurden und werden auch in neuerer Zeit in der zivil- und verfassungsrechtlichen Literatur unter verschiedenen Gesichtspunkten Bedenken hergeleitet. Die zivilrechtlich Prüfung konzentriert sich dabei auf die Fragestellung, ob das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB sei. Gegen diese Annahme werden in erster Linie systematische und historisch-genetische Auslegungskriterien des § 823 Abs. 1 BGB ins Feld geführt. Der Begriff des "sonstigen Rechts" müsse im Kontext zu den übrigen Gütern der deliktischen Haftungsnorm gesehen werden: Da das Eigentum als einziges besonders genanntes Recht - die anderen Schutzpositionen sind nur Rechts- und Lebensgüter - zwangsläufig zur 581

BVerfGE 1, 264, 278.

582

Wenn Reinhardt, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 1, 40 Fn. 38 gegen diese Entscheidung des BVerfG einwendet, eine öffentlich-rechtlich verankerte Regelung für die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit könne an der Eigentumsfähigkeit des eingerichteten Gewerbebetriebs nichts ändern, so verkennt er, daß das Gericht allein wegen der fehlenden wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeit des Unternehmens selbst die Anwendung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG abgelehnt hat. 583 584

BVerfGE 4, 7, 17.

Α. A. bereits Ipsen, AöR 78 (1952/53), S. 284, 319; kritisch ders., AöR 91 (1966), S. 86, 92. Auch Wilhelm (DÖV 1965, S. 397, 399), wollte unter Hinweis auf BVerfGE 1, 264, 277 den good will als wesentlichen Bestandteil des Unternehmens mit in den Eigentumsschutz im Rahmen des Unternehmens einbeziehen.

220

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Konkretisierung des sonstigen Rechts herangezogen werden müsse, könnten nur solche Positionen erfaßt sein, die ebenfalls Abwehransprüche gegen Dritte und einen positiven Zuweisungsgehalt umfaßten. 585 Diese systematische Sichtweise werde durch die Gesetzesmaterialien bestätigt.586 Dem nach der Rechtsprechung ausgeformten Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb fehle es aber an einem entsprechenden Zuweisungsgehalt, da dem Inhaber nur die Befugnis verliehen werde, Störungen des Betriebsablaufs unter bestimmten Voraussetzungen abzuwehren.587 Würde man dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb einen solchen positiven Herrschaftsbereich zuordnen, der auf ein Recht zur gewerblichen Tätigkeit hinauslaufen müßte, würde dies der geltenden Wirtschaftsordnung, die einen ständigen Kampf um die nicht garantierten Verdienstchancen erfordere, zuwiderlaufen. 588 Desweiteren sei diese Position wegen ihrer fehlenden tatbestandlichen Schärfe, die wiederum eine besondere Abwägung der betroffenen Interessen im Einzelfall zur Ermittlung der Rechtswidrigkeit erforderlich mache, ein Fremdkörper innerhalb des Systems der vertypten Unrechtstatbestände in § 823 Abs. 1 BGB. 589 Ob diese zivilrechtliche Kritik der richterlichen Ausprägung des rechtlichen Unternehmensschutzes begründet ist, ob desweiteren die dort aufgeführten Kriterien für die Einordnung als sonstiges Recht in jedem Falle durch die herrschende Meinung als verbindlich angesehen werden können 590 , braucht 585

Vgl. zur Definition des Zuweisungsgehalts, der als Summe der positiven Nutzungs- und Verwertungsbefugnisse, die dem Inhaber einer Position durch die Rechtsordnung zugewiesen werden, aufzufassen ist, Larenz, Schuldrecht, Bd. 2, § 68 II (S. 532 f.) m. w. N.; Medi eus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 706 ff. 586

Vgl. nur Münchner Kommentar -Mertens, § 823 BGB, Rdnr. 101ff.; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 607; Larenz, Schuldrecht, Bd. 2, § 72 I (S. 603); Schnug, JA 1985, S. 440, 442 m. w. N.; zweifelnd Simdinger-Schäfer, § 823 BGB, Rdnr. 73. 587 Vgl. v. Caemmerer, in: FS zum 100jährigen Bestehen des DJT, Bd. 2, S. 49, 89; zustimmend Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allgemeine Grundlagen, Rdnr. 113; Larenz, Schuldrecht, Bd. 2, § 72 III b (S. 632), Fn. 7; Schnug, JA 1985, S. 440, 443. 588 BGHZ 77, 86, 98; Larenz, Schuldrecht, Bd. 2, § 72 III b (S. 632 f.); Schnug, JA 1985, S. 440, 442 m. w. N. inFn. 31. 589 So Schnug, JA 1985, S. 440, 443; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 614, der das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb für überflüssig hält, weil der angestrebte Schutz vor Verhaltensweisen Dritter über § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Verkehrssicherungspflichten erreichbar sei; ähnlich Münchner Kommentar-Mertens, § 823 BGB, Rdnr. 484; Larenz, Schuldrecht, Bd. 2, § 72 II b (S. 632); positiv dagegen Fikentscher, Schuldrecht, § 103 II 1 b (S. 734). 590 Problematisch erscheint danach z. B. das Erfordernis eines positiven Zuweisungsgehalts angesichts der Tatsache, daß der historische Gesetzgeber den Besitz als faktisches Herrschaftsverhältnis trotzdem den sonstigen Rechten zuordnete (vgl. Mugdan, Bd. 3, S. 61) und ihm die ältere Rechtsprechung des RG in dieser Einschätzung folgte (vgl. zum Wandel der Auffassungen Staudinger-Schäfer, § 823 BGB, Rdnr. 98 f.; Fikentscher, Schuldrecht, § 103 I 5 c; kritisch z. B. Medicus, Bürgerliches

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

221

im Rahmen der Frage, ob das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verfassungsrechtlich Eigentum i. S. d. Art. 14 GG darstellt, nicht nachgegangen werden, da die Kritik spezifisch deliktsrechtlich unter Heranziehung des § 823 Abs. 1 BGB argumentiert, somit auf die verfassungsrechtliche Problematik nicht übertragbar ist. 591 Auf der verfassungsrechtlichen Ebene wurden die zivilrechtlichen Bedenken, die in der Qualifizierung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als "beschränkte deliktische Generalklausel"592, "Fremdkörper" 593 , "Rahmenrecht"594, als bloße "Denkform" 595 mündeten, zur Stützung der These herangezogen, eine einheitliche Rechtsposition als Grundvoraussetzung für einen verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz läge nicht vor 5 9 6 , wobei allerdings dieses Ergebnis teilweise zum Anlaß genommen wird, das Erfordernis der rechtlichen Ausprägung im Rahmen einer funktionalen Begriffsbestimmung des Verfassungseigentums in Frage zu stellen.597 Für das BVerfG, das stets an dem formalen Erfordernis einer gesetzlichen Ausformung zur Bestimmung der geschützten Gegenstände und ihres Umfangs festgehalten hat 598 , stellten sich daher zwei verschiedene Probleme: zum einen, ob die richterrechtliche Herleitung dieser Position den Anforderungen einer gesetzlichen Fixierung generell genügt599, zum zweiten, ob die so geschaffene Recht, Rdnr. 607; Larenz, Schuldrecht, Bd. 2, § 72 I [S. 605], die nur den rechtmäßig erlangten Besitz, aufgefüllt um die sich aus dem ζ. B. durch Pacht-, Leih- oder Mietvertrag begründeten Recht zum Besitz ergebenden positiven Nutzungsbefugnisse als Zuweisungsgehalt, als sonstiges Recht anerkennen wollen, dabei allerdings sich mit dem Problem auseinandersetzen müssen, daß relative Herrschaflspositionen nach herrschender Meinung [vgl. nur Staudinger-Schäfer, § 823 BGB, Rdnr. 77 f.] nicht durch § 823 Abs. 1 BGB geschützt werden). 591

So schon Badura, AöR 98 (1973), S. 153, 155. Die Unterschiedlichkeit der Funktionen des § 823 Abs. 1 BGB und des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG läßt sich ζ. B. schon an der unterschiedlichen Behandlung vermögenswerter Forderungen nachweisen. 592 Münchner Kommentar-Merten, § 823 BGB, Rdnr. 484; ähnlich auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allgemeine Grundlagen, Rdnr. 126. 593

Larenz, Schuldrecht, Bd. 2, § 72 III b (S. 632).

594

Fikentscher,

595

H. Lehmann, zit. nach Fikentscher, Schuldrecht, § 103 II 1 (S. 734).

596

Vgl. Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 41, 42.

Schuldrecht, § 103 II 1 (S. 734).

597

Vgl. Stein, Die Wirtschaftsaufsicht, S. 162; Badura, AöR 98 (1973), S. 153, 155, wo die Qualität als Rechtsposition geleugnet wird, und S. 157, 163, wonach für die Gegenstandsbestimmung allein auf die Funktion des Art. 14 GG abzustellen sei; ferner Aicher, Grundfragen der Staatshaftung bei rechtmäßigen hoheitlichen Eigentumsbeeinträchtigungen, S. 342 f., 349. 598 599

Vgl. nur BVerfGE 58, 300, 330.

Vgl. insofern kritisch zu der Selbstverständlichkeit, mit der das BVerfG von der Einbeziehung dieser gewohnheitsrechtlichen Position in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit ausging, Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, S. 68 f.

222

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Position von ihrem Inhalt her als ein einheitliches Recht eingestuft werden kann. Während zunächst die bereits im ersten Band verfolgte Linie der prinzipiellen Anerkennung dieser richterrechtlich entwickelten Position600 fortgesetzt wurde 601 , schien sich mit der Entscheidung über das Weingesetz eine Wende zu vollziehen. Dort hatte das Gericht die Gelegenheit, sich grundlegend zu den Anforderungen an das Bestehen eines subjektiven Rechts zu äußern.602 Im weiteren Verlauf meldete es grundsätzliche Zweifel an der vom BGH mit seiner Ausstrahlungslehre entwickelten Rechtsfigur des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs an: "Es ist die Frage, ob der Gewerbebetrieb als solcher die konstituierenden Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs aufweist. Eigentumsrechtlich gesehen ist das Unternehmen die tatsächliche - nicht aber rechtliche - Zusammenfassung von Rechten und Sachgütern, die an sich schon vor verfassungswidrigen Eingriffen geschützt sind. Nach allgemeiner Auffassimg werden dagegen bloße Chancen und tatsächliche Gegebenheiten nicht dem geschützten Bestand zugerechnet. Ob gleichwohl ein zusätzlicher verfassungsrechtlicher Schutz des Gewerbebetriebs als solcher geboten ist, bedarf im vorliegenden Fall im Hinblick auf die vorstehenden

600 Ygj m T Geschichte dieser Entwicklung die umfassende Darstellung bei Fikentscher, Unternehmen in der Rechtsordnung, S. 261 ff.

in: Das

601 BVerfGE 13, 225, 229, wobei allerdings das Gericht die entsprechenden Passagen als Auffassung von "Rechtsprechung und Rechtslehre" im Konjunktiv formulierte; eindeutiger BVerfGE 10, 55, 59; 16, 147, 187, wo die Schutzfähigkeit des Gewerbebetriebs vorausgesetzt wurde. Die zweifelnde Formulierung in BVerfGE 17, 232, 247 f., ob "vielleicht" der werbende Betrieb der Apotheke Eigentumsschutz genieße, ist vor dem Hintergrund der Kontroverse in der Literatur bzgl. der Anerkennung der Konzession als vermögenswerter Rechtsposition (vgl. dazu bereits die Ausführungen auf S. 143 ff.) zu sehen, was auch aus den Formulierungen auf S. 249 deutlich wird. Vgl. femer BVerfGE 22, 380, 386, wo unter Zitierung der Entscheidung E 1, 264, 277; 13, 225, 229 diese Rechtsposition anerkannt wird. Entgegen Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 37 sind auch die Entscheidungen in E 30, 292, 335 und E 45, 272, 296 nicht als stillschweigende Absage zu deuten. Im ersten genannten Beschluß wird zunächst das "sachliche Substrat des eingerichteten Gewerbebetriebs" des "Eigentümers am Unternehmen" bei der Prüfung zugrundegelegt und dann unter dem Blickwinkel einer möglichen Überschneidung der Schutzbereiche von Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 Satz 1 GG fortgeführt: "Es kann dahingestellt bleiben, ob (auch) der Schutzbereich des Art. 14 berührt wäre, wenn die einem Unternehmen auferlegten Handlungspflichten so weit gingen, daß sie sich im wirtschaftlichen Ergebnis als Eingriff in die Substanz des Gewerbebetriebs darstellten." Im zweiten zitierten Beschluß geht es um die Eigentumsfähigkeit einerfreiberuflichen Anwaltspraxis, die nach Auffassung des Beschwerdeführers "ähnlich" wie ein Gewerbebetrieb zu behandeln sei (E 45, 272, 280; vgl. ferner die Wiedergabe der Auffassung der Bundesregierung auf S. 282), wobei aber zivilrechtlich die eingerichtete und ausgeübte Praxis noch nicht allgemein als sonstiges Recht anerkannt war (vgl. zu den damaligen Tendenzen in der Rechtsprechung, gewerbliche, landwirtschaftliche und freiberufliche Tätigkeiten in Teilbereichen gleichzustellen RGRK-Steffen, § 823 BGB, Rdnr. 38; Überblick femer bei Münchner Kommentar-Mertens, § 823 BGB, Rdnr. 491). 602

BVerfGE 51,193,211.

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

223

Erwägungen keiner abschließenden Entscheidung."603 In späteren Entscheidungen wurden diese Zweifel zum Teil nicht wiederholt, also von der Schutzfähigkeit dieser Position ausgegangen604, teilweise wird die Frage einer prinzipiellen Anerkennung auch offengelassen. 605 In der Literatur traf die Kehrtwende auf ein unterschiedliches Echo: Vereinzelt wurde der Wandel in der Rechtsprechung nicht zur Kenntnis genommen 606 , teilweise wurden die Bedenken kommentarlos mitgeteilt.607 Wendt schließlich deutet diese Entscheidung dahin, daß das BVerfG wegen der fehlenden gesetzlichen Ausformung dieser Position dessen Schutzwürdigkeit als Verfassungseigentum generell überdenken wollte. 608 Führt man sich allerdings die oben zitierte Passage im Zusammenhang mit den Äußerungen des Gerichts zum Gesetzesbegriff 609 und zur Zulässigkeit des sogenannten lückenfüllenden und gesetzeskonkretisierenden "Richterrechts" vor Augen 610 , so wird deutlich, daß mit der Offenlegung der Skepsis nicht etwa der Rechtscharakter des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs in Frage gestellt werden sollte; die übrigen verfassungseigentumskonstituierenden Merkmale, auf die im weiteren zurückzukommen sein wird, waren der Prüfstein, der dem Gericht zu denken gegeben hat. 611

603

BVerfGE 51,193,221 f.

604

Vgl. BVerfGE 54,301,341 unter Zitierung der E 13,225, 229; ferner E 58,300,353.

605

BVerfGE 68,193,222 f.; 77, 84,118; Beschluß vom 26.6.1991 - 1 BvR 779/85 - S. 20.

606

So Maunz/Dürig-Pdrp/er, Art. 14 GG, Rdnr. 96; ders., Jura 1981, S. 65, 68; Kreft, rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839, Rdnr. 63; Dörr, NJW 1988, S. 1049,1050.

Öffentlich-

607 Z. B. bei Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 14 Fn. 56; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rdnr. 76 mit Fn. 172 a. E.; Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 1001; Maunz, BayVBl. 1981, S. 321,323. 608

Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 45.

609

BVerfGE 8,71,79: "'Gesetz' in diesem Sinne ist allerdings jede Rechtsnorm (...)".

610 Vgl. BVerfGE 3, 225, 242; 25, 28, 40; 26, 327, 337 f.; 32, 54, 76 f.; 34, 269, 287 f.; 49, 304, 318; 65, 182, 190 ff.; 69, 315, 371; 71, 354, 362 ff.; zum hier nicht weiter zu verfolgenden Meinungsstand in der Literatur vgl. nur Ossenbühl, in: HbStR, Bd. 3, § 61, Rdnr. 35 ff.; Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, § 20IV 4 a (S. 800 f.). 611 So auch wohl die Deutung der Rechtsprechung bei Jarass, Art. 14 GG, Rdnr. 7, der auf die Differenzierung von Erworbenem und Erwerbsmöglichkeiten abstellt; Scholz, Entflechtung und Verfassung, S. 91; v. Münch/Bryde, Art. 14 GG (4. Aufl.), Rdnr. 18. Entgegen Ossenbühl, AöR 115 (1990), S. 1,28 Fn. 186; Staatshaftungsrecht (4. Aufl.), § 17 4 b (S. 136 Fn. 86) hat sich diese Fragestellung mit BVerfGE 77, 84, 118 nicht erledigt. Dort prüft das Gericht nur eine Eigentumsberührung nach Unterstellung eines verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ("Er würde jedenfalls nicht bloße [Umsatz- und Gewinn-]Chancen und tatsächliche Gegebenheiten umfassen [...]" [Hervorhebung vom Verfasser]). Auch in BVerfGE 81, 208, 228 macht das Gericht durch das Zitat der Entscheidung E 68, 193, 222 f. deutlich, daß es seine Zweifel aufrecht erhält; vgl. ferner BVerfG, DVB1. 1991, S. 1253.

224

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Der gegenständliche Umfang des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wird durch die in einem Unternehmen zusammengefaßten Sachen und Rechte, seine rechtliche Substanz, bestimmt.612 Durch die Ausklammerung der noch nicht rechtlich verfestigten Bestandteile des Betriebs, ζ. B. des Kundenstammes oder der Geschäftslage 613, vermeidet das Gericht auf den ersten Blick die erheblichen Schwierigkeiten des BGH, den aus wirtschaftlichen Erwägungen weit gezogenen Bereich des Unternehmens mit restriktiven Merkmalen auf einen Kernbestand zurückführen zu müssen.614 Vor diesem Hintergrund erscheinen allerdings einige Anmerkungen zur Umschreibung des gegenständlichen Bereichs problematisch, da verwirrend. 615 Auf den zweiten Blick wird deutlich, daß mit dieser Ausklammerung das Problem, ob Beschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten des Unternehmers eigentumsrelevant sein können, nur verschoben wird. Denn nur manchmal zieht das Gericht den nach seiner Prämisse konsequenten Schluß, daß bei hoheitlichen Maßnahmen, die sich auf die zukünftigen Verdienstmöglichkeiten negativ auswirken, die Eigentumsfreiheit des betroffenen Unternehmers mit der Folge unberührt bleibt, daß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Kontrollmaßstab gänzlich ausscheidet.616 In anderen Entscheidungen wird dagegen anerkannt, daß dererlei Regelungen sich (auch) als Nutzungsbeschränkungen

612 Vgl. außer der bereits erwähnten BVerfGE 4, 7, 17 ferner E 13, 225, 229; 30, 292, 335; 51, 193, 222; 58, 300, 353; 68, 193, 223; deutlich auch E 77, 84, 118, wo der erworbene Kundenstamm als faktische Gegebenheit bezeichnet wird. Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die Wiedergabe dieser Rechtsprechung bei Frotscher, JuS 1981, S. 890, 891, wo der Betrieb als Sach- und Rechtsgesamtheit mit Zitat der Entscheidung E 13, 225, 230 definiert wird, dann aber die Ausstrahlungen wie Geschäftsbeziehungen und good will ohne weiteres "angehängt" werden; ebenso Krämer, NJW 1977, S. 1426, 1430: Der good will sei ein "existenter, durch Art. 14 geschützter Wert (!)". 613 Vgl. aber dazu BVerfGE 10, 294, 299, wo die "geschäftlichen Beziehungen eines bestehenden Gewerbebetriebs" prinzipiell als eigentumsfähiger Bestandteil des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb anerkannt wurden, eine Eigentumsberührung im konkreten Fall nur wegen der konservierenden Funktion der Eigentumsfreiheit verneint wurde, da durch die hoheitliche Maßnahme eine Veränderung eines Gewerbebetriebs vereitelt worden war. Ferner BVerfGE 14, 77, 100 f., 105 zur Spielautomatensteuer, wonach die Auferlegung einer Geldleistungspflicht, die steuertechnisch an das Halten eines Spielautomaten anknüpft, "möglicherweise (als Berufsausübungsregelung) auch das Grundrecht des Eigentums" verletzen könne. 614

Vgl. zu diesem unterschiedlichen Ansatz Schmidt, NJW 1968, S. 791.

615

In BVerfGE 45, 142, 173 wird festgestellt, daß das Unternehmen mit seinen personellen und gegenständlichen Grundlagen unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG falle, und als Beleg dafür E 13, 225, 229 f. und BGHZ 23, 157, 163 (!) zitiert. Diese beiden Entscheidungen stehen allerdings in einem diametralen Gegensatz zueinander. Während die erste Entscheidung nur rechtlich verfestigte Bestandteile als schützenswert anerkennt, markiert die zweite gerade den vom BGH vollzogenen Wandel zur "Ausstrahlungsdogmatik". Eine ähnliche Umschreibung gebraucht BVerfGE 22, 380, 386, wiederum unter Hinweis auf E 13, 225,229. 616

BVerfGE 31, 8, 32; 39, 210, 237; 51, 193, 222; zweifelnd E 22, 380, 386.

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

225

gegenüber dem Unternehmer als Rechtsinhaber der im Betrieb zusammengefaßten Wirtschaftsgüter darstellen können und somit als Inhaltsbestimmungen i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu werten sind. 617 Die entscheidenden Schwachpunkte der Differenzierung zwischen "chancenregelnden" und "nutzungsbeschränkenden" Normen sind die fehlende Untermauerung der Prämisse, die Regelungsbereiche der Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG stünden in einem Exklusivitätverhältnis, und die fehlenden trennscharfen Differenzierungskriterien. Ohne die bei anderen Grundrechten allgemein anerkannte Möglichkeit einer Grundrechtskonkurrenz, also der parallelen Betroffenheit verschiedener Grundrechte in einer Person infolge einer einzigen hoheitlichen Maßnahme618 zu erörtern, stellt das Gericht die Schutzbereiche der Berufs- und der Eigentumsfreiheit grundsätzlich überschneidungslos nebeneinander. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sei objektbezogen, durch ihn werde nur das Erworbene, das Ergebnis der Betätigung geschützt, während von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG der Erwerb, ein Verhalten erfaßt werde. 619 Dann aber gibt das Gericht indirekt zu, daß diese theoretisch trennscharfe Unterscheidung sich nicht durchführen läßt, denn es stellt im weiteren auf den Schwerpunkt des Regelungsgehalts als berufsbezogener Handlungspflicht des Unternehmers oder Nutzungsbeschränkung für den Unternehmenseigentümer ab. 620 Zudem läßt es eine Ausnahme für eine derartige Berufsregelung zu, wenn diese "wirtschaftlich" gesehen von ihrer Schwere her das Substrat des Betriebs berühren würde. 621 Die generelle Leugnung der "Mitbetroffenheit" des jeweils anderen Grundrechts bedeutet hingegen im Ergebnis eine Schwächung des Grundrechtsschutzes und steht damit in Gegensatz zu der sonst vom Gericht vertretenen Auslegungsmaxime der größtmöglichen Effektivität. 622

617 Vgl. BVerfGE 10, 55, 58 f.; 13, 225, 229; 10, 55, 59; 16, 147, 187; 45, 142, 173; 45, 272, 296; zweifelnd E 17, 232, 248. 618 Vgl. nur v. Münch/v. Münch, Art. 1-19 Vorb. GG (4. Aufl.), Rdnr. 42ff.; Breuer, in: HbStR, Bd. 6, § 147, Rdnr. 96 ff; Lepa, Der Inhalt der Grundrechte, S. 24 f. m. w. N. 619 BVerfGE 30, 292, 334 f.; 38, 61, 102; 65, 237, 248; 77, 84,117; 81, 70, 96; zustimmend z. B. Dörr, NJW 1988, S. 1049, 1050. 620

BVerfGE 30, 292, 355 1. Absatz: "Greift (...) ein Akt der öffentlichen Gewalt eher in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit ein (...); begrenzt er mehr die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter (...)" (Hervorhebungen vom Verfasser); BVerfGE 31, 8, 32. 621

Offen gelassen in BVerfGE 30, 292, 355 2. Absatz; deutlich bejahender BVerfGE 38, 61, 102.

622

Vgl. zu diesem Grundsatz BVerfGE 6, 55, 72; 32, 51, 71; 39,1, 38; 43,154, 167.

15 Eschenbach

226

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Bemerkenswert zu diesem Fragenkomplex, inwieweit mitbetroffene Grundrechte ihre Schutzwirkungen gegenüber der hoheitlichen Gewalt entfalten können, ist die Stellungnahme des BVerfG über die dogmatische Zuordnung der Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zur Versammlungsfreiheit in Art. 8 Abs. 1 GG. Danach ist Art. 8 Abs. 1 GG, dessen Schutzbereich die kollektive Meinungsfreiheit umfaßt, grundsätzlich lex specialis zu Art. 5 Abs. 1 GG. 623 Man mag diese Einschätzung nicht teilen 624 ; entscheidend für die Frage der Effektivität des Grundrechtsschutzes ist aber, daß das BVerfG unter besonderer Berücksichtigung des Schutzzwecks des Art. 5 Abs. 1 GG dessen Rechtsgedanken - insbesondere dessen Schranken - ergänzend als Prüfungsmaßstab heranziehen will, um inhaltsbezogene hoheitliche Maßnahmen gegen kollektive Meinungsäußerungen verfassungsrechtlich kontrollieren zu können.625 Dieses Phänomen der Verstärkung des grundrechtlichen Schutzes eines durch die Mitberücksichtigung eines anderen, nicht unmittelbar einschlägigen Grundrechts ist nicht auf den eben beschriebenen Bereich beschränkt worden 626 , so daß es schon befremdlich ist, wenn gerade unter der Prämisse, Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG hätten eine völlig differierende Schutzrichtung, die speziellen Schutzmechanismen der jeweils "weniger" betroffenen Norm gänzlich unbeachtet bleiben sollen. Mit dieser Konstruktion lassen sich nicht allgemein Beschränkungen der Nutzungsbefugnisse bezüglich der im Gewerbebetrieb zusammengefaßten Betriebsmittel als bloße Minderung von Chancen und Erwartungen aus dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit ausscheiden. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist eben nicht nur vergangenheits- und objektbezogen, er schützt den Eigentümer auch vor ungerechtfertigten Beschneidungen seiner Handlungsmöglichkeiten.627

623 Vgl. BVerfGE 69,315, 343, 345; ferner E 77, 206, 248ff, wo trotz anderslautender Hinweise der Verfahrensbeteiligten (S. 216, 222,223, 227) keine Prüfung am Maßstab des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG vorgenommen wird. Vgl. femer zu dieser Auffassung Lepa, Der Inhalt der Grundrechte, Art. 8 GG, Rdnr. 3\Rüfher, in: FS BVerfG, Bd. 2, S. 453, 478; dens., Der Staat 7 (1968), S. 41, 47; weitere Nachweise zur Auffassung, Art. 8 Abs. 1 GG sei lex specialis bei Schmidt-Jortzig, in: HbStR, Bd. 6, § 141, Rdnr. 39 Fn. 94. 624 So Schmidt-Jortzig, rass, Art. 8 GG, Rdnr. 4.

HbS^R, Bd. 6, § 141, Rdnr. 39 Fn. 94 m. w. N. in Fn. 96; wohl auch Ja-

625 BVerfGE 69, 315, 343; im Ergebni? ebenfalls Kloepfer, Maunz/Dürig-tferzog, Art. 5 Abs. I, II GG, Rdnr. 39.

in: HbStR, Bd. 6, § 143, Rdnr. 72;

626 Vgl. z. B. die Auffüllung der Meinungsfreiheit durch den Rechtsgedanken des Art. 6 Abs. 1 1. Alt. GG in BVerfGE 42,234,236. 627 So im Ergebnis auch v. MünchIBryde, Art. 14 GG (3. Aufl.), Rdnr. 21; vgl. ferner zu der "Ergänzungsfunktion des Art. 14 Abs. 1 GG für die Berufsfreiheit des Unternehmers" Rüfner, DVB1. 1976, S. 689,690 m. w. N. in Fn. 10; deutlich auch Maunz/Dürig-ScAok, Art. 12 GG, Rdnr. 123 ff, 138 ff

i

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

227

Abgesehen von diesen dogmatischen Schwierigkeiten erweist sich die vom BVerfG getroffene Unterscheidung zwischen Handlungspflichten des Unternehmers und Beschränkungen der Befugnisse des Eigentümers des Unternehmens in der Praxis als kaum durchführbar. Zur Untermauerung dieser Behauptung sind zunächst alle Entscheidungen auszuklammern, bei denen mit Hilfe dieses Abgrenzungskriteriums die Auferlegung einer Steuer als eigentumsrelevante Maßnahme verneint wurde. 628 Nach Auffassung des Gerichts berühren Geldleistungspflichten die Eigentumsfreiheit außer bei erdrosselnder Wirkung nicht. 629 Begründet werden kann diese Ansicht mit der Wirkungsweise solcher Geldleistungspflichten, die in den konkreten Bestand an Rechtspositionen nicht immittelbar durch die Begründung einer Verbindlichkeit mindernd eingreifen. 630 Daß in solchen Fällen unter dieser Prämisse auch im Rahmen des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs kein Eigentumsbezug möglich ist, ist offensichtlich. 631 Die Zulässigkeit dieses in den Entscheidungen anklingenden Unmittelbarkeitserfordernisses zur Bestimmung eigentumsrelevanter Beschränkungen ist später bei der Frage des allgemeinen Vermögensschutzes zu diskutieren. Die angebliche Tauglichkeit der Abgrenzungsformel 632 zeigt sich erst in den Fällen, wo mit ihrer Hilfe Regelungen, die sich auf den Betriebsablauf des Unternehmens direkt auswirken, als bloß chancenregelnd eingestuft werden.633 Die Einordnung dieser Pflichten, den Betrieb nur in einer bestimmten 628

BVerfGE 31, 8,32; 38,61,102.

629

Vgl. nur BVerfGE 14, 221, 241; näheres zu der als widersprüchlich empfundenen These unten S. 235fif. Offener dagegen die Formulierung in BVerfGE 14, 76, 105, wonach die nach Auferlegung einer Steuerpflicht verminderte Rentabilität des genutzten Eigentumsobjekts für die mögliche Verletzung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als ausreichend anzusehen ist. 630

Vgl. dazu bereits die Ausführungen auf S. 122 f.

631

In BVerfGE 28,119,142 wird, auch ohne eine Abgrenzung zwischen berufs- und eigentumsberührenden Normen im Bereich des Steuerrechts vorzunehmen, auf diesen allgemeinen Grundsatz zurückgegriffen. Auch in BVerfGE 38, 61, 102 wird auf die fehlende Erdrosselungswirkung, bei der eine Steuernorm eigentumsrelevant werden soll, zur Ablehnung der Schutzbereichsberührung dieser Norm hilfsweise Bezug genommen und festgestellt, daß bei Erdrosselung der Steuerquelle auch eine an sich berufsregelnde Maßnahme die Eigentumsfreiheit des Betroffenen tangiert. 632 Vgl. dagegen Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, S. 77, die von einer strikten Trennbarkeit zwischen dem Erwerbsschutz und dem Schutz des Erworbenen ausgehen. 633 Ζ. B. BVerfGE 30, 292,335: Pflicht zur Lagerung von Erdöl; E 39, 210, 237: Verlust der Nutzungsmöglichkeit von Mühlen über eine bestimmte Vermahlungsmenge hinaus. Zur ersten Entscheidung kritisch Papien, in: Handbuch des Verfassungsrechts, S. 609,631 f., der eine Überschneidung der Schutzbereiche der Art. 12 Abs. 1 bzw. 14 Abs. 1 Satz 1 GG "im Einzelfall", insbesondere bei der Indienstnahme Gewerbetreibender annehmen will, dabei allerdings offenläßt, wann angesichts des Charakters der gewerblichen Tätigkeit, die maßgeblich auf dem Einsatz des im Betrieb gebündelten Kapitals beruht, eine solche Überschneidung nicht vorliegen soll.

15*

228

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Art und Weise nutzen zu dürfen, als "Inanspruchnahmen spezifischer Unternehmerfunktionen" 634 ist schon deshalb zweifelhaft, weil das Gericht an anderer Stelle bei der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses der Änderungskündigung und der Begrenzung der Mietzinshöhe bei laufenden Mietverhältnissen auf die ortübliche Vergleichsmiete nach § 1 Abs. 4 und § 3 Abs. 1 des Wohnraumkündigungsschutzgesetzes diese ähnlich gelagerten Handlungspflichten gegenüber dem Vermieter als eigentumsrelevant eingestuft hat, obwohl durch sie eigentlich nur die übermäßige Steigerung der Rentabilität des Wohnungseigentums verhindert werden soll und damit eine zukünftige Erwerbschance des Vermieters betroffen ist. 635 Der Vergleich mit der parallelen Problematik des Umfangs des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB, bei dem die Rechtsprechung erst von einem strikten Bestandsschutz ausging und später zwischen der geschützten unternehmerischen Betätigung innerhalb des bestehenden Unternehmens und der nicht erfaßten Unternehmertätigkeit als solcher 636 differenzierte, zeigt angesichts der in sich widersprüchlichen Ergebnisse: "Unternehmensbestand und Unternehmensführung lassen sich nicht sinnvoll trennen." 637

b) Erfassung von Rechtspositionen statt einzelner Berechtigungen

Eigentum als die rechtliche Zuordnung eines Vermögenswerten Gutes zu einem Rechtsträger 638 vermittelt seinem Inhaber die verschiedensten Ansprüche gegenüber einzelnen Privaten und der Allgemeinheit. Das BVerfG stand damit 634

BVerfGE 30, 292,335.

635

Vgl. BVerfGE 37, 132, 141.

636

Vgl. zu dieser Entwicklung Fikentscher, in: Das Unternehmen in der Rechtsordnung, S. 261fif., 276. 637 Fikentscher, Schuldrecht, § 103 II 1 b (S. 732 f.); vgl. femer zu dieser Rechtsprechung Staudinger-Schäfer, § 823 BGB, Rdnr. 156; Münchner Kommentar-A/erfew*, § 823 BGB, Rdnr. 488. Vgl. zu diesen Ausführungen auch Friehe, JuS 1981, S. 867, 869, der auf der einen Seite dem Kundenstamm als gesellschaftlich anerkannter Vermögensposition die Eigentumsfähigkeit abspricht, weil trotz des anerkannten Vermögenswerts es an einer rechtlichen Verfestigung fehle, und auf der anderen Seite die durch Subvention des Konkurrenten bewirkte Rentabilitätsminderung, sofern der Unternehmer durch Betriebsstillegung zu Eingriffen in die Substanz gezwungen werde, als eigentumsbegrenzende Nutzungsbeschränkung der im Betrieb zusammengefaßten Betriebsmittel einordnet. Ferner Krüger, DÖV 1977, S. 263, 264 und Leisner, NJW 1974, S. 478, 483, dens., JZ 1972, S. 33; dens., DVB1. 1989, S. 1025, 1029, der von dem Phänomen "Eigentümer als Beruf' spricht, um so die gegenseitige Wechselwirkung von Art. 14 und Art. 12 GG hervorzuheben. 638

Vgl. nur BVerfGE 20, 31, 34.

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

229

vor dem Problem, zu entscheiden, ob einem Vermögenswerten Anspruch bereits für sich gesehen der Charakter einer eigenständigen Rechtsposition zugesprochen war oder ob es sich dabei nur um einen unselbständigen Teil einer ihn umfassenden Rechtsstellung handelt. Die Konsequenz einer Entscheidung in der einen oder anderen Weise ist offensichtlich: Ordnet man einen Anspruch für sich dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu, so bedeutet seine gesetzliche Abschaffung für seinen Inhaber einen Totalentzug, der wegen der Bestandsgarantie der Eigentumsfreiheit nur unter sehr strengen Bedingungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit als zulässige Inhaltsbestimmung angesehen werden kann. 639 Im Rahmen eines umfassenden Eigentumsobjekts stellt sich dieselbe Maßnahme als Teilrechtsentzug dar, wobei das Zuordnungsverhältnis zum Restbestand unangetastet bliebe.640 Das BVerfG knüpft bei der Entscheidung dieser Fragestellung in konsequenter Fortentwicklung seiner formaljuristischen Sichtweise an den sich aus dem Gesetz ergebenden funktionalen Zusammenhang an. Ergibt eine Gesamtschau der jeweiligen Gesetzeslage, daß verschiedene Ansprüche als einzelne Elemente erst in ihrem "funktionalen Zusammenwirken zu einem Gesamtergebnis führen" 641 , handelt es sich um eine einheitlich zu beurteilende Rechtsposition. Daß diese formale Sichtweise zu erheblichen Schwierigkeiten führen kann, zeigt der in der Literatur ausgetragene Streit um die Frage, ob die Baufreiheit eine selbständige öffentlich-rechtliche Rechtsposition oder nur eine Art der Nutzungsbefugnisse des Grundeigentümers darstellt. Die Befürworter einer Abspaltung der Baufreiheit vom Grundeigentum642 argumentieren in erster Linie einfachgesetzlich mit dem Hinweis, die Bebaubarkeit des Grund und 639

Vgl. nur BVerfGE 42, 263, 295; 50, 290, 341; 52, 1,28; 53,1, 30.

640

Vgl. in diesem Zusammenhang besonders deutlich BVerfGE 58, 137, 144 f., wo unter Heranziehung des § 9 Hess. LPrG das Eigentum des Verlegers an den einzelnen hergestellten Druckwerken eines Titels zu einer neuen Rechtsposition "Druckwerk" als "Gesamtheit aller Druckstücke" mit der Konsequenz zusammengefaßt wird, daß der Totalentzug eines einzelnen Exemplars für die Gesamtheit nur inhaltsbestimmend sei. Diese Entscheidung ist wohl aber abzulehnen, weil durch die gesetzliche Auferlegung einer Naturalleistungspflicht als Gattungsschuld kaum auf eine funktionale Zusammenfassung der einzelnen Eigentumsvollrechte zu einer solchen Rechtsgesamtheit geschlossen werden kann. Vielmehr hätte die Zulässigkeit ausschließlich unter dem Blickwinkel der Substanzeinbuße vermögenstangierender Maßnahmen (vgl. dazu der nächste Abschnitt) und als Nutzungsbeschränkung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geprüft werden dürfen. Zur Kritik vorerst nur Kleinlein, DVB1. 1991, S. 365, 366 und am Maßstab des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Engel, AöR 118 (1993), S. 169, 175. 641 BVerfGE 58, 81, 109; dazu Blumenwitz, JuS 1988, S. 887, 889; 14, 288, 294; vgl. ferner E 11, 221, 227 ff.; 18, 121, 131 zum Mieterschutz. 642 V. Münch'Bryde, Art. 14 GG (4. Aufl.), Rdnr. 14;Jarass, Art. 14 GG, Rdnr. 16; Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 158 ff., 166 ff. m. w. N. auf S. 163 Fn. 263; Schulte, DVB1. 1979, S. 133, 140 ff.

230

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Bodens und damit der Anspruch des Bauherrn sei umfassend im öffentlichen Recht geregelt, so daß ein Rückgriff auf die privatrechtlichen Befugnisnormen nicht mehr möglich sei.643 Die Gegenansicht beruft sich demgegenüber u. a. auf die "gesellschaftlichen Anschauungen"644, indem sie auf die historische Entwicklung des Grundeigentums645 und die wirtschaftliche Bedeutung der Bebaubarkeit für den Wert eines Grundstücks abstellt.646 Letztendlich verdeutlicht dieses unterschiedliche methodische Vorgehen wiederum die Fragwürdigkeit der These, nur das gesetzlich ausgeformte Vermögenswerte Gut könne in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fallen. 647 Aber auch die Durchführung der Bestimmung der Rechtsposition als Zusammenfassung mehrerer Ansprüche wird vom BVerfG beim eingerichteten und ausgeübten Geweibebetrieb nicht konsequent durchgehalten. Wenn die unternehmerische Zusammenführung einzelner Gegenstände zu einem Betriebsorganismus richterrechtlich als Entstehungstatbestand anerkannt ist, geht es nicht an, den verfassungsrechtlichen Schutzumfang dieser neuen Gesamtposition ausschließlich als Summe der Schutzumfänge der einzelnen Gegenstände zu begreifen 648, da durch die rechtliche Zusammenfassung 649 eine eigenständige, rechtlich wie auch von ihrem Vermögenswert her über die Summe der einzelnen Gegenstände hinausgehende Position geschaffen wur-

643

Vgl. Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 169; v. MünchJBryde, Art. 14 GG (4. Aufl.), Rdnr. 14; so wohl auch Bielenberg, DVB1. 1971, S. 441,444. 644 Vgl. zu diesem Terminus BVerfGE 1, 264, 278; 2, 380, 402; 11, 64, 70; 14, 263, 278; 28, 119,142. 645

Maunz/Dürig-Pap/er, Art. 14 GG, Rdnr. 63; Leisner, in: HbStR, Bd. 6, § 149, Rdnr. 104; ebenfalls auf die "Lebenswirklichkeit" als einem tatsächlichen Maßstab stellt Sendler, DÖV 1974, S. 79, 83 ab, allerdings mit einem anderen Ergebnis. 646 Leisner, in: HbStR, Bd. 6, § 149, Rdnr. 104; ders., Eigentumsgarantie des Grundgesetzes im Wandel, S. 23. 647

Bemerkenswerterweise hat sich das BVerfG in E 35, 263, 276 mit den verschiedenen Auffassungen zur Baufreiheit nicht auseinandergesetzt. Zur gleichgelagerten Problematik einer nicht verwirklichten immissionsrechtlichen Genehmigung zusammenfassend Dolde, NVwZ 1986, S. 873, 874 Fn. 15. 648

So aber BVerfGE 51, 193, 222; 58, 300, 353; zustimmend z. B. Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, S. 58. 649 Entgegen BVerfGE 51, 193, 221 bedeutet die Tatsache, daß der Unternehmer durch das faktische Verhalten der Inbetriebnahme bzw. Fortführung das richterrechtlich entwickelte Tatbestandsmerkmal tatsächlich erfüllt, nicht, daß es sich nur um eine tatsächliche Zusammenfassung von Sachen und Rechten handelt. Vgl. zu den normativen Anforderungen an das faktische Verhalten bei der Einbringung eines Grundstücks in einen Gewerbebetrieb Aust, NJW 1972, S. 2072 f.

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

231

de. 650 Aus dem gleichen Grunde muß der generell formulierten Aussage, Auflagen gegenüber einem Unternehmen seien auch bei Reduzierung der Rentabilität auf Null immer zulässige Inhaltsbestimmungen651, widersprochen werden, da mit solchen Regelungen der Betriebsorganismus zerschlagen und auf die nicht mit ihm identischen Bestandteile zurückgeführt wird. 652

c) Einbeziehung des Vermögens in den Schutzbereich?

Die Rechtsprechung des BVerfG zur Eigentumsrelevanz von Geldleistungsund Naturalleistungspflichten 653 ist in der Literatur seit Beginn der siebziger Jahre einer zunehmenden Kritik ausgesetzt gewesen.654 Im wesentlichen konzentrierte sich diese Kritik in dem Vorwurf, das Gericht habe sich einem unauflöslichen Widerspruch ausgesetzt, wenn es auf der einen Seite formuliere, Art. 14 GG schütze nicht das Vermögen gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungspflichten, auf der anderen Seite aber bei übermäßiger Belastung sogar eine Verletzung der Eigentumsfreiheit annehme.655 Für die Frage der durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Rechtspositionen ist dieser Streit insoweit kritisch zu durchleuchten, als es um die Einbeziehung des

650 Vgl. Hoffmann, DVB1. 1969, S. 202 f.; Ipsen, AöR 91 (1966), S. 86, 91 f.; wohl auch Schwabe, DVB1. 1981, S. 386, 387, wo das florierende Unternehmen als Schutzgut bezeichnet wird. Aus diesem Grunde ist es auch unzulässig, die Verfassungsmäßigkeit einer die Unternehmenssphäre berührenden hoheitlichen Maßnahme allein deshalb zu bejahen, weil sie bezüglich des betroffenen Einzelgegenstands eine Inhaltsbestimmung darstellt; so ζ. B. BVerfGE 21, 150fif., wo Beschränkungen der Nutzungsmöglichkeiten von Betriebsgrundstücken nur unter dem Blickwinkel eines Eingriffs in das Grundeigentum geprüft wurden. 651

BVerfGE 16,147,187.

652

Auffällig am insofern zustimmenden Beitrag von Fröhler, Gew. Arch. 1972, S. 113, 118 ist, daß dieser den Gesichtspunkt der völligen Unrentabilität auf Grund einer Neuregelung bei der Wiedergabe der Rechtsprechung des BVerfG nicht berücksichtigt. 653 Einen umfassenden Überblick über die Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur bis zum Jahr 1966 vermitteltem, StuW 1966, Sp. 433 fif. 654 Vgl. nur die Literaturnachweise bei Leisner, in: HbStR, Bd. 6, § 149, Rdnr. 125 Fn. 249; Erdmann, DVB1. 1986, S. 659,661 Fn. 41; Friauf, DÖV 1980, S. 480, 486 Fn. 87. 655

Vgl. Friauf, DÖV 1980, S. 480,485 m. w. N. in Fn. 66; Jarass, Art. 14GG,Rdnr. U, Papier, Der Staat 11 (1972), S. 483, 485; dens., Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratiegebot, S. 47 Fn. 4; wohl auch Kimminich, JuS 1978, S. 217, 218; Wendt, NJW 1980, S. 2111, 2ÌÌ2; Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7, 15 f.; mit eigenem Lösungsvorschlag zur Klärung des Widerspruchs Selmer, VVDStRL 30 (1972), S. 184 f. (Aussprache); ders., AöR 101 (1976), S. 399, 428 f.; dem BVerfG zustimmend Kriele, VVDStRL 30 (1972), S. 160, 161 (Aussprache).

232

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Vermögens als Ganzes geht. Dabei können im wesentlichen zwei unterschiedliche Phasen der Rechtsprechungsentwicklung ausgemacht werden. 656

aa) Die generelle Ausklammerung des Vermögens als Ganzes

Die erste grundlegende Entscheidung über die Einbeziehung des Vermögens findet sich in der Investitionshilfeentscheidung vom 20. Juli 1954. Die Kernaussage zu diesem Problem lautet: "Die Rügen (eines Verstoßes gegen Art. 14 GG) sind jedoch unbegründet, denn das Investitionshilfegestz ordnet keinen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum der Beschwerdeführer an. Wenngleich der Umfang der durch Art. 14 GG geschützten Objekte in Schrifttum und Rechtsprechung umstritten ist, besteht doch Einmütigkeit darüber, daß Art. 14 GG nicht das Vermögen gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt. Solche Geldleistungspflichten, wie sie das Investitionshilfsgesetz vorsieht, berühren nicht die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes."657

Bereits diese Passage wurde in der Literatur als mehrdeutig bezeichnet, weil aus ihr nicht hervorginge, ob das Vermögen als Schutzgut oder nur die Auferlegung von Geldleistungspflichten als hoheitliche Maßnahme die Eigentumsfreiheit nicht berühre. 658 Aus dem Umfeld dieser Äußerung ergibt sich demgegenüber eindeutig, daß die erste Auslegungsalternative der Auffassung des Gerichts entspricht. Zum Zeitpunkt der Entscheidung war in Rechtsprechung und Literatur lediglich umstritten, in welchem Umfang öffentlich-rechtliche Positionen dem Grundrechtsschutz unterfallen sollten. An die Einbeziehung des Gesamtvermögens in den gegenständlichen Schutzbereich dachte zu diesem Zeitpunkt nicht einmal der BGH, der in seinem Grundsatzurteil des Großen Senats vom 656

SorichtigErdmann, DVB1. 1986, S. 659, 660 mit Fn. 25 gegen Friauf, DÖV 1980, S. 485.

657

BVerfGE 4, 7, 17; dem Gericht folgend BFH, BFHE 73, 387, 394; OVG Münster, AS 15 (1961), S. 182, 189 f. Wenn das BVerwG (E 6, 247, 266 ff.) dagegen aus dieser Entscheidung in Zusammenhang mit BVerfGE 1, 264, 277 die Auffassung ableitet, das BVerfG habe ein Verbot der sog. Erdrosselungssteuer aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gefolgert, so entbehrt dies jeglicher Grundlage, weil das Gericht in der Bezirksschornsteinfegermeister-Entscheidung sich nur über die Einbeziehung des Rechts am eingereichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in den gegenständlichen Schutzbereich geäußert hat. 658

Fn. 6.

Vgl. Friauf,

DÖV 1980, S. 480, 484; Papier, Der Staat 11 (1972), S. 483, 484 m. w. N. in

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

233

10. Juni 1952 mit der Anerkennung aller Vermögenswerten Güter die extremste Auffassung vertrat. 659 Die durch diesen Beschluß ausgelöste Diskussion berührte daher nicht die Frage, ob auch das Vermögen neben den in ihm enthaltenen einzelnen Objekten eigentumsfahig sei. 660 In der damaligen Literatur wurde der Schutz des Vermögens als eigenständigem Schutzgegenstand wegen seiner Vagheit auf Grund der fehlenden rechtlichen Ausgestaltung abgelehnt.661 Selbst soweit Steuergesetze unter dem Gesichtspunkt einer Schutzbereichstangierung der individuellen Eigentumsfreiheit geprüft wurden, wurde als Anknüpfungspunkt "das ergriffene Stück Eigentum"662 gewählt.663 Allerdings gab es in der frühen fachgerichtlichen Rechtsprechimg und in Teilen der Literatur, geprägt von dem aus der Anwendung des Art. 153 WRV überkommenen Verständnis der allein notwendigen Einordnung einer eigentumsrelevanten Maßnahme als Inhaltsbestimmung oder Enteignung, die Tendenz, sich ohne weiteres bei der Beurteilung von Abgabenormen auf die Verneinung einer Entschädigungspflicht zu konzentrieren und eher beiläufig die Konsequenz einer zulässigen Inhaltsbestimmung der Eigentumsordnung als Rechtsinstitut anzunehmen, ohne vorher hinterfragt zu haben, ob denn eine konkrete Rechtsposition betroffen sei. 664 Auch das BVerfG hatte sich bereits vorher zur

659 BGHZ 6, 270, 278: Bemerkenswerterweise wird dort von der Schutzwürdigkeit des gesamten Vermögens auf die Erfassung aller Vermögenswerten Rechte geschlossen. Unrichtig insofern die Zitierung dieser Passage bei Papier, AöR 98 (1973), S. 528, 529 Fn. 4. 660 Vgl. z. B. Stödten DÖV 1953, S. 97, 98; Haas, MDR 1952, S. 648, 650; Düng, JZ 1954, S. 4, 5, 9. 661 Schumacher, NJW 1951, S. 53, 56; Weber, NJW 1950, S. 401, 402. Auch Ipsen, WDStRL 10 (1952), S. 74, 86;Ridder, WDStRL 10 (1952), S. 124, 136; Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63, 68, 121; ders., WDStRL 10 (1952) S. 160 (Aussprache); v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 14, Anm. 2 gehen von der Notwendigkeit rechtlicher Fixierung aus. 662

So bildhaft Hedemann, BB 1951, S. 961,963.

663

Hamb. OVG, KStZ 1957, S. 70, 75 f. zur Unzulässigkeit einer Steuer wegen Erdrosselung, deren Tatbestand an den Betrieb eines Gewerbebetriebs als konkreter Rechtsposition anknüpft; Diester, Enteignung und Entschädigung nach altem und neuem Recht, S. 139 zur Enteignung des Arbeitsverdienstes durch eine die Arbeitsleistung erfassende Abgabe; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 21 f. zur Eigentumsfähigkeit von Geld und geldgleichen Vermögensrechten; ähnlich Wache, Staatsrechtliche Prüfung der Zusatzsteuer, Kritische Untersuchung zu § 8 UStG, S. 48. Ferner Forsthoff, WDStRL 14 (1956), S. 84 f. (Aussprache), der zwischen Steuern, die dem konkreten Vermögen steuertechnisch zugeordnet werden können, und anderen, die ohne Bezug auf das Vermögen das Sozialprodukt erfassen, trennt. Auch Ipsen, AöR 78 (1952/53), S. 284, 318 stellt für die Beurteilung der Investitionshilfeabgabe nicht auf eine Minderung des Vermögens ab, sondern begreift die Liquidität des Betroffenen als eigenständige Rechtsposition. 664

Vgl. ζ. B. Bad. StGH, Verw. Rspr. 3 (1951), S. 1, 5; BFH, BStBl. 1952, S. 140 f.; dens., BStBl. 1958, III, S. 427 f.; BVerwGE 6, 247, 266fif.; bestätigt durch BVerwG, BayVBl. 1959, S. 24 f. zur Frage des Eingriffs in den Wesensgehalt des Rechtsinstituts Eigentumsordnung durch eine sog. Erdrosselungssteuer; Grimm, Besteuerung und Grundgesetz, S. 22; Weber, WDStRL 14 (1956), S. 81fif. (Aussprache); Paulick, Ztschr. für die gesamte Staatswissenschaft 109 (1953), S. 483, 492.

234

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

in der Weimarer Zeit herrschenden Auffassung, nur private Vermögensrechte seien Eigentumsgegenstände, zustimmend geäußert665 und die Eigentumsrelevanz einer öffentlich-rechtlich fixierten Abgabepflicht erst gar nicht geprüft. 666 Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß das Gericht im nächsten Absatz des angeblich mißverständlichen Urteils der Minderung der Liquidität nach Erfüllung der Geldleistungspflicht den Charakter eines Rechts abspricht und mit dieser Begründung die Prüfung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gänzlich ablehnt. 667 Schließlich kommt der Wille des Gerichts auch deutlich im Leitsatz 4 dieser Entscheidung zum Ausdruck, wo es lapidar heißt: "Art. 14 GG schützt nicht das Vermögen als solches."668 Während diese rigorose Auffassung in den nächsten Entscheidungen zustimmend vom Gericht übernommen wurde 669 , schien sich durch die Abschwächung dieser These auf einen bloßen Grundsatz670 und schließlich durch den ergänzenden Zusatz, ein Verstoß gegen Art. 14 GG sei denkbar, "wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen" 671, eine Wende hin zur Einbeziehung auch des Vermögens anzubahnen.

665

BVerfGE 1,264, 277.

666

BVerfGE 2, 237, 259, 261, wo allein auf die dingliche Sicherung dieser Abgabe durch eine Belastung des Grundeigentums als Eigentumsbeschränkung dieser Rechtsposition als eigentumsrelevante Maßnahme abgestellt wird 667

BVerfGE 4,7,17.

668

BVerfGE 4,7, 8; deshalb auch von Meessen zur Untermauerung seiner gleichlautenden Auffassung anstatt der Formulierungen auf S. 17 in BB 1971, S. 928,930 zitiert 669

Vgl. BVerfGE 6, 290,298; 8, 274, 330; 10, 354, 371: "allgemein anerkannt", allerdings unter Zitierung von E 10, 89,116 (zu ihr siehe weiteres im Text); 11,105,126. 670 671

BVerfGE 10, 89,116.

BVerfGE 19,119, 129, wobei als Beleg für die Aufweichung dieser Ansicht auf einen ausnahmefähigen Grundsatz ausgerechnet auf die strikten Formulierungen der auf S. 234 Fn. 668 f. aufgeführten Entscheidungen verwiesen wurde. In diese nunmehr eingeschlagene Richtung des BVerfG deuteten auch seinefrüheren Entscheidungen E 14, 76, 105, in der die Verletzung der Eigentumsfreiheit durch Auferlegung der Automatensteuer als möglich bezeichnet wird, und E 14,221,241.

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

235

bb) Kehrtwende der Rechtsprechung durch die Einfuhrung der Übermaßformel?

Die Einführung der Übermaßformel als Zusatz zur bis dahin vertretenen Kernaussage, das Vermögen als solches sei von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht erfaßt, hat zu erheblichen Verunsicherungen in der Literatur über die dogmatischen Zusammenhänge innerhalb der Eigentumsfreiheit geführt. Dies mag der Umstand verdeutlichen, daß diese Rechtsprechung teilweise zur Unterstützung der These herangezogen wurde, das Vermögen sei mittlerweile doch als selbständiges Schutzobjekt anzusehen.672 Andere Autoren deuteten diese erweiternde Aussage in genau entgegengesetzter Weise und lehnten die Einbeziehung des Vermögens generell ab. 673 Auch die Art und Weise der Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung differiert erheblich: Einige Autoren nehmen die von ihnen erkannte Widersprüchlichkeit als gegeben hin. 674 Andere messen dieser Aussage wegen der mit ihr verbundenen Unklarheiten offensichtlich keinen dogmatischen Wert zu. 675 Eine dritte Gruppe versucht schließlich, den entdeckten Widerspruch einer möglichen Grundrechtsverletzung ohne Schutzbereichstangierung durch eigene Argumentationen aufzulösen. 676 Insgesamt dürften die Befürworter der prinzipiellen Ein-

67 2

Kimminich, JuS 1978, S. 217, 218 letzter Absatz. Interessanterweise wird der dortige Auslegungsansatz von Frotscher, JuS 1981, S. 890, 891 als zur Rechtsprechung abweichende Lösung des Problems angesehen. Vgl. ferner v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), S. 286, 299 Fn. 51 m. w. N.; Leisner, in: HbStR, Bd. 6, § 149, Rdnr. 126 f. 67 3

Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 48; Erdmann, DVB1. 1986, S. 659, 661; Ramsauer y Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 134 unter Zitierung aller Entscheidungen des BVerfG zu diesem Thema in Fn. 23. 674 So ζ. B. Lepa, Der Inhalt der Grundrechte, Art. 14, Rdnr. 16; von der Heydte, in: FS für Paulick, S. 267, 271 ff.; Schmidt-Bleibtreu/Schäfer, DÖV 1980, S. 489, 490; Schmidt-Bleibtreu, 1980, S. 53, 56. Vgl. auch die pragmatische Deutung dieser Rechtsprechung bei Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, S. 67 Fn. 140 als Ausdruck des "schlechten Gewissens der Gerichte in Anbetracht möglicher praktischer Konsequenzen ihrer Entscheidungsprinzipien". 675

So insbesondere Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 92; ders., NJW 1980, S. 2111, 2112; ders., Eigentum und Gesetzgebung, S. 41 f.; Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7, 16. Vgl. ferner Weber-Fes, Jura 1980, S. 337, 343 f. 67 6 Ζ. B. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungrecht, S. 301 f. mit dem Deutungsversuch, die alterigorose Grundaussage beziehe sich auf die individuelle Eigentumsfreiheit, die weitergehende Einbeziehung des Übermaßkriteriums nur auf die objektive Institutsgarantie; gegen ihn zutreffend Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 93, mit dem Argument, die Institutsgarantie unterstütze nur das individuelle Freiheitsrecht, sei somit akzessorisch; ferner gegen ihn Papier, Der Staat 11 (1972), S. 483, 485; Friauf, DÖV 1980, S. 480, 485, 487 m. w. N. in Fn. 104; Schenke, in: FS für Armbruster, S. 177, 192; resigniert inzwischen Selmer, AöR 101 (1976), S. 399, 429 und VVDStRL 39 (1981), S. 378,379 (Aussprache).

BB

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

beziehung des Vermögens als Schutzgegenstand der Eigentumsfreiheit als herrschend angesehen werden. 677 Im Rahmen einer Bestandsaufnahme der Rechtsprechung des BVerfG muß es zunächst darauf ankommen, durch eine sorgfaltige Analyse der Entscheidungen die Entwicklungstendenzen aufzuzeigen und der Frage nachzugehen, ob der oft beklagte Widerspruch denn tatsächlich besteht. Erhebliche Bedeutung kommt dabei den Ausführungen zum Vermögensschutz im Beschluß vom 15. Januar 1970678 zur Abgeltung von Besatzungsschäden zu. Dort hat das Gericht in einem obiter dictum679 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß neben dem Sacheigentum auch andere Vermögenswerte Rechte, nicht aber das Vermögen als solches Schutzobjekte seien. "Deshalb (!) (seien) Vermögensbeeinträchtigungen durch Auferlegung von Geldleistungspflichten (als "Vermehrung der Passiven") in der Regel (!) nicht an Art. 14 GG zu messen"680. Die Passage verdient deshalb besondere Beachtung, weil sie die ursprüngliche These aus dem Investitionshilfeurteil mit der späteren Übermaßformel verbindet. Die dortige Verweisung auf die Entscheidung in E 26, 327, 338 ist allerdings für die Klärung der Frage, wie durch die Auferlegung von Geldleistungspflichten außerhalb des Umstands der Belastung des Gesamtvermögens durch die Entstehung einer Verbindlichkeit eine konkrete Rechtsposition be-

Ζ. B. Maunz/Dürig-Papzer, Art. 14 GG, Rdnr. 161fif.; ders., Der Staat 11 (1972), S. 483, 492, 498fif.; ders., Eigentumsgarantie des Grundgesetzes im Wandel, S. 14fif.; Jarass, Art. 14 GG, Rdnr. 11 m. w. N.; Schenke, in: FS fur Armbruster, S. 177, 191 f.; ders., NJW 1983, S. 1882, 1887; wohl auch Rüfrier, DVB1. 1970, S. 881, 882fif. mit dem Hinweis, es sei auf die steuertechnische Anknüpfung an die Nutzung oder das Innehaben vermögenswerter Positionen abzustellen; dagegen u. a. Wendt, NJW 1980, S. 2111, 2113; Erdmann, DVB1. 1986, S. 659, 665 mit der Erwägung, daß kein rechtlicher Bezug zwischen der Geldleistungspflicht und dem konkreten Vermögenswert durch den Steuertatbestand als bloßem Indikator für die vermutete allgemeine Leistungsfähigkeit hergestellt werde. Ζ. B. Sendler, DÖV 1971, S. 16, 22 mit dem Hinweis, daß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG neben der Bestandsschutz- auch eine Vermögenswertgarantie enthalte, die bei Eingriffen in das Vermögen durch Geldleistungspflichten fruchtbar gemacht werden könne. Dabei wird allerdings übersehen, daß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG in erster Linie als Freiheitsgrundrecht den erfaßten Lebensbereich, also die Summe der Vermögenswerten Befugnisse, von seinem Bestand her schützt und nur im Fall des Art. 14 Abs. 3 GG als Ersatz eine Entschädigung vorschreibt. 677

Vgl. Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 44 m. w. N.

678

BVerfGE 27, 326 fif.

679 Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG war durch die gesetzliche Regelung gar nicht berührt worden, weil Vermögenswerte Positionen der Betroffenen noch gar nicht rechtlich entstanden waren; BVerfGE 27,326, 334 unter Hinweis auf E 27, 253, 271. 680

BVerfGE 27, 326, 343. Entgegen Friauf, DÖV 1980, S. 480, 484 Fn. 48 schmälert der Charakter der Äußerung als "bloßes obiter dictum" ihren Wert keineswegs, im Gegenteil, das Gericht hat sich wohl zu dieser zusätzlichen klarstellenden Bemerkung gedrängt gesehen. Vgl. zur Bedeutung und Funktion solcher "belehrender Äußerungen" Leutjohann, Nicht-normative Wirkungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 60 ff., 170 f.

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

237

rührt werden kann, wenig ergiebig, da dort wiederum nur die Grundthese von der grundsätzlichen Unbeachtlichkeit wiederholt wird. Die dort zitierte Entscheidung zur Kuponsteuer681 weist aber einen Weg aus dem angeblichen Durcheinander. Dort hatte das Gericht die Auswirkungen des Abzugs der Kapitalertragsteuer als Form der Einkommensteuer bei Wertpapiererträgen ausländischer Inhaber zu untersuchen. Die Argumentation erfolgt auf zwei Ebenen: Zunächst wird eine Veränderung der Rechtsposition "Wertpapier" durch die Schaffung der Abgabenpflicht verneint. 682 Danach, durch einen Absatz von der ersten Stufe deutlich getrennt 683 , untersucht es die Möglichkeit einer Eigentumsberührung bei Geldleistungspflichten. Unter Zitierung seiner bisherigen Rechtsprechung zu diesem Problem führt es dazu im konkreten Fall aus, daß eine übermäßige Belastung und grundlegende Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse durch den Steuerabzug nicht anzunehmen sei, weil "eine übermäßige Belastung der Zinserträge (wohl als Ergebnis der Nutzung des Kapitals) oder gar ein Zugriff auf die verbriefte Kapitalforderung (...) nicht damit verbunden (sei)" 684 . Aus dieser Wendung wird deutlich, daß auch im Fall der Auferlegung einer Geldleistungspflicht nicht auf das Gesamtvermögen, sondern auf die einzelnen Rechtsgüter und deren Nutzung abgestellt wird, die aber im Unterschied zu den Erwägungen im ersten Absatz durch die Leistungspflicht nur mittelbar betroffen sind.685 Eine mittelbare Betroffenheit in das Grundrecht der Eigentumsfireiheit liegt immer dann vor, wenn der Gesetzgeber an die Nutzung oder Innehabung einer konkreten Vermögenswerten Rechtsposition eine Rechtsfolge, die nicht selbst die Eigentumssphäre des Betroffenen belastet, trifft. 686 Danach wäre die Einführung der Übermaßformel keine Abkehr vom Grundsatz der Beschränkung der Schutzobjekte des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG auf vorhandene Rechtpositionen, sondern nur als Zugeständnis zu betrachten, daß auch mittelbar auf das Eigentum wirkende Regelungen grundrechtsberührend sein können.687

681

BVerfGE 19, 119 ff.

682

BVerfGE 19,119, 128.

683

Vgl. auchMeessen, BB 1971, S. 928, 930 mit Fn. 40.

684

BVerfGE 19, 119, 129.

685

Vgl. zur Stützung dieser These auch die gegenteilige Behauptung des Beschwerdeführers, zit. in E 19, 119, 122. 686

Vgl. bereits oben die Ausführungen auf S. 227. Ein bloß faktisch herbeigeführter Zwang zur Aufgabe einer eigentumsfähigen Position durch ihren Inhaber infolge gesetzlicher Umgestaltung ohne ausdrückliche Anknüpfung an sie im Tatbestand reicht nach Auffassung des Gerichts als "mittelbare und nur wirtschaftlich fühlbare" Beeinträchtigung nicht aus; vgl. BVerfGE 10, 354, 371.

238

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Im folgenden hat sich der Gang der Untersuchung auf die Frage zu konzentrieren, ob sich die weiteren Entscheidungen des Gerichts, die sich mit der Auferlegung von Geld- und Sachleistungspflichten befassen, in diesen Deutungsansatz widerspruchslos einordnen lassen. Dabei können diese nach ihrem steuertechnischen Anknüpfungspunkt und ihrer Rechtsfolge wie folgt systematisiert werden:

(1) Geldleistungspflichten

auf Grund bestimmter Eigentumsnutzungen

In einer Vielzahl von Fällen hatte sich das Gericht mit der Auferlegung von Geldleistungspflichten, deren Entstehung an die Nutzung bestehender Rechtspositionen geknüpft ist, auseinanderzusetzen.688 Dabei sind folgende Argumentationsstrukturen erkennbar: In BVerfGE 16, 147, 187 werden der Auferlegung der Werkfernverkehrsteuer, die zu mittelbaren Betriebsbeschränkungen und in Einzelfällen zu wirtschaftlich motivierten Stillegungen bestehender Gewerbebetriebe fuhrt, inhaltsbegrenzende Wirkungen zuerkannt, die in keinem Fall in einen enteignenden Substanzeingriff umschlagen können.689 Eine weitere Prüfung unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der Berührung der Eigentumsfreiheit durch die Auferlegung von Geldleistungspflichten unterbleibt. Im Urteil vom 26.1.1965 wird eine Verletzung (!) der Eigentumsfreiheit durch die Milchausgleichsabgabe, die an den Absatz von verschiedenen Milchprodukten im Rahmen des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebe-

687 Α. A. zu diesen Ausführungen Meessen, BB 1971, S. 928, 930, der allerdings übersieht, daß auch im zweiten Absatz der Ausführungen des Gerichts nicht das Vermögen, sondern die konkreten Rechtspositionen als Bezugsgröße zur Prüfung der Intensität der Belastung herangezogen werden. 688

Wenn dagegen teilweise vorgebracht wird, eine Differenzierung zwischen ertragsabhängigen Steuern und Substanzsteuern sei nicht möglich, weil auch der Ertrag, der dem Vermögen zufließe, in diesem Augenblick zur Substanz werde, so ist dagegen einzuwenden, daß die Steuergesetze gerade an den Entstehungsakt anknüpfen, somit zu diesem Zeitpunkt noch keine Position beim Steuerpflichtigen entstanden ist. Vgl. zum Streit Wendt, NJW 1980, S. 2111, 2116 m. w. N. in Fn. 79 und den eigenen Lösungsansatz im Text. 689 Vgl. dazu die dort ausdrücklich zitierte Passage aus E 13, 225, 230. Vgl. demgegenüber aber BVerfGE 14, 76, 104 f., wonach die Minderung der Rentabilität eines Geldspielautomaten durch Auferlegung einer Sonderautomatensteuer "möglicherweise" das Grundrecht der Eigentumsfreiheit verletzen könne.

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

239

triebs anknüpft, verneint, weil die konkrete Gestaltung des Steuertatbestands nicht "die Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 GG (verletze)" und damit ihr kein "Sonderopfer zugemutet" werde. 690 Auch hier unterbleibt trotz ausdrücklicher, dem BVerfG möglicherweisee widersprechender Äußerungen eines Verfahrensbeteiligten 691 ein klärendes Wort zum Schutz des Vermögens. Die einkommensteuerliche Erfassung der betrieblichen Veräußerungsgewinne als Folge der Verwertung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt keinen "Eingriff" in die Eigentumsfreiheit des Rechtsinhabers dar, denn "Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich das Vermögen gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungspflichten nicht (vgl. BVerfGE 19,119, [128 f. mit weiteren Nachweisen])."692 Mit dieser durch das Zitat nicht gedeckten These693 könnte eine Hinwendung zur überwiegenden Literatur, die das Gesamtvermögen als Schutzgegenstand begreift, verbunden sein. Auf der anderen Seite steht aber gerade der Hinweis auf die KuponsteuerEntscheidung dieser Deutung entgegen, denn dort wird - im Gegensatz zu anderen Entscheidungen - gerade auf die mittelbare Beeinträchtigung eines konkreten Rechts durch die Steuernorm für die Prüfung anhand des Art. 14 Abs. 1 GG abgestellt. Als deutlichen Fingerzeig für einen Umschwung hin zur Literatur und damit für eine Einbeziehimg des Gesamtvermögens wurde von Friauf 694 die Feststellung des Vorprüfungsausschusses gewertet, Art. 14 GG werde durch die Auferlegung von Geldleistungspflichten verletzt, wenn die Substanz durch die Besteuerung nicht unangetastet bliebe.695 Diese Deutung ist eine Überinterpretation, da aus dem Verweis auf den Beitrag Vangerous696 sich klarstellend ergibt, daß auch hier nicht die unmittelbaren Einwirkungen auf das Vermö690 Vgl. BVerfGE 18, 315, 339. Erstaunlich ist dabei, daß zur Rechtfertigung der Inhaltsbestimmung allein unter Heranziehung der Sonderopfertheorie der enteignende Charakter der Maßnahme verneint wird. Die Grenzen der Inhaltsbestimmungskompetenz des einfachen Gesetzgebers, insbesondere das Verhältnismäßigkeitsgebot unter Einbeziehung derfreiheitssichernden Funktion des Eigentumsgrundrechts werden nicht angesprochen; ähnlich BVerfGE 14,105,120. 691

BVerfGE 18,315,324: Die Auferlegung von Geldleistungspflichten sei keine Enteignung (!)."

692

BVerfGE 26, 327, 338.

693

BVerfGE 19, 119, 128 f. spricht von der Unberührtheit des Schutzbereichs der Eigentumsfrei-

heit. 694

DÖV 1980, S. 480, 485.

695

HFR 1969, S. 347. Vorsichtiger in der Bewertung ζ. B. Selmer, AöR 101 (1976), S. 399, 433; Wendt, NJW 1980, S. 2111, 2112. 696

StuW 1968, Sp. 347,349 und 351.

240

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

gen, sondern die mittelbaren, auf die Substanz der Kapitalforderung, deren Zinserträge besteuert werden, als entscheidend angesehen wurden. 697 Im Beschluß vom 9. März 1971 hatte das BVerfG über die Zulässigkeit einer Sonderumsatzsteuer für Ausfuhren zu entscheiden, die sowohl die weitere Tätigkeit der betroffenen Unternehmer als auch deren bereits bestehenden Ansprüche aus abgeschlossenen Altverträgen belastete.698 Hier griff das Gericht nicht auf den Gesichtspunkt der mittelbaren Betroffenheit zumindest im Bereich der Altforderungen zurück, sondern stellte lapidar fest, daß die zur Verletzung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG notwendige Erdrosselungswirkung der Steuer nicht vorliege. 699 Im letzten Absatz dieser Entscheidung wird durch die Inbezugnahme des § 9 AbsichG deutlich, daß das Unternehmen als Rechtsgut der Prüfstein für die Frage einer erdrosselnden Wirkung ist, weil die dort geregelten Härteausgleichsmaßnahmen dessen Unrentabilität voraussetzen. In der gleichen Art und Weise erfolgt auch die spätere Begründung der Verfassungsmäßigkeit der Straßengüterverkehrsteuer. 700 Der hier gegebene Überblick stützt die Vermutung dafür, daß entgegen der überwiegenden Literatur das Gericht zumindest in den Fällen, in denen eine zumindest mittelbare Anknüpfung an eine konkrete eigentumsfahige Rechtsposition hergestellt werden kann, diesen Ansatzpunkt auch nutzt und deshalb von der Einbeziehung des Gesamtvermögens zur Wahrung seiner Ausgangsthese vom Eigentum als Ausgestaltung durch die (verfassungsmäßige) Rechtsordnung absehen kann. Aber schon jetzt zeigt sich, daß die fehlende Auseinandersetzung mit den verschiedenen Auffassungen in der Literatur ein großes Manko darstellt, das zu Unsicherheiten in Zweifelsfragen führt.

697 So auch eindeutig BVerfGE 50, 57, 104 ff., wo die Eigentumsverletzung allein mit dem Gesichtspunkt abgelehnt wird, durch die Zinsbesteuerung werde die Substanz des Kapitalstamms nicht angetastet. Vgl. ferner BVerfGE 34, 139, 145 f., wo die Normen über die Erhebung der Erschließungsbeiträge als Inhaltsbestimmung des Grundeigentums bezeichnet werden. 698

Auf diesen letzten Gesichtspunkt weist ausdrücklich BVerfGE 30, 250, 267 hin.

699

BVerfGE 30, 250, 272.

700

BVerfGE 38, 61, 102; ebenfalls E 37, 38, 57.

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

241

(2) Geldleistungspflichten, die an das Innehaben einer Rechtsposition anknüpfen Einige Steuern, wie die Grund-, die Gewerbekapital- und die Vermögensteuer knüpfen als reine Besitzsteuern steuertechnisch an das bloße Innehaben vermögenswerter Positionen an. 701 Besondere Beachtung verdienen dabei die Entscheidungen über die Zulässigkeit solcher Steuern, die die Steuerpflicht an das Vermögen als Zusammenfassung von verschiedenen Vermögenswerten Rechtspositionen binden.702 Einen "neuen Akzent" für die allgemeine Anerkennung der Eigentumsgrundrechtsberührung durch steuerliche vermögensmindernde Maßnahmen sieht Friauf 703 im Beschluß des Vorprüfungsausschuß vom 27. Oktober 1975 704 , der sich mit der Verfassungsmäßigkeit der Vermögensteuer beschäftigt. Es ist zuzugeben705, daß die dort als Beleg für die grundsätzliche Billigung dieser Steuer herangezogenen Entscheidungen im Unterschied zu diesem Beschluß Art. 14 GG als Prüfungsmaßstab überhaupt nicht erwähnen, sondern stattdessen nur Verletzungen der Art. 3 Abs. 1 GG und 6 Abs. 1 GG in Betracht ziehen.706 Dies ist umso bedeutsamer, als der einfache Gesetzgeber im Rahmen seiner Befugnis nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, den gesetzlichen Inhalt der eigentumsfähigen Positionen zu bestimmen, auch den Gleichheitssatz zu beachten hat 707 , Art. 3 Abs. 1 GG aber nach Auffassung des Gerichts als bloßer Einzelgesichtspunkt in der umfassenden Prüfung auf Grund der Eigentumsfreiheit aufgehen soll 708 und die Verfahrensbeteiligten ausdrücklich eine Verletzung dieses Grundrechts gerügt hat-

701 Dabei ist allerdings zu beachten, daß nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 AO bei entsprechender Gestaltung das Gut dem wirtschaftlichen und nicht dem formalrechtlichen Eigentümer zugerechnet wird. 702 BVerfGE 23, 288 ff. - zum Lastenausgleich; BVerfGE 23, 242 ff.; 30, 59 ff.; 32, 78 ff.; 41, 269 ff.; NJW 1976, S. 101 (Vorprüfungsausschuß) zu Fragen der Vermögensteuer, BVerfGE 48, 102fif. zum Erlaß einer Vermögensteuerschuld. 703

DÖV 1980, S. 480, 485.

704

NJW 1976, S. 101.

705

Dieses Argument wird von Friauf aber nicht herangezogen.

706

BVerfGE 23, 242, 249 ff.; 30, 59, 63 ff.; 32,78, 83 ff. und später E 41,269, 279 fif.

707

BVerfGE 14, 263, 278; 18, 121, 132; 20, 351, 355 f.; 21, 73, 79, 82; 21, 150, 155; 34, 139, 146; 37, 132, 140. 708

Vgl. BVerfGE 14, 263, 277: "Prüfungsmaßstab (...) ist unter dem Gesichtspunkt des Eigentums somit nur (!) Art. 14 Abs. 1 GG", wobei die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nur als ein Aspekt innerhalb dieses Freiheitsgrundrechts geprüft wird (BVerfGE 14, 263, 284 f.); vgl. femer E 18, 121, 132, wo Art. 3 Abs. 1 GG als Bestandteil der Eigentumsfreiheit ausdrücklich angesprochen wird, zuvor allerdings isoliert geprüft wurde; E, 21, 73, 83, 84: "Art. 14 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 3 GG"; ebenso E 34, 139,146.

1

Eschenbach

242

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

ten. 709 Bedeutet aber die Feststellung, daß es steuerrechtliche Maßnahmen gibt, die teilweise ("insoweit") an Art. 14 GG zu messen sein können, eine Änderung der oben aufgezeigten Linie, wonach eine Vermögensminderung allein ohne Bezug auf eine konkrete Position keine Schutzbereichstangierung bewirken kann? Der Kontext innerhalb des Beschlusses gibt auch keine Klarheit. Die für die von Schick übernommene These, durch eine Besteuerung dürfe auch in den Vermögensbestand mindernd eingegriffen werden, herangezogenen Beispiele beziehen sich alle auf die mittelbare Minderung konkreter Positionen (Waren, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, das konkrete, aus bestimmten Rechtspositionen zusammengesetzte Vermögen nach § 3 LAG) 7 1 0 bzw. die Erbschaft als separates Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG 7 1 1 . Im folgenden wird die Verfassungswidrigkeit der Vermögensteuer unter dem Blickwinkel der Eigentumsfreiheit mit dem Argument abgelehnt, sie greife im Regelfall nicht in die Substanz des geschützten Vermögens ein, da sie aus dem Ertrag aufgebracht werden könne. In Einzelfällen könne sie zwar "zu einem Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter (!)" führen, dieser konfiskatorische Wirkung werde aber durch die Härteregelung des § 131 RAO Rechnung getragen. Aus diesen Erörterungen geht hervor, daß das Gericht nicht etwa jede Minderung des Gesamtvermögens als eigentumsrelevant betrachtet, sondern nur solche, die sich auf die in ihm zusammengefaßten konkreten Rechtpositionen beziehen.712 Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß das Gericht später entgegen seinen Ausführungen im Beschluß des Vorprüfungsausschusses 713 die Anwendung der Härteregelung des § 131 RAO nicht an der Eigentumsfreiheit

709

Vgl. BVerfGE 30, 59,61; 32,78, 81.

710

Vgl. BVerfGE 23, 288,305, 315.

711

Nur diese Aussage Schicks, nicht dagegen seine Auffassung, das Vermögen sei Schutzgut (JZ 1974, S. 330,331), wird vom Gericht übernommen. 712 Vgl. zu dieser Sichtweise von der Heydte, in: FS für Paulick, S. 267,274; Papier, Der Staat 11 (1972), S. 483, 508 f.; Wendt, NJW 1980, S. 2111, 2114. In diesem Zusammenhang sei noch auf die Ausgestaltung des Steuergegenstands bei der Vermögensteuer, das Innehaben eines Gesamtvermögens gem. § 4 Abs. 1 Nr. 1 VStG, Hingewiesen, das sich aus den einzelnen, dem Steuerpflichtigen zuzurechnenden wirtschaftlichen Einheiten abzüglich seiner Verbindlichkeiten ergibt (§§ 114 Abs. 1, 118 BewG). Auch im Rahmen des VStG wird daher nicht pauschal auf das Vermögen als ganzes, sondern auf die in ihm zusammengefaßten konkreten wirtschaftlichen Güter und Werte (vgl. § 2 Abs. 1 BewG) abgestellt, die allerdings nicht zwingend rechtlich ausgestaltet sein müssen, wenn sie nur nach den Anschauungen des Wirtschaftsverkehrs einen Verkehrswert innehaben (vgl. dazu nur Rössler/Troll, § 2 BewG, Rdnr. 3; Giirsking/Stenger, § 2 BewG, Rdnr. 46 f.). 713

NJW 1976, S. 101a. E.

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

243

gemessen hat, weil durch die Ablehnung eines entsprechenden Steuererlasses nicht in dieses Grundrecht eingegriffen werden könne.714 Auch diese Entscheidung spricht gegen die Einbeziehung des Vermögens als eigenständiges Schutzobjekt durch das BVerfG, da es in der Tat sonst nicht einzusehen wäre, warum die Entziehung einer konkreten steuerrechtlichen Gläubigerstellung in den Schutzbereich des Art. 14 GG fällt, die Auferlegung einer Steuerschuld als wirtschaftlich (aber eben nicht rechtlich) gleichwirkende Belastung wegen fehlender Eigentumsberührung ohne weiteres nur vom allgemeineren Art. 2 Abs. 1 GG erfaßt werden soll. 715 Die ausschließliche Anwendung des gegenüber Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG subsidiären Art. 2 Abs. 1 GG als Anknüpfungspunkt für die Prüfung des aus dem Rechtsstaatsprinzip fließenden Gedankens der Steuergerechtigkeit durch das Gericht ist ebenfalls nur als Konsequenz nach der Feststellung des Gerichts erklärbar, daß sich für die zu prüfende Steuer kein Anknüpfungspunkt für eine auch nur mittelbare Belastung der Nutzungsbefugnisse konkret vorhandener Rechtspositionen oder deren Innehabung ergibt, weil die allgemeine Belastung des Gesamtvermögens für die Anwendimg der Eigentumsfreiheit nicht ausreicht.716 Legt man diese Gesichtspunkte der Anknüpfung einer Abgabe an die Nutzung oder die Innehabung konkreter Rechtspositionen fur die Frage einer Eigentumsberührung durch die Leistungspflicht zugrunde, läßt sich ohne weiteres die Feststellung des BVerfG, die Belegabgabepflicht der Verleger sei eine Inhaltsbestimmung, begründen, ohne daß es dazu der zweifelhaften Konstruktion einer gesonderten Rechtsposition "Druckwerk" als Gesamtheit aller einzelnen Bücher bedurft hätte.717 Allerdings hätte das Ge714

BVerfGE 48,102,111 f., 115 f., 118 entgegen dem Vortrag des Beschwerdeführers auf S. 107.

715

Vgl. v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), S. 286, 301 M. w. N. in Fn. 60. Friauf, DÖV 1980, S. 480, 486 nimmt diese Entscheidung mit "Erstaunen" zur Kenntnis und sieht dabei nicht, daß das Gericht penibel zwischen der Auferlegung der Steuerschuld und der Ablehnung eines Erlasses einer bereits entstandenen Steuerschuld trennt. 716

Vgl. ζ. B. BVerfGE 19, 206, 215 f. zur Kirchenbausteuer; 19, 253, 257 zur Kirchensteuer; 21, 1, 3 zur Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen im Rahmen der Einkommensteuer; 21, 54, 59 zur Lohnsummensteuer als besonderer Form der Gewerbesteuer; 31, 145, 175 zur Einfuhrumsatzsteuer, wobei diese Entscheidung nur dann systemgerecht ist, falls man mit der Rechtsprechung des BVerfG davon ausgeht, daß das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht die Erwerbschancen auf Grund der eingeführten Ware umfaßt; 42, 223, 227 zur Fremden verkelirsabgabc, wobei die Ablehnung einer berufsregelnden Tendenz zweifelhaft erscheint; 47, 1, 21fif. zu Berechnungsmodalitäten bei der Einkommensteuer: Eine Berührung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG wird entgegen der Äußerung des Beschwerdeführers (S. 9) nicht angeprüit, die Anwendbarkeit des Art. 12 GG als lex specialis ist innerhalb des Senats umstritten (vgl. S. 21 und abw. Meinung in E 47, 34, 37 f.). 717

Vgl. BVerfGE 58, 137, 144 f. und dazu die Ausführungen auf S. 229 Fn. 640. Der Kritik Kleinleins (DVB1. 1991, S. 365, 366), wonach dieser Abgabe kein konkretes Druckstück als Rechts-

1*

244

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

rieht dann näher zu dem Gesichtspunkt der konfiskatorischen Wirkung einer solchen mittelbaren Substanzminderung Stellung nehmen müssen.718

(3) Geldleistungspflichten

ohne konkreten Bezug zum Eigentum

Die letzte und zugleich schwierigste Gruppe bilden die Fälle, bei denen das BVerfG die Auferlegung von Geldleistungspflichten durch Steuern, die keinen steuertechnischen Bezug zu einer konkreten Rechtsposition aufweisen, unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsfreiheit prüfte. 719 7 2 0 Während in wenigen Entscheidungen die Frage einer Eigentumsberührung durch dererlei Geldleistungspflichten konsequent erst gar nicht gestellt wurde, weil eine allgemeine Vermögensminderung nicht eigentumsrelevant sein kann 721 , hält das Gericht an anderer Stelle eine Verletzung der Eigentumsfreiheit bei übermäßigen und die Vermögensverhältnisse grundlegend verändernden Belastungen für möglich 722. Diese vorsichtige Formulierung legt den Schluß nahe, daß das Gericht nur bei solch intensiven Vermögensbelastungen, die den Schuldner zur nachteiligen Umstrukturierung seines Aktivvermögens zwingen und ihn damit zum Zugriff auf konkrete Rechtspositionen nötigen, eine mittelbare, weil über den Rechtsinhaber als staatlich motiviertes Werkzeug bewirkte Schutzbereichstangierung annehmen will und im übrigen eine Anwendbarkeit des Grundrechts der Eigentumsfreiheit ablehnt. Im Beschluß position zugeordnet werden könne, ist dahingehend zu widersprechen, als hier die Innehabung einer bestimmbaren Anzahl von einzelnen Druckexemplaren mit einer Naturalabgabe verknüpft wird. 718

Bezeichnenderweise ordnete Hamann, NJW 1952 (!), S. 401, 403 solcherlei Verpflichtungen als totalen Rechtsverzicht von Teilen eines Objekts den Enteignungen zu, weil hier die Grenzen einer Gebrauchsbeschränkung als Sozialbindung überschritten seien. 719 BVerfGE 14, 221, 241 zum Fremdrentengesetz; E 19, 253, 268 zur Kirchensteuer, vgl. aber auch E 19, 268, 272, 273 und 19, 248, 251, wo die Verfassungsmäßigkeit dieser Steuer an Art. 2 Abs. 1 GG trotz gegenteiliger Auffassung der Beschwerdeführer geprüft wurde; E 23, 12, 30 zur Erhöhung der Beiträge zur Berufsgenossenschaft; E 28, 119, 142 zur hessischen Troncabgabe; E 29, 402,413 zum Konjunkturzuschlag; E 55, 274, 307 zur Berufsbildungsabgabe. 720

Die von Kutschera (Bestandschutz im öffentlichen Recht, S. 46) in diesem Zusammenhang genannte Umsatz- und Körperschaftsteuer gehört allerdings nicht in diesen Kreis, da beide an den Betrieb eines Unternehmens gekoppelt sind. Ohne weiteres läßt sich dagegen die Einkommensteuer, sofern sie die Einkunftsart "Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit" erfaßt, als bedeutendes Beispiel dieser Fallgruppe heranziehen (vgl. dazuMeessen, DÖV 1973, S. 812, 815; v. Arnim, WDStRL 39 [1981], S. 286, 303 Fn. 64 a. E.). 721 722

Vgl. BVerfGE 28, 119, 142; 55, 274, 307.

Vgl. BVerfGE 14, 221, 241: "In solchen Fällen könnte (!) ein Verstoß gegen Art. 14 GG allenfalls (!) dann in Betracht kommen, (...)"; ebenso E 19, 253, 268; 29, 402, 413.

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

245

vom 19. Dezember 1967 scheint die vorsichtige, offene Formulierung der klaren Feststellung, jede "jedes Maß übersteigende" Abgabe verletze die Eigentumsfireiheit 723, gewichen zu sein. In eine ganz andere Richtung gehen dagegen die Überlegungen des Vorprüfungsausschusses, der einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG dann annehmen will, wenn in die Substanz des betroffenen Unternehmens als eines eigentumsfahigen Rechts durch eine konfiskatorisch wirkende Abgabepflicht eingegriflfen werde. 724 Entscheidende Bedeutung in diesem Zusammenhang kommt daher den Topoi "Substanzminderung", "konfiskatorische Wirkung" und "Erdrosselungswirkung" zu, mit denen die ursprüngliche Übermaßformel angereichert wurde, ohne daß damit deren inhaltliche Aussage verändert werden sollte.725 Man mag diese Entwicklung kritisieren 726, für die Frage der Einbeziehung des Vermögens als eigenständiges Schutzobjekt der Eigentumsfreiheit bedeutet sie aber eine Klarstellung: Nicht jede Geldleistungspflicht berührt mittelbar, aber in ausreichendem Maße den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, sondern nur solche, die sich auf den Bestand der konkret vorhandenen Rechtspositionen auswirken. 727 Ist der mittelbare Eingriff übermäßig, wobei auch der teilweise Rechtsverlust allein nicht ausschlaggebend sein soll 728 , liegt ein Verstoß gegen die Eigentumsfireiheit vor. Somit bleibt als Ergebnis festzustellen, daß das BVerfG trotz der im Einzelfall gewählten vagen Formulierungen wohl auch im Bereich der Auferlegung von Geldleistungspflichten von seiner Ausgangsthese, nur Rechtspositionen unterfielen der Eigentumsfireiheit, nicht abgerückt ist. 729 Die von vielen diagnostizierte Widersprüchlichkeit ist nicht mit der These auflösbar, das Gericht habe den das Vermögen als solches tangierenden Steuernormen inhaltsbestimmende Wirkung zuerkannt, indem es

723

BVerfGE 23, 12, 30.

724

NJW 1978, S. 2023.

725 Vgl. BVerfGE 23, 288, 315; 30, 227, 272, jeweils mit Zitaten aus der bisherigen Rechtsprechung; 38, 61, 102; HFR 1969, S. 347. 726 Eine Gleichsetzung von Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und konfiskatorischer Wirkung wird von Papier, Der Staat 11 (1972), S. 483, 485 zutreffend mit dem Argument begegnet, daß der relative Maßstab der Verhältnismäßigkeit nicht zur Rechtfertigung der absoluten Grenze der Konfiskation herangezogen werden könne; kritisch auch mit anderem Ansatz ζ. B. Meessen, DÖV 1973, S. 812, 815; offenbar zustimmend dagegen Frotscher, JuS 1978, S. 217, 218. 727

So auch Leisner, in: HbStR, Bd. 6, § 149, Rdnr. 127 fif.

728

BVerfG, NJW 1976, S. 101; Schick, JZ 1974, S. 330, 331; Selmer, AöR 101 (1976), S. 399, 429 f.; ähnlich von der Heydte, in: FS für Paulick, S. 267, 274; a. Α. ζ. B. Rüfner, DVB1. 1970, S. 881, 882. 729 Α. A. mit entsprechender Kritik Wendt, NJW 1980, S. 2111, 2112; ders., Eigentum und Gesetzgebung, S. 41.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

die Schutzwirkung der Eigentumsfreiheit gegenüber dem Vermögen jenseits eines gewissen Vorfeldes akzeptierte.730 Vielmehr verlagert sich das Problem der Einbeziehung abgabenrechtlicher Leistungsauferlegungen weg von der Frage des allgemeinen Vermögensschutzes hin zum Merkmal des "Bestimmens" in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, nämlich: Welcher Beziehungsgrad muß zwischen dem Regelungsgehalt einer Norm und einer eigentumsrelevanten Rechtsposition vorliegen, um eine noch ausreichende mittelbare Eigentumsberührung für eine Anwendbarkeit der Eigentumsfreiheit feststellen zu können?731 Die in der Literatur verfolgte Diskussion um die Einbeziehung des Vermögens und die Prüfung von Abgabennormen als unmittelbare Einschränkungen des Eigentums läuft daher an den Grundlinien der höchstrichterlichen Entscheidungspraxis vorbei. 732 Die "Steuerrechtsprechung" bedeutet daher keine Durchbrechung des vom BVerfG vertretenen Postulats vom Eigentum als konkreter Rechtsposition.

2. Der Vermögenswert in der Rechtsprechung des BVerfG Klarer Ansatz oder neue Wirrungen?

In der Rechtsprechung des BGH nahm das Kriterium des Vermögenswerts unterschiedliche Bedeutungsinhalte an. Während im Grundsatz nur solche Güter, die selbst einen wirtschaftlichen Wert im Wirtschaftsleben verkörpern, als schutzwürdig angesehen wurden, erweiterte das Gericht im Fall der berufs730 So aber Kimminich, JuS 1978, S. 217, 218 unter Hinweis auf BVerfG, HFR 1969, S. 347, siehe zu diesem Beschluß aber die Ausführungen auf S. 239 f. 731

Vgl. zur gleichgelagerten Problematik der berußlenkenden Steuern, die an die Ausübung eines konkreten Berufs als Steuergegenstand eine Geldleistungspflicht knüpfen, als lediglich mittelbar belastende Maßnahmen im Bereich der Berufsfreiheit nur die zusammenfassende Wiedergabe der Rechtsprechung bei Weber-Fes, Jura 1980, S. 337, 341 f. Dabei ist zu beachten, daß das BVerfG eine berufsregelnde Tendenz durch die Ausgestaltung des Steuertatbestands gefordert hat und demzufolge wohl Steuern, bei denen die Erzielung von Einnahmen das gesetzgeberische Hauptmotiv darstellt, nicht an diesem Grundrecht prüfen würde. Ob diese Einschränkung grundrechtlich geschützter Lebensbereiche durch die Beachtung des gesetzgeberischen Willens auf zielgerichtete Beeinträchtigungen mit dem heutigen Verständnis vom Eingriff (vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatrecht II, Rdnr. 274 fif.) noch vereinbar ist, muß später untersucht werden (vgl. zu den Auswirkungen des geänderten Verständnisses zur Eingriffsbestimmung bei der Frage, ob Steuertatbestände in die Berufsfreiheit eingreifen, die Ausführungen von Breuer, in: HbStR, Bd. 6, § 148, Rdnr. 30 fif.). 732 Vgl. Ipsen,, Der Staat 21 (1982), S. 610, 614 zu Kirchhof und v. Arnim, in VVDStRL 39 (1981), S. 213fif. bzw. S. 286fif. mit dem Hinweis, daß wegen der ablehnenden Haltung des BVerfG statt auf Art. 14 GG auf Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG als Maßstab hätte abgestellt werden sollen. Ferner mit diesem Anknüpfungspunkt zur verfassungsrechtlichen Kontrolle steuerrechtlicher Begrenzungen Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, S. 67 f.

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247

rechtlichen Personalkonzession dieses Merkmal auf solche Rechte, die für ihren Inhaber für seine wirtschaftliche Tätigkeit und Existenz von Bedeutung seien. Dieser Aufweichung auf lediglich mittelbar wirtschaftlich wertvolle Rechte wurden bereits an früherer Stelle Bedenken grammatischer und systematischer Art mit dem Ergebnis entgegengehalten, daß nur konkrete, in der Rechtsposition selbst verkörperte Werte als Verfassungseigentum angesehen werden können.733 Auch das BVerfG stand vor der Frage, wie der durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfaßte "Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich" 734 von den übrigen Lebensbereichen abzuschichten sei. Aus verschiedenen Entscheidungen klingt dabei an, daß sich das Gericht dabei an den Anschauungen im Wirtschaftsverkehr - also eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise - orientiert. 735 Entscheidend für die Bestimmung ist der in Geld meßbare736 Wert der Position737, in den sich die einzelnen aus der Position fließenden Nutzungsund Verwertungsbefugnisse zusammenfassen lassen.738 Wegen dieser betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise könnte auch solchen Rechten, die formaljuristisch keine Vermögensrechte darstellen, wegen ihrer in Geld umrechenbaren wirtschaftlichen Bedeutung Eigentumscharakter zukommen.739 Auf

733

Vgl. oben die Ausführungen auf S. 143 f.

734

BVerfGE 24,367,389, stând. Rspr.

735

Vgl. BVerfGE 4,7,26; 21,73, 83.

736

Vgl. BVerfGE 21, 73, 83; abw. Meinung 45,182, 183: "geldwerte und fungible Rechtspositionen"; 51,193,220: "Marktwert". 737 Mit dem Gesichtspunkt der Meßfcarkeit ist auch der bereits oben (S. 217 Fn. 572) unter dem Aspekt des Vorliegens einer Rechtsposition widersprochenen Auffassung Maunz' (BayVBl. 1981, S. 321, 323) die Nutzungsbefugnis an einem Werk sei solange kein Vermögen, als das Werk auf Grund fehlender Nachfrage nicht abgesetzt werden könne, widerlegt Entscheidend für einen Vermögensweit ist danach die prinzipielle Ausstattung eines Rechts mit geldwerten Nutzungsmöglichkeiten, egal, ob sie im Einzelfall erfolgsversprechend sind oder nicht. So wohl auch in der Würdigung von Maunz (\)Badura, in: FS für Maunz, S. 1,9. 738 Vgl. BVerfGE 14, 263, 276 bezüglich der Ansprüche auf Gewinnbeteiligung, Bezug junger Aktien und die Abwicklungsquote bei "Aktieneigentum"; BVerfGE 31, 229, 239; 31, 248, 251; 31, 270,272: Vermögenswerte Elemente des Urheberrechts sind die verschiedenen Verwertungsbefugnisse des Urhebers; vgl. ferner BVerfGE 50,290,342. 739 Vgl. in diesem Zusammenhang den stillschweigende Wandel der Auffassung des BVerfG zu den mitgliedschafUichen Rechten des Aktionärs. In BVerfGE 14, 263, 278 trennt das Gericht entsprechend der Literatur zum Aktienrecht noch zwischen Vermögens- und Mitgliedschaftsrechten (vgl. dazu nur Kraft, in: Kölner Kommentar zur Aktiengesetz, § 11 AktG, Rdnr. 3 ff.). Später erklärt das Gericht dagegen zutreffend, daß sich diese beiden Kategorien in der Gesamtrechtsposition des Aktionärs nicht voneinander trennen lassen und prüft deshalb eine Veränderung der mitgliedschafUichen Befugnisse unter dem Aspekt des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (E 25, 371,407; 50, 290,342). Dieses ist auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten korrekt, da der fast totale Verlust des Stimmrechts des Aktionärs als Vermögenswert nur durch die Gewährung einer Vorzugsdividende "abgekauft" werden kann, § 139

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

der anderen Seite geht diese wirtschaftliche Sichtweise nicht so weit, daß die Ermittlung eines Marktwerts die Verkehrsfähigkeit des Rechts voraussetze.740 Das klingt bereits in den älteren Entscheidungen des BVerfG an, bei denen das Kriterium der Verwertbarkeit im Rechtsverkehr einen zusätzlichen Prüfungsgesichtspunkt nach Klärung der Vorfrage, ob es sich um ein vermögenswertes Recht handele, bildete.741 Später hat es das Merkmal der Verwertbarkeit im Rechtsverkehr als "privatrechtliches Element" sogar ausdrücklich aufgegeben. 742 Der solchen nicht übertragbaren Rechtspositionen innewohnende, in Geld meßbare Gebrauchs- oder Nutzungswert lasse sich gerade im Fall der verschiedenen sozialversicherungsrechtlichen Positionen durch die Überlegung gewinnen, daß ein vergleichbarer privater Vorsorge- und Absicherungsanspruch einen erheblichen Wert verkörpern würde. 743 Ob diese Überlegung so zutreffend ist, erscheint allerdings fraglich, weil gerade das Sozialversicherungsrecht und damit Bestand und Höhe der in ihm verankerten individuellen Ansprüche in erhöhtem Maße der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers überanwortet ist, so daß eine wirtschaftliche Bewertung im Gegensatz zu privaten Ansprüchen wegen der zu befürchenden Schwankungen sich schwierig gestalten dürfte. Aber selbst wenn man diesem Gedankengang prinzipiell folgte, wäre eine Einbeziehung der berufsrechtlichen Personalkonzession mangels Vermögenswerts immer noch nicht möglich, weil ihre wirtschaftliche Nutzung ohne weitere Zuführung individueller Arbeitskraft keinerlei Erträge hervorbringt. Die durch eine solche Konzession ermöglichte Arbeitsaufnahme stellt daher keine Nutzung dieser Rechtsposition selbst dar; es fehlt ihr an einem direkten in

Abs. 1 AktG (vgl. zur Ergänzung Zöllner, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 12 AktG, Rdnr. 5). 740 Vgl. dazu die anderslautende Ansicht Schumachers, NJW 1951, S. 53, 55; ders., ZHR 113 (1950), S. 166, 171 Fn. 9; vgl. auch Hoffmann, DVB1. 1969, S. 202. Zu Recht weist Friehe,, JuS 1981, S. 867, 869 in diesem Zusammenhang daraufhin, daß unter der Prämisse, daß nur Rechtspositionen vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. Satz 1 GG erfaßt seien, das Kriterium der Veräußerungsfähigkeit zur Ermittlung des Vermögenswerts keinesfalls zu einer Erweiterung, sondern allenfalls zu einer Verengung der erfaßten Gegenstände gegenüber dem Merkmal der Rechtsposition führen kann. 741

Vgl. BVerfGE 1, 365, 267; 2, 380, 402; 4, 219, 240.

742

Vgl. allgemein in BVerfGE 16, 94, 111 ständ. Rspr.; insbesondere abw. Meinung in E 45, 182, 183, wo bei subjektiv-öffentlichen Rechten auf die Verwertbarkeit im Rechtsverkehr verzichtet wird; E 53, 257, 291; aber auch abw. Meinung in E 32, 129, 142. 743 Zu Recht weist das BVerfG darauf hin, daß die sozialversicherungsrechtlichen Sicherungssysteme faktisch an die Stelle der privaten Vorsorgemaßnahmen getreten sind, um damit allerdings unter Hinzuziehung der angeblichen ratio des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, die materielle Existenzgrundlage der Grundrechtsträger zu sichern, die konstituierenden Merkmale des Verfassungseigentums bei diesen subjektiv-öffentlichen Rechten nachzuweisen; vgl. BVerfGE 53,257, 290.

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

249

Geld meßbaren Ertrags- oder Nutzungswert.744 Es ist daher bedauerlich, daß das BVerfG die Frage, ob die Apothekenkonzession für sich oder nur im Zusammenhang mit der eingerichteten und ausgeübten Apotheke Eigentum darstellt, offengelassen hat. 745

3. Die Erweiterung der Eigentumsfreiheit auf subjektiv-öffentliche Rechte - Stationen eines angeblichen Wandels

Während zur Zeit der Geltung des Art. 153 WRV in Rechtsprechung und Literatur der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit nahezu einhellig auf Vermögenspositionen des Privatrechts beschränkt worden war, hatte der BGH in seiner Grundsatzentscheidimg 1952 in diesem Punkt eine radikale Wendung mit der Einbeziehung aller Vermögenswerten Rechte vollzogen. Wesentlich umsichtiger, gleichsam vorsichtig tastend, suchte das BVerfG seinen Standpunkt zu diesem Problem. Allerdings wurden seine Bemühungen oft fehl- und überinterpretiert, um dann umso heftiger kritisiert zu werden. In der Entscheidung über die Einführung einer Altersgrenze für Bezirksschornsteinfeger 746 wird die durch staatlichen Akt bewirkte Verleihung eines Kehrbezirks nicht unter die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Eigentumsgegenstände subsumiert. Zur Begründung verweist das Gericht zunächst im Rahmen einer historischen Auslegung auf die herrschende Meinimg zu Art. 153 Abs. 1 WRV. Die damaligen Argumente werden aber nicht aufgegriffen. Stattdessen löst es sich von der starren formalistischen Sichtweise und führt demgegenüber zwei neue Wertungsgesichtspunkte durch die vielzitierte Passage: M(...) das Grundgesetz wollte hier das Rechtsinstitut des Eigentums, so wie es das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen geformt haben, schützen (...) tl747 ein. Der Hinweis auf das bürgerliche Recht ist dabei nicht so zu verstehen, daß alle Positionen, die im öffentlichen Recht wurzeln, per se aus dem Schutzbe744 So im Ergebnis für die Zulassung als Rechtsanwalt auch Kronisch, ZRP 1986, S. 158 in Entgegnung auf Rapsch, ZRP 1985, S. 272, 274. Allerdings überzeugt es nicht, wenn Kronisch der Zulassung als Kassenarzt nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I, S. 2266) Vermögenswert zubilligt, weil sie "die wirtschaftliche Grundlage einer Arztpraxis" (!) bilde. Zur Rechtslage nach § 103 Abs. 4 SGB V n. F. vgl. unten S. 635. 745

BVerfGE 17, 232, 247 f.

746

BVerfGE 1,264, 277 f.

747

BVerfGE 1, 264, 278.

250

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

reich herausfallen. Im konkreten Fall wurde die Prägung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Eigentumsgegenstand durch das private und öffentliche Recht unterstellt 748 und dann wertend auf die Verwertbarkeit im Rechtsverkehr, also die prinzipielle Verfügungsmacht, und ein "Unternehmerrisiko" als die das bürgerliche Eigentum "konstituierenden Merkmale" abgestellt. Mit Hilfe des Topos "gesellschaftliche Anschauungen" schließlich wurde der Leistungsgedanke zur besonderen Rechtfertigung der Eigentumsfähigkeit in die Argumentation eingeführt. Festzustellen bleibt somit, daß dem subjektiv-öffentlichen Recht des Bezirksschornsteinfegermeisters der Charakter des Verfassungseigentums nicht wegen seiner öffentlichrechtlichen Entstehung, sondern nur wegen der "öffentlich-rechtlichen Elemente" auf Grund einer Wertung anhand verschiedener formaler (Verwertungsbefugnis) und materieller ("eigene Leistung und eigener Kapitalaufwand") Kriterien abgesprochen wurde. Sofern die Entscheidung des BVerfG als Nachweis für die These eines generellen Ausschlusses subjektivöffentlicher Rechte herangezogen wurde 749 , entspricht dies ihrem Inhalt nicht. 750 Auch im Urteil über das Haftentschädigungsgesetz 751 rückt das Gericht im Ergebnis nicht von dieser ursprünglichen These ab. 752 Denn obwohl in dieser Entscheidung eine auf den ersten Blick sehr eindrucksvolle Fülle historischer 753, genetischer754, systematischer755 und teleologischer756 Auslegungsgesichtspunkte zusammengetragen wurde 757 , diente diese nur zur Begründung 748

BVerfGE 1,264,277.

749

Ζ. B. "zustimmend" OVG Münster, OVGE 12, 255, 261; BFH, BStBl. 1959, ΠΙ, 486, 489, wobei allerdings im nächsten Satz der weiterführenden Aussage des BVerfG, bei starken privatrechtlichen Elementen sei Verfassungseigentum anzunehmen, ebenfalls gefolgt wird; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 19 f.; Anderson, Probleme der Wandlung des Eigentumsbegriffs, S. 6, 12 f.; "ablehnend" Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63, 96 Fn. 77; BSG, JZ 1958, S. 20; Dürig, AöR 81 (1956), S. 117, 143; "unentschieden" Jfow, MDR 1952, S. 648, 652; Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 44 f. 750 Vgl. auch Dürig, JZ 1954, S. 4,9 Fn. 27; dens., in: FS für Apelt, S. 13, 21 f.; Nicolaysen, in: FS für Schack, S. 107,108; Zimmer, DÖV 1963, S. 81; Hamann, Art. 14 GG (3. Aufl.), Anm. Β 1 c; BVerwGE 3,254,257. 751

BVerfGE 2,380,398 fif.

752

Vgl. schon die Einschränkung im 3. Leitsatz: "grundsätzlich"; BVerfGE 2,380,381.

753

BVerfGE 2,380,399.

754

BVerfGE 2,380,400.

755

BVerfGE 2,380,401.

756

BVerfGE 2,380,402.

757

Kritisch zu diesem Argumentationsstil ζ. B. Stober, in: Eigentumsschutz sozialrechtlicher Positionen, S. 60,66.

II. Die Schutzobjekte nach der Rechtsprechung des BVerfG

2

der ablehnenden Haltung zur extensiven Rechtsprechung des BGH 7 5 8 , weil im übrigen die Einbeziehung subjektiv-öffentlicher Rechte, die "so starke privatrechtliche Elemente enthalten, daß sie dem verfassungsrechtlichen Begriff des Eigentums zugerechnet werden müssen"759, ausdrücklich offen gelassen wird. Sicherlich kann man den vorgelegten Argumentationsgang, insbesondere wegen der Anknüpfung an die Dogmatik des Art. 153 WRV als wenig überzeugend kritisieren 760, Argumente für die generelle Ausklammerung subjektiv-öffentlicher Rechte allein wegen ihres Entstehungsgrundes lassen sich aus dieser Rechtsprechung aber nicht gewinnen.761 In dem hier interessierenden Zusammenhang sind daher nur die vereinzelt gebliebenen Stimmen in der Literatur, die bei der Verortung einer Vermögenswerten Position im öffentlichen Recht deren Eigentumsfähigkeit generell verneinen, auf ihre Tragfähigkeit hin zu untersuchen. In der wissenschaftlichen Diskussion bis zur Veröffentlichimg der Grundsatzentscheidung des BGH zum weiten Eigentumsbegriff wurde, wenn das Problem der Einbeziehung subjektiv-öffentlicher Rechte überhaupt gesehen wurde, unter Hinweis auf die Interpretation des Art. 153 Abs. 1 WRV als im wesentlichen wortlautgleicher Vorgängernorm 762, die Entstehungsgeschichte des Art. 14 GG 763 und die systematische Stellung im Verhältnis zum privaten Erbrecht 764 an der grundsätzlichen Ablehnung subjektiv-öffentlicher Rechte festgehalten. 765 Diese Argumentationskette, die sich auch im bereits zitierten Urteil des BVerfG über das Haftentschädigungsgesetz teilweise wiederfin-

758

Vgl. BVerfGE 2,380, 401.

759

BVerfGE 2,380,402.

760 Vgl. in diese Richtung ζ. B. Dürig, in: FS für Apeh, S. 13, 14 ff; Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63,97; Ipsen, JZ 1953, S. 663 f. 761 Vgl. ferner BVerfGE 3, 4, 11, wo auf die fehlende Eigenleistung bei subjektiv-öffentlichen Rechten mit Fürsorgecharakter abgestellt wird; ebenso, aber noch deutlicher E 3, 58, 153; E, 4, 219, 240 ff, in der die Merkmale "Verfügungsfreiheit", "auf Dauer fest umgrenztes Recht" und "Gegenleistung" als entscheidend angesehen werden. 76 2 Ζ. B. Giese, Enteignung und Entschädigung, S. 28 Fn. 8; Nipperdey, DRZ 1950, S. 193, 194; VGH BW, JZ 1951, S. 86, 87; BayVGH, DÖV 1952, S. 278. 763 VGH BW, JZ 1951, S. 86, 87; Scholtissek, BB 1952, S. 981; vgl. dazu auch die relativierende Auffassung vom "Wissen des historischen Verfassungsgesetzgebers" bei v. Mangoldt, WDStRL 10 (1952), S. 150,151 f. (Aussprache) 764 BayVGH, DÖV 1952, S. 278. Einen Zusammenhang zwischen Eigentum und Erbrecht "als einem 'Stück Eigentumsschutz"' sieht auch v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 14, Anm. 2. 765

Bemerkenswerterweise geht wohl auch Ipsen, WDStRL 10 (1952), S. 74, 83, der die Kontinuität des Eigentumsschutzes von Art. 153 WRV hin zu Art. 14 GG leugnet, auch davon aus, daß der Gegenstand "im juristisch-technischen Sinne" gleich geblieben sei.

25

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

det 766 , wurde dann aber nach den weiteren gerichtlichen Entscheidungen wohl unter dem Druck der faktisch geänderten Lage nicht weiter verfolgt. 767 Stattdessen wurde von Huber 768 rechtspolitisch mit der drohenden Uferlosigkeit des Enteignungstatbestands argumentiert, der den Gesetzgeber daran hindere, notwendige beschränkende Anpassungen solcher subjektiv-öffentlichen Berechtigungen an die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorzunehmen. Was von diesen Auslegungsergebnissen nach einer kritischen Betrachtung bestehen bleibt, wurde bereits in der damaligen Literatur eindrucksvoll dargestellt, so daß es bei einer knappen Wiedergabe unter Berücksichtigung der bereits oben dargestellten Auslegungsmethoden769 verbleiben kann. Stärkeres Gewicht könnte dabei zunächst den systematischen Erwägungen wegen des direkten Zugriffs auf den Verfassungstext zukommen. Aus der Nennung des Erbrechts als einem Institut des Privatrechts neben dem Eigentum kann allerdings dessen Beschränkung auf privatrechtlich verfestigte Rechtspositionen nicht geschlossen werden. 770 Zum einen bildet das Erbrecht neben dem Eigentum nur einen Ausschnitt aus dem Bereich der geschützten privaten Vermögenssphäre, zum zweiten unterfallen auch Vermögenswerte subjektivöffentliche Rechte, die nicht an die Person des Rechtsträgers gebunden sind, ebenfalls der Erbmasse.771 Mit der systematischen Gleichstellung zwischen Eigentum und Erbrecht sollte somit nur deren Zusammengehörigkeit als Grundpfeiler der privaten Vermögensordnung als der Vermögensordnung der Privaten unterstrichen werden, ohne daß sich weitere Rückschlüsse auf den Umfang der jeweiligen Schutzbereiche ableiten ließen.772 Auch die in diesem Zusammenhang vom BVerfG übernommene systematische Auslegung des preußischen OVG zu Art. 153 Abs. 1 WRV innerhalb des 5. Abschnitts des 2. Hauptteils "Das Wirtschaftsleben" trägt den Veränderungen des Aufbaus des Abschnitts über die Grundrechte im GG nicht Rechnung. Das Argument, Art. 14 GG stehe zwischen Art. 13 GG, der die Unverletzlichkeit der Wohnung regele, und dem Sozialisierungsartikel und diene deshalb 766

BVerfGE 2, 380, 398 ff.

767

Vgl. Giese, DRiZ 1953, S. 61 unter Hinweis auf den Wandel der Verhältnisse.

768

Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, § 69 II Nr. 1 a (S. 19).

769

Vgl. oben die Ausführungen S. 46 bis 73.

770

So im Ergebnis Forsthoff, NJW 1955, S. 1249, 1250; Dürig,, in: FS für Apelt, S. 13, 15; Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63, 97. 771 Vgl. schon Staudinger-#erz/è/ Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 1 GG, Anm. 4, der von einer Fortbildung der Weimarer Verfassung bezüglich dieser Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte spricht. 1196

BVerfGE 7, 377, 403 f. unter Hinweis auf E 4, 32, 40 f.; 7, 198, 208 f. Streng genommen ist gerade Art. 1 Abs. 3 GG kein Argument für diese Rechtsprechung, da aus ihm nur die Bindung des Gesetzgebers an alle Grundrechte dem Grunde nach abgeleitet werden kann. Die Stärke dieser Bindung könnte dagegen je nach der in den einzelnen Artikeln gewählten Formulierung differieren, so daß im Extremfall nur eine Bindung an die Wesengehahssperre möglich erschiene. 1197

BVerfGE 7,377, 397.

1198

BVerfGE 7, 377, 397. Vgl. zum Begriff nur v. mnchJGubelt, Art. 12 GG (4. Aufl.), Rdnr. 11; femer Maunz/Dürig-ScAo/z, Art. 12 GG, Rdnr. 266 ff. 1199 BVerfGE 7, 377, 404 f.; dem Gericht im Ergebnis folgend Bachof, in: Die Grundrechte, Bd. 3/1, S. 155,,209 f. 1200

Vgl. Hesse, AöR 95 (1970), S. 449,460; Breuer, in: HbStR, Bd. 6, § 147, Rdnr. 35.

1201

BVerfGE 13, 97,106.

3

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

BVerfG 1202 bei solchen Maßnahmen heranzuziehen ist, wird aus den Entscheidungen des Gerichts nicht immer hinlänglich deutlich1203 , wobei die unterschiedlichen Auffassungen zu diesem Problem hier unerörtert bleiben können. Im Bereich der Eigentumsfreiheit stellt sich das Problem des "Leerlaufs" des Grundrechts gegenüber dem Gesetzgeber im Sinne einer bloßen Bindimg an eine vage Institutsgarantie umso dringlicher, als nach Auffassung des BVerfG das Bezugsobjekt dieses Grundrechts abweichend von Art. 12 Abs. 1 GG, der wie oben geschildert auch die Möglichkeit des einzelnen zur Aufnahme und Ausübung eines untypischen, gesetzlich nicht festgeschriebenen Berufs schützt 1204 , zwingend der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung bedarf. 1205 Es ist daher nicht verwunderlich, daß in der damaligen Literatur wegen dieser Abhängigkeit vom Gesetz vermehrt die Ansicht vertreten wurde, die Gestaltungsmacht des Gesetzgebers sei ausschließlich durch die Wesensgehaltssperre als letzter absoluter Grenze infolge der in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG neben dem (insofern leerlaufenden) Individualgrundrecht enthaltenen objektiven Institutsgarantie begrenzt. 1206 Das BVerfG hatte zunächst kaum Gelegenheit, auf die Bindungen des Gesetzgebers bei der Statuierung eigentumsrelevanter Gesetze einzugehen, da es sich nur mit der Bestimmung des gegenständlichen Schutzbereichs beschäftigen mußte1207 und lediglich mittelbare Einwirkungen

1202 V g l Spechi , JA 1991 (Übungsblätter), S. 16, 18. Auch das Gericht begreift sein Argumentationsmuster nur als Konkretisierung dieses Grundsatzes (E 7, 377, 404 f.), so daß die Kritik Ipsens (JuS 1990, S. 634fif.) tatsächlich nur ein "Scheinproblem" betrifft. 1203 Vgl. Maunz/Dürig-ScÄoZz, Art. 12 GG, Rdnr. 27 f. Vgl. zur Kritik an dieser "Berufsbilder"Rechtsprechung, die zu einem partiellen "Leerlauf' dieses Grundrechts führen soll, Breuer, in: Die Grundrechte, Bd. 6, § 147, Rdnr. 38 f.; v. Münch/Gubelt, Art. 12 GG (4. Aufl.), Rdnr. 12-14; Ipsen, JuS 1990, S. 634, 635; Rupp, AöR 92 (1967), S. 212,221 f.

1204 BVerfGE 7, 377, 397; zum damaligen Streitstand zur Frage, ob Art. 12 Abs. 1 GG ein nach traditionellen Merkmalen (also gesellschaftlich) bestimmtes Berufsbild oder gar eine rechtliche Fixierung verlange, Bachof, in: Die Grundrechte, Bd. 3/1, S. 155,187 fif. 1205 V g l eindringlich Bachof, in: Die Grundrechte, Bd. 3/1, S. 155, 208 mit Fn. 205, wonach die Eigentumsfreiheit "der inhaltlichen (d. h. konstitutiven, vgl. Fn. 205) Ausgestaltung und Begrenzung (nicht Einschränkung!) zugänglich oder sogar bedürftig sei." (Klammerzusatz im Original); ferner Ipsen, VVDStRL 10 (1952) S. 74, 85 f. 1206 Ipsen, VVDStRL 10 (1952), S. 74, 85; ders., VVDStRL 10 (1952), S. 169, 171 (Aussprache), Ridder, VVDStRL 10 (1952), S. 124,136; wohl auch Scheuner, VVDStRL 10 (1952), S. 153, 155 (Aussprache); ders., in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63, 68; Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 358. 1207 Abgrenzung des Eigentums als Rechtsposition von den übrigen wirtschaftlich bedeutenden Positionen in BVerfGE 4, 7, 17; Bindung der Eigentumsfreiheit an den rechtlichfixierten Rahmen in BVerfGE 6,290, 300; Abgrenzung der Eigentumsposition nach dem Rechtscharakter der begründenen Norm in BVerfGE 1, 264, 276fif.; 2, 380, 402; 3, 58, 153; 4, 219, 240.

I I . De S c h u t z n a c h der Rechtsprechung des BVerfG

3

auf das Eigentum ausschied.1208 In diesem Zusammenhang legte es sich insoweit fest, als die Eigentumsfreiheit nur das Eigentum, "so wie das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen es geformt haben", schützen wolle. 1209 Später machte es aber deutlich, daß es im Rahmen der Eigentumsfreiheit einer solchen extensiven Auffassung nicht folgen wollte, sondern eine umfangreiche Prüfung des eigentumsrelevanten Gesetzes in formeller und materieller Hinsicht vorzunehmen gedachte.1210 Im Rahmen einer solchen Kontrolle wurden in den einzelnen Entscheidungen folgende Gesichtspunkte angesprochen:

aa) Bindung an das Rechtsstaatsprinzip

Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des Eigentumsinhalts die aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsätze, also ζ. B. den der Normklarheit und -bestimmheit1211 oder die Rechtsweggarantie1212 zu befolgen. 1213 Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde nach damaliger Ansicht des Gerichts dort verortet 1214 , allerdings soll er wegen seiner überragenden Bedeutung für den effektiven Schutz der Eigentumsfreiheit gesondert behandelt werden.

1208

Vgl. BVerfGE 4,7,17 zur Auferlegung einer Geldleistungspflicht.

1209 V g i BVerfGE 1, 264, 278, allerdings mit dem Hinweis auf das Rechtsinstitut des Eigentums; ferner E 2, 380, 402; 4, 219, 240. Die Frage, ob das Gericht mit dieser Aussage neben dem gegenständlichen Bereich auch eine Bestimmung der in Art. 14 Abs. 1 GG nach herrschender Meinung enthaltenen Institutsgarantie vornehmen wollte, ist umstritten. Ablehnend z. B. Böhmer, NJW 1988, S. 2561,2567; bejahend Nierhaus, AöR 116 (1991), S. 72,99. 1210

Vgl. BVerfGE 8, 71, 80; 14, 263, 278; 18, 121, 132; 20, 351, 355; 21, 73, 79; 25, 112,

117 f. 1211

BVerfGE 21,73,79.

1212

Vom Gericht in E 18, 121, 132, 126 als "rechtsstaatliche Kontrolle" bezeichnet. Allerdings wurde die Frage, ob die in Art. 19 Abs. 4 GG verankerte Garantie unabänderlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips sei, später vom BVerfG (E 30, 1, 25) mit dem Argument abgelehnt, nur das Postulat einer effektiven "Rechtskontrolle" könne aus diesem Staatsprinziup abgeleitet werden. Vgl. zu diesem Streit die Gegenposition in der abw. Meinung E 40, 33, 40 f. und zusammenfassend v. MünchIHendrichs, Art. 19 GG (3. Aufl.), Rdnr. 56. 1213

Allgemein verweist BVerfGE 14, 263, 278 auf die Pflicht zur Beachtung des Rechtsstaatsprinzips. 1214 BVerfGE 7, 377, 404 f.; 30, 1, 20, 25; weitere Nachweise bei Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568, 584 Fn. 87; kritisch dazu z. B. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 32 ff. m. w. N.

22 Eschenbach

3

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

bb) Bindung an den Gleichheitssatz Ferner ist auch der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG bei der Inhaltsbegrenzung zu berücksichtigen.1215 Differenzierende Regelungen innerhalb der von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfaßten Güter bedürfen somit eines sachlichen Grundes, Gleichbehandlungen verschiedener Güter dürfen nicht unter Beachtung "einer an Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise unerträglich (erscheinen)".1216 Bemerkenswert an dieser Inkorporation des Art. 3 Abs. 1 GG als eigenständigem Grundrecht in den Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist zweierlei: Zum einen wird diese Inzidenterprüfung nicht durchgängig durchgehalten.1217 Zum zweiten wird die Methodik bei der Prüfung dieser beiden Grundrechte wie auch die jeweils konkret ermittelten Ergebnisse für wechselseitig übertragbar gehalten1218 und dies, obwohl sich Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte doch von ihrer Wirkungsweise erheblich unterscheiden.1219

cc) Bindung an das Sozialstaatsprinzip

Als weiteres Kriterium zur Begrenzung des nach dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG grenzenlosen Gestaltungsspielraums nennt das Gericht vereinzelt das Sozialstaatsprinzip.1220 Eine begrenzende Wirkung für die Aktivitäten des Gesetzgebers läßt sich allerdings aus diesem Verfassungsgrundsatz trotz seiner mittlerweile unbestrittenen Rechtssatzqualität1221 nicht ableiten. Vielmehr ermöglicht er als relativ unbestimmter Gestaltungsauftrag dem Gesetzgeber als dem primären Adressaten1222 in weitem Umfang sozialpolitisch motivierte Vorhaben, ohne daß ihm aus diesem Prinzip außerhalb der Grenze

1215

Vgl. BVerfGE 14,263,278; Beispiel in E 21,72, 83, 84.

1216

BVerfGE 21, 72, 83, 84.

1217

Vgl. BVerfGE 14, 263, 284 ff.; 18, 121, 124 ff, wo ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG isoliert geprüft wird. 1218 vgl. BVerfGE 14,263,285; 18,121, 132. 1219

Vgl. oben die Ausführungen auf S. 112 f.

1220

Vgl. BVerfGE 14,263, 278,286.

1221

Vgl. zum Streitstand v. Münch/Schnapp, Art. 20 GG (4. Aufl.), Rdnr. 16.

1222

Vgl. nur v. Münch/Schnapp, Art. 20 GG (4. Aufl.), Rdnr. 19; Stern, Staatsrecht, Bd. 1, § 21 III 3 (S. 915) m. w. N.

I I . De S c h u t z n a c h der Rechtsprechung des BVerfG

33

der offensichtlichen Willkür normative Beschränkungen auferlegt sind. 1223 In der Literatur wurde demgegenüber die Sozialpflichtigkeitsklausel des Art. 14 Abs. 2 GG als spezielle Ausprägung des Sozialstaatsprinzip begriffen, so daß es für die Legitimation des Gesetzgebers bei der Abgrenzung zwischen Eigentümerinteressen und dem Gemeinwohl es eines solchen Rückgriffs auf diesen allgemeinen Grundsatz nicht bedürfe. 1224

dd) Bindung an das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit

Auch das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) soll bei der Prüfung eigentumsrelevanter Gesetze im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Gestaltungsmacht des Gesetzgebers begrenzen.1225 Im konkreten Fall wurden die Auslegungsergebnisse einer eigentumsbestimmenden Norm durch den BGH als unangemessen verworfen, wobei als Grundlage für die Verortung der Angemessenheitsprüfung festgestellt wurde, "daß eine Inhaltsbestimmimg des Eigentums auch das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit beachten (müsse); eine solche Regelung (...) die Handlungsfreiheit im Bereich der Eigentumsordnung nicht unverhältnismäßig beschneiden (dürfte)" 1226 . Dieser von der Literatur teilweise gebilligte Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG als dem allgemeinen Freiheitsgrundrecht 1227 als Legitimationsbasis für den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verbietet sich allerdings vor dem Hintergrund, daß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gegenüber Art. 2 Abs. 1 GG als Spezialgrundrecht anzusehen ist. Überdies erscheint der Verweis auf

1223 Vgl. BVerfGE 10, 354, 370 f.; 18, 257, 273; 29, 221, 235; 44, 70, 79; 48, 227, 234; 51, 43, 58; 51, 115, 125; 52, 264, 274; Stern, Staatsrecht, Bd. 1, § 21 III 3 (S. 916); v. Münch/Schnapp, Art 20 GG (4. Aufl.), Rdnr. 19: "Was im einzelnen sozialstaatlich geboten ist, bestimmt der Gesetzgeber."; Maunz/Dürig-ScÄoZz, Art 20 VIII GG, Rdnr. 25; Ipsen, Staatsorganisationsrecht, Rdnr. 971. 1224 Vgl. Badura, AöR 92 (1967), S. 382, 406 f.; Maunz/Dürig-ScÄo/z, Art. 20 VIII GG, Rdnr. 5; vgl. femer die Kritik bei Ipsen, AöR 91 (1966), S. 86, 97 an der Entscheidung des BVerfG in E 14, 263 ff wegen der Nichtberücksichtigung des Art. 14 Abs. 2 GG und dens., AöR 91 (1966), S. 101, wo er die Funktion des Art. 14 Abs. 2 GG als "Direktive" an den Gesetzgeber hervorhebt. 1225

BVerfGE 14,263, 278; 21, 73, 86.

1226

BVerfGE 21, 73, 86. Die Prüfung der Geeignetheit und Erforderlichkeit nahm das Gericht dagegen ohne den Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG im vorstehenden Absatz vor. 1227 Vgl. mir Hamann, Art. 14 GG (3. Aufl.), Anm. 4 b m. w. N.;Krefl, öffentlich-rechtliche Ersatzleistung, Vor § 839, Rdnr. 47; Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568, 598; deutlich auch Konow, Eigäitumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, S. 74 f., der eine Verletzung gleich von mehreren Grundrechten durch eine inhaltliche Begrenzung des Eigentums für möglich hält; wohl auch Stein, Grundkurs im öffentlichen Recht I, (9. Aufl.), S. 348.

22*

34

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Art. 2 Abs. 1 GG auch gefährlich, als aus ihm nicht deutlich wird, daß hier die in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG angelegte spezielle Spannungslage bei der Prüfung zu berücksichtigen ist. 1228 In anderen Entscheidungen hat das Gericht Art. 2 Abs. 1 GG auch nicht mehr herangezogen.1229

ee) Bindung an die Institutsgarantie

Entsprechend der zu Art. 153 Abs. 1 WRV vertretenen herrschenden Meinung soll auch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur ein konkretes individuelles Freiheitsgrundrecht, sondern daneben auch das Rechtsinstitut des Privateigentums als Bestandteil eines grundgesetzlichen objektiven Wertordnungsgefüges zur Sicherung und als notwendige Voraussetzung für das Individualgrundrecht beinhalten.1230 Bei der Aus- und Umgestaltung der einzelnen eigentumsfähigen Rechtspositionen setzt diese Institutsgarantie dem Gesetzgeber eine letzte absolute Grenze, als er "an die Stelle des Privateigentums (nicht) etwas setzen (dürfe), was den Namen 'Eigentum' nicht mehr verdient" 1231 . Diese doppelte Gewährleistung eines individuellen Freiheitsbereichs und des der freiheitlichen Betätigung zugrundeliegenden, den Anforderungen des Grundrechts genügenden Eigentumsordnung als Gestaltungsrahmen klang bereits in früheren Entscheidungen des Gerichts zu Art. 14 Abs. 1 GG durch, als dem Gesetzgeber die Beachtung der grundlegenden Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums auferlegt wurde 1232 , wobei allerdings insoweit eine Klarstellung erfolgt, als in keinem Fall und nicht nur unter dem 1228

Vgl. i. E. Krämer, NJW 1977, S. 1426,1427 f.; femer Seetzen, NJW 1975, S. 429, 430.

1229

Vgl. ζ. B. BVerfGE 25,112, 117. 1230 ßVerGE 24, 367, 389; aus derfrüheren Literatur vgl. nur v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 14, Anm. 2; Reinhardt, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 1, 26, der allerdings die Institutsgarantie ("die Eigentumsordnung") mit der Wesensgehaltssperre des Art. 19 Abs. 2 GG als Schutzgrenze verknüpft; ähnlich Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63, 69: "Zum Wesensgehalt des Eigentums im Sinn des Art. 19 Absatz 2 des Grundgesetzes gehört nicht nur die Substanz des individuellen Eigenzumsrechts, sondern auch die Bedeutung und die Funktion des Eigentums als eines objektiven Rechtsinstituts im Rahmen der Privatrechtsordnung."; Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 355. 1231 BVerfGE, 24, 367, 389; vgl. auch BVerfGE 25, 112, 117 wonach "der Gesetzgeber den grundlegenden Gehalt der Eigentumsgarantie wahren (müsse)." 1232 Vgl. ζ. B. BVerfGE 14, 263, 278; 18, 121, 132; 21, 73, 82; 21, 150, 155. Vgl. femer zur grundlegenden Entscheidung des Grundgesetzes zum Schutz der grundrechtlich erfaßten Bereiche als Zeichen einer Wertordnung allgemein BVerfGE 7,198, 205; zur doppelten Funktion des Art. 6 Abs. 1 GG als Institutsgarantie und als Schutznorm der Individuen gegenüber dem Staat BVerfGE 6, 55, 7276; 10, 60, 66 f.

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Vorbehalt des Verhältnismäßigkeitsprinzips elementare Bereiche der allgemeinen geregelten wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten der Bürger durch eine Ausklammerung bzw. Entziehung aus dem Ordnungsrahmen angetastet werden dürfen. 1233 Die Übernahme dieser aus der Zeit der Geltung des Art. 153 Abs. 1 WRV auf Grund der Ohnmacht gegenüber der Allmacht des Gesetzgebers mit dogmatisch zweifelhaften Erwägungen geschaffenen Konstruktion einer Institutsgarantie als letzte Grenze hoheitlichen Handelns1234 in den Bereich des Art. 14 Abs. 1 Satz GG 1235 könnte aber mit der aiisdrücklich in Art. 19 Abs. 2 GG normierten Wesensgehaltssperre kollidieren, die zusammen mit Art. 1 Abs. 3 GG als bewußte Reaktion auf die z. Zt. der WRV unbefriedigenden Zustände gedacht war. 1236 Die schlichte Übernahme dieses Institutsdenkens ohne Berücksichtigung des geänderten Normgefüges im Grundgesetz nur auf Grund einer historischen Argumentation würde jedenfalls der Bedeutung dieser Interpretationsmethode bei der Sinnermittlung einer Verfassungsnorm widersprechen. 1237 Unter Berücksichtigung des Art. 19 Abs. 2 GG könnte daher die eigenständig herausgebildete Institutsgarantie in Art. 14 Abs. 1 GG zur Absicherung eines letzten Grundbestandes wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit zumindest als überflüssig erscheinen.1238 Notwendige Voraussetzung für diese Schlußfolgerung wäre allerdings, daß Art. 19 Abs. 2 GG wenigstens der gleiche Bedeutungsinhalt zugemessen werden könnte, er für den Schutz der individuellen Eigentumsfireiheit den gleichen Beitrag als absolute Grenze gesetzgeberischer Befugnis zu leisten vermag, der z. Zt. der Weimarer Repu-

1233

BVerfGE 24, 367, 389; Pieroth/Schlink,

Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 1047.

1234 Vgl bereits die Ausführungen zur Rechtslage in dieser Zeit auf S. 56fif.; zur Kritik Dürig, Ztschr. für die gesamte Staatswissenschaft 109 (1957), S. 326, 332 f.; ders., JZ 1954, S. 4; Erichsen·, NJW 1976 S. 1721, 1723 f. 1235 Vgl. ζ. B. die Bezüge auf Wolff und C. Schmitt bei Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 357 f. bzw. S. 355 Fn. 36. Bezeichnenderweise gibt das BVerfG über seine These der in Art. 14 GG enthaltenen Institutsgarantie hinaus keinerlei Hinweis auf seine Verankerung in den einzelnen Grundrechten. 1236 Vgl. v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 1, Anm. 4; Art. 19, Anm. 1 mit Bezug auf Art. 21 HChEnw.; zum Streit über die Deutbarkeit der Regelung des Art. 19 Abs. 2 GG in diese Richtung im Rahmen einer genetischen Auslegung auf der einen Seite AKDenninger, Art. 19 Abs. 2 GG, Rdnr. 1, der dem Verfassungsgeber zumindest auch diese Intention unterstellt, und auf der anderen Seite Erichsen, NJW 1976, S. 1721, 1722. 1237 1238

Vgl. die Ausführungen auf S. 57fif. und Schick, AöR 94 (1969), S. 353, 386 f.

So schon Dürig, Ztschr. für die gesamte Staatswissenschaft 109 (1953), 326, 334; ders., in: Maunz/Dürig, Art. 1 Abs. 3 GG Rdnr. 98; Willke, Stand und Kritik der neueren Grundrechtstheorie, S. 123 f.; Erichsen, NJW 1976, S. 1721, 1724; Schnur, VVDStRL 22 (1965), S. 101, 117; Ipsen, in: Recht und Wirtschaft, S. 129, 135 f; v. Münch/Bryde, Art. 14 GG (4. Aufl.), Rdnr. 32.

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blik der Institutsgrenze zugeschrieben wurde. Wenn demgegenüber die Institutsgarantie als objektivrechtlicher Bestandteil einen gegenüber Art. 19 Abs. 2 GG abweichenden Begrenzungs- und Beurteilungsmaßstab für die Überprüfung gesetzgeberischen Handelns ermöglicht, wäre ihre gleichsam gewohnheitsrechtliche Weitergeltung im Rahmen des Grundgesetzes1239 diskutabel. Zu klären wäre dann, ob die mit dem Institutsgedanken verbundene weitergehende Bindung des Gesetzgebers sich mit dem Regelungsgefuge des Grundgesetzes vereinbaren läßt.

(1) Wesen und Wirkungsweise der Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG

"Die Institutsgarantie sichert einen Grundbestand von (einfachgesetzlichen) Normen, die als Eigentum im Sinne (des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) bezeichnet werden." 1240 Der Gesetzgeber ist somit gezwungen, die von ihm vorgefundenen Regelungen zur Ausgestaltung und Präzisierung von grundrechtlich erfaßten Schutzbereichen soweit zu respektieren, als sie für die Wahrnehmung der Freiheitsbereiche durch die Grundrechtsträger von elementarer Bedeutung sind. 1241 Unter Berücksichtigung der Auffassung des BVerfG, daß der Schutzbereich der individuellen Eigentumsfreiheit als Bestandsschutz der dem Individuum zuerkannten Vermögenswerten Güter von der Ausgestaltung durch die einfache Rechtsordnung konstitutiv abhängig ist, wird damit die Zielrichtung der Institutsgarantie deutlich: Der Gesetzgeber wird mit ihrer Hilfe verpflichtet, die bestehenden Regelungen, die bei den als wesentlich erachteten Vermögenswerten Gütern zu ihrer wirtschaftlichen Verfügung und Nutzung "im Kern" erforderlich sind, bei zukünftigen Umgestaltungen der Rechtsordnung zu respektieren. 1242 Damit läßt sich die Wirkungsweise der Institutsgarantie

1239

Vgl Weber, in: Die Grundrechte, Bd.2,S.331, 355: "Ês ist anerkannten Rechts (...)".

1240

Β VertGE 24, 367, 389; vgl. ferner zu Art. 6 Abs. 1 GG BVerfGE 6, 55, 72; 10, 59,66.

1241

Β VertGE 24, 367, 389; Schnur, WDStRL 22 (1965), S. 101, 117 mit Fußnote 38; Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 355 Fn. 36; Abel, Die Bedeutung der Lehre von den Einrichtungsgarantien tur die Auslegung des Bonner Grundgesetz, S. 90; Maunz/Dürig-Pop/er, Art. 14 GG, Rdnr. 11; Stein, Staatsrecht, § 13 III (S. 165). 1242 Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 361; Krüger, in: Die Grundrechte, Bd. 3/1, S. 267, 316; Stein, Staatsrecht, § 13 III (S. 165); Badura, in: Handbuch des Verfassungsrechts, S. 653, 665.

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im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG 1243 derart zusammenfassen, als sie konservierend einen Minimalbestand von Normen, die die Existenz und privatnützige Funktionfähigkeit von einzelnen vermögensrechtlichen Güterarten ermöglichen und regeln, vor aufhebenden Zugriffen durch den Gesetzgeber sichert, wobei dann allerdings die Frage zu beantworten ist, wann eine solche wesentliche Güterart vorliegt. 1244 Die Institutsgarantie geht dabei über die Schutzwirkung des in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG enthaltenen Individualgrundrechts hinaus, als sie unabhängig von der Frage, ob ein Inhaber einer konkreten Rechtsposition durch die gesetzliche Regelung betroffen wurde, auch bei der erstmaligen Schaffung einer neuen Rechtspositon einen Prüfungsmaßstab erlaubt 1245 , ohne daß der Einhaltung dieser gesetzgeberischen Grenze ein Anspruch des einzelnen Bürgers gegenüberstünde.1246 Die fehlende verfassungsgerichtliche Überprüfbarkeit bei der Schaffung eigentumsrelevanter Positionen als zwangläufige Folge der einfachgesetzlichen Anbindung des Schutzbereichs des primär individuellen Freiheitsgrundrechts trotz der zumindest mittelbaren zukünftigen Auswirkungen auf den gewährleisteten Bereich

1243 Wegen der vom BVerfG angenommenen und hier nicht zu problematisierenden Abhängigkeit der individuellen Eigentumsfreiheit von der Ausgestaltung durch das einfache Recht braucht hier nicht auf die über diesen Bereich hinausgehende Auffassung, wonach jedes Grundrecht einer derartigen institutionellen Deutung zugänglich sein soll, deshalb einfach-gesetzliche Normen, die dem von einem Grundrecht erfaßten Lebensbereich "Richtung und Maß, Sicherheit und Geborgenheit, Inhalt und Aufgabe" geben und diesen nur ordnen und ausgestalten und nicht beschränken (so Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 98 f., 180 ff.; vgl. auch dazu kritisch Bökenförde, NJW 1974, S. 1529, 1532, Merten, Verw.Arch. 73 [1982], S. 103, 110 f; Stern, Staatsrecht, Band 3/1, § 68 III 2b [S. 793 f.]), nicht näher eingegangen zu werden.

1244 Vgl zu (1er Deutung des Begriffs der "Sachbereiche" der Privatrechtsordnung, die zum elementaren Bestand zur Ermöglichung der wirtschaftlichen Betätigung gehören, in BVerfGE 24, 367, 389 die Ausführungen in BVerfGE 58, 300, 339. Danach scheint die Grenze, die sich aus der Institutsgarantie für den Gesetzgeber bei der Ausklammerung ganzer Güterkategorien aus der Privatrechtsordnung ergibt, unter Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nur relativ zu sein - eine Aussage, die sich trotz gegenteiligen Zitats nicht auf BVerfGE 24, 367, 389 f. berufen kann. Dort ging es nur um die formale Ausklammerung bereits sich in öffentlicher Hand befindlicher Güter aus der Privatrechtsordnung, die aber von ihrer Zweckbestimmung her schon nicht mehr privatnützig waren. 1245 Vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. 3/1, § 68 IV 9 (S. 829); Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 183 f., wobei zu beachten ist, daß dieser Autor Inhalt- und Schrankenbestiinmungen trennt und erstere bei der SchafSung einer Rechtsposition annehmen will; für den Bereich des Art. 6 Abs. 1 GG Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 750 f.

1246 Ygi 2u der Kritik einer derartig einseitigen institutionellen Sicht, die als "nutzlos" empfunden wird, Leisner, WDStRL 22 (1965), S. 179 (Aussprache), S. 186 (Aussprache); Bachof, WDStRL 22 (1965), S. 184 (Aussprache), S. 192 (Aussprache); Obermayer, WDStRL 22 (1965), S. 185 (Aussprache); Scheuner, WDStRL 22 (1965), S. 201, 203 f. (Aussprache).

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

bleibt ein Merkposten bei der später zu behandelnden Frage, ob das Verfassungseigentum zwingend als Rechtspostion zu definieren sei. 1247

(2) Die Auslegung des Art. 19 Abs. 2GGzum Vergleich

Die Wirkungsweise der Wesensgehaltssperre nach Art. 19 Abs. 2 GG ist bis heute umstritten geblieben. Dies liegt sicherlich daran, daß der Wortlaut der Vorschrift alles andere als eindeutig ist, ein Umstand, der für sich genommen aber kein singuläres Phänomen innerhalb des Grundgesetzes darstellt. Schon der Begriff des Wesens eines Grundrechts ist aus sich heraus wenig ergiebig 1 2 4 8 , was die in der älteren Literatur üblichen Umschreibungen dieses Begriffs mit "Grundsubstanz" 1249, "Wesenskern"1250 oder Beibehaltung der Funktonsfahigkeit des Grundrechts 1251 zum Ausdruck bringen. 1252 Immerhin lassen sich die verschiedenen Äußerungen wohl dahingehend zusammenfassen, als die Bestimmung des wesentlichen Gehalts aus den einzelnen Grundrechtsbestimmungen selbst abzuleiten ist und Art. 19 Abs. 2 GG diesen keine zusätzlichen Geltungsbereiche verschafft. 1253 Bedarf damit der Grad einer Beeinträchtigung, die nach Art. 19 Abs. 2 GG unzulässig ist, der näheren Präzisierung durch die übrigen Auslegungsmethoden, so gilt dies auch für das 1247

Entgegen der Ansicht Leisners (in: HbStR, Bd. 6, § 149, Rdnr. 79) hat das BVerfG in E 21, 73, 79 f. nicht die Verpflichtung des Gesetzgebers zur rechtlichen Ausgestaltung vermögenswerter Güter und die damit erfolgende Unterschutzstellung unter Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG aus der Institutsgarantie des Art. 14 GG abgeleitet, da es in dem entschiedenen Fall nur darum ging, die Anforderungen an eine Inhaltsbestimmung zu definieren, die sich erst dann ergeben können, wenn sich der Gesetzgeber prinzipiell zu diesem Schritt entschlossen hat. 1248 Vgl. nur v. Münch/Krebs, Art. 19 GG (4. Aufl.), Rdnr. 22; Erichsen, NJW 1976, S. 1721, 1723; Maunz/Dürig-A/awwz, Art. 19 Abs. 2, Rdnr. 2; Scheuerle, AcP 163 (1964), S. 429 f. 1249

Hamann, Art. 19 GG, Anm. 7; BK-Wernicke, Art. 19 GG, Anm. 2a.

1250

V. Mangoldt/AT/e/w, Das Bonner Grundgesetz, Art. 19 Anm. V 4.

1251

Krüger, DÖV 1955, S. 597 ff.

1252 Vgl. die Kritik bei Dürig, AöR 81 (1956), S. 117, 133 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 344 zur Theorie vom absoluten Wesensgehalt; v. Münch, Grundbegriffe des Staatsrechts I, Rdnr. 251; Herbert, EuGRZ 1985, S. 321, 323. Vgl. ferner Hesse, Grundzüge der Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 333 a. E.: "nicht immer leicht zu bestimmenden absoluten Wesenskern". 1253 V. Münch/ATreta, Art. 19 GG (4. Aufl.), Rdnr. 22; Hamann, Art. 14 GG Anm. 7, der den Wesensgehalt als minus zum Inhalt des einzelnen Grundrechts begreift; Stein, Staatsrecht, § 24 III (S. 263); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 332 ff; v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 19, Anm. 4; AKDenninger, Art. 19 Abs. 2 GG, Rdnr. 12; Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 342 m. w. N.; v. Münch, Grundbegriffe des Staatsrechts I, Rdnr. 251.

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Regelungsobjekt dieser Norm. Auch der Begriff "ein Grundrecht" ist insoweit nicht eindeutig, er kann sowohl die einzelne Bestimmung im Katalog als das den Gesetzgeber unmittelbar bindende Grundrecht des einzelnen, als auch die objektiv-rechtliche Norm als solche bezeichnen.1254 Stellt man zur Konkretisierung der Reichweite des Art. 19 Abs. 2 GG von seinem Regelungsobjekt her im Rahmen einer systematischen Auslegung auf Art. 19 Abs. 1 - insbesondere Satz 2 - GG ab und begreift ihn als Begrenzung der dem Gesetzgeber durch die Vorbehalte eingeräumte Kompetenz zur Beschränkung und Ausgestaltung des Wirkungskreises des Grundrechtsbereiche, so gelangt man zu dem Ergebnis, daß hier nur die "Grundrechtsbestimmung" als solche und nicht das aus ihr resultierende Grundrecht des einzelnen gemeint sein könne.1255 Art. 19 Abs. 2 GG würde damit bezogen auf das Eigentum nur die Unantastbarkeit eines vom Gesetzgeber vorgefundenen Normmindestbestandes, der das Rechtsinstitut Eigentum umschreibt, bedeuten.1256 Zieht man zur systematischen Auslegung des Art. 19 Abs. 2 GG in erster Linie Art. 1 Abs. 1 GG heran und betont damit den Charakter der Grundrechte als subjektive Rechte des einzelnen, so liegt es demgegenüber nahe, Art. 19 Abs. 2 GG als SchrankenSchranke des gesetzgeberischen Handelns gegenüber dem einzelnen individuellen Grundrecht und die Wesensgehaltssperre schon dann als verletzt anzusehen, wenn eine Regelung im Extremfall den individuell geschützten Lebensbereich wesentlich antastet.1257 Kompliziert und verschärft wird die Diskussion zwischen diesen beiden Extremauffassungen dadurch, daß sie sich von ihren Ergebnissen her wechselseitig unbillige Ergebnisse vorwerfen.

1254 Erichsen, NJW 1976, S. 1721, 1722; v. UHnch/Krebs, Art. 19 GG (4. Aufl.), Rdnr. 22; vgl. femer allgemein über die den Bedeutungsinhalt des Begriffs bei der Verwendung im Grundgesetz Stern, Staatsrecht, Bd. 3/1, § 63 III 3a (S. 355 f.); Maunz/Dürig-Dwng, Art. 1 Abs. III GG, Rdnr. 95 f.; AK-Denninger, Art. 1 Abs. 2,3, Rdnr. 16, 20; v. MünchJKunig, Art. 1 GG (4. Aufl.), Rdnr. 59. 1255 Vgl. Herzog, in: FS für Zeidler, Bd. 2, S. 1415, 1424 f.; allgemein zu dieser Einschätzung Stern, Staatsrecht, Bd. 3/1, § 63 III 3a (S. 356). 1256 Vgl. schon Quaritsch, DVB1. 1959, S. 455, 457; Erichsen, NJW 1976, S. 1721, 1723; v. MünchIHendrichs, Art. 19 GG (3. Aufl.), Rdnr. 24; Willke, Stand und Kritik der neueren Grundrechtstheorie, S. 123; v. Mangoldt/A7e/>i, Das Bonner Grundgesetz, Art. 14 GG, Anm. V ld; v. MünchIBryde, Art. 14 GG (4. Aufl.), Rdnr. 32; wohl auch Maunz/Dürig-Pap/er, Art. 14 GG, Rdnr. 274; für den Bereich der "Koalitionszweckgarantie" des Art. 9 Abs. 3 GG und Maunz/DürigScholz, Art. 9 GG, Rdnr. 267. 1257

So als erster Dürig, AöR 81 (1956), S. 117, 136, 141 unter ausdrücklicher Ablehnung der institutionellen Sichtweise in Fn. 57; ders., JZ 1954, S. 4, 10; v. Münch/Krebs, Art. 19 GG, (4. Aufl.) Rdnr. 24; Pieroth/Schlink, Die Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 349; AK-Denninger, Art. 19 Abs. 2 GG, Rdnr. 5; Stein, Staatsrecht, § 24 III (S. 262); Lepa, Der Inhalt der Grundrechte, Art. 19 GG Rdnr. 28. Auch Herbert, EuGRZ 1985, 321, 332 favorisiert zur Ausfüllung des Art. 19 Abs. 2 GG die

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Die Vertreter der subjektiven Theorie haben danach offensichtliche Schwierigkeiten, im Einzelfall zugunsten überragender Gemeinwohlinteressen für angemessen erklärte Beschränkungen individueller Grundrechte, die auf einen Totalentzug der geschützten Freiheitssphäre hinauslaufen (absolute Berufsverbote, Enteignungen, Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe), mit ihrer Ansicht in Übereinstimmung zu bringen. 1258 Sofern ein Ausweg darin gesehen wird, daß Art. 19 Abs. 2 GG nur relativ in dem Sinne wirken soll, als unverhältnismäßige Einwirkungen in den Schutzbereich eines Grundrechts durch hoheitlichen Akt unzulässig seien, mithin überragend wichtige Gemeingüter ausnahmsweise auch einen Totalentzug des geschützten Sphäre ermöglichen 1259 , ist diese Auffassung zumindest wegen des Wortlauts des Art. 19 Abs. 2 GG ("in keinem Fall") 1260 und der damit verbundenen Inhaltslosigkeit dieser Vorschrift im Vergleich zum aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 1261 angreifbar. 1262 Sofern schließlich unter Aufrechterhaltung eines absoluten Bestandsschutzes des Wesensgehalts eines individuellen Grundrechts dieser nur dann als angetastet angesehen wird, sofern von der Gewährleistung insgesamt im Einzelfall nach dem hoheitlichen

Betonung der Grundrechte als Bürger- und Menschenrechte des einzelnen. Für ein "sowohl als auch" Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63,69 ohne nähere Begründung. 1258 Vgl. zur Kritik v. MVuich/Hendrichs (3. Aufl.), Art 19 GG, Rdnr. 24: "arge Klimmzüge"; Herzog, in: FS für Zeidler, Bd. 2, S. 1415,1424. Femer gegen die Argumentation Dürigs, wonach die lebenslange Freiheitsstrafe sich durch Art. 104 Abs. 1 GG als Durchbrechung des Art. 19 Abs. 2 GG rechtfertigen lasse (Maunz/Dürig-Dflng, Art. 104 GG, Rdnr. 4; so auch femer OLG Celle, NJW 1961, S. 692; Stein, Staatsrecht, § 24 III [S. 262]), obwohl dort nur zeitlich begrenzte Freiheitsbeschränkungen bzw -entziehungen erfaßt sind (vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 104 GG, Rdnr. 9), Erichsen, NJW 1976, S. 1721, 1723 und für eine Klarstellung innerhalb des Art. 104 GG zur Zulässigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe v. Münch/Rauball, Art 104 GG, Rdnr. 16. 1259 So v. Münch/Krebs, Art. 19 GG (4. Aufl.), Rdnr. 25; v. Münch, Grundbegriffe des Staatsrechts I, Rdnr. 253; Maunz/Dürig-Λ/ακ/ιζ, Art. 19 Abs. II GG, Rdnr. 16; weitere Nachweise aus der Rechtsprechung des BGH und des BVerfG bei Maunz/Dürig-Mawnz, Art. 19 Abs. II GG, Rdnr. 4. 1260 Daraufstellen ab v. Münch/Hendrichs (3. Aufl.), Art. 19 GG, Rdnr. 25; Stein, Staatsrecht, § 24 III (S. 261); Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 37; a. A. v. Münch/Krebs, Art. 19 GG (4. Aufl.), Rdnr. 22, weil diese Formulierung nichts darüber aussage, was in jedem Falle unangetastet bleiben solle. Dieses Argument überzeugt allerdings nicht, da mit dem Wesensgehalt des Grundrechts das Bezugsobjekt der Garantie nach erfolgter Auslegung zweifelsfrei umschrieben ist. 1261 Darauf stellen ab v. Uünch/Hendrichs (3. Aufl.), Art. 19 GG, Rdnr. 25; Maunz/DürigPapier, Art. 14 GG, Rdnr. 273 f.; Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 37 m. w. N. in Fn. 116 f.; AK-Denninger, Art. 19 Abs. 2 GG, Rdnr. 8. 1262 Α. A. allerdings ζ. B. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 332, der Art. 19 Abs. 2 GG als deklaratorischer Norm die Bedeutung zumessen will, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Bereich der insoweit ausdrücklich nicht begrenzten gesetzlichen Vorbehalte noch einmal zu verdeutlichen; ebenfalls keine Probleme bei dieser Art der Auslegung sehen Jarass, Art. 19 GG, Rdnr. 7; Katz, Staatsrecht (7. Aufl.), Rdnr. 662.

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Eingriff nichts mehr übrig bleibt 1263 , wäre damit der Schutzgedanke des Art. 19 Abs. 2 GG nach der Prämisse der subjektiven Theorie vereitelt, dem einzelnen die Abwehr wesentlicher Eingriffe in seine konkrete Privatsphäre zu ermöglichen, so wie er sie sich zur Wahrnehmung seiner Interessen ausgestaltet hat. Auch das Problem der Zulässigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe wäre trotz dieser verengenden Interpretation noch nicht gelöst. Schließlich führt der Lösungsvorschlag Jäckels1264, wonach der generelle Bestand an den individuellen Grundrechten der subjektive Prüfungsmaßstab sei, an dem sich die hoheitliche Maßnahme zu messen habe, ebenfalls schon deshalb nicht weiter, weil diese generelle Sichtweise faktisch die Aufgabe der subjektiven Theorie zugunsten des Institutsdenkens bedeuten würde. 1265 Zudem besteht bei der Interpretation des Art. 19 Abs. 2 GG im Lichte des Art. 1 Abs. 1 GG die Gefahr, daß durch die Anreicherung der einzelnen Grundrechte mit angeblich im Rahmen des Grundsatzes der Menschenwürde aufgefundenen ethischen Werten deren Intention, die personale Freiheit als solche zu gewährleisten, zulasten von Minderheiten, die diese Wertvorstellungen nicht teilen, verfehlt wird. 1266 Auch die andere Extremmeinung, die in Art. 19 Abs. 2 GG lediglich den Schutz der Grundrechtsbestimmung als solcher vor faktischer Sinnentleerung

1263 Vgl AK-Denninger, Art. 19 Abs. 2 GG, Rdnr. 6, wonach eine objektive Zulassungsbeschränkung zur Begrenzung der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG keine Antastung des Wesensgehalts der individuellen Berufsfreiheit bedeute, weil der Grundrechtsträger schließlich auf einen anderen Beruf ausweichen könne. Der Hinweis auf Stein, Staatsrecht, § 24 III (S. 263 f.) in diesem Zusammenhang ist wohl mißverständlich, da dieser Autor den Wesensgehalt als verletzt ansieht, sofern ein konkretes privates Interesse - ein bestimmter Beruf - nach dem hoheitlichen Akt auf keine Weise mehr erreichbar ist. 1264 Grundrechtsgeltung und Grundrechtssicherung, S. 57 ff., 79 ff., 111fif.; ihm folgend Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 36 Fn. 109. 1265 vgl. a u c h die Überlegungen Erichsens zur Zulässigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung der "Qualität" der Regelungen im Rahmen der Prüfung des Art. 19 Abs. 2 als Institutsgarantie in NJW 1976, S. 1721, 1724.

1266 vgl. z.B. die Ansicht Dürigs (AöR 81 [1956], S. 117, 130), wonach eine künstliche Befruchtung ohne weiteres wegen ihrer "Naturwidrigkeit" "ohne Zweifel" gegen die Menschenwürde als solche verstoße, weswegen der Staat einen solchen Vorgang sogar unter Strafe zu stellen habe, oder seine Auffassung (ders., AöR 81 [1956], S. 137), wonach ein Verhalten, das "die Rechte anderer, das Sittengesetz und die elementaren gefahrenfreie öffentliche Ordnung (störe)", von vornherein nicht zum "Eigenwert des Menschen" und damit zum Wesensgehalt eines Grundrechts gehören könne. Vorsichtiger in seiner Kritik Herzog, in: FS für Zeidler, Bd. 2, S. 1415, 1425, wonach Art. 19 Abs. 2 GG wegen Art. 1 Abs. 2 GG leerlaufend wäre, "soweit dafür überhaupt ein rechtsstaatlicher Bedarf besteht." Die Gefahr eines Leerlaufens des Art. 19 Abs. 2 GG durch die Integrierung des Art. 1 Abs. 1 GG sieht auch Pieroth/Schlink, Die Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 350, angesichts der Tatsache, daß die Menschenwürde schon wegen Art. 79 Abs. 3 GG unantastbar sei.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

durch generelle einfach-gesetzliche Beschränkungen trotz eines legitimierenden Zwecks erblickt, ist v o n Teilen ihrer Vertreter als nicht sehr erfreulich angesehen w o r d e n . 1 2 6 7 Z w a r k a n n m i t ihrer Hilfe dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 2 GG, der eine Ausnahme v o n seiner Rechtsfolge " i n keinem Fall" zuläßt, Genüge getan werd e n . 1 2 6 8 Allerdings führt sie wegen ihrer Beschränkung auf ein Verbote der Vereitelung der m i t einem Grundrecht generell verfolgten Zielsetzung zu einer weitestgehenden Bedeutungslosigkeit der V o r s c h r i f t . 1 2 6 9 Z u d e m w i r d i h r vorgeworfen, sie verkenne den primären Charakter der Grundrechte als i n d i v i duelle Schutz- u n d Abwehrrechte, indem sie nicht die Bedeutung der beeinträchtigten Schutzsphäre für den Betroffenen, sondern die Bedeutung des durch das Grundrecht vermittelten objektiven Instituts für die Gemeinschaft als maßgebliches K r i t e r i u m für den Wesensgehalt e r k l ä r e . 1 2 7 0 Es könne nicht angehen, den Wesensgehalt eines Grundrechts danach zu bestimmen, ob " i m Regelfall" die Bedeutung des Grundrechts "für das soziale Leben i m ganzen" noch gewahrt sei, w e n n auch i m Einzelfall der einzelne v o n i h m keinen Gebrauch mehr machen k ö n n e . 1 2 7 1

A u f die Gefahr einer "Umbiegung"

der

Grundrechte als Individualgrundrechte durch die Anreicherung ihres Bedeutungsgehalts m i t gemeinwohlorientierten F u n k t i o n e n 1 2 7 2 zulasten der Grund-

1267

Vgl. dazu das Bedauern bei v. Uünch/Hendrichs

(3. Aufl.), Art. 19 GG, Rdnr. 24.

1268

Vgl. nur Herzog, FS fur Zeidler, Bd. 2; S. 1415, 1424. 1269 V g l d i e entsprechende Kritik bei Herbert, EuGRZ 1985, S. 321, 324; allerdings scheint diese Kritik angesichts der lediglich deklaratorischen Wirkung unter Zugrundelegung der subjektiven Theorie, der auch dieser Autor folgen will, überzogen. 1270 Vgl. v. Münch/Krebs, Art. 19 GG (4. Aufl.), Rdnr. 24; Stein, Staatsrecht, § 24 III (S.262); Herbert, EuGRZ 1985, S. 321, 324. 1271 Vgl. AK-Denninger, Art. 19 Abs. 2 GG, Rdnr. 5; Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 349. 1272 V g j z B BVerfGE 20, 162, 174 f. zur institutionellen Sichtweise der Pressefreiheit, der die "öffentliche Aufgabe" zukomme, durch umfassende Information der Bürger die in einer Demokratie als wesentlich erachtete öffentliche Auseinandersetzung zur politischen Entscheidungsfindung zu fördern. Die Überlagerung des klassischen Abwehrrechts des einzelnen, staatliche unverhältnismäßige Eingriffe in seinen Freiheitsbereich, seine Meinung mit Hilfe von Druckwerken oder in anderer körperlicher Form besonders effektiv zu äußern oder eine andere Meinung zu verbreiten (vgl. nur Bullinger, in: HbStR, Bd. 6, § 142 Rdnr. 10 f.) mit der "öffentlichen Aufgabe", zur Bildung der öffentlichen Meinung in einer offenen Demokratie beizutragen, kann demgegenüber dazu führen, daß das ursprünglich weite Verständnis vom Schutzbereich der Pressefreiheit zurückgeführt wird auf die Tätigkeitsbereiche, die zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe erforderlich sind (vgl. ζ. B. die kontrovers diskutierte Frage, ob die Veröffentlichung von Anzeigen wegen ihres allein kommerziellen Inhalts unter den geschützten Tätigkeitsbereich der Pressefreiheit zu zählen ist, obwohl sie zweifelsfrei Äußerungen eines Dritten, des Werbenden, darstellen, also vom Verleger alsfremde Meinungsäußerungen verbreitet werden; zum Meinungsstand v. Münch/Wendt, Art. 5 GG [4. Aufl.], Rdnr. 32; v. Mangoldt/Klein/Starcfc, Das Bonner Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1, 2 Rdnr. 40; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundes-

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rechtsträger durch ein institutionelles Denken ist in der Literatur zu recht hingewiesen worden; es wäre in der Tat mit der Intention der Grundrechte, die konzeptionell als Freiheits- und Abwehrrechte ausgeformt worden sind 1273 , unvereinbar, wenn mit Hilfe der Grundrechtsnormen als Teil einer objektiven Wertordnung diese als Ermächtigung für staatliche Eingriff in die geschützte Sphäre des einzelnen Trägers genutzt werden könnten.1274 Allerdings hat das BVerfG schon frühzeitig deutlich gemacht, daß diese institutionelle Sichtweise, also die Interpretation der einzelnen Grundrechtsartikel als objektiv wirkende Normen, nicht etwa neben die Individualgrundrechte trete und diese in ihrem Geltungsbereich modifiziere. Vielmehr solle die in diesen Normen zum Ausdruck kommende Wertordnung die Wirkung der individuell gewährleisteten Freiheits- und Abwehransprüche noch verstärken, indem sie der hoheitlichen Gewalt unabhängig von der Frage eines konkreten Eingriffs in einen grundrechtlichen Schutzbereich "Richtlinien und Impulse" vermittelt. 1275 Wenn somit die institutionelle Garantie, der Regelungsbereich der Grundrechtsnorm als objektives Recht, nur im Gefolge, als "Kehrseite des Grundrechts im Hinblick auf die objektive Verfassungsordnung", "einen Rang" unterhalb des individuellen Grundrechts steht 1276 , so liegt es eigentlich nahe, republik Deutschland, Rdnr. 394 mit Fn. 29, der Anzeigen nur wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für die Presseorgane und nicht als Nachricht unter Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fassen will; Bullinger, in: HbStR, Bd. 6, § 142, Rdnr. 58). Im Einzelfall kann die institutionelle Sicht eines Grundrechts sogar dazu fuhren, daß die im ursprünglichen Individualgrundrecht als Kehrseite verankerte negative Freiheitskomponente, eben nicht von der Möglichkeit einer Meinungsäußerung Gebrauch zu machen, negiert und geradezu eine Verpflichtung des Grundrechtsträgers zur Wahrnehmung, der "öffentlichen Aufgabe" konstruiert wird (Merten, Verw. Arch. 73 [1982], S. 103, 111; vgl. femer zur Frage, ob die Presse eine Mitverantwortung bei der Verwirklichung der verfassungsmäßigen demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung habe und dementsprechend "objektiv" berichten müsse, BVerfGE 12, 113, 130; 20, 162, 212; Bullinger, in: HbStR, Bd. 6, § 142, Rdnr. 79; besonders deutlich Ridder, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 243, 257. Vgl. zur Frage, ob Zeitungen verpflichtet sind, wegen ihrer öffentlichen Aufgabe aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG politische Anzeigen zu drucken, v. Münch/Wendt, Art. 5 GG [4. Aufl.], Rdnr. 32 m. w. N.). 1273 Vgl .Hesse, EuGRZ 1978, S. 427, 432; Herbert, EuGRZ 1985, S. 321, 332; vgl. femer Pieroth/Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, Rdnr. 67; v. Münch/v. Münch, Vorb. Art. 1-19 GG (4. Aufl.), Rdnr. 16; v. Mangoldt/Klein/Starcfc, Art. 1 Abs. 3 GG, Rdnr. 126. 1274 Ygj ^ dieser Konsequenz der institutionellen Grundrechtstheorie Böckenförde, NJW 1974, S. 1529, 1532; ablehnend für den Bereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG UaunzfDùùg-Herzog, Art. 5 Abs. I, II GG, Rdnr. 121 ff.; Bullinger, in: HbStR, Bd. 6, § 142 Rdnr. 13, 40, 44, 81; 147; v. Mangoldt/Klein/Starcfc, Das Bonner Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1, 2 Rdnr. 49; allgemein Herbert, EuGRZ 1985, S. 321, 332; AK-Denninger, Art. 19 Abs. 2 GG, Rdnr. 12. 1275 1276

BVerfGE 7, 198, 204 f.; aber auch E 24, 367, 389 speziell zu Art. 14 GG.

So plastisch Obermayer, VVDStRL 22 (1965), S. 185 (Aussprache); Schmitt-Glaeser, DÖV 1980, S. 1, 6; Maunz/Dürig-Dwr/g, Art. 1 Abs. I GG, Rdnr. 98, Art. 3 Abs. I GG, Rdnr. 113 f.; Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 252; Merten, Verw Arch 73 (1982), S. 103, 111 m. w. Ν. in Fn. 54; v. Mangoldt/Klein/Starcfc, Das Bonner Grundgesetz, Art. 1 Abs. 3, Rdnr. 127 ff; v. Münch/v. Münch, Vorb. Art. 1-19 GG (4. Aufl.), Rdnr. 24.

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auch im Rahmen der institutionellen Sicht den primären Freiheitsschutz des einzelnen in den Vordergrund zu stellen und die hinter dieser Funktion stehenden weiterfuhrenden Motive des Verfassungsgebers, die ihn zur Gewährleistung des grundrechtlich erfaßten Lebensbereichs veranlaßt haben 1277 , ausschließlich bei der Prüfung, ob eine Beschneidung des individuellen Grundrechts im Einzelfall angemessen ist oder nicht, bei der Abwägung zwischen den betroffenen Individualinteressen und den Interessen, die den Eingriff legitimieren, zu berücksichtigen.1278 Eine Auffüllung des Bedeutungsgehalts einer objektiven Grundrechtsnorm durch solche Wertungen, die der Verfassungsgeber mehr oder weniger deutlich durch die Ausformulierung der einzelnen Bestimmungen zum Ausdruck gebracht hat 1 2 7 9 , um daraus Rückschlüsse für den Geltungsbereich der Grundrechte des einzelnen gegenüber dem Staat zu ziehen, verbietet sich daher schon wegen ihres Charakters als Schutzrechte. 1280 Sofern man daher der objektiven Theorie bei der Bestimmimg des Anwendungsbereichs des Art. 19 Abs. 2 GG als letzter Grenze der gesetzgeberischen Möglichkeit, auf den Geltungsbereich eines individuellen Grundrechts unter Beachtung seines Wesens als freiheitssicherndes Abwehrrecht 1281 einzuwirken, folgt, ist bei der Frage, ob der Wesensgehalt angetastet wird, unter Beachtung dieser personalen Funktion der Grundrechte nur zu prüfen, ob nach der staatlichen Maßmahme dieser Grundgedanke des Grundrechts tangiert ist oder nicht, m. a. W., ob die grundrechtlich geschützten Verhaltensweisen1282 1277 Also ζ. B. die Förderfunktion der "Freien Presse" im Rahmen der politischen Auseinandersetzung als öffentliches Interesse. 1278 V g i z u dieser Abschichtung zwischen den primär geschützten Privatinteressen und den "dahinterstehenden Motiven" zur Auslegung der Reichweite des Art. 14 GG bereits die Ausführungen über die Frage, ob das Merkmal der Existenzsicherung eigentumskonstituierend ist, auf S. 316 ff.; ferner zu dieser Vorgehensweise im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG AK-Hoffinann-Riem, Art. 5 Abs. 1,2 GG, Rdnr. 139. 1279 Zu den Gefahren, die bei der Auffüllung und Anreicherung von Grundrechtsnormen als objektive Wertordnung durch eine fehlende Anknüpfung an den Verfassungstext mit der Folge einer Subjektivierung entstehen können, Goerlich, Wertordnung und Grundgesetz. 1280 Vgl. Merten, Verw.Arch. 73 (1982), S. 103, 111, der zu recht auf eine Aushöhlung dieser Schutzfunktion durch die Überlagerung des Institutsdenkens aufmerksam macht und dazu warnend auf die entsprechenden Vorgehensweisen in den "totalitären Staaten" hinweist.

1281 yg| m d e r notwendigen personalen Sicht bei der Bestimmung eines Freiheitsrechts, da diese die Möglichkeit menschlichen Verhaltens schützen, Schnur, WDStRL 22 (1965), S. 101, 118 Fn. 40; femer Herbert, EuGRZ 1985, S. 321,332. 1282 Damit erledigt sich auch der Gegensatz, den Dürig zwischen dem Wesensgehalt der Grundrechte und dem Wesensgehalt der Rechtsinstitutsgarantien aufbaut (vgl. AöR 81 [1956], S. 117, 141). Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet nicht das Eigentum als solches, also die Zusammenfassung der einfachen Rechtssätze zur Umschreibung der privaten Güterordnung, sondern sichert als Grundrecht auch in seinem in ihm enthaltenen objektiven Grundgedanken die Freiheit der am wirtschaftlichen Verkehr Beteiligten, ihre kraft Gesetzes eingeräumten Befugnisse ohne Störung von hoheitlicher Seite

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generell noch sinnvoll wahrgenommen werden können.1283 Damit stimmt das hier gefundene Ergebnis zur Auslegung des Art. 19 Abs. 2 GG von seinem Regelungsobjekt her - Schutz der generellen Funktionsfähigkeit als Freiheitsund Abwehrrechte der Gesamtheit aller Grundrechtsträger - mit den Deutungen deijenigen überein, die, ausgehend von einer eher subjektiven Sichtweise, um Widersprüche von im Einzelfall totalen Beseitigungen subjektiver Grundrechtspositionen einzelner mit ihrer Auslegung des Art. 19 Abs. 2 GG zu vermeiden, nicht das Grundrecht des einzelnen Betroffenen, sondern die Gesamtheit der Grundrechtsträger zum Maßstab erklären. 1284 Abschließend sei zur Vollständigkeit der Skizzierung des Meinungsstandes in der Literatur über die Definition des Wesensgehalts eines Grundrechts noch hervorgehoben, daß neben den hier vorgestellten Extremmeinungen noch eine Fülle von differenzierenden Auffassungen vertreten werden, die Art. 19 Abs. 2 GG bezüglich des Grundrechts der Eigentumsfreiheit entweder eine doppelte Schutzrichtung zusprechen (Schutz des Rechtsinstituts Eigentum als auch des individuellen Grundrechts) 1285 , oder einen relativen und absoluten Schutz durch ihn konstruieren, als er unverhältnismäßig wirkende Eingriffe auf das Grundrecht einzelner ebenso ausschließen soll wie die Herbeiführung einer völligen Unwirksamkeit bzw. Bedeutungslosigkeit des grundrechtlich gewährleisteten Schutzes für den durch ihn geregelten Lebensbereich.1286 Schließlich relativiert sich im Rahmen der hier vertretenen Definition des Wesensgehalts des Grundrechts als eines Postulats der Aufrechterhaltung der privatnützig einsetzen zu können (vgl. auch zur notwendigen Differenzierung zwischen Schutzobjekt und Regelungsgehalt eines Grundrechts Böhmer, NJW 1988, S. 2561,2563 mit Fn. 8). 1283 Dieser Deutung des Art. 19 Abs. 2 GG kann nicht der Vorwurf gemacht werden, sie führe zu einer Verengung des Wesensgehalts eines Grundrechtsbestimmung auf die Privat- oder Intimssphäre (so aber Krüger, Der Wesensgehah der Grundrechte, S. 59 f.). Die Verwirklichung einiger Grundrechte (ζ. B. der Kommunikationsgrundrechte der Art. 5, 8 und 9 GG) und der Wirtschaftsgrundrechte (Art. 12, 14 GG) ist schon von ihrem Schutzbereich auf ein Einwirken auf die Öffentlichkeit angelegt. Nur kann es nicht angehen, die Bereiche, die sich ausschließlich in der Privatsphäre der Betroffenen abspielen (also ζ. B. generell die negative Grundrechtsausübung) unter Hinweis auf einen fehlenden öffentlichen Bezug aus Art. 19 Abs. 2 GG auszuklammern; vgl. dazu Herbert, EuGRZ 1985, S. 321, 332; AK-Denninger, Art. 19 Abs. 2 GG, Rdnr. 12, 14.

1284 V g i ßreue r^ S. 36 mit Fn. 109.

£>je Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie,

1285 Vgl. nur v. Münch/Krebs, Art. 19 GG (4. Aufl.), Rdnr. 24; Maunz/Dürig-A/awnz, Art. 19 Abs. II GG, Rdnr. 15; zu Art. 14 GG: Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 69; Maunz/Dùùg-Papier, Art. 14 GG, Rdnr. 273; Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 36 m. w. N. 1286 So ζ. B. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 332; Jarass, Art. 19 GG, Rdnr. 7; wohl auch v. Münch, Grundbegriffe des Staatsrechts I, Rdnr. 253; Katz, Staatsrecht, Rdnr. 662.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

generellen Funktionsfähigkeit des Grundrechts ein wenig die Frage, ob die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG trotz des Wortlauts "in keinem Fall" als relative oder absolute Grenze angesehen werden kann. Dieser auf den ersten Blick sicherlich erstaunliche Befund läßt sich doch mit den im Grundgesetz enthaltenen Wertungen begründen. Nach Art. 115c Abs. 2 GG sind, sofern es die Umstände während des Verteidigungsfalls erfordern, besondere Grundrechtsbeschränkungen durch den Gesetzgeber zugelassen. Eine generelle Suspendierung der Grundrechte ist in solchen Fällen nicht möglich, vielmehr beschränkt die Norm die zusätzlich geschaffenen Befugnisse auf bestimmte Elemente des verfahrensrechtlichen Grundrechtsschutzes. 1287 Der Schutz des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland bei ihrer existenziellen Gefährdung durch einen bewaffneten Angriff und damit der Schutz des Gemeinwesens schlechthin rechtfertigt trotz seiner überragenden Bedeutung - es läßt sich wohl kein höherrangiges Gemeinwohlinteresse finden - keinen weitergehenden Eingriff in den materiellen Gehalt der Grundrechte, insbesondere keine generelle Abschaffung für diese Zeit. Überträgt man diese Wertung des Grundgesetzes im Rahmen der bei Grundrechtsbeschränkungen generell erforderliche Angemessenheitsprüfung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips, so ergibt sich, daß es danach vom Rang und von dem Grad der Gefahrdung her kein Gemeinwohlinteresse geben kann, dessen Schutz die totale Aufhebung der Funktionsfähigkeit einer Grundrechtsbestimmung zu rechtfertigen vermöge. Somit käme auch eine relative Sicht der Rechtsfolge des Art. 19 Abs. 2 GG zu einem im Ergebnis absolut nicht antastbaren Wesensgehalt. Dabei ist allerdings zuzugeben, daß der Umfang dieses absoluten Kerns im Falle einer absoluten Deutung des Art. 19 Abs. 2 GG vom Wirkungsbereich und der Funktionsfähigkeit des Grundrechts her vorgenommen werden muß, während er bei einer relativen Interpretation sich nur durch gegenseitiges Abwägen zwischen den Umständen des Verteidigungsfalls als denkbar schwerster Gefährdung des Gemeinwohls schlechthin und den betroffenen Grundrechtsbestimmungen ergeben könnte. Die dabei gefundenen Ergebnisse müssen nicht deckungsgleich sein, vielmehr kann der Wesensgehalt des Grundrechts bereits schon dann angetastet sein, wenn die Norm zwar noch nicht generell aufgehoben, die Funktionsfähigkeit aber mit dem verbleibenden Rest an generell zugestandenen Befugnissen nicht mehr gewährleistet ist.

1287 Vgl. ausdrücklich dazu MzunzfDüng-Herzog, a GG, Rdnr. 54-56.

Art. 115 c GG, Rdnr. 6; AK-Frank, Abschn. X

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(3) Die Auslegungsergebnisse des BVerfG zu Art. 19 Abs. 2 GG Die Unsicherheit der Literatur bei der Bestimmung von Normbereich und Rechtsfolge des Art. 19 Abs. 2 GG spiegelt sich auch in der Rechtsprechung des BVerfG zu dieser Norm in dieser Zeit wider. Scheinbar eindeutig ist das Bekenntnis des Gerichts zur Deutung der Rechtsfolge des Art. 19 Abs. 2 GG: "In keinem Fall" bedeutet nach seiner Ansicht eine absolute Sperre, die auch zum Schutz überragender Güter unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips durch den Gesetzgeber nicht gebrochen werden könne. 1288 Abweichend hiervon wurde aber an anderer Stelle eine Antastung des Wesensgehalts bereits dann bejaht, wenn die öffentlichen Interessen, die den Eingriff in die geschützte Lebenssphäre rechtfertigen sollen, in einem unangemessenen Verhältnis zur Bedeutung des Grundrechts und der Intensität der bewirkten Begrenzung stehen.1289 Der Widerspruch zwischen den beiden Beurteilungsmaßstäben verschärft sich weiter, wenn man sich vor Augen führt, daß das Gericht in der gleichen Entscheidung das Fehlen der von ihm als erforderlich angesehenen "besonders wichtigen Gründe (des Gemeinwohls)" zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen zur Überprüfung der gesetzlichen Regelung anhand des Verhältnismäßigkeitsprinzips macht und ihre Verfassungswidrigkeit aus den gleichen Gründen nur unter Einkleidung in das Merkmal der "Angemessenheit" begründet. 1290 Aber auch die Frage, ob unter dem Begriff des Wesensgehalts des Grundrechts ein unantastbarer Bereich im Einzelfall oder die Funktionsfähigkeit der Norm insgesamt zu erblicken ist, bleibt in der Rechtsprechung dunkel. Zunächst ist bei der Analyse auf deren Ausgangsüberlegung hinzuweisen, wonach für die Frage des Umfangs des Wesensgehalts die "besondere (...) Bedeutung im Gesamtsystem der Grundrechte" entscheidend sein soll. 1291 Damit scheint die ursprünglich offen gebliebene Fragestellung1292 zugunsten einer objektiven

1288

So eindeutig BVerfGE 6, 32, 41: "letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit (...), der der Einwirkung des gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist."; E 6, 389, 433; 7, 377, 411: "Denn der Wesensgehalt eines Grundrechts darf nach dem klaren Wortlaut des Art. 19 Abs. 2 GG 'in keinem Fall' angetastet werden; die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Eingriff ausnahmsweise trotzdem zulässig sei, ist gegenstandslos."; 16,194,201; 27, 344; 351; 32,373, 379; 34, 238, 245. 1289

Vgl. BVerfGE 22, 180, 219; bestätigt in BVerfGE 30, 47, 53. E 22, 180, 220. Darauf weisen auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 333 Fn. 35; Schmidt, AöR 106 (1981), S. 497, 515 mit Fn. 82 hin. 1290

1291

BVerfGE 22,180,219. 1292 V g i BVerfGE 2, 266, 285, wobei das Gericht zur Bestimmung der möglichen "Antastung des Wesensgehalts" sowohl einzelfallbezogene Kriterien ("das zu regelnde Lebensverhältnis, die tatsächlich

23 Eschenbach

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Betrachtung des Wesens entschieden worden zu sein. 1293 In diese Richtung deuten auch die Überlegungen des Gerichts über die nach seiner Meinung unterschiedliche Wirkungsweise des Art. 1 Abs. 1 GG und des Art. 19 Abs. 2 GG im Rahmen des Grundrechts auf "freie Entfaltung der Persönlichkeit", das aus der Verbindung des Art. 1 Abs. 1 GG als oberstes Verfassungsprinzip mit der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet wird. Bei der Prüfung von Eingriffen in dieses Grundrecht wurde die unterschiedliche Wirkungsweise der in diesem Grundrecht vereinigten Bestimmungen betont, indem auf der einen Seite darauf abgestellt wurde, ob durch die staatliche Maßnahme die Würde der betroffenen Personen verletzt wurde, was Art. 1 Abs. 1 GG wegen seines Wortlauts ("... ist unantastbar") schon aus sich heraus verbietet 1294 , zum anderen "überdies" der absolute Wesensgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 2 GG angetastet sei. 1295 Dies kann nur als Absage an die subjektivierende Deutung des Art. 19 Abs. 2 GG durch Dürig verstanden werden, wonach es gerade die Aufgabe des Art. 19 Abs. 2 GG sein soll, die in den einzelnen Grundrechtsbestimmungen enthaltenen Bestandteile an "unantastbarer Menschenwürde" für den einzelnen Betroffenen absolut zu schützen.1296 Zwar beschränkt das Gericht auch im getroffene Regelung"), als auch "die Bedeutung (...), die das Grundrecht nach der getroffenen Einschränkung noch für das soziale Leben im Ganzen (hat)", als generellen Maßstab herangezogen wissen will. Kritisch bleibt zu dieser Entscheidung anzumerken, daß der Wille des historischen Verfassungsgebers, wonach eine Kollision zweier Grundrechtsbestimmungen nicht auftreten sollte, für die Frage der Auslegung dieser Norm allein nicht maßgeblich sein kann, vernachlässigt man doch ansonsten die übrigen Verfassungsinterpretationen. Kritisch dazu auch Dürig, AöR 81 (1956), S. 117,134. 1293 A A v. MünchJHendrichs (3. Aufl.), Art. 19 GG (3. Aufl.), Rdnr. 24, der allerdings wohl nicht berücksichtigt, daß die zu prüfende Norm des § 73 Abs. 2, 3 BSHG nur eine Ermächtigung an die Gerichte bzw. Behörden beinhaltet, im Einzelfall entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Die Norm selbst kann somit nicht unmittelbar in das Grundrecht des einzelnen Betroffenen eingreifen, so daß schon von daher die Äußerungen des BVerfG sich auf den generell Betroffenen als objektivierten Maßstab beziehen müssen. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Prüfung der Zulässigkeit des § 81 a StPO in E 16, 194, 201, wo zunächst generell die Zulässigkeit der Norm unter dem Gesichtspunkt des Art. 19 Abs. 2 GG bejaht und dann im folgenden der konkrete Eingriff in das Grundrecht des einzelnen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit als übermäßig beurteilt wird (E 16, S. 201-203); ebenso in E 17, 108, 117; femer E 27, 211, 219, wo nur noch die Verhältnismäßigkeit einer konkreter Maßnahme auf Grund des § 81 a StPO geprüft wird. 1294

Allerdings ist auch die Auffassung, daß Art. 1 Abs. 1 GG den von ihm erfaßten Schutzbereich (vgl. zu den Schwierigkeiten, im Einzelfall auszumachen, ob die Würde des Betroffenen dergestalt angetastet ist, daß er zum Objekt im Staat gemacht wird, v. MünchIKunig, Art. 1 GG [4. Aufl.], Rdnr. 22) umfassend gegen jegliche staatliche Maßnahme schützt, umstritten, worauf hier im einzelnen nicht weiter eingegangen werden kann (vgl. zum Streitstand v. Mangoldt/Klein/Starcfc, Das Bonner Grundgesetz, Art. 1 Abs. 1, Rdnr. 20, 28; Kloepfer, in: FS BVerfG, Bd. 2, S. 405, 411 ff.; v. Uünch/Kunig, Art. 1 GG [4. Aufl.], Rdnr. 4; Stern, Staatsrecht, Bd. 3/1, § 58 II 3 b [S. 23 f.]). 1295 vgl m der Unterscheidung der Wirkungsweisen innerhalb des allgemeinen Persönlichkeitsrechts deutlich BVerfGE 6,32,41; 27,1,6; 27,344,351; 32,365,379; 33,367,377; 34,238,245. 1296

So deutlich Maunz/Dürig-Dürig, Art. 1 Abs. I GG, Rdnr. 8.

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Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG dessen nach Art. 19 Abs. 2 GG unantastbaren Kernbereich auf die "private Lebensgestaltung" und läßt konsequenterweise bei sozialem Bezug des Verhaltens eine Beschränkbarkeit zu. 1 2 9 7 Eine Übertragung dieses Gesichtspunktes auf die speziellen Grundrechte, also ζ. B. die Eigentumsfireiheit, würde aber zu einem weitgehenden Leerlaufen des Art. 19 Abs. 2 GG führen, weil die dort erfaßten Lebensbereiche notwendigerweise, sofern die in den Schutzbereich erfaßten Freiheiten aktiv genutzt werden, eine Berührung der Privatsphäre mit der gesellschaftlichen Ordnung aufweisen. 1298 Allerdings hat das Gericht diese Fragestellung bei der Beurteilung der lebenslangen Freiheitsstrafe wieder ausdrücklich offen gelassen1299, die Verpflichtung des Gesetzgebers zur Schaffung einer "konkreten und grundsätzlich realisierbaren Chance" für den Verurteilten zur Wiedererlangung seiner Freiheit aber unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet und damit angedeutet, daß die lebenslange Freiheitsstrafe trotz des endgültigen Entzugs der Bewegungsfreiheit für den einzelnen nicht gegen Art. 19 Abs. 2, 2 Abs. 2 GG verstößt. Dieses Ergebnis ist aber nur auf dem Boden einer objektiven Sichtweise erklärbar. 1300 Schließlich ist aber die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 2 GG im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zweifelhaft, da der einfache Gesetzgeber nach dem Verständnis des BVerfG in die ihm vorgegebene Eigentumsordnung in Wahrnehmung seiner Befugnisse aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht von außen beschränkend eingreift, sondern diese von innen heraus für die Zukunft generell umgestaltet. Im Bereich des Art. 12 Abs. 1 GG hatte das Gericht mit Blick auf den Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 Satz' 2 GG festgestellt, daß der berufsregelnde Gesetzgeber wegen der Notwendigkeit der einfachgesetzlichen Konkretisierung des geschützten Lebensbereiches die Wesensgehaltssperre des Art. 19 Abs. 2 GG gar nicht verletzen könne, da eine Antastung des Wesens-

1297 Y g j ( j a z u eindrucksvoll BVerfGE 6, 389, 433, wo dem Sexualleben eines Homosexuellen wegen der Anstößlichkeit seines Verhaltens nach den gesellschaftlichen Anschauungen ein derartiger Sozialbezug unterstellt wird.

1298 ygj m x Wahrnehmung der Eigentumsfreiheit in der Gesellschaft nur Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 65 f.; konsequent insoweit v. Münch/Krebs, Art. 19 GG (4. Aufl.), Rdnr. 25. Dürig selbst blendet bei der Bestimmung des unantastbaren Bereichs der Eigentumsfreiheit den Aspekt des Sozialbezugs bewußt aus und stellt allein auf die Existenzsicherungsfunktion einzelner Rechtsgüter ab (AöR 81 [1956], S. 117,141 f.). 1299 V g l BVerfGE 45, 187, 270, wiederumg mit der zweifelhaften Überlegung, der historische Verfassungsgeber habe mit Art. 19 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG deren Zulässigkeit nicht infrage stellen wollen. 1300

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Vgl. dazu Schmidt, AöR 106 (1981), S. 497, 515 f. Fn. 83.

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gehalts bei dieser Gestaltung gar nicht möglich sei. 1301 Diese auf den Bereich der Berufsfreiheit geprägte Aussage über den Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 2 GG ist zwar bezogen auf dieses Grundrecht wegen des dahinterstehenden Gedankens der Ausgestaltungsfireiheit des Gesetzgebers bei der Schaffung von Berufsbildern - wie oben dargestellt 1302 - wegen der Tangierung der allgemeinen Freiheit, sich einen untypischen Beruf zu schaffen, zweifelhaft und wurde daher vom Gericht später im Ergebnis aufgegeben. 1303 Der hinter dieser Überlegung stehende Gedanke, wonach es Grundrechte gibt, die zu ihrer Wirksamkeit eines einfachgesetzlichen Unterbaus bedürfen, ist aber mit der Feststellung, daß Art. 12 Abs. 1 GG kein solches Grundrecht ist, nicht erledigt. 1304 Eine ähnliche Rechtsprechung findet sich zu Art. 6 Abs. 1 GG, dessen Wirkungsbereich sich in drei Bereiche aufgliedern läßt: Danach umfaßt er sowohl ein individuelles Grundrecht, als er die Eingehung einer Ehe 1 3 0 5 , als auch die Abwehr staatlicher willkürlicher 1306 oder übermäßiger 1307 Eingriffe in bestehende Verbindungen ermöglichen soll, als auch eine objektive Wertnorm, die der einfache Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Ehe zu beachten hat, obwohl er dabei nicht notwendigerweise in konkrete Grundrechtspositionen eingreift. 1308 Dieser doppelten Wirkungsweise des Art. 6 Abs. 1 GG zur Begrenzung der gesetzgeberischen

1301 Vgl. BVerfGE 13,97,122. Vgl. aber auch BVerfGE 7, 377, 409, wo ausdrücklich offengelassen wurde, "ob aus dem Verbot der Antastung des Wesensgehalts der Grundrechte sich weitere Grenzen für den Regelungsgesetzgeber des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 ergeben würden." (Hervorhebung vom Verfasser) 1302 Vgl. oben S. 333 ff.

1303 V g l BVerfGE 61, 82, 113, wobei dort auch klargestellt wird, daß Art. 12 Abs. 1 GG ein Grundrecht i. S. d. Art. 19 Abs. 2 GG ist. Der damaligen Argumentation des fließenden Übergangs zwischen Ausgestaltung und Beschränkung mit der Folge der Unanwendbarkeit dieser Norm aber folgend Specht, JA 1991 (Übungsblätter), S. 16, 17. Mit der Entscheidung E 64, 72, 80 f. kehrt das Gericht im Bereich des Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu seiner Rechtsprechung zurück, weil es sich dort nur zur Frage, ob berufsregelnde Normen dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG genügen müssen, unter Hinweis auf E 13, 97,122 ablehnend äußert; a. A. allerdings Jarass, Art. 19, Rdnr. 6. 1304

So aber wohl v. Münch/Krebs, Art. 19 GG (4. Aufl.), Rdnr. 19.

1305

BVerfGE 29, 166, 175.

1306

Art. 6 Abs. 1 GG ist insoweit lex specialis zu Art. 3 Abs. 1 GG; vgl. BVerfGE 9, 237, 242; 13, 290, 295 ff; 17, 210, 224; 28, 324, 347. 1307 Den Charakter des Freiheitsgrundrechts betont BVerfGE 29, 166, 175 unter Hinweis auf Scheffler, in: Die Grundrechte, Bd. 4.1, S. 245, 255. 1308 Ygj ( j a z u dag Beispiel bei Pieroth/Schlink, Die Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 751, wonach die fakultativen Einführung der Mehrehe zwar das individuelle Freiheitsgrundrecht des einzelnen, der weiterhin auch die Einehe führen kann, nicht begrenzt, sondern seine Möglichkeiten eher erweitert, aber trotzdem wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG als objektiver Wertnorm verfassungswidrig wäre.

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Kompetenz - bei der Beschränkung der individuellen Lebenssphäre als auch bei der inhaltlichen Ausformung des Rechtsinstituts Ehe ohne individuellen Bezug - entspricht die Anwendung des Art. 19 Abs. 2 GG als zusätzlichem Begrenzungsmaßstab bezüglich dieses Grundrechts durch das BVerfG. Nur soweit der Gesetzgeber an den Bestand einer Ehe als Tatbestandsmerkmal negative Folgen knüpft oder deren Eingehung erschwert, greift er in den durch dieses Grundrecht gewährleisteten Lebensbereich von außen her beschränkend ein, nur dann ist Art. 19 Abs. 2 GG anwendbar. Sofern er dagegen von innen das Institut der Ehe definitorisch regelt, also die Voraussetzungen für deren Eingehung und die sich hieraus ergebenden Beziehungen für die Eheleute nur entsprechend der Vorgaben aus dem verfassungsrechtlichen Verständnis dieses Instituts gleichsam deklaratorisch nachzeichnet1309, ist Art. 19 Abs. 2 GG nicht einschlägig.1310 Überträgt man diesen Gesichtspunkt auf das Normgefüge des Art. 14 GG, so könnte Art. 19 Abs. 2 GG allenfalls bei Enteignungsgesetzen nach Art. 14 Abs. 3 GG als von außen unmittelbar oder nach ihrer behördlichen Umsetzung mittelbar auf den nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfaßten Freiheitsbereich einwirkende hoheitliche Maßnahmen anwendbar sein 1311 , während der weite Bereich der inhaltlichen Umgestaltung und Anpassung an die gesellschaftlichen Anschauungen keine Einschränkung eines von Verfassungs wegen vorgegebenen Schutzbereichs der individuellen Eigentumsfreiheit bedeutet1312 und damit dem Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 2 GG entzogen wäre. 1313 Sofern in der älteren Literatur ohne weiteres eine 1309 ygj m Jen Strukturprinzipien des verfassungsrechtlichen Instituts der Ehe, die sich aus der überkommenen außerrechtlichen Lebensordnung ergeben soll, ζ. B. BVerfGE 10, 59,66. 1310

Vgl. BVerfGE 31, 58, 69.

1311

Vgl. dazu ζ. Β. BK-Kimminich, Art. 14 GG, Rdnr. 100, der aus Art. 19 Abs. 2 GG die Notwendigkeit der Existenz des Art. 14 Abs. 3 GG ableitet. Die Auffassung des BVerfG zur Unanwendbarkeit des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG in E 24, 367, 396 f. bei Enteignungen steht dieser Aussage möglicherweise entgegen. Die dort vorgeschlagene Differenzierung zwischen einer generellen Einschränkung des durch ein Grundrecht gewährleisteten Lebensbereichs und der durch ein Enteignungsgesetz bewirkten Reduzierung auf konkret zu bestimmende Gegenstände ist allerdings zweifelhaft. Zum einen sind auch Gesetze, die die Verwaltung zu einer Enteignung im Einzelfall ermächtigen, wegen ihres zeitlichen Geltungsbereichs generell. Zum zweiten wird auch durch eine Reduzierung der von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfaßten Rechtspositionen die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Betroffenen beschränkt, als sie nun auf den Restbestand an den ihnen zugeordneten Vermögenswerten angewiesen sind. Zu den Einzelheiten wird im Rahmen der Abgrenzung zwischen Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 14 Abs. 3 GG zurückzukommen sein. 1312 1313

Vgl. nur BVerfGE 21, 92, 93; 24, 367, 396.

Vgl. aber BVerfGE 15,126,144, wo die Behauptung aufgestellt wird, eine bestimmte Inhaltsbestimmung habe "auch Art. 19 Abs. 2 GG gewahrt". Diese Entscheidung ist umso bemerkenswerter, als es um die Abwicklung der Altforderungen Privater gegenüber dem Deutschen Reich ging. Zur Begründung der Zulässigkeit der gesetzlichen Regelung, wonach solche Verbindlichkeiten des Reichs nur im Rahmen des Möglichen erfüllt werden sollten und im übrigen erloschen, als inhaltsregelnde

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Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 2 GG auch für die inhaltsbegrenzenden Gesetze in dem Sinne befürwortet wurde, der Gesetzgeber sei zur Konservierung eines Mindestmaßes an Normen, die eine privatnützige Verwendung der bestehenden Positionen durch den Inhaber ermöglichen, gezwungen1314, kann diese Ansicht zumindest nach dem damaligen Verständnis des BVerfG über die Wirkungsweise inhaltsgestaltender Gesetze nicht in Einklang gebracht werden. 1315 Krüger versuchte, diesen Schwierigkeiten auf Grund der fehlenden Antastung des Schutzbereichs durch solche Gesetze zu entgehen, indem er aus Art. 19 Abs. 2 GG eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur erstmaligen Ausstattung der für eigentumsrelevant erkannten Werte mit einem Mindestmaß an Normen, die eine privatnützige Verwendung durch ihren Inhaber ermöglichen, ableitete.1316 Damit setzte er sich allerdings der Kritik Lerches aus, wonach es nicht erklärbar sei, aus einem negativen Eindringungsverbot des Gesetzgebers ein positives Substanzierungsgebot abzuleiten.1317 Die wohl unausweichliche Konsequenz der Nichtanwendbarkeit des Art. 19 Abs. 2 GG infolge der durch die Rechtsprechung des BVerfG vorgenommenen Bestimmung des gegenständlichen Schutzbereichs des individuellen Grundrechts der Eigentumsfreiheit nach der einfachen Rechtsordnimg unter gleichzeitiger Gleichsetzung von Inhalt und Schranken zu einem einheitlichen Regelungsvorbehalt verstärkt die an anderer Stelle bereits geäußerten Bedenken1318 an dieser Konstruktion weiter. Sie führt nämlich im Ergebnis dazu, daß Art. 19 Abs. 2 GG als ausdrücklich normierte Grenze staatlicher Einwirkungsmöglichkeiten auf die durch die Grundrechte erfaßten Lebensbereiche bei der Ei-

Bestimmungen verweist das Gericht auf die faktische Konkurslage am Ende des Krieges, die nur nach dem Prinzip des Staatsbankrotts, also ähnlich einem Konkursverfahren eines Privaten, behoben werden konnte. Damit hatte der einfache Gesetzgeber nur die bereits vorher eingetretene Minderung des realisierbaren Vermögenswerts deklaratorisch nachgezeichnet, somit die formal zugeordnete Rechtsposition der tatsächlichen Lage angepaßt, wobei das Gericht diesem Gesichtspunkt keine ausschlaggebende Bedeutung zumißt. Es bleibt dabei allerdings unverständlich, wie man eine solche Anpassung an den tatsächlichen Vermögenswert unter dem Gesichtspunkt der "Antastung" der Eigentumsfreiheit prüfen kann. 1314

So Ipsen, VVDStRL 10 (1952), S. 74, 85, 94 f.; v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 14, Anm. 4; Haas, MDR 1951, S. 650 f.; wohl auch Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 369; aus neuerer Zeit ζ. Β. BK-Zippelius, Art. 1 Abs. 1 u. 2 GG, Rdnr. 112. 1315 Die unterschwellig geäußerte Kritik Löwers am Urteil des BVerfG über das Hamburger Deichordnungsgesetz, die Bedeutung des Art. 19 Abs. 2 GG für Art. 14 GG sei nicht erörtert worden (NJW 1969, S. 832), ist also nur insofern berechtigt, als die Zulässigkeit von Legalenteignungen als Eingriffe in die Eigentumsfreiheit geprüft wurde. 1316 Vgl. Krüger, in: Die Grundrechte, Bd. 3/1, S. 267, 316; dens., in: FS für Schack, S. 71, 74; dens., DÖV 1955, S. 597, 601; dens., DVB1. 1950, S. 625, 627. 1317

Vgl. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 249 Fn. 356.

1318

Vgl. die Ausführungen auf S. 335 f.

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gentumsfreiheit in weiten Bereichen leerlaufen muß 1 3 1 9 , und, da auch dort ein Bedürfnis besteht, dem Gesetzgeber nicht jeglichen Zugriff unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips mit den sogleich zu behandelnden Schwierigkeiten bei seiner Anwendung zu ermöglichen, zu der Notwendigkeit, die objektive Institutsgarantie als lückenfüllende letzte Grenze wieder aufleben lassen zu müssen.1320 Sofern in späteren Entscheidungen des BVerfG in Zusammenhang mit Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG beiläufig die prinzipielle Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 2 GG unterstellt wurde 1321 , lassen Bedeutung und Gewicht dieser Äußerungen nicht erkennen, wie diese Norm nach dem zu Art. 14 GG vertretenen Verständnis auf die Gestaltungsmacht des Gesetzgebers einwirken könnte.1322 Zumindest für den Bereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sind damit diejenigen Stellungnahmen, wonach die Institutslehre durch Art. 19 Abs. 2 GG als überholt anzusehen sei, jedenfalls unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG wohl nicht haltbar.

c) Die Bindung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Einen weiteren Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeit eigentumsrelevanter Gesetze oder hoheitlicher Einzelmaßnahmen aufgrund dererlei Regelungen soll der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bilden. 1323 Dabei bereitet die Anwendung dieses Prinzips auf die Fälle der Legal- und Administrativenteignungen i. S. d. Art. 14 Abs. 3 GG über die allgemeinen, in der Literatur am rechtlichen Abwägungsverfahren im Rahmen der Angemessenheitskontrolle wegen der angeblichen Vagheit und Beliebigkeit der "Wertbestimmung" der zu be1319 ygj a j ) e r \y enc[^ Di e Gebühr als Lenkungsmittel, S. 105, der auf der einen Seite nach der von ihm verfochtenen Trennung von Inhalt und Schranken die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 2 GG bei schrankenziehenden Gesetzen zweifelsfrei feststellen kann, im übrigen aber nur darauf verweist, daß man sich aber "im Ergebnis weitgehend einig (sei), daß durch ein auf der Grundlage von Art 14 Abs. 1 Satz 2 GG ergehendes Gesetz der Wesensgehalt des Eigentums nicht angetastet werden darf" 1320 Ygj a u c h BVerfGE 25, 112, 117, wo die Wahrung des grundlegenden Gehalts der Eigentumsgarantie als zusätzliche Begrenzung der gesetzgeberischen Gestaltungsmacht neben den übrigen Verfassungsnormen genannt wird Bedenklich demgegnüber Bäumer, DÖV 1980, S. 339, 340 mit Fn. 15, der die Auffassung vertritt, das BVerfG habe die Institutsgarantie mit Art. 19 Abs. 2 GG gleichgesetzt. 1321

BVerfGE 58, 300, 348; 61, 82,113.

1322 Ygj deutle BVerfGE 58, 300, 348, wonach sich die Bindungen des Gesetzgebers bei der Umgestaltung des Eigentums unmittelbar aus der Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ergeben; unklar allerdings BVerfGE 61, 82, 113, wonach die Aufhebung jeglicher Störungsabwehransprüche zum Schutz des Eigentums insgesamt gegen Art 19 Abs. 2 GG verstoßen soll. 1323

Vgl. dazu schon BVerfGE 8, 71, 80.

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rücksichtigenden Individuai- und Allgemeininteressen1324 hinaus keine aus diesem Institut selbst resultierenden Schwierigkeiten, weil sie vom Gericht als Eingriffe in den grundrechtlich erfaßten Bereich der Eigentumsfreiheit und damit als Verkürzung der wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten, die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als bereits bestehend gewährleistet sind, begriffen werden. 1325 Anknüpfungspunkte für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind auf der einen Seite das durch das Enteignungsgesetz zu konkretisierende "Wohl der Allgemeinheit", also der verfolgte Enteignungszweck, und auf der anderen Seite die mit der Verfolgung dieses Zweckes in Konflikt getretenen und daher entzogenen Vermögenswerten Befugnisse der Betroffenen. 1326 Bei inhaltsbestimmenden und -begrenzenden Normen bzw. auf ihnen fußenden hoheitlichen Einzelmaßnahmen läßt sich die Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht ohne weiteres unter Berücksichtigung der eingetretenen rechtlich zugewiesenen Minderungen am Eigentumsbestand der betroffenen Individuen als Grundrechtsträger der Eigentumsfireiheit prüfen, da solche inhaltsbestimmenden Normen den durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfaßten "Lebensbereich" der einzelnen nicht "einschränken", sondern ihn für die Zukunft konstitutiv umgestalten, so daß der alte Rechtszustand als Ausgangsbasis für die Abwägung nicht mehr zur Verfügung steht.1327 Sofern in der Literatur dagegen vorgeschlagen wird, bei einer gesetzlichen Umgestaltung des Eigentumsinhalts, die sich zugleich als Minderung der bislang durch die Rechtsordnung zugestandenen Befugnisse darstelle, bei der Angemessenheitsprüfung den konkret eingetretenen Verlust an Befugnissen für die Alteigentümer als Minderung des durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiraums im vermögensrechtlichen Bereich den Gemeinwohlinteressen im Rahmen der Gesamtabwägung gegenüberzustellen1328 , läßt sich diese Auffassung mit der

1324 Ygj ( j a z u pessimistischen Darstellungen von Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht; Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 332; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik und die Gegenposition bei Wendt, AöR 104 (1979), S. 414 fif. 1325

Vgl. BVerfGE 24, 367, 404; aber auch S. 396 f.

1326

BVerfGE 24, 367,405 fif.

1327

Vgl. BVerfGE 21, 92,93; 24, 367, 396. Zwar hat das Gericht diese Aussage ausdrücklich nur für den Fall getroffen, daß der Gesetzgeber unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG umgestaltet, jedoch ist eine andere Beurteilung der Wirkung einer Inhaltsbestimmung auch bei verfassungswidriger Neugestaltung etwa als Eingriff in den durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfaßten alten Rechtsbestand nicht möglich, da sich ihr Charakter als "bloße" Umgestaltung des Schutzbereichs abstrakt nicht ändert. Vgl. insoweit deutlich Schneider, Verw. Arch. 58 (1967), S. 197, 218. 1328 Vgl. sonst nur Schmidt-Aßmann, in: FS Universität Heidelberg, S. 107, 116 f.: Krohn/Löwisch, Eigentumsgarantie, Enteignung, Entschädigung, Rdnr. 64; Jarass, Art. 14 GG, Rdnr.

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damaligen Ausgangsthese des Gerichts, die Neugestaltung bewirke keine Belastung des durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten verrechtlichten Freiheitsraums, nicht in Einklang bringen. 1329 Deutlich wird diese durch die Abhängigkeit von der einfachen Rechtsordnung bewirkte Schwächung der Wirkungskraft der Eigentumsfreiheit bei der Überprüfung solcher Normen, die eine eigentumsfähige Position erstmals schaffen. 1330 Da insoweit keine bereits vorhandenen Rechtspositionen berührt werden, ergibt sich aus Art. 14 GG "kein verfassungsrechtliches Problem" 1331 . Konsequenterweise dürften sich aus dieser Norm auch keine Begrenzungen der gesetzgeberischen Gestaltungsfireiheit ergeben, wenn der Gesetzgeber sich entschließt, lediglich im Wirtschaftsverkehr anerkannte Positionen unter Beschneidung ihrer vermögenswertbildenen Befugnisse rechtlich erstmals zu verfestigen oder auf sie in sonstiger Weise mindernd einzuwirken. 1332 Nur soweit man aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als objektiver Wertentscheidung zugunsten einer Rechtsordnung, die eine privatnützige Verwertung von 32; Maunz/Dürig-Pap/er, Art. 14 GG, Rdnr. 258; Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, S. 75; Bender, NJW 1965, S. 1297, 1298. 1329 V g l dazu vorerst die Kritik bei v. MiXnch/Bryde, Art. 14 GG (3. Aufl.), Rdnr. 61. Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die Würdigung der Ausführungen Schwerdtfegers (Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie) in der Literatur. Während Kutschera (Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 119 mit Fn. 69) den Autor zum Nachweis seiner Auffassung heranzieht, inhaltliche Neuregelungen könnten ausschließlich an der Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG überprüft werden, zieht Schmidt-Aßmann (in: FS Universität Heidelberg, S. 107, 117) denselben Autor für seine These heran, Neuregelungen seien unter Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsprinzips am Maßstab des individuellen Freiheitsgrundrechts der betroffenen Alteigentümer zu messen. Dieser unterschiedliche Ansatz läßt sich insofern aufklären, als Schwerdtfeger in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht nur eine Befugnis des Gesetzgebers zur abstrakt-generellen Neugestaltung der Eigentumsordnung, sondern darüberhinaus eine Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe in bestehende Rechtspositionen ohne Entschädigungserfordemis erblickt (S. 24). Ein ähnliches Verständnis über den Charakter des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG als Ermächtigung zu Eingriffen in den Vermögenswerten Freiheitsbereich des einzelnen hat Gentz (NJW 1968, S. 1600, 1603), wobei er allerdings nicht erklärt, wie der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit sich nach seiner Auffassung definieren läßt. 1330 Also ζ. B. das Wohnungseigentum nach dem WEG. Vgl. zu der Diskussion in den siebziger Jahren um die Einführung eines "Nutzungseigentums" für Grund und Boden, wobei das Recht, über ein Grundstück durch Verwertung verfügen zu können, bei der öffentlichen Hand verbleiben soll, Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 74 fif. 1331

BVerfGE 15,126, 143. 1332 ygj ( j a z u a u c h die Probleme, die Wendt (Eigentum und Gesetzgebung, S. 281 ff.), der zwischen inhaltsbestimmenden und schrankenziehenden und damit in den grundrechtlichen Schutzbereich eingreifenden Normen differenziert, bei der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im ersteren Fall hat. Der Autor stellt dabei fest, daß der Teilaspekt der Erforderlichkeit bei der Überprüfung der gesetzgeberischen Gestaltungsmöglichkeiten darauf hinauslaufen würde, zulasten der potentiellen Eigentümer die Position mit möglichst geringen Befugnissen auszustatten und damit das Verhältnismäßigkeitsgebot für die Gruppe entgegen seinerfreiheitssichemden Funktion freiheitsbeschränkend anzuwenden (S. 285 f. mit Fn. 645).

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Wirtschaftsgütern ermöglicht, ein Handlungsgebot des Gesetzgebers zur

Schaffung und Verfestigung eigentumsrelevanter Güter ableiten könnte 1333 , wäre eine Überprüfung anhand des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unter grundsätzlicher Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes denkbar, was allerdings wegen des nach Auffassung des BVerfG akzessorischen Charakters der Institutsgarantie als Verstärkung des individuellen Freiheitsgrundrechts nur schwer begründbar sein dürfte. 1334 Das gegen den Staat gerichtete Abwehrrecht zum Schutz der privaten Teilnahme am Wirtschaftsverkehr würde sich in diesem Falle, da die Institutsgarantie nur die Kehrseite des individuellen Grundrechts verkörpert, notwendigerweise in ein Leistungsrecht des einzelnen gegenüber dem Gesetzgeber verwandeln, bei seinen Vorhaben nicht nur die private Vermögenssphäre zu respektieren, sondern diese durch die erstmalige Schaffung von Normen, die von nun an das Rechtsverhältnis zwischen ihnen und den Nichteigentümern regeln, zu erweitern und dabei in einem für eine zukünftige wirtschaftliche Nutzung notwendigen und angemessenen Umfang durch die Auferlegung einer Duldungspflicht in die allgemeine Handlungsfreiheit der Nichteigentümer belastend einzugreifen. 1335 Das gegen den Staat gerichtete Abwehrgrundrecht beinhaltet danach zugleich einen gegen ihn gerichteten Anspruch zulasten privater Dritter und dies, obwohl der Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, das Eigentum lediglich zu gewährleisten, gegen die Interpretation der Eigentumsfreiheit als Grundrecht auf Erwerb von Eigentum spricht. 1336 Es bleiben nun die Fälle zu untersuchen, bei denen der Gesetzgeber einen alten Rechtsbestand für die Zukunft neu definiert und dabei die Rechtssphäre der alten Eigentümer mindernd berührt. Sofern dabei allerdings zukünftigen potentiellen Eigentümern die Möglichkeit verwehrt wird, eine von der Inhaltsbestimmung betroffene Position mit den nach alter Rechtslage bestehenden Befugnisse zu erwerben, ist nicht ihr individuelles Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG, sondern ihre allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG 1333 So ζ. B. Leisner, in: HbStR, Bd. 6, § 149, Rdnr. 70 f.; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 250fif., 287 unter Hinweis auf BVerfGE 49, 220, 232 f., wobei dort allerdings die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips auf grundrechtsberührende Eingriffe angesprochen wurde. 1334 Vgl. auch v. Uünch/Bryde, Bd. 2, S. 1415,1419. 1335

Art 14 GG (4.Aufl.), Rdnr. 31 f.; Herzog, in: FS für Zeidler,

So ausdrücklich Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 287.

1336 Ygi m (len damit verbundenen Gefahren, die freiheitsschützenden Grundrechte als objektive Wertentscheidungen zu gesetzgeberischen Legitimation für freiheitsbegrenzende Maßnahmen ùmzufunktionieren, allgemein Roellecke, in: FS BVerfG, Bd. 2, S. 22, 41 f., wobei sich im Bereich des Art. 14 GG die zusätzliche Gefahr ergibt, über die Fälle der Abgrenzung der geschützen Lebensbereiche verschiedener Grundrechtsträger hinaus Eingriffe zu rechtfertigen.

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betroffen. 1337 In diesen Fällen bildet Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Institutsgarantie einen Prüfungsmaßstab zur Beurteilung der Frage, ob das Gesetz, das in erster Linie die Eigentumsverhältnisse neu gestaltet und dabei eben auch die Erwerbsfreiheit des potentiellen zukünfigen Eigentümers tangiert, zur "verfassungsmäßigen Ordnung" i. S. d. Art. 2 Abs. 1 GG gehört. 1338 Die Überprüfung der Geeignetheit und Erforderlichkeit des Gesetzes am Maßstab der Institutsgarantie führt in solchen Fällen im Regelfall zu keinen besonderen Schwierigkeiten, sofern man es als zulässig ansieht, im Rahmen dieser Gesichtspunkte die Maßnahme als solche und den Grad der gewollten Eigentumsminderung (nicht: -einschränkung) im Vergleich mit der alten Rechtslage zu den sie legitimierenden Zweck in Beziehung zu setzen.1339 Schwierigkeiten bereitet allein die Angemessenheitskontrolle angesichts der Tatsache, daß die Institutsgarantie nur "einen Grundtatbestand von Normen (sichert), die als Eigentum im Sinne dieser Grundrechtsbestimmung bezeichnet werden." 1340 Damit ergibt sich das Problem, daß für die Frage, ob eine solche eigentumsrelevante Neuregelung der Rechtsverhältnisse der durch sie betroffenen Gesamtheit der Alteigentümer angemessen ist, nicht pauschal auf ihre nach alter Rechtslage einfachgesetzlich konkret zugewiesene Befugnisse abgestellt werden kann, sondern vielmehr differenziert werden muß, welche dieser Befugnisse und in welchem Umfang sie vom Schutzbereich her erfaßt 1341 und wel1337 ygj d ie m diesem Punkt offen gehaltene Rechtsansicht des BVerfG in E 21, 73, 77 unter Hinweis auf E 10, 89,99 und eindeutiger E 21, 73, 87; 21,102,105. 1338

BVerfGE 21,73, 79.

1339

Vgl. BVerfGE 21, 73, 86; 21, 150, 155. Dabei bedeutet es keinen Widerspruch, wenn das Gericht auf der einen Seite an diesen Kriterien festhält, auf der anderen Seite dem Gesetzgeber bei der Prognose über die Geeignet· und Erforderlichkeit einer hoheitlichen Maßnahme einen nicht nachprüfbaren Beurteilungsspielraum einräumt (so z. B. in BVerfGE 21, 150, 157). Die gegenteilige Auffassung Breuers (Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 25 f.) berücksichtigt nicht hinreichend, daß auch der Gesetzgeber im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG an die aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsätze gebunden bleibt. Die ggf. erfolgende verfassungsrechtliche Überprüfung hat demgegenüber die rechtspolitischen Erwägungen bei der Auswahl des die eigentumsrelevante Maßnahme legitimierenden Zwecks zu respektieren und auch die Prognose über den Erfolg und die Notwendigkeit des zur Erreichung dieses Ziels ergriffenen Mittels wegen der im Rahmen wirtschaftslenkender Maßnahmen notwendigen Spielräume nur auf die Vertretbarkeit hin zu untersuchen (vgl. z. B. Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, S. 75; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 320; vgl. auch BVerfGE 18, 121, 132, wo die Prüfung der Kontrolle der Verhältnismäßigkeit am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG mit der innerhalb des Art. 3 Abs. 1 GG vom Ergebnis her gleichgesetzt wird). 1340

BVerfGE 24, 367,389 (Hervorhebung vom Verfasser). 1341 Ygj dazu eindrucksvoll BVerfGE 10, 221, 228, wo die Rechtsposition des Pächters eines Kleingartens zu seinem Verpächter untersucht wurde. Dabei stellte das Gericht fest, daß "keinesfalls (...) die Festsetzung von Höchstbeträgen für die Benutzung von Kleingartengelände zu Wohnzwecken zum Begriff dieses Eigentums (der Vermögenswerten Rechtsstellung des Pächters) (gehöre)", obwohl

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che sozusagen überschießend nicht von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als objektiver Wertentscheidung zugunsten des Privateigentums gedeckt sind. 1342 Da die Institutsgarantie als objektive Kehrseite und Zusammenfassung der individuellen Eigentumsfreiheit der Gesamtheit ihrer Träger die Aufgabe hat, "einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherzustellen" 1343, prüft das Gericht in einem solchen Fall, ob der durch die Regelung betroffene Eigentümerkreis angemessen mit seinen prinzipiellen Interessen einer privatnützig orientierten Zuordnung und Verwertungsmöglichkeit des Rechtsguts im Rahmen des Wirtschaftverkehrs im Verhältnis zu dem verfolgten Gemeinwohlinteressen berücksichtigt wird, wobei dem Gesetzgeber aus der in Art. 14 Abs. 2 GG als Richtschnur für ihn zur Herstellung einer "gerechten Rechts- und Gesellschaftsordnung" normierten Sozialbindungsklausel bei der Beschränkung der Eigentümerbefugnisse auf eine "sozial gerechte Nutzung (!)" ein "verhältnismäßig weiter Gestaltungsspielraum" bei der Abwägung der beteiligten Interessen zukommen soll. 1344 Anzumerken bleibt bei dieser auf die ratio der Eigentumsfireiheit abstellenden Abwägung, daß in dem Moment, in dem dem Grundrecht eine geänderte Funktion, nämlich die der materiellen Existenzsicherung unterstellt wird, sich auch die eigentumsrelevanten Rechtsnormen bzw. ihre Bedeutung für die Abwägung im Rahmen der Institutsgarantie als Grundbestand ändern müßten, so daß die weitere Rechtsprechung des BVerfG unter diesem Gesichtspunkt zu untersuchen sein wird. Sofern sich ein Rechtsinhaber einer konkreten Vermögenswerten Position durch eine bereits beim Erwerb bestehende eigentumsrelevante Regelung in verfassungswidriger Weise belastet fühlt, scheidet ebenfalls eine Überprüfung wirtschaftlich gesehen die Höhe der zu erbringenden Gegenleistung für das innegehabte Nutzungsrecht einen erheblichen Faktor bei der Bemessung seines Vermögenswerts ausmacht, weil sich dessen Bedeutung im Vergleich zu der Gesetzeslage 1935 - Arbeitslosigkeit, später Luitkriegsschäden - gewandelt habe. Ferner zu dieser Unterscheidung zwischen dem Umfang der Institutsgarantie und dem Schutzbereich der individuellen Eigentumsfreiheit Maunz, Bay VB1. 1981, S. 321, 322. 1342 ygj m je,, ansonsten üblichen konkreten Vergleichsprüfung des tangierten Lebensbereichs vor und nach der konkreten rechtlichen Maßnahme ζ. B. BVerfGE 7, 198, 210 f.; 7, 377, 404 f., 413 fif.; Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568, 575 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 318 a.E.: Breuer, in: HbdStR, Bd. 6, § 148 Rdnr. 8 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 328; Jarass, Art. 20 GG, Rdnr. 61; v. Münch/ATwwg, Art. 2 GG (4. Aufl.), Rdnr. 24. 1343 BVerfGE 24, 367, 389. Vgl. zu der anfangs gebräuchlichen Umschreibung des Inhalts der Institutsgarantie als das vom bürgerlichen Rechte und den gesellschaftlichen Anschauungen geformte Eigentum die Ausführungen auf S. 249 f. 1344 BVerfGE 21, 73, 83, wobei konkret ausgeführt wird, daß wegen der außerordentlichen volkwirtschaftlichen und sozialen Bedeutung des Grund und Bodens als betroffener Eigentumsart auch gravierende Begrenzungen der Veräußerungsbefugnis der Grundeigentümer zur Abwehr einer ungesunden Bodenverteilung hinnehmbar seien.

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dieser Norm am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als individuellem Grundrecht aus, da dieses - wenn überhaupt - nur die Abwehr zukünftiger belastender Inhaltsbestimmungen ermöglicht. Auch in einem solchen Fall könnte der Betroffene nur im Rahmen einer Rüge der Verletzimg seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG geltend machen, die beanstandete Norm habe bei ihrem Inkrafttreten den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Institutsgarantie verletzt, indem sie die durch sie erfaßten privatnützigen Interessen der Gesamtheit der damals betroffenen Eigentümer nicht mit dem legitimierenden Zweck in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht habe.1345 Einen unmittelbaren Bezug auf das individuelle Grundrecht der Eigentumsfreiheit der Inhaber bereits erworbener Rechtspositionen weisen demgegenüber solche inhaltsbestimmenden Gesetze auf, die im Zeitpunkt ihres Inkrafittretens unmittelbar oder auf Grund einer staatlichen Einzelmaßnahme1346 bislang zugeordnete Befugnisse abschmelzen und damit den konkreten Bestand in ihrer Hand belasten.1347 Zunächst unmittelbar einsichtig ist die Ablehnung der Tangierung des Schutzbereichs der individuellen Eigentumsfreiheit in den Fällen, wo und soweit durch die gesetzliche Neuregelung der bisherige Bestand an konkreten Rechtspositionen unverändert übernommen, wo mit anderen Worten die Gesetzeslage lediglich aktualisiert wird. 1348 Allerdings hat das Gericht auch in solchen Fällen einer bloßen Rechtsanpassung eine Überprüfung der identisch gebliebenen Befugnislage für die Gesamtheit der betroffenen Eigentümer anhand der Institutsgarantie unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips vorgenommen, also geprüft, ob die Beibehaltung der Belastung des Eigentümerkreises sachgerecht und geboten, erforderlich und angemessen ist. 1349 Auch hier verwandelt sich das freiheitsschützende Individualgrundrecht in ein objektives Handlungsgebot des Gesetzgebers, bei derartigen Neuregelungen die bisherige Rechtslage auf ihre Sinnhaftigkeit hin zu überpüfen und ggf. anzupassen, und dies, um es noch einmal zu betonen, ob1345 Vgl. ζ. B. BVerfGE 10, 55, 59, wo lapidar eine abstrakte Prüfung der Norm des § 1 Abs. 1 Satz 1 des Tierzuchtgesetzes ohne Bezug auf den konkreten Fall vorgenommen wurde. 1346 Qj e a j s unmittelbar grundrechtberührende Maßnahme den Gegenstand der verfassungsrechtlichen Überprüfung im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde bildet; vgl. BVerfGE 1, 97, 102 f.; 6, 290, 295.

1347 Ygj z B BVerfGE 3, 162, 182, wobei zwischen Enteignungen und anderen Verletzungen getrennt wird; E 6, 290, 296: Vergleich der Rechtslagen vor und nach der Änderung; E 11, 221, 229, 231; 13, 225, 229 f.; 14, 263, 276 f.:"Umgestaltung der privatrechtlichen Beziehungen zwischen Aktionären"; 16, 94, 118; 21,150,156; 24, 367, 393,395. 1348

Vgl. ζ. B. BVerfGE 11,192,203; 10, 89,113; 17, 232, 248.

1349

Vgl. BVerfGE 25, 112, 117 fif.

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wohl es nach Auffassung des Gerichts kein individuelles Grundrecht des konkret betroffenen Eigentümers auf Beibehaltung bzw. Besserstellung seiner durch die einfache Rechtsordnung konstitutiv ausgeformten Stellung geben kann und die Institutsgarantie als objektive Kehrseite des durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Individualschutzes nur eine Verstärkung bewirken soll. Es bleiben mithin die Fälle zu untersuchen, in denen sich ein konkreter Alteigentümer gegen eine Minderung seiner bislang zugestandenen Befugnis entweder durch das Inkrafttreten eines eigentumsrelevanten Gesetzes oder einen ein solches Gesetz umsetzenden Einzelakt zur Wehr setzt. In solchen Fällen sind hinsichtlich der betroffenen Alteigentümer die Konstellationen auszuscheiden, bei denen der so bewirkte Verlust "so bedeutsam ist, daß er als Enteignung (als Eingriff in die vermögensrechtliche Lebenssphäre der betroffenen Eigentümer) zu qualifizieren ist" 1 3 5 0 . Da bei solchen Gesetzen bzw. Einzelmaßnahmen mit einer enteignenden Wirkung eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung anhand der konkreten Umstände vorgenommen wird, liegt es eigentlich aus Praktikabilitätsgründen nahe, auch bei den minder "gewichtigen" Inhaltsneubestimmungen nach diesen Kriterien vorzugehen, mit anderen Worten, die durch die Rechtsänderung bewirkte konkrete Schmälerung der Vermögenswerten Befugnisse von ihrer Bedeutung für die wirtschaftliche Betätigungsmöglichkeiten1351 mit den verfolgten öffentlichen Zielen abstrakt von ihrem Rang und nach der konkreten Intensität der bewirkten Beeinträchtigung bzw. der vorgefundenen Gefährdungslage für das Gemeinwohlinteresse abzuwägen.1352 Eine solche konkrete Abwägung unter Berücksichtigung der im 1350 BVerfGE 24, 367, 395 (Klammerzusatz vom Verfasser); vgl. ferner BVerfGE 11, 221, 229, 231; 25, 112, 121. Zu den verschiedenen vom Gericht ausgesprochenen Differenzierungskriterien bei der Unterscheidung zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung vgl. die weiteren Ausführungen im Text. 1351 Wenn man die Sicherung der materiellen Lebensgrundlage als ratio der Eigentumsfreiheit ansieht, muß ihre Bedeutung zur Daseinssicherung und -Vorsorge als maßgeblicher Wertungsgesichtspunkt angesehen werden. 1352 Vgl. zu dieser konkreten Art der Abwägung Wendt., AöR 104 (1979), S. 414, 454 f, 458 ff.; Seilmann, NJW 1965, S. 1689, 1692; Schenke, JuS 1974, S. 789, 791; ferner Schnapp, JuS 1983, S. 850, 854 f.; Kreft, Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839, Rdnr. 48; Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568, 598; Rengeling, AöR 105 (1980), S. 423, 436. Auch Timm (Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 52) will im Rahmen der Überprüfung einer eigentumsrelevanten Neuregelung am Maßstab der individuellen Eigentumsfreiheit der betroffenen Alteigentümer einen "Qualitätsvergleich zwischen der alten und der neuen Regelung im Hinblick auf die materielle Stärke der urspünglichen und der nunmehr abgewandelten Rechtstellungen" vornehmen und zieht für diese These u.a. BVerfGE 24, 367, 393 ff.; 25, 112, 121 heran. Dabei übersieht die Autorin, daß das BVerfG sich in diesen Passagen über die Definition und Zulässigkeit von Enteignungen äußert und ausdrücklich feststellt, daß "bei den (dort unterstellten) Erwägungen alle Sachverhalte auszuscheiden (haben), in denen das

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Moment des Inkrafttretens des Gesetzes bzw. des Wirksamwerdens des behördlichen Volkzugsakts geschmälerten Befugnisse der betroffenen Rechtsinhaber findet sich in der Tat in einzelnen Entscheidungen, wobei die dort angestellten Überlegungen zu den einzelnen Teilbereichen des Verhältnismäßigkeitsprinzips teilweise geradezu mustergültig sind. 1353 In anderen Entscheidungen begnügt sich das Gericht dagegen allein mit der Feststellung, das betreffende Gesetz stelle eine auf Grund der Sozialbindung in Art. 14 Abs. 2 GG zulässige typische Inhaltsbestimmung dar, die dem Gesetzgeber ausdrücklich nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG anheimgestellt sei. 1354 Diese widerspüchliche Handhabung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatztes bei eigentumsrelevanten Maßnahmen, die zur Minderung konkret zustehender Befugnisse der Alteigentümer führen, wobei bei Nichtanwendung deren konkretes Grundrecht als Bewertungsmaßstab zur Überprüfung gänzlich ausscheiden würde, so daß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Individualgrundrecht nur noch den Inhalt hätte, den Gesetzgeber zur Einhaltung der Institutsgarantie als objektivem Leit- und Grundprinzip und zur Vermeidung unzulässiger Enteignungen zu veranlassen 1355 , verdeutlicht den Zwiespalt, in dem das Gericht mit seiner Qualifikation der Inhaltsbestimmung gelangt ist: Wenn Inhaltsbestimmungen nur von vornherein immanente Beschränkungen auf Grund des Leitbildes vom auch sozial gebundenen Eigentum bzw. nach den Anschauungen des gesellschaftlichen Lebens typische Befugnisse verrechtlichen und damit keine Eingriffe darstellen, kann der vor einer solchen Verrechtlichung bestehende Status nicht als Maßstab für eine Verhältnismäßigkeitsprüfüng herangezogen werden, weil der von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Freiheitsbereich diese Befugnis erst gar nicht umfaßte. 1356 Hält man sich diese Ungereimtheiten vor sachenrechtliche Zuordnungsverhältnis dem Grunde nach bestehen bleibt, aber bisher zustehende Befugnisse genommen oder geschmälert werden." 1353 Ζ. B. BVerfGE 14,263,280fif. (insbesondere S. 282 f.); 20,351,361 ff; 21,150,155 ff; 25, 112, 119 ff; femer 8, 71, 80. Die Auffassung Breuers (Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 31 Fn. 88), wonach die Prüfung der Verhältnismäßigkeit i. w. S. in der Tollwutentscheidung des BVerfG (E 20, 351, 361 ff) einen nicht verallgemeinerungsfähigen Einzelfall darstelle, ist daher nicht zutreffend.

1354 Ygj n u r BVerfGE 8, 274, 330 zu preisrechtlichen Vorschriften unter Hinweis auf die gleichlautende Stellungnahme in der Literatur, wobei dort lediglich eine Abgrenzung zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung nach den verschiedenen Enteigungstheorien vorgenommen und aus der Klassifikation als Inhaltsbestimmung auf die Zulässigkeit geschlossen wird; E 10, 89, 113, 114; 11, 221, 229; 13, 225, 229 f.; 16,147, 187; 17, 232, 248; 22,380, 386 f. 1355 Kritisch dazu z. B. Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 118 ff; wohl in diese Richtung tangierend dagegen z. B. Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331,364 ff. 1356 Besonders deutlich werden die Spannungen zwischen dem Verhältnismäßigkeitsprinzip als Kontrollmaßstab beifreiheitsbeschränkenden Maßnahmen und dem Verständnis des Gerichts über die Natur der Regelungen aufgrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG in BVerfGE 20, 351 ff, wo auf der

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Augen, erscheint es nicht angängig, die zahlreichen Entscheidungen ohne Hinweis auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Rahmen der Prüfung des Art. 14 GG als bloße Nachlässigkeiten des Gerichts zu deuten, mit denen es die prinzipielle Geltung dieses Prinzips auch im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht antasten wollte. 1357 Die Unvereinbarkeit der These, der individuelle Freiheitsbereich des Eigentümers werde durch die Rechtsordnung gestaltet, mit dem Wunsch des Gerichts, auch dort das staatliche Maßnahmen begrenzende Verhältnismäßigkeitsprinzip anzuwenden, läßt sich nur durch Abstriche an einem der beiden Ausgangspunkte lösen: Entweder wird der Kontrollmaßstab des Verhältnismäßigkeitsprinzips aufgeweicht, indem ζ. B. nur allgemein auf die Grundentscheidung zugunsten des Instituts des Privateigentums als vages Leitprinzip abgestellt wird 1 3 5 8 , oder aber man sieht nachträgliche Verschlechterungen der Eigentümerstellung von Rechtsinhabern doch als Einschränkungen eines vorher gegebenen konkreten Freiheitsraumes an 1 3 5 9 , hat dann aber das Erklärungsproblem, warum, abweichend von anderen Grundrechten, die zunächst freiheitsbeschränkende Norm sich für zukünftige Generationen von Rechtsinhabern in eine schutzbereichsgestaltende Inhaltsbestimmung wandelt 1360 , oder aber man differenziert zwischen Inhaltsbestimmungen, die ihre Legitimation aus der Sozialbindung nach Art. 14 Abs. einen Seite die staatliche Befugnis zur Zerstörung von Sachen, von denen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht, aus einer dem Eigentum immanenten Sozialbindung abgeleitet wird (S. 361), deren Aktualisierung somit keine Verkürzung des durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Freiraums gegenüber staatlichen Zugriffen bedeutet, auf der anderen Seite im gleichen Atemzug die Notwendigkeit der Verhältnismäßigikeit zwischen diesem "Eingriff", dieser "Einschränkung" und dem schützenswerten öffentlichen Interesse betont wird (S. 361). Wie das Gericht angesichts einer fehlenden Verkürzung des Schutzbereichs des individuellen Grundrechts durch eine inhaltliche Neu- und Umgestaltung mildere Regelungsalternativen diskutiert, ist schon bemerkenswert. 1357

Vgl. aber Schnapp, JuS 1983, S. 850, 854; Bleckmann, Allgemeine Grundrechtslehren,

S. 262. 1358

Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 21; vgl. ferner Krohn/Löwisch, Eigentumsgarantie; Enteignung, Entschädigung, Rdnr. 64, wonach die Bedeutung der öffentlichen Schutzgüter in einem ausgewogenen Verhältnis zur Intensität des Eingriffe in die Nutzungsbefugnisse des Eigentümers stehen müsse, ohne daß von den Autoren geklärt wird, in welchem Maße derartige Nutzungs- und Verwertungsbefugnisse der konkreten Vermögenswerten Position von Verfassungs wegen vorgegeben seien. Noch weitergehender lehnt Schmidt, AöR 91 (1966), S. 42, 59 die Überprüfbarkeit derartiger ausgestalteter Gesetze anhand der Verfassung überhaupt ab; er verkennt, daß auch die objektiven Wertentscheidungen zugunsten der in den Grundrechten enthaltenen Freiheitsbereiche, die aus der Verfassung heraus inhaltliche Konturen erhalten, einen zumindest vagen Beurteilungsmaßstab ermöglichen. Andere Lösungsvorschläge zu diesem Problem unterbreitet Krakau, DÖV 1970, S. 178, 181. 1359

So wohl z. B. Badura, in: Handbuch des Verfassungsrechts, S. 653, 673 f.; Schenke, JuS 1977, S. 789, 791 m. w. N. in Fn. 23; Stein, in: FS für Gebhard Müller, S. 503, 515. 1360 Deutlich wird dieses Problem ζ. B. von Schulte (DVB1. 1965, S. 386, 387) herausgearbeitet, da nach seinen Ausführungen auch Enteignungstatbestände ohne weiteres für die Zukunft als inhaltsbestimmend qualifiziert werden könnten.

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2 GG ableiten können und daher einer Verhältnismäßigkeitspriifung nicht oder nur leitbildartig zugängig sind, und echten Schranken zugunsten anderer Güter des Gemeinwohls, die sich als Eingriffe definieren und somit problemlos anhand des Verhältnismäßigkeitsprinzips überprüfen lassen.1361 Insgesamt erscheint der durch die Eigentumsfreiheit gewährleistete Schutz der privaten Vermögenssphäre des einzelnen nach der Konzeption des BVerfG von der Abhängigkeit des Schutzbereichs vom einfachen Gesetzgeber als unbefriedigend. 1362

d) Die Abgrenzung zwischen Enteignung und Inhaltsbeschränkung

Führt man sich die erheblichen Konsequenzen für die rechtliche Würdigung eigentumsrelevanter Gesetze bzw. auf ihnen fußender Einzelmaßnahmen nach der Einordnung als entschädigungpflichtige Eingriffe oder inhaltliche Umgestaltungen vor Augen, verwundert es doch, daß sich das Gericht an der zwischen BGH, Β VerwG und Literatur ausgetragenen Diskussion nicht sonderlich beteiligte und im Gegenteil geradezu darauf bedacht war, sich möglichst nicht zu einer Auffassung ablehnend zu äußern 1363 oder gar sich auf eigene Abgren-

1361 V g i jjj di e s e Richtung die kritischen Bemerkungen Ipsens zum Feldmühle-Urteil des BVerfG in AöR 91 (1966), S. 86, 95. 1362

Ein schönes Beispiel für die Unvereinbarkeit der beiden Thesen des BVerfG über den Charakter der inhaltsbestimmenden Gesetze und die Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsprinzips bieten die Ausführungen von Reiland (Verw. Arch. 66 [1975], S. 255, 264fif.). Auf der einen Seite zeichnen eigentumsbegrenzende Gesetze die sich aus dem Inhalt des Grundrechts ergebenden Grenze der Vermögenswerten Rechtspositionen des einzelnen nur nach (S. 264). Der Autor zieht daraus aber die Folgerung, daß unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (S. 266) die im Bereich anderer Grundrechte eingeführte "Wechselwirkungstheorie" des BVerfG Anwendungfinden müsse (S. 264). Dieser Ansicht liegt ein großes Mißverständnis zugrunde, da die Wechselwirkung nur zwischen einem vorgegebenen Freiheitsbereich und einer von außen wirkenden Beschränkung geprüft werden kann. Bei schutzbereichsprägenden bzw. -nachzeichnenden Gesetzen kann die Frage dagegen nur lauten, ob der einfache Gesetzgeber sich im Rahmen der näheren inhaltlichen Bestimmung noch an die Vorgabe aus der jeweiligen Grundrechtsnorm gehalten oder diese unzulässig verengt hat; vgl. zu Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a. F. als nicht durch Gesetzesvorbehalt eingeschränktem Grundrecht v. Münch/Schnapp, Art. 16 GG (4. Aufl.), Rdnr. 29; Jarass, Art. 16 GG, Rdnr. 21; Randelshofer, in: HbStR, Bd. 6, § 132, Rdnr. 58, jeweils mit unterschiedlichen Ansätzen zur Frage, ob sich aus der Einheit der Verfassung ungeschriebene und ausfüllungsfähige Schranken ergeben. Allgemein zur Differenzierung zwischen einschränkenden und gestaltenden Gesetzen Scheuner, DÖV 1971, S. 505, 510. 1363 vgi anschaulich BVerfGE 8, 274, 330, wo preisrechtliche Maßnahmen als in der Regel inhaltsbestimmend qualifiziert werden. Die ohne Kommentierung wiedergegebenen Belegstellen gelangen alle zu diesem Ergebnis, allerdings auf völlig unterschiedlichen Wegen. Vgl. femer zu der offenen Haltung der zumindest theoretisch unterschiedlichen materiellen Ansätze von BGH und BVerwG BVerfGE 11, 294, 296 f.; 20,351, 356.

24 Eschenbach

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zungsmerkmale festzulegen. 1364 Die nach dem damaligen Stand der Dogmatik dem Rechtsinhaber einer vermögenwerten Position eingeräumte Möglichkeit, zwischen einer gerichtlichen Aufhebung der ihn übermäßig belastenden Maßnahme und einer gerichtlich zugebilligten Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff wählen zu können, kann als Begründung für diese Zurückhaltung angesichts der schon fühzeitig geäußerten Ansicht, aus Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG lasse sich keine Kompetenz der Gerichte ableiten, ein übermäßig belastendes Gesetz mit Hilfe einer ungeschiebenen Entschädigungsklausel zu heilen 1365 , nicht herhalten. Angesichts der zur Umschlagstheorie, wonach sich Enteignung und Inhaltsbestimmung allein durch materielle Wertungen - Schwere, Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz etc. - unterscheiden lassen, geäußerten Bedenken1366 und der Selbstverständlichkeit, mit der das BVerfG diese materiellen Enteignungstheorien später im Naßauskiesungsbeschluß zugunsten einer streng formal orientierten Unterscheidung verworfen hat 1 3 6 7 , erscheint es angebracht, eventuell vorhandene entsprechende Ansätze in der früheren Rechtsprechung des Gerichts bezüglich dieser formalen Sichtweise aufzuzeigen.

aa) Die Minderung vorhandener Rechtspositionen als Mindestvoraussetzung

Grundvoraussetzung einer jeden Enteigung durch oder auf Grund eines Gesetzes nach Art. 14 Abs. 3 GG ist der Entzug konkreter Rechtspositionen mit vermögenwertem Inhalt. 1368 Damit wird zunächst klargestellt, daß eine Enteignung begrifflich überhaupt nicht denkbar ist, wenn die gesetzliche Regelung lediglich in die Zukunft wirkt, sei es, daß sie eine eigentumsfähige Rechtsposition erstmals schafft, sei es, daß sie an ihren Entstehungstatbestand negative Folgen für den Rechtserwerber knüpft 1369 oder für die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bestehenden Altrechte im Vergleich zur bisherigen 1364

Dazu E 25, 112, 121; 24,366, 395.

1365 BVerfGE 4, 219, 232 f., wobei diese Aussage - wie sich aus dem ersten Absatz der Entscheidung ergibt - sich auch auf behördliche Einzelmaßnahmen bezieht, die bei UnVerhältnismäßigkeit ebenfalls nichtig sind. Vgl. auch E 8,274,330. 1366

Vgl. oben S. 110 f., 196 f.

1367

Vgl. BVerfGE 58,300,330 ff.; ferner die harsche Kritik an der Rechtsprechung des BGH von Böhmer, NJW 1988, S. 2561,2569 ff. 1368 V g l 1369

B V e r f G E

20,350,359; 22,387,422; 24,367,393,394 f.

Vgl. BVerfGE 14,105,120; 21,102,105.

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Rechtslage keine weiteren Schmälerungen der Herrschaftsbefugnisse bis hin zum Verlust bewirkt. 1370 Diese Erkenntnis ist für sich genommen allerdings wenig ergiebig, führt man sich vor Augen, daß Abgrenzungsprobleme zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung erst dann entstehen können, wenn die gesetzliche Regelung direkt oder mittelbar durch Ermächtigung zum behördlichen Vollzugsakt auf konkret bestehende Rechtspositionen einzelner trifft. 1371 Interessant werden die Äußerungen des Gerichts erst dann, wenn es sich mit dem Gewicht, dem Grad, der Form oder dem Umfang der bewirkten Rechtsveränderung beschäftigt, die zur Bejahung des Merkmals des Entzugs erforderlich sind.

bb) Der Entzug als Voll- oder Teilrechtsverlust

Legt man den Wortlaut des Begriffs "Entzug" zur nicht abschließenden Umschreibimg des Vorgangs der Enteignung als einem "Aus-dem-Eigentumsetzen"1372 der Auslegung des Begriffs "Enteignimg" zugrunde, könnte man die entsprechenden Ausführungen des Gerichts dahingehend deuten, daß lediglich die durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgte Aberkennung eigentumsfähiger Herrschaftsbefugnisse, also die völlige oder teilweise Aufhebung des rechtlichen Zuordnungsverhältnisses zwischen Eigentumsgegenstand und Rechtsinhaber, im Unterschied zu bloßen Beschränkungen unter Aufrechterhaltung dieses Zuordnungsverhältnisses enteignend wirken könne. In der Literatur wurde diese Auffassung in einer streng formalisierten Variante von Dürig vertreten, der zwischen Enteignung als Rechtsentziehungen bzw. Sachzerstörungen und bloßen Eigentumsbeschränkungen, die das betroffene Recht bestehen lassen, unterschied.1373 Schack dagegen verstand den Begriff des Entzugs eher wirtschaftlich und stellt dem Rechtsverlust auch die Eigentumsbeschränkungen gleich, die zwar das Zuordnungsverhältnis formal beste-

1370

Vgl. BVerfGE 25,112, 121 f.

1371

Die Ausklammerung des Kernbereichs der Abgrenzungsproblematik zwischen Inhaltsneubestimmung und Enteigung von Böhmer (NJW 1988, S. 2561, 2573) als nicht näher zu erörternder Frage wirft daher ein bezeichnendes Licht auf die von ihm favorisierte doch so eindeutige formale Differenzierungsmöglichkeit zwischen den beiden Rechtsinstituten. 1372 1373

Dürig, JZ 1954, S. 4,10.

JZ 1954, S. 4, 10 f.; JZ 1955, S. 521, 522; ihm folgend mit der Erweiterung, daß auch die Belastung mit begrenzten dinglichen Rechten als Teileinziehung zu werten sei, Staudinger-Sew/Terr, Bd. III (11. Aufl.), Vorbem. zu § 903, Rdnr. 35, 36 a. E. Vor Dürig mit gleichem Gedankengang bereits Haas, MDR 1951, S. 650,651.

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hen lassen, praktisch aber zum Verlust der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten führen. 1374 Manche Urteilspassagen des BVerfG deuten in die gleiche Richtung, wenn ζ. B. "der Entzug und der dadurch bewirkte Rechts- und Vermögensverlust" 1375, das "sachenrechtliche Zuordnungsverhältnis dem Grunde nach" als entscheidende Gesichtspunkte gewertet werden 1376 , um die Enteignung von "nicht in die Substanz (...) eingreifen(den)", lediglich "die Nutzung von Eigentum betreffen(den)" Inhaltsbeschränkungen zu trennen. 1377 Damit hat sich das Gericht allerdings nicht der formalisierten Abgrenzungsdogmatik Dürigs angeschlossen, da als Entzug jede Beseitigung oder wenigstens Beschränkungen konkreter, den Alteigentümern "nach dem bisherigen Recht zustehende(r) Nutzungsmöglichkeiten"1378 anzusehen sei, wenn sie "so bedeutsam ist", daß sie als Enteignung qualifiziert werden könne 1379 . Vorbehaltlich einer Abgrenzung zur nach Auffassung des BVerfG dem einfachen Gesetzgeber von Verfassungs wegen entweder stillschweigend1380 oder ausdrücklich 1381 zugestandenen Befugnis, bestehende Altrechte im Rahmen einer Inhaltsneubestimmung gänzlich zu entziehen, beruht ein Vollrechtsverlust, also die vollständige Aufhebung einer bisherigen Rechtsposition, wohl auf einer Enteignung.1382 Diese Vermutungsregel findet sich in der damaligen

1374 N J W 1 9 5 4 j s 5 7 7 > 5 7 9 ; J Z 1 9 5 8 > s 2 0 9 ; ihmfolgend Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, S. 79 f. Vgl. auch Rausch, DVB1. 1969, S. 167, 171, der im Anschluß an Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 28 eine Entziehung "der Befugnis, über Belastung, Veräußerung, Verwendung, Be- und Verarbeitung oder Nutzung eines Vermögenswerten Rechts zu bestimmen", als wirtschaftlich bedeutsamen Eingriff und damit als Enteignung deutet. Vgl. demgegenüber mit dem gleichen Ergebnis aber auch Schack, JZ 1962, S. 395 mit einer systematischen Auslegung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG im Verbund mit der Sozialbindungsklausel des Art. 14 Abs. 2 GG. 1375 Auch hier bleibt das Gericht seiner Grundhaltung, sich möglichst nicht festzulegen, treu, indem es ohne Mühe der formalisierten Auffassung Dürigs, der allein auf den Rechtsverlust abstellt, die wirtschaftliche Betrachtungsweise, die den Verlust an Vermögenswert für maßgeblich erachtet, hinzufügt. 1376

BVerfGE 24,367,394,393; vgl. femer E 22,387,422.

1377

BVerfGE 13, 225, 229; vgl. ferner E 16,147, 187; 17, 232, 248 f.

1378

BVerfGE 25,112,121.

1379

BVerfGE 24, 367, 395; femer E 10, 89, 113: "Auch weitergehende Befugnisse (!) der Beschwerdeführer als Grundstückseigentümer wurden ihnen nicht entzogen: (...)"; E 13, 225, 229: Auflagen für die Ausübung eines eigentumsfähigen Rechts sind "in der Regel" nur Bestimmungen i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. 1380 So im Falle der strafrechtlichen Einziehung, vgl. nur Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 365; dens., NJW 1950, S. 401, 402. 1381 So im Falle der Verwirkung (Art. 18 GG), der Sozialisierung (Art. 15 GG) und der Neuregelung der Rechtsverhältnisse von Angehörigen des öffentlichen Dienstes des Deutschen Reiches nach Art 131 GG; vgl. BVerfGE 22,387,422 f. 1382 V g l B V e r f G E 24, 367, 395.

I I . De S c h u t z n a c h der Rechtsprechung des BVerfG

3

Literatur oft mit verschiedenen Begründungsansätzen wieder und kann als herrschend angesehen werden. 1383 Unabhängig von der Frage, ob eine solche Vermutungsregel zur Eingrenzung enteignend wirkender Maßnahmen bei Vollrechtsentziehungen eine Berechtigung hat 1 3 8 4 , bleibt festzustellen, daß das Gericht zur Frage der Abgrenzung im sensiblen und umstrittenen Bereich der "bedeutsamen" Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen durch das Merkmal des Entzugs1385 keinen Beitrag geleistet hat. 1386

cc) Das Merkmal des Sonderopfers

Das RG hatte unter der Geltung des Art. 153 Abs. 1 WRV das Rechtsinstitut der Enteignung von dem der Inhaltsbestimmung formal derartig abzugrenzen versucht, als "es sich um einen Einzeleingriff in Rechte bestimmter Personen oder eines bestimmten begrenzten Personenkreises (handeln solle)" 1387 . Auch im Urteil über das Hamburger Deichordnungsgesetz finden sich Anklänge an eine derartig formal nach dem Kreis der durch eine eigentumsrelevante Regelung betroffenen Rechtsinhaber: Art. 14 Abs. 3 GG erlaube dem einfachen Gesetzgeber danach keine "generellen Einschränkungen des Grundrechts als (solches), die Duldungspflicht für den Rechtsinhaber ergebe sich vielmehr

1383 Vgl. nur Hamann (2. Aufl.), Ait. 14 GG, Anm. 6; v. Münch/Dicke (2. Aufl.), Art. 14 GG, Rdnr. 48; Scheuner, DÖV 1954, S. 587, 589; Turner, JZ 1968, S. 250, 252; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht (2. Aufl.), S. 119; Wolff, Venvaltungsrecht I (5. Aufl.), § 62 III 2 (S. 363); Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I Allgemeiner Teil (10. Aufl.), S. 339; Konow:; Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, S. 79 m. w. N. in Fn. 153; Köhler, DVB1. 1963, S. 618; Papier, AöR 98 (1973), S. 528, 558 m. w. N. in Fn. 112; Wilhelm, DÖV 1965, S. 397, 399; Weber, in: FS für Michaelis, S. 316, 325. 1384 V g l d a z u u n t e n m T Kritik der Abgrenzungsmethode des BVerfG S. 458 fif. 1385 Es sei hier daraufhingewiesen, daß die Bestimmung nach der Bedeutsamkeit des Entzugs zirkulär ist, denn die Frage, ob eine Enteignung vorliegt, wird mit dem Erfordernis einer Enteignungsentschädigung begründet. Vgl. zum gleichen Vorgehen bei der Bestimmung des Eigentums über die Vergleichbarkeitsformel oben S. 285 f.

1386 V g i anschaulich Krohrt/Löwisch, Eigentumsgarantie, Enteignung, Entschädigung (3. Aufl.), Rdnr. 22 f., wo nach den Grundzügen der Enteignungsrechtsprechung des BVerfG zur eigentlichen Abgrenzung auf die Theorien des BGH und des BVerwG verwiesen wird (Rdnr. 24 - 28); femer, Wolff, Verwaltungsrecht I (5. Aufl.), § 62 III 2 (S. 363 f.); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht (2. Aufl.), S. 119fif.; Wilhelm, DÖV 1965, S. 397, 399; Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 371 nur "Aufopferungsenteignung". Auch die von Bauschke/Kloepfer (NJW 1971, S. 1233, 1234) vorgeschlagene Differenzierung zwischen echter Rechtsminderung und bloßer Rechtsberührung hilft bei diesen Unsicherheiten nicht weiter. 1387

RGZ 129, 149.

3

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

bereits aus der grundgesetzlichen Norm selbst"1388. Ein Enteignungsgesetz beinhalte daher lediglich Konkretisierungen der generell normierten Duldungspflicht auf "konkret zu bestimmende Gegestände"1389 und "konkrete Sachbereiche"1390, sei also ein "Hoheitsakt, der zwar als Gesetz ergeht, in seinem sachlichen Gehalt aber einen Vollzugsakt (des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG) darstellt." 1391 Ob das Gericht sich allerdings zumindest bezüglich unmittelbar enteignender Gesetze auf solche festlegen wollte, die sich als Bündelung vorher genau umrissener Einzelmaßnahmen der Verwaltung 1392 , als "Verwaltung durch das Gesetz" verstehen lassen1393 , erscheint schon vor dem Hintergrund der übrigen Äußerungen zum Verhältnis zwischen Inhaltsbestimmungen und Enteignungen in dieser und in früheren Entscheidungen fraglich. 1394 Zunächst einmal definiert das Gericht, bevor es auf das Rechtsinstitut der Enteignung näher eingeht, unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung die Möglichkeiten des einfachen Gesetzgebers zur inhaltlichen Gestaltung des erfaßten Schutzbereichs.1395 Wenn derartige Regelungen nicht in den gewährleisteten Schutzbereich der Eigentumsfreiheit eingreifen, liegt es eigentlich nahe, daß ein durch einen Enteignungsakt bewirkter Entzug des

1388

BVerfGE 24, S. 367,396 f.

1389

BVerfGE 24, S. 396 f.

1390

BVerfGE 24, S. 403.

1391

BVerfGE 24, 367, 402 (Klammerzusatz vom Verfasser).

1392

Damit hätte ein unmittelbar enteignendes Gesetz sachlich den Gehalt einer Allgemeinverfügung i. S. d. § 35 Satz 2 1. Alt VwVfG, wobei auch bei dieser Art des Verwaltungsaktes im Einzelfall schwierig ist, in Abgrenzung zu einer generell regelnden Norm einen zur Zeit des Erlasses bestimmten oder nach allgemeinen Merkmalen hinreichend bestimmbaren Personenkreis als Regelungsadressaten festzustellen. Vgl. zu diesen Schwierigkeiten anschaulich Stelkens/Bonk/Leonhardt-iSte/terts, § 35 VwVfG, Rdnr. 69,169. 1393

Vgl. BVerfGE 24, 367,401.

1394

In diese Richtung aber Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S. 312 mit Fn. 1.

1395 BVerfGE 24, 367, 396 unter Hinweis auf BVerfGE 21, 92, 93 und 20, 351, 356. Wenn das Gericht demgegenüber zu Beginn dieser Passage ausführt, daß "Gegenstand und Umfang der Eigentumsgarantie (...) durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und (!) Abs. 3 bestimmt (würden)", so ist dies zwar im Ergebnis richtig, aber doch zumindest mißverständlich. Korrekt ist diese Aussage zunächst, als der Inhaber einer Vermögenswerten Position letzlich den ihm durch das Grundrecht gegenüber der hoheitlicher Gewalt zugestandenen Freiheitsraum als Differenz zwischen Schutzbereich und zulässigen Beschränkungen ermittelt (vgl. oben S. 116). Auf der anderen Seite suggeriert sie allerdings, daß gesetzliche Inhaltsbestimmungen und Enteignungen in gleicher Weise auf dieses Grundrecht einwirken, eine Vorstellung, die sich vor dem Hintergrund der ansonsten differenzierenden Betrachtungsweise des Gerichts nicht halten läßt (vgl. dazu ζ. B. Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundrechtliche Demokratieprinzip, S. 39, der diese Aussage ohne weiteres dahingehend konkretisiert, daß lediglich Inhalts- und Schrankenbestimmungen keine Einschränkung des Grundrechts bewirken sollen).

III. Der Schutzumfang nach der Rechtsprechung des BVerfG

375

"durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete(n) Eigentum(s)"1396 im Gegensatz dazu eine Einschränkung dieses Schutzbereichs darstellt. Einschränkungen von grundrechtlich erfaßten Lebensbereichen bedürfen auch nach dem damaligen Verständnis des Gerichts vom Inhalt des Allgemeinvorbehalts des Gesetzes1397 einer gesetzlichen Legitimation, wobei die Auswahl und Gewichtung der öffentlichen Interessen, die mit der Begrenzung des grundrechtlichen Schutzbereichs gefördert werden sollen, in den Verantwortungsbereich des Gesetzgebers fallen. 1398 Die dabei angestellten politischen Wertungen 1399 unterscheiden sich wegen des damit zugebilligten Gestaltungsspielraums grundlegend von der an Recht und Gesetz gebundenen Entscheidung der Exekutive. 1400 Da die Exekutive nur die mit Geltungskraft versehenen politischen Zielsetzungen des Gesetzgebers, sofern sie ihren Niederschlag im Gesetz gefunden haben und sich daher als "Wille des Gesetzes" objektivieren lassen, durch die teleologische Auslegung der Norm und ihre Anwendung im Einzelfall nachvollzieht, könnten einfach-gesetzliche Regelungen mit unmittelbar enteignender Wirkung nur dann ausschließlich als "Verwaltung durch Gesetz" charakterisiert werden, wenn die Verfassung selbst in Art. 14 Abs. 3 GG einen hinreichend bestimmten, keiner politischen Konkretisierung bedürftigen Normbefehl enthielte. Wie bereits zu dem vergleichbaren Merkmal in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 ausgeführt, kann derartigen Generalklauseln zur Beschreibung des öffentlichen Interesses kein aus sich heraus bestimmter Inhalt zugeschrieben werden. 1401 Die in Art. 14 Abs. 3 GG enthaltene Wertung des Verfassungsgebers, dem Gesetzgeber im Falle eines bestimmten Konflikts zwischen der Rechtsstellung des einzelnen und einem öffentlichen Interesse die Möglichkeit einer Legalenteignung einzuräumen 1402, weist demgegenüber im Vergleich zu Gesetzesvorbehalten anderer Grundrechte keine Besonderheiten auf; insbesondere muß der Grundrechtsträger auch dort eine Beeinträchtigung des geschützten Be1396

BVerfGE 24,367, 394 (Klammerzusatz vom Verfasser).

1397

Vgl. BVerfGE 8, 155, 166 f.

1398

Vgl. schon oben BVerfGE 7,377,404 f.; 13,97, 105. 1399 V g l n u r Schwerdtfeger, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, Rdnr. 560. 1400 ygj (fetich BVerfGE 13, 97, 107; ferner die Ausführungen bei der Beschreibung der Grenzen teleologischer Interpretation auf S. 65 ff. 1401 1402

Vgl. dazu die Ausführungen auf S. 189 ff.

Daraufstellt BVerfGE 24, 367, 396 f. als entscheidend ab, um den Charakter einer Begrenzung der Eigentumsfreiheit durch ein enteignendes Gesetz verneinen zu können.

376

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

reichs unmittelbar durch Gesetz, sofern sie sich im rechtlichen Rahmen der Ermächtigungsgrundlage und der übrigen Verfassungsnormen hält, wegen der verfassungsrechtlichen Grundlage des gesetzgeberischen Handelns dulden. Die in Art. 14 Abs. 3 Satz 2 1. Alt. GG vorgesehene Möglichkeit einer Legalenteignung ist somit niemals ausschließlich "Verwaltung durch Gesetz". Diesem Ergebnis entspricht die Rechtsprechung des BVerfG, wenn sie ohne weiteres eine Enteignung bei abstrakt-generell formulierten eigentumstangierenden Regelungen1403 in Betracht zieht. Von dieser Charakterisierung der Legalenteignung in Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG als Eingriffsvorbehalt zugunsten des Gesetzgebers ist die Frage zu trennen, ob er nach erfolgter Bestimmung eines konkret öffentlichen Interesses, das im Konfliktfall Vorrang vor der geschützten Vermögenswerten Rechtstellung des Privaten erlangen soll, den Vollzug dieser Konfliktbereinigung abstrakt und generell regeln muß oder ihn von vornherein auf einen im Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes abgrenzbaren Kreis geschützter Positionen, also in Extremfall auf einen Einzelfall, gegenständlich beschränken kann. Dies ist allerdings keine Frage der Reichweite der Ermächtigungsgrundlage des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG, sondern - wie bereits oben erwähnt 1404 - ein Problem der Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG zur Begrenzung der gesetzgeberischen Möglichkeit, Legalenteignungen als Einzelfallgesetz auszugestalten.

dd) Der Rechtsübergang als historisches Argument Im Bereich der sog. klassischen1405 oder technischen Enteignung1406 wurde dieses Rechtsinstitut als Güterbeschaffungsvorgang definiert, dem Übergang der dem Altinhaber aberkannten Rechtsposition auf einen hoheitlichen oder privaten Begünstigten somit gegenüber dem bloßen Rechtsverlust entscheidendes Gewicht beigemessen. 1403

Vgl. ζ. B. BVerfGE 13, 225,229; 14, 263, 277; 16,147,187; 20, 351, 356.

1404

Vgl. die Ausführungen auf S. 110 f.

1405 Kritisch zu diesem Begriff Scheuner, DÖV 1954, S. 587, 589; ders., in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63,64. 1406 V g l m d i e s e n Begriffen nur Weber, in: Die Grundrechte; Bd. 2, S. 331, 349; dens., NJW 1950, S. 401, 402: "Enteignung im juristischen (!) Sinne"; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I Allgemeiner Teil, S. 338 mit Fn. 4; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung,, Rdnr. 331; femer Ipsen, VVDStRL 10 (1952), S. 74, 92 f.

III. Der Schutzumfang nach der Rechtsprechung des BVerfG

37

Entgegen vereinzelter Stimmen in der Literatur 1407 hat das BVerfG - in der Tradition zur Rechtsprechung des RG zu Art. 153 Abs. 2 WRV 1 4 0 8 stehend, ohne dies aber offenzulegen - dem Verbleib des aberkannten Rechts für die Charakterisierung einer eigentumsrelevanten Maßnahme als Enteignung keine Bedeutung zuerkannt. 1409 Die Ausblendung dieses Gesichtspunkts erfolgte, da sie bereits zur Zeit der Geltung der Eigentumsfreiheit nach Art. 153 Abs. 1 WRV fast unbestritten war, ohne Begründung. Sie wurde auch in der überwiegenden Literatur bis in die jüngere Zeit ohne weiteres übernommen.1410 Sofern zur Begründung nicht pauschal auf die abgeschlossene und als unumkehrbar erachtete Rechtsentwicklung abgestellt wurde 1411 , wies man entweder auf den Wortlaut des Art. 14 Abs. 3 GG, wonach zwischen Enteignungsbegriff und Enteignungszweck zu differenzieren sei 1412 , oder die aus der Warte der Eigentumsfreiheit als individuellem Abwehrrecht unzumutbaren Folgen bei einer Einengung der enteigungsfähigen Rechtsgüter durch die dann erforderliche Übertragbarkeit hin. 1413

ee) Die Finalität des Entzugs

Bereits aus dem Wortlaut der Enteignung als eines Vorgangs folgt unmittelbar, daß der Begriff mit dem Merkmal des Rechtsverlustes bzw. der bedeutsamen Rechtsminderung als Ergebnis einer Enteignung nur unzureichend beschrieben wäre. 1414 Mit der herrschenden Meinung in der Literatur schichtet 1407 Greiner, DÖV 1954, S. 583, 585 f.; unentschieden Ipsen, WDStRL 10 (1952), S. 74, 94; aus jüngerer Zeit ζ. B. Rittstieg, NJW 1982, S. 721, 723 f.; ders., Altemativ-Kommentar, Art. 14 GG, Rdnr. 187, 189; ders., in: FS für Thieme, S. 183, 192 f.; wohl auch Osterloh, DVB1. 1991, S. 906,913. 1408 V g l d i e Nachweise bei Wendt, Eigentum und Gesetgebung, S. 328 Fn. 175. 1409

BVerfGE 24, 367,394; 45,297,332. 1410 ygj n u r Nußgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rdnr. 333 m. w. N. in Fn. 20; Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63, 99; Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 371; ferner Rausch, DVB1. 1969, S. 167, 171. 1411 Vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 328 und Fn. 177; wohl auch Maunz/DürigPapier, Art. 14 GG, Rdnr. 448, 294. 1412

So ζ. B. Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 157,185 Fn. 83; Dürig, JZ 1954, S. 4, 10.

1413

Vgl. Ipsen, DVB1. 1983, S. 1029,1031; dens., in: Recht und Wirtschaft, S. 129, 142 mit dem Argument, die Enteignung sei Spezialfall der Aufopferung; Schwabe, JZ 1983, S. 273, 278; Dürig, JZ 1954, 4, 10; mit kritischem Unterton auch Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I Allgemeiner Teil, S. 339 mit Fn. 3. 1414

Vgl. BVerfGE 25, 112, 121, wo auf die Eingriffsqualität der Maßnahme neben dem Erfolg eines Entzugs von Rechten oder Befugnissen abgestellt wird. Ferner BVerfGE 22, 387, 422, wo neben

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

das Gericht dieses Rechtsinstitut zunächst von den privatrechtlichen Eingriffsund Einwirkungsbefugnissen gegenüber fremdem Eigentum (z. B. §§ 904, 906, 912 BGB) oder anderen Vermögenswerten Rechten Dritter ab: Nur der unmittelbar auf hoheitlichem Handeln beruhende Entzug kann eine Enteignung darstellen. 1415 Entgegen der Rechtsprechung des BGH, wonach auch hoheitliche Realakte enteignende Wirkung entfalten könnten 1416 , werden darüber hinaus auch die Handlungsalternativen, mit denen der Entzug als Erfolg herbeigeführt werden kann, auf den Erlaß unmittelbar auf den Bestand vermögenswerter Rechte einwirkender Gesetze oder entsprechender Verwaltungsakte begrenzt. 1417 Mit dieser Einengung auf Hoheitsakte mit rechtsgestaltender Wirkung 1418 umgeht das Gericht die Probleme, die der BGH bei der Umschreibung des erforderlichen Zusammenhangs zwischen einem Rechtsakt und der eingetretenen Eigentumsbeeinträchtigung mit dem Merkmal der Unmittelbarkeit im Einzelfall zu bewältigen hatte.1419 Gesetze und Verwaltungsakte als staatliche Willenserklärungen 1420 können, weil sie unmittelbar dem Rechtsinstitut der Enteignung weitere "Titel" aufgeführt werden, "aufgrund (derer) privatrechtliches Eigentum dem Eigentümer entzogen werden kann." 1415 Vgi BVerfGE 14, 263, 277 zur Umwandlungsbefugnis der Mehrheitsgesellschafter einer Aktiengesellschaft; femer E l l , 294, 297. Aus der Literatur ζ. B. Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63,69; Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, S. 71; Hamann (3. Aufl.), Art. 14 GG, Anm. 6; Kreft, Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839, Rdnr. 38; Krohn/Löwisch, Eigentumsgarantie, Enteignung, Entschädigung (3. Aufl.), Rdnr. 23; Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 351; Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S. 112 f.; BKKimminich, Art. 14 GG, Rdnr. 120; Maunz, BayVBl. 1981, S. 321, 327; Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 279 f.; Maunz/Dürig-Pop/er, Art. 14 GG, Rdnr. 451. 1416

Vgl. BGHZ 48, 46, 49; 56, 40, 42; ferner die zusammenfassenden Darstellungen bei Kreft, Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839, Rdnr. 31; BK-Kimminich, Art. 14 GG, Rdnr. 261 ff. Aus der Literatur Kröner, DVB1. 1969, S. 157, 158 mit Fn. 14; Bauschke/Kloepfer, NJW 1971, S. 1233,1236. 1417

BVerfGE 25, 112, 121; so schon Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 351; BKKimminich, Art. 14 GG, Rdnr. 260. 1418 Vgl. BVerfGE 14, 263, 277 zur Unbeachtlichkeit einer hoheitlichen Wissenserklärung. Auch sofern die Literatur Kritik an dieser Beschränkung geübt hat, bezog sich diese nur auf die Begrenzung auf normkonkretisierende Verwaltungakte. Auch danach können nur rechtsgestaltende Akte, wie ζ. B. Satzungen und Rechtsverordnungen Enteignungsakte darstellen (vgl. Wolff, Verwaltungsrecht I [5. Aufl.], S. 361, 367; Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63, 99; Schick, DVB1. 1962, S. 774, Π5, Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, S. 57; Jesch, DÖV 1962, S. 428,430\ Rausch, DVB1. 1969, S. 167,168).

1419 V g i zu,. Kritik nur Maunz/Dürig-Pap/er, Art. 14 GG, Rdnr. 453ff.; Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 80 f. 1420 Ygi 2UJ Einordnung der Gesetze als Willenserklärung, als gesetzgeberische Anordnung gegenüber dem Bürger oder anderen Organen des Staates Stern, Staatsrecht, Bd. 1, § 20 IV 4 f (S. 826); dens., Staatsrecht, Bd. 2, § 3713 b (S. 564); Katz, Staatsrecht, Rdnr. 42; zur Einordnung des Verwaltungsakts als behördliche Willenserklärung Stelkens/Bonk/L^nhardt-Ste/frews, VwVfG, § 35, Rdnr. 33.

III. Der Schutzumfang nach der Rechtsprechung des BVerfG

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auf die Veränderung von Rechtsbeziehungen durch die Anordnung von Handlungs- oder Unterlassungsbefehlen oder die Verbindlichkeitserklärung einer vorgefundenen Rechtslage abzielen, nur mit diesem, durch Auslegung ermittelbaren Regelungsgehalt auf die von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Rechtspositionen, d. h. die dem Inhaber gegenüber Dritten oder der Allgemeinheit durch die gesamte Rechtsordnung zugestandenen Befugnisse, einwirken. Die mit der Einengung der möglichen Enteignungsinstrumente auf rechtsgestaltende Akte verbundene Reduzierung auf die mit solchen verwaltungsrechtlichen oder gesetzgeberischen Willenserklärungen verfolgten Rechtsveränderungen als Anknüpfungspunkte für einen Enteignungserfolg bedeutet keinesfalls zwingend die Begrenzung enteignender Maßnahmen auf solche, die den notwendigen Rechtsentzug entsprechend dem Willen des Gesetzgebers oder der erlassenden Verwaltungsbehörde, also zielgerichtet herbeiführen. Eine solche Konsequenz verbietet sich schon deshalb, weil für den Regelungsgehalt eines Gesetzes bzw. eines Verwaltungsaktes nicht auf den konkreten Willen des historischen Verfassers, sondern auf den des objektivierten Gesetzgebers bzw. den durch die Behörde objektiv erklärten Willen abzustellen ist. 1 4 2 1 Ungewollte Nebenfolgen derartiger Regelungen scheiden also nicht von vornherein aus 1 4 2 2 , müssen sich allerdings als Teil des Regelungsgehalts, also als unmittelbare rechtliche Veränderung für den betroffenen Rechtsinhaber darstellen. Faktische Beeinträchtigungen vermögenswerter Befugnisse in der Folge der durch die Umgestaltung bewirkt Veränderung der Rechtslage bleiben für die Frage einer Enteignimg außer Betracht, da sie sich niemals als unmittelbar aus dem Gestaltungsakt selbst resultieren, sondern sich nur als Umsetzung oder Reaktion der durch die Rechtsveränderung Betroffenen begreifen lassen. 1423

1421 ygj m r Bedeutung der genetischen Auslegungsmethode bei der Interpretation des Gesetzes schon S. 51fif.; vgl. zur sinngemäßen Anwendung des § 133 BGB zur Erforschung des objektivierten Willens der Behörde Stelkens/Bonk/Leonhardt-^te^wi, VwVfG (3. Aufl.), § 35, Rdnr. 38; Erichsen, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23a, Rdnr. 12. 1422

Insofern richtig Maunz/Dürig-Pop/er, Art. 14 GG, Rdnr. 456.

1423

Daher im Ergebnis unzutreffend Pötzer, Art. 14 GG, Rdnr. 458.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

ff) Die Beziehung zwischen Entzug und Enteignungszweck als entscheidendes Kriterium

Mit dieser Eingrenzung des Enteignungsvorgangs auf eine durch hoheitlichen Gestaltungsakt unmittelbar herbeigeführte bedeutsame Minderung ist er, so wie er sich nach Auffassung des BVerfG in Abgrenzung zur Inhaltsbestimmung darstellen läßt, noch nicht abschließend umschrieben. Wenn auch das Gericht dem Übergang des enteigneten Gegenstands als einem objektiven Merkmal kein entscheidendes Gewicht zumaß 1424 , so ist der Zweck der Rechtsentziehung, also das gesetzgeberische Motiv für eine Enteignung bei der Abgrenzung doch von Bedeutung.1425 Von der Literatur weitestgehend unbeachtet1426 forderte das Gericht, "daß die öffentliche Gewalt aus eigenem Interesse aktiv, offensiv gegen den Privateigentümer vorgeht, weil sie sein Eigentum für einen öffentlichen Zweck braucht', d. h. in irgendeiner Weise nutzen will." Wird sie dagegen "nicht im Blick auf die Eigentumsentziehung tätig", geht sie gegen das Eigentum vor, "um Rechtsgüter der Gemeinschaft (...) vor Gefahren zu schützen", wobei die Eigentumsschmälerung "unerwünschte, aber notwendige Nebenwirkung" ist, kann diese Maßnahme keine Enteignung darstellen. 1427 Nicht die Konfliktlage zwischen den Interessen des einzelnen und den Belangen der Allgemeinheit als solche unterscheidet eine enteignende Regelung von anderen eigentumskonkretisierenden Normen 1428 , denn auch Eigentumsbegrenzungen i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bedürfen zu ihrer Rechtfertigung schon wegen des zu beachtenden Gebots der Verhältnismäßigkeit eines legitimierenden gemeinwohlorientierten Ziels. 1429 1424

Vgl. BVerfGE 24,367,394.

1425

Vgl. deutlich BVerfGE 20, 351, 359. 1426 y g j n u r dQrt vorgeschlagenen Definitionsmodeile, die in erster Linie auf die verschiedenen materiellen Abwägungskriterien von BGH und BVerwG im Rahmen einer Umschlagsmöglichkeit von Inhaltsbestimmung und Enteignung abstellen, v. Münch/ Dicke (2. Aufl.), Art. 14 GG, Rdnr. 53; Weber, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 331, 371; Hamann (3. Aufl.), Art. 14 GG, Anm. 6; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht (2. Aufl.), S. 117 f.; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I Allgemeiner Teil, S. 339; Bender, Staatshaftungsrecht (2. Aufl.), Rdnr. 18 ff. 1427 1428

BVerfGE 20, 351, 359.

Vgl. aber BVerfGE 24, 367, 397. 1429 Ygj BVerfGE 14, 263,282: "Der Gesetzgeber konnte aus gewichtigen Gründen des gemeinen Wohls für angebracht halten, den Schutz des Eigentums der Minderheitsaktionäre hinter den Interessen der Allgemeinheit an einerfreien Entfaltung der unternehmerischen Initiative im Konzern zurücktreten zu lassen." Die Kritik von Ipsen (AöR 91 [1966], S. 86, 95), wonach sich damit der einfache Gesetzgeber von der Zielsetzung des Art. 14 Abs. 2 GG bei der Gestaltung der Eigentumsordnung mit der Begründung lösen könne, er schaffe der Handlungsfreiheit eines anderen aus Gründen des gemeinen Wohls Raum, ist solange unbegründet, wie dem Gesetzgeber ausreichende öffentliche Interessen i. S. d.

III. Der Schutzumfang nach der Rechtsprechung des BVerfG

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Der entscheidende Unterschied dürfte nach den wenigen Stellungnahmen des Gerichts in der Art der Konfliktsituation zwischen den betroffenen Interessen vor dem staatlichen "Eingriff' liegen: Bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung geht es von der gesetzgeberischen Motivation her um die Herbeiführung eines gerechten Ausgleichs zwischen den Rechtssphären der am Wirtschaftsverkehr Beteiligten1430 und/oder den Interessen der Allgemeinheit.1431 Eigentumsrelevante Neuregelungen können auf Grund geänderter faktischer Gegebenheiten, die sich auf die Anschauungen des Wirtschaftsverkehrs über den Vermögenswerten Gehalt einer formell noch gewährten Rechtsposition auswirken, erforderlich werden, um die Diskrepanz zwischen Rechts- und Wirtschaftslage im öffentlichen Interesse an einer zweckmäßigen Gestaltung der Rechtsordnung1432 zu beseitigen. 1433 In den meisten Fällen einer Neugestaltung der Eigentumsordnung unter gleichzeitiger Abschmelzung eines Altbestands von Rechten reagiert der Gesetzgeber, um den geänderten Anschauungen über die Schutzwürdigkeit von Gemeinwohlinteressen gegenüber entgegenstehenden rechtlichen BefugArL 14 Abs. 2 GG bei der Gestaltung zur Verfügung stehen und die Begünstigung der privaten Nichteigentümer nur eine Nebenfolge darstellt (a. A. bezüglich des Gewichts der Schlichtung privater Interessenkonflikte unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben als Gemeinwohlbelang Krause, JZ 1984, S. 711, 715). Allerdings ist das Unbehagen des Autors an der Feldmühle-Entscheidung des BVerfG verständlich, da das öffentliche Interesse, das vom Gericht zwecks Rechtfertigung eines Vollrechtsentzugs durch Private als besonders gewichtig eingestuft wurde, in nichts anderem als einer möglichst effektiven Ausnutzung der wirtschaftlichen Ressourcen bestehen soll. Verallgemeinert bedeutet dies, daß der Schutz desjenigen, der besser wirtschaften kann, per se ein öffentliches Anliegen sein soll (so Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S. 122; ähnliche Bedenken gegenüber derartigen Beschränkungen der Eigentumsfreiheit, die zum Schutz vorhandener wirtschaftlicher Anlagen getroffen werden, um mittelbar dem öffentlichen Interesse an diesem Wirtschaftszweig zu genügen, Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63, 95.). Dies ist allerdings eine Frage der Auswahl und Gewichtung der betroffenen Interessen im Einzelfall und berührt die Richtigkeit der Grundaussage des BVerfG nicht. Femer E 20,351, 361; 21, 73, 83; 21, 150, 155; 25, 112, 118. 1430 BVerfGE 14, 263, 282 zum Verhältnis zwischen Mehr- und Minderheitsgesellschaftern einer AG; E 18, 85, 91 für das Verhältnis des Patentinhabers zu den durch den Patentschutz in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkten Dritten; E 18, 121, 131 f. zum Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter unter der Einwirkung von Mieterschutzregelungen. 1431 Beispiele: Entzug eines Rechtsgutes wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (BVerfGE 20, 351, 361); Preisrechtliche Maßnahmen, "die für besondere Bereiche des Wirtschaftslebens zum Nutzen des Gemeinwohls geboten sind" (BVerfGE 8, 274, 331); femer allgemein BVerfGE 25, 112, 117. 1432 1433

Vgl. Schulte, DVB1. 1965, S. 386, 390 Fn. 24.

Vgl. z. B. BVerfGE 11, 221, 229; 22, 241, 253 zur Anpassung sozialversicherungsrechtlicher Positionen auf Grund gesellschaftlicher Entwicklungen, wobei die jederzeitige Veränderbarkeit bereits in diesen Positionen des Versicherten gegenüber den Versicherungsträgern "wesensmäßig" verankert sei; femer BVerfGE 18, 85, 90 f. zur Abgrenzung der Interessen zwischen Patentsucher und dem Akteneinsichtsrecht Dritter, wobei die sachgemäße Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall durch das Patentamt im öffentlichen Interesse liegen soll.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

nissen der Eigentümer Geltung zu verschaffen. Die von der gesetzlichen Regelung oder dem auf ihr beruhenden behördlichen Umsetzungsakt im Einzelfall unmittelbar betroffenen Rechtsgüter standen vor ihrer Veränderung ganz oder teilweise in einer direkten Konfliktlage zu den als förderungswürdig anerkannten politischen Zielsetzungen. Mit dem unmittelbar wirkenden Akt (Gesetz oder Umsetzungsakt im Einzelfall) ist der als sachgerecht empfundene Ausgleich bereits eingetreten, der Gesetzgeber hat die Eigentumsordnung umgestaltet, um das in Teilbereichen "sozialhinderliche11 Eigentum für die Zukunft dauerhaft abzuschmelzen.1434 Wie bei anderen Grundrechten auch, liegt die Aufgabe des inhaltsbestimmenden Gesetzgeber darin, einen Ordnungszusammenhang, in dem sowohl die grundrechtlich geschützten Freiheiten als auch die Rechtsgüter und Interessen der Allgemeinheit in praktischer Konkordanz stehen, herzustellen.1435 Die dem einfachen Gesetzgeber durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zugewiesene Aufgabe des Ausgleichs zwischen den privatnützigen Individual- und den öffentlichen Interessen innerhalb der Eigentumsordnung ermöglicht ihm im Einzelfall - wie entsprechende Entscheidungen des Gerichts verdeutlichen 1436 - sogar über die in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG durch die Sozialpflichtigkeitsklausel zugelassenen Gebrauchs- und Verfügungsbeschränkungen hinaus Vollrechtsentziehungen, wenn auch auf Grund der Schwere der Belastung an deren Rechtfertigung von Verfassungs wegen erhebliche Anforderungen zu stellen sind. 1437 In jedem Fall zeichnet sich die 1434 ygj anschaulich Wülfing, Grundrechtliche Gesetzesvorbehalte und Grundrechtsschranken, S. 35: "Ait. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ermächtigt dort zu Rechtssetzungen, wo der Freiheitsgebrauch negative Auswirkungen auf das soziale Miteinander der Glieder der staatlichen Gemeinschaft hat oder haben kann." 1435 Vgl. BVerfGE 25,112,118; femer E 18,121,131 f.; 10, 89,113: Wahrung des Interesses der Allgemeinheit gegenüber Einwirkungen des Bergbaues auf den Wasserhaushalt; v. Münch/Dicke (2. Aufl.), Art. 14 GG, Rdnr. 43; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 317; Böhmer, NJW 1988, S. 2561, 2573. 1436 1437

BVerfGE 14,263 ff.; 22, 387, 422 f.

Es soll hier nicht verhehlt werden, daß die damals herrschende Meinung - wie wohl auch das BVerfG - in Art. 14 Abs. 2 GG die materielle Auffüllung des Gestaltungsauftrags in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erblickte, somit Vollrechtsentziehungen über Art. 14 Abs. 3 GG hinaus unzulässig sein müßten (vgl. BVerfGE 20, 351, 356; Hamann [3. Aufl.], Art. 14 GG, Anm. 5; deutlich zu der Problematik der Vollrechtsentziehung des störenden Eigentums auch Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze [2. Aufl.], S. 121). In diesem Zusammenhang kommt den Ausführungen zu den Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums in der Feldmühle-Entscheidung eine überragende Bedeutung zu: Entgegen Ipsen (AöR 91 [1966], S. 86,95; aber auch Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 339 Fn. 214) hat das Gericht dort zur Rechtfertigung einer Vollrechtentziehung im Rahmen einer Inhaltsbestimmung nicht nur nicht auf die materielle Richtlinie des Art. 14 Abs. 2 GG hingewiesen, sondern im Gegenteil noch Zweifel an den sich aus Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG ableitbaren Grenzen geäußert (BVerfGE 14, 263, 279 f.). Auf diese Diskrepanzen kommt es allerdings in diesem Zusammenhang nicht weiter an, da es hier nur um die Verknüpfung einer beschränkenden hoheitlichen Maßnahme mit dem sie legitimierenden Zweck geht.

III. Der Schutzumfang nach der Rechtsprechung des BVerfG

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durch Gesetz oder hoheitlichen Umsetzungsakt auf Grund eines Gesetzes erfolgte unmittelbare Einwirkung auf die Rechtsposition dadurch aus, daß die mit ihr verfolgte und mit ihr bereits verwirklichte Förderung des Gemeinwohls ausschließliche Triebfeder des gesetzgeberischen Vorhabens ist und die bewirkte Minderung der Eigentümerinteressen nur als Abwägungsgesichtspunkt im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eine Rolle spielt 1438 . Anders dagegen die Motivationslage des Gesetzgebers bei der Enteignung; Hier geht es nicht um eine akute Konfliktbereinigung zwischen den privatnützigen Eigentümerbefugnissen und den durch ihre Ausübung unmittelbar beeinträchtigten Interessen der Allgemeinheit. Die vom Gesetzgeber im Rahmen einer Enteignung verfolgten Zielsetzungen stehen den Belangen des Schutzes der Eigentumsordnung zunächst indifferent gegenüber, mit ihrer Durchsetzung gehen somit nicht zwangsläufig Beschränkungen oder gar Entziehungen vermögenswerter Positionen als "lästige Nebenfolge" einher. Allerdings stehen der eigentlichen Realisierung der öffentlichen Bedürfhisse konkrete Rechtspositionen entweder gänzlich oder teilweise "im Wege"; der Gesetzgeber muß sie daher, obwohl sie nicht per se "sozialschädlich" sind, in einem Zwischenschritt erst entziehen oder beseitigen, um dann, ohne mit der Eigentumsordnung in Widerspruch zu treten, seine eigentlichen Maßnahmen zur Erreichung seiner Zielsetzung unter Nutzung des freigewordenen Rechtsraums durchzuführen. 1439 Der entscheidende Unterschied zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung ist somit folgender: Bei der Inhaltsbestimmung werden Eigentümerbefugnisse deshalb angepaßt, um Konflikte mit dem "Wohl der Allgemeinheit" unmittelbar beseitigen zu können, m. a. W., die Einwir1438 ygj d i e Erwägungen in BVerfGE 22, 387, 423, wonach das Rechtsstaatsprinzip es geradezu erfordere, eigentumsfähige Versorgungsansprüche bestimmter Inhaber zu entziehen; E 20, 351, 359 zur Gefahrenabwehr, zu den Zwecken der strafrechtlichen Einziehung als Inhaltsbestimmung z. B. BKKimminich, Art. 14 GG, Rdnr. 208. 1439

Dieser Gesichtspunkt der Überwindung der Vermögenswerten Rechtsposition nicht zur Beseitigung einer bestehenden Spannungslage, weil die eingeräumten Befugnisse des Eigentümers dem als Gemeinwohl anerkannten Interesse behindernd gegenüberstehen, sondern zur weiteren Verwendung zur Erreichung eines öffentlichen Interesses, dem die Rechtsposition an sich neutral gegenüberstand, deutete sich in der Literatur des öfteren an, ohne daß allerdings weitergehende Folgerungen für eine Abgrenzung der dem Gesetzgeber eingeräumten verschiedenen Befugnisse gezogen wurden (vgl. z. B. Ipsen, VVDStRL 10 [1952], S. 74, 88 zur Abgrenzung der Konfiskation; Krüger, DÖV 1961, S. 721, 726; Schumacher, NJW 1951, S. 53, 56; Wilhelm, DÖV 1965, S. 397, 389; Kimminich, JuS 1969, S. 349, 355 f.; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 63). Vgl. aber auch Krämer, NJW 1977, S. 1426, 1434, der diese Konstellation als "typischen Enteignungsfall" qualifiziert, und jüngst die Auswertung der Tollwut-Entscheidung des BVerfG bei Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, S. 102 ff, 155, wobei allerdings die Unterscheidung zwischen genereller und konkreter Regelung zu sehr in den Vordergrund gestellt wird. Auch die Entziehung einer ganzen Eigentumskategorie zur mittelbaren Erreichung eines Gemeinwohlbelangs ist nach der hier vertretenen Auffassung Enteignung.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

kung auf die zur Zeit der Maßnahme vorhandenen Rechtspositionen sind selbst geeignet, ohne weiteres den Interessengegensatz zu beheben. Enteignungen dienen dagegen nur der Vorbereitung einer staatlichen Durchsetzung oder Förderung eines legitimen Zwecks 1440 . Der das Eigentum entziehende Aktfördert den Enteignungszweck selbst nicht, ohne den zweiten hoheitlichen Verwertungs- und Umsetzungsakt, entweder die Verwendimg des entzogenen Gutes oder die Nutzung des durch die bloße Aufhebung gewonnenen Freiraums ist und bleibt er sinnlos.1441 1 4 4 2 Aus dieser Besonderheit einer lediglich mittelbaren Beziehung zwischen Enteignungsakt und Enteignungszweck lassen sich abschließend auch die Auffälligkeiten bei der Überprüfung einer solchen Maßnahme anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erklären: Bei der Prüfung der Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Enteignung kann es nicht undifferenziert um die Frage gehen, ob der staatliche Eingriff zur Erreichung des Zwecks verhältnismäßig ist. Vielmehr ist zu prüfen, ob erstens die Enteignung zur Erreichung des zweiten Umsetzungsaktes geeignet und erforderlich ist 1 4 4 3 , zweitens dieser zweite Akt zur Erreichung des letztlich angestrebten Enteignungsziels geeignet und erforderlich ist 1 4 4 4 und drittens,

1440 V g l BVerfGE 24, 367, 405, 411: Grundstücksbeschaflung als "Voraussetzung für die technische Durchführung eines den Verhältnissen angemessenen Hochwasserschutzes"; dazu in Abgrenzung die Ausführungen des Gerichts zur Anordnung eines Bauverbots nach § 14 Abs. 1 des Niedersächsischen Deichgesetzes in BVerfGE 25, 112, 117fif., wonach die Nutzungsbeschränkung als Begrenzung der an sich weitergehenden Befugnisse am Grund und Boden unmittelbar zur Sicherstellung einer sachgerechten und wirksamen Gefahrenabwehr erforderlich sei. 1441

Da der Gesetzgeber zur Erreichung des Enteignungsziels auf die ihm überlassenen Freiräume angewiesen ist, hat er auch ein eigenes Interesse an diesen Positionen und geht offensiv gegen die Rechtsinhaber vor; vgl. BVerfGE 20, 351, 359. 1442 D i e s e Konstellation darf nicht mit den Fällen verwechselt werden, bei denen der Gesetzgeber eine Eigentumsposition deshalb umgestaltet, um ein "Vorziel" unmittelbar zu erreichen, das dann durch eine weitere Ursachenkette ohne sein erneutes Eingreifen das eigentlich angestrebte "Fernziel" ermöglicht. Derartige Regelungen sind inhaltsbestimmend, vgl. BVerfGE 21,150, 154,158. 1443 V g i BVerfGE 24, 367, 404: "Darüber hinaus gebietet aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, daß gerade das Mittel der Enteignung erforderlich sein, muß, um das dem Wohl der Allgemeinheit dienende Vorhaben durchführen zu können." unter Hinweis auf eine gesicherte Rechtsprechung des BVerwG, deren Grundsätze auf die Legalenteignung zu übertragen seien (vgl. S. 405). Das Gericht prüft deshalb u. a. die zwangsweise Einräumung dinglicher oder obligatorischer Rechte als milderer Mittel im Vergleich zum Vollrechtsentzug (vgl. S. 405), aber auch die Möglichkeiten eines freihändigen Erwerbes als Alternativen ohne hoheitlichen Zwang (vgl. S. 412). 1444 V g l BVerfGE 24, 367, 404: "(...); denn daß die Errichtung und Unterhaltung der hamburgischen Deiche (zum Zwecke des Hochwasserschutzes; vgl. S. 407) notwendig sind, kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden."

III. Der Schutzumfang nach der Rechtsprechung des BVerfG

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ob zwischen Rechtsvoll- oder -teilentzug und Zielsetzung ein angemessenes Verhältnis besteht.1445 Zugunsten der damaligen Literatur ist allerdings festzustellen, daß die hier angedeutete Abgrenzungsmöglichkeit zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung nach der Enge des Zusammenhangs zwischen erfolgter Beschränkung oder Minderung vermögenswerter Rechtspositionen und förderungswürdigem öffentlichem Interesse neben einigen vagen Anklängen im Urteil über das Hamburger Deichordnungsgesetz nur auf die Tollwut-Entscheidung gestützt werden kann 1446 und darüber hinaus ihr in einer Reihe anderer Entscheidungen, die von der Möglichkeit eines fließenden Übergangs ausgehen1447, keine Bedeutung beigemessen wurde. 1448 Zumeist wurde die Tollwut-Entscheidung - ergangen auf dem Sondergebiet des störenden Eigentums - von der Literatur daher nur als zusätzlicher Beleg neben der gleichlautenden Rechtsprechung von BGH und BVerwG für die These herangezogen, Vermögenswerte Rechtspositionen dürften wegen des Gebots der Rücksichtnahme nach Art. 14 Abs. 2 GG unter extremen Voraussetzungen, hier wegen des Verdachts einer erheblichen Beeinträchtigung der Volksgesundheit, unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips sogar inhaltsbestimmend entzogen werden. 1449 Hervorzu-

1445 Zu pauschal daher v. Brünneck, NVwZ 1986, S. 425, 428. Unzutreffend ferner Leisner, DVB1. 1988, S. 555, 557, der eine schärfere Konkretisierung des "Wohls der Allgemeinheit" als Enteignungszweck fordert und dabei nicht realisiert, daß der besondere Schutz des Art. 14 Abs. 3 GG in der zweifachen Verhältnismäßigkeitsprüfung liegt.

1446 ygj ^e!· die auf S. 151 f. wiedergegebenen Anklänge in der Rechtsprechung des BGH, wonach eine Eigentumsbegrenzung dem Wesen des betroffenen Rechts eigentümlich sein müsse, d. h. der Eigentümer durch die Auferlegung von Duldungspflichten, Handlungsge- oder -verboten nur in der funktionsgerechten Verwendung seines Gutes gebunden werden dürfe. 1447

Vgl. nur BVerfGE 8,274,330; 13,225,229; ferner E 16,147,187; 25,112,121.

1448

Vgl. auch jüngst Schwabe (in: FS für Thieme, S. 251, 262 f.), der in Kritik zu BVerfGE 20, 351, 359 keinen Unterschied darin sieht, ob ein Gebäude zur Abwehr einer Brandgefahr oder im Rahmen einer Wehrübung zur Stärkung der Verteidigungsbereitschaft zerstört wird. Das ist auch richtig, weil in beiden Fällen mit dem eigentumsrelevanten Verhalten der Ausgleich zwischen privaten Interessen am Erhalt des Eigentums und dem Gemeinwohlbelang hergestellt ist. Der Unterschied zu den vom Autor ebenfalls herangezogenen Fällen des Zugriffs auf Lebensmittel und Brennstoffe ergibt sich daraus, daß mit ihnen die Überwindung der existenziellen Notlage der Bevölkerung noch nicht erreicht ist, weshalb in diesen Fällen m. E. eine Enteignung vorliegt. 1449 V g j v Münch/Dicke (2. Aufl.), Art. 14 GG, Rdnr. 73 Stichwort: Öffentliche Sicherheit und Ordnung; BK-Kimminich, Art. 14 GG, Rdnr. 190; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht (2. Aufl.), S. 132; Bender, Staatshaftungsrecht (2. Aufl.), Rdnr. 36; Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 376; Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 412 f.; Badura, in: Handbuch des Verfassungsrechts, S. 653, 667; DrewsAVacke/VogelMartens, Gefahrenabwehr, Bd. 1 (8. Aufr), S. 460; Reiland, Verw. Arch 66 (1975), S. 255, 267; Schneider, Verw. Arch. 58 (1967), S. 301, 321 Fn. 146. In die gleiche Richtung zielt auch die Kritik Hamanns (Art. 14 GG [3. Aufl.], Anm. 8a a. E.), der lediglich die Grenze zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung

25 Eschenbach

36

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

heben bleiben dagegen die Autoren, die schon damals die Interpretationsmöglichkeiten dieser Passagen in der Tollwut-Entscheidung erkannten und abweichend vom Gros der Literatur eine formale Trennbarkeit der beiden Institute zumindest für möglich hielten. 1450 Die Stellungnahme Steins zu diesem Urteil beschränkt sich darauf, die Enteignung als Zugriff auf die Vermögenswerte Rechtssphäre jenseits der Grenzen für eine zulässige Begrenzung grundrechtlich garantierter Freiheitsbereiche, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu definieren. Dieser " Sozialbindungsansatz" zur Abgrenzung zwischen "Eigentumsbindimg und Eigentumsentzug"1451 läßt sich allerdings mit der vom Gericht im Urteil über das Hamburger Deichordnungsgesetz gebrauchten Wendung, wonach auch eine Enteignung als Eingriff in die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Vermögenswerte Rechtsposition des einzelnen1452 nur zulässig sei, wenn "im Konfliktfall das Wohl der Allgemeinheit den Vorrang vor der garantierten Rechtsstellung des einzelnen (hat) und (...) im äußersten Fall der Eigentümer (unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit 1453 ) die Entziehung des Eigentums an einem bestimmten Gegenstand dulden muß" 1454 , kaum in Einklang bringen, da sich die beiden Institute schon vom Wortlaut der Art. 14 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 Satz 1 GG nicht durch das Kriterium eines Erfordernisses einer angemessenen Abwägung zwischen Gemeinwohlinteresse und betroffenen Eigentümerbelangen trennen lassen.1455 Ziel der Arbeit Schuhes ist ein überzeugender Nachweis für die These, Normen, die erst nach Konkretisierung durch Verwaltungsakt im Einzelfall Eingriffe Privater in die Vermögenssphäre anderer zulassen1456, seien, sofern

zugunsten der Enteignung verschieben will, wenn der Verdacht eines Tollwutbefalls nicht positiv festgestellt werden kann. 1450

Vgl. Stein, Staatsrecht (3. Aufl.), S. 175 f., der von einem "dritten Ansatz" des BVerfG neben der Einzelakts- und der Schweretheorie spricht; Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S. 103 f. mit Fn. 92; dens., DVB1. 1965, S. 386, 390; zur näheren Erläuterung seiner Auffassung Bender, NJW 1971, S. 694. 1451

Stein, Staatsrecht (3. Aufl.), S. 175.

1452

BVerfGE 24, 367, 395.

1453

BVerfGE 24, 367, 396, 403 ff.

1454

BVerfGE 24, 367, 397.

1455 A u f diesen Umstand hatte bereits Reinhardt, aufmerksam gemacht.

in: Verfassungschutz des Eigentums, S. 1, 7 f.

1456 Der Autor versteht unter dem Begriff des Eingriffs jede Schmälerung eines lediglich gedanklich existierenden völligen Eigentümerbeliebens durch oder auf Grund eines Gesetzes und betont gleichzeitig, daß diese bildhafte Vorstellung für die Verfassungsmäßigkeit einer eigentumsrelevanten

III. Der Schutzumfang nach der Rechtsprechung des BVerfG

387

sie als Kollisionsregelungen zwischen den Rechtssphären der verschiedenen Privaten dem öffentlichen Interesse an einer sinnvollen Nutzung der durch die Rechtsordnung gewährleisteten Rechte der Privaten dienen 1457 , immer inhaltsbestimmend, so daß sich die Frage einer Entschädigung - jedenfalls nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 G G 1 4 5 8 - gar nicht stellen könne. Entgegen der herrschenden Meinung, die in diesen Fällen allein darauf verweist, daß eine Enteignung i. S. d. Art. 14 Abs. 3 GG unmittelbar auf einen staatlichen Hoheitsakt zurückfuhrbar sein müsse 1459 , postuliert er die Notwendigkeit, sich von der Fixierung auf das Gegensatzpaar Sozialbindung - Enteignung unter Berücksichtigung besonderer Anforderungen an die Beschaffenheit des Eingriffs 1460 wegen der fehlenden Aussagekraft des Merkmals Eingriff zu lösen. 1461 Vielmehr sei in zwei Schritten vorzugehen: Zunächst müsse geklärt werden, welcher Zweck die Minderung der Vermögenssphäre rechtfertige. Nach den unterschiedlichen, von Verfassungs wegen anerkannten Zielsetzungen, dem "materiellen Hintergrund" 1462 , ließen sich unterschiedliche Eingriffsarten unterscheiden (also ζ. B. polizeirechtliche, konfiskatorische, nachbarrechtliche, steuerrechtliche und enteignungsrechtliche Eingriffe 1463 ), bei denen wegen der unterschiedlichen Struktur der jeweiligen Ziel- und Zweckbestimmungen auch die Trennlinie zwischen entschädigungslos zu duldender staatlicher Behelligung und Entschädigungspflicht (allerdings nach Art. 14 G G 1 4 6 4 ) aufgrund unterschiedlicher Entschädigungskriterien zu ziehen sei. 1465 An dieser Stelle unterläuft dem Autor allerdings ein Bruch in der Argumentation. Anstatt im folgenden zu überprüfen, ob sich im konkreten Einzelfall eine saubere Trennlinie zwischen Enteignungen im technischen Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG und anderen Eingriffsarten finden läßt, verfällt er auf die Norm keinerlei rechtliche Bedeutung zukommen könne (Vgl. Eigentum und öffentliches Interesse, S. 55, 52). 1457 V g l m diesen! Gesichtspunkt dens., DVB1. 1965, S. 386, 390; femer Eigentum und öffentliches Interesse, S. 170 f., 230 ff. 1458

Eigentum und öffentliches Interesse, S. 117; Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 34 ff. 1459 V g l dazu die kritischen Ausführungen Schuttes, DVB1. 1965, S. 386, 389, wonach der Gesetzgeber zur Umgehung der strengen Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG statt hoheitlicher Einwirkungsbefugnisse zur Enteignung zugunsten privater unmittelbare Einwirkungsrechte konstruieren könne;ferner dens., Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 29 fif. 1460

Stichworte: Sonderopfer, Wesensgehalt, Situationsgebundenheit, Eingriffssschwere.

1461

Eigentum und öffentliches Interesse, S. 66.

1462

Eigentum und öffentliches Interesse, S. 312.

1463

Vgl. Eigentum und öffentliches Interesse, S. 64 f., 102 f., 312; Zur Dogmatik des Art. 14 GG,

S. 39.

25

1464

Vgl. Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 33,47.

1465

Vgl. Eigentum und öffentliches Interesse, S. 66,312; Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 47 f.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Idee, im weiteren nur eine Abgrenzung zwischen Administrativenteignung und anderen durch Verwaltungsakt erfolgenden Eingriffen zu untersuchen.1466 Nur am Rande beschäftigt sich der Autor denn auch mit der Frage, wie die von ihm kreierte enteignungsrechtliche Eingriffsart unmittelbar durch Gesetz sich von anderen Eingriffsarten, bei denen die Entschädigungspflicht aus Art. 14 GG folge, unterscheide, und gelangt dann noch zu verschiedenen Ergebnissen. 1467 Bei der anschließenden Differenzierung zwischen Administrativenteignungen und anderen durch Verwaltungsakt bewirkten Eingriffen geht Schulte zweigleisig vor. Zum einen verlangt er, daß ein derartiger Eingriff durch das Eingriffkriterium des öffentlichen Interesses an notwendigen sozialen Gestaltungen der Umwelt 1468 gerechtfertigt sein müsse, und zum zweiten, daß das ermächtigende Gesetz wegen der Bindung der Verwaltung durch das Erfordernis eines Plans und der Angabe der maßgeblichen dort zu berücksichtigenden Merkmale den Enteignungszweck bereits so weit wertend festgelegt haben müsse, daß die Verwaltung diesen letztlich nur nachvollziehend für die zu enteignenden Objekte konkretisiere. 1469 Als Beleg für den ersten Gesichtspunkt zieht Schulte u. a. die Tollwut-Entscheidung des BVerfG heran und erklärt, wegen des fehlenden Eingriffskriteriums der Enteignung bei solchen Maßnahmen der Gefahrenabwehr könne sich die Frage einer Entschädigung nach Art. 14 Abs. 3 in keinem Falle stellen.1470 Wenn auch die vorgestellte Gesamtkonzeption insbesondere durch die Ausklammerung des Abgrenzungsproblems Legalenteignung-Sozialbindung leidet, so bleibt der Verdienst des Autors, auch unter Heranziehung der eingangs erwähnten Rechtsprechung des BVerfG verdeutlicht zu haben, daß die Schwere des Eingriffs als der Minderung bestehender Rechtspositionen für sich bei der Einordnung in das Rege1466 V g j Eigentum und öffentliches Interesse, S. 66 Fn. 45 (!). 1467 Ygj Eigentum und öffentliches Interesse, S. 66 Fn. 45, S. 87 Fn. 58, wonach der Einzelaktstheorie des RG bei der notwendigen Differenzierung der Vorzug zu geben sei; Eigentum und öffentliches Interesse, S. 234 f. und Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 34, wonach darunter die Fälle der "klassischen Enteignung und ein Teil (!) der sogenannten Aufopferungsenteignung zu verstehen waren und sind", weil dieser Begriff den Schöpfern des Grundgesetzes bekannt gewesen und vorausgesetzt worden sei (zu dieser verfehlten Argumentationsfigur wegen des "Versteinerungseffekts" bei einer Überbetonung historischer Auslegung vgl. bereits die Ausführen auf S. 57 f.); Eigentum und öffentliches Interesse, S. 97, wonach eine Enteignung wegen ihres Charakters als aktiv gestaltende Maßnahme immer des konkret zu führenden Beweises eines öffentlichen Interesse bedürfe, so daß, da der Gesetzgeber in keinem Falle abstrakt durch die Bestimmung tatbestandlich fixierter Merkmale eine Enteignung zulassen könne, unmittelbar enteignende Gesetze nur als Einzeleingriffe mit im Gesetz konkret genannten öffentlichen Vorhaben denkbar seien (vgl. S. 312). 1468

Eigentum und öffentliches Interesse, S. 102 f.

1469

Eigentum und öffentliches Interesse, S. 87 fif.

1470 Eigentum und öfifentliches Interesse, S. 104 Fn. 92 Nr. 2; Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 35, 45.

III. Der Schutzumfang nach der Rechtsprechung des BVerfG

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lungsgefüge des Art. 14 GG ohne Beachtung des Verwendungszwecks keine ausschlaggebende Bedeutung haben kann. 1471

gg) Kritik an der Rechtsprechung des BVerfG

Angesichts der eher sporadischen Äußerungen des BVerfG zur Einteilung eigentumsrelevanter Gesetze und auf ihnen beruhender Einzelmaßnahmen in Inhaltsbestimmungen und Enteignungen fällt es nicht leicht, allein mit den Aussagen des Gerichts eine trennscharfe Definition der beiden Kategorien zu finden. Es bleibt an dieser Stelle daher die Aufgabe, die einzelnen Merkmale, die das Gericht - teilweise auch nicht widerspruchsfrei - zur Umschreibung der Enteignung gewählt hat, auf ihre Schlüssigkeit hin anhand der Struktur des Art. 14 GG zu überprüfen.

(1) Zum Merkmal des Rechtsentzugs

Teile der Literatur hatten in dem Merkmal des Entzugs als dem Ergebnis enteignender Maßnahmen die Lösung aller Probleme erblickt. Die herrschende Meinung war ihnen wenigstens insofern entgegengekommen, als bei einem Vollrechtsentzug einer bereits existenten Rechtsposition eine Vermutung für einen Enteignungsvorgang sprechen sollte. Über den Wortlaut des Begriffs "Enteignung" hinaus versuchten die Autoren diese formale Sichtweise mit einem Umkehrschluß aus Art. 14 Abs. 2 Satz. 2 GG zu begründen, wonach Regelungen, die die Sozialbindung des Eigentums konkretisierten, nur den Gebrauch betreffen dürften und das generelle Zuordnungsverhältnis unangetastet lassen müßten.1472 Die diesem Umkehrschluß

1471 ygj 1472

auch

Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 346 f. m. w. N.

Vgl. Schack, NJW 1954, S. 577, 579; dens., JZ 1958, S. 209; Haas, MDR 1951, S. 650, 651; Turner, JZ 1968, S. 250, 252; Hamann, Art. 14 GG (3. Aufl.), Anm. 5 c; Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, S. 80 Fn. 156. Bei näherem Hinsehen offenbart sich dagegen, daß Dürig als Begründer der Auffassung, wonach die Enteignung sich formal auf den Rechtsverlust begrenzen lasse, über das Wortlautargument hinaus keine Begründung für seine Ansicht geliefert hat. Seine Argumentation, wonach die Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG, soll sie dem Gesetzgeber nichts Unmögliches auferlegen, eine klare Trennbarkeit der Enteignung von anderen eigentumsrelevanten Maßnahmen verlange (JZ 1954, S. 4, 8; JZ 1955, S. 521, 522), mag für sich genommen schlüssig erscheinen (kritisch dagegen Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums,

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

unausgesprochene zugrunde liegende Annahme, Art. 14 Abs. 2 und Abs. 3 GG fixierten den Handlungsspielraum des Gesetzgebers abschließend, erfährt allerdings bereits durch die auch von diesen Autoren ohne weiteres akzeptierte Möglichkeit der polizei- und strafrechtlichen Einziehung erste Durchbrechungen. 1473 Es liegt daher nahe, daß die materielle Begrenzung auf Gebrauchsbeschränkungen ohne Entschädigung im Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG ähnlich wie die auf Berufsausübungsregelungen in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG keinesfalls "wörtlich" zu verstehen ist, sondern lediglich ein Gefälle in den Anforderungen an den legitimierenden Zweck verdeutlichen soll. 1474 Darüber hinaus erscheinen die Konsequenzen dieser formalen Sichtweise nicht mit der ratio der Eigentumsfreiheit, entweder die wirtschaftliche Betätigung oder die wirtschaftlichen Existenzgrundlagen zu sichern, vereinbar. Auf der einen Seite sollen Vollrechtsentzüge unabhängig vom Vermögenswert der betroffenen Rechtsposition durch eine Entschädigung zumindest wertmäßig kompensiert werden 1475 , auf der anderen Seite bleiben Nutzungsbeschränkungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise wesentlich stärkere Auswirkungen auf den geschützten Lebensbereich entfalten können, außer Betracht. Es kann nicht befriedigen, dem Gesetzgeber die Möglichkeit einzuräumen, das Entschädigungserfordernis durch eine geschickte Steuerung des rechtlichen Ergebnisses zu umgehen, sofern der Umfang des Entzugs tatsächlich das Kriterium zur Umschreibung der Enteignung wäre. Aber auch die von der herrschenden Meinung favorisierte Vermutung zugunsten einer Enteignung bei einem Vollrechtsentzug vermag nicht zu überzeugen, da sie in Art. 14 Abs. 3 GG keinen Anknüpfungspunkt findet. Wenn Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG in Einzelfällen bei Vorliegen besonderer öffentlicher Interessen einen Vollrechtsentzug vermögenswerter Positionen ohne Entschädigung gestattet, so müssen sich Enteignungen von dieser Kategorie durch ein zusätzliches Merkmal abschichten lassen.1476 Die Schwere der Minderung kann jedenfalls kein tauglicher Gesichtspunkt sein. Im übrigen widerspräche Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG, der die S. 63,91 f. mit Fa 64; ders., DÖV 1954, S. 587, 590), sagt aber nichts über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Kriteriums, das diese formale Trennung leistet, aus. 1473 Vgi die insoweit bemerkenswerte, weil thesenartige Einschränkung Dürigs, wonach "es - von der Störungsabwehr abgesehen - gleichgültig (sei), warum aus sonstigen Gründen des öffentlichen Interesses dieser Verlust eintritt, und ob und wem dieser Verlust auf der anderen Seite zugunsten kommt (JZ 1954, S. 4,10). Kritisch bereits dazu die Ausführungen auf S. 204 ff. 1474

Vgl. zu Art. 12 Abs. 1 GG BVerfGE 7,377, 400 ff.; femer BVerfGE 22, 387, 422 f.; 20, 351,

361 f. 1475 V g l ausdrücklich Dürig, JZ 1954, S. 4, 10 mit Fn. 38; Scheuner, in: Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63, 113; dens., DVB1. 1957, S. 516; Hamann (3.Aufl.), Art 14 GG, Anm. 6; oflfengelassen in BVerfGE 24,367,395. 1476 V g j Rjttstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 412 f.

III. Der Schutzumfang nach der Rechtsprechung des BVerfG

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Höhe der zu gewährenden Entschädigung regelt, einer solchen Differenzierung. Wäre diese nämlich zutreffend, müßte die Entschädigung so bemessen werden, daß nur der Teil des Vermögenswerts, der der Differenz vom Vollrechtsentzug zur entschädigungslos zu duldenden Beschränkung entspricht, abzugleichen wäre. Die Verfassung ordnet demgegenüber eine umfassende Abwägung der betroffenen Individual- und Gemeinwohlinteressen an.

(2) Zur Abgrenzung von privaten Eingriffsbefugnissen

Der nächste Problemkreis ergibt sich durch die vom Gericht vorgenommene Ausgrenzung von durch Gesetz gewährten Eingriffsbefugnissen Privater mit der Formel, eine Enteignung müsse "unmittelbar" auf hoheitlichem rechtsgestaltenden Handeln beruhen, wobei die Schaffung der gesetzlichen Eingriffsnorm als solche "zur Abgrenzung der Befugnisse (...) nicht an sich schon eine Enteignung (sei)" 1477 . Auffällig an dieser Rechtsprechung ist nicht so sehr ihr Ergebnis, sondern vielmehr das Verständnis von der Voraussetzung eines "unmittelbaren Eingriffs" in ein bestehendes vermögenswertes Recht. Sicherlich ist es korrekt, wenn man einem Enteignungsgesetz, das zu Administrativenteignungen ermächtigt, nicht selbst enteignenden Charakter zubilligt, weil die eigentumsmindernde Maßnahme durch den rechtsgestaltenden Verwaltungsakt im Einzelfall erfolgt. Zwar ist der betroffene Rechtsinhaber wegen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zugunsten der Behörde im Ergebnis gezwungen, den Erlaß des Verwaltungsakts zu dulden und den in ihm erhaltenen Befehl nachzukommen, trotzdem bedeutet diese durch Gesetz auferlegte "Pflicht" keine akute Minderung bestehender Rechtsbefugnisse, solange durch den konkreten Gestaltungsakt nicht auf das Zuordnungsverhältnis des Rechtsinhabers eingewirkt wird. 1478 Zweifelhaft ist allerdings, ob dieses Argument auch dann gilt, wenn das Gesetz allgemein und abstrakt die Voraussetzungen regelt, bei denen Private in Vermögenswerte Rechtspositionen anderer mindernd eingreifen können. In diesen Fällen legt das Gesetz durch die Fixierung der tatbestandlichen Voraussetzungen, ohne daß ein weiterer rechtsgestaltender Akt notwendig wäre, dem Rechtsinhaber als Kehrseite zum

1477 1478

BVerfGE 14, 263, 277.

Man könnte mit der Terminologie des BGH von einer dem Rechtsinhaber durch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage auferlegten "Duldungspflichtigkeit" sprechen, wohlwissend, daß eine solche Pflichtigkeit erst dann zu einer akuten Belastung wird, wenn sie sich durch Verwaltungsakt zu einer konkret angeordneten Pflicht verdichtet hat.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

Anspruch des Eingreifenden eine bereits akute Duldungspflicht auf und gestaltet damit das Rechtsverhältnis zwischen beiden bezüglich des Vermögenswerten Gegenstandes bereits um. 1479 In solchen Fällen stellt die Minderung der Rechtsstellung des betroffenen Inhabers durch die Auferlegung der Duldungspflicht bereits die eigentumsrelevante Maßnahme dar, der Vollzug des Anspruchs durch den Real- oder Rechtsakt des eingreifenden Dritten, der die zwar noch vorhandenen Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeiten des Rechtsinhabers dann beseitigt, bedeutet demgegenüber keinen weiteren Minderungsakt, da geschütztes Eigentum als Rechtsposition gegenüber dem Eingreifenden bereits mit der Auferlegung der Duldungspflicht nicht mehr vorhanden war. Nur mit dieser Sichtweise läßt sich im übrigen erklären, warum das BVerfG die polizeiliche Anordnung der Tötung seuchenverdächtiger Tiere gemäß § 39 des Viehseuchengesetzes und nicht den eigentlichen Tötungsakt als unmittelbaren Entzug der Sachsubstanz als möglicherweise enteignende Maßnahme angesehen hat. 1480 Die Ausblendung der Normen, die Eingriffsbefugnisse Privater in bestehende Rechtspositionen gestatten, aus dem Abgrenzungsproblem zwischen Enteignung und Inhaltsbestimmung läßt sich also nicht ohne weiteres mit einer fehlenden immittelbaren Eingriffsqualität begründen. 1481

(3) Zur Differenzierung

nach dem verfolgten

Ziel

In der Literatur wurde der Ansicht Schuhes, zu Administrativenteignungen ermächtigende Gesetze könnten von anderen, die "lediglich" Verwaltungsakte 1479 Vgl. bereits § 194 Abs. 1 BGB als Legaldefinition des rechtlichen Abspruchs als bereits aktuelles Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen, wobei das Dulden einen Unterfall des Nichthandeins darstellt (vgl. dazu PalandtJHeinrichs, § 194 BGB, Rdnr. 1).

1480 V g l BVerfGE 20, 351, 356, 358, 362, weil das Viehseuchengesetz als Grundlage der strittigen Maßnahmen einen Eingriff in die Rechtssphäre des betroffenen Rechtsinhabers nur durch die Anordnung der späteren Tötung gestattet. Vgl. femer BVerfGE 24, 367, 394, wonach Kennzeichen der Enteignung neben dem Vermögensverlust eben auch der Rechtsverlust sei, so daß, soll die Enteignung rechtmäßig sein, eine Minderung der Rechtsbeflignisse des Enteigneten durch einen rechtsgestaltenden Akt erfolgen müsse. 1481 Ygj m diesem Gedankengang auch Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, S. 125 f., der in diesem Zusammenhang darauf verweist, daß bei der Beeinträchtigung anderer geschützter Freiheitsbereiche durch Verwaltungshandeln der eigentlichen faktischen Beeinträchtigung ein Verwaltungsakt der zuständigen Behörde vorausgeht, der dem Betroffenen eine Duldungspflicht auferlegt und bereits als Eingriff zu qualifizieren ist. Ein anschauliches Beispiel in dieser Richtung bietet das Polizeirecht (vgl. zu der Notwendigkeit, bei Eingriffen in Freiheit und Eigentum durch Realakt auch eine Duldungsverfügung zu erlassen, Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 143; ferner v. Münch, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2, Rdnr. 45 f.).

III. Der Schutzumfang nach der Rechtsprechung des BVerfG

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mit inhaltsbegrenzender Rechtsfolge legitimieren, nach der Art des öffentlichen Interesses getrennt werden, heftig mit der Bemerkung widersprochen, der Begriff der Enteignung i. S. d. Art. 14 Abs. 3 GG könne nicht mit seinen Zulässigkeitsvoraussetzungen umschrieben werden, ohne in einen Zirkelschluß zu verfallen. 1482 Selbst wenn diese Kritik zutreffend wäre, könnte man sie keinesfalls gegen die vom Gericht angedeutete Differenzierung verwenden. Die Enteignung unterscheidet sich eben gerade nicht von der Inhaltsbestimmung durch das Erfordernis eines legitimierenden Zwecks als einer gemeinsamen Zulässigkeitsbedingung, sondern in der Motivationslage des objektivierten Willens des eigentumsrelevanten Gesetzes, die sich bei Enteignungen in einer lediglich mittelbaren Beziehung zwischen Enteignungsgegenstand und verfolgtem Ziel niederschlägt.

e) Das Merkmal der Sozialpflichtigkeit

Bei der Darstellung der Rechtsprechung des BGH zum Umfang des Schutzbereichs der Eigentumsfreiheit wurde ein Hauptaugenmerk auf die vom Gericht aus Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG entwickelte Sozialpflichtigkeitslehre gelegt, mit deren Hilfe Minderungen des bestehenden Bestands eigentumsrelevanter Befugnisse durch oder auf Grund einfachen Gesetzes als bloße inhaltliche Konkretisierungen sich "aus der Natur der Sache" "für einen vernünftigen Eigentümer" bereits ergebenden Sozialpflichtigkeiten charakterisiert werden konnten. Angesichts der Selbstveständlichkeit und der damit verbundenen unverhohlenen Kritik des BVerfG an dieser Rechtsprechimg im Naßauskiesungsbeschluß1483 überrascht die Erkenntnis schon, daß das Gericht in früheren Entscheidungen1484 die damalige herrschende Auffassung, wonach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG auch den Rechtsinhaber direkt zur Rücksichtnahme gegenüber den öffentlichen Interessen auch ohne einfachgesetzliche Konkretisierung

1482 V g l Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, S. 138 Fn. 382 a.E., S. 139 Fn. 383; Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 282; femer zu dieser Trennung Schneider, Verw. Arch. 58 (1967), S. 301, 308; Buschke/Kloepfer, NJW 1971, S. 1233,1234·, Battis, NJW 1971, S. 2593. 1483

Vgl. BVerfGE 58, 300, 329, 338 f. Femer die Kritik des Berichterstatters Böhmer, NJW 1988, S. 2561, 2572fif.; dens., Der Staat 24 (1985), S. 157,159 f., 193 mit Fn. 113. 1484

Insbesondere im Beschluß über das Grundstücksverkehrsgesetz; BVerfGE 21, 73 fif.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

verpflichte, übernommen hatte.1485 Zur Kritik an dieser Deutung des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG über eine materielle Richtschnur für den inhaltsbestimmenden Gesetzgeber hinaus kann ohne weiteres auf die obigen Ausführungen 1486 verwiesen werden.1487

2. Die Bestimmung des Kreises inhaltsbestimmender Gesetze

Der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit setzt nach Auffassung des BVerfG zwingend die Ausgestaltung durch die Rechtsordnung voraus; Eigentum als rechtlich verfestigtes Gut ist ohne die gesetzliche Zuordnung des Vermögenswerts und der mit ihm verbundenen Befugnisse gegenüber anderen nicht denkbar. Würde man diese Prämisse wirklich ernst nehmen - und die herrschende Meinung nimmt sie insofern ernst, als sie die Einheit von Inhalt und Schranken betont und eine Eingriffsqualität solcher Rechtsnormen leugnet1488 - wäre die Frage, wann gesetzliche Bestimmungen einen eigentumsrelevanten Inhalt haben, einfach beantwortet: Da Eigentum als Recht die Herrschaftsbefugnisse des Inhabes eines Vermögenswerten Gutes gegenüber einzelnen oder der Allgemeinheit regelt 1489, könnten auch nur solche Normen, die dieses Beziehungsgeflecht verändern, eigentumsbestimmend wirken. Danach ständen nur solche Nonnen auf dem "Prüfstand" des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die in ihrer Rechtsfolge dem Eigentümer zusätzliche Pflichten auferlegen, neue Berechtigungen schaffen oder zu solchen rechtsgestaltenden Akten ermächtigen, während die Zulässigkeit anderer gesetzlicher Bestimmungen, die nur wirtschaftlich, aber eben nicht unmittelbar rechtlich auf diese private Vermö-

1485 Vgl. BVerfGE 21, 73, 83: "Anweisung für das konkrete Verhalten des Eigentümers"; 20, 351, 361 zur dem Sacheigentum immanenten Sozialbindung der Vemichtungsbefiignis der öffentlichen Hand bei erheblichen Gefahren für die öffentliche Gesundheit. 1486

Vgl. oben S. 188 fif.

1487

Zweifelhaft ist dagegen die Kritik Böhmers an denjenigen, die Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG als immanente Sozialbindung deuten, unter Hinweis auf BVerfGE 21, 73, 79 mit dem an sich richtigen Ansatzpunkt, das Rechtsstaatsprinzip mit seiner Ausprägung der Bestimmtheit von Normbefehlen stehe dem entgegen. Gerade in dieser Entscheidung erklärte das BVerfG nämlich, daß Art. 14 Abs. 2 GG auch eine unmittelbare Wirkung gegenüber dem Rechtsinhaber entfalte. 1488

Vgl. nur eindrucksvoll bereits Bidder, WDStRL 10 (1952), S. 124, 137 Fn. 47; Böhmer, AgrarR 1984, Beilage I, S. 2, 10, 12; dens., NJW 1988, S. 2561, 2573, wonach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nur deklaratorisch sei; Schoch, Jura 1989, S. 113, 116, 119 f. 1489 V g l ergehend ΛMischerà, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 31; ferner Böhmer, NJW 1988, S. 2561, 2566 f.

III. Der Schutzumfang nach der Rechtsprechung des BVerfG

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genssphäre einwirken, unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ungeklärt wäre. 1490 Dieses offensichtlich der Abwehrfunktion der Eigentumsfreiheit widersprechende Ergebnis 1491 wird in der Praxis weder vom BVerfG noch in der Literatur gezogen: Selbst die teilweise vorgeschlagene Einbeziehung des Vermögens als Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, um so die Auferlegung einer Abgabenverbindlichkeit als Rechtsfolge der Erfüllung von Abgabentatbeständen unter Art. 14 Abs. 1 GG fassen zu können 1492 , führt in dem Moment nicht weiter, in dem an das Innehaben oder Nutzen einer eigentumsfähigen Rechtsposition andere negative Konsequenzen als Rechtsfolge geknüpft werden. 1493 Das BVerfG hat sich mit Äußerungen zur Einbeziehung indirekter Belastungen der Eigentumssphäre in den Schutzbereich zurückgehalten. Es seien hier daher die wenigen Passagen, die sich ansatzweise mit diesem Problem beschäftigen, kurz referiert: 1490 So aber konsequent Schneider, Verw. Arch. 58 (1967), S. 197, 207, 215 Fn. 32. Vgl. zu dieser Art der Argumentation im Bereich des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG AK-Rittstieg, Art. 12 GG, Rdnr. 85, wonach Subventionsregelungen gegenüber dem nicht begünstigten Wettbewerber dem Anwendungsbereich der Berußfreiheit unterfallen sollen, obwohl sie die Berufsausübung der Nichtsubventionierten nicht selbst "regeln". 1491 Man bedenke nur die Alternativen des Gesetzgebers, um ζ. B. die Benutzung von Kriegsspielautomaten zu verhindern: Entweder er verbietet die Nutzung eines solchen Geräts, wirkt somit unmittelbar eigentumsbestimmend in die Rechtsstellungen der Eigentümer ein. Oder aber er belastet die Eigentümer mit einer erheblichen Steuerschuld, die die rechtlich zulässige Nutzung wirtschaftlich unmöglich macht. 1492

Vgl. nur die Nachweise bei v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), S. 286, 300 Fn. 54; v. UiXnch/Bryde, Art. 14 GG (4.Aufl.), Rdnr. 23; BK-Kimminich (4.Bearb.), Art. 14 GG, Rdnr. 60. 1493 Verdeutlicht werden soll dieser Mechanismus an den Regelungen der sog. "Berufsverbote im öffentlichen Dienst": Nach der Rechtsprechung des BVerfG stellt die Weigerung, einen Bewerber wegen seiner geäußerten radikalen Meinung zum Beamten zu ernennen oder einen solchen Beamten zu entlassen, neben einem Eingriff in Art. 12 Abs. 1, 33 GG wegen der Rechtsfolge einer entsprechenden Verfügung auch einen Eingriff in die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG dar, da die berufsregelnde Rechtsfolge tatbestandlich an Voraussetzungen gebunden ist, die unter deren Schutzbereich fallen, somit eine indirekte Sanktion vorliegt (vgl. BVerfGE 39, 334, 360 ff; DVB1. 1981, 1053, 1054). Daß auch eine andere Sichtweise möglich ist, zeigen die Stellungnahmen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu diesem Problemfeld im Rahmen der Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK, wonach dieses Menschenreht nicht berührt werde, weil die Frage des Zugangs zum öffentlichen Dienst im Vordergrund stehe und die vom Betroffenen geäußerten Meinungen nicht staatlich behindert, sondern nur zur Überprüfung der Eingangsvoraussetzungen herangezogen worden seien (EuGRZ 1986, S. 497, 505; EuGRZ 1986, S. 509, 515; Cremona, abw. Meinung in EuGRZ 1986, S. 505; ders., EuGRZ 1986, S. 515; Spielmann, abw. Meinung in EuGRZ 1986, S. 506; ders., EuGRZ 1986, S. 516). Anderer Auffassung die Europäische Kommission für Menschenrechte (EuGRZ 1983, S. 411, 413; dies., zit. bei Bleckmann, EuGRZ 1983, S. 415, 426) mit der Erwägung, auch solche negativen Maßnahmen, die die Meinungsäußerung nicht direkt behindern, sich aber auf die geäußerte Meinung ursächlich zurückführen ließe, seien Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 EMRK. Diese Rechtsprechung ist umso gravierender, als die EMRK im Gegensatz zu Art. 12 GG keinen Schutz der Berufsfreiheit garantiert.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

- Der mittelbare und überdies nur wirtschaftlich spürbare Zwang zur unrentablen Aufgabe vermögenswerter Rechte infolge einer gesetzlichen Regelung, die dem Rechtsinhaber finanzielle Belastungen durch eine Zwangsmitgliedschaft auferlegt, stellt keine Eigentumsverletzung dar. 1494 - Die Pflicht eines Unternehmens zur Bevorratung von Erdölerzeugnissen berührt, da sie vorrangig an seine gewerbliche Tätigkeit anknüpft, nicht in jedem Fall den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit, obwohl sie nur mit den persönlichen und sachlichen Kräften des Unternehmens erfüllt werden kann. 1495 - Die Auferlegung einer Geldleistungspflicht ist dann unabhängig von der Schwere der bewirkten Belastung1496 eigentumsrelevant, wenn der Abgabentatbestand von seiner Ausgestaltung her "in einen unlösbaren Zusammenhang" mit einer anderen eigentumsrelevanten Maßnahme steht.1497 - Durch die im Kleingartenrecht verankerten weitgehenden Beschränkungen der Nutzungsbefugnisse des Grundeigentümers wird dessen Veräußerungsbefugnis zwar nicht rechtlich, aber "im praktischen Ergebnis" aufgehoben, weil "Grundstücke, die an Kleingärtner verpachtet sind, in der Regel weder einen Kaufinteressenten fänden noch beliehen werden könnten".1498 - Durch die den Züchtervereinigungen nach dem Tierzuchtgesetz 1976 zugebilligte Befugnis, ihnen vorgestellte Hengste nicht in das von ihnen geführte "Zuchtbuch" einzutragen zu müssen, wird die Entscheidimgsfreiheit des Eigentümers, sein Tier zur Zucht einzusetzen, beschränkt. "Da die Nachkommen eines nicht im Zuchtbuch eingetragenen Hengstes ihrerseits (gem. § 3 TierZG 1976) nicht gekört werden (können, ist) es so gut wie ausgeschlossen, daß der Hengst zu Zuchtzwecken verwendet (wird)." 1499 In der Literatur wird das Problem der indirekten Belastungen des Bürgers in dem jeweiligen geschützten Lebensbereich unter dem Problem der mittelbaren Grundrechtstangierung diskutiert. 1500 Man könnte bereits an der begrifflichen

1494

BVerfGE 10, 354, 371 gegen die Ansicht des Beschwerdeführers auf S. 358.

1495

BVerfGE 30, 292, 335.

1496

Zu diesem mehrdeutigen Ansatz vgl. bereits die Ausführungen auf S. 235 fif.

1497

Vgl. BVerfGE 34,139,145 f.; femer 55,249, 257 f.; 58, 137, 144 f.

1498

BVerfGE 52,1, 31 (Hervorhebung im Original); bestätigt durch BVerfGE 87,114, 141.

1499

BVerfGE 88, 366, 377.

1500

Vgl. nur Kirchhof, WDStRL 39 (1981), S. 213, 238; Schmidt-Bleibtreu/Schäfer, DÖV 1980, S. 489,493; Friauf DVB1. 1971, S. 674,680; Lerche, Werbung und Verfassung, S. 108;

III. Der Schutzumfang nach der Rechtsprechung des BVerfG

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Unterscheidung "unmittelbar - mittelbar - nicht mehr ausreichend mittelbar" zur Umschreibung der als notwendig erachteten Verknüpfung zwischen staatlicher Maßnahme und Tangierung eines grundrechtlichen Schutzbereichs als Erfolg wegen der allenthalben in der gesamten Rechtswissenschaft beklagten Unbestimmtheit und Konturlosigkeit dieses Begriffs, der mehr verdunkelt und dogmatische Sicherheit verspricht, als er letztlich halten kann,1501 Kritik üben. Diese Kritik würde allerdings zu kurz greifen, da der Begriff der Unmittelbarkeit bzw. Mittelbarkeit nur den notwendigen Akt und Beschränkungserfolg als Sammelbegriff kennzeichnet und es im im folgenden nur darauf ankommen kann, ihn und die maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte zu seiner Umschreibung entsprechend dem Zweck des Erfordernisses im konkreten Anwendungsbereich zu bestimmen.1502 a) Möglichkeiten einer Tangierung der privaten Vermögenssphäre durch oder auf Grund einfacher Gesetze

Bevor die maßgeblichen Kriterien zur Bestimmung eigentumsrelevanter Gesetze bzw. auf ihnen fußender Einzelmaßnahmen diskutiert werden können, sollte man sich - was leider kaum geschieht - erst einmal einen Überblick verschaffen, wie denn der Gesetzgeber auf den durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Freiheitsbereich überhaupt einwirken kann, um dann zu überlegen, mit welchen Kriterien die Fälle, die nach dem Zweck der Eigentumsfreiheit als nicht abwehrbedürftig oder -würdig erscheinen, ausgeschieden werden können.

dens., DÖV 1961, 486, 490; Vogel, WDStRL 24 (1967), S. 125, 151ff.; Breuer, in: HbStR, Bd. 6, § 148, Rdnr. 30 f. m. w. N. in der Fn. 140. 1501 V g l angemein m diesem Befund Nipperdey, NJW 1967, S. 1985, 1990; Bender, Staatshaftungsrecht (2. Aufl.), Rdnr. 100 mit Fn. 148; Weyers, YL 1991, S. 999 ff; Schwabe, DVB1. 1988, S. 1055ff; Bleckmann/Eckhoff, DVB1. 1988, S. 1057, 1058; femer zu diesem Merkmal im Enteignungs- und Aufopferungsrecht Wagner, NJW 1966, S. 569ff ; Bender, Staathaftungsrecht, Rdnr. 100 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 153 ff; Maunz-Dürig/Pap/er, Art. 14 GG, Rdnr. 453ff; Olivet, NVwZ 1986, S. 431, 434; Rüfner, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52 Rdnr. 62. 1502 Vg| zur näheren Begrenzung des Merkmals der Unmittelbarkeit bei enteignenden Maßnahmen Wagner NJW 1966, 569, 572 f., der zwischen sachlicher und personeller Mittelbarkeit trennt; andere Zurechnungsgesichtspunkte finden sich bei Olivet, NVwZ 1986, S. 431, 437; ähnlich MaunzOùùg/Papier, Art. 14 GG, Rdnr. 455; zur Abgrenzung der Unmittelbarkeit bei der Aufopferung Bender, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 120; Rüfner, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52 Rdnr. 71; Badura, in: Handbuch des Verfassungsrechts, S. 653, 680 für den aus dem Aufopferungsgedanken im StHG erfaßten enteignungsgleichen und enteignenden Eingriff.

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C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

aa) Eigentumsbezug auf der Rechtsfolgen- und Tatbestandsseite des Gesetzes Der eindeutigste Fall einer Inhaltsbestimmung liegt dann vor, wenn für die Zukunft das Innehaben, die Nutzung oder Verwertung eines Vermögenswerten Rechts neu definiert und d. h. meistens für die Alteigentümer geschmälert wird. 1503 Die Eigentumsrelevanz ergibt sich unzweifelhaft aus der Tatsache, daß an das Innehaben eines eigentumsfähigen Rechts als tatbestandlicher Voraussetzung eine ohne weiteres eintretende Minderung der Herrschaftsbefugnisse geknüpft ist.

bb) Eigentumsbezug nur auf der Rechtsfolgenseite des Gesetzes

Schwieriger sind die Fälle zu beurteilen, in denen auf Rechtsfolgenseite eine Begrenzung von Eigentümerbefugnissen vorgesehen wird, die aber von ihren Voraussetzungen her nicht an Gegebenheiten der Eigentumssphäre anknüpfen. Als Beispiel kann auf die Statuierung von Geldleistungspflichten, die von ihrem Steuertatbestand nicht an die Verwertung, die Nutzung oder das Innehaben von Eigentum, sondern ζ. B. an die Erzielung von Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit anknüpfen, verwiesen werden, sofern man mit der Literatur "das Vermögen als solches" als vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG umfaßt ansehen will. Das BVerfG hat sich zu dieser Fallkonstellation im Bereich der Eigentumsfreiheit noch nicht explizit geäußert; insbesondere die Passage in der Entscheidung zur Bevorratungspflicht der Unternehmer, die Erdölerzeugnisse einführen oder aus eingeführtem Erdöl herstellen, wonach wegen der Anknüpfung der Verpflichtung an die Tätigkeit des Unternehmers grundsätzlich nur die Berufsfreiheit tangiert sei 1504 , kann nicht als Leugnung einer Eigentumsrelevanz auch dieser Maßnahme gesehen werden, denn das Gericht läßt ausdrücklich offen, ob daneben ein Eingriff in die Substanz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bei genügender Intensität der auferlegten Handlungspflicht denkbar sei.

1503

Bsp: BVerfGE 8,72 ff.

1504

BVerfGE 30,292,335.

III. Der Schutzumfang nach der Rechtsprechung des BVerfG

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cc) Eigentumsbezug nur auf der Tatbestandsseite des Gesetzes Am häufigsten wird in der Literatur die Konstellation diskutiert, in der der Gesetzgeber unmittelbar an die Innehabung oder Nutzung einer Vermögenswerten Rechtsposition Rechtsfolgen knüpft, die entweder einen gänzlich anderen Lebensbereich betreffen oder im Fall der Abgabenpflicht nur einen entfernten Bezug zur Vermögenssphäre des einzelnen aufweisen. Als weitgehend geklärt dürfte in diesem Zusammenhang der Fall gelten, in dem der Gesetzgeber zur gezielten Beeinflussung des Verhaltens des Rechtsinhabers1505 nicht auf ein unmittelbar wirkendes Handlungsge- oder -verbot zurückgreift, sondern - quasi als minus - unter Aufrechterhaltung des rechtlichen Dürfens durch indirekt wirkende Belastungen das wirtschaftliche Können begrenzt. Diese im Vergleich zu den rechtlichen Begrenzungen milder wirkenden indirekten Verhaltensanweisungen tangieren unter Berücksichtigung der ratio des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, als Freiheitsgrundrecht eine möglichst ungestörte Privatsphäre zu ermöglichen, ebenfalls dessen Schutzbereich.1506 Auch das BVerfG ordnet solche verhaltenslenkenden, aber nicht erzwingenden staatlichen Maßnahmen auf dem Gebiet der privaten Vermögenssphäre dem Regelungsbereich der individuellen Eigentumsfreiheit zu. 1507 Von diesem Grundfall aus ergeben sich im einzelnen umstrittene Grenzbereiche, indem die unstreitig für ausreichend erachtete, innerhalb der tatbe-

1505 \yj e diese Finalität zwischen Regelungsgehalt und Erfolg zu ermitteln ist, ist mittlerweile als geklärt anzusehen. Während Selmer (Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 66) neben einer in der Norm durch Auslegung zu ermittelnden objektiven Lenkungstendenz ein subjektives Planelement des historischen Gesetzgebers, das aus den Gesetzesmaterialien abzuleiten sei, fordert, bestimmt die herrschende Meinung dieses Merkmal ausschließlich aus der Norm selbst und zieht die Gesetzesmaterialien nur im Rahmen ihrer historischen Auslegung zur Unterstützung des gefundenen Ergebnisses heran (vgl. Friauf, DVB1. 1971, S. 674, 681; Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 20 ff., 135 m. w. N.; dens., NJW 1980, S. 2111, 2114 f.; Schmidt-Bleibtreu/Schäfer, DÖV 1980, S. 489, 493. 1506 Vgl. nur Kirchhof JZ 1979, S. 153, 157; Schmidt-Bleibtreu/Schäfer, DÖV 1980, S. 489, 493; von der Heydte, in: FS für Paulick, S. 267, 274; Friauf DVB1. 1971, S. 674, 681; Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 132 ff.; v. Armin, VVDStRL 39 (1981), S. 286, 329ff.; Vogel, BayVBl. 1980, S. 523, 525; Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem; S. 404 ff. Wenn dagegen Kutschera (Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 46) behauptet, ein Steuergesetz, das die Innehabung eines Vermögenswerten Rechts zum steuerpflichtigen Umstand erklärt, könne u. U. die "Entscheidungszuständigkeit des Steuerpflichtigen gerade in Bezug auf das einzelne Vermögenswerte Recht" nicht schmälern, so verkennt er, daß mit einer Zahlungspflicht zumindest ein wirtschaftlicher Druck verbunden ist, das Vermögensgut abzugeben.

1507 Ygi BVerfGE 55, 249, 257 f., die einem eigentumsrelevanten Handlungsverbot die milder wirkende, aber dennoch den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG tangierende Möglichkeit gegenüberstellt, eine Genehmigung mit einer Abgabenpflicht zu verbinden.

C. Entwicklung der Diskussion bis zum Naßauskiesungsbeschluß 1981

standlichen Voraussetzungen verankerte Finalitätsbeziehung zwischen staatlicher Maßnahme und angestrebtem eigentumsrelevantem Handlungserfolg weiter reduziert wird. Zum einen sind die Konstellationen zu untersuchen, in denen der Gesetzgeber zwar vom Tatbestand her unmittelbar an ein eigentumsrelevantes Verhalten oder einen entsprechenden Zustand anknüpft, um mit ihm eine nichteigentumsrelevante Rechtsfolge auszulösen, er allerdings diesen Bezugspunkt nicht zur Lenkung des Verhaltens des Rechtsinhabers, sondern nur zur exakten Beschreibimg der Voraussetzungen für die Rechtsfolge gewählt hat. Hauptbeispiele für diese Situation bilden die Ertrags- und Besitzsteuern, die in der Regel ausschließlich fiskalischen Interessen dienen, trotzdem an eigentumsrelevante Umstände anknüpfen. 1508 Auch in diesem Falle stellt sich die Besteuerung aus der Sicht des betroffenen Rechtsinhabers als auf der Innehabung oder Nutzung seiner Position beruhende indirekte Belastung dar, die ihn vor die Alternative stellt, entweder den besteuerten Umstand zu unterlassen oder eine wirtschaftliche Einbuße hinzunehmen.1509 Während die Literatur zumeist die faktisch wirkende Betroffenheit des Bürgers bezüglich seiner privaten Vermögenssphäre für ausreichend erachtet, um die Überprüfung der Steuernorm anhand des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu erreichen 1510, lehnten einige Autoren wegen der fehlenden zielgerichteten Anknüpfung gerade an das eigentumsrelevante Verhalten die Anwendung des speziellen Freiheitsgrundrechts ab und verwiesen stattdessen auf Art. 2 Abs. 1 GG, teilweise unter "Anreicherung" des dortigen Kontrollmaßstabs mit der objektiven Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. 1511

1508 ygj dazu § 3 Abs. 1 S. 1 AO mit dem Merkmal der Einnahmeerzielungsabsicht zur Umschreibung des Steuerbegriffs; femer zum Verhältnis zu § 3 Abs. 1 S. 2 AO Hübschmann/ Hepp/Spitaler-£p